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German Pages 1330 [1333] Year 2015
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 188
Jan Lieder
Die rechtsgeschäftliche Sukzession Eine methodenpluralistische Grundlagenuntersuchung zum deutschen Zivilrecht und Zivilprozessrecht sowie zum Internationalen und Europäischen Privatrecht
Mohr Siebeck
Jan Lieder, geboren 1979; Studium der Rechtswissenschaft in Jena und Cambridge (USA); 20032013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; 2006 Promotion; 2009 LL.M. (Harvard Law School); 2010 Attorney-at-Law (New York); 2013 Habilitation; 2014 Universitätsprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-153034-0 ISBN 978-3-16-152911-5 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2015 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Garamond gesetzt, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für Claudia, Emilia und Julius
Vorwort Die Mobilität von Vermögenspositionen ist in der modernen Wirtschaftspraxis von zentraler Bedeutung. Tagtäglich werden Forderungen, Schulden, ganze Vertragsverhältnisse sowie bewegliche und unbewegliche Sachen im Rahmen nationaler und grenzüberschreitender Transaktionen übertragen. Die vorliegende Arbeit möchte einen methodenpluralistischen Grundlagenbeitrag für ein ganzheitliches Verständnis des rechtsgeschäftlichen Sukzessionsrechts leisten und es in seiner vollen Breite vermessen. Dazu war es notwendig, neben dem Bürgerlichen Recht auch das Zivilprozessrecht sowie das Internationale Privatrecht und vor allem auch das Europäische Privatrecht in die Betrachtung einzubeziehen. Auch wenn es die umfangreiche Schrift prima vista nicht vermuten lässt, hat mir die Bearbeitung des Themas stets große Freunde bereitet. Möge es dem geneigten Leser ebenso ergehen. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2013 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Habilitationsschrift angenommen und befindet sich auf dem Stand Anfang Januar 2014. Die Arbeit wäre ohne eine ganze Reihe von Menschen nicht möglich gewesen. Zuallererst danke ich meinem verehrten akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Walter Bayer, der sich von Anfang an für das von mir vorgeschlagene Thema begeistern konnte. Er hat nicht nur die Entstehung der Arbeit nach Kräften gefördert, sondern war mir in meiner 10-jährigen Assistentenzeit stets ein umsichtiger Impulsgeber, kluger Gesprächspartner und loyaler Förderer. Dank schulde ich außerdem Frau Prof. Dr. Giesela Rühl, LL.M. für die Erstellung des Zweitvotums. Darüber hinaus danke ich der gesamten Fakultät für einen zügigen und in jeder Hinsicht vorbildlichen Ablauf des Habilitationsverfahrens und die gute Zusammenarbeit während meiner Jenaer Zeit. Danken möchte ich weiterhin allen Mitarbeitern des Lehrstuhls für die Unterstützung und viele gute Jahre. Für die Korrektur der Arbeit danke ich Nikolaus Koch sowie den Assistenten meines Kieler Lehrstuhls Philipp Hohmann und Daniel Berneith sowie den studentischen Mitarbeitern Timo Andrasch, Sven Handels, Bernhard Krüger, Jasmin Lassen, Constanze Lüdtke und Nima Sattarzadeh. Dank sagen möchte ich weiterhin dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort für die großzügige Übernahme der Druckkosten sowie der Esche Schümann Commichau Stiftung für die Auszeichnung dieser Arbeit mit dem gleichnamigen Preis. Aufrichtiger Dank gebührt schließlich meiner Familie. Meine Frau Claudia hat sich nicht nur der Mühe der Korrektur unterzogen, sondern auch ihre eige-
VIII
Vorwort
nen Ansprüche zugunsten einer zügigen Fertigstellung dieser Arbeit aufgeschoben. Zugleich hatte sie die Hauptlast der Erziehung unserer Kinder Emilia und Julius zu tragen, bei denen ich mich für ihre Geduld und ihr Verständnis bedanke. Für ihre bedingungslose Unterstützung bedanke ich mich zum Schluss besonders herzlich bei meiner Mutter Susanne Lieder; und auch bei meinen Schwiegereltern Cornelia und Ulrich Schwennicke möchte ich mich für ihre beispielhafte Unterstützung herzlich bedanken. Kiel, im Oktober 2014
Jan Lieder
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII XI
1. Teil Einleitung und Grundlagen 1 § 1 Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
2
. . . . . . . . . . . . . . .
20
§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
2. Teil Prinzipien des materiellen Sukzessionsrechts 81
1. Kapitel: Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
§ 6 Einigungsprinzip
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264
§ 8 Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . .
296
§ 9 Prinzip der Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325
§ 10 Publizitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
442
§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
545
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Kapitel: Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession . .
566
§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
. . . . . . . . . . . . . . . .
567
§ 14 Akzessorietätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
592
§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
618
X
Inhaltsübersicht
3. Kapitel: Prinzipien der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession . . .
713
§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession . . .
714
§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession § 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
. . . . .
752
. . . . . . . . . . . .
781
3. Teil Zivilprozessuale Implikationen der Sukzession 819 § 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands . . . . . . . . . . . .
820
§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
. . . . . . . . . . . . . .
891
§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger . . . . . . . . . . . . .
916
4. Teil Kollisionsrechtliche Implikationen der Sukzession 925 § 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession . . . . . . . . . . . . .
927
§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
985
§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
. . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . 1006
5. Teil Die Sukzession im Europäischen Privatrecht 1049 § 25 Die europäische Forderungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050 § 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . 1098 § 27 Die europäische Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1119 Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1209 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1287
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V IX
1. Teil
Einleitung und Grundlagen 1
§1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
I. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung des Europäischen Privatrechts . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Bedeutung des Sukzessionsrechts . . . . . . 3. Forschungslücke: Mobilisierung von Vermögenspositionen
. . . .
. . . .
. . . .
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2 2 4 5
II. Methoden der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung von Rechtsregeln und Rechtsprinzipien b) Bedeutung und Funktion von Rechtsprinzipien . . . . . c) Struktur- und Wertungsprinzipien . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
6 7 10 11 12 13 14 14 15 17
III. Gegenstand und Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . .
18
IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
§2
Begriff, Zuordnung und Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . I. Definition des Nachfolgebegriffs . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sukzessionslehre v. Savignys . . . . . . . . . . . . 2. Von der Pandektenwissenschaft zur Gegenwart . . . 3. Stellungnahme und Folgerungen . . . . . . . . . . . .
II. Zuordnung von Vermögenspositionen . . . 1. Die Sukzession als Zuordnungsproblem 2. Prinzip der absoluten Rechtszuordnung 3. Dichotomie der Vermögenspositionen .
. . . .
. . . .
. . . .
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20
. . . .
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. . . .
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20 21 22 24
. . . .
. . . .
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. . . .
. . . .
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. . . .
26 26 27 30
XII
Inhaltsverzeichnis
III. Phänomenologie der Sukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Singular- und Universalsukzession . . . . . . . . . . . . . . a) Singularsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Universalsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Translative und konstitutive Sukzession . . . . . . . . . . a) Translative Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konstitutive Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wandlungen der Eigentumskonzeption . . . . . . . bb) Abspaltungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erscheinungsformen beschränkter dinglicher Rechte dd) Konstitutive Nachfolge in Forderungen und Rechte 3. Akzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
33 33 34 36 37 38 38 39 41 42 44 48
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
§3
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
I. Begriff der ökonomischen Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . .
50
II. Blick in die Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte . . . . . . . . .
51
III. Fundamentalkritik und Würdigung . . . . . . . . . . . . . 1. Wesentliche Kritikpunkte – ein Überblick . . . . . . . 2. Würdigende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ergänzungsfunktion der Rechtsökonomik . . . . . . b) Modellhaftigkeit rechtsökonomischen Denkens und Reduktionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögens- und Einkommensstruktur . . . . . . . d) Kriterium der Allokationseffizienz . . . . . . . . . . e) Rational choice, homo oeconomicus und Behavioral Law & Economics . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
53 53 54 54
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 56 57
. . . . . .
58
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
60 60 61 62 65 66 69 72 72 73 76 77
V. Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
IV. Grundbegriffe der ökonomischen Analyse des Rechts . . 1. Wohlfahrtsmaximierung und Allokationseffizienz . . . 2. Property rights . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Individuum, Markt, Vertrag, Effizienz . . . . . . . . . 4. Externalitäten und Marktversagen . . . . . . . . . . . . 5. Transaktionskostentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Präferenzautonomie und Paternalismus . . . . . . . . . 7. Verhaltensökonomik, insbesondere Besitzeffekte . . . a) Grenzen des Rational-choice-Ansatzes . . . . . . . . b) Besitzeffekte als verhaltensökonomisches Phänomen c) Kontextabhängigkeit von Besitzeffekten . . . . . . . d) Implikationen für das Sukzessionsrecht . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . .
XIII
Inhaltsverzeichnis
2. Teil
Prinzipien des materiellen Sukzessionsrechts 81
1. Kapitel: Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
§4
83
Prinzip der Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatautonomie als Grundlage der Sukzessionsfreiheit 2. Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen . . . . . 3. Ökonomische Analyse von Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit als Optimierungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83 87
. . . . . .
91
. . . . . .
96
II. Einfachgesetzliche Ausformung der Sukzessionsfreiheit . . . . . . 1. Sukzessionsrechtliches Numerus-clausus-Prinzip . . . . . . . . 2. Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . 3. Übertragung von Eigentum und beschränkten (dinglichen) Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übereignung beweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . . b) Übereignung von Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestellung und Übertragung von beschränkten (dinglichen) Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einschränkungen der Sukzessionsfreiheit im Überblick bb) Konstitutive Sukzession in Forderungen und andere Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abtretung von Forderungen und anderen Rechten . . . . . . . a) Kurze Dogmengeschichte der Zessionslehre . . . . . . . . . b) Forderungsabtretung als Singularsukzession . . . . . . . . . c) Keine Zustimmung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . d) Wirtschaftliche Bedeutung des modernen Zessionsrechts . . e) Übertragung von anderen Rechten iSd. § 413 BGB . . . . . 5. Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dogmengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsdogmatische Grundsatzfragen . . . . . . . . . . . . . aa) Schuldübernahme als reines Verfügungsgeschäft . . . . bb) Kritik der Angebots- und Verfügungstheorie . . . . . . cc) Folgerungen für das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustimmung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Zustimmung des Altschuldners . . . . . . . . . . . . 6. Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
97 98 100
. . . . . .
103 103 104
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105 105
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
107 108 108 112 113 117 119 120 121 122 122 123
. . . . .
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125 126 128 130 131
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Rechtsdogmatische Grundsatzfragen . . . . . . . . . c) Tatbestandliche Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . 7. Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtshistorischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . b) Eigentum, Privatrechtsordnung, Marktwirtschaft . . c) Ökonomische Analyse des § 137 S. 1 BGB . . . . . aa) Präferenzen im neoklassischen Verhaltensmodell bb) Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besitzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Irrationales Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtszuordnung und Property-rights-Ansatz .
. . . . . . . . . . . .
134 136
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. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
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137 138 140 142 143 144 146 146 147
III. Grenzen der Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherung von Veräußererinteressen . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkungen aus paternalistischen Gründen . . . . . b) Unabtretbarkeit unpfändbarer Forderungen . . . . . . . aa) Normzweck der Pfändungsschutzvorschriften . . . bb) Normzweck des Abtretungsausschlusses . . . . . . cc) Teleologische Begrenzung des Anwendungsbereichs c) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherung von Erwerberinteressen . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen und Phänomenologie . . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Analyse des § 161 BGB . . . . . . . . . . aa) Lehre vom effizienten Vertragsbruch . . . . . . . . bb) Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besitzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schwächen der Lehre vom effizienten Vertragsbruch c) Dogmatische Strukturen erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fortbestehende Verfügungsbefugnis des Veräußerers bb) Gegenständliche Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zustimmung des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . dd) Absolute und relative Unwirksamkeit . . . . . . . . ee) Schutz des redlichen Zwischenerwerbers . . . . . . d) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherung von Drittinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen und Phänomenologie . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen . . . . . aa) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund . . . . . . bb) Rechtssystematische Einordnung . . . . . . . . . . . cc) Rechtsökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
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148 149 152 152 153 153 155 156
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158 160 161 163 164 165 166 167
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169 169
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171 172 173 177
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178 179 179 181 182 184 188
XV
Inhaltsverzeichnis
dd) Absolute und relative Unwirksamkeit . . . . . . . ee) Zustimmung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . c) Uneinschränkbare Übertragbarkeit unternehmerischer Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtspolitische Bewertung . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . d) Abtretungsbeschränkungen wegen Inhaltsänderung . . aa) Rechtssystematische Einordnung . . . . . . . . . . bb) Höchstpersönliche Ansprüche . . . . . . . . . . . cc) Unselbstständige Ansprüche . . . . . . . . . . . . dd) Abtretungsbeschränkung kraft Natur des Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
191 194
. . . . . . .
. . . . . . .
197 198 201 203 203 205 206
. . . . .
209
. . . . .
209
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
§5
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
Prinzip der Sukzessionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtssystematische Grundlagen der Sukzessionsbefugnis . . 1. Positive Komponente: Zuweisungsfunktion . . . . . . . . . 2. Negative Komponente: Abwehrfunktion . . . . . . . . . . 3. Geltung des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
215 216 217 218
II. Berechtigung des Rechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
III. Sukzessionsbefugnis des Ermächtigten
. . . .
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215
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IV. Nachträglicher Erwerb der Sukzessionsbefugnis . . . 1. Genehmigung des Berechtigten . . . . . . . . . . . 2. Konvaleszenz durch nachträglichen Rechtserwerb 3. Konvaleszenz durch Beerbung des Verfügenden . 4. Geltung des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . .
. . . . .
222 222 223 226 228
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
§6
. . . . .
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221
Einigungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatautonomie als Grundlage des Einigungsprinzips . . . . . 2. Schutz des Erwerbers vor aufgedrängten Vermögenspositionen 3. Begründung von Eigenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ökonomische Analyse des Einigungsprinzips . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
II. Terminologie und Mindestvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre . . 1. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . 2. Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung . . . . a) Entstehungsgeschichtliche Entwicklung . . b) Bedingungsfeindlichkeit, Eintragungsprinzip Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . und . . .
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231 231 231 232 233 234 235
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238 238 239 239
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242
XVI
Inhaltsverzeichnis
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung . . . . . . . . . . . 1. Bindungswirkung des Abtretungsvertrages . . . . . . . . . 2. Bindungswirkung im Liegenschaftsrecht . . . . . . . . . . a) Schutz von Veräußererinteressen . . . . . . . . . . . . . b) Schutz von Erwerberinteressen . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsdogmatische Implikationen . . . . . . . . . . . . 3. Bindungswirkung im Mobiliarsachenrecht . . . . . . . . . a) Lehre von der freien Widerruflichkeit . . . . . . . . . . b) Stellungnahme für die Bindungswirkung der dinglichen Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Wortlautargument . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzgebungs- und Dogmengeschichte . . . . . . . cc) Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre . dd) Ökonomische Analyse der Bindungswirkung . . . ee) Die Wertung des § 873 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . ff) Die Wertung des § 956 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . gg) Die Wertung der §§ 932 ff. BGB . . . . . . . . . . .
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243 244 246 247 248 249 251 252
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253 253 254 256 259 259 261 261
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262
§7
Trennungs- und Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . I. Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprung und Systematik des BGB . . . . . . . . . . . 2. Rechtssystematische Bedeutung des Trennungsprinzips 3. Fundamentalkritik und Würdigung . . . . . . . . . . .
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264
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265 265 266 268
II. Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis von Trennungs- und Abstraktionsprinzip . . . . . . 2. Zwei Komponenten: Innere und äußere Abstraktion . . . . . . 3. Herleitung, Kritik und Würdigung des Abstraktionsprinzips . . a) Begriffsjuristische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ökonomische Analyse des Abstraktionsprinzips . . . . . . . d) Besonderheiten der Forderungszession . . . . . . . . . . . . e) Risikoverteilung im Insolvenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abstraktionsprinzip und Gutglaubenserwerb . . . . . . . . . g) Gestaltungsfreiheit durch Abstraktion . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen des Abstraktionsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtssystematische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . b) Bedingungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft („Fehleridentität“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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271 271 272 273 274
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275 278 279 281 283 286 286 286 288 291
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293
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294
XVII
Inhaltsverzeichnis
§8
Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . .
296
I. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Spezialität . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: v. Savignys Lehre von den Rechtsverhältnissen 2. Verhältnis von Spezialitäts- und Traditionsprinzip . . . . . . . . 3. Bedeutung des Prinzips der absoluten Rechtszuordnung . . . .
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297 297 298 299
II. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit . . . . . . . . . . . 1. Vier Bestimmtheitskomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prinzip der absoluten Rechtszuordnung und Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis von Bestimmtheits- und Publizitätsprinzip . . . . c) Ökonomische Analyse des Bestimmtheitsprinzips . . . . . . 3. Konkretisierung der Bestimmtheitserfordernisse auf Basis der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobiliarübereignung: Offenkundigkeitsformel . . . . . . . . b) Immobiliarübereignung: Individualisierbarkeit . . . . . . . . c) Forderungszession: Maßgeblichkeit der Schuldnerperspektive 4. Kritik und Rekonfiguration des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . a) Mobiliarübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mangelnde Legitimation der Offenkundigkeitsformel . . bb) Inkonsistenz der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . cc) Minimalistischer Bestimmtheitsansatz . . . . . . . . . . . b) Immobiliarübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Forderungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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301 302 302
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302 304 305
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307 308 310 311 312 313 314 315 317 318 319 321
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
§9
Prinzip der Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325
I. Formfreiheit als Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
II. Formpflicht besonders bedeutsamer Rechtsgeschäfte . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik und Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . 3. Formgebundenheit der rechtsgeschäftlichen Sukzession III. Ökonomische Analyse der Formfrage . . 1. Kosten und Nutzen der Formfreiheit 2. Kosten und Nutzen der Formpflicht . 3. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . .
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335 336 337 339
IV. Anwendungsfälle der Formfreiheit im Überblick 1. Mobiliarübereignung . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungszession . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schuld- und Vertragsübernahme . . . . . . .
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V. Formbedürftigkeit der Grundstücksübereignung . . . . . . . . . . . . 1. Auflassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344 344
XVIII
Inhaltsverzeichnis
2. Abtretung des Auflassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Abtretung des Auflassungsanspruchs . . . b) Abtretung des Auflassungsanspruchs als Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übernahme der Übereignungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Übernahme der Übereignungspflicht . . . b) Übernahme der Übereignungspflicht als Verfügungsgeschäft c) Übernahme von Grundstückskaufverträgen . . . . . . . . . .
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350 351 351 352 353 354 354 355 355 356 359 360
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362
§ 10 Publizitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
VI. Übertragung von GmbH-Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historisch-teleologische Bestimmung der Formzwecke . . . . a) Erschwerungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweis- und Klarstellungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . c) Warnfunktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspolitische Würdigung des Beurkundungserfordernisses a) Kritik am Formzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beweisfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erschwerung des spekulativen Anteilshandels . . . . . cc) Reform des Beurkundungsverfahrens . . . . . . . . . . 3. Abtretung des Übertragungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung und Folgerungen
I. Grundlagen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Publizitätsprinzip und Offenkundigkeit sachenrechtlicher Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herleitung aus dem Absolutheitsprinzip . . . . . . . . . 3. Publizitätsprinzip und Sukzessionsfreiheit . . . . . . . .
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366 368 369
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs . . . . . . . . . . . . 1. Rechtshistorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspolitische Würdigung und Rechtsvergleich . . . . . . . . . a) Bedeutung des Einigungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorzüge des deutschen Grundbuchsystems im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfassende Dokumentation der Immobiliarsachenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zentrale Funktionen der Grundbucheintragung . . . . . . 3. Ökonomische Analyse des Eintragungsprinzips . . . . . . . . . . a) Anklänge in den Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftliche Argumente im traditionellen Schrifttum . . . . c) Grundbuchsystem für Liegenschaftsrechte . . . . . . . . . . . aa) Kosten von Registersystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nutzen von Registersystemen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
370 371 373 373 374 375 376 378 378 379 380 380 381 384
XIX
Inhaltsverzeichnis
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtshistorische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beratungen des Juristentags und der BGB-Kommissionen . . b) Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag (Einheitstheorie) c) Dogmatische Verselbstständigung von Einigung und Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsdogmatische Folgerungen für den Übereignungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkömmliche Funktionen des Traditionsprinzips . . . . . . . . a) Traditionsprinzip und Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . b) Manifestation eines ernstlichen Übereignungswillens . . . . . c) Schutz von Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Moderne Funktionen des Traditionsprinzips . . . . . . . . . . . a) Verschaffungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermutungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gutglaubensfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ökonomische Analyse des Traditionsprinzips . . . . . . . . . . 5. Dogmatik des Übergabeerfordernisses . . . . . . . . . . . . . . .
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386 387 387 388
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390
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390 391 392 395 397 399 399 400 401 402 404
IV. Durchbrechungen des Traditionsprinzips . . . . . . . . . . . . 1. Übereignung kurzer Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsdogmatische und rechtssystematische Einordnung b) Rechtspolitische und rechtsökonomische Würdigung . . 2. Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts . a) Rechtshistorische und rechtssystematische Grundlagen . b) Ökonomische Bedeutung der Konstitutsübereignung . . c) Rechtsdogmatische Struktur des Besitzkonstituts . . . . 3. Übereignung unter Abtretung des Herausgabeanspruchs . a) Rechtshistorische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsdogmatische und rechtssystematische Einordnung 4. Folgerungen für die Geltung des Traditionsprinzips . . . . a) Rechtssystematische Synthese von Übergabe und Übergabesurrogaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übereignung besitzloser Sachen . . . . . . . . . . . . . .
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408 408 408 409 410 410 412 414 419 419 420 420 424
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424 425
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428 428 429 429 430 431 432 434 436
VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
439
V. Das Traditionsprinzip des Mobiliarpfandrechts . . . . . . 1. Rechtshistorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionen des pfandrechtlichen Traditionsprinzips . . a) Traditionsprinzip und Offenkundigkeit . . . . . . . b) Schutz von Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . c) Verfügungsschutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dogmatik des pfandrechtlichen Übergabeerfordernisses 4. Dogmatik des pfandrechtlichen Anzeigeerfordernisses . 5. Rechtspolitische Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . .
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XX
Inhaltsverzeichnis
§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtshistorische Entwicklung . . . . . . 1. Römisches Recht . . . . . . . . . . . . 2. Altgermanisches Recht . . . . . . . . . 3. Partikularrechte und Rezeption . . . . 4. Vorentwurf zum Sachenrecht . . . . . 5. Gutglaubensschutz im ADHGB 1861 . 6. Kommissionsberatungen zum BGB . . a) Beratungen der 1. BGB-Kommission b) Beratungen der 2. BGB-Kommission
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442
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442 443 444 445 445 446 447 447 448
II. Grundlagen: Rechtssystematik, Teleologie und Rechtsökonomik 1. Gutglaubenserwerb als Konfliktlösungsinstrument . . . . . . 2. Bedeutung des überindividuellen Verkehrsinteresses . . . . . . 3. Ökonomische Analyse des Gutglaubensprinzips . . . . . . . . a) Nemo-plus-iuris-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prinzip des Gutglaubenserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gutglaubenserwerb als abstrakter Vertrauensschutz . . . . . .
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III. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage . . . . . . . . . . . 1. Kategorien und Legitimationssäulen des Gutglaubenserwerbs 2. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentlicher Glaube des Erbscheins . . . . . . . . . . . . . . . 4. Redlicher Mobiliarerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besitz als natürlicher Rechtsscheinträger . . . . . . . . . . . b) Defizite des Besitzes als Legitimationsgrundlage . . . . . . c) Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht . . d) Folgerungen für die einzelnen Gutglaubenstatbestände . . aa) Redlicher Erwerb bei Besitzkonstitut . . . . . . . . . . bb) Redlicher Erwerb bei Abtretung des Herausgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen . . . . . . . . . . . a) Zulassung des redlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . b) Defizite der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reformvorschlag: Obligatorische Beteiligung des Notars . 6. Gutglaubenserwerb von Forderungsrechten . . . . . . . . . . a) Schuldurkunde als natürlicher Rechtsscheinträger . . . . . b) Rechtsdogmatische Bedeutung des Zurechnungsprinzips . c) Ausdehnung des Anwendungsbereichs de lege lata . . . . . aa) Konstitutive Nachfolge in Forderungsrechte . . . . . . bb) Anwendung auf andere Wirksamkeitsmängel . . . . . . d) Rechtspolitische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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463 463 466 469 470 471 472 472 475 475
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477 481 482 483 487 489 489 490 492 492 493 495
IV. Rechtsgeschäftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtserwerb kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtserwerb kraft Hoheitsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
496 496 498
XXI
Inhaltsverzeichnis
V. Lehre vom Verkehrsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teleologische Reduktion der Gutglaubensvorschriften b) Konkretisierung anhand prominenter Beispiele . . . .
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499 500 501 501 502
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504 504 505 507 507 509 510 511 511 513
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513 515
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516
VI. Redlichkeit des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtshistorische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 2. Moderne Rechtfertigung des Redlichkeitserfordernisses 3. Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz . . . . . . . . . a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Historisch-genetischer Ausgangspunkt . . . . . . bb) Teleologische Argumente . . . . . . . . . . . . . cc) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . 4. Maßstab der Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundbuch und Erbschein: Richtigkeitsgewähr und Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Redlicher Mobiliar- und GmbH-Anteilserwerb . . . aa) Präzisierung der mobiliarsachenrechtlichen Nachforschungsobliegenheiten . . . . . . . . . . bb) Präzisierung der GmbH-rechtlichen Nachforschungsobliegenheiten . . . . . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislastverteilung . . . . . . . . . .
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520 521
VII. Reines Rechtsscheinprinzip versus Zurechnungsprinzip . . 1. Reines Rechtsscheinprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtshistorische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . b) Rechtspolitische und rechtsökonomische Würdigung c) Ausnahmen für besonders umlauffähige Gegenstände 3. Partielles Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsdogmatische Grundlegung de lege lata . . . . b) Verzicht auf das Zurechnungsprinzip de lege ferenda
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522 523 524 524 525 528 530 530 531
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533 534 535 535
. . . . . . . . . . . . . . . . Sukzession . . . . . . . .
537 537
X. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . .
545
I. Koinzidenzprinzip: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
545
VIII. Schutz des unentgeltlichen Erwerbs . . 1. Rechtshistorische Grundlagen . . . 2. Wertung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB 3. Rechtspolitische Würdigung . . . .
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IX. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Endgültiger Erwerb des Vollrechts . . . . . . . . . . 2. Gutglaubenserwerb als rechtsgeschäftlich veranlasste kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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538
XXII
Inhaltsverzeichnis
II. Immobiliarsachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Koinzidenz von Einigung und Eintragung . . . . . . . . . . 2. Innerer Zusammenhang zwischen Einigung und Eintragung a) Würdigung der bisherigen Entwicklung . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachträgliche Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . a) Sicherung von Erwerberinteressen . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandliche Voraussetzungen der Erwerbssicherung . c) Nachträglicher Verlust der Rechtszuständigkeit . . . . .
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547 547 549 549 551 552 553 554 555
III. Mobiliarsachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Koinzidenz von Einigung und Übergabe . . . . . . . . . . . . . . 2. Innerer Zusammenhang von Einigung und Übergabe . . . . . . .
556 556 557
IV. Zessionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfügende Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
558 559 559
V. Kongruenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
562
VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
564
2. Kapitel: Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
566
§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
567
. . . . . . . . . . . . . .
I. Identität und Kontinuität der Vermögensposition . . . . 1. Das Identitätsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtszuständigkeit und Übertragbarkeit . . . . . . . 3. Ausgestaltung und Charakter der Vermögensposition
. . . .
. . . .
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567 568 570 571
II. Vereinigungstatbestände: Konfusion und Konsolidation . . . . . 1. Rechtshistorische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltung des Identitätsdogmas . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz: Erlöschen der Forderung . . . . . . . . . . . . c) Ausnahme: Besonderes Kontinuitätsinteresse . . . . . . . . 3. Konsolidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Immobiliarsachenrecht: Fortbestand konsolidierter Rechte b) Mobiliarsachenrecht: Fortbestand bei Kontinuitätsinteresse
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
572 573 574 575 575 577 580 581 585
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
589
§ 14 Akzessorietätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
592
I. Terminologische und historische Grundlagen II. Entstehungsakzessorietät . . . . . . . . 1. Mobiliarpfandrecht . . . . . . . . . 2. Eigentümergrundschuld . . . . . . . 3. Künftige und bedingte Forderungen
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592
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594 594 595 597
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XXIII
Inhaltsverzeichnis
III. Zuordnungsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergang akzessorischer Nebenrechte . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzzweck des Akzessorietätsprinzips . . . . . . . . . . . . aa) Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite des Akzessorietätsprinzips . . . . . . . . . . . . . c) Hypothek und Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz des sicherungsgebenden Schuldners . . . . . . . . bb) Keine Forderungszession ohne Hypothek . . . . . . . . . cc) Publizitätslose Pfandrechtsübertragung . . . . . . . . . . dd) Redlicher Erwerb einer forderungsentkleideten Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übergang nichtakzessorischer Sicherungsrechte . . . . . . . . 2. Erlöschen akzessorischer Nebenrechte bei der Schuldübernahme a) Normzweck: Schutz der Sicherungsgeber . . . . . . . . . . . b) Übertragung auf fiduziarische Sicherheiten . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
599 599 599 600 601 603 604 605 605 606
. . . . .
608 609 613 613 614
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
615
§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
618
I. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . 1. Begriff des Sukzessionsschutzes . . . 2. Phänomenologie . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsökonomik . . . . . . . . . . . .
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619 619 620 621
II. Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absolute Rechtszuordnung und Verfügungsbefugnis . . . . b) Bedeutung der Abspaltungslehre . . . . . . . . . . . . . . . c) Sukzessionsschutz beschränkter obligatorischer Rechte . . d) Bedeutung für die Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . . 2. Redlicher Erwerb der Lastenfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Redlicher Immobiliarerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Redlicher Mobiliarerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Redlicher Erwerb von GmbH-Anteilen . . . . . . . . . . . aa) Kein lastenfreier Gutglaubenserwerb de lege lata . . . . bb) Zulassung des lastenfreien Gutglaubenserwerbs de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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622 622 622 623 623 624 625 625 626 626 627 628
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . . 1. Einwendungserhalt zugunsten des Schuldners . . . . . . . a) Rechtssystematische Grundlagen: Identitätsprinzip und Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitliche und sachliche Präzisierung . . . . . . . . . . . c) Einrede der Gestaltbarkeit bei Unerreichbarkeit des Zedenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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629
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632 633
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633 634
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636
XXIV
2.
3.
4. 5.
Inhaltsverzeichnis
d) Einschränkungen des Schuldnerschutzes . . . . . . . . . . . aa) Redlicher Forderungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einwendungsverzicht des Schuldners . . . . . . . . . . cc) Personenbezogene Einwendungen . . . . . . . . . . . . e) Keine Besserstellung des Forderungsschuldners . . . . . . . Fortbestand der Aufrechnungslage . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungszweck und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . b) Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeit bei Unkenntnis des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschränkung für später fällige Gegenforderung . . . . . . d) Die nach Abtretung, aber vor Kenntniserlangung fällige Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldnerschutz bei Unkenntnis der Abtretung . . . . . . . . a) Regelungszweck und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitliche und sachliche Präzisierung . . . . . . . . . . . . . c) Wahlrecht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldnerschutz bei mehrfacher Abtretung . . . . . . . . . . . Schuldnerschutz bei angezeigter Abtretung . . . . . . . . . . . a) Regelungszweck und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . b) Redlichkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . . 1. Identität und Kontinuität der Rechtsposition des Forderungsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwendungserhalt zugunsten des Übernehmers . . . . 3. Gläubigerschutz bei Unkenntnis der Schuldübernahme 4. Gläubigerschutz bei angezeigter Schuldübernahme . . 5. Keine Aufrechnungsbefugnis des Schuldübernehmers .
. . . . . . .
638 638 639 640 641 642 643
. . . .
646 649
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650 652 652 654 655 658 659 660 661
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664
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665 665 667 668 672
V. Vertragsübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . 1. Identität und Kontinuität der Rechtsposition des verbleibenden Vertragsteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sukzessionsschutz bei Unkenntnis der Vertragsübernahme . . . 3. Sukzessionswirkungen bei angezeigter Vertragsübernahme . . . 4. Aufrechnungsbefugnis des verbleibenden Vertragsteils . . . . .
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673
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674 675 676 676
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677 678
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680 681 683 683
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684 685 686 686
VI. Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte . . . . . . . . . 1. Rechtssystematische und rechtsökonomische Grundlagen 2. Phänomenologie und Anwendungsbereich des Sukzessionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung des Publizitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . 4. Sukzessionsschutz für Erwerbsansprüche . . . . . . . . . a) Sukzessionsschutz durch Verfügungsbeschränkungen b) Die Vormerkung als Gestaltungsmittel des Sukzessionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Obligatorische Besitzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besitzrecht an unbeweglichen Sachen . . . . . . . . . aa) Dogmengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXV
Inhaltsverzeichnis
bb) Teleologie und Systematik . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsdogmatische Einordnung . . . . . . . . . b) Besitzrecht an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . aa) Teleologie und Systematik . . . . . . . . . . . . . bb) Präzisierung des sachlichen Anwendungsbereichs 6. Gemeinschaft nach Bruchteilen . . . . . . . . . . . . . . a) Teleologie, Dogmatik und Genese . . . . . . . . . . b) Bedeutung von Verkehrsinteressen . . . . . . . . . . 7. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . a) Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung von Verkehrsinteressen . . . . . . . . . . 8. Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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688 691 694 694 696 698 698 700 702 703 704 705
VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
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3. Kapitel: Prinzipien der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713 § 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
714
I. Dogmengeschichtliche Grundlagen und Phänomenologie . . . . . . .
714
II. Universalsukzession als rechtstechnisches Prinzip 1. Das Proprium der Universalsukzession . . . . 2. Totale und partielle Universalsukzession . . . 3. Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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716 716 718 719
III. Universalsukzession kraft Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungsvertrag als rechtsgeschäftliches Element . . . . . . . 2. Folgerungen für die Rechtsnatur von Umwandlungsverträgen . .
721 722 724
IV. Gestaltungsfreiheit und Universalsukzession . . . . . . . . . 1. Prinzip der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eheliche Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prinzip der Spaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtssystematik und Teleologie . . . . . . . . . . . . b) Grenzen der Spaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . aa) Trennungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung des institutionellen Kapitalschutzsystems cc) Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens . . . . .
. . . . . . . . .
726 726 726 727 727 728 729 729 730
V. Sukzessionsfreiheit: Grundsatz und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragung von Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnissen . . 2. Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . .
731 732 734
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VI. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Spezialität . . . . . . . . . . . 2. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit . . . . . . . . . 3. Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten . . .
. . . .
738 738 740 742
XXVI
Inhaltsverzeichnis
VII. Prinzip des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes 3. Formbedürftigkeit der Umwandlungsverträge . . . . . . .
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744 744 745 748
VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
749
§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession . . .
752
I. Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltung des Nemo-plus-iuris-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung und Charakter der Vermögensposition . . . . . . .
753 753 755
II. Sukzessionsrechtliches Akzessorietätsprinzip . . . . . . . . . . . . . 1. Übergang akzessorischer Nebenrechte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortbestand akzessorischer Nebenrechte beim Schuldübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
755 755 756
III. Umwandlungsrechtlicher Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . 1. Spaltungsrechtliche Transferhaftung . . . . . . . . . . . . . . . a) Teleologie, Rechtssystematik und Rechtspolitik . . . . . . b) Differenzierung zwischen Hauptschuldner und Mithaftern c) Spaltungshaftung als akzessorische Mithaftung . . . . . . . d) Enthaftung des übertragenden Rechtsträgers . . . . . . . . 2. Anspruch auf Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
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758 758 758 761 762 764 765
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz bei der Spaltung a) Einwendungserhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortbestand der Aufrechnungslage . . . . . . . . . . . . c) Schuldnerschutz bei Unkenntnis des Gläubigerwechsels d) Schuldnerschutz bei angezeigtem Gläubigerwechsel . . 2. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz bei der Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerschutz bei Unkenntnis des Schuldnerwechsels b) Gläubigerschutz bei angezeigtem Schuldnerwechsel . . c) Keine Aufrechnungsbefugnis des übernehmenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . 5. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz bei der Verschmelzung
. . . . . .
. . . . . .
767 768 768 768 769 770
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771 771 772
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773 773 775 777
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
778
§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
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I. Sukzessionsrechtliches Numerus-clausus-Prinzip . . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Numerus-clausus-Prinzip des Umwandlungsrechts a) Typenlimitierung und Analogieverbot . . . . . . . . b) Typenfixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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781 782 782 783 783 785
XXVII
Inhaltsverzeichnis
II. Partielle Universalsukzession durch Unternehmensfortführung? 1. Grundlegende Neuinterpretation der §§ 25, 28 HGB . . . . 2. Stellungnahme de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . .
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785 785 786 789
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791 792 792 792 793 793 794 795 795 796
IV. Fortbildung des bürgerlichen Schuldübernahmerechts . . . . . . . 1. Dispensierung vom gläubigerseitigen Zustimmungserfordernis a) Prinzip der Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerseitiges Befriedigungsinteresse . . . . . . . . . . . c) Prinzip der freien Kontrahentenwahl . . . . . . . . . . . . . d) Keine konstitutive Übernahmeanzeige . . . . . . . . . . . . e) Übernahmebeschränkung für höchstpersönliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergänzungsfunktion des Reformvorschlags . . . . . . . . . . . 3. Praktisches Bedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Akzessorische Mithaftung des Altschuldners . . . . . . . . . . a) Teleologie und Rechtssystematik . . . . . . . . . . . . . . . b) Differenzierung zwischen Hauptschuld und Mithaftung . . c) Akzessorischer Charakter der Transferhaftung . . . . . . . d) Enthaftungsmöglichkeit des Altschuldners . . . . . . . . . . 5. Anspruch auf Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherungsanspruch des Forderungsgläubigers . . . . . . . . b) Kein Sicherheitsanspruch der Altgläubiger des Übernehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . a) Identität und Kontinuität der Rechtsposition des Gläubigers b) Fortbestand akzessorischer Nebenrechte . . . . . . . . . . . c) Gläubigerschutz bei Unkenntnis der Schuldübernahme . . d) Gläubigerschutz bei angezeigter Schuldübernahme . . . . . e) Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . 7. Folgerungen für die Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . .
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798 798 798 800 801 802
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802 803 803 804 804 805 806 806 807 807
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809 810 810 811 812 812 813 814 815
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
816
III. Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . a) Strukturelle Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . b) Erweiterte Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . c) Formbedürftigkeit des Gesamtnachfolgevertrags d) Universalsukzessionsrechtlicher Bestandsschutz . e) Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit 2. Rechtspolitische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . a) Praktisches Bedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . .
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XXVIII
Inhaltsverzeichnis
3. Teil
Zivilprozessuale Implikationen der Sukzession 819
§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands . . . . . . . . .
820
I. Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . . . 1. Dogmengeschichtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtssystematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
821 821 823
II. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes . . . . . . 1. Interesse der gegnerischen Prozesspartei . . . . . . . . . . 2. Interesse an einer ökonomischen Prozessführung . . . . . 3. Interessen des Veräußerers und des Erwerbers . . . . . . . 4. Abgrenzung zum obligatorischen Parteiwechsel . . . . . . a) Gemeinsamkeit von Verfahrensfortführung und Parteiwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiede und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . c) Vorrang der personenidentischen Verfahrensfortführung d) Rechtsstellung des Nachfolgers . . . . . . . . . . . . . . III. Der zivilprozessuale Nachfolgebegriff
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824 825 827 828 828
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829 830 830 832
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834
IV. Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privative Schuldübernahme . . . . . . . . . . . a) Bedeutung des Gesetzeswortlauts . . . . . b) Zustimmung des Forderungsgläubigers . . c) Rechtsökonomische Erwägungen . . . . . . d) Vergleich zum Schuldbeitritt . . . . . . . . e) Einwendungen des Schuldübernehmers . . f) Vollstreckung gegen den Schuldübernehmer 2. Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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837 838 839 839 841 842 842 843 844 845
V. Rechtsgeschäftliche Universalsukzession . . . . . . . . . 1. Verschmelzung und Aufspaltung . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zivilprozessuale Implikationen . . . . . . . . . . . 2. Abspaltung und Ausgliederung . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein obligatorischer Parteiwechsel . . . . . . . bb) Prozesse über das Aktivvermögen . . . . . . . cc) Prozesse über das Passivvermögen . . . . . . . 3. Exkurs: Privative Schuldübernahme de lege ferenda .
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846 847 847 847 849 850 850 851 851 853 854 857
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes . . . . . . . 1. Verhältnis zwischen materiellem und prozessualem Recht . . . .
858 858
XXIX
Inhaltsverzeichnis
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859 860
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861 863 863 865
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867 868 868 869 869 870 871 874 878 879 879 881 883 883 883 884
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886
VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
887
§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger . . . . . . . . . . . .
891
2.
3.
4. 5. 6.
a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zivilprozessuale Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebot der materiellrechtsfreundlichen Auslegung . . cc) Gewährleistung zivilprozessualen Sukzessionsschutzes dd) Einwendungen gegen den Nachfolger . . . . . . . . . ee) Kenntniserlangung von Abtretung nach Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstellung des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Feststellung des Rechtsübergangs . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung für Prozessgegner und Erwerber . . . . . . . . c) Beschränkung auf prozessuale Befugnisse . . . . . . . . . Widerklagemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage . . . . . . . . . b) Gerichtsstand der Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . c) Form der Widerklageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . d) Kostenrechtliche Behandlung der Drittwiderklage . . . . Klageerweiterung durch die Gegenpartei . . . . . . . . . . . Einwand fehlender Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . Gewillkürter Parteiwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmung des Prozessgegners . . . . . . . . . . . . . . b) Zustimmung des Vorgängers . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustimmung des Nachfolgers . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fortführung des Verfahrens nach dem Identitäts- und Kontinuitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Relativität der Rechtskraft
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891
II. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession nach Rechtshängigkeit . . . . 1. Einzelnachfolge nach Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtnachfolge nach Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
892 893 894
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personeller Anwendungsbereich des § 407 Abs. 2 BGB . . 3. Rechtsfolgen des § 407 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitpunkt der Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . a) Kenntniserlangung vor Rechtshängigkeit . . . . . . . . . b) Kenntniserlangung während des Zivilverfahrens . . . . . c) Kenntniserlangung nach Verhandlungsschluss . . . . . . aa) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum . bb) Ablehnung der Hinterlegungslösung des BGH . . . cc) Ablehnung der materiellrechtlichen Lösungsansätze dd) Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage . . . . . .
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895 895 897 898 900 900 901 902 902 904 905 906
XXX
Inhaltsverzeichnis
IV. Gutglaubensschutz des redlichen Nachfolgers . . . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsverschiedenheiten über das Verständnis des § 325 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Rechtsschein- und Legitimationsbasis b) Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des § 325 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Maßstab der Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
907 907
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908 910 910
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912 913
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
914
§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger . . . . . . . . . . .
916
I. Normzweck und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sukzessionsfreiheit titulierter Forderungen . . . . . . . . . . . . . 2. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes . . . . . . . . .
916 916 917
II. Zeitlicher Anwendungsbereich der Titelumschreibung
. . . . . . . .
918
III. Titelumschreibung auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre . . . . 1. Nachfolge auf der Aktivseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachfolge auf der Passivseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
921 921 922
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
923
4. Teil
Kollisionsrechtliche Implikationen der Sukzession 925
§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession . . . . . . . . . . . I. Kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar . . . . . . . . . . . 1. Einheitliche Anknüpfung an das Vertragsstatut . . . . . . a) Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut . b) Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs . . . . . c) Berechtigte Schuldnerinteressen . . . . . . . . . . . . . . d) Berechtigte Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . e) Trennungs- und Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . 2. Prinzip der freien Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parteiautonomie im Internationalen Vertragsrecht . . . aa) Rückblick und aktueller Stand . . . . . . . . . . . . bb) Herkömmliche Begründung der Rechtswahlfreiheit cc) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit der Teilrechtswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Objektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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927 927 930 930 930 932 933 935 936 938 938 938 939 942 943 946
XXXI
Inhaltsverzeichnis
III. Verhältnis zum Forderungsschuldner . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes . . a) Kollisionsrechtliches Identitätsprinzip . . . . . . . . . b) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rück- und Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . d) Relative Rechtsstellung des Zessionars . . . . . . . . . 2. Reichweite des Schuldnerschutzes . . . . . . . . . . . . . a) Kollisionsrechtliches Identitätsprinzip . . . . . . . . . b) Übertragbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . c) Abtretungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen . . bb) Gesetzliche Abtretungsbeschränkungen . . . . . . cc) Künftige und bedingte Forderungen . . . . . . . . dd) Sicherungs- und Globalzession . . . . . . . . . . . d) Wirksamkeit der Abtretung gegenüber dem Schuldner e) Befreiende Wirkung der Leistung des Schuldners . . .
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948 948 948 952 953 953 955 956 957 958 958 958 962 963 965 966
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung . . . . . . . . . . . . 1. Problemaufriss und Präzisierung der Fragestellung . . . . 2. Meinungsstand und Verortung der Streitfrage . . . . . . 3. Plädoyer für eine Anknüpfung an das Vertragsstatut . . . a) Ablehnung einer Anknüpfung an das Forderungsstatut b) Ablehnung einer Anknüpfung an den Zedentensitz . . c) Plädoyer für eine Anknüpfung an das Vertragsstatut . d) Sonderfall der konkurrierenden Abtretungen . . . . .
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967 967 968 970 971 973 975 978
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
981
§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme . . I. Kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Interne Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zwischen Altschuldner und Übernehmer . . . . a) Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft b) Prinzip der freien Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung berechtigter Gläubigerinteressen . . . . . . . d) Ausgestaltung des Schuldübernahmestatuts . . . . . . . 2. Verhältnis zum Forderungsgläubiger . . . . . . . . . . . . . a) Prinzip des kollisionsrechtlichen Gläubigerschutzes . . b) Kollisionsrechtliches Identitätsprinzip . . . . . . . . . . c) Modalitäten der Gläubigerbeteiligung . . . . . . . . . . 3. Drittwirkung der Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . .
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985 985
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987 988 988 989 990 991 993 993 995 995 996
III. Externe Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldübernehmer . . . . . . 2. Verhältnis zum Altschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
997 997 999
IV. Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 1. Dreiseitige Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000
XXXII
Inhaltsverzeichnis
2. Zweiseitige Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002 3. Verhältnis zum verbleibenden Vertragsteil . . . . . . . . . . . . . 1003 V. Zusammenfassung und Folgerungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1003
§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung . . . . . . . . . . . . . . 1006 I. Bestandsaufnahme und Kritik der lex lata . . . . . . . . . . . . . 1. Die lex rei sitae als allgemeines Sachstatut . . . . . . . . . . . a) Untergeordnete Bedeutung der freien Rechtswahl de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung des Situsrechts für die Übereignung . . . . . . . . c) Gespaltene Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Statutenwechsel und Anerkennung ausländischer Sachenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes . . . b) Schutz von Verkehrsinteressen im neuen Belegenheitsrecht c) Schlichter Statutenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anerkennung fremder Sachenrechte im Inland . . . . . bb) Bedeutung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten . . . d) Qualifizierter Statutenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . II. Plädoyer für Rechtswahlfreiheit de lege ferenda . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorzüge der freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parteiautonomie und Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . b) Rechtsdogmatische Vergleichbarkeit der Sukzessionsformen c) Einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vermeidung eines Statutenwechsels und Anerkennung fremder Sachenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Allgemeine Nachteile der Situsregel . . . . . . . . . . . . . 3. Falsifizierung der maßgeblichen Einwände gegen Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konflikt mit dem Interesse an der Sicherheit des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Numerus-clausus-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechtigte Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Durchsetzbarkeit gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . e) Weltweite Geltung der Situsregel . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen der Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtswahl und Gutglaubenserwerb . . . . . . . . . . . . . b) Wählbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Rechtswahlfreiheit im Immobiliarsachenrecht . . . .
. . 1006 . . 1006 . . 1007 . . 1008 . . 1010 . . . . . . .
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1012 1013 1013 1016 1016 1020 1022
. . 1025 . . 1025 . . 1026 . . 1026 . 1027 . . 1028 . . 1030 . . 1032 . . 1033 . . . . . . . . .
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1034 1035 1037 1038 1039 1039 1040 1043 1045
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046
XXXIII
Inhaltsverzeichnis
5. Teil
Die Sukzession im Europäischen Privatrecht 1049
§ 25 Die europäische Forderungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050 I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung
. . . . . . . . . . . . 1050
II. Strukturprinzipien des Zessionsrechts des DCFR 1. Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz . . 2. Einigungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Trennungs- und Kausalprinzip . . . . . . . . . a) Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . b) Kausalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prinzip der Sukzessionsbefugnis . . . . . . . . 5. Prinzip der Formfreiheit . . . . . . . . . . . .
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1053 1053 1053 1054 1054 1055 1056 1056
III. Grundlagen und Grenzen der Sukzessionsfreiheit . . . . . . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorausabtretung und Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmtheit und Schutz von Veräußererinteressen . . . . b) Begriff der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik der Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . d) Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen . . . . . . . . a) Regelungen des DCFR im Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtssystematik und Rechtsökonomik . . . . . . . . . cc) Keine Beschränkung auf Geldforderungen . . . . . . . dd) Implikationen für das deutsche und europäische Recht c) Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . aa) Leistungs- und Aufrechnungsbefugnis im Verhältnis zum Zedent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schuldnerische Zustimmung und treuwidriges Verhalten cc) Unternehmerische Forderungen . . . . . . . . . . . . . dd) Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Höchstpersönliche Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Akzessorische Nebenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1057 1057 1059 1059 1060 1061 1061 1062 1062
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1063 1063 1064 1065 1065 1066
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1066 1072 1073 1074 1075 1076
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1076 1077 1077 1079 1079 1081 1082
IV. Rechtsfolgen der Forderungszession . . . . . . . . . . 1. Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip . . . . . . 2. Sukzessionsrechtliches Akzessorietätsprinzip . . . 3. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz . . . . . a) Erhaltung von Einwendungen und Einreden . b) Erhaltung der Aufrechnungslage . . . . . . . . c) Schuldnerschutz bei Unkenntnis der Abtretung
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XXXIV
Inhaltsverzeichnis
d) Schuldnerschutz bei angezeigter Abtretung aa) Abtretungsanzeige des Zedenten . . . . bb) Abtretungsanzeige des Zessionars . . . 4. Konkurrierende Forderungsabtretungen . . . a) Prioritätsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . . . .
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1084 1084 1085 1086 1087 1089
V. Zukunft des europäischen Abtretungsrechts . . . . . . 1. Optionales Abtretungsrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Harmonisierung des Abtretungsrechts 3. Nationale Angleichung des Abtretungsrechts . . . .
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1090 1090 1093 1094
VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1095
§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme . . . . . . . . 1098 I. Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung . . . . . 2. Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession . . 3. Varianten der Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . a) Privative Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . b) Unvollkommene Schuldübernahme . . . . . . . . . . c) Kumulative Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen der Gläubigerbeteiligung . . . . . . . . . b) Einwilligung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . 5. Beteiligung des Altschuldners . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen der Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . a) Einwendungserhalt zugunsten des Neuschuldners . . b) Keine Aufrechnungsbefugnis des Neuschuldners . . . c) Einwendungen aus dem Verhältnis zum Altschuldner d) Schutz des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . .
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1098 1098 1099 1101 1101 1102 1103 1104 1104 1105 1107 1110 1110 1111 1111 1112
II. Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession . . 2. Beteiligung des verbleibenden Vertragspartners . . . . . . 3. Anwendung von Abtretungs- und Schuldübernahmerecht
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1114 1114 1115 1116
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1116
§ 27 Die europäische Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1119 I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung . . . . . . . . . 1. Zentrale Differenzen der nationalen Übereignungsregeln . . 2. Internationales Sachenrecht und internationale Modellregeln 3. Sachenrecht im Gemeinsamen Referenzrahmen . . . . . . . 4. Besonderheiten der Immobiliarübereignung . . . . . . . . . II. Prinzip der Sukzessionsfreiheit
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1119 1119 1121 1123 1124
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III. Einheitlicher Übertragungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1126
XXXV
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatzwürdigung des einheitlichen Übertragungsansatzes 2. Ausnahmen des einheitlichen Übertragungsansatzes . . . . . a) Sondervorschriften des Schuld- und Insolvenzrechts . . . b) Dingliches Rückfallrecht bei Vertragsaufhebung . . . . . c) Konkurrierende Übereignungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prinzip der zeitlichen Priorität . . . . . . . . . . . . . bb) Modifikationen des DCFR . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme zugunsten des reinen Prioritätsprinzips d) Übergabe unbestellter Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts . . . . . . . . . .
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1127 1128 1129 1130 1132 1132 1132 1133 1135 1136
IV. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 1137 1. Identifizierung von Gattungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1137 2. Übertragung von Sachgesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138 V. Einheits- und Kausalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1139 1. Einheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1140 2. Kausalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144 VI. Publizitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarung des Übereignungszeitpunkts . . . . . . . . . . a) Rechtspolitische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konvergenz von Konsensual- und Traditionsprinzip . bb) Schutz von Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . cc) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtssicherheit und Missbrauchsgefahr . . . . . . . . ff) Gutglaubensfunktion des Traditionsprinzips . . . . . b) Dogmatik der Einigung über den Übereignungszeitpunkt c) Konsensual- statt Traditionsprinzip als Auffangregel . . . aa) Rechtsdogmatische Vergleichbarkeit der Sukzessionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berechtigte Schutzinteressen des Erwerbers . . . . . . dd) Vindikation, Nutzungen und Drittschadensliquidation ee) Geltung des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips . d) Implikationen für das europäische und deutsche Recht . . 2. Übergabe und Übergabesurrogate . . . . . . . . . . . . . . . a) Innerer Zusammenhang von Übereignungsanspruch und Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Physische Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschaltung einer Transportperson . . . . . . . . . . . . d) Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts . e) Übereignung kurzer Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übertragung von Sachen in Drittbesitz . . . . . . . . . . . g) Übergabe von Hilfsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Übergabe von Traditionspapieren . . . . . . . . . . . . . . 3. Registrierung beweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . .
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1146 1147 1148 1148 1149 1150 1151 1152 1153 1153 1156
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XXXVI
Inhaltsverzeichnis
VII. Prinzip der Sukzessionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1171 VIII. Gutglaubenserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage . . . . . . . a) Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht b) Redlicher Erwerb bei Besitzkonstitut . . . . . . . . . . c) Redlicher Erwerb von Sachen in Drittbesitz . . . . . . 3. Guter Glaube an die Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . 4. Entgeltlichkeit des Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Redlichkeit des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßstab der Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darlegungs- und Beweislastverteilung . . . . . . . . . . 6. Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss für gestohlene Sachen . . . . . . . . . . . . . b) Kein Ausschluss für verlorene und anvertraute Sachen . c) Erwerb gestohlener Sachen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IX. Prinzip des Sukzessionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1184 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1184 2. Redlicher lastenfreier Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1185 X. Zukunft der europäischen Mobiliarübereignung . . . . . . 1. Optionales Mobiliarsachenrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Harmonisierung des Mobiliarsachenrechts 3. Nationale Angleichung des Mobiliarsachenrechts . . .
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XI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189
Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags . . . . . . . . . . . . . . . 1193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1209 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1287
1. Teil
Einleitung und Grundlagen
§ 1 Einleitung I. Anlass der Untersuchung 1. Entwicklung des Europäischen Privatrechts Das Sukzessionsrecht steht vor großen Herausforderungen. Motor der Rechtsentwicklung ist einmal mehr der gemeineuropäische Prozess der Rechtsangleichung1. Der Harmonisierungsprozess ist die zentrale rechtliche Implikation der auf politischer und wirtschaftlicher Ebene voranschreitenden europäischen Integration2, und er übt Druck aus auf das Sukzessionsrecht, d.h. die Gesamtheit von Rechtsregeln und Grundsätzen, welche die identitätswahrende Übertragung von Vermögenspositionen zum Gegenstand haben3, namentlich die Forderungsabtretung, Schuld- und Vertragsübernahme sowie die Übereignung von beweglichen und unbeweglichen Sachen. Auch wenn auf europäischer Ebene nicht länger – zumindest nicht öffentlich – das prominente Ziel eines einheitlichen Europäischen Zivilgesetzbuches verfolgt wird4, haben die vergangenen Jahre doch jedenfalls gesteigerte wissenschaftliche Anstrengungen gesehen, die sich in Form des Gemeinsamen Referenzrahmens für ein Europäisches Privatrecht (Draft Common Frame of Reference – DCFR)5 nach Zuschnitt und Gestalt durchaus eignen, als Grundlage für eine Harmonisierung des Privatrechts in Europa zu dienen6. Bei der Angleichung der europäischen Privatrechte handelt es sich allerdings um ein schwieriges Unterfangen7. Zum einen weichen die nationalen Rechtsordnungen – zumal im Bereich des Sukzessionsrechts8 – ganz beträchtlich voneinander ab, auch wenn die Privatrechte der europäischen Mitgliedstaaten wie keine andere Rechtsmaterie durch eine gemeinsame europäische Geschichte miteinander ver-
1
Zu den Angleichungsmechanismen siehe Franzen, Privatrechtsangleichung (1999). Vgl. auch v. Erp, in: Ritaine, Engineering, S. 105; Karner, Mobiliarerwerb, S. 38. 3 Zur Definition des Sukzessionsbegriffs unten § 2 I. 4 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen, KOM(2004) 651 endg., S. 9; dazu Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161. 5 Die Gesamtedition liegt in 6 Bänden vor; siehe v. Bar/Clive, DCFR. 6 So auch die Einschätzung von Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 533. 7 So auch Karner, Mobiliarerwerb, S. 38. 8 Zum Abtretungsrecht siehe unten § 22 I.; zur Schuld- und Vertragsübernahme siehe unten § 23 I.; zum Übereignungsrecht siehe unten § 27 I. 1. 2
I. Anlass der Untersuchung
3
woben sind9. Zum anderen zeitigt die Rechtsangleichung im praktisch so bedeutsamen Bereich des Sukzessionsrechts kaum überschaubare Auswirkungen in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht. Unverzichtbare Voraussetzung für das Gelingen des gemeineuropäischen Projekts ist daher neben einer Kompilation rechtsvergleichenden Materials, wie sie inzwischen mit der Vollversion des DCFR vorliegt10, vor allem Grundlagengewissheit im Hinblick auf die Strukturen der anzugleichenden Privatrechtsinstitute. Eine solide rechtswissenschaftliche Fundierung spielt bei der Qualitätssicherung für privatrechtliche Normen auf europäischer Ebene eine umso größere Rolle, als die Willensbildung unter den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union bekanntermaßen kompliziert ist11. Hier setzt die vorliegende Untersuchung mit ihrer Fokussierung auf das Sukzessionsrecht an und verfolgt ein zweifaches Ziel. Erstes zentrales Anliegen ist es, das Institut der rechtsgeschäftlichen Nachfolge, d.h. den Gesamtkomplex von Normen, die den identitätswahrenden Übergang von Vermögenspositionen von einem Rechtssubjekt auf das andere regeln, für das deutsche Recht umfassend zu erschließen, und zwar nicht allein in seinen materiellrechtlichen Grundlagen, sondern gleichermaßen unter Einschluss seiner maßgeblichen zivilprozessualen und kollisionsrechtlichen Implikationen. Zu diesem Zweck werden die grundlegenden Struktur- und Wertungsprinzipien der praktisch bedeutsamsten Anwendungsfälle, d.h. vor allem der Abtretung, Schuld- und Vertragsübernahme sowie der Übereignung beweglicher und unbeweglicher Sachen, herausgearbeitet, näher ausgeformt und kritisch gewürdigt. Zum zweiten werden die im DCFR niedergelegten Modellregeln der rechtsgeschäftlichen Sukzession in den Blick genommen. Sie dienen als europäischer Referenzpunkt für das nationale Recht, müssen sich umgekehrt aber zugleich an den zum deutschen Privatrecht gefundenen Ergebnissen messen lassen. Dabei versteht es sich von selbst, dass aus dem deutschen Recht – de lege lata – keine Aussagen für das europäische Recht sowie für Modellregeln auf europäischer Ebene gewonnen werden können. Ebenso wenig können dem europäischen Recht unmittelbar Aussagen für das (geltende) deutsche Recht entnommen werden. Darüber hinaus sind europäische Regelungen nach einer eigenständigen – europäischen – Methodik auszulegen12. Das ergibt sich bereits aus den Unterschieden der nationalen Methodik, die eine eigene Auslegungsmethode auf europäischer Ebene unverzichtbar erscheinen lassen13. Zudem ist zu 9 Allesamt grundlegend Koschaker, Europa (1966); Coing, Privatrecht I, II (1985/1989); Wieacker, Privatrechtsgeschichte (1967); Zimmermann, Law (1996). 10 Siehe nochmals Fn. 5. 11 Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 39. 12 Fleischer, RabelsZ 75 (2011), 700, 708; Wendehorst, RabelsZ 75 (2011), 730 (760); Brors, NJW 2013, 3329, 3330. 13 Brors, NJW 2013, 3329, 3330; Fleischer, RabelsZ 75 (2011), 700, 708; Roth, RabelsZ 75 (2011), 787, 799. – Zur europäischen Methodenlehre s. etwa Hager, Rechtsmethoden (2009); Riesenhuber, Methodenlehre (2010); Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009), 1 ff.; Rösler, Rth 43 (2012), 495 ff.; Ahmling, Analogiebildung (2012); Nehne, Methodik (2012).
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§ 1 Einleitung
berücksichtigen, dass die vom nationalen Recht verfolgten Zielsetzungen nicht mit der Stoßrichtung der europäischen Rechts- oder Modellregeln identisch sein müssen. Einem dialektischen Ansatz folgend kann es folglich nur darum gehen, den nationalen und den europäischen Rechtskörper – de lege ferenda – in Beziehung zu setzen. Die Untersuchung soll ihre befruchtende Wirkung hierbei in beide Richtungen entfalten und verspricht Ertrag sowohl für die Optimierung des deutschen Rechts sowie der europäischen Modellregeln. Am Ende steht ein spezifisch deutscher Grundlagenbeitrag zur gemeineuropäischen Ordnung und systematisch-teleologischen Durchdringung des vertraglichen Sukzessionsrechts sowie zur Herausbildung eines gemeineuropäischen Privatrechts – ein Prozess, der heute mit Recht als „eine der bedeutendsten juristischen Entwicklungen der Gegenwart“14 gilt.
2. Wirtschaftliche Bedeutung des Sukzessionsrechts Dass vor dem Hintergrund des europäischen Rechtsangleichungsprozesses gerade das Sukzessionsrecht zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung auserkoren wurde, hat verschiedene Gründe. Zunächst ist da die wirtschaftliche Bedeutung von Sukzessionsvorgängen in der Praxis. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes unermesslich. Tagtäglich werden unzählige bewegliche Sachen, Grundstücke, Forderungen, Geschäftsanteile und sonstige Rechte in Deutschland, Europa und der Welt übertragen. Dem Rechtsinhaber eröffnet sich hiermit ein weiter privatautonom nutzbarer Gestaltungsspielraum, der ihm eine möglichst freie persönliche und wirtschaftliche Entfaltung eröffnet15. Zugleich bildet ein funktionsfähiges Sukzessionsrecht die Grundlage einer modernen Volkswirtschaft wie der unsrigen. Das gilt nicht nur für den Vermögenstransfer, der – wie etwa in Erfüllung eines Kaufvertrags – auf den Umsatz von Wirtschaftsgütern gerichtet ist, sondern auch für fiduziarische Rechtsübertragungen zum Zwecke der Kreditsicherung. Dominierte in der früheren Transaktionspraxis noch die Übereignung von beweglichen und unbeweglichen Sachen, hat der anhaltende Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft die Bedeutung der Forderungsabtretung16 sowie der Übertragung von anderen Rechten, Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen zunehmend in den Vordergrund treten lassen. Zweifelhafte Berühmtheit erlangte in letzter Zeit die Veräußerung von (notlei-
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Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529. Vgl. Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9. 16 Speziell zur Forderungsabtretung Bette, WM 1994, 1909; Bazinas, Duke J. Comp. Int’l L. 8 (1998), 315 ff.; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 458 f.; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1. 15
I. Anlass der Untersuchung
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denden) Krediten17. Weiterhin von Bedeutung sind Sonderformen der Forderungsabtretung, wie z.B. das Factoring, Forfaitierung und die Verbriefung einer Vielzahl von Einzelforderungen (Securitization), die sich in ihrer Gesamtheit auch nicht auf nationale Sachverhalte beschränken, sondern zunehmend grenzüberschreitenden Charakter aufweisen18. Aus diesem Grund wäre die Betrachtung grob unvollständig, würde neben den bürgerlichrechtlichen Grundlagen nicht auch ein Blick auf die kollisionsrechtlichen Implikationen der Nachfolge geworfen. Eine vergleichbare Ausgangslage ergibt sich für die Schuld- und Vertragsübernahme. Von praktischer Bedeutung sind die beiden Sukzessionsformen insbesondere bei der Veräußerung von Unternehmen im Wege des Asset Deal, bei welchem typischerweise auch Verbindlichkeiten und laufende Vertragsverhältnisse auf den Erwerber übergeleitet werden. Ein weiterer Anwendungsfall ist die Übernahme des Darlehensvertrags unter Anrechnung auf den Kaufpreis durch den Erwerber eines Hausgrundstücks19. Diese Sachverhalte beschränken sich wiederum nicht auf den inländischen Rechts- und Handelsverkehr, sondern ereignen sich immer häufiger im internationalen Kontext, weil Veräußerer oder Erwerber ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Unternehmenssitz im Ausland haben.
3. Forschungslücke: Mobilisierung von Vermögenspositionen Das alles bestätigt den modernen Trend hin zu einer zunehmenden Mobilisierung von Vermögensrechten aller Art20, die im modernen Schrifttum – genauso wie das Institut der rechtsgeschäftlichen Sukzession – als ganzheitliches Phänomen bis heute nicht aufgearbeitet ist21. Es fehlt bisher an einer Grundlagenar17 Siehe exemplarisch BVerfG, NJW 2007, 3707; BGHZ 171, 180; 183, 60; Nobbe, ZIP 2008, 97 ff.; Stürner, ZHR 173 (2009), 363 ff.; Bitter, ZHR 173 (2009), 379 ff.; Bergjan, ZIP 2012, 1997 ff.; Früh, FS Hopt, S. 1823 ff.; Höche, FS Nobbe, S. 317 ff.; Maetschke, AcP 211 (2011), 287 f.; monografisch Lendermann, Darlehensveräußerungen (2012); Funken, Übertragung (2011); Heer, Abtretung (2011); Rümpker, Grundschuldzession (2010); Contrael, Bankgeheimnis (2009); Fuhrmann, Bankgeheimnis (2009); Vollborth, Forderungsabtretung (2007). 18 Zur praktischen Bedeutung siehe Flessner/Verhagen, Assignment, S. 4 ff.; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217; Grau, Forderungsabtretungen, S. 26 ff. 19 Siehe weitere Beispiele bei Maurer, Schuldübernahme, S. 1 f. 20 Vgl. nur Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9. 21 Siehe aus der Zeit kurz nach Inkrafttreten des BGB: Lessing, Rechtsnachfolge (1902); H. Schmidt, Rechtsnachfolge (1903); Romeick, Rechtsnachfolge (1904); v. Schwerin, Rechtsnachfolge (1905); vgl. ferner mit Bezug zum Prozessrecht Schumann, Streitbefangenheit (1910); Weiskopf, Rechtsnachfolge (1913). Die schmalen Schriften sind zumeist noch stark begriffsjuristisch geprägt und tragen zur Problematik der Mobilisierung von Vermögensrechten wenig bei. Aus der neueren Literatur siehe für die Teilbereiche der Forderungsabtretung sowie Schuld- und Vertragsübernahme die primär rechtsdogmatisch geprägten Werke von Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen (1999); Dörner, Relativität (1985); Klimke, Vertragsübernahme (2010); Schaffland, Vertragsübernahme (2012).
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§ 1 Einleitung
beit, die sich vor dem Hintergrund der stetig ansteigenden Verkehrsfähigkeit von Vermögenspositionen den tragenden Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Nachfolge widmet, den Stand der bisherigen Entwicklung kritisch analysiert und Vorschläge für eine Fortbildung und Optimierung des Sukzessionsrechts unterbreitet. Einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten, ist das Hauptanliegen dieser Untersuchung. Das geschieht in der festen Überzeugung, dass die Geschichte der Rechtsnachfolge noch nicht zu Ende erzählt ist. Zwar ist das Konzept der Sukzession dem deutschen (und ausländischen) Privatrecht seit langem bekannt. Ausgehend von ihren ursprünglichen Anwendungsbereichen – die Nachfolge in die Rechtsstellung des Erblassers22 und die Übertragung von Eigentum –, erkämpfte sich die Sukzession nur mit Mühe weiteres Terrain, so bis zum Inkrafttreten des BGB bei der Forderungsabtretung (§ 398 BGB) und der Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB). Die Vertragsübernahme anerkannte die Rechtsprechung erst in den 1970er Jahren als eigenständigen Sukzessionstatbestand23. Schwierigkeiten bereitet heute vor allem noch die dogmatische Verortung der durch das Umwandlungsgesetz von 1994 geschaffenen Tatbestände der (partiellen) Universalsukzession (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Es ist ein grundlegendes Anliegen dieser Arbeit, die bezeichneten Sukzessionstatbestände zu einem kohärenten System rationaler Ordnung zusammenzufügen und zugleich einen Beitrag zur Rechtsfortbildung vor allem dort zu leisten, wo das Sukzessionsrecht noch überkommenen Vorstellungen verhaftet und nicht primär an den Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs ausgerichtet ist.
II. Methoden der Untersuchung Die Arbeit verfolgt einen methodenpluralistischen Ansatz. Im Vordergrund steht die rechtsdogmatische Durchdringung des Sukzessionsrechts. Ziel ist der Entwurf einer integrierten Lehre von der rechtsgeschäftlichen Nachfolge, und zwar in Form tragender Struktur- und Wertungsprinzipien, die der lex lata zugrunde liegen, die zugleich aber auch als Maßstab für eine Fortentwicklung und Optimierung des modernen Sukzessionsrechts de lege ferenda dienen können und sollen. In diesem Zusammenhang spielen die schon eingangs erwähnten Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene, namentlich der Gemeinsame Referenzrahmen für ein Europäisches Privatrecht24, eine wichtige Rolle. Berücksichtigung finden zudem rechtshistorische und rechtsvergleichende Betrachtungen, die immer dann ins Spiel kommen, wenn das geltende 22 Darauf beschränkt sich der lesenswerte, literarische Seitenblick von Weick, NJW 2012, 716 ff. 23 Siehe unten § 4 II. 6. a). 24 Siehe oben § 1 I. 1.
II. Methoden der Untersuchung
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Recht oder ein rechtspolitischer Vorschlag andernfalls nicht erklärlich wäre. Einbezogen werden schließlich noch die Erkenntnisse der ökonomischen Theorie. Da die Rechtsökonomik bis heute jedoch nicht zu den allenthalben anerkannten und akzeptierten juristischen Forschungsmethoden zählt, werden Grundlagen und Grenzen des rechtsökonomischen Ansatzes in einem eigenständigen Abschnitt des Einführungsteils25 behandelt und zugleich dargelegt, warum seine Anwendung gerade für die rechtsgeschäftliche Sukzession wissenschaftlichen Ertrag verspricht.
1. Rechtsdogmatik Die hier entworfene Lehre von der rechtsgeschäftlichen Nachfolge hat zunächst rechtsdogmatischen Anspruch. Sie zielt darauf ab, die mit der Sukzession verbundenen Rechtsfragen in ein kohärentes System rationaler Ordnung einzupassen, das dem Gesetz der inneren Folgerichtigkeit gehorcht, für den betrachteten Untersuchungsgegenstand den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt26 und die Lösung neuer, bisher unbekannter Fragestellungen ermöglicht27. Der Wert der so verstandenen dogmatischen Durchdringung liegt darin, dass Grundsatzund Prinzipienfragen nicht für jeden Einzelfall erneut hergeleitet und ausdiskutiert werden müssen. Rechtsdogmatik sichert insofern eine gleichförmige Entscheidungspraxis28, verhindert unerwünschte Gesetzesfolgen, und sorgt im Unterschied zur reinen Kasuistik für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und eine gesteigerte Berechenbarkeit der juristischen Entscheidungsfindung29. Kurzum: Rechtsdogmatik stabilisiert, rationalisiert und entlastet die Anwendung des geltenden Rechts30. Vor diesem Hintergrund zielt die Arbeit darauf ab, die Komplexität des Sukzessionsrechts zu reduzieren und das Bedürfnis nach einer systematisierenden Ordnung zu befriedigen31. 25
Siehe unten § 3. Bei diesem Punkt handelt es sich um eine Anleihe beim Theorienbegriff in der Rechtswissenschaft; vgl. Dreier, in: Dreier, Recht, S. 17, 29, 70 ff.; Schuhr, Rechtsdogmatik, S. 13; siehe noch Canaris, JZ 1993, 377, 384; abweichend (für das Öffentliche Recht) Lepsius, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 1, 4 f. 27 Zur unterschiedlichen Begriffsbestimmung von Rechtsdogmatik s. ausf. Struck JZ 1975, 84 ff.; zusf. Seiler, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 109, 110. Zu den Aufgaben von Rechtsdogmatik Canaris, Systemdenken, S. 86 ff.; Kötz, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 75, 78 f. Zu Aufgaben und Grenzen der Rechtsdogmatik Esser, AcP 172 (1972), 97 ff.; Bydlinski, AcP 188 (1988), 447 ff., 477; Häsemeyer, FS Schapp, S. 241 ff. Zur Wort- und Dogmengeschichte ausf. Seiler, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 109, 113 ff. 28 Dazu ausf. Luhmann, Recht, S. 274 ff.; zusf. Roellecke, JZ 2011, 645, 646. 29 Vgl. (in anderem Zusammenhang) Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 734. 30 Esser, AcP 172 (1972), 97, 103 ff.; vgl. ferner dens., Vorverständnis, S. 88 ff.; siehe noch Lepsius, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 1, 17; Stürner, JZ 2012, 10 f. 31 Zu dieser Aufgabe der Rechtswissenschaft im Allgemeinen Ernst, in: Engel/Schön, Proprium, S. 3, 28; siehe ferner Esser, AcP 172 (1972), 97 (100); vgl. schließlich noch Kegel, FS Mann, S. 57, 58: „Der Vorteil des Allgemeinen: Begriffe schließen sich zum System; System ist Ordnung, 26
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§ 1 Einleitung
Flexibel und anpassungsfähig bleibt das dogmatische System aufgrund seiner Rückbindung an praktische Rechtsfälle und sich ändernde Normenbestände32. So ermöglicht Rechtsdogmatik die Reproduktion stabilisierter Rechtserkenntnisse und leistet damit einen nicht gering zu schätzenden Beitrag zur Ökonomisierung der juristischen Entscheidungsfindung33. Auch wenn die hier gewählte abstrahierende Betrachtungsweise die Besonderheiten der einzelnen Regelungen nicht ausblendet, legt die Arbeit doch besonderen Wert auf die Gemeinsamkeiten der Sukzessionstatbestände, auf Systematisierung und Institutionenbildung34. In der Sache geschieht dies durch eine präzise begriffliche Erfassung sowie die Herausbildung von Struktur- und Wertungsgrundsätzen, die im Rahmen der praktischen Rechtsanwendung prinzipielle Geltung beanspruchen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die vorliegende Arbeit atmet nicht den Geist der Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts35. Zwar ist es Anliegen der Untersuchung, das Gebiet der Rechtsnachfolge systematisierend zu ordnen. Vollkommen fremd ist uns heute indes die Vorstellung, dem Rechtsstoff wohne bereits eine apriorische Ordnung inne, die nur noch durch juristische Anstrengung zu Tage gefördert werden müsse36. Untauglich ist zudem der Versuch, eine Begriffspyramide zu errichten, aus der sich Axiome, Prinzipien, Institutionen und Rechtssätze mit quasi-mathematischer Präzision allein durch logische Schlussfolgerungen deduzieren lassen37. Seit den grundlegenden Arbeiten Rudolf von Jherings38 und Philipp Hecks39 wissen wir um die Risiken eines solchen logischen Formalismus, um seine spaltende Kraft, die das law in books zunehmend vom law in action entfernen musste. Pointiert bemerkt v. Jhering in diesem Zusammenhang40: „Das Leben ist nicht der Begriffe, sondern die Begriffe sind des Lebens wegen da. Nicht was die Logik, sondern was das Leben, der Verkehr, das Rechtsgefühl, postuliert, hat zu geschehen, möge es logisch deduzierbar oder unmöglich sein.“
32 Ordnung ist bequem, weil sie Arbeit spart. Es ist bequem, Küche, Bad und Wohnzimmer zu trennen; es ist unbequem, wenn der Schreibtisch im Bad, das Bett in der Küche und der Kühlschrank im Schlafzimmer steht. Aber wenn man die Ordnung übertreibt, ihren Zweck aus den Augen verliert, entsteht Leerlauf. Es hat keinen Sinn, Reiskörner zu ordnen.“ 32 Vgl. Lepsius, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 1, 17. 33 Vgl. Ernst, in: Engel/Schön, Proprium, S. 3, 42; Köndgen, in: Grundmann/Riesenhuber, Zivilrechtslehrer I, S. 103, 122. 34 Vgl. Esser, Vorverständnis, S. 97 ff.; K. Schmidt, in: ders., Rechtsdogmatik, S. 9, 20 ff.; (für das Gesellschaftsrecht) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 III 2; Fleischer, in: Engel/Schön, Proprium, S. 50, 58. 35 Siehe dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 458 ff.; Bydlinski, FS Wiegand, S. 141, 174 ff. 36 Vgl. allgemein Reimann, in: Engel/Schön, Proprium, S. 87, 91. 37 Dazu näher Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 400 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 460; Hager, Rechtsmethoden, S. 26 f. 38 Eingehend v. Jhering, Zweck I (1916); dazu Larenz, Methodenlehre, S. 43 ff. 39 Ausf. Heck, AcP 112 (1914), 1 ff.; ders., Schuldrecht, Anh. § 1–4. 40 Siehe v. Jhering, Geist III, S. 321.
II. Methoden der Untersuchung
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Oliver Wendell Holmes, Jr., der Vater der rechtsrealistischen Revolution in den Vereinigten Staaten41, griff den Gedanken auf und formulierte wenig später den berühmten Satz42: „The life of the law has not been logic: it has been experience.“
Heute sind an die Stelle formallogischer Schlüsse praktische Zweckorientierung und normative Teleologik getreten43. Systembildung und Systemdenken werden hierdurch indes keineswegs obsolet; beides waren und sind juristische Großthemen des 20. und 21. Jahrhunderts44. Reiner Kasuistik ist eine systematische Ordnung allemal vorzuziehen. Nur muss man sich stets der Wandelbarkeit des Systems bewusst sein. Nicht nur die Zweckvorstellungen des historischen Gesetzgebers müssen infolge sich wandelnder wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen von Zeit zu Zeit überdacht werden45. Auch im Übrigen vollziehen sich Rechtsentwicklungen nur selten als harmonisch-organischer Prozess, vielmehr verlaufen sie spontan und ungeordnet, teilweise geradezu chaotisch. Die vorliegende Arbeit kämpft gegen das rechtliche Chaos an, um ihm – ungeachtet etwa verbleibender Friktionen und Fremdkörper – die bestmögliche Ordnung abzuringen46. Dies geschieht in dem vollen Bewusstsein, dass die Systematisierungsbemühungen stets auf den Rechtsstoff zurückwirken47. Werden (Wertungs-)Widersprüche systemkonform aufgelöst und lokalisierte Regelungslücken geschlossen, ist hiermit unweigerlich eine sukzessive Fortbildung der behandelten Rechtsmaterie verbunden. Dass sich dieser Prozess nicht ausschließlich an den normativen Koordinaten der gesetzlichen Regeln und übergeordneten Prinzipien vollzieht, sondern zuweilen auch rechtspolitische Gesichtspunkte einbezogen werden können, ist heute weithin anerkannt48. Umgekehrt – und darin liegt ein für diese Untersuchung wichtiger Punkt – profitiert die Legislative von klaren rechtsdogmatischen Konzepten, auf deren Grundlage sie Vorschriften aufbauen und ganze Rechtsinstitute reformieren kann. Werden die dogmatischen Rahmenbedingungen des geltenden Rechts respektiert, lassen sich neue Vorschriften passgenau in das bestehende System integrieren und eine Fremdkörperbildung sowie unnötige Spannungen innerhalb des reformierten Systems vermeiden. Rechtsdogmatik leistet auf diese Weise einen wichtigen Betrag zur Formulierung guter
41
Siehe dazu mehr unten § 1 II. 3. Holmes, Common Law, S. 1. 43 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 463; Stürner, JZ 2012, 10, 11. 44 Siehe exemplarisch Canaris, Systemdenken (1983); Riesenhuber, System (2003). 45 Siehe noch unten § 1 II. 4. sowie ferner Häsemeyer, FS Schapp, S. 241, 246. 46 Allgemein zum Problem Ernst, in: Engel/Schön, Proprium, S. 3, 31 f.; Reimann, ebenda, S. 87, 91. 47 Anschaulich zum Ganzen Schön, in: Engel/Schön, Proprium, S. 313, 317. 48 Dazu näher unten § 1 II. 3. Siehe ferner K. Schmidt, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 9 ff.; Canaris, FS Kitagawa, S. 59, 75. 42
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§ 1 Einleitung
Gesetze und zur Schaffung in sich geschlossener und widerspruchsfreier Kodifikationen49. Auch wenn die Verbindungslinien zwischen der rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Welt nach alldem unbestreitbar sind, ist Gegenstand der Rechtsdogmatik an allererster Stelle das geltende Recht. Davon sind Vorschläge de lege ferenda klar zu trennen50. Diese Unterscheidung kennzeichnet auch die vorliegende Untersuchung.
2. Rechtspraxis Mit Betonung der praktischen Zwecksetzung ist schon angedeutet, dass die hier entworfene Sukzessionslehre nicht allein akademischen Anspruch erhebt, sondern auch rechtspraktische Erkenntnisse und wirtschaftliche Entwicklungen in die Betrachtung einbezieht. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der gewandelten praktischen Bedeutung des Sukzessionsrechts51. Angestrebt wird eine enge Verknüpfung von Rechtsdogmatik und Rechtspraxis, wie sie schon Friedrich Carl von Savigny in der berühmten Vorrede zu seinem „System des heutigen römischen Rechts“ von 1840 forderte: „Es beruht aber alles Heil darauf, (…) daß also in gewissem Grade jeder Theoretiker den praktischen, jeder Praktiker den theoretischen Sinn in sich erhalte und entwickle. Wo dies nicht geschieht, wo die Trennung zwischen Theorie und Praxis eine absolute wird, da entsteht unvermeidlich die Gefahr, daß die Theorie zu einem leeren Spiel, die Praxis zu einem bloßen Handwerk herabsinke.“52
In einer rechtsanwendungsbezogenen Jurisprudenz, der diese Arbeit verpflichtet ist, bilden Theorie und Praxis keine unversöhnlichen Gegensätze53. Im Gegenteil: „(T)here is nothing so practical as a good theory“54. Eine gute Theorie ist in der Lage, der Praxis den Weg zu weisen. Umgekehrt kann ein Blick in die Praxis manchen theoretischen Irrweg ersparen55. Eine Theoriebildung ohne Berücksichtigung rechtspraktischer Entwicklungen ist blutleer und birgt gerade in der Rechtswissenschaft die Gefahr schwerwiegender Fehlentwicklungen und Funktionsstörungen56. Denn das Recht ist zum einen besonders sensibel für 49
Vgl. Koschaker, Europa, S. 205; Kötz, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 75, 82; zum Verhältnis von Gesetzgebung und Rechtsdogmatik aus rechtshistorischer Perspektive instruktiv Seiler, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 109, 117 ff. 50 Ebenso Canaris, FS Kitagawa, S. 59, 75. 51 Siehe oben § 1 I. 2. 52 So v. Savigny, System, Vorrede, S. XX. 53 Dazu Lepsius, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 1, 3 ff.; zur Juristenausbildung Chr. Fischer, Topoi, S. 329 f. 54 Lewin, Field Theory, S. 169; übernommen von Canaris, FS Kitagawa, S. 59, 63; Ernst, in: Engel/Schön, Proprium, S. 3, 41. 55 So auch Unberath, Vertragsverletzung, S. 7. 56 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 19.
II. Methoden der Untersuchung
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sich verändernde Rahmenbedingungen in der sozialen Lebenswelt; zum anderen wird erwartet, dass rechtliche Lösungen für immer neue Fragestellungen gefunden werden57. Ergeben sich aus der Verbindung von Theorie und Praxis unüberbrückbare Differenzen, dann muss entweder die Theorie grundlegend erneuert werden oder die theoretischen Vorgaben zwingen zu einer Bereinigung der Praxis58. Der erforderliche Praxisbezug rechtsdogmatischen Arbeitens folgt damit letztlich aus der Interdependenz von Recht und sozialer Außenwelt. Rechtspraktische Erkenntnisse beeinflussen aber nicht allein die Rechtsdogmatik, sondern auch die Rechtspolitik:
3. Rechtspolitik Dass eine Rechtswissenschaft, die sich auf rechtsdogmatisches Arbeiten beschränkt, einen zu limitierten Ansatz verfolgt, wissen wir spätestens seit Julius Hermann von Kirchmanns berühmtem Vortrag über „Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft“ aus dem Jahre 1847. Dort beklagte er eindringlich die Mängel einer auf das positive Recht beschränkten Jurisprudenz und forderte die Öffnung der Rechtswissenschaft hin zur Rechtspolitik59: „Indem die Wissenschaft das Zufällige zu ihrem Gegenstand macht, wird sie selbst zur Zufälligkeit; drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur. (…) Dagegen sucht man vergeblich nach einer Hilfe, nach einer Leitung der Wissenschaft an den Orten, wo es wahrhaft not tut, bei der Fortbildung des Rechtes im allgemeinen. (…) Dies eben ist das klägliche der Jurisprudenz, daß sie die Politik von sich aussondert, daß sie damit sich selbst für unfähig erklärt, den Stoff, den Gang der neuen Bildungen zu beherrschen oder auch nur zu leiten, während alle anderen Wissenschaften dies als ihren wesentlichsten Teil, als ihre höchste Aufgabe betrachten.“
Die Forderungen v. Kirchmanns haben an Aktualität nichts eingebüßt. Allgegenwärtig ist die Forderung nach einem Wandel von der rechtsanwendungszur rechtsetzungsorientierten Rechtswissenschaft60. Deshalb genügt es auch nicht, zum Zweck der Systembildung das geltende Recht unkritisch als gegeben hinzunehmen. Der aktuelle Normenbestand, seine Interpretation durch Rechtsprechung und Schrifttum sowie seine Anwendung in der Praxis bilden nur den Ausgangspunkt auf der Suche nach alternativen Lösungswegen für bekannte Problemstellungen61. Angestrebt wird letztlich eine Verzahnung von Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, die nicht als unversöhnliche Gegensätze daher57
Vgl. Ernst, in: Engel/Schön, Proprium, S. 3, 31. Wie hier auch Canaris, FS Kitagawa, S. 59, 63 f. 59 So v. Kirchmann, Wertlosigkeit, S. 29, 49, 52; vgl. dazu weiter Rückert, Autonomie, S. 77 ff.; v. Hippel, JZ 1998, 529. 60 Besonders klar Fleischer, ZGR 2007, 500, 502; vgl. noch Eidenmüller, ZGR 2007, 484, 485; dens., JZ 2007, 487: „rechtsfolgenorientierte Gesetzgebungswissenschaft“; ferner Merkt, ZGR 2007, 532, 540 f. 61 Instruktiv v. Hippel, JZ 1998, 529. 58
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§ 1 Einleitung
kommen62, sondern einander bedingen: Die Vorstellungen des Gesetzgebers bilden die Grundlage für das teleologisch-normative Verständnis von Rechtsvorschriften in einem dogmatischen System. Das dogmatische System bildet seinerseits die Grundlage für die legislatorische Fortbildung und Optimierung des geltenden Rechts.
4. Rechtsgeschichte Um die Vorstellungen des Gesetzgebers zu ermitteln, macht sich die vorliegende Untersuchung neben der systematischen und teleologischen Betrachtung des Rechtsstoffes auch die Methoden der rechtshistorischen Forschung zunutze. Soweit Rechts- und Dogmengeschichte im Rahmen dieser Arbeit eine Rolle spielen, verfolgen sie aber schon aus Raumgründen allein praktisch-dogmatische Ziele63. Grundanliegen ist eine „historisch belehrte Gegenwartsdogmatik“, die die „Historizität allen Rechts“ achtet und „seine Entwicklungsgeschichte als Bedingung seiner Erkenntnis begreift“64. Die historische Genese dient als Schlüssel für das Verständnis des geltenden Rechts und ist in diesem Sinne unverzichtbar, wenn und weil sich die teleologischen Grundlagen des positiven Gesetzesrechts in Unkenntnis der rechtlichen Genealogie nicht freilegen lassen65. Vielfach offenbart erst ein Blick in die Geschichte eines Regelungskomplexes den rechtlichen Fortschritt und die Errungenschaften der modernen Dogmatik, wenn durch historische Betrachtung überwundene Theorien und überholte Strukturen zum Vorschein kommen. Daher bilden die Gesetzesmaterialien des BGB einschließlich der Vorentwürfe regelmäßig den Ausgangs- und Referenzpunkt der praktisch-dogmatischen Erörterungen. Nicht nur die Interpretation, sondern auch die Fortbildung des Rechts lassen sich nur unter Berücksichtigung des originären Gesetzgebungsplans überzeugend begründen66. Dieser Aspekt ist für das Verständnis der zunehmenden Mobilisierung von Vermögenspositionen, der im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht67, von zentraler Bedeutung. Allerdings muss man sich stets der Grenzen der genetischen Gesetzesinterpretation bewusst sein. Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gelangten Vorstellungen des historischen Gesetzgebers entfalten nämlich keine unbedingte Bindungswirkung für den Rechtsanwender der Gegenwart68. Zwar können die Materialien nach vorzugswürdiger Ansicht auch berücksichtigt werden, 62 63 64
K. Schmidt, in: ders., Rechtsdogmatik, S. 9, 10, 31. Zu diesem Ansatz: Jansen, ZNR 27 (2005), 202, 206. So pointiert Picker, AcP 201 (2001), 763, 836, 859; vgl. auch Finkenauer, FS Picker, S. 201,
225. 65 66 67 68
Zutreffend Jansen, ZNR 27 (2005), 202, 217. Finkenauer, FS Picker, S. 201, 224. Siehe oben § 1 I. 3. Vgl. dazu Fleischer, AcP 211 (2011), 317, 333.
II. Methoden der Untersuchung
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wenn sie im Normtext keine Andeutung gefunden haben69. Wenn sich die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers allerdings zum Normtext in Widerspruch setzen, müssen die Materialien zurückstehen70, vorbehaltlich einer etwaigen Korrektur von Redaktionsversehen und der teleologischen Reduktion71. Außerdem ist der Rechtsanwender an die historischen Vorstellungen nicht länger gebunden, wenn sie mit dem aktuellen Stand der Rechtsdogmatik nicht (mehr) in Einklang zu bringen sind und eine neue, alternative Deutung mit den Wertungen der gesetzlichen Vorschriften besser harmoniert72.
5. Rechtsvergleichung Was die rechtshistorische Methode für die Rechtsdogmatik leisten kann, leistet die rechtsvergleichende Methode für die Rechtspolitik73. Die Rechtsvergleichung gibt Impulse für die Fortentwicklung und Optimierung des Sukzessionsrechts, vor allem unter Einbeziehung der Entwicklungen auf europäischer und globaler Ebene74. Allerdings kann schon aus Raumgründen eine umfassende rechtskomparative Aufarbeitung der hier behandelten Sukzessionstatbestände einschließlich der sie prägenden Struktur- und Wertungsgesichtspunkte nicht geleistet werden. Ihre Anwendung beschränkt sich vielmehr auf die Stellen der Arbeit, wo rechtsvergleichende Einsichten geeignet sind, die Entwicklung des Sukzessionsrechts voranzubringen. Einen Schwerpunkt bildet hierbei der fünfte Teil der Untersuchung, der sich mit europäischen und internationalen Modellregeln befasst und zu diesem Zweck auf den Gemeinsamen Referenzrahmen, aber auch auf andere (europäische und internationale) Referenztexte sowie die Rechtsordnungen der europäischen Mitgliedstaaten Bezug nimmt. Die rechtskomparative Methode kommt aber auch an vielen anderen Stellen der Arbeit zum Einsatz, und zwar in Form von Binnenrechtsvergleichung. Zahlreiche rechtspolitische Vorschläge und rechtsdogmatische Ansätze, die im Rahmen der Untersuchung vorgestellt werden, beruhen auf einem Vergleich der Sukzessionstatbestände untereinander. Die vergleichende Betrachtung von Ab69 Wie hier Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 734 ff., 799; Fleischer, AcP 211 (2011), 317, 332 f.; Canaris, FS Medicus, S. 25, 55; a.A. BVerfGE 11, 126, 130 f.; Hassold, ZZP 943 (1981), 192, 208. 70 Müller/Christensen, Methodik, Rn. 441. 71 Dazu näher Kramer, Methodenlehre, S. 167 f.; zusf. Fleischer, AcP 211 (2011), 317, 333. 72 Zum Problemkreis allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff., insb. S. 318; Bydlinski, Methodenlehre, S. 428 ff., 436, 449 ff., 453; speziell zum Vertrauensschutz Wiegand, JuS 1978, 145, 148; vgl. noch Canaris, FS Medicus, S. 25, 55 Fn. 78. 73 Grundlegend zu Begriff, Funktion und Methode der Rechtsvergleichung Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 1 ff., 12 ff., 31 ff.; speziell zur Bedeutung der Rechtsvergleichung als Hilfsmittel für den Gesetzgeber, für die Rechtsvereinheitlichung und die Entwicklung eines gemeineuropäischen Zivilrechts siehe ebenda, S. 14 ff., 23 ff., 27 ff. 74 Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Entwicklung eines europäischen Rechtsraums siehe v. Bogdandy, JZ 2011, 1, 3 f.
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§ 1 Einleitung
tretung, Schuld- und Vertragsübernahme und Übereignung lenkt den Blick unweigerlich auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Der hier verfolgte ganzheitliche Ansatz verlangt nach einer sachlichen Rechtfertigung, wenn immer sich strukturelle Unterschiede zeigen. Hieraus speist die Studie einen Großteil ihrer innovativen Kraft. Insbesondere bilden die im Wege der (binnen-) rechtsvergleichenden (aber auch dogmengeschichtlichen) Methode herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten die Grundlage für die Ermittlung der Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Sukzession:
6. Rechtsprinzipien a) Unterscheidung von Rechtsregeln und Rechtsprinzipien Ist die Rede von Rechtsprinzipien, eignet sich in normtypologischer Hinsicht für eine erste Standortbestimmung75 die von Ronald Dworkin und Robert Alexy herausgearbeitete Unterscheidung von Rechtsregeln und Rechtsprinzipien: Für Rechtsregeln gilt das Alles-oder-nichts-Prinzip76. Im Kollisionsfall kann nur eine von mehreren Rechtsregeln Gültigkeit beanspruchen. Im Gegensatz dazu sind Rechtsprinzipien der Abwägung zugänglich. Kollidieren Rechtsprinzipien, sind sie gegeneinander abzuwägen. Sie können im konkreten Einzelfall mehr oder weniger stark zur Geltung gelangen; sie gelten gleichzeitig, nur eben nicht gleichmäßig. Bei Rechtsprinzipien handelt es sich folglich um Optimierungsgebote, die auf einen Idealzustand, d.h. eine möglichst umfassende Verwirklichung gerichtet sind, im Einzelfall aber auch eingeschränkt werden können77. Solche Einschränkungen verlangen stets nach einer besonderen Rechtfertigung, die sich nur aus dem Stellenwert des durch die Beeinträchtigung des 75 Zu den einzelnen Definitionsansätzen ausf. Metzger, Extra legem, S. 13 ff.; eine kurze Geschichte der Terminologie findet sich bei Rückert, in: HKK, BGB, Vor § 1 Rn. 10. – Die Diskussion um die Prinzipientheorie hat in der jüngeren Gegenwart wieder an Fahrt gewonnen; siehe aus der reichen Literatur der letzten Jahre etwa Heinold, Prinzipientheorie (2011); Homem de Siqueira, ARSP 97 (2011), 198 ff.; Kellogg, ARSP 97 (2011), 218 ff.; Pokol, Rth 42 (2011), 105 ff.; Poscher, RW 2010, 349 ff.; Riechelmann, ARSP 97 (2011), 207 ff.; Sieckmann, ARSP 97 (2011), 178 ff.; Sourlas, Rechtsprinzipien (2011). – Zum Zweck der vorliegenden Untersuchung ist es nicht notwendig, sich mit den verschiedenen Ansätzen im Detail auseinanderzusetzen. Die folgenden Überlegungen zu Rechtsprinzipien sollen lediglich erläutern, was zum Zwecke dieser Arbeit als Rechtsprinzip aufgefasst wird und in welchem Sinne prinzipiengeleitetes Arbeiten zu einem Erkenntnisgewinn bei der rechtsdogmatischen wie rechtspolitischen Analyse des Sukzessionsrechts beitragen kann. 76 Dazu und zum Folgenden Dworkin, Rights, S. 24 ff., 82, 90; dazu kritisch Metzger, Extra legem, S. 14 ff.; vgl. weiter Staake, Jura 2011, 177, 181 f.; Heinold, Prinzipientheorie (2011). 77 Dazu ausf. Alexy, Grundrechte, S. 71 ff., 75 ff.; ders., Rth Beih. 1 (1979), 59, 80 f.; ders., ARSP Sonderheft 25 (1985), S. 13 ff.; ders., Recht, S. 177 ff.; dem folgend Dreier, NJW 1986, 890, 892; ders., FS Maihofer, S. 87, 94; Larenz, Methodenlehre, S. 475; Hurni, Vermögensübertragung, S. 6 ff.; Sieckmann, ARSP 97 (2011), 178 ff.; zur Dimension der von Alexy begründeten Prinzipientheorie siehe Poscher, RW 2010, 349; vgl. weiter Heinold, Prinzipientheorie (2011); Homem de Siqueira ARSP 97 (2011), 198 ff.
II. Methoden der Untersuchung
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einen Prinzips verwirklichten anderen Prinzips ergeben kann78. Ausnahmen und Durchbrechungen gelten – bis zu einem bestimmten Grad – als Bestätigung des im Grundsatz gültigen, wenn auch beschränkten Strukturprinzips. Zutreffend bemerkt Claus-Wilhelm Canaris in diesem Zusammenhang79: „Die Prinzipien erhalten ihren eigentlichen Sinngehalt erst in einem Zusammenspiel wechselseitiger Ergänzung und Beschränkung“. Stellenwert und Tragweite der einzelnen Rechtsprinzipien werden also erst durch ihr Zusammenspiel und ihre Grenzen determiniert. Während Rechtsregeln konditional strukturiert sind und eine unmittelbar verhaltens- wie entscheidungssteuernde Funktion erfüllen, weisen Rechtsprinzipien typischerweise keine Konditionalstruktur auf und formulieren auch keinen abschließenden Entscheidungsmaßstab. Normative Wirkungen entfalten Rechtsprinzipien auf der Begründungs- und Argumentationsebene80, indem sie Wertungen in den Entscheidungsprozess einfließen lassen, die einer Abwägung mit anderen Rechtsprinzipien zugänglich sind. Sie dienen als Argumentationsgrundlage im juristischen Rechtsanwendungsdiskurs81, vermögen aber weder alle Einzelregeln eines abgeschlossenen Normenbestandes zu erklären noch sämtliche forensischen Entscheidungen zu legitimieren. Für die einzelfallgeleitete Problemlösung sind sie dennoch von Bedeutung, weil sie das erzielte Ergebnis – jenseits geschichtlich-deskriptiver oder hermeneutisch-tastender Ansätze – auf ein solides rechtssystematisches Fundament stellen82. b) Bedeutung und Funktion von Rechtsprinzipien In funktioneller Hinsicht handelt es sich bei Rechtsprinzipien um Maximen, nicht um Axiome. Rechtsprinzipien beanspruchen keine apriorische Geltung und tragen auch ihre dogmatische wie rechtspolitische Legitimation nicht in sich83. Stattdessen sind Nutzen und Sinnhaftigkeit aus der praktischen Verwendbarkeit der Struktur- und Wertungsprinzipien abzuleiten. Sie tragen nur so weit, als ihre praktische Anwendung zu interessengerechten und auch gesamtwirtschaftlich überzeugenden Ergebnissen führt. Wo dies in institutionellsystematischer Weise nicht mehr gewährleistet ist, erleidet das Rechtsprinzip – womöglich zur Verwirklichung eines alternativen Rechtsgrundsatzes – entweder eine Durchbrechung oder das Prinzip ist anzupassen bzw. durch ein anderes zu ersetzen.
78
Alexy, Grundrechte, S. 146; vgl. noch Karner, Mobiliarerwerb, S. 2 Fn. 5, 66. Canaris, Systemdenken, S. 55; ebenso Larenz, Methodenlehre, S. 476. 80 Dazu etwa Neumann, Recht, S. 138 ff.; Sourlas, Rechtsprinzipien, S. 118 ff. 81 Siehe Esser, Grundsatz, S. 50 ff.; Lieth, Analyse, S. 19; vgl. dazu Metzger, Extra legem, S. 16 f. 82 Vgl. Bydlinski, System, S. 471 m. Fn. 519; Fleischer, in: Grundmann/Riesenhuber, Zivilrechtslehrer I, S. 167, 181. 83 Vgl. Muscheler, Erbrecht, Rn. 931. 79
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§ 1 Einleitung
Auch wenn abstrakte Prinzipien zur Lösung forensischer Streitfälle von begrenztem Nutzen sind – „general propositions do not decide concrete cases“84 –, sind sie bei der Auslegung und Fortbildung des positiven Rechts sowie bei der Schließung von planmäßigen und planwidrigen Gesetzeslücken von zentraler Bedeutung85. In diesem Zusammenhang sind sie zum einen geeignet, die rechtlichen Grundlagen für die Entscheidungsfindung offenzulegen86 und die Begründung von Entscheidungen zu verbessern87. Zum anderen richten sich Rechtsprinzipien gleichermaßen an die rechtssetzungsorientierte Rechtswissenschaft und die Gesetzgebung, wenn es um die Schaffung und Kodifikation neuer Rechtsvorschriften oder die Anpassung des geschriebenen Rechts an veränderte wirtschaftliche oder soziale Rahmenbedingungen geht. Der konkrete Wert einer prinzipienbasierten Analyse des Instituts der rechtsgeschäftlichen Sukzession besteht darin, die aus dem geltenden Recht destillierten Struktur- und Wertungsprinzipien für die Fortbildung der auf europäischer Ebene angestoßenen Rechtsentwicklungen fruchtbar zu machen88. Das geschieht mit Franz Bydlinski in der Annahme, dass „das Zurückgehen auf die Prinzipienschichten schon einer einzelnen Rechtsordnung stets zugleich den Zugang zu breit überstaatlich wirksamen oder sogar (für bestimmte Rechtskreise oder überhaupt) universalen normativen Strukturen eröffnet“89. Der erfolgreiche Export deutscher Rechtsprinzipien nach Europa setzt allerdings voraus, dass die Grundsätze nach ihrer Abstraktionshöhe weder zu hoch noch zu niedrig angesiedelt sind. Als besonders fruchtbar haben sich in der Vergangenheit Prinzipien „mittlerer Reichweite“90 erweisen. Ihr Vorteil besteht einerseits darin, dass sie aufgrund ihres allgemeinen Gehalts, nicht auf die Lösung eines Einzelproblems beschränkt sind, sondern aufgrund ihres höheren Abstraktheitsgrades geeignet sind, eine Vielzahl von Fragestellungen zu erfassen und als argumentative Basis für eine sinnvolle juristische Lösung zu dienen91. Andererseits sind sie wiederum nicht so abstrakt wie die „großen“ Theorien, deren Erkenntnisse nur schwerlich für den konkreten Einzelfall fruchtbar gemacht werden können92. Im Folgenden wird daher der Entwurf von Rechtsprinzipien mittlerer Abstraktionshöhe angestrebt.
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Lochner v. New York, 198 U.S. 45, 76 (1905) (Holmes, J., dissenting). Kritisch Kellogg, ARSP 97 (2011), 218 ff. 86 Vgl. Bydlinski, System, S. VII. 87 Für das Gesellschaftsrecht speziell Fleischer, in: Engel/Schön, Proprium, S. 50, 59. 88 Vgl. allgemein Flessner, JZ 2002, 14, 18; (für das Gesellschaftsrecht) Fleischer, in: Engel/ Schön, Proprium, S. 50, 59; dens., in: Grundmann/Riesenhuber, Zivilrechtslehrer I, S. 167, 182. 89 Bydlinski, System, 1996, S. VIII. 90 Für Theorien „mittlerer Reichweite“: Dreier, in: Dreier, Recht, S. 70, 93; Canaris, FS Kitawaga, S. 59, 62; Horn, AcP 176 (1976), 307, 331. 91 In diesem Sinne auch Medicus, in: Wolfgang Thiele, S. 38, 42 ff.; Canaris, FS Kitawaga, S. 59, 62. 92 So Canaris, FS Kitawaga, S. 59, 62, der außerdem davon ausgeht, dass die „großen“ Theorien des Privatrechts längst entwickelt worden sind. 85
II. Methoden der Untersuchung
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Entsprechend der Maxime einer ökonomischen Theoriebildung93 und v. Jherings Gesetz der logischen Sparsamkeit94 greift die hier entworfene Lehre von der rechtsgeschäftlichen Nachfolge auf das Vorhandene zurück, soweit sich bereits vorgedachte juristische Erkenntnisse in das angestrebte Ordnungssystem einfügen lassen. Oftmals knüpft die Untersuchung daher an bekannte Prinzipien an95. Das vermeidet Systembrüche und hilft die innere Ordnung des Rechtsstoffes behutsam fortzuentwickeln. Erweisen sich überkommene Grundsätze und Regeln indes als dysfunktional, besteht umgekehrt kein Grund dafür, an ihnen um jeden Preis festzuhalten. Vielmehr ist es ebenfalls ein Postulat ökonomischer Theoriebildung, dort mit tradierten Konzepten zu brechen, wo sie der rechtliche Fortschritt hat obsolet werden lassen. Stehen verschiedene Alternativen der System- bzw. Theoriebildung zur Verfügung sollte die einfachere und klarere Alternative gewählt werden, um dem allgemeinen Gebot der Rationalität zu genügen96. Neue Prinzipien werden nur dort in die Diskussion eingeführt, wo es bisher an prinzipiengeleitetem Arbeiten fehlte. c) Struktur- und Wertungsprinzipien Die hier zum vertraglichen Sukzessionsrecht entworfenen Rechtsgrundsätze zerfallen in zwei Gruppen, und zwar Strukturprinzipien und Wertungsprinzipien97. Strukturprinzipien beschreiben den Aufbau und die Ausgestaltung der einzelnen Nachfolgetatbestände. Zum Teil sind sie synonym mit den Tatbestandsmerkmalen der Sukzessionsvorschriften, wie z.B. der Einigungsgrundsatz, Trennungs- und Abstraktionsprinzip, Bestimmtheits- und Spezialitätsprinzip oder das Publizitätsprinzip. Zum Teil ordnen sie wesentliche Rechtsfolgen der vertraglichen Sukzession an, so etwa das Identitäts- und das Akzessorietätsprinzip. Einige Strukturprinzipien beanspruchen uneingeschränkte Geltung bei sämtlichen Nachfolgetatbeständen, wie beispielsweise das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Andere Prinzipien gelten nur für bestimmte Sukzessionstatbestände, so etwa das Publizitätsprinzip und das Prinzip des Gutglaubenserwerbs. Von der Gruppe der Strukturprinzipien unterscheiden sich die Wertungsprinzipien dadurch, dass sie nicht in vergleichbarer Weise in der konkreten Tatbestandsgestaltung der Sukzessionsvorschriften einen Niederschlag gefunden haben. Vielmehr durchziehen sie das gesamte Sukzessionsrecht oder einen ge93 94
Dazu näher Schuhr, Rechtsdogmatik, S. 199 ff. Siehe v. Jhering, Geist III, S. 242 f.; zustimmend K. Schmidt, in: ders., Rechtsdogmatik, S. 9,
25. 95 Zur historischen Anknüpfungsfähigkeit juristischer Theorien mit Bezug auf das europäische Privatrecht: Jansen, ZEuP 2005, 750, 777 ff. 96 Wie hier Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 67. 97 Die Arbeit folgt mit dieser Dichotomie Wiedemann, Gesellschaftsrecht I (1980); aufgegriffen auch von Bydlinski, System, S. 469 ff.; vgl. weiter Fleischer, in: Grundmann/Riesenhuber, Zivilrechtslehrer I, S. 167, 181.
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§ 1 Einleitung
wichtigen Teil als allgemeine Wertmaßstäbe, die sowohl in die Interpretation des positiven Rechts hineinwirken als auch bei der juristischen Entscheidungsfindung eine bedeutende Rolle spielen, wie beispielsweise das Verkehrsschutzoder das Sukzessionsschutzprinzip. Die hier getroffene Differenzierung zwischen Struktur- und Wertungsprinzipien darf indes nicht zu dem Missverständnis verleiten, Strukturprinzipien läge keine Wertung zugrunde, sie seien neutral, gleichsam wertungsfrei. Im Gegenteil sind auch jedem einzelnen Strukturprinzip bestimmte Wertungen immanent, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung schrittweise offen gelegt werden sollen. Erst anhand der den Strukturprinzipien zugrunde liegenden Wertungen ist überhaupt eine schärfere Konturierung und kritische Würdigung der Sukzessionstatbestände möglich.
III. Gegenstand und Eingrenzung der Untersuchung Gegenstand der Untersuchung ist die Gesamtheit von Rechtsvorschriften, Strukturprinzipien und Wertungsgrundsätzen, die den rechtsgeschäftlichen Übergang von Vermögenspositionen regeln. Im Mittelpunkt stehen die praktisch bedeutsamsten Anwendungsfälle der Singularsukzession: Forderungsabtretung, Schuld- und Vertragsübernahme, Übereignung beweglicher und unbeweglicher Sachen. Daneben sind außerdem die Tatbestände der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession nach dem UmwG von Bedeutung. An verschiedenen Stellen der Arbeit werden noch weitere Sukzessionstatbestände einbezogen, so beispielsweise die Bestellung von beschränkten dinglichen Rechten oder die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen98. Dies geschieht immer dann, wenn ihre Einbeziehung für das Verständnis der rechtsgeschäftlichen Sukzession einen Erkenntnisgewinn verspricht. Ganz bewusst beschränkt sich die Arbeit nicht auf die abgeschlossene Untersuchung eines einzelnen Sukzessionstatbestands. Denn die eingangs lokalisierte Forschungslücke im Zusammenhang mit der zunehmenden Mobilisierung von Vermögensrechten99 kann nur im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung des vertraglichen Sukzessionsrechts gefüllt werden. Das Ganzheitliche der vorliegenden Untersuchung beschränkt sich auch nicht auf das materielle Recht. Angesichts der praktischen Bedeutung, die Nachfolgevorgängen im Zivilprozess sowie im grenzüberschreitenden Rechts- und Handelsverkehr zukommt, bliebe eine auf das materielle Recht beschränkte Untersuchung defizitär, bezöge sich 98
Fast vollständig ausgeklammert bleiben die besonderen Sukzessionstatbestände des Wertpapierrechts, namentlich des Scheck- und Wechselrechts. Das hat verschiedene Gründe. Erstens haben Scheck und Wechsel in der Vergangenheit ihre wirtschaftliche Bedeutung weitgehend eingebüßt. Zweitens konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf das klassische Bürgerliche Recht. Und drittens hätte die Einbeziehung wertpapierrechtlicher Sonderfragen den Rahmen der Untersuchung gesprengt. 99 Siehe oben § 1 I. 3.
IV. Gang der Untersuchung
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nicht zugleich die maßgeblichen zivilprozessualen und kollisionsrechtlichen Auswirkungen der rechtsgeschäftlichen Sukzession in die Betrachtung ein. Angesichts des damit umrissenen – auch für eine Habilitationsschrift eher weitgesteckten – Gegenstands, sind noch einige Einschränkungen der vorliegenden Untersuchung zu formulieren. In thematischer Hinsicht bleiben zunächst sämtliche Sukzessionstatbestände ausgeklammert, die sich kraft Gesetzes oder kraft Hoheitsakts vollziehen. Sie gehorchen eigenständigen Grundsätzen, die zur vertraglichen Sukzession nur vereinzelte Bezüge aufweisen und mit dem Phänomen der rechtsgeschäftlich geprägten Mobilisierung von Vermögensrechten in keinem spezifischen Zusammenhang stehen. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Universalsukzession nach dem Erblasser100 sowie die Legalzession101 in der jüngeren Vergangenheit bereits verschiedentlich Gegenstand gewichtiger Monografien gewesen sind und eine nochmalige wissenschaftliche Vertiefung daher weniger dringlich erscheint. Die Breite des Untersuchungsgegenstandes zwingt außerdem zu einer Beschränkung auf die Grundlinien. Enzyklopädische oder kommentarhafte Vollständigkeit ist nicht angestrebt. Vielmehr sollen die Struktur- und Wertungsprinzipien des Sukzessionsrechts herausgearbeitet werden, ergänzt um die maßgeblichen Grundsatzfragen, die für das Verständnis der großen Linien aufgrund ihrer dogmatischen Relevanz, ihrer praktischen Signifikanz oder ihrer besonderen Aktualität von zentraler Bedeutung sind. Ausgespart bleiben nicht zuletzt aus Raumgründen weniger bedeutsame Einzelfragen und Detailprobleme.
IV. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. Der erste Teil umfasst neben der Einleitung die maßgeblichen Grundlagen der Arbeit. Im zweiten Teil werden die Prinzipien des materiellen Sukzessionsrechts herausgearbeitet. Behandelt werden zunächst die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession und im Anschluss daran die Prinzipien der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession. Der dritte Teil widmet sich den zivilprozessualen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Im vierten Teil stehen die kollisionsrechtlichen Implikationen der Sukzession im Mittelpunkt. Und im fünften und letzten Teil wird die Sukzession aus der Perspektive des Europäischen Privatrechts analysiert. Eine Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags rundet die Arbeit ab.
100 Siehe Windel, Modi (1998); Muscheler, Universalsukzession (2002); ders., Erbrecht, Rn. 730 ff.; Kroppenberg, Privatautonomie (2008); dazu Röthel, AcP 210 (2010), 759 ff. 101 Siehe v. Koppenfels-Spies, cessio legis (2006); ferner Schims, Forderungsübergang (2006).
§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie Bevor den einzelnen Strukturprinzipien und Wertungsgrundsätzen der rechtsgeschäftlichen Sukzession nachgespürt wird, sind zunächst einige Vorbemerkungen angezeigt. So verlangt der Sukzessionsbegriff nach einer Definition (I.), es ist das Problem der Zuordnung von Vermögenspositionen zu behandeln (II.) und die Sukzession als juristisches Phänomen zu umreißen (III.).
I. Definition des Nachfolgebegriffs Das geltende Recht kennt keine Legaldefinition des Begriffs „Rechtsnachfolge“, obgleich BGB1 und ZPO2 den Begriff an zahlreichen Stellen verwenden. Dementsprechend obliegt Rechtsprechung und Wissenschaft die Definition des Sukzessionsbegriffs3. Die Suche nach dem Begriff der Rechtsnachfolge führt allerdings in die Irre4. Ein einheitlicher, die gesamte Rechtsordnung umspannender Nachfolgebegriff existiert nicht, auch wenn es in der Vergangenheit nicht an Versuchen fehlte, einen einheitlichen Sukzessionsbegriff herauszuarbeiten5. Angesichts der Relativität und Kontextabhängigkeit des Nachfolgebegriffs waren alle Vereinheitlichungsbemühungen jedoch letztlich zum Scheitern verurteilt6. 1 §§ 198, 943, 999, 1059a Abs. 1 Nr. 1, 1100, 1101, 1102, 1179a Abs. 3 BGB; ferner §§ 746, 751, 755 Abs. 2, 1010, 1179a Abs. 1 S. 2 BGB: Sondernachfolge; vgl. weiter die Analyse von H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 38 ff. 2 §§ 239, 265, 266, 325, 727, 799 ZPO; ferner § 145 InsO, § 15 AnfG. 3 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe „Rechtsnachfolge“ oder kurz „Nachfolge“ sowie „Sukzession“ weitgehend synonym verwendet, auch wenn man in Bezug auf die Nachfolge in die Schuld technisch korrekt schwerlich von einer Rechts-Nachfolge sprechen kann. Vgl. dazu Lessing, Rechtsnachfolge, S. 3 ff. 4 Auch die Verwendung der in den römischrechtlichen Quellen enthaltenen Begriffe successio, succedere und successor wies eine erhebliche Spannbreite auf. Zumeist verwandte man diese Begriffe, um die Nachfolge einer Person an die Stelle einer anderen zu beschreiben, sei es für die Sukzession in ein einzelnes Rechtsverhältnis, sei es für die Nachfolge in das gesamte Vermögen. Daneben findet sich aber auch die Verwendung der Begriffe im Sinne einer Nachfolge im Amt oder als Nachrücken eines Erben oder gar die Erbschaft bzw. den Nachlass selbst. Zum Ganzen ausf. H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 11 f. 5 Hellwig, Lehrbuch, § 39 I m. Fn. 3; Dernburg, Recht I, § 103 I; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 38; a.A. mit Recht etwa v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 87 f.; dort S. 91: „Es ist dies eine natürliche Konsequenz der mangelnden Einheitlichkeit des (…) Begriffes und de lege lata ist eben der Rechtsnachfolgebegriff ein Zufallswerk“. 6 Zum Problem der Relativität der Rechtsbegriffe siehe grundlegend Müller-Erzbach, JhJ 61 (1912), 343 ff.; ferner Larenz, Methodenlehre, S. 201 ff.; Altehenger, FS Krämer, S. 413, 419.
I. Definition des Nachfolgebegriffs
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Als unüberwindlich erwiesen sich insbesondere die Differenzen der Begriffsbildung im materiellen Recht und Verfahrensrecht. Bereits das Reichsgericht betonte mit Urteil vom 5. November 1900, dass für die Anwendung von Prozessvorschriften der „civilistische“ Begriff des „Rechtsvorgängers“ nicht schlechthin maßgeblich sei7. Stattdessen rekurrierte die Rechtsprechung auf den konkreten Regelungszweck der fraglichen Prozessvorschriften. Dem liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass die Frage, was im Bürgerlichen Recht und Zivilprozessrecht unter „Rechtsnachfolge“ zu verstehen ist, maßgeblich von den unterschiedlichen (rechtlichen) Rahmenbedingungen abhängt, nach deren Maßgabe sich die Sukzession in den unterschiedlichen Teilrechtsbereichen vollzieht. An einem differenzierten Verständnis des Nachfolgebegriffs führt folglich kein Weg vorbei. Deshalb verfolgt auch die vorliegende Untersuchung einen differenzierenden Ansatz. Da zunächst die Struktur- und Wertungsprinzipien des materiellen Sukzessionsrechts im Mittelpunkt stehen, wird zunächst der Nachfolgebegriff im materiellrechtlichen Sinne definiert. Die Definition des zivilprozessualen Nachfolgebegriffs ist dem dritten Kapitel der Arbeit über die verfahrensrechtlichen Implikationen der Sukzession8 vorbehalten.
1. Die Sukzessionslehre v. Savignys Den Ausgangspunkt für die Erörterung des materiellen Nachfolgebegriffs bilden die klassischen Überlegungen Friedrich Carl von Savignys. Im dritten Band seines „Systems des heutigen römischen Rechts“ arbeitete er anhand von Beispielen die drei auch heute noch gültigen Wesensmerkmale der Sukzession heraus9: Identität, Unmittelbarkeit und Abhängigkeit. Erste Voraussetzung der „juristische(n) Succession“ ist nach v. Savigny die „fortdauernde Identität“ des Rechtsverhältnisses10. Zur Annahme von Identität genüge es aber nicht, dass sich das gleiche Recht auf den gleichen Gegenstand beziehe. Deshalb sei es für eine Sukzession auch nicht hinreichend, wenn zwei Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten das Eigentum an demselben Grundstück innehätten. Vielmehr müsse zweitens „zwischen beiden Rechtsverhältnissen eine solche innere Verbindung wahrzunehmen seyn, wodurch sie als ein einziges, nur in verschiedenen Personen fortdauerndes, Rechtsverhältnis erscheinen. Die Grundlage einer solchen Verbindung ist der Umstand, daß das spätere Recht, der Zeit nach, unmittelbar auf das frühere folgt“11. Und drit7 RGZ 47, 66, 71; gleichsinnig heißt es in RGZ 82, 35, 38, dass der Begriff der Rechtsnachfolge in § 727 ZPO „nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (…) nicht im strengen Sinne des Wortes zu nehmen ist“. 8 Siehe unten § 19 III. 9 Eingehend v. Savigny, System III, S. 8 ff.; dazu auch Giger, Schicksal, S. 117 f.; J.W. Flume, Vermögenstransfer, S. 14 f. 10 Dazu und zum Folgenden v. Savigny, System III, S. 9. 11 So v. Savigny, System III, S. 9.
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
tens müsse das erworbene Recht vom Recht des Veräußerers abhängig sein. Dieses Kriterium dient der Abgrenzung der Sukzession vom originären (Eigentums-)Erwerb, der sich – wie beispielsweise bei der Ersitzung, die zur damaligen Zeit (ebenso wie heute) überwiegend nicht als Fall der Rechtsnachfolge angesehen wurde, – gleichermaßen identitätswahrend und unmittelbar vollziehen kann. Deshalb müsse das spätere Rechtsverhältnis auf das erste gründen, „von ihm abgeleitet, also auch durch dasselbe bedingt und von ihm abhängig“ sein, wie es namentlich bei „dem Übergang des Eigenthums durch Tradition“ der Fall sei12.
2. Von der Pandektenwissenschaft zur Gegenwart Hinter das v. Savigny Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte Niveau fielen die späteren Arbeiten der Pandektenwissenschaft teilweise wieder zurück, zumeist in dem durchweg begriffsjuristischen Bestreben, einen für sämtliche Teilrechtsbereiche gültigen Nachfolgebegriff zu entwickeln13. Insgesamt war das Schrifttum geprägt von zahlreichen Meinungsverschiedenheiten, die den Umgang mit dem Begriff (und Institut) der Rechtsnachfolge eher erschwerten als ihn für die praktische Anwendung brauchbar zu machen. Aus der zeitgenössischen Literatur sticht namentlich die Begriffsbestimmung Bernhard Windscheids hervor, der die Rechtsnachfolge eingängig als „Eintreten eines Subjects an die Stelle eines anderen“14 definierte. Allerdings blieb seine Definition insofern hinter der früher wie heute h.M.15 zurück, als er nur die (translative) Rechtsnachfolge in die gesamte Rechtsposition dem Sukzessionsbegriff unterwerfen wollte, nicht aber zugleich die (konstitutive) Rechtsnachfolge in ein Teilrecht erfasst sah16. Die überwiegende Auffassung setzte die Rechtsnachfolge stattdessen mit dem abgeleiteten Erwerb gleich17, während andere darüber hinaus gingen und nicht nur die konstitutive Nachfolge in den Sukzessionsbegriff einbezogen, sondern auch restitutive und deduktive Rechtsübertragungen, bei denen das abgespaltene Teilrecht auf den Stammrechtsinhaber zurückübertragen respektive das Stammrecht unter Zurückbehaltung eines Teilrechts auf den Erwerber übertragen wird18. Heinrich Dernburg plädierte schließlich ursprünglich – nicht zuletzt infolge seiner Bemühungen um einen 12 13 14 15 16
Alle vorstehenden Zitat: v. Savigny, System III, S. 10. Dazu ausf. H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 13 ff. Windscheid, Lehrbuch I, § 64, 2 a. Dazu unten § 2 III. 2. b). Windscheid, Lehrbuch I, § 66. – Zur Unterscheidung aus heutiger Sicht ausf. unten § 2
III. 2. 17 So etwa Regelsberger, Pandekten, § 119 III; ähnlich Wendt, Pandekten, § 14; a.A. Hölder, Pandekten, S. 179. 18 So Bekker, System I, § 34; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 17 f., 35; vgl. weiter v. Tuhr, AT II/1, S. 72; kritisch Lessing, Rechtsnachfolge, S. 24 ff.
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einheitlichen Sukzessionsbegriff im materiellen Recht und Prozessrecht – für die Einbeziehung von „unverbundenen“ Sukzessionen und damit auch für bestimmte Fälle des originären Erwerbs19. Später distanzierte er sich indes von seiner abweichenden Auffassung und schloss sich der herrschenden Doktrin an20. Die Bemühungen der Pandektenwissenschaft wurden nach 1900 durch eine Reihe monografischer Arbeiten fortgesetzt, die sich die Klärung des Nachfolgebegriffs nach Inkrafttreten des BGB zum Ziel gesetzt hatten. Im Ergebnis handelte es sich hierbei überwiegend um wenig ertragreiche Versuche, den Sukzessionsbegriff auf Grundlage der damals noch immer vorherrschenden Begriffsjurisprudenz21 konkreter zu fassen22. Neue Erkenntnisse, die über den Stand der Pandektenwissenschaft am Ende des 19. Jahrhunderts hinausgegangen wären, waren mit diesen Arbeiten allerdings nicht verbunden. Sie bilden bestenfalls eine Durchgangsstation auf dem Weg zur Moderne und sind im nachfolgenden Schrifttum auch kaum rezipiert worden. Insgesamt gehören sie zu einer überwundenen Epoche übermäßig begrifflich geprägten Arbeitens, die nach der Überwindung der Begriffs- durch die Interessen- und Wertungsjurisprudenz endgültig der Vergangenheit angehört. Die Gegenwart des Sukzessionsrechts begann mit der systematischen Grundlegung zur Rechtsnachfolge durch Andreas von Tuhr. In Band II/1 seines „Allgemeinen Teils des Deutschen Bürgerlichen Rechts“ von 1914 legt er das Fundament für ein modernes Verständnis der Sukzession, das in seiner Stofffülle und theoretischen Tiefe bis heute unerreicht ist23. In der Sache setzte sich v. Tuhr zur klassischen Definition v. Savignys nicht in Widerspruch. Seine Leistung besteht vielmehr darin, dem Nachfolgebegriff scharfe systematische Konturen verliehen zu haben, die heute noch Gültigkeit beanspruchen und auf die auch im Folgenden verschiedentlich zugegriffen wird. Das Maß an begrifflicher Systematisierung, wie es der Untersuchung v. Tuhrs eignete, wurde in der jüngeren Literatur weder von dem der Sukzession gewidmeten Schuldrechtshandbuch von Nörr/Scheyhing/Pöggeler noch von Heinrich Dörners grundlegender Arbeit zur Singularsukzession übertroffen. Das ist keinesfalls ein Manko der beiden Werke, sondern schlicht dem Umstand geschuldet, dass begriffssystematisches Arbeiten schnell an seine Grenzen stößt und normative Aussagen aus dem Sukzessionsbegriff ohnehin schwerlich ableitbar sind24. Zudem war be19
Dernburg, Pandekten I, § 81. Dernburg, Recht I, § 103 II. 21 Siehe bereits oben § 1 II. 1. – Zum Anliegen der Begriffsjurisprudenz authentisch Bekker, System II, S. IX: „Die möglichst scharfe Begrenzung aller in Frage kommenden Begriffe ist das erste Bedürfnis ebenso der Rechtsausübung wie der Rechtslehre“. Hieran ausdrücklich anknüpfend H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 9. 22 Dazu zählen Lessing, Rechtsnachfolge (1902); H. Schmidt, Rechtsnachfolge (1903); Romeick, Rechtsnachfolge (1904); v. Schwerin, Rechtsnachfolge (1905); vgl. ferner mit Bezug zum Prozessrecht Schumann, Streitbefangenheit (1910); Weiskopf, Rechtsnachfolge (1913). 23 Eingehend v. Tuhr, AT II/1, S. 34 ff., 59 ff., 84 ff.; positive Würdigung etwa bei Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, S. 4. 24 Reserviert daher auch Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, S. 4 f. 20
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
grifflich-systematisches Arbeiten nach v. Tuhr ohnehin nicht mehr von Nöten. Es ist daher nur konsequent, wenn sich die nachfolgenden Werke auf die wertungsmäßige und interessengeleitete Durchdringung des Sukzessionsrechts konzentrierten. In dieser Tradition steht auch die vorliegende – prinzipiengeleitete – Untersuchung.
3. Stellungnahme und Folgerungen Die Fokussierung auf Wertungsgrundsätze und Interessenlagen entbindet freilich nicht von einer eigenen Stellungnahme zum Begriff der Sukzession. In Anlehnung an die Vorarbeiten v. Savignys bezeichnet die Sukzession im materiellrechtlichen Sinne den identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition vom Vorgänger (Auktor) auf den Nachfolger (Sukzessor). Der Nachfolgebegriff umfasst sämtliche Rechtsvorgänge, bei denen Vermögenspositionen von einem Rechtsträger25 auf den anderen übergehen, ohne die Identität und Kontinuität des Rechtsverhältnisses zu verändern26. In diesem Sinne heißt es bereits in den Motiven zum BGB27: „Eine durch Rechtsnachfolge in den Anspruch herbeigeführte Aenderung in der Person des Berechtigten oder Verpflichteten berührt das Wesen des Anspruches nicht.“
Strukturmerkmale sind demnach der Wechsel der Inhaberschaft (Änderung der Rechtszuständigkeit) sowie die Identität und Kontinuität der übergegangenen Vermögensposition bzw. des übergeleiteten Rechtsverhältnisses (keine Änderung des Rechtsinhalts)28. Begreift man das Rechtsverhältnis als statisch, lässt sich ebenso gut davon sprechen, der Nachfolger trete in die Rechts- bzw. Pflichtenstellung des Vorgängers ein29. Der Sukzessionstatbestand – im Sinne einer Übertragungsvorschrift – verkörpert die tatbestandlichen Voraussetzun25
Zu Rechtsträgereigenschaft, Rechtssubjekt und Rechtsfähigkeit siehe exemplarisch Bork, BGB AT, Rn. 151 ff., 185 ff.; Wolf/Neuner, BGB AT, §§ 11, 16; Coester-Waltjen, Jura 2000, 106 ff.; Petersen, Jura 2009, 669 f.; zuletzt ausf. Lehmann, AcP 207 (2007), 225 ff.; Reuter, AcP 207 (2007), 673 ff.; zu den philosophischen Grundlagen Husserl, AcP 127 (1927), 129 ff.; zur Geschichte des Begriffs sehr lesenswert Hattenhauer, JuS 1982, 405 ff.; v. Lübtow, FS E. Wolf, S. 421 ff.; Coing, Privatrecht II, S. 287 ff. 26 Vgl. Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, Einl., S. 1; v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 91. 27 Motive zum BGB, Bd. I, S. 340; Hervorhebung im Original weggelassen. 28 Siehe (für die Abtretung) Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 33 III. 29 So bereits v. Savigny, System III, S. 10 f.: „Der Begriff der Succession führt uns auf eine Betrachtungsweise, worin die angegebene Stellung der Person gegen das ihr zukommende Recht umgekehrt erscheint. Das Recht kann nun als das Substantielle und Bleibende gelten, indem es in einer Reihe auf einander folgender wechselnder Inhaber unverändert fortdauern kann.“ Aus dem modernen Schrifttum gleichsinnig Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, S. 1; Hurni, Vermögensübertragung, S. 105.
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gen, von deren Vorliegen der identitätswahrende Übergang der Rechtsposition abhängt30. Aus der (vorläufigen) Begriffsbestimmung ergeben sich zwei grundlegende Voraussetzungen der Nachfolge: Zum einen muss ein Recht des Vorgängers überhaupt erst einmal bestehen. Denn der Sukzessor gründet seine Vermögensposition auf die Rechtsinhaberschaft des Vorgängers31; seine Position besteht „in der Abhängigkeit und Bedingtheit des auf abgeleitete Weise erworbenen Rechts vom Recht des Urhebers“32. Nur weil der Vorgänger das Recht besaß, kann der Nachfolger die Rechtsposition erwerben. Das Recht des Vorgängers ist damit „condicio sine qua non für das Recht des Nachfolgers“33. Es handelt sich um einen derivativen (abgeleiteten, abhängigen) Erwerb, der vom originären (ursprünglichen, unabhängigen) Erwerb zu unterscheiden ist34. Zum anderen kommt eine Nachfolge nur in Betracht, wenn die Vermögensposition auch übertragbar ist35. Eine Sukzession in unübertragbare Rechte scheidet a priori aus. Mit der hiesigen Begriffsbestimmung sind zugleich zwei dogmatische Aussagen über die Bedeutung und Reichweite der Sukzession verbunden: Erstens erwirbt der Nachfolger die Vermögensposition in der Form, wie sie zuvor in der Person des Vorgängers bestand. Der Inhalt des übergeleiteten Rechts bleibt vom Übertragungsvorgang selbst unberührt36. Der neue Gläubiger kann also einerseits keine über die ursprünglich begründete Verpflichtung hinausgehende Leistung beanspruchen und andererseits auch nicht mehr Recht erwerben, als dem früheren Inhaber zustanden37. War der Vorgänger also nicht Inhaber des Rechts, kann er dasselbe – vorbehaltlich der Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs38 – auch nicht wirksam auf den Nachfolger übertragen. Auch Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe schlagen aufgrund des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips auf die Inhaberschaft des Nachfolgers durch39. Es gilt der hergebrachte 30
So v. Tuhr, AT II/1, S. 36. Vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 27. 32 So pointiert Regelsberger, Pandekten, § 119 III; in der Sache ebenso Motive zum BGB, Bd. 1, S. 271: „Wesentlich für den Begriff (scil.: der Rechtsnachfolge) ist ferner, daß der Erwerber sein Recht von dem Vorgänger herleitet; es genügt nicht bloße zeitliche Aufeinanderfolge. Rechtsnachfolge im Sinne des Entwurfs liegt demgemäß nicht vor, wenn die Uebertragung eines Rechtes infolge des Eintrittes einer auflösenden Bedingung (…) oder eines Endtermines (…) oder infolge Anfechtung (…) hinfällig wird und das Recht an den früheren Berechtigten zurückgelangt.“ 33 H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 17 im Anschluss an Oertmann, ArchBürgR 20 (1902), 51, 113. 34 Siehe Motive zum BGB, Bd. 1, S. 271: „Rechtsnachfolge liegt ebensowenig vor, wenn Jemand durch selbstständigen, originären Erwerb ein Recht erlangt, wie dies bei der Ersitzung (…) der Fall ist.“ 35 Dazu § 4. 36 Vgl. Leonhard, Schuldrecht I, S. 660 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 140 I; Dörner, Relativität, S. 118 f. 37 Vgl. nur v. Tuhr, AT II/1, S. 50; Hübner, BGB AT, Rn. 387. 38 Dazu ausf. unten § 11. 39 Zum Prinzip ausf. unten § 13. 31
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römischrechtliche Grundsatz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet40. Das entsprach auch der klassischen Doktrin v. Savignys41: „Das neue Eigenthum fängt nicht nur in demselben Augenblick an, wo das frühere aufhört, sondern es entsteht auch nur insoferne der frühere Besitzer wirklich Eigenthum hatte.“
Zweitens bleiben die dem Recht anhaftenden Beschränkungen, wie z.B. dingliche Belastungen oder Bedingungen, grundsätzlich unverändert bestehen42. Gleiches gilt bei Forderungen für Einwendungen, die zur Zeit der Abtretung bereits gegenüber dem Zedenten begründet waren (vgl. § 404 BGB).
II. Zuordnung von Vermögenspositionen 1. Die Sukzession als Zuordnungsproblem Begreift man die Sukzession als Zuordnungsproblem, dann bezeichnet sie die subjektive Veränderung bei der Zuordnung von Rechten und Pflichten. Für die Frage der rechtlichen Zuordnung einer Sache tritt ihre Körperlichkeit in den Hintergrund43, das an der Sache bestehende Zuordnungsverhältnis in den Vordergrund. Verfügt wird in diesem Sinne also nicht über die Sache selbst, sondern über das an ihr bestehende Recht. Maßgeblich ist aus juristischer Perspektive also nicht der reale Güteraustausch, sondern die veränderte Rechtszuordnung an dem jeweiligen Gegenstand44. Bei einem Mobiliartransfer bezieht sich die rechtsgeschäftliche Einigung denn auch nicht unmittelbar auf die Übertragung des körperlichen Gegenstands als solchen, sondern auf das an dem Gegenstand bestehende Eigentumsrecht des Veräußerers45. Rudolf von Jhering bringt diese Erkenntnis wie folgt auf den Punkt46: „Der Tauschverkehr, mit juristischen Augen gesehen, ist keine Circulation der Sachen, sondern eine Übertragung von Rechten. Die Sache ohne das Recht ist werthlos, der Werth einer Sache wird nicht lediglich durch ihre ökonomische Brauchbarkeit, Verwendbarkeit bestimmt, sondern wesentlich dadurch, daß und wie ihre Verwen40 Dig. 50, 17, 54; „Niemand kann mehr Rechte übertragen als er selbst innehat“. Dazu näher Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 15; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 2; Kaser/Knütel, Privatrecht, § 24 Rn. 3; Kaser, JuS 1967, 337, 342; Olzen, Jura 1990, 505; ausf. Lessing, Rechtsnachfolge, S. 37 ff. 41 So v. Savigny, System III, S. 10. 42 Siehe etwa Regelsberger, Pandekten, § 119 III; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 17. – Zum Sonderfall des redlichen lastenfreien Erwerbs vgl. § 15 II. 2. 43 Vgl. auch Flessner, FS Koziol, S. 125, 126 f. aus kollisionsrechtlicher Perspektive. 44 Vgl. Flume, AT II, § 11, 5b; Larenz, Schuldrecht I, § 33 III; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 32; Bork, BGB AT, Rn. 450; Haedicke, JuS 2001, 966, 967; Koziol, Beeinträchtigung, S. 149. 45 Siehe v. Tuhr, AT I, S. 319: „Das Vermögen umfaßt juristisch nur Rechte (…)“; Larenz, Schuldrecht I, § 33 III; vgl. weiter Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 820. 46 So v. Jhering, Geist II/2, S. 435; Hervorhebungen auch im Original.
II. Zuordnung von Vermögenspositionen
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dung rechtlich gesichert ist. (…) Übertragung einer Sache ist juristisch Übertragung des Rechts, der Güterverkehr juristisch Begründung, Übertragung, Aufhebung von Rechten.“
Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig überzeugend, wenn die Güterzuordnung als das maßgebliche Kennzeichen dinglicher Rechte verstanden wird47. Ist dem Rechtsinhaber nicht die Sache als solche zugeordnet, sondern das Recht an der Sache, dann ist es von vornherein verfehlt, wenn das Zuordnungsproblem auf die Zuordnung von Sachen zu einer Person beschränkt wird. Erkennt man mit der zutreffenden Ansicht, dass einem Rechtsträger stets nur rechtliche Positionen zugeordnet werden können, dann muss sich das Zuordnungsproblem konsequenterweise auf das gesamte Vermögensrecht erstrecken48. Für die Begründung eines Zuordnungsverhältnisses bedarf es mit anderen Worten keiner Verkörperung einer vermögenswerten Rechtsposition in einer Sache.49 Als Zuordnungsgegenstände werden daher neben Eigentums- und beschränkten dinglichen Rechten auch Forderungen und andere Vermögensrechte iSd. § 413 BGB, aber auch Schuldpositionen als negative Vermögenswerte umfasst50, die im Wege rechtsgeschäftlicher Sukzession identitätswahrend übertragen werden können. Insofern erfüllt die Sukzession eine Zuordnungsfunktion.
2. Prinzip der absoluten Rechtszuordnung Die Zuordnung eines Gegenstands zu einem Rechtssubjekt impliziert die Absolutheit des zugewiesenen Vermögensrechts51. Denn Vermögensrechte sind einem Rechtssubjekt stets ausschließlich zugeordnet52. Das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung bedeutet in seiner hier maßgeblichen Ausprägung zweierlei: Zum einen sorgt die ausschließliche Zuweisung des Vermögensrechts dafür, dass der Rechtsinhaber Störungen des Rechts gegenüber jedem Dritten abwehren kann und ausschließlich der Inhaber zur Einwirkung auf das Vermögensrecht befugt ist. In der Konsequenz ist der Rechtsinhaber als Verfügungsbefugter auch ausschließlich in der Lage, dem Erwerber die Rechtsposition zu verschaf-
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So aber K. Müller, Sachenrecht, Rn. 1; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 2 b; distanziert Assmann, Vormerkung, S. 286. 48 Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 1 I 4; Lorenz, in: Erman, BGB, Einl. § 854 Rn. 1; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. § 854 Rn. 19; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. § 854 Rn. 24; J. v. Gierke, ZHR 115 (1952), 223, 226; Eichler, Rechtsidee, S. 21; Füller, Sachenrecht, S. 47 f. 49 Hirte, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 531, 533. 50 Dazu näher unten § 4 II. 5. b) bb). 51 Beschränkt auf Sachenrechte siehe Bydlinski, System, S. 327. 52 So oder ähnlich Larenz, Schuldrecht I, § 29 III; v. Tuhr, AT I, S. 69 f.; Koziol, Beeinträchtigung, S. 140 ff.; ebenso Diederichsen, Besitz, S. 45; siehe aber noch S. 48 f.; a.A. Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 1 II 1 a.
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fen. Verfügungen Nichtberechtigter gehen – abgesehen von Gutglaubenstatbeständen53 – ins Leere. Zum anderen folgt aus dem Absolutheitsprinzip, dass die Rechtszuständigkeit einer Person unteilbar ist54. Ein bestimmtes Recht ist danach einem konkreten Rechtsträger eindeutig und absolut zugeordnet und kann einer Einzelperson oder Personenmehrheit nur als Ganzes zustehen55. Das gilt für Eigentumsund Forderungsrechte gleichermaßen. Sie sind grundsätzlich nicht in einer Weise teilbar, dass eine Person gegenüber einem bestimmten Personenkreis als Berechtigter gilt und eine andere Person im Verhältnis zu allen anderen56. Insofern lesen wir in den Motiven zum BGB über das Eigentumsrecht: „Deshalb läßt sich das Eigenthum auch nicht so theilen, daß dem Einen und dem Anderen eine Reihe bestimmter im Eigenthume liegender Befugnisse zugewiesen werden und dem beiderseitigen Rechte der Karakter des Eigenthumes beigemessen wird. Die Zulässigkeit des Eigenthumes wird hierdurch nicht berührt (…)“57.
Die hiermit für das Eigentum beschriebenen Charakteristika seiner Abstraktheit und Absolutheit dienen der uneingeschränkten Zirkulationsfähigkeit58 und bilden insofern das Fundament für die Singularsukzession in das Eigentumsrecht. In dieser Funktion ist das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung aber nicht auf die Zuordnung von körperlichen Gegenständen beschränkt, sondern gilt gleichermaßen für Forderungen59 und anderweitige Vermögensrechte60. Zwar werden Forderungen als obligatorische, relative Rechte traditionell scharf
53 Zur Bedeutung des gutgläubigen Erwerbs für das Absolutheitsprinzip kritisch Brodmann, in: Planck, BGB, Einl. Sachenrecht S. 11; dagegen mit Recht v. Tuhr, AT I, S. 208; Diederichsen, Besitz, S. 46 f. 54 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 7. 55 Zum Eigentumsrecht vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. §§ 929–931 Rn. 3; siehe ferner Hattenhauer, in: Baur, Eigentum, S. 83, 90 f. 56 Vgl. aber noch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 8. 57 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 262. 58 Zutreffend Wiegand, in: Staudinger-Symposion, S. 107, 113. 59 Grundlegend Oertmann, AcP 123 (1925), 129 ff.; ders., JhJ 66 (1916), 130, 154 ff.; Löbl, AcP 129 (1928), 257, 259 ff.; aus dem modernen Schrifttum siehe Kramer, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., Einl. Schuldrecht Rn. 19: „Lehre von der absoluten Forderungszuständigkeit“; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 93; Larenz, Schuldrecht I, § 33 III; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 52; Bauer, Forderungsabtretungen, S. 36; Bydlinski, System, S. 335; Dörner, Relativität, S. 81 ff., 92 und öfter; Koziol, Beeinträchtigung, S. 140 ff.; Canaris, FS Flume, S. 371, 375; a.A. offenbar Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. § 854 Rn. 40. 60 Neben Forderungsrechten sind auch alle weiteren Rechte erfasst, denen auf einem Markt ein Vermögenswert zugeordnet ist. Entscheidend ist letztlich, ob Marktakteure bereit sind, solche Gegenstände zu kaufen und zu verkaufen. Ist dies der Fall, haftet ihnen ein Vermögenswert an und es ist sinnvoll sie zum Gegenstand des Rechtsverkehrs zu machen, indem einem Inhaber das ausschließliche (Verfügungs-)Recht an dem Gegenstand zugewiesen wird. In diesem Zusammenhang wird vielfach von virtuellem Eigentum gesprochen. Zu diesem Themenkreis siehe etwa Fairfield, B.U. L. Rev. 85 (2005), 1047 ff.; v. Erp, in: Ritaine, Engineering, S. 105, 116 f.; vgl. weiter v. Erp/Akkermans, in: Bouckaert, Property Law, S. 31, 43 f.; zur Entmaterialisierung und Entgrenzung im Recht siehe noch Lehmann, ARSP 98 (2012), 263 ff.
II. Zuordnung von Vermögenspositionen
29
von den absolut wirkenden, dinglichen Rechten abgegrenzt61. Diese Abgrenzung betrifft indes primär die Beziehung zu anderen Rechtssubjekten, d.h., die Richtung der Forderung gegen andere Rechtsträger62, nicht jedoch die Zuordnung des Gegenstands zu seinem Inhaber selbst. Ebenso wie der Eigentümer Inhaber des nach § 903 BGB umfassenden Herrschaftsrechts an einer Sache ist, ist dem Gläubiger die Forderung oder ein anderes Vermögensrecht mit absoluter Wirkung zugeordnet63. Das folgt letztlich aus dem Wesen der Forderung als subjektives Recht, welches stets nur einem Rechtssubjekt zugewiesen sein kann64. Alle übrigen Rechtsträger sind von der Inhaberschaft der Forderung in diesem Sinne ausgeschlossen, so dass sich das Zuordnungsverhältnis zwischen dem Forderungsrecht und dem Gläubiger als ein absolutes darstellt. Die Absolutheit der Zuordnung gewährleistet auch in Bezug auf obligatorische Rechte, dass nur der Gläubiger als Berechtigter über die Rechte verfügen kann. Ist der Veräußerer nicht Rechtsinhaber, geht die Abtretung – vorbehaltlich § 405 BGB – ins Leere. Das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung gewährleistet insofern Präventivschutz in dem Sinne, dass außerobligatorische Dritte apriorisch daran gehindert sind, durch unbefugte Verfügungen auf die Vermögensposition des Rechtsinhabers nachteilig einzuwirken65. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass dingliche und obligatorische Rechte ihren Inhabern in gleicher Weise absolut und ausschließlich zugeordnet sind. Das universell gültige Prinzip der absoluten Rechtszuordnung bildet die Grundlage für eine Vielzahl struktureller Gemeinsamkeiten der rechtsgeschäftlichen Sukzession in Vermögenspositionen jedweder Art, sei es durch Übereignung, Abtretung, Schuld- oder Vertragsübernahme. Nicht ohne Grund wird deshalb auch davon gesprochen, die Zessionsvorschriften trügen in rechtssystematischer Hinsicht genuin sachenrechtliche Züge66. Verständlich wird es vor diesem Hintergrund zudem, wenn Teile des Schrifttums die Verletzung der Forderungszuständigkeit als sonstiges, gem. § 823 Abs. 1 BGB absolut geschütztes Recht durch einen deliktischen Ersatzanspruch sanktionieren wollen67.
61
Siehe sogleich unten § 2 II. 3. Dazu ausf. Larenz, Schuldrecht I, § 2 II; siehe ferner Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 8. 63 Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 9; Kramer, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., Einl. Schuldrecht Rn. 19; Larenz, Schuldrecht I, § 2 II, § 33 III; Dörner, Relativität, S. 81 ff., 92 und öfter; Canaris, FS Flume I, S. 371, 373. 64 Grundlegende Herleitung bei Löbl, AcP 129 (1928), 257, 286 ff.; vgl. noch Koziol, Beeinträchtigung, S. 141. 65 Vgl. Dörner, Relativität, S. 92. 66 Dazu Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 3 a.E.: „Das Sachenrecht regelt die (…) Aufteilung der absoluten Inhaberschaft.“ Ebenso Larenz, Schuldrecht I, § 33 I; kritisch etwa Coester-Waltjen, Jura 2003, 23. 67 Dafür etwa Larenz, Schuldrecht I, § 2 II, § 33 III; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 4 b, g; Canaris, FS Steffen, S. 85 ff.; Becker, AcP 196 (1996), 439, 470 ff.; a.A. die h.M.: Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 55 I 2 b; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 59 f.; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 610; Medicus, FS Steffen, S. 333 ff.; Hammen, AcP 199 (1999), 591 ff. 62
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
Die strukturellen Parallelen von Schuld- und Sachenrechten kommen schließlich in Form des eigentumskräftig nach Art. 14 Abs. 1 GG verbürgten Schutzes von Forderungen und anderen Vermögensrechten68 ebenso zum Vorschein wie in dem Eigentumsverständnis des angloamerikanischen Rechtskreises. Dort werden die Begriffe „Eigentum“ (property) und „Eigentumsrecht“ (property right) ebenfalls weitverstanden und entsprechen am ehesten dem Konzept einer allgemeinen, für sämtliche Vermögensrechte gültigen Rechtsinhaberschaft. Namentlich Wesley N. Hohfeld arbeitete im frühen 20. Jahrhundert heraus, dass Forderungsrechte (in personam rights) und Sachenrecht (in rem rights) sich im Hinblick auf die verschiedenen Befugnisse der jeweiligen Rechtsinhaber nicht signifikant unterscheiden, sondern Divergenzen allein nach dem Grad ihrer (Un-)Beschränktheit (indefiniteness) und der Anzahl von Personen auszumachen sind, die aufgrund der von solchen Rechten ausgehenden Rechtsbeziehungen gebunden sind69. Diese Überlegung bildet die Grundlage für das moderne Verständnis der US-amerikanischen bundle of rights doctrine, auf die später noch im Zusammenhang mit der Erklärung der konstitutiven Rechtsnachfolge70 sowie im Rahmen der rechtsökonomischen Grundlegung71 zurückzukommen ist.
3. Dichotomie der Vermögenspositionen Angesichts des für Schuld- und Sachenrechte gleichermaßen gültigen Prinzips der absoluten Rechtszuordnung stellt sich die Frage, welche Bedeutung der allseits anerkannten Dichotomie von dinglichen und obligatorischen Rechten im Kontext der rechtsgeschäftlichen Sukzession zukommt. Die hergebrachte Unterscheidung von Schuld- und Sachenrechten, für welche die Geldforderung und das Eigentum gleichsam paradigmatisch stehen, gewann ihre im BGB niedergelegte Gestalt durch die Arbeiten Friedrich Carl von Savignys über das subjektive Recht als Willensherrschaft72. Den Ausgangspunkt bildet v. Savignys berühmte Differenzierung zwischen freien Wesen und unfreier Natur73: „Die unfreye Natur kann von uns beherrscht werden nicht als Ganzes, sondern nur in bestimmter räumlicher Begränzung; so ein begränztes Stück derselben nennen wir Sache, und auf diese bezieht sich daher die erste Art möglicher Rechte: das Recht an der Sache, welches in seiner reinsten, vollständigsten Gestalt Eigenthum heißt.“ 68 Siehe exemplarisch BVerfGE 45, 142, 179; 50, 290, 351 (zum Anteilseigentum); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rn. 8; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 7. 69 Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 718 ff.; dazu auch Merrill/Smith, Yale L.J. 111 (2001), 357, 364 f.; Wellman, ARSP 97 (2011), 169 ff. 70 Siehe unten § 2 III. 2. b) aa). 71 Siehe unten § 3 IV. 2. 72 Zu den Vorarbeiten siehe Wieacker, System, S. 26 ff.; rechtsvergleichende Hinweise finden sich bei Ritaine, in: Faber/Lurger, Rules, S. 175 ff. 73 So v. Savigny, System I, S. 338; Hervorhebungen im Original weggelassen.
II. Zuordnung von Vermögenspositionen
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Im Gegensatz hierzu können Eigentumsrechte an fremden Personen nach v. Savigny nicht bestehen, andernfalls „der Begriff der Freyheit und Persönlichkeit aufgehoben“ wäre. Deshalb könne die „Herrschaft nicht auf die fremde Person im Ganzen, sondern nur auf eine einzelne Handlung derselben bezogen werden; die Handlung wird dann als aus der Freyheit des Handelnden ausgeschieden, und unserm Willen unterworfen gedacht. Ein solches Verhältniß der Herrschaft über eine einzelne Handlung der fremden Person nennen wir Obligation“74.
Soweit das obligatorische Recht nach dem Verständnis v. Savignys als Herrschaftsrecht über die Leistung des Schuldners zu verstehen ist, kann dem nicht gefolgt werden, weil die schuldnerische Leistungshandlung von der Persönlichkeit des Schuldners nicht abgetrennt und zu einem rechtlichen Herrschaftsgegenstand verdinglicht werden kann75. Die Leistungshandlung verbleibt ein Gegenstand des freien Schuldnerwillens, auf welchen der Gläubiger nur vermittelt durch hoheitliche Rechtsdurchsetzungsmechanismen Einfluss erlangen kann. Eine unmittelbare Unterwerfung des Schuldners unter ein Herrschaftsrecht des Gläubigers ist einer freiheitlichen Rechtsordnung wie der unsrigen von vornherein fremd. Stattdessen hat das Recht zu gewährleisten, dass die Rechtsstellung des einen Vertragspartners durch das Verhalten des anderen Vertragspartners nicht in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Davon abgesehen enthält v. Savignys klassische Dichotomie der Vermögensrechte allerdings insofern einen zutreffenden Kern, als seine Unterscheidung klar die unterschiedliche Wirkrichtung von Schuld- und Sachenrechten herausstellt76: Während Sachenrechte grundsätzlich – absolut – gegenüber jedermann wirken, der Eigentümer beispielsweise von jedem unberechtigten Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen kann, wirken obligatorische Rechte grundsätzlich nur – relativ – im Verhältnis zur anderen Partei des Rechtsverhältnisses (Relativität des Forderungsrechts)77. Gleichsinnig erkannte das Reichsgericht mit Urteil vom 29.2.190478: Das dingliche Rechte wirke „gegen alle; jedermann hat es zu respektieren“; das Recht aus dem Schuldverhältnis binde „nur eine bestimmte Person; nur deren Wille ist gebunden; die Rechte des Gläubigers sind nur Rechte gegen den Vertragsgegner und brauchen daher von einem Dritten nicht beachtet zu werden“. 74
So weiter v. Savigny, System I, S. 339; Hervorhebungen im Original weggelassen. Zutreffend Larenz, Schuldrecht I, § 2 II; Koziol, Beeinträchtigung, S. 154; gegen diese Kritik neuerdings Hoffmann, Zession, S. 98 ff. 76 Siehe auch die Kritik an Savignys Differenzierung bei Wieacker, System, S. 29 ff. unter Betonung der Vorzüge eines naturrechtlichen Systems der Vermögensrechte; aus neuerer Zeit die Figur des dinglichen Rechts insgesamt ablehnend Füller, Sachenrecht, S. 27 ff. 77 Zum schuldrechtlichen Relativitätsgrundsatz ausf. Kramer, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., Einl. Schuldrecht Rn. 15 ff.; Olzen, in: Staudinger, BGB, § 241 Rn. 293 ff.; Koziol, Beeinträchtigung, S. 136 f.; Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721 ff.; monografisch Henke, Relativität (1989). 78 RGZ 57, 353, 356. 75
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
Allerdings ist auch diese Differenzierung im geltenden Recht nicht ausnahmslos durchgehalten. Stattdessen verlangen die Interessen besonders schutzwürdiger oder schutzbedürftiger Personen im Ausnahmefall nach einer Verdinglichung obligatorischer Rechte79. Dieses Phänomen bezeichnet die Ausstrahlungswirkung von Schuldrechtspositionen über das Rechtsverhältnis hinaus auf Dritte. Für das Verständnis der rechtsgeschäftlichen Nachfolge kommt diesem Problemkreis mit Blick auf das Sukzessionsschutzprinzip zentrale Bedeutung zu und wird auch in diesem Zusammenhang später ausführlich behandelt80. Vorläufig ist an dieser Stelle nur die Erkenntnis festzuhalten, dass auch obligatorische Rechte ausnahmsweise gegen Dritte wirken können. Die allenthalben anzutreffende Gleichsetzung absoluter mit dinglichen Rechten81 greift daher zu kurz82. Was von der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrechten mit Blick auf die rechtsgeschäftliche Sukzession übrigbleibt, ist letztlich der unmittelbare Sachbezug dinglicher Rechte (sachenrechtlicher Unmittelbarkeitsgrundsatz)83: Während nämlich die Zuordnung von Sachenrechten auf die unmittelbare Zuordnung eines Rechtsobjekts zu einem Rechtssubjekt gerichtet ist84, setzt die Zuordnung obligatorischer Rechte ein Rechtsverhältnis von wenigstens zwei Rechtssubjekten voraus, das allenfalls mittelbar auf eine Sache gerichtet sein kann85. Dieser Unterschied wirkt sich für die Nachfolge in besonderem Maße aus, weil die Übertragung obligatorischer Rechte notwendig die Rechtssphäre des Vertragspartners berührt, während eine vergleichbare Drittbetroffenheit der Übertragung von Sachenrechten nicht notwendig eignet86. Eine wichtige Folgerung, die de lege lata aus der Dichotomie von Schuldund Sachenrechten abgeleitet wird87, ist die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen für Forderungen und andere Vermögensrechte (vgl. § 399 Alt. 2 BGB). Diese rechtliche Option soll dem Schuldner, der sich 79 Vgl. vorerst nur Dulckeits gleichnamige Schrift sowie zusf. Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 64 ff.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 1 Rn. 12. 80 Siehe unten § 15 VI. 81 Vgl. nur Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 Rn. 2; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 436. 82 Richtig Jansen, ZNR 27 (2005), 202, 222 f. 83 So die Bezeichnung von Dreher, AcP 138 (1934), 350, 354. Zu weiteren Unterschieden siehe etwa Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 1 Rn. 2 ff.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 52 ff.; in rechtsvergleichender Perspektive Ritaine, in: Faber/Lurger, Rules, S. 175, 190 ff.; v. Erp/Akkermans, in: Bouckaert, Property Law, S. 31 f. – Vor allem das dort erwähnte Numerus-clausus-Prinzip ist für die Frage der rechtsgeschäftlichen Sukzession von untergeordneter Bedeutung; vgl. dazu unten § 2 III. 2. b) cc). 84 Zur Unmittelbarkeit der Gegenstandsbeziehung des dinglichen Geschäfts: Canaris, FS Flume I, S. 371, 373. 85 Instruktiv Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 3 f. unter Hinweis auf Mühlenbruch, Cession, S. 22 mit Fn. 37; kritisch zur Zweiteilung im Hinblick auf Immaterialgüter Walz, KritV 1986, 131 ff. 86 Nur wenn Dritte beschränkte dingliche Rechte an einer Sache innehaben, stellt sich auch für jene die Frage nach dem Dritt- bzw. Sukzessionsschutz. 87 Zu diesem Zusammenhang Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 3 f.
III. Phänomenologie der Sukzession
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nach der Abtretung einem neuen Gläubiger gegenübersieht, einen gesteigerten Sukzessionsschutz vermitteln. Da die Verfügung über dingliche Rechte regelmäßig keine Drittinteressen berührt, scheidet gem. § 137 S. 1 BGB auch eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Verfügbarkeit von Sachenrechten mit dinglicher Wirkung aus. Ob diese Folgerung tatsächlich zutrifft88, ist ebenso Gegenstand der nachfolgenden Erörterung wie die Frage, ob aus der Unterscheidung von obligatorischen und dinglichen Rechten auf die sachenrechtliche Geltung des Publizitätsprinzips89, des Gutglaubenserwerbs90 und – im Internationalen Sachenrecht – auf die Geltung der lex rei sitae91 geschlossen werden kann92.
III. Phänomenologie der Sukzession Die juristische Erscheinungsform der Sukzession ist vielgestaltig. Zur Systematisierung der verschiedenen Tatbestände lassen sich verschiedene Kategorien bilden, die nachfolgend skizziert werden. Dazu zählen insbesondere die grundlegende Differenzierung von Singular- und Universalsukzession (1.) sowie die Unterscheidung von translativer und konstitutiver Nachfolge (2.). Abzugrenzen ist die Sukzession schließlich noch von der – auch kumulative Nachfolge genannten – Akzession (3.)
1. Singular- und Universalsukzession Grundfall der Rechtsnachfolge ist die Singularsukzession. Das Spezifikum dieses – auch als Einzel- oder Sonder(rechts)nachfolge bezeichneten93 – Übertragungsmodus besteht darin, dass sich der Rechtsübergang auf einen konkreten Gegenstand bezieht, der unter Beachtung der für seine Übertragung geltenden Rechtsvorschriften von einem Rechtsträger auf einen anderen übergeht94. Davon zu unterscheiden ist die Universalsukzession. Nach diesem Übertragungsmodus gehen Vermögenspositionen ohne Beachtung der für die Singularsuk88
Dazu unten § 4. Siehe unten § 10. 90 Siehe unten § 11. 91 Siehe unten § 24. 92 In dieser Sinne vgl. vorerst nur Ritaine, in: Faber/Lurger, Rules, S. 175, 191 f. 93 Zu Unterschieden in der Terminologie siehe etwa Claussen, Gesamtnachfolge, S. 23 f. – Den Begriff der Sondernachfolge verwendet das Gesetz in §§ 746, 751, 755 Abs. 2, 1010, 1179a Abs. 1 S. 2 BGB. Dem Begriff der Einzelnachfolge wird hier gegenüber der Bezeichnung „Einzelrechtsnachfolge“ der Vorzug gewährt, weil Ersterer klar zum Ausdruck bringt, dass die Nachfolge nicht nur in Vermögensrechte, sondern in sämtliche Vermögensgegenstände erfolgen kann, insbesondere auch Verbindlichkeiten. Aus dem gleichen Grund wird der Bezeichnung „Gesamtnachfolge“ der Vorzug eingeräumt. Vgl. auch Maurer, Schuldübernahme, S. 4. Zum universalsukzessiven Schuldübergang siehe unten § 16. 94 Vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 38; Marx, Spaltung, S. 80. 89
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
zession vorgesehenen Vorschriften uno actu als Gesamtheit auf den Nachfolger über. Klassisch ist die von Hasse entwickelte Abgrenzung der beiden Übertragungsmodi95: „Universal-Succession (successio per universitatem) und Singular-Succession (successio in rem) sind species des genus: in locum alicuius succedere, d.h. es werden Rechte von einer Person auf die andere übertragen, es folgt Einer dem Andern in dem Haben der Rechte. Universal-Succession würde nun zu denken seyn, wenn ein Aggregat von Rechten als ein juristisches Ganze(s) auf eine andere Person überginge, im Gegensatz davon ist Singular-Succession, wenn einzelne Rechte als Einzelnheiten, sey es eines, seyen es viele auf einmal, als übertragen gedacht werden.“
a) Singularsukzession Die Singularsukzession lässt sich nach ihrem Erwerbsgrund weiter unterteilen in Einzelnachfolge kraft Rechtsgeschäfts, kraft Gesetzes und kraft Hoheitsakts96. Beruht die Nachfolge maßgeblich auf einer privatautonomen Abrede zwischen Vorgänger und Nachfolger, die final auf die Herbeiführung des Rechtsübergangs gerichtet ist, dann handelt es sich um eine Sukzession kraft Rechtsgeschäfts. Das rechtsdogmatische Fundament der rechtsgeschäftlichen Nachfolge ist das systemprägende Prinzip der Privatautonomie in seiner maßgeblichen Ausprägung der Übertragungs- oder Sukzessionsfreiheit97. Der Rechtsübergang findet statt, weil die Vertragsparteien diesen Erfolg unmittelbar zielgerichtet anstreben und die Rechtsordnung dem Parteiwillen mittels Bereitstellung eines (rechtsgeschäftlichen) Sukzessionstatbestandes zum Durchbruch verhilft98. Knüpft der Sukzessionstatbestand hingegen nicht an den auf die Herbeiführung der Sukzession gerichteten Parteiwillen an, sondern an andere juristisch relevante Tatsachen, liegt ein gesetzlicher Sukzessionstatbestand vor. Im Zentrum der Arbeit stehen die Tatbestände der Sukzession kraft Rechtsgeschäfts, namentlich die Abtretung von Forderungen (§ 398 BGB) und anderen Rechten (§ 413 BGB), die Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB) sowie der Mobiliarerwerb (§§ 929 ff. BGB) und die Übereignung von Grundstücken (§§ 873, 925 BGB). Die gesetzlichen Übertragungsvorschriften statuieren in Abhängigkeit vom Übertragungsgegenstand jeweils unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen. Die Rechtsfolge ist hingegen immer gleich: Die fragliche Vermögensposition geht identitätswahrend und unmittelbar vom Veräußerer auf den Erwerber über. Die Rechtsfolge tritt nur ein, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Sukzessionstatbestands zu einem Zeitpunkt vollständig erfüllt sind (Koinzidenzprinzip)99. Die gesetzliche Ausgestal95
Hasse, AcP 5 (1822), 1, 19; zustimmend etwa Lessing, Rechtsnachfolge, S. 62 f. Vgl. nur Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1081; Hofmann, JA 2008, 253. 97 Dazu eingehend unten § 4. 98 Allgemein instruktiv Flume, AT II, § 1, 2, 3a, § 2, 2; für die Sukzession Hurni, Vermögensübertragung, S. 117. 99 Zum sukzessionsrechtlichen Koinzidenzprinzip ausf. unten § 12. 96
III. Phänomenologie der Sukzession
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tung der Übertragungsvorschriften ist der Disposition der Vertragsparteien indes entzogen. Die Sukzessionstatbestände, namentlich die tatbestandlichen Einzelvoraussetzungen, sind zwingender Natur; kraft parteiautonomer Vereinbarung können die Parteien nicht abweichen. Mit dem Übergang auf eine andere Person scheidet das fragliche Recht aus dem Vermögen des bisherigen Rechtsinhabers aus. Dieser Vorgang vollzieht sich im Regelfall losgelöst von den übrigen Rechten und Verbindlichkeiten des Veräußerervermögens, so dass der Nachfolger das abgeleitete Recht typischerweise frei von nicht gesondert mit übertragenen Verpflichtungen erwirbt100. Ausnahmen macht das Gesetz nur aus Gründen des Drittschutzes, etwa zugunsten der übrigen Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft101, die den Einzelnachfolger gem. §§ 755 Abs. 2, 756 S. 2 BGB auf die Berichtigung von Gesamtund Teilhaberschulden in Anspruch nehmen können. Gegenstand der Parteiabrede kann auch der Übergang einer Mehrzahl von Einzelgegenständen sein. Soll beispielsweise ein ganzes Warenlager übereignet oder ein einzelkaufmännisches Unternehmen im Wege eines Asset Deal übertragen werden, geschieht dies ebenfalls nach den Mechanismen der Singularsukzession. Zu diesem Zweck müssen sämtliche Gegenstände nach den jeweils geltenden Sukzessionsvorschriften übertragen werden, so dass jedes einzelne Recht dieser Gesamtheit – in den Worten v. Savignys – „für sich übergeht, ohne durch diesen, zufälligen gemeinschaftlichen, Übergang mit den übrigen in Verbindung zu treten“102. Von der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge ist die Singularsukzession kraft Gesetzes zu unterscheiden. Im Unterschied zur rechtsgeschäftlichen Nachfolge fehlt es bei der auf gesetzlicher Anordnung beruhenden Sukzession an der privatautonomen Grundlage des Übertragungsvorgangs. Nicht der final auf den Rechtsübergang gerichtete Wille von Vorgänger und Nachfolger initiiert die Sukzession, sondern außerhalb des Parteiwillens liegende juristische Tatsachen. Dementsprechend vielgestaltig sind die gesetzlichen Übergangstatbestände, wie sie sich innerhalb103 und außerhalb104 des Bürgerlichen Rechts finden. Von besonderer Bedeutung sind die Anwendungsfälle des gesetzlichen Forderungsübergangs (cessio legis), für welchen gem. § 412 BGB die für die rechtsgeschäftliche Forderungsabtretung anwendbaren Vorschriften gelten. Schließlich kann sich die Singularsukzession noch kraft Hoheitsakts vollziehen. Ausgangspunkt und Grundlage dieses Übertragungsmodus ist eine staatliche Anordnung, die eine Vermögensposition unmittelbar vom Auktor auf den Sukzessor übergehen lässt. Von praktischer Bedeutung ist insbesondere der 100
Siehe v. Tuhr, AT II/1, S. 85. Zum Schutzzweck siehe Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 765 f.; K. Schmidt, in: MünchKommBGB, §§ 755, 756 Rn. 10. 102 So schon v. Savigny, System III, S. 13. 103 Siehe nur §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2 S. 1, 774 Abs. 1 S. 1, 1143, 1150, 1164, 1173, 1174, 1182, 1249, 1607 Abs. 2 S. 2, 1608 S. 3, 1615a BGB. 104 Siehe nur §§ 86, 145 VVG, § 6 EFZG, §§ 115, 116 SGB X, § 94 SGB XII. 101
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
Rechtserwerb im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Das gilt für die Zwangsversteigerung beweglicher Sachen durch Zuschlag und Ablieferung gem. § 817 Abs. 2 ZPO105 ebenso wie für die Zwangsversteigerung von Grundstücken durch Zuschlagserteilung gem. § 90 ZVG106 sowie die Eintragung von Zwangsund Arresthypotheken (§§ 867 Abs. 1 S. 2, 932 ZPO)107. Hierher gehört schließlich noch die Überweisung einer gepfändeten Geldforderung an Zahlungs statt zum Nennwert an den Vollstreckungsgläubiger (§ 835 Abs. 1 Alt. 2 ZPO)108, die in der Praxis freilich nur selten vorkommt. b) Universalsukzession Während die Singularsukzession darauf gerichtet ist, einzelne oder eine Mehrheit von Vermögenspositionen individuell zu übertragen, bezieht sich die Universalsukzession auf die Übertragung eines Vermögens von Rechten und Pflichten als Ganzes. Sind sämtliche Voraussetzungen des universalen Sukzessionstatbestandes erfüllt, gehen die zum Vermögen gehörenden Rechte und Pflichten uno actu, d.h. einheitlich und ungeachtet der Qualität und Quantität der zum Vermögen gehörenden Gegenstände109, auf den Gesamtnachfolger über110. Wo bei einer Übertragung kraft singulärer Sukzession eine Vielzahl von Übertragungsakten erforderlich ist, tritt an deren Stelle bei der Universalsukzession ein einheitlicher Transfertatbestand, der eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorcht; die Einhaltung der verschiedenen Übertragungsvoraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession ist entbehrlich. Ebenso wenig wie die tatbestandlichen Voraussetzungen der Singularsukzession zur Disposition der Beteiligten stehen, können die Parteien auf privatautonomer Grundlage den Übergang von Vermögensgesamtheiten im Wege der Universalsukzession anordnen. Der universalsukzessive Übertragungsmodus steht nur zur Verfügung, wenn das Gesetz den Übergang von Vermögenspositionen als Ganzes ausdrücklich zulässt111. In diesem Zusammenhang besteht eine strenge Typenfixierung und Typenlimitierung, die ungeschriebene Gesamtnachfolgetatbestände grundsätzlich ausschließt. Der gesetzliche Regelfall der Universalsukzession vollzieht sich kraft gesetzlicher Anordnung. Prominentestes Beispiel ist die erbrechtliche Universalsukzession. Mit dem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers gem. § 1922 Abs. 1 105
Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 30. Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 56; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 30. 107 Vgl. Grunsky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 91; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 29. 108 Vgl. Becker, in: Musielak, ZPO, § 835 Rn. 14; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 835 Rn. 8. 109 So schon v. Savigny, System III, S. 13: übertragen wird das Vermögen „als solches, als eine ideale Größe, ohne Rücksicht auf seinen besonderen Inhalt“. 110 Vgl. vorerst nur v. Tuhr, AT II/1, S. 86 sowie ausf. Claussen, Gesamtnachfolge, S. 27 ff. mit Kritik auf S. 34 ff. 111 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 74; Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 32 ff.; Marx, Spaltung, S. 80. 106
III. Phänomenologie der Sukzession
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BGB als Ganzes auf die Erben über. Letztere sind Nachfolger in die gesamte Rechtsstellung des Erblassers. Sie erwerben nicht allein die Rechte des Erblasservermögens und haften nach § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten; sie übernehmen vielmehr die Rechtsposition des Erblasser in ihrer Gesamtheit einschließlich sämtlicher Sekundärrechte und Sekundärpflichten, Obliegenheiten, Erwerbsaussichten, Empfangszuständigkeiten und sonstigen Gebundenheiten112. Weitere Beispiele für die gesetzliche Universalsukzession sind die Schaffung von Gesamtgut bei der ehelichen Gütergemeinschaft (vgl. § 1416 Abs. 2 BGB) sowie der Anfall von Vereins- und Stiftungsvermögen an den Fiskus (§§ 46, 88 S. 3 BGB)113. Neben diese klassischen Gesamtnachfolgetatbestände ist mit der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession bei Verschmelzung und Spaltung nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ein weiterer Übertragungstatbestand getreten, dessen dogmatische Einordnung bis heute nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet. Sehr umstritten ist insbesondere, ob die Nachfolge gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Züge trägt114. Da der Impuls für die Durchführung der Transaktion letztlich von den Parteien des Umwandlungsvertrages ausgeht, handelt es sich bei den Umwandlungstatbeständen nach zutreffender Auffassung um eine Universalsukzession kraft Rechtsgeschäfts. Die hiermit verbundenen Implikationen materiell- und verfahrensrechtlicher Natur sind Gegenstand späterer Abschnitte115.
2. Translative und konstitutive Sukzession Sukzessionsvorgänge können weiterhin danach unterschieden werden, ob eine Vermögensposition vollständig oder nur teilweise auf den Nachfolger übergehen soll. Seit der Pandektistik bezeichnet man den vollumfänglichen Rechtsübergang als translative, den Übergang eines – qualitativen, nicht quantitativen – Teils als konstitutive Sukzession116. Diese Differenzierung hatte bereits der historische Gesetzgeber des BGB in seinen Willen aufgenommen117: „Der für den Erwerb der Rechte bedeutsame Begriff der Rechtsnachfolge umfaßt nach dem Entwurf – in Uebereinstimmung mit §§ 236, 665 der C.P.O. – sowohl diejenigen Fälle, in welchen ein bestehendes Recht von seinem bisherigen Träger auf einen anderen 112
Vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 13 Rn. 47. Zum letzten Punkt mit rechtspolitischer Kritik ausf. Lieder, ZSt 2005, 16, 19 ff. 114 Vgl. vorerst nur K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495 ff. 115 Siehe zum materiellen Recht unten §§ 16, 17; siehe zum Zivilprozessrecht unten §§ 19 V., 20 II. 2. 116 Vgl. etwa Bekker, Pandektenrecht I, §§ 33, 34; Regelsberger, Pandekten, § 120; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 49. Die Begrifflichkeiten sind auch heute noch gebräuchlich, siehe Larenz/ Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 29 a.E.; Hübner, BGB AT, Rn. 387; vgl. weiter Hassold, Leistung, S. 252; Knöchlein, Recht, S. 187 ff., 227 ff. 117 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 271; Hervorhebungen im Original weggelassen. 113
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
übergeht, als diejenigen Fälle, in welchen das erworbene Recht sich auf ein vorhandenes Recht dergestalt stützt, daß das erstere ein aus dem letzteren erzeugtes Recht anderer Art ist (Bestellung einer Dienstbarkeit u.s.w.).“
a) Translative Rechtsnachfolge Die translative Rechtsnachfolge bezeichnet den vollumfänglichen Übergang einer Vermögensposition von einem Rechtssubjekt auf das andere118. Von der fraglichen Position bleibt im Vermögen der Vorgänger nichts zurück. Die translative Rechtsnachfolge ist der gesetzliche wie praktische Regelfall. Wird die gesamte Forderung abgetreten, eine bewegliche Sache oder Grundstück veräußert, fällt dem Erben die Erbschaft an oder werden zwei Rechtsträger miteinander verschmolzen, handelt es sich stets um einen Fall der translativen Rechtsnachfolge. Auch die oben herausgearbeitete Definition der Nachfolge im materiellrechtlichen Sinne119 bezieht sich auf die translative Sukzession, vor allem was die Identität und Kontinuität der übergeleiteten Vermögensposition anlangt. Die translative Sukzession kann sich wie in den genannten Beispielsfällen auf die gesamte Vermögensposition des Inhabers beziehen, sie kann sich aber auch auf einen quantitativen Teil der Position beschränken120. Dann führt die Übertragung zu einer Teilung des Rechts121. Solche Teilübertragungen zeitigen in Abhängigkeit vom fraglichen Recht unterschiedliche Rechtsfolgen. Für die teilweise Übertragung des Eigentumsrechts halten die Vorschriften über das Miteigentum (§§ 1008 ff. BGB) besondere Regelungen bereit. Die Rechtsfolgen der Teilzession sind bis heute nicht abschließend geklärt122. Soweit andere Rechte teilweise übertragen werden, kann es zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) kommen. Aber das ist ein Thema für sich, das hier auf sich beruhen muss. b) Konstitutive Rechtsnachfolge Die konstitutive (rechtsbegründende) Nachfolge bezeichnet den Übergang eines qualitativen Teils des Stammrechts (Mutterrecht) als neues Recht (Tochterrecht) auf den Erwerber123. Im Gegensatz zur translativen Sukzession bleibt der ursprüngliche Rechtsinhaber auch weiterhin Inhaber des Stammrechts, nur wird durch den Rechtsübergang – bildlich gesprochen – ein auf das Stammrecht 118
Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 59. Siehe oben § 2 I. 3. 120 Besonders klar Hellwig, Lehrbuch, § 40 II 1; v. Tuhr, AT II/1, S. 60. 121 Dazu klassisch v. Tuhr, AT I, S. 236 ff. 122 Siehe weiterführend etwa Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 63 ff.; Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 46 ff.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzession, § 8 II; monografisch Kogel, Teilzession, passim. 123 Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 62; v. Blume, JhJ 34 (1895), 281, 283; kritisch etwa Sontis, FS Larenz I, S. 981, 994. Zur Abgrenzung von der teilweisen translativen Rechtsnachfolge siehe Krückmann, AcP 103 (1908), 139 ff.; v. Tuhr, AT I, S. 237 m. Fn. 1; ders., AT II/1, S. 63. 119
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bezogener Teil herausgelöst und als neues Recht auf den Nachfolger übertragen. Der Nachfolger erwirbt ein neues Recht mit spezifischen Befugnissen, die zuvor im Stammrecht gebündelt waren und dessen Gesamtinhalt konstituierten. Aus der Perspektive des Auktors betrachtet, bewirkt das abgeleitete Tochterrecht eine Belastung des Stammrechts mit der Folge, dass der Stammrechtsinhaber an der Rechtsausübung insofern gehindert ist, als sie die Realisierung der Teilrechtsbefugnisse des Nachfolgers beeinträchtigen würde. Besonders deutlich wird das Prinzip der konstitutiven Sukzession am Beispiel der Belastung des Eigentums mit beschränkten dinglichen Rechten: aa) Wandlungen der Eigentumskonzeption Das Eigentum ist ein vollkommenes, absolutes und als solches unteilbares, dingliches Herrschaftsrecht (vgl. § 903 BGB; Art. VIII.-1:202 DCFR)124. Soweit das moderne dogmatische Konzept des BGB (und des DCFR) das Eigentum als unteilbar charakterisiert, unterscheidet es sich in diesem Punkt maßgeblich von der germanischen Eigentumsvorstellung, die das Eigentum als die Summe einzelner Herrschaftsbefugnisse betrachtete (Summentheorie) und insofern auch die Verteilung der unterschiedlichen Funktionen auf verschiedene Berechtigte zuließ125. Die Summentheorie prägte mehr als 500 Jahre lange das gemeine Rechtsdenken und liegt noch heute dem angelsächsischen Rechtsdenken zugrunde, das das Eigentum als eine Zusammenfassung von einzelnen eigentumskräftigen Befugnissen (bundle of rights) begreift126 und in dieser Ausprägung auch die Grundlage für den Property-rights-Ansatz der ökonomischen Analyse des Rechts bildet127. Umso bemerkenswerter ist es deshalb, dass es der Lehre vom ungeteilten Eigentum gelang, das überkommene, in Theorie und Praxis fest verwurzelte Eigentumskonzept in kaum 50 Jahren aus der Rechtswissen124 Siehe schon oben § 2 II. 2. Siehe noch Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 117: „Abstraktheit, Absolutheit und Totalität“; zum DCFR siehe die Erläuterungen bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4248 f. und rechtsvergleichendes Material ebenda S. 4250 ff. 125 Zur Entwicklung ausf. Wiegand, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft, S. 118 ff.; zusf. ders., in: Staudinger-Symposium, S. 107, 112; ders., FS Kroeschell, S. 623, 627 f.; vgl. ferner Sontis, FS Larenz I, S. 981, 992 f.; Schön, Nießbrauch, S. 10 f. Speziell zum geteilten Eigentum ausf. MayerMaly, FS Hübner, S. 145 ff.; Strauch, FS Hübner, S. 273 ff. 126 Grundlegend Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913), 16 ff.; siehe ferner etwa Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 307: „sticks in the bundle of rights connected with a piece of property“; Epstein, Columbia L. Rev. 85 (1985), 970: “The right of alienation, as part of the bundle of property rights“; Miceli, in: Backhaus, Elgar Companion, S. 246: “the bundle of rights that constitute property”; ausf. Penner, UCLA L. Rev. 43 (1996), 711 ff.; siehe noch Shavell, Foundations, S. 27; vgl. aber auch Waldron, Ox. J. Legal Stud. 5 (1985), 313, 315 und insbesondere Merrill/Smith, Yale L.J. 111 (2001), 357 ff., die (wieder) stärker die gegenständliche Dimension des Eigentums („in rem dimension of property“) betonen. Aus dem deutschen Schrifttum siehe noch Füller, Sachenrecht, S. 53 f.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 111 f.; Fleischer, FS Schäfer, S. 125, 129; gegen diese Vorstellung etwa Regelsberger, Pandekten I, § 120 II; speziell für Dienstbarkeiten ebenso Windscheid, Pandektenrecht I, § 200 N. 3. – Auch das französische Recht ist noch der Summentheorie verhaftet; vgl. Sontis, FS Larenz I, S. 981, 987 Fn. 19, 993 mit Fn. 41. 127 Dazu ausf. unten § 3 IV. 2.
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schaft nahezu vollständig zu entfernen128. Mit großer Selbstverständlichkeit, und ohne auf die vorausgegangenen Auseinandersetzungen näher einzugehen, betonen sodann die Motive zum BGB, dass „das Eigenthum nicht eine Summe einzelner Befugnisse“129 sei. Die Gesetzesmaterialien bestätigen damit die bereits von Reinhold Johow, dem Redaktor des Vorentwurfs zum Sachenrecht, eingeschlagene Linie: „Das Eigenthum ist ein untheilbares Recht, welches zwar eine Reihe von Befugnissen gewährt, aber nicht aus solchen sich zusammensetzt. Der Eigenthümer ist mithin gar nicht in der Lage, eine solche Befugniß aus seinem Rechte herauszunehmen und auf einen Anderen zu übertragen. Das dingliche Recht, welches er bestellt, besteht auch nicht in einer Beschränkung des Eigenthums; es ist einfach ein Recht des Nichteigenthümers an der Sache, welches die Herrschaft des Eigenthümers über dieselbe beschränkt.“130
Rechtshistorische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass sich diese Position weder auf tragfähige philosophische Einsichten noch auf rechtspraktische Notwendigkeiten stützen konnte. Vielmehr verwies die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts vornehmlich auf den „richtigen“ Begriff und die „wahre“ Natur des Eigentums und erging sich im Übrigen in „apriorisch-axiomatisch formulierten Rechtswahrheiten“131. Die Lehre vom ungeteilten Eigentum ist damit als begriffsjuristische Schöpfung entlarvt132. Es nimmt daher nicht Wunder, dass sich das Eigentumskonzept in der Wirtschaftspraxis der Folgezeit nicht bruchlos durchhalten ließ. Namentlich die Anerkennung von Eigentumsvorbehalt und Sicherungseigentum laufen im Ergebnis auf die altbekannte Aufteilung in Nutzungs- und Verfügungseigentum hinaus, die mit einer einschränkungslosen Lehre vom ungeteilten Eigentum nur schwerlich in Einklang zu bringen ist. Aber auch anderen Formen treuhänderischen Eigentums, die erweiterte Zulassung von Erbbaurechten und die Einführung des Wohnungseigentums laufen dem übersteigerten Einheitsanspruch des Eigentumskonzepts zuwider133. Angesichts der wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die zur Herausbildung dieser Sachrechtsinstitute führten, ist ein Rückbau heute ausgeschlossen. Stattdessen muss das Dogma von der Unteilbarkeit des Eigentums aufgebrochen werden, um zu wirklichkeitsnahen und interessengerechten Lösungen zu gelangen134. Erst die Abkehr vom pandektistischen Eigentumsbegriff lässt auch
128 Dazu ausf. Wiegand, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft, S. 118, 147 ff. Zum gesellschaftspolitischen Hintergrund der Vereinigung des vollen Eigentums in der Hand einer Person im Zusammenhang mit der Bauernbefreiung näher Hattenhauer, in: Baur, Eigentum, S. 83, 98 ff. 129 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 262. 130 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 502. Hervorhebungen auch im Original; dort aber nicht kursiv, sondern gesperrt. 131 Aufschlussreich Wiegand, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft, S. 118, 151 f. 132 Vgl. auch Herbert, JZ 2011, 503, 513. 133 Zu diesen neuen sachenrechtlichen Instituten im Zusammenhang mit der Frage nach Statik und Dynamik im Sachenrecht etwa Westermann, FS Schapp, S. 507, 511 ff. 134 Ebenso die Einschätzung von Wiegand, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft, S. 118, 154.
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das Konzept der konstitutiven Rechtsnachfolge verständlich werden und bildet die Grundlage für die moderne Abspaltungslehre135. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die hiesige Kritik am Unteilbarkeitsdogma richtet sich in erster Linie gegen einen Eigentumsbegriff, der die Abspaltung einzelner Befugnisse kategorisch ausschließt. In keiner Weise zielt sie darauf ab, die historische Lehre vom geteilten Eigentum wiederzubeleben136, wie sie sich im altgermanischen Recht fand. Dagegen spricht bereits das oben befürwortete Prinzip der absoluten Rechtszuordnung137. Schon im Hinblick auf die Umlauffähigkeit des Eigentums muss es unbedingt dabei bleiben, dass die Rechtszuständigkeit des Eigentümers (und jedes anderen Rechtsinhabers) unteilbar ist. Darüber hinaus kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass ein Eigentumskonzept nur dann zu überzeugen vermag, wenn es im Grundsatz die beiden maßgeblichen Befugnisse des Eigentümers umfasst, die Sache zu nutzen und über sie zu verfügen. Eine apriorische Trennung von Nutzungs- und Verfügungseigentum ist dem geltenden Recht daher aus gutem Grund fremd. bb) Abspaltungslehre Aber auch der überkommenen Summentheorie soll nicht das Wort geredet werden. Nach der modernen gesetzlichen Konzeption ist das Eigentum im Verhältnis zu den beschränkten dinglichen Rechten vielmehr als ein qualitativ andersartiges Recht zu verstehen138. Es handelt sich – in den Worten von Harry Westermann – um das „Universalmutterrecht“, aus dem beschränkte dingliche Rechte abgespalten werden können (Abspaltungslehre)139. Trotz dieses Abspaltungsvorgangs verliert das Mutterrecht niemals seine Eigentumsqualität, auch wenn der Eigentümer einen qualitativen Rechtsverlust erleidet140, weil das abgespaltene Tochterrecht nur noch durch den konstitutiven Nachfolger ausgeübt werden kann. Der Erwerber des beschränkten dinglichen Rechts wird aufgrund der Abspaltung nicht etwa (Teil-)Eigentümer der Sache. Vielmehr erwirbt er nur einen Teil der Befugnisse aus dem Eigentumsrecht, die sich als beschränktes dingliches Recht auf eine fremde Sache beziehen (ius in re aliena)141. Die in diesem Sinne verstandene Abspaltungslehre entwirft ein überzeugendes Konzept, die konstitutive Sukzession in rechtskonstruktiver Hinsicht zu erklären. Nach diesem Verständnis umfasst das Eigentumsrecht auch die Entscheidungsbefugnis des Eigentümers, das Nutzungs- und Verfügungsrecht entweder selbst auszuüben oder ein Teilrecht aus dem Stammrecht abzuspalten und auf einen Dritten zu übertragen. Infolge der Teilrechtsübertragung entste135
Dazu sogleich unten § 2 III. b) bb). So aber etwa Raiser, FG Sontis, S. 167 ff.; dazu auch Hattenhauer, in: Baur, Eigentum, S. 83, 86 ff. 137 Siehe oben § 2 II. 2. 138 Dazu insgesamt Schön, Nießbrauch, S. 12 f. 139 H. Westermann, Konstruktion, 1933, S. 30; vgl. weiter Deutsch, MDR 1988, 441 ff. 140 Vgl. dazu auch Füller, Sachenrecht, S. 378. 141 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. §§ 929–931 Rn. 3 a.E. 136
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hen nach der Abspaltungslehre in der Person des Erwerbers neue beschränkte dingliche Rechte142, die das Schrifttum zuweilen pointiert als „verselbständigte Eigentumssplitter“143 bezeichnet und die aus der Perspektive des Stammrechtsinhabers als Belastung wahrgenommen werden144. Erlischt das beschränkte dingliche Recht, dann kehren die abgespaltenen Befugnisse – bildlich gesprochen – wieder in den Schoß des Eigentümers zurück und das Eigentumsrecht rekonvalesziert zum Vollrecht145. Rechtskonstruktiv vollzieht sich diese Erstarkung indes nicht als (erneuter) Rechtsübergang vom beschränkt Berechtigten auf den Eigentümer, der früher als restitutive Sukzession anerkannt worden ist146, sondern vielmehr fällt die Belastung ersatzlos weg und dem Eigentümer stehen wiederum umfassende Sachherrschaftsbefugnisse zu147. Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang verschiedentlich von der Elastizität des Eigentums gesprochen148. cc) Erscheinungsformen beschränkter dinglicher Rechte Die beschränkten dinglichen Rechte zerfallen in drei Gruppen: Nutzungs-, Verwertungs- und Erwerbsrechte149. Zu den bürgerlichen Nutzungsrechten rechnen der Nießbrauch für die Einräumung einer umfassenden Nutzungsbefugnis an Grundstücken (§ 1030 BGB), Mobilien (§ 1032 BGB) und Rechten (§ 1068 BGB) sowie die Dienstbarkeiten für Nutzungsrechte an Grundstücken (§§ 1018, 1090 BGB).150 Daneben tritt das Erbbaurecht als stärkste Belastung 142 Vgl. Prütting, Sachenrecht, Rn. 21: „Aus dem Gesamtinhalt aller Rechtspositionen des Eigentums werden also einzelne Bereiche ausgesondert, die dem beschränkten Berechtigten übertragen sind“; Habersack, in: Soergel, BGB, Vor § 1204 Rn. 3; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 23; Heck, Sachenrecht, § 19; Larenz/Wolf, BGB AT, § 20 Rn. 91; Schreiber, Sachenrecht, Rn. 415; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rn. 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 120; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 1 Rn. 10; Wolff/Raiser, Sachenrecht, §§ 51 III, 147 I 1; Hess, AcP 198 (1998), 489, 492; Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 291. – Die Gegenposition bildet die so genannte Vervielfältigungstheorie; vgl. Hirsch, Übertragung (1910); dazu auch Dettmar, Funktion, S. 26 ff.; Grunsky, Rangfragen, S. 20 f.; gegen die hier vertretene Abspaltungslehre auch Stadler, AcP 189 (1989), 425, 428 ff. 143 So treffend O. v. Gierke, Privatrecht II, § 120 IV 7; vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. §§ 929–931 Rn. 3; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rn. 1; Sontis, FS Larenz I, S. 981, 993. 144 Vgl. insofern zutreffend Füller, Sachenrecht, S. 378. 145 Zur Abgrenzung vgl. den Fall der Konsolidation unten § 13 II. 3. 146 Siehe oben § 2 I. 2. Vgl. auch Hellwig, Lehrbuch, § 40 II 3; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 51 f.; v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 7; Lessing, Rechtsnachfolge, S. 25 f. 147 So bereits Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 502: „Mit dem Erlöschen dieses Rechts (scil.: des beschränkten dinglichen Rechts) erlischt zugleich die Beschränkung. Das Eigenthum konsolidirt sich wieder, ohne daß es einer Rückerwerbung der dem Berechtigten zugestandenen Befugniß seitens des Eigenthümers bedürfte“. In der Sache ebenso v. Tuhr, AT II/1, S. 83. 148 Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 83 Fn. 132; Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 3 a; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 120 a.E.; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 117. 149 Dazu exemplarisch Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 3 a; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 115 f.; ausf. und kritisch Füller, Sachenrecht, S. 65 ff. 150 Einen Sonderfall bildet das Nutzungspfandrecht nach § 1213 BGB (Antichrese).
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des Grundeigentums, das den Inhaber berechtigt, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu haben (§ 1 ErbbauRG)151, sowie das Wohnrecht nach § 1093 BGB und das Dauerwohnrecht nach § 31 WEG. Zur Gruppe der Verwertungsrechte152 zählen die Pfandrechte im weiteren Sinne, d.h., zum einen die drei nur an Immobilien zulässigen Grundpfandrechte: Hypothek (§ 1113 BGB), Grundschuld (§ 1191 BGB) und Rentenschuld (§ 1199 BGB), sowie zum anderen das an Mobilien und Rechten begründbare Pfandrecht im engeren Sinne (§§ 1204, 1273 BGB). Die Verwertungsrechte erfüllen eine Sicherungsfunktion153. Hinzu kommt die Reallast, die als Verwertungsrecht die Nichterfüllung aus dem Grundstück geschuldeter Leistungen sanktioniert (§ 1105 BGB)154. Die dritte Gruppe der Erwerbsrechte komplettiert den Überblick. Sie umfasst unstreitig das dingliche Vorkaufsrecht an Grundstücken (§ 1094 BGB)155. Soweit man das Anwartschaftsrecht als eigenständiges dingliches Recht anerkennt156, zählt es ebenfalls zur Gruppe der Erwerbsrechte, das an Grundstücken ebenso bestehen kann wie an Mobilien und Rechten. Die beschränkten dinglichen Rechte sind im Sachenrecht grundsätzlich in abschließender Form normiert. De lege lata gilt ein numerus clausus der Sachenrechte sowie ein Typenzwang157. De lege ferenda ist die Überzeugungskraft dieser Beschränkung der Privatautonomie in jüngster Zeit mit sehr beachtlichen, vor allem rechtsökonomischen Argumenten in Zweifel gezogen worden158. 151 Zur Nähe von Dienstbarkeit und Erbbaurecht siehe etwa Motive zum BGB, Bd. 3, S. 466; Prütting, Sachenrecht, Rn. 866; Hess, AcP 198 (1998), 489, 490. 152 Bei den Verwertungsrechten steht vielfach nicht die eigentliche Verwertung, sondern vielmehr die durch ihren Erwerb erlangte Sicherung im Vordergrund, so dass in diesem Zusammenhang mit Recht auch von Sicherungsrechten gesprochen werden kann; vgl. Stadler, in: Soergel, BGB, Einl zu § 854 Rn. 10. 153 Vgl. nur Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 40. 154 Zur Rechtsnatur siehe Motive zum BGB, Bd. 3, S. 573, 581; Hess, AcP 198 (1998), 489, 491; v. Lübtow, FS Lehmann, S. 328, 359 ff. 155 Schermaier, in: Staudinger, BGB, § 1094 Rn. 9: bedingtes Erwerbsrecht. 156 So die wohl h.M.: Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 37; Prütting, Sachenrecht, Rn. 392; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 I 3; Mühl, AcP 160 (1961), 264, 270; Stoll, ZHR 128 (1966), 239, 242; abweichend Bork, in: Staudinger, BGB, Vor § 158 Rn. 67; Serick, Eigentumsvorbehalt I, § 11 I 2: Mischform zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Recht; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 Rn. 33; Krüger, JuS 1994, 905: Anwartschaftsrecht ist Rechtsteilung. 157 Dazu monografisch jüngst Kern, Typizität (2013); klassisch etwa Larenz/Wolf, BGB AT, § 34 Rn. 53 ff. im Zusammenhang mit dem Prinzip der Privatautonomie. Siehe die vorzügliche historische Aufarbeitung der Problematik bei Hofer, Freiheit, S. 250 ff. Aus dem sachrechtlichen Schrifttum zur Geltung des Numerus-clausus-Prinzips Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 17; Prütting, Sachenrecht, Rn. 20; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 15 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 13 ff.; a.A. aber Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 4 f.; ders., in: Eckert, Nutzen, S. 557, 567 ff.; Finkenauer, in: HKK, BGB, §§ 158–163 Rn. 26, Fn. 129, jeweils unter Hinweis auf § 1007 BGB; siehe außerdem die differenzierende Darstellung von Kaulbach, JuS 2011, 397 ff. sowie rechtsvergleichende Hinweise bei Ritaine, in: Faber/Lurger, Rules, S. 175, 181 ff.; v. Erp/Akkermans, in: Bouckaert, Property Law, S. 31, 33 ff. 158 Eingehend und überzeugend Fleischer, FS Schäfer, S. 125 ff.; siehe ferner Füller, Sachenrecht, S. 14 ff., 370 ff., 405 ff., 558 ff. und passim; Säcker, FS Georgiades, S. 359, 366 ff.; ders., FS Boguslavskij, S. 805, 809 ff.; Schmolke, WM 2010, 740, 743, 746 f.; vgl. auch Wiegand, AcP 190
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Darauf kann mit Rücksicht auf die Thematik dieser Untersuchung nicht näher eingegangen werden. An dieser Stelle soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sich trotz des Ausschließlichkeitsanspruchs der Sachenrechte mit dem Sicherungseigentum und dem Anwartschaftsrecht zwei Rechtsinstitute praeter legem etablieren könnten, die für die Sicherungspraxis von kaum zu überschätzendem Wert sind. Neben seiner praktischen Bedeutung ist das Anwartschaftsrecht in diesem Zusammenhang aber auch deshalb von Interesse, weil es ebenfalls einen Fall der rechtsbegründenden Sukzession darstellt, so wie die konstitutive Rechtsnachfolge überhaupt in Rede steht, wenn Rechtspositionen unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung übertragen werden159. Solange die aufschiebende Bedingung noch nicht eingetreten ist, ist die Rechtsnachfolge des Erwerbers (des Anwartschaftsberechtigten) lediglich konstitutiv. Aus dem Stammrecht des Veräußerers wird durch die Begründung einer Anwartschaft, die nun zugunsten des Anwartschaftsberechtigten auf dem Stammrecht lastet, – bildlich gesprochen – ein Teil herausgeschnitten. Tritt die Bedingung ein, geht das Stammrecht vollständig auf den Erwerber über, der in diesem Zeitpunkt als translativer Nachfolger die Rechtsposition vollständig erwirbt. Ist eine auflösende Bedingung vereinbart, geht zwar die Rechtsposition vollumfänglich auf den Erwerber über. Dennoch handelt es sich um einen Fall der translativen Sukzession, weil das Recht mit einem Anwartschaftsrecht zugunsten des Veräußerers belastet ist, das auf den Rückerwerb des fraglichen Rechts im Fall des Eintritts der auflösenden Bedingung gerichtet ist. Dies kann man als deduktive Rechtsnachfolge160 bezeichnen. dd) Konstitutive Nachfolge in Forderungen und Rechte Schwierigkeiten bereitet seit langem die rechtsdogmatische Einordnung von beschränkten Rechten an Forderungen und anderen Rechten. Von Gesetzes wegen ist es zulässig, an Rechten einen Nießbrauch zu bestellen (§ 1068 BGB) oder sie zu verpfänden (§ 1273 BGB). Die konstitutive Sukzession in Rechte wird in rechtskonstruktiver Hinsicht leicht erklärbar, besinnt man sich auf die strukturelle Übereinstimmung von Eigentums- und Forderungsrechten. Für die Zuordnung von dinglichen und obligatorischen Rechten zu einem Rechtssubjekt sind beide Konzepte ebenbürtig. Es liegt daher nahe, dass nicht nur aus einem dinglichen Recht beschränkte Rechte abgespalten werden können, son159 (1990), 112, 118: „(…) theoretisch wäre es möglich gewesen, im Sachenrecht selbst beliebige Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen“; positiv hingegen Kern, Typizität, passim, insb. S. 518 ff.; Regenfus, Vorgaben, S. 322 ff. Zur rechtsökonomischen Rechtfertigung z.B. Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1 ff.; dies., Yale L.J. 111 (2001), 357, 385 ff.; Smith, in: Ayotte/Smith, Handbook, S. 148 ff.; siehe weitere Nachw. bei Fleischer aaO. 159 Hierzu besonders anschaulich v. Tuhr, AT II/1, S. 59 m. Fn. 1, S. 68. 160 Vgl. auch Windscheid, Pandektenrecht I, § 212 N. 10; Lessing, Rechtsnachfolge, S. 24 f.; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 51; v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 8.
III. Phänomenologie der Sukzession
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dern dass die Abspaltungslehre auch für die konstitutive Übertragung von obligatorischen Teilrechten herangezogen werden kann161. Das verdeutlicht ein näherer Blick auf die Abspaltung von beschränkten Sachenrechten: Bei Lichte besehen beziehen sich Abspaltung und Belastung auch bei Sachrechten nicht auf den Sachgegenstand, sondern auf das Eigentumsrecht an der Sache162. Ebenso wie aus dem Eigentumsrecht Nutzungs- und Verwertungsrechte abgespalten werden können, können auch dem Gläubiger eines Forderungsrechts zugewiesene Teilbefugnisse abgespalten und im Wege der konstitutiven Nachfolge auf einen Dritten übertragen werden. Eigentums- und Forderungsrechte sind nicht nur bezüglich der absoluten Rechtszuordnung und der translativen Nachfolge, sondern auch bei der konstitutiven Sukzession gleich zu behandeln. Die aus der Körperlichkeit und dem unmittelbaren Sachbezug folgenden Besonderheiten von dinglichen Rechten fallen für die juristische Konstruktion der konstitutiven Nachfolge nämlich ebenso wenig ins Gewicht wie bei der translativen. Zur Erklärung dieses Phänomens bedarf es auch keines Rückgriffs auf die Lehre vom „Eigentum an der Forderung“163. Diese Terminologie geht auf den Einfluss naturrechtlichen Denkens zurück und hat normative Spuren etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) sowie im österreichischen ABGB hinterlassen164. Das ALR spricht vom „Eigenthum seines Rechts“ (I 11 § 376) und bezeichnet als Eigentümer denjenigen, „welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts (…) zu verfügen“ (I 8 § 1). In § 353 ABGB heißt es165: „Alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum.“
Dieser Sprachgebrauch führt in die Irre. Denn ebenso wie eine Sache Gegenstand des Eigentums ist, ist der Forderungsinhalt (Leistungs-)Gegenstand der 161 So etwa v. Tuhr, AT I, S. 157 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 60 Rn. 1; Larenz/Wolf, BGB AT, § 20 Rn. 91; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 135 Rn. 3; speziell zum Pfandrecht siehe noch D. Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 1273 Rn. 8: „teilweise Rechtsübertragung“. 162 Instruktiv und überzeugend dazu Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 121 ff.; vgl. ferner allgemein Larenz, Schuldrecht I, § 33 III; Koziol, Beeinträchtigung, S. 149 f. 163 So aber Leonhard, Schuldrecht I, S. 60 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 120 I; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 60 Rn. 1; Wendehorst, in: Alexy, Grundlagenforschung, S. 71, 80 f.; ebenso Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 125 a.E. unter Hinweis auf die Vorstellung eines Eigentums an Rechten in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts; aus dieser Zeit siehe etwa Bähr, JhJ 1 (1857), 351, 401; vgl. dazu die Nachw. bei Windscheid, Pandektenrecht, § 168 Fn. 1; aus dem modernen Schrifttum näher Koziol, Beeinträchtigung, S. 148 ff.; C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 18 f., 23. Zum Problem ausf. Larenz, Schuldrecht I, § 33 III; ferner Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 2; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 718; für eine rechtsvergleichende Perspektive siehe Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802 ff. 164 Vgl. auch Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 116; Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 808 ff. 165 Zu diesem weiten Eigentumsbegriff im Vergleich zum engen (römischrechtlichen) Begriff des § 903 BGB ausf. Bydlinski, FS Wiegand, S. 141 ff.
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
Forderung166. Wie gezeigt, verläuft die strukturelle Parallele von Sachen- und Schuldrechten nicht zwischen Sache und Forderung, sondern zwischen dem Eigentumsrecht an der Sache und dem Forderungsrecht. Eigentum und Forderung bezeichnen insofern das Zuordnungsverhältnis des Rechtsinhabers (Rechtssubjekt) zum Gegenstand der Berechtigung (Rechtsobjekt). Der Sukzessionsvorgang findet jeweils in Bezug auf das dingliche und obligatorische Recht statt. Ein darüber hinausgehendes – weiteres – Zuordnungsverhältnis der Forderung zum Rechtsinhaber bedeutet eine unnötige Rechtsverdopplung, da die Annahme von „Forderungseigentum“ letztlich funktionslos bleibt167. Diese Zuordnung ist dem Forderungsrecht immanent. Hierzu heißt es bereits in Johows Begründung des sachenrechtlichen Vorentwurfs168: „Auszuschließen (vom Gegenstand des Eigenthums) ist demnach: a. das Eigenthum an Rechten. (…) Das sogenannte Eigenthum an dem Recht ist nichts weiter als das Recht selbst in seiner Beziehung nach außen. Sagt man, Jemand habe das Eigenthum an diesem Recht, so heißt das nichts anderes, als: ihm stehe dasselbe zu“.
Moderne Thesen zum hiesigen Verständnis liefert George L. Gretton in seinem 2007 erschienen Beitrag über „Ownership and its Objects“169: „Ownership is not to be identified with the relationship between a person and a right. Rights cannot be owned. They are not incorporeal things. The relationship between a person and a right – titularity – is a relationship of having, not owning. Ownership is one particular type of right that a person may have. There are rights in things. There are rights over rights. There are no rights in rights.”
Kommt es zur konstitutiven Nachfolge in die Forderung, wird auf Grundlage dieses Verständnisses ein (qualitativer) Teil des Forderungsrechts abgespalten ebenso wie ein solcher Teil aus dem Eigentumsrecht herausgelöst werden kann. Insofern sollte nicht von beschränkten Rechten (Nießbrauch, Pfandrecht) an einer Forderung, sondern von solchen Rechten aus der Forderung oder anderen übertragbaren Rechten gesprochen werden170. Die beschränkten Rechte beziehen sich bei Forderungen nicht auf die Forderung als solche, sondern auf den konkreten Forderungsinhalt. Die abgeleitete Berechtigung tritt neben die – nun eingeschränkte – Berechtigung des Gläubigers. Beide beziehen sich auf den Leistungsgegenstand der Forderung und richten sich gegen den Schuldner. Insofern zeigt sich nun doch ein Unterschied zwischen beschränkten dinglichen Rechten an Sachen und beschränkten Rechten aus Forderungen: Während 166 Wie hier auch v. Tuhr, AT II/1, S. 66; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 126; vgl. noch Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 831. 167 Zutreffend bereits Löbl, AcP 129 (1928), 257, 297; Koziol, Beeinträchtigung, S. 149. 168 Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 615. Hervorhebungen im Original weggelassen. 169 Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 831; vgl. weiter v. Erp/Akkermans, in: Bouckaert, Property Law, S. 31, 34. 170 Hierzu und zum Folgenden v. Tuhr, AT II/1, S. 66; vgl. auch Koziol, Beeinträchtigung, S. 150.
III. Phänomenologie der Sukzession
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es sich bei den an Sachen bestellten Rechten um absolute (dingliche) Rechte handelt, mit deren Hilfe die Herrschaft über einen bestimmten Gegenstand ausgeübt und Dritte vom Zugriff ausgeschlossen werden können, sind Belastungen von Forderungsrechten als relative Rechte zu charakterisieren, mit deren Hilfe von einer bestimmten Person ein Tun, Dulden oder Unterlassen gefordert werden kann171. Diese strukturelle Differenzierung lässt sich zurückführen auf den einzigen im Zusammenhang mit der Sukzession noch anzuerkennenden Unterschied zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten172: den unmittelbaren Sachbezug dinglicher Rechte und die grundsätzliche Beschränkung von aus Schuldverhältnissen folgenden Rechten auf die zwischen den Parteien bestehende Rechtsverbindung. Deshalb handelt es sich bei dem aus der Forderung abgespaltenen Recht im Verhältnis zum Vertragspartner auch nicht um ein beschränktes dingliches, sondern ein beschränktes obligatorisches Recht173. Im Verhältnis zum Stammrecht zeitigt das beschränkte Schuldrecht insofern dingliche Wirkungen174, als es beispielsweise im Fall der Übertragung des Stammrechts auf einen anderen nicht verloren geht und insofern ebenso wie beschränkte Sachenrechte Sukzessionsschutz175 genießt. Abgesehen von der Frage des unmittelbaren Sachbezugs und der hieraus folgenden Körperlichkeit dinglicher Rechte, bestehen auch in Bezug auf die konstitutive Sukzession zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten keine signifikanten Unterschiede. Außerdem zeigt sich, dass durch die Bestellung beschränkter Rechte neue Rechte nicht – originär – erzeugt werden. Vielmehr handelt es sich infolge der Abspaltung beschränkter Teilrechte aus dem Stammrecht um einen derivativen, vom Mutterrecht abgeleiteten und in der Entstehung abhängigen Rechtserwerb. Der beschränkte Rechtsinhaber ist deshalb Nachfolger in den abgespaltenen, rechtlich verselbstständigten, Teil des Eigentums- bzw. Forderungsrechts. So bezeichnen bereits die Motive zum BGB die Nießbrauchbestellung an Rechten als eine „partielle Veräußerung“ des belasteten Rechts und als „eine theilweise und eigenthümliche, den Besteller für gewöhnlich nicht ganz verdrängende Sukzession in das belastete Recht“176.
171
Vgl. Seiler, in: Staudinger, Einl. Sachenrecht Rn. 18. Siehe oben § 2 II. 3. 173 Besonders klar Larenz/Wolf, BGB AT, § 20 Rn. 91; ferner Gursky, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 135 Rn. 3; ebenso Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 832: „A limited right over a real thing is itself a real right (limited real right). A limited right over a personal right is itself a personal right (limited personal right).”. 174 Im Ergebnis ebenso – mit unterschiedlicher Begründung – Heck, Sachenrecht, § 120, 3; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 175 I; Thiele, Zustimmung, S. 35; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 60 Rn. 3; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 135 Rn. 3; Canaris, FS Flume I, S. 371, 375. 175 Dazu unten § 15 II. 176 Beide Zitate: Motive zum BGB, Bd. 3, S. 540. Siehe zum Pfandrecht D. Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 1273 Rn. 8: „teilweise Rechtsübertragung“. 172
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§ 2 Begriff, Zuordnung und Phänomenologie
3. Akzession Von der Sukzession streng zu unterscheiden ist die – auch als kumulative (vervielfältigende, akzessorische) Rechtsnachfolge bezeichnete – Akzession177. Während sich die Sukzession durch einen Subjektwechsel auszeichnet, aufgrund dessen der Sukzessor anstelle des Auktors in die Vermögensposition nachfolgt, findet bei der Akzession – ohne Entlassung des Vorgängers – ein Beitritt zu einer vorhandenen Rechts- oder Schuldposition statt178. Bei ihr wird aufgrund eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Rechtsgeschäfts oder kraft gesetzlicher Anordnung eine neue Vermögensposition des Erwerbers begründet, welche die Rechtssphäre des ursprünglichen Inhabers unberührt lässt. Prominentestes Beispiel ist der vertragliche Schuldbeitritt, bei dem ein zweites Schuldverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem neuen Schuldner begründet wird, das neben die ursprüngliche Rechtsbeziehung von Gläubiger und Altschuldner tritt. Ebenfalls von praktischer Bedeutung ist der Schuldbeitritt kraft Gesetzes, wie er nach dem Verständnis der h.M.179 bei der Haftung wegen Firmenfortführung unter Lebenden (§ 25 HGB) stattfindet. In beiden Fällen kommt es zu keiner identitätswahrenden Übertragung von Vermögenspositionen, sondern zur Begründung neuer Rechte bzw. Pflichten. Bei der Akzession handelt es sich deshalb auch nicht um einen derivativen Erwerbsvorgang, sondern um eine originäre (Neu-)Begründung einer Vermögensposition, die von der Sukzession scharf abzugrenzen ist.
IV. Zusammenfassung In Anlehnung an die Vorarbeiten v. Savignys bezeichnet die Sukzession im materiellrechtlichen Sinne den identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition vom Vorgänger auf den Nachfolger. Der Nachfolgebegriff umfasst sämtliche Rechtsvorgänge, bei denen Vermögenspositionen von einem Rechtsträger auf den anderen übergehen, ohne die Identität und Kontinuität des Rechtsverhältnisses zu verändern. Infolge der Sukzession ändert sich allein die subjektive Zuordnung von Rechten und Pflichten. Maßgeblich für die juristische Konstruktion des Zuordnungsverhältnisses ist nicht der reale Güteraustausch, sondern die veränderte Rechtszuordnung an dem fraglichen Gegenstand. Verfügt wird daher nicht über den Gegenstand, sondern über das an dem Gegenstand bestehende Recht. Das gilt für dingliche und obligatorische Rechte gleichermaßen. Beide Arten von 177
Hurni, Vermögensübertragung, S. 105; vgl. auch O. v. Gierke, FS v. Martitz, S. 33, 34. Vgl. Hellwig, Lehrbuch, § 40 II 2; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 49; v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 8 f.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, S. 2. 179 Für die h.M.: BGHZ 42, 381, 384; BGH WM 1989, 1219, 1221; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 25 Rn. 10; Emmerich, in: Heymann, HGB, § 25 Rn. 26; Morck, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 25 Rn. 7; a.A. K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 I 4 c bb; Lieb, FS Börner, S. 747, 754 ff. 178
IV. Zusammenfassung
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Vermögensrechten sind ihrem Rechtsinhaber in absoluter und ausschließlicher Weise zugeordnet. Dieses Prinzip der absoluten Rechtszuordnung dient der uneingeschränkten Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten. Es bildet außerdem die Grundlage für eine Vielzahl struktureller Gemeinsamkeiten der rechtsgeschäftlichen Sukzession in Vermögenspositionen jedweder Art, seien es dingliche Rechte, seien es aus Schuldverhältnissen folgende Vermögenspositionen. Eine dieser Gemeinsamkeiten ist das juristische Verständnis der translativen und konstitutiven Nachfolge. In beiden Fällen vollzieht sich der Rechtsübergang nach dem gleichen Grundschema. Das liegt für die translative Sukzession, die den vollständigen Übergang einer Vermögensposition von einem Rechtssubjekt auf das andere beschreibt, auf der Hand. Aber auch die Erzeugung von beschränkten Rechten vollzieht sich auf Grundlage der Abspaltungslehre für Sachen- und Schuldrechte auf dem gleichen rechtskonstruktiven Fundament. Insgesamt bildet die Erkenntnis der strukturellen Parallelität von obligatorischen und dinglichen Rechten die Grundlage für ein einheitliches Konzept der rechtsgeschäftlichen Sukzession, wie es in den nachfolgenden Kapiteln näher ausbuchstabiert werden soll. Was von der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrechten mit Blick auf die rechtsgeschäftliche Sukzession übrig bleibt, ist letztlich der unmittelbare Sachbezug dinglicher Rechte: Während die Zuordnung von Sachenrechten auf die unmittelbare Zuordnung eines Rechtsobjekts zu einem Rechtssubjekt gerichtet ist, setzt die Zuordnung obligatorischer Rechte ein Rechtsverhältnis von wenigstens zwei Rechtssubjekten voraus, das allenfalls mittelbar auf eine Sache gerichtet sein kann. Dieses Phänomen zeigt sich gleichermaßen für beschränkte obligatorische Rechte, denen grundsätzlich eine relative Wirkung gegenüber dem Schuldner zukommt, die aber auch insofern absolute Wirkung zeitigen, als sie bei Übertragung des Stammrechts Sukzessionsschutz genießen. Nicht nur deshalb muss zunächst offen bleiben, ob sich aus dem unmittelbaren Sachbezug dinglicher Rechte für die rechtsgeschäftliche Sukzession in Sachen- und Schuldrechte tatsächlich wesentliche Abweichungen ergeben. Eine abschließende Antwort kann erst nach der Analyse und Würdigung der Struktur- und Wertungsprinzipien erfolgen.
§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts Teil des methodenpluralistischen Ansatzes der vorliegenden Untersuchung ist die Einbindung des rechtsökonomischen Forschungsansatzes. Zu diesem Zweck werden im Folgenden die hierfür in Bezug genommenen Koordinaten der ökonomischen Analyse des Rechts offen gelegt, insbesondere die wesentlichen Grundbegriffe erläutert, zur grundsätzlichen Leistungsfähigkeit und zu den Schwächen des Ansatzes im Allgemeinen1 sowie zur Bedeutung der Rechtsökonomik für die rechtsgeschäftlichen Sukzessionen im Besonderen Stellung genommen.
I. Begriff der ökonomischen Analyse des Rechts Zentrales Anliegen der ökonomischen Analyse des Rechts ist es, das Rechtssystem, seine Teilbereiche oder einzelne juristische Fragestellungen mit Hilfe von ökonomischen Denkmodellen zu analysieren und zu bewerten. Dabei wird die ökonomische Theorie auf zwei unterschiedlichen Ebenen fruchtbar gemacht2: In ihrer positiven Ausprägung fragt die rechtsökonomische Methode nach den Konsequenzen von Rechtsregeln und Grundsätzen. Dabei besteht für Ökonomen die primäre Funktion von Rechtsvorschriften nicht darin, rechtliche Konflikte zu lösen. Vielmehr suchen sie nach dem Einfluss von Rechtsvorschriften auf das zukünftige Verhalten von Rechtssubjekten. Insofern ist die ökonomische Analyse des Rechts als Forschungsmethode klar konsequentialistisch geprägt und unterscheidet sich insofern maßgeblich von dem im kontinentaleuropäischen Rechtskreis vorherrschenden deontologischen Ansatz, der nicht nach den konkreten Folgen einer Norm fragt, sondern danach, ob sie intrinsisch, d.h. aus sich heraus, nach bestimmten Wertungsgesichtspunkten gut oder schlecht ist3. Die Fokussierung der ökonomischen Analyse auf die Impli1 Zu den rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Grundlagen der Rechtsökonomik siehe aus dem deutschsprachigen Schrifttum monografisch v. Aaken, Choice (2003); Behrens, Grundlagen (1986); Eidenmüller, Effizienz (2005); Lieth, Analyse (2007); Mathis, Effizienz (2004); Schäfer/Ott, Lehrbuch (2012). 2 Zum Folgenden siehe R. Posner, Analysis, S. 31 ff.; Shavell, Foundations, S. 1; Eidenmüller, Effizienz, S. 21; v. Aaken, Choice, S. 17 ff.; Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 839 ff.; Bechtold, Grenzen, S. 316 ff.; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 4 ff. 3 Zur Dichotomie von Konsequentialismus und Deontologie näher Gerner-Beuerle, FS Schwark, S. 3, 5 ff.
II. Blick in die Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte
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kationen von Rechtsregeln gibt dem Juristen ein Denkmodell an die Hand, mit dem sich das zukünftige Verhalten von Rechtssubjekten zumindest näherungsweise bestimmen lässt. Unter Anwendung der positiven Ausprägung kann im rechtspolitischen Diskurs beispielsweise diejenige Regelungsalternative identifiziert werden, die ein vorgegebenes ökonomisches Ziel am treffsichersten erreicht. Neben der Abschätzung von Gesetzesfolgen durch den Gesetzgeber kann die Rechtsökonomik auch für die Folgenorientierung der Rechtsanwendung durch Rechtsprechung und Wissenschaft ein Analyseinstrument sein. In ihrer normativen Ausprägung befasst sich die Rechtsökonomik mit der Frage, ob Rechtsregeln aus wirtschaftlicher Perspektive – gemessen an vorgegebenen ökonomischen Kriterien – überzeugend sind. Im Gegensatz zu der zumindest im Grundsätzlichen anerkannten deskriptiven (positiven) Variante der ökonomischen Analyse ist die Aussage- und Überzeugungskraft der präskriptiven (normativen) Spielart noch immer heftig umstritten4. Das gilt namentlich für die der Analyse zugrunde gelegten ökonomischen Grundannahmen. Danach soll es das Ziel der Rechtsordnung sein, zu einer effizienten Verteilung knapper Ressourcen5 beizutragen und den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand (overall social welfare) zu maximieren6. Auf die hiergegen erhobene Fundamentalkritik wird nach einem kurzen Blick in die Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte repliziert, bevor anschließend die Grundbegriffe der ökonomischen Theorie erläutert werden.
II. Blick in die Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte Auch wenn in den letzten Jahren zunehmende Forschungsaktivitäten zu verzeichnen sind, wartet die Law-&-Economics-Bewegung in Deutschland bis heute auf ihren endgültigen Durchbruch7. Ganz anders stellen sich die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika dar. Dort avancierte die Bewegung, beginnend in den 1960er Jahre mit Arbeiten von Ronald Coase (Chicago School) und Guido Calabresi (Yale) sowie später mit den Protagonisten Henry Manne, Richard Posner, Frank Easterbrook und Ralf Winter, schnell zum rechtswissenschaftlichen Mainstream. Heute ist der rechtsökonomische Ansatz für die Analyse des US-amerikanischen Wirtschaftsrechts vorherrschend, aber auch in anderen Teilrechtsgebieten eine anerkannte Forschungsmethode, wie namentlich im Deliktsrecht, Vertragsrecht, Prozessrecht, im Öffentlichen Recht 4
Siehe unten § 3 III. Zur Bedeutung der Knappheit von Ressourcen im rechtlichen Kontext näher Behrens, Grundlagen, S. 31 f.; Mathis, Effizienz, S. 20 f.; Rühl, Effizienz, S. 81 ff. 6 Exemplarisch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. XXXIII. Im Einzelnen dazu ausf. unten § 3 IV 1. 7 Instruktiv und ausf. dazu und zum Folgenden Grechenig/Gelter, RabelsZ 72 (2008), 513, 540 ff.; ferner Holzwarth, JuS 1985, 437 ff.; Kübler, FS Steindorff, S. 687, 691 ff.; Lieth, Analyse, S. 26 ff.; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 2 f.; Lepsius, ZVglRWiss 109 (2010), 327 ff. 5
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
und Strafrecht, und – was für die hiesige Untersuchung von besonderer Bedeutung ist – auch im Sachenrecht8. Dass die ökonomische Analyse des Rechts in den Vereinigten Staaten einen derart zentralen Platz in der wissenschaftlichen Forschung einnimmt, ihre Bedeutung in Deutschland indes noch immer vergleichbar gering ist, hat ihren tieferen Grund in der Art und Weise, wie dies- und jenseits des Atlantiks Rechtswissenschaft betrieben wird9. Während die traditionsreiche deutsche Jurisprudenz seit jeher vor allem innerhalb des juristischen Systems agiert, ohne die Erkenntnisse und Methoden aus Nachbarwissenschaften in nennenswertem Umfang in ihre Forschung einzubeziehen10, wendete sich die US-amerikanische Rechtswissenschaft verstärkt außerjuristischen Fragestellungen zu11, nachdem die Rechtsrealisten in den 1920er und 1930er Jahren das Selbstverständnis der amerikanischen Rechtsforschung revolutioniert hatten12. Die rechtsrealistische Bewegung hatte das Vertrauen der US-amerikanischen Rechtswissenschaft in juristische Systembildung und Dogmatisierung bis ins Mark erschüttert. Naheliegende Konsequenz war die Suche nach Fixpunkten außerhalb des geschriebenen und insbesondere gesprochenen Rechts, an welchen sich die theoretische Durchdringung des Rechtsstoffes orientieren konnte. So kam es, dass die ökonomische Analyse in das Vakuum an verlässlichen Bezugspunkten vorstieß und einen Beitrag zur normativen Standardsetzung leisten sollte, soweit es an geeigneten Präzedenzfällen mangelte13. Dies erklärt die interdisziplinäre Ausrichtung der rechtswissenschaftlichen Forschung, die sich in den Vereinigten Staaten nicht auf die Einbeziehung ökonomischer Denkmodelle beschränkt, sondern neben der Ökonomie auch Erkenntnisse der Soziologie und Psychologie, aber auch der Anthropologie und anderer Wissenschaften fruchtbar zu machen sucht. Hinzu kommen die allgemeinen Schwierigkeiten, die interdisziplinäres Arbeiten in der Jurisprudenz mit sich bringt14. Vor allem unterscheiden sich die in 8 Siehe etwa die Stofffülle in den Lehrbüchern von Shavell, Foundations, passim (Sachenrecht auf S. 7 ff.) und R. Posner, Analysis, passim (Sachenrecht auf S. 39 ff.); zudem Lueck/Miceli, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 183 ff. m.w.Nachw. auf S. 187; ausschließlich zum Sachenrecht Krimphove, Sachenrecht (2006); vgl. noch den Überblick bei Ulen, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia I, S. 790, 798 ff. 9 Zur Rezeption des Legal-Origin-Ansatzes im deutschen Schrifttum bereits ebenso Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 218 f.; siehe allgemein jetzt ausf. Lepsius, ZVglRWiss 109 (2010), 327, 329 ff. 10 Zu den historischen Hintergründen ausf. Dedek, JZ 2009, 540, 543 f.; Grechenig/Gelter, RabelsZ 72 (2008), 513, 543 ff. 11 Dazu näher Priest, J. Legal Educ. 33 (1983), 437 ff.; aus dem deutschen Schrifttum vgl. Dedek, JZ 2009, 540, 546; v. Bogdandy, JZ 2011, 1, 3; siehe noch Rittner, JZ 2005, 668, 670. 12 Dazu ausf. Horwitz, Transformation (1992); aus dem deutschsprachigen Schrifttum siehe etwa Dedek, JZ 2009, 540, 545 ff.; Grechenig/Gelter, RabelsZ 72 (2008), 513, 523 ff. 13 So auch Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 857 f.; Lepsius, ZVglRWiss 109 (2010), 327, 329 f. 14 Dazu eingehend Hilgendorf, JZ 2010, 913, 917; vgl. ferner Mankowski, RabelsZ 74 (2010), 182; Rühl, Statut, S. 11: „Interdisziplinäre Arbeiten sind ein risikoreiches Unterfangen“.
III. Fundamentalkritik und Würdigung
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der Rechtswissenschaft verwendeten Begriffe und Methoden maßgeblich von anderen Disziplinen; in diesem Zusammenhang hat es gerade die deutsche Jurisprudenz zu einer beachtlichen Reife gebracht. Manche sehen das Erreichte gefährdet, gewährte man außerjuristischen Methoden Eingang in die tradierte dogmatische Ordnung des Rechts. So unverzichtbar die Entlastungs- und Sicherungsfunktion der deutschen Zivilrechtsdogmatik auch ist, so sehr erschwert eine übersteigerte Dogmatisierung des Rechts die Rezeption extrajuristischer Methoden. In diesem Zusammenhang möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag dazu leisten, dogmatisches Arbeiten und die Anwendung der rechtsökonomischen Methode zumindest im Ansatz miteinander zu versöhnen und zugleich Perspektiven für eine Integration des Forschungsansatzes sowohl für die Rechtsdogmatik als auch für die Rechtspolitik des Sukzessionsrechts aufzuzeigen.
III. Fundamentalkritik und Würdigung Nur langsam wurden in den vergangenen Jahrzehnten die Erträge der bisherigen rechtsökonomischen Forschung – allen voran aus dem angelsächsischen Ausland – im deutschen Schrifttum rezipiert und eigene Forschungsvorhaben angestoßen15. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Grundannahmen der Rechtsökonomie ebenso wie der Forschungsansatz als solcher noch immer heftig umstritten sind und zum Teil scharf kritisiert werden, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen:
1. Wesentliche Kritikpunkte – ein Überblick Erstens machen die Kritiker geltend, dass die ökonomische Analyse des Rechts einseitig auf die wirtschaftliche Effizienz des Rechtssystems fokussiere, namentlich auf die optimale Verteilung knapper Ressourcen (Allokationseffizienz) sowie die Minimierung von Transaktionskosten, dabei indes immaterielle und nicht messbare Wertungsgesichtspunkte außer Betracht lasse16. Zweitens seien das Effizienzkriterium wie auch der Wohlfahrtsbegriff zu unbestimmt, um auf 15 Siehe exemplarisch Schäfer/Ott, Lehrbuch (2012); Eidenmüller, Effizienz (2005); Lieth, Analyse (2007); Kötz/Wagner, Deliktsrecht (2010); Mathis, Effizienz (2004); Deckert, Folgenorientierung (1995); Fleischer, FS Immenga, S. 575 ff. sowie die Beiträge in Fleischer/Zimmer, Verhaltensökonomie (2011). 16 Zur Kritik zusf. mit Erwiderung Shavell, Foundations, S. 2 ff.; kritisch zur ökonomischen Analyse des Vertragsrechts insbesondere E. Posner, Yale L.J. 112 (2003), 829 ff.; aus dem deutschen Schrifttum siehe Fezer, JZ 1986, 817, 822 ff.; dazu die Erwiderung von Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 ff.; siehe auch Eidenmüller, Effizienz, S. 7 f.; vgl. noch das Schlusswort von Fezer, JZ 1988, 223 ff.; Rittner, JZ 2005, 668 ff. als Erwiderung auf Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff.; siehe noch das Schlusswort dess., JZ 2005, 670 f.; kritisch auch Unberath, Vertragsverletzung, S. 128 f., 139 ff.; verteidigend hingegen Kübler, FS Steindorff, S. 687, 690 ff.; Lieth, Analyse, S. 62 ff.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
ihrer Grundlage tragfähige Resultate zu erzielen17; politischen Erwägungen komme in der Praxis eine weitaus größere Bedeutung zu18. Drittens sei unzutreffend, dass Menschen stets ökonomisch rational handelten19. Viertens wird vorgebracht, dass die angewandten Modelle die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen vollkommen außer Betracht ließen20. Und fünftens heißt es, der rechtsökonomischen Analyse lägen utopische Denkmodelle zugrunde, die mit der (Rechts-)Wirklichkeit nichts gemein hätten21, so dass auch die erzielten Ergebnisse letztlich spekulativ blieben.
2. Würdigende Stellungnahme Diese Einwände sind in ihrer Gesamtheit nicht ohne weiteres und auch nicht vollständig widerlegbar. Bei Lichte besehen erweisen sie sich jedoch als nicht so gewichtig, als dass die ökonomische Analyse des Rechts nicht ihren Platz in einem modernen rechtswissenschaftlichen Methodenkanon finden könnte22. a) Ergänzungsfunktion der Rechtsökonomik Zuallererst muss deutlich herausgestellt werden, was die rechtsökonomische Analyse nicht sein soll und auch nicht sein kann. Sie soll und kann kein Ersatz sein für klassisches rechtsdogmatisches Arbeiten und für eine an außerökonomischen Wertungskriterien orientierte rechtspolitische Auseinandersetzung mit Rechtsvorschriften und Rechtsprinzipien. Sie kann und soll aber sehr wohl als eine Ergänzung der tradierten Rechtsmethoden fungieren. Methodischer Pluralismus ist das Gebot der Stunde!23 Rechtswissenschaftliche Forschung profitiert 17 18
Vgl. Bernstein, Md. L. Rev. 64 (2005), 303, 311 ff.; Horn, AcP 176 (1976), 307, 312. So etwa D. Kennedy, Stan. L. Rev. 33 (1981), 387 ff.; vgl. noch Horn, AcP 176 (1976), 307,
333. 19 Dazu aus dem deutschen Schrifttum insbesondere Rittner, JZ 2005, 668 ff. als Erwiderung auf Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff.; siehe noch das Schlusswort dess., JZ 2005, 670 f.; zuvor bereits Fezer, JZ 1986, 817, 822. 20 Dazu etwa Fezer, JZ 1986, 817, 823 f.; Horn, AcP 176 (1976), 307, 314, 321 f., 332 f.; Gotthold, ZHR 144 (1980), 545, 557 ff.; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 431. 21 Dazu etwa Rittner, JZ 2005, 668, 669; wägend Mathis, Effizienz, S. 38 ff., 41 f. 22 Ähnliche, wenngleich in Nuancen skeptischere Einschätzung für den innovativen Forschungsansatz der empirischen Rechtsvergleichung schon Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 220, 239, 263 f.; differenzierte und überzeugende Stellungnahme auch bei Faust, in: Reimann/ Zimmermann, Handbook, S. 837, 844; mit unterschiedlicher Akzentsetzung im Ergebnis ähnlich Gerner-Beuerle, FS Schwark, S. 3, 20; Horn, AcP 176 (1976), 307, 331 ff.; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 110 f.; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 4. 23 Vgl. auch Walz, KritV 1986, 131, 154 ff. mit seiner Forderung auch außerökonomische Wertungszusammenhänge in die Betrachtung einzubeziehen; ferner Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 444 ff.; Mitchell, Geo. L.J. 91 (2002), 67, 128 ff.; Reimann, in: Engel/Schön, Proprium, S. 87, 95, 98 f.; Bechtold, Grenzen, S. 329; Mathis, Effizienz, S. 42. Allgemein zum Plural juristischer Methoden kürzlich Reimer, FS Schapp, S. 431 ff.; zum abweichenden schweizerischen Verständnis monografisch Keshelava, Methodenpluralismus (2012).
III. Fundamentalkritik und Würdigung
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von einem methodenpluralistischen Ansatz schon deshalb, weil jede Methode unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweist24. So können sich die verschiedenen Methoden ergänzen, aber auch relativieren25. Dementsprechend werden Rechtsprobleme auch im Rahmen dieser Untersuchung nie ausschließlich anhand ökonomischer Modelle analysiert, sondern stets zu rechtsdogmatischen, dogmenhistorischen und rechtspolitischen Erörterungen in Beziehung gesetzt. Das lenkt das Augenmerk unweigerlich auf die Schwächen des rechtsökonomischen Ansatzes, der zur Auflösung des Konflikts zwischen der Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands auf der einen Seite und abweichenden außerökonomischen Zielstellungen auf der anderen nicht in der Lage ist. Gesetzgeber und Gerichte müssen sich deshalb davor hüten, rechtsökonomische Untersuchungen zur ausschließlichen Grundlage ihres Handels zu machen. Ein Ausschließlichkeitsanspruch der Rechtsökonomik ist daher von vornherein fehl am Platz26. Rechtsökonomik kann jedoch als ein extrajuristischer Maßstab dienen, auf dessen Grundlage die Tragfähigkeit hergebrachter Lösungen auf den Prüfstand gestellt werden kann. Das gilt für rechtsdogmatische Konstruktionen ebenso wie für rechtspolitische Erklärungen von Rechtsnormen. b) Modellhaftigkeit rechtsökonomischen Denkens und Reduktionismus Ein weiterer Einwand gegen rechtsökonomisches Denken ist seine Modellhaftigkeit: Rechtliche Fragestellungen zeichnen sich typischerweise durch eine hohe Komplexität aus. Ein Versuch, hochkomplexe Lebenssachverhalte modellhaft zu erfassen, stößt rasch an die Grenze des Machbaren. Ohne eine angemessene Reduktion von Komplexität (Reduktionismus) sind ökonomische Modelle weder realisierbar noch nützlich27. Damit wird notwendig in Kauf genommen, dass die modellhaft erzielten Ergebnisse auf Phänomene der realen Rechtswelt nicht eins zu eins übertragbar sind28. Es ist daher auch Vorsicht geboten, wenn aus rechtsökonomischen Erkenntnissen ohne Einbeziehung weiterer (Wertungs-)Gesichtspunkte, rechtsdogmatische oder rechtspolitische Folgerungen abgeleitet werden sollen. Auf der anderen Seite dient dieselbe Modellhaftigkeit der anschaulichen Darstellung rechtlicher Zusammenhänge29. Der modellhafte Charakter der rechtsökonomischen Forschung ermöglicht es, große Beziehungen, Verknüpfungen 24
Vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 425; Bechtold, Grenzen, S. 329. Wie hier auch Mathis, Effizienz, S. 42; Bechtold, Grenzen, S. 329. 26 So selbst ausdrücklich R. Posner, Analysis, S. 35: „Evidently there is more to justice than economics“; vgl. weiter exemplarisch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. XXXIX ff.; Franck, in: Riesenhuber, Methodenlehre, S. 159, 167; Rühl, Statut, S. 12. 27 Vgl. Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 849; Bechtold, Grenzen, S. 313; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 19. 28 Wie hier Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 42. 29 Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 42 („Schlüssel zum heuristischen Ertrag dieser Methode“). 25
56
§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
und Tendenzen herauszustellen und prinzipielle Erklärungen zu geben, ohne notwendigerweise jeden nur denkbaren Einzelfall zu erfassen. Das ist in der Summe auch kein Nachteil des rechtsökonomischen Denkmodells, sondern im Gegenteil ein Vorteil, wissen wir doch seit Joan Robinson, dass „eine Sozialtheorie, die jeden Einzelfall einfangen will, (…) so brauchbar (ist) wie eine Landkarte im Maßstab eins zu eins“30. Modelle sind in diesem Sinne von Nutzen, weil sie es ermöglichen, konkrete – freilich vereinfachte – Fragestellungen anhand des gewählten Modells unzweideutig abzubilden und zu beantworten. Auf diese Weise leisten Modelle einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Wirkungsweise von Rechtsregeln und Prinzipien und erlauben so Rückschlüsse vor allem aus rechtspolitischer Perspektive31. c) Vermögens- und Einkommensstruktur Dass die ökonomische Analyse des Rechts die Vermögens- und Einkommensstruktur der Privatrechtssubjekte typischerweise außer Betracht lässt, ist ebenfalls nicht als Schwäche dieses Forschungsansatzes zu werten32. Zwar ließen sich Modelle konstruieren, die diesen Aspekt in ihre Betrachtungen einbeziehen und hieraus Schlussfolgerungen ableiten. Wenn dies in der konventionellen Rechtsökonomik aber nur selten geschieht und auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung unterbleibt, dann liegt dem die Annahme zugrunde, dass die Umverteilung von Wohlstand keine genuin privatrechtliche Aufgabe ist, sondern eine solche des Steuerrechts. Richtig ist zwar, dass steuerrechtliche Vorschriften, die auf eine Umverteilung von Einkommen gerichtet sind, ihrerseits Schwachpunkte aufweisen; man denke nur an den fehlenden Anreiz für eine wirtschaftliche Betätigung einkommensschwacher Marktteilnehmer. Dem stehen indes noch gravierendere Nachteile gegenüber, die sich aus einer Umverteilung im Wege privatrechtlicher Vorschriften ergäben; hinzu kommen Ineffizienzen des Umverteilungsprozesses selbst33. Es ist daher nur konsequent, die Qualität von Rechtsregeln unabhängig von der Vermögens- und Einkommensstruktur zu beurteilen. 30
Zitiert nach Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 219. So etwa Shavell, Foundations, S. 1; vgl. auch Eidenmüller, JZ 2005, 670 in Erwiderung auf Rittner, JZ 2005, 668, 669. 32 Aufschlussreich mit Blick auf die Entwicklungsgeschichte der neuen Wohlfahrtsökonomie Kötz/Schäfer, Rth 30 (1999), 130, 131. 33 Diesen Nachweis führt überzeugend Shavell, Am. Econ. Rev. 71 (1981), 414 ff.; zusf. ders., Foundations, S. 3; ferner Kaplow/Shavell, J. Legal Stud. 23 (1994), 667 ff.; im Ergebnis ebenso Epstein, Colum. L. Rev. 85 (1985), 970, 988 ff.; Chirico, ERCL 2009, 399, 415 f.; ebenso aus dem deutschen Schrifttum Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. XL, 18 f.; Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 222; Kötz/ Schäfer, Rth 30 (1999), 130, 132; kritisch Eidenmüller, Effizienz, S. 287 ff.; relativierend für die Umverteilung durch Vertragsrecht ders., ERCL 2009, 109, 119 ff.; kritisch auch Jolls, in: Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics, S. 115, 127 ff. unter Einbeziehung des optimism bias als verhaltenspsychologische Rationalitätsabweichung. Zum Problem der Verteilung im Privatrecht allgemein Kennedy, Md. L. Rev. 41 (1982), 563, 604 ff.; Canaris, Bedeutung (1997); Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 61 f. 31
III. Fundamentalkritik und Würdigung
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d) Kriterium der Allokationseffizienz Was nun die Kritik an der Ausrichtung am Maßstab der Allokationseffizienz34 anlangt, darf nicht übersehen werden, dass dieser Standard durch den Forschungsplan der rechtsökonomischen Analyse keineswegs axiomatisch vorgegeben ist. Ökonomische Modelle sind auch mit anderen Kriterien denkbar, nur hat sich das Kriterium der Allokationseffizienz in der Vergangenheit als besonders belastbar erwiesen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil das Effizienzkriterium in seiner neoklassischen Ausprägung klare Vorgaben macht, auf deren Grundlage eine ökonomisch-normative Rechtsanalyse erst möglich wird. Zudem gewährleistet das Kriterium, dass der Einzelne anhand seiner individuellen Präferenzen selbst darüber bestimmen kann, was für ihn von Nutzen ist, auch wenn sich hierbei Quantifizierungsprobleme stellen mögen. In der Ausrichtung am individuellen Nutzen unterscheidet sich die ökonomische Analyse des Rechts vom philosophischen Utilitarismus35, die im Übrigen wesentliche Parallelen aufweisen, wie etwa Folgenorientierung, Zweck-Rationalität36 sowie die Orientierung am Nützlichkeitsprinzip als individuelle Verhaltensmaxime und kollektive Entscheidungsregel37. Davon abgesehen ist die auf das Kriterium der Allokationseffizienz zielende Kritik für die vorliegende Untersuchung auch deshalb von untergeordneter Bedeutung, weil es bei der rechtsgeschäftlichen Sukzession primär um die Lösung von Zuordnungsproblemen geht38, die sich unter Anwendung des Trennungsund Abstraktionsprinzips auf der Verfügungsebene stellen und daher abgekoppelt sind, von den auf schuldrechtlicher Ebene angesiedelten Konfliktlagen, bei welchen sich das Kriterium der Allokationseffizienz zu außerökonomischen Wertungsgesichtspunkten verstärkt in Widerspruch setzt39. Und schließlich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die ökonomische Analyse des Sukzessionsrechts anhand des Effizienzkriteriums nur eine Sichtweise auf den Untersuchungsgegenstand darstellt, die neben die herkömmlichen Methoden und Ansätze tritt, die in Form der klassischen juristischen Methodenlehre gleichermaßen in die Betrachtung einbezogen werden.
34
Zu Begriff und Konzept eingehend unten § 3 IV. 1. Grundlegend Bentham, bei Höffe, Ethik, S. 55 ff.; Mill, ebenda, S. 84 ff.; aus heutiger Sicht eingehend Unberath, Pflichtverletzung, S. 108 ff.; zusf. Gierhake, in: Krüper, Grundlagen, § 1 Rn. 19 ff.; allgemein zu den philosophischen Wurzeln der ökonomischen Analyse im Utilitarismus Eidenmüller, Effizienz, S. 173 ff. (dort auch zu konsenstheoretischen Ansätzen und zum Pragmatismus); Lieth, Analyse, S. 35 ff.; Mathis, Effizienz, S. 110 ff. (nebst Moralphilosophie von Adam Smith, ebenda, S. 94 ff.). 36 Zum Ganzen aufschlussreich Unberath, Pflichtverletzung, S. 123 f. 37 Dazu näher Eidenmüller, Effizienz, S. 22 ff., 74. 38 Siehe oben § 2 II. 1. 39 Shavell, Foundations, S. 3 f. verzichtet aus Vereinfachungszwecken grundsätzlich darauf, Gesichtspunkte der Fairness und Moral im Rahmen seiner rechtsökonomischen Betrachtungen zu berücksichtigen; zur Begründung Kaplow/Shavell, Harv. L. Rev. 114 (2001), 961 ff. 35
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
e) Rational choice, homo oeconomicus und Behavioral Law & Economics Es bleibt die Kritik an der neoklassischen Leitfigur des viel gescholtenen homo oeconomicus – des ausschließlich wirtschaftlich denkenden und handelnden Individuums40. Dass sich Menschen in diesem Sinne stets und ständig ökonomisch rational verhalten (rational choice), ist durch die verhaltens- und kognitionspsychologische Forschung inzwischen widerlegt. Die daraufhin erfolgte Verknüpfung von Erkenntnissen der Verhaltens- und Kognitionspsychologie mit der hergebrachten rechtsökonomischen Methode hat in der jüngeren Vergangenheit ein neues – allerdings wiederum nicht unumstrittenes41 – Forschungsgebiet entstehen lassen, das unter der Bezeichnung Behavioral Law & Economics oder Verhaltensökonomik firmiert42. Protagonisten dieser Bewegung sind bzw. waren die Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Vernon Smith, aber auch Amos Tversky und Richard Thaler43. Ihnen verdanken wir den empirischen Nachweis einer ganzen Reihe von Rationalitätsdefiziten. Sie haben experimentell nachgewiesen, dass die Fähigkeiten von Menschen zur Aufnahme und Verarbeitung von Informationen begrenzt sind und dass das menschliche Entscheidungsverhalten von der ursprünglichen Güterverteilung beeinflusst wird. Darauf ist zurückzukommen44. Wo solche Anomalien indes empirisch nicht belegbar sind, kann zur modellhaften Untersuchung der Wirkungsweise von Rechtsregeln und Prinzipien am 40
Dazu ausf. Becker, Ansatz (1993); Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 12 ff.; zur Kritik an rational choice and am Konzept des homo oeconomicus näher Bernstein, Md. L. Rev. 64 (2005), 303, 308 ff. – Zur Bandbreite der vertretenen ökonomischen Verhaltensmodelle siehe Rühl, Statut, S. 94 ff. 41 Grundsatzkritik bei R. Posner, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1551 ff.; Issacharoff, Vand. L. Rev. 51 (1998), 1729 ff.; Kelman, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1577 ff.; Hillman, Cornell L. Rev. 85 (2000), 717 ff.; siehe noch die Replik von Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1593 ff.; Rachlinski, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), 1165, 1167 f.; zum Ganzen auch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. XXXVII; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219 f.; ferner Engel, RabelsZ 67 (2003), 406, 410; Fleischer, FS Immenga, S. 575, 578 f. 42 Dazu ausf. Sunstein, U. Chi. L. Rev. 64 (1997), 1175 ff.; Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1471 ff.; Korobkin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051 ff.; siehe noch die Beiträge in den Sammelbänden von Sunstein, Behavioral Law (2000); Parisi/Smith, Irrational Behavior (2005); Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics (2007) und die Beiträge des Symposium, The Legal Implications of Psychology: Human Behavior, Behavioral Economics, and the Law, Vand. L. Rev. 51 (1998), 1495 ff.; Literaturüberblick bei Rachlinski, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), 1165, 1169 ff.; aus dem deutschen Schrifttum eingehend die Beiträge in Engel u.a., Verhalten (2007) und in Fleischer/Zimmer, Verhaltensökonomie (2011); ferner Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 103 ff.; Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff.; Fleischer, FS Immenga, S. 575 ff.; Wagner, ZZP 121 (2008), 5 ff.; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 165 ff.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 8 f. – Zum verwandten Bounded-rationality-Ansatz, der reale Anomalien von der Zweckrationalität abbilden will, grundlegend Simon, Quart. J. Econ. 69 (1955), 99 ff.; siehe ferner Selten, JITE 146 (1990), 649 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 192 f.; Literaturüberblick bei Conlisk, J. Econ. Lit. 34 (1996), 669 ff.; vgl. weiter Bernstein, Md. L. Rev. 64 (2005), 303, 310 f. 43 Näher zur Entwicklungsgeschichte dieses Ansatzes Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 168 f. 44 Siehe unten § 3 IV. 7.
III. Fundamentalkritik und Würdigung
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Paradigma des ökonomisch rational handelnden Marktteilnehmers festgehalten werden45. Die Figur des homo oeconomicus erfüllt insofern eine heuristische Funktion46. Sie ist geeignet, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge in einem überschaubaren wirtschaftswissenschaftlichen Rahmen so darzustellen, dass sie verständlich werden und auch für rechtswissenschaftliche Fragestellungen nutzbar gemacht werden können. Mathematische Genauigkeit ist hier ebenso wenig zu erreichen wie bei der Lösung von Rechtsproblemen unter Heranziehung des hergebrachten Methodenkanons. Letztlich dient die Prämisse des rationalen Marktteilnehmers der Reduktion von Komplexität auf ein Maß, das eine sinnvolle wissenschaftliche Auseinandersetzung mit komplexen Fragestellungen überhaupt erst ermöglicht. Davon abgesehen steht freilich außer Frage, dass sich das Modell des homo oeconomicus nicht gleichermaßen für die Analyse sämtlicher Rechtsgebiete eignet. Wo die Persönlichkeit des Individuums für die Lösung von Rechtsfragen von zentraler Bedeutung ist, stößt das Konzept an immanente Grenzen. Die im US-amerikanischen Schrifttum dokumentierten Übertreibungen sind Legion47. Stehen aber umgekehrt originäre wirtschaftliche Interessen der Beteiligten im Vordergrund, wie es bei der rechtsgeschäftlichen Sukzession typischerweise der Fall ist, verspricht die Anwendung ökonomischer Methoden einen Erkenntnisgewinn48. Nochmals ist eindringlich davor zu warnen, Rationalitätskalkül und Effizienzdenken zum alleinigen Maßstab für Gesetzesinterpretation und Gesetzgebung zu erheben. Aus rechtsdogmatischer Perspektive sind stets (und zuallererst) die klassischen Auslegungsmethoden in Bezug zu nehmen49. In rechtspolitischer Hinsicht müssen neben rechtsökonomischen Gesichtspunkten außerdem Aspekte der materiellen Gerechtigkeit Berücksichtigung finden50. John Rawls formuliert im Rahmen seiner modernen Gerechtigkeitstheorie treffend51: „A theory however elegant and economical must be rejected or revised if it is untrue; likewise laws and institutions no matter how efficient and well-arranged must be reformed or abolished if they are unjust. Each person possesses an inviolability founded on justice that even the welfare of society as a whole cannot override”.
45
Vgl. auch Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 57. Dazu etwa Homann/Suchanek, Ökonomik, S. 340 ff.; Mathis, Effizienz, S. 26 f. 47 Siehe die Nachweise zum Markt für Neugeborene (baby market) und Körperteile (market for body parts) unter § 4 III. Fn. 393; zur – durchaus interessanten und teilweise amüsanten – Analyse der Ehe siehe Becker, J. Pol. Econ. 81 (1973), 813 ff.; ders., J. Pol. Econ. 82 (1974), S11 ff.; insgesamt siehe Becker, Ansatz (1993). 48 Ähnliche Argumentation in Bezug auf den Verkehrsschutz bei Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 64. 49 Dazu ausf. unten § 3 V. 50 Zu Wechselwirkungen von Effizienz und Gerechtigkeit ausf. Mathis, Effizienz, passim, insb. S. 188 ff., 204 ff.; zum Verfassungsrang der materiellen Gerechtigkeit: BVerfGE 7, 89, 92; 15, 313, 319; 35, 41, 47. 51 Rawls, Theory, S. 3. 46
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
IV. Grundbegriffe der ökonomischen Analyse des Rechts Nachdem feststeht, dass der rechtsökonomische Ansatz ungeachtet seiner Schwächen als Ergänzung zu den klassischen juristischen Methoden dienen kann und für die rechtsdogmatische Durchdringung wie für die rechtspolitische Bewertung der rechtsgeschäftlichen Sukzession Erkenntnisgewinne verspricht, sind im Folgenden die zur ökonomischen Analyse des Sukzessionsrechts maßgeblichen Annahmen und Konzepte der modernen Rechtsökonomik zu skizzieren.
1. Wohlfahrtsmaximierung und Allokationseffizienz Nach dem Grundkonzept des neoklassischen Modells ist die Qualität von Rechtsvorschriften daran zu messen, ob sie in der praktischen Anwendung zu einer Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands (overall social welfare) führen52. Der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen ergibt sich nach der Modellvorstellung aus dem individuellen Nutzen aller Personen einer Volkswirtschaft. Dass die ökonomische Analyse nur Handlungen und Entscheidungen des Einzelnen anerkennt, nicht aber Kollektiventscheidungen von Personengesamtheiten, bezeichnet man als methodologischen Individualismus53. Daraus folgt im Rückschluss, dass der gesamtwirtschaftliche Nutzen durch die Steigerung des jeweiligen Einzelnutzens maximiert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein Zustand der Allokationseffizienz angestrebt. Dabei handelt es sich um einen ökonomischen Idealzustand, in welchem die Subjekte einer Volkswirtschaft die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal nutzen (können) und hierdurch den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand maximieren. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Güter nach Maßgabe der individuellen Präferenzen für manche Akteure einen größeren Nutzen aufweisen als für andere. Ob der Idealzustand erreicht werden kann, wird neben der Produktionseffizienz und effizienten Produktionsstrukturen maßgeblich durch die – auch Interaktionseffizienz genannte54 – Tauscheffizienz bestimmt55. Je freier Marktteilnehmer miteinander rechtlich interagieren und Vermögenspositionen übertragen können, desto höher ist die Allokationseffizienz einer Volkswirtschaft. 52 Hierzu und zum Folgenden Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 11 ff.; v. Aaken, Rational Choice, S. 220 ff.; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 228 f.; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 861; ders., JbJZ 2010, 121, 129 f.; vgl. noch Schmolke, WM 2010, 740, 741. 53 Dazu etwa Behrens, Grundlagen, S. 34 ff.; Arrow, Am. Econ. Rev. 84(2) (1994), 1 ff.; Homann/Suchanek, Ökonomik, S. 26 f.; Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 22 ff.; Rühl, Statut, S. 83 f. 54 So etwa Lieder, AcP 210 (2010), 857, 861. 55 Dazu ausf. Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 14 ff.; vgl. weiter Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 228 f.; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7.
IV. Grundbegriffe der ökonomischen Analyse des Rechts
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2. Property rights Ein weiteres grundlegendes Konzept der Rechtsökonomik sind property rights, die im deutschen Schrifttum als Handlungs- respektive Verfügungsrechte firmieren56. Der aus dem angelsächsischen Schrifttum stammende Begriff der property rights ist nicht mit dem Privateigentum kontinentaleuropäischer Prägung gleichzusetzen. Vielmehr umfasst der Begriff sämtliche, mit einer Sache oder einem Recht verbundene Handlungskompetenzen, die der Berechtigte durch Zuweisung einer Ressource innehat. Handlungsrechte sind typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass sie vor Einwirkungen Dritter durch Abwehrrechte (property rule) und Schadensersatzrechte (liability rule) sanktioniert sind und im Grundsatz frei übertragen werden können (alienability). Insofern steht nicht die Herrschaft über einen Gegenstand im Mittelpunkt des Handlungsrechtekonzepts, sondern ihr Charakter als Bündel von Einzelbefugnissen (bundle of rights), die Verhältnisse zwischen Marktakteuren regeln57. Der Property-rights-Ansatz steht in enger Verbindung zum Prinzip der absoluten Rechtszuordnung58. Das Zuordnungsproblem des Sukzessionsrechts wird durch die Anerkennung von Handlungsrechten im rechtsökonomischen Sinne im Grundsatz zutreffend abgebildet. Vermögensrechte, die im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Nachfolge den Inhaber wechseln, gewähren für einen fest umrissenen Bereich die souveräne Herrschaft über einen bestimmten Gegenstand59. Die fixe Zuweisung an einen Rechtsträger und der Ausschluss aller anderen zielen aus normativer Perspektive darauf ab, die Nutzbarkeit des Gegenstandes zu steigern und eine Verschwendung von Ressourcen auszuschließen60. Die exklusive Zuordnung von Handlungsrechten gibt individuelle Anreize für eine nutzenmaximierende Verwendung von Rechtsgütern. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Herausbildung des Privateigentums als eine „effiziente Reaktion auf die Knappheit ökonomischer Ressourcen“61 verstehen. Durch die Sukzession verändert sich die subjektive Rechtszuordnung; die Herrschaftsmacht geht vom Veräußerer auf den Erwerber über. Während die Rechtsposition ursprünglich dem Vorgänger zugeordnet war, der auch die Herrschaftsmacht über den gegenständlich beschränkten Herrschaftsbereich 56 Grundlegend bereits Coase, J. L. & Econ. 3 (1960), 1, 44; interpretierend Merrill/Smith, Yale L.J. 111 (2001), 357, 367 ff.; siehe dort die umfassende Zusammenstellung des nachfolgenden englischsprachigen rechtsökonomischen Schrifttums auf S. 375 ff. Aus der deutschsprachigen Literatur ausf. Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 589 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 90 ff.; Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 294 ff.; siehe ferner Mayer-Maly, in: Neumann, Ansprüche, S. 25 ff. 57 Vgl. Furubotn/Pejovich, J. Econ. Lit. 10 (1972), 1137 ff.; dies., in: dies., Property Rights, S. 1, 3; vgl. weiter Rittstieg, JZ 1983, 161, 163 f.; Walz, KritV 1986, 131, 150. 58 Siehe oben § 2 II. 2. sowie Walz, KritV 1986, 131, 147. 59 Vgl. Walz, Systemdenken, S. 11: „Gebiet des freien Schaltens und Waltens“; „eine für sich seiende Sphäre souveräner Freiheit“. 60 Zusf. Walz, KritV 1986, 131, 147. 61 Walz, KritV 1986, 131, 148; vgl. weiter Shavell, Foundations, S. 11 ff.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
ausüben konnte, sind diese Befugnisse infolge der Rechtsübertragung nun dem Nachfolger zugeordnet, der von ihnen nach Maßgabe seiner individuellen Präferenzen Gebrauch machen kann. Das Konzept der Handlungsrechte liefert insofern eine vertiefte, rechtsökonomische Begründung für die rechtsdogmatische Konstruktion der Zuordnung von Rechten als Grundproblem der rechtsgeschäftlichen Sukzession und steht zugleich mit der Abspaltungslehre in Einklang, die oben62 zur rechtskonstruktiven Begründung der konstitutiven Nachfolge herangezogen worden ist. Die konkrete Reichweite des Begriffs der Handlungsrechte ist allerdings umstritten. Zuweilen wird die Auffassung vertreten, dass nur absolute Rechte, namentlich dingliche Rechte umfasst seien, nicht aber vertragliche Rechte63. Nach dieser Ansicht wäre also beispielsweise das Privateigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen als besonders konzentrierte Form von Verfügungsrechten anzuerkennen, nicht aber das (schuldrechtliche) Forderungsrecht des Gläubigers. Dagegen sprechen indes die im vorherigen Abschnitt herausgearbeiteten strukturellen Gemeinsamkeiten von dinglichen und obligatorischen Rechten. Insbesondere sind beide Arten von Vermögensrechten ihrem Inhaber absolut und ausschließlich zugeordnet. Auch wenn sich Schuld- und Sachenrecht im Hinblick auf Wirkrichtung und Sachbezug voneinander unterscheiden, steht die Rechtszuordnung auf dem gleichen rechtskonstruktiven Fundament. Für die Einordnung von Forderungen und anderen Rechten als Handlungsrechte spricht außerdem der Umstand, dass eine Verletzung des Rechts durch einen Dritten zumindest haftungsrechtlich sanktioniert ist (liability rule)64. Zudem sind Forderungen ebenso wie Eigentumsrechte im Grundsatz frei übertragbar (alienability)65. Deshalb ist es überzeugend, auch Forderungen und andere Rechte – in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG66 – als Verfügungsrechte anzusehen67 und Forderungs- wie Rechtsübertragungen unter Zuhilfenahme des Property-rights-Ansatzes zu untersuchen.
3. Individuum, Markt, Vertrag, Effizienz Eine weitere Grundannahme des ökonomischen Modells ist die Betrachtung des einzelnen Akteurs als Individuum (methodologischer Individualismus)68. In Abhängigkeit von seinen persönlichen Bedürfnissen und Interessen (Präferen62
Siehe oben § 2 III. 2. b) bb). So etwa Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 590; dem folgend auch Schmolke, WM 2010, 740. 64 Zum Schutz von Forderungsrechten siehe oben § 2 II. 2. 65 Dazu ausf. unten § 4. 66 Siehe schon oben § 2 II. 2. 67 So auch Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 95 ff., 145 ff.; Furubotn/Pejovich, J. Econ. Lit. 10 (1972), 1137 ff.; dies., in: dies., Property Rights, S. 1, 3; Walz, KritV 1986, 131, 150 ff.; Mayer-Maly, in: Neumann, Ansprüche, S. 25, 26 f.; Burow, JuS 1993, 8, 9 f.; vgl. auch Grundmann, FS Hopt, S. 61, 64. 68 Siehe nochmals oben Fn. 53. 63
IV. Grundbegriffe der ökonomischen Analyse des Rechts
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zen) kann eine bestimmte Ressource für manche Marktteilnehmer einen verhältnismäßig größeren Nutzen aufweisen als für andere. Nach dem Konzept der Allokationseffizienz wird der gesamtwirtschaftliche Nutzen maximiert, wenn ein Gut zu demjenigen Akteur gelangt, der den größtmöglichen Nutzen aus der Ressource ziehen kann. Steuerungsinstrument für die Güterverschiebungen sind die Mechanismen des Marktes, die ihrerseits auf der Anerkennung privatautonomer Verhandlungen zwischen den Marktteilnehmern gründen (Verhandlungsmodell). Nach dem berühmten Coase-Theorem sind Marktakteure selbst in der Lage, durch individuelle Transaktionen Allokationseffizienz herzustellen (Effizienzthese)69. Das Coase-Theorem besagt weiterhin, dass die ursprüngliche Güterverteilung (Anfangsallokation) ohne Einfluss auf eine spätere Güterverteilung (Endallokation) ist, wenn die Kosten für Transaktionsvorgänge unberücksichtigt bleiben, die betreffenden Verfügungsrechte genau spezifiziert sind und auch Einkommenseffekte ausgeklammert werden (Invarianzthese)70. Nimmt man die Invarianzthese ernst, bedarf es zur Erreichung von Allokationseffizienz als ökonomischem Idealzustand keiner (legislativer oder forensischer) Eingriffe in den Markt, da die Marktteilnehmer durch die Anwendung des Vertragsmechanismus – unabhängig von Rechtslage und Güterverteilung – fortwährend danach streben, ihren individuellen Nutzen und damit zugleich den volkswirtschaftlichen Wohlstand zu maximieren71. Der sich durch Vertrag im Einzelfall am Markt vollziehende Leistungsaustausch ist der kleinste Baustein des auf gesamtwirtschaftliche Wohlstandsmaximierung gerichteten Modellgebäudes72. Nach der ökonomischen Theorie wird derjenige Akteur den höchsten Preis für ein bestimmtes Gut bezahlen (willingness to pay), der meint, aus der Ressource den höchsten individuellen Nutzen ziehen zu können. Der rational Handelnde schließt den Vertrag, weil er die von ihm zu erbringende (Gegen-) Leistung geringer schätzt als den nominellen Wert der vom anderen Teil geschuldeten Leistung. In diesem Sinne dient der Vertragsschluss am Markt zur beiderseitigen Maximierung des individuellen Nutzens. Der durch die Transak69 Dazu Coase, J. L. & Econ. 3 (1960), 1 ff.; Stigler, Price, S. 118 ff., 322; dazu auch die Interpretation von Marciano, Int. Rev. L. & Econ. 32 (2012), 110, 113 ff.; siehe ferner Shavell, Foundations, S. 101 ff.; Ulen, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia I, S. 790, 810 f.; Hermalin/Katz/ Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 24 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 59 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 111 ff.; Lieth, Analyse, S. 68 ff.; kritisch Bernstein, Md. L. Rev. 64 (2005), 303, 315 ff.; zur Kritik am Coase-Theorem Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 75 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 84 ff.; Mathis, Effizienz, S. 71 ff.; zur Widerlegung der Null-Hypothese durch die Law-&-Finance-Bewegung siehe Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 224 unter Hinweis auf La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, J. Fin. 61 (2006), 1, 27 f.; Djankov/La Porta/Lopezde-Silanes/Shleifer, J. Fin. Econ. 88 (2008), 430, 463. 70 Dazu näher Shavell, Foundations, S. 102 f.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 113 f.; Marciano, Int. Rev. L. & Econ. 32 (2012), 110, 114. Speziell zu Einkommenseffekten Eidenmüller, Effizienz, S. 118 ff. 71 Zur Einschränkung dieses Grundsatzes aufgrund von Transaktionskosten sogleich. 72 Vgl. Craswell, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia III, S. 1, 18; Unberath, Vertragsverletzung, S. 124 f.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
tion erzielte Gewinn (contractual surplus) wird unter den Vertragspartnern aufgeteilt73. Zieht der Einzelne keinen individuellen Nutzen aus dem Vertrag, so ist unter der Annahme rational handelnder Akteure davon auszugehen, dass ein Vertragsabschluss unterbleibt74. Diese Aussagen basieren auf einem Verständnis von Effizienz, das sich im Ausgangspunkt an dem – nicht unumstrittenen75 – Kaldor/Hicks-Kriterium76 orientiert77. Danach ist ein Zustand 1 einem Zustand 2 vorzuziehen, wenn die Vorteile für die Gewinner in Zustand 1 größer sind als die Nachteile der Verlierer. Dieser Effizienzmaßstab unterscheidet sich vom Pareto-Kriterium, wonach ein Zustand 1 gegenüber einem Zustand 2 vorzuziehen ist, sofern in Zustand 1 wenigstens eine Person besser gestellt wird als in Zustand 2, aber keine Person Nachteile erleidet78. Im Interesse des Gesamtnutzens wird also nach dem Kaldor/Hicks-Kriterium hingenommen, dass eine Minderheit von Personen schlechter gestellt, die angewandte Regel aber gleichwohl als in diesem Sinne effizient angesehen wird, ohne dass die Verluste der Verlierer kompensiert werden müssen. Letzteres macht das Kaldor/Hicks-Kriterium flexibler einsetzbar als das Pareto-Kriterium, aber auch problematisch, denn aus der erlaubten Schlechterstellung ergeben sich Verteilungs- und Legitimationsprobleme. Auflösbar sind sie nur, wenn entweder der Gewinn durch geeignete Regeln zur Kompensation der Verlierer verwendet wird79 oder aber die Vorgaben und Implikationen des Kaldor/Hicks-Modells im Einzelfall eingeschränkt80 und durch ökonomische oder außerökonomische Wertungsgesichtspunkte ergänzt werden81. Angesichts der 73 Siehe hierzu Schwartz/Scott, Yale L.J. 113 (2003), 541, 544; Unberath, Vertragsverletzung, S. 125. 74 Shavell, Foundations, S. 293; Unberath, Vertragsverletzung, S. 125. 75 Sehr kritisch Bernstein, Md. L. Rev. 64 (2005), 303, 326; vgl. ferner Eidenmüller, Effizienz, S. 53 f.; Unberath, Vertragsverletzung, S. 128; Mathis, Effizienz, S. 56 ff.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 14 f. 76 Benannt nach ihren Begründern: Kaldor, Economic J. 49 (1939), 549, 550; Hicks, Economic J. 49 (1939), 696, 706. 77 Dazu im Einzelnen Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 19 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 51 ff.; Mathis, Effizienz, S. 51 ff.; Lieth, Analyse, S. 45 ff.; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 33 f.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 12 ff. Pointierter Kötz/Schäfer, Rth 30 (1999), 130, 132 zum Gedanken der „Generalkompensation“: „Danach ist ein effizienzorientiertes Rechtssystem mit einer in kurzen Zeitabständen wiederholten Lotterie vergleichbar, die mit allen Gesellschaftsmitgliedern gespielt wird und in der die Einzahlungen insgesamt stets niedriger als die Auszahlungen sind. Wer möchte nicht an einer solchen Lotterie teilnehmen, auch wenn er bei einem einzelnen Einsatz verliert? Auf lange Sicht gewinnt jeder, auch wenn er ab und zu Nachteile in Kauf nehmen muß.“ 78 Dazu näher Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 13 ff.; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 109; Eidenmüller, Effizienz, S. 48 ff.; Mathis, Effizienz, S. 44 ff.; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 32 f.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 11. 79 Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 843. 80 Siehe dazu etwa die Vorschläge von Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 41 f. 81 Zur Einschränkung der Vertragsfreiheit aus ökonomischen Gründen, um den Abschluss ineffizienter Verträge zu verhindern siehe noch Ayres, Yale L.J. 112 (2003), 881, 889; Unberath, Vertragsverletzung, S. 127 f., Fn. 124; a.A. etwa Schwartz/Scott, Yale L.J. 113 (2003), 541, 548, 618.
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mit einer Gewinnumverteilung wiederum verbundenen Kosten, die im Extremfall den aus der Transaktion erstrebten Gewinn vollständig aufzehren können82, bleibt als einzig brauchbare Alternative nur die Anreicherung des rechtsökonomischen Modells mit weiteren Wertungskriterien, wie sie schon eingangs der Replik auf die Fundamentalkritik befürwortet worden sind83. Brauchbar ist das Kaldor/Hicks-Kriterium in seiner Reinform aber jedenfalls, um solche Transaktionen als ineffizient auszuscheiden, deren Durchführung insgesamt zu einer Verschlechterung führt, da die mit der Transaktion verbundenen Kosten und andere nachteilige Effekte84 durch den erzielten Gewinn nicht ausgeglichen werden.
4. Externalitäten und Marktversagen In der Praxis ist das Konzept des Marktes, auf dem die Funktionsfähigkeit des Verhandlungsmodells basiert, nicht optimal verwirklicht: Erstens sind Transaktionen in der realen Welt stets mit (Transaktions-)Kosten verbunden85. Zweitens können die Mechanismen des Marktes im Einzelfall versagen86, wie z.B. wenn einer der Marktteilnehmer eine Monopolstellung innehat oder wenn es sich um öffentliche Güter handelt, die keinem Berechtigten exklusiv zugewiesen oder die zugewiesenen Handlungsrechte (property rights) nicht klar definiert sind87. Und drittens können Transaktionen mit Kosten für Dritte verbunden sein, die in die privatautonome Vereinbarung der Vertragsparteien nicht eingepreist sind. Für die ökonomische Analyse des Sukzessionsrechts von Bedeutung ist vor allem das Problem der externen Effekte88. Externalitäten – auch Drittparteieffekte (third party effects) genannt – bezeichnen Nachteile, die Dritte unmittelbar aufgrund der Durchführung einer Transaktion erleiden. Sie entstehen, weil die an der Transaktion beteiligten Akteure, die Konsequenzen ihrer Vereinbarung für Dritte nicht ins Kalkül ziehen89. Das kann zu gesamtwirtschaftlichen Einbußen führen, und zwar immer dann, wenn die Interessen außenstehender 82 Dazu ausf. Eidenmüller, Effizienz, S. 156 ff., 286 ff.; Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 843. – Siehe noch die Würdigung zum Verteilungsproblem oben § 3 III. 2. c). 83 Siehe oben § 3 III. 2. a) und § 3 III. 2. d). 84 Dazu sogleich unten § 3 IV. 4. 85 Dazu sogleich unten § 3 IV. 5. 86 Vgl. E. Posner, Yale L.J. 112 (2003), 829, 863; Schwartz/Scott, Yale L.J. 113 (2003), 541, 609 f., 618; Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 39 f.; aus dem deutschen Schrifttum ausf. Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 78 ff.; Leistner, Vertrag, S. 277 ff.; Drexl, Selbstbestimmung, S. 445 ff. 87 Siehe allgemein oben § 3 IV. 2. sowie Walz, KritV 1986, 131, 148. 88 Allgemein Shavell, Foundations, S. 77 ff.; Mathis, Effizienz, S. 48 ff.; zum Vertragsrecht Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 30 ff.; E. Posner, Yale L.J. 112 (2003), 829, 863; Schwartz/Scott, Yale L.J. 113 (2003), 541, 609 f., 618. 89 Dazu etwa Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 839 f.; siehe auch Fezer, JZ 1986, 817, 821.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
Dritte infolge der Transaktion so beeinträchtigt werden, dass sie durch die aus der Transaktion resultierenden Effizienzgewinne der Parteien nicht aufgewogen werden. Will man dysfunktionale Transaktionen verhindern, müssen externe Effekte im Wege der Umwandlung in private Kosten der Beteiligten internalisiert werden. In diesem Sinne ist es die Aufgabe des Gesetzgebers und der Gerichte, die notwendigen Anreize (incentives) dafür zu schaffen, dass die Marktteilnehmer die Kosten Dritter im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. Beispielhaft dafür steht das gesetzliche Schuldnerschutzsystem des Abtretungsrechts90. Da der Schuldner sich gegen die Forderungsabtretung grundsätzlich nicht zur Wehr setzen kann und infolge dessen mit einem neuen Gläubiger konfrontiert wird, enthalten §§ 404, 406 ff. BGB zwingende Vorschriften, die eine Verschlechterung der schuldnerischen Rechtsstellung verhindern sollen. So kann der Schuldner beispielsweise gem. § 404 BGB die ihm gegen den Zedenten zustehenden Einwendungen und Einreden auch gegen den Zessionar geltend machen. Die hieraus resultierenden Durchsetzungsschwierigkeiten werden die Parteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen einpreisen, so dass die Vertragsparteien effektiv daran gehindert sind, Effizienzgewinne zulasten des außenstehenden Schuldners zu generieren.
5. Transaktionskostentheorie In einer Welt ohne Transaktionskosten ist der ideale Zustand der Allokationseffizienz durch die Mechanismen des Marktes erreichbar91. In der Realität ist ein Güteraustausch ganz ohne Reibungsverluste indes schlicht undenkbar92. Die neue Institutionenökonomik unterscheidet eine ganze Reihe verschiedener Transaktionskosten, wie etwa Such-, Informations-, Verhandlungs- und Entscheidungskosten sowie Organisations-, Überwachungs-, Durchführungs- und 90 Vgl. Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 474 zur Berücksichtigung der Kosten für den Schuldner und sonstige Dritte, wie z.B. Kreditgeber. 91 Zur „sonderbaren Welt kostenloser Transaktionen“ siehe Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 13 ff. 92 Zur Transaktionskostentheorie (transaction cost theory) als Teil der sog. Neuen Institutionenökonomik siehe ausf. Brousseau/Glachant, in: Brousseau/Glachant, Contract, S. 12 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 91 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. V ff., 53 ff., 165 ff., 215 ff. und passim; Unberath, Pflichtverletzung, S. 133 ff. – Die „Entdeckung“ der Transaktionskosten geht auf Coase, Economica 4 (1937), 386 ff. zurück; siehe ferner grundlegend Williamson, J. L. & Econ. 22 (1979), 233 ff. – Zu den Implikationen dieses Ansatzes für das Vertragsrecht siehe Schwartz, in: Brousseau/Glachant, Contract, S. 116 ff.; Schwartz/Scott, Yale L.J. 113 (2003), 541 ff.; Unberath, Vertragsverletzung, S. 137; zur Kritik dieses Ansatzes: Furubotn, in: Brousseau/Glachant, Contract, S. 72 ff. – Zu weiteren Vertragstheorien, namentlich der Anreiztheorie (incentive theory) und der Lehre vom unvollständigen Vertrag (incomplete contract theory), siehe Brousseau/Glachant, ebenda, S. 8 ff.; Salanié, Contracts, S. 11 ff., 97 ff., 119 ff., 193 ff.; Unberath, ebenda, S. 130 ff.
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Durchsetzungskosten93. Der Gesamtumfang dieser auch als „Betriebskosten eines Wirtschaftssystems“94 bezeichneten Aufwendungen wird für westliche Volkswirtschaften auf 50 bis 60% des Nettosozialprodukts geschätzt95. Im Zentrum der Kostenanalyse rechtsgeschäftlicher Sukzessionen stehen die Kosten für die Durchführung der Transaktion, beispielsweise für die Eintragung der Rechtsänderung in einem öffentlichen Register (Grundbuch)96, aber auch Informationskosten, wie etwa in Form von Nachforschungskosten beim gutgläubigen Erwerb97. Hinzu kommen Streitbewältigungskosten, die rationale Marktteilnehmer für den möglichen Fall nachgelagerter Rechtsstreitigkeiten schon im Rahmen der Entscheidung über die Durchführung der Transaktion einpreisen werden98. Die modellhafte Erfassung von Transaktionskosten bereitet allerdings außerordentliche Schwierigkeiten99. Zum einen ist die Abgrenzung von Transaktionsund Produktionskosten schwierig. Zum anderen beinhaltet die Ermittlung zukünftiger Transaktionskosten ein Element der Prognose. Die Kostenberechnung wird außerdem dadurch erschwert, dass jede Transaktion mit Unsicherheiten verbunden ist und die Häufigkeit von Transaktionen sowie der Umfang transaktionsspezifischer Investitionen der Marktteilnehmer auf die Kostenstruktur ausstrahlt100. Schnell wird klar, dass sich Transaktionskosten regelmäßig nur näherungsweise durch Schätzung prognostizieren lassen. In Ermangelung empirischen Materials müssen sich rechtsökonomische Überlegungen typischerweise auf die Fragestellung beschränken, ob das Vorhandensein einer Rechtsnorm voraussichtlich zu einer Erhöhung oder Verminderung von Transaktionskosten führt. Selbst wenn die Transaktionskostenanalyse vor diesem Hintergrund notwendig kursorische Züge trägt, ist sie doch von nicht gering zu schätzendem heuristischem Wert für die Standortbestimmung von Rechtsvorschriften und rechtlichen Prinzipien. Vielfach werden sich aus der Kosten-Nutzen-Analyse zumindest Anhaltspunkte für die ökonomische Sinnhaftigkeit einer Regelung ableiten lassen, auch wenn mathematische Exaktheit unter diesen Umständen selbstredend nicht zu gewährleisten ist. Aber auch das ist nicht weiter tragisch, schließlich können auch die hergebrachten juristischen Methoden nicht mit einer größeren Genauigkeit aufwarten. Juristische Argumentation erhebt keinen Anspruch auf naturwissenschaftliche Präzision, vielmehr spielen die Überzeugungskraft von Argumenten und vielerlei Wertungsentscheidungen eine maß93 Vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 41, 58 ff.; Krimphove, Sachenrecht, S. 25 ff.; ferner Walz, Systemdenken, S. 12; dens., KritV 1986, 131, 149. 94 So treffend Arrow, zitiert nach Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 55. 95 Dazu näher Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 53, 65 ff., 85. 96 Dazu näher unten § 10 II. 97 Siehe unten § 11 II. 3. 98 Vgl. Walz, Systemdenken, S. 15. 99 Dazu ausf. Eidenmüller, Effizienz, S. 97 ff. 100 Vgl. Williamson, J. L. & Econ. 22 (1979), 233, 239; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 57.
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gebliche Rolle. Deshalb bleibt letztlich zweifelhaft, ob die tradierten Methoden ein höheres Maß an Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen gewährleisten können als die heuristischen Erkenntnisse des rechtsökonomischen Ansatzes101. Im Gesamtkonzept des rechtsökonomischen Ansatzes liegt die Bedeutung der Transaktionskosten darin, dass sie den individuellen, mit dem Güteraustausch angestrebten Gewinn schmälern102. Gesamtwirtschaftlich sind sie mit negativen Effekten verbunden; sie beeinträchtigen nämlich die Bereitschaft der Marktteilnehmer Wirtschaftsgüter umzusetzen. Das kann in der letzten Konsequenz dazu führen, dass Transaktionen, die mit besonders hohen Kosten verbunden sind, überhaupt nicht durchgeführt werden. In einem Umfeld mit hohen Transaktionskosten ist Allokationseffizienz also nicht zu erreichen. In der Folge werden Ressourcen nicht nur dort genutzt, wo ihr Einsatz mit dem größtmöglichen Individualnutzen verbunden wäre. Das kann zu Versorgungsengpässen und zur Verschwendung von Ressourcen führen103. Güter werden außerdem deshalb nicht optimal genützt, weil es infolge hoher Transaktionskosten an Anreizen fehlen kann, in Wirtschaftsgüter mittels Pflege und Wartung zu investieren. Transaktionskosten beeinträchtigen außerdem die Funktionsfähigkeit der marktmäßigen Preisbildungsmechanismen und verfälschen so das Wettbewerbsgeschehen. Insgesamt binden sie finanzielle Ressourcen, die ansonsten anderweitig investiert werden könnten, beispielsweise in die Produktion, Forschung und Entwicklung. Da Allokationseffizienz umso eher erreicht wird, je niedriger die Transaktionskosten ausfallen, besteht nach dem ökonomischen Modell ein veritables Interesse daran, Transaktionskosten zu senken und Markttransaktionen auf diese Weise zu erleichtern104. Das Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist der Einsatz interessengerechter Rechtsvorschriften und Prinzipien105. Das erfolgt namentlich durch die Gewährleistung des Prinzips der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen, das auf die Herstellung von Sicherheit und Leichtigkeit im Rechts- und Handelsverkehr abzielt und mit dieser Stoßrichtung für die Senkung von Transaktionskosten, die Erreichung von Allokationseffizienz so101
Kübler, FS Steindorff, S. 687, 696. Zum Ganzen allgemein Eidenmüller, Effizienz, S. 97 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 12 ff., 53 ff.; Dahlmann, J. L. & Econ. 22 (1979), 141, 143; Demsetz, Quart. J. Econ. 82 (1968), 33 ff.; Faust, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 837, 840; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 230; Krimphove, Sachenrecht, S. 10 f.; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 42 f.; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 861; ders., JbJZ 2010, 121, 130. 103 Dazu und zum Folgenden: Krimphove, Sachenrecht, S. 10 f. 104 Sinkt das Transaktionskostenniveau, steigt umgekehrt die Gesamtproduktivität einer Volkswirtschaft, auch wenn der technische Wissensstand unverändert bleibt; vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 77. 105 Allgemein dazu Holderness, J. Legal Stud. 14 (1985), 321, der zutreffend darauf hinweist, das Rechtsvorschriften geeignet sind Austauschprozesse zu erleichtern, aber ebenso gut auch zu einer Erhöhung von Transaktionskosten führen können, die einen Güteraustausch im Extremfall zum völligen Erliegen bringen können. 102
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wie die Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands von zentraler Bedeutung ist106. Eine Transaktionskostenanalyse ist allerdings unvollständig, bezieht man nicht zugleich diejenigen Kosten in die Betrachtung ein, die durch den Einsatz auf eine Kostenersparnis gerichteten Vorschriften zusätzlich anfallen107. So sind die legislatorische Erschaffung neuer Rechtsvorschriften, die Entwicklung tragfähiger Prinzipien durch Rechtsprechung und Wissenschaft sowie die notwendigen Anpassungen in der Praxis mit Kosten verbunden108. Insofern bedarf es folglich einer Gesamtabwägung aller in diesem Zusammenhang eingesparten und zusätzlich anfallenden Kosten. Im Allgemeinen werden diese Interventions- und Anpassungskosten aber von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung sein109, weil Interventionskosten typischerweise einmalig anfallen, während der Rechtsverkehr, der nach einer Übergangsphase mit den neuen Vorschriften vertraut ist, von den Erleichterungen in einer unbegrenzten Zahl von Fällen profitiert.
6. Präferenzautonomie und Paternalismus Aus der Fokussierung der ökonomischen Theorie auf das Individuum und dessen Präferenzen folgt das Prinzip der Präferenzautonomie110. Ebenso wie die Privatautonomie an die Wesenheit des Menschen rückgebunden und Teil der verfassungsrechtlich verbürgten freien Entfaltung der Persönlichkeit ist111, kommt der freien Präferenzbildung des Individuums persönlichkeitsprägende Bedeutung zu. Tragende Überlegung für die Begründung des Freiheitsprinzips ist der Umstand, dass am ehesten der Einzelne dazu berufen ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln112. Keine andere Person, auch nicht der Staat, verfügt über die notwendigen Informationen über die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben, um eine Entscheidung im besten Interesse des Akteurs zu treffen. Die Präferenzautonomie hat normative Bedeutung, weil mit der Beeinträchtigung der individuellen Entscheidungsfreiheit ein gesamtwirtschaftlicher Effizienzverlust einhergehen kann113. Werden die selbst gesetzten Präferenzen des Einzelnen nämlich nicht respektiert, scheidet auch eine Maximierung des individuellen wie aggregierten Nutzens aus. 106
Dazu eingehend unten § 4 I. 3. Vgl. auch Krimphove, Sachenrecht, S. 13. 108 Darauf verweist namentlich Eidenmüller, Effizienz, S. 107. 109 So im Ergebnis auch Lieth, Analyse, S. 71. 110 Dazu eingehend Eidenmüller, Effizienz, S. 326 ff.; vgl. weiter Lieth, Analyse, S. 56 ff.; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 25 f. – Von den Präferenzen wird neuerdings die Identität der Marktakteure abgegrenzt; dazu grundlegend Akerlof/Kranton, Identity Economics (2010). 111 Dazu näher unten § 4 I. 2. 112 Näher Eidenmüller, Effizienz, S. 330. 113 Vgl. Eidenmüller, Effizienz, S. 333. 107
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
Im Ausnahmefall können Einschränkungen der Präferenzautonomie aber gleichwohl gerechtfertigt sein. Das gilt zum einen für Beschränkungen zum Schutz berechtigter Drittinteressen (Drittschutz) – die Präferenzautonomie endet dort, wo Transaktionen die Freiheit Dritter beeinträchtigen114, – und zum anderen für Einschränkungen im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen selbst. Erleidet die Präferenzautonomie Einbußen zum Wohl des Einzelnen, und zwar auch gegen seinen Willen, dann spricht man von Paternalismus115. Sowohl aus Gründen des Drittschutzes, etwa aufgrund externer Effekte, als auch auf Grundlage des Paternalismus lassen sich Eingriffe in die individuelle Freiheit wie auch Beschränkungen der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen und der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten legitimieren. Allerdings sind Eingriffe in die Präferenzautonomie durch rechtspaternalistische Vorschriften – auch unter Ökonomen – alles andere als unumstritten116. Entscheidend für die Anerkennung paternalistischer Wertungsgesichtspunkte spricht nicht zuletzt die an der ökonomischen Analyse des Rechts geäußerte Kritik, die entworfenen Modelle würden monetäre Aspekte zu sehr in den Vordergrund rücken. Paternalismus ermöglicht vor diesem Hintergrund die Berücksichtigung außerökonomischer Wertungen im Rahmen ökonomischer Betrachtungen des Rechts. Außerdem tragen paternalistische Interventionen der empirisch verifizierten Erkenntnis Rechnung, dass Marktteilnehmer nicht in jedem Fall Entscheidungen treffen, die ihren individuellen Nutzen maximieren117. Vor allem wenn die Präferenzen der Marktteilnehmer nicht autonom zustande gekommen sind, bedarf es zur (Wieder-)Herstellung echter Präferenzautonomie legislativer Interventionen118. Ein in diesem Sinne eng verstandener Paternalismus zielt darauf ab, beschränkt rational agierende Individuen bei einer interessengerechten Entscheidungsfindung zu unterstützen. Aus diesem Grund plädiert auch eine Reihe von Protagonisten der Behavioral-Law-&-Economics-
114 Allgemein dazu in Bezug auf Freiheitssicherung durch Strafrecht und Grundrechte: Eidenmüller, Effizienz, S. 352 ff. 115 Dazu ausf. Eidenmüller, Effizienz, S. 358 ff.; ders., JZ 2011, 814, 815; Englerth, in: Engel u.a., Verhalten, S. 231 ff.; im Hinblick auf Rechtsübertragungen Shavell, Foundations, S. 57; zum Vertragsrecht siehe Ayres, Yale L.J. 112 (2003), 881, 886 ff.; Aghion/Hermalin, J.L. Econ. & Org. 6 (1990), 381 ff.; Kronman, Yale L.J. 92 (1983), 763 ff.; Unberath, Vertragsverletzung, S. 138; allgemein zur Bedeutung paternalistischer Motive im US-amerikanischen Vertrags- und Deliktsrecht Kennedy, Md. L. Rev. 41 (1982), 563 ff.; zur allgemeinen Verbindung von „Paternalismus und Recht“ die Beiträge im gleichnamigen Band von Anderheiden u.a., Paternalismus (2006). 116 Zur Frage der Legitimation ausf. Eidenmüller, Effizienz, S. 365 ff.; siehe ferner Englerth, in: Engel u.a., Verhalten, S. 231, 234 ff.; speziell zum „liberalen Paternalismus“ kritisch Eidenmüller, JZ 2011, 814, 818 ff. 117 Dazu ausf. Sunstein/Thaler, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), 1159, 1167 ff.; Camerer/Issacharoff/ Loewenstein/O’Donoghue/Rabin, U. Pa. L. Rev. 151 (2003), 1211, 1230 ff. sowie sogleich unten § 3 IV. 7. 118 Vgl. Sunstein, U. Chi. L. Rev. 53 (1986), 1129, 1133.
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Bewegung für moderate legislatorische und justizielle Eingriffe in die Präferenzautonomie119. Wo das Recht paternalistische Zwecke verfolgt, droht allerdings die Gefahr einer signifikanten Einschränkung der persönlichen Freiheitssphäre des Einzelnen120. Deshalb sind die Grenzen für die Zulässigkeit eines rechtlichen Paternalismus eng gesteckt121. Das Schrifttum hält Einschränkungen der Präferenzautonomie nur dann für zulässig, wenn sie letztlich auf eine Vergrößerung der Freiheitssphäre hinauslaufen oder wenn hierdurch Rechtspositionen betroffen sind, die mit der Persönlichkeit des Einzelnen untrennbar verbunden sind122. Die erste Fallgruppe betrifft namentlich (zwingende) Vorschriften, die das Individuum vor irreversiblen Freiheitsverlusten schützen123 und so den institutionellen Freiraum und die institutionelle Autonomie des Einzelnen sichern124. Die zweite Kategorie betrifft Rechtsgüter, deren Veräußerung einer Selbstaufgabe der Person gleichkäme125. Die Legitimation beider Fallgruppen basiert letztlich auf den objektiven Wertentscheidungen unserer Verfassung. Mit den grundgesetzlichen Vorgaben wäre die Eröffnung individueller Handlungsspielräume hier nicht in Einklang zu bringen. Anwendungsbeispiele für Rechtspaternalismus sind im Bereich des Sukzessionsrechts verhältnismäßig selten, aber es gibt sie: Man denke etwa an die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen (§ 137 S. 1 BGB), die den Einzelnen vor einem irreversiblen Verlust der Sukzessionsfreiheit schützen will126, sowie die Formvorschriften im Grundstücksrecht (§§ 311b Abs. 1 S. 1, 925 Abs. 1 BGB), die den Einzelnen vor der übereilten Vornahme eines folgenreichen Rechtsgeschäfts schützen wollen127. Rechtspolitisch überzeugend sind diese offensichtlichen Beschränkungen der Sukzessionsfreiheit aber nur, wenn und weil sie durch gewichtige Interessen sachlich gerechtfertigt sind. Grundlage dieser Rechtfertigung sind Rationalitätsdefizite im menschli119 Im US-amerikanischen Schrifttum wird in diesem Zusammenhang zuweilen von freiheitlichem Paternalismus (libertarian paternalism) gesprochen, der sich aber dadurch auszeichnet, dass keine Handlungsalternativen vollständig ausgeschlossen werden; vgl. Sunstein/Thaler, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), 1159 ff.; Thaler/Sunstein, Am. Econ. Rev. 93 (2003), 175 ff.; für Interventionen auch Rachlinski, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), 1165 ff.; vorsichtiger Camerer/Issacharoff/Loewenstein/O’Donoghue/Rabin, U. Pa. L. Rev. 151 (2003), 1211 ff.; kritisch dazu Englerth, in: Engel u.a., Verhalten, S. 231, 232 ff.; Eidenmüller, JZ 2011, 814, 818 ff. 120 Dazu Eidenmüller, Effizienz, S. 365 ff.; Jolls/Sunstein, J. Legal Stud. 35 (2006), 199, 231 ff. 121 Das postuliert auch die heute herrschende Lehre vom normativen Individualismus, wonach staatliche Einwirkungen in die Rechtssphäre des betroffenen Einzelnen rechtfertigungsbedürftig ist; vgl. nur Anderheiden u.a., in: dies., Paternalismus, S. 1. 122 Dazu ausf. Eidenmüller, Effizienz, S. 374 ff. 123 Vgl. etwa Eidenmüller, Effizienz, S. 383 ff.; ders., JZ 2005, 216, 223; siehe noch Engel, RabelsZ 67 (2003), 406, 409 f. 124 Im Ansatz so oder ähnlich Sunstein, U. Chi. L. Rev. 53 (1986), 1129, 1136; Eidenmüller, Effizienz, S. 374 ff. 125 Dazu Kübler, FS Steindorff, S. 687, 701 f.; ausf. Eidenmüller, Effizienz, S. 363 ff. 126 Siehe unten § 4 II. 7. 127 Siehe unten § 9 III.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
chen Verhalten, die nach einer Kompensation in Form rechtlicher Maßnahmen verlangen, um ein autonomes Entscheidungsverhalten des Einzelnen zu gewährleisten. Hier zeigen sich Interdependenzen von Rechtspaternalismus und Verhaltensökonomik128:
7. Verhaltensökonomik, insbesondere Besitzeffekte Ansatzpunkt für die Rezeption menschlicher Verhaltensanomalien im rechtsökonomischen Diskurs ist die Erkenntnis, dass menschliche Verhaltensmuster in bestimmten Fällen von den Grundannahmen ökonomisch rationalen Verhaltens abweichen. Um solche Rationalitätsdefizite zu kompensieren, kann es insbesondere geboten sein, die Prinzipien der Präferenz- und Privatautonomie sowie den Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten zu beschränken. a) Grenzen des Rational-choice-Ansatzes Auf der Grundlage des Rational-choice-Ansatzes betrachtet das neoklassische Verhaltensmodell des homo oeconomicus das Präferenzsystem als vollständig, kohärent und stabil129. Die Marktteilnehmer verfolgen nach diesem Modell ausschließlich eigene wirtschaftliche Interessen (Eigennutztheorem) und handeln vollständig ökonomisch rational (Rationalitätstheorem)130. Schließlich sind die Marktteilnehmer perfekt über die zur Entscheidungsfindung notwendigen Handlungsalternativen informiert und können die zur Verfügung stehenden Informationen vollständig und fehlerfrei verarbeiten131. Dass dieses Verhaltensmodell die Wirklichkeit nicht akkurat abbildet, ist Teil der Fundamentalkritik am rechtsökonomischen Ansatz, der eine Hinwendung zu den Erkenntnissen der Kognitions- und Verhaltenspsychologie (Behavioral Law & Economics) vielversprechend erscheinen lässt132. Zu den zentralen Erkenntnissen dieser verhältnismäßig jungen Forschungsrichtung zählt zunächst 128 Zum anti-antipaternalism approach von Behavioral Law & Economics näher Sunstein, U. Chi. L. Rev. 64 (1997), 1175, 1178: “Recent revisions in understanding human behavior (…) certainly do not make an affirmative case for paternalism, but they support a form of anti-antipaternalism”; für Interventionen auch Rachlinski, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), 1165, 1166; ferner Fleischer, FS Immenga, S. 575, 578. 129 Zur Bandbreite des rational choice approach ausf. Korobin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051, 1061 ff.; ferner Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217. Zum Normverständnis des homo oeconomicus: Lieth, Analyse, S. 60 f. 130 Zu dieser Variante näher Korobin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051, 1064 ff.; aus dem deutschen Schrifttum ausf. Mathis, Effizienz, S. 19 ff.; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 27 ff.; Rühl, Statut, S. 95 ff.; ferner Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; ders., JZ 2011, 814, 816; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106 f.; monografisch ders., Homo oeconomicus (2008). 131 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; (mit Bezug zum Kapitalmarktrecht) Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 7. 132 Siehe schon oben § 3 III. 2. e).
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die Einsicht, das Marktteilnehmer nicht ohne weiteres dazu in der Lage sind, sämtliche Informationen in einer Entscheidungssituation korrekt zu erfassen und zu verarbeiten133; in der Folge wird deshalb auch nicht notwendigerweise die nach objektiven Kriterien effizienteste Handlungsalternative ergriffen134. Das kann sowohl auf kognitiver Beschränktheit beruhen als auch auf einer zeitabhängigen Veränderung der individuellen Präferenzen. Zudem ist heute anerkannt, dass sich Menschen in bestimmten Situationen nicht stets und uneingeschränkt eigennützig verhalten135. Im Ergebnis wirken sich die identifizierten Anomalien wie Transaktionskosten aus; sie beeinträchtigen den freien Güteraustausch am Markt136. Es ist daher auch nicht fernliegend, dass rechtliche Interventionen zur Bewältigung solcher Rationalitätsdefizite beitragen können. Sollen die ökonomischen Mechanismen des Marktes und des Verhaltensmodells allerdings intakt bleiben, sind paternalistische Eingriffe strengstens auf irrationales Verhalten zu beschränken, während individuell-autonome Präferenzabweichungen, die nicht selten auf bestimmten moralischen Vorstellungen des individuellen Marktteilnehmers beruhen, nach dem Grundgedanken der Präferenzautonomie in aller Regel zu respektieren sind137. b) Besitzeffekte als verhaltensökonomisches Phänomen Für die ökonomische Analyse von Übertragungsvorgängen sind Besitzeffekte (endowment effects) als Verhaltensanomalie anerkannt und von großer Bedeutung138. Der Besitzeffekt bezeichnet das rational nicht erklärbare Phänomen, dass der Verlust der einmal gehaltenen Vermögensposition im Grundsatz höher bewertet wird als ein durch die Verfügung über die Rechtsposition erzielbarer 133
Speziell zum information overload siehe Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 9 ff. Näher Sunstein, U. Chi. L. Rev. 64 (1997), 1175, 1179 ff.; Jolls/Sunstein, J. Legal Stud. 35 (2006), 199, 203 ff.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; ders., JZ 2011, 814, 816 f.; Fleischer, FS Immenga, S. 575, 577 f.; vgl. ferner Englerth, in: Engel u.a., Verhalten, S. 60, 66 ff. zu kognitiver Dissonanz, availability bias, hindsight bias, self-serving bias, overconfidence bias, etc.; siehe ferner Jolls, in: Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics, S. 115, 124 f. 135 Pointiert Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219: „Statt ausschließlich unseren Nutzen zu mehren, lassen wir uns mehr oder weniger stark auch von Altruismus, Fairnessgesichtspunkten oder anderen sozialen Normen leiten, und bisweilen sind wir zudem gehässig.“ Vgl. noch Jolls, in: Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics, S. 115, 125 f.; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 174 ff. – Die beiden Facetten des verhaltensökonomischen Ansatzes werden diskutiert von Zarri, J. Soc. Econ. 39 (2010), 562 ff. 136 Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 172. 137 Zur Differenzierung der beiden Strömungen innerhalb der Verhaltensökonomie ausf. Zarri, J. Soc. Econ. 39 (2010), 562 ff., insb. 566 f. 138 Experimentelle Grundlagen bei Kahnemann/Knetsch/Thaler, J. Pol. Econ. 98 (1990), 1325 ff.; dies., in: Sunstein, Behavioral Law, S. 211 ff.; aus neuerer Zeit z.B. Georgantzís/Navarro-Martínez, J. Econ. Psych. 31 (2010), 895 ff.; vgl. noch die Zusammenstellung bei Hoffman/ Spitzer, Wash. U. L. Q. 71 (1993), 59, 69 ff.; aus dem deutschen Schrifttum siehe die ausf. Darstellung bei Bechtold, Grenzen, S. 226 ff.; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 188 ff.; kritisch z.B. R. Posner, Analysis, S. 22 ff. 134
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Gegenwert. Als Beispiel dient die hochwertige Taschenuhr, die X vor Jahren für 5000 € erworben hat und heute bei einem Verkauf 20 000 € einbrächte. X ist weder bereit, die Uhr zu diesem Preis zu veräußern, noch wäre er bereit dieselbe Summe für eine vergleichbare Uhr aufzuwenden. Die Ursache für das irrationale Verhalten liegt in der menschlichen Natur begründet; nach traditionellem Verständnis spielen sowohl die Verlustaversion (loss aversion)139 als auch die Trägheit140 des Rechtsinhabers eine nicht unerhebliche Rolle141. Moderne empirische Studien zeichnen ein deutlich differenzierteres Bild142. Danach hängt das Ausmaß der Besitzeffekte maßgeblich von den zwei Phasen ihrer Konstituierung ab, und zwar einer ersten Phase der Erlangung und Innehabung des Eigentums und einer zweiten Phase des möglichen Verlustes. Die Effekte sind nach dieser Auffassung zum einen auf die positiven Gefühle zurückzuführen, die Personen nach dem Erwerb durch Besitz und Nutzung eines Gegenstandes verspüren. Zum anderen spielen die bezeichneten Verlustaversionen eine Rolle, die letztlich auf die Unsicherheit des Marktteilnehmers hinsichtlich des Gegenstandswerts zurückzuführen sind. Setzt man diese Erkenntnisse in Kontrast zu den Annahmen der neoklassischen Theorie, zeigt sich, dass der Mensch tendenziell an der Bewahrung des bestehenden Besitzstandes festhalten wird, auch wenn eine Transaktion effizienzsteigernde Effekte mit sich brächte (status quo bias)143. Die Anerkennung von Besitzeffekten setzt sich damit in Widerspruch zur Annahme vollständiger, kohärenter und stabiler Präferenz und zeigt im Gegensatz zu den Annahmen des Coase-Theorems, dass die ursprüngliche Verteilung von Gütern (Anfangsallokation) für die Präferenzen der Marktteilnehmer und die Durchführung 139 Dazu ausf. Tversky/Kahnemann, Quart. J. Econ. 106 (1991), 1039 ff.; Sunstein, U. Chi. L. Rev. 64 (1997), 1175, 1179 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 131; Bechtold, Grenzen, S. 230 ff.; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 189. 140 Dazu etwa Sunstein/Thaler, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), 1159, 1181; vgl. noch Bachmann, JZ 2008, 11, 14: „natürliche Trägheit der Rechtsgenossen“; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 190: „Menschen ändern (den Ist-Zustand) nur, wenn sie mit starken Anreizen konfrontiert werden.“ 141 Vgl. Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 72 m. Fn. 112; siehe ferner ausf. Kahnemann/ Knetsch/Thaler, J. Pol. Econ. 98 (1990), 1325, 1342 ff.; Hoffman/Spitzer, Wash. U. L. Q. 71 (1993), 59, 85 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 131 f.; ders., JZ 2005, 216, 219. 142 Instruktiv Georgantzís/Navarro-Martínez, J. Econ. Psych. 31 (2010), 895 ff. 143 Dazu Kelman, S. Cal. L. Rev. 52 (1979), 669, 678 ff.; Thaler, J. Econ. Behav. & Org. 1 (1980), 39, 43 ff.; Kahneman/Knetsch/Thaler, J. Econ. Persp. 5/1 (1991), 193, 194 ff.; Cohen/ Knetsch, Osgoode Hall L.J. 30 (1992), 737 ff.; Hoffman/Spitzer, Wash. U. L. Q. 71 (1993), 59 ff.; Langevoort, Vand. L. Rev. 51 (1998), 1499, 1517; Korobkin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051, 1107 ff.; Camerer/Issacharoff/Loewenstein/O’Donoghue/Rabin, U. Pa. L. Rev. 151 (2003), 1211, 1224 ff.; Korobkin, Nw. U. L. Rev. 79 (2003), 1165 ff.; McCabe/Smith/Chorvat, in: Parisi/Smith, Irrational Behavior, S. 68, 82; Jolls, in: Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics, S. 115, 116 ff.; aus dem deutschen Schrifttum Eidenmüller, Effizienzprinzip, S. 125 ff.; ders., JZ 2005, 216, 218 f.; ders., AcP 210 (2010), 67, 95 f.; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 72 m. Fn. 112; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 188 ff. – R. Posner, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1551, 1565 ff. versucht solche endowment effects konventionell ökonomisch rational zu erklären. Dass dieser Versuch nicht vollends befriedigt, zeigt Eidenmüller, JZ 2005, 216, 220.
IV. Grundbegriffe der ökonomischen Analyse des Rechts
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von Transaktionen sehr wohl von Bedeutung sein und sich auf die Endallokation auswirken kann144. Die nach der Invarianzthese optimal verlaufende Kosten-Nutzen-Rechnung funktioniert in der Gegenwart von Besitzeffekten nicht mehr uneingeschränkt, weil der Veräußerer tendenziell einen höheren Preis für das Gut verlangen wird, als er selbst in der Position des Erwerbers bereit wäre dafür zu bezahlen. Zwischen dem potenziellen Erwerbspreis (willingness to pay) und dem potenziellen Verkaufspreis (willingness to accept) klafft eine Lücke145, die Transaktionen verhindert, soweit sie durch einen zusätzlichen Gewinn aus der Transaktion nicht geschlossen werden kann146. Insgesamt werden aufgrund von Besitzeffekten letztlich weniger Transaktionen durchgeführt147 als im Interesse einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsmaximierung wünschenswert wäre. Umgekehrt deutet der Umstand, dass bestimmte Geschäfte in der Praxis nicht durchgeführt werden, nicht notwendig darauf hin, dass das verminderte Transaktionsaufkommen den tatsächlichen Präferenzen der Parteien entspricht. Angesichts der transaktionshemmenden Wirkung von Besitzeffekten gewinnt die rechtliche Ausgestaltung von Übertragungsvorgängen an Bedeutung, da die Marktmechanismen nicht ohne weiteres in der Lage sind, für einen effizienzsteigernden Güteraustausch zu sorgen. Es bedarf daher geeigneter Rechtsvorschriften, die Anreize für die Durchführung von wohlstandsmaximierenden Rechtsgeschäften schaffen und so die menschliche Risikoaversion und Trägheit überwinden. Ebenso wie Rechtsvorschriften durch eine angestrebte Senkung von Transaktionskosten (transaction costs) legitimiert sein können, können legislative Eingriffe auch durch die Verminderung von kognitiven Kosten (cognitive costs)148 gerechtfertigt sein, die darauf abzielen, die experimentell belegten Rationalitätsdefizite der Marktteilnehmer zugunsten einer Effizienzsteigerung zu eliminieren. Von Bedeutung sind Besitzeffekte auch für die Wirkung dispositiven Gesetzesrechts149: Entgegen der Annahme des Coase-Theorems ist aufgrund des Trägheitsmoments die Ausgestaltung einer gesetzlichen Regel für die Verhandlungen zwischen den Parteien nicht von vornherein ohne Belang, weil die Parteien tendenziell am gesetzlichen Status quo festhalten und Regeln womöglich selbst dann beibehalten, wenn sie unter Geltung eines anderen Regelungsregimes die fragliche Regel nicht vereinbart hätten. 144 Dazu Sunstein, U. Chi. L. Rev. 64 (1997), 1175, 1179 f.; Sunstein/Thaler, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), 1159, 1190; Jolls, in: Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics, S. 115, 118 f.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219. 145 Vgl. etwa Hoffman/Spitzer, Wash. U. L. Q. 71 (1993), 59 ff. einerseits; Plott/Zeiler, Am. Econ. Rev. 95 (2005), 530 ff. andererseits. 146 Siehe auch (in Bezug auf die Abbedingung dispositiven Rechts) Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 74. 147 Dazu Kahnemann/Knetsch/Thaler, J. Pol. Econ. 98 (1990), 1325, 1344. 148 Rachlinski, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), 1165, 1219 ff., 1225. 149 Dazu Korobkin, in: Sunstein, Behavioral Law, S. 116, 139; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 73 ff.; Eidenmüller, JZ 2011, 814, 817.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
c) Kontextabhängigkeit von Besitzeffekten Bei alldem darf aber nicht übersehen werden, dass die Reichweite von Besitzeffekten limitiert ist150. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Rationalitätsdefizite vor allem dann auftreten, wenn der Verlust eines Guts droht, dessen objektiver Wert nicht leicht bestimmbar ist, wie in unserem Beispiel mit der Taschenuhr. In experimentellen Anordnungen, in denen es primär um die Verteilung von Geldbeträgen ging, verhielten sich die Probanden hingegen regelmäßig ökonomisch rational und bestätigten die Vorhersagen des Coase-Theorems151. Andere Untersuchungen ergaben, dass auch der Wert und die Einzigartigkeit des Gegenstandes sowie der Umstand, von wem der Eigentümer den Gegenstand erhalten hat, für das Ausmaß von Besitzeffekten von Bedeutung sind152: War die Sache beispielsweise das Geschenk eines engen Freundes, fällt der Besitzeffekt deutlich stärker ins Gewicht, als wenn der Eigentümer die Sache von einem Fremden erhalten hat. Außerdem fielen Besitzeffekte bei wertvollen Gegenständen signifikanter aus als bei Sachen von geringem Wert. Empirische Studien konnten außerdem nachweisen, dass das konkrete Ausmaß von Besitzeffekten vom Persönlichkeitsprofil153 des Eigentümers abhängt sowie von der Art der Emotionen, die ein bestimmter Gegenstand bei dieser Person hervorruft. In diesem Zusammenhang konnte experimentell gezeigt werden, dass negative Emotionen gegenüber dem Veräußerungsgegenstand Besitzeffekte erheblich verminderten154. Aus psychologischer Perspektive betrachtet, fallen die durch das Innehaben des Gegenstandes vermittelten positiven Gefühle hier nicht mehr nennenswert ins Gewicht. Das gilt beispielsweise für den Fall, dass der Eigentümer den Erwerb bereut oder er von der Sache enttäuscht ist155. Schließlich konnte nachgewiesen werden, dass Besitzeffekte bei sich wiederholenden Transaktionen nur wenig ins Gewicht fallen und zum Teil vollständig verschwinden156. Werden Gegenstände nämlich fortlaufend erworben und wieder veräußert, fallen auch die positiven mit dem Erwerb verbundenen Gefühle schwächer aus. Der Gegenstand wird zur austauschbaren Handelsware157. Zugleich vermindern wiederholte Transaktionen auch Unsicherheiten, die sich aus einem Verlust des Gegenstandes sowie der Wertschätzung des Gegenstandes 150
Dazu ausf. Plott/Zeiler, Am. Econ. Rev. 95 (2005), 530 ff.; Jolls, in: Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics, S. 115, 119 ff.; Georgantzís/Navarro-Martínez, J. Econ. Psych. 31 (2010), 895 ff.; Jefferson/Taplin, J. Econ. Psych. 32 (2011), 899 ff.; Biel/Johansson-Stenman/Nilsson, J. Econ. Psych. 32 (2011), 908 ff.; Martinez/Zeelenberg/Rijsman, J. Econ. Psych. 32 (2011), 962 ff.; aus dem deutschen Schrifttum Bechtold, Grenzen, S. 233 f., 323 f. 151 Siehe Hoffman/Spitzer, J. L. & Econ. 25 (1982), 73 ff.; dies., J. Legal Stud. 15 (1986), 149 ff. 152 Jefferson/Taplin, J. Econ. Psych. 32 (2011), 899 ff. 153 Dazu etwa Malul/Rosenboim/Shavit, J. Econ. Psych. 39 (2013), 101 ff. 154 Georgantzís/Navarro-Martínez, J. Econ. Psych. 31 (2010), 895, 899 f. 155 Martinez/Zeelenberg/Rijsman, J. Econ. Psych. 32 (2011), 962 ff. 156 Dazu Georgantzís/Navarro-Martínez, J. Econ. Psych. 31 (2010), 895, 906. 157 Vgl. noch Biel/Johansson-Stenman/Nilsson, J. Econ. Psych. 32 (2011), 908, 909.
IV. Grundbegriffe der ökonomischen Analyse des Rechts
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durch andere Marktteilnehmer und den Marktpreis ergeben. Besitzeffekte sind demnach immer dann vernachlässigbar, wenn es um den wiederholten Austausch von Gütern geht, zu denen Marktteilnehmer keine emotionale Bindung aufbauen und deren Verlust auch nicht mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich ihres Wertes verbunden sind. Allerdings hat sich in empirischen Untersuchungen auch gezeigt, dass Marktteilnehmer kaum in der Lage sind, die in wiederkehrenden Marktsituationen gewonnenen Erkenntnisse auf neuartige Marktsituationen zu übertragen.158 Rechtliche Konsequenzen werden sich aus diesen Differenzierungen aber schwerlich ziehen lassen, da die Umsetzung der verhaltensökonomischen Erkenntnisse in Rechtsregeln erhebliche Unsicherheiten in die praktische Rechtsanwendung hineintragen würde. Hinzu kommt, dass es der Verhaltensökonomik bisher nicht gelungen ist, eine allseits belastbare Theorie der Besitzeffekte einschließlich des Phänomens der Kontextabhängigkeit zu entwickeln. Infolge dessen ist auch im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Operationalisierung Zurückhaltung geboten159. d) Implikationen für das Sukzessionsrecht Davon abgesehen darf die Bedeutung der Besitzeffekte gerade mit Blick auf das Sukzessionsrecht nicht überschätzt werden. Die Nachfolgetatbestände und die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien fokussieren nämlich ausschließlich auf die subjektive Änderung der Rechtszuordnung, während infolge der Trennung und Abstraktion von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft die schuldrechtliche Ebene weitgehend außer Betracht bleibt. Die Problematik der Besitzeffekte spielt indes schwerpunktmäßig auf der Ebene des schuldrechtlichen Austauschvertrages eine Rolle. Auf dieser Ebene verhandeln die Vertragsparteien den Kaufpreis. Dort sind Verkaufs- und Erwerbsbereitschaft (willingness to accept – willingness to pay) und die besagte Preislücke von Bedeutung. Auf das dingliche Vollzugsgeschäft schlagen die Besitzeffekte indes nicht im gleichen Maße durch, so dass die Implikationen von endowment effects für diese Untersuchung durchaus limitiert sind. Davon abgesehen muss Berücksichtigung finden, dass Rationalitätsdefizite, die wie auch Besitzeffekte von der persönlichen Gefühlswelt des Einzelnen abhängig sind, nicht zwingend und nicht in gleichem Umfang bei sämtlichen Marktteilnehmern auftreten160, sondern maßgeblich von der Persönlichkeit, den 158
Mayhew/Vitalis, J. Econ. Beh. & Org. 97 (2014), 113 ff. Wie hier auch Rachlinski/Jourden, Vand. L. Rev. 51 (1998), 1541, 1557; Bechtold, Grenzen, S. 324; optimistischer McCabe/Smith/Chorvat, in: Parisi/Smith, Irrational Behavior, S. 68, 82; siehe ferner Korobkin, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), 1227, 1229 f.; vgl. zum Fehlen des Grand Design einer übergreifenden, eigenständigen Verhaltenstheorie Fama, J. Fin. Econ. 49 (1998), 283 ff.; Englerth, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 196 f.; Spindler, FS Säcker, S. 469, 480 f. 160 Dazu Mitchell, Geo. L.J. 91 (2002), 67, 83 ff., 139 ff.; ebenso Jefferson/Taplin, J. Econ. Psych. 32 (2011), 899, 906. 159
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
Gefühlen161 und Lebensumständen der Akteure abhängen162. Rechtliche Reaktionen müssen daher maßvoll ausfallen, wollen sie rational handelnde Personen nicht mit zusätzlichen Kosten belasten163. Ebenso müssen legislatorische Eingriffe darauf bedacht sein, verhaltens- und kognitionspsychologische Effekte nicht in ihr Gegenteil zu verkehren (risk of overshooting)164, was ebenfalls mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre, die sich negativ auf die Effizienz der Ressourcenallokation auswirkten.
V. Abschließende Würdigung Abschließend empfiehlt es sich, einige grundsätzliche Feststellungen zum hiesigen Verständnis der ökonomischen Analyse des Rechts zu treffen. Zunächst ist festzuhalten, dass der ökonomische Forschungsansatz nur eine Methode zur Untersuchung des Rechts darstellt; die Geltung von Rechtsvorschriften und Prinzipien kann der Ansatz nicht in Frage stellen. Deshalb berechtigt das Effizienzprinzip auch nicht dazu, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen165. Durch die Anwendung ökonomischer Modelle kann allerdings ein Urteil darüber gesprochen werden, ob die Auswirkungen von Rechtsnormen nach Maßgabe eines vorgegebenen Kriteriums, etwa der Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands, positiv oder negativ zu bewerten sind. Die ökonomische Methode wird dabei immer dann von besonderem Wert sein, wenn der juristische Untersuchungsgegenstand in besonderem Maße durch ökonomische Interessengegensätze der Beteiligten gekennzeichnet ist. Da es sich beim Sukzessionsrecht um eine Rechtsmaterie handelt, die dem Ausgleich widerstreitender wirtschaftlicher Interessen verpflichtet ist, erscheint es reizvoll, das Forschungsprogramm der Rechtsökonomik auf die rechtsgeschäftliche Sukzession anzuwenden und auf dieser Grundlage auch einen Beitrag zur (rechtsökonomischen) Erklärung der gesteigerten Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen zu leisten. Das geschieht in dem Bewusstsein, dass die ökonomische Analyse sachenrechtlicher Vorschriften und Prinzipien, die für das Sukzessionsrecht von zentraler Bedeutung sind, im Vergleich zu anderen Disziplinen, wie dem Vertrags- und Deliktsrecht, bisher verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit erfahren hat166. So konzentriert sich das sachenrechtliche Schrifttum zumeist auf die 161 Für positive Gefühle siehe Biel/Johansson-Stenman/Nilsson, J. Econ. Psych. 32 (2011), 908 ff.; für Reue und Enttäuschung siehe Martinez/Zeelenberg/Rijsman, J. Econ. Psych. 32 (2011), 962 ff. 162 Dazu ausf. Posner, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1551 ff.; Arlen, Vand. L. Rev. 51 (1998), 1765 ff.; zusf. Spindler, FS Säcker, S. 469, 480. 163 Siehe dazu Camerer/Issacharoff/Loewenstein/O’Donoghue/Rabin, U. Pa. L. Rev. 151 (2003), 1211 ff.; Jolls/Sunstein, J. Legal Stud. 35 (2006), 199, 226, 228 ff. 164 Dazu Jolls/Sunstein, J. Legal Stud. 35 (2006), 199, 226, 230 f. 165 Ebenso Kübler, FS Steindorff, S. 687, 698; vgl. auch Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 215 f.
V. Abschließende Würdigung
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dogmatische, zuweilen auch rechtspolitische Durchdringung des Rechtsstoffes, ohne in nennenswerter Weise ökonomische Erkenntnisse für das Rechtsgebiet fruchtbar zu machen. Umgekehrt spielt aber auch das Sachenrecht im rechtsökonomischen Schrifttum noch eine untergeordnete Rolle; der Fokus liegt allzu oft ausschließlich auf dem Konzept der Handlungs- und Verfügungsrechte (property rights), ohne dass in diese Betrachtung die normativen Vorgaben des Sachenrechts in nennenswerter Weise einbezogen würden. Es ist ein Anliegen dieser Untersuchung, rechtsökonomische Modelle an die primär sachenrechtlich geprägten Vorschriften und Prinzipien des Sukzessionsrechts heranzutragen. Der Anwendungsschwerpunkt ökonomischer Methoden wird auf der rechtspolitischen Analyse von Einzelvorschriften und Rechtsgrundsätzen liegen167. Es wird sich zeigen, dass ein ökonomischer Begründungsansatz bekannte Regelungsmodelle aus einer anderen Perspektive in einem neuen Licht erscheinen lassen und sie auf eine neue – womöglich – solidere Grundlage stellen kann. Da die Rechtsökonomik nach hiesigem Verständnis keinen Ausschließlichkeitsanspruch erhebt, werden rechtspolitische Vorschläge auch nicht ausschließlich auf eine rechtsökonomische Grundlage gestellt, sondern immer auch außerökonomische Wertungsgesichtspunkte mit einzubeziehen haben168. Die rechtsökonomische Methode ist indes keineswegs auf Überlegungen de lege ferenda beschränkt, sie kann – nach zutreffender Auffassung169 – gleichermaßen im Rahmen einer teleologischen Gesetzesinterpretation Platz greifen. Ist der Zweck einer Vorschrift bestimmt170, liegt der Wert angewandter Rechtsökonomik darin, diejenige Auslegungsvariante zu identifizieren, die dem vorgefundenen Telos der Vorschrift am ehesten entspricht. Das gilt in besonderem Maße, wenn der Gesetzgeber Aspekte ökonomischer Effizienz, die hinter einer Rechtsnorm stehen, in den historischen Materialien offen gelegt hat und sich die tragenden Gesichtspunkte auf dem Boden moderner Dogmatik auch weiterhin als tragfähig erweisen171. Aber auch dort, wo dies nicht der Fall ist, das Gesetz aber in sonstiger Weise einen Interpretationsspielraum eröffnet, wie z.B. bei Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen, können ökonomische Er166 Siehe aber die Nachw. oben in Fn. 8 sowie Lueck/Miceli, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 187. 167 Dazu näher v. Aaken, Choice, S. 156 ff.; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 15; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 17. 168 Stürner, JZ 2012, 10, 23 fordert nicht ohne Grund eine größere Offenheit der ökonomischen Methode für außerökonomische Elemente; für die Berücksichtigung rechtlicher und außerrechtlicher Argumente auch Martens, Rth 42 (2011), 145, 151 f. 169 Dazu näher Kirchner, in: Riesenhuber, Methodenlehre, S. 132, 134 ff.; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 227 ff.; v. Aaken, Choice, S. 154 f.; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Methoden, S. 9 ff.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 18; Martens, Rth 42 (2011), 145, 152, 165. 170 Zu den Schwierigkeiten dieser Bestimmung exemplarisch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 149 ff., 153 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 717 ff.; Müller/Christensen, Methodik I, Rn. 364.
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§ 3 Ökonomische Analyse des Rechts
wägungen zur Auslegung herangezogen werden172. Die ökonomische Analyse dient dann als Grundlage für die Prognostizierung der Realfolgen des bestehenden Meinungsspektrums, die sich anhand der legislatorischen Zielstellung der Rechtsvorschriften abgleichen lassen. Auch in diesem Zusammenhang erhebt die ökonomische Theorie keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Wirtschaftliche Argumente können im Rahmen der teleologischen Interpretation Berücksichtigung finden. Ihnen kommt aber kein genereller Vorrang gegenüber den tradierten Methoden im hergebrachten System des Auslegungskanons zu173. Vielmehr ist das Verhältnis und die Gewichtung der Methoden untereinander anhand der fraglichen Vorschriften und der zugrunde liegenden legislatorischen Wertungen zu bestimmen174. Setzt sich eine auf Grundlage der traditionellen Methoden ermittelte Auslegungsvariante allerdings zu dem mittels ökonomischer Analyse gefundenen Ergebnis in Widerspruch, erhöht dies unweigerlich den Rechtfertigungs- und Begründungsdruck auf die Vertreter der hergebrachten Position175. Beachtet man diese Grundsätze und ist man sich ihrer Schwächen bewusst, kann die rechtsökonomische Methode einen gewichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Durchdringung des Sukzessionsrechts leisten176 und so die Grundlage für die Entscheidung von Grund- und Zweifelsfragen bilden.
171 Das ist weithin anerkannt; vgl. etwa Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 127; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 434 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 452 f.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 20; Martens, Rth 42 (2011), 145, 152, 165; eingehende, zum Teil kritische Analyse bei Lieth, Analyse, S. 96 ff. 172 Im Ergebnis wie hier auch Horn, AcP 176 (1976), 307, 320 ff.; Kübler, FS Steindorff, S. 687, 690 ff.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 136; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 443; Kötz/Schäfer, Rth 30 (1999), 130, 134 ff.; Ott/Schäfer, Lehrbuch, S. 16 f.; dies., JZ 1988, 213, 214, 216 f.; Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 45 ff.; ders., AcP 206 (2006), 352, 424 ff.; Spindler, FS Säcker, S. 468, 480; zurückhaltend, aber im Grundsatz bejahend Lieth, Analyse, S. 153 ff.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen, § 11 Rn. 20; a.A. Eidenmüller, Effizienz, S. 426 ff., 454 ff., 486 f.; relativierend später ders., JZ 2001, 1041. 173 Zum Ausschließlichkeitsanspruch krit. Adams, Jura 1984, 337 ff.; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 444; siehe dazu noch Eidenmüller, Effizienz, S. 169 ff. Für eine einschränkte Beachtlichkeit ökonomischer Argumente im Rahmen des hergebrachten Interpretationskanons Lieth, Analyse, passim, insb. S. 20. 174 So auch Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 444, 447, 450 ff. 175 Vgl. auch Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 214; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 451 f. 176 Allgemein Kötz/Schäfer, Rth 30 (1999), 130, 135 f.
2. Teil
Prinzipien des materiellen Sukzessionsrechts
1. Kapitel
Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession Im ersten Teil der Arbeit ist deutlich geworden, dass die Zuordnung und Übertragung von dinglichen und obligatorischen Rechten auf dem gleichen rechtskonstruktiven Fundament stehen. Im zweiten Teil werden auf dieser Grundlage nun die einzelnen Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Sukzession entfaltet, und zwar unter Fokussierung auf die Eigentumsübertragung, die Forderungszession sowie die Schuld- und Vertragsübernahme. Wo dies zum Verständnis der Sukzessionsprinzipien geboten erscheint, werden außerdem noch weitere Vermögenspositionen in die Betrachtung einbezogen, namentlich Gesellschaftsanteile und beschränkte dingliche Rechte. Die einfachgesetzlichen Übertragungsvorschriften1 bilden die Grundlage für die rechtsdogmatische Herleitung der Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession in Gestalt ihrer zentralen Strukturprinzipien. Den Ausgangspunkt bildet das Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Es besagt, dass Vermögenspositionen im Grundsatz frei übertragbar sind und Beschränkungen einer besonderen Rechtfertigung unterliegen (§ 4). Weitere Strukturvoraussetzungen sind die Sukzessionsbefugnis des Veräußerers (§ 5) sowie das Koinzidenz- und Kongruenzprinzip, die nach einer zeitlichen und sachlichen Entsprechung der einzelnen Tatbestandsmerkmale verlangen (§ 12). Die rechtsgeschäftliche Nachfolge setzt außerdem eine Einigung zwischen den Parteien des Übertragungsgeschäfts voraus; es gilt folglich das Einigungsprinzip (§ 6). Weitere Universalprinzipien sind das Trennungs- und Abstraktionsprinzip (§ 7) sowie das Spezialitätsprinzip und das Bestimmtheitsgebot (§ 8). Es folgen noch drei zentrale Prinzipien, die nicht für sämtliche Sukzessionstatbestände Gültigkeit besitzen, und zwar der Grundsatz der Formfreiheit (§ 9), das Publizitätsprinzip (§ 10) und schließlich das Prinzip des Gutglaubenserwerbs (§ 11).
1
Vgl. §§ 398 ff.; 414 ff.; 873, 925; 929 ff. BGB.
§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit Das deutsche Privatrecht ist beherrscht vom Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen. Mit anderen Worten: Es gilt das Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Allerdings wird das Prinzip mittels zahlreicher Übertragungsbeschränkungen privat- und öffentlichrechtlicher Provenienz durchbrochen. Bis heute fehlt es an einer übergreifenden Erklärung der prinzipiellen Sukzessionsfreiheit auf der einen Seite und einer überzeugenden Systematisierung der Übertragungsbeschränkungen auf der anderen1. Zu beiden Problemkreisen möchte der Abschnitt einen Beitrag leisten. Dem Untersuchungsprogramm der Arbeit folgend wird zunächst der Grundsatz der Sukzessionsfreiheit als Strukturprinzip der rechtsgeschäftlichen Nachfolge aus dem systemprägenden Prinzip der Privatautonomie abgeleitet, verfassungs- und unionsrechtlich fundiert sowie einer rechtsökonomischen Analyse unterzogen (I.). Im Anschluss daran werden die Reichweite und die Grenzen der einfachgesetzlich gewährleisteten Sukzessionsfreiheit im Einzelnen ausgemessen (II. und III.).
I. Herleitung und Grundlagen 1. Privatautonomie als Grundlage der Sukzessionsfreiheit Das der rechtsgeschäftlichen Nachfolge zugrunde liegende Prinzip der Sukzessionsfreiheit ist aufs Engste mit der Privatautonomie verknüpft, die ihrerseits einen Grundpfeiler der Privatrechtsordnung bildet2. Der Kerngedanke der Privatautonomie3 liegt darin, dass alle Rechtssubjekte – Individuen und Verbände gleichermaßen – die Fähigkeit besitzen, ihre Rechtsverhältnisse nach dem eigenen Willen zu gestalten (Gestaltungsfreiheit) und in willentlicher Selbstbestimmung miteinander in (rechtliche) Beziehungen zu treten (Interaktionsfrei1 An dem auf das hiesige Themenfeld bezogene Urteil von Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93 hat sich nichts geändert: „Es gibt eine deutliche Diskrepanz zwischen der Bedeutung des Problems und seiner systematischen Durchdringung.“ 2 Dazu allgemein und ausf. Bydlinski, Privatautonomie (1967); ders., System, S. 147 ff.; Hofer, Freiheit (2001); Medicus, Abschied (1994); Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13 ff.; zusf. Petersen, Jura 2011, 184 ff.; Mankowski, AcP 211 (2011), 153, 154; aus der Rechtsprechung siehe noch BGHZ 125, 206, 209. Zum Verhältnis Privatrecht und Privatautonomie eindrücklich Grundmann, FS Hopt, S. 61 ff. 3 Zum Begriff der Autonomie im Privatrecht siehe ausf. Püls, Parteiautonomie, S. 24 ff.
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§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit
heit)4. Die Motive zum BGB definieren Privatautonomie als die „Befugniß, innerhalb der Grenzen des dispositiven Rechtes die privaten Angelegenheiten im Wege des Rechtsgeschäftes zu regeln“5; unter Rechtsgeschäft versteht der historische Gesetzgeber „eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist“6.7 Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung charakterisiert die Privatautonomie als „Prinzip der eigenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen“8, die „Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben“9 und als das Recht auf „freies und eigenverantwortliches Handeln in Beziehung zu anderen“10.11 Die hierin verbürgte individuelle Willkür im Sinne der Abwesenheit von hoheitlichem Rechtszwang12 ist eine fundamentale Determinante des Privatrechts13 in Tradition der römischen Rechtsparömie stat pro ratione voluntas14. Privatautonomie erscheint insofern als Manifestation der liberalen Privatrechtsidee überhaupt. 4 Zur Privatautonomie instruktiv Flume, AT II, § 1; siehe ferner Bork, BGB AT, Rn. 99 ff.; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 17, 41; Wolf/Neuner, BGB AT, § 1 Rn. 6, § 2 Rn. 14, § 10 Rn. 27 ff.; Medicus, BGB AT, Rn. 172 ff.; Hönn, Jura 1984, 57 ff.; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 ff.; Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13, 14 ff.; monografisch Busche, Privatautonomie, S. 13 ff. 5 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 10. 6 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 126. Weiter heißt es dort: „Das Wesen des Rechtsgeschäftes wird darin gefunden, daß ein auf die Herbeibringung rechtlicher Wirkungen gerichteter Wille sich bethätigt, und daß der Spruch der Rechtsordnung in Anerkennung dieses Willens die gewollte rechtliche Gestaltung in der Rechtswelt verwirklicht.“ An späterer Stelle (S. 190) lesen wir: „Die Rechtsordnung gewährt dem Einzelnen die Möglichkeit, innerhalb gewisser, durch höhere Rücksichten bedingter Schranken seine rechtlichen Verhältnisse frei zu gestalten. Dem auf die Herbeiführung einer rechtlichen Wirkung gerichteten Willen wird in Anerkennung dieses Willens Folge gegeben; die beabsichtigte rechtliche Gestaltung tritt ein, weil sie gewollt ist“. 7 Zur privatrechtstheoretischen Diskussion der Privatautonomie im 19. Jahrhundert umfassend Hofer, Freiheit (2001). Zu den Zusammenhängen von Privatautonomie, Rechtsgeschäft und Willenserklärung heute Medicus, BGB AT, Rn. 175; Petersen, Jura 2011, 184, 184 f.; Leenen, FS Canaris I, S. 699 ff., 727. 8 BVerfGE 72, 155, 170; vgl. weiter BVerfGE 89, 214, 231; BVerfG NJW 1996, 2021. 9 BVerfGE 89, 214, 231; 99, 341, 350; 114, 1, 34; BVerfG NJW 1994, 2749, 2750; NJW 1996, 2021. 10 BVerfG NJW 2007, 286, 287. 11 Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung von Privatautonomie siehe vorerst nur Höfling, Vertragsfreiheit, S. 28 ff.; Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13, 67 ff.; vgl. weiter unten § 4 I. 2. 12 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 150 Rn. 12. 13 In diesem Sinne insbesondere auch Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 53 ff. – Der Begriff der Willkür bezieht sich darauf, ausschließlich seinem eigenen Willen verpflichtet zu sein. Die Wirkungen der Willkür sind also grundsätzlich auf die eigene Person beschränkt und erlauben typischerweise keine Beeinträchtigungen von Drittinteressen. Vgl. auch F. v. Hippel, Problem, S. 61 f., Fn. 4. 14 Vgl. allgemein Picker, JZ 2003, 540, 543: „so lautet das Prinzip privatautonom-freiheitlicher Gestaltung“; ferner Flume, AT II, § 1, 5; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 150 Rn. 12; Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13, 15; kritisch zum Rekurs auf das Sprichwort Mayer-Maly, FS Kramer, S. 21, 26.
I. Herleitung und Grundlagen
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Dahinter steht die Erkenntnis, dass der Einzelne selbst am besten darüber entscheiden kann, wie er seine rechtlichen Verhältnisse gestalten und dieser Selbstgestaltung in rechtlicher Weise Ausdruck verleihen will15. Das hier skizzierte traditionelle Verständnis lässt sich in seiner heutigen Form16 bis zur berühmten Definition des Rechts bei Immanuel Kant zurückverfolgen; er schrieb17: „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“
Kant hat das Recht damit „auf den Boden der Freiheit gestellt“18 und steht in der Tradition der großen Philosophen der Aufklärung, die „den Menschen in einen natürlichen Zustand der Freiheit hineingeboren“ sehen19. John Locke betrachtet den vorgesetzlichen Zustand der Menschheit als einen solchen perfekter Freiheit und Gleichheit; und auch Jean-Jacques Rousseau verankert sein Konzept der politischen Philosophie in der freien Geburt des Menschen20. Hieran anknüpfend charakterisieren das Selbstbestimmungsrecht und die Unabhängigkeit des Individuums von natürlichen Voraussetzungen die Rechtslehre Kants, welche die Freiheit als den äußeren, rechtlichen Gebrauch der Willkür des Menschen in „Unabhängigkeit von eines Anderen nötigender Willkür“ begreift21: „Freiheit (…), sofern sie mit jedes Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht“.
Das Freiheitspostulat ist demnach in der Wesenheit des Menschen verankert und schließt die Anerkennung der Freiheit anderer ein. Denn: Eigenverantwortliche Selbstbestimmung setzt in einer Welt von Individuen voraus, ein 15
Vgl. Mayer-Maly, FS Kramer, S. 21, 26; Mankowski, AcP 211 (2011), 153, 154. Als Grundlage für die Lösung rechtlicher Fragestellungen lagen schon dem römischen Recht Denkfiguren zugrunde, die bemerkenswerte Verbindungslinien zum heutigen Konzept der Privatautonomie aufweisen. In diesem Zusammenhang verdanken wir den Römern die bekannte Rechtsparömie ius civile scriptum est vigilantibus, die uns darauf hinweist, dass das Recht für den Wachsamen geschrieben ist, vgl. Dig. 42.8.24; dazu ausf. Baldus, AcP 210 (2010), 2 ff., 15 ff.; siehe ferner Heinrich, Freiheit, S. 14 ff.; Petersen, Jura 2011, 184. Siehe ferner noch die dogmengeschichtlichen Hinweise von Rittner JZ 2011, 269, 271. 17 Kant, Rechtslehre, S. 38; zur Philosophie Kants in diesem Zusammenhang ausf. Püls, Parteiautonomie, S. 27 ff. 18 Hoffmann, ARSP 87 (2001), 449, 451; Gierhake, in: Krüper, Grundlagen, § 1 Rn. 28; siehe ferner Brugger, JZ 1991, 893 ff.; Zaczyk, JuS 2004, 96 ff. – Zum Einfluss Kants auf die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts in Deutschland, insbesondere auf v. Savigny siehe Wieacker, Gründer, S. 133 ff. 19 So Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 50. 20 Originalzitate sind wiedergegeben bei Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 50 f. 21 Kant, Rechtslehre, S. 47; dazu Brugger, JZ 1991, 893, 895; Hoffmann, ARSP 87 (2001), 449, 458 f.; Zaczyk, JuS 2004, 96, 98; Gierhake, in: Krüper, Grundlagen, § 1 Rn. 28. 16
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§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit
selbstbestimmtes Handeln „für jeden einzelnen und zugleich für alle“ zu gewährleisten22. Recht fungiert in diesem Zusammenhang als „Medium der Freiheitsverwirklichung, als die Möglichkeit der Realisierung freiheitlicher Verhältnisse“23. Das Prinzip der Privatautonomie verwirklicht die zentrale Idee der Aufklärung von der Freiheit des Individuums als Grundlage für die – auch rechtliche – Gestaltung der Gesellschafts- und Privatrechtsordnung24. Dieser Grundgedanke pflanzte sich über Friedrich Carl von Savignys Bekenntnis zum „Wille(n) an sich als das einzig Wichtige und Wirkliche“25 bis zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches fort. Dem Kant’schen Rechts- und Freiheitsbegriff ebenso verpflichtet wie den Grundvorstellungen des individuellen Liberalismus26 durchwirkt das Postulat der Privatautonomie die gesamte Kodifikation. Privatautonomie gewährleistet in dieser Tradition nicht allein die freiheitliche Begründung subjektiver Rechte und die freie inhaltliche Ausgestaltung von schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen (Vertragsfreiheit)27, sondern auch die Fähigkeit der Rechtssubjekte, über die ihnen zugeordneten Sachen, Rechte und Pflichten nach Belieben zu verfügen (Verfügungsfreiheit)28, einschließlich der Freiheit, Vermögenspositionen nach Belieben zu veräußern und zu erwerben (Sukzessionsfreiheit). Erst die Anerkennung von Sukzessionsfreiheit komplettiert den Kerngedanken der Privatautonomie und ermöglicht dem Einzelnen seine Rechtsverhältnisse tatsächlich selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten29. 22
Treffend Zaczyk, JuS 2004, 96, 98. Gierhake, in: Krüper, Grundlagen, § 1 Rn. 28. 24 Vgl. Heiss, Formmängel, S. 42. 25 So v. Savigny, System III, S. 258; vgl. auch Petersen, Jura 2011, 184; Püls, Parteiautonomie, S. 31 f. – Zur Bedeutung v. Savigny aus Anlass seines 150. Todestages siehe Benedict, JZ 2011, 1073 ff. 26 Dazu näher Wieacker, Sozialmodell, S. 8 ff.; Hönn, Jura 1984, 57, 58; Reuter, in: Bydlinski/ Mayer-Maly, Grundlagen, 1994, S. 105 ff.; Busche, Privatautonomie, S. 63 ff.; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Schön, FS Canaris I, S. 1191 f. – Wieacker, Sozialmodell, S. 9 bezeichnete das BGB pointiert als das „spätgeborene Kind der Pandektenwissenschaft und der nationaldemokratischen, insoweit vor allem vom Liberalismus angeführten Bewegung seit 1848“. Vgl. weiter Stürner, JZ 1996, 741, 742. Speziell zum Liberalismus als leitender politischer Idee des 19. Jahrhunderts: Coing, Privatrecht II, S. 70; zur vorausgegangenen Entwicklung Geißler, JuS 1991, 617, 620; zu den liberalistischen Einflüssen auf das deutsche Wirtschaftssystem in Bezug auf das zeitgenössische Unternehmensrecht ausf. Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht I, 10. Kap. Rn. 9 f. 27 Speziell hierzu Motive zum BGB, Bd. 2, S. 2; Flume, AT II, § 1, 8 a; Wolf/Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 27 ff.; Bork, BGB AT, Rn. 660 ff.; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1. Zur Vertragstheorie ausf. Unberath, Vertragsverletzung (2007). 28 Wie hier etwa Wolf/Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 41; Geißler, JuS 1991, 617, 618 f.; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 859; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 373; Walz, Systemdenken, S. 10 f.; vgl. noch Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 1 I 1. – Schon die Römer konnten über ihre Güter im Grundsatz frei verfügen und müssten die Konsequenzen ihrer Handlungen selbst tragen; vgl. Baldus, AcP 210 (2010), 2, 3. 29 Siehe auch den rechtsanthropologischen Ansatz von Lindner, RW 2011, 1, 11, der eine „individuell-kulturelle“ Ausprägung des Rechtsbegriffs entwirft, der „die natürliche, aus der Vernunftbegabung resultierende Bestrebung des Menschen im Blick hat, sich zu entfalten, seine Ideen und Fähigkeiten selbstbestimmt einzusetzen, mit anderen zu kommunizieren, zu koope23
I. Herleitung und Grundlagen
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Vertrags- und Sukzessionsfreiheit bilden in unserer vom Trennungs- und Abstraktionsprinzip30 geprägten Privatrechtsordnung das gemeinsame Fundament für einen ungehinderten Warenaustausch im modernen Rechts- und Wirtschaftsverkehr. Die Freiheit, über Rechtspositionen nach Belieben zu verfügen, ist notwendige Voraussetzung für die schuldrechtliche Vertragsfreiheit31. Vollzieht sich die Übertragung von Rechten nicht aufgrund eines abstrakten dinglichen Vertrages, sondern – wie beispielsweise in Frankreich32 – allein durch obligatorischen Vertrag, dann bildet bereits die dingliche Wirkung des Schuldvertrages das Kernelement der privatautonomen Selbstgestaltung und verwirklicht so den Grundgedanken der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Rechtsübergangs ist die Sukzessionsfreiheit ein integrales Herzstück moderner westlicher Zivilrechtsordnungen.
2. Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen Das Prinzip der Privatautonomie genießt in einer positivistischen Rechtsordnung wie der unsrigen keine apriorische Geltung. Die Privatautonomie ist gerade kein „sich selbst forderndes Absolutum, welches jeder einer humanen Ethik verpflichteten Rechtsordnung vorgegeben sein muß“33; vielmehr gilt sie stets nur auf Grundlage und im Rahmen der Rechtsordnung34. Ihr Inhalt und ihre Reichweite sind unter Ausgleichung der tangierten Individual- und Gemeininteressen durch den Regelsetzer näher auszuformen. Es ist die Rechtsordnung, die für die Rechtsgeltung der individuellen Willensmacht die institutionellen Rahmenbedingungen schafft. Die legislatorische Ausgestaltung der Privatautonomie löst zugleich den Gestaltungsauftrag der Eigentums- und Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ein35 und sichert dem Einzelnen außerdem die ihm verfassungsrechtlich verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG36. 30 rieren und mitunter über sich hinauszuwachsen.“ Diese Rechtsdimension leitet Lindner aus der Vorstellung von richtigem Recht ab: „Recht ist richtig, wenn es dem Menschen in seiner natürlichen Erschaffenheit, seiner Kreatürlichkeit gerecht wird.“ 30 Dazu ausf. unten § 7. 31 Dazu und zum Folgenden auch Schapp, AcP 192 (1992), 355, 373. 32 Vgl. vorerst nur Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 28 ff. 33 So aber Geißler, JuS 1991, 617, 619. 34 Grundlegend Flume, AT II, § 1, 2; ebenso BVerfGE 81, 242, 254; 89, 214, 231; 114, 1, 34; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 150 Rn. 74 ff.; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 23; Busche, Privatautonomie, S. 15; Badura, FS Rittner, S. 1, 2; F. v. Hippel, Problem, S. 103 f.; zu den Konsequenzen unten § 4 II., III. 35 In Betracht kommen weiterhin die Spezialgewährleistungen in Art. 6, 9 und 12 GG; vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 29. 36 Zum Schutz der Privatautonomie aus der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung BVerfGE 8, 274, 328; 12, 341, 347; 65, 196, 210; 70, 115, 123; 72, 155, 170; 74, 129, 151 f.; 89, 214, 231 f.; 95,
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§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit
Die verfassungsrechtliche Verankerung der Privatautonomie trägt dem Stellenwert Rechnung, den unsere Rechtsordnung der Selbstgestaltung rechtlicher Beziehungen durch das Individuum beimisst. Das individuelle Bedürfnis nach eigenverantwortlicher Selbstbestimmung wurzelt tief im menschlichen Wesen und genießt daher die grundrechtliche Gewährleistung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)37. Das Bundesverfassungsgericht erkennt in der Privatautonomie mit Recht ein maßgebliches „Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung“38. Diese in einem umfassenden Sinne39 zu verstehende allgemeine Handlungsfreiheit enthält zugleich auch eine aus der objektiv-rechtlichen Dimension des Verfassungsrechts40 ableitbare Grundwertung für das Recht auf individuelle Selbstverwirklichung41. Zum einen richtet sich die Wertentscheidung als Auftrag an den einfachen Gesetzgeber, dem Einzelnen ein Mindestmaß an eigenverantwortlicher Selbstbestimmung zu gewährleisten; Beschränkungen der individuellen Freiheit sind rechtfertigungsbedürftig. Wer die Privatautonomie oder die freie Übertragbarkeit von Vermögenspositionen einschränken will, trägt dafür die Begründungslast42. Zum anderen schlägt sich die objektive Wertentscheidung der verfassungsrechtlich verbürgten Handlungsfreiheit im Rahmen der Interpretation des einfachen Gesetzesrechts nieder. Im Zweifel ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die eine reibungslose Interaktion zwischen den Rechtssubjekten und eine ungehinderte Zirkulation von Rechtspositionen gewährleistet.
37 267, 303 f.; 99, 341, 350; 103, 89, 100; 114, 1, 34; monografisch Höfling, Vertragsfreiheit, passim, insb. S. 6 ff.; dort S. 14 ff. auch zu den Gewährleistungen von Spezialgrundrechten; Ruffert, Vorrang, S. 287 ff.; vgl. weiter Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 150; Heinrich, Freiheit, S. 69 ff.; Starck, in: v. Mangoldt, GG, Art. 2 Rn. 145; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 101 ff.; Lorenz, in: BK, GG, Art. 2 Rn. 204 ff.; Bork, BGB AT, Rn. 102; Larenz, Schuldrecht I, § 4 IV; Larenz/Wolf, BGB AT, § 13 Rn. 41; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 61; zum Verhältnis Privatautonomie und Grundgesetz auch Flume, AT II, § 1, 10. 37 Dazu BVerfGE 72, 155, 170; 89, 214, 231 f.; zur Privatautonomie als Gegenstand der allgemeinen Handlungsfreiheit monografisch Busche, Privatautonomie, S. 22 ff. 38 BVerfGE 81, 242, 254. 39 BVerfGE 6, 32, 36, 38 ff.; 8, 274, 328; 12, 341, 347; 54, 143, 144; 74, 129, 151; 75, 108, 154 f.; 80, 137, 152 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 3; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 12 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 6 ff.; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 11; a.A. (Lehre vom Persönlichkeitskern) etwa Peters, FS Laun, S. 669, 673; ausf. zur Kritik an der h.M.: Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 9 ff.; Pieroth, AöR 115 (1990), 33 ff. 40 BVerfGE 50, 290, 337; 89, 214, 231 f.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 120 Rn. 84 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 304 ff.; Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1, 12 f.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225 ff.; Jeand’Heur, JZ 1995, 161, 163; Singer, JZ 1995, 1133, 1138 f., 1141; Busche, Privatautonomie, S. 25 ff. 41 Zum Ganzen ausf. Busche, Privatautonomie, S. 22 ff.; siehe ferner Schapp, AcP 192 (1992), 355, 383: „Privatautonomie (…) bedeutet die Priorität der Gestaltungsfreiheit des einzelnen und die Subsidiarität der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers in diesem Bereich.“ – Zur Bedeutung der Privatautonomie im Unionsrecht siehe etwa Grundmann, JZ 2000, 1133 ff. 42 Siehe exemplarisch aus der letzten Zeit Flessner, FS Canaris II, S. 545; Schön, FS Canaris I, S. 1191, 1202 ff.; Schmolke, AcP 208 (2008), 515, 526.
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Die Sukzessionsfreiheit ist für absolut zugewiesene Vermögenspositionen, zu denen nicht nur das Sacheigentum, sondern auch Forderungen und andere Rechte zählen43, außerdem eigentumsrechtlich nach Art. 14 Abs. 1 GG garantiert. Josef Isensee bezeichnet das Eigentum insofern trefflich als „gespeicherte Privatautonomie“44. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem richtungsweisenden Beschluss vom 19.6.196945 ausdrücklich anerkannt, dass „die Freiheit des Eigentümers, sein Eigentum veräußern zu dürfen“, von der Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist. Weiter heißt es dort46: „Diese Befugnis (scil.: des Eigentümers, sein Eigentum veräußern zu dürfen) ist auch ein elementarer Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung. Ein Veräußerungsverbot gehört somit zu den schwersten Eingriffen in diesen Freiheitsbereich des Bürgers. Daher kann nicht jedes nur denkbare öffentliche Interesse eine Beschränkung rechtfertigen; es müssen vielmehr solche Gründe des allgemeinen Wohles vorliegen, denen auch bei Beachtung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Vorrang vor dem grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers zukommt.“
Überhaupt ist der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff neben dem Merkmal der Privatnützigkeit durch eine grundsätzliche Verfügungsbefugnis gekennzeichnet47. In seinem Urteil vom 14.2.1988 stellte das BVerfG klar heraus: „Zur eigentums-grundrechtlich garantierten Verfügungsbefugnis gehört auch die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern und aus seiner Vermietung den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für eine eigenverantwortliche Lebensführung beiträgt“48. Es ist unsere privatrechtlich-marktwirtschaftliche Eigentums- und Wirtschaftsordnung, die eine eigentumskräftig verbürgte Verfügungsbefugnis voraussetzt und bedingt49. Zugleich resultiert aus der Gewährleistung der Verfügungsfreiheit auch ein verfassungsrechtlich verankerter Anspruch der Privatrechtssubjekte gegen den Gesetzgeber auf Zurverfügungstellung von Übertragungstatbeständen, mit deren Hilfe der Einzelne von seiner individuellen, durch das Eigentumsgrundrecht gewährleisteten Sukzessionsfreiheit Gebrauch machen kann.50 Die Legislative muss danach nicht nur Sukzessionstatbestände für sämtliche eigentums43
Siehe oben § 2 II. 2. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 120 Rn. 64. 45 BVerfGE 26, 215, 222; zum Verfügungsrecht des Eigentümers vgl. weiter BVerfGE 24, 367, 390; 37, 132, 140; 50, 290, 339; 53, 257, 290; 68, 361, 367; 71, 230, 246; 72, 175, 193; 82, 6, 16; 91, 294, 308; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 65; Hecker, Eigentum, S. 88 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 295; Papier, in: Benda, Handbuch, § 18 Rn. 76; Isensee, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch, § 120 Rn. 64; Krause, JZ 1984, 711, 717 f.; Alexy, Grundrechte, S. 443; Heinrich, Freiheit, S. 87; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 14 ff.; Kloepfer, Grundrechte, S. 42 ff. 46 BVerfGE 26, 215, 222. 47 BVerfGE 52, 1, 30; 79, 292, 303; Depenheuer, in: v. Mangoldt, GG, Art. 14 Rn. 65; ausf. Hecker, Eigentum, S. 88 ff.; Regenfus, Vorgaben, S. 307 f. 48 BVerfGE 79, 292, 304. 49 Vgl. auch Depenheuer, in: v. Mangoldt, GG, Art. 14 Rn. 65. 50 Instruktiv hierzu und zum Folgenden Regenfus, Vorgaben, S. 308 ff. 44
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kräftig geschützten Vermögenspositionen zur Verfügung stellen, sondern auch deren Anwendungsbereich und Tatbestandsvoraussetzungen derart ausgestalten, dass sie einer Realisierung der individuellen Verfügungsbefugnis keine ungerechtfertigten Hindernisse in den Weg stellen. Darüber hinaus ist heute anerkannt, dass das Recht zur privatautonomen Gestaltung der Rechtsverhältnisse und – als deren Teilgewährleistung auch – der Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten unionsrechtliche Geltung beanspruchen51. In der Rechtssache Werhof hat der EuGH die Geltung des Prinzips der Privatautonomie auf unionsrechtlicher Ebene ausdrücklich gebilligt52. Schon zuvor hatte das Gericht festgestellt, dass der „Grundsatz der Vertragsfreiheit (…) nicht eingeschränkt werden kann, wenn es keine Gemeinschaftsregelung gibt, die in dieser Beziehung besondere Beschränkungen festlegt“53. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH anerkennt die EUKommission das Prinzip der Privatautonomie als Teilgewährleistung der unternehmerischen Freiheit gem. Art. 16 EU-GRCharta54. Außerdem misst sie der Vertragsfreiheit als Referenzpunkt für die zukünftige Entwicklung eines einheitlichen europäischen Vertragsrechts „grundlegende Bedeutung“ zu55. Darüber hinaus gewährleistet das Eigentumsgrundrecht des Art. 17 Abs. 1 S. 1 EUGRCharta die Befugnis des Einzelnen, erworbenes Eigentum nicht nur zu besitzen und zu nutzen, sondern ausdrücklich auch, über das Eigentum zu verfügen. Dem ist das Schrifttum weitgehend gefolgt und befürwortet die Anerkennung der individuellen Vertragsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht56, ja als die „wahre Grundfreiheit“57. Das leuchtet unmittelbar ein, wäre doch die Schaffung einer funktionsfähigen, freiheitlich geprägten Markt- und Wettbewerbsordnung in der Europäischen Union ohne die Anerkennung von Vertrags- und Sukzessionsfreiheit schlichtweg undenkbar58. Privatautonomie und 51 Speziell zur Vertragsfreiheit bzw. Privatautonomie Canaris, FS Lerche, S, 873, 889 f.; Steindorff, EG-Vertrag, S. 42; Wolf/Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 29; Riesenhuber, Vertragsrecht, Rn. 131 ff.; Rittner, JZ 1990, 838, 841; ausf. Heinrich, Freiheit, S. 154 ff.; Whittaker, ERCL 2011, 371, 372 ff. 52 EuGH NZA 2006, 376 Tz. 23; vgl. weiter EuGH Slg. 2007, I-6415 Tz. 21, 24, 28 f. 53 EuGH Slg. 1999, I-6571 Tz. 99; zu Art. 16 EU-GRCharta siehe in diesem Zusammenhang weiterführend Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 243 ff. 54 EC Commission, Explanations relating to the Charter of Fundamental Rights, ABlEU 2007, C303/17, 23. 55 Bericht der Kommission, Erster jährlicher Fortschrittsbericht zum europäischen Vertragsrecht und zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands, KOM(2005), 456 endg., unter 2.6.3; dort heißt es weiter: „Sollen Normen zwingend gelten, so ist dies in den Entwürfen klarzustellen und zu begründen“. 56 Dafür ausdrücklich Heinrich, Freiheit, S. 42; den hohen Stellenwert der Vertragsfreiheit in diesem Kontext betonend auch Canaris, FS Lerche, S, 873, 890; Kirchner, in: Weyers, Vertragsrecht, S. 103, 123 ff.; Lorenz, Schutz, S. 21 f.; vgl. weiter Kötz, Vertragsrecht, S. 6 ff., 189 ff.; Rittner, JZ 1990, 838, 841, 846. 57 So Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 8. 58 Vgl. Canaris, FS Lerche, S, 873, 890; Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 8; Steindorff, EG-Vertrag, S. 42; Riesenhuber, Vertragsrecht, Rn. 131; Whittaker, ERCL 2011, 371, 375 f.
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Übertragungsfreiheit setzen aber zugleich eine Marktverfassung voraus, in welcher das Prinzip des unverfälschten Wettbewerbs gilt. Vertrags- und Sukzessionsfreiheit sind damit Grundkonstituanten der gemeineuropäischen Marktund Wettbewerbsordnung. Sie ermöglichen selbstbestimmtes Handeln der Marktteilnehmer im grenzüberschreitenden Handels- und Wirtschaftsverkehr. Autonome Entscheidungen der Marktteilnehmer stehen daher im Zentrum der durch Marktwirtschaft und Subsidiarität charakterisierten Wirtschaftsordnung der EU. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob man Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit auf die unionsrechtliche Gewährleistung des freien Warenverkehrs (Art. 28, 29 AEUV), die in Art. 63 AEUV ausgeformte Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs sowie die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) stützt59 oder sie als selbstverständliche Gewährleistungen des Unionsrechts ansieht60. In jedem Fall ist die freie Übertragbarkeit von Vermögenspositionen sowohl im deutschen Verfassungsrecht wie auch im europäischen Gemeinschaftsrecht fest verankert. Das Primat der Sukzessionsfreiheit eröffnet den Vertragsparteien einen erheblichen Gestaltungsspielraum, der durch legislatorische Maßnahmen nur eingeschränkt werden kann, wenn gewichtige Sachgründe die Freiheitsbeschränkung für das verfolgte Ziel geeignet, erforderlich und angemessen erscheinen lassen. Es gilt der Grundsatz: In dubio pro libertate.
3. Ökonomische Analyse von Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit Das im Bürgerlichen Recht ausgeformte Prinzip der Privatautonomie hatte in seiner ursprünglichen Ausprägung ein liberalistisches Wirtschaftssystem vor Augen, das sich durch die individuellen Anstrengungen des wirtschaftlich denkenden Individuums, einen im Grundsatz unreglementierten Güteraustausch und ein funktionsfähiges, selbstregulatives Marktumfeld auszeichnet61. Auch wenn sich die Rahmenbedingungen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zugunsten eines Wirtschaftssystems der sozialen Marktwirtschaft verschoben haben und legislatorische Eingriffe sowie Entwicklungen in Judikatur und Wissenschaft – namentlich im Schuldvertragsrecht (Stichworte: Arbeitsrecht, Mietrecht, Verbraucherschutz) – zu Einschränkungen im Interesse sozia-
59 So etwa Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 8; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 35 ff.; Lurger, Grundfragen, S. 277; Remien, Vertragsrecht, S. 178 ff.; Schulze, ERPL 2005, 841, 843 f.; vgl. noch Grundmann, ERPL 2008, 553, 560. 60 So etwa Rutgers, ERCL 2009, 95 ff.; in der Sache ebenso Coester-Waltjen, Jura 2006, 436, 438. 61 Prägnant E. Schmidt, JZ 1980, 153, 154 f.; dazu auch Geißler, JuS 1991, 617, 620; vgl. zu dem zeitgenössischen Wirtschaftssystem auch Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht I, 10. Kap. Rn. 9 f.
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ler Gerechtigkeit führten62, entfalten die Gewährleistungen von Vertrags- und Sukzessionsfreiheit als Rechtsprinzipien nach wie vor systemprägende Wirkung. Damit wird nicht etwa unreflektiert einer überkommenen „formalen Freiheitsethik“ das Wort geredet63; ebenso wenig werden die Realitäten der modernen Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft negiert. Nur haben die anhaltenden Materialisierungs- und Konstitutionalisierungsprozesse das Prinzip der Privatautonomie mit einer größeren Zahl von Beschränkungen und Ausnahmen versehen64, es aber als Paradigma keineswegs obsolet werden lassen65. Noch immer bilden Vertrags- und Sukzessionsfreiheit das Fundament unserer privatrechtlichen Ordnung66. Dieser Punkt muss hier nicht weiter vertieft werden, beziehen sich die Umwälzungsprozesse doch primär auf die schuldrechtliche Vertragsfreiheit, während vergleichbar umstürzende Entwicklungen für die primär sachenrechtlich geprägte Sukzessionsfreiheit bisher nicht hervorgetreten sind. Für das Recht der dinglichen Güterzuordnung und die freie Übertragbarkeit von Rechten beanspruchen die Institutionen Markt und Wettbewerb in ihrem Kern auch weiterhin Gültigkeit. Sie bilden den institutionellen Rahmen für die rechtsökonomische Analyse der Sukzessionsfreiheit. Nach herkömmlichem Verständnis gewährleistet die Übertragungsfreiheit an der Schnittstelle von Wirtschaft und Recht die Umsatzfähigkeit von Gütern67 und steigert so die Werthaltigkeit von Vermögensrechten68. Ihre freie Zirkulation ist grundlegende Voraussetzung für eine erhöhte Wertschöpfung. Diese Umlauffähigkeit und Wertschöpfung zu gewährleisten, ist zentrale Aufgabe des Zivilrechts69. Durch die Mobilisierung von Rechten wird der Inhaber nämlich in die Lage versetzt, seine Vermögensrechte zum Zwecke der Kreditsicherung zu beleihen und durch Übertragung entgeltlich zu verwerten. Gleichsinnig begründen die Motive zum 1. BGB-Entwurf die Unzulässigkeit rechtsgeschäftlicher Veräußerungsverbote im Hypothekenrecht70: „(D)ie Rücksicht auf das Gedeihen und die fortschreitende Entwicklung der Verhältnisse des Grundbesitzes erheischt dringend, daß der Eigenthümer möglichst frei über sein Besitzthum verfügen kann. Er muß, wenn seine Mittel nicht mehr ausreichen, rechtlich im 62 Dazu eingehend E. Schmidt, JZ 1980, 153, 155 ff.: „Von der Privat- zur Sozialautonomie“; Geißler, JuS 1991, 617, 620 f.; Hönn, JuS 1990, 953, 954 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 326 ff.; vgl. dazu auch Westermann, AcP 178 (1978), 150 ff.; Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; allgemein zur Entwicklung vom bürgerlich-liberalen zum sozialen Rechtsstaat: Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 539 ff.; zusf. Kramer, in: MünchKommBGB, Vor § 145 Rn. 4 ff. 63 Dazu Wieacker, Sozialmodell, S. 18; kritisch und ausf. Reuter, AcP 189 (1989), 199 ff. 64 Zum Problemkreis exemplarisch Medicus, Abschied (1994); Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 326 ff.; Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13 ff. 65 Das Prinzip der Privatautonomie gegen Angriffe verteidigend etwa Zöllner, JuS 1988, 329 ff. 66 Picker, JZ 2003, 540, 543. 67 So Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 1 I 2. 68 Dazu etwa Larenz/Wolf, BGB AT, § 13 Rn. 41. 69 Hurni, Vermögensübertragung, S. 107. 70 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 682.
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Stande sein, eine neue Hypothek aufzunehmen und, wenn dies nicht gelingt, das Grundstück durch Veräußerung in leistungsfähigere Hände zu bringen.“
Was der historische BGB-Gesetzgeber in den Motiven noch mit wirtschaftlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten begründete, stellt die rechtsökonomische Analyse auf ein neues wirtschaftstheoretisches Fundament. In den Augen der modernen Rechtsökonomik bilden Vertrags- und Sukzessionsfreiheit unverzichtbare Grundvoraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Mechanismen freier Märkte und die Herstellung von Allokationseffizienz71. Schon das grundlegende Paradigma der ökonomischen Analyse – das Coase-Theorem – verlangt von der Rechtsordnung die Schaffung eines Marktes, auf dem Güter bzw. Handlungsrechte (property rights) übertragen werden können72. Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit gewährleisten in einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung, dass knappe Ressourcen zu denjenigen Marktteilnehmern gelangen, bei denen ihre Verwendung den größtmöglichen individuellen Nutzen hervorbringt73. Das geschieht durch die Mechanismen einer ungestörten Preisbildung am Markt, die nach dem ökonomischen Modell die Knappheitsverhältnisse einer Wirtschaftsordnung akkurat abzubilden vermögen. Das Preisbildungsmodell basiert auf der Annahme, dass Marktteilnehmer, die nach Maßgabe ihrer Präferenzen aus dem Gut den größten individuellen Nutzen ziehen können, auch bereit sind, den höchsten Preis für die Ressource zu zahlen. Erst die ungehinderte Übertragbarkeit von Wirtschaftsgütern versetzt den Einzelnen, der eine Sache selbst nicht (optimal) nutzen kann, in die Lage, sie mit Gewinn an einen anderen Marktteilnehmer zu veräußern oder sie zur Kreditsicherung einzusetzen74. Müssten die Ressourcen zwingend in der Hand des ursprünglichen Eigentümers verbleiben, würden sie womöglich verschwendet. Sind Gegenstände hingegen frei veräußerlich, kann sich der Eigentümer leicht von ihnen trennen und die frei gewordene Liquidität in alternative Ressourcen investieren, die einen nach Maßgabe seiner persönlichen Präferenzen höheren individuellen Gewinn versprechen. Hinzu kommt, dass die Veräußerlichkeit von Gütern auch einen individuellen ökonomischen Anreiz schafft, mit den eigenen Sachen sorgsam umzugehen und in ihre Instandhaltung zu investieren, vor allem wenn die Möglichkeit einer späteren Weiterveräußerung besteht. Die freie Übertragbarkeit von Gütern verhindert so zugleich deren Verschwendung. Markt, Wettbewerb und Sukzessionsfreiheit bilden insofern die Grundvoraussetzungen für eine optimale Nutzung knapper Ressourcen. Da der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen aus dem aggregierten Einzelnutzen der Marktak71
Zu den Grundbegriffen der ökonomischen Analyse des Rechts siehe oben § 3 IV. Vgl. Eidenmüller, Effizienz, S. 63 f.; speziell für dingliche Nutzungsrechte Schmolke, WM 2010, 740, 742. 73 Zur ökonomischen Funktion der Vertragsfreiheit ausf. Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 423 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 148 f.; zur Übertragung von Eigentumsrechten ebenso R. Posner, Analysis, S. 95 ff.; Lueck/Miceli, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 245. 74 Dazu und zum Folgenden: Krimphove, Sachenrecht, S. 35. 72
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teure resultiert, steigert die durch freie Übertragbarkeit beförderte Maximierung des Individualnutzens zugleich den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Nach dem ökonomischen Modell stehen in der Konsequenz sämtliche Personen besser als in einer Wirtschaftsordnung, für die Privatautonomie und Übertragungsfreiheit Fremdworte sind75. Die Rede ist von einer zentralisierten Planwirtschaft, die durch hoheitliche Mechanismen für eine Verteilung der Ressourcen sorgt und eine privatnützige Verfügung über Sachen und Rechte ausschließt76. Eine solche (sozialistische) Wirtschaftsordnung sieht sich mit schwierigen Problemen konfrontiert. Da ist zunächst die Frage, wie die originäre Allokation von Ressourcen erfolgen soll. Auch wenn der Staat versucht, sich an den Präferenzen des Einzelnen zu orientieren und im Übrigen eine Zuordnung nach Verdiensten, Funktionalität und sozialen Gesichtspunkten vornimmt, ist eine Güterzuweisung für die Zentralverwaltung mit hohen Zuteilungskosten und Reibungsverlusten verbunden. Noch gravierender ist aber das Problem, dass Präferenzen nach den modernen Erkenntnissen der Verhaltensökonomik nicht kohärent und stabil, sondern zeitabhängigen Veränderungen unterworfen sind77. Verändern sich die individuellen Präferenzen, deckt sich die originäre Güterzuweisung, selbst wenn sie ursprünglich präferenzkonform erfolgte, nicht länger mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. Versucht der Zentralstaat durch Umverteilung gegenzusteuern, fallen erneut hohe Interventionskosten an. Zudem besteht die Gefahr, dass nachträgliche hoheitliche Eingriffe durch die originäre Zuweisung geweckte Erwartungen frustrieren, die Bevölkerung verunsichern und langfristige Investitionen beeinträchtigen78. Die Vorteile, die sich im Gegensatz dazu aus einer privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen im Allgemeinen und aus der freien Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen im Besonderen ergeben, liegen auf der Hand. Erst die ungehinderte Übertragbarkeit von Sachen und Rechten ermöglicht es dem einzelnen Marktteilnehmer, seiner Rolle als Impulsgeber der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nachzukommen. Das ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil zuerst der Einzelne dazu berufen ist, seine Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln79. Keine andere Person, auch nicht der Staat, verfügt über alle notwendigen Informationen, um anstelle des Betroffenen Entscheidungen in seinem besten Interesse zu treffen. Die Privatautonomie ermöglicht dem Einzelnen, seine eigenen wirtschaftlichen Vorstellungen umzu75 Dazu allgemein Arrow/Hahn, Analysis (1991); Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 425 f.; Krimphove, Sachenrecht, S. 36; vgl. aber auch Demsetz, J. L. & Econ. 7 (1964), 11 ff. 76 Vgl. etwa Kötz, Vertragsrecht, S. 7; Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93, 98; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch, § 150 Rn. 4. 77 Siehe oben § 3 IV. 7. a). 78 Dazu vgl. Medicus, BGB AT, Rn. 176 a.E.: „Andere Steuerungsmittel wie insbesondere staatliche Lenkungsmaßnahmen sind häufig umständlicher, langsamer und teurer, also insgesamt weniger wirksam“; siehe ferner Geißler, JuS 1991, 617, 619 f.; Hönn, Jura 1984, 57, 59 f.; Busche, Privatautonomie, S. 20 ff.; F. v. Hippel, Problem, S. 63 ff. 79 Näher Eidenmüller, Effizienz, S. 330.
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setzen und dient insofern als „juristisches Korrelat zum Prinzip der Dezentralisation wirtschaftlicher Entscheidungen“80. Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit sind für eine Marktwirtschaft wie der unsrigen von fundamentaler Bedeutung, da der Zustand optimaler Allokation knapper Ressourcen nicht effizienter erreicht werden kann als eben durch vertragliche Übertragungsvorgänge nach den Mechanismen eines funktionsfähigen, unverfälschten Marktes. Im Gegensatz zu zentralisierten Wirtschaftssystemen fallen insbesondere keine Kosten für die ursprüngliche Güterzuteilung und spätere Zuteilungsänderungen an. Allerdings sind auch in einer freien Markt- und Wettbewerbsordnung Transaktionen ohne jedwede Kostenbelastung praktisch undenkbar81. Auch wenn sie in aller Regel hinter den Zuteilungs- und Interventionskosten zentralisierter Wirtschaftsordnungen zurückbleiben, schmälern sie dennoch den individuellen, aus dem Güteraustausch erstrebten Gewinn und wirken sich insofern nachteilig auf die Interaktionseffizienz aus82. Prohibitiv hohe Transaktionskosten können den Güteraustausch sogar vollständig zum Erliegen bringen: mit der Folge, dass Ressourcen nicht mehr dort genutzt werden, wo sie den größtmöglichen individuellen Nutzen aufweisen. Da der gesamtwirtschaftliche Wohlstand umso eher erreicht wird, je niedriger die Transaktionskosten ausfallen, besteht nach dem ökonomischen Modell folglich ein veritables (überindividuelles) Interesse daran, Transaktionskosten soweit wie möglich zu senken. Niedrige Transaktionskosten erleichtern die Güterzirkulation. Projiziert man das ökonomische Denkmodell auf die juristische Wirklichkeit, führt die normative Forderung nach Nutzenmaximierung durch den freien Güteraustausch am Markt unweigerlich zur Forderung nach einer liberalen Sukzessionspolitik. Da sich der gesamtwirtschaftliche Nutzen nach diesem Modell aus der Maximierung des jeweiligen Individualnutzens speist, liegt auch das Primat des wirtschaftlichen Entscheidungsprozesses beim einzelnen Marktakteur (Präferenzautonomie). Legislatorische und forensische Interventionen sind deshalb auf ein Minimum zu begrenzen; Verträge sind möglichst unverfälscht zu vollziehen83. Eingriffen jedweder Art sind enge Grenzen gesetzt. Schließlich wissen die Vertragsparteien typischerweise besser über ihre Interessen Bescheid als der Gesetzgeber oder die Gerichte. Rechtsvorschriften und Prinzipien sind durch den Gesetzgeber demnach so auszugestalten und durch den Rechtsanwender so zu interpretieren, dass sie eine möglichst ungestörte Übertragung von Vermögenspositionen gewährleisten. Dieses Postulat ist unter der Geltung des Grundsatzes der Sukzessionsfreiheit im deutschen Privatrecht prinzipiell gewährleistet. Weiterhin legt die öko80
Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 148. Zur Transaktionskostentheorie siehe oben § 3 IV. 5. 82 Vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 94. 83 E. Posner, Yale L.J. 112 (2003), 829, 863; Unberath, Vertragsverletzung, S. 126, 137; zur Rechtfertigung staatlicher Intervention im Vertragsrecht ausf. Schwartz/Scott, Yale L.J. 113 (2003), 541, 609 ff. 81
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nomische Analyse der Sukzessionsfreiheit nahe, dass Rechtsvorschriften, die Transaktionen mit hohen Kosten belegen oder die freie Übertragbarkeit von Vermögenspositionen beeinträchtigen oder vollständig ausschließen, in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig sind84.
4. Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit als Optimierungsproblem Die rechtsökonomisch fundierte Forderung nach einer ungehinderten Übertragbarkeit von Vermögenspositionen legt es nahe, dass an den Rechtsübergang möglichst geringfügige tatbestandliche Voraussetzungen gestellt werden. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass geringe tatbestandliche Anforderungen mit niedrigen Transaktionskosten korrelieren. Man denke nur an die Übertragung von Forderungen, die sich grundsätzlich nach dem Einigungsprinzip vollziehen und weder die Beachtung einer besonderen Form erfordern noch nach außen publik gemacht werden85. Je geringer also die Voraussetzungen eines Sukzessionstatbestands, desto freier können Güter zirkulieren und desto geringer ist das Risiko, dass der Rechtsübergang an einem nicht oder nicht vollständig erfüllten Tatbestandsmerkmal scheitert. Dieses auf Erleichterung des Rechts- und Handelsverkehrs gerichtete Postulat tritt allerdings in Beziehung zu den Erfordernissen der Verkehrssicherheit. Soweit der Rechtstransfer von einer Person auf die andere nämlich durch besondere institutionelle Mechanismen abgesichert ist, kann dies zwar im Einzelfall dazu führen, dass der Rechtsübergang nicht mehr allein nach dem Einigungsprinzip erfolgt, sich die Übertragung vordergründig betrachtet verkompliziert und die Kosten für die (reine) Durchführung der Transaktion steigen. Entsprechen die zusätzlichen Sukzessionsvoraussetzungen, wie das Eintragungsprinzip im Liegenschaftsrecht86 oder besondere Formvorschriften87, aber dem besonderen Bedürfnis nach einer Absicherung des Rechtserwerbs, dann bedeutet ein erhöhtes Maß an Verkehrssicherheit nicht notwendig eine Beeinträchtigung der ungehinderten Übertragbarkeit von Vermögenspositionen. Auch geht eine Erhöhung der Verkehrssicherheit nicht notwendig mit erhöhten Transaktionskosten einher. Nicht selten werden die zusätzlichen Kosten, die im Rahmen der Durchführung eines besonders abgesicherten Übertragungsvorgangs anfallen, nämlich durch Kosteneinsparungen in Form zukünftig unterbleibender Rechtsstreitigkeiten kompensiert. Dabei kommt es freilich auf das richtige Maß an: Ebenso wie ein Übermaß an Verkehrssicherheit den Rechts84 Vgl. auch Di Fabio, DNotZ 2006, 342, 349: „Jeder staatliche Eingriff in das funktionierende System der Privatautonomie bedarf der Rechtfertigung.“ 85 Siehe unten § 4 II. 4. 86 Dazu unten § 10 II. 87 Dazu unten § 9 III.
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und Handelsverkehr lähmen kann, ist ein Untermaß an Verkehrssicherheit geeignet, Übertragungsvorgänge zu beeinträchtigen88. Erst eine Zusammenschau von Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit erlaubt einen ganzheitlichen Blick auf das Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Die auf Verkehrssicherung gerichteten Maßnahmen sind schließlich nicht final auf eine Beeinträchtigung der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen gerichtet, sondern auf die Absicherung des Rechtsübergangs. Im Ergebnis ist die Zielrichtung von Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit folglich nicht gegenläufig89. Vielmehr handelt es sich bei Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit nur um die beiden Facetten der Sukzessionsfreiheit, die in diesem Sinne verfassungsrechtlich abgesichert sind. Während Aspekte der Verkehrsleichtigkeit in Form der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) gewährleistet sind90, ist die Verkehrssicherheit verfassungsrechtlich als besondere Spielart der Rechtssicherheit im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert91. Das Verhältnis zwischen Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit erweist sich demnach als trade-off – als ein Optimierungsproblem92, das durch die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Sukzessionstatbestände in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfügungsgegenstand einer angemessenen Lösung zugeführt werden muss. Das lenkt den Blick auf die einfachgesetzliche Ausformung der Sukzessionsfreiheit:
II. Einfachgesetzliche Ausformung der Sukzessionsfreiheit Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit liegt sämtlichen Nachfolgetatbeständen implizit zugrunde; zugleich sind die Sukzessionstatbestände im Lichte des Grundsatzes der ungehinderten Übertragbarkeit von Vermögenspositionen zu interpretieren. Es gilt der Grundsatz: in dubio pro libertate. Einschränkungen der Sukzessionsfreiheit bedürfen aufgrund ihres Stellenwerts im deutschen Privatrechtssystem wie auch als Grundpfeiler unserer Wirtschaftsverfassung einer besonderen Rechtfertigung. Allerdings manifestiert sich das Prinzip der Sukzessionsfreiheit nicht allein in den einfachgesetzlich ausgeformten Übertragungsvorschriften, sondern gleichermaßen in der Unwirksamkeit rechtsge88
In diesem Zusammenhang weist v. Hoffmann, Recht, 1982, S. 36 daraufhin, dass die Übertragbarkeit von Grundeigentum durch Legitimationsschwierigkeiten praktisch aufgehoben sein kann. Allgemein dazu auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 227. 89 Dazu bereits Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 226 ff.; vgl. noch Ehrenberg, JhJ 47 (1904), 273 ff., 279 ff. zu Verkehrssicherheit und Rechtssicherheit; s. ferner Omlor, Verkehrsschutz, S. 36 f. 90 Siehe oben § 4 I. 2. 91 Zur verfassungsrechtlichen Seite siehe BVerfGE 7, 89, 92; zum Ganzen ausf. Scholz, Rechtssicherheit, S. 40 ff., 45; Leenen, in: Symposion Wieacker, S. 108, 110 f.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 131 ff. 92 Bei abweichender Schwerpunktsetzung im Ergebnis ebenso Leenen, in: Symposion Wieacker, S. 108, 111; siehe noch Omlor, Verkehrsschutz, S. 38: „Zielkonflikt“.
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schäftlicher Verfügungsbeschränkungen (§ 137 S. 1 BGB). Bevor hierauf eingegangen wird (3. bis 7.), sind noch zwei übergeordnete Gesichtspunkte vor die Klammer zu ziehen, und zwar die Geltung des sukzessionsrechtlichen Numerus-clausus-Prinzips (1.) sowie das Verhältnis von Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz (2.).
1. Sukzessionsrechtliches Numerus-clausus-Prinzip Dem „Bannerträger der Privatautonomie“93 in Deutschland – Werner Flume – verdanken wir die Erkenntnis, dass die Verwirklichung der Privatautonomie schon begrifflich die Rechtsordnung voraussetzt und die freiheitliche Selbstgestaltung von Rechtsverhältnissen auch nur im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung gelten kann94. Für den aus dem systemprägenden Leitprinzip abgeleiteten Grundsatz der Sukzessionsfreiheit kann nichts anderes gelten. Auch die Sukzessionsfreiheit erfordert zu ihrer Verwirklichung die Rechtsordnung und besitzt Gültigkeit nur im Rahmen derselben. Die Betätigung der Sukzessionsfreiheit setzt voraus, dass die Rechtsordnung rechtliche Kategorien zur Verfügung stellt. Flume bezeichnet sie als „Aktstypen rechtlicher Gestaltung“; der Bürger kann „nur solche Rechtsverhältnisse und diese auch nur in der Weise gestalten, wie es durch die Rechtsordnung anerkannt ist“95. Der Rechtsordnung kommt in diesem Zusammenhang also eine Ermöglichungsfunktion (enabling function) für die rechtstatsächliche Verwirklichung der Sukzessionsfreiheit zu96. Diese Aufgabe hat die Rechtsordnung durch die Schaffung von Sukzessionstatbeständen für die einzelnen Vermögenspositionen erfüllt. Die Rechtsordnung ermöglicht aber nicht nur privatautonomes Handeln; ihr kommt umgekehrt auch eine Begrenzungsfunktion zu, soweit die Privatautonomie ausschließlich im Rahmen der Rechtsordnung gewährleistet ist97. Übertragen auf die Sukzessionsfreiheit bedeutet dies, dass sich der Übergang der einzelnen Vermögenspositionen ausschließlich nach Maßgabe der positivrechtlich ausgeformten Sukzessionstatbestände vollzieht. Vertragsparteien können Sachen, Rechte und Schulden also nur unter Beachtung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Sukzessionsvorschriften übertragen. Für die gesetzestechnische Realisierung der Nachfolge besteht insofern ein Typenzwang im Sinne des Numerus-clausus-Prinzips. Das wird selten genug erkannt98, beschränkt die h.M. die Geltung von Typenzwang und Typenfi93
Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13, 14. Flume, AT II, § 1, 2. 95 Jeweils mit Bezug auf die Privatautonomie: Flume, AT II, § 1, 2. 96 Zur Privatautonomie: Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13, 14. 97 Flume, AT II, § 1, 4; vgl. dazu Wagner, in: Blaurock/Hager, Obligationenrecht, S. 13, 14 f. 98 Treffend insofern Flume, AT II, § 11, 5 d: „Es besteht ein numerus clausus der Verfügungsgeschäfte“; ausf. – auch zum Folgenden – J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 32 ff.; ferner Schlechtriem, in: MPI, Beiträge, S. 44, 48; Bork, BGB AT, Rn. 103; Bangha-Szabo, Unübertrag94
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xierung doch allzu oft auf beschränkte dingliche Sachenrechte99. Dass diese Sichtweise indes zu kurz greift100, belegt schon der Umstand, dass sich auch außerhalb des Sachenrechts Typenlimitierungen finden, die in ganz unterschiedlicher Art und Weise eine Abwägung zwischen individueller Gestaltungsfreiheit und überindividueller Standardisierung vornehmen und unterschiedlich große Spielräume eröffnen, die ihrerseits – betrachtet man namentlich den Typenzwang im Sachenrecht – de lege ferenda freilich nicht durchweg zu überzeugen vermögen101. Die Betrachtung der einzelnen Strukturprinzipien in den nachfolgenden Kapiteln wird ebenfalls zeigen, dass die Ausgestaltung der einzelnen Nachfolgetatbestände im Sinne einer solchen Typenfixierung nicht über alle Zweifel erhaben ist. Das gilt beispielsweise für das Traditionsprinzip im Mobiliarsachenrecht102. Dort stehen den Parteien nach Maßgabe der §§ 929 ff. BGB verschiedene Optionen zur Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen zur Verfügung, die sich nach Art und Weise der Besitzverschaffung unterscheiden. In dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen können die Parteien Fahrnis übertragen. Unzulässig, weil mit dem sukzessionsrechtlichen Numerus-clausus-Prinzip unvereinbar, wäre indes eine Parteiabrede, die auf einen Mobiliarerwerb ohne eine Änderung der Besitzverhältnisse nach dem reinen Konsensprinzip gerichtet ist, soweit sie nicht einem gesetzlichen Ausnahmetatbestand entspricht103. Hinsichtlich der Typenlimitierung der Nachfolgetatbestände als solcher gibt es hingegen nichts zu erinnern, solange nur die freie Übertragbarkeit der Vermögensrechte gesichert ist. Überhaupt darf die im Sukzessionsrecht anzutreffende Typenlimitierung nicht als Beschränkung der Privatautonomie missverstanden werden104. Im Gegenteil: Indem die Zivilrechtsordnung verschiedene Verfügungstatbestände bereithält, schafft sie hiermit die Grundlage für eine ungehinderte Wahrnehmung der privatautonom gewährleisteten Interaktionsfreiheit zwischen Rechtssubjekten im bürgerlichrechtlichen Güterverkehr. Zudem sichert die Typenlimitierung die freie Übertragbarkeit von Rechten dadurch, dass die Vertragsparteien die Wirkungen der Sukzessionstatbestände – außerhalb der gesetzlich vorgesehenen (rechtsgeschäftlichen) Verfügungsbeschränkungen – nicht willkürlich einschränken können105. Das ist für Sachenrechte auf Grundlage des § 137 S. 1 BGB bereits de lege lata eindrucksvoll gewährleis-
99 barkeit, S. 173; speziell zur Forderungsabtretung Hoffmann, Zession, S. 82 ff.; mit Bezug auf die Verdinglichung obligatorischer Rechte Canaris, FS Flume I, S. 371, 376 ff.; vgl. noch Larenz/ Wolf, BGB AT, § 34 Rn. 1; Kaulbach, JuS 2011, 397, 399. 99 Siehe ausf. Nachw. oben § 2 III. 2. b) cc). 100 Instruktiv der differenzierte Ansatz von Kaulbach, JuS 2011, 397 ff., insb. 401. 101 Siehe zur Kritik am sachenrechtlichen Numerus-clausus-Prinzip oben § 2 III. 2. b) cc). 102 Siehe unter § 10 III. 103 So auch Schlechtriem, in: MPI, Beiträge, S. 44, 48. 104 Ähnlich auch Kaulbach, JuS 2011, 397, 401. 105 Vgl. RGZ 99, 142, 143; dazu auch J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 33 f.
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tet106; für Forderungen und andere Rechte gilt es dieses Postulat de lege ferenda erst noch einzulösen107. Umgekehrt wäre das Prinzip der Typenlimitierung mit dem systemprägenden Grundsatz der Privatautonomie, aber auch mit der Sukzessionsfreiheit selbst schwerlich in Einklang zu bringen, wenn es systemkonforme Rechtsfortbildungen schlichtweg ausschlösse108. Deshalb bereitet es der heute h.M. unter Rückgriff auf Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit auch keine Schwierigkeiten, die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme rechtlich anzuerkennen109. Schließlich bewegt sich die Rechtsfigur der Vertragsübernahme innerhalb des durch Forderungsabtretung und Schuldübernahme abgesteckten Regelungsbereichs, der auf Grundlage privatautonomer Selbstbestimmung durch die Vertragsparteien nach ihren Vorstellungen ausgeformt werden kann.
2. Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz Keine Freiheit gilt ohne Grenzen; vielmehr setzt Freiheit immer auch Bindung voraus110. Dementsprechend erfährt auch der Grundsatz der Sukzessionsfreiheit systemimmanente Einschränkungen, und zwar allen voran durch das Prinzip des Sukzessionsschutzes111. Das Sukzessionsschutzprinzip ist eine Schutzgewährleistung zugunsten von Personen, die an der Sukzession selbst nicht (notwendig) als Vertragsparteien beteiligt und daher auch nicht durch das Einigungsprinzip112 geschützt sind. Personen, deren Rechtsstellung durch die Transaktion mittelbar berührt ist, werden durch besondere Rechtsvorschriften und Grundsätze geschützt, weil sie nach Durchführung der Transaktion mit einer neuen Gegenpartei konfrontiert sind, die sie sich als Vertragspartei nicht ausgesucht haben. Man denke nur an die Forderungsabtretung, die sich ausschließlich zwischen Zedent und Zessionar vollzieht, während der Schuldner weder an der Transaktion mitwirkt noch von dem Vorgang überhaupt in Kenntnis gesetzt werden muss (§ 398 BGB)113. Das Prinzip des Sukzessionsschutzes kompensiert vor diesem Hintergrund mit der Sukzessionsfreiheit verbundene Eingriffe in die Kontrahentenwahlfreiheit, die ebenso wie die Sukzessionsfreiheit eine Teilgewährleistung des Prin106
Daraus erklärt sich auch der hier vertretene Normzweck des § 137 S. 1 BGB, der auf die Sicherung und Erleichterung des Rechts- und Handelsverkehrs gerichtet ist; siehe näher unten § 4 II. 7. 107 Zur Kritik an rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkungen (§ 399 Alt. 2 BGB) siehe unten § 4 III. 4. b). 108 Zur Offenheit des Numerus-clausus-Prinzips für Rechtsfortbildungen siehe schon oben § 2 III. 2. b) cc) sowie exemplarisch Canaris, FS Flume I, S. 371, 376 f. 109 Dazu sogleich unten § 4 II. 6. 110 Instruktiv Picker, JZ 2003, 540, 544. 111 Umfassend zum Sukzessionsschutzprinzip unten § 15. 112 Siehe unten § 6. 113 Dazu im Einzelnen unten § 4 II. 4. c).
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zips der Privatautonomie darstellt und dem Einzelnen das Recht verleiht, kraft seiner eigenverantwortlichen Selbstgestaltungsmacht nicht allein über das Ob und Wie der rechtsgeschäftlichen Interaktion zu entscheiden, sondern gleichermaßen über die Person des Vertragspartners114. Die von der Transaktion mittelbar berührte Gegenpartei hat sich im Rahmen der originären vertraglichen Vereinbarung einen bestimmten Vertragspartner ausgesucht und braucht sich im Hinblick auf die negative Komponente der Vertragsfreiheit im Grundsatz auch keinen anderen Vertragspartner aufdrängen zu lassen. Wenn die Rechtsordnung mit guten Gründen zugunsten der ungehinderten Übertragbarkeit von Vermögenspositionen die Kontrahentenwahlfreiheit gleichwohl einschränkt, dann müssen solche Eingriffe durch besondere Schutzvorkehrungen zugunsten der Gegenpartei ausgeglichen werden, so dass eine unangemessene Beeinträchtigung der gegenparteilichen Rechtsstellung ausgeschlossen ist. Aus rechtsökonomischer Perspektive werden die mit der Transaktion verbundenen externen Kosten (in Form der Beeinträchtigung der Interessen der Gegenpartei) durch sukzessionsschützende Vorschriften internalisiert115, so dass die Vertragsparteien solche Kosten in die Entscheidungsfindung über die Durchführung der Transaktion mit einbeziehen. Das Prinzip des Sukzessionsschutzes ist für die einzelnen Übertragungsgegenstände de lege lata unterschiedlich stark verwirklicht116. Im Recht der Schuldübernahme wird der Schutz der Gegenpartei, d.h. des von der Übernahme betroffenen Gläubigers, ex ante durch Anordnung einer Zustimmungspflicht nach §§ 414, 415 BGB sichergestellt. Gegen den Willen des Forderungsgläubigers kann die Schuldübernahme von vornherein nicht stattfinden. Das Gesetz verwirklicht einen präventiven Sukzessionsschutz: Ist der Gläubiger nicht einverstanden, scheitert die Schuldübernahme. Ein so weitgehendes Recht, die Sukzession zu verhindern, haben weder beschränkt-dinglich Berechtigte noch der Schuldner bei der Forderungszession. Der Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts wird nach dem sachenrechtlichen Sukzessionsschutzprinzip stattdessen dergestalt geschützt, dass seine beschränkte Berechtigung an der Sache auch im Fall der Übertragung des Stammrechts unberührt bleibt. Der Stammrechtserwerber erlangt die Sache also – vorbehaltlich eines gutgläubigen lastenfreien Erwerbs117 – belastet mit dem beschränkten dinglichen Recht. Der Erwerber kann sich des auf der Sache lastenden Rechts grundsätzlich nicht entziehen. Das Recht der Forderungszession verwirklicht schließlich postventiven Sukzessionsschutz. Der Forderungsschuldner kann sich 114 Dazu Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 3 VII 1; Dörner, Relativität, S. 141; Bydlinski, System, S. 150; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 228; Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 2; Grau, Forderungsabtretungen, S. 23; Hurni, Vermögensübertragung, S. 114 f. 115 Zum Problem Epstein, Colum. L. Rev. 85 (1985), 970 ff.; Lueck/Miceli, in: Polinsky/ Shavell, Handbook, S. 246. 116 Siehe im Einzelnen unten § 15. 117 Siehe unten § 15 II. 2.
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zwar gegen die Abtretung nicht zur Wehr setzen; er wird allerdings nach Maßgabe der Schuldnerschutzbestimmungen gem. §§ 404, 406 ff. BGB ex post vor Rechtsnachteilen geschützt. Zum einen wird sichergestellt, dass der Schuldner infolge der Abtretung keine Verschlechterung seiner persönlichen Rechtsstellung erleidet; zum anderen wird ihm das Risiko abgenommen, dass er in Unkenntnis des Gläubigerwechsels nachteilige Dispositionen trifft. Der knappe Überblick zeigt die unterschiedlichen Lösungsmodelle, mit deren Hilfe die berechtigten Interessen der von der Sukzession nur mittelbar betroffenen Gegenparteien geschützt werden können. Sie zeigen deutlich das Spannungsverhältnis auf, in dem das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit, Verkehrsschutz) und das individuelle Interesse der Gegenpartei an der freien Vertragspartnerwahl (Sukzessionsschutz) stehen. Ebenso wie schon das Verhältnis von Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit erweist sich auch das Verhältnis zwischen Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz als trade-off – als ein Optimierungsproblem, das durch die konkrete Ausgestaltung der Sukzessionstatbestände und sukzessionsschützenden Rechtsvorschriften und Grundsätze in Abhängigkeit vom jeweiligen Übertragungsgegenstand einer angemessenen Lösung zugeführt werden muss. Angesichts des hohen Stellenwerts, der dem Grundsatz der Sukzessionsfreiheit im System des deutschen Privatrechts aus rechtshistorischer, verfassungsund unionsrechtlicher sowie rechtsökonomischer Perspektive zukommt118, kann es indes nicht zweifelhaft sein, dass dem Prinzip der freien Übertragbarkeit jedenfalls im Grundsatz gegenüber sukzessionsschützenden Beeinträchtigungen der Vorrang gebührt. Auch wenn die individuellen Interessen der jeweiligen Gegenpartei angesichts des Werts der negativen Vertrags- bzw. Kontrahentenwahlfreiheit nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, impliziert die herausragende Bedeutung des überindividuellen Freiheitsgedankens im nationalen Sukzessionsrecht eine möglichst umfassende Verwirklichung der Sukzessionsautonomie. Eingriffe in die freie Übertragbarkeit müssen deshalb möglichst schonend und zurückhaltend erfolgen. Projiziert man diese Überlegungen auf die einfachgesetzliche Ebene, dann zeigt sich schnell, dass sukzessionsschützende Vorschriften, die eine Übertragung von Vermögenspositionen nicht verhindern, sondern erst nach erfolgter Transaktion ansetzen, schneidigeren Regelungen vorzuziehen sind, die Transaktionen von vornherein verhindern oder ihre Durchführung von der Zustimmung der Gegenpartei abhängig machen. Im Grundsatz gebührt also einem postventiven Sukzessionsschutz gegenüber einem präventiven Sukzessionsschutz der Vorrang. Diesem Anspruch werden die Vorschriften der Forderungszession sowie die rechtliche Behandlung beschränkter dinglicher Rechte im Wesentlichen gerecht, nicht so die Zustimmungspflicht des Gläubigers bei der privativen Schuldübernahme. Die Entscheidung des historischen Gesetzge118
Dazu ausf. oben § 4 I.
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bers, dem Forderungsgläubiger gegen die Auswechslung des Schuldners ein Vetorecht einzuräumen, ist de lege lata zu respektieren. De lege ferenda stellt sich allerdings umso drängender die Frage, ob eine so weitgehende Einschränkung der Sukzessionsfreiheit aufgrund eines besonderen Schutzbedürfnisses des Gläubigers gerechtfertigt ist und ob womöglich alternative Regelungsoptionen in Betracht kommen119. In rechtspolitischer Hinsicht fragwürdig muss vor diesem Hintergrund aber auch die Zulassung rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen gem. § 399 Alt. 2 BGB erscheinen, die im Schrifttum – ebenso wie das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis nach §§ 414, 415 BGB – unter Hinweis auf das Prinzip der freien Kontrahentenwahl gerechtfertigt werden120. Aber betrachten wir zunächst die einzelnen Sukzessionstatbestände:
3. Übertragung von Eigentum und beschränkten (dinglichen) Rechten a) Übereignung beweglicher Sachen Die Übereignung beweglicher Sachen bildet das Paradigma der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Die Übereignungstatbestände der §§ 929 ff. BGB sind von fundamentaler Bedeutung für das Rechtssystem und das Wirtschaftsleben. Mit Recht werden die Regeln „als eine Schaltstelle im System des bürgerlichen Rechts und als zentrales Element im Vermögensrecht“ bezeichnet121. Dass sich der Übertragungsgedanke im Recht der körperlichen Gegenstände zu einem früheren Zeitpunkt Bahn zu brechen vermochte als bei der Übertragung von Forderungen und Verbindlichkeiten, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sich die Übertragung seit jeher mittels körperlicher Hingabe des Verfügungsobjekts vollzieht und so besonders anschaulich ist122. Allerdings war der rechtsgeschäftliche Eigentumsübergang nach römischem Recht noch nicht als Sukzession im Sinne der hiesigen Definition123 zu qualifizieren. Stattdessen erfolgte die Übereignung zweistufig, indem zunächst das alte Eigentumsrecht an der Sache erlosch und in einem zweiten Akt das Eigentumsrecht an demselben Gegenstand neu begründet wurde124. Der praktische Regelfall war die mancipatio, auf deren Grundlage der Erwerber die Sache „aus eigener Kraft (…) als die seine“125 ergriff. Die Vorstellung von einem Eigentumsübergang als rechtsgeschäftliche Sukzession begann sich erst während des naturrechtlichen Zeitalters durchzusetzen und beherrschte später das Verständnis der Pandektenwissenschaft126, wenngleich sich im zeitgenössischen Schrifttum noch vereinzelte Ge119 120 121 122 123 124 125 126
Dazu unten § 4 II. 5. c) und § 18 IV. Dazu unten § 4 III. 4. b) und § 25 III. 3. So Wiegand, FG BGH I, S. 753, 755. Vgl. Maurer, Schuldübernahme, S. 8. Siehe oben § 2 I. 3. Kaser, Privatrecht I, § 54 III. So Kaser, Privatrecht I, § 100 I 1; vgl. ebenso Maurer, Schuldübernahme, S. 9. Authentisch Regelsberger, Pandekten, § 120.
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genstimmen nachweisen lassen127. Dass es sich bei dem Erwerb beweglicher Sachen vom Berechtigten um eine translative Sukzession handelt, ist heute einhellig anerkannt128. In rechtstechnischer Hinsicht knüpfen die Übereignungsvorschriften den Rechtsübergang nicht nur an die dingliche Einigung der Vertragsparteien129. Sie verlangen darüber hinaus ein weiteres Vollzugselement in Form der Sachübergabe (§ 929 S. 1 BGB) oder eines Übergabesurrogats (§§ 929 S. 2, 930, 931 BGB). Das damit angesprochene Publizitätsprinzip ist eine Besonderheit der sachenrechtlichen Sukzessionstatbestände, die nicht allein beim Mobiliarerwerb zum Vorschein kommt, sondern auch bei der Übereignung von Grundstücken und der Bestellung und Übertragung beschränkter dinglicher Rechte130. Mit dem Traditions- bzw. Publizitätsprinzip eng verbunden ist eine weitere Besonderheit der sachenrechtlichen Sukzession. Die gesetzlich ausgeformten Publizitätselemente dienen nämlich als Anknüpfungspunkte und Legitimationsgrundlage für den guten Glauben des Erwerbers an die Berechtigung des Verfügenden. Nach Maßgabe der §§ 932 ff. BGB ist der Erwerb vom Nichtberechtigten möglich. Es gilt das Prinzip des Gutglaubenserwerbs131. Sind die für den redlichen Erwerb notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben, geht das Eigentum nur unter der Voraussetzung auf den Erwerber über, dass der Veräußerer entweder selbst Eigentümer der Sache ist oder zumindest berechtigt ist, über die Sache zu verfügen. Davon abgesehen unterliegt die Mobiliarübereignung keinen allgemeinen privatrechtlichen Einschränkungen. Über bewegliche Sachen kann nach Maßgabe der §§ 929 ff. BGB ungehindert verfügt werden. Die Zirkulationsfähigkeit körperlicher Gegenstände ist de lege lata außerdem durch § 137 S. 1 BGB dergestalt abgesichert, als die Verfügungsbefugnis des Eigentümers kraft privatautonomer Vereinbarung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann. b) Übereignung von Grundstücken Ebenso wie die Übereignung beweglicher Sachen setzt auch die Übertragung von Grundstücken nach §§ 873, 925 BGB voraus, dass sich (1.) die Parteien über den dinglichen Rechtsübergang einigen, (2.) der Veräußerer – vorbehaltlich der Möglichkeit eines redlichen Erwerbs (§ 892 BGB)132 – Berechtigter ist oder in sonstiger Weise über das Grundstück verfügen kann und außerdem (3.) mit der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch ein Publizitätsakt vollzogen wird. Die Grundbucheintragung erfüllt im Liegenschaftsrecht die Funk127
Siehe die Nachweise bei v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 14. Siehe schon oben § 2 III. 2. a) sowie exemplarisch Regelsberger, Pandekten, § 120; v. Schwerin, Rechtsnachfolge, S. 14; v. Tuhr, AT II/1, S. 59 f. 129 Zum Einigungsprinzip ausf. unten § 6. 130 Dazu ausf. unten § 10 III. 131 Dazu ausf. unten § 11. 132 Dazu ausf. unten § 11. 128
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tion, die im Mobiliarsachenrecht der Übergabe und ihren Surrogaten zukommt. Neben der Eintragung ist eine zusätzliche Übergabe des Grundstücks keine Voraussetzung für den Eigentumserwerb133. Besonderheiten gelten für die dingliche Einigung, die bei der Immobiliarübereignung gem. § 925 BGB als Auflassung bezeichnet wird. Sie ist formbedürftig, d.h. bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien vor der zuständigen Stelle, typischerweise dem Notar, abzugeben (§ 925 Abs. 1 BGB)134. Außerdem ist sie im Hinblick auf die mit der Grundbucheinrichtung angestrebten Ziele der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedingungs- und befristungsfeindlich (§ 925 Abs. 2 BGB)135. c) Bestellung und Übertragung von beschränkten (dinglichen) Rechten Der bereits erwähnte § 873 BGB bildet die zentrale Grundsatznorm für die Übertragung und Belastung von Grundstücken und Grundstücksrechten136. Die Vorschrift gilt in sukzessionssystematischer Hinsicht für die translative Sukzession ebenso wie für die konstitutive Nachfolge in das Eigentum an Liegenschaften137. Insofern weicht die einfachgesetzliche Ausgestaltung von der Bestellung und Übertragung von beschränkten dinglichen Rechten an beweglichen Sachen ab, für die im 3. Buch des BGB jeweils spezielle Tatbestände geschaffen sind (vgl. §§ 1030, 1032, §§ 1204 ff. BGB). In der Sache folgen allerdings auch diese Vorschriften, sieht man von geringfügigen Sonderregelungen ab, den Grundsätzen des Mobiliarerwerbs. Bestellung und Übertragung beschränkter dinglicher Rechte setzen demnach prinzipiell das Vorliegen eines dualistischen Übertragungstatbestandes voraus. Das Willensmoment der dinglichen Einigung (Einigungsprinzip) wird durch ein nach außen gerichtetes Vollzugsmoment (Eintragungs- und Traditionsprinzip) ergänzt. aa) Einschränkungen der Sukzessionsfreiheit im Überblick Anders als das Eigentumsrecht sind allerdings nicht sämtliche beschränkten dinglichen Rechte auch ungehindert übertragbar. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten ist aus verschiedenen Gründen eingeschränkt. Frei veräußerlich sind nach den bekannten Grundsätzen allein Grund- und Rentenschulden (§§ 1191, 1199 BGB) sowie die außerhalb des BGB geregelten Erbbaurechte (§ 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG iVm. § 873 BGB), Wohnungserbbaurechte (§ 30 WEG)138 sowie Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte (§§ 31, 33 Abs. 1 S. 1 WEG). 133
Vgl. (zum Nießbrauch an Grundstücken) BGH DNotZ 1954, 399, 402; Frank, in: Staudinger, BGB, § 1030 Rn. 72; Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1030 Rn. 87. 134 Zur Bedeutung des Formerfordernisses ausf. unten § 9 V. 135 Dazu unten § 6 III. 2. 136 Vgl. etwa Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 1. 137 Dazu sogleich unten § 4 II. 3. c). 138 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 24.
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Hypotheken und Pfandrechte an beweglichen Sachen und Rechten sind gem. §§ 1153 Abs. 2, 1250 Abs. 1 S. 2 BGB hingegen akzessorisch ausgestaltet. In ihrer Entstehung und Übertragung sind sie daher von dem Hauptrecht abhängig, zu dessen Sicherung sie bestellt sind. Die zu sichernde Forderung ist daher zum einen zusätzliches Tatbestandsmerkmal der konstitutiven Nachfolge (vgl. §§ 1113, 1204 BGB). Zum anderen zieht die Übertragung der gesicherten Forderung gem. § 401 Abs. 1 iVm. §§ 1153 Abs. 1, 1250 Abs. 1 Abs. 1 BGB den gesetzlichen Übergang von Hypothek und Pfandrecht nach sich. Sie sind als akzessorische Rechte nicht selbstständig übertragbar139, sondern gehen als unselbstständige Sicherungsrechte mit Abtretung der Forderung ipso iure auf den Erwerber des Hauptrechts über140. Nicht selbstständig übertragbar, vererblich und belastbar sind außerdem Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB). Sie sind als subjektiv-dingliche Rechte ausgestaltet und aufgrund des funktionellen Zusammenhangs unauflöslich mit dem Eigentum am herrschenden Grundstück verbunden. Grunddienstbarkeiten gehen daher gem. § 96 BGB mit Übertragung des herrschenden Grundstücks ipso iure auf den neuen Eigentümer über141. Gleiches gilt für Reallasten (§§ 1105 Abs. 2, 1110) und Vorkaufsrechte (§§ 1094 Abs. 2, 1103 Abs. 1 BGB) in ihrer subjektiv-dinglichen Ausprägung, soweit sie also ebenfalls zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt sind. Im Gegensatz zu subjektiv-dinglichen Rechten, die zwar nicht selbstständig übertragen werden können, wohl aber im Zuge der Übertragung des Hauptrechts auf den Erwerber übergehen, sind subjektiv-persönliche Rechte grundsätzlich unübertragbar, nicht vererblich und nicht belastbar. Das gilt namentlich für den Nießbrauch (§§ 1059 S. 1, 1061, 1069 Abs. 2 BGB) und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1092 Abs. 1 S. 1, 1069 Abs. 2 BGB). Auch das Vorkaufsrecht in seiner subjektiv-persönlichen Ausprägung ist nach § 1098 Abs. 1 iVm. § 473 BGB im Zweifel unveräußerlich und nicht vererblich142. Im Gegensatz dazu kann die subjektiv-persönliche Reallast nach § 1111 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch selbstständig und frei übertragen143 und vererbt144 werden. 139
Dazu unten § 4 III. 4. d) cc). Zum Akzessorietätsprinzip siehe unten § 14. 141 Aus der Rechtsprechung: RGZ 93, 71, 73; KGJ 43, 128, 132; BayObLGZ 1973, 21, 24; vgl. weiter Joost, in: MünchKommBGB, § 1018 Rn. 64; J. Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1018 Rn. 167. 142 Siehe etwa Westermann, in: MünchKommBGB, § 1094 Rn. 12; Wegmann, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 1098 Rn. 16; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1094 Rn. 3. – Zur strikten Unveräußerlichkeit und Unvererblichkeit nach §§ 486, 487 Nr. 1 des 1. BGB-Entwurfs siehe Motive zum BGB, Bd. 2, S. 351, Bd. 3, S. 453. 143 Dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 592; Joost, in: MünchKommBGB, § 1111 Rn. 2; J. Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1111 Rn. 2; Wegmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1111 Rn. 3; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1111 Rn. 1. 144 BayObLG DNotZ 1985, 41, 42; 1989, 567 f.; Joost, in: MünchKommBGB, § 1111 Rn. 2; J. Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1111 Rn. 7. 140
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bb) Konstitutive Sukzession in Forderungen und andere Rechte Besonderheiten gelten für die konstitutive Sukzession in Forderungen und andere Rechte. Das für die Bestellung und Übertragung beschränkter Sachenrechte skizzierte dualistische Regelungssystem, bestehend aus dem Willenselement der dinglichen (besser: verfügenden) Einigung und dem nach außen gerichteten Vollzugselement, gilt für die Bestellung von Nießbrauch und Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten nicht uneingeschränkt. Die sich ergebenden Abweichungen von den sachenrechtlichen Grundsätzen sind letztlich der mangelnden Körperlichkeit obligatorischer Rechte geschuldet145. Anders als bewegliche Sachen können beschränkte Schuldrechte dem Erwerber nämlich nicht tatsächlich übergeben werden. Zwar entfalten auch beschränkte obligatorische Rechte im Verhältnis zum Stammrecht insofern dingliche Wirkung, als sie auch nach dessen Übertragung auf den Stammrechtserwerber fortwirken und insofern Sukzessionsschutz genießen. Im Verhältnis zur Gegenpartei der Forderung teilen sie indes den obligatorischen Charakter des Stammrechts und sind deshalb als beschränkte obligatorische Rechte zu qualifizieren146. Ausdrücklich angeordnet ist dieser Gleichlauf von Stamm- und Tochterrecht147 für die beiden zulässigen Belastungsformen von Rechten in § 1069 Abs. 1 BGB für den Nießbrauch148 und in § 1274 Abs. 1 S. 1 BGB für das Pfandrecht149. Für die Nießbrauchbestellung an Forderungen bedarf es nach Maßgabe des § 398 BGB regelmäßig nur der formlosen Einigung zwischen Gläubiger und Nießbraucher. Nichts anderes gilt im Grundsatz für die Nießbrauchbestellung an anderen Rechten iSd. § 413 BGB. Ist zur Übertragung des Rechts allerdings die Übergabe einer Sache erforderlich, bedarf auch die Verpfändung dieses Rechts nach § 1274 Abs. 1 S. 2 BGB der Sachübergabe. Demgemäß ist beispielsweise bei der Verpfändung einer hypothekarisch gesicherten Forderung der Hypothekenbrief zu übergeben. Ist die Rechtsübertragung formbedürftig, was sich für hypothekarisch gesicherte Forderungen aus § 1154 Abs. 1 S. 1 BGB und für GmbH-Geschäftsanteile aus § 15 Abs. 3 GmbHG ergibt, bedarf auch die Verpfändung der Einhaltung dieser Formerfordernisse. Weiterhin erfordert die Verpfändung von Buchgrundpfandrechten deren Ein145
Zum Problem siehe bereits oben § 2 II. 3. Zum Ganzen näher oben § 2 III. 2. b) dd). 147 Die inhaltliche Parallelität der beiden Rechte betonend Brodmann, in: Planck, BGB, Vor § 1273 Anm. 1; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1273 Rn. 1; Frank, in: Staudinger, BGB, § 1068 Rn. 20; a.A. du Chesne, BayZ 1908, 139, 141. 148 Dort verweist die h.M. auf den Charakter als Teilrechtsübertragung: Frank, in: Staudinger, BGB, § 1069 Rn. 1; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1069 Rn. 1; vgl. noch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 540: „(…) partielle Veräußerung, welche in der Nießbrauchsbestellung liegt, (…)“. 149 Dort lehnen die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 860 die dogmatische Einordnung der Pfandrechtsbestellung als bedingte bzw. beschränkte Zession ab; abweichend Damrau, in: MünchKommBGB, § 1274 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 38 Rn. 19, die missverständlich die Pfandrechtsbestellung an Rechten als „bedingte Abtretung“ bezeichnen. 146
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tragung in das Grundbuch. Werden vinkulierte (Namens-)Aktien (vgl. § 68 Abs. 2 AktG) oder GmbH-Anteile (§ 15 Abs. 5 GmbHG) verpfändet, bedarf es der Zustimmung der zuständigen Stelle. Eine Besonderheit gilt für die Verpfändung von Forderungen. Sie setzt generell eine an den Forderungsschuldner abzugebende Anzeige voraus (§ 1280 BGB). Auf den ersten Blick scheint es sich hierbei um einen Fremdkörper im Bereich der beschränkten obligatorischen Rechte zu handeln, der als Zugeständnis an das Publizitätsprinzip zu werten wäre. Eine tiefer gehende Analyse der Vorschrift wird später indes nachweisen, dass die Verpfändungsanzeige – entgegen der h.M. – nicht primär auf die Offenlegung der Rechtsverhältnisse im Interesse außenstehender Dritter gerichtet ist, sondern vielmehr dem Schutz der an der Verpfändung beteiligten Parteien dient150. Die von der Anzeige ausgehenden Schutzwirkungen sind unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit sachlich gerechtfertigt. Mangels vergleichbarer Interessenlage sucht man für den Nießbrauch an Forderungen vergeblich nach einer entsprechenden Anzeigepflicht. Stattdessen sichert § 1070 BGB die Interessen von Schuldnern nießbrauchbelasteter Rechte durch einen Verweis auf Schutzvorschriften, die bei der Übertragung des Stammrechts zur Anwendung gelangen würden. Dabei handelt es sich indes um keine nießbrauchspezifische Sonderbestimmung; § 1275 BGB gewährleistet dem Schuldner verpfändeter Rechte einen vergleichbaren Schutz. In systematischer Hinsicht zählen §§ 1070, 1275 BGB zum Bereich des Sukzessionsschutzes. Sie gewährleisten, dass die an der Belastung des Stammrechts unbeteiligten Gegenparteien durch die konstitutive Nachfolge keine Rechtsnachteile erleiden151, insbesondere ihre Rechtsstellung durch die Aufspaltung des Stammrechts nicht verschlechtert wird.
4. Abtretung von Forderungen und anderen Rechten a) Kurze Dogmengeschichte der Zessionslehre Die Anerkennung des Sukzessionsgedankens für die Forderungsabtretung ist keine Selbstverständlichkeit. Während im Mobiliarsachenrecht die Körperlichkeit des Verfügungsgegenstands half, die Eigentumsübertragung als identitätswahrenden Rechtsübergang zu begreifen, konnte sich die Vorstellung einer Singularsukzession in Forderungen und andere (obligatorische) Rechte nur zögerlich durchsetzen152. 150
Siehe unten § 10 V. 2. Vgl. auch Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1070 Rn. 1. 152 Pointiert dazu v. Tuhr, AT I, S. 219 f.: „(…) wenn Jemand dieselbe Sache in derselben Weise beherrscht, wie vor ihm ein Anderer, und seine Herrschaft diesem Anderen verdankt, wird die Annahme einer Identität des Rechts schon dem naiven juristischen Denken durch die Identität des beherrschten Objekts gewissermaßen aufgedrängt. Bei anderen Rechten, insbesondere 151
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Den Ausgangspunkt der dogmengeschichtlichen Betrachtung bildet das klassische römische Recht153. Damals konnte das wirtschaftliche Ergebnis eines Forderungsübergangs nur im Wege der Novation unter Mitwirkung des Schuldners erreicht werden154. Da eine identitätswahrende Singularsukzession in die Forderung nicht anerkannt war, konnte der neue Gläubiger das Forderungsrecht nur durch Vertragsschluss mit dem Schuldner – unter Entlassung des früheren Gläubigers – neu begründen. Später behalf man sich mit einer Prozessvertretung durch den Zessionar (procuratio in rem suam), die es Letzterem auch ohne Mitwirkung des Schuldners ermöglichte, die fremde Forderung im eigenen Namen einzuklagen und das durch den Prozess Erlangte zu behalten155. In der darauffolgenden Rechtsentwicklung156 war die Zessionslehre mit wenigen Unterbrechungen vom Dogma der Unübertragbarkeit des Forderungsrechts beherrscht, obgleich zwischenzeitlich im älteren gemeinen Recht die Singularsukzession anerkannt und in die großen naturrechtlichen Kodifikationen überführt worden war157. Dem im klassischen römischen Recht wie in der Pandektenwissenschaft158 vertretenen Unübertragbarkeitsdogma lag die Vorstellung zugrunde, dass die Forderung in unauflöslicher Weise mit den Parteien des Rechtsverhältnisses als vinculum iuris verbunden war und deshalb bei einem etwaigen Subjektwechsel zwangsläufig erlöschen musste. Es galt die römischrechtliche Parömie nomina ossibus inhaerent: „die Forderungen hängen an den Knochen“159. Einer der prominentesten Verfechter dieser Position war Christian Friedrich Mühlenbruch, der in seiner 1817 erstmals erschienenen Arbeit über „Die Lehre von der Cession der Forderungsrechte“ sogar annahm, dass an dem Unübertragbarkeitsdogma „selbst der Wille des Gesetzgebers schlechterdings nicht im Stande seyn würde, etwas zu ändern“160. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts verblasste die Überzeugungskraft der gegen die Abtretbarkeit von Forderungen vorgebrachten, vor allem rechtsdogmatischen Argumente, als sich nämlich zunehmend die Erkenntnis durchsetzte, dass nur ein sukzessionsrechtliches Verständnis den Bedürfnissen der neuen Wirt-
den153Forderungen, ist erst nach langem Streit unsere heutige Anschauung durchgedrungen, daß das Subjekt für die Identität des Rechts nicht wesentlich, daß daher eine Übertragung des Rechts möglich ist.“ Vgl. auch v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 7. 153 Dazu ausf. Kaser, Privatrecht I, §§ 54 III, 153; C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398– 413 Rn. 7 ff.; Zimmermann, Law, S. 58 ff.; siehe vor allem zu den späteren Entwicklungen, die nach umstrittener Auffassung zur Anerkennung einer Sondernachfolge in Forderungen führten: Luig, Zessionslehre, S. 6 ff.; Quast, Titel, S. 43 f. 154 Dazu näher Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 78 I 1. 155 Vgl. C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 8; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 78 I 1. 156 C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 21 f. 157 Dazu ausf. Coing, Privatrecht I, § 86. 158 Vgl. Wieacker, in: Industriegesellschaft, 1974, S. 55, 68 ff.; Coing, Privatrecht II, § 94 I; Luig, Zessionslehre, S. 47 ff. 159 Dazu näher Coing, Privatrecht I, § 86 I 2; vgl. noch Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 462. 160 Mühlenbruch, Cession, S. 22.
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schaftsordnung gerecht zu werden vermochte161. Hinzu trat die rechtsdogmatische Kritik des zeitgenössischen Schrifttums am Unübertragbarkeitsdogma162. Besonders pointiert trat in der Diskussion Alois Brinz mit einer Abhandlung aus dem Jahre 1852 hervor. Er erkannte, dass eine Rechtsbeziehung in ihrem Fortbestand nicht notwendig von der Beibehaltung der ursprünglichen Beteiligten abhänge, andernfalls auch eine Übertragung des Eigentumsrechts ausscheiden müsse163: „(E)s kommt bei der obligatio, damit sie fortbestehe, wie beim Eigenthum, so wie bei den Dingen überhaupt, nicht darauf an, daß alles unverändert bleibe; genug daß Vieles bleibt: daß immer noch ein Schuldner und ein Gläubiger da ist, daß der Inhalt der obligatio dieselbe ist, daß sie auf denselben Ursprung zurückführt, an denselben Mängeln und Einreden leidet wie früher (…)“.
Diese Entwicklung stand in untrennbarem Zusammenhang mit dem aufkeimenden liberalen Zeitgeist und den legislatorischen Anstrengungen um die Schaffung eines ungestörten Wirtschaftsverkehrs, die im ausgehenden 19. Jahrhundert den privatrechtlichen Ordnungsrahmen für die Einführung der freien Marktwirtschaft bildeten164. Ein freier wirtschaftlicher Verkehr verlangte damals nicht allein nach einem allseits fungiblen Privateigentum165, sondern auch danach, dass Geldforderungen leicht und sicher übertragen werden konnten. Infolge der veränderten wirtschaftlichen Bedürfnisse setzte auch in der Rechtswissenschaft ein Umdenken ein. So wurde die Forderung, ehemals Inbegriff des höchstpersönlichen Rechts, zu einem dem Eigentumsrecht ebenbürtigen Vermögens- und Verfügungsgegenstand des bürgerlichen Rechtsverkehrs. Diese Entwicklung griff der historische BGB-Gesetzgeber wie selbstverständlich auf166. Die 1. BGB-Kommission betont in den Motiven, dass die „Sondernachfolge in Forderungen (…) mit der Natur der Forderungen“ vollkommen vereinbar „und diese Anerkennung durch das Verkehrsbedürfniß sowie die auch in der Praxis der Gerichte mehr und mehr zum Durchbruch gekommene Anschauung geboten“ sei167. Auch wenn der Sukzessionscharakter der Forderungszession in der Pandektenwissenschaft des späten 19. Jahrhunderts noch
161 Dazu ausf. C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 23 ff.; im Einzelnen zur Entwicklung Luig, Zessionslehre, S. 47 ff., 59 ff., 77 ff., 100 ff., 130 ff. 162 Siehe exemplarisch Windscheid, Pandektenrecht II, § 329 N. 9, 10; zu seiner Bedeutung Giger, Schicksal, S. 249 ff. 163 Brinz, Kritische Blätter 1852, Nr. 2, S. 34. 164 Vgl. Coing, Privatrecht II, S. 89 f.; vgl. noch Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 119. 165 Zur Bedeutung der Lehre vom einheitlichen Eigentum allgemein siehe oben § 2 III. 2. b) aa). 166 Siehe zuvor bereits §§ 986 ff. des sächsischen BGB von 1863/1865. Der sächsische Gesetzgeber begründete die Adaption des Sukzessionsgedankens mit „practischen, dem Interesse des heutigen Lebensverkehrs entlehnten Gründen“; nachgewiesen und behandelt bei Ahcin, Entstehung, S. 296 ff. 167 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 118.
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immer streitig diskutiert wurde168, hatte der BGB-Gesetzgeber jedenfalls einen Großteil der partikularrechtlichen Kodifikationen auf seiner Seite, in welche die Lehre von der Sondernachfolge in Forderungen zuvor bereits Eingang gefunden hatte169. Und schließlich bescheinigten die modernen Autoren der überkommenen Konstruktion des römischen Rechts, das sich mit einer Ausübungsermächtigung des neuen Gläubigers behalf, einen „gefährlichen Widerspruch mit dem Leben und der Volksansicht(:) Der unbefangene Sinn wird niemals einsehen lernen, daß dem Cessionarius die Forderung nicht gehöre und daß er nur Beauftragter eines Menschen (scil.: des Zedenten) sei, der selbst nicht das mindeste Interesse für diese Forderung mehr hat“170. Dementsprechend stand bereits zu Beginn der Beratungen über das Abtretungsmodell des BGB weitgehend außer Frage, dass sich der Rechtsübergang an Forderungsrechten als identitätswahrende Vollrechtsübertragung vollziehen sollte, und zwar ohne Formerfordernisse und ohne jegliche Mitwirkung des Schuldners171. Der historische Gesetzgeber brach also mit den Überzeugungen des gemeinen Rechts, auf dessen Grundlage noch darüber gestritten wurde, ob die Wirksamkeit der Abtretung gegenüber dem Schuldner – wenn schon nicht von dessen Mitwirkung, doch zumindest – von einer an ihn gerichteten Anzeige (Denunziation) abhängig sein sollte172. Im Rahmen der Verhandlungen sprachen sich die Kommissionsmitglieder dezidiert gegen sämtliche Mitwirkungsund Mitteilungserfordernisse aus, und zwar nicht nur, soweit es die Wirkung der Abtretung im Außenverhältnis zum Rechtsverkehr anlangte, sondern auch im Hinblick auf das Innenverhältnis gegenüber dem Schuldner selbst173. Tragender Gedanke dieser Entwicklung war die Sicherstellung und Verbesserung der Verkehrsfähigkeit von Forderungen174. Doch der Preis für diese – nicht selten und wenig genau als „Verdinglichung“ der Forderung bezeichnete175 – Entwicklung ist nicht gering zu schätzen. Zum einen ist da die Subjektbezogenheit der Forderung, die es zweifelhaft erscheinen lassen muss, die Forderung nach dem Gläubigerwechsel als mit dem ursprünglichen Recht identisch anzusehen (Identitätsproblem)176. Zum anderen beeinträchtigt eine vom Schuldnerwillen vollständig entkoppelte Forderungsabtretung die aus dem systemtragenden Grundsatz der Privatautonomie abgeleitete Freiheit der Kontrahentenwahl in Form der negativen Vertragsfreiheit des For168
Siehe die Nachweise bei Windscheid, Pandektenrecht II, § 329 N. 9, 10, der selbst für die fortschrittliche Sukzessionslehre Partei ergreift. 169 Siehe die Nachweise in Motive zum BGB, Bd. 2, S. 118 Fn. 1. 170 Delbrück, Uebernahme, S. 7. 171 Dazu ausf. Luig, Zessionslehre, S. 130 ff.; zusf. C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398– 413 Rn. 38. 172 Dafür Windscheid, Pandektenrecht II, § 331; dagegen Bähr, JhJ 1 (1857), 351, 414 ff.; zusf. v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 91. 173 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 381 ff. 174 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 381. 175 Siehe näher § 13 I. 1. 176 Zum Problem, das im Ergebnis keines ist, unten § 13 I. 1.
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derungsschuldners177. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die wechselhafte Geschichte der Forderungszession zu würdigen. Diese Grundprobleme sind auch für die unterschiedliche Ausgestaltung der Abtretungsrechte in anderen Rechtsordnungen verantwortlich178. Die praktischen Erfahrungen mit dem liberalen, bis heute kaum veränderten Abtretungsrecht des BGB, insbesondere seine ungebrochene Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen des modernen Wirtschaftsverkehrs, bestätigen indes die grundsätzliche Richtigkeit der weitsichtigen Entscheidungen des BGB-Gesetzgebers, die nicht zuletzt in der strukturellen Nähe der Modelltexte auf europäischer und internationaler Ebene zu den deutschen Vorschriften zum Ausdruck kommt179. b) Forderungsabtretung als Singularsukzession Auf Grundlage des Bürgerlichen Rechts ist der Sukzessionscharakter der Forderungsabtretung heute einhellig anerkannt. Forderungsrechte können vom Zedenten durch Vertrag auf den Zessionar übertragen werden (§ 398 S. 1 BGB). Grundvoraussetzung ist eine wirksame Einigung zwischen den Parteien des Abtretungsvertrags, der auf den unmittelbaren Forderungsübergang gerichtet ist und insofern eine Verfügung im Rechtssinne darstellt180. Neben der verfügenden Einigung sind vom Gesetz grundsätzlich keine weiteren Anforderungen an die Forderungszession gestellt. Insbesondere bedarf es keines sachenrechtlichen Vollzugselements, wie bei den dualistischen Übereignungstatbeständen für bewegliche und unbewegliche Sachen. Stattdessen tritt gem. § 398 S. 2 BGB mit dem Abschluss des Zessionsvertrages der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Deutlicher lässt sich der für das Abtretungsrecht geltende Sukzessionsgedanke kaum zum Ausdruck bringen. Die Deutlichkeit der gesetzgeberischen Einlassung ist angesichts der wechselvollen Dogmengeschichte des Zessionsrechts und der noch Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden Meinungsverschiedenheiten nicht verwunderlich. Der Vorteil einer identitätswahrenden Nachfolge in Forderungen liegt nicht allein in Praktikabilitätserwägungen begründet, sondern erleichtert auch die juristische Konstruktion des Forderungsübergangs mit identischem Inhalt, denselben Einwendungen und Einreden und der Forderung anhaftenden unselbstständigen Sicherungs- und Nebenrechten, deren Übergang heute in § 401 BGB ausdrücklich angeordnet ist. Die Alternative einer dem Unübertragbarkeitsdogma verhafteten Novationslösung ist umständlicher, weil Forderung und Sicherungsrechte nach ihrem Erlöschen in der Person des bisherigen Gläubigers 177
Dazu oben § 4 II. 2. und unten § 4 II. 4. c). Vgl. vorerst nur Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 24; Grau, Forderungsabtretungen, S. 25 f.; ausf. unten § 22 I. 179 Dazu unten § 25. 180 Unstr.; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 2; Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 14; Prütting, Sachenrecht, Rn. 42; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 102; Lüke, JuS 1995, 90 ff.; Ahcin/Armbrüster, JuS 2000, 450, 452; Lorenz, JuS 2009, 891. 178
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zugunsten des neuen Gläubigers mit identischem Inhalt erneut begründet werden müssen. Es ist unschwer zu erkennen, dass diese zweistufige Konstruktion des Gläubigerwechsels, die beispielsweise dem englischen und französischen Abtretungsrechten zugrunde liegt181, mit grundsätzlich höheren Transaktionskosten verbunden ist, als die einaktige Sukzession in das Forderungsrecht. Auch wenn sich solche Mehrkosten auf Grundlage einer Ermächtigungslösung weitgehend vermeiden lassen, indem der bisherige Gläubiger den Erwerber ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen gegen den Schuldner einklagen zu können182, ergeben sich rechtsdogmatische Schwierigkeiten doch jedenfalls aus dem Auseinanderfallen der (fortbestehenden) rechtlichen Inhaberschaft (des bisherigen Gläubigers) und der (erworbenen) wirtschaftlichen Inhaberschaft (des Erwerbers). So war die Rechtsstellung des ermächtigten Zessionars stets eine schwache, denn die Forderung verblieb beim Zedent, der weiterhin hierauf einwirken konnte183. Zudem schlägt das Konfliktpotenzial in Form zusätzlicher Rechtsdurchsetzungs- und Streitbewältigungskosten zu Buche. Eine vorläufige rechtsökonomische Betrachtung stützt demnach gleichermaßen die juristische Konstruktion der Forderungsabtretung als Singularsukzession. Auf einfachgesetzlicher Grundlage kommt das Prinzip der abtretungsrechtlichen Sukzessionsfreiheit in dem Zusammenspiel des zentralen Übertragungstatbestands des § 398 BGB und den verschiedenen Abtretungsbeschränkungen in §§ 399, 400 BGB unmissverständlich zum Ausdruck184. Im Übrigen gilt der Grundsatz der Formfreiheit185. Die Abtretung bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form. Einschränkungen können sich allerdings für besondere Verfügungsgegenstände ergeben, wie beispielsweise für die Übertragung von GmbH-Anteilen, die gem. §§ 413, 398 BGB iVm. § 15 Abs. 3 GmbHG eine notarielle Beurkundung voraussetzt186. Schließlich setzt ein wirksamer Forderungsübergang – vorbehaltlich des (seltenen) gutgläubigen Forderungserwerbs (§ 405 BGB) – die Gläubigerstellung des Veräußerers bzw. dessen Verfügungsbefugnis voraus. c) Keine Zustimmung des Schuldners Keine Voraussetzung für den wirksamen Forderungsübergang sind die Zustimmung, Unterrichtung oder eine anderweitige Beteiligung des Schuldners. Es gilt das reine Konsensualprinzip. Diese wegweisende Entscheidung des histori181
Siehe etwa Grau, Forderungsabtretungen, S. 63 ff. (Frankreich), S. 72 ff. (England). So eine wichtige Strömung in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts auf Grundlage des Unübertragbarkeitsdogmas; authentisch Mühlenbruch, Cession, S. 37 f., 202, 222; Francke, AcP 16 (1833), 417, 418 f.; v. Savigny, Obligationenrecht II, S. 95 f.; zusf. v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 8 f. 183 Vgl. C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 8. 184 Dazu im Einzelnen unten § 4 III. 2. und § 4 III. 4. 185 Dazu unten § 9. 186 Siehe unten § 9 VI. 182
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schen BGB-Gesetzgebers ist nicht selbstverständlich. Auch wenn man sich für eine identitätswahrende Forderungsübertragung unter Geltung des Sukzessionsgedankens entscheidet, folgt hieraus nicht zwingend, dass der Rechtsübergang auch ohne die Mitwirkung der Gegenpartei des Schuldverhältnisses erfolgt. Das zeigt mit großer Deutlichkeit das obligatorische Zustimmungserfordernis des Gläubigers im Rahmen der privativen Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB), die ebenfalls als Singularsukzession zu qualifizieren ist187. Auch lässt sich die Mitwirkung des anderen Vertragspartners in rechtsdogmatischer Hinsicht zwanglos mit dessen negativer Kontrahentenwahlfreiheit erklären188. Der Schuldner hat sich einen ganz bestimmten Vertragspartner ausgesucht und braucht sich grundsätzlich keinen anderen Kontrahenten aufdrängen zu lassen. Nun liegt es auf der Hand, dass eine übersteigerte Betonung der freien Vertragspartnerwahl umgekehrt in eine Beschränkung der allgemeinen, überindividuellen Sukzessionsfreiheit umschlägt. Betrachtete man die Kontrahentenwahlfreiheit als axiomatische Größe, dann wäre die Forderungsabtretung nur im Wege einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner möglich189. Die ohne Beteiligung des Schuldners erfolgte Abtretung rückte in die Nähe eines unzulässigen Vertrags zulasten Dritter190. Diese Position passt zwar zu einem Verständnis der Forderung als personalisierte Leistungsbeziehung191, setzt sich de lege lata indes zum insofern klaren Wortlaut des § 398 BGB in Widerspruch – und ist auch de lege ferenda nicht überzeugend: Billigte man dem Schuldner nämlich ein in diesem Sinne ungebundenes Vetorecht zu, ginge hiermit eine massive Beeinträchtigung der Übertragungsfreiheit von Forderungen und anderen Rechten einher, die mit einer umfassend verstandenen Sukzessionsautonomie ebenso unvereinbar ist wie mit dem eingangs herausgearbeiteten Prinzip der absoluten Rechtszuordnung, die für Forderungs- und Eigentumsrechte gleichermaßen Geltung beansprucht192. Für den Gläubiger ergibt sich der tatsächliche Wert der Forderung erst aus der Möglichkeit, die Forderung als Sicherungsmittel einzusetzen oder durch entgeltliche Veräußerung zu verwerten193. Könnte der Schuldner einem solchen Ansinnen des Gläubigers stets und ohne Darlegung sachlicher Gründe widersprechen, wäre die Sukzessionsfreiheit faktisch aufgehoben. Diese Überlegung stützt eine kurze ökonomische Analyse194: Selbstredend stünde es dem Gläubiger unter diesen Voraussetzungen frei, mit dem Schuldner vor Durchführung der Transaktion über die Erteilung seiner Zustimmung zu 187
Dazu sogleich unten § 4 II. 5. b). Siehe schon oben § 4 II. 2. 189 Vgl. Thiele, Zustimmungen, S. 237; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 245. 190 So ausdrücklich Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 242; Nefzger, Abtretungsverbote, S. 76; sachlich ebenso Dörner, Relativität, S. 141 ff., 147 ff., 157. 191 Dazu speziell Quast, Titel, S. 41 ff., 51 ff. 192 Siehe oben § 2 II. 2. 193 Dazu sogleich ausf. § 4 II. 4. d). 194 Die Argumentation orientiert sich an den Überlegungen zu § 137 S. 1 BGB, die unten § 4 II. 7. c) ausführlich und versehen mit Nachw. dargelegt sind. 188
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verhandeln. Nach Maßgabe der individuellen Präferenzen besteht auf Grundlage des neoklassischen Modells die Vermutung, dass der Schuldner sich seine Zustimmung für eine Gegenleistung abkaufen lassen wird, die seinem Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Gläubigers entspricht. Geht der mit Abtretung erstrebte Gewinn über dieses Interesse hinaus, werden sich Gläubiger und Schuldner auf die Forderungsabtretung einigen. Die Transaktion wird nach diesem Modell nur durchgeführt, wenn die Einbußen des Schuldners den aus der Transaktion zu erwartenden Gewinn nicht überschreiten; andernfalls unterbleibt die Abtretung. Außer Betracht blieben indes bis jetzt drei Gesichtspunkte, die die Funktionsfähigkeit der Verhandlungslösung in Zweifel ziehen: Erstens sind solche Verhandlungen stets mit Transaktionskosten verbunden. Die Parteien müssen sich zunächst die notwendigen Informationen für die Zustimmungserteilung besorgen und anschließend in Verhandlungen über die Gegenleistung eintreten. Zweitens sind Besitzeffekte aufseiten des Schuldners zu berücksichtigen. Sie sorgen dafür, dass er den Wert seines Zustimmungsrechts typischerweise höher bewertet als den Wert, den er demselben in der Person eines Erwerbers beimessen würde. Und drittens kann der Schuldner die Verhandlungen über die Zustimmungserteilung durch strategisches Verhalten scheitern lassen. Er ist als Monopolist in einer starken Verhandlungssituation und kann versucht sein, den gesamten Gewinn des vom Gläubiger intendierten Geschäfts für sich zu verlangen. Alle diese Aspekte sprechen dafür, dass Verhandlungen mit dem Schuldner wohlstandsmaximierende Transaktionen vielfach verhindern würden, während die Belastungen für den Schuldner aufgrund des Gläubigerwechsels durchaus moderat ausfallen und zudem durch das gesetzliche Schuldnerschutzsystem der §§ 404, 406 ff. BGB weitestgehend abgefedert sind. Hinzu kommt, dass namentlich der Geldschuldner typischerweise kein besonderes Interesse daran hat, einem bestimmten Gläubiger gegenüber verpflichtet zu sein195, solange sich seine Rechtsstellung gegenüber dem neuen Gläubiger infolge der Zession nur nicht verschlechtert und er dem Zessionar auch diejenigen Einwendungen entgegenhalten kann, die ihm gegen den Zedenten zustanden, und er im Übrigen auch keine Rechtsnachteile dadurch erleidet, dass ihm der Gläubigerwechsel bisher nicht zur Kenntnis gelangte. Ist also durch Spezialvorschriften des Sukzessions-, genauer: Schuldnerschutzes sichergestellt, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners infolge der Forderungsübertragung nicht verschlechtert und er auch infolge einer unbekannt gebliebenen Abtretung keine Nachteile erleidet, dann spricht viel dafür, zur effektiven Verwirklichung der Übertragungsfreiheit einen spezialgesetzlich kompensierten Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit hinzunehmen. Angesichts des hohen Stellenwerts, der dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit aus rechtshistorischer, verfassungs- und unionsrechtlicher sowie rechtsökonomischer Perspektive zukommt, ist ein obligatorisches Zustimmungsrecht des Schuldners in einem modernen Abtretungsrecht daher kein gangbarer Weg. 195
Tendenziell a.A. Quast, Titel, S. 63.
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Die Bedeutung der ungehinderten Übertragbarkeit lässt im Ergebnis auch solche Nachteile zurücktreten, die dem Schuldner durch buchhalterischen Mehraufwand und eine womöglich weniger nachsichtige Forderungsdurchsetzung durch den Zedenten erwachsen196. Denn im Ergebnis kann der Schuldner selbst monetäre Vorteile aus der Übertragbarkeit der Forderung ziehen, indem er vom Gläubiger eine höhere Gegenleistung dafür verlangt, dass er die Forderung später auch übertragen kann und somit auf ein Abtretungsverbot (§ 399 Alt. 2 BGB) verzichtet197. Die mit der Übertragung verbundenen Einbußen werden hiermit weitgehend kompensiert. Freilich trägt dieser rechtsökonomische Zusammenhang nur für den Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger auch seine Bedingungen diktieren kann. Das ist in der Praxis in Anbetracht der unterschiedlichen Verhandlungsstärke der Vertragspartner nicht durchweg, aber doch häufig der Fall198. Insofern taugt diese Überlegung zumindest als heuristische Grundlage für die Anerkennung einer von der Schuldnerbeteiligung entlasteten Forderungszession. Die legislatorische Richtungsentscheidung zugunsten eines unkomplizierten, sicheren und leichten Forderungsübergangs erweist sich damit als apriorisch richtig; ebenso die Entscheidung, den Schuldnerschutz eben nicht durch präventive Zustimmungsrechte, sondern durch postventive Maßnahmen nach Maßgabe der §§ 404, 406 ff. BGB sicherzustellen. In diesen Bestimmungen lebt der Geist des römischen Rechtes fort, das maßgeblich durch den Gedanken der Sonderverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner geprägt war199. Dieses personalistische Element wird für den Sukzessionsvorgang auf der Primärstufe ausgeblendet, ist auf der Sekundärstufe für einen effektiven Schuldnerschutz – Stichwort: sukzessionsrechtliches Verschlechterungsverbot200 – aber von umso größerer Bedeutung. Zum einen erleidet der Schuldner infolge der Abtretung keine Rechtsnachteile: Inhalt und Umfang der Forderung bleiben aufgrund des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips unverändert; gleiches gilt für Einwendungen und Einreden (§ 404 BGB) und seine Aufrechnungsbefugnis (§ 406 BGB). Zum anderen kann er in Unkenntnis des erfolgten Rechtsübergang auch weiterhin mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten (§ 407 BGB); er ist im Falle konkurrierender Abtretungen nach § 408 BGB geschützt und kann sich gem. § 409 BGB auf eine vom Zedenten abgegebene Abtretungsanzeige verlassen und mit befreiender Wirkung an den Scheinzessionar leisten. Deshalb hat der Schuldner – wie der BGH201 jüngst betonte – auch kein Recht auf Beibehaltung seines Gläubigers.
196
Zu diesen Aspekten näher E. Wagner, Abtretungsverbote, S. 43 ff.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 228 ff. 197 Dazu Schütze, Zession, S. 2 f.; Quast, Titel, S. 67 f. 198 Siehe unten § 4 III. 4. c). 199 Vgl. Schreiber, in: Soergel, BGB, Vor § 398 Rn. 1; Grau, Forderungsabtretungen, S. 25. 200 Dazu ausf. unten § 15 III. 201 BGH NJW-RR 2012, 332 Tz. 25.
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d) Wirtschaftliche Bedeutung des modernen Zessionsrechts Heute ist die Übertragung von Forderungsrechten aus dem modernen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken202. Forderungen dienen als Sicherungsmittel, zur Unternehmensfinanzierung und als potenzielles Haftungsobjekt. Von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung sind neben Inkassozession und Sicherungsabtretung namentlich das Factoring203, Forfaitierung204 und die Verbriefung von Forderungen (Securitization)205. Hinzu kommt vor allem in jüngster Zeit die Übertragung von (notleidenden) Darlehensforderungen206. Um einen Eindruck von der Größenordnung solcher Transaktionen zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf die aktuellen Umsatzzahlen des Deutschen Factoring-Verbands. Die im Verband vertretenen Mitgliedsunternehmen steigerten den Gesamtfactoringumsatz von 29,37 Mrd. Euro im Jahre 2001 auf 171,29 Mrd. Euro im Jahre 2013207. Praktische Bedeutung kommt dem Factoring für Lieferanten vor allem deshalb zu, weil das durchschnittliche Zahlungsziel über einen Monat beträgt208 und ohne den Verkauf solcher Forderungen keine Möglichkeit bestünde, die Ansprüche vor Fälligkeitsdatum wirtschaftlich zu nutzen. Aber auch Kreditinstitute profitieren von der Abtretbarkeit von Darlehensforderungen, weil sie sich mittels Forderungsabtretung refinanzieren und neue Kredite begeben können209. Diese Entwicklungen sind nur ein Ausschnitt eines seit langem anhaltenden Trends, in dessen Folge sich die moderne Wirtschaftspraxis sukzessive von der Übertragung körperlicher Gegenstände entfernt und nach Wegen sucht, primär 202 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Zession frühzeitig Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 80; vgl. ferner Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 458 f.; Schütze, Zession, S. 1 ff.; Grau, Forderungsabtretungen, S. 26 ff.; Nefzger, Abtretungsverbote, S. 43 ff.; Rosch, in: jurisPK, BGB, § 398 Rn. 4; Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 42; Quast, Titel, S. 54 f. 203 Dazu etwa Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 136 ff.; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 164 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 58 Rn. 11 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 65; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 2480 ff.; Blaurock, ZHR 142 (1978), 325 ff.; Brink, WM 2003, 1355 ff.; Martinek, in: Schimansky, Bankrecht, § 102. 204 Dazu etwa Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 189, 189a; Brink, WM 2003, 1355 ff.; Hakenberg, RIW 1998, 906 ff.; Nitschke, BB 2010, 1827 ff.; Schütze, Zession, S. 111 f.; Martinek, in: Schimansky, Bankrecht, § 103. 205 Dazu etwa Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 35 ff.; Rinke/Klüwer, BB 1998, 1697 ff.; Schütze, Zession, S. 106 ff. 206 Siehe exemplarisch BVerfG, NJW 2007, 3707; BGHZ 171, 180; 183, 60; Nobbe, ZIP 2008, 97 ff.; Stürner, ZHR 173 (2009), 363 ff.; Früh, FS Hopt, S. 1823 ff.; Höche, FS Nobbe, S. 317 ff.; Maetschke, AcP 211 (2011), 287 f.; monografisch Heer, Abtretung (2011); Rümpker, Grundschuldzession (2010); Contrael, Bankgeheimnis (2009); Fuhrmann, Bankgeheimnis (2009); Vollborth, Forderungsabtretung (2007). 207 Detailinformationen über den deutschen und internationalen Factoringmarkt sind auf der Homepage des Deutschen Factoring Verbands e.V. abrufbar unter www.factoring.de. Siehe noch die Angaben bei Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 459; C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398– 413 Rn. 42; Stumpf, BB 2012, 1045 ff. 208 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/7912, S. 24; vgl. weiter Müller-Chen, FS Schlechtriem, S. 903, 905 f. 209 Schütze, Zession, S. 2; Quast, Titel, S. 71; Bergjan, ZIP 2012, 1997.
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über den bloßen Vermögenswert von Wirtschaftsgütern zu disponieren210. Hintergrund dafür sind die Anforderungen des modernen Wirtschaftsverkehrs, der sich zum einen durch den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und zum anderen durch eine zunehmend internationale und globale Ausrichtung sowie durch den Einsatz moderner Informationstechnologien auszeichnet. In Aktien, Anleihen und anderen Wertpapieren verbriefte Werte lassen sich an den globalen Kapital- und Finanzmärkten besser handeln und schneller übertragen als körperliche Gegenstände. Darin besteht ihr besonderer Reiz. In der Konsequenz hat die praktische Bedeutung des Zessionsrechts in der Vergangenheit stark und stetig zugenommen. Forderungsrechte stehen gegenständlichen Vermögenswerten im Hinblick auf ihre praktische Verwertbarkeit kaum noch nach, weisen teilweise bedeutende Vorteile auf. Dementsprechend fokussiert die moderne Dogmatik auch weniger auf die zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende persönliche Verbindung, sondern anerkennt Forderungen als mobile, verwertbare Vermögensgegenstände211. In diesem Sinne ist auch das bekannte Zitat des großen schottischen Nationalökonomen Henry Dunning Macleod zu verstehen212: „If we were asked what discovery has most deeply affected the fortunes of the human race, it might probably be said with truth – The discovery that a Debt is a Saleable Commodity. When Daniel Webster said that Credit has done more a thousand times to enrich nations than all the mines of the world, he meant the discovery that a Debt is a Saleable Commodity or Chattel: and that it may be used like money: and produce all the effects of Money”.
Zwar hat die Diskussion der Schuldnerbeteiligung gezeigt, dass das Konzept der Forderung als personalisierte Leistungsbeziehung noch nicht ausgestorben ist213, durch die Realitäten des modernen Wirtschaftslebens wird dieses Verständnis aber zunehmend relativiert, wenn nicht gar konterkariert. Die übersteigerte Personalisierung von Forderungsrechten vermag den Anforderungen des globalen Rechtsverkehrs im 21. Jahrhundert schwerlich gerecht zu werden. Noch entscheidender sind allerdings der Stellenwert der übergeordneten Sukzessionsfreiheit einschließlich ihrer rechtshistorischen, verfassungs- und unionsrechtlichen sowie rechtsökonomischen Bezüge sowie der Umstand, dass berechtigte Schuldnerinteressen durch postventive Maßnahmen des Sukzessionsschutzes angemessen gewährleistet werden. Ist ein hinreichender Schuld210 Hierzu näher Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 1 I 2 Fn. 5; Leible/ Müller, IPRax 2012, 491. 211 Vgl. Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 80; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 1; Ott, in: AK, BGB, Vor § 398 Rn. 1 ff.; Zeiss, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., Vor § 398 Rn. 1; C. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 33; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 717; Luig, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft II, S. 112. 212 Macleod, Banking, S. 200; vgl. weiter Quast, Titel, S. 70 f. 213 Siehe oben § 4 II. 4. c).
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nerschutz gewährleistet, verlangen die strukturellen Gemeinsamkeiten von dinglichen und obligatorischen Rechten auch nach einer einfachgesetzlichen Gewährleistung einer vergleichbaren Zirkulationsfähigkeit von Schuld- und Sachenrechten. Eine ungehinderte Übertragbarkeit von Forderungs- und anderen Rechten ist die notwendige Konsequenz aus der zurückliegenden wirtschaftlichen Entwicklung in Bezug auf das Sukzessionsrecht sowie der rechtsdogmatischen Parallelen, folgend aus der ausschließlichen Zuordnung von dinglichen und obligatorischen Rechtspositionen. e) Übertragung von anderen Rechten iSd. § 413 BGB Anerkannt ist heute nicht allein die Singularsukzession in Forderungen, sondern auch die Einzelnachfolge in andere subjektive Rechte, deren rechtsgeschäftliche Übertragung nicht durch eigenständige Sukzessionstatbestände geregelt ist. Für solche anderen Rechte gelten gem. § 413 BGB die allgemeinen Vorschriften des Abtretungsrechts (§§ 398 ff. BGB) und seine Strukturprinzipien, von der Sukzessionsfreiheit bis hin zum Sukzessionsschutz. Im Schrifttum wird § 413 BGB zuweilen als rechtssystematische Grundnorm der rechtsgeschäftlichen Sukzession214 aufgefasst. Damit wird die Bedeutung der Vorschrift maßlos überschätzt: § 413 BGB ist nicht mehr (freilich auch nicht weniger) als eine den Sukzessionsgedanken positivrechtlich ausformende Verweisungsregel, die den Übergang von anderen als Forderungsrechten dem Sukzessionsmodus der allgemeinen Bestimmungen der Forderungsabtretung unterwirft. Insofern wirkt § 413 BGB für die Übertragbarkeit von Rechtspositionen auch nicht konstitutiv215. Die Frage der Übertragbarkeit eines Rechts ist der Anwendbarkeit des § 413 BGB vorgelagert und bestimmt sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Nicht verkehrsfähige Rechte können auch nach § 413 BGB nicht übertragen werden. Hinzu kommt der subsidiäre Charakter der Norm. Sondervorschriften aller Couleur, die den Übergang von Rechten spezialgesetzlich regeln, gehen § 413 BGB vor. Seine praktische Bedeutung ist dementsprechend gering216, was auch damit zusammenhängt, dass sich der Anwendungsbereich des § 413 BGB auf die rechtsgeschäftliche Singularsukzession beschränkt. Weder gilt die Vorschrift für die Übertragung von Sachgesamtheiten, wie z.B. Unternehmen217, oder des Vermögens als Ganzem, noch kann auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abtretung (Einigung, Übertragbarkeit, Verfügungsbefugnis) verzichtet werden. 214
Dreher, AcP 138 (1934), 350, 352. Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 2; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 1. 216 Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 1; Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 2; Westermann, in: Erman, BGB, § 413 Rn. 6. 217 RGZ 68, 49, 54; BGH NJW 1968, 392, 393; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 2; Westermann, in: Erman, BGB, § 413 Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 413 Rn. 4; Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 4; Enneccerus/Nipperdey, AT I, § 133 III. 215
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Die verbleibende praktische Bedeutung des § 413 BGB betrifft – um nur einige Beispiele zu nennen – die Übertragung der kaufmännischen Firma (§ 22 HGB), die indes nach § 23 HGB nicht ohne das Unternehmen übertragen werden kann218. Nach § 413 BGB übertragbar sind außerdem die vor Eintragung der Hypothek bestehende – vorläufige – Eigentümergrundschuld219 sowie Rechte aus Wertpapierdepots und Bankguthaben, soweit diese nicht in echten Wertpapieren verbrieft sind220. Übertragbar nach § 413 BGB sind außerdem der Anspruch des Vermächtnisnehmers (vgl. § 2174 BGB)221 sowie der Anteil eines Miterben am Nachlass gem. § 2033 Abs. 1 BGB222. Hinzu kommen die Übertragung von Mitgliedschaftsrechten an Personengesellschaften223, GmbHGeschäftsanteilen224 und Aktien225 sowie von urheberrechtlichen Nutzungsrechten226.
5. Schuldübernahme Rechtskonstruktives Gegenstück zur Forderungsabtretung ist die Schuldübernahme227. Sie ist heute gem. §§ 414, 415 BGB als Fall der rechtsgeschäftlichen, identitätswahrenden Singularsukzession in die Rechtsstellung des Schuldners anerkannt228. Der historische Gesetzgeber suchte durch die Anerkennung der 218
Zur Anwendung des § 413 BGB: Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 22 Rn. 9; Heidinger, in: MünchKommHGB, § 22 Rn. 32; Ammon, In. Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 22 Rn. 19; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 3. 219 BGHZ 53, 60, 62 ff.; BGH NJW 1970, 322, 323; Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 8; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 4. 220 Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 4; Westermann, in: Erman, BGB, § 413 Rn. 3. 221 Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 9; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 7; vgl. aber auch Schlichting, in: MünchKommBGB, § 2174 Rn. 14; Müller-Christmann, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 2147 Rn. 9; Otte, in: Staudinger, BGB, § 2174 Rn. 22. 222 Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 9; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 7; Weber, in: RGRK, BGB, § 413 Rn. 20. 223 Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 9; Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 16; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 413 Rn. 2. 224 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 24; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 16; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2. F IX 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 II 1. 225 Siehe nur Westermann, in: Erman, BGB, § 413 Rn. 3. 226 Vgl. BGH NJW 1968, 594; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 6; Busche, in: Staudinger, BGB, § 413 Rn. 19; Weber, in: RGRK, BGB, § 413 Rn. 15; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 413 Rn. 2; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 413 Rn. 2. 227 Vgl. auch H.-F. Müller, in: PWW, BGB, §§ 414, 415 Rn. 1; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 1; Röthel, in: Erman, BGB, Vor § 414 Rn. 1, § 414 Rn. 1; Schulze, in: Hk-BGB, Vor § 414 Rn. 1. 228 So ausdrücklich Motive zum BGB, Bd. 2, S. 142: „(…) Sondernachfolge in die Schuld (…) unter wesentlicher Aufrechterhaltung der Identität des Schuldverhältnisses.“ Siehe ferner Larenz, Schuldrecht I, § 35 I a; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 24; Schreiber, in: Soergel, BGB, Vor § 414 Rn. 2.
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Schuldübernahme „einem lebhaft empfundenen Bedürfnisse des Verkehres und ebenso häufig als wichtigen Erscheinungen des Rechtslebens die gebührende Rechnung“ zu tragen229. a) Dogmengeschichte Dem römischen Recht war das Institut der Schuldübernahme noch fremd. Das kann nicht verwundern, betrachtete man das Schuldverhältnis damals doch als iuris vinculum, als eine stark personalistisch geprägte Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner230. Konsequenz der rechtlichen Bindung war, dass eine Trennung des Vertragsverhältnisses von der Person des Gläubigers oder Schuldners ausschied. Daran scheiterte nicht nur die identitätswahrende Nachfolge in Forderungen231, sondern auch die Singularsukzession in Schulden232. Um in der juristischen Praxis zumindest im Ergebnis zu einer Übertragung der Schuldnerstellung zu gelangen, entwickelten die römischen Juristen das Institut der Novation: Unter Erlöschen des alten trat ein neues Schuldverhältnis an seine Stelle, und zwar mit identischem Inhalt233. Im Gegensatz dazu war den Naturrechtlern eine befreiende Schuldübernahme nicht unbekannt. Bereits im 17. Jahrhundert setzte man sie in Beziehung zur Übereignung beweglicher Sachen und mühte sich, sachenrechtliche Ansätze auch für die Übertragung von Schulden fruchtbar zu machen234. In Form der Expromission fand sich das Rechtsinstitut dann im Preußischen Allgemeinen Landrecht wieder235, deren Einordnung als Singularsukzession allerdings stets umstritten war236. Erst durch Berthold Delbrücks wegweisende Schrift über „Die Uebernahme fremder Schulden nach gemeinem und preussischem Recht“ von 1853 wurde die Schuldübernahme als eigenständige dogmatische Rechtsfigur anerkannt und näher ausgeformt237. Nach seiner Auffassung entspricht der 229 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 142 offensichtlich im Anschluss an v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 985. 230 Dazu und zum Folgenden Zimmermann, Law, S. 1; Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414– 418 Rn. 4 ff.; Maurer, Schuldübernahme, S. 7 ff.; zur Rezeption ausf. Fluhme, Theorieen, S. 9 ff., 51 f. 231 Dazu oben § 4 II. 4. a). 232 Vgl. Coing, Privatrecht II, § 94 II. 233 Eingehend Maurer, Schuldübernahme, S. 9 ff. 234 Näher Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 7; ausf. und zweifelnd Maurer, Schuldübernahme, S. 193 ff. 235 Pr. ALR I, 14, §§ 399 ff.; dazu RGZ 2, 262, 263; aus moderner Sicht Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 9; Maurer, Schuldübernahme, S. 198 f. – Zu weiteren Modellen in Wissenschaft und Gesetzgebung siehe Maurer, Schuldübernahme, S. 203 ff.; ferner Fluhme, Theorieen (1896). 236 Dafür z.B. v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 992; dagegen etwa Delbrück, Uebernahme, S. 35. 237 Zur Bedeutung Delbrücks siehe Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 1, 11; Reichel, Schuldmitübernahme, S. V; Maurer, Schuldübernahme, S. 200 ff.; kritisch Heck, Schuldrecht, § 72, 4.
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Schuldnerwechsel als identitätswahrende Sukzession den Interessen der Beteiligten sowie den praktischen Notwendigkeiten des Rechtsverkehrs besser als die Annahme einer Novation, weil Letztere mit dem Erhalt der bestehenden Einwendungen unvereinbar sei238. Windscheid beruft sich für die Anerkennung der identitätswahrenden Schuldübernahme auf den Parteiwillen und damit letztlich auf das Prinzip der Privatautonomie239. Der historische Gesetzgeber griff diesen Ansatz bereitwillig auf und kodifizierte die Schuldübernahme – in rechtskonstruktiver Übereinstimmung mit der Forderungszession – als Verfügungsgeschäft, das „auf unmittelbaren Uebergang der Schuld von dem alten Schuldner auf den neuen Schuldner gerichtet (ist), nicht auf Begründung einer persönlichen Verpflichtung zur Schuldübernahme“240. Er folgte damit den maßgeblichen Vorarbeiten des Redaktors Franz Philipp von Kübel, der in Anknüpfung an das Sukzessionsmodell Delbrücks für eine identitätswahrende Schuldnachfolge und gegen die Novation votierte, was er ebenfalls mit den praktischen Bedürfnissen des Rechtsverkehrs und den Interessen der Beteiligten begründete241. b) Rechtsdogmatische Grundsatzfragen Auch wenn darüber zu Beginn des vorigen Jahrhunderts noch lebhaft gestritten wurde242, versteht man die Schuldübernahme heute einhellig als rechtsgeschäftliche, identitätswahrende Einzelnachfolge in die Rechtsposition des Schuldners243. aa) Schuldübernahme als reines Verfügungsgeschäft Missverständlich ist es nun aber, wenn noch immer vielfach davon die Rede ist, im Rahmen der Schuldübernahme verbänden sich ein Verpflichtungs- und ein Verfügungselement zu einem Doppeltatbestand244. Diese auf Emil Strohal zu238 Insbesondere Delbrück, Uebernahme, S. 108 ff.; dazu auch Maurer, Schuldübernahme, S. 200. 239 Windscheid, Pandektenrecht II, § 338 Fn. 3. 240 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 143; ebenso zuvor bereits RGZ 2, 262, 263; Regelsberger, AcP 67 (1884), 1, 26. 241 Siehe v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 989. 242 Für eine Fortgeltung der römischrechtlichen Novationstheorie etwa Strohal, JhJ 57 (1910), 231 ff.; für einen gegenseitigen Vertrag im technischen Sinne Heck, Schuldrecht, § 71, 3; zuvor bereits für eine Verfügung zugunsten Dritter RGZ 7, 131, 132. Instruktiver Überblick bei MeyerPritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 16. 243 RGZ 70, 411, 415: „Die – privative – Schuldübernahme (§ 414 B.G.B.) ist nach jetzigem Recht ein mit der Wirkung der Sukzession in die bestehen bleibende Schuld bekleideter Akt“; ferner Siber, in: Planck, BGB, Vor § 414 Anm. 1 b; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 2; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 1; Lippmann, AcP 107 (1911), 1; Nörr, in: Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 24. 244 Vgl. BGH NJW 1983, 678, 679: „Die befreiende Schuldübernahme ist ein ungewöhnliches und bedeutsames Rechtsgeschäft. Sie enthält in untrennbarer Verknüpfung die Verpflichtung des Übernehmers und die Verfügung über die Forderung des Gläubigers“; ebenso BGH NJW-RR
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rückgehende Lehre245 betrachtet den durch die Schuldübernahme ausgelösten Schuldnerwechsel als Verfügung, während sie die (Neu-)Verpflichtung des Schuldübernehmers als Verpflichtungsgeschäft auffasst. Dem ist in Bezug auf die Verfügungswirkung ausdrücklich zuzustimmen, hinsichtlich der Einordnung als Verpflichtungsgeschäft indes vehement zu widersprechen. Die Schuldübernahme führt gerade nicht – wie die Lehre vom Doppeltatbestand suggeriert – zur Neubegründung einer (inhaltsgleichen) Schuld in der Person des Übernehmers, was einem originären Erwerb gleichkäme. Stattdessen handelt es sich auch bei der Schuldübernahme – in Parallele zur Forderungsabtretung – um einen derivativen Erwerb eben der Schuldposition durch den Übernehmer, der in die Rechtsstellung des Altschuldners eintritt, ohne dass zu diesem Zweck eine (neue, weitere) Verbindlichkeit begründet werden müsste. Weil die Schuld aufgrund des Verpflichtungsgeschäfts nicht übertragen, sondern nur neu begründet werden kann, ist die Lehre vom Doppeltatbestand als in sich widersprüchlich abzulehnen246. Die privative Schuldübernahme ist mit der vordringenden Gegenposition247 als ein reines Verfügungsgeschäft zu qualifizieren. bb) Kritik der Angebots- und Verfügungstheorie Gestritten wird weiterhin über die juristische Konstruktion des nach § 415 BGB mit Zustimmung des Gläubigers zwischen Schuldner und Schuldübernehmer geschlossenen Vertrages. Die um die vorvergangene Jahrhundertwende vielfach vertretene Angebotstheorie betrachtet die nach § 415 Abs. 1 S. 2 BGB abzugebende Mitteilung als Angebot an den Gläubiger zum Abschluss eines Schuldübernahmevertrages nach Maßgabe des § 414 BGB, das der Gläubiger durch Erteilung der Genehmigung annimmt248. Das ist wenig überzeugend, widerspricht diese Position doch bereits dem Wortlaut der §§ 415, 329 BGB249 und auch der Systematik der §§ 414, 415 BGB250. Schon beide BGB-Kommissionen hatten die Ansicht deshalb verworfen251, und so wird sie auch heute mit Recht 245 2012, 741 Tz. 7. Vgl. weiter Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 414 Rn. 2; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 415 Rn. 1; Schulze, in: Hk-BGB, Vor § 414 Rn. 1; Stürner, in: Jauernig, BGB, §§ 414, 415 Rn. 1; Weber, in: RGRK, BGB, Vor § 414 Rn. 8; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 II 1 a; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I a; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1152. 245 Strohal, JhJ 57 (1910), 231 ff.; dazu schon Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 17. 246 Vgl. Maurer, Schuldübernahme, S. 221. 247 Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 18; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 4; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 5; Röthel, in: Erman, BGB, § 414 Rn. 2; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 24; Maurer, Schuldübernahme, S. 222; zuvor bereits Oertmann, BGB, Vor § 414 Anm. 5 b. 248 Heck, Schuldrecht, § 73; Kipp, JhJ 36 (1897), 336, 352 f.; v. Blume, JhJ 39 (1898), 390, 396; ders., JhJ 40 (1898), 109, 116 ff.; Lippmann, AcP 107 (1911), 1, 72 ff.; tendenziell auch Boehmer, Grundlagen II/1, S. 76 ff. 249 Vgl. nur Leonhard, Schuldrecht I, S. 689; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 84; Maurer, Schuldübernahme, S. 238. 250 Näher Dörner, Relativität, S. 183. 251 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 144 f.; Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 406 ff., 410 f.
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nicht mehr vertreten. Stattdessen herrscht die auf Bernhard Windscheid252 zurückgehende Auffassung vor, Schuldner und Schuldübernehmer schlössen den Übernahmevertrag als Nichtberechtigte und der Gläubiger verleihe der Verfügung mittels Genehmigung nach § 185 Abs. 2 S. 1 BGB Wirksamkeit253. Allerdings lässt die h.M. Durchbrechungen zu, wenn diese sogenannte Verfügungstheorie keine interessengerechten Resultate zu erzielen vermag. Dann greift man zurück auf die Konstruktion der Angebotstheorie und erhält nach § 415 BGB die gescheiterte Übernahme in Form des § 414 BGB aufrecht254. Diese mangelnde Stringenz wird im Schrifttum zunehmend kritisiert und lässt abweichende Konzepte auf den Plan treten, wie beispielsweise die Lehre von der „Doppelnatur der Schuldübernahme“255, die Annahme eines „echten“ dreiseitigen Vertrags256 sowie stärker wertungsorientierte Ansätze257. Tatsächlich lassen sich nur in Abkehr von allzu doktrinären Konstruktionen und unter Einbeziehung von Wertungsgesichtspunkten sachgerechte Ergebnisse erzielen. So wird auf Basis der Verfügungstheorie nicht recht verständlich, weshalb die Wirksamkeit der Genehmigung des hiernach Berechtigten von einer vorherigen Mitteilung (vgl. § 415 Abs. 1 S. 2 BGB) abhängig ist. Zudem könnte auch ein beliebiger „Vierter“ anstelle des Gläubigers mit dem Schuldübernehmer eine Übernahme vereinbaren, ohne dass die Sonderregeln des § 415 BGB gelten würde, sondern allein § 414 BGB258. Und schließlich erweist sich die Verfügungstheorie als Fundament für eine einzelfallorientierte Entscheidungsfindung als denkbar ungeeignet. Denn der tiefere Grund für den Korrekturbedarf liegt gerade darin, dass die h.M. die Schuldübernahme gem. § 415 BGB als Verfügung eines Nichtberechtigten über die Forderung des Gläubigers konstruiert. Diese Sichtweise verkennt indes, dass der Schuldner – ebenso wie der Gläubiger im Rahmen einer Forderungsabtretung – über eine eigene Vermögensposition, nämlich seine Pflichtenstellung verfügt, nicht etwa über das – für ihn fremde – Gläubigerrecht259. Die Schuld selbst ist Gegenstand der Verfü252 Windscheid, Pandekten II, § 338 Fn. 6; rezipiert von v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 992. 253 Vgl. RGZ 120, 151, 153; 134, 185, 187; BGH NJW 1983, 678, 679; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 415 Rn. 2; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 415 Rn. 1; Röthel, in: Erman, BGB, § 415 Rn. 1; Siber, in: Planck, BGB, § 415 Anm. 1a; Weber, in: RGRK, BGB, § 415 Rn. 4; Schreiber, in: Soergel, BGB, §§ 414, 415 Rn. 1 f.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 84 V; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I a; letztlich auch Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 23. 254 Vgl. BGHZ 31, 321, 329; BGH NJW-RR 1996, 193, 194; Weber, in: RGRK, BGB, § 417 Rn. 17; Schreiber, in: Soergel, BGB, §§ 414, 415 Rn. 2; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 85 I 2. 255 Dörner, Relativität, S. 181; eingehend dazu dort S. 181 ff. 256 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 8 ff. 257 Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 415 Rn. 2; Meyer-Pritzl, in: HKK, BGB, §§ 414–418 Rn. 23. 258 Vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 6. 259 In diesem Sinne bereits Delbrück, Uebernahme, S. 16 ff., insb. S. 17, 119 f.; dem folgend Dörner, Relativität, S. 184; im Ergebnis ebenso Flume, AT II, § 11, 5d; O. v. Gierke, Privatrecht III, S. 218 und Fn. 27; O. v. Gierke, FS v. Martitz, S. 33, 54 Fn. 1; vgl. noch Rieble, in: Staudinger,
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gung. Sie unterscheidet sich in struktureller Hinsicht nicht von der Forderung – allein verkörpert sie keinen positiven, sondern eben einen negativen Vermögenswert260, der auf den Übernehmer übertragen wird. Diese Position wird auch am besten der Rechtsnatur der Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Singularsukzession in die Schuldposition gerecht, die sich nach allgemeinen Grundsätzen auf Grundlage einer vertraglichen Abrede zwischen dem alten und dem neuen Schuldner als Rechtsvorgänger und Nachfolger vollzieht. Zudem entspricht sie der Erkenntnis, dass es allein im Verhältnis zwischen Altund Neuschuldner zu einer Wertverschiebung kommt, während das Befriedigungsinteresse des Gläubigers durch die Verfügung nur mittelbar berührt wird261. Aus denselben Überlegungen heraus ist auch die Auffassung abzulehnen, bei der Schuldübernahme handele es sich um die Änderung des subjektiven Schuldinhalts262. cc) Folgerungen für das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis Das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis erscheint auf Grundlage der hiesigen Position nicht länger als Genehmigung der Verfügung des nichtberechtigten Altschuldners, sondern als Verfügungsbeschränkung, die nach geltendem Recht die freie Entscheidung des Gläubigers über die Wahl seines Vertragspartners sicherstellen will, vergleichbar dem Abtretungsverbot des § 399 Alt. 2 BGB, der seinerseits (zumindest auch) als Verfügungsbeschränkung aufzufassen ist263. Übertragen auf die Schuldübernahme heißt das, die Verfügungsmacht des Schuldners ist durch § 415 BGB dahingehend beschränkt, dass er über Schulden nicht in eigener Machtvollkommenheit verfügen kann, sondern nur gemeinsam mit dem Gläubiger. Das Zustimmungserfordernis für den Gläubiger folgt deshalb nicht aus § 185 BGB, sondern unmittelbar aus § 415 Abs. 1 BGB264. Es geht aber zu weit, die Schuldübernahme aus diesem Grund in die Nähe dreiseitiger Verträge zu rücken265. Gegen diese Deutung sprechen ersichtlich Wortlaut und Systematik der §§ 414, 415 BGB. Die Vorschriften legen beredtes Zeugnis ab über die abweichende gesetzliche Konzeption als zweiseitiger Vertrag; ganz abgesehen von dem Umstand, dass eine Schuldübernahme stets infolge einer dreiseitigen Vereinbarung abgeschlossen werden kann, womit die intendierten Erleichterungen des Zustimmungsmodells indes obsolet 260 BGB, § 415 Rn. 7; dagegen dezidiert Sohm, Gegenstand, S. 24 ff., 47 f., welcher der Schuldübernahme – im Widerspruch zu den Motiven zum BGB und der heute ganz h.M. – überhaupt die Eigenschaft als Verfügungsvertrag abspricht und sie als reinen Verpflichtungsvertrag einordnet; ebenfalls abweichend Romeick, Rechtsnachfolge, S. 84 ff. 260 Vgl. Hurni, Vermögensübertragung, S. 63; ferner Maurer, Schuldübernahme, S. 225: „Der objektive Schuldinhalt ist als passiver Vermögenswert ohne weiteres verkehrsfähig“. 261 Dörner, Relativität, S. 134; vgl. auch Thiele, Zustimmung, S. 143 ff. 262 So aber dezidiert Maurer, Schuldübernahme, S. 224 ff. 263 Siehe unten § 4 III. 4. b) bb). 264 Vgl. auch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 7 a.E.; Maurer, Schuldübernahme, S. 241. 265 So aber Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 8 ff.
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werden266. Dass die Wahl des historischen Gesetzgebers auf die Zustimmungslösung fiel, beruht maßgeblich auf dem Sukzessionscharakter der Schuldübernahme: Alt- und Neuschuldner müssen sich über die Konditionen der Wertverschiebung verständigen, während der Gläubiger von dieser Wertverschiebung nicht tangiert wird. Sein Interesse beschränkt sich auf die Frage, ob er seine Forderung nach dem Schuldnertausch noch realisieren kann. Deshalb wird der Gläubiger auch nicht in die Verhandlungen über die Konditionen der Wertverschiebung auf schuldrechtlicher Ebene eingebunden. Vielmehr beschränkt sich seine Beteiligung auf das Verfügungsgeschäft, das de lege lata nicht gegen seinen Willen wirksam werden kann. Das führt in rechtsdogmatischer Hinsicht freilich nicht zu einem restlos befriedigenden Ergebnis, ist aber die Konsequenz aus der eigenwilligen Regelung der Schuldübernahme unter Einbeziehung des Gläubigers. Würde man auf die Zustimmung des Gläubigers im Rahmen des § 415 BGB verzichten, wären damit gleichermaßen auch die Konstruktionsschwierigkeiten erledigt. Allerdings erfüllt die Zustimmungspflicht eine wichtige Funktion: c) Zustimmung des Gläubigers Entweder schließt der Gläubiger den Übernahmevertrag mit dem neuen Schuldner gem. § 414 BGB selbst ab oder er erklärt seine Zustimmung zu dem zwischen Alt- und Neuschuldner gem. § 415 BGB geschlossenen Übernahmevertrag. Gegen oder auch nur ohne den Willen des Gläubigers – lässt man einmal den in § 416 BGB geregelten Sonderfall außer Betracht – findet die Schuldübernahme nicht statt, weil – so die 1. BGB-Kommission – „durch die Einrückung eines neuen Schuldners in die Obligati(o)n an die Stelle des alten in die Interessen des Gläubigers ganz erheblich eingegriffen wird“267. Für den Gläubiger sei die Person des Schuldners – so Redaktor v. Kübel zum schuldrechtlichen Vorentwurf – von zentralem Interesse, „da von ihr der ökonomische Werth der Forderung mehr oder weniger abhängt und dieser durch den Schuldnerwechsel wesentlich gemindert oder ganz aufgehoben werden kann“268. Diese Argumentation zielt im Kern auf das Befriedigungsinteresse des Gläubigers. Die 2. Kommission betrachtete den zwischen Schuldner und Übernehmer geschlossenen Vertrag als eine „auf das Recht des Gläubigers sich erstreckende Verfügung“, als „Verfügung über ein fremdes Vermögensrecht“, das erst mit Zustimmung des Gläubigers wirksam werde269. Dieses Argument zielt auf die negative Kontrahentenwahlfreiheit des Gläubigers; er muss sich keinen neuen Schuldner aufdrängen lassen. 266 Zu den verschiedenen Regelungsmodellen der Sukzession siehe Dörner, Relativität, S. 124 ff. 267 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 143. 268 So v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 985. 269 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 407.
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Es ist sehr bemerkenswert, wie selbstverständlich und unkritisch diese Argumente im modernen Schrifttum ventiliert werden. Dort liest man immer wieder, es liege auf der Hand, dass „der Gläubiger der Schuldübernahme zustimmen (müsse), weil der Schuldnertausch seine Forderung (betreffe) und diese entwerten (könne), vor allem aber, weil ihm der neue Schuldner als Partner einer Sonderverbindung nicht aufgezwungen werden (dürfe)“270. Dahinter stehen die beiden schon in den Gesetzesmaterialien angeklungenen Gedanken. Das ist zunächst und vor allen Dingen die Erwägung, dass der Gläubiger sich den Schuldner nicht zuletzt mit Blick auf seine Bonität und Zahlungswilligkeit ausgesucht haben wird271. Das Befriedigungsinteresse des Gläubigers ist demnach berührt, wenn der Schuldner aus eigener Machtvollkommenheit dazu in der Lage wäre, mit einer anderen, womöglich weniger zahlungskräftigen Person die Plätze zu tauschen. Da die Werthaltigkeit des Anspruchs nicht zuletzt von der Bonität und Zahlungsmoral des jeweiligen Schuldners abhängt272, ist die Person des Schuldners für den Gläubiger folglich von so erheblicher Bedeutung, dass er bei der Frage des Schuldnerwechsels nicht übergangen werden darf. Dieser Umstand bildet gewissermaßen das wirtschaftliche Fundament des gläubigerseitigen Zustimmungserfordernisses. Das rechtsdogmatische Fundament bildet das Prinzip der freien Vertragspartnerwahl. Der Gläubiger soll sich keinen Schuldner aufdrängen lassen müssen, mit dem er selbst nicht kontrahiert hat. Eine Schuldübernahme ohne oder gegen den Willen des Gläubigers bedeutet aus dieser Warte einen Eingriff in die negative Vertragsfreiheit als Teilgewährleistung der Privatautonomie und ist aus diesem Grund gem. §§ 414, 415 BGB sanktioniert. Indes: Die Forderungszession bietet das beste Anschauungsmaterial dafür, wie weit es mit der Wahrung der negativen Vertragsfreiheit im modernen Privatrecht her ist. Das Interesse an einer ungehinderten, leichten und sicheren Zirkulation von Rechtspositionen zwingt zu deren „Entpersonalisierung“ und ermöglicht damit zugleich die freie Übertragbarkeit im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Damit verbundene Einschränkungen präventiven Schuldnerschutzes werden durch postventiv wirkende Sukzessionsschutzregeln (§§ 404, 406 ff. BGB) kompensiert. Dass diese rechtspolitische Richtungsentscheidung angesichts des hohen Stellenwerts, welcher der Sukzessionsfreiheit in mehrfacher Hinsicht zukommt, vollauf überzeugt, ist für die Forderungszession mit Blick auf die Entbehrlichkeit der schuldnerseitigen Zustimmung bereits aufgezeigt worden273. Jedenfalls was die rechtskonstruktiven Überlegungen zur freien Kontrahentenwahl anlangt, kann für die Schuldübernahme in Bezug auf die gläubigerseitige Zustimmung schwerlich etwas anderes gelten. 270
Exemplarisch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 3. Vgl. nur Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1151; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 750, 788; Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 422; Maurer, Schuldübernahme, S. 5. 272 Maurer, Schuldübernahme, S. 310. 273 Siehe oben § 4 II. 4. c). 271
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Allerdings betont die nahezu einhellige Auffassung im Schrifttum274, dass die verschiedenartige Ausgestaltung der Mitwirkungsbefugnisse der jeweiligen Gegenpartei im Rahmen von Forderungszession und Schuldübernahme aufgrund der jeweils unterschiedlichen Interessenlage gerechtfertigt seien. Und tatsächlich sticht als Besonderheit der privativen Übernahme das Befriedigungsinteresse des Gläubigers deutlich hervor, welches für den Schuldner bei der Forderungszession offenkundig ohne Belang ist. Dieser vordergründige Unterschied, der aus der jeweiligen Parteirolle folgt, kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Gegenparteien, Schuldner wie Gläubiger, ein zentrales Interesse teilen, und zwar das Interesse, durch den Sukzessionsvorgang keine Rechtsnachteile zu erleiden. Der Schuldner ist daran interessiert, dass er dem neuen Gläubiger nicht mehr schuldet als dem bisherigen und dass ihm im Übrigen auch nach der Abtretung sämtliche Einwendungen und Einreden als Gegenrechte verbleiben. Der Gläubiger ist ebenfalls daran interessiert, infolge der privativen Schuldübernahme keine Nachteile zu erleiden. Sein Befriedigungsinteresse muss unberührt bleiben. Das wird de lege lata durch das gläubigerseitige Vetorecht gewährleistet, das als sukzessionsschützende Präventivmaßnahme die freie Übertragbarkeit von Schuldpositionen beeinträchtigt. Angesichts der strukturellen Gemeinsamkeit von Forderungsabtretung und privativer Schuldübernahme stellt sich nun die Frage, ob dieses präventive Sukzessionsschutzsystem de lege ferenda nicht zugunsten einer postventiven Gewährleistung des Befriedigungsinteresses aufgegeben werden kann und sollte. Zu beantworten ist diese Frage allerdings nicht im Zusammenhang mit der Betrachtung der einfachgesetzlichen Ausformung der Sukzessionsfreiheit, sondern erst später, wenn eine taugliche Regelungsalternative für ein solches Unterfangen gefunden ist. Besonderes Augenmerk gebührt in diesem Zusammenhang dem Sukzessionsschutzsystem der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession, in deren Rahmen Verbindlichkeiten ohne gläubigerseitige Zustimmung übertragen werden können275. d) Keine Zustimmung des Altschuldners Keine zwingende Voraussetzung für eine wirksame Schuldübernahme ist nach geltender Rechtslage die Zustimmung des bisherigen Schuldners. Zwar vollziehen sich Übernahmen in der Praxis vielfach auf Grundlage einer zwischen Altschuldner und Schuldübernehmer geschlossenen Abrede (§ 415 Abs. 1 S. 1 BGB) und insofern auch unter Zustimmung des bisherigen Schuldners. Gleichermaßen gangbar ist aber auch der Weg über einen Vertragsschluss zwischen Gläubiger und Übernehmer, ohne dass der bisherige Schuldner zustimmen müsste (§ 414 BGB). Die Mitwirkung des Altschuldners hielt bereits v. Kübel
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Siehe nochmals die Nachw. oben in Fn. 270 und 271. Siehe unten § 16 V. 2.
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für entbehrlich, da der bisherige Schuldner durch die Schuldübernahme ausschließlich begünstigt werde und sich auch nicht der Tilgung seiner Schuld durch Dritte erwehren könne276. Während der Beratungen des BGB wurde diese Position nicht mehr in Zweifel gezogen277. Das ist nicht selbstverständlich. Denn das Prinzip der negativen Vertragsfreiheit gelangt beispielsweise auch beim Abschluss eines Erlassvertrags zur Geltung, der gem. § 397 BGB als zweiseitiges Rechtsverhältnis konstruiert ist und die Mitwirkung des Schuldners notwendig voraussetzt278. Dem Schuldner kann ein Erlass nicht aufgedrängt werden; seiner Schuldnerstellung geht er nur infolge Zustimmung verlustig. Im Gegensatz dazu kommt ein Verlust seiner Schuldnerstellung gem. § 414 BGB auch ohne sein Zutun in Betracht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Art. III.-5:204, III.-5:206 DCFR die Zustimmung des Schuldners verlangt279. Und dennoch macht es Sinn, dem Altschuldner kein dem Gläubiger vergleichbares Vetorecht einzuräumen. Hierfür kann das Argument der negativen Vertragsfreiheit ebenso wenig fruchtbar gemacht werden, wie für den Schuldner bei der Abtretung280 und für den Gläubiger bei der Schuldübernahme281. Hinzu kommt – und das wiegt schwer – das vitale Interesse des Gläubigers daran, ohne die Zustimmung des Altschuldners anstelle eines womöglich nicht leistungsfähigen einen neuen solventen Schuldner zu erlangen. Der freien Übertragbarkeit von Schuldpositionen ist es nicht eben förderlich, räumte man dem Altschuldner ein Vetorecht ein. Deshalb gewährt § 414 BGB dem Gläubigerinteresse mit Recht den Vorzug gegenüber etwaigen Befindlichkeiten des Altschuldners, der eine Entschuldung mittels privativer Schuldübernahme ebenso hinnehmen muss wie eine Drittzahlung gem. § 267 Abs. 1 S. 2 BGB282. Auch kann aus der abweichenden Regelung des Erlassvertrags kein Argument gegen die gesetzliche Lösung gewonnen werden. Der maßgebliche Unterschied besteht nämlich darin, dass die Verbindlichkeit des Schuldners mit Abschluss des Erlassvertrags endgültig erlischt, während die unveranlasste Schuldübernahme die Verbindlichkeit nicht zum Erlöschen bringt; sie kommt vielmehr in Gestalt eines Regressanspruchs des Übernehmers gegen den Altschuldner wieder zum Vorschein283, soweit es im Verhältnis zwischen Urschuldner und Übernehmer an einem die Schuldübernahme legitimierenden
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So v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 985. Vgl. etwa Motive zum BGB, Bd. 2, S. 143. 278 Zur Rechtsnatur des Erlassvertrages vgl. nur RGZ 72, 168, 171; 110, 409, 418; 114, 155, 158; BGH NJW 1987, 3203; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 397 Rn. 5; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 1 ff.; Schlüter, in: MünchKommBGB, § 397 Rn. 1; E. Wagner, in: Erman, BGB, § 397 Rn. 1; Weber, in: RGRK, BGB, § 397 Rn. 7; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 397 Rn. 1. 279 Siehe unten § 26 I. 5. 280 Siehe oben § 4 II. 4. c). 281 Siehe oben § 4 II. 5. c). 282 Vgl. Dörner, Relativität, S. 130; Röthel, in: Erman, BGB, § 414 Rn. 4. 283 Zum gesamten Problemkreis ausf. Maurer, Schuldübernahme, S. 232 ff. 277
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Rechtsgrund fehlt284. In wirtschaftlicher Hinsicht wirkt die ohne Zustimmung des bisherigen Schuldners durchgeführte Übernahme wie eine Forderungsabtretung285. Das wirtschaftliche Ergebnis der Schuldübernahme ist ein Gläubigerwechsel, den der Altschuldner – vollzöge er sich in Form einer Abtretung – nicht abwehren kann, der seine Rechtsposition aber auch nicht verschlechtert, weil der Übernehmer von ihm – entsprechend der allgemeinen Grundsätze – nichts anderes verlangen kann als er dem ursprünglichen Gläubiger schuldete286. Zudem sind die Interessen des Altschuldners durch eine entsprechende Anwendung der abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzvorschriften gewahrt287. Und schließlich spricht angesichts der vergleichbaren Interessenlage von Schuldübernahme und Forderungsabtretung viel dafür, dass Gläubiger und Altschuldner analog § 399 Alt. 2 BGB vereinbaren können, dass die zwischen Gläubiger und Übernehmer gem. § 414 BGB vereinbarte Übernahme nicht ohne Zustimmung des Schuldners Wirksamkeit erlangt288. Da die Rechtsstellung des Altschuldners vor diesem Hintergrund effektiv gesichert ist, ist auch der Versuch des Schrifttums289 zum Scheitern verurteilt, den Altschuldner durch die Gewährung eines Zurückweisungsrechts analog § 333 BGB zu schützen.
6. Vertragsübernahme Während bei der Forderungsabtretung einzelne Rechte übertragen werden und bei der Schuldübernahme die Nachfolge in einzelne Schuldpositionen erfolgt, dient das Rechtsinstitut der Vertragsübernahme der Übertragung ganzer Vertragsverhältnisse auf den Nachfolger, der vollumfänglich in die vertragliche Rechtsstellung der bisherigen (veräußernden) Vertragspartei eintritt290.
284 Zu diesem Aspekt Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 414 Rn. 8; Weber, in: RGRK, BGB, § 414 Rn. 2; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 414 Rn. 5; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 395; Röthel, in: Erman, BGB, § 414 Rn. 16. 285 Instruktiv Dörner, Relativität, S. 130 f. 286 Vgl. auch Maurer, Schuldübernahme, S. 231 f. 287 Näher Maurer, Schuldübernahme, S. 234 ff. 288 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 10, 34; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 397; Röthel, in: Erman, BGB, § 414 Rn. 4; a.A. offenbar Dörner, Relativität, S. 131 f. 289 So etwa Stürner, in: Jauernig, BGB, §§ 414, 415 Rn. 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 II 2 a; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 755; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I; Hirsch, JR 1960, 291, 292 f.; Dörner, Relativität, S. 130 f.; wie hier dagegen Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 414 Rn. 1; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 414 Rn. 6; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 9; Weber, in: RGRK, BGB, § 414 Rn. 2; Schreiber, in: Soergel, BGB, §§ 414, 415 Rn. 5; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 61; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 26 I 5; Coester-Waltjen, Jura 1999, 656, 659; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 395. 290 Vgl. BGHZ 44, 229, 231; 95, 88, 94 ff.; 96, 302, 307 f.; 137, 255, 259; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 16; Röthel, in: Erman, BGB, Vor § 414 Rn. 2; Klimke, Vertragsübernahme, S. 3.
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a) Herleitung und Grundlagen Die Vertragsübernahme hat im Bürgerlichen Recht keine positivrechtliche Ausformung erfahren. Das hat historische Gründe: Zum einen betrachtete man das Schuldverhältnis bei Schaffung des BGB noch als eine bloße Zusammenfassung einzelner Forderungen und Schulden291, nicht wie heute als eine organische Verbindung von Rechten, Rechtslagen und Pflichten292. Die vom BGB-Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Sukzessionstatbestände (§§ 398 ff., 414 ff. BGB) genügten nach diesem Verständnis auch der Vertragsübernahme. In den Motiven zum 1. BGB-Entwurf lesen wir293: „Für die Nichtaufnahme von Bestimmungen (…) kommt in Betracht, daß dem Bedürfnisse, welches zu der mittels Wechsels des Gläubigers oder Schuldners sich vollziehenden Novation führte, im Wesentlichen durch die Vorschriften über die Zession (…) und über die Schuldübernahme (…) gedient wird.“
Zum anderen ist die legislatorische Zurückhaltung mit dem Stand der damaligen Dogmatik zu erklären. Noch bei Erlass des BGB wurde über den Sukzessionscharakter von Forderungsabtretung294 und Schuldübernahme295 gestritten. Die Vorstellung des Schuldverhältnisses als iuris vinculum war damals noch immer nicht vollständig überwunden und versperrte den Blick auf einen Sukzessionstatbestand, mit dessen Hilfe eine ganzheitliche Vertragsposition übertragen werden konnte. Mit Anerkennung des Sukzessionsgedankens für die Forderungszession und die Schuldübernahme trat allerdings ein Paradigmenwechsel ein. Die Vorstellung des Schuldverhältnisses als eine übermäßig personalisierte Rechtsbeziehung gehört heute der Vergangenheit an296; ebenso das Verständnis, Schuldverhältnisse seien nicht mehr als eine Summe von Einzelforderungen und -schulden. Weil die moderne Dogmatik Vertragsverhältnisse heute als Organismus von Rechten, Rechtslagen und Pflichten versteht297, bedarf es auch eines speziellen, über die Zusammenfassung von Abtretung und Schuldübernahme hinausgehenden Sukzessionstatbestands, auf dessen Grundlage die Nachfolge in ganze vertragliche Rechtspositionen bewerkstelligt werden kann. Befördert wurde diese Rechtsentwicklung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die der II. Zivilsenat des BGH seit den 1950er Jahren im Wege der Rechtsnachfolge zulässt, so291 Vgl. Pieper, Vertragsübernahme, S. 13; Larenz, Schuldrecht I, § 35 III; Nörr, in: Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 16; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 31. 292 Dazu sogleich im Text. 293 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 78; vgl. weiter RGZ 119, 114, 118; BGH NJW 1961, 453, 454; Siber, in: Planck, BGB, Vor § 398 Anm. 2 a; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 96 ff. 294 Siehe oben § 4 II. 4. a). 295 Siehe oben § 4 II. 5. a). 296 Dazu noch oben § 4 II. 4. c). 297 Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 198, 203; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 16; Larenz, Schuldrecht I, § 35 III; ausf. ders., JZ 1962, 105, 107 ff.; zur Entwicklung etwa Voigt, Umwandlung, S. 19 ff.
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weit diese Option nur entweder im Personengesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder von sämtlichen Gesellschaftern gebilligt wird298. Mit Grundsatzurteil vom 20.6.1985 anerkannte der BGH im Anschluss an das vorausgegangene Schrifttum299 schließlich ausdrücklich, dass auch Schuldverträge „durch Rechtsnachfolge (…) unter Aufrechterhaltung der Identität“ übertragen werden können300. Dementsprechend ist die Vertragsübernahme heute als eigenständiger ungeschriebener Sukzessionstatbestand allgemein anerkannt301. Das entspricht dem Verkehrsbedürfnis ebenso wie dem auf die einheitliche Übertragung von Vertragspositionen gerichteten Parteiwillen302. In der Rechtspraxis finden sich zahlreiche Beispiele für Vertragsübernahmen, die in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die Schuldübernahme deutlich überragen303. Eingang in die höchstrichterliche Rechtsprechung fanden etwa die Übernahme von Bierlieferverträgen304, Energieversorgungsverträgen305, Kreditverträgen306, Leasingverträgen307, Mietverträgen308, Wärmelieferverträgen309, Zeitschriftenabonnements310 und sonstigen Sukzessivlieferverträgen311. Von Bedeutung ist die Vertragsübernahme außerdem bei der Umstrukturierung und Reorganisation von Unternehmen312. Die Anerkennung der Vertragsübernahme als eigenständigen Sukzessionstatbestand bildet den vorläufigen Schlussstein einer Entwicklung, die das Schuldverhältnis von der Person der Vertragsparteien entfernte und so zu einer Ent298 BGHZ 13, 179, 185 f.; 44, 229, 231; Wiedemann, Übertragung, S. 51 ff.; Flume, Personengesellschaft, § 17 I, II; zur modernen Dogmatik siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 III 2 b; Habersack, Mitgliedschaft, S. 106. 299 Siehe die Nachweise bei BGHZ 95, 88, 95. 300 BGHZ 95, 88, 94; bestätigt durch BGHZ 96, 302, 307 f.; 129, 371, 375; 137, 255, 258 f.; vgl. zuvor bereits BGHZ 44, 229, 231. 301 Grundlegend Pieper, Vertragsübernahme, S. 160 ff., 176 ff., 184 ff. und passim; ferner Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 197; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 4; Röthel, in: Erman, BGB, Vor § 414 Rn. 2 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 87 I; Larenz, Schuldrecht I, § 35 III; Dörner, Relativität, S. 187 ff.; Klimke, Vertragsübernahme (2010); Schaffland, Vertragsübernahme, S. 37 f. und passim; aus der Rechtsprechung exemplarisch BGH NJW 1961, 453, 454; 1966, 499, 500; 1985, 2528, 2530; 1986, 2108, 2110; 1990, 1181, 1182. 302 Vgl. frühzeitig BGHZ 13, 179; ferner Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 199; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 98; Röthel/Heßeler, WM 2008, 1001 f.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 37 f. 303 Ebenso die Einschätzung von Röthel, in: Erman, BGB, Vor § 414 Rn. 2. 304 BGHZ 129, 371; 142, 23; BGH NJW 1991, 2903; 1995, 2290; 1996, 2094; 1998, 2286; NJWRR 1993, 562. 305 BGH NJW 1961, 453, 454; 1981, 1361. 306 OLG München WM 2008, 1151; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 641; vgl. noch BGHZ 26, 142, 147 ff. 307 BGHZ 142, 23. 308 BGHZ 72, 394, 396; 95, 88; 137, 255; 154, 171; BGH NJW-RR 2005, 958. 309 BGH NJW 1981, 1361; 2012, 1718. 310 BGH NJW 1980, 2518. 311 BGH WM 1973, 489. – Instruktiver Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung mit zahlreichen Belegen bei Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 18; siehe ferner aktuelles Rechtsprechungsmaterial bei Schaffland, Vertragsübernahme, S. 23 ff. 312 Dazu auch Schaffland, Vertragsübernahme, S. 26 f.
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personalisierung von Vertragsverhältnissen führte. Sie vollendet – wenn man so will – die mit der Forderungszession begonnene und durch die Schuldübernahme fortgesetzte Objektivierung und Mobilisierung schuldrechtlicher Vermögenspositionen313. Ihre Legitimation findet die Vertragsübernahme im systemprägenden Prinzip der Privatautonomie und des daraus ableitbaren Grundsatzes der Sukzessionsfreiheit, deren Wirkungen sich nicht auf Rechts- und Schuldpositionen beschränken, sondern sich auch und gerade auf das Vertragsverhältnis als Ganzes beziehen314. Dem auf diese Rechtsfolge gerichteten Parteiwillen stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegen, da dem deutschen Privatrecht schon angesichts der tiefen Verankerung des Sukzessionsgedankens kein grundsätzliches Verbot eines identitätswahrenden Parteiwechsels entnommen werden kann. Kommt es den Parteien im Übrigen gerade auf die Kontinuität der fortwirkenden Vertragsstellung an, führt an der Anerkennung des Sukzessionsgedankens für die Vertragsnachfolge kein Weg vorbei315. Das gilt umso mehr, als die rechtskonstruktive Alternativlösung in Form einer Aufhebung und Neubegründung des Vertragsverhältnisses mit höheren Transaktionskosten verbunden ist. Der zentrale Vorteil einer identitätswahrenden Nachfolge in die vertragliche Rechtsstellung liegt in rechtsökonomischer Hinsicht darin, dass die Beteiligten einen Vertrag nicht von Neuem aushandeln müssen und auf diese Weise die für die Verhandlung anfallenden Transaktionskosten sparen316. Auch das dem Sukzessionsrecht eignende Numerus-clausus-Prinzip steht der Anerkennung der Vertragsübernahme nicht entgegen, bewegt sich die Rechtsfigur der Vertragsübernahme doch jedenfalls innerhalb des durch Forderungsabtretung und Schuldübernahme abgesteckten Regelungsbereichs, der auf der Grundlage privatautonomer Selbstbestimmung der Vertragsparteien nach ihren eigenen Vorstellungen ausgeformt werden kann317. Das gilt umso mehr, als das Bürgerliche Recht mit §§ 566, 613a BGB selbst Fälle des gesetzlichen Vertragsübergangs ausdrücklich anerkennt318 und zudem §§ 309 Nr. 10, 651b Abs. 1 S. 1 BGB die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme implizieren319. Es liegt daher nahe, den Vertragsparteien auch das Recht zuzugestehen, ihre vertragliche 313 Vgl. Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 16; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 34 f. 314 Eingehend Pieper, Vertragsübernahme, S. 188 ff.; vgl. ferner Nörr, in: Nörr/Scheyhing/ Pöggeler, Sukzessionen, §§ 17 I, 19 I 1; Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 197; Voigt, Umwandlung, S. 34; Klimke, Vertragsübernahme, S. 5. 315 Vgl. Schaffland, Vertragsübernahme, S. 37 f. 316 Vgl. Klimke, Vertragsübernahme, S. 1. 317 Siehe schon oben § 4 II. 1. Speziell zur Vertragsübernahme siehe Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 17 I unter Bezugnahme auf Pieper, Vertragsübernahme, S. 188 ff.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 39 f.; ablehnend noch Demelius, JhJ 72 (1922), 241, 290 f.; kritisch auch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 97. 318 Zur Dogmatik des § 566 BGB ausf. unten § 15 VI. 5. a) cc). Zur Dogmatik des § 613a BGB vgl. nur BAG NJW 1984, 627; Annuß, in: Staudinger, BGB, § 613a Rn. 134; Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 613a Rn. 8; Fuchs, in: Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 28; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 613a Rn. 6. 319 Vgl. auch Klimke, Vertragsübernahme, S. 1, 5.
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Rechtsstellung kraft Rechtsgeschäfts zu übertragen. Mit Anerkennung der Vertragsübernahme wird das im Bürgerlichen Recht angelegte Sukzessionssystem über Forderungsabtretung und Schuldübernahme hinausgehend gleichsam zu Ende gedacht320. Durch die Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme droht im Übrigen auch keine Umgehung zwingenden Gesetzesrechts321. Denn wann immer der Normzweck von gesetzlichen Schutzvorschriften einschlägig und die Interessenlage vergleichbar ist, kommt eine analoge Anwendung der Vorschriften auch für die Vertragsübernahme in Betracht. b) Rechtsdogmatische Grundsatzfragen Die rechtsdogmatische Erfassung der Vertragsübernahme ist seit jeher geprägt von der Kontroverse zwischen der Zerlegungsthese, welche die Vertragsübernahme als Verbindung von Abtretung und Schuldübernahme auffasst322, und der Einheitstheorie, die sie als einen (einheitlichen) Sukzessionstatbestand sui generis versteht, der sich von den gesetzlich geregelten Übertragungstatbeständen grundlegend unterscheide323.324 Die Auseinandersetzung war bis heute wenig ertragreich. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, betonen die beiden Positionen doch letztlich nur die beiden zentralen Elemente der Vertragsübernahme. Die dogmatischen Modelle erweisen sich damit als zwei Seiten einer Medaille: Einerseits ist es richtig, wenn die Einheitstheorie die Vertragsnachfolge in einen größeren Kontext stellt und sie dabei – über eine bloße Zusammenfassung von Forderungszession und Schuldübernahme hinausgehend – als eine eigenständige dogmatische Rechtsfigur begreift, deren Abschluss als einheitliches Rechtsgeschäft erscheint325. Schließlich richtet sich typischerweise auch der Wille der an der Vertragsübernahme Beteiligten nicht auf die Übertragung einzelner Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis, sondern auf den einheitlichen Übergang des Schuldverhältnisses als Ganzes326. Dem Einheitscha320
Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 17 I. Zum Problem siehe etwa Klimke, Vertragsübernahme, S. 6, 13 ff. 322 Demelius, JhJ 72 (1922), 241, 252 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 87 I 2 (S. 350); Böttger, ZVglRWiss 73 (1974), 1, 9; Wagemann, AcP 205 (2005), 547, 552; aus der Rechtsprechung siehe RGZ 119, 114, 118; 130, 115, 118; BGH NJW 1959, 1536, 1538; 1961, 453, 454. 323 Grundlegend Pieper, Vertragsübernahme, S. 173 ff., 176 ff.; ferner BGH MDR 1958, 90; BAG DB 1973, 924; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 42; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 8; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 190; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 IV; Larenz, Schuldrecht I, § 35 III; Brecher, AcP 163 (1964), 519 ff.; Pöggeler, JA 1995, 641, 642 f.; E. Wagner, JuS 1997, 690, 692; Voigt, Umwandlung, S. 29 ff., 34; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 44 ff.; aus der Rechtsprechung siehe BGHZ 96, 302, 307 f.; 72, 394, 395; BGH NJW-RR 2005, 958, 959; BGH NJW 2012, 1718 Tz. 33. 324 Zur Bedeutung der Kontroverse einerseits Dörner, Relativität, S. 188 ff.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 21 ff., 33; andererseits Voigt, Umwandlung, S. 29 ff. 325 Vgl. nur BGH NJW-RR 2005, 958, 959; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 42. 326 Missverständlich Claussen, Gesamtnachfolge, S. 112: „Der Vertragsübergang ist weder Einzelübertragung noch Gesamtnachfolge, sondern eine Sondernachfolge eigener Art.“ 321
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rakter des Übertragungsgegenstands entspricht die Einheitlichkeit des Übertragungsvorgangs327. Die Anerkennung der Vertragsnachfolge als eigenständige dogmatische Rechtsfigur kann andererseits allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Vertragsübergangs maßgeblich nach §§ 398 ff., 414 ff. BGB beurteilen, soweit nicht vertragsübernahmespezifische, d.h., aus der Nachfolge in die gesamte vertragliche Rechtsposition folgende, Besonderheiten ausnahmsweise ein Abgehen von den abtretungs- und schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsvorschriften erfordern328. Auf diese Regel ist sogleich für die Beteiligung der verbleibenden Vertragspartei329 und später für die entsprechende Anwendung der Schuldner- und Gläubigerschutzvorschriften (§§ 401, 404, 406 ff., 417, 418 BGB)330 zurückzukommen. Ebenso wie bei der Schuldübernahme331 handelt es sich bei der Vertragsübernahme um ein reines Verfügungsgeschäft332, nicht etwa – wie Teile des Schrifttums333 in Bezug auf die eintretende Vertragspartei meinen – zugleich um ein Verpflichtungsgeschäft. Die nach der Transaktion gegen den Eintretenden gerichtete Verpflichtung resultiert gerade nicht aus einem selbstständigen Verpflichtungsgrund, sondern ist schlichte Konsequenz der im Wege identitätswahrender Sukzession auf die eintretende Vertragspartei übergegangenen Vertragsposition. Davon abgesehen verfügt allein der ausscheidende Vertragsteil, nicht etwa – wie im Schrifttum unter Hinweis auf die bei der Schuldübernahme vorherrschenden Verfügungstheorie vertreten wird334 – zugleich der im Vertrag verbleibende Teil335.
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Zutreffend Pieper, Vertragsübernahme, S. 184. Zum Ganzen: Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 17 III 1; Klimke, Vertragsübernahme, S. 30 ff.; vgl. aus der Rechtsprechung exemplarisch BGH NJW 2012, 1718 Tz. 33. 329 Dazu sogleich unten § 4 II. 6. b). 330 Dazu unten § 15 V. 331 Siehe oben § 4 II. 5. b) aa). 332 Wie hier Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 201; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 42; Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor § 414 Rn. 113; Schreiber, in: Soergel, BGB, Vor § 398 Rn. 5; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 655; Ulmer/Masuch, JZ 1997, 654, 655; Wagemann, AcP 205 (2005), 547, 551 f.; Röthel/Heßeler, WM 2008, 1001, 1002; Voigt, Umwandlung, S. 36 ff.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 50; aus der Rechtsprechung vgl. BGH NJW 1981, 2747; BAG NJW 1973, 822, 823; OLG Oldenburg NJOZ 2007, 5937, 5941. 333 Kaduk, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., Vor § 398 Rn. 36; Larenz, Schuldrecht I, § 35 III; Pieper, Vertragsübernahme, S. 118, 160 ff., 202, 210 ff.; Hübner, BB 1994, 2044, 2045; Volmer, WM 1999, 209, 218; ausdrücklich offenlassend und als „terminologische Frage“ bezeichnend Klimke, Vertragsübernahme, S. 78 f. 334 So etwa Klimke, Vertragsübernahme, S. 74 ff. 335 Es gilt das zur Schuldübernahme oben § 4 II. 5. b) bb) Gesagte für die Vertragsübernahme entsprechend. 328
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c) Tatbestandliche Wirksamkeitsvoraussetzungen Ausgehend von den grundlegenden Gewährleistungen der Privatautonomie, die gemeinsam mit dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit das rechtliche Fundament der Vertragsübernahme bildet, hängt deren Wirksamkeit von der Zustimmung sämtlicher an der Transaktion beteiligten Personen ab. Es ist die zentrale Konsequenz von negativer Vertrags- und positiver Kontrahentenwahlfreiheit, dass sich niemand gegen seinen Willen einen (anderen) Vertragspartner aufdrängen lassen muss336. Dieses Postulat lässt sich rechtskonstruktiv in unterschiedlicher Weise verwirklichen337: Entweder die drei an der Übernahme beteiligten Rechtssubjekte schließen einen echten dreiseitigen Vertrag mit dem Inhalt, dass die Vertragsposition des Ausscheidenden unter unverändertem Fortbestand des Verbliebenden auf den eintretenden Vertragspartner übergeht, oder ausscheidende und eintretende Partei vereinbaren die Vertragsnachfolge durch zweiseitigen Vertrag und der Verbleibende stimmt der Übernahme zu. Auch wenn die letzte Variante dem Sukzessionscharakter der Vertragsübernahme am besten gerecht wird, besteht keine sachliches Bedürfnis dafür, in Beschränkung der privatautonomen Selbstbestimmung den Beteiligten die Gestaltungsoption des echten dreiseitigen Vertrages zu versagen338. Das gilt umso mehr, als diese Rechtsfigur auch im Rahmen der Schuldübernahme anerkannt ist339. Mit Blick auf die Privatautonomie spricht auch nichts dagegen, die Vertragsübernahme qualifiziert-zweiseitig in der Weise zu strukturieren, dass sich der im Vertrag verbleibende Teil unter Zustimmung des ausscheidenden Teils mit dem neuen Vertragspartner verständigt oder unter Zustimmung des neuen Vertragspartners mit dem ausscheidenden Teil340. Ob die Parteien sich im konkreten Einzelfall einer dreiseitigen Vereinbarung oder eines zweiseitigen Vertrags mit Zustimmungsvorbehalt bedienen, ist durch Auslegung zu ermitteln341. 336
Siehe oben § 4 II. 2. und § 4 II. 5. c). BGHZ 44, 229, 231; 65, 49; 95, 88, 93 ff.; 96, 302, 308; 142, 23, 30 f.; 176, 86 Tz. 16; BGH NJW 1961, 453, 464; 1998, 531, 532; NJW-RR 2005, 958, 959; NJW 2012, 2354 Tz. 7; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 8; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 42; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 109; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, §§ 414, 415 Rn. 27; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 191 f.; Weber, in: RGRK, BGB, Vor § 398 Rn. 9, 10; Larenz, Schuldrecht I, § 35 III Fn. 43; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 800; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 19 I 1; Pieper, Vertragsübernahme, S. 199 ff.; Thiele, Zustimmung, S. 225 ff.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 36 ff.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 102 ff.; Lange, ZIP 1999, 1373, 1374; Pöggeler, JA 1995, 641, 643. 338 So aber Dörner, Relativität, S. 137 ff.; dagegen mit Recht Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 19 I 1; Klimke, Vertragsübernahme, S. 45 ff.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 105 ff. 339 Siehe oben § 4 II. 5. b) cc). 340 Wie hier Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 115 ff.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 19 I 1; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 103; im Grundsatz ebenso Klimke, Vertragsübernahme, S. 50 ff.; so offenbar auch BGHZ 96, 302, 309; BGH NJW-RR 2005, 958, 959. 341 Dazu eingehend Klimke, Vertragsübernahme, S. 68 ff.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 120 ff.; aus der Rechtsprechung exemplarisch BGHZ 137, 255, 259. 337
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Soweit es den Parteien um die sukzessorische Übertragung der Vertragsposition vom ausscheidenden auf den neuen Vertragspartner geht, wird im Zweifel die Annahme der qualifiziert-zweiseitigen Lösung dem Willen der Beteiligten am besten entsprechen342. De lege lata wird die zweiseitig vereinbarte Vertragsübernahme mit der Genehmigung des verbleibenden Vertragsteils wirksam, und zwar ohne dass es dafür einer besonderen Mitteilung entsprechend § 415 Abs. 1 BGB bedarf343. Die ursprünglichen Vertragspartner können aber auch schon im Vorfeld in eine spätere Vertragsübernahme einwilligen344. Davon zu unterscheiden ist de lege ferenda die Frage, ob die Interessen des verbleibenden Vertragspartners – mit Blick auf das wirtschaftliche Interesse der veräußernden Vertragspartei und dem hohen Stellenwert der Sukzessionsfreiheit – nicht auf andere Weise als durch die Verwirklichung präventiven Sukzessionsschutzes gewährleistet werden können. Zu beantworten ist diese Frage aber wiederum erst später, wenn taugliche – postventiv wirkende – Regelungsalternativen aufgezeigt worden sind345.
7. Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen I Nachdem nun die Grundtatbestände der rechtsgeschäftlichen Sukzession grob umrissen sind, ist das einfachgesetzliche Gebäude der Sukzessionsfreiheit um einen letzten zentralen Versatzstein zu ergänzen: die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen. Der Inhaber kann sich gem. § 137 S. 1 BGB seiner „Befugnis über ein veräußerliches Recht (…) nicht durch Rechtsgeschäft“ begeben. Dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen sind danach unwirksam. Unberührt bleibt hiervon – vorbehaltlich etwaiger Spezialvorschriften (vgl. nur § 1136 BGB) – die „Wirksamkeit einer Verpflichtung, über ein solches Recht nicht zu verfügen“ (§ 137 S. 2 BGB). Nach dem bisher Gesagten kann der Charakter des § 137 S. 1 BGB nicht zweifelhaft sein. Die Vorschrift schützt den hehren Grundsatz der Sukzessionsfreiheit, und zwar vor Angriffen, die nicht etwa von außenstehenden Dritten drohen, sondern vor selbstauferlegten Beschränkungen des Rechtsinhabers. Der Berechtigte soll sich seiner aus der Sukzessionsfreiheit fließenden Verfügungsbefugnis nicht in eigenverantwortlicher Weise begeben können. Das Grundproblem der Bestimmung liegt auf der Hand: Der Berechtigte wird – wo342 Wie hier Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 42; Dörner, Relativität, S. 138; Voigt, Umwandlung, S. 35; Maurer, Schuldübernahme, S. 246 ff.; a.A. Röthel/Heßeler, WM 2008, 1001, 1003. 343 Vgl. Pöggeler, JA 1995, 641, 645 f.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 19 I 3. 344 Dazu BGH DtZ 1996, 56, 57; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 8; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 42; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 118; Nörr, in: Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 19 I 2; E. Wagner, JuS 1997, 690, 694 f.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 227 f.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 103. 345 Siehe unten § 18 IV.
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möglich zum eigenen Schutz346 – in seiner gegenwärtigen Freiheit beschränkt, um ihm auch zukünftig die freie Übertragbarkeit seiner Rechtsposition zu gewährleisten. Aus dieser fast perplexen Verquickung von Freiheitsgewährungsleistung und Freiheitsbeschränkung speisen sich die interpretatorischen Schwierigkeiten, die bis heute eine klare rechtsdogmatische Erfassung der „wahren“ Regelungsintention verhindert haben. Bevor auf dieses Grundproblem sowie auf die Verbindungslinien zwischen § 137 S. 1 BGB und dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Rechten eingegangen wird, erscheinen einige historische Betrachtungen lohnend: a) Rechtshistorischer Hintergrund Den zeitgeschichtlichen Rahmen für die historische Genese des § 137 BGB bilden die Wandlungen des Eigentumskonzepts, die im Zusammenhang mit der rechtskonstruktiven Erfassung der konstitutiven Nachfolge bereits angesprochen worden sind347. Unter Geltung der Lehre vom geteilten Eigentum war die Übertragbarkeit des Grundeigentums durch wechselseitige Bindungen der Befugnisse von Ober- und Untereigentümer wesentlich erschwert348. Das belegen beispielhaft die einschlägigen Vorschriften des Preußischen Allgemeinen Landrechts349. Danach konnten weder der Lehnsherr noch der Vasall ohne Zustimmung des jeweils anderen Rechtsinhabers über das Grundstück verfügen. Die hiermit verbundene Beeinträchtigung des Grundstücksverkehrs ist evident. Aber auch im Übrigen ließ das gemeine Recht – abweichend etwa vom römischen Recht – eine weitergehende Beschränkung der Verfügungsbefugnis zu350. Deshalb bekämpfte die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts die historisch gewachsene Eigentumsspaltung und plädierte für ein Eigentumskonzept, das durch die Prinzipien Vollkommenheit, Absolutheit und Unteilbarkeit gekennzeichnet war. Eben diesen – einheitlichen – Eigentumsbegriff legten die Redaktoren auch den sachenrechtlichen BGB-Vorschriften zugrunde. Bedeutsamste Konsequenz dieses Paradigmenwechsels war die Einführung eines rigiden Typenzwangs nebst Fixierung einzelner beschränkter dinglicher Rechte. Mit Blick auf diese Rechtsentwicklung wird § 137 S. 1 BGB noch heute vielfach eine ordnungsrechtliche Funktion beigelegt, die darauf gerichtet ist, das System der beschränkten dinglichen Rechte, namentlich das sachenrechtliche Numerus-clausus-Prinzip, institutionell abzusichern351. 346
Dazu unten § 4 III. 2. c). Siehe oben § 2 III. 2. b) aa). 348 Zur Lehre vom geteilten Eigentum Mayer-Maly, FS Hübner, S. 145 ff.; Strauch, FS Hübner, S. 273 ff.; vgl. speziell zur Bedeutung für § 137 BGB: Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 50 f. 349 Siehe Pr. ALR I 8 § 19, 20, I 18 § 1; dazu die anschauliche Übersicht bei Dernburg, Privatrecht I, § 182; vgl. noch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 51 Fn. 12. 350 Vgl. Dernburg, Privatrecht I, § 80. 351 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 256 f.; dazu die tiefergehende Analyse von Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 118 f.; dems., FS Kroeschell, S. 623, 635 ff.; ebenso BGHZ 134, 182, 186; BGH 347
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Dieses Verständnis des § 137 S. 1 BGB ist durchaus problematisch. Zunächst wird die Position den unterschiedlichen Zielrichtungen der beiden Institute schwerlich gerecht. Während nämlich das Numerus-clausus-Prinzip primär auf den Inhalt (beschränkter) dinglicher Rechte abzielt, liegt die zentrale Kernfunktion des § 137 S. 1 BGB in der Gewährleistung von Sicherheit und Leichtigkeit im Rechts- und Handelsverkehr352. Durch jenes soll die übermäßige Zersplitterung dinglicher Rechte verhindert werden, während dieses den Rechtsinhaber daran hindert, sich seines eigenen Verfügungsrechts zu begeben. Stellt man außerdem die rechtspolitische Überzeugungskraft von Typenzwang und Typenfixierung in Frage, wie es in jüngster Zeit mit schwerwiegenden, vor allem rechtsökonomischen Argumenten geschieht353, gerät die ordnungsrechtliche Legitimation des § 137 S. 1 BGB einmal mehr ins Wanken. Ungeachtet dessen behält § 137 S. 1 BGB aber jedenfalls seine Bedeutung für die flankierende Absicherung des modernen Eigentumskonzepts, das insbesondere die Rückkehr zu einer feudalen Trennung von Ober- und Untereigentum ausschließt354, und ein ungeteiltes und zugleich stets verkehrsfähiges Eigentum gewährleistet. Der Eigentümer soll effektiv daran gehindert sein, eine Sache durch eigenverantwortlichen Willensentschluss dem Rechtsverkehr auf unabsehbare Zeit zu entziehen und gleichsam zu einer res extra commercium zu degradieren. Dem entspricht es, dass § 91 des Vorentwurfs zum Sachenrecht von Reinhold Johow, nachdem die Rechtslage vor Erlass des BGB recht vielgestaltig war355, erstmals ein – wie es in der Marginalie heißt – „vertragsmäßiges Veräußerungsverbot“ enthielt. Es lautete: „Die vertragsmäßige Verpflichtung des Eigenthümers, die Sache nicht zu veräußern oder zu belasten, ist gegen Dritte wirkungslos.“
Die Beschränkung der Vorschrift auf das Eigentum erklärt Johow wie folgt: „Das Verfügungsrecht des Eigenthümers findet seine natürliche Begrenzung durch den Begriff des Eigenthums. Dieser Begriff ist durch das objektive Recht gegeben und der Bestimmung durch Privatwillkür entrückt. Der Eigenthümer kann allerdings an sich mit der Sache machen, was er will, er kann dieselbe namentlich auch aus seinem Vermögen ausscheiden und also das Eigenthum aufgeben. Aber er kann nicht die Sache in seinem Vermögen behalten und gleichzeitig sein Eigenthum durch willkürliche Abtrennung einzelner Befugnisse, welche dasselbe verleiht, abschwächen. Dürfte er dies, so läge es in sei352 WM 2012, 1740 Tz. 14; BayObLG DNotZ 1978, 159, 162 f.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 5; Damm, in: AK, BGB, § 137 Rn. 4; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 7; Flume, AT II, § 17, 7; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 18; R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 11, 26 f.; E. Wagner, AcP 194 (1994), 451, 474; Canaris, FS Flume I, S. 371, 419 f.; Roth, FS Picker, S. 667, 671; aus verfassungsrechtlicher Perspektive Regenfus, Vorgaben, S. 345 f.; aus rechtsökonomischer Perspektive Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93, 113. 352 Vgl. auch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 78 f. 353 Siehe oben § 2 III. 2. b) cc). 354 Zutreffend Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 7; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 50 f., 56 ff.; vgl. noch Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 137 Rn. 1. 355 Dazu ausf. R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 13 f.
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ner Hand, das Eigenthum an einer bestimmten Sache in ein Recht umzuformen, welches die Rechtsordnung nicht mehr als Eigenthum gelten lassen könnte. Damit aber wäre der Eigenthumsbegriff selbst verflüchtigt.“356
Diese axiomatische Deduktion der Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen aus dem Eigentumsbegriff steht erkennbar in der Tradition der Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts und verschleiert in ihrer apodiktischen Form die maßgeblichen Entstehungs- und Begründungszusammenhänge. Die begriffslogische Herleitung, das Eigentum verdiene nicht mehr den Namen Eigentum, wenn einzelne Befugnisse daraus willkürlich vernichtet würden, beinhaltet neben der idealisierten „Reinheit“ des Eigentumsbegriffs kein teleologisch brauchbares Sachargument, das gegen die Vernichtung der Verfügungskomponente des Eigentums sprechen könnte. Eine Antwort auf die Frage nach der rechtspraktischen Notwendigkeit der Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen blieb Johow im Gefolge der Pandektenwissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts letztlich schuldig. Insofern schließt sich der Kreis zur Lehre vom ungeteilten Eigentum, die ebenfalls eines tragfähigen Fundaments entbehrt, die dogmatische Einordnung beschränkter dinglicher Rechte erschwert und im Übrigen durch die Anerkennung und Ausformung von Sicherungs- und Vorbehaltseigentum heute als widerlegt gelten darf357. b) Eigentum, Privatrechtsordnung, Marktwirtschaft Was von der historischen Diskussion übrigbleibt, ist die von § 137 S. 1 BGB und seinen Vorläufern ausgehende Regelungsintention, das Eigentum vor prohibitiven Verfügungsbeschränkungen – wie sie unter Geltung der Lehre vom geteilten Eigentum üblich waren – freizuhalten und auf diese Weise den Grundsatz der freien Übertragbarkeit des Eigentums vor selbst auferlegten Beschränkungen zu schützen. Nicht ohne Grund ist die Vorschrift daher als „wichtigste Garantie des freiheitlich-bürgerlichen Eigentumsbegriffs“ bezeichnet worden358. Wäre es nämlich zulässig, Gegenstände in großem Stil mit privatautonomen Verfügungsbeschränkungen zu belegen, würde die geltende Eigentumsordnung, ja unsere gesamte Privatrechts- und Wirtschaftsordnung als solche in Zweifel gezogen359. Sie ist auf eine ungehinderte Übertragbarkeit von Privateigentum angewiesen und kann es aus Verkehrsschutzgründen letztlich auch nicht hinnehmen, dass Wirtschaftsgüter dem Rechts- und Handelsverkehr bis auf weiteres entzogen werden. Die uneinschränkbare Sukzessionsfreiheit bildet mithin eine tragende Säule der Ausrichtung des Privatrechts des späten 19. Jahrhunderts auf das „Verkehrsrecht“, welches den rechtlichen Ordnungsrahmen 356 357 358 359
Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 625. Siehe oben § 2 III. 2. b). So Hattenhauer, in: Baur, Eigentum, S. 83, 91. Vgl. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 52.
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für die Einführung der freien Marktwirtschaft als neue Wirtschaftsordnung bildete360. Diese Erkenntnis markiert heute wie damals den zentralen Ansatzpunkt für Verständnis und Interpretation der Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen. Führt man die Überlegungen zum uneinschränkbaren Verfügungsrecht des Eigentümers, wie es unter Bezugnahme auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG auch eine verfassungsrechtliche Dimension erhält, konsequent zu Ende, erkennt man das überzeugende Regelungsziel in der institutionellen Absicherung der Sukzessionsfreiheit im Interesse von Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit361. Das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit im Rechts- und Handelsverkehr wäre nicht länger gewährleistet, beinhaltete das individuelle Eigentumsrecht auch die Befugnis, die Sache dem Wirtschaftsverkehr dauerhaft zu entziehen. Verfassungsrechtliches Gewicht erhält diese Überlegung durch die Erkenntnis, dass das Verfügungsrecht des Eigentümers von der Institutionsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst ist. Schließlich ist der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff neben seiner Privatnützigkeit durch die Verfügungsbefugnis gekennzeichnet; und es ist diese, unsere privatrechtlich-marktwirtschaftliche Eigentums- und Wirtschaftsordnung, die eine eigentumskräftig verbürgte Verfügungsbefugnis voraussetzt und bedingt362. Gleichzeitig wird als Normreflex die Entstehung unveräußerlicher Gegenstände (res extra commercium) verhindert363. Der letzte Aspekt findet sich schon bei Rudolf von Jhering. Er warnt eindringlich vor selbst geschaffenen Verfügungsbeschränkungen in Bezug auf Familienfideikommisse364: „Das ganze Eigenthum im Staate könnte auf diese Weise einer rechtlichen Erstarrung anheimfallen, die Freiheit des Verkehrs für ewige Zeiten gelähmt, der Fortschritt namenlos erschwert, ja vielfach völlig unmöglich gemacht werden. Entspricht das – vom nationalökonomischen Gesichtspunkt ganz zu schweigen – der Idee des Rechts?“
Ebenso deutlich stellte später der BGH365 den Gesichtspunkt in das Zentrum seiner Interpretation des § 137 S. 1 BGB:
360
Siehe Coing, Privatrecht II, S. 89 f.; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 119. Wie hier schon Flume, AT II, § 17, 7; ähnlich BayObLG NJW 1978, 700, 701; Armbrüster, GS Wolf, S. 191, 207; aus verfassungsrechtlicher Perspektive Regenfus, Vorgaben, S. 343 ff. 362 So bereits oben § 4 I. 2. 363 Wie hier Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 4; Damm, in: AK, BGB, § 137 Rn. 4; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 137 Rn. 1; Medicus, BGB AT, Rn. 678; Bülow, JuS 1994, 1, 4; Däubler, NJW 1968, 1117, 1121; R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 25 f., 37 f.; Petersen, Jura 2009, 768, 769; ders., Jura 2011, 184, 185; Schreiber, Jura 2010, 599, 602; E. Wagner, AcP 194 (1994), 451, 468 ff.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 51 f., 74 ff.; Müller-Freienfels, Vertretung, S. 130; Regenfus, Vorgaben, S. 343 ff.; Weitnauer, FS Weber, S. 429, 432; Roth, FS Picker, S. 667, 671; einschränkend Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 6; Timm, JZ 1989, 13, 17; Schlosser, NJW 1970, 681, 683; Raible, Übertragung, S. 74; kritisch auch Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 6. 364 v. Jhering, Geist II/1, S. 233. 365 BGHZ 56, 275, 278 f.; aus der Rechtsprechung ebenso KG NJW 1973, 428, 429; vgl. zuvor bereits BGHZ 40, 115, 118. 361
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„Wenn ein Recht seinem Charakter nach veräußerlich ist – und das ist die Regel –, so soll ihm diese Eigenschaft (die Möglichkeit für den Rechtsträger, das Recht zu veräußern oder zu belasten) nicht durch Rechtsgeschäft genommen werden können. Nach der Vorschrift (scil.: § 137 S. 1 BGB) soll eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung nicht die Wirkung haben, daß über einen Gegenstand (…) überhaupt nicht mehr verfügt werden kann, so daß der Gegenstand dem Rechtsverkehr entzogen wird. Die Vorschrift verbietet also, kraft Parteiautonomie mit dinglicher Wirkung Gegenstände ,extra commercium‘ zu stellen, und will damit eine Erstarrung des Güterverkehrs verhindern“.
Damit schießen v. Jhering, der BGH und das ihnen folgende Schrifttum366 allerdings ein wenig über das Ziel hinaus. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Verfügungsbeschränkung iSd. § 137 S. 1 BGB nicht bis in alle Ewigkeit fortbestehen muss367. Eine Erstarrung des Güterumsatzes ist durch die privatautonome Vereinbarung von Verfügungsbeschränkungen nicht zu befürchten, weil solcherlei Abreden – gegen Zahlung einer entsprechenden Ablösesumme – durch die Beteiligten jederzeit wieder aufgehoben und damit die gebundenen Gegenstände auch ihren Weg in den Rechtsverkehr zurückfinden können368. Könnten Verfügungsbeschränkungen wirksam vereinbart werden, wäre die Übertragbarkeit des Gegenstandes nicht im technischen Sinne aufgehoben, sondern vielmehr an die Zustimmung des Vertragspartners gebunden, der die Wirksamkeit der Veräußerung an einen Dritten analog § 185 BGB durch Einwilligung oder Genehmigung herbeiführen könnte369. Alternativ ist an den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu denken. Schnell werden allerdings die mit der Zulassung rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen verbundenen Nachteile klar, wenn man rechtsökonomische Methodik an das Rechtsproblem heranträgt370: c) Ökonomische Analyse des § 137 S. 1 BGB Ausgangspunkt ist einmal mehr die Erkenntnis, dass die freie Übertragbarkeit von Gütern den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand steigert, weil Güter über das Verhandlungsmodell und die Preisbildungsmechanismen des Marktes zu demjenigen Individuum gelangen, das nach Maßgabe seiner Präferenzen aus dem
366
Vgl. nur Bülow, JuS 1994, 1, 4; Schreiber, Jura 2010, 599, 602; Petersen, Jura 2009, 768, 769; Armbrüster, GS Wolf, S. 191, 207. 367 So klingt es aber insbesondere bei Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 56 an: „Dispositionen über die Verfügbarkeit binden alle zukünftigen Rechtsinhaber. Es ist das nämliche Recht, das für alle künftigen Rechtsinhaber die Grundlage der Verfügungsfreiheit bildet. Ein Ausschluß oder eine Beschränkung der Verfügbarkeit würde in Zukunft auf dem Recht lasten.“ Richtig aber später ebenda S. 74: „…, weil ein vertragliches Übertragungshindernis jederzeit durch den Abschluß eines Aufhebungsvertrages behoben werden kann.“ 368 So auch Epstein, Economics, S. xxix; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 73 f. 369 Für § 399 Alt. 2 BGB vgl. § 4 III. 4. b) ee). 370 Siehe noch die Ansätze bei Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 6; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 75 f.
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Gegenstand den höchstmöglichen individuellen Nutzen ziehen kann371. Vor diesem Hintergrund ließe sich zunächst argumentieren, dass eine rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung diesen Übertragungsmechanismus beeinträchtigt und § 137 S. 1 BGB schon aus diesem Grund nicht zu beanstanden sei. aa) Präferenzen im neoklassischen Verhaltensmodell Diese Überlegung greift indes zu kurz; denn es bliebe unberücksichtigt, dass es gerade den individuellen Präferenzen eines Marktakteurs entsprechen kann, einen Gegenstand außer Verkehr zu setzen. Man denke nur an den Einsatz eines treuhänderischen Vermögensverwalters. Der Treuhänder wird in unserem Beispiel Eigentümer der Vermögensgegenstände des Treugebers; Letzterer hat wegen § 137 S. 1 BGB keine Handhabe, treuwidrige Verfügungen des Treuhänders mit dinglicher Wirkung auszuschließen372, was im Schrifttum verschiedentlich bemängelt worden ist373. Wählt man die Perspektive des Treugebers und anerkennt seine Präferenzen, lässt sich durchaus argumentieren, § 137 S. 1 BGB laufe einer effizienten Ressourcenallokation zuwider. Hinzu kommt, dass auch die ökonomischen Interessen der übrigen Beteiligten durch die Preisbildung am Markt – jedenfalls auf Grundlage des neoklassischen Verhaltensmodells – hinreichend gewahrt sind. Wird der Erwerber durch die Vereinbarung nämlich in seinem Recht beschränkt, über den erworbenen Gegenstand zu verfügen, wird er auch nur zur Zahlung eines entsprechend niedrigeren Kaufpreises bereit sein374. Diese Werteinbuße wird der Veräußerer nach Maßgabe seines Präferenzprofils nur dann hinnehmen, wenn diese Einbuße durch den Nutzen ausgeglichen wird, den er sich aus der beschränkten Verfügungsbefugnis verspricht. Das Beispiel leidet allerdings maßgeblich daran, dass es ausschließlich auf die individuellen Interessen der an der Beschränkungsvereinbarung Beteiligten fokussiert und das gesamtwirtschaftliche Interesse an einer effizienten Ressourcenallokation aus dem Blick verliert. Erstrebt man für den Einsatz eines Gegenstandes den höchsten individuellen Nutzen, dann ist die Verfügungsbeschränkung immer dann mit einer Einbuße verbunden, wenn es einen (potenziellen) Erwerber gibt, der den größtmöglichen Nutzen aus dem Gegenstand ziehen kann und deshalb auch bereit ist, einen hohen Preis für den Erwerb zu bezahlen. Dass der Gegenstand letztlich zum nutzenmaximierenden Erwerber gelangt, ist allerdings auch auf Grundlage einer dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkung nicht ausgeschlossen. Schließlich kann der in seinem Verfügungsrecht beschränkte Rechtsinhaber den durch die Beschränkung begünstigten Vertrags371
Zu den Grundbegriffen der Rechtsökonomik siehe oben § 3 IV. RGZ 153, 366, 369, BGHZ 11, 37, 43; BGH NJW 1968, 1471; BB 1982, 890, 891; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 18; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 137 Rn. 9; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 24; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 137 Rn. 10; Bülow, JuS 1994, 1, 4; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 66; R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 2. 373 Vgl. Assfalg, NJW 1970, 1902; Kötz, NJW 1968, 1471 f.; Schlosser, NJW 1970, 681, 684 ff.; Coing, Treuhand, S. 162 ff. 374 Siehe Epstein, Economics, S. xxix. 372
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partner durch Zahlung einer entsprechenden Gegenleistung dazu bewegen, der Verfügung an den (potenziellen) Erwerber zuzustimmen. Ein ökonomisch rational handelnder Vertragspartner wird eine Ablösesumme verlangen, die seinem individuellen, aus der Verfügungsbeschränkung zu seinen Gunsten resultierenden Nutzen entspricht. Ist die Ablösesumme höher als der aus der Transaktion mit dem potentiellen Erwerber angestrebte Gewinn, wird die Transaktion unterbleiben. Das ist nach dem ökonomischen Modell effizient, weil der Nutzen des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten höher wiegt als der aus der Transaktion aggregierte Nutzen für den Rechtsinhaber und den potenziellen Erwerber. Der Gegenstand bleibt in dieser Konstellation dem Rechtsverkehr entzogen, weil eine komparative Betrachtung des jeweiligen Individualnutzens zugunsten des an der Verfügungsbeschränkung interessierten Vertragspartners ausfällt. Umgekehrt wird die Transaktion durchgeführt, wenn der daraus resultierende Gewinn der Vertragspartner den Nutzen des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten übersteigt. Auch in dieser Konstellation ist eine effiziente Lösung die Folge, weil der Gegenstand zum Erwerber gelangt, der nach dem ökonomischen Modell – da er auch bereit war, einen die Ablösesumme übersteigenden Preisaufschlag zu zahlen – potenziell auch den größten Nutzen aus dem Wirtschaftsgut ziehen kann. Aus der grundsätzlichen Diskussion rechtsökonomischer Modelle wissen wir allerdings um die Schwächen des neoklassischen Verhaltensmodells. Zweifel bestehen zum einen an der Rationalität der Verkehrsteilnehmer; zum anderen sind die Präferenzen der Akteure auch nicht stabil, sondern unterliegen der zeitabhängigen Veränderlichkeit. Selbst wenn man den letzten Aspekt ausblendet, müssen drei maßgebliche Gesichtspunkte noch ergänzend in den Blick genommen werden, und zwar die Transaktionskostenproblematik (bb), Besitzeffekte (cc) und ein etwaiges irrationales Verhalten des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten (dd). bb) Transaktionskosten Bezieht man die durch die Transaktion und die Zustimmungserteilung verursachten Kosten in die Betrachtung ein, dann zeigt sich schnell, dass Verfügungsbeschränkungen die anfallenden Transaktionskosten tendenziell erhöhen375. Kann der Eigentümer nicht mit dinglicher Wirkung in seinem Verfügungsrecht beschränkt werden, fallen Transaktionskosten nur für die Verhandlung und Durchführung des mit dem Erwerber abgeschlossenen Rechtsgeschäfts an. Können Verfügungsbeschränkungen – mit dinglicher Wirkung (!) – wirksam vereinbart werden, wird der zwischen Eigentümer und Erwerber intendierte Güteraustausch um die Transaktionskosten verteuert, die infolge der Verhandlungen über die Zustimmungserteilung durch den Begünstigten anfallen. Denn 375
Zu den Grundlagen der Transaktionskostentheorie siehe oben § 3 IV. 5. sowie in diesem Kontext ergänzend Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 75.
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ohne die Erteilung seiner Zustimmung scheidet ein wirksamer Rechtsübergang notwendig aus. Außerdem werden Transaktionen durch das Unwirksamkeitsverdikt des § 137 S. 1 BGB dadurch gefördert, dass der Erwerber von kostspieligen Nachforschungsmaßnahmen in Bezug auf rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen entbunden wird376. Können dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen nicht wirksam vereinbart werden, dann kann sich der Erwerber auch darauf verlassen, dass der Rechtsinhaber – zumindest nicht aufgrund privatautonom errichteter Hindernisse – in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Zugleich ist damit auch das Restrisiko beseitigt, dass Nachforschungsmaßnahmen des Erwerbers zu dem (unrichtigen) Ergebnis gelangen, dass keine Verfügungsbeschränkung besteht oder sich das Bestehen eines Verfügungshindernisses nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt. Der risikoaverse Erwerber wird gerade in solchen Zweifelsfällen geneigt sein, vollends auf die Durchführung der Transaktion zu verzichten, was einer effizienten Ressourcenallokation ebenso widerspricht wie dem Ziel der gesamtwirtschaftlichen Wohlstandsmaximierung. Auch dieses Restrisiko wird durch § 137 S. 1 BGB minimiert. Besondere Schärfe erhält dieser Punkt, sollte über die Transaktion später ein Rechtsstreit entbrennen. Im Prozess ist dem Gegner durch die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen nämlich von vornherein das Argument abgeschnitten, der streitbefangene Gegenstand habe gerade einer solchen Beschränkung unterlegen. Zugleich wird das Verfahren von der Behauptung und dem Nachweis etwaiger subjektiver Voraussetzungen entlastet, die für Streitigkeiten über den redlichen Erwerb beispielsweise von Bedeutung sind377. Anders als im Fall des redlichen Erwerbs ist es für § 137 S. 1 BGB nämlich ohne Belang, welche Vorstellungen sich der Erwerber von der Verfügungsbefugnis des Veräußerers machte. Der Erwerber kann selbst dann wirksam erwerben, wenn er von der (unwirksamen) Verfügungsbeschränkung Kenntnis hatte378. Die subjektive Beziehung des Erwerbers zum Verfügungsgegenstand ist für die Anwendbarkeit des § 137 S. 1 BGB vollkommen irrelevant. Das wird auch die Bereitschaft des Erwerbers steigern, den Gegenstand zu erwerben, weil er nicht befürchten muss, dass ihm der Gegenstand wegen einer unbekannt gebliebenen (rechtsgeschäftlichen) Verfügungsbeschränkung im Nachhinein wieder entzogen werden kann. Damit verbunden ist ein Mehr an Transaktionssicherheit, die nach dem ökonomischen Modell die Bereitschaft eines potenziellen Erwerbers steigern wird, den Gegenstand überhaupt zu erwerben und dafür auch einen höheren Preis zu bezahlen. Im Gegenzug sinken die Transaktionskosten.
376 Im Ergebnis auch Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 6; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 75. 377 Siehe dazu unten § 11 VI. 378 Allg. M.: Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 257; KG GRUR 1951, 41, 42; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 19.
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cc) Besitzeffekte Neben den höheren Transaktionskosten wird eine effiziente Ressourcenallokation bei Zulassung dinglich wirkender Verfügungsbeschränkungen weiterhin durch Besitzeffekte (endowment effects) aufseiten des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten beeinträchtigt379. Entgegen der Grundannahme des Coase-Theorems ist mit Besitzeffekten die Erkenntnis verbunden, dass die Ausgestaltung der zugewiesenen Rechtspositionen für die Verhandlung zwischen den Parteien nicht von vornherein ohne Belang ist. Denn der Rechtsinhaber wird tendenziell eine höhere Ablösesumme für die Preisgabe seiner Rechtsposition verlangen, als er selbst als Erwerber bereit wäre dafür zu bezahlen. In der Folge klafft zwischen dem potenziellen Erwerbspreis und dem potenziellen Verkaufspreis eine Lücke, die Transaktionen verhindert, soweit der generierte Gewinn nicht groß genug ist die Lücke zu schließen. Aufgrund der transaktionshemmenden Wirkung von Besitzeffekten ist der Gesetzgeber aufgerufen, mittels geeigneter Rechtsvorschriften Anreize für die Durchführung wohlfahrtssteigernder Rechtsgeschäfte zu schaffen und so die menschliche Trägheit und etwaige Verlustängste zu überwinden. Eine solche Vorschrift ist § 137 S. 1 BGB, der verhindert, dass die im Rahmen der Zustimmungserteilung zu gewärtigenden Besitzeffekte die Umlauffähigkeit von Wirtschaftsgütern behindern. dd) Irrationales Verhalten Hinzu kommen die Risiken, die sich aus einem etwaigen irrationalen Verhalten des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten ergeben. Eigennutz- und Rationalitätstheorem des neoklassischen Verhaltensmodells sind durch die Erkenntnisse der modernen Kognitions- und Verhaltenspsychologie grundlegend in Frage gestellt worden380. Auch wenn sich bisher wenige systemübergreifende Erkenntnisse aus den Verhaltens- und Rationalitätsanomalien ableiten lassen, muss eine verhaltensökonomisch angereicherte Analyse jedenfalls in ihre Betrachtung einbeziehen, dass Marktteilnehmer nicht ausschließlich eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen und auch nicht durchweg ökonomisch rational handeln. Das gilt auch und gerade für den durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten. Da das Rechtsgeschäft ohne seine Zustimmung nicht wirksam durchgeführt werden kann, ist er in einer starken Verhandlungsposition und kann durch strategisches Verhalten selbst wohlfahrtsmaximierende Transaktionen nach seinem Willen scheitern lassen381. Mit Blick auf die Bedeutung der verfassungsrechtlich gem. Art. 14 Abs. 1 GG verbürgten Verfügungskomponente des Eigentums ist diese Unwägbarkeit schwerlich hinnehmbar. Scheitert eine 379 380 381
5, 7.
Zu den Grundlagen siehe oben § 3 IV. 7. b). Zu den Grenzen des Rational-choice-Ansatzes siehe oben § 3 IV. 7. a). Zum Problem (und seiner beschränkten Bedeutung): Lewinsohn-Zamir, JITE 168 (2012),
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Einigung, obgleich sie in Ansehung der individuellen Präferenzen der Beteiligten zu einer effizienten Ressourcenallokation beigetragen hätte, sind gesamtwirtschaftliche Wohlstandsverluste die unvermeidliche Folge. ee) Rechtszuordnung und Property-rights-Ansatz Weiterführende Erkenntnis verspricht abschließend noch eine Analyse des § 137 S. 1 BGB vor dem Hintergrund der Sukzession als Zuordnungsproblem382 und dem aus der rechtsökonomischen Diskussion bekannten Propertyrights-Ansatz383. In diesem Zusammenhang hat Christian Berger – in Anlehnung an Rudolf von Jherings Zweckbegrenzungslehre384 – § 137 S. 1 BGB als „Ausprägung der institutionellen Zweckbestimmung subjektiver Rechte“ interpretiert385. Kerngedanke ist, dass dem Inhaber eines subjektiven Rechts zwei grundlegende Befugnisse exklusiv zugewiesen werden, und zwar zum einen die Befugnis zur tatsächlichen Nutzung des betreffenden Gegenstands und zum anderen die Rechtsmacht, über den Gegenstand rechtsgeschäftlich zu verfügen. Bemerkenswert ist nun, dass die Nutzungsbefugnisse durch die Bestellung von beschränkten dinglichen Rechten nach Maßgabe des Numerus-claususPrinzips beschränkt werden können, während eine dingliche Beschränkung der Verfügungskomponente in Ansehung des § 137 S. 1 BGB vollständig ausgeschlossen ist. Erklären lässt sich diese Differenzierung wiederum mit rechtsökonomischen Erwägungen. Denn die Abspaltung von Handlungsrechten (property rights) und ihre Übertragung in Form von beschränkten dinglichen Rechten auf einen anderen Nutzungsberechtigten kann nach Maßgabe der Präferenzen der Beteiligten zu einer individuellen Nutzensteigerung führen, wenn mehrere Personen aus den verschiedenen Komponenten des Eigentums unterschiedlich großen Nutzen ziehen können386. Zwar führt die Vereinbarung einer dinglichen Verfügungsbeschränkung ebenfalls zur Abspaltung von Handlungsrechten aus dem Eigentum; sie ist im Gegensatz zur Schaffung beschränkter dinglicher Rechte in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis aber wenig vorteilhaft, weil sie keine Übertragung auf eine andere Person zur Folge hat, sondern zu einer reinen Vernichtung von Handlungsmöglichkeiten führt387. Das ist der tiefere Grund dafür, weshalb die Abspaltung einzelner Handlungsrechte nach un382
Siehe oben § 2 II. Siehe oben § 3 IV. 2. 384 v. Jhering, Geist II/1, S. 220 ff.: Bezogen auf die Begrenzung des Freiheitsbegriffs führt v. Jhering aus, dass das römische Recht „den Zweck des (Rechts-)Instituts zum Maß für die dem Subject innerhalb desselben zu verstattende freie Bewegung gemacht (hat). Die abstracte Freiheit des Subjects findet also an der in dem einzelnen Institut enthaltenen objectiven Freiheit ihr Maß und Ziel vor, eine Bahn, die sie einzuhalten hat, damit sie nicht mit sich selbst in Widerspruch gerathe.“ Zitat S. 220. 385 Dazu und zum Folgenden Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 52 ff. 386 Dazu schon oben § 3 IV. 2. 387 Den letzten Aspekt betont auch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 55. 383
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§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit
serer Privatrechtsordnung nur zulässig ist, wenn die Teilrechte nicht verloren gehen. Das ist mit einer Übertragung auf Dritte sichergestellt. Eine dinglich wirkende Entleerung des Nutzungsrechts, ohne Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts, ist deshalb ebenfalls ausgeschlossen und führt zu einem Gleichlauf der Beschränkung der Nutzungs- und Verfügungskomponente. Beide Befugnisse können dinglich nicht eingeschränkt werden, ohne sie aus dem Eigentum abzuspalten und im Wege der konstitutiven Sukzession auf eine andere Person zu übertragen.
III. Grenzen der Sukzessionsfreiheit Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit, wie es die vorstehenden Überlegungen in seinen maßgeblichen Grundlagen und seiner einfachgesetzlichen Ausprägung skizziert haben, eröffnet dem Individuum einen selbstbestimmten Gestaltungsfreiraum, der wie jede Freiheit Bindungen unterliegt388. Solche Bindungen finden sich im einfachen Gesetzesrecht in Form von Sukzessionsbeschränkungen. Im Zusammenhang mit dem sukzessionsrechtlichen Numerus-clausus-Prinzip ist herausgearbeitet worden, dass die Sukzessionsfreiheit nur im Rahmen der Rechtsordnung Gültigkeit besitzt389. Die Rechtsordnung verleiht der Sukzessionsfreiheit schärfere Konturen, ja ihre konkrete Gestalt. Das geschieht auf zweierlei Weise: Zum einen auf der Grundlage von Vorschriften und übergeordneten Rechtsprinzipien, die darauf abzielen, die Interaktion von Rechtssubjekten institutionell zu erleichtern und zu stärken390. Hierzu zählen die im positiven Recht verankerten Sukzessionstatbestände sowie die in den folgenden Abschnitten behandelten Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Nachfolge. Zum anderen geschieht das durch Vorschriften und Prinzipien, die der Interaktion von Rechtssubjekten aufgrund übergeordneter Wertungsgesichtspunkte Grenzen setzen391. Um solche Grenzen der Sukzessionsfreiheit drehen sich die nachfolgenden Überlegungen. Im Zentrum stehen bürgerlichrechtliche Beschränkungen der freien Übertragbarkeit im Sinne einer Unveräußerlichkeit von Vermögensrechten. Davon zu unterscheiden ist die Verkehrsunfähigkeit von Gegenständen392: Während an unveräußerlichen Gegenständen Rechte zwar bestehen, sie aber nicht übertragen werden können, stehen verkehrsunfähige Gegenstände von vornherein außerhalb des Rechts- und Handelsverkehrs; Vermögensrechte können an ihnen von vornherein nicht begründet werden. Solche Beschränkungen der Ver388
Siehe Petersen, Jura 2011, 184; vgl. weiter BVerfGE 12, 341, 347; 89, 214, 231. Siehe oben § 4 II. 1. 390 Zur Ausgestaltung der Verfügungsvoraussetzungen im Rahmen der Privatautonomie bereits F. v. Hippel, Problem, S. 150 ff. 391 Zum Ganzen ausf. und instruktiv Paulus/Zenker, JuS 2001, 1, 2 ff. 392 Zur Terminologie im Folgenden siehe Armbrüster, GS Wolf, S. 191, 192. 389
III. Grenzen der Sukzessionsfreiheit
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kehrsfähigkeit können sich aus dem bürgerlichrechtlichen Sachbegriff393 ebenso ergeben wie aus öffentlichrechtlichen Vorschriften394. Da beide Kategorien indes mit den grundlegenden Strukturen der privatrechtlichen Übertragung von Rechtspositionen in keiner spezifischen Verbindung stehen, sondern genuin rechtspolitische Bedürfnisse befriedigen, die durch nicht verallgemeinerungsfähige wirtschaftliche, soziale oder gesellschaftliche Umstände bedingt sind395, bleiben solche Beschränkungen der Verkehrsfähigkeit nachfolgend außer Betracht. Zudem beschränkt sich die Darstellung auf die Übertragung von Vermögensrechten, so dass Rechte, die unmittelbar mit der Persönlichkeit des einzelnen Menschen verbunden sind396, ebenfalls unberücksichtigt bleiben397. Stattdessen werden die praktisch wichtigsten und zugleich für das systematische Verständnis des Sukzessionsrechts bedeutsamsten, bürgerlichrechtlichen Verfügungsbeschränkungen in den Blick genommen, um ihre Funktion, Dogmatik und rechtspolitische Überzeugungskraft zu analysieren und kritisch zu bewerten. Das alles geschieht in dem Bewusstsein, dass es bis heute an einem kohärenten System von Sukzessionsbeschränkungen fehlt398. Die nachfolgenden Erläuterungen wollen dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen.
1. Herleitung und Grundlagen Die Begrenztheit der Sukzessionsfreiheit wird deutlich, blickt man auf die Schranken des übergeordneten Grundsatzes der Privatautonomie und anerkennt man wenigstens im Kern die an der Privatautonomie seit jeher geäußerte Kritik, die Freiheit der einen Person bedeute stets zugleich die Unfreiheit einer 393 Siehe exemplarisch Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 7 ff.; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 5 f.; Stresemann, in: MünchKommBGB, § 90 Rn. 2, 24 ff. Im US-amerikanischen, namentlich rechtsökonomisch geprägten Schrifttum existiert reichhaltiges Material zur Frage der Veräußerlichkeit von Körperteilen (market for body parts) und zum Markt für die Adoption von Neugeborenen (baby market), siehe etwa befürwortend Landes/Posner, J. Legal Stud. 7 (1978), 323 ff.; Posner, J. Legal Stud. 8 (1979), 103, 138 f.; ablehnend etwa Prichard, U. Toronto L.J. 34 (1984), 341, 348 ff.; aus dem deutschen Schrifttum Koslowski, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 115 ff.; vgl. weiter Eidenmüller, JZ 2011, 814, 815; insgesamt Armbrüster, GS Wolf, S. 191, 192 ff. 394 Siehe etwa die übersichtliche Zusammenstellung bei Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93, 94 mit Nachw. in Fn. 9 bis 11; ausf. Armbrüster, GS Wolf, S. 191, 199 ff. 395 Vgl. nur Schlechtriem, in: MPI, Beiträge, S. 44, 47. 396 Siehe mit unterschiedlichen Begründungen etwa Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972), 1089, 1111 ff.; Kronman, Yale L.J. 92 (1983), 763, 774 ff.; Radin, Harv. L. Rev. 100 (1985), 1849 ff., 1921 ff.; Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93, 96, 105 f. 397 Instruktiv zur Kritik der ökonomischen Analyse in Bezug auf unveräußerliche Rechte Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93, 100 ff., 104 ff. 398 Siehe bereits die Systematisierungsbemühungen bei Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 25 ff.; E. Wagner, Abtretungsverbote, S. 60 ff.; Ruhwedel, JuS 1980, 161 ff.; Armbrüster, GS Wolf, S. 191, 204 ff.; vgl. noch Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 10.
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anderen399. Deshalb wird die Privatautonomie anderer Rechtssubjekte mit Recht als wichtigste Grenze der Privatautonomie des Handelnden angesehen400. Überhaupt trägt die Gewährung rechtlicher Gestaltungsmacht für jedermann ihre Beschränkung auf ein gebotenes Maß gleichsam als immanente Grenze in sich. Pointiert bemerkte Otto von Gierke in seiner Schrift über „Die soziale Aufgabe des Privatrechts“ von 1889401: „Allein so gewiß es ist, daß eine Privatrechtsordnung, welche den freien Willen entthronte, ihrem heiligsten Berufe untreu würde, so selbstverständlich ist es auch, daß kein Privatrecht, das nicht das soziale Chaos heraufbeschwören will, sich der Aufgabe entziehen kann, dem freien Spiel der Einzelwillen in der Erzeugung von Rechtsverhältnissen Schranken zu setzen.“
Denn402: „Schrankenlose (F)reiheit zerstört sich selbst.“
Zuvor hatte v. Savigny zwingende Rechtvorschriften bereits unter Hinweis auf die „väterliche Vorsorge für das Wohl des Einzelnen“ legitimiert403. Später geißelte v. Jhering „die im Begriff der Freiheit scheinbar enthaltene Möglichkeit einer Selbstvernichtung“ als „Klippe der subjectiven Freiheit“ und verwies auf die im gemeinen Recht vorherrschende „selbstmörderische Auffassung des Freiheitsbegriffs“, der zugunsten eines abweichenden Freiheitsbegriffs aufzugeben sei, der die „wahre, ethisch berechtigte Freiheit des Subjects“ anerkenne404. In der Konsequenz erblickte v. Jhering in der Freiheit „nicht etwas Subjectives, ein Gut oder eine Eigenschaft der Person, sondern eine objective, vom Willen der Person unabhängige unzerstörbare Eigenschaft der Rechtsinstitute“405. Auf diesem Fundament errichtet er sodann seine Zweckbegrenzungslehre, von der bereits die Rede war406, und stellte am Ende resümierend fest, „daß die Freiheit als Bedingung sittlicher Entwicklung etwas über den Menschen Erhabenes ist, ein Gut, das er rechtlich weder sich selbst, noch seinen Nachkommen verkümmern soll“407. Vielfach sind es daher Wertungen der materiellen und (oder) sozialen Gerechtigkeit, die sich in Form von Grenzen der Vertrags- und Sukzessionsfreiheit 399 Aus der Kritik im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des BGB siehe Bähr, Gegenentwurf, S. VI; O. v. Gierke, Aufgabe, passim, insb. S. 17 f.; später L. Raiser, JZ 1958, 1 ff.; Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30 ff.; dagegen etwa Zöllner, AcP 176 (1976), 201 ff., ders., AcP 188 (1988), 85 ff.; Reuter, AcP 189 (1989), 199 ff.; aus der weitergehenden Privatautonomiekritik der 1980er Jahre siehe exemplarisch E. Schmidt, JZ 1980, 153 ff. 400 So Paulus/Zenker, JuS 2001, 1, 2. 401 O. v. Gierke, Aufgabe, S. 28. 402 O. v. Gierke, Aufgabe, S. 28. 403 Savigny, System I, S. 56. 404 So v. Jhering, Geist II/1, S. 218 f. 405 So v. Jhering, Geist II/1, S. 220. Hervorhebungen auch im Original; dort aber nicht kursiv, sondern gesperrt. 406 Siehe oben § 4 II. 7. c) ee). 407 So v. Jhering, Geist II/1, S. 234. Hervorhebung im Original weggelassen.
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im geschriebenen Recht und den praeter legem entwickelten Rechtsgrundsätzen wiederfinden. Dass dies auch angesichts der verfassungs- und unionsrechtlichen Verankerung von Vertrags- und Übertragungsfreiheit nicht weiter problematisch ist, folgt schon aus der Einschränkbarkeit der tangierten Grundrechte (vgl. Art. 2 Abs. 1 Hs. 2, 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG) und Grundfreiheiten408. Freilich stehen solche Beschränkungen stets unter dem Vorbehalt einer angemessenen verfassungs- bzw. unionsrechtlichen Rechtfertigung einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgebots. Was die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Privatautonomie formulierte, gilt insofern gleichermaßen für die Sukzessionsfreiheit409: „Die Privatautonomie ist notwendigerweise begrenzt und bedarf der rechtlichen Ausgestaltung. Privatrechtsordnungen bestehen deshalb aus einem differenzierten System aufeinander abgestimmter Regelungen und Gestaltungsmittel, die sich in die verfassungsmäßige Ordnung einfügen müssen.“
Verfassungsrechtlich abgesichert ist damit zum einen die Gestaltbarkeit der Sukzessionsfreiheit. Gleichwohl bedürfen Sukzessionsbeschränkungen angesichts des hohen Stellenwerts, den die Sukzessionsfreiheit aus rechtshistorischer, verfassungs- und unionsrechtlicher sowie rechtsökonomischer Perspektive genießt, aber einer besonderen Rechtfertigung410. Zum anderen kann es verfassungsrechtlich geboten sein, den individuellen Interessen der an der Transaktion Beteiligten und außenstehender Dritter sowie den überindividuellen Interessen des Rechtsverkehrs im Wege einer verfassungskonformen Interpretation der tangierten Verfügungsbeschränkungen zum Durchbruch zu verhelfen. Die heute ganz überwiegend anerkannte mittelbare Drittwirkung von Grundrechten spielt hierbei eine ebenso gewichtige Rolle wie die dem Staat gegenüber seinen Bürgen obliegenden Schutzpflichten411. Im Zweifel sind die Ausschlusstatbestände allerdings restriktiv auszulegen, um dem für das Sukzessionsrecht in besonderem Maße geltenden Grundsatz in dubio pro libertate zum Durchbruch zu verhelfen412. In welchem Maße die einfachgesetzlichen Sukzessionsbeschränkungen diesen Anforderungen gerecht werden, wird im Folgenden anhand der drei wichtigsten, bürgerlichrechtlichen Fallgruppen exemplifiziert, und zwar anhand von Beschränkungen zur Sicherung von Interessen des Veräußerers (2.), des Erwerbers (3.) und Dritter (4.).
408 Zur Einschränkbarkeit der unionrechtlichen Grundfreiheiten siehe EuGH Slg. 1993, I1663 Tz. 32; 1995, I-4165 Tz. 37; 1999, I-1459 Tz. 34; 2010, I-2177 Tz. 38. 409 BVerfGE 89, 214, 231. 410 Im Ergebnis ebenso Larenz/Wolf, BGB AT, § 1 Rn. 3; siehe noch Zöllner, AcP 196 (1996), 1 ff. 411 Für Einzelheiten im Zusammenhang mit der Privatautonomie siehe insbesondere Höfling, Vertragsfreiheit, S. 48 ff., 52 ff.; abweichend Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 4 ff., 36; jeweils m.w.Nachw. 412 Vgl. auch Larenz/Wolf, BGB AT, § 1 Rn. 3.
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2. Sicherung von Veräußererinteressen Der englische Philosoph und Ökonom John Stuart Mill formuliert die Grundthese für die Anerkennung von Sukzessionsbeschränkungen, die nach ihrem Normzweck dem Interesse des Veräußerers selbst zu dienen bestimmt sind413: „The principle of freedom cannot require that (a person) should be free not to be free. It is not freedom to be allowed to alienate his freedom”.
Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Freiheit des Veräußerers zuweilen in der Gegenwart eingeschränkt werden muss, um ihm in der Zukunft einen eigenverantwortlichen Gestaltungsspielraum zu erhalten. Auf bestimmte Handlungsbefugnisse soll der Veräußerer im eigenen Interesse nicht verzichten können. Damit verbunden ist vordergründig eine Freiheitsbeschränkung. Denn Freiheit müsste bei unbefangener Betrachtung auch die Handlungsoption einschließen, die eigene Freiheit nach Belieben einzuschränken. Bezeichnet ist damit das Freiheitsparadoxon414, das aufs engste mit der Frage nach paternalistischen Freiheitsbeschränkungen verbunden ist: a) Beschränkungen aus paternalistischen Gründen Als Paternalismus bezeichnet man Freiheitsbeschränkungen im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen selbst, die in die Präferenzautonomie des einzelnen Marktteilnehmers eingreifen und deren rechtsökonomische wie rechtspolitische Sinnhaftigkeit seit langem umstritten ist415. Die moderne Rechtsökonomik hat in der Vergangenheit einige Kategorien und Voraussetzungen herausgearbeitet, anhand derer die Zulässigkeit rechtspaternalistischer Freiheitsbeschränkungen überprüft werden kann. Da die Gefahr einer signifikanten Einschränkung der Freiheitssphäre immer droht, wenn Rechtsvorschriften paternalistische Zwecke verfolgen, sind die Grenzen für die Zulässigkeit eines rechtlichen Paternalismus eng gesteckt. Beschränkungen sind aber jedenfalls dann zulässig, wenn Rechtsvorschriften im Ergebnis auf eine Erweiterung der Freiheitssphäre gerichtet sind oder die zu schützenden Rechtspositionen untrennbar mit der Persönlichkeit des Individuums verbunden sind. Die erste Kategorie will den Einzelnen vor irrever413
Mill, Liberty, S. 83 bezog sich mit dieser Aussage auf das Problem der Selbstversklavung. Zu diesem Beispiel und zum gesamten Problemkreis näher Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972), 1089, 1112; Eidenmüller, Effizienz, S. 383 ff.; a.A. R. Posner, J. Legal Stud. 8 (1979), 103, 134; Unberath, Vertragsverletzung, S. 126. Vgl. auch Wagner-von Papp, AcP 205 (2005), 342, 343, 351. – Zu Mills liberaler Paternalismuskritik ausf. Wolf, in: Anderheiden, Paternalismus, S. 55 ff. Zu Leben und Werk von John Stuart Mill (1806–1873) leicht zugänglich Aßländer/Nutzinger, in: Kurz, Klassiker, S. 176 ff. 414 Allgemein Popper, in: Kiesewetter, Gesellschaft, S. 147 f. mit Anm. 4 (S. 361 f.); im juristischen Kontext Fikentscher, Paradox, passim, insb. S. 13 f., 24, 25, 70 f.; Wagner-von Papp, AcP 205 (2005), 342, 350 ff. – Zur ethischen Substanz des juristischen Freiheitsbegriffs übergreifend Schapp, AcP 192 (1992), 355 ff. 415 Dazu und zum Folgenden ausf. oben § 3 IV. 6. m. z. Nachw.
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siblen Freiheitsverlusten schützen und hiermit die institutionelle Präferenzautonomie stärken. Die zweite Fallgruppe schützt Rechtsgüter, deren Preisgabe einer Selbstaufgabe gleichkäme. Anhand dieser Vorgaben sind nun die Unabtretbarkeit unpfändbarer Forderungen (b) und die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen gem. § 137 S. 1 BGB (c) zu untersuchen. b) Unabtretbarkeit unpfändbarer Forderungen Paternalistische Züge trägt zunächst der gem. § 400 BGB angeordnete Abtretungsausschluss für Forderungen, die nach §§ 850 ff. BGB der Pfändung entzogen sind416. Das Regelungsziel der Verfügungsbeschränkung deckt sich mit dem Normzweck der Pfändungsschutzvorschriften. Über Forderungen, die im wohlverstandenen Interesse des Einzelnen nicht gepfändet werden können, soll der Gläubiger auch nicht kraft privatautonomer Willensentscheidung verfügen können. Auf diese Weise trägt § 400 BGB wichtige sozialpolitische Zielsetzungen in das Sukzessionsrecht hinein. aa) Normzweck der Pfändungsschutzvorschriften Zentraler Regelungszweck der Unpfändbarkeitsregeln ist, dem Schuldner ungeachtet der gegen ihn gerichteten Ansprüche, die seine Gläubiger zur Vollstreckung in das Schuldnervermögen berechtigen, eine materielle Grundlage zu belassen, die für die eigenverantwortliche Führung eines menschenwürdigen Lebens unabdingbar notwendig ist417. Dieses Schutzziel ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht menschenwürderelevant (Art. 1 Abs. 1 GG), verwirklicht die freie Entfaltung der Persönlichkeit iSd. Art. 2 Abs. 1 GG und ist fernerhin dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet, wie es in Art. 20, 28 GG zum Ausdruck gelangt418. Ausgeschlossen ist insbesondere, dass der Gläubiger im Wege hoheitlicher Rechtsdurchsetzung den Schuldner „kahlpfändet“. Die Unpfändbarkeitsregeln für Forderungen (§§ 850 ff. BGB)419 beabsichtigen vor diesem Hinter416
Siehe auch Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 26. Vgl. etwa Begr. RegE, BT-Drucks. 17/2167, S. 12; RGZ 72, 181, 183; BGHZ 160, 197, 200; BGH NJW-RR 2004, 789, 790; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 811 Rn. 1; Becker, in: Musielak, ZPO, § 811 Rn. 1; Meller-Hannich, KTS 2000, 37, 39; Becker, JuS 2004, 780; Lorschneider/Targan, NZI 2012, 741, 744; aus rechtsvergleichender Perspektive dazu Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 320 f. 418 Vgl. BVerfGE 35, 348, 355 (zur Prozesskostenhilfe); BGHZ 160, 197, 200; BGH NJW-RR 2004, 789, 790; siehe ferner Gruber, in: MünchKommZPO, § 811 Rn. 2; Lüke, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 811 Rn. 2 ff.; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 811 Rn. 1 f.; Smid, in: MünchKommZPO, § 850 Rn. 1; Becker, JuS 2004, 780; ausf. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 9 f. 419 Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes (GNeuMoP) vom 16.6.2010 siehe Begr. RegE, BT-Drucks. 17/2167; dazu Priebe, ZInsO 2011, 11 ff.; Ahrens, NZI 2011, 265 ff. Der vom Bundesrat stammende Entwurf ist vom Bundestag bisher nicht beraten worden; vgl. BGH NJW-RR 2012, 825 Tz. 15; Lackmann, in: Musielak, ZPO, Vor § 704 Rn. 47. 417
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grund, dem Schuldner ein Vermögensminimum zu belassen, das ihm eine menschenwürdige Lebensführung für sich und seine Familie ermöglicht. Den hierfür notwendigen Lebensunterhalt soll der Schuldner durch den Einsatz seiner Arbeitskraft (aus seinem Arbeitseinkommen) sichern können, bevor er auf Sozialleistungen verwiesen wird420. Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die der Sicherung eines Existenzminimums für die Lebensführung des Schuldners und seiner Familie zukommt, muss das verfassungsrechtlich in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Befriedigungsrecht des Gläubigers421 zurücktreten. Das gläubigerseitige Befriedigungsrecht wird schon deshalb nicht um jeden Preis durchgesetzt, weil andernfalls der Staat verpflichtet wäre, dem Schuldner das Existenzminimum durch soziale Transferleistungen zu sichern422. Zumindest mittelbar verwirklichen die Pfändungsschutzvorschriften – neben dem Schutz des Vollstreckungsschuldners – damit auch fiskalische Interessen des Staats und also das Interesse der Allgemeinheit daran423, dass ein Schuldner, der in der Lage ist, sich durch eigene Einkünfte zu unterhalten, nicht auf Kosten der Allgemeinheit aus Steuermitteln soziale Leistungen in Anspruch nehmen muss424. Zugleich liegen die Pfändungsbeschränkungen (zumindest mittelbar) auch im Interesse der Gläubiger, weil der Schuldner hierdurch einen Anreiz erhält, seine Arbeitskraft sinnvoll einzusetzen425. Das so erzielte Arbeitseinkommen kommt auch den Gläubigern zugute, die an dem erwirtschafteten Vermögen im Rahmen einer späteren Vollstreckung partizipieren können. Allen diesen sekundären Stoßrichtungen der Pfändungsschutzvorschriften kommt im Vergleich zu dem übergeordneten Schutzanliegen, dem Schuldner eine menschenwürdige Lebensgrundlage zu gewährleisten, aber lediglich reflex-
420 Vgl. auch Stöber, in: Zöller, ZPO, § 850 Rn. 1; Becker, in: Musielak, ZPO, § 850 Rn. 1; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 811 Rn. 3; Smid, in: MünchKommZPO, § 850 Rn. 1; Brox/ Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 540; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungsrecht, § 32 Rn. 25 ff. 421 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 17/2167, S. 12; BGHZ 141, 173, 177; 157, 195, 203; 160, 197, 200. 422 Vgl. BGH NJW-RR 2004, 789, 790; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 811 Rn. 1 a.E.; Becker, in: Musielak, ZPO, § 811 Rn. 1; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 811 Rn. 4; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 811 Rn. 3. 423 Speziell für den Fokus auf das öffentliche Interesse vgl. BT-Drucks. 13/341, S. 23; RGZ 72, 181, 183; BGHZ 137, 193, 197; BGH NJW-RR 2004, 789, 790; BayObLG NJW 1950, 697; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 811 Rn. 1; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 811 Rn. 1, 3 a.E.; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 811 Rn. 1; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 277. 424 Vgl. auch BGH NJW-RR 2004, 789, 790; Gruber, in: MünchKommZPO, § 811 Rn. 1; Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, § 850 Rn. 1; Becker, JuS 2004, 780; Walker, FS Musielak, S. 655; Lorschneider/Targan, NZI 2012, 741, 744. 425 Vgl. Smid, in: MünchKommZPO, § 850 Rn. 1; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 811 Rn. 4; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 811 Rn. 4; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 540; Becker, JuS 2004, 780. – Das GNeuMoP zielt darauf ab, diese Anreizwirkung weiter zu verstärken; vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 17/2167, S. 12.
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artige Bedeutung zu426. Im Zentrum der Unpfändbarkeitsregeln steht demnach der Schutz des Vollstreckungsschuldners im öffentlichen Interesse vor einem Verlust der zur Sicherung seiner Existenzgrundlage notwendigen Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung. Daraus folgt zugleich, dass der Schuldner auf den durch §§ 850 ff. ZPO vermittelten Pfändungsschutz nicht wirksam verzichten kann427. bb) Normzweck des Abtretungsausschlusses Mit dem Abtretungsausschluss bei unpfändbaren Forderungen überträgt § 400 BGB den sozialpolitisch motivierten Schutzgedanken der §§ 850 ff. ZPO auf die rechtsgeschäftlich initiierte – freiwillige – Forderungsübertragung. Ebenso wenig wie der Rechtsinhaber auf den Pfändungsschutz verzichten kann, soll er sich seiner Forderungen auf freiwilliger Basis begeben können, soweit er auf deren wirtschaftlichen Wert zur eigenverantwortlichen Führung eines menschenwürdigen Lebens angewiesen ist428. Als unabdingbare materielle Existenzgrundlage sollen ihm unpfändbare Forderungen in jedem Fall erhalten bleiben. Die Vorschrift ist deshalb ebenfalls nicht abdingbar; eine hiergegen verstoßende Abtretung ist gem. § 134 unwirksam429. Das liegt zuvörderst, wenn auch nicht ausschließlich, im Interesse des Forderungsgläubigers (= Vollstreckungsschuldners) selbst. Mit § 400 BGB werden allerdings – ebenso wie mit §§ 850 ff. ZPO430 – auch fiskalische Ziele verfolgt. Der Gläubiger ist aufgrund des Abtretungsausschlusses nämlich effektiv daran gehindert, sich durch Forderungsübertragungen eines Minimalbestands an Einkommen zu begeben und hiermit die Voraussetzungen für staatliche Sozialleistungen zu schaffen431. Der teleologische Schwerpunkt der Vorschrift liegt aber gleichwohl auf dem Schutz des Veräußerers vor einer freiwilligen Aufgabe von Forderungspositionen. § 400 BGB stellt sicher, dass ein etwa von seinen Gläubigern ausgeübter Druck, gegenwärtige oder künftige Einnahmen an sie abzutreten, im
426 Auch Lorschneider/Targan, NZI 2012, 741, 744 bezeichnen die Berücksichtigung von Gläubigerinteressen als „Reflex der Pfändungsschutzbestimmungen“. 427 BGHZ 137, 193, 197; zu § 811 ZPO ebenso RGZ 72, 181, 183 f.; RGZ 128, 81; KG NJW 1960, 682; Becker, in: Musielak, ZPO, § 811 Rn. 8 ff., § 850 Rn. 1; Lackmann, in: Musielak, ZPO, Vor § 704 Rn. 17; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 811 Rn. 8; Smid, in: MünchKommZPO, § 850 Rn. 3; für die streitigen Einzelheiten siehe Lüke, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 811 Rn. 13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 17; ausf. MellerHannich, KTS 2000, 37, 40 f. 428 Vgl. auch BGHZ 4, 153, 154 f.; 125, 116, 122; BGH NJW-RR 2010, 1235 Tz. 15; BAGE 96, 266, 269; Busche, in: Staudinger, BGB, § 400 Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 400 Rn. 2; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 4; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 26; Meller-Hannich, KTS 2000, 37, 39; Walker, FS Musielak, S. 655, 656. 429 BAG NJW 1989, 1501; BAGE 96, 266, 269. 430 Siehe oben § 4 III. 2. b) aa). 431 Vgl. nur BGHZ 125, 116, 122; BGH NJW-RR 2010, 1235 Tz. 15.
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Ergebnis wirkungslos bleibt432. Im Interesse der Allgemeinheit wird der Veräußerer so vor selbstschädigendem Verhalten geschützt433. Dass hiermit das Selbstbestimmungsrecht des Gläubigers beschnitten wird, liegt auf der Hand. Ihm ist die Verfügungsbefugnis über unpfändbare Forderungen ex lege entzogen. Da dem Gläubiger hiermit allerdings die materielle Grundlage für ein menschenwürdiges Leben gesichert werden soll, bestehen letztlich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses paternalistischen Eingriffs in die Sukzessionsfreiheit. In rechtsökonomischer Hinsicht ist die Einschränkung gerechtfertigt, weil sie im Ergebnis auf eine Erweiterung der Freiheitssphäre hinausläuft. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass dem Gläubiger ein Existenzminimum auch durch staatliche Versorgungsleistungen gewährleistet werden könnte. Eine taugliche Alternative zum Abtretungsausschluss ist diese Sozialisation nämlich nicht. Zum einen erscheint es wenig überzeugend die eigenverantwortliche Vernichtung der materiellen Grundlagen auf den Steuerzahler abzuwälzen. Hierbei handelt es sich um externe Effekte, die als Einbußen der Allgemeinheit zu Buche schlagen und durch den Transferleistungen beziehenden Gläubiger nicht in die Entscheidungsfindung über die Abtretung unpfändbarer Forderungen einbezogen werden. Zum anderen würde dem (Vollstreckungs-)Schuldner zugleich jeder Anreiz genommen, sich durch den Einsatz seiner Arbeitskraft auf einer eigenverantwortlichen Basis eine menschwürdige Lebensgrundlage zu schaffen. Dies liegt gleichermaßen im Interesse der Gläubiger, die auf die durch den Schuldner erwirtschafteten Einkünfte zur Befriedigung ihrer Forderungen zugreifen können, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums nicht erforderlich sind. cc) Teleologische Begrenzung des Anwendungsbereichs Angesichts des autonomiebeschränkenden Charakters des § 400 BGB ist die Vorschrift anerkanntermaßen restriktiv auszulegen und anhand ihres Normzwecks teleologisch zu reduzieren, wenn der Zedent vom Zessionar im Rahmen eines Austauschgeschäfts für die abgetretene Forderung eine wirtschaftlich vergleichbare sowie funktionsäquivalente Gegenleistung erhält434. Das Erfordernis der Funktionsäquivalenz verlangt, dass die Gegenleistung auf die Befriedigung von Bedürfnissen gerichtet ist, deren Gewährleistung auch Ziel der Pfändungsschutzbestimmungen (§§ 850 ff. ZPO) ist435. Unter diesen Voraussetzungen 432
So etwa Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 4; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 26. Meller-Hannich, KTS 2000, 37, 40 betont zutreffend, der (Vollstreckungs-)Schuldner werde „vor sich selbst“ geschützt. 434 Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, § 400 Rn. 11; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 400 Rn. 3; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 400 Rn. 7; Roth, in: MünchKommBGB, § 400 Rn. 6; Westermann, in: Erman, BGB, § 400 Rn. 3; Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 34 Rn. 13; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 4; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 26; Walker, FS Musielak, S. 655, 657; siehe aus der Rechtsprechung z.B. BGHZ 4, 153, 156; 13, 360, 367 ff.; 59, 109, 115; BGH NJW-RR 2010, 1235 Tz. 15; BAGE 96, 266, 269 f. 435 Busche, in: Staudinger, BGB, § 400 Rn. 11; Roth, in: MünchKommBGB, § 400 Rn. 6. 433
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bleibt die materielle Lebensgrundlage, deren Schutz § 400 BGB zu dienen bestimmt ist, bei der hier angezeigten wirtschaftlichen Betrachtung im Grundsatz unberührt. Rechtsökonomisch betrachtet sind keine externen Effekte zu gewärtigen, wenn die Transaktion keine staatlichen Transferleistungen auslöst. Vielmehr ermöglicht die teleologische Bereichsausnahme zum Abtretungsausschluss, dass nach den individuellen Präferenzen des Forderungsinhabers auf privatautonomem Wege wertsteigernde Übertragungsvorgänge durchgeführt werden können. Das gilt beispielsweise für den Fall, dass ein Arbeitnehmer Lohnansprüche an die Gewerkschaft abtritt und im Gegenzug Streikgeld erhält436. Gleiches gilt für die Zession von nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO unpfändbaren Unterhaltsansprüchen, sofern der Zessionar dem Unterhaltsgläubiger den vollen Gegenwert seiner Unterhaltsansprüche erstattet437. Am Erfordernis der Funktionsäquivalenz scheitert indes die Abtretung unpfändbarer Lohnforderungen zur Begleichung von Mietschulden438. Aber auch im Übrigen ist der Wortlaut des § 400 BGB zu weit geraten und muss durch einschränkende Interpretation korrigiert werden. Das gilt namentlich für solche Forderungen, die nach § 852 ZPO nur eingeschränkt der Pfändbarkeit unterliegen, also etwa Pflichtteilsansprüche (§§ 2303 ff. BGB), Rückforderungsansprüche des verarmten Schenkers (§ 528 BGB) sowie Ansprüche auf Zugewinnausgleich (§ 1378 BGB). Dass die Abtretbarkeit solcher Forderungen durch § 400 BGB nicht berührt wird, lässt sich besonders klar den Gesetzesmaterialien entnehmen439. Die heute § 400 BGB entsprechende Vorschrift des 1. BGB-Entwurfs (§ 296 BGB-E) war explizit auf § 749 CPO bezogen. Dort waren die zentralen Regeln des sozialen Pfändungsschutzes normiert, wie sie sich heute in §§ 850 ff. ZPO finden. In diesem Zusammenhang bemerken die Motive, dass sich die Unübertragbarkeit nach § 400 BGB „nur auf wenige Forderungen“ erstrecke, „und zwar auf solche, deren Übertragbarkeit aus den gleichen Gründen zu beanstanden ist, welche den Gesetzgeber dazu bestimmt haben, dieselben der Zwangsvollstreckung zu entziehen“440. Dass die ausdrückliche Bezugnahme auf § 749 CPO während der weiteren Beratungen zum BGB gestrichen wurde, beruhte auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, sollte am ursprünglichen materiellen Gehalt des Abtretungsausschlusses indes nichts ändern441. Nach dem aus den Materialien zum Ausdruck kommenden Willen des historischen Gesetzgebers beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich des § 400 BGB demnach auf die dem sozialen Pfändungsschutz dienenden Vorschriften, die dem Berechtigten und seiner Familie eine materielle Lebensgrundlage gewährleisten und im öffentlichen Interesse verhindern, dass der 436 437 438 439 440 441
BAGE 33, 140, 184. BGH NJW 1972, 1703, 1705; OLG Bremen NJW-RR 2002, 361, 362. BAGE 96, 266, 270 f. Siehe etwa BGHZ 125, 116, 120 ff.; Walker, FS Musielak, S. 655, 656. Motive zum BGB, Bd. 2, S. 123. Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 385.
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Rechtsinhaber auf staatliche Transferleistungen angewiesen ist442. Die in § 852 ZPO niedergelegten Vollstreckungsbeschränkungen haben indes nicht den Schutz des Vollstreckungsschuldners im Blick, sondern zielen darauf ab, dem Rechtsinhaber aufgrund der persönlichen Beziehung zwischen den Beteiligten selbst darüber entscheiden zu lassen, ob er den Anspruch geltend machen will. Eine Geltendmachung soll nicht komplett ausgeschlossen werden, sondern nur nicht gegen seinen Willen erfolgen443. Ebenso wie der Anspruchsinhaber also die Voraussetzungen für die Pfändung selbst herbeiführen kann, kann er die in § 852 ZPO genannten Ansprüche auch übertragen (vgl. §§ 2317 Abs. 2, 1378 Abs. 3 S. 1 BGB)444. c) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen II Neben § 400 BGB wird auch das Unwirksamkeitsverdikt des § 137 S. 1 BGB nach verbreiteter Auffassung als Instrument der „Sicherung funktionierender Privatautonomie im Interesse des Rechtsinhabers“445 verstanden, ja zuweilen sogar mit dem Postulat der unantastbaren Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Verbindung gebracht446. In diesem Sinne schütze § 137 S. 1 BGB vor „Selbstentmündigung“447 und „Selbstversklavung“448. Nach dieser Deutung wird § 137 S. 1 BGB weniger als Verkehrsschutzbestimmung449, sondern vielmehr im Sinne einer Schutznorm zugunsten der Freiheit und Persönlichkeit des Rechtsinhabers selbst verstanden450. Diese paternalistische Interpretation hat die Entstehungsgeschichte der Vorschrift auf ihrer Seite. Zur Vorläuferregelung lesen wir in der Begründung des sachenrechtlichen Vorentwurfs bei Reinhold Johow451: 442
Siehe zu diesem – beschränkten – Normzweck bereits § 4 III. 2. b) bb). Vgl. BGHZ 123, 183, 186; 154, 64, 69; Becker, in: Musielak, ZPO, § 852 Rn. 1; Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, § 852 Rn. 1; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, § 852 Rn. 1 f.; Smid, in: MünchKommZPO, § 852 Rn. 1; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 852 Rn. 1. 444 Zur Abtretbarkeit des Rückforderungsanspruchs nach § 528 BGB (im Rahmen seiner Zwecksetzung) siehe BGHZ 127, 354, 355 ff.; Herrmann, in: Erman, BGB, § 528 Rn. 6; J. Koch, in: MünchKommBGB, § 528 Rn. 17; Mühl/Teichmann, in: Soergel, BGB, § 528 Rn. 7; WimmerLeonhardt, in: Staudinger, BGB, § 528 Rn. 36; Kollhosser, ZEV 1995, 391, 392. 445 So Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 3, der außerdem noch „Verkehrsschutzgründe“ als Normzweck anführt. 446 Pointiert Baur, JZ 1961, 334, 335, dem zufolge die Vorschrift eine „teilweise Sklaverei, nämlich in vermögensrechtlicher Hinsicht“ verhindere; tendenziell ebenso BayObLG NJW 1978, 700, 701; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 137 Rn. 1; R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 39 f.; Oertmann, Recht 1916, Sp. 57, 58; Schlosser, NJW 1970, 681, 684; Weitnauer, FS Weber, 1975, S. 429, 431, 433 f. 447 So etwa Oertmann, Recht 1916, Sp. 57, 58; Schlosser, NJW 1970, 681, 684. 448 So Hattenhauer, in: Baur, Eigentum, S. 83, 92. 449 Siehe oben § 4 II. 7. 450 Baur, JZ 1961, 334, 335 nennt die unbeschränkbare Verfügungsmacht ein „unabdingbares Attribut der Rechtsperson“. 451 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 661. 443
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„Dürfte er (scil.: der Eigentümer) der Befugniß zur Verfügung über ein bestimmtes Vermögensrecht willkürlich sich entschlagen, so geböte die Konsequenz, ihm dies auch in Ansehung seines ganzen Vermögens nachzulassen. Diese Konsequenz aber widerspräche der Rechtsordnung, weil dieselbe nicht wollen kann, daß Personen, welche sie als handlungsfähig anerkennt, sich außer Stande setzen, von dieser Fähigkeit Gebrauch zu machen. Die persönliche Freiheit giebt Niemandem das Recht, sie nach Belieben zu beschränken. Niemand ist befugt, der Verfügung über die ihm zustehenden Vermögensrechte, insonderheit das Eigenthum, sich willkürlich zu verschließen.“
Man fühlt sich sogleich an das eingangs erwähnte Freiheitsparadoxon und die Worte John Stuart Mills erinnert, wonach Freiheit nicht auch bedeute, die eigene Freiheit nach Belieben einzuschränken452. Ungeachtet dieser Erkenntnis und der klaren Worte des Vorentwurfs trifft eine Interpretation des § 137 S. 1 BGB im Sinne des Veräußererschutzes nicht den Kern der Vorschrift. Soweit § 137 S. 1 BGB für den Schutz der individuellen Freiheit des Rechtsinhabers nämlich von Bedeutung ist, handelt es sich um einen bloßen Rechtsreflex453. Schwierigkeiten bereitet schon die Anreicherung des § 137 S. 1 BGB mit den verfassungsrechtlichen Wertungen der Menschenwürde, die der Vorschrift einen Geltungsanspruch unterzuschieben suchen, der ihr weder aus rechtshistorischer Perspektive zu gedacht war454 noch in Ansehung seiner rechtspraktischen Bedeutung in der Gegenwart zukommt455. Darüber hinaus vernachlässigt die Fokussierung auf einen individuellen Schutzzweck die überindividuelle Ausrichtung der Unwirksamkeitsregel. Die rechtspolitischen und rechtsökonomischen Betrachtungen haben ergeben, dass § 137 S. 1 BGB primär dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zu dienen bestimmt ist456. Dass der Einzelne mittelbar gegen eine Entäußerung seiner Sukzessionsfreiheit geschützt ist, liegt auf der Hand, bedeutet im Ergebnis aber nicht mehr als einen bloßen Rechtsreflex. In diesem Sinne ist auch der BGH zu verstehen, wenn er zutreffend ausführt, § 137 S. 1 BGB ziele „nicht auf den Schutz der persönlichen Freiheit“457. Darüber hinaus ist ein individualfreiheitliches Verständnis auch schwerlich mit der Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsverbote458 iSd. § 137 S. 2 452
Siehe oben § 4 III. 2. So Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 5; in der Sache ebenso oder ähnlich Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 3; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 18; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 68 ff.; ders., JZ 1997, 519; Kohler, DNotZ 1989, 339, 346 f.; ablehnend Timm, JZ 1989, 13, 16. 454 Siehe nochmals oben § 4 II. 7. a). 455 Kritik an der „Überhöhung des § 137 BGB“ auch bei Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 67 f.; diesen Ansatz aus verfassungsrechtlicher Perspektive ablehnend auch Regenfus, Vorgaben, S. 342 f. 456 Siehe oben § 4 II. 7. 457 BGHZ 134, 182, 186 im Anschluss an Kohler, DNotZ 1989, 339, 346 f.; bestätigt durch BGH WM 2012, 1740 Tz. 14. 458 Im modernen Sprachgebrauch hat es sich eingebürgert, Beschränkungen des rechtlichen Dürfens als Verfügungsverbote zu bezeichnen. Paradigmatisch für diese Fallgruppe ist das mit schuldrechtlicher Wirkung ausgestattete allgemeine rechtsgeschäftliche Verfügungsverbot des 453
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BGB in Einklang zu bringen459. Indem sich der Berechtigte schuldrechtlich dazu verpflichten kann, über einen Gegenstand nicht zu verfügen, ist der durch § 137 S. 1 BGB gewährleistete (individuelle) Freiheitsschutz nicht nur unvollkommen durchgehalten; allzu oft hält ein obligatorisches Verfügungsverbot den Rechtsinhaber ebenso wirksam von der Verfügung ab wie eine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung, die ihrerseits mittels Zustimmung des durch die Beschränkung Begünstigten aufgehoben werden kann. Ungeachtet der faktischen Schwierigkeiten, die mit der Realisierung einer mit obligatorischen Veräußerungsverboten verbundenen Vertragsstrafe460 oder allgemeiner Schadensersatzansprüche461 verbunden sind, kann der individuelle Freiheitsgedanke schwerlich zum Leitprinzip des § 137 S. 1 BGB erhoben werden.
3. Sicherung von Erwerberinteressen Nach Betrachtung der Veräußererseite richtet sich der Blick nun auf die Interessen des Erwerbers. Die Sicherung der Erwerberposition ist regelmäßig unproblematisch, wenn der Güteraustausch unmittelbar vollzogen und dem Erwerber der Verfügungsgegenstand sofort zugewiesen wird. In diesem Fall bedarf es keiner besonderen Sicherungsmaßnahmen zugunsten des Erwerbers. Kann eine Investition aber beispielsweise aufgrund ihres Volumens nicht in einem Akt abgewickelt werden, dann hat der Veräußerer auf der einen Seite ein berechtigtes Interesse daran, bis zur vollständigen Erbringung der Gegenleistung weiterhin Rechtsinhaber des Gutes zu bleiben. Auf der anderen Seite hat der Erwerber ein veritables Interesse daran, dass die Transaktion nicht durch nachfolgende Verfügungen des Veräußerers vereitelt oder beeinträchtigt wird. 459 § 137 S. 2 BGB. Der Verstoß gegen ein Verfügungsverbot zieht keine Unwirksamkeitsfolge nach sich, sondern führt typischerweise nur zu Schadensersatzansprüchen. Auch wenn solche Verfügungsverbote den fraglichen Sukzessionsvorgang nicht von vornherein ausschließen, führen sie angesichts der mit einem Verstoß verbundenen Ersatzansprüche zu einer Erschwerung des Güteraustauschs und bedürfen insofern einer rechtspolitischen Rechtfertigung. Beschränkt die Vorschrift hingegen das rechtliche Können eine Rechtsübertragung zu vornehmen, spricht man von einer Verfügungsbeschränkung. Verstöße führen hier zur apriorischen Unwirksamkeit der Verfügung, nicht notwendig ebenfalls zu einer schuldrechtlichen Ersatzpflicht. Paradigmatisch für die Verfügungsbeschränkung ist das Abtretungsverbot gem. § 399 Alt. 2 BGB; zur dogmatischen Einordnung sogleich unten § 4 III. 4. b) ee). 459 Vgl. BGHZ 134, 182, 186; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 18; Däubler, NJW 1968, 1117, 1118 f.; Kohler, DNotZ 1989, 339, 346 f.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 69 f.; tendenziell anders R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 25, 39 f. 460 Zur Zulässigkeit vgl. RGZ 55, 78, 79 f.; 73, 16, 17 f.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 33; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 137 Rn. 11; Looschelders, in: AnwKommBGB, § 137 Rn. 20; Reichold, in: jurisPK, BGB, § 137 Rn. 8; Furtner, NJW 1966, 182, 184; Merrem, JR 1993, 53, 54. 461 Zur Schadensersatzpflicht siehe Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 32; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 50; Medicus, BGB AT, Rn. 677; zum früheren Recht siehe BGHZ 31, 13, 19; vgl. weiter Däubler, NJW 1968, 1117, 1119; Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 944; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 69.
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a) Grundlagen und Phänomenologie Paradigmatisch für solche Fälle der Erwerbssicherung462 ist die bedingte Verfügung über einen Gegenstand. Einigen sich die Vertragsparteien auf einen aufschiebend bedingten Rechtsübergang iSd. § 158 Abs. 1 BGB, ist der Veräußerer – im individuellen Interesse des Erwerbers – effektiv daran gehindert, den Verfügungsgegenstand endgültig an einen außenstehenden Dritten zu veräußern, weil die während der Schwebezeit erfolgte Zwischenverfügung gem. § 161 Abs. 1 S. 1 BGB mit Bedingungseintritt „insoweit unwirksam ist, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beschränken würde“. Die Wirkungsweise des § 161 BGB folgt aus der besonderen Interessenlage der Vertragsparteien: Während der Veräußerer formal weiterhin als materiell Berechtigter über den Gegenstand verfügen kann, hat der Erwerber ein Interesse daran, dass sein Rechtserwerb durch anderweitige Verfügungen nicht beeinträchtigt wird. Diesen Konflikt zwischen dem Verfügungsinteresse des Veräußerers und dem Erwerbsinteresse des Nachfolgers löst das Gesetz in differenzierender Weise zugunsten des Erwerbers auf. Seine Rechtsstellung wird nach Maßgabe des § 161 Abs. 1 S. 1 BGB dergestalt abgesichert, dass nachfolgende Verfügungen, die im Grundsatz zunächst wirksam vorgenommen werden können, mit Bedingungseintritt ihre Wirksamkeit verlieren, soweit sie den Rechtserwerb des Ersterwerbers vereiteln oder beeinträchtigen würden. Auch wenn der Veräußerer den Gegenstand zunächst wirksam auf einen Zwischenerwerber übertragen kann, stuft die heute ganz h.M. die Vorschrift mit Recht als Verfügungsbeschränkung ein463, weil die Zwischenverfügung mit Bedingungseintritt ihre Wirksamkeit verlieren kann und der Veräußerer insofern von Anfang an in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt ist. Aus funktionaler Perspektive soll die Verfügungsbeschränkung des § 161 BGB sicherstellen, dass die angestrebte Transaktion zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern frei von internen und externen Störungen abgewickelt werden kann464. Dem Interesse des Erwerbers an der Durchführung des Rechtsgeschäfts wird gegenüber dem Interesse des Veräußerers, über den Verfügungsgegenstand nach Belieben verfügen zu können, der Vorrang gewährt. Diese legislatorische Entscheidung ist nicht selbstverständlich. Denn sie entzieht den Verfügungsgegenstand für den Zeitraum zwischen Vereinbarung und Eintritt der Bedingung dem freien Spiel der Kräfte im Rechts- und Handelsverkehr. Damit ist zweifelsohne eine Beschränkung der Sukzessionsfreiheit verbunden, die nach einer tauglichen Rechtfertigung verlangt. Denn wie üblich stehen sich das 462 Zur Erwerbssicherungsfunktion von Verfügungsbeschränkungen siehe Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 21; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 10. 463 So bereits Motive zum BGB, Bd. 1, S. 259; Motive zum BGB, Bd. 3, S. 218 f.; ferner RGZ 76, 89, 91; Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 1; Jauernig, in: Jauernig, BGB, §§ 160, 161 Rn. 3; Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 7; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 1; Flume, AT II, § 17, 6b, § 39, 3a; Berger, Verfügungsbeschränkung, S. 168; Raape, Veräußerungsverbot, S. 135. 464 Vgl. auch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 171.
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überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und der individuelle Aspekt der Erwerbssicherung unversöhnlich gegenüber. Als gerechtfertigt wird man die Beschränkung der freien Übertragbarkeit daher nur dann ansehen können, wenn der Eingriff in die Sukzessionsfreiheit schonend ausfällt und die Interessen des Erwerbers von solchem Gewicht sind, dass sie den Eingriff als angemessen erscheinen lassen. Ein genauerer Blick auf die Interessenlage der Erwerberseite verrät, dass zweifelsohne zunächst der Erwerber an einer erfolgreichen Abwicklung des intendierten Rechtsübergangs interessiert ist. Zugleich wird insgesamt die Integrität der Transaktion vor Störungen geschützt, womit die Verfügungsbeschränkung eine überindividuelle Dimension gewinnt. Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf wohlfahrtssteigernde Investitionen, die der Erwerber oder Dritte ohne eine gesicherte Rechtsgrundlage nicht tätigen würden. In diesem Zusammenhang kann die Verfügungsbeschränkung des § 161 BGB für ein höheres Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sorgen. Umgekehrt werden die Interessen des Veräußerers nicht wesentlich beeinträchtigt, weil die Verfügungsbeschränkung nur für den Fall eingreift, dass er sich mit dem Erwerber auf einen aufschiebenden Rechtsübergang geeinigt hat. Die Rechtsfolge unwirksamer Zwischenverfügungen beruht insofern jedenfalls mittelbar auf seiner freien Willensentschließung. Sie wird ihm insofern nicht aufgezwungen, sondern sie steht zu seiner Wahl. Außerdem ist die Möglichkeit einer bedingten Verfügung für den Veräußerer mit dem Vorteil verbunden, dass er bis zum Eintritt der vereinbarten Bedingung Rechtsinhaber bleibt und sein Recht nicht bereits mit Abschluss des dinglichen Rechtsgeschäfts an den Erwerber verliert. Die insofern mit § 158 Abs. 1 BGB verbundene Bestandssicherungsfunktion zugunsten des Veräußerers findet ihre Entsprechung in der Erwerbssicherungsfunktion des § 161 Abs. 1 BGB zugunsten des Erwerbers. Schon auf diese Weise ist für einen ausgewogenen Interessenausgleich Sorge getragen. Zudem ist die Reichweite des Unwirksamkeitsverdikts des § 161 BGB in dreifacher Hinsicht beschränkt. Erstens wird die Zwischenverfügung nur dann unwirksam, wenn die vereinbarte Bedingung tatsächlich eintritt; dies ist per definitionem unsicher465. Zum zweiten tritt die Unwirksamkeitsfolge nur dann und auch nur insoweit ein, als sich Erst- und Zwischenverfügung widersprechen466. Und drittens genießt das Verkehrsschutzprinzip gem. § 161 Abs. 3 BGB gegenüber der Erwerbersicherung immer dann den Vorrang, wenn der Zwischenerwerber aufgrund eines tauglichen Rechtsscheinträgers von der unbeschränkten Verfügungsmacht des Veräußerers ausgehen darf467. Davon abgesehen ist der Veräußerer während der Schwebezeit auch nicht gänzlich daran gehindert, über den fraglichen Gegenstand zu verfügen, so dass seine Sukzessi465 Zur Definition der Bedingung siehe Dörner, in: Hk, BGB, § 158 Rn. 1; Armgardt, in: jurisPK, BGB, § 158 Rn. 6; Brinkmann, in: PWW, BGB, § 158 Rn. 1; Wackerbarth, in: AnwKommBGB, § 158 Rn. 2. 466 Dazu näher unten § 4 III. 3. c) bb). 467 Dazu unten § 4 III. 3. c) ee).
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onsfreiheit zumindest in diesem Sinne aufrechterhalten wird. Das gilt umso mehr, als der Zwischenverfügung mittels Zustimmung des durch § 161 Abs. 1 BGB geschützten Erwerbers endgültige Wirksamkeit verliehen werden kann468. Dem § 161 BGB vergleichbare Wirkungen zeitigen die Vormerkung (§ 883 Abs. 2 BGB) und das dingliche Vorkaufsrecht (§§ 1098 Abs. 2, 883 Abs. 2 BGB) sowie die Verfügungsbeschränkung des Vorerben (§ 2113 Abs. 1 BGB). Allen diesen erwerbssichernden Vorschriften ist gemein, dass der Verfügungsberechtigte zwar weiterhin berechtigt bleibt, wirksam über den Gegenstand zu verfügen. Die berechtigten Interessen des Erwerbers werden aber dadurch gesichert, dass er bei Eintritt des jeweils in Bezug genommenen Ereignisses den Gegenstand dennoch erwirbt, es sei denn, zugunsten des Zwischenerwerbers greifen die insofern vorrangigen Regeln des Gutglaubensschutzes ein (vgl. §§ 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3 BGB)469. So schützt die Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen den Anwartschaftsberechtigten gegen Verfügungen desjenigen, der bei Eintritt der Bedingung besagtes Recht verliert470. Die Sicherungswirkung der Vormerkung schützt den Eintritt der durch dieselbe gesicherte Rechtsänderung471. Die Sicherungswirkung des dinglichen Vorkaufsrechts schützt das Erwerbsinteresse des dinglich Vorkaufsberechtigten472. Und die Verfügungsbeschränkung des Vorerben sichert schließlich dem Nacherben für einige besonders gefährliche, weil wirtschaftlich besonders bedeutsame Verfügungen das berechtigte Interesse am Nachlass473. b) Ökonomische Analyse des § 161 BGB In rechtsökonomischer Hinsicht tragen solche Verfügungsbeschränkungen ambivalente Züge. Aus der Perspektive des Erwerbers senken sie Transaktionskosten, denn er kann sich darauf verlassen, dass sein Rechtserwerb – vorbehaltlich eines gutgläubigen Zwischenerwerbs – nicht durch anderweitige Verfügungen beeinträchtigt wird. Der Erwerber muss also keine zusätzlichen Kosten dafür aufwenden, die Durchführung der Transaktion durch besondere Schutzvorkehrungen abzusichern, um opportunistisches Verhalten seines Vertragspartners zu verhindern. Zudem sorgt die Erwerbssicherheit für Planungssicherheit. Der Erwerber kann sich darauf verlassen, bei einem späteren Bedingungseintritt den 468
Dazu unten § 4 III. 3. c) cc). Aus systematischen Gründen bleibt dieser Aspekt im Rahmen der Behandlung der Verfügungsbeschränkungen ausgeblendet. Zum Prinzip des Gutglaubenserwerbs siehe ausf. § 11. 470 Exemplarisch Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 1; Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 2; Rövekamp, in: Bamberger/Roth, BGB, § 161 Rn. 1; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 1; ders., FS v. Lübtow, S. 325, 326 f. 471 Siehe etwa Bassenge, in: Palandt, BGB, § 883 Rn. 1; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 3; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 2 f. 472 Vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1098 Rn. 5; Westermann, in: MünchKommBGB, § 1098 Rn. 6; vgl. noch Schermaier, in: Staudinger, BGB, § 1098 Rn. 12. 473 Vgl. Grunsky, in: MünchKommBGB, § 2113 Rn. 1; weitergehend Avenarius, in: Staudinger, BGB, § 2113 Rn. 1: auch Nachlassgläubiger. 469
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Gegenstand zu erwerben. Das gibt ihm Sicherheit für etwaige Investitionen, die er (oder andere Personen) im Vorfeld bezogen auf die Transaktion vornehmen. In der Konsequenz sinken die Erwerbskosten. aa) Lehre vom effizienten Vertragsbruch In diesem Sinne erwerbssichernde Maßnahmen führen allerdings nur dann zu einer effizienten Ressourcenallokation, wenn die Verfügungsbeschränkung den Erwerb einer nutzenmaximierenden Transaktion sichert. Voraussetzung ist also, dass es sich um ein Rechtsgeschäft mit demjenigen Erwerber handelt, der aus dem Gegenstand den größtmöglichen Nutzen zu ziehen vermag (und aus diesem Grund auch bereit ist, dafür am Markt den höchsten Preis zu zahlen). Bezieht man in die Betrachtung allerdings ein, dass Marktteilnehmer entgegen der Annahmen des neoklassischen Verhaltensmodells gerade nicht perfekt über die zur Entscheidung stehenden Handlungsalternativen informiert sind, ja nicht einmal die zur Verfügung stehenden Informationen stets vollständig und fehlerfrei verarbeiten können, dann ist es nicht selten der Fall, dass der Veräußerer nach dem ursprünglichen Vertragsabschluss Kenntnis von einem Angebot zu einem besseren Preis erhält. Das stellt die rechtsökonomische Sinnhaftigkeit von Verfügungsbeschränkungen im Erwerberinteresse grundsätzlich in Frage, weil es nach dem ökonomischen Modell vorzugswürdig sein kann, die Sachen unter diesen Umständen an den Dritten zu veräußern und den Ersterwerber durch Leistung seines Erfüllungsinteresses zu entschädigen. So gelangt der Gegenstand zu demjenigen Marktteilnehmer, der – indiziert durch seine Zahlungsbereitschaft – den größtmöglichen Nutzen aus dem Gegenstand ziehen kann. Weil das Angebot des Dritten über das Erfüllungsinteresse des Erwerbers hinausgeht, kann dieser Überschuss antizipiert in Form eines niedrigeren Kaufpreises zwischen den Vertragsparteien aufgeteilt werden474. Aufgrund dieser und weiterer Überlegungen ist im rechtsökonomischen Schrifttum die Lehre vom effizienten Vertragsbruch (efficient breach) entwickelt worden475. Die Kernthese lautet: Der Bruch eines ineffizienten Vertrags unter Inkaufnahme der hieran geknüpften Haftungsfolgen ist oftmals effizienter als eine Vertragsdurchführung um jeden Preis. Allerdings hat die Lehre bis heute viel von ihrer Strahlkraft eingebüßt; sie wird im Schrifttum vielfach kritisiert und ist zum Teil bereits widerlegt worden476. Eine effiziente Güteralloka474
Siehe mit Rechenbeispiel Shavell, Foundations, S. 370 f. Dazu exemplarisch Yorio, Colum. L. Rev. 82 (1982), 1365 ff.; Muris, Duke L.J. 1982, 1053 ff.; Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 102 ff.; aus dem deutschen Schrifttum dazu ausf. Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 495 ff.; Unberath, Vertragsverletzung, S. 232 ff.; Weller, Vertragstreue, S. 355 ff. 476 Dazu eingehend Schwartz, Yale L.J. 89 (1979), 271 ff.; Linzer, Colum. L. Rev. 81 (1981), 111 ff.; Macneil, Va. L. Rev. 68 (1982), 947 ff.; Ulen, Michigan L. Rev. 83 (1984), 341 ff.; Shavell, Foundations, S. 371 ff.; ders., Tex. L. Rev. 84 (2006), 831 ff.; Unberath, Vertragsverletzung, S. 232 ff.; Weller, Vertragstreue, S. 360 ff.; Lewinsohn-Zamir, JITE 168 (2012), 5 ff.; differenzierend Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 504 ff.; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 551 ff. 475
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tion kann nämlich prinzipiell auch unter Geltung dinglich wirkender Verfügungsbeschränkungen gewährleistet werden, und zwar dadurch, dass die ursprüngliche Transaktion wie geplant durchgeführt wird und die Sache zunächst zum Erwerber gelangt, der den Gegenstand daraufhin an den Dritten weiterveräußert. Schätzt der Erwerber den individuellen Nutzen des Gutes geringer ein als der Dritte, wird er den Gegenstand für einen höheren als den Erwerbspreis an den Dritten veräußern. Alternativ kann der durch die Verfügungsbeschränkung gesicherte Erwerber – motiviert durch eine Ablösesumme – auch der Zwischenverfügung an den Dritten zustimmen und ihr so zur endgültigen Wirksamkeit verhelfen477. Beide Wege führen also zu einer effizienten Ressourcenallokation. bb) Transaktionskosten Nun dürfen aber – ebenso wie bei der Analyse des § 137 S. 1 BGB478 – nicht die Transaktionskostenproblematik, Besitzeffekte und das strategische Verhalten des Erwerbers außer Acht gelassen werden. In Bezug auf die Transaktionskostenproblematik ergeben sich zu § 137 S. 1 BGB im Grundsatz keine Unterschiede. Die zusätzliche Zustimmungserklärung des durch die Verfügungsbeschränkung geschützten Erwerbers bzw. das zusätzliche zwischen Erwerber und dem Dritten abgeschlossene Rechtsgeschäft ist notwendig mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden. Könnte der Veräußerer an einen Zwischenerwerber verfügen, ohne dass die Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts mit Bedingungseintritt in Zweifel gezogen wird, fielen Transaktionskosten nur für die Verhandlung und Durchführung des mit dem Dritten geschlossenen Rechtsgeschäfts an479. Die Entscheidung über die rechtsökonomische Sinnhaftigkeit von erwerbssichernden Verfügungsbeschränkungen hängt nun von einem Vergleich dieser zusätzlichen Transaktionskosten mit den Kosten der Erwerbssicherung ab, die der Erwerber zur Sicherung seines Rechtserwerbs in Abwesenheit der Verfügungsbeschränkung aufwenden müsste. Auf der Seite des Erwerbers schlagen außerdem diejenigen Kosten als Einbußen zu Buche, die sich daraus ergeben, dass sich infolge des Risikos einer unzureichenden Erwerbssicherung eigene und von Dritten im Vorgriff auf den Erwerb getätigte Investitionen als nutzlos erweisen. Überhaupt wird eine unzureichende Erwerbssicherung den Erwerber und Dritte davon abhalten, vor dem endgültigen Rechtsübergang Investitionen in nennenswertem Umfang zu tätigen. Erwerbssichernde Verfügungsbeschränkungen erweisen sich vor diesem Hintergrund daher immer dann als rechtspolitisch überzeugend, wenn die Kosten für eine zusätzliche Verhandlung mit dem Begünstigten verhältnismäßig gering und die Kosten für die Sicherung des Rechtserwerbs verhältnismäßig hoch sind. 477 478 479
Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens siehe unten § 4 III. 3. c) cc). Siehe oben § 4 II. 7. c). Zu diesem Aspekt siehe etwa Cooter/Ulen, Law, S. 262 f., 266 ff.
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Vor diesem Hintergrund ist es durchaus überzeugend, wenn §§ 158, 161 BGB den Vertragsparteien selbst die Entscheidung darüber überlassen, auf welche Weise sie den Erwerbsvorgang absichern wollen. Legt der Erwerber besonderen Wert auf die Sicherungswirkung der dinglichen Verfügungsbeschränkung, wird er dem Veräußerer hierfür anders als bei Vereinbarung eines nur schuldrechtlich wirkenden Verfügungsverbots oder in völliger Abwesenheit einer jedweden Sicherungsabrede eine Prämie zahlen müssen. Auch wenn hierdurch nicht notwendig ein angemessener Ausgleich sichergestellt ist, würde ein apriorischer Ausschluss erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen, wie er gem. § 137 S. 1 BGB vorgesehen ist, die überindividuellen Interessen an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs schwerer belasten. Dass die rechtsökonomische (und rechtspolitische) Sinnhaftigkeit von § 161 BGB und § 137 S. 1 BGB so unterschiedlich ausfällt, liegt letztlich daran, dass § 161 BGB nach seiner Stoßrichtung die (ursprüngliche) Transaktion letztlich erleichtern und den Erwerbsvorgang absichern will, während die gem. § 137 S. 1 BGB für unwirksam erklärte Verfügungsbeschränkung darauf abzielt, Vermögenswerte dem Wirtschaftsverkehr zu entziehen. Auch wenn § 161 BGB seine transaktionssichernde Wirkung nicht nur zugunsten nutzenmaximierender sondern zugunsten sämtlicher Rechtsgeschäfte entfaltet, ist es angesichts der Erwerbssicherungskosten im Ergebnis überzeugend, den Parteien die Entscheidung über die Geltung einer dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkung in die Hand zu geben. cc) Besitzeffekte Daran ändert sich wenig, auch wenn man neben Transaktions- und Erwerbssicherungskosten außerdem Besitzeffekte in die Betrachtung einbezieht480. Besitzeffekte sprechen grundsätzlich gegen dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen, weil der durch die Beschränkung Gesicherte – hier: der Erwerber – tendenziell eine höhere Ablösesumme vom Veräußerer oder einen höheren Veräußerungspreis vom Dritten verlangen wird, als er selbst bereit wäre dafür zu bezahlen. Zwischen dem potenziellen Erwerbspreis und dem potenziellen Veräußerungspreis klafft eine Lücke, die transaktionshemmende Wirkung entfaltet. Allerdings gelten für die Verfügungsbeschränkung des § 161 BGB im Vergleich zu § 137 S. 1 BGB Besonderheiten. Der Erwerber hat aufgrund der Verfügungsbeschränkung zwar eine abgesicherte Erwerbsposition erlangt, befindet sich allerdings noch nicht notwendig im Besitz des Erwerbsgegenstandes. Berücksichtigt man nun, dass das Ausmaß von Besitzeffekten maßgeblich von der Erlangung und Innehabung des Gegenstands einerseits und vom möglichen Verlust andererseits abhängt, dann wird schnell klar, dass sich zwar aus dem Verlust der gesicherten Erwerbserwartung ein negativer Effekt ergeben kann. 480
Siehe allgemein oben § 3 IV. 7. b) und (zu § 137 S. 1 BGB) § 4 II. 7. c) cc).
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Die Innehabung respektive der Verlust des Gegenstands zeitigen solche Besitzeffekte hingegen nicht. Entsteht durch die bedingte Verfügung keine besondere Nähebeziehung zum Gegenstand, baut der Erwerber typischerweise auch noch keine emotionale Bindung zum Verfügungsobjekt auf, die das Ausmaß von Besitzeffekten ausweislich empirischer Untersuchungen481 maßgeblich beeinflusst. Im Übrigen hängen die Wirkungen von Besitzeffekten vom Wert und der Einzigartigkeit des Gegenstands, aber auch vom Persönlichkeitsprofil des Erwerbers ab. Angesichts dieser Vielzahl von Einflussfaktoren müssen rechtliche Reaktionen auf Besitzeffekte ohnehin maßvoll ausfallen482. dd) Schwächen der Lehre vom effizienten Vertragsbruch Hinzu kommen die Argumente, die gegen bloß schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote sprechen. Da ist zunächst die praktische Schwierigkeit, dass die im Fall eines Vertragsbruches an den Ersterwerber zu zahlende Entschädigung erst ermittelt werden muss483. Ist hierfür der Einsatz eines Gutachters oder gar ein Gerichtsverfahren erforderlich, schlagen die damit verbundenen Aufwendungen als Transaktionskosten ebenso zu Buche wie Kosten, die sich aus der Verzögerung des Gütertransfers, der allgemeinen Unsicherheit der Rechtsübertragung sowie aus einem möglichen Reputationsverlust der beiden Parteien484 ergeben können485. Zudem ist der Schadensersatzanspruch stets von weiteren Bedingungen abhängig, die über die Erfordernisse des Erfüllungsanspruchs hinausgehen. Nur wenn sämtliche Voraussetzungen des Ersatzanspruchs auch tatsächlich nachgewiesen werden können, wird der Gläubiger entschädigt. Damit ist die Gefahr verbunden, dass Gerichte bei Ermittlung der Höhe des Schadensersatzanspruchs die totalen Kosten des Vertragsbruchs unrichtig abbilden, sie namentlich zu niedrig ansetzen, wie empirische Untersuchungen aus jüngerer Zeit nahelegen486. Die dem Veräußerer auf diese Weise eröffnete Möglichkeit zur Externalisierung solcher Kosten487 schafft einen Anreiz, die Vereinbarung auch dann zu missachten, wenn ein Vertragsbruch gerade nicht effizient ist488, weil die Einbußen des Erwerbers über den vom Veräußerer erzielten Gewinn hinausgehen. Alle diese Probleme werden vermieden, wenn der Dritte den Gegenstand unmittelbar vom Erwerber bezieht oder der Erwerber zumindest 481
Siehe oben § 3 IV. 7. c). Dazu schon oben § 3 IV. 7. d). 483 Vgl. Schwartz, Yale L.J. 89 (1979), 271, 274 ff., 291; R. Posner, Analysis, S. 164; Shavell, Foundations, S. 377. 484 Zur Reputationsproblematik ausf. Ulen, Michigan L. Rev. 83 (1984), 341, 347 ff. 485 Dazu näher Ulen, Michigan L. Rev. 83 (1984), 341, 383 ff.; Macneil, Va. L. Rev. 68 (1982), 947, 958; Unberath, Vertragsverletzung, S. 234 f. 486 Siehe vor allem Lewinsohn-Zamir, JITE 168 (2012), 5, 9 ff., 20 f.; kritisch zu den empirischen Grundlagen Schwartz, JITE 168 (2012), 27 ff. 487 Zu diesem Aspekt Ulen, Michigan L. Rev. 83 (1984), 341, 361 ff.; Macneil, Va. L. Rev. 68 (1982), 947, 960; Unberath, Vertragsverletzung, S. 235. 488 Vgl. Ulen, Michigan L. Rev. 83 (1984), 341, 366; Linzer, Colum. L. Rev. 81 (1981), 111, 137; Unberath, Vertragsverletzung, S. 235. 482
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seine Zustimmung zum Rechtsgeschäft zwischen Veräußerer und Drittem erteilen muss, denn der Erwerber wird sich auf eine solche Transaktion nur einlassen, wenn das vom Dritten abgegebene Angebot höher ist als sein individueller Nutzen. Unsicherheiten, die sich demnach aus der Ermittlung des Erfüllungsschadens im Rahmen eines schadensrechtlichen Ausgleichs zwischen Veräußerer und Erwerber ergeben, werden durch dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen von vornherein vermieden. Außerdem haben empirische Untersuchungen eine weitere Annahme der Lehre vom effizienten Vertragsbruch in Zweifel gezogen, und zwar die Überlegung, dass eine wohlfahrtsmaximierende Transaktion am strategischen Verhalten des Erwerbers scheitert489. Da das Rechtsgeschäft ohne seine Zustimmung nicht wirksam durchgeführt werden kann, ist er in einer starken Verhandlungsposition und kann die Transaktion nach seinem Willen scheitern lassen. Er wird versuchen, den größtmöglichen Gewinn aus der Transaktion zu ziehen. Das kann zu einem Scheitern der Verhandlung oder aber zu einer Erhöhung der Gesamtkosten führen, weil der Erwerber die Gewinnmarge des Veräußerers typischerweise nicht sicher kennt490. Allerdings haben empirische Studien auf der Grundlage von Ultimatumspielen ergeben, dass sich die Kontrahenten regelmäßig auf eine Aufteilung des Gesamtgewinns einigen491. Diese Untersuchungen belegen insbesondere, dass extrem opportunistisches Verhalten in der Praxis keineswegs den Regelfall darstellt. Selbst anonyme Akteure, die weder um ihre Reputation noch um die Auswirkungen ihrer Verhandlungsführung in Bezug auf spätere Transaktionen besorgt sein müssen, gelangen regelmäßig zu einem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis, so dass strategisches Verhalten nachträgliche Verhandlungen beeinträchtigen kann, sie aber keinesfalls ausschließt. Gegen bloß schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote spricht schließlich, dass es dem Erwerber vielfach nicht gleichgültig ist, ob er eine in Geld bestehende Entschädigung erhält oder den Verfügungsgegenstand als solchen, und selbst dann, wenn die Entschädigungsleistung dem objektiven Wert des Gegenstandes entsprechen mag. Empirische Experimente zeigen, dass Akteure eine starke Präferenz zugunsten des Verfügungsgegenstands aufweisen, ungeachtet des Umstands, ob es sich um einen Gegenstand handelt, der durch einen äquivalenten Geldbetrag unproblematisch am Markt erworben werden kann492.
489
Siehe zur parallelen Argumentation oben § 4 II. 7. c) dd). Zum Problem: Lewinsohn-Zamir, JITE 168 (2012), 5, 7. 491 Dazu ausf. Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1471, 1489 ff.; Lewinsohn-Zamir, JITE 168 (2012), 5, 7 ff. 492 Siehe Lewinsohn-Zamir, JITE 168 (2012), 5, 14 ff.; kritisch zu den empirischen Grundlagen Schwartz, JITE 168 (2012), 27 ff. 490
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c) Dogmatische Strukturen erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen Nach alldem tut das Gesetz gut daran, die Vertragsparteien selbst darüber entscheiden zu lassen, ob sie einen Erwerbsvorgang durch eine Verfügungsbeschränkung mit dinglicher oder nur schuldrechtlicher Wirkung absichern wollen. Rechtsökonomisch sinnvoll ist die Vereinbarung einer dinglichen Verfügungsbeschränkung, wenn die zur Absicherung des Erwerbs aufzuwendenden Kosten höher sind als die Transaktionskosten, die aus einer etwaigen Nachverhandlung mit einem Dritterwerber resultieren. Dementsprechend kann der Wert solcher Verfügungsbeschränkungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Erwerbsgeschäft ganz unterschiedlich ausfallen. Da diese Einzelfallrelevanz allerdings in den einschlägigen Vorschriften (§§ 161, 883, 2113 BGB) nicht zum Ausdruck kommt, vereinbarte Verfügungsbeschränkungen also auch durchgesetzt werden können, wenn sie im Einzelfall wohlstandsmaximierende Transaktionen (mit Dritterwerbern) unterbinden, kann die normative Schlussfolgerung nur lauten, die Rechtsfolgen dinglicher Verfügungsbeschränkungen passgenau auf den Zweck der Erwerbssicherung zuzuschneiden; zumal angesichts der Komplexität der Einflussfaktoren sowie der Vielgestaltigkeit der Erwerbskonstellationen auch differenzierende Lösungen ausscheiden. Die normzweckorientierte Aufarbeitung der dogmatischen Strukturen erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen zielt nach dem Prinzip des schonendsten Eingriffs493 auf eine mehrdimensionale Einschränkung ihrer materiellrechtlichen Implikationen ab. Das Prinzip ist notwendiges teleologisch-normatives Pendant zum Grundsatz der Sukzessionsfreiheit und verlangt ganz konkret nach einer am Regelungsziel orientierten, einschränkenden Interpretation der Verfügungsbeschränkungen. Das geschieht erstens durch den Fortbestand der veräußererseitigen Verfügungsbefugnis (aa) und zweitens durch eine normzweckkonforme Beschränkung des Unwirksamkeitsverdikts in objektiver Hinsicht (bb). Drittens bildet das Prinzip des schonendsten Eingriffs die Grundlage für die Verzichtbarkeit der durch Verfügungsbeschränkungen vermittelten Schutzwirkungen (cc). Ein Blick auf die Rechtsfolgenkonvergenz absoluter und relativer Unwirksamkeitsvorschriften (dd) und den Schutz des redlichen Erwerbers (ee) rundet die Untersuchung ab. aa) Fortbestehende Verfügungsbefugnis des Veräußerers Vergleicht man die rechtstechnische Wirkungsweise der Erwerbssicherung mit anderen Verfügungsbeschränkungen zeigt sich bereits die erste, auf das Prinzip des schonendsten Eingriffs rückführbare Besonderheit: Die verfügungsbeschränkende Wirkung realisiert sich nicht bereits bei Vornahme der sicherungswidrigen Verfügung, sondern erst dann, wenn die Zwischenverfügung den 493 Siehe Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 49: „Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs“; vgl. noch ders., in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 3; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 30; (zu § 137 S. 1 BGB) Haedicke, JuS 2001, 966, 971.
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durch die Beschränkung gesicherten Erwerbsvorgang vereiteln oder beeinträchtigen würde. So kann der Berechtigte, der eine bewegliche Sache unter aufschiebender Bedingung an den Erwerber veräußert hat, auch nach Abschluss des ursprünglichen Rechtsgeschäfts noch vollwirksam über den Gegenstand verfügen. Durch die ursprüngliche Verfügung geht er weder seiner Rechtsinhaberschaft noch seiner Verfügungsbefugnis verlustig. Erst mit Bedingungseintritt wird die verbotswidrige Zwischenverfügung unwirksam, soweit ihre Wirkungen mit denen der gesicherten Verfügung kollidieren (§ 161 Abs. 1 S. 1 BGB). Des gleichen Regelungsmechanismus bedient sich der Gesetzgeber für die Verfügungsbeschränkung des Vorerben. Letzterer kann in seiner Eigenschaft als Vorerbe wirksam beispielsweise über zur Erbschaft gehörende Grundstücke und Grundstücksrechte verfügen. Soweit diese Verfügungen das Recht des Nacherben indes vereiteln oder beeinträchtigen, sind sie im Fall des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam (§ 2113 Abs. 1 BGB). Schließlich gilt der nämliche Regelungsmodus auch für vormerkungswidrige Verfügungen. Sie sind ebenfalls insoweit unwirksam, als sie den mit der Vormerkung gesicherten Erwerbsanspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 883 Abs. 2 S. 1 BGB)494. Weil der Veräußerer in sämtlichen Fällen Berechtigter bleibt, ist er auch uneingeschränkt zur Verfügung des Gegenstands an einen Dritterwerber berechtigt. Seine Sukzessionsfreiheit bleibt durch die Beschränkungen zunächst unberührt. Die daraufhin erfolgten Zwischenverfügungen sind zunächst vollumfänglich wirksam; dem Zwischenerwerber wird die übertragene Rechtsposition – zumindest im Außenverhältnis gegenüber dem Rechtsverkehr – als eigene mit absoluter Wirkung zugewiesen. Erst mit Eintritt des jeweiligen Ereignisses (Bedingung, Nacherbfall, Geltendmachung der Zustimmungserklärung), wird die sicherungswidrige Verfügung endgültig unwirksam und der durch die Verfügungsbeschränkung Geschützte tritt als Nachfolger des Veräußerers – nicht etwa des Dritterwerbers – in dessen Rechtsstellung ein. Diese eigenwillige Ausgestaltung der erwerbssichernden Verfügungsbeschränkungen ist dem Umstand geschuldet, dass bis zum Eintritt besagten Ereignisses unsicher ist, ob der Sicherungsfall tatsächlich eintritt495. Bleibt der Erwerber etwa die Zahlung der ausbedungenen Gegenleistung schuldig, tritt der Nacherbfall nicht ein oder macht der Vormerkungsberechtigte die Zustimmungserklärung nicht geltend, besteht auch kein Grund dafür, dem Veräußerer seine Verfügungsbefugnis abzusprechen und den vorgenommenen Zwischenverfügungen von Anfang an die Wirksamkeit zu versagen. Der Eingriff in die
494 Zur Streitfrage, ob es sich bei § 883 Abs. 2 BGB um eine Verfügungsbeschränkung handelt, vgl. nur Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 193. Da der Zwischenerwerber eines durch Vormerkung gesicherten Grundstücksrechts seine Rechtsposition verliert, wenn der Vormerkungsberechtigte seinen Anspruch realisiert und der Vormerkungsschuldner seine Leistung erbringt, ist der Vormerkung eine verfügungsbeschränkende Wirkung nicht abzusprechen. 495 Vgl. (beschränkt auf relativ unwirksame Verfügungen) Wilhelm, FS Picker, S. 837, 840.
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Sukzessionsfreiheit und in die vorgenommenen Transaktionen beschränkt sich auf das zur Wahrung des Erwerbssicherungszwecks unabdingbar notwendige Maß und entspricht insoweit dem Grundsatz des schonendsten Eingriffs. bb) Gegenständliche Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge Eine weitere Folge des schonenden Ausgleichs zwischen der Sukzessionsfreiheit des Veräußerers und dem Sicherungsinteresse des Erwerbers ist die gegenständliche Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge. Den erwerbssichernden Verfügungsbeschränkungen ist gemein, dass verbotswidrige (Zwischen-)Verfügungen mit Eintritt des jeweiligen Ereignisses nicht samt und sonders unwirksam werden. Vielmehr verhängen §§ 161 Abs. 1 S. 1, 2113 Abs. 1, 883 Abs. 2 S. 1 BGB das Unwirksamkeitsverdikt nur insoweit, als die verbotswidrige Verfügung die erwerbsgesicherte Verfügung vereiteln oder beeinträchtigen würde496. Die Unwirksamkeitsfolge reicht in objektiver Hinsicht also nur soweit ,wie auch die Unverträglichkeit der beiden Verfügungen reicht497. Die Unwirksamkeitsfolge greift demnach nicht ein, wenn sich die Zwischenverfügung für den durch die Verfügungsbeschränkung Geschützten vorteilhaft auswirkt oder es sich um eine neutrale Verfügung handelt498. Wird beispielsweise an einer beweglichen Sache ein bedingtes Pfandrecht bestellt, wird diese Verfügung durch die Veräußerung der Sache gem. §§ 929, 931 BGB an einen Dritten nicht beeinträchtigt, weil das bedingte Pfandrecht gem. § 936 Abs. 3 BGB bestehen bleibt499. Gleichermaßen ist die Belastung eines dinglichen Rechts während der Schwebezeit nicht a priori ausgeschlossen, wenn für dasselbe Recht unter einer aufschiebenden Bedingung eine Inhaltsänderung vereinbart worden ist; die Belastung darf das geänderte Recht nur eben weder vereiteln noch beeinträchtigen500. Erstreckt sich die Vormerkung lediglich auf die abzutrennende Teilfläche eines Grundstücks und wird später für das Gesamtgrundstück eine Hypothek bestellt, erfasst die Unwirksamkeitsfolge die Hypothekenbestellung schließlich nur insoweit, als sie sich auf die verkaufte Grundstücksteilfläche bezieht501. 496 Für Einzelheiten zu § 161 BGB vgl. BGHZ 20, 127, 133; Armbrüster, in: Erman, BGB, § 161 Rn. 5; Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 11; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 5; Medicus, BGB AT, Rn. 843; zu § 2113 BGB siehe etwa Avenarius, in: Staudinger, BGB, § 2113 Rn. 22; Grunsky, in: MünchKommBGB, § 2113 Rn. 11 ff.; M. Schmidt, in: Erman, BGB, § 2113 Rn. 4; Muscheler, Erbrecht, Rn. 2495; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 362; zu § 883 BGB siehe nur Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 235; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 56; Lorenz, in: Erman, BGB, § 883 Rn. 30; Strecker, in: Planck, BGB, § 883 Anm. 3 a ; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 48 III 1; Prütting, Sachenrecht, Rn. 187. 497 Besonders klar Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 12. 498 Vgl. Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 11. 499 Armbrüster, in: Erman, BGB, § 161 Rn. 5; Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 11; Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 12; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 5. 500 Siehe BayObLG NJW-RR 1986, 93, 94 f.; vgl. weiter Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 11. 501 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 235; Lorenz, in: Erman, BGB, § 883 Rn. 30.
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cc) Zustimmung des Erwerbers Dem Prinzip des schonendsten Eingriffs und dem auf Erwerbssicherung gerichteten Normzweck der §§ 161, 2113, 883 BGB entspricht es, dass der Schutzadressat auf die Wirkungen der Verfügungsbeschränkung mittels Zustimmung verzichten und dem Dritterwerber analog § 185 BGB zu einem wirksamen Rechtserwerb verhelfen kann. Es gilt der römischrechtliche Grundsatz volenti non fit iniuria: Dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht502. Während es im Hinblick auf den Normzweck überindividueller Schutzvorschriften einleuchtet, dass sie nicht zur Disposition stehen und unwirksame Verfügungen folglich selbst durch Zustimmung nicht „geheilt“ werden können503, kann der durch eine individuelle Verfügungsbeschränkung Geschützte der verbotswidrigen Rechtsübertragung zu endgültiger und vollständiger Wirksamkeit verhelfen, wenn er einwilligt oder sie genehmigt. Der durch die Verfügungsbeschränkung verwirklichte Schutz ist disponibel, weil er nicht im öffentlichen Interesse, etwa an der Erhaltung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage (§ 400 BGB)504 oder im überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (§ 137 S. 1 BGB) besteht505, sondern allein im individuell-privatrechtlichen Interesse des Erwerbers506. Das gilt unstreitig für bedingte Verfügungen. Da § 161 Abs. 1 S. 1 BGB ausschließlich auf den Schutz des Anwartschaftsberechtigten abzielt, kann er auf die gesicherte Rechtsposition verzichten und einer Zwischenverfügung mittels Zustimmung zur vollständigen Wirksamkeit verhelfen507. Entsprechendes gilt für Verfügungen des Vorerben. Weil § 2113 BGB primär auf den Schutz des Nacherben gerichtet ist, werden Verfügungen des Vorerben mit Zustimmung des Nacherben wirksam508.509 Dass der Verfügungsbeschränkung außerdem Be502 Vgl. Flume, AT II, § 17, 6 b; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 31 f.; für Einzelfälle siehe Schramm, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 14. 503 Siehe etwa zu § 400 BGB oben § 4 III. 2. b) bb) sowie (teilweise) zu § 399 Alt. 1 BGB unten § 4 III. 4. d) aa). 504 Zur Indisponibilität des § 400 BGB siehe § 4 III. 2. b) bb). 505 Siehe oben § 4 II. 7. 506 Für § 135 BGB vgl. Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 63. 507 Allg. M.: RGZ 76, 89, 91; BGHZ 92, 280, 288; OLG Celle OLGZ 1979, 329, 332, 334; Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 13; Steffen, in: RGRK, BGB, § 161 Rn. 5; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 9. 508 Allg. M.: RGZ 65, 214, 219; BGHZ 40, 115, 119; Avenarius, in: Staudinger, BGB, § 2113 Rn. 17; Weidlich, in: Palandt, BGB, § 2113 Rn. 6; Gierl, in: AnwKommBGB, § 2113 Rn. 26; Grunsky, in: MünchKommBGB, § 2113 Rn. 16; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, § 2113 Rn. 10; Hoeren, in: Hk-BGB, § 2113 Rn. 13; Johannsen, in: RGRK, BGB, § 2113 Rn. 13; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2113 Rn. 26; M. Schmidt, in: Erman, BGB, § 2113 Rn. 5; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 2113 Rn. 3; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 362; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 565; Kipp/Coing, Erbrecht, § 49 IV 1 f; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 28 IV 4 c; Schlüter, Erbrecht, Rn. 753. 509 Von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB kann der Vorerbe außerdem nach §§ 2136, 2137 BGB befreit werden. Dies gilt aber nicht für die Beschränkungen wegen unentgeltlicher Verfügungen nach § 2113 Abs. 2 BGB (arg e contrario § 2136 BGB).
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deutung für das Befriedigungsrecht der Nachlassgläubiger zugemessen wird510, ist von untergeordneter Bedeutung. Denn § 2120 BGB, wonach der Nacherbe sogar verpflichtet sein kann, seine Zustimmung zu bestimmten Geschäften zu erteilen, legt nahe, dass §§ 2113, 2120 BGB die Interessen von Vor- und Nacherben zu einem angemessenen Ausgleich bringen sollen, und die Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB insbesondere der Sicherung nachrangiger Erwerbschancen des Nacherben dient. Der Vollständigkeit halber sei schließlich noch erwähnt, dass verbotswidrige Verfügungen außerdem dann wirksam werden, wenn feststeht, dass der Nacherbfall nicht mehr eintreten kann511. Auch in diesem Fall wird der Sicherungszweck des § 2113 BGB obsolet; der Regelungsbereich der Verfügungsbeschränkung ist folglich teleologisch zu reduzieren. Weiterhin können auch die Wirkungen der relativen Unwirksamkeit gem. §§ 135, 136 BGB durch Zustimmung des Schutzadressaten analog § 185 BGB aufgehoben werden512. Gleiches gilt für vormerkungswidrige Verfügungen, die mittels Zustimmung des Vormerkungsberechtigten analog § 185 BGB uneingeschränkte Wirksamkeit erlangen513. Ebenso verhält es sich, falls die Vormerkung aus einem anderen Grund erlischt, ohne zuvor durchgesetzt worden zu sein514. Und schließlich führt mit Blick auf §§ 135, 136 BGB die spätere Aufhebung des Veräußerungsverbots zur uneingeschränkten Wirksamkeit der Verfügung515. dd) Absolute und relative Unwirksamkeit Unterschiede aus rechtsdogmatischer Perspektive ergeben sich nun im Hinblick auf die personale Schutzrichtung erwerbssichernder Verfügungsbe510
Dafür etwa Avenarius, in: Staudinger, BGB, § 2113 Rn. 1 a.E.; Wolf, FS v. Lübtow, S. 325,
328. 511 RGZ 110, 94, 95; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 71; M. Schmidt, in: Erman, BGB, § 2113 Rn. 4; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 33. 512 Allg. M.: Motive zum BGB, Bd. 1, S. 212; BGH NJW 1997, 1581, 1582; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 50; Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 6; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 135 Rn. 8; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 67; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 19; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 11; Steffen, in: RGRK, BGB, § 185 Rn. 2. 513 RGZ 154, 355, 367; BGHZ 141, 169, 172; OLG München, BWNotZ 2002, 12, 13; Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 5; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 95; ders., in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 248; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 58; Krause, in: AnwKommBGB, § 883 Rn. 99; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 19; Lorenz, in: Erman, BGB, § 883 Rn. 50; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 11; Stürner, in: Soergel, BGB, § 883 Rn. 35; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 82 Rn. 30; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 1170 g; Knöpfle, JuS 1981, 157, 162; a.A. RGZ 142, 331, 337; Ruhwedel, JuS 1980, 161, 166 Fn. 39 a.E. 514 Vgl. BGHZ 117, 390, 392 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 256; Stürner, in: Soergel, BGB, § 883 Rn. 35; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 33. 515 Vgl. BGH NJW 1997, 1581, 1582; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 51; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 135 Rn. 8; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 68; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 33; Looschelders, in: AnwKommBGB, § 136 Rn. 36; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 135 Rn. 10.
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schränkungen, und zwar speziell in Bezug auf die Rechtsfolgendogmatik. Während Verfügungen des bedingt Verpflichteten mit Bedingungseintritt516 und auf Gegenstände iSd. § 2113 Abs. 1 BGB bezogene Verfügungen des Vorerben mit Eintritt des Nacherbfalls517 absolut gegenüber jedermann unwirksam sind, führen vormerkungswidrige Zwischenverfügungen nach h.M. lediglich zu einer relativen Unwirksamkeit, d.h., die Sicherungswirkungen der Vormerkung beschränken sich auf das Verhältnis zu dem gesicherten Vormerkungsgläubiger518; gleiches gilt für relative Verfügungsbeschränkungen nach §§ 135, 136 BGB519. Der zentrale Unterschied der abweichenden Rechtsfolgen liegt darin, dass sich jedermann auf die absolute Unwirksamkeit der Verfügung gem. §§ 161 Abs. 1 S. 1, 2113 Abs. 1 BGB berufen kann520, während nur der durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigte die relative Unwirksamkeit der entgegen §§ 883 Abs. 2 S. 1, 135, 136 BGB getroffenen Verfügungen geltend machen kann521, nicht aber auch der Inhaber des von der Vormerkung betroffenen Rechts oder sonstige Dritte522. Die Relativität der Unwirksamkeit vormerkungswidriger Verfügungen folgt aus § 888 Abs. 1 BGB, der von einer Unwirksamkeit „gegenüber demjenigen (ausgeht), zu dessen Gunsten die Vormerkung besteht“523. Der historische Gesetzgeber orientierte sich ausweislich der Entstehungsgeschichte der §§ 888 Abs. 1, 883 Abs. 2 BGB an den Rechtsfolgen gesetzlicher und behördlicher Veräußerungsverbote, die ihre Schutzwir-
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Armbrüster, in: Erman, BGB, § 161 Rn. 1, 5; Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 12; Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 7 f.; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 9; Enneccerus/ Nipperdey, AT II, § 198 I 2. 517 BGHZ 52, 269, 270; Avenarius, in: Staudinger, BGB, § 2113 Rn. 24; Weidlich, in: Palandt, BGB, § 2113 Rn. 8; Grunsky, in: MünchKommBGB, § 2113 Rn. 10; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, § 2113 Rn. 16; Hoeren, in: Hk-BGB, § 2113 Rn. 11; Johannsen, in: RGRK, BGB, § 2113 Rn. 9; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2113 Rn. 22; M. Schmidt, in: Erman, BGB, § 2113 Rn. 6; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 362; Kipp/Coing, Erbrecht, § 49 IV 1 c; Lange/ Kuchinke, Erbrecht, § 28 Fn. 83; Schlüter, Erbrecht, Rn. 752. 518 Vgl. BGH NJW 2009, 356 Tz. 8; Augustin, in: RGRK, BGB, § 883 Rn. 83; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 236; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 883 Rn. 14; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 50; v. Schweinitz, in: AK, BGB, § 883 Rn. 33; Strecker, in: Planck, BGB, § 883 Anm. 3 a; Stürner, in: Soergel, BGB, § 883 Rn. 28; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 48 III 1; Raape, Veräußerungsverbot, S. 108; Assmann, Vormerkung, S. 111 ff. 519 Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 31; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 94; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 135 Rn. 8; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 135 Rn. 3; Dörner, in: Hk, BGB, § 135 Rn. 1; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 135 Rn. 1. 520 Besonders klar (für § 161 BGB) etwa Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 12; Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 8; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 198 I 2. 521 Für die Vormerkung: BGH NJW 2009, 356 Tz. 8; OLG Nürnberg WM 1969, 1427, 1428 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 236, 248; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 50; Krause, in: AnwKommBGB, § 883 Rn. 51; Lorenz, in: Erman, BGB, § 883 Rn. 30; für § 135 BGB: Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 37. 522 OLG Nürnberg WM 1969, 1427, 1428 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 236; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 50; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1522. 523 Vgl. auch Güthe, Gruchot 57 (1913), 1, 88; Locher, AcP 148 (1943), 1, 43; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 237.
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kungen ebenfalls nur gegenüber „bestimmten Personen“ entfalten (vgl. §§ 135 Abs. 1 S. 1, 136 BGB)524. Zur Erklärung dieser Unterschiede bietet das Schrifttum ein breites Spektrum von Begründungsansätzen. Die einen meinen, die absolute Unwirksamkeitsfolge der §§ 161 Abs. 1 S. 1, 2113 Abs. 1 BGB beruhe darauf, dass die fraglichen Erwerbstatbestände bereits vollständig erfüllt seien, während es daran bei vormerkungswidrigen Verfügungen ebenso fehle wie bei Verstößen gegen ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot iSd. §§ 135, 136 BGB525. Andere nehmen an, die relative Sicherungswirkung gem. § 883 Abs. 2 S. 1 BGB entspreche der Funktion der Vormerkung, insoweit sie sich auf die Verwirklichung eines obligatorischen Anspruchs richte; die Anordnung absoluter Unwirksamkeit würde Verkehrsinteressen über Gebühr beeinträchtigen526. Schließlich findet sich noch der Gedanke, die Anordnung relativer Unwirksamkeit laufe „auf ein zeitlich unbefristetes Anfechtungsrecht des bedingt Berechtigten“ hinaus und sei zumindest im Mobiliarsachenrecht „schwer erträglich“527. Diese literarischen Erklärungsversuche sind weder besonders einleuchtend noch gar zwingend528. Stattdessen erscheinen die unterschiedlichen Rechtsfolgenanordnungen weitgehend austauschbar529, wenngleich sie jeweils mit spezifischen Vor- und Nachteilen verbunden sind. Besinnt man sich auf das Prinzip des schonendsten Eingriffs, spricht insgesamt für alle Konstellationen viel für eine relative Unwirksamkeit, wie sie nach herkömmlichem Verständnis in §§ 883 Abs. 2 S. 1, 135, 136 BGB angeordnet ist. Denn durch die Rückbindung an die Willensentscheidung des Geschützten wird der Rechtsverkehr davor geschützt, dass jedermann die Wirksamkeit der verbotswidrigen Verfügung in Frage stellt, auch wenn dies im Interesse der Erwerbssicherung im Einzelfall nicht erforderlich erscheint. Es kommt daher zunächst überraschend, dass die jüngere Dogmengeschichte der Verfügungsbeschränkungen durch einen Paradigmenwandel vom Veräußerungsverbot mit relativer Unwirksamkeitsfolge nach dem gesetzlichen Grundmodell der §§ 135, 136 BGB zur absolut wirkenden Verfügungsbeschränkung 524 Zum Ganzen siehe Güthe, Gruchot 57 (1913), 1, 88 ff.; Mollenkopf, Einwirkungen, S. 101 ff.; zusf. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 238. 525 Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 31 Fn. 10, S. 171; ähnlich bereits Raape, Veräußerungsverbot, S. 135 f. 526 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 238; Knöpfle, JuS 1981, 157, 157 f. 527 So Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 8. 528 Siehe noch den bemerkenswerten Ansatz von Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 30 f., der absolute Unwirksamkeit als Regelrechtsfolge ansieht und nur für richterliche und behördliche Verfügungsbeschränkungen für relative Unwirksamkeit plädiert und auf diese Weise auch die relative Unwirksamkeit bei der Vormerkung zu rechtfertigen sucht. Dagegen spricht freilich, dass eine Vormerkung nicht notwendig aufgrund einer einstweiligen Verfügung eingetragen wird, sondern im Normalfall auf einer vertraglichen Abrede der Vertragsparteien beruht. 529 Siehe zu anderen Gestaltungsmöglichkeiten noch Dorn, in: HKK, BGB, §§ 134–137 Rn. 30, 32 ff.
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gekennzeichnet ist530. Die Verwunderung legt sich allerdings schnell, wenn man die Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit einer tiefergehenden rechtsdogmatischen Untersuchung unterzieht; werfen relativ unwirksame Verfügungen doch ganz erhebliche – wenn auch nicht unlösbare – dogmatisch-konstruktive Schwierigkeiten auf, was beispielsweise die Verteilung von Nutzungen und Früchten anlangt531. Noch schwerer wiegt, dass die relative Unwirksamkeit mit dem Grundprinzip der absoluten Rechtszuordnung nicht in Einklang zu bringen ist532; mit Recht wird die relative Unwirksamkeit daher als ein Fremdkörper im System der deutschen Privatrechtsordnung begriffen533. Alle diese Nachteile werden durch die absolute Unwirksamkeit vermeiden, die rechtskonstruktiv klar fassbar und als Regelungsmodus in der praktischen Anwendung rechtssicher und leichter handhabbar ist. Davon abgesehen konvergieren die Rechtsfolgen der relativen und absoluten Unwirksamkeit. Vertrat die früher ganz h.M. in Bezug auf §§ 135, 136, 883 Abs. 2 S. 1 BGB noch die Auffassung, der Veräußerer sei nach der sicherungswidrigen Verfügung allein gegenüber dem durch die Verfügungsbeschränkung Geschützten als Rechtsinhaber anzusehen, während im Verhältnis zu den übrigen Verkehrsteilnehmern der Dritterwerber als Rechtsinhaber anzusehen sei534, spricht sich die im Vordringen begriffene Ansicht535 mit Recht dafür aus, dass ausschließlich der Dritterwerber als uneingeschränkter Rechtsinhaber anzuerkennen sei, und zwar auch gegenüber dem Vormerkungsberechtigten536. Die Interessen des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten werden dadurch geschützt, dass der Veräußerer kraft Gesetzes zur Verfügung über den Gegenstand befugt ist. Bildlich gesprochen wird „aus dem Recht, über das der Berechtigte verfügt hat, (…) eine (durch das Verbot) bestimmte Verfügungszuständigkeit ausgeklammert“537. 530
Dazu ausf. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 22 ff.; siehe auch Flume, AT II, § 17, 6 b. Dazu Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 33; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 239; Assmann, Vormerkung, S. 119; Beer, Unwirksamkeit, S. 132 f.; Mollenkopf, Einwirkungen, S. 110. 532 Siehe dazu oben § 2 II. 2. 533 Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 3: „Da die relative Unwirksamkeit einen systemwidrigen Fremdkörper darstellt, ist sie auch in engen Grenzen zu halten“. 534 Für §§ 135, 136 BGB: Jauernig, in: Jauernig, BGB, §§ 135, 136 Rn. 6; Larenz/Wolf, AT, § 44 Rn. 61 f.; für § 883 BGB: Eckert, Sachenrecht, Rn. 827; Heck, Sachenrecht, § 47 II 5; Schapp/ Schur, Sachenrecht, Rn. 353; Wieling, Sachenrecht, § 22 IV 1 a; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 48 III 1. 535 Gegen die Aufspaltungslehre bei §§ 135, 136 BGB etwa BGHZ 111, 364, 368 f.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 33, 36; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 135 Rn. 90 ff.; Flume, AT II, § 17, 6 d; Medicus, BGB AT, Rn. 493; Beer, Unwirksamkeit, 1975, S. 132 ff.; Wilhelm, FS Picker, S. 837, 840; für die Vormerkung: Bassenge, in: Palandt, BGB, § 883 Rn. 21; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 239 ff.; ders., in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 82 Rn. 26; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 50; Löhnig/Gietl, JuS 2008, 102, 103; Mollenkopf, Einwirkungen, S. 110 ff. 536 Dazu näher Gursky, in: Staudinger, § 883 Rn. 244. 537 Zutreffend Wilhelm, FS Picker, S. 837, 840. 531
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Diese Auffassung vermeidet zum einen, die mit der relativen Unwirksamkeit verbundene Duplizität von Rechtspositionen und entspricht dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung538, soweit es durch den Verbleib der Verfügungszuständigkeit beim Veräußerer lediglich zu einer Aufteilung der Rechtsposition kommt, die auf Grundlage der Abspaltungslehre unschwer zu erklären ist539. Zum anderen hat diese Lösung den Vorteil, dass die Eigentümerbefugnisse beim Dritterwerber gebündelt werden und sich nicht auf zwei (relativ) Berechtigte verteilen. Der Dritterwerber ist so während der Schwebezeit in der Lage, etwaige Eigentumsbeeinträchtigungen nach Maßgabe der §§ 985, 1004 BGB effektiv abzuwehren, und zwar auch gegenüber dem Vormerkungsgläubiger. Gerade diese Konsequenz ist auf Grundlage der hergebrachten Ansicht ausgeschlossen, weil nach diesem Verständnis – im Verhältnis zum Vormerkungsgläubiger – noch der Veräußerer Berechtigter ist540. Und schließlich führt die von der Gegenauffassung in Kauf genommene Duplizierung der Rechtssubjekte zu schwer lösbaren Folgeproblemen, wie etwa die Zuordnung von Nutzungen und Früchten541, die durch eine konsequente Trennung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis vermieden werden. Im Ergebnis wirkt sich die relative Unwirksamkeit demnach erst in dem Zeitpunkt aus, in dem der vorgemerkte Anspruch realisiert wird542. Betrachtet man nach alledem das Gesamtsystem der Unwirksamkeitsfolgen erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen lassen sich keine signifikanten Unterschiede weiter ausmachen543. Rechtspolitischer Handlungsbedarf besteht in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht. ee) Schutz des redlichen Zwischenerwerbers Das gilt umso mehr, als die Annahme absoluter Unwirksamkeit typischerweise auch nicht über den Zweck erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen hinausgeht. Insbesondere wird der Zwischenerwerber in seinem guten Glauben an die von Verfügungsbeschränkungen freie Rechtsmacht des Veräußerers nach Maßgabe der in diesem Zusammenhang entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Gutglaubenserwerb geschützt. Das gilt für den gutgläubigen Zwischenerwerber nach § 161 Abs. 3 BGB ebenso wie für den redlichen Erwerb vom Vorerben gem. § 2113 Abs. 3 BGB (und bei Eintragung des Vorerben im Erbschein nach § 2366 BGB544). Gleichermaßen sind die Interessen des Forderungsschuldners im Rahmen einer aufschiebend bedingten Zession analog § 407
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Siehe oben § 2 II. 2. Siehe oben § 2 III. 2. b) bb). 540 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 244. 541 Siehe in diesem Abschnitt oben im Text. 542 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 246. 543 So auch die Einschätzung von Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 8. 544 Vgl. Avenarius, in: Staudinger, BGB, § 2113 Rn. 99; Grunsky, in: MünchKommBGB, § 2113 Rn. 21; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, § 2113 Rn. 30. 539
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BGB gewahrt, soweit er sich in gutem Glauben befindet545. Die Parallelität von absoluter und relativer Unwirksamkeit wird weiter dadurch unterstrichen, dass die Grundsätze des Gutglaubenserwerbs im Übrigen auch für den Schutz des redlichen Dritterwerbers bei Vormerkungen546 und für relative Veräußerungsverbote gem. §§ 135 Abs. 2, 136 BGB gelten. Die Anwendbarkeit der Gutglaubensvorschriften bedeutet eine substanzielle Beschränkung des Anwendungsbereichs der erwerbssichernden Verfügungsbeschränkungen im Interesse des redlichen Zwischenerwerbers, der als Repräsentant der überindividuellen Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt. Dass sich das Prinzip des redlichen Erwerbs als durchweg überzeugend erweist, ist für den Erwerb vom Nichtberechtigten unten ausführlich dargelegt547. Und wenn das Prinzip des Gutglaubenserwerbs über die mangelnde Berechtigung des Veräußerers hinwegzuhelfen vermag, dann muss der redliche Rechtsverkehr erst recht geschützt werden, wenn der Veräußerer – obgleich in seiner Verfügungsmacht beschränkt – noch als Berechtigter verfügt und insofern eine stärkere Legitimation aufweist als der Nichtberechtigte548. d) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen III Neben den anerkannten Tatbeständen misst namentlich Christian Berger auch § 137 S. 1 BGB eine erwerbssichernde Funktion zu549. Der Verfügungsempfänger – so Berger – müsse sich darauf verlassen können, dass der Rechtsinhaber auch die Rechtsmacht besitze, ihm den fraglichen Gegenstand zu verschaffen, ohne durch eine rechtsgeschäftliche, für den Erwerber womöglich unbekannte Verfügungsbeschränkung daran gehindert zu sein. Den Interessen des Erwerbers liefe es folglich zuwider, könnte sich der Veräußerer seiner Verfügungsbefugnis kraft privatautonomer Abrede begeben. Diese Überlegungen sind für sich genommen nicht verkehrt; sie treffen allerdings nicht den Kerngedanken des § 137 S. 1 BGB. Denn der durch das Unwirksamkeitsverdikt vermittelte Erwerberschutz ist – ebenso wie der Schutz des Veräußerers550 – wiederum nur reflexartiger Natur. Denn soweit die mittel545 Wie hier auch Bork, in: Staudinger, BGB, § 161 Rn. 5; Rövekamp, in: Bamberger/Roth, BGB, § 161 Rn. 4; Westermann, in: MünchKommBGB, § 161 Rn. 8; Wolf, in: Soergel, BGB, § 161 Rn. 3; Flume, AT II, § 39, 3a. 546 Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 3 a.E. bemerkt in diesem Zusammenhang, dass das „Zurücktreten des Zwischenerwerbers“ nur deshalb „erträglich“ sein, „weil der Zwischenerwerber durch die erforderliche Grundbucheintragung der Vormerkung gewarnt ist“ (Hervorhebung im Original weggelassen). Siehe außerdem BGHZ 117, 390, 392 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 232, 256; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 58. 547 Siehe unten § 11. 548 Zum Prinzip ausf. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 33 ff. 549 Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 72: „§ 137 BGB dient allein dem Schutz des Verfügungsempfängers.“ Hervorhebung auch im Original. 550 Siehe oben § 4 III. 2. c).
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bar erwerbssichernde Wirkung des § 137 S. 1 BGB reicht, betrifft sie den Erwerber nicht in seiner konkreten Person, wie namentlich den Anwartschaftsberechtigten iSd. § 161 BGB, den Nacherben iSd. § 2113 BGB sowie den Vormerkungsberechtigten iSd. § 883 Abs. 2 BGB. Vielmehr erfährt der Erwerber die Schutzwirkungen des § 137 S. 1 BGB nur als Repräsentant des Rechtsverkehrs, dessen Schutz das primäre Regelungsziel des § 137 S. 1 BGB ist551. Es kann daher auch nicht verwundern, wenn Berger seinen individuell, auf den Erwerber ausgerichteten Ansatz nicht durchhalten kann und im Rahmen seiner Untersuchung auf überindividuelle Gesichtspunkte des Verkehrsinteresses zu sprechen kommt. So verweist er im Rahmen der Begründung seiner Position auf den „zugrundeliegenden Verkehrsschutzgedanke(n)“ des § 137 S. 1 BGB und bringt diesen in Verbindung mit der „Orientierungssicherheit des Erwerbsverkehrs“. Später spricht er davon, § 137 S. 1 BGB habe „nicht allein den Schutz des konkreten Erwerbers im Auge“, sondern folge „einer starken institutionellen Verkehrssicherheitskomponente“552. Dass es tatsächlich um Verkehrsund nicht um Erwerberschutz geht, zeigt sich auch daran, dass der Rechtsverkehr ungeachtet der subjektiven Vorstellung des Erwerbers geschützt ist. In diesem Zusammenhang spricht man gemeinhin von der Verwirklichung absoluten Verkehrsschutzes, der namentlich von der Kategorie des konkreten und abstrakten Vertrauensschutzes abzugrenzen ist553. Die Kategorie des absoluten Verkehrsschutzes stellt aber nun das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Güteraustauschs in den Vordergrund, wie es das zentrale Kernanliegen des § 137 S. 1 BGB bildet; soweit hiermit auch die Interessen des Erwerbers geschützt werden, ist dies lediglich als Normreflex zu werten.
4. Sicherung von Drittinteressen Neben Veräußerer- und Erwerberinteressen können Verfügungsbeschränkungen schließlich zum Schutz der Interessen Dritter bestimmt sein, deren Rechtssphäre durch die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Sukzession zumindest mittelbar berührt ist und deren Interessen deshalb vor nachteiligen Folgen der Transaktion geschützt werden müssen. a) Grundlagen und Phänomenologie In der oben eingeführten Terminologie geht es bei Verfügungsbeschränkungen im Drittinteresse letztlich um Sukzessionsschutz554, genauer gesagt um präventiven Sukzessionsschutz, der schutzwürdigen Interessen von Drittbetroffenen 551 552 553 554
Eingehend dazu oben § 4 II. 7. So Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 85. Hervorhebung auch im Original. Zur Kategorisierung später unten § 11 II. 5. Siehe allgemein oben § 4 II. 2.
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mittels Ausschluss oder Beschränkung der Sukzessionsfreiheit zum Durchbruch verhilft. Davon zu unterschieden sind die Tatbestände postventiven Sukzessionsschutzes, welche die Durchführung einer Transaktion auf erster Stufe nicht behindern, sondern erst auf zweiter Stufe ansetzen und dem Drittbetroffenen besondere Befugnisse an die Hand geben, die sie vor einer Verschlechterung ihrer Rechtsstellung schützen. Postventive Schutzwirkungen entfaltet beispielsweise das gesetzliche Schuldnerschutzsystem der §§ 404, 406 ff. BGB. Angesichts der immensen Bedeutung der Sukzessionsfreiheit ist die postventive Variante des Sukzessionsschutzes der präventiven klar vorzuziehen. Aufgrund ihrer Wirkung ex post lässt sie die Sukzessionsfreiheit der Vertragspartner im Grundsatz unberührt, während ex ante wirkende Sukzessionsbeschränkungen Transaktionen im Ergebnis verhindern. Da Sukzessionsschutz typischerweise auf den individuellen Schutz bestimmter Dritter gerichtet ist, das systemprägende Prinzip der Sukzessionsfreiheit indes überindividuelle Züge trägt, müssen präventive Eingriffe in die freie Übertragbarkeit von Rechten möglichst schonend und zurückhaltend ausfallen. Zudem bedürfen sie in jedem Fall einer besonderen Rechtfertigung. Solche präventiven, sukzessionsschützenden Verfügungsbeschränkungen stehen im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung. Das Paradigma bilden Abtretungsbeschränkungen gem. § 399 Alt. 2 BGB. Sie ermöglichen dem Schuldner einen privatautonom begründbaren Schutz gegen unwillkommene Forderungsabtretungen. In der Sache geht es um den Schutz der individuellen Kontrahentenwahlfreiheit. Ist eine Abtretungsbeschränkung vereinbart, muss sich der Schuldner gegen seinen ausdrücklichen Willen keinen anderen Gläubiger aufdrängen lassen. Die normative Legitimation rechtsgeschäftlicher Abtretungsverbote resultiert aus der Beteiligung des Schuldners an der Schaffung des vom potenziellen Sukzessionsvorgang betroffenen, relativen Rechts. Dieser besondere Drittbezug beruht letztlich auf der Relativität des Schuldverhältnisses und wird nur allzu gern als Erklärung für den offensichtlichen Konflikt zwischen § 137 S. 1 BGB und § 399 Alt. 2 BGB ins Feld geführt. So einfach ist es freilich nicht; dingliche und obligatorische Rechte weisen ein größeres Spektrum an Gemeinsamkeiten auf, als gemeinhin angenommen555. Daraus ergeben sich unbequeme Folgerungen für die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des § 399 Alt. 2 BGB556. Drittschützenden Charakter haben weiterhin Sukzessionsbeschränkungen, welche die Übertragbarkeit von Vermögenspositionen an die Mitwirkung Dritter knüpfen, wie etwa die praktisch so bedeutsamen Vinkulierungsvorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts. Nach §§ 68 Abs. 2 S. 1 AktG, 15 Abs. 5 GmbHG kann die Übertragung von Namensaktien und GmbH-Geschäftsanteilen von der Zustimmung des Verbands bzw. seiner Mitglieder abhängig gemacht werden. Die Verfügungsbeschränkungen schützen das Interesse der übrigen Verbandsmitglieder daran, selbst über die personelle Zusammensetzung 555 556
Siehe nur § 2 IV. Siehe sogleich unten § 4 III. 4. b).
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des Verbands zu entscheiden557. Dahinter steht der Gedanke, dass der wirtschaftliche Erfolg einer verbandsmäßig verfassten Unternehmung maßgeblich von einer konstruktiven und reibungsarmen Zusammenarbeit ihrer Mitglieder abhängt. Deshalb haben die Verbandsmitglieder auch ein veritables Interesse daran, in die Entscheidung über die Person der künftigen Mitglieder eingebunden zu sein. Vergleichbare Überlegungen gelten für das Erbbaurecht, dessen Übertragung nach § 5 Abs. 1 ErbbauRG an die Zustimmung des Grundstückseigentümers gebunden werden kann, sowie für Veräußerungsbeschränkungen nach §§ 12 Abs. 1, 35 S. 1 WEG; danach kann die Übertragung von Wohnungseigentum respektive Dauerwohnrechten von der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, des Eigentümers bzw. eines Dritten abhängig gemacht werden558. In entsprechender Weise will das Vorkaufsrecht der Miterben nach §§ 2034, 2035 BGB verhindern, dass Außenstehende, die typischerweise in keiner spezifischen Beziehung zu Erblasser und Nachlass stehen, unerwünscht in die Erbengemeinschaft eindringen (Schutz vor Überfremdung) und das Zusammenwirken der Erben sowie die Auseinandersetzung erschweren559. b) Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen Nach diesem Überblick stehen rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen gem. § 399 Alt. 2 BGB im Mittelpunkt, die sowohl in der Wirtschaftspraxis560 als auch in der wissenschaftlichen Diskussion561 eine prominente Rolle spielen. Bemerkenswert ist schon zu Beginn die heftige Kritik, die über die Jahre an der Vorschrift geübt wurde562. So ist die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsverbote verschiedentlich als „Anachronismus“563 und „Fremdkörper im allgemeinen Vermögensrecht“564 bezeichnet worden. Auf dem 51. Deutschen Juristentag 1976 in Stuttgart kulminierte die Kritik gar in der Empfehlung, die 557 So für die AG: Bayer, in: MünchKommAktG, § 68 Rn. 37; Bezzenberger, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 68 Rn. 15; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 68 Rn. 29; Hüffer, AktG, § 68 Rn. 10; Merkt, in: GroßkommAktG, § 68 Rn. 204 ff. Wienecke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 68 Rn. 11; für die GmbH: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 58; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 359; Wilhelmi, in: BeckOK, GmbHG, § 15 Rn. 138; Winter, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 15 Rn. 15. 558 Siehe nur Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 351. 559 Vgl. RGZ 170, 203, 207; BGHZ 56, 115 ff.; 121, 47, 49; BGH NJW 1977, 37, 38; NJW 1982, 330; NJW 2011, 1226 Tz. 13; Gergen, in: MünchKommBGB, § 2034 Rn. 1; Lohmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2034 Rn. 1; Werner, in: Staudinger, BGB, § 2034 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 42 III 1; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 478; Kipp/Coing, Erbrecht, § 115 I 1. 560 Dazu ausf. Wagner, Abtretungsverbote, S. 35 ff. 561 Siehe monografisch nur Blaum, Abtretungsverbot (1983); Wagner, Abtretungsverbote (1994); Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 225 ff. 562 Siehe den anschaulichen Überblick bei Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 226 f.; für eine Gegenposition siehe Ruhwedel, JuS 1980, 161, 162. 563 Ott, in: AK, BGB, § 399 Rn. 2. 564 Blaum, Abtretungsverbot, S. 51.
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Vorschrift ersatzlos zu streichen565. Der Juristentag folgte insofern dem Gutachter Ulrich Drobnig, der es für unvertretbar hielt, die Nutzbarmachung von Geldforderungen „praktisch von der Willkür eines starken Schuldners (vorwiegend der Öffentlichen Hand sowie der Großunternehmen) abhängig zu machen“566. Diese Forderung führte im Jahre 1994 zur Schaffung einer Bereichsausnahme für Forderungen aus Handelsgeschäften (§ 354a HGB)567. Davon abgesehen geht auch der europäische und internationale Trend in Richtung der Unwirksamkeit privatautonomer Abtretungsbeschränkungen568. Vor diesem Hintergrund scheint es die Mühe wert, sich der Bedeutung rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen zu versichern und nach ihrer Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Grundsatz der Sukzessionsfreiheit zu fragen. Zu diesem Zweck wird zunächst die historische Genese des § 399 Alt. 2 BGB nachgezeichnet (aa), um die Vorschrift daraufhin in das Gesamtsystem der Verfügungsbeschränkungen einzuordnen (bb). Es folgen eine rechtsökonomische Analyse (cc) und schließlich eine rechtsdogmatische Aufarbeitung der Abtretungsbeschränkung (dd). aa) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund Die Beratungen des rechtsgeschäftlichen Abtretungsausschlusses verliefen in den BGB-Kommissionen durchaus wechselhaft. Während der schuldrechtliche Vorentwurf des Redaktors v. Kübel noch eine differenzierende Position einnahm – bei Begründung der Forderung vereinbarte Abtretungsverbote sollten wirksam sein, nicht aber erst nachträglich hinzugefügte569 –, war im 1. BGBEntwurf die vollständige Unwirksamkeit privatautonomer Abtretungsausschlüsse angeordnet570. Der Entwurf befand sich insoweit im Einklang mit einem großen Teil der damaligen obergerichtlichen Rechtsprechung571, die in Anlehnung an die Behandlung des pactum de non alienando für eine Drittwirkung des pactum de non cedendo votierte572. Zwar verschlossen sich die Motive573 keineswegs der Erkenntnis, „daß das obligatorische Rechtsverhältniß nur zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner bestehe und von deren Rechtswillen in allen Beziehungen abhänge, wonach es auch zulässig sein müßte, durch 565 Beschlüsse, Verhandlungen 51. DJT II, IV Nr. 5, O172 f., O180; dazu die Kritik von Drobnig, Verhandlungen 51. DJT I, F40, F78 ff. 566 Drobnig, Verhandlungen 51. DJT I, F78 f. 567 Zu Letzterem siehe unten § 4 III. 4. c). 568 Dazu ausf. unten § 25 III. 3. b). 569 Siehe § 3 Abs. 2 und 3 des Vorentwurfs, bei v. Kübel, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 927, 950; siehe hierzu noch v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 28. 570 § 295 Abs. 2 des 1. BGB-Entwurfs lautete: „Durch Rechtsgeschäft kann die Uebertragbarkeit einer Forderung mit Wirkung gegen Dritte nicht ausgeschlossen werden.“ 571 OAG zu Lübeck, SeuffA 5 (1852), Nr. 11; OLG Celle, SeuffA 36 (1881), Nr. 271; KG, wiedergegeben bei RGZ 38, 308, 309; zum Ganzen näher Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 232; vgl. weiter Bülow, NJW 1993, 901 f. 572 So etwa OAG zu Lübeck, SeuffA 5 (1852), Nr. 11. 573 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 122.
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Rechtsgeschäft nicht übertragbare Forderungen zu begründen oder auch nachträglich die Uebertragbarkeit auszuschließen.“ Die allgemeine Zulässigkeit der Forderungsabtretung lasse Forderungen aber „gleichsam versachenrechtlicht erscheinen“. Daher müsse das Problem rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen in Übereinstimmung mit § 137 S. 1 BGB nach sachenrechtlichen Maßstäben einer einheitlichen Lösung zugeführt werden574. Außerdem wollte man verhindern, dass der Schuldner sein Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger entzieht. Dieses Ziel sollte ebenfalls durch die Verhängung des Unwirksamkeitsverdikts erreicht werden. Vor allem das letztgenannte Argument ließ die 2. BGB-Kommission im Anschluss an die Vorkommission des Reichsjustizamts575 nicht gelten. Während es die 1. Kommission noch ablehnte, unübertragbare Forderungen der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen576, suchte die 2. Kommission die gegen einen privatautonomen Abtretungsausschluss geltend gemachten Bedenken dadurch zu zerstreuen, dass sie die Pfändung und Überweisung unübertragbarer Forderungen zuließ, soweit nur der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterlag (vgl. heute § 851 Abs. 2 ZPO)577. Im Übrigen begründete die 2. Kommission die Zulassung rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen damit, dass der Schuldner „in manchen Fällen ein berechtigtes Interesse“ daran habe, „sich nur gegenüber dem bestimmten Gläubiger verbindlich zu machen, so daß im Sinne des geschlossenen Vertrags die versprochene Leistung durch den Eintritt eines Cessionars eine unstatthafte Aenderung erleiden würde“578. Kurzum: Die Zulässigkeit privatautonomer Abtretungsausschlüsse ist nach dem Willen des historischen Gesetzgebers den berechtigten Interessen des Schuldners zu dienen bestimmt. In Parallele zu den Beratungen vollzog sich Ende des 19. Jahrhunderts auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Paradigmenwechsel579. Mit Urteil vom 10.5.1893 anerkannte das Reichsgericht ausdrücklich, dass Forderungen kraft Parteiwillens von vornherein als unübertragbar zur Entstehung gelangen können580. Es sei kein Grund ersichtlich, „der Geltung des erklärten Willens der Kontrahenten eines Vertrages (insofern) Schranken zu setzen“. Es müsse den Parteien überlassen bleiben, „nach Belieben nur ein nicht cessibles Forderungsrecht zu begründen“. Selbst wenn man dieser Argumentation nicht folge, 574
Motive zum BGB, Bd. 2, S. 123. Zu deren Bedeutung siehe Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 235. 576 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 123: „Auch würde sich der Ausweg, die Uebertragung im Wege der Exekution für zulässig zu erklären, nicht empfehlen.“ 577 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 384 f. 578 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 384. Beispielhaft nennen die Protokolle Forderungen von Versicherten gegen Versicherungsgesellschaften sowie „die Retour-, Rundreise- und Abonnements-Karten der Eisenbahnen“ und auch „Rechte aus Depotscheinen der Reichsbank“. 579 RGZ 31, 164, 167 f.; 38, 308, 309 f.; RG SeuffA 40 (1885), Nr. 192; siehe ferner OLG Celle SeuffA 39 (1884), Nr. 96; zum Ganzen näher Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 232 f.; zum Meinungsstand in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts dort S. 233 ff. 580 RGZ 31, 164, 167. 575
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„so würde doch der Inhalt des vertragsmäßigen Forderungsrechtes immer von den Kontrahenten beliebig bestimmt werden können, also u.a. auch dahin, daß der Schuldner solange zu erfüllen nicht schuldig sein solle, als das Forderungsrecht nicht dem ursprünglichen Gläubiger, sondern einem dritten Cessionar zustehen sollte“581. Diese zum gemeinen Recht entwickelten Grundsätze übertrug das Reichsgericht mit Urteil vom 19.12.1896 auf den Geltungsbereich des Preußischen Allgemeinen Landrechts, und fügt hinzu, dass die zwischen Zedent und Schuldner geschlossene Vereinbarung auch dem gutgläubigen Zessionar gegenüber wirksam sei582. An dieser Rechtslage hat sich unter Geltung des § 399 Alt. 2 BGB nichts geändert. bb) Rechtssystematische Einordnung Aus rechtssystematischer Perspektive verwirklichen Abtretungsbeschränkungen iSd. § 399 Alt. 2 BGB präventiven Sukzessionsschutz. Ohne die Zustimmung des Schuldners kann die fragliche Forderung nicht übertragen werden. Der Schuldner kann auf diese Weise effektiv verhindern, dass ihm ein neuer Vertragspartner aufgedrängt wird, den er sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ausgesucht hat und der womöglich auf seine Belange weniger Rücksicht nimmt als der bisherige Gläubiger. Im Ergebnis stärkt die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen die aus dem Prinzip der Privatautonomie ableitbare Kontrahentenwahlfreiheit des Schuldners. Im Rahmen der Forderungsbegründung treffen den Schuldner Bindungswirkungen nur gegenüber demjenigen Vertragspartner, dem er sich zu einer Leistung verpflichtet hat (schuldrechtliches Konsensprinzip)583. Hiervon macht das Zessionsrecht zugunsten der freien Übertragbarkeit von Forderungsrechten eine Ausnahme, lässt die Abtretung ohne Mitwirkung des Schuldners zu und sichert seine Interessen durch ein Schuldnerschutzsystem, das seine maßgeblichen Wirkungen postventiv zeitigt, d.h. nachdem es bereits zu einer wirksamen Änderung der Rechtszuordnung gekommen ist. Das bedeutet mit Heinrich Dörner nicht weniger als eine Aufopferung der negativen Vertragsfreiheit des Schuldners584. Die identitätswahrende Forderungsübertragung erscheint aus dieser Perspektive angesichts der relativen Struktur des Forderungsrechts nicht als apriorische Selbstverständlichkeit, die aus der Natur des obligatorischen Rechts folgt, sondern als ein Zugeständnis an das Verkehrsinteresse, genauer: die Sukzessionsfreiheit. Da die Übertragung eines Forderungs581 Alle Zitate: RGZ 31, 164, 167 f.; Hervorhebungen auch im Original; dort aber nicht kursiv, sondern gesperrt. 582 RGZ 38, 308, 310. 583 Zur Bedeutung des – hier auch Einigungsprinzip genannten – Konsensprinzips für die rechtsgeschäftliche Nachfolge siehe unten § 6. 584 Dörner, Relativität, S. 141: „Zugunsten einer ungehemmten Zirkulationsfähigkeit des Forderungsrechts opfert das Gesetz die negative Vertragsfreiheit des Schuldners auf.“ Vgl. noch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 227 f. Siehe zum Ganzen bereits oben § 4 II. 2. und § 4 II. 4. c).
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rechts notwendig die Rechtssphären von Veräußerer, Erwerber und Schuldner berührt, wäre es nur konsequent, wenn sämtliche Beteiligten im Wege einer dreiseitigen Vereinbarung nach dem Konsensprinzip über den Forderungsübergang befinden müssten585. Indem § 398 BGB auf die Zustimmung des Schuldners im Grundsatz verzichtet, wird die Rechtsposition des Gläubigers gestärkt und die Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten wesentlich erhöht. Vereinbaren die Beteiligten eine Verfügungsbeschränkung dann führen sie nach dieser Deutung lediglich den Zustand herbei, der ohne das gesetzliche Zugeständnis an die Gläubiger (und das allgemeine Verkehrsinteresse) bestehen würde586. Die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen nach § 399 Alt. 2 BGB zieht damit nur die Konsequenz aus dem obligatorischen Charakter des Forderungsrechts. Der BGB-Gesetzgeber anerkennt das Interesse des Schuldners an einer freien Vertragspartnerwahl und eröffnet ihm auf Grundlage des § 399 Alt. 2 BGB eine privatautonome Gestaltungsmöglichkeit, sich gegen einen unwillkommenen Gläubigerwechsel zu schützen. Die Interessen des Schuldners an einer Beibehaltung des ursprünglichen Gläubigers sind vielfältig587. Da ist zunächst das Interesse, den Abrechnungsverkehr mit den Gläubigern übersichtlich und effektiv zu gestalten, seine Buchhaltung zu erleichtern und etwaige prozessuale Nachteile zu vermeiden, die sich aus einem Gläubigerwechsel ergeben können588. Weiterhin hat der Schuldner ein Interesse daran, wegen einer Forderung nicht doppelt in Anspruch genommen zu werden. Außerdem wird der Schuldner daran interessiert sein, einen nachsichtigen Zedenten nicht zugunsten eines rücksichtlosen Zessionars auszutauschen589. Die besonderen Schuldnerschutzbestimmungen kompensieren zwar die rechtlichen Nachteile, die den Schuldner aufgrund einer Forderungszession treffen können. Die mit Abtretungen außerdem verbundenen faktischen, zum Teil auch wirtschaftlichen Nachteile werden durch das postventive Sukzessionsschutzsystem indes nicht ausnahmslos beseitigt. Die hiermit verbundenen Unannehmlichkeiten lassen sich – ungeachtet § 354a HGB590 – durch 585
Vgl. Thiele, Zustimmungen, S. 237; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 245. In diese Richtung auch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 246: „Nicht bildet § 399 Fall 2 BGB eine Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Gläubigers über die Forderung(…), sondern § 398 Satz 1 BGB erweitert die Verfügungsmacht des Gläubigers. Nicht schränkt § 399 Fall 2 BGB die Privatautonomie des Gläubigers ein, sondern § 398 BGB das Selbstbestimmungsrecht des Schuldners.“ 587 Dazu ausf. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 228 ff.; Wagner, Abtretungsverbote, S. 41 ff.; zusf. Larenz, Schuldrecht I, § 34 II. 588 Zu prozessualen Sicherungsmechanismen siehe unten §§ 19–21. 589 Eine solche Veränderung macht die Forderungen nicht nach § 399 Alt. 1 BGB unübertragbar; vgl. BGH NJW 1972, 2036 f. Im Übrigen muss der Schuldner eine solche Verschlechterung der tatsächlichen Lage von Rechts wegen hinnehmen, denn er hat keinen Anspruch auf einen nachsichtigen Umgang durch den Zedenten. Schließlich hatte der Schuldner auch keinen solchen Anspruch gegen den Zedenten. Der Schuldner hätte sich vielmehr auch gegen einen Gesinnungswandel seines ursprünglichen Gläubigers nicht zur Wehr setzen können; vgl. v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 52. 590 Dazu sogleich unten § 4 III. 4. c). 586
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Vereinbarung einer Abtretungsbeschränkung gem. § 399 Abs. 2 BGB wirksam vermeiden591. Bei aller Betonung der Schuldnerbelange dürfen indes die Gläubigerinteressen nicht hintangestellt werden, hat die strukturelle Analyse des bürgerlichen Zessionsrechts doch gezeigt, dass sich der historische Gesetzgeber mit Recht gegen eine obligatorische Mitwirkung des Forderungsschuldners entschieden hat592. Die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente sind auf die Frage der fakultativen Schuldnerbeteiligung durchaus übertragbar. So beeinträchtigt eine übersteigerte Betonung der Kontrahentenwahlfreiheit (des Schuldners), einerlei ob sie den gesetzlichen Regelfall bildet oder durch die Vertragsparteien verabredet ist, notwendigerweise die überindividuellen Gewährleistungen der Sukzessionsfreiheit. Schuldnerschutz und Sukzessionsfreiheit erweisen sich im Zessionsrecht als kommunizierende Röhren. Die tangierten Belange zum Ausgleich zu bringen, ist die zentrale rechtspolitische Herausforderung dieses Rechtsgebiets: ein Optimierungsproblem im Spannungsfeld von Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz. Die Zulässigkeit privatautonomer Abtretungsbeschränkungen legt die Entscheidung über die Auflösung des Spannungsverhältnisses letztlich in die Hand der Vertragspartner. Das trägt nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass die Präferenzen von Gläubigern und Schuldnern nach Maßgabe des konkreten Einzelfalls und ihrer individuellen Bedürfnisse sehr unterschiedlich ausfallen können. Deshalb sollen sich die Vertragsparteien privatautonom darüber verständigen können, ob sie die Forderung übertragbar gestalten oder vinkulieren möchten. Neben der Verhandlungsmacht wird die Entscheidungsfindung vielfach durch das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bestimmt sein. Der Gläubiger wird sich seine Bereitschaft zur Vereinbarung einer Zessionsbeschränkung typischerweise vergüten lassen. Wird auf den Abtretungsausschluss verzichtet, kann der Schuldner mit einer Prämie rechnen. Indes ist es nicht von vornherein unbedenklich, die Vertragsparteien über die Abtretungsbeschränkung entscheiden zu lassen. Denn die freie Übertragbarkeit von Forderungen und anderen Rechten steht nicht ausschließlich im individuell-privatrechtlichen Interesse des Gläubigers593, sondern gleichermaßen im überindividuellen Interesse der Allgemeinheit594 an einer sicheren und leichten Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten, das eingangs aus rechtshistorischer, verfassungs- und unionsrechtlicher sowie rechtsökonomischer Perspek-
591
Vgl. auch Bayer, JuS 1990, 883, 889; Dörner, NJW 1990, 473, 476; E. Koch, VersR 1989, 891,
893. 592
Siehe oben § 4 II. 4. c). Dazu ausf. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 230 f.; Wagner, Abtretungsverbote, S. 52 ff. 594 Zu System- und Allgemeininteressen näher Wagner, Abtretungsverbote, S. 56 f.; zu Kollateralinteressen Dritter siehe Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 231; Wagner, Abtretungsverbote, S. 55 f. 593
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tive ausführlich belegt worden ist595. Angesichts der überragenden Bedeutung der Sukzessionsfreiheit fallen die faktischen Unannehmlichkeiten, die der Gläubigerwechsel für den Schuldner bedeutet, nicht besonders ins Gewicht. Das gilt umso mehr, als Gläubiger vielfach ein handgreifliches Interesse daran haben, ihre Forderungen mittels Factoring zu Geld zu machen oder sie zum Zweck der Kreditsicherung einzusetzen596. Sehen sich Gläubiger verhandlungsstarken Schuldnern gegenüber, wird ihnen dieser Refinanzierungsspielraum in der Wirtschaftspraxis vielfach genommen. Hinzu kommt, dass Gläubiger ihre Forderungen kostengünstiger durchsetzen können, wenn sie sich der Inkassozession bedienen. Und schließlich führt das Unwirksamkeitsverdikt zu unangemessenen Problemen im Fall konkurrierender Abtretungen an mehrere Zessionare597. Für die mehrfachen Verfügungen kommt das Prioritätsprinzip nämlich nicht zur Anwendung598. Vielmehr entscheidet der Schuldner im Wege der Genehmigungserteilung originär darüber, welcher Gläubiger zum Zug kommen soll. Willkürlichem Handeln ist Tür und Tor geöffnet. Zudem kann der Schuldner die Beteiligten dadurch verwirren, dass er sämtliche konkurrierenden Verfügungen genehmigt599. Ein Abtretungsausschluss schränkt den gläubigerseitigen Handlungsspielraum daher insgesamt erheblich ein; der Gläubiger wird zum „Bankier wider Willen“600. Das Urteil über rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen fällt dementsprechend kritisch aus und hebt sich damit von den beiden schon behandelten Fallgruppen der im Interesse von Veräußerer und Erwerber bestehenden Verfügungsbeschränkungen ab. Der Grund für die unterschiedliche Einschätzung liegt darin, dass die beiden anderen Kategorien funktional-teleologische Gesichtspunkte für sich in Anspruch nehmen können, die eine Begrenzung der Sukzessionsfreiheit sachlich zu rechtfertigen vermögen, während vergleichbare Sachgründe für privatautonome Abtretungsverbote nicht ins Feld geführt werden können. So ist der paternalistische Abtretungsausschluss für unpfändbare Forderungen bereits durch verfassungsrechtliche Vorgaben des Sozialstaatsprinzips sowie einer menschenwürdigen Entfaltung der Persönlichkeit vorgezeichnet und ein Eingriff in die Sukzessionsfreiheit sachlich gerechtfertigt601. Der Gläubiger kann sich unpfändbarer Forderungen nicht begeben, weil er andernfalls die materielle Grundlage zur Führung eines menschenwürdigen Lebens zerstören könnte. Zudem sollen ihm eigene Einkünfte auch verbleiben, um die steuerzahlende Allgemeinheit von sonst anfallenden Transferverpflichtungen freizuhalten. Der Forderungsschuldner kann vergleichbar starke Verfassungspositionen 595 596 597 598 599 600 601
Siehe oben § 4 I. Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Zession siehe oben § 4 II. 4. d). Dazu näher Drobnig, Verhandlungen 51. DJT I, S. F79. Zur Geltung des Prioritätsprinzips im Sukzessionsrecht siehe unten § 5 I. 3. Aus der Rechtsprechung siehe BGHZ 40, 156, 159 f.; 55, 34, 37, 39. So pointiert Blaurock, ZHR 142 (1978), 325, 333 f. Siehe oben § 4 III. 2. b).
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nicht für sich in Anspruch nehmen. Das gilt umso mehr, als er durch die gesetzlichen Schuldnerschutzbestimmungen der §§ 404, 406 ff. BGB vor Rechtsnachteilen effektiv geschützt ist. Die faktisch-individuellen Unannehmlichkeiten vermögen den schwerwiegenden Eingriff in die überindividuelle Sukzessionsfreiheit kaum zu rechtfertigen. Andererseits rechtfertigen sich den Erwerb sichernde Verfügungsbeschränkungen aufgrund der zur Erwerbssicherung notwendigen Kosten sowie aus dem Erwerberinteresse an Planungssicherheit für (auf den Erwerbsvorgang bezogene) Investitionen, die durch verbotswidrige Verfügungen frustriert würden602. Auch wenn die rechtspolitische Sinnhaftigkeit erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Transaktion sehr unterschiedlich ausfallen kann, ist ein gesetzlicher Ausschluss solcher Beschränkungen schon deshalb nicht angezeigt, weil der Eingriff in die Sukzessionsfreiheit auf ein unabdingbar notwendiges Maß begrenzt ist. Orientiert an dem Prinzip des schonendsten Eingriffs besteht beispielsweise die Verfügungsbefugnis des Veräußerers auch nach Vereinbarung einer erwerbssichernden Verfügungsbeschränkung fort. Konfligierende (Zwischen-)Verfügungen sind nur unwirksam, wenn der Erwerbszweck tatsächlich eintritt und auch nur, soweit die verbotswidrige Verfügung die erwerbsgesicherte Verfügung vereiteln oder beeinträchtigen würde. Und schließlich werden die Interessen des redlichen Rechtsverkehrs durch die Anwendbarkeit der Gutglaubensvorschriften auf die Zwischenverfügung gewährleistet. Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen sind hingegen deutlich extensiver ausgestaltet. Sie verhindern den Forderungsübergang mit Wirkung ex ante und nehmen dem Gläubiger von vornherein die Befugnis, über die vinkulierte Forderung zu verfügen. Die Verfügungsbeschränkung greift unbedingt und ausnahmslos, nicht etwa nur unter der Bedingung, dass Schuldnerinteressen durch die Abtretung auch tatsächlich nachteilig berührt sind. Und schließlich sind auch die Interessen des redlichen Zessionars nicht in vergleichbarer Weise gesichert, zumal das in § 405 Alt. 2 BGB positivrechtlich ausgeformte Prinzip des Gutglaubensschutzes im bürgerlichen Zessionsrecht nur sehr eingeschränkt verwirklicht ist und in der Praxis ein nahezu bedeutungsloses Dasein fristet603. cc) Rechtsökonomische Analyse Die rechtspolitische Fragwürdigkeit des § 399 Alt. 2 BGB wird noch deutlicher, wenn man rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen einer rechtsökonomischen Analyse unterzieht. Sie verläuft zur Analyse des § 137 S. 1 BGB weitgehend parallel, so dass auf diesen Abschnitt zunächst allgemein Bezug zu nehmen ist604. Den Ausgangspunkt bildet wiederum die Erkenntnis, dass die freie 602 603 604
Siehe oben § 4 III. 3. Dazu unten § 11 III. 6. Siehe oben § 4 II. 7. c).
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Übertragbarkeit von Vermögensrechten den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand steigert, weil knappe Ressourcen über das Verhandlungsmodell und die Preisbildungsmechanismen des Marktes zu demjenigen gelangen, der nach Maßgabe seiner Präferenzen aus dem Wirtschaftsgut den höchstmöglichen individuellen Nutzen ziehen kann. Diese freie Übertragbarkeit von Forderungen und anderen Vermögensrechten wird durch § 399 Alt. 2 BGB beeinträchtigt. Zur Verteidigung rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen wird angeführt, dass es durchaus den Präferenzen der Marktteilnehmer entsprechen könne, die Abtretbarkeit von Forderungen an die Mitwirkung des Schuldners zu binden. Tatsächlich bedeutet es einen maßgeblichen Unterschied zwischen § 399 Alt. 2 BGB und § 137 S. 1 BGB, dass durch die Forderungszession berechtigte Schuldnerinteressen notwendig tangiert sind. Werden die Interessen des Schuldners nun durch die Abtretung in einem Maß beeinträchtigt, das den Nutzen aus der angestrebten Abtretung übersteigt, dann ist eine Einschränkung der freien Übertragbarkeit ökonomisch sinnvoll, weil die Transaktion andernfalls den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand beeinträchtigen würde. Die tangierten Drittinteressen schlagen aus rechtsökonomischer Warte als Externalitäten zu Buche und müssen im Rahmen des Abtretungsvertrags berücksichtigt werden. Hier zeigt sich, dass Abtretungsbeschränkungen die (Transaktions-)Kosten des Schuldners senken, weil er andernfalls durch die Abtretung Einbußen erleiden könnte. Unter diesen Voraussetzungen liegt es nicht fern, den Vertragsparteien selbst die Entscheidung darüber zu überlassen, nach Maßgabe ihrer individuellen Präferenzen über eine Abtretungsbeschränkung und – vor allem – ihren Preis zu verhandeln. Der Gläubiger wird sich tendenziell den Verzicht auf die freie Übertragbarkeit der Forderung vergüten lassen, umgekehrt erhält der Schuldner einen entsprechenden Discount, wenn der Gläubiger ungehindert über das Forderungsrecht verfügen kann. Die Parteien werden einen solchen Ausschluss der Abtretbarkeit in Betracht ziehen, wenn die Schuldnerkosten die Vorteile übersteigen, die sich der Zedent aus einer späteren Abtretung der Forderung verspricht605. Da die Vertragsparteien nach dem klassischen Modell ungestört über die Konditionen der Abtretungsbeschränkung verhandeln können, besteht eine Vermutung für die Effizienz des erzielten Ergebnisses606. Diese Überlegungen greifen indes zu kurz. Denn sie fokussieren ausschließlich auf die individuellen Interessen der Vertragsparteien, während sie das gesamtwirtschaftliche Interesse an einer effizienten Ressourcenallokation sowie das Interesse des Zessionars vollständig ausblenden. Vereinbaren die Parteien nämlich eine Abtretungsbeschränkung, ist nicht länger sichergestellt, dass der Vermögenswert auch tatsächlich derjenigen Verwendung zugeführt wird, die zum individuell höchsten Nutzen führt. Zwar kann der Zessionar mit dem 605 606
470.
Vgl. Epstein, Colum. L. Rev. 85 (1985), 970, 982. So (in Bezug auf schuldrechtliche Abtretungsverbote) Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457,
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Schuldner in nachvertragliche Verhandlungen über die Erteilung seiner Zustimmung zur Forderungszession eintreten607. Allerdings sind solche Verhandlungen in der realen Welt stets mit Transaktionskosten verbunden608; und Besitzeffekte sorgen dafür, dass sich der Schuldner nur zu einem Preis von seinem Vetorecht trennt, zu dem er es selbst nicht erworben hätte609; von der Problematik irrationalen und strategischen Verhaltens ganz zu schweigen610. Hinzu kommen Externalitäten zulasten des Zessionars in Form zusätzlicher Informationskosten. Können Vertragsparteien die Abtretbarkeit von Forderungen privatautonom ausschließen, ist der Zessionar gezwungen, sich durch kostspielige Nachforschungsmaßnahmen Informationen über solche Verfügungsbeschränkungen des Zedenten zu verschaffen. Das gilt insbesondere für Geldforderungen, die im Wege der Voraus- oder Globalabtretung übertragen werden. Hier ist es dem Zessionar kaum möglich, sich kostengünstig über bestehende Abtretungsbeschränkungen zu informieren. Auch wenn die Informationsasymmetrien für einzelne auf Geldleistung gerichtete Großforderungen oder bei Forderungen, die nicht auf Geldleistung gerichtet sind, weniger stark ins Gewicht fallen611, sind sie gleichwohl nicht von vornherein zu vernachlässigen. Jedenfalls entfielen die auf rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen gerichteten Informationskosten, wären solche Vereinbarungen schlichtweg unwirksam. Denn in diesem Fall könnte sich der Zessionar darauf verlassen, dass der Gläubiger – zumindest nicht aufgrund rechtsgeschäftlicher Abreden – in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Zugleich würde hierdurch das Restrisiko minimiert, dass Nachforschungsmaßnahmen des Erwerbers zu dem (unrichtigen) Ergebnis gelangen, dass keine Verfügungsbeschränkung besteht oder sich das Bestehen eines Verfügungshindernisses nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt. Ist dies nicht sichergestellt, werden risikoaverse Zessionare von der Durchführung von Transaktionen tendenziell absehen. In der Konsequenz wird ein Großteil wohlstandssteigernder Transaktionen unterbleiben. Diese Nachteile des § 399 Alt. 2 BGB werden schwerlich durch die Einbußen aufgewogen, die der Schuldner infolge der Forderungszession dadurch erleidet, dass er sich nunmehr einem neuen Schuldner gegenübersieht. Zum einen ist der Schuldner aufgrund der gesetzlichen Schuldnerschutzbestimmungen effektiv gegen rechtliche Nachteile des Gläubigerwechsels geschützt. Zum anderen fallen die faktischen Nachteile, auch wenn sie sich nicht mit mathematischer Präzision konkretisieren lassen, im Vergleich zu den Einbußen aufseiten des Zessionars, der insofern das überindividuelle Interesse des Rechtsverkehrs repräsentiert, typischerweise weniger stark ins Gewicht. Im Ergebnis ist die Vereinbarung einer Abtretungsbeschränkung aus rechtsökonomischer Perspektive nur sinnvoll, wenn die Nachteile des Schuldners größer sind, als die 607 608 609 610 611
Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens siehe sogleich unten § 4 III. 4. b) ee). Siehe oben § 4 II. 7. c) bb). Siehe oben § 4 II. 7. c) cc). Siehe oben § 4 II. 7. c) dd). Siehe den differenzierenden Ansatz von Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 468 ff.
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Transaktionskosten, die aus einer etwaigen Nachverhandlung mit dem Schuldner und den Nachforschungsmaßnahmen des Zessionars resultieren. Das wird in rechtstatsächlicher Hinsicht nur selten der Fall sein. In ihrer Gesamtheit verstärken die rechtsökonomischen Überlegungen die Zweifel an der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit des § 399 Alt. 2 BGB. Eine Antwort darauf hat der deutsche Gesetzgeber bereits mit Schaffung des § 354a HGB gegeben, wonach Abtretungsbeschränkungen unwirksam sind, die sich auf Forderungen aus Handelsgeschäften beziehen612. Da die rechtsökonomischen Erkenntnisse allerdings nahe legen, dass nicht allein unternehmerische Forderungen ungehindert übertragbar sein sollten, ist der Faden später im Zusammenhang mit der Würdigung der europäischen und internationalen Entwicklungen des modernen Zessionsrechts wieder aufzugreifen613. Dort werden auch Vorschläge an den deutschen und europäischen Gesetzgeber zu formulieren sein. dd) Absolute und relative Unwirksamkeit Auch wenn die bisherigen Überlegungen rechtspolitischen Handlungsbedarf indizieren, führt auf Grundlage der lex lata an der Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen kein Weg vorbei. Dieser Umstand ist auch bei der rechtsdogmatischen Erfassung des § 399 Alt. 2 BGB zu berücksichtigen. Nach dem bereits vom Reichsgericht614 vertretenen und noch heute vorherrschenden Verständnis liegt der dogmatische Geltungsgrund rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen in der relativen Struktur des Forderungsrechts615. Die Übertragbarkeit wird als Element der inhaltlichen Ausgestaltung des Forderungsrechts begriffen, welches dem Recht keine anomalistische Verfügungsbeschränkung aufsetze, sondern aus dem Charakter der schuldrechtlichen Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner resultiere616. Oder anders gewendet: Wenn die Beteiligten kraft privatautonomen Willensakts schon frei darüber entscheiden können, ob und in welcher Art und Weise (Inhalt und Umfang) sie sich vertraglich binden wollen, dann muss es ihnen auch möglich sein, die Eigenschaften des so entstandenen Forderungsrechts näher auszugestalten und dessen Übertragbarkeit einzuschränken oder vollständig auszuschließen. Die Forderung entsteht nach dieser Auffassung apriorisch als unübertragbares Recht; spätere Abreden wandeln die Forderung in ein solches Recht um617. 612
Siehe sogleich unten § 4 III. 4. c). Siehe unten § 25 III. 3. b). 614 Siehe oben § 4 III. 4. b) aa). 615 Ausf. zur Dogmatik des § 399 Alt. 2 BGB und den einzelnen Auffassungen Wagner, Abtretungsverbote (1994); knapper Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 237 ff. 616 Vgl. RGZ 31, 164, 167; 136, 395, 399; BGHZ 19, 355, 359; 40, 156, 160; 102, 293, 301; Siber, in: Planck, BGB, § 399 Anm. 2; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 36; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 52; Schreiber, Jura 2010, 599, 602; Raape, Veräußerungsverbot, S. 171 ff. 617 So schon Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 257; ferner BGHZ 40, 156, 160; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 53. 613
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Interpretiert man § 399 Alt. 2 BGB als Folgerung aus der relativen Struktur des Forderungsrechts, kann eine wirksame Abtretungsbeschränkung nur zwischen den Beteiligten vereinbart werden, nicht aber zwischen dem Gläubiger und einem Dritten618. Deshalb verlangt § 399 Alt. 2 BGB explizit eine „Vereinbarung mit dem Schuldner“. Mit Dritten getroffene Abreden sind gem. § 137 S. 1 BGB unwirksam619. Hierdurch wird eine unverhältnismäßige Forderungsvinkulierung verhindert620 und zugleich dem Prinzip des schonendsten Eingriffs entsprochen. Zum Schutz berechtigter Schuldnerinteressen ist es nämlich nicht notwendig, dass sich der Gläubiger auch mit außenstehenden Dritten auf eine Beschränkung der Übertragbarkeit verständigt. Deshalb sind von dem auf Schuldnerschutz gerichteten Normzweck des § 399 Alt. 2 BGB nur Abtretungsbeschränkungen im Schuldnerinteresse gedeckt. Gegen die Vereinbarung mit Dritten sprechen dieselben Überlegungen, die bereits zur Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen im Allgemeinen angestellt worden sind621. Angesichts der individuellen, auf den Forderungsschuldner bezogenen Schutzrichtung des § 399 Alt. 2 BGB wird verbreitet die Auffassung vertreten, das Unwirksamkeitsverdikt der Abtretungsbeschränkung führe allein im Verhältnis zum Schuldner zur relativen Unwirksamkeit der verbotswidrigen Verfügung622. Für dieses Verständnis lässt sich anführen, dass so die Wirkungen des Abtretungsverbots im Sinne des schonendsten Eingriffs auf das Innenverhältnis zum Schuldner beschränkt bleiben, während der Gläubiger im Außenverhältnis weiterhin als Berechtigter über die Forderungen verfügen und ihren wirtschaftlichen Wert nutzen kann. Allerdings führt die Annahme einer relativen Unwirksamkeit andererseits zu einer Aufspaltung bzw. Duplizierung der Gläubigerstellung, die nicht nur zu einer Fülle von rechtsdogmatischen Folgeproblemen führt, sondern sich außerdem zum Grundsatz der absoluten Rechtszuordnung in Widerspruch setzt. Das gilt umso mehr, als selbst §§ 135, 136, 883 Abs. 2 BGB von der zutreffenden Ansicht heute einschränkend in dem Sinne interpretiert werden, dass der Veräu618
So ausdrücklich Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 257. Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 20 a.E.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 137 Rn. 6; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 137 Rn. 2; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 19; Bülow, JuS 1994, 1, 4 f.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 91; vgl. auch Siber, in: Planck, BGB, § 399 Anm. 2. 620 Vgl. R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 26. 621 Siehe oben § 4 II. 7. 622 BGHZ 30, 176, 178; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 3a; Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 58 f.; Leonhard, Schuldrecht I, S. 659; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 I 2 e; Jakobs, JuS 1973, 152, 156; E. Wagner, JZ 1988, 698, 705; ders., AcP 194 (1994), 451, 455 ff.; Beer, Unwirksamkeit, S. 181 ff.; Canaris, FS Serick, 1992, S. 9 ff., 22 Fn. 32; Müller-Chen, FS Schlechtriem, S. 903, 916 ff.; Armgardt, RabelsZ 73 (2009), 314, 318 ff. Differenzierend nach Abtretungsausschluss und Abtretungsbeschränkung ausf. E. Wagner, Abtretungsverbote, S. 468 ff.; dagegen Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 287 ff.; de lege ferenda differenzierend nach dem Gegenstand der Leistungspflicht Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 472 f. 619
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ßerer durch die verbotswidrige Zwischenverfügung seine Rechtsstellung vollständig verliert und ihm allein eine Verfügungszuständigkeit verbleibt623. Da es sich bei der Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit um einen systemwidrigen Fremdkörper in der deutschen Privatrechtsordnung handelt, sollte ihr auch im Bereich des § 399 Alt. 2 BGB kein neues Anwendungsgebiet eröffnet werden. Mit der herrschenden Auffassung führen Abtretungsbeschränkungen daher zur absoluten, gegenüber jedermann wirkenden Unwirksamkeit der Forderungszession624. Für diese Position spricht auch der Wortlaut des § 399 Alt. 2 BGB, wonach eine unabtretbar gestellte Forderung nicht zediert werden kann; § 851 Abs. 2 ZPO bezeichnet iSd. § 399 Alt. 2 BGB vinkulierte Forderungen als „nicht übertragbar“. Um zu einer bloß relativ wirkenden Abtretungsbeschränkung zu gelangen, bedarf es daher aus rechtsmethodischer Perspektive einer teleologischen Reduktion. Gegen sie sprechen zunächst rechtssystematische Überlegungen. Relative Unwirksamkeit ist im Gesetz nämlich stets ausdrücklich angeordnet (vgl. §§ 135 Abs. 1 S. 1, 136, 883 Abs. 2 S. 1, 888 Abs. 1 BGB; siehe noch § 392 Abs. 2 HGB); wo dies nicht der Fall ist, Verfügungsbeschränkungen aber gleichwohl auf den Schutz einzelner Personen zielen (vgl. §§ 473 S. 1625, 719 Abs. 1, 1365 Abs. 1 S. 1, 2211 Abs. 1 BGB), ist die verbotswidrige Verfügung absolut unwirksam626. Eine teleologische Reduktion widerspricht außerdem der historischen Genese der Norm, die wechselhaft verlief, aber schließlich deutlich für die absolute Unwirksamkeit der Abtretungsbeschränkung streitet627. In den Protokollen lesen wir, „es sei keineswegs ein Gebot des Verkehrsinteresses, in Abweichung von der in den Gebieten des gem(einen) und preuß(ischen) Rechtes herrschenden Auffassung ein gegen Dritte wirksames pactum de non cedendo gänzlich auszuschließen“628. Darin kommt das Verständnis einer absolut wirkenden Verfügungsbeschränkung („… gegen Dritte wirksames …“) deutlich zum Ausdruck. Auch wenn die Gegenposition sich auf praktische Vorteile einer relativen Unwirksamkeit be-
623
Siehe zur Argumentation oben § 4 III. 3. c) dd). RGZ 97, 76, 78; 136, 395, 399; BGHZ 40, 156, 159 f.; 56, 173, 176; 56, 228, 230; 70, 299, 303; 102, 293, 301; 108, 172, 176; 110, 241, 242 f.; 112, 387, 389 f.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 11; Arnold, in: Erman, BGB, § 137 Rn. 5; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 65; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 36; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 399 Rn. 8; v. Tuhr, AT II/1, S. 333; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 1; Bülow, NJW 1993, 901 f.; ders., JuS 1994, 1, 8; Ruhwedel, JuS 1980, 161, 162; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 291 ff.; Dörner, Relativität, S. 214 ff.; Raible, Beschränkung, S. 38 ff. 625 So die heute h.M.: Flume, AT II, § 17, 6 b; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 135 Rn. 17; Mader, in: Staudinger, BGB, § 473 Rn. 5; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 135 Rn. 13; a.A. noch RGZ 148, 105, 111; Beer, Unwirksamkeit, S. 184 (jeweils zu § 514 BGB a.F.). 626 Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 333; Flume, AT II, § 17, 6 b; Dörner, Relativität, S. 215. 627 Siehe oben § 4 III. 4. b) aa). Vgl. auch BGHZ 112, 387, 390. 628 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 384; vgl. auch Bülow, NJW 1993, 901, 902; abweichende Interpretation bei Canaris, FS Serick, 1992, S. 9 ff., 22 Fn. 32; siehe ferner Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 59. 624
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rufen könnte629, muss die Entscheidung des historischen Gesetzgebers, die in der Zwischenzeit nicht durch grundlegende Umwälzungen in Zweifel gezogen worden ist, im Ergebnis respektiert werden630. Fehl schlägt namentlich der Versuch des jüngeren Schrifttums, die massenhafte Vereinbarung von Abtretungsverboten für die Gegenauffassung fruchtbar zu machen. Es ist nicht leicht von der Hand zu weisen, dass der historische Gesetzgeber die Beschränkung als Ausnahme ansah, sie im unternehmerischen Bereich heute indes die Regel bildet. Daraus darf indes nicht vorschnell der Schluss gezogen werden, deshalb müsse sich auch das dogmatische Verständnis des § 399 Alt. 2 BGB ändern631. Dieses Argument greift nicht durch, weil der Gesetzgeber auf die Veränderungen der Wirtschaftspraxis durch die Schaffung des § 354a HGB reagiert hat632; § 399 Alt. 2 BGB und das herkömmliche Verständnis der Vorschriften blieben hiervon unberührt. Deshalb muss es auch beim traditionellen Verständnis der Vorschrift im Sinne einer absolut wirkenden Sukzessionsbeschränkung bleiben. Eine andere Frage ist freilich, ob dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit – in Anlehnung an § 354a HGB – nicht de lege ferenda besser zum Durchbruch verholfen werden sollte. Ohne die Antwort schon vorwegnehmen zu wollen, kann eine Interpretation des § 399 Alt. 2 BGB im Sinne der Gegenauffassung doch allenfalls als Hilfslösung für das Grundproblem erscheinen, das sich aus der Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen ergibt. Statt zaghafter dogmatischer Korrekturen, die bei ganzheitlicher Betrachtung des Systems der Verfügungsbeschränkungen systemwidrig erscheinen müssen, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, bei nächster Gelegenheit eine systemkonforme Antwort auf die Grundsatzfrage zu geben. Zu diesem Zweck ist an den Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene Maß zu nehmen633. ee) Zustimmung des Schuldners Irreführend ist es aber nun, wenn der vorherrschenden Lehre von der Inhaltsänderung des Forderungsrechts eine Deutung des § 399 Alt. 2 BGB als Verfügungsbeschränkung des Gläubigers634 gegenübergestellt wird. Denn beide Interpretationen der Abtretungsbeschränkung schließen sich nicht aus, sondern beschreiben jeweils eine bedeutsame Wirkkomponente des § 399 Alt. 2 BGB: In Bezug auf das schuldnerische Recht handelt es sich bei der Abrede um eine in629 Das bestreitet etwa Dörner, Relativität, S. 215 ff.; positiv hingegen E. Wagner, JZ 1988, 689, 705; Canaris, FS Serick, S. 9, 16; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 3a; Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 58; Armgardt, RabelsZ 73 (2009), 314, 321 ff. 630 Siehe schon oben § 1 II. 4. 631 So aber Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 59; Armgardt, RabelsZ 73 (2009), 314, 321. 632 Dazu sogleich unten § 4 III. 4. c). 633 Dazu unten § 25 III. 3. b). 634 Vgl. BGHZ 30, 176, 183; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 78 IV; Leonhard, Schuldrecht I, S. 659; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 3a; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 I 2 e; Thiele, Zustimmungen, S. 232.
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haltliche Ausgestaltung der Forderung. Aus der Perspektive des Rechtsverkehrs bewirkt die Vereinbarung eine Beschränkung der gläubigerseitigen Befugnis, ungehindert über das Forderungsrecht zu verfügen635. Der Gläubiger ist auch weiterhin alleiniger Inhaber der Forderung; sie ist ihm mit ausschließlicher Berechtigung materiell zugewiesen. Allerdings ist der Gläubiger in seiner Verfügungsbefugnis dergestalt beschränkt, dass er ohne die Mitwirkung des Schuldners, zu dessen Gunsten die Zessionsbeschränkung vereinbart ist, über das Forderungsrecht nicht verfügen kann. Das Schrifttum interpretiert die Beteiligung des Schuldners vielfach dahin, dass fortan Gläubiger und Schuldner die Verfügungsbefugnis gemeinschaftlich zusteht636. Die rechtsdogmatische Streitfrage über die Natur der rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkung entfaltet Ausstrahlungswirkung auf die juristische Konstruktion der einhellig anerkannten Zustimmungsmöglichkeit des Schuldners. Da die Beschränkung ausschließlich auf den Schutz von Schuldnerinteressen abzielt und daneben keinerlei öffentlichen Interessen dient, kann der Schuldner auf den durch die Verfügungsbeschränkung gewährleisteten Schutz verzichten und der verbotswidrigen Verfügung zur Wirksamkeit verhelfen637. Umstritten ist in Fortführung der grundsätzlichen Kontroverse indes, ob die Abtretungsbeschränkung mittels vertraglicher Abrede zwischen Zedent und Schuldner aufzuheben ist638 oder ob die Verfügung durch einseitige Gestaltungserklärung analog § 185 BGB wirksam werden kann639.640 Auch wenn beide Auffassungen regelmäßig insofern zum gleichen Ergebnis gelangen, als eine Annahmeerklärung des Gläubigers vielfach als stillschweigend gegeben anzusehen ist, zeitigt die unterschiedliche dogmatische Einordnung gewichtige Auswirkungen auf Rechtsfolgenseite. Während nach der Vertragslösung die Abtretungsbeschränkung mit Wirkung ex nunc, d.h., ohne Rückwirkung auf den Zeitpunkt der verbotswidrigen Verfügung aufgehoben wird641, wirkt eine Genehmigung analog § 185 BGB auf die Vornahme der Abtretung zu635
Zutreffend Dörner, Relativität, S. 142. Dazu ausf. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 240 f.; Dörner, Relativität, S. 144 f.; Thiele, Zustimmungen, S. 232 ff.; Wagner, Abtretungsverbote, S. 331 ff.; Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 292 f.; im Ergebnis ebenso Haedicke, JuS 2001, 966, 971. 637 BGHZ 40, 156, 160; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 37; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 63; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 399 Rn. 12; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 399 Rn. 9; Weber, in: RGRK, BGB, § 399 Rn. 15; Eckhardt, in: AnwKommBGB, § 399 Rn. 13. 638 BGHZ 70, 299, 303; 108, 172, 176 f.; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 63; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 399 Rn. 9; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 59 II A 4 c; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 1; Bülow, JuS 1994, 1, 5. 639 Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 3; Weber, in: RGRK, BGB, § 399 Rn. 15; Serick, Eigentumsvorbehalt II, § 24 III 2. 640 Zur heute nicht mehr vertretenen Verzichtslösung ausf. und kritisch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 298 f. 641 BGHZ 70, 299, 303; 102, 293, 301; 108, 172, 176 f.; 166, 125 Tz. 31; BGH NJW 1978, 813; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 3; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 63; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 399 Rn. 9; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 1; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 59 II A 4 c; Blaum, Abtretungsverbot, S. 138 ff. 636
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rück; Zwischenverfügungen genießen aber jedenfalls den Schutz des § 184 Abs. 2 BGB642. Betrachtet man die Abtretungsbeschränkung als inhaltliche Änderung des Forderungsrechts ist die Vertragslösung konsequent. Es sollte dementsprechend kein Zweifel daran bestehen, dass die Vertragsparteien jedenfalls durch eine zweiseitige Vereinbarung das Abtretungsverbot wieder beseitigen können643. Berücksichtigt man indes die einseitige Schutzrichtung der Vereinbarung, die ausschließlich auf den Schutz des Schuldners abzielt, spricht dies deutlich für die Zustimmungslösung. Auch sind schutzwürdige Gläubigerinteressen, die für eine Mitwirkung des Gläubigers an der Aufhebung der Verfügungsbeschränkung ins Feld geführt werden können, nicht ersichtlich. Vielmehr manifestiert sich der gläubigerseitige Wille, die Abtretungsbeschränkung nicht zu berücksichtigen, mit hinreichender Deutlichkeit bereits in der Vornahme der verbotswidrigen Abtretung644. Eine darüber hinausgehende Willensbekundung gegenüber dem Schuldner, wie sie von der Vertragslösung gefordert wird, erscheint als entbehrliche Förmelei. Zum gleichen Ergebnis kommen auch Wolfgang Thieles Zustimmungslehre645 und Christian Bergers Ermächtigungsmodell646, die jeweils mit hohem dogmatischem Aufwand eine analoge Anwendung des § 185 BGB zu legitimieren suchen. Kernanliegen dieser Begründungsansätze ist die Überwindung des ungeschriebenen numerus clausus der Zustimmungstatbestände647. Danach besteht grundsätzlich kein Wahlrecht der Beteiligten dahingehend, ob sie einen Vertrag abschließen oder sich des Zustimmungsmodus bedienen wollen. Allerdings schließt das Numerus-clausus-Prinzip nach allgemeiner Ansicht eine Erweiterung des Kanons der Zustimmungstatbestände nicht apriorisch aus648; im Wege der Rechtsfortbildung sind Erweiterungen ebenso zulässig wie bei den Sukzessionstatbeständen649. Anerkannt sind in diesem Zusammenhang zum einen die Übertragung von Personengesellschaftsanteilen mit Zustimmung der Mitgesellschafter650 sowie die Zustimmung zur Ver642
So Heck, Schuldrecht, § 66, 1 c; Weber, in: RGRK, BGB, § 399 Rn. 15; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 399 Rn. 6; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 301 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt IV, § 51 I 2. 643 Für eine Kombination beider Gestaltungsmöglichkeiten auch Dörner, Relativität, S. 143 f. 644 Siehe zur Konstruktion der Vertragslösung: Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 63; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 399 Rn. 12; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 1. 645 Thiele, Zustimmungen, S. 231 ff.; ebenso Dörner, Relativität, S. 144; Hadding/van Look, WM-Sonderbeilage 7/1988, S. 13 f.; dagegen Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 306. 646 Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 306 ff. 647 Grundlegend Thiele, Zustimmungen, S. 191 ff.; ferner Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor § 182 Rn. 27; Leptien, in: Soergel, BGB, Vor § 182 Rn. 4; Bayreuther, in: MünchKommBGB, Vor § 182 Rn. 21. 648 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor § 182 Rn. 27; Bayreuther, in: MünchKommBGB, Vor § 182 Rn. 25. 649 Siehe oben § 4 II. 1. 650 Dazu Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor § 182 Rn. 27; Bayreuther, in: MünchKommBGB, Vor § 182 Rn. 25; Ulmer/Schäfer, in: MünchKommBGB, § 719 Rn. 21 f.
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tragsübernahme651. Die oben skizzierte Interessenlage der Beteiligten spricht dafür, die Zustimmungslösung ausnahmsweise auch bei verbotswidrigen Zessionen zur Anwendung zu bringen. In der Konsequenz wirkt die vom Schuldner erteilte Genehmigung auf den Zeitpunkt der Abtretung zurück, wobei allerdings zwischenzeitlich vorgenommene Verfügungen analog § 184 Abs. 2 BGB wirksam bleiben. Im Ergebnis können die Beteiligten selbst darüber entscheiden, ob sie eine Aufhebung der Abtretungsbeschränkung mit Wirkung ex nunc vereinbaren oder der Schuldner zur verbotswidrigen Verfügung des Zedenten seine Zustimmung mit Wirkung ex tunc erteilt. c) Uneinschränkbare Übertragbarkeit unternehmerischer Forderungen Die Untersuchung des § 399 Alt. 2 BGB hat die Mängel rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen offenbar werden lassen: Sie beeinträchtigen die Zirkulation von Forderungen und anderen Rechten, obgleich die tangierten Schuldnerinteressen einen so tiefen Eingriff in die Sukzessionsfreiheit im Regelfall, namentlich für Geldforderungen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Aus rechtsökonomischer Perspektive verhindern Zessionsbeschränkungen vielfach wohlstandssteigernde Transaktionen, weil sich der Zessionar nicht darauf verlassen kann, dass der Zedent nicht durch privatautonome Abreden an der Übertragbarkeit von Forderungsrechten gehindert ist. Dieser Befund wiegt umso schwerer angesichts der Rechtstatsachen. Die Vereinbarung von Abtretungsbeschränkungen ist nämlich – anders als vom historischen BGB-Gesetzgeber vermutet – nicht länger die Ausnahme, sondern avancierte mit den Jahren zum praktischen Regelfall. In Warenliefer- und Dienstleistungsverträgen wurde ganz massiv, vor allem in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen652 von Großkunden (Einzelhandelsketten, Automobilunternehmen, die öffentliche Hand), die Abtretung der Zahlungsansprüche ausgeschlossen653. Angesichts flächendeckender Verfügungsbeschränkungen konnten Forderungen weder zu Sicherungszwecken an Waren- und Geldkreditgeber abgetreten noch durch Factoringgeschäfte wirtschaftlich verwertet werden. Vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen wurde hierdurch die Refinanzierung wesentlich erschwert und der Volkswirtschaft so enorme Summen umlaufenden Vermögens entzogen654. Zugleich stiegt das Ri651
Siehe oben § 4 II. 6. Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: BGHZ 40, 156, 160; 102, 293, 301; 112, 387, 389; BGH NJW-RR 2000, 1220; BGH NJW 2006, 3486; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 34; Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 15. 653 Dazu authentisch der Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7912, S. 25; zuvor schon Drobnig, Verhandlungen 51. DJT I, F78 f.; siehe ferner K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 1; Canaris, in: GroßkommHGB, § 354a Rn. 1 ff.; E. Wagner, in: Ebenroth, HGB, § 354a Rn. 2; ders., in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 27, 30; Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 55. 654 Der Bericht des Rechtsausschusses, DT-Drucks. 12/7912, S. 24 spricht davon, dass dem Mittelstand durch Zessionsbeschränkungen im Jahre 1992 mehr als 200 Mrd. DM entzogen worden seien. Vgl. weiter Müller-Chen, FS Schlechtriem, S. 903. 652
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siko von Unternehmensinsolvenzen aufgrund von Liquiditätsengpässen655. Angesichts der praktischen Bedeutung der Problemlage war eine legislatorische Intervention unumgänglich, und so schuf der Gesetzgeber im Jahre 1994 eine handelsrechtliche Sondervorschrift für unternehmerische Forderungen. Trotz bestehender Abtretungsbeschränkung iSd. § 399 Alt. 2 BGB ist eine Abtretung gem. § 354a Abs. 1 S. 1 HGB gleichwohl wirksam, wenn die Forderung aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft resultiert oder gegen die öffentliche Hand gerichtet ist. aa) Rechtspolitische Bewertung Aus rechtspolitischer Perspektive ist der grundsätzlichen Entscheidung für eine gesteigerte Zirkulationsfähigkeit von Forderungen uneingeschränkt beizupflichten656. Gerade in Bezug auf unternehmerische Geldforderungen haben Gläubiger ein handgreifliches Interesse an deren Verwertung zu Veräußerungsund Sicherungszwecken. Die ungehinderte Übertragbarkeit liegt gleichermaßen im Interesse des Zessionars, der sich angesichts der angeordneten – wiederum absoluten657 – Wirksamkeit der Forderungszession auf die Abwesenheit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen verlassen kann. Kosten für etwaige Nachforschungsmaßnahmen entfallen. Deshalb genießt der Erwerber im Rahmen des § 366 HGB – im Vergleich zur früheren Rechtslage658 – auch einen erhöhten Vertrauensschutz. Er darf angesichts § 354a HGB darauf vertrauen, dass der Veräußerer mangels Wirksamkeit der Abtretungsbeschränkung auch über den Gegenstand nach § 366 HGB verfügen kann659. Zudem entfallen die Kosten für spätere Verhandlungen mit dem Schuldner über seine Zustimmung zur Rechtsübertragung. Weiterhin streitet die rechtsökonomische Kritik an rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkungen im Umkehrschluss für die Sinnhaftigkeit des § 354a HGB. Geldforderungen bilden einen wichtigen Faktor des Wirtschaftsverkehrs; ihre ungehinderte Umlauffähigkeit senkt Transaktionskosten und leistet so einen Beitrag zur effizienten Allokation knapper Ressourcen sowie zur Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands. § 354a Abs. 1 S. 1 HGB ist Ausfluss und Gewährleistung des übergeordneten Prinzips der Sukzessionsfreiheit im unternehmerischen Zessionsrecht und steht aus diesem Grund gem.
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Vgl. Nefzger, Abtretungsverbote, S. 43. Im Ergebnis ebenso K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 4; Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 5; ders., Handelsrecht, § 26 Rn. 40 f.; Pfitzer/Wirth, DB 1994, 1937, 1940; a.A. Grub, ZIP 1994, 1649 f.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 280. 657 Abtretungsbeschränkungen sind nach § 354a HGB gegenüber jedermann (absolut) unwirksam; vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 1; E. Wagner, in: Ebenroth, HGB, § 354a Rn. 11; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 16; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 281; anders noch der SPD-Entwurf, BT-Drucks. 12/7570, S. 2. 658 BGHZ 77, 274, 276 ff.; ebenso für einen Altfall BGH NJW 1999, 425. 659 Dazu ausf. K. Schmidt, NJW 1999, 400 f.; ders., FS Schimansky, S. 503, 519 f. 656
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§ 354a Abs. 1 S. 3 HGB auch nicht zur Disposition der Beteiligten660. Gleichzeitig muss die Bereichsausnahme für Bankdarlehen gem. § 354a Abs. 2 HGB systemwidrig erscheinen, zumal Abtretungsbeschränkungen in diesem Zusammenhang die Refinanzierung von Kreditinstituten, namentlich bei der Zentralbank, erschwert661 und damit die Risikolage gerade bei Banken mittlerer Größe nachhaltig verschärft662. Die ungehinderte Abtretbarkeit von Geldforderungen liegt daher sowohl im individuellen Interesse von Zedent und Zessionar sowie im überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Damit einher geht prima vista eine Zurücksetzung von Schuldnerinteressen. Selbst wenn der Schuldner mit dem Gläubiger einen Abtretungsausschluss vereinbart, kann er wegen § 354a Abs. 1 S. 1 HGB nicht länger darauf vertrauen, dass die Forderung nicht ohne sein Einverständnis auf eine andere Person übertragen wird. Im Ergebnis kann ihm der Gläubiger also eine andere Gegenpartei aufdrängen. Diesen Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit kompensiert § 354a Abs. 1 S. 2 HGB indes dadurch, dass er dem Schuldner erlaubt, auch weiterhin mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger zu leisten, und zwar – abweichend von § 407 Abs. 1 BGB – unabhängig davon, ob er von der Forderungsabtretung positive Kenntnis hat oder nicht663. Die Wirkungslosigkeit des vereinbarten Abtretungsverbots wird insofern erkauft durch eine besondere, über die allgemeinen Vorschriften (§§ 406, 407 BGB) hinausgehende, kenntnisunabhängige Schuldnerschutzvorschrift664. Allein in Fällen evidenten Missbrauchs erfährt § 354a Abs. 1 S. 2 HGB nach den allgemeinen, die gesamte Rechtsordnung durchziehenden Grundsätzen von Treu und Glauben eine teleologische Einschränkung. Die Hürde für treuwidriges Verhalten des Schuldners liegt indes wie üblich hoch665. In rechtssystematischer Hinsicht wird der dem Schuldner durch § 399 Alt. 2 BGB gewährleistete präventive Schuldner- bzw. Sukzessionsschutz durch den in § 354a Abs. 1 S. 2 HGB verankerten postventiven Sukzessionsschutz ersetzt. Diese Richtungsentscheidung steht völlig im Einklang mit der oben postulier660 Einschränkend für § 354a Abs. 1 S. 2 HGB die h.M.: BGHZ 178, 315 Tz. 26; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 15; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 3; Saar, ZIP 1999, 988, 993; A. Bauer, § 354a HGB, S. 132, 137; a.A. E. Wagner, WM 2010, 202, 207. 661 Kritisch auch E. Wagner, in: Ebenroth, HGB, § 354a Rn. 3a, 20a; positiv hingegen R. Koch, BB 2008, 232, 237. 662 Zutreffend Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 371. 663 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/7912, S. 25; BGHZ 178, 315 Tz. 15; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 10; Canaris, in: GroßkommHGB, § 354a Rn. 12; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 2; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 354a Rn. 3. 664 Zu diesem Zusammenhang vgl. BGH NJW-RR 2005, 624, 626; E. Wagner, WM 2010, 202, 205. 665 Dazu mit Unterschieden im Detail LG Hamburg WM 1999, 428; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 10; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 18; Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 25; E. Wagner, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 27, 53 f.; sehr großzügig Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 3 VII 6.
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ten Forderung nach einem grundsätzlichen Vorrang postventiven gegenüber präventiven Sukzessionsschutz. Allerdings wachsen die Anforderungen an das Sukzessionsschutzniveau direkt proportional zur Gewährleistung der Sukzessionsfreiheit. Im Klartext: Wenn selbst durch Parteiabrede unabtretbar gestellte Forderungen abgetreten werden können, dann muss der Schuldner auch in dem Vertrauen darauf geschützt werden, sich nur mit demjenigen Vertragspartner auseinandersetzen zu müssen, den er sich selbst ausgesucht hat. Dass hiermit wiederum mittelbare Einschränkungen der zessionarischen Rechtsstellung verbunden sind, ist unumgänglich und im Ergebnis hinzunehmen. Ein angemessener Interessenausgleich verlangt jedenfalls, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners durch den Gläubigerwechsel nicht verschlechtern darf. Es ist daher rechtspolitisch überzeugend, wenn § 354a Abs. 1 S. 2 HGB dem Zedenten die Empfangszuständigkeit für die schuldnerische Leistung belässt. Ebenso zutreffend ist die erweiternde normzweckgeleitete Auslegung der Vorschrift, die dem Schuldner ermöglicht, mit eigenen Forderungen gegen den Zedenten die Aufrechnung zu erklären, selbst wenn er bei Erwerb der Gegenforderung die Abtretung kannte666. Überhaupt bleiben dem Schuldner auf diese Weise sämtliche Verrechnungsmöglichkeiten erhalten und er kann mit dem Zedenten auch weiterhin Zahlungsvereinbarungen treffen667. Vom Normzweck des Schuldnerschutzes nicht mehr gedeckt ist hingegen nach zutreffender Ansicht der Abschluss eines Vergleichs zwischen Schuldner und Zedent668, weil jener eine Verfügung über die Forderung darstellt, die nach Abtretung dem Zessionar zugewiesen ist und deshalb für den Zedenten eine fremde Rechtsposition darstellt669. Die Gegenposition bedeutete eine erhebliche Schwächung der zessionarischen Rechtsstellung und würde zudem die Verwendbarkeit der Forderung als Kreditsicherungs- und Finanzierungsmittel entgegen der legislatorischen Intention erheblich beeinträchtigen670.
666 Vgl. BGHZ 178, 315 Tz. 20; BGH NJW-RR 2004, 50, 51 f.; 2005, 624, 626; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 2; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 354a Rn. 3; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 20; v. Olshausen, ZIP 1995, 1950, 1959 f.; E. Wagner, WM 2010, 202, 204; A. Bauer, § 354a HGB, S. 118 ff. 667 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7912, S. 25; BGHZ 178, 315 Tz. 21; BGH NJW-RR 2005, 624, 626. 668 BGHZ 178, 315 Tz. 20 ff.; BGH NJW 2011, 443 Tz. 18; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 71; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 399 Rn. 9; Rosch, in: jurisPK, BGB, § 399 Rn. 32; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 22; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 11; Baukelmann, FS Brandner, S. 185, 195 f.; Bruns, WM 2000, 505, 509; Derleder, BB 1999, 1561, 1562; a.A. ThürOLG BeckRS 2008, 03672; Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 12; ders., Handelsrecht, § 26 Rn. 27; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 2; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 19; Saar, ZIP 1999, 988, 992; E. Wagner, WM 1994, 2093, 2100; ders., WM 2010, 202, 203 ff. 669 Zur Dogmatik des § 354a Abs. 1 HGB siehe sogleich im Text. 670 Zutreffend BGHZ 178, 315 Tz. 22 unter Hinweis auf Begr. RegE, BT-Drucks. 12/7912, S. 25; Baukelmann, FS Brandner, S. 185, 196; dagegen – nicht überzeugend – E. Wagner, WM 2010, 202, 207.
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Im Übrigen ist die durch § 354a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB vorgenommene Zuständigkeitsaufteilung zwischen Zedent und Zessionar auch dem relativen Verständnis des § 399 Alt. 2 BGB vorzuziehen. Während letztere Interpretation das Forderungsrecht in systemwidriger Weise dergestalt aufspaltet bzw. dupliziert, dass der Zessionar im Außenverhältnis gegenüber Dritten neuer Gläubiger wird, der Zedent im Verhältnis zum Schuldner indes Forderungsinhaber bleibt, weist § 354a Abs. 1 S. 1 HGB dem Zessionar in absoluter Weise die Forderungsinhaberschaft und die Einziehungsbefugnis zu671; mit dem Zedenten teilt sich der Zessionar allein die Empfangszuständigkeit für die schuldnerische Leistung (§ 354a Abs. 1 S. 2 HGB)672. Diese Ausgestaltung hat vor allem für den Zessionar und dessen Gläubiger eminente Vorteile673: Auf Grundlage des § 354a Abs. 1 HGB kann der Zessionar seine Forderungen aus eigenem Recht und im eigenen Namen geltend machen, während eine Rechtsdurchsetzung nach der Lehre von der relativen Unwirksamkeit allenfalls über den Umweg der Pfändung der abgetretenen Forderung in Betracht käme. Zudem können Gläubiger des Zessionars die erworbene Forderung ohne weiteres pfänden, während nach der Gegenposition eine Doppelpfändung vonnöten wäre. bb) Persönlicher Anwendungsbereich Nun beschränken sich die zugunsten des § 354a Abs. 1 HGB geltend gemachten Argumente nicht auf kaufmännische674 Geldforderungen, sondern sprechen in ihrer Gesamtheit für eine ungehinderte Zession sämtlicher Forderungen und anderer Vermögensrechte. Auch wenn das praktische Bedürfnis für eine ungehinderte Übertragbarkeit unternehmerischer Geldforderungen besonders hoch einzuschätzen ist, vermag dieser Umstand eine weitgehende Einschränkung der Abtretbarkeit anderer Forderungen und Rechte nicht zu legitimieren. Es hätte daher nahe gelegen, auf die mit Abtretungsbeschränkungen verbundenen Probleme nicht mittels Schaffung einer handelsrechtlichen Spezialvorschrift zu re-
671 Speziell zur Einziehungsbefugnis des Zessionars siehe BGHZ 178, 315 Tz. 15; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 19, 22; Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 15; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 9; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 12; Hopt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 354a Rn. 1; Saar, ZIP 1999, 988, 990; E. Wagner, WM 2010, 202, 203. 672 Zur Empfangszuständigkeit von Zedent und Zessionar siehe BGHZ 178, 315 Tz. 15; BGH NJW 2011, 443 Tz. 17; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 11; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 19; Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 19, 21; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 282; E. Wagner, WM 2010, 202, 203 f.; A. Bauer, § 354a HGB, S. 111 ff. 673 Dazu ausf. Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 5; ders., Handelsrecht, § 26 Rn. 40. 674 Siehe schon die berechtigte Kritik wegen der Anknüpfung an den Kaufmannsbegriff und die Forderung zur Ausdehnung des § 354a HGB auf sämtliche unternehmerische Forderungen bei Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 33 ff.; E. Wagner, WM 1994, 2093, 2095 f.; ders., in: Hadding/ Schneider, Forderungsabtretung, S. 27, 43 f.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 280; dagegen – zu Unrecht – Seggewiße, NJW 2008, 3256, 3257 unter Hinweis auf BGHZ 167, 40; für eine Ausdehnung auf Verbraucher und Arbeitnehmer E. Wagner, WM 1994, 2093, 2095; ders., in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 27, 44 ff.
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agieren, sondern das Problem an der Wurzel zu packen. Die Korrektur des § 399 Alt. 2 BGB ist und bleibt ein legislatorisches Desiderat. De lege lata scheidet hingegen eine allzu weitgehende Ausdehnung des § 354a Abs. 1 HGB aus. In Betracht zu ziehen ist – entgegen der noch immer h.M.675 – aber jedenfalls die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf sämtliche unternehmerische, wenn auch nichtgewerbliche Forderungen, also namentlich Forderungen von Freiberuflern676. Die rechtsmethodischen Voraussetzungen einer schulmäßigen Analogiebildung sind erfüllt. Die Planwidrigkeit der Regelungslücke manifestiert sich in den Gesetzesmaterialien, wo lediglich die Rede davon ist, die „Belange der Verbraucher und der Arbeitnehmer (würden) nicht berührt“677; für Freiberufler hat der Gesetzgeber keinen entsprechenden Ausschluss formuliert. Zudem haben nichtgewerbliche Unternehmer, man denke beispielsweise an Architekten, typischerweise ebenfalls ein wirtschaftliches Interesse daran, ihre gegen die öffentliche Hand oder Großunternehmen gerichteten Forderungen zu Refinanzierungszwecken zu nutzen. Und schließlich entspricht die ungehinderte Übertragbarkeit dem Prinzip der abtretungsrechtlichen Sukzessionsfreiheit; Schuldnerinteressen werden nach Maßgabe des § 354a Abs. 1 S. 2 HGB angemessen geschützt. Für eine unterschiedliche Behandlung von Freiberuflern und Kaufleuten bestehen in Bezug auf § 354a HGB folglich keine Sachgründe. Um eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu vermeiden, sind sämtliche auf unternehmerische Forderungen bezogenen Abtretungsbeschränkungen gem. § 354a Abs. 1 S. 1 HGB (analog) unwirksam. Konsequenz dieser Interpretation ist allerdings, dass sich § 399 Alt. 2 BGB zu einer Norm des Verbraucherschutzes verwandelt. Dies ist rechtssystematisch wenig überzeugend und ein Grund mehr, tiefgreifende Veränderungen in Betracht zu ziehen. Die soeben zitierte Passage aus den Materialien spricht aus teleologisch-historischer Perspektive allerdings de lege lata ganz unzweideutig gegen eine noch weitergehende Erstreckung des § 354a Abs. 1 HGB auf Verbraucher678. Ungeachtet der Sinnhaftigkeit, sämtliche Forderungsübertragungen trotz Abtretungsbeschränkung de lege ferenda für wirksam zu erklären, beschränkt sich § 354a Abs. 1 HGB auf unternehmerische Forderungen. An ihrer Zirkulations675 BGH NJW 2006, 3486 Tz. 11 f.; Horn, in: Heymann, HGB, § 354a Rn. 14; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 6; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 40, 43; C. Wagner, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 354a Rn. 8; E. Wagner, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 354a Rn. 10; ders., in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 27, 43; Seggewiße, NJW 2008, 3256 f.; Baukelmann, FS Brandner, S. 185, 201. 676 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 1; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 354a Rn. 2; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 8; Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 33 ff.; Derleder, BB 1999, 1561, 1562; Treber, AcP 199 (1999), 525, 546. 677 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7912, S. 25. 678 Im Ergebnis auch Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 1; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 8; a.A. de lege ferenda für eine Ausdehnung auf Verbraucher und Arbeitnehmer E. Wagner, WM 1994, 2093, 2095; ders., in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 27, 44 ff.
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fähigkeit besteht im Unternehmensverkehr ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis; unternehmerische Forderungen sollen als Kreditunterlage dienen und an Factoringinstitute abgetreten werden können. Und weil § 354a HGB darauf abzielte, nur die für die Wirtschaft drängendsten Probleme zu lösen, muss dieser Wille des Gesetzgebers auch respektiert werden. Das gilt umso mehr, als andernfalls das legislatorisch intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 399 Alt. 2 BGB und § 354a Abs. 1 S. 1 HGB in sein Gegenteil verkehrt würde. De lege ferenda sind die Regelungsziele des § 354a Abs. 1 HGB indes sehr wohl kompatibel mit der Interessenlage von Kaufleuten und Freiberuflern und gleichermaßen Arbeitnehmern und Verbrauchern. Sie alle können ein Interesse daran haben, ihre Forderungen durch Factoring zu Geld zu machen oder sie als Kreditgrundlage zu verwenden. Dieses Gläubigerinteresse ist für sämtliche Personengruppen in qualitativer Hinsicht das gleiche. Wenn es auch in quantitativer Hinsicht graduelle Unterschiede geben mag, muss es mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG sowie den Stellenwert des modernen Verbraucherschutzrechts als Systembruch erscheinen, Verbrauchern ein geringeres Schutzniveau zu gewährleisten als Kaufleuten. Das gilt umso mehr, als es zwischen dem Regelungsziel, das primär auf die Verwirklichung von Sukzessionsfreiheit gerichtet ist, und der Kaufmannseigenschaft des Gläubigers an einem spezifischen Zusammenhang fehlt. Insgesamt macht die Beschränkung des in § 354a HGB niedergelegten Regelungsgedankens auf den kaufmännischen Handelsverkehr wenig Sinn. Die Vorschrift fokussiert vielmehr auf ein bürgerlichrechtliches Grundsatzproblem, dessen Lösung auch an der bürgerlichrechtlichen Grundlagennorm des § 399 Alt. 2 BGB ansetzen muss679. Jede andere Lösung bleibt Stückwerk. Wie eine solche Alternativlösung aussehen könnte, insbesondere welcher Stellenwert dem Schuldnerschutz eingeräumt werden sollte, wird vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene aufgezeigt680. d) Abtretungsbeschränkungen wegen Inhaltsänderung aa) Rechtssystematische Einordnung Weniger rechtspolitische Schwierigkeiten bereitet der in § 399 Alt. 1 BGB angeordnete Abtretungsausschluss wegen Inhaltsänderung. Kann die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderungen ihres Inhalts erfolgen, kann die Forderung nicht wirksam übertragen werden. Denn 679
Wie hier Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 25; ders., Handelsrecht, § 26 Rn. 41; vgl. weiter Bruns, WM 2000, 505, 513; A. Bauer, § 354a HGB, S. 330 f., 342. Für die Abschaffung des § 399 Alt. 2 BGB zuvor bereits Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 289; Drobnig, Verhandlungen 51. DJT I, S. F40, F78 ff., F98; Mummenhoff, JZ 1979, 425; Adams, Analyse, S. 300 ff.; Münch, Abtretungsverbote, S. 101 ff., 242 f., 247 ff.; Canaris, FS Serick, S. 9, 9 f.; siehe kritisch auch BGHZ 51, 113, 116 f. 680 Siehe unten § 25 III. 3.
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andernfalls wäre der Schuldner zur Erbringung einer anderen, als der – gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger – geschuldeten Leistung verpflichtet, und dies wäre zum einen mit dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip681 nicht in Einklang zu bringen682 und könnte zum anderen zu einer Schlechterstellung des Schuldners führen. Verträge können ihre Funktion nur dann erfüllen, wenn die ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarten Leistungspflichten während der Vertragsabwicklung im Grundsatz unverändert bleiben und insbesondere Inhalt und Umfang der vertraglichen Rechte und Pflichten nicht durch einseitige Eingriffe einer Vertragspartei nachträglich verändert werden683. Die Funktionstauglichkeit von Verträgen wäre nun gefährdet, wenn die Rechtsordnung eine solche Unveränderlichkeit des vertraglichen Leistungsspektrums nicht garantieren würde684. Zugleich müssen sich die Vertragspartner darauf verlassen können, dass ihnen nicht im Nachhinein zusätzliche Leistungspflichten aufgebürdet werden. Einer solchen Gefahr, die sich bei der Übertragung vertraglicher Forderungen mittels Inhaltsänderung realisieren kann, muss das Gesetz durch besondere (Schuldner-)Schutzvorschriften begegnen. Als solche ist § 399 Alt. 1 BGB konzipiert. Dementsprechend dient die Unabtretbarkeit wegen Inhaltsänderung primär den individuellen Interessen des Schuldners daran, nicht zu einer Leistung anderen Inhalts verpflichtet zu sein und hierdurch einen Nachteil zu erleiden. § 399 Alt. 1 BGB ist insofern Ausfluss und Bestandteil des abtretungsrechtlichen Verschlechterungsverbots685. In rechtssystematischer Hinsicht verwirklicht die Norm präventiven Sukzessionsschutz. Sie flankiert die postventiven Schuldnerschutzbestimmungen der §§ 404, 406 ff. BGB, und zwar für den Fall, dass ein erst nach der Abtretung einsetzender Schutz die berechtigten Interessen des Schuldners nur unvollkommen verwirklichen könnte. Hieraus bezieht § 399 Alt. 1 BGB auch seine rechtspolitische Legitimation, die für präventive Schutzmechanismen nicht gerade selbstverständlich ist: Ändert die Forderung mit der Abtretung aber ihren Inhalt und vermögen §§ 404, 406 ff. BGB die hieraus resultierende rechtliche Belastung des Schuldners nicht zu kompensieren, weil sie nur auf den Erhalt von Einwendungen und Einreden sowie den Schutz vor einer etwaigen Unkenntnis des Schuldners von der Abtretung gerichtet sind, dann müssen die Schuldnerinteressen bereits präventiv dadurch abgesichert werden, dass eine Abtretung von vornherein ausscheidet. Das dogmatische Schrifttum unterscheidet drei Fallgruppen der Unabtretbarkeit wegen Inhaltsänderung, die man aus systematisch-didaktischen Gründen trennen mag, die aber vielfach ineinander übergehen und keine klaren 681 682 683 684 685
Dazu ausf. unten § 13 I. Vgl. auch BGH NJW-RR 2010, 1235 Tz. 12; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 4. Instruktiv v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 377. Adams, Analyse, S. 301. Dazu näher unten § 15 III.
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Grenzen aufweisen686. Erfasst sind (1.) höchstpersönliche Forderungen und Rechte, (2.) unselbstständige Ansprüche und Hilfsrechte sowie (3.) Ansprüche und Rechtsverhältnisse, die ihrer Natur nach nicht zessibel sind. Ein näherer Blick auf die Fallgruppen zeigt, dass der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes unterschiedlich stark ausgeprägt ist687. Ob eine bestimmte Abtretungsbeschränkung dem Schuldnerinteresse dient, ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen kann der Schuldner nur solchen Abtretungen zur Wirksamkeit verhelfen, die allein zu seinen Gunsten ausgeschlossen sind688. Beruht der Ausschluss hingegen auf einem besonderen Interesse des Gläubigers oder besteht er im öffentlichen Interesse, vermag auch eine schuldnerseitige Zustimmung689 an der Unabtretbarkeit der Forderung nichts zu ändern. Zum anderen spielt der Schutzzweck aus kollisionsrechtlicher Perspektive eine Rolle für das auf das Abtretungsverbot anwendbare Recht690. Nur wenn das Abtretungshindernis dem Schutz von Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt ist, findet das Forderungsstatut Anwendung (Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO). Stehen andere Gesichtspunkte im Vordergrund gilt gem. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das Vertragsstatut. bb) Höchstpersönliche Ansprüche Betrachten wir zunächst höchstpersönliche Forderungen und Rechte. Sie zeichnen sich durch einen besonderen personenbezogenen Einschlag aus und können aus diesem Grund nicht übertragen werden691. Der Abtretungsausschluss kann indes auf ganz unterschiedlichen Ursachen beruhen. Aspekte des Schuldnerschutzes sind beispielsweise einschlägig, wenn der Schuldner im Einzelfall ein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung eines bestimmten Gläubigers hat692 oder wenn der Leistungsinhalt mit der Person des Gläubigers so eng verknüpft ist, dass die Leistung an den Zessionar als eine andere Leistung erscheint und berechtigte Schuldnerinteressen dadurch beeinträchtigt würden693. Man denke beispielsweise an den Anspruch auf eine ärztliche Operation694. Durch die Abtretung an eine andere Person verändern sich notwendig Leis686 Siehe Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 7 ff., 17 ff., 23 ff.; andere, jeweils abweichende Einteilungen wählen Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 2–4; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 399 Rn. 4 ff.; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 399 Rn. 1 ff.; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 6 ff.; Dörner, Relativität, S. 159 ff. 687 So auch die Einschätzung von Dörner, Relativität, S. 163 f. 688 Vgl. etwa v. Tuhr, AT I, S. 223; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 2; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 27; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 23; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 245; Thiele, Zustimmung, S. 231 f. 689 Für die dogmatischen Grundlagen der schuldnerseitigen Zustimmung gilt das zu § 399 Alt. 2 BGB Gesagte entsprechend; siehe oben § 4 III. 4. b) dd). 690 Dazu ausf. unten § 22 III. 2. c). 691 BGH NJW-RR 2010, 1235 Tz. 12; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 5. 692 BGHZ 96, 146, 149. 693 BGH NJW-RR 1994, 558, 559; 2010, 1235 Tz. 12. 694 Dazu siehe auch Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 7; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 377.
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tungsumfang und Leistungsinhalt. Der mit der Operation verbundene Aufwand hängt maßgeblich vom Alter, Krankheitsbildung und der übrigen körperlichen Verfassung des Patienten ab. Es liegt auf der Hand, dass die im Vertrag ursprünglich ausgehandelte Parität von Leistung und Gegenleistung durch die Abtretung des Operationsanspruchs aus den Fugen geraten kann, was einen Abtretungsausschluss gem. § 399 Alt. 1 BGB rechtfertigt. Nichts anderes gilt für Ansprüche auf Erbringung naturaler Unterhaltsleistungen oder auf Porträtierung einer bestimmten Person695. Ein Abtretungsausschluss gem. § 399 Alt. 1 BGB kommt weiterhin in Betracht, wenn die Person des Gläubigers für den Schuldner von zentraler Bedeutung ist und ein Gläubigerwechsel daher die wirtschaftliche Bedeutung der Leistungspflicht verändert696. Beispielhaft dafür steht der Anspruch aus einem Darlehensversprechen. Der Anspruch ist nicht abtretbar, weil es dem Darlehensgeber (Schuldner) maßgeblich auf die Person des Darlehensnehmers (Gläubiger) und namentlich seine Solvenz und Vertrauenswürdigkeit ankommt697. Die persönlichen und wirtschaftlichen Eigenschaften des Darlehensnehmers sind für die Entscheidung des Darlehensgebers über die Kreditgewährung von entscheidender Bedeutung. Der Darlehensgeber wird ein Darlehen zuweilen überhaupt nur an solvente und vertrauenswürdige Personen gewähren; von den Eigenschaften des Darlehensnehmers hängen außerdem typischerweise die Konditionen ab, zu denen der Kredit am Ende ausgereicht wird. Höchstpersönlich kann der Anspruch aber auch sein, weil nur der Gläubiger in Person zu seiner Durchsetzung berechtigt ist698. Die Interessen des Schuldners werden im letzten Fall allerdings nicht notwendig geschützt. Gleiches gilt etwa für den Urlaubsanspruch, dessen Unübertragbarkeit nicht primär (allenfalls reflexartig) dem Schutz des Schuldners (Arbeitgeber) dient, sondern dem Gläubiger (Arbeitnehmer) in seinem eigenen Interesse die Regeneration seiner Leistungsfähigkeit gewährleisten soll699. Deshalb können Urlaubsansprüche selbst mit Zustimmung des Arbeitgebers nicht auf Dritte übertragen werden. cc) Unselbstständige Ansprüche Weiterhin ist die Abtretung unselbstständiger, namentlich streng akzessorischer Sicherungs- und Nebenrechte gem. § 399 Alt. 1 BGB ausgeschlossen. Die An-
695
Vgl. Dörner, Relativität, S. 159. Zu dieser Fallgruppe ausf. Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 12 ff. 697 Vgl. RGZ 66, 359, 361; Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 2; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 11; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 18; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 399 Rn. 1. 698 BGHZ 25, 293, 299. 699 BAG AP § 611 – Urlaubsrecht Nr. 3, 7, 17, 42; Dörner, Relativität, S. 161; im Ergebnis ebenso Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 399 Rn. 6; Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 10; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 399 Rn. 4; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 399 Rn. 2. 696
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sprüche aus Bürgschaft700, Hypothek (vgl. § 1153 Abs. 2 BGB) und Pfandrechten (vgl. § 1250 Abs. 1 S. 2 BGB) sowie Vormerkungen701 können ohne die zugrunde liegende Hauptforderungen, deren Realisierung sie zu dienen bestimmt sind, nicht übertragen werden702. Den Hintergrund für die Unabtretbarkeit solcher Ansprüche bildet das Akzessorietätsprinzip703. Es steht in enger Verbindung mit dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip und zielt primär darauf ab, dem Erwerber die zur Sicherung des übertragenen Hauptrechts bestellten Nebenrechte zu verschaffen (vgl. § 401 BGB). Umgekehrt werden durch die akzessorische Verbindung, die eine selbstständige Übertragung der Nebenrechte ausschließt (§ 399 Alt. 1 BGB), die Interessen der Sicherungsgeber geschützt. Bürge, Hypotheken- und Pfandschuldner sollen nur insofern für die Hauptverbindlichkeit einzustehen haben, als dieselbe überhaupt noch besteht und durchsetzbar ist. Könnte der Gläubiger, in dessen Hand sich Haupt- und Nebenrecht vereinen, beide Rechte an verschiedene Zessionare abtreten, bestünde die Gefahr einer von der Realisierung des Hauptrechts unabhängigen Inanspruchnahme des Sicherungsgebers. Folglich kann dem Akzessorietätprinzip (und damit auch § 399 Alt. 1 BGB) in diesem Zusammenhang eine schuldnerschützende Wirkung nicht abgesprochen werden. Dass es sich hierbei indes nicht um den einzigen Zweck handelt, ergibt sich bereits aus dem weiteren, auf den Sicherungsnehmer gerichteten Schutzziel. Ebenfalls in diese Kategorie fällt die Unabtretbarkeit von Eigentumsherausgabe- (§ 985 BGB)704, Grundbuchberichtigungs- (§ 894 BGB)705 und negatorischen Abwehransprüchen (§ 1004 BGB)706. Sie können weder selbstständig
700
BGHZ 95, 88, 93; 115, 177, 180 f.; BGH NJW 2002, 1946, 1947; OLG Düsseldorf, WM 2003, 1318, 1320 f. 701 BGH NJW 1994, 2947. 702 Dazu Busche, in: Staudinger, § 399 Rn. 39 mit Ausnahmen. 703 Siehe unten § 14. 704 BGHZ 111, 364, 369; 155, 329, 339; BGH DtZ 1995, 360, 365; Baldus, in: MünchKommBGB, Vor § 985 Rn. 29; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 985 Rn. 22; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 985 Rn. 3; Stadler, in: Soergel, BGB, § 985 Rn. 3; Ebbing, in: Erman, BGB, § 985 Rn. 9; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 985 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 11 Rn. 44; Wieling, Sachenrecht I, § 12 I 2 e; Müller, Sachenrecht, Rn. 426; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 445; O. Werner, JuS 1987, 855, 856 ff.; für dingliche Ansprüche allgemein siehe BGHZ 60, 235, 240; offen lassend noch BGH WM 1964, 426, 427; a.A. RGZ 52, 385, 294; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 854, 914, 1184. 705 RGZ 59, 289, 294 f.; 78, 87, 90; BGHZ 155, 329, 339; BGH WM 1972, 384, 385; NJW-RR 1988, 126, 127; Augustin, in: RGRK, BGB, § 894 Rn. 26; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 894 Rn. 81; Kohler, in: MünchKommBGB, § 894 Rn. 24; Krause, in: AnwKommBGB, § 894 Rn. 4; Lorenz, in: Erman, BGB, § 894 Rn. 5; Strecker, in: Planck, BGB, § 894 Anm. III 3 a; Stürner, in: Soergel, BGB, § 894 Rn. 26; a.A. noch RG JW 1932, 1206; v. Tuhr, AT II/1, S. 60; Oertmann, AcP 113 (1915), 51, 63. 706 BGHZ 60, 235, 240; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 45; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 413 Rn. 1; Mühl, in: Soergel, BGB, § 1004 Rn. 9; Pikart, in: RGRK, BGB, § 1004 Rn. 40; Keukenschrijver, in: AnwKommBGB, § 1004 Rn. 3; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004 Rn. 2.
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noch in Verbindung mit dem dinglichen Recht abgetreten werden707. Auch gehen diese Ansprüche nicht ex lege, etwa analog § 401 BGB, auf den Erwerber des Stammrechts über708. Vielmehr entstehen sie in der Person des aktuellen Stammrechtsinhabers jeweils neu709. Das ergibt sich für den wichtigsten Anwendungsfall des § 985 BGB bereits aus der Existenz besonderer Besitzerschutzvorschriften, wie etwa §§ 986 Abs. 2, 566 Abs. 1, 578, 578a Abs. 2, 581 Abs. 1 BGB. Handelte es sich nämlich um einen derivativen Rechtserwerb, wären dieser Sondervorschriften obsolet; in diesem Fall kämen §§ 412, 413, 404 BGB zur Anwendung und die Interessen des berechtigten Besitzers wären bereits hierdurch effektiv geschützt710. In der Sache beruht die Unübertragbarkeit auf der Zweckgebundenheit solcher Schutzrechte, die in einer unauflöslichen Verbindung zu dem zugehörigen Substanzrecht stehen, zu dessen Verwirklichung sie letztendlich bestimmt sind711. Auf Basis der Gegenauffassung ist das Vorhandensein der Besitzerschutzvorschriften nicht erklärbar. Dem steht auch nicht entgegen, dass der historische Gesetzgeber in den Motiven selbst noch von der Abtretbarkeit des Herausgabeanspruchs ausging712. Diese Erwägungen beruhten auf dem gemeinrechtlichen Institut der Vindikationszession, die nur auf der Grundlage eines Aktionensystems ihre Berechtigung hat. Nachdem § 985 BGB allerdings materiellrechtliche Wirkung eignet und der Herausgabeanspruch außerdem einen integralen Bestandteil des nach § 903 S. 1 BGB im Grundsatz unbeschränkten Eigentumsrechts bildet, ist die selbstständige Abtretbarkeit des eigentumsrechtlichen Abwehranspruchs mit der modernen – nicht länger dem Aktionendenken verhafteten – Sachenrechtsdogmatik nicht in Einklang zu bringen713. Noch schwerer wiegen indes die praktischen Folgen der Gegenauffassung. Denn die Abspaltung des Vindikationsanspruchs vom Eigentumsstammrecht führt entgegen der Grundwertung des § 137 S. 1 BGB zu einer Aufspaltung des Eigentumsrecht, ganz ähnlich zur früheren Lehre vom geteilten Eigentum714, und hätte eine nachhaltige Beeinträchtigung der Zirkulationsfähigkeit von Ei-
707 Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 3; Roth, in: MünchKommBGB, § 413 Rn. 4; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 45; ausf. Hoffmann, Zession, S. 60 ff. 708 So aber Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 985 Rn. 22; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 985 Rn. 15; Schanbacher, in: AnwKommBGB, § 985 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 12 I 2 e; (für § 894 BGB) RGZ 46, 225, 230; 62, 322, 326 ff.; BGH WM 1972, 384, 385; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 894 Rn. 81; Kohler, in: MünchKommBGB, § 894 Rn. 24; (für § 1004 BGB) BGHZ 60, 235, 240. 709 Zutreffend Baldus, in: MünchKommBGB, Vor § 985 Rn. 29; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 985 Rn. 2; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 445; Picker, JuS 1974, 357, 359. 710 Wie hier auch Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 445; Baldus, in: MünchKommBGB, Vor § 985 Rn. 29. 711 Überzeugend Hoffmann, Zession, S. 60 ff. 712 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 399 f. 713 Dazu Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 11; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 15; Neumayer, FS Lange, S. 305, 317. 714 Siehe dazu oben § 2 III. 2. b) aa) und § 4 II. 7. a).
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gentumsrechten zur Folge715. Nach Abtrennung der Herausgabe- bzw. Abwehransprüche wäre der Eigentümer nämlich ohne die Mitwirkung des jeweiligen Anspruchsinhabers nicht länger in der Lage, das durch das Eigentum vermittelte Nutzungsrecht zu realisieren. Im Ergebnis dient die Unabtretbarkeit der dinglichen Ansprüche daher primär der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Soweit hierdurch gleichermaßen der Schuldner begünstigt wird, handelt es sich um einen bloßen Rechtsreflex. Dementsprechend muss eine Abtretung der Ansprüche selbst dann ausscheiden, wenn der Schuldner seine Zustimmung erteilt hat716. dd) Abtretungsbeschränkung kraft Natur des Rechtsverhältnisses Die Unübertragbarkeit von Forderungen und Rechten kann sich schließlich aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergeben, dem sie entstammen. Dieser Kategorie liegt der Gedanke zugrunde, dass es dem Schuldner kraft Natur des Rechtsverhältnisses nicht gleichgültig ist, an wen er die Leistung zu erbringen hat717. Da die in dieser Gruppe zusammengefassten Einzelfälle damit primär auf dem besonderen Interesse des Schuldners an der Beibehaltung seines Gläubigers beruhen, hat es der Schuldner durch Zustimmungserteilung selbst in der Hand der unzulässigen Abtretung gleichwohl zur Wirksamkeit zu verhelfen718. Prominente Beispiele dieser Fallgruppe sind Ansprüche auf Dienstleistung (vgl. § 613 S. 2 BGB) oder auf Durchführung eines Auftrags (vgl. § 664 Abs. 2 BGB), die im Zweifel nicht zessibel sind. Entsprechendes gilt für höchstpersönliche Mitgliedschaftsrechte an privatrechtlichen Verbänden (vgl. nur §§ 38 S. 1, 40, 717 S. 1, 719 BGB)719. e) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen IV Abschließend ist noch ein letztes Mal auf den Grundsatz der Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen zurückzukommen720. Bereits bei Schaffung ist § 137 S. 1 BGB Bedeutung für die Sicherung und Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung beigemessen worden721. Dahinter stand die Besorgnis, der Rechtsinhaber könne sich durch Vereinbarung einer Verfügungsbeschränkung dem Zugriff seiner Gläubiger entziehen, zumal die Pfändung 715
Vgl. auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 11; Neumayer, FS Lange, S. 305, 315. Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 985 Rn. 3; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 45. 717 Pointiert Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 22. 718 Larenz, Schuldrecht I, § 34 II 2; Dörner, Relativität, S. 163; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 245; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 23. 719 Dazu näher Ulmer/Schäfer, in: MünchKommBGB, § 717 Rn. 7 f., 16 ff.; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 717 Rn. 1; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 25; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 187 f. 720 Siehe schon oben § 4 II. 7., § 4 III. 2. c) und § 4 III. 3. d). 721 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 77. 716
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nach herkömmlichem Verständnis die Übertragbarkeit des Vollstreckungsgegenstandes voraussetzte. Da sich hieran ausweislich § 851 Abs. 1 ZPO bis heute nichts geändert hat, anerkennt die h.M. die Sicherung der Zwangsvollstreckung (und damit letztlich den Schutz der Gläubiger des Rechtsinhabers722) noch immer als einen bedeutenden Regelungszweck des § 137 S. 1 BGB723. Im Grunde ist gegen diese Position nichts einzuwenden, zumal sie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich ihren Niederschlag gefunden hat und im Ergebnis auch de lege ferenda überzeugt. Allerdings bilden Gläubigerschutzerwägungen wiederum nicht den regulatorischen Kern der Vorschrift. Stattdessen genießen die Gläubiger des Rechtsinhabers nur reflexhaften Schutz, während § 137 S. 1 BGB in erster Linie auf den Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs abzielt724. Gegen eine primär vollstreckungsrechtliche Deutung spricht der Standort der Vorschrift. Erinnern wir uns an die historische Genese des § 399 Alt. 2 BGB. Zunächst sollten auch vertragliche Abtretungsbeschränkungen unwirksam sein; kurz darauf setzte sich während der Beratungen indes die Auffassung durch, dass sich berechtigte Gläubigerinteressen – rechtssystematisch zutreffend – durch Schaffung einer vollstreckungsrechtlichen Spezialvorschrift sichern lassen, wie sie sich heute in § 851 Abs. 2 ZPO findet. Wäre es dem historischen Gesetzgeber also vorrangig um einen Schutz der Vollstreckungsgläubiger gegangen, hätte eine Regelung im Zwangsvollstreckungsrecht im Zusammenhang mit § 851 ZPO nahegelegen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Gegenauffassung zu deuten, die § 137 S. 1 BGB jedwede vollstreckungsrechtliche Bedeutung abspricht, und darauf verweist, dass Gläubigerbelange auch durch eine analoge Anwendung des § 851 Abs. 2 ZPO hinreichend geschützt werden könnten725. Diese Argumentation ist allerdings zirkulär. Denn sie unterstellt, dass § 137 S. 1 BGB nach seinem Regelungsplan nicht auf die Sicherung der Zwangsvollstreckung abzielt. Ob dies der Fall ist, steht aber gerade in Frage726. Nach alldem bleibt es für § 137 S. 1 BGB bei seiner Deutung als einfachgesetzliche Ausprägung der überindividuellen Sukzessionsfreiheit.
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Zum Ganzen R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 12. BGHZ 134, 182, 186; BGH WM 2012, 1740 Tz. 14; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 6; Arnold, in: Erman, BGB, § 137 Rn. 1; Wolf, in: Soergel, BGB, § 137 Rn. 1; Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 11; Medicus, BGB AT, Rn. 678; R. Liebs, AcP 175 (1975), 1, 36 f.; Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 f.; Petersen, Jura 2009, 768, 769; Timm, JZ 1989, 13, 17; E. Wagner, AcP 194 (1994), 451, 472 f.; vgl. weiter Dorn, in: HKK, BGB, §§ 134–137 Rn. 46; a.A. Däubler, NJW 1968, 1117, 1118; Schlosser, NJW 1970, 681, 683; Raible, Beschränkung, S. 73 f.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 71 f.; gegen eine verfassungsrechtliche Relevanz dieser Deutung des § 137 S. 1 BGB Regenfus, Vorgaben, S. 347. 724 Siehe ausf. oben § 4 II. 7. 725 So etwa Müller-Freienfels, Vertretung, S. 129 ff.; Walz, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 93, 113. 726 Zutreffend E. Wagner, AcP 194 (1994), 451, 473. 723
IV. Zusammenfassung
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IV. Zusammenfassung Das deutsche Privatrecht ist beherrscht vom Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Dabei handelt es sich um ein Strukturprinzip der rechtsgeschäftlichen Nachfolge, das aus dem systemprägenden Prinzip der Privatautonomie ableitbar ist. Erst die Anerkennung der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen komplettiert den Kerngedanken der Privatautonomie und ermöglicht dem Einzelnen seine Rechtsverhältnisse selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit genießt darüber hinaus verfassungs- und unionsrechtliche Bedeutung und wird durch eine rechtsökonomische Analyse legitimiert. Markt, Wettbewerb und Sukzessionsfreiheit bilden die Grundvoraussetzungen für eine optimale Allokation knapper Ressourcen. Rechtsvorschriften und Prinzipien sind daher durch den Gesetzgeber so auszugestalten und durch den Rechtsanwender so auszulegen, dass sie eine möglichst ungestörte Übertragung von Vermögenspositionen gewährleisten. Zugleich sind Rechtsvorschriften, die eine freie Übertragbarkeit von Vermögenspositionen ausschließen, in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit dient dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Das Verhältnis zwischen Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit ist als Optimierungsproblem zu begreifen, das durch die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Sukzessionstatbestände einer angemessenen Lösung zuzuführen ist. Für die positivrechtlich ausgeformten Sukzessionstatbestände gilt das Numerus-claususPrinzip einschließlich Typenfixierung und Typenlimitierung, die einer systemkonformen Fortbildung des Sukzessionsrechts allerdings nicht entgegenstehen. Der Grundsatz der Sukzessionsfreiheit korrespondiert mit dem Prinzip des Sukzessionsschutzes, das zugunsten von Personen besteht, die an der Sukzession selbst nicht (notwendig) als Vertragsparteien beteiligt sind, aber durch dieselbe gleichwohl in ihrer Rechtsstellung berührt werden. Das Sukzessionsschutzprinzip kompensiert mit der Sukzessionsfreiheit verbundene Eingriffe in die Kontrahentenwahlfreiheit und ist für die einzelnen Übertragungstatbestände sehr unterschiedlich verwirklicht. Zentral ist die Differenzierung zwischen präventivem Sukzessionsschutz, wie er z.B. bei der privativen Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB) oder bei rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkungen (§ 399 Alt. 2 BGB) verwirklicht ist, und postventivem Sukzessionsschutz, der das abtretungsrechtliche Schuldnerschutzsystem kennzeichnet (§§ 404, 406 ff. BGB). Das Verhältnis zwischen Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz erweist sich wiederum als Optimierungsproblem, das durch die einzelnen Übertragungstatbestände und Schutzvorschriften zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen ist. Angesichts des hohen Stellenwerts, der dem Grundsatz der Sukzessionsfreiheit in rechtshistorischer, verfassungs- und unionsrechtlicher sowie rechtsökonomischer Hinsicht zukommt, gebührt der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen gegenüber sukzessionsschützenden Beeinträchti-
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gungen der Sukzessionsfreiheit im Grundsatz der Vorrang. Deshalb ist die postventive Variante des Sukzessionsschutzes auch der präventiven im Grundsatz vorzuziehen. Das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis der §§ 414, 415 BGB erscheint vor diesem Hintergrund ebenso fragwürdig wie die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen gem. § 399 Alt. 2 BGB. Die Übereignung beweglicher Sachen bildet das Paradigma der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Erst später wurde der Sukzessionscharakter der Forderungszession und der privativen Schuldübernahme gesetzlich verankert. Mit Anerkennung der Vertragsübernahme wird das im Bürgerlichen Recht angelegte Sukzessionssystem gleichsam zu Ende gedacht. Es entspricht dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit, wenn die Forderungsabtretung zwischen Zedent und Zessionar vereinbart wird, ohne dass der Schuldner daran mitwirken noch überhaupt Kenntnis haben muss. Schuldnerinteressen werden durch postventiv wirkende Schuldnerschutzbestimmungen (§§ 404, 406 ff. BGB) geschützt. Zudem hat die stetig zunehmende Bedeutung der Forderungszession für die Wirtschaftspraxis Forderungen zu mobilen, verwertbaren Vermögensgegenständen werden lassen und den personalistischen Charakter von Forderungsrechten im dogmatischen Verständnis des modernen Abtretungsrechts weitgehend zurückgedrängt. Die Schuldübernahme ist als reines Verfügungsgeschäft einzuordnen; sie trägt kein zusätzliches Verpflichtungselement in sich. Die hergebrachten Lehren zum Verständnis der §§ 414, 415 BGB – die Angebots- und Verfügungstheorie – sind zugunsten einer Sichtweise aufzugeben, die als Verfügungsgegenstand die eigene Vermögensposition des Schuldners anerkennt, nämlich seine Pflichtenstellung, nicht etwa das (für ihn fremde) Gläubigerrecht. Das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis dient primär dem Befriedigungsinteresse der Gläubiger. Als sukzessionsschützende Präventivmaßnahme beeinträchtigt das Vetorecht die Sukzessionsfreiheit. In diesem Zusammenhang ist nach postventiven Alternativlösungen für eine grundlegende Korrektur der Gläubigerbeteiligung Ausschau zu halten. Dass der Altschuldner einer Schuldübernahme nicht notwendig zustimmen muss, ist rechtspolitisch überzeugend. Die Vertragsübernahme ist als Fortbildung des modernen Sukzessionssystems mit dem Numerus-clausus-Prinzip der Übertragungstatbestände vereinbar. Sie bildet einen (einheitlichen) Sukzessionstatbestand sui generis, für dessen tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen an den Vorschriften der Forderungsabtretung und Schuldübernahme Maß zu nehmen ist. Die Vertragsübernahme ist ein reines Verfügungsgeschäft, aufgrund dessen der ausscheidende Vertragsteil seine vertragliche Rechtsposition auf die eintretende Vertragspartei überträgt. Flankiert werden die Grundtatbestände der rechtsgeschäftlichen Sukzession durch die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen (§ 137 S. 1 BGB). Die Kernfunktion des § 137 S. 1 BGB liegt in der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit im Rechtsverkehr. Das bestätigen sowohl eine rechtshistorische als auch eine rechtsökonomische Analyse. Dahinter tre-
IV. Zusammenfassung
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ten die übrigen Deutungen der Vorschrift zurück. Das gilt für die Absicherung des sachenrechtlichen Numerus-clausus-Prinzips der beschränkten dinglichen Rechte ebenso wie für die Sicherung von Veräußerer- und Erwerberinteressen sowie die Sicherung der Zwangsvollstreckung. Die Sukzessionsfreiheit unterliegt Bindungen in Form von Sukzessionsbeschränkungen, die namentlich im Interesse des Veräußerers, des Erwerbers und von Drittbetroffenen bestehen können. Im Veräußererinteresse bestehende Beschränkungen verfolgen paternalistische Zwecke, deren Zulässigkeitsgrenzen eng gesteckt sind. Sowohl rechtspolitisch als auch rechtsökonomisch sinnvoll ist gleichwohl die in § 400 BGB angeordnete Unabtretbarkeit unpfändbarer Forderungen. Der Ausschlusstatbestand verhindert, dass sich der Forderungsinhaber seiner materiellen Grundlage begibt, auf die er zur Führung eines menschenwürdigen Lebens dringend angewiesen ist. Die im Erwerberinteresse bestehenden Sukzessionsbeschränkungen wollen verhindern, dass eine Transaktion nicht durch nachfolgende Verfügungen des Veräußerers beeinträchtigt oder vereitelt wird. Eine rechtsökonomische Analyse des § 161 Abs. 1 S. 1 BGB offenbart den ambivalenten Charakter erwerbssichernder Verfügungsbeschränkungen. Es ist daher rechtspolitisch überzeugend, den Beteiligten die Wahl zwischen schuldrechtlichen Verfügungsverboten und dinglichen Verfügungsbeschränkungen zu eröffnen. Der sukzessionsbeschränkende Charakter verlangt allerdings nach mehrdimensionalen Einschränkungen der materiellrechtlichen Auswirkungen solcher Beschränkungen in Gemäßheit des Prinzips des schonendsten Eingriffs. Zu diesem Zweck wird die Sukzessionsfreiheit des Veräußerers soweit wie möglich aufrechterhalten und nur insoweit eingeschränkt, als es zur Sicherung der Erwerberinteressen unbedingt notwendig erscheint. Das geschieht durch (1.) den Fortbestand der veräußererseitigen Verfügungsbefugnis, (2.) eine normzweckkonforme Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge in gegenständlicher Hinsicht, (3.) die Verzichtbarkeit der durch die Verfügungsbeschränkungen vermittelten Schutzwirkungen seitens des Erwerbers und (4.) den Schutz des redlichen (Zwischen-)Erwerbers. Im Übrigen sind die erwerbssichernden Sukzessionsbeschränkungen durch eine Konvergenz der Rechtsfolgen in Richtung der absoluten Unwirksamkeit auch bei Vormerkungen sowie gesetzlichen und behördlichen Veräußerungsverboten gekennzeichnet. Im Drittinteresse bestehende Sukzessionsbeschränkungen dienen dem präventiven Sukzessionsschutz, indem sie schutzwürdigen Interessen von Drittbetroffenen durch einen Ausschluss oder eine Beschränkung der Sukzessionsfreiheit zum Durchbruch verhelfen. So zielen rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen auf den Schutz von Schuldnerinteressen. Indes sprechen die gegen eine obligatorische Mitwirkung des Schuldners streitenden Argumente auch gegen eine fakultative Schuldnerbeteiligung kraft Parteiabrede, zumal Schuldner durch postventive Maßnahmen nach Maßgabe der §§ 404, 406 ff. BGB gegen zessionsbedingte Rechtsnachteile geschützt sind. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit, die Wertung des § 137 S. 1 BGB sowie rechtsökonomische
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§ 4 Prinzip der Sukzessionsfreiheit
Überlegungen sprechen daher gegen die rechtspolitische Sinnhaftigkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen. Daraus hat der Gesetzgeber mit Schaffung des § 354a Abs. 1 HGB bereits die zutreffenden Konsequenzen für aus Handelsgeschäften stammende Geldforderungen gezogen. Sie können trotz entgegenstehender Vereinbarungen wirksam übertragen werden. Indes reicht die Vorschrift nicht weit genug. Die Grundwertungen des Sukzessionsrechts sprechen für eine grundlegende Korrektur des § 399 Alt. 2 BGB. Wie diese und ein angemessenes Schuldnerschutzsystem aussehen könnten, ist Gegenstand der unten stehenden Überlegungen zum europäischen Abtretungsrecht.
§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis Neben dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit sind sämtliche Spielarten der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession dadurch gekennzeichnet, dass ein Rechtsübergang nur wirksam stattfinden kann, wenn der Veräußerer die Befugnis besitzt, die fragliche Vermögensposition übertragen zu können (Sukzessionsbefugnis). Sukzessionsbefugt ist erstens der berechtigte Inhaber einer Vermögensposition, wie z.B. der Sacheigentümer, Forderungsgläubiger, aber auch der Forderungsschuldner1 (II.). Zweitens kann der Rechtsinhaber aufgrund rechtsgeschäftlicher Ermächtigung gem. § 185 Abs. 1 BGB einen außenstehenden Dritten zur Verfügung über Vermögenspositionen autorisieren (III.)2. Und drittens können von einem Nichtberechtigten vorgenommene Sukzessionen nachträglich kraft Konvaleszenz gem. § 185 Abs. 2 BGB wirksam werden (IV.). Bevor diese Fallgruppen näher untersucht werden, gilt es zunächst die rechtssystematischen Grundlagen der Sukzessionsbefugnis, als Teilgewährleistung der Verfügungsbefugnis, freizulegen:
I. Rechtssystematische Grundlagen der Sukzessionsbefugnis Der Begriff der Verfügungsbefugnis bezeichnet das rechtliche Können, über ein bestimmtes Recht oder Rechtsverhältnis zu verfügen, d.h., unmittelbar auf ein solches einzuwirken und es inhaltlich zu verändern, zu übertragen, zu belasten oder aufzuheben3. Die Teilgewährleistung der Sukzessionsbefugnis bezeichnet die Rechtsmacht, bestimmte Vermögenspositionen übertragen zu können. Da die Sukzessionsbefugnis einen Ausschnitt aus der umfassenderen Verfügungsbefugnis bezeichnet, ist im Folgenden regelmäßig von der umfassenderen Ver1
Zum hiesigen Verständnis der Schuldübernahme als Verfügung über die Pflichtenstellung des Forderungsschuldners siehe oben § 4 II. 5. b) bb). 2 Auf Verfügungsbefugnisse kraft Gesetzes kann hier aus Raumgründen nicht eingegangen werden, vgl. dazu Schreiber, Jura 2010, 599, 600 f.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 44; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 58. 3 Vgl. nur Haedicke, JuS 2001, 966, 969; Schreiber, Jura 2010, 599; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 10; allgemein RGZ 90, 395, 399; BGHZ 1, 294, 304; 13, 1, 3; 75, 221, 226; BGH NJW 1962, 1613, 1614; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 4; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 22; Steffen, in: RGRK, BGB, § 185 Rn. 4; v. Tuhr, AT II/1, S. 238 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 143 II; Flume, AT II, § 11, 5 a; Hübner, BGB AT, Rn. 390; Wolf/ Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 31; Medicus, BGB AT, Rn. 208; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 13 Rn. 13.
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§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis
fügungsbefugnis die Rede, für welche im Vergleich zur Sukzessionsbefugnis grundsätzlich keine Unterschiede bestehen. Speziell in Bezug auf die rechtsgeschäftliche Sukzession ist die Verfügungsbefugnis von zentraler Bedeutung, weil sie zum einen dem Berechtigten die Rechtsmacht zuweist, über eine Vermögensposition zu verfügen (Zuweisungsfunktion) und den berechtigten Rechtsinhaber zum anderen in die Lage versetzt, unbefugte Einwirkungen auf die Vermögensposition abzuwehren (Abwehrfunktion).
1. Positive Komponente: Zuweisungsfunktion Die positive Komponente der Verfügungsbefugnis regelt, wer für die Änderung der Zuordnung von Vermögenspositionen zu einem Rechtssubjekt zuständig ist. Das Erfordernis der Sukzessionsbefugnis ergänzt insofern das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit4, indem es dem Einzelnen eine diesbezügliche Verfügungsmacht zuweist (Zuweisungsfunktion)5. Diese Erkenntnis darf indes nicht dazu verleiten, die Verfügungsmacht irrig als subjektive Eigenschaft der verfügenden Person zu betrachten. Vielmehr handelt es sich bei ihr um ein „gegenstandsbezogenes rechtliches Können“6. Verfügungsmacht besteht stets nur an einer einzelnen, bestimmten Vermögensposition; niemals besteht die Verfügungsmacht an sich. Darin unterscheidet sich die gegenstandsbezogene Verfügungsbefugnis von der personenbezogenen Verfügungsfähigkeit, die die Fähigkeit des einzelnen Rechtssubjekts beschreibt, Verfügungen überhaupt selbstständig vornehmen zu können7. Da sich deren rechtliche Relevanz mit der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers deckt, kommt der Verfügungsfähigkeit keine eigenständige Bedeutung zu8. Der Veräußerer kann eine Vermögensposition nur dann wirksam auf den Erwerber übertragen, wenn er die Befugnis besitzt, über das Recht zu verfügen9. Diese Voraussetzung unterscheidet das dingliche Vollzugsgeschäft maßgeblich 4
Siehe oben § 4. Zu den Funktionen der Verfügungsbefugnis näher Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 10 f. 6 Thiele, Zustimmungen, S. 196; ebenso Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 8; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 144 I; Hübner, BGB AT, Rn. 393; Medicus, BGB AT, Rn. 1001; Eckardt, ZIP 1997, 957, 960; vgl. noch Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 21. 7 Vgl. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 10 Fn. 24; Schreiber, Jura 2010, 599, 599 f. 8 Wie hier Schreiber, Jura 2010, 599, 600; Haedicke, JuS 2001, 966, 969 Fn. 30. – Entsprechendes gilt für die Erwerbsfähigkeit aufseiten des Nachfolgers. Eine der Verfügungsbefugnis entsprechende, besondere Erwerbsbefugnis ist der deutschen Privatrechtsdogmatik hingegen fremd (Medicus, BGB AT, Rn. 665). Eine Ausnahme anerkennen die Rechtsprechung und ein Großteil des Schrifttums für gerichtliche Erwerbsverbote; vgl. RGZ 117, 287, 291 f.; 120, 118, 119 f.; BGH NJW 1983, 565; BayObLG NJW-RR 1997, 913, 914; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 136 Rn. 9; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 136 Rn. 7. Das ist in rechtsdogmatischer Hinsicht nicht frei von Zweifeln (vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 888 Rn. 104; Kohler, in: MünchKommBGB, § 888 Rn. 31 ff.; Flume, AT II, § 17, 6 e; Medicus, BGB AT, Rn. 665). 9 Vgl. allgemein zu Verfügungen Haedicke, JuS 2001, 966, 969. 5
I. Rechtssystematische Grundlagen der Sukzessionsbefugnis
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vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft. Die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts ist nicht davon abhängig, dass der Veräußerer zum vereinbarten Leistungszeitpunkt auch in der Lage sein wird, die von ihm schuldvertraglich übernommene Verpflichtung gegenüber dem Erwerber auch zu erfüllen. Eine „Verpflichtungsmacht“ des Schuldners ist unserer Privatrechtsordnung fremd10. Ausweislich § 311a Abs. 1 BGB steht es der Wirksamkeit einer vertraglichen Abrede nicht entgegen, dass ein Leistungshindernis iSd. § 275 Abs. 1 bis 3 BGB bereits bei Vertragsschluss bestand. Das Verpflichtungsgeschäft ist daher auch bei anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung wirksam11; der Schuldner kann in diesem Fall allerdings zur Leistung von Schadens- bzw. Aufwendungsersatz verpflichtet sein (§ 311a Abs. 2 BGB).
2. Negative Komponente: Abwehrfunktion Die Verfügungsbefugnis ist eng verbunden mit den Prinzipien der Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit. Sie verleiht dem Berechtigten die Rechtsmacht, eigenverantwortlich über seine Vermögenspositionen verfügen zu können. Umgekehrt schützt die der Verfügungsbefugnis innewohnende negative Komponente die Rechtsinhaberschaft des wahren Berechtigten vor unbefugten rechtsgeschäftlichen Einwirkungen auf seine Rechtsposition12. Damit bezeichnet ist die Abwehrfunktion der Verfügungsbefugnis13. Dem Inhaber können absolut zugewiesene Rechtspositionen – vorbehaltlich eines redlichen Erwerbs14 – nicht durch Verfügungen unbefugter Dritter entzogen werden. Die Abwehrfunktion der Verfügungsbefugnis flankiert für den Bereich der gegenständlichen Rechtszuordnung das Einigungsprinzip15. Auch das Einigungsprinzip, wonach eine wirksame (rechtsgeschäftliche) Sukzession notwendigerweise der Mitwirkung der Vertragsparteien bedarf, ist darauf gerichtet, das Selbstbestimmungsrecht des Rechtsinhabers zu gewährleisten, indem Dritte von der Einwirkung auf fremde Vermögenspositionen bzw. Rechtsverhältnisse ausgeschlossen sind16. Da indes das Einigungsprinzip allein nicht sicherstellen kann, dass die an der Abrede Beteiligten auch zugleich in materiellrechtlicher Hinsicht zur Einwirkung auf das Rechtsverhältnis berechtigt sind, bedarf es außerdem der Verfügungsbefugnis des Veräußerers, um einen wirksamen Rechtsübergang herbeizuführen. Erst die Kopplung von Einigungsprinzip und Verfügungsbefugnis 10
Zutreffend Haedicke, JuS 2001, 966, 969. Vgl. nur Dauner-Lieb, in: AnwKommBGB, § 311a Rn. 3; Ernst, in: MünchKommBGB, § 311a Rn. 1 f.; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 311a Rn. 1; Feldmann/Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 311a Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311a Rn. 5. 12 Vgl. etwa Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 34. 13 So etwa Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 11. 14 Siehe unten § 11. 15 Vgl. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 11 f. 16 Dazu ausf. unten § 6. 11
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§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis
schafft die materiellrechtliche Grundlage für die identitätswahrende Übertragung einer Rechtsposition von einer Person auf die andere.
3. Geltung des Prioritätsprinzips Eine zentrale Implikation aus dem Erfordernis der Verfügungsbefugnis ist der Grundsatz der zeitlichen Priorität: qui prior est tempore potior est iure – „wer besser ist in der Zeit, ist es auch im Recht“17. Verfügt der Rechtsinhaber wirksam an den Erwerber und tritt der Erwerber damit in die Rechtsstellung des Veräußerers ein, dann ist die Verfügungsbefugnis des Berechtigten verbraucht. In der Konsequenz kann der Veräußerer nicht länger als berechtigter Rechtsinhaber verfügen. Bei mehreren konkurrierenden Verfügungen ist nur die zeitlich frühere Verfügung wirksam. Nachfolgende Verfügungen gehen grundsätzlich ins Leere, soweit sie zur zeitlich vorausgegangenen Verfügung in Widerspruch stehen. Dieses Ergebnis entspricht der rechtslogischen Dimension des Prioritätsprinzips18: Da niemand – sieht man einmal vom Sonderfall des redlichen Erwerbs ab – mehr Rechte auf einen anderen übertragen kann, als er selbst innehat (nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet)19, kann das Vollrecht auch nur einmal wirksam übertragen werden. Dieser Grundsatz ist ebenso trivial wie grundlegend, und er gilt auch nicht nur für die Übereignung körperlicher Gegenstände, sondern auch für Mehrfachabtretungen bestehender oder künftiger Forderungen und anderer Rechte20. Allerdings beansprucht das Prioritätsprinzip nur dann uneingeschränkte Geltung, wenn die erste Verfügung wirksam zustande gekommen ist. Das ist auf Grundlage der vorherrschenden Vertragsbruchtheorie dann nicht der Fall, wenn Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt kollidieren: mit der Folge, dass die zeitlich spätere Forderungszession an den Warenkreditgeber der früheren Abtretung an den Geldkreditgeber ausnahmsweise vorgeht21. 17 Dazu und zum Folgenden auch Bork, BGB AT, Rn. 455 f.; Flume, AT II, § 11, 5 c; CoesterWaltjen, Jura 2003, 23, 27; Haedicke, JuS 2001, 966, 969; ausf. Neuner, AcP 203 (2003), 46 ff. – Zur Geltung des Prioritätsgrundsatzes im Liegenschaftsrecht siehe § 879 BGB und im Grundbuchrecht allgemein § 17 GBO. 18 Vgl. etwa Neuner, AcP 203 (2003), 46, 70; siehe noch Westermann, FS Schapp, S. 507, 523 f. 19 Dig. 50.17.54. Zur Durchbrechung des Grundsatzes beim Gutglaubenserwerb siehe Lieder, AcP 210 (2010), 857, 859. Zur Bedeutung des Grundsatzes für die rechtsgeschäftliche Sukzession siehe auch oben § 2 I. 3. sowie unten § 11. 20 Vgl. BGHZ 30, 149, 151 f.; 32, 361; 98, 303; BGH NJW 1982, 571; 2005, 1192; Prütting, Sachenrecht, Rn. 403; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 27; Neuner, AcP 203 (2003), 46, 55; einschränkend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 65 III 4. 21 Vgl. BGHZ 32, 361, 364; BGH NJW 1968, 1516; 1969, 318; 1969, 652; Prütting, Sachenrecht, Rn. 855; Neuner, AcP 203 (2003), 46, 55; Rimmelspacher, Kreditsicherungsrecht, Rn. 424 ff.; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1653 ff.; kritisch etwa Wolf/Haas, ZHR 154 (1990), 64, 65 ff.; zur rechtsökonomischen Deutung solcher Durchbrechungen des Prioritätsprinzips Walz, Systemdenken, S. 30 f.
II. Berechtigung des Rechtsinhabers
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Das Prioritätsprinzip entfaltet seine materiellen Implikationen auf der dinglichen (Sukzessions-)Ebene. Im Gegensatz dazu kann sich eine Person auf schuldrechtlicher Ebene gegenüber einer beliebigen Vielzahl von Gläubigern zur Übertragung ein und derselben Sache verpflichten. Gläubigern des Verpflichtungsgeschäfts, die auf die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Schuldners vertrauen und in diesem Vertrauen enttäuscht werden, stehen nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff. BGB) Ersatzansprüche zu22. Demgegenüber gehen Verfügungen, die ohne Verfügungsbefugnis vorgenommen werden, ins Leere. Der Erwerber wird in seinem Vertrauen auf die Rechtsinhaberschaft des Veräußerers nur dann geschützt, wenn ausnahmsweise eine taugliche Rechtsscheingrundlage vorliegt, die einen redlichen Erwerb ermöglicht23. Das liegt letztlich im überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Soweit auch Drittinteressen von einer mehrfachen Verfügung berührt sind, wie z.B. bei der Mehrfachzession die Interessen des Schuldners, wird das Vertrauen in die Wirksamkeit der Abtretung durch besondere Schuldnerschutzvorschriften gewährleistet. Zwar gilt auch in solchen Fällen der Prioritätsgrundsatz: mit der Folge, dass die spätere Zession, die der Zedent mangels Verfügungsbefugnis nicht mehr wirksam vornehmen konnte, scheitert. Allerdings wird das berechtigte Vertrauen des Schuldners auf die Wirksamkeit der späteren Abtretung gem. § 408 Abs. 1 BGB dahingehend geschützt, dass er mit befreiender Wirkung an den Zweitzessionar leisten kann. Diese Schutzgewährleistung ist Bestandteil des abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzsystems24.
II. Berechtigung des Rechtsinhabers Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis gehen regelmäßig Hand in Hand. Der BGH hat offen gelassen, ob dies aus § 137 BGB folgt oder aus allgemeinen Erwägungen25. Feststeht jedenfalls, dass die allgemeine Verfügungsbefugnis aus der Rechtszuständigkeit des Berechtigten fließt26. Sie ist nach moderner Dogmatik regulärer Bestandteil eines jeden absolut zugewiesenen Vermögensrechts, soweit sie dem Berechtigten nicht ausnahmsweise27 entzogen ist28. Insofern ist die Verfügungsbefugnis des Berechtigten rückführbar auf das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung, dessen Absolutheits- und Ausschließlichkeitswirkun22 Zu dem hier nicht zu vertiefenden Problem der anteilsmäßigen Kürzung einer beschränkten Gattungsschuld nach § 242 BGB ausf. Neuner, AcP 203 (2003), 46, 57 ff. 23 Dazu ausf. unten § 11 III. 24 Siehe näher unten § 15 III. 4. 25 BGHZ 56, 275, 278. 26 So bereits Motive zum BGB, Bd. 3, S. 160; vgl. noch v. Tuhr, AT II/1, S. 365; Thiele, Zustimmungen, S. 196 f.; Hurni, Vermögensübertragung, S. 112. 27 Zu den Ausnahmen siehe oben § 4 III. 28 Zutreffend Larenz, Schuldrecht I, § 33 I.
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§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis
gen gerade darin zum Ausdruck kommen, dass der Rechtsinhaber Störungen der Vermögensposition gegenüber jedem außenstehenden Dritten abwehren kann und zur ausschließlichen Verfügung über das Vermögensrecht befugt ist29. Zudem ist die Verfügungsbefugnis durch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankert, und zwar nicht nur für das Sacheigentum30, sondern gleichermaßen für Forderungen und andere Vermögensrechte31. Nach zutreffender Auffassung des BVerfG gehört die Verfügungsbefugnis des Berechtigten zur Institutionsgarantie des Eigentumsgrundrechts. Die eigentumskräftig verbürgte Verfügungsbefugnis ist Grundlage und Ausprägung unserer privatrechtlich-marktwirtschaftlichen Eigentums- und Wirtschaftsordnung. Und schließlich ist die Verfügungsbefugnis des Berechtigten untrennbar mit dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit verbunden, das die Befugnis einschließt, über absolut zugewiesene Vermögenspositionen vertraglich zu verfügen32. In der Zusammenschau erweist sich die Verfügungsbefugnis als unentbehrliche Voraussetzung jeder Sukzession. Auch wenn sich diese Anforderung aus dem Wortlaut der Sukzessionsvorschriften üblicherweise nicht ablesen lässt, ist die Verfügungsbefugnis bzw. die Berechtigung des Rechtsinhabers als ungeschriebenes Tatbestandselement jeweils in die Übertragungsnorm hineinzulesen33. Ebenso wie für die Verfügungsbefugnis im Allgemeinen lassen sich für die aus der Rechtszuständigkeit folgende Verfügungsmacht im Besonderen eine positive und eine negative Komponente isolieren. So kann der Rechtsinhaber kraft seiner Rechtszuständigkeit frei über den Gegenstand verfügen und so den wirtschaftlichen Vermögenswert realisieren. Zudem dient die Zuweisung der Verfügungsbefugnis an den Rechtsinhaber (positiv) der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs34. Außenstehende Dritte, deren Interessen durch die Übertragung wenigstens mittelbar tangiert sind, können in Kenntnis der Rechtszuständigkeit des Berechtigten nämlich darauf vertrauen, dass der Rechtsinhaber auch wirksam über das Vermögensrecht verfügen kann. Unsicherheiten, die sich aus einer dauerhaften Trennung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ergeben können, werden auf diese Weise minimiert. Umgekehrt fungiert die Berechtigung des Veräußerers aber zugleich als Grenze rechtsgeschäftlicher Verfügungsmacht. Die identitätswahrende Sukzession setzt voraus, dass der berechtigt Verfügende auch in der Lage ist, dem Erwerber die Rechtsposi29
Siehe oben § 2 II. 2. Für eine Ableitung unmittelbar aus § 903 S. 1 BGB Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 43. 31 Dazu ausf. oben § 4 I. 2. 32 Vgl. Schreiber, Jura 2010, 599, 600; Haedicke, JuS 2001, 966, 970; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 11 f. 33 Für den Mobiliarerwerb siehe etwa Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 14; vgl. ferner BGHZ 27, 360, 366 ff.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 15 f.; allgemein Schreiber, Jura 2010, 599, 600. 34 Zur Bedeutung der Verfügungsbefugnis für den Rechtsverkehr näher Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 15 f.; siehe ferner Schreiber, Jura 2010, 599, 600. 30
III. Sukzessionsbefugnis des Ermächtigten
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tion zu verschaffen. Dieser Voraussetzung wird zuweilen ein maßgeblicher Gerechtigkeitsgehalt zugesprochen35, vor allem weil es Dritten grundsätzlich unmöglich ist, über eine fremde Rechtsposition zu verfügen36.
III. Sukzessionsbefugnis des Ermächtigten Abgesehen von den Fällen des redlichen Erwerbs37 kann auf die Berechtigung des Veräußerers ausnahmsweise verzichtet werden, wenn der Berechtigte den Veräußerer gem. § 185 Abs. 1 BGB zur Vornahme der Rechtsübertragung ermächtigt hat38. Durch die Ermächtigung erlangt der Veräußerer die Befugnis, dem Erwerber im eigenen Namen ein fremdes Recht zu verschaffen (Ermächtigungsfunktion)39. Zugleich macht der Berechtigte durch Erteilung der Ermächtigung von seiner Berechtigung als Rechtsinhaber Gebrauch. Denn er kann selbstbestimmt darüber entscheiden, ob er in personam über seine Vermögenspositionen verfügen oder einen Dritten zur Vornahme einer Verfügung ermächtigen will (Selbstbestimmungsfunktion)40. Durch die Ermächtigung wird der Verfügende zur Rechtsübertragung autorisiert. Allerdings findet im Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Ermächtigten keine Rechtsübertragung statt. Insbesondere wird aus dem Stammrecht – anders etwa als in den Fällen der konstitutiven Nachfolge41 – kein qualitativer Teil abgespalten und im Wege eines von Albert Pinner als Legitimationsübertragung (cessio in legitimationem)42 bezeichneten Vorgangs auf den Ermächtigten übertragen43. Vielmehr bleibt der Berechtigte in unverändertem Umfang absoluter und ausschließlicher Rechtsinhaber. Die Verfügungsbefugnis des Ermächtigten tritt in rechtsdogmatischer Hinsicht also neben die originäre Verfügungsmacht des Berechtigten44. 35 So etwa H. Westermann, JuS 1963, 1: „Die Voraussetzung der Rechtsinhaberschaft ist wichtiges Gerechtigkeitspostulat“. 36 Vgl. Schreiber, Jura 2010, 599, 600; Haedicke, JuS 2001, 966, 970; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 10. 37 Dazu eingehend unten § 11. 38 Von der Verfügungsermächtigung ist die Verfügungsvollmacht abzugrenzen, die sich nach §§ 164 ff. BGB verhält; vgl. dazu Flume, AT II, §§ 55, 57, 1 b; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 29; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 2 a.E.; Schreiber, Jura 2010, 599, 600; aus der Rechtsprechung siehe noch OLG München DB 1973, 1693; OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1462. 39 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 24; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 2; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 11; Schreiber, Jura 2010, 599, 601. 40 Vgl. Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 32. 41 Siehe oben § 2 III. 2. b). 42 Vgl. Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl., § 222 Anm. 16 für die Legitimationsübertragung von Aktien. 43 Besonders klar Flume, AT II, § 57, 1 a und c. 44 Zum Ganzen Flume, AT II, § 55; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 26; Schramm, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 33; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 23; Staffhorst, in: AnwKommBGB, § 185 Rn. 16; vgl. noch Liebs, AcP 175 (1975), 1 ff.
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§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis
Aus dem Nebeneinander zweier Verfügungsberechtigter können sich Kollisionen ergeben, die wiederum nach dem Grundsatz der zeitlichen Priorität zu lösen sind. Sobald das Recht durch einen der beiden wirksam auf den (Erst-)Erwerber übertragen ist, geht jede nachfolgende Verfügung ins Leere. Verfügt der Ermächtigte, verliert der Einwilligende seine Rechtsposition. Verfügt der Berechtigte, entfällt die Verfügungsbefugnis des Ermächtigten. Denn sie trägt derivativ-akzessorische Züge. Aus dem Derivativcharakter der Ermächtigung folgt, dass der Ermächtigende seine Rechtsmacht verliert, sobald die Rechtszuständigkeit des Einwilligenden endet oder seine Verfügungsbefugnis eine Beschränkung erfährt45.
IV. Nachträglicher Erwerb der Sukzessionsbefugnis Nach dem sukzessionsrechtlichen Koinzidenzprinzip geht eine Vermögensposition auf den Nachfolger nur über, wenn sämtliche Voraussetzungen des Sukzessionstatbestands in einem Zeitpunkt wirksam vorliegen46. Verfügt ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand, der weder kraft Gesetzes noch kraft rechtsgeschäftlicher Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB die Rechtsmacht für diese Verfügung besaß, dann ist die Verfügung zunächst schwebend unwirksam47. Mangelt es an einem tauglichen Rechtsscheinträger48, genießt das Bestandsinteresse des wahren Berechtigten gegenüber dem Erwerbsinteresse des Verfügungsempfängers den Vorrang. Die Verfügung kann indes später noch wirksam werden, wenn der Nichtberechtigte nachträglich die Verfügungsbefugnis erwirbt, sei es, durch Genehmigung des Berechtigten (1.), durch nachträglichen Rechtserwerb des Verfügenden (2.) oder die Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten (3.).
1. Genehmigung des Berechtigten Die zunächst schwebend unwirksame Verfügung des Nichtberechtigten wird ex tunc wirksam, wenn der Berechtigte die Verfügung genehmigt (§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB). Die Wirkungen der Genehmigung vollziehen sich parallel zu denjenigen einer vor Verfügung erteilten Ermächtigung gem. § 185 Abs. 1 BGB (Einwilligung). Insbesondere ist die Verfügungsbefugnis des Nichtberechtigten infolge Genehmigung eine von der Berechtigung des Genehmigenden abgelei45
Vgl. Thiele, Zustimmungen, S. 257 f.; Flume, AT II, § 57, 2; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 26; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 22; Schreiber, Jura 2010, 599, 601. 46 Siehe eingehend unten § 12. 47 BGH NJW 1993, 648, 651; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 184 Rn. 15; Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rn. 4; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 184 Rn. 9; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 59; Schreiber, Jura 2010, 599, 602. 48 Zum Prinzip des Gutglaubenserwerbs ausf. unten § 11.
IV. Nachträglicher Erwerb der Sukzessionsbefugnis
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tete. Berücksichtigt man fernerhin die Kernaussage des Koinzidenzprinzips, ist die Verfügung nur dann wirksam, wenn der Genehmigende im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung auch noch verfügungsbefugt ist49. Die abzulehnende Gegenauffassung50, die auf den Zeitpunkt der Geschäftsvornahme abhebt, hätte einen Eingriff des Genehmigenden in die Rechtsposition des wahren Berechtigten zur Folge, ohne dass die für eine solche Beeinträchtigung notwendige Legitimationsgrundlage, namentlich ein tauglicher Rechtsscheinträger, vorläge. Ob Berechtigung und Verfügungsbefugnis des Genehmigenden auch schon bei Vornahme des Rechtsgeschäfts bestanden, ist nach zutreffender h.M. hingegen ohne Belang51. Darüber hinaus muss die Verfügung im Übrigen auch noch genehmigungsfähig gewesen sein. Daran fehlt es, wenn die zu genehmigende Verfügung inzwischen in Wegfall geraten ist, wie z.B. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags52, aber auch dann, wenn der Berechtigte die Genehmigungserteilung zuvor bereits endgültig verweigert hat53.
2. Konvaleszenz durch nachträglichen Rechtserwerb Selbst wenn die Genehmigung ins Leere geht, weil der Genehmigende zuvor seine Berechtigung oder Verfügungsbefugnis eingebüßt hat, kann die Verfügung immer noch wirksam werden, wenn der Nichtberechtigte den Verfügungsgegenstand nachträglich erwirbt (§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB). Der Regelungszweck dieses Konvaleszenztatbestands liegt offen zutage: Scheitert die Wirksamkeit der Verfügung an der fehlenden Berechtigung, so muss sich der Verfügende für den Fall des nachträglichen Rechtserwerbs an der Verfügung festhalten lassen54: mit der Folge, dass die zunächst schwebend unwirksame Verfügung im Zeitpunkt des Rechtserwerbs ex nunc und endgültig wirksam wird55. Soweit Teile des Schrifttums zur Erklärung der Vorschrift auf das Selbstbestimmungsprinzip verweisen und meinen, die Heilung des Verfügungsmangels 49
RGZ 134, 283, 286 f.; BGHZ 107, 340, 341 f.; AG Hamburg ZIP 2007, 388, 390; Thiele, Zustimmungen, S. 274; Flume, AT II, § 57, 3 a; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 184 Rn. 23; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 21; Wolf/Neuner, BGB AT, § 54 Rn. 33; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 19 ff. 50 Pfister, JZ 1969, 623 ff.; Steffen, in: RGRK, BGB, § 184 Rn. 6; Köhler, BGB AT, § 14 Rn. 9; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VI a; Finkenauer, AcP 203 (2003), 282, 297 ff., 309, 313 f.; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 184 Rn. 5. 51 Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rn. 7; Bork, BGB AT, Rn. 1718; Schreiber, Jura 2010, 599, 602; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 20, 22; a.A. Wolf/Neuner, BGB AT, § 54 Rn. 33. 52 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 48; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 4. 53 BGHZ 13, 179, 186 ff. 54 Vgl. auch Beyreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 47; Medicus, BGB AT, Rn. 1031. 55 Eine Rückwirkung nach § 184 Abs. 1 BGB findet nicht statt; vgl. RGZ 89, 152, 158; 135, 378, 383; BGH BB 1959, 649, 650; WM 1978, 1406, 1407; Steffen, in: RGRK, BGB, § 185 Rn. 13; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 59; Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 13; MaierReimer, in: Erman, BGB, § 185 Rn. 27; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 50.
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§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis
beruhe letztlich auf der willentlichen Vornahme der Veräußerung durch den zunächst Nichtberechtigten56, muss dies zweifelhaft erscheinen. Basierte der Konvaleszenztatbestand tatsächlich auf dem Grundsatz privatautonomer Selbstgestaltung, dann müsste mit dem Rechtserwerb auch die Befugnis des Berechtigten auf den Verfügenden übergehen, selbstbestimmt darüber entscheiden zu können, entweder der Verfügung Wirksamkeit zu verleihen oder schadensersatzrechtliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen57. Vorzugswürdig ist es daher, den tieferen Geltungsgrund des § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB im Grundsatz von Treu und Glauben zu erblicken. Denn der Verfügende verstieße gegen das in § 242 BGB wurzelnde Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium), wenn er dem schwebend unwirksamen Geschäft nach dem späteren Rechtserwerb die Genehmigung verweigerte58. Ist der Verfügende aufgrund des Kausalgeschäfts ohnehin zur Rechtsübertragung verpflichtet und kann er vom Erwerber hierauf in Anspruch genommen werden, bedeutet es eine Erleichterung der Rechtsdurchsetzung im Interesse des Erwerbers, wenn das Gesetz kurzerhand die automatische Heilung des schwebend unwirksamen Geschäfts anordnet. Für diese Gestaltung sprechen vor allem rechtsökonomische Gründe. Denn Rechtsdurchsetzungskosten, die mit einer klageweisen Realisierung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs des Erwerbers gegen den Verfügenden verbunden wären, fallen so ersatzlos weg. Das Verhältnis zwischen Verfügendem und Erwerber wird auf diese Weise bereinigt und der Rechtsübergang spürbar vereinfacht und erleichtert59. Diese Erwägungen bilden zwar den Hintergrund und die Basis der rechtspolitischen Überzeugungskraft des Konvaleszenztatbestands, sie dürfen – entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung60 – aber nicht dazu verleiten, die Anwendung des § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB auf solche Fälle zu beschränken, in denen zwischen Veräußerer und Erwerber auch ein wirksamer Schuldvertrag besteht (Rechtsgrundunabhängigkeit)61. Angesichts des klaren Wortlauts ließe sich das von der Gegenauffassung befürwortete Ergebnis nur im Wege einer teleologischen Reduktion erzielen. Diese scheitert allerdings, weil 56
So Habersack, JZ 1991, 70; Schreiber, Jura 2010, 599, 603. Insofern zutreffend Hagen, AcP 167 (1967), 481, 501. 58 So auch Hagen, AcP 167 (1967), 481, 502; Gursky, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 60; Schreiber, Jura 2010, 599, 603; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 47. 59 Gursky, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 60; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 60; Schreiber, Jura 2010, 599, 603. 60 Dörner, in: Hk-BGB, § 185 Rn. 11; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 27; Hagen, AcP 167 (1967), 481, 499 ff. 61 Für die h.M.: OLG Celle NJW-RR 1994, 646, 647; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 51; Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 13; Frensch, in: PWW, BGB, § 185 Rn. 10; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 66; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 185 Rn. 8 a.E.; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 185 Rn. 25; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 64; Medicus, BGB AT, Rn. 1031; Wolf/Neuner, BGB AT, § 54 Rn. 39; Habersack, JZ 1991, 70, 72 Fn. 23; Lieder, JuS 2012, 623, 626. 57
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der historische Gesetzgeber sich ausweislich der Materialien zu einer einschränkungslosen Geltung der Konvaleszenz bei nachträglichem Rechtserwerb entschieden hat. In den Motiven62 heißt es hierzu, die Rechtswirkungen der dem römischen und gemeinen Recht noch unbekannten Konvaleszenztatbestände sollen „nach den bezeichneten Umständen“ mit absoluter Wirkung gegen alle Beteiligten eintreten, „und zwar allgemein ohne Rücksicht darauf, (…) ob eine Verpflichtung zur Verfügung vorlag oder nicht“. Nur wenn die Beteiligten die Verfügung rückgängig machten, sei für die Konvaleszenz „selbstverständlich kein Raum“. Dass es auf der Basis der hier vertretenen Position zu einer Rückabwicklung der rechtsgrundlosen Verfügung im Verhältnis zwischen dem Verfügenden und dem Erwerber kommt, ist als konsequente Folge des Abstraktionsprinzips63 im Interesse einer rechtssicheren Güterzuordnung hinzunehmen64. Schließlich spricht für eine rechtsgrundunabhängige Konvaleszenz im Fall des § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB auch eine Parallelbetrachtung zum Rechtserwerb kurz vor Abschluss der Verfügung. Der Veräußerer verfügt in diesem Fall als Berechtigter; ob zwischen den Vertragsparteien ein wirksames Verpflichtungsgeschäft besteht, ist aufgrund des Abstraktionsprinzips ohne Belang. Folgte man der Gegenauffassung hinge die Wirksamkeit der Verfügung folglich von der Zufälligkeit ab, ob der Verfügende kurz vor oder kurz nach der Verfügung das fragliche Recht erworben hat. Das erscheint wenig kohärent. Die Rechtsnachfolge vollzieht sich bei einem nachträglichen Rechtserwerb im Wege des Durchgangserwerbs65. Zunächst wird der Verfügende für eine logische Sekunde66 Rechtsinhaber und Sukzessor des wahren Berechtigten, bevor in einem zweiten Erwerbsschritt der ursprüngliche Erwerber dem Verfügenden nachfolgt. Anderes gilt nur, wenn der Veräußerer zwar hinsichtlich des Vollrechts als Nichtberechtigter verfügt, über ein Anwartschaftsrecht hieran aber als Berechtigter67. Da der Verfügende jedenfalls das Anwartschaftsrecht als Be-
62
Motive zum BGB, Bd. 2, S. 139. Dazu ausf. unten § 7 II. 64 Wie hier auch Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 13; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 66; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 51; Lieder, JuS 2012, 623, 626. 65 BGHZ 20, 88, 101; BGH NJW-RR 2009, 705 Tz. 13; BFH NJW 1996, 1079, 1080; Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 13; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 185 Rn. 11; Gursky, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 59; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 185 Rn. 27; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 69; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 60; v. Tuhr, AT II/1, S. 387; Giesen, AcP 203 (2003), 210, 218; Schreiber, Jura 2010, 599, 603; a.A. Schultz, BB 1998, 75 f.; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1142; vgl. noch BGHZ 92, 280, 286 ff.; BGH NJW-RR 2004, 259. 66 Zu Wesen und (fehlender) Zeitlichkeit der logischen Sekunde ausf. Marotzke, AcP 191 (1991), 177, 181 ff. 67 BGHZ 20, 88, 101; 49, 197, 205; BFH NJW 1996, 1079, 1080; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 12; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 69; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 13; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 398 Rn. 11; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 185 Rn. 2. 63
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rechtigter auf den Erwerber übertragen kann, kommt § 185 BGB nicht zur Anwendung. Stattdessen erstarkt das wirksam übertragene Anwartschaftsrecht in der Person des Erwerbers mit Bedingungseintritt zum Vollrecht.
3. Konvaleszenz durch Beerbung des Verfügenden Während die Heilung aufgrund späteren Rechtserwerbs rechtspolitisch zu überzeugen vermag und auch in der praktischen Anwendung keine wesentlichen Schwierigkeiten bereitet, steht die Konvaleszenz wegen Beerbung des Verfügenden gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 3 BGB in der Kritik68, die zum Teil in der Forderung kulminiert, die Vorschrift ersatzlos zu streichen69. Inhaltlich ordnet die Vorschrift an, dass die von einem Nichtberechtigten getroffene Verfügung nachträgliche Wirksamkeit erlangt, wenn er vom Berechtigten beerbt wird und Letzterer unbeschränkt für Nachlassverbindlichkeiten haftet. Das Schrifttum spricht anschaulich von einer „Heilung kraft Haftung“70. Seine rechtspolitische Legitimation bezieht der Tatbestand aus dem Zusammentreffen von Recht und Pflicht in der Person des Erben. Er muss für die „Taten des Erblassers“ einstehen (heres facta defuncti praestare debet)71. Im Übrigen führt die Vorschrift zu einer Erleichterung des Güteraustauschs, weil der Erwerber wiederum von einer Rechtsdurchsetzung gegen den Erben (und damit verbundenen Rechtsdurchsetzungskosten) entlastet wird, der infolge des Erbfalls aus dem Kausalverhältnis ohnehin zur Verschaffung des Gegenstandes verpflichtet wäre72. Man mag hier pointiert von einer „Heilung kraft Rechtsvereinfachung“73 sprechen – ein Votum, das freilich auch für den nachträglichen Rechtserwerb nicht weniger passend erscheint. Der Regelungszweck der Vorschrift greift indes nur dann ein, wenn die Haftung des Berechtigten für die Nachlassverbindlichkeiten eine unbeschränkte ist. Wenn im Fall einer Haftungsbeschränkung Nachlass und Eigenvermögen des Erben getrennt bleiben, fehlt es an der Vereinigung von Recht und Pflicht in der Person des Erben und damit am tieferen Grund für die von § 185 Abs. 2 S. 1 68
Siehe etwa Hagen, AcP 167 (1967), 481, 491 f. Dafür etwa Wacke, ZRG (RomA) 114 (1997), 197 ff., 232; ders., JZ 2001, 380, 386; dagegen Gursky, in: Staudinger, § 185 Rn. 78; Finkenauer, in: HKK, BGB, §§ 182–185 Rn. 18; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VI c Fn. 28; Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 651 ff. 70 So Flume, AT II, § 58; dem folgend Gursky, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 77; Medicus, BGB AT, Rn. 1032; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 56; Habersack, JZ 1991, 70, 71; Schreiber, Jura 2010, 599, 603; krit. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 881 Fn. 1567; Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 646; Finkenauer, FS Picker, S. 201, 222 f. 71 Vgl. Dig. 50.16.65; siehe noch RGZ 110, 94, 95; Habersack, JZ 1991, 70, 71. – Zur Dogmengeschichte der Vorschrift Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 640 ff.; Finkenauer, in: HKK, BGB, §§ 182–185 Rn. 3 ff.; ders., FS Picker, S. 201 ff. 72 Vgl. RGZ 110, 94, 95; Gursky, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 77; Bork, BGB AT, Rn. 1725; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 56. 73 So Finkenauer, FS Picker, S. 201, 223. 69
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Var. 3 BGB angeordnete Konvaleszenz74. Da die heute h.M. verlangt, dass der Erbe die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung endgültig verloren hat, d.h. entweder durch Versäumung der Inventarfrist (§ 1994 Abs. 1 S. 2 BGB) oder aufgrund Inventaruntreue (§ 2005 Abs. 1 BGB)75, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift äußerst beschränkt76. Dementsprechend dürfen auch die rechtspolitischen Bedenken gegen den Heilungstatbestand nicht überbewertet werden. Das gilt umso mehr, als es der berechtigte Erbe selbst in der Hand hat, die Anwendbarkeit der Vorschrift durch Herbeiführung einer Haftungsbeschränkung auszuschließen77. Mit besonderer Schärfe stellt sich allerdings auch im Rahmen der Konvaleszenz durch Beerbung des Verfügenden die Frage nach der Rechtsgrundabhängigkeit. Anders als beim nachträglichen Erwerb78 verlangt die h.M. hier, dass der schuldrechtliche Verschaffungsanspruch des Erwerbers noch bestehen muss79. Andernfalls fehle es an einer Vereinigung von Recht und Pflicht in der Person des Erben. Führt man sich nochmals die oben zitierte Passage aus den Motiven zum BGB vor Augen, dann erscheint eine Differenzierung zwischen den beiden Konvaleszenztatbeständen in Bezug auf deren Rechtsgrundabhängigkeit indes bedenklich80. Wenn die h.M. dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis hier gleichwohl größere Bedeutung beimisst als beim nachträglichen Rechtserwerb, dann liegt das daran, dass die Haftung des Berechtigten für die Nachlassverbindlichkeiten eine unabdingbare Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser 74
Vgl. RGZ 110, 94, 95 f.; Gursky, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 78; Habersack, JZ 1991, 70, 72; Hagen, AcP 167 (1967), 481, 496 ff.; Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 638, 648. 75 Vgl. BayObLG DNotZ 1998, 138, 141; OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 968; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 81; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 30; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 57; Bork, BGB AT, Rn. 1725; Habersack, JZ 1991, 70, 72; Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 640; a.A. noch OLG Breslau, OLGE 24 (1912), 84 f.; jetzt wieder ausf. Finkenauer, FS Picker, S. 201 ff.; krit. schon ders., in: HKK, BGB, §§ 182–185 Rn. 18; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VI c Fn. 29. 76 In allen zu § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 3 BGB bisher ergangenen Entscheidung fehlte es an dieser Voraussetzung; vgl. dazu Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 640 m. Nachw. in Fn. 14; Finkenauer, in. HKK, BGB, §§ 182–185 Rn. 18, Fn. 138. 77 Dazu näher Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 651. 78 Siehe oben § 5 IV. 2. 79 BGH NJW 1994, 1470, 1471; OLG Celle NJW-RR 1994, 646, 647; OLG Saarbrücken MDR 1997, 1107; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 59; Dörner, in: Hk-BGB, § 185 Rn. 14 a.E.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 185 Rn. 11a; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 30; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 185 Rn. 28; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 70; Trautwein, in: jurisPK, BGB, § 185 Rn. 44; Larenz/Wolf, BGB AT, § 51 Rn. 30; Medicus, BGB AT, Rn. 1032; Habersack, JZ 1991, 70, 71 f.; Hagen, AcP 167 (1967), 481, 493 f.; Schreiber, Jura 2010, 599, 604. 80 Insbesondere darauf verweist die Gegenauffassung: Bub, in: Bamberger/Roth, BGB, § 185 Rn. 16; Finkenauer, in. HKK, BGB, §§ 182–185 Rn. 18; ders., FS Picker, S. 201, 221 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 79; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 185 Rn. 8 a.E.; Ott, in: AK, BGB, § 185 Rn. 22; Bork, BGB AT, Rn. 1725 Fn. 18; Flume, AT II, § 58 Fn. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VI c; Harder, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 637, 645 ff., 653; Wolf/Neuner, BGB AT, § 54 Rn. 39.
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Variante darstellt. Das kommt bereits im Wortlaut des § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 3 BGB insofern zum Ausdruck, als er explizit die unbeschränkte Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten verlangt. Wertungsmäßig macht es nun aber keinen Unterschied, ob der Berechtigte deshalb nicht haftet, weil er seine Haftung auf den Nachlass beschränkt oder weil der Verschaffungsanspruch des Erwerbers inzwischen weggefallen ist. Es muss daher widersprüchlich erscheinen, das Bestandsinteresse des Berechtigten im ersten Fall zu schützen, ihn hingegen im zweiten Fall mit dem Risiko der Uneinbringlichkeit seines Bereicherungsanspruchs gegen den Erwerber zu belasten. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Varianten der Konvaleszenz nach § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 und 3 BGB so maßgeblich, dass eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fallgruppen trotz der deutlichen Worte in den Materialien81 und der damit verbundenen Einschränkung des Abstraktionsgedankens82 ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint.
4. Geltung des Prioritätsprinzips Für die Konvaleszenz schreibt § 185 Abs. 2 S. 2 BGB den allgemeinen Grundsatz der zeitlichen Priorität83 konsequent fort: Hat ein Nichtberechtigter mehrere Verfügungen getroffen, wird im Zeitpunkt des nachträglichen Rechtserwerbs die zeitlich zuerst erfolgte Verfügung wirksam. Das ist rechtspolitisch überzeugend, weil hierdurch die Rechtslage hergestellt wird, die bestehen würde, wenn er als Berechtigter verfügt hätte84. Dann hätte er das Vollrecht allein an den Ersterwerber wirksam übertragen können; für alle weiteren Verfügungen, sei es eine weitere Vollrechtsübertragung, sei es eine Verpfändung der bereits veräußerten Sache, hätte es an der notwendigen Verfügungsmacht gefehlt. Anderes gilt, wenn ein Gegenstand zunächst verpfändet und erst später das Vollrecht übertragen wird85, weil die Verfügungen in diesem Fall nicht kollidieren; übertragen wird an den Zweiterwerber das mit dem Pfandrecht belastete Stammrecht. Auf die Genehmigung nach § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB findet der erweiterte Prioritätsgrundsatz hingegen keine Anwendung; er wird verdrängt durch das
81
Siehe nochmals oben § 5 IV. 2. Der Gedanke von Habersack, JZ 1999, 70, 72 – das Verkehrsschutzprinzip sei wegen der hier durch Universalsukzession erfolgenden Haftung nicht einschlägig – übersieht, dass sich die Frage der Rechtsgrundabhängigkeit nicht auf die Haftungsüberleitung auf den Berechtigten bezieht, sondern auf das vom nichtberechtigten Erblasser zuvor geschlossene Verfügungsgeschäft. 83 Siehe schon oben § 5 I. 3. 84 Vgl. auch v. Tuhr, AT II/1, S. 385; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 86; Neuner, AcP 203 (2003), 46, 54. 85 Zum Ganzen näher Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 87; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 31; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 60; Steffen, in: RGRK, BGB, § 185 Rn. 15; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 185 Rn. 29; Bork, BGB AT, Rn. 1730. 82
V. Zusammenfassung
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übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit86. Die Sukzessionsfreiheit des Berechtigten umfasst auch die Befugnis, bei mehreren Verfügungen des oder der Nichtberechtigten selbstständig darüber zu entscheiden, welcher potenzielle Erwerber kraft Genehmigung Nachfolger des Berechtigten werden soll87. Dieses Ergebnis ergibt sich e contrario unschwer aus § 185 Abs. 2 S. 2 BGB88. Sobald der Berechtigte allerdings eine Verfügung genehmigt, greift der Grundsatz der zeitlichen Priorität ein und alle übrigen Genehmigungen gehen ins Leere, soweit sie der genehmigten Verfügung widersprechen. Das ist etwa der Fall, wenn der Berechtigte die Übereignung des Nichtberechtigten genehmigt; eine spätere Übereignung oder Verpfändung scheidet mangels Rechtsinhaberschaft des Berechtigten aus. Genehmigt er hingegen zunächst eine Verpfändung, kann er später gleichwohl noch über das Stammrecht verfügen, da das Pfandrecht hiervon unberührt bleibt89. Das in § 185 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ausdruck gelangte Prioritätsprinzip entfaltet im Fall der Genehmigungserteilung schließlich analoge Wirkung, wenn der Berechtigte gleichzeitig mehrere einander widersprechende Verfügungen des Nichtberechtigten genehmigt. In diesem Fall erlangt nur die zeitlich frühere Verfügung Wirksamkeit90.
V. Zusammenfassung Die Sukzessionsbefugnis des Veräußerers ist als Teilgewährleistung der Verfügungsbefugnis für die rechtsgeschäftliche Sukzession von Bedeutung, weil sie dem Berechtigten die Rechtsmacht zuweist, eine Vermögensposition übertragen zu können (Zuweisungsfunktion) und den berechtigten Rechtsinhaber zugleich in die Lage versetzt, unbefugte Einwirkungen auf die Vermögensposition abzuwehren (Abwehrfunktion). Die positive Komponente ergänzt insoweit das Prinzip der Sukzessionsfreiheit; die negative Komponente ergänzt das sogleich zu behandelnde Einigungsprinzip. Eine zentrale Implikation des Erfordernisses der Verfügungsbefugnis ist das Prinzip der zeitlichen Priorität. Das Prioritätsprinzip entscheidet über die Wirksamkeit konkurrierender Verfügungen, und zwar grundsätzlich zugunsten der zeitlich früheren Verfügung. Schutzwürdige Verkehrs-, Erwerber- und
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Siehe ausf. oben § 4. Vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 185 Rn. 10; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 50; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 26; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 59; Bork, BGB AT, Rn. 1723; Flume, AT II, § 57, 3e; v. Tuhr, AT II/1, S. 381; Neuner, AcP 203 (2003), 46, 54 f. 88 Zutreffend Neuner, AcP 203 (2003), 46, 54. 89 Zum Ganzen etwa Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 50, 52; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 26; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 59. 90 Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 185 Rn. 12; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 51; Schramm, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 185 Rn. 61; Staffhorst, in: AnwKommBGB, § 185 Rn. 36; Steffen, in: RGRK, BGB, § 185 Rn. 15; Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 204 Fn. 62. 87
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§ 5 Prinzip der Sukzessionsbefugnis
Drittinteressen werden durch Vorschriften des Sukzessions- und Gutglaubensschutzes gewährleistet. Die Verfügungsbefugnis des Berechtigten ist regulärer Bestandteil eines jeden absolut zugewiesenen Vermögensrechts. Die Absolutheits- und Ausschließlichkeitswirkungen des Prinzips der absoluten Rechtszuweisung kommen in den beiden Komponenten der Verfügungsbefugnis zum Ausdruck. Die maßgeblichen Grundsätze gelten wiederum gleichermaßen für obligatorische wie dingliche Vermögensrechte. Die Verfügungsbefugnis des Ermächtigten autorisiert den Veräußerer, im eigenen Namen über fremde Rechte zu verfügen (Ermächtigungsfunktion). Der Berechtigte übt mit Erteilung der Ermächtigung sein privatautonomes Selbstbestimmungsrecht aus, das auch seine Sukzessionsfreiheit umfasst (Selbstbestimmungsfunktion). Kollisionen aus dem Nebeneinander der beiden Verfügungsberechtigten sind nach dem Prioritätsprinzip zu lösen. Die Verfügung eines Nichtberechtigten kann aufgrund nachträglichen Erwerbs der Verfügungsbefugnis auf dreierlei Weise wirksam werden, und zwar zunächst durch Genehmigung des Berechtigten, soweit er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch verfügungsbefugt ist. In Betracht kommt weiter ein nachträglicher Rechtserwerb durch den Verfügenden. Das Bestehen eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs ist kein Tatbestandsmerkmal für eine wirksame Verfügung. Anderes gilt für den dritten Konvaleszenzfall der Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten, der einen kausalen Rechtsgrund voraussetzt. Für Erwerbs- und Beerbungsfälle gilt wiederum das Prioritätsprinzip. Im Fall der Genehmigung umfasst die Sukzessionsfreiheit des Berechtigten auch das Entscheidungsrecht darüber, welche von mehreren Verfügungen wirksam werden soll.
§ 6 Einigungsprinzip Das nächste Strukturmerkmal, das ebenfalls sämtlichen Spielarten der rechtsgeschäftlichen Sukzession eignet, ist das – auch Vertrags- oder Konsensprinzip genannte – Einigungsprinzip. Jedwede rechtsgeschäftliche Nachfolge vollzieht sich aufgrund einer verfügenden Einigung, deren beide Elemente sauber auseinander zu halten sind. Da ist zunächst das Trennungsprinzip deutscher Provenienz. Danach ist der (dingliche) Vollzug des Rechtsübergangs vom schuldrechtlichen Kausalgeschäft streng zu trennen. Das Trennungsprinzip ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts1 sowie der Überlegungen zum Europäischen Privatrecht2. Davon zu unterscheiden ist das Einigungsprinzip der rechtsgeschäftlichen Sukzession, mit dem sich der vorliegende Abschnitt auseinandersetzt wird. Das Einigungsprinzip findet seine rechtssystematische Grundlage im übergeordneten Prinzip der Privatautonomie; in diesem Sinne steht es im Interesse der beiden Parteien des Sukzessionsvertrags und hält auch einer rechtsökonomischen Analyse stand (I.). Nachdem Terminologie und Mindestvoraussetzungen der verfügenden Einigung beschrieben sind (II.), wird aufgezeigt, dass die Vorschriften und Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre prinzipielle Anwendung finden (III.). Das gilt – entgegen der bisher h.M. im Mobiliarsachenrecht – auch für die Bindungswirkung der verfügenden Einigung (IV.).
I. Herleitung und Grundlagen 1. Privatautonomie als Grundlage des Einigungsprinzips Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die rechtsgeschäftliche Sukzession. Das Vertragselement, d.h., die zwischen Veräußerer und Erwerber erzielte Einigung, ist dementsprechend ein unverzichtbares Wesensmerkmal der rechtsgeschäftlichen Nachfolge3. Das grenzt die vertragliche Sukzession scharf 1
Siehe unten § 7. Siehe unten § 25 II. 3. a) und § 27 V. 1. 3 Zum Konsensprinzip im Sachenrecht siehe bereits Motive zum BGB, Bd. 3, S. 158 ff.; zum Konsenserfordernis bei zweiseitig verpflichtenden Verträgen ausf. Kramer, FS Canaris I, S. 665 ff.; zur Dogmengeschichte der Konsenslehre im Allgemeinen Mayer-Maly, in: Jakobs, Rechtsgeltung, S. 91 ff.; Schmidlin, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, S. 187 ff. 2
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§ 6 Einigungsprinzip
von Rechtsübertragungen ab, die sich kraft Gesetzes und kraft Hoheitsakts vollziehen4. Ebenso wie die Sukzessionsfreiheit5 und die Sukzessionsbefugnis6 ist das Einigungsprinzip Ausfluss des systemprägenden Grundsatzes der Privatautonomie7. Die auf das Sukzessionsgeschäft gerichtete verfügende Einigung erscheint – nicht anders als beim Verpflichtungsgeschäft – als die „Emanation jenes vorausgesetzten freien Subjektwillens“8. Neben dieser positiven Ausformung umfasst das Einigungsprinzip noch eine negative Komponente, die im Zusammenhang mit der Abwehrfunktion der Verfügungsbefugnis bereits angeklungen ist9: Bedarf die Sukzession nämlich notwendig der Mitwirkung der Vertragsparteien, werden außenstehende Dritte effektiv von einer unbefugten Einwirkung auf fremde Vermögenspositionen ausgeschlossen. Niemand muss fürchten, ohne oder gegen seinen Willen Vermögensrechte zu verlieren. Das Einigungsprinzip verbindet durch das Erfordernis korrespondierender Willenserklärungen das Konzept der Freiheit vom Vertrag – keine Bindung ohne Zustimmung der Vertragsparteien (kein Vertragszwang) – mit dem Gedanken einer Freiheit zum Vertrag – die Parteien entscheiden privatautonom über die rechtsgeschäftliche Sukzession (Sukzessionsfreiheit)10. Soweit es die verfügende Einigung anlangt, bezieht sich die Sicherungsfunktion des Einigungsprinzips allerdings nicht auf die Abwesenheit einer schuldrechtlichen Bindung. Diese beurteilt sich nach Maßgabe des obligatorischen Kausalgeschäfts. Stattdessen sichert das Einigungsprinzip auf Verfügungsebene die „Parteikontrolle über Vorliegen und Eintritt der vertraglichen Voraussetzungen des Vertragsvollzugs“. Aus diesem Grund ist die verfügende Einigung auch nicht identisch mit der schuldrechtlichen (Trennungsprinzip)11. Die verfügende Einigung ist mithin als „Vollzugsanordnung der Parteien für die beabsichtigte Güterbewegung“ anzusehen12.
2. Schutz des Erwerbers vor aufgedrängten Vermögenspositionen Aber nicht nur der Berechtigte wird auf Grundlage des Einigungsprinzips vor ungewollten Rechtsverlusten geschützt. Auch dem potenziellen Erwerber ge4
Dazu im Einzelnen schon oben im Rahmen der Phänomenologie der Nachfolge bei § 2 III. 1. Siehe oben § 4 I. 1. 6 Siehe oben § 5 I. 2. 7 Wie hier auch Bydlinski, System, S. 149; Hofmann, JA 2008, 253, 255. 8 So L. Raiser, FS DJT I, S. 101, 102. 9 Siehe oben § 5 I. 2. 10 Vgl. in diesem Zusammenhang noch Schapp, AcP 192 (1992), 355, 381, der zwischen einer „Freiheit zum Vertrag“ und einer „Freiheit im Vertrag“ unterscheidet. Zu „Vertragsfreiheit“ und „Vertragszwang“ siehe Heck, Schuldrecht, § 41, 1 und 2; Kleinschmidt, Verzicht, S. 26. 11 Zum Trennungsprinzip siehe unten § 7 I. 12 Alle Zitate: Locher, Neugestaltung, S. 45; im Original jeweils durch Sperrung hervorgehoben. 5
I. Herleitung und Grundlagen
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währleistet das Vertragsprinzip Schutz vor einer Aufdrängung unwillkommener Vermögenspositionen13. Im Rahmen der eigenverantwortlichen Regelung seiner Rechtsverhältnisse muss sich niemand ohne Zustimmung etwas – auch keinen (vermeintlichen) Vorteil – aufdrängen lassen14. Dieser Gedanke steht in der Tradition des überkommenen Rechtssprichworts beneficia non obtrunduntur15 und lässt sich mit dem hier maßgeblichen Sinngehalt bis ins naturrechtliche Zeitalter zurückverfolgen16. Ihm liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass die Privatautonomie des Veräußerers ihre Grenze in der Freiheitssphäre des Erwerbers findet17. Die Freiheit des Erwerbers, von einem – womöglich ungeliebten – Rechtserwerb verschont zu bleiben, ist von der Rechtsordnung daher ebenso zu gewährleisten, wie die Sukzessionsfreiheit des Veräußerers. Wird diese Gewährleistung negiert, tritt an die Stelle von Selbstbestimmung eine Fremdbestimmung18. Das Konsensprinzip sichert hierdurch gleichsam die negative Sukzessionsfreiheit des Erwerbers. Heute kommt dieser Aspekt des Einigungsprinzips insbesondere in den allgemeinen Vorschriften der rechtsgeschäftlichen Annahme (§§ 147 ff. BGB) sowie in verschiedenen, die Erwerberposition in den Blick nehmenden Regeln zum Ausdruck (vgl. §§ 333, 397, 516 Abs. 2, 1953, 2180 BGB)19.
3. Begründung von Eigenrechten Eine Einschränkung ist allerdings angezeigt, wenn von der Sukzession ausnahmsweise nur eine einzige Person betroffen ist, wie z.B. bei der Bestellung einer Eigentümergrundschuld oder der Begründung anderer Eigenrechte; dann besteht für einen eigenständigen Erwerberschutz kein Raum, da es an eigenständigen Erwerberinteressen fehlt20. Auf das formelle Einigungserfordernis kann hier folglich verzichtet werden; an seine Stelle tritt die Willenserklärung 13 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 160; RGZ 142, 231, 236 f.; BGHZ 41, 209, 210; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 48; Krause, AcP 145 (1939), 312, 317; Kramer, FS Canaris I, S. 665, 666 Fn. 4; siehe aus der am Vertragsprinzip geäußerten Fundamentalkritik etwa Heck, Schuldrecht, § 41, 2; Köndgen, Selbstbindung, S. 156 ff.; L. Raiser, FS DJT I, S. 101, 123 ff.; Stoll, FS Flume I, S. 741, 748 ff. 14 Zum Ausdrängungsargument näher Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 151 ff.; Dörner, Relativität, S. 123 f.: „negative Vertragsfreiheit“; Kleinschmidt, Verzicht, S. 34 f., 275 ff.; Thiele, Zustimmungen, S. 103 f.; L. Raiser, DJT I, S. 101, 121; siehe ferner Bork, AT, Rn. 657 a.E.; Larenz, Schuldrecht I, § 4; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 59; kritisch Heck, Schuldrecht, § 41, 2. 15 „Wohltaten werden nicht aufgedrängt“; dazu ausf. Altmeppen, Disponibilität, S. 4 ff.; Liebs, Rechtsregeln, Nr. B2, J134; Kleinschmidt, Verzicht, S. 277 f.; vgl. noch D. 50.17.69: Invito beneficium non datur. 16 Dazu Kleinschmidt, Verzicht, S. 34 f. 17 Vgl. Busche, Privatautonomie, S. 73, 80, 103 ff.; Kleinschmidt, Verzicht, S. 35. 18 Siehe nur Flume, AT II, § 1, 6b, § 11, 3; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 59. 19 So auch Paulus/Zenker, JuS 2001, 1, 2. 20 Vgl. Locher, Neugestaltung, S. 56.
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§ 6 Einigungsprinzip
des von der Rechtsänderung ausschließlich Betroffenen21, durch welche die berechtigten Interessen des Veräußerer-Erwerbers hinreichend geschützt werden. Die Willenserklärung des Betroffenen beinhaltet sowohl die Zustimmung zur Abspaltung des beschränkten dinglichen Rechts vom Stammrecht als auch die Zustimmung zu dessen Erwerb. Es ist daher uneingeschränkt überzeugend, wenn es zur Bestellung einer Eigentümergrundschuld nach § 1196 Abs. 2 BGB lediglich der Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt bedarf, dass die Grundschuld für ihn in das Grundbuch eingetragen werden soll22. Der Rechtsgedanken des § 1196 Abs. 2 BGB ist im Rahmen seines Regelungszwecks verallgemeinerungsfähig. Er gilt nach zutreffender Auffassung für sämtliche Fälle der konstitutiven Nachfolge, die sich ohne Änderung des Rechtssubjekts vollzieht, wie z.B. die Bestellung von Grunddienstbarkeiten23, beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten24 und Nießbräuchen25 zugunsten des Eigentümers. In allen diesen Fällen ist dem Normzweck des § 873 BGB bereits durch die einseitige Erklärung des Eigentümers vollständig entsprochen26, so dass in rechtsmethodischer Hinsicht der Wortlaut der Vorschrift orientiert am Rechtsgedanken des § 1196 Abs. 2 BGB im Wege der teleologischen Reduktion zu korrigieren ist27.
4. Ökonomische Analyse des Einigungsprinzips Aus rechtsökonomischer Perspektive stellt das Vertragselement einen integralen Bestandteil des ökonomischen Verhandlungsmodells dar, auf dessen Grundlage sich nutzenmaximierende Transaktionen vollziehen. Nach den neoklassischen Modellannahmen sorgen Markt- und Preisbildungsmechanismus dafür, dass ein Wirtschaftsgut zu demjenigen Akteur gelangt, der hieraus den größtmöglichen Nutzen zu ziehen vermag und der vermutlich auch bereit sein wird, den höchsten Preis für das Gut zu bezahlen. Grundvoraussetzung für einen sol21
RGZ 142, 231, 237; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 48. Entsprechendes gilt für die Bestellung einer Wertpapierhypothek (§ 1188 BGB) oder einer Inhabergrundschuld (§§ 1195, 1188 BGB), die ebenfalls durch einseitige Erklärung des Eigentümers an das Grundbuchamt bestellt werden. 23 RGZ 142, 231, 237; BGH WM 1984, 820; Bayer/Lieder, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT III Rn. 298; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1018 Rn. 3; Grziwotz, in: Erman, BGB, Vor § 1018 Rn. 4 a.E.; Joost, in: MünchKommBGB, § 1018 Rn. 22; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1018 Rn. 38. 24 Vgl. BGHZ 41, 209, 210 f.; Grziwotz, in: Erman, BGB, § 1090 Rn. 2; Müller, Sachenrecht, Rn. 993. 25 Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1030 Rn. 22; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1030 Rn. 3; Lemke, in: AnwKommBGB, § 1030 Rn. 64; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1030 Rn. 3; vgl. (zur Zulässigkeit) noch BGHZ 190, 267 Tz. 8 ff. 26 Vgl. noch RGZ 142, 231, 237; Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1030 Rn. 22; Regelsberger, JhJ 58 (1911), 146, 160 ff. 27 Für eine Analogiebildung zu § 1196 Abs. 2 BGB: OLG Hamm Rpfleger 1973, 137; Bayer/ Lieder, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT III Rn. 298 a.E.; Joost, in: MünchKommBGB, § 1018 Rn. 22; J. Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1018 Rn. 19, 49. 22
II. Terminologie und Mindestvoraussetzungen
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chen pareto-effizienten, d.h. allseits gewinnbringenden, Güteraustausch (mutually beneficial contract)28 ist, dass die Vertragsparteien tatsächlich am Markt frei über den Abschluss der Transaktion entscheiden können29. Das setzt eine ungehinderte Mitwirkung sämtlicher Vertragspartner am Vertragsabschluss voraus und schließt neben der Einwilligung des Veräußerers auch dieselbe des Erwerbers ein. Zugleich gewährleistet das Vertragsprinzip die individuelle Präferenzautonomie der Marktakteure. Sie manifestiert sich in der jeweiligen Zustimmung zur privatautonom vereinbarten Transaktion. Dass eine Person ihr Einverständnis mit dem Rechtsgeschäft erklärt, gibt Anlass zu der Vermutung, sie erachte die Güterverschiebung nach Maßgabe ihrer individuellen Präferenzen als vorteilhaft. Betrachtet man ausschließlich das Verfügungsgeschäft, dürfte dem Erwerber der reine Rechtserwerb typischerweise erwünscht sein, da sich die Transaktion positiv auf seine Vermögenssphäre auswirkt. Besteht ein wirksames Kausalgeschäft wird er die Leistung ebenfalls als Erfüllung der Leistungspflicht des Veräußerers betrachten, der typischerweise die Gegenleistung des Erwerbers entspricht. Allerdings gibt es hiervon auch Ausnahmen: Bereits Walter Schmidt-Rimpler berücksichtigte in seiner grundlegenden Abhandlung über die „Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts“ die wirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Personen. Er betonte zutreffend, dass sich der Erwerber „im Zweifel nichts aufbürden (werde), was er nicht braucht“. Deshalb sollte der Erwerber etwa auch unerwünschte Schenkungen abwehren können, wie z.B. wenn jemand „dem schwer Herzkranken ein Fahrrad schenken“ will. Ein aufgedrängter Vorteil ließe nämlich „gesamtwirtschaftlich gesehen die Verschiebung unrichtig und sinnlos“ erscheinen30. Das ökonomische Postulat der Präferenzautonomie verlangt folglich danach, dass auch derjenige der Transaktion zustimmen muss, der durch die Zuwendung bei objektiver Betrachtung begünstigt wird. Daher erweist sich das Einigungsprinzip auch in rechtsökonomischer Hinsicht als vorteilhaft. Das Einigungsprinzip dient folglich dem Schutz sämtlicher an der rechtsgeschäftlichen Sukzession beteiligten Vertragsparteien31.
II. Terminologie und Mindestvoraussetzungen Weniger Klarheit herrscht in Bezug auf die terminologische Ausformung des Einigungsprinzips. Bis heute ist es nicht gelungen, zu einer einheitlichen Bezeichnung der Parteivereinbarung im Rahmen des Verfügungsgeschäfts vorzustoßen. Die Einigung nach § 929 BGB wird gemeinhin als „dingliche Eini28
Dazu näher Shavell, Foundations, S. 293. Vgl. nur R. Posner, Analysis, S. 115; siehe andere Überlegungen zum Vertragsprinzip noch bei Shavell, Foundations, S. 327. 30 Alle Zitate: Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 152. 31 Zu den übrigen Funktionen der Einigung ausf. Krause, AcP 145 (1939), 312, 316 ff. 29
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§ 6 Einigungsprinzip
gung“32 oder „dinglicher Vertrag“33 bezeichnet, während diese Begrifflichkeit für die Forderungsabtretung zum Teil kritisch beäugt wird34; stattdessen ist von der „gegenständlichen Einigung“35 die Rede. Andere – nicht zuletzt die Motive zum BGB36 und das Reichsgericht37 – bezeichnen auch die Parteiabrede des Abtretungsvertrages (und der privativen Schuldübernahme38) als „dinglichen Vertrag“39 oder „dingliches Rechtsgeschäft“40. Das ist in der Sache zwar unschädlich; aus terminologischer Perspektive sind diese Bezeichnungen indes unglücklich gewählt, weil sie unweigerlich mit dinglichen Rechten assoziiert werden. Die Motive zum BGB41 und ein Großteil des Schrifttums42 verwendet den Begriff des dinglichen Rechts nun aber gerade als Gegenstück zu den obligatorischen Rechten, und zwar im Sinne unmittelbarer Herrschaftsrechte über Sachen. Daher sollte nicht der dingliche, auf Sachenrechte bezogene Charakter der Einigung in den Vordergrund gestellt werden, sondern die verfügende Wirkung des Vollzugsgeschäfts. Es liegt daher nahe, von einer verfügenden Einigung zu sprechen. Hinzu kommt ein Weiteres: Die sachenrechtlichen Sukzessionstatbestände sprechen nicht vom (dinglichen) „Vertrag“, sondern von der „Einigung“ (vgl. § 873 BGB) oder dem „Einigsein“ (vgl. § 929 S. 1 BGB). Diese Terminologie ist 32 Siehe exemplarisch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 23; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 37; siehe bereits v. Savigny, System III, S. 313. 33 Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 16; Schulte-Nölke, in: Hk, BGB, § 929 Rn. 3; MellerHannich/Schilken, in: AnwKommBGB, § 929 Rn. 21; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 174; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 6; Prütting, Sachenrecht, Rn. 372. 34 So etwa Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 1 a.E.; Heck, Schuldrecht, § 66, 6 a; CoesterWaltjen, Jura 2003, 23; Hofmann, JA 2008, 253, 255. 35 So Hofmann, JA 2008, 253, 255. Die Bezeichnung des „gegenständlichen Rechtsgeschäfts“ lässt sich zurückverfolgen bis zur grundlegenden Arbeit über den Gegenstand im Recht von Sohm, Gegenstand, S. 8. 36 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 120, 143. 37 RGZ 98, 200, 202. 38 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 143. 39 So schon Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 874: „Das Eigenthum einer Sache kann auf einen Andern nur dadurch übertragen werden, daß der Eigenthümer und der Erwerber ihren auf diese Rechtsveränderung gerichteten Willen einander erklären. Diese Erklärungen bilden den Eigenthumsübertragungsvertrag, eine Art des dinglichen Vertrags (…)“; heute ebenso Scheyhing/ Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 2 I 2; M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 227; ähnlich RGZ 149, 96, 98; Ahcin/Armbrüster, JuS 2000, 450, 452. 40 So etwa RGZ 98, 200, 202; BGH NJW 2011, 2713 Tz. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III. 41 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 1: „Seine Selbständigkeit (scil.: des Sachenrechts) beruht wesentlich in dem Gegensatze zwischen dinglichem und persönlichem Rechte. Denn während das Obligationenrecht (…) nur die rechtlichen Beziehungen der Personen zu einander in’s Auge fass(t) (…), hat das Sachenrecht die Aufgabe, die rechtlichen Beziehungen der Person zur Sache, mithin vornehmlich die dinglichen Rechte zu ordnen.“ Ebenda S. 2: „Das Wesen der Dinglichkeit liegt in der unmittelbaren Macht der Person über die Sache. (…) Hieraus folgt zugleich, daß dingliche Rechte nur stattfinden können an Sachen im eigentlichen Sinne, an körperlichen Dingen. Ueber Dinge, welche nur in der Vorstellung bestehen, namentlich über Sachgesammtheiten und Rechte, läßt sich eine reale Macht nicht üben.“ 42 Statt vieler siehe nur Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 17; Bassenge, in: Palandt, BGB, Vor § 854 Rn. 1; Gaier, in: MünchKommBGB, Einl zu § 854 Rn. 4.
II. Terminologie und Mindestvoraussetzungen
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vom historischen Gesetzgeber bewusst gewählt worden43, um die sachenrechtliche (dingliche) Einigung von der schuldrechtlichen (obligatorischen) Einigung abzuschichten. Auch wenn diese terminologische Differenzierung im Ergebnis wenig erhellend ist und ohne jede sachliche Konsequenz bleibt44, sind die Unterschiede der beiden Einigungen im Ergebnis nicht zu leugnen. Während sich die schuldrechtliche Einigung nämlich durch ein verpflichtendes Element auszeichnet, begründet die sachenrechtliche Einigung keinen Anspruch auf Übertragung des Rechts45, und zwar weder einen schuldrechtlichen46 noch einen dinglichen47. Die dingliche Einigung taugt demnach auch nicht zur Begründung von Schadensersatzansprüchen aufgrund unterbliebener Übergabe bzw. Abgabe der Eintragungsbewilligung48. Vielmehr ist die dingliche Einigung auf die unmittelbare Herbeiführung eines Rechtserfolgs gerichtet, im Fall der rechtsgeschäftlichen Sukzession ganz konkret darauf, dass eine Vermögensposition vom Veräußerer mit unmittelbarer, identitätswahrender Wirkung auf den Nachfolger übergeht49. Damit ist zugleich der notwendige Mindestinhalt aller rechtsgeschäftlichen Sukzessionstatbestände bezeichnet. Als Essentialia muss die Einigung umfassen: (1.) die zu übertragende Vermögensposition und (2.) die Vertragsparteien (Veräußerer und Erwerber) sowie (3.) die Art der Zuordnungsänderung in Bezug auf eine bestimmte50 Position. Dass keine weiteren Voraussetzungen erforderlich sind, insbesondere kein spezifischer (Rechts-)Grund für die Verfügung gegeben sein muss, ist direkte Folge des Trennungs- und Abstraktionsprinzips, die den Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts bilden51.
43 Zur weitschweifigen und wenig erhellenden Debatte ausf. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 56 ff.; dazu aus heutiger Sicht Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 34 ff.; Schubert, Entstehung, S. 132; Lipp, FS Happ, S. 363, 369 ff. 44 Darauf verweist zutreffend Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 36. 45 RGZ 115, 35, 38 f.; 151, 75, 77; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1389, 1390; Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 35, 122; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 39, 59; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 49; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 9; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 2 c; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II 3; vgl. noch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 172. 46 So aber früher Fuchs, Grundbegriffe, S. 161 ff. 47 So aber früher Endemann, Sachenrecht, § 21, 3. 48 Vgl. RGZ 151, 75, 77; Rosenberg, Sachenrecht, § 873 Anm. IV 5 f ; Biermann, Sachenrecht, § 873 Anm. 4; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 2 c; Simon, Natur, S. 11. 49 In diesem Sinne bereits die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 7: „An den Inhalt des einzelnen Geschäftes ist daher nur die Anforderung zu stellen, daß der auf den Zweck des Geschäftes gerichtete Wille der Betheiligten erklärt wird.“ Hervorhebung im Original nicht kursiv, sondern gesperrt. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 8, 24 spricht in diesem Zusammenhang vom „Prinzip der inneren Abstraktion“. 50 Zum Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip siehe unten § 8. 51 Speziell zu diesem sukzessionsrechtlichen Minimalkonsens siehe unten § 7 II. 1.
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§ 6 Einigungsprinzip
III. Geltung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre 1. Anwendbare Vorschriften Für die Wirksamkeit der verfügenden Einigung gelten im Grundsatz die Vorschriften der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre (§§ 104 ff. BGB)52. Das ergibt sich bereits aus der Konzeption des Allgemeinen Teils des BGB, dessen Sinn es ist, in allen Teilen des BGB zur Anwendung zu gelangen, soweit keine abweichenden Spezialbestimmungen getroffen sind53. Anwendbar sind daher namentlich die Vorschriften über die Rechts- und Geschäftsfähigkeit54, Willensmängel55, die Auslegung56 sowie Gesetzesverstöße57. Aus dem Charakter der rechtsgeschäftlichen Sukzession als Verfügungsgeschäft folgt ferner die Anwendbarkeit relativer Verfügungsbeschränkungen nach §§ 135, 136 BGB58 sowie der Grundsätze über die Verfügungen von Nichtberechtigten (§ 185 BGB)59. Dabei bewirkt die Einigung als solche – entgegen einer früher vertretenen Position60 – keine relative Verfügungsbeschränkung des Veräußerers iSd. §§ 135, 892 Abs. 1 S. 2 BGB61. Weiterhin gelten für die Auslegung der Einigung nach zutreffender Auffassung selbst im Grundstücksrecht – anders als nach h.M. für die Auslegung der Eintragung62 – die allgemeinen Grundsätze der
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So bereits Motive zum BGB, Bd. 3, S. 7 f.; Simon, Natur, S. 89 ff.; Heck, Sachenrecht, § 55, 2; heute allg. M.; ferner siehe exemplarisch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 38 a.E.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 56; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 77; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 5 ff.; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 2 a. 53 Siehe etwa RGZ 54, 362, 366; Wieling, Sachenrecht, § 1 I 3. 54 Vgl. RGZ 72, 61, 63 ff.; BGH NJW 1988, 3260; BayObLG NJW-RR 1989, 910. 55 Dazu ausf. Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 ff.; aus der Rechtsprechung siehe RGZ 89, 152, 157. 56 Vgl. BGH WM 1978, 194, 196; NJW 1990, 1913. 57 Vgl. RGZ 130, 248, 252; BGHZ 11, 59, 61; BGH NJW 1983, 636. 58 Siehe näher oben § 4 III. 3.; vgl. weiter Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 56; Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 6. 59 Dazu ausf. oben § 5 III., IV.; vgl. weiter OLG Köln DNotZ 1980, 628 ff.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 67; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 2 a; Simon, Natur, S. 136 ff. 60 So Koffka, FG Wilke, S. 167 ff.; dem folgend Simon, Natur, S. 16 ff. 61 Allg. M.: RGZ 55, 340, 342; 66, 285, 288; 73, 50, 53; 81, 64, 68; 113, 403, 407; BGHZ 49, 197, 200; 83, 395, 398 f.; BayObLG NJW-RR 1999, 1392, 1393; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 873 Rn. 9; Biermann, BGB, § 873 Anm. 5; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 39, 173; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 81; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. III 2 c ; Wieling, Sachenrecht, § 1 III 2 c; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 IV. 62 Dazu grundlegend H. Westermann, DNotZ 1958, 259 ff., 262; ferner Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 62, 253, 269; Hagen, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 20 a.E.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 94 f.; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl. Rn. G 92 ff.; Munzig, in: Kuntze/ Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, Einl. Rn. C 35 ff.; Eickmann, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 74 II 6; a.A. Falckenberg, in: MünchKommBGB, § 1018 Rn. 18 f.; Joost, in: MünchKommBGB, § 1105 Rn. 24 ff.
III. Geltung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre
239
§§ 133, 157 BGB63. Maßgeblich ist also die Sichtweise des objektiven Empfängerhorizonts, wobei sämtliche, auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände einzubeziehen sind64. Und schließlich können auch verfügende Einigungen grundsätzlich unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt werden (§ 158 BGB). Das gilt für Forderungsabtretung65, Schuldübernahme66 und den Mobiliarerwerb67, nicht aber für die Übereignung von Grundstücken:
2. Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung Die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung gem. § 925 Abs. 2 BGB ist eine echte Anomalie des Liegenschaftsrechts gegenüber den allgemeinen Grundsätzen des Einigungsprinzips. Was uns heute ganz selbstverständlich erscheint und wegen der Sicherungswirkung der Vormerkung auch in der Praxis kaum Schwierigkeiten bereitet, kann auf eine bemerkenswerte rechtshistorische Entwicklung zurückblicken, die aufs Engste verflochten ist mit der dogmatischen Verortung bedingter Verfügungen (a). Aus heutiger Perspektive ist die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung als notwendige Ergänzung des liegenschaftsrechtlichen Eintragungsprinzips zu verstehen (b), das seinerseits zahlreiche Besonderheiten des Immobiliarerwerbs bedingt. a) Entstehungsgeschichtliche Entwicklung Seit dem Mittelalter schützte das gemeine Recht den durch eine bedingte Verfügung Berechtigten mittels Rückbeziehung der Wirkungen des Bedingungseintritts68. Diese sogenannte Pendenztheorie69 wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts überwunden70 und fand auch bei der Erarbeitung des BGB keine Be63 BGH NJW 1960, 673; DNotZ 1966, 172, 173 f.; BayObLG DNotZ 1995, 56, 57 f.; Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 48; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 62; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 64; Krause, in: AnwKommBGB, § 873 Rn. 12; Rothe, in: RGRK, BGB, § 1018 Rn. 29; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl. Rn. G 85 ff.; Eickmann, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 74 I 2; H. Westermann, DNotZ 1958, 259, 261 f.; a.A. (Anwendung der strengen Grundsätze wie bei der Eintragung; vgl. Fn. 62) noch RGZ 131, 158, 168; BGHZ 60, 226, 231; Hagen, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 15, § 925 Rn. 37; Seifert, in: Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 873 Rn. 41; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II 3. 64 Vgl. RGZ 77, 33; BGH DNotZ 1966, 172; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 65; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 64. 65 Vgl. nur Wolf, in: Soergel, BGB, § 158 Rn. 34. 66 Vgl. nur BGHZ 31, 312, 323; BGH WM 1959, 1195. 67 Vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 27 ff.; Michalski, in: Erman, BGB, § 929 Rn. 7, 7a. 68 Dazu ausf. Schiemann, Bedingung, S. 29 ff.; allgemein zur Entwicklungsgeschichte Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 169 f. 69 Dazu ausf. Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162, 164 ff.; Armgardt, AcP 206 (2006), 654 ff. 70 Dazu umfassend Schiemann, Bedingung, S. 95 ff.
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§ 6 Einigungsprinzip
rücksichtigung mehr. Allerdings wichen die Vorentwürfe zum BGB sachlich voneinander ab. Während der Vorentwurf zum Allgemeinen Teil vorsah, dass Zwischenverfügungen nach einer aufschiebend bedingten Verfügung mit Bedingungseintritt unwirksam sein sollten (vgl. heute § 161 Abs. 1 S. 1 BGB) und nur eine schuldrechtliche Rückabwicklung stattfinden sollte (vgl. heute § 159 BGB)71, schloss der sachenrechtliche Vorentwurf von Reinhold Johow einerseits die bedingte und befristete Auflassung aus72, andererseits sollte bei der Fahrnisübereignung das Eigentum bereits vor Bedingungseintritt sogleich auf den Erwerber übergehen; im Fall der auflösenden Bedingung war der Rückfall an den Veräußerer ausgeschlossen73. Zur Begründung der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung verwies Johow auf inhaltsgleiche Partikularrechte74. Außerdem – so der Redaktor – komme die Eintragung des bedingten Erwerbers in das Grundbuch nicht in Betracht, weil die Auflassung erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts wirksam werde; die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch sei deshalb auch erst zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt75. Verkehrsfreundlicher argumentierte Johow im Zusammenhang mit dem bedingten und befristeten Mobiliarerwerb. Obgleich die zeitgenössische Rechtsprechung76 im Anschluss an die gemeinrechtliche Lehre77 bedingte Verfügungen anerkannte, versagte der Vorentwurf Letzteren jedwede dingliche Wirkung, weil während der Schwebezeit zweifelhaft bleiben müsse, wem die Rechte aus dem Eigentum zustünden78. Andernfalls müssten die aus dem Eigentum fließenden Rechte nämlich auf mehrere Personen verteilt werden und jeder Beteiligte wäre in der Ausübung seiner Rechte durch die Befugnisse des jeweils anderen beschränkt79. Zudem dürfe schon aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht zweifelhaft bleiben, welcher Teil während der Schwebezeit als Eigentümer der Sache anzusehen sei. Deshalb votierte der Vorentwurf für die unbedingte Wirksamkeit der (nur bedingt vereinbarten) Mobiliarverfügung. Dieses Ergebnis suchte man weiter mit der Erwägung zu stützen, dass in der Sachübergabe an den Erwerber der auf den Eigentumsübergang gerichtete Wille des Veräußerers zum Ausdruck komme, während eine bedingte Übergabe mit den zeitgenössischen dogmatischen Kategorien ohnehin nicht in Einklang zu bringen sei80:
71
§§ 54, 56 Abs. 2 des Vorentwurfs zum Allgemeinen Teil; dazu Gebhard, bei Schubert, BGB AT I, S. 240 ff.; vgl. weiter Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 169 f. 72 § 119 Abs. 1 des Vorentwurfs zum Sachenrecht. 73 § 137 des Vorentwurfs zum Sachenrecht. 74 Später ebenso Motive zum BGB, Bd. 3, S. 318 f. 75 Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 796 f. 76 Dazu Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 905 ff. 77 Dazu Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 904 f. 78 Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 912. 79 Dazu ausf. Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 912 ff.; siehe ferner Bekker, Pandekten II, § 116; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 170. 80 Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 919.
III. Geltung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre
241
„Für den Verkehr ist die Uebergabe behufs Eigenthumsübertragung mit der Beifügung, daß für einen gewissen Fall doch die Eigenthumsrechte des Veräußerers beharren sollen, ein unverständlicher und in sich widerspruchsvoller Vorgang. (…) Auch bei dieser Vertragsform ebenso wie bei der Vertragsform für die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken ist eine Reinlichkeit der Form durch Ablehnung von Zusätzen, welche die Rechtswirkung modifiziren, für alle dritte Personen von der größten Bedeutung, da durch die Aufnahme von Zusätzen für alle dritte Personen die Prüfung, wer Eigenthümer sei, in belästigender Weise erschwert wird. Die Irreführung Dritter liegt bei der bedingten Uebergabe sehr nahe.“
Die 1. BGB-Kommission verwarf diese Überlegungen. Zwar stand sie in Übereinstimmung mit den Vorentwürfen auf dem Standpunkt, dass die Pendenzlehre einen Irrweg beschreite und sie daher in einer modernen Privatrechtsordnung keine Berücksichtigung verdiene81. Anders als der sachenrechtliche Vorentwurf ließ es die 1. Kommission aber zu, die Übereignung beweglicher Sachen unter eine (dinglich wirkende) Bedingung zu stellen. Ausschlaggebend dafür waren allerdings keine dogmatischen, sondern rechtspraktische Erwägungen82: „Die praktische Bedeutung aufschiebend bedingter Rechtsgeschäfte besteht darin, daß sie die Möglichkeit gewähren, künftige Rechtsverhältnisse auf gewisse Eventualitäten hin im Voraus mit Sicherheit zu begründen. Der in der Gewährung dieser Möglichkeit liegende Rechtszweck verlangt mehr als einen unter Umständen werthlosen, blos obligatorischen Schutz des bedingt Berechtigten; er verlangt Unverkümmerbarkeit des in Aussicht gestellten Rechts.“
Den von Johow geltend gemachten Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entsprach der 1. Entwurf dadurch, dass er den Zwischenerwerber in seinem guten Glauben an die von Verfügungsbeschränkungen freie Rechtsmacht des Veräußerers nach Maßgabe der entsprechend anwendbaren Gutglaubensvorschriften schützte (vgl. heute § 161 Abs. 3 BGB)83. Das ist in rechtspolitischer Hinsicht auch durchweg überzeugend. Denn wenn das Prinzip des Gutglaubenserwerbs schon über einen Mangel des Vollrechts hinwegzuhelfen vermag, dann ist der redliche Rechtsverkehr erst recht schutzwürdig, wenn der Verfügende Vollrechtsinhaber und aufgrund einer vorausgegangenen bedingten Verfügung lediglich in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt ist und insofern eine stärkere Legitimation aufweist als der Nichtberechtigte. Durch diese Lösung wird zugleich verhindert, dass das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers stärkeren Schutz genießt als das Vollrecht84.
81 82 83 84
Motive zum BGB, Bd. 1, S. 260. Motive zum BGB, Bd. 1, S. 261. Siehe hierzu schon oben § 4 III. 3. c) ee). Vgl. (in einem anderen Kontext) Lieder, Jura 2010, 801, 806.
242
§ 6 Einigungsprinzip
b) Bedingungsfeindlichkeit, Eintragungsprinzip und Folgerungen Aus heutiger Perspektive steht die Bedingungs- und Befristungsfeindlichkeit der Auflassung gem. § 925 Abs. 2 BGB85 in untrennbarem Zusammenhang mit den Erfordernissen des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr, wie sie insbesondere im Eintragungsprinzip ihren Ausdruck gefunden haben86. Rechtsdogmatische Erwägungen, die noch die Vorentwürfe und das gemeine Recht dominierten, sind gegenüber rechtspraktischen Erwägungen in den Beratungen über die BGB-Entwürfe deutlich in den Hintergrund getreten. Allerdings war das ablehnende Votum des sachenrechtlichen Vorentwurfs in den Beratungen der Kommissionen alles andere als unumstritten87. Für die Zulassung bedingter Auflassungen wurde insbesondere geltend gemacht, dass auch im Grundstücksverkehr – nicht anders als für den Mobiliarerwerb – ein praktisches Bedürfnis für einen Erwerb unter Eigentumsvorbehalt bestehe. Den Ausschlag zugunsten der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung gaben letztlich die Bedeutung des liegenschaftsrechtlichen Eintragungsprinzips sowie der öffentliche Glaube des Grundbuchs. Auf Grundlage des Eintragungsprinzips soll die wahre Rechtslage jederzeit aus dem Grundbuch ersichtlich sein, und zudem sollen sich rechtsgeschäftliche Änderungen an Grundstücksrechten ausschließlich unter Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch vollziehen. Es ist daher Anspruch des Grundbuchs, dass seine Eintragungen mit der wahren Rechtslage (an Grundstücken) in jeder Hinsicht übereinstimmen. Zudem sind Grundbucheintragungen mit Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen ausgestattet88. Dieses Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wäre indes nicht länger gewährleistet, könnte das Grundstückseigentum bedingt oder befristet übertragen werden, weil solche Auflassungen zu einem – jedenfalls zeitweiligen – Auseinanderfallen von Eigentümerstellung und Grundbucheintragung führen müsste. Zwar könnte man die Eintragung des Eintritts oder Ausfalls einer Bedingung durch Antragspflichten fördern, bis zur Eintragung selbst bliebe das Grundbuch indes unrichtig89. Die hiermit für die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs verbundenen Kalamitäten liegen auf der Hand: Der Rechtsverkehr, insbesondere potenzielle Erwerber von Grundstücken und Grundstücksrechten, könnten nicht länger darauf vertrauen, dass der Veräußerer in der Lage ist, ihnen das ausbedungene Liegenschaftsrecht als Berechtigter zu verschaffen. Die Folgen wären kostspielige Nachforschungen, die in Form zusätzlicher Transaktions85 Entsprechende Sondervorschriften finden sich für Wohnungs- bzw. Teileigentum in § 4 Abs. 2 S. 2 WEG, für das Erbbaurecht in §§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG, und für das Dauerwohnrecht in § 30 Abs. 1 S. 2 WEG. 86 Zum Eintragungsprinzip ausf. unten § 10 II. 87 Dazu ausf. Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 92. 88 Das Schrifttum erklärt die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung nicht selten unter Hinweis auf den „rechtlich bedeutsame(n) Status“, den die Eintragung als fundamentales Rechtsverhältnis begründe; so namentlich Flume, AT II, § 38, 5; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 817. 89 Vgl. Locher, Neugestaltung, S. 100.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
243
kosten das Grundstücksgeschäft verteuerten. Sie werden vermieden und wohlstandsmaximierende Transaktionen erleichtert, erklärt man die Auflassung für bedingungs- und befristungsfeindlich90. Die Bedingungs- und Befristungsfeindlichkeit der Auflassung zielt folglich auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Grundstücksverkehrs ab91; sie flankiert die Funktionsfähigkeit des Eintragungsprinzips und ist daher – zumindest mittelbar – zugleich auf die ergänzende Absicherung des Prinzips der Sukzessionsfreiheit gerichtet. Davon abgesehen entschied sich der historische Gesetzgeber dafür, berechtigte Parteiinteressen an einem gestreckten Grundstückserwerb durch Zulassung der Vormerkung als Sicherungsmittel eigener Art zu schützen92. Auf diese Weise sind insbesondere die Interessen des Erwerbers an einem rechtssicheren Grundstückserwerb gewährleistet. Die Betrachtungen zu den Grenzen der Sukzessionsfreiheit haben ergeben93, dass die erwerbssichernden Verfügungsbeschränkungen für Forderungen und bewegliche Sachen (§ 161 BGB) auf der einen Seite und für Grundstücke (§§ 883 Abs. 2, 888 BGB) auf der anderen in ihren maßgeblichen Strukturen bemerkenswerte Parallelen aufweisen, die regelmäßig für ein vergleichbares Maß an Erwerberschutz sorgen. Mit der Zulassung der Vormerkung entschied sich der Gesetzgeber zugleich gegen die Eintragungsfähigkeit bedingter Ansprüche auf Erwerb von Grundstückseigentum, und zwar auch deshalb, weil er die Schaffung vollstreckungsfreien Vermögens verhindern und zugleich ermöglichen wollte, dass bei Begründung einer Vormerkung – anders als im Rahmen einer auflösend bedingten Grundstücksübereignung – in den gesicherten Verschaffungsanspruch vollstreckt werden kann94.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung Eine weitere Besonderheit ergibt sich für den Erwerb von Grundstücksrechten in Bezug auf die Bindungswirkung der dinglichen Einigung. Sie ist gem. § 873 Abs. 2 BGB abweichend von §§ 145 ff. BGB auf den Zeitpunkt hinausgeschoben, in dem die Vertragsparteien ihren Willen zur dinglichen Rechtsübertragung in besonderer Weise dokumentiert haben. Vor diesem Zeitpunkt ist die dingliche Einigung im Liegenschaftsrecht nach einhelliger Ansicht frei wider-
90 Vgl. Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 925 Rn. 1 a.E.; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 91. 91 A.A. Kohler, DNotZ 1989, 339, 345: nicht Verkehrsschutz, sondern Vollstreckungsschutz. 92 Dazu Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 183 f.; Schubert, Entstehung, S. 137; so im Ansatz bereits § 119 Abs. 1 und 2 des Vorentwurfs zum Sachenrecht; vgl. dazu Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 673 ff. 93 Zum Ganzen siehe oben § 4 III. 3. c). 94 Protokolle zum BGB, S. 183; klar herausgearbeitet von Kohler, DNotZ 1989, 339, 345 f.; dem folgend BGHZ 134, 182, 187.
244
§ 6 Einigungsprinzip
ruflich95. Gleiches soll nach herrschender – freilich sehr umstrittener – Auffassung für die dingliche Einigung gem. § 929 S. 1 BGB gelten, während der verfügenden Einigung des Abtretungsvertrages in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts gemeinhin Bindungswirkung zugesprochen wird. Die folgenden Überlegungen werden zeigen, dass die verfügende Einigung die Vertragsparteien nicht anders bindet als die auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft gerichtete Einigung. Es bestehen daher keine Zweifel an der Bindungswirkung der auf den Forderungsübergang gerichteten Einigung (1.). Für das Grundstücksrecht ergeben sich aus § 873 Abs. 2 BGB einige Besonderheiten, die sich – ebenso wie die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung96 – unter Bezugnahme auf das liegenschaftsrechtliche Eintragungsprinzip erklären lassen (2.). Abzulehnen ist hingegen die noch immer herrschende Auffassung im Mobiliarsachenrecht, die der dinglichen Einigung keine Bindungswirkung zuerkennen will, sie vielmehr als frei widerruflich ansieht. Diese Position ist weder mit den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre in Einklang zu bringen, noch mit dem dinglichen Charakter der Parteiabrede zu rechtfertigen. Es wird daher dezidiert für die Gegenauffassung votiert, die der dinglichen Einigung iSd. § 929 S. 1 BGB mit Recht die reguläre Bindungswirkung des § 145 BGB zuerkennt (3.).
1. Bindungswirkung des Abtretungsvertrages Das Problem der Bindungswirkung dinglicher Einigungen wird im sachenrechtlichen Kontext, vor allem für den Mobiliarerwerb breit diskutiert. Nach einer vergleichbar tiefschürfenden Debatte sucht man für das Zessionsrecht vergebens. Das ist dem Umstand geschuldet, dass sich die Übertragung beweglicher und unbeweglicher Sachen nach Maßgabe dualistisch strukturierter Übertragungstatbestände vollzieht97. Neben das Willenselement der dinglichen Einigung tritt jeweils ein faktisches Vollzugselement (Übergabe, Eintragung): mit der Folge, dass sich sachenrechtliche Sukzessionen häufig in Form eines gestreckten Erwerbs vollziehen. Forderungen und andere (obligatorische) Rechte gehen hingegen gem. § 398 BGB infolge einer auf den Rechtsübergang gerichteten Einigung unmittelbar und regelmäßig ohne zeitliche Verzögerung vom Zedenten auf den Zessionar über, ohne dass noch weitere An95 Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 36; Bork, in: Staudinger, BGB, § 145 Rn. 23; Flad, in: Planck, BGB, Vor § 145 Anm. 2; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 45, 154; Kramer, in: MünchKommBGB, § 145 Rn. 19; Krause, in: AnwKommBGB, § 873 Rn. 11; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. zu § 873 Rn. 77; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 11; Flume, AT II, § 35 I 3 b; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II 2. – Zum streitigen Verhältnis zwischen § 873 Abs. 2 BGB und § 925 BGB vgl. Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 111. 96 Siehe oben § 6 III. 2. 97 Siehe oben § 4 III. 3.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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forderungen an den Forderungsübergang zu stellen wären98. Daher wird die Frage nach der Bindungswirkung des Abtretungsvertrages nur virulent, wenn das Wirksamwerden der Forderungszession nicht mit dem Abschluss der verfügenden Einigung zusammenfällt, sondern auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben ist99. Hauptanwendungsfall ist die Vorausabtretung100, deren zivilrechtliche Zulässigkeit heute einhellig anerkannt ist101. Den allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts folgend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Bindungswirkung der auf Vorausabtretung gerichteten Parteiabrede bejaht102; das Schrifttum ist dieser Linie einmütig gefolgt103. Nach einer tiefergehenden, vor allem rechtsdogmatischen Begründung für diese Position sucht man in Rechtsprechung und Literatur vergebens104. Gleichwohl ist diese Auffassung zutreffend, weil sich die für die Bindungswirkung der verpflichtenden Einigung streitenden Gesichtspunkte, namentlich der individuelle Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers sowie das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit im Rechtsverkehr, ohne weiteres auf die verfügende Einigung der Vorausabtretung übertragen lassen. Auch im Zessionsrecht hat der Erklärungsempfänger ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sich der Erklärende nicht nach Belieben im Nachhinein von seiner einmal geäußerten Abtretungserklärung wieder distanzieren kann105. Die Bindungswirkung der Vorausabtretung hat zur Folge, dass der Forderungserwerb des ursprünglichen Zessionars bei Entstehung der Forderung nicht durch Vornahme einer weiteren Abtretung vereitelt oder beeinträchtigt werden kann. Die Vorausabtretung vermittelt dem ursprünglichen Abtretungs98
Siehe oben § 4 III. 4. b). Zum Problem bereits M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 224 f. 100 Für weitere Beispiele siehe M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 225 f. 101 Vgl. exemplarisch RGZ 55, 334; 58, 71, 72; 67, 166, 167; 92, 238, 239; 136, 100, 102; 149, 19, 21; BGHZ 7, 365, 367 f.; 26, 185, 188; 30, 149, 151; 88, 205, 206 f.; 108, 98, 104; BGH NJW 1988, 3204, 3205; NJW-RR 2003, 1690, 1691; 2005, 1408; aus dem Schrifttum grundlegend v. Tuhr, AT II/1, S. 387 ff.; ders., DJZ 1904, 426, 427; siehe ferner exemplarisch Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 63; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79; Weber, in: RGRK, BGB, § 398 Rn. 11; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 11; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT I/2, § 37 I 2 a; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; v. Caemmerer, JZ 1953, 97 ff.; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 463 f.; zur Entwicklungsgeschichte instruktiv Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 I. 102 BGHZ 32, 367, 369; 88, 205, 206; BGH NJW 1960, 1712, 1713; 2008, 1153 Tz. 33. 103 Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 71; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79 a.E.; Weber, in: RGRK, BGB, § 398 Rn. 10; Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 I 2; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 9 III 1; Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 627 f.; Hahnzog, Rechtsstellung, S. 28 ff.; zuvor noch a.A. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 141 f. unter Hinweis auf die h.M. beim Mobiliarerwerb gem. § 929 S. 1 BGB; ebenso heute wieder Brinkmann, Kreditsicherheiten, S. 163 f. 104 Tiefergehend nur Hahnzog, Rechtsstellung, S. 28 ff.; R. Stoll, Globalzession, S. 104 ff. 105 Hier gilt nichts anderes als für die dingliche Einigung gem. § 929 S. 1 BGB; dazu ausf. unten § 6 IV. 3. b) cc). 99
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§ 6 Einigungsprinzip
empfänger dementsprechend bereits eine gesicherte Rechtsposition, die durch nachfolgende, konkurrierende Verfügungen nicht mehr beeinträchtigt werden kann106. Diese Sichtweise wird bestätigt durch einen Blick auf den für die Konvaleszenztatbestände geltenden § 185 Abs. 2 S. 2 BGB107: Wenn von mehreren konkurrierenden Sukzessionen eines Nichtberechtigten im Konvaleszenzfall die zeitlich frühere wirksam wird, dann liegt es nahe, auch der jüngeren Vorausverfügung den Vorrang gegenüber der älteren zu gewähren. Wertungsmäßig macht es nämlich keinen Unterschied, ob das Verfügungshindernis in der (zunächst) fehlenden Sukzessionsbefugnis oder der (zunächst) fehlenden Existenz des Verfügungsgegenstands besteht. Die Sukzessionswirkungen treten – in Übereinstimmung mit dem Koinzidenzprinzip – allerdings erst in dem Zeitpunkt ein, wenn die Forderung in der Person des Veräußerers entsteht108.
2. Bindungswirkung im Liegenschaftsrecht Im Liegenschaftsrecht hängt die Bindungswirkung der dinglichen Einigung alternativ davon ab, ob (1.) die Parteierklärungen notariell beurkundet, (2.) vor dem Grundbuchamt abgegeben109 oder (3.) beim Grundbuchamt eingereicht sind oder (4.) der Veräußerer dem Erwerber eine Eintragungsbewilligung (vgl. § 19 GBO) ausgehändigt hat (§ 873 Abs. 2 BGB). Die liegenschaftsrechtliche Sondervorschrift verfolgt eine doppelte Schutzrichtung. Das Hinausschieben der Bindungswirkung dient – in Übereinstimmung mit der h.M.110 und trotz der insofern geäußerten Kritik111 – dem Schutz des Veräußerers vor einem unüberlegten Verlust von Grundstücksrechten. Andererseits bewirkt die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt eingetretene Bindung eine gesicherte Rechtsposition zugunsten des Erwerbers: mit der Folge, dass sich der Veräußerer nach Bindungseintritt nicht mehr einseitig von der getroffenen Parteiabrede lösen kann.
106
Vgl. auch Hahnzog, Rechtsstellung, S. 26 f. Dazu oben § 5 IV. 4.; so auch RGZ 149, 19, 22; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 69; Leptien, in: Soergel, BGB, § 185 Rn. 29; Eckart, ZIP 1997, 957, 961; Flume, NJW 1959, 913, 916; Hahnzog, Rechtsstellung, S. 33; vgl. noch R. Stoll, Globalzession, S. 106. 108 BGHZ 30, 238, 240; 88, 205, 206; BGH NJW 1960, 1712, 1713; 1995, 1668, 1671; NJW-RR 2010, 192 Tz. 10. 109 Zu dieser Möglichkeit siehe Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 158 f.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 76; a.A. offenbar Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 18 a.E.; Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 74 Rn. 15. 110 Den Gedanken des Veräußererschutzes betonend Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 626; im Ergebnis auch Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 73; Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 17; offen gelassen von Lipp, FS Schapp, S. 363, 374. 111 Besonders scharf Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151; kritisch auch Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 17; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74. 107
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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a) Schutz von Veräußererinteressen Um den Zeitpunkt der Bindungswirkung wurde im Gesetzgebungsverfahren hart gerungen112. Ursache war die vorausgegangene Entscheidung zugunsten des Eintragungsprinzips, welches die Wirksamkeit des dinglichen Rechtsübergangs an die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bindet113. Nach dieser Rechtslage war es denkbar, die rechtliche Bindung entweder für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder den Zeitpunkt der Grundbucheintragung anzuordnen. Der historische Gesetzgeber lehnte im Ergebnis beide Extrempositionen ab und entschied sich stattdessen für eine Kompromisslösung. Die 1. BGB-Kommission hielt es im Grundsatz für unbedenklich, die Bindungswirkung mit erzielter Willensübereinstimmung eintreten zu lassen, soweit die Parteierklärungen nur vor dem Grundbuchamt abgegeben werden. Eine Bindungswirkung für außerhalb der zuständigen Stelle getroffene Abreden hätten nach Auffassung der 1. Kommission hingegen „die Verfügung über das Eigenthum und andere Rechte an Grundstücken zu sehr erleichtert (…)“ – ein Ergebnis, dem auch die 2. Kommission tunlichst entgegentreten wollte114. Es bedürfe deshalb einer ausreichenden Gewähr dafür, „daß nicht übereilt und leichtfertig über die Rechte an Grund und Boden verfügt“ werde. Zu diesem Zweck schuf der Gesetzgeber besondere Bindungsvoraussetzungen und meinte damit auch das Problem lösen zu können, dass die Parteien in einem frühen Transaktionsstadium an eine Abrede gebunden werden, die womöglich nur auf eine (schuldrechtliche) Verpflichtung, nicht aber auf eine (dingliche) Verfügung gerichtet sei, zumal die Einigung – mit Ausnahme der Eigentumsübertragung gem. § 925 Abs. 1 BGB – keiner besonderen Form bedürfe115. Im Ergebnis waren es also keine rechtsdogmatischen, sondern „wesentlich praktische Gründe“116, die den historischen Gesetzgeber dazu veranlassten, den Bindungszeitpunkt zum Schutz berechtigter Veräußererinteressen hinauszuschieben. Die historisch-teleologischen Erwägungen sind im Grundsatz durchaus nachvollziehbar. Allerdings vermag § 873 Abs. 2 BGB den ihm zugewiesenen Schutzzweck nur eingeschränkt zu verwirklichen117. Ist nämlich das – regelmäßig nicht formbedürftige – Kausalgeschäft wirksam zustande gekommen, kann der Erwerber seinen Verschaffungsanspruch ungeachtet eines erfolgten Widerrufs gegen den obligatorisch verpflichteten Veräußerer durchsetzen und auf diese Weise gleichwohl den dinglichen Rechtserwerb erzwingen. Effektiver 112
Zum Folgenden siehe vor allem Motive zum BGB, Bd. 3, S. 175 f. Vgl. Schubert, Entstehung, S. 123. 114 Siehe Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 63: „der leichtsinnigen Verfügung der Parteien über Immobilien (ist) entgegenzutreten“. 115 Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 63. 116 So ausdrücklich Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 62 f. 117 Wie hier zum Folgenden Locher, Neugestaltung, S. 80 f.; J. v. Gierke, Sachenrecht, § 17 I 1 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74; Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 17; Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 626; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 37 Rn. 12. 113
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§ 6 Einigungsprinzip
Schutz vor unüberlegten Grundstücksgeschäften muss daher bereits am Verpflichtungsgeschäft ansetzen, wie es für die Grundstücksübereignung in Gestalt des besonderen Formerfordernisses gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehen ist. Schutzwirkungen entfaltet § 873 Abs. 2 BGB dementsprechend nur bei Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts118, wenn also eine Rechtsdurchsetzung mangels wirksamen Verschaffungsanspruchs nicht in Betracht kommt. Zudem kann der Veräußerer Vorleistungen unter Berufung auf § 873 Abs. 2 BGB verweigern119. In beiden Fällen bedarf es der durch die freie Widerruflichkeit vermittelten Schutzwirkung indes nicht, weil der Veräußerer den Rechtserwerb auch dadurch verhindern kann, dass er dem Erwerber die nach § 29 GBO formbedürftige Eintragungsbewilligung vorenthält120.121 Trotz der eingeschränkten Tragfähigkeit des historischen Normzwecks bestehen de lege lata keine Bedenken gegen eine wortlautgetreue Anwendung des § 873 Abs. 2 BGB. Insbesondere wäre es verfehlt, der Vorschrift unter Hinweis auf die Lückenhaftigkeit der teleologischen Grundlage einen von der ursprünglichen Intention des historischen Gesetzgebers nicht gedeckten Normzweck unterzuschieben122. Ungeachtet flankierender Sicherungsmöglichkeiten aus dem Bereich des Grundbuchrechts, namentlich der Eintragungsbewilligung, dient die Widerruflichkeit der dinglichen Einigung dem Schutz des Veräußerers vor übereilten Grundstücksgeschäften. Es ist daher unschädlich, wenn dieses Regelungsziel durch unterschiedliche Vorschriften verwirklicht wird, zumal die Regelungen teils dem materiellen Sachenrecht, teils dem formellen Grundbuchrecht zugehörig sind. b) Schutz von Erwerberinteressen Auf der anderen Seite dient § 873 Abs. 2 BGB ab dem Eintritt der Bindungswirkung den berechtigten Interessen des Nachfolgers an einem rechtssicheren Erwerb von Grundstücksrechten. Die Annahme einer freien Widerruflichkeit der dinglichen Einigung bis zur Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch wäre nämlich – in den Worten der 1. BGB-Kommission123 – „nicht annehmbar, einmal, weil der Zeitpunkt der Eintragung dem Einflusse der Vertragsschließenden entzogen ist, sodann weil die willkürliche Widerruflichkeit geeignet wäre, 118
So auch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74; vgl. noch Rosenberg, Sachenrecht, § 873 Anm. IV 5 a. 119 Ertl, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 873 Rn. 101. 120 Zutreffend Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151, auch in seiner Argumentation gegen Schödermeier/Woopen, JA 1985, 522, 526 Fn. 52; ferner Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74. 121 Zur Bedeutung des § 873 Abs. 2 BGB für Grundpfandrechte: Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74. 122 In diese Richtung argumentiert aber Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151, der der Vorschrift rechtsdogmatische Bedeutung beilegen will, obgleich die genetische Auslegung zeigt, dass die Schaffung der Vorschrift rechtspraktischen Erwägungen folgte. 123 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 175.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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Treu und Glauben zu erschüttern und damit die Sicherheit im Rechtsverkehre zu gefährden“. Die Bindungswirkung des § 873 Abs. 2 BGB dient folglich zunächst dem individuellen Interesse des Erwerbers an einer erfolgreichen Durchführung des gestreckten (Immobiliar-)Erwerbs. In der Sache geht es – ebenso wie etwa bei den Verfügungsbeschränkungen der §§ 161 Abs. 1 S. 1, 2113 Abs. 1, 883 Abs. 2 S. 1 BGB124 – um Erwerbssicherung. Einer besonderen Sicherung bedarf der Erwerber, weil er nach Eintritt der Bindungswirkung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Grundbucheintragung keinen Einfluss nehmen kann. Die Perfektion des Geschäfts hängt dann nur noch davon ab, dass der Veräußerer den Eintragungsantrag stellt und das Grundbuchamt die Eintragung vornimmt. Verzögerungen, die z.B. aus der Überlastung des Grundbuchamts oder längeren Prüfungsverfahren resultieren, sollen deshalb nicht zulasten des Erwerbers gehen125, weil sie außerhalb der durch den Erwerber beherrschbaren Risikosphäre liegen. Im Übrigen ist es konsequent, die Bindungswirkung gem. § 878 BGB auf veräußererseitige Verfügungsbeschränkungen ausstrahlen zu lassen126, die nach Bindung an die Übereignungserklärung iSd. § 873 Abs. 2 BGB eingetreten sind. Darin liegt heute die maßgebliche Bedeutung der in § 873 Abs. 2 BGB niedergelegten formalisierten Bindungsvoraussetzungen127. c) Rechtsdogmatische Implikationen Die bisherigen Überlegungen haben den Kompromisscharakter des § 873 Abs. 2 BGB sowie dessen dualistische Schutzrichtung plastisch werden lassen. Die eigenwillige Kombination aus Übereilungs- und Erwerberschutz entspricht dem historischen Willen des Gesetzgebers und ist auch vor dem Hintergrund des modernen Liegenschaftsrechts de lege lata nicht zu beanstanden. Angesichts der doppelten Schutzrichtung macht es Sinn, den Parteien die Möglichkeit zu versagen, nach Belieben über die Bindungswirkung der dinglichen Einigung zu disponieren128. Der dualistische Ansatz erklärt weiterhin, weshalb gem. § 873 Abs. 2 BGB entweder beide Parteien an die dingliche Einigung gebunden sind oder keine von ihnen129; der kombinierte Normzweck steht einer nur einseitigen Bindung schlicht entgegen. Erzielen die Vertragsparteien hinge124
Siehe oben § 4 III. 3. Dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 190, 192 f. 126 Dazu unten § 12 II. 3. 127 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 152; v. Schweinitz, in: AK, BGB, § 873 Rn. 37. 128 BGHZ 46, 398, 400; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 154; Rosenberg, Sachenrecht, § 873 Anm. IV 5 e; vgl. ferner OLG München DNotZ 1966, 283, 28; Müller, Sachenrecht, Rn. 963. 129 Ganz h.M.: KG HRR 1930 Nr. 975; Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 123; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 173; Rosenberg, Sachenrecht, § 874 Anm. IV 5 c ; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. III 2 c ; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II 2 Fn. 13; Simon, Natur, S. 98 ff.; a.A. v. Schweinitz, in: AK, BGB, § 873 Rn. 41 a.E.; ausf. Eccius, Gruchot 47 (1903), 51, 56. 125
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gen Einigkeit, können sie sich der Bindungswirkung durch beiderseitige formlose Vereinbarung wieder entledigen130. Allerdings erweisen sich die vier in § 873 Abs. 2 BGB niedergelegten Kriterien131, die alternativ eine Bindung der Parteien herbeiführen, als gegriffene Größen, die sich in ihrer Gesamtheit weder rechtsdogmatisch noch rechtspolitisch überzeugend erklären lassen. Während die Aushändigung einer beglaubigten Eintragungsbewilligung durch den Veräußerer an den Erwerber für Letzteren eine gesicherte Rechtsposition begründet, weil er ohne weitere Mitwirkung des Veräußerers im Grundbuchverfahren die Eintragung herbeiführen kann, ist der Erwerber in den übrigen Fällen – Beurkundung, Einigungserklärung vor dem Grundbuchamt, Einreichung der Einigungserklärungen beim Grundbuchamt – darauf angewiesen, dass der Berechtige später noch die Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO erteilt132. Die weitreichende Sicherungswirkung durch Aushändigung der Eintragungsbewilligung wurde erst von der 2. BGB-Kommission geschaffen. Nach ihrem Normzweck zielt sie darauf ab, dem Erwerber eines Grundpfandrechts, der ein Darlehen gegen Aushändigung der Eintragungsbewilligung aushändigt, eine gefestigte Erwerbsposition zu verschaffen133. Dafür, dass die unterschiedliche Reichweite der Bindungsanforderungen auf einem legislatorischen Versehen des BGB-Gesetzgebers beruht, finden sich in den Materialien keine Anhaltspunkte. Deshalb verbietet sich de lege lata auch in diesem Zusammenhang eine korrigierende Auslegung der Vorschrift134. De lege ferenda ließen sich die festgestellten Mängel indes zum Anlass nehmen, eine Korrektur des § 873 Abs. 2 BGB zu fordern, die zum Eintritt der Bindungswirkung nur unter der Voraussetzung gelangt, dass der Veräußerer die Eintragung des Erwerbers nicht mehr aus eigener Machtvollkommenheit verhindern kann; die Formulierung des § 878 BGB mag in diesem Zusammenhang einen Anhalt geben. Überhaupt führt § 873 Abs. 2 BGB zu einer Doppelsicherung der Interessen des Veräußerers, der nicht nur seine Willenserklärung widerrufen, sondern auch die Erteilung der Eintragungsbewilligung vorenthalten kann135. Da die Anwendung 130 Ganz h.M.: RG WarnRspr 1926 Nr. 43 S. 53; BGH NJW 1993, 3323, 3326; BayObLGZ 1954, 141, 146 f.; 1967, 13, 18; 1972, 397, 401; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 180; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 873 Rn. 17; Krause, in: AnwKommBGB, § 873 Rn. 37; Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 20; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 89; Rosenberg, Sachenrecht, § 873 Anm. IV 5 g; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. III 2 c ; Flume, AT II, § 15 I 3; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 964a; v. Tuhr, AT II/1, S. 508; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 IV; einschränkend bei bestehendem Anwartschaftsrecht Lehmann, DNotZ 1987, 142, 147 f. 131 Dazu ausf. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 155 ff.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74 f. 132 Auf diese Unterscheidung verweisen auch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 152; v. Tuhr, AT II/1, S. 222. 133 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 63. 134 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 152; siehe dort ergänzend noch Rn. 181. 135 Zutreffend Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151, auch in seiner Argumentation gegen Schödermeier/Woopen, JA 1985, 522, 526 Fn. 52.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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der Vorschrift in der Praxis aber offenbar keine Schwierigkeiten bereitet, besteht im Ergebnis kein dringender legislatorischer Handlungsbedarf.
3. Bindungswirkung im Mobiliarsachenrecht Während man sich heute über die Bindungswirkung der auf den Abtretungsvertrag gerichteten Erklärungen einig ist136, und die ausdrückliche Regelung des § 873 Abs. 2 BGB137 für Streitigkeiten über die Bindungswirkung im Liegenschaftsrecht keinen Raum lässt, wird im Mobiliarsachenrecht noch immer mit unerbittlicher Härte über die Bindungswirkung der dinglichen Einigung iSd. § 929 S. 1 BGB gestritten. Die Rechtsprechung138 und die ihr folgende Mehrheit des Schrifttums139 schließen aus der dualistischen Struktur des Übereignungstatbestandes, namentlich aus der Notwendigkeit eines neben die Einigung tretenden Vollzugselements, dass die dingliche Einigung erst mit Erfüllung des Publizitätserfordernisses bindende Wirkung entfalte. Die im Vordringen begriffene Gegenauffassung lehnt hingegen eine Sonderbehandlung dinglicher Willenserklärungen unter Hinweis auf die Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre ab140. Von praktischer Bedeutung ist diese Streitfrage nicht so sehr in Bezug auf das Ob des Eigentumsübergangs; schließlich kann selbst der nach h.M. zulässige Widerruf den Mobiliarerwerb nicht verhindern, wenn dem Erwerber nur ein wirksamer Erfüllungsanspruch zur Seite steht, der notfalls im Klagewege 136
Siehe nochmals § 6 IV. 1. Siehe nochmals § 6 IV. 2. 138 RGZ 83, 223, 230; 109, 201, 203; 135, 366, 367; BGHZ 7, 111, 115; 14, 114, 119 f.; 27, 360, 367 f.; BGH NJW 1976, 1539, 1540; 1978, 696, 697; 1979, 213, 214. 139 Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 9; Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 50; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 2; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 151; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 6; Kindl, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 929 Rn. 18; Michalski, in: Erman, BGB, § 929 Rn. 5; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 41; Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 52; Schilken/Meller-Hannich, in: AnwKommBGB, § 929 Rn. 33; Schulte-Nölke, in: Hk, BGB, § 929 Rn. 7; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 77; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 80 ff., 84; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 36 f., § 51 Rn. 11; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27 Rn. 11; Eckert, Sachenrecht, Rn. 282 f.; Flume, AT II, § 33, 4; Medicus, BGB AT, Rn. 306; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 34 ff.; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 2379; Prütting, Sachenrecht, Rn. 373; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 175; Schreiber, Sachenrecht, Rn. 155; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 54; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 873; Becker, AcP 139 (1934), 228, 229 f.; Martinek/Röhrborn, JuS 1994, 473, 477 f.; Weber, JuS 1998, 577, 578; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 124; Walz, Systemdenken, S. 13. 140 So etwa Flad, in: Planck, BGB, Vor § 145 Anm. 2; Endemann, Sachenrecht, § 20, 1; J. v. Gierke, Sachenrecht, § 31 I 1; Simon, Natur, S. 14; Zitelmann, JhJ 70 (1921), 1, 10 ff.; Heck, Sachenrecht, § 55, 7; Schwab, Sachenrecht, 22. Aufl., § 29 II; Westermann, in: Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 37 Rn. 12; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 2 b, § 9 I 1; v. Lübtow, ZHR 112 (1949), 227, 257 ff.; Otte, Jura 1993, 643, 645 f.; Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 624 ff.; Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154 ff.; Hahnzog, Rechtsstellung, S. 28 f.; R. Stoll, Globalzession, S. 99 ff.; Lipp, FS Schapp, S. 363 ff.; M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 229 ff. 137
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durchgesetzt werden kann. Entscheidend ist die Kontroverse vielmehr für den konkreten Zeitpunkt des Rechtserwerbs. Anerkennt man nämlich die Bindungswirkung der dinglichen Einigung, so erfolgt die Übereignung unmittelbar im Zeitpunkt der Übergabe. Kann der Veräußerer seine Erklärung auf Grundlage der h.M. allerdings widerrufen, bleibt er bis zur Ersetzung seiner Willenserklärung durch rechtskräftiges Urteil gem. § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO Eigentümer des Verfügungsgegenstands141. a) Lehre von der freien Widerruflichkeit Zur Begründung verweist die h.M. zunächst auf den Wortlaut des § 929 S. 1 BGB142. Der Eigentumserwerb tritt danach ein, wenn „der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll“143. Aus der Verknüpfung von Einigung und Übergabe in Form eines Einigseins folgert die h.M., dass es bis zur Vornahme der Übergabe an einer Bindungswirkung der Parteierklärungen fehle144. Praktische Schwierigkeiten sucht diese hier sogenannte Lehre von der freien Widerruflichkeit dadurch zu vermeiden, dass sie für den wirksamen Widerruf zum einen den Zugang der Widerrufserklärung beim anderen Teil verlangt145 und zum anderen vermutet, dass die einmal abgegebene Erklärung bis zum Übergabezeitpunkt fortgilt146. Ein weiteres – rechtssystematisches – Argument sucht die herkömmliche Ansicht aus § 873 Abs. 2 BGB zu gewinnen147. Die Vorschrift sei nach ihrem Wortlaut („sind … nur gebunden“) dahin zu verstehen, dass die hieraus resultierende 141
Dazu auch Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154. So etwa RGZ 109, 201, 203; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 6; Kindl, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 929 Rn. 18; Schulte-Nölke, in: Hk, BGB, § 929 Rn. 7; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 36. 143 Hervorhebungen hinzugefügt. 144 So Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 78, 84; Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 50; Müller, Sachenrecht, Rn. 2379; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 873; Martinek/Röhrborn, JuS 1994, 473, 477 f. 145 Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 9; Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 52; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 42; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 84; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 34; wohl auch Michalski, in: Erman, BGB, § 929 Rn. 5; restriktiver BGH NJW 1978, 696, 697; 1979, 213, 214: Erkennbarkeit; a.A. RGZ 109, 201, 203; BGHZ 7, 111, 115; BGH WM 1969, 242, 243: Aufgabe des Willens genügt. 146 RGZ 109, 201, 203; 135, 366, 367; BGH NJW 1978, 696, 697; BGH WM 1960, 1223, 1227; 1965, 1248, 1249; 1977, 218, 219; Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 51; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 6; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38; Michalski, in: Erman, BGB, § 929 Rn. 5; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 42; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 84; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 36; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 873. 147 Vgl. Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 50; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 6; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 929 Rn. 18; Schilken/Meller-Hannich, in: AnwKommBGB, § 929 Rn. 33; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 36; Prütting, Sachenrecht, Rn. 373; Martinek/Röhrborn, JuS 1994, 473, 478; Weber, JuS 1998, 577, 578. 142
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Bindungswirkung den Ausnahmefall bilde. Im Regelfall, wenn keine der in § 873 Abs. 2 BGB niedergelegten Förmlichkeiten erfüllt sei, könne die dingliche Einigung frei widerrufen werden. Der so gewonnene Grundsatz mangelnder Bindungswirkung sei verallgemeinerungsfähig und auch auf die Mobiliarübereignung gem. § 929 S. 1 BGB zu übertragen, weil ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Übereignungstatbestände nicht ersichtlich sei148 und der Mobiliarerwerb im Übrigen ebenfalls an ein Vollzugserfordernis anknüpfe149. Darüber hinaus werde die h.M. durch einen Umkehrschluss aus § 956 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach eine Bindungswirkung der Gestattungserklärung ebenfalls nur im Ausnahmefall eingreifen solle150, sowie durch die Bestimmung des Übergabezeitpunkts beim redlichen Erwerb gem. §§ 932 ff. BGB151 bestätigt. b) Stellungnahme für die Bindungswirkung der dinglichen Einigung Die von der tradierten Auffassung ins Feld geführten Argumente sind allesamt abzulehnen. Die Widerruflichkeit der dinglichen Einigung lässt sich weder auf den Wortlaut des § 929 S. 1 BGB stützen (aa) noch auf dessen Gesetzgebungsund Dogmengeschichte (bb). Stattdessen sprechen die Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre (cc) sowie eine ökonomische Analyse der Fragestellung (dd) für die Bindungswirkung der dinglichen Einigung. In diesem Sinne ist auch die Sondervorschrift des § 873 Abs. 2 BGB zu verstehen, aus der die hergebrachte Meinung für sich kein Argument herzuleiten vermag (ee). Und schließlich sprechen auch die Wertungen des § 956 Abs. 1 S. 2 BGB (ff) sowie der §§ 932 ff. BGB (gg) nicht für eine freie Widerruflichkeit der dinglichen Einigung. aa) Das Wortlautargument Das von der tradierten Auffassung zuvörderst angeführte Wortlautargument ist unbrauchbar. Dem Gesetzestext ist als notwendige Voraussetzung für den Mobiliarerwerb nur zu entnehmen, dass die dingliche Einigung im Zeitpunkt der Übergabe noch wirksam vorliegen muss. § 929 S. 1 BGB152 bringt hiermit lediglich das Koinzidenzprinzip zum Ausdruck, wonach sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Sukzessionstatbestands in einem Zeitpunkt vorliegen müssen, um den Eintritt der Sukzessionswirkungen auszulösen153, mehr aber auch 148
Vgl. etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 36. Vgl. RGZ 135, 366, 367; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 9; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 41; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 175; Prütting, Sachenrecht, Rn. 373. 150 So Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38; Prütting, Sachenrecht, Rn. 373; Martinek/ Röhrborn, JuS 1994, 473, 478; Weber, JuS 1998, 577, 578; vgl. auch BGHZ 27, 360, 367 f. 151 So Medicus/Petersen, Recht, Rn. 36; Martinek/Röhrborn, JuS 1994, 473, 478; SchulteNölke, in: Hk, BGB, § 929 Rn. 7. 152 Vergleichbare Formulierungen finden sich in §§ 1032, 1205 BGB. 153 Dazu ausf. unten § 12. 149
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nicht. Insbesondere verhält sich die Vorschrift nicht über die Frage der Bindungswirkung bzw. Widerruflichkeit der Parteierklärungen154. Zudem legen die Protokolle zum BGB nahe, dass die in § 929 S. 1 BGB niedergelegte Formulierung in erster Linie redaktionelle Gründe hatte. Die 2. BGB-Kommission hat die ursprünglich vorgesehenen Begriffe „Vertrag“ und „Willenserklärung“ nämlich nur deshalb gegen die Sentenz „und beide darüber einig sind“ ausgetauscht, weil die Vorschrift nicht dahingehend missverstanden werden sollte, der Einigungswille müsse explizit erklärt werden155. bb) Gesetzgebungs- und Dogmengeschichte Auch aus der wechselhaften Gesetzgebungs- und Dogmengeschichte156 der dinglichen Einigung gem. § 929 S. 1 BGB lassen sich keine stichhaltigen Argumente für die h.M. gewinnen. Die 1. BGB-Kommission vertrat zunächst noch den Standpunkt, dass eine (wirksame) Einigung vor Übergabe der Sache überhaupt nicht vorliege157. Diese sogenannte Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag betrachtete die Übergabe – im Anschluss an Vorarbeiten aus der Pandektenwissenschaft158 – als die Form der dinglichen Einigung159. In dieser Tradition stand auch die Vorschrift über die Mobiliarübereignung gem. § 874 des 1. BGB-Entwurfs: „Zur Uebertragung des Eigenthumes an einer beweglichen Sache durch Rechtsgeschäft ist ein zwischen dem Eigenthümer und dem Erwerber unter Uebergabe der Sache zu schließender Vertrag erforderlich, welcher die Willenserklärung der Vertragschließenden enthält, daß das Eigenthum auf den Erwerber übergehen soll.“
Während die 1. Kommission Einigung und Übergabe demnach als „zwei Seiten derselben Medaille“160 betrachtete, vollzog die 2. Kommission eine überraschende Wende hin zu einer dogmatisch-konstruktiven Verselbstständigung der beiden Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 929 S. 1 BGB. In den Protokollen heißt es dazu161: „Einverständniß bestand darüber, daß eine Willenseinigung zwischen dem Eigenthümer und dem Erwerber über den Uebergang des Eigenthums erforderlich werden müsse, daß dagegen diese Willenseinigung nicht nothwendig bei der Uebergabe abgegeben zu wer154 Skeptisch auch Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154, 156; R. Stoll, Globalzession, S. 101; Lipp, FS Schapp, S. 363, 364. 155 Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 195 f.; dazu auch Otte, Jura 1993, 643, 645 f.; M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 228; vgl. noch Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 2 b Fn. 91. 156 Instruktiv dazu Lipp, FS Schapp, S. 363, 374 ff.; siehe ferner Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 73 ff.; Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154, 156 f.; R. Stoll, Globalzession, S. 101 ff. 157 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 336. 158 So etwa v. Savigny, System III, S. 312 f.; Dernburg, Pandekten I, § 211, 3; Windscheid, Pandektenrecht I, § 171. Dazu näher Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 623; Lipp, FS Schapp, S. 363, 376 ff. 159 Siehe dazu ausf. unten § 10 III. 1. b); vgl. weiter Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 I 4. 160 So prägnant Wiegand, FG BGH I, S. 753, 776. 161 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 196.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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den brauche. Anlangend endlich das Verhältniß der Uebergabe zu der Willenseinigung, so beschloß man zum Ausdrucke zu bringen, daß die Uebergabe zu der Vereinbarung hinzukommen müsse; die Uebergabe stelle nicht die Form dar, in welcher die Vereinbarung zu Tage trete, sondern sei ein selbständiges Erforderniß für den Eigenthumsübergang“.
Die dogmatisch-konstruktive Trennung von Einigung und Übergabe spricht entscheidend für die Anwendung der Vorschriften und Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre auf die dingliche Einigung gem. § 929 S. 1 BGB162. Denn hiermit entfällt eines der Hauptargumente der h.M., die aus der schieren Verbindung von Einigung und Übergabe innerhalb eines einheitlichen Übereignungstatbestands die freie Widerruflichkeit folgert. Anerkennt man die beiden tatbestandlichen Voraussetzungen – nach dem Willen des historischen Gesetzgebers – hingegen als selbstständige Elemente des Sukzessionstatbestands, dann spricht viel dafür, sie gleichermaßen einem eigenständigen, voneinander unabhängigen rechtlichen Schicksal zu unterwerfen. Die Entkoppelung der dinglichen Einigung vom Übergabeerfordernis spricht dementsprechend für die Geltung der allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre. Auch wenn dieser Punkt vom historischen Gesetzgeber nicht weiter vertieft wurde, sprechen die Gesetzesmaterialien jedenfalls eindeutig aus, dass die Übergabe der Sache nicht die Form der Einigung darstelle. Überhaupt ist zwischen Formerfordernissen und Publizitätsanforderungen streng zu unterscheiden163. Aus diesem Grund kann auch das Argument nicht verfangen, die Übergabe diene der Wahrung eines Formzwecks164. Die Gleichsetzung von Übergabe und Form ist schließlich auch deshalb abzulehnen, weil sie sich in gefährliche Nähe zur Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag begibt, die von der 2. BGB-Kommission ausdrücklich verworfen und daher auch niemals Gesetz wurde. Dass auf den Abschluss des dinglichen Vertrages aber die Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre anwendbar sein sollten, soweit nur keine sachenrechtlichen Besonderheiten Platz greifen, dazu bekannte sich bereits die 1. Kommission165: „Auch in dem Falle der Eigenthumstradition fehlt es nicht an Meinungen, welche, indem sie das Uebergabeerforderniß in den Vordergrund stellen, das Wesen der Eigenthumstradition als eines dinglichen Vertrages verkennen oder verdunkeln. Es liegt deshalb auch hier daran, die Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen Theils über Verträge dadurch außer Zweifel zu stellen, daß das Vertragsprinzip im Gesetze zum deutlichen Ausdrucke gebracht wird“.
162 So auch Lipp, FS Schapp, S. 363, 380 unter Hinweis auf die Beratungen zur Bedingung und Befristung der Einigung nach § 929 S. 1 BGB während der Redaktionszeit; siehe Mugdan III, S. 1000 = Bericht der XII. Komm. v. 12.6.1896, S. 10. 163 Siehe ausf. unten § 9. 164 So aber Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 41. 165 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 333.
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cc) Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre Und tatsächlich bestehen keine sachenrechtlichen Besonderheiten, die eine Abweichung von den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu begründen vermögen. Vielmehr steht die hier vertretene Lehre von der Bindungswirkung der dinglichen Einigung im Einklang mit den anerkannten Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, weil und soweit die für die Bindungswirkung von Willenserklärungen im Allgemeinen ins Feld geführten Erwägungen auch und gerade für Parteierklärungen gem. § 929 S. 1 BGB Geltung beanspruchen. Ausgangspunkt ist der in den Motiven zur Bindungswirkung des Angebots gem. § 145 BGB niedergelegte Regelungszweck166: „Die Gebundenheit des Antragenden ist ein Bedürfnis des Verkehres. Wird Jemandem ein Antrag gemacht, so muß dieser darauf vertrauen können, daß mit der von seiner Seite rechtzeitig erklärten Annahme der Vertrag zu Stande kommt. Der Antragsempfänger bedarf eines sicheren Ausgangspunktes für die zu fassende Entschließung; er muß unter Umständen sofort die für den Fall des Zustandekommens des Vertrages erforderlichen Maßnahmen treffen; er wird andere Vertragsanträge in Bezug auf den in Frage stehenden Gegenstand ablehnen und unterlassen, seinerseits Vertragsanträge hinsichtlich desselben zu stellen. Sollte ein Widerruf des an den Empfänger gelangten Antrages vor dem Wirksamwerden der Annahmeerklärung noch zulässig sein, so würde der Antragsempfänger nach Befinden schwer geschädigt werden. Ingleichen würde wegen der möglichen Gefährdung die Geneigtheit, auf Vertragsanträge sich einzulassen, im Allgemeinen sich mindern, der Verkehr erschwert und beeinträchtigt werden.“
Die Vorschrift steht in der Tradition vorausgegangener Regelwerke167 und bricht ausdrücklich mit dem im gemeinen Recht geltenden Grundsatz, wonach der Antrag noch bis zur Annahme widerrufen werden konnte168. In der Sache dient die Bindungswirkung dem individuellen Vertrauensinteresse des Erklärungsempfängers169 sowie dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit im Rechts- und Handelsverkehr170 und damit zugleich der Vertragsfreiheit auf schuldrechtlicher und der Sukzessionsfreiheit auf dinglicher Ebene. Von diesen Grundprinzipien für die Bindungswirkung der dinglichen Einigung abzuweichen, besteht auch in Anbetracht der sachenrechtlichen Besonderheiten kein Anlass. Stattdessen müssen die für die obligatorische Bin166
Motive zum BGB, Bd. 1, S. 165; vgl. noch Bork, in: Staudinger, BGB, § 145 Rn. 20; Oestmann, in: HKK, BGB, §§ 145–156 Rn. 8 ff. 167 Vgl. I 5 §§ 94 ff. Pr. ALR; Art. 319 ADHGB 1861. 168 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 164 f. 169 Ebenso Heck, Sachenrecht, § 55, 7; M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 230, jeweils unter dem ergänzenden Hinweis, dass ein Wortbruch des Veräußerers andernfalls honoriert würde; vgl. allgemein zu diesem Aspekt Wolf/Neuner, BGB AT, § 37 Rn. 12; Busche, in: MünchKommBGB, § 145 Rn. 2. 170 Zur engen Verbindung der historisch-teleologischen Erwägungen im Handels- und Zivilrecht siehe Oestmann, in: HKK, BGB, §§ 145–156 Rn. 10; die Bedeutung der Bindungswirkung für den Rechtsverkehr betonend auch Bork, in: Staudinger, BGB, § 145 Rn. 20; Busche, in: MünchKommBGB, § 145 Rn. 2.
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dung in Ansatz gebrachten Gründe des Verkehrs- und Vertrauensschutzes auch und gerade für die verfügende Einigung gelten, die in besonderem Maße auf eine Sicherung und Erleichterung des Rechts- und Handelsverkehrs angewiesen ist. Auch hier hat der Antragsempfänger ein Interesse daran, in Erwartung des künftigen Rechtserwerbs Dispositionen zu treffen, um den Sukzessionsgegenstand effizient nutzen zu können. Das gilt umso mehr, als der Erwerber den Veräußerer auf der Grundlage eines wirksamen schuldrechtlichen Kausalgeschäfts ohnehin – d.h. auch nach einem auf Grundlage der h.M. zulässigen Widerruf – auf Erfüllung in Anspruch nehmen kann. Beide Parteien des dinglichen Vertrages haben deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass sich der jeweils andere Teil von seiner auf den Rechtstransfer gerichteten Willenserklärung nicht einseitig lösen kann. Das die Vertragsstruktur dominierende beiderseitige Bestandsinteresse, dient auch in sachenrechtlichen Verhältnissen dem Verkehrs- und Vertrauensschutz, und setzt sich aufgrund seiner strukturellen Bedeutung gegen ein etwaiges einseitiges Lösungsinteresse einer Vertragspartei durch171. Der teleologische Schutzzweck der Bindungswirkung, „eine glatte und rasche Abwickelung der Geschäfte“ zu gewährleisten172, greift nicht nur auf schuldrechtlicher Ebene, sondern auch für die Verfügung über Sachen- und Forderungsrechte. Die Lehre von der freien Widerruflichkeit widerspricht daher dem allgemeinen Grundsatz der Vertragstreue173 sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben und findet auch im Gesetz keine Stütze174. Der Grundsatz pacta sunt servanda gilt folglich auch für das dingliche Vollzugsgeschäft. Die Anerkennung der Bindungswirkung sorgt außerdem für einen – dogmatisch wie rechtspolitisch überzeugenden – Gleichlauf mit dem Zessionsrecht, vor allem mit der allseits anerkannten Bindungswirkung der Vorausabtretung von Forderungen und anderen Vermögensrechten175. Auch wenn die dingliche Einigung dem Eigentümer nicht seiner Verfügungsbefugnis beraubt176, erwirbt der Übereignungsempfänger doch wenigstens eine gesicherte Erwerbsposition, weil sich der Veräußerer aufgrund der Bindungswirkung nicht mehr einseitig von der erzielten Willensübereinstimmung lösen kann. Gleiches gilt für den auf privative Übertragung einer Schuld gerichteten Übernahmevertrag gem. § 415 BGB. Der Schuldübernehmer wird mit Vertragsabschluss dergestalt gebunden, dass er mit Genehmigung des Gläubigers in die Rechtsstellung des Altschuldners nachfolgt177. Darüber hinaus führt sogar die Verfügung eines Nichtberechtigten im Ergebnis zu einer Bindung der Vertragsparteien an die schwebend 171
So für das schuldrechtliche Geschäft auch Heinrich, Freiheit, S. 53. Motive zum BGB, Bd. 1, S. 166. 173 Dazu zuletzt monografisch Weller, Vertragstreue (2009). 174 So etwa Heck, Sachenrecht, § 55, 7. 175 Siehe oben § 6 IV. 1. 176 So dezidiert und zutreffend Wieling, Sachenrecht, § 1 III 2 c; a.A. noch Simon, Natur, S. 16 ff., 33 ff.; Koffka, FG Wilke, S. 173 ff. 177 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 407. 172
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unwirksame Verfügung, und zwar dergestalt, dass sich die Parteien nicht aus eigener Machtvollkommenheit vorzeitig lösen können178. Gleichsam im Vorbeigehen stellt die hiesige Auffassung außerdem noch die Bindungswirkung der auf Begründung eines Anwartschaftsrechts gerichteten Einigung auf ein sicheres Fundament179, während sich die h.M. schwer tut, die einhellig anerkannte Bindungswirkung zu erklären180; soweit auch die hergebrachte Ansicht die freie Widerruflichkeit in diesem Fall ausschließt, handelt es sich dabei um nichts weniger als eine systemwidrige Anomalie, welche die Überzeugungskraft der h.M. nachhaltig erschüttert. Denn es bedeutet einen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch, wenn die h.M. der dinglichen Einigung gem. § 929 S. 1 BGB für den Regelfall jedwede Bindungswirkung abspricht, eine rechtliche Bindung aber dann annimmt, wenn die Einigung unter einer Bedingung steht und ihr Wirksamwerden dementsprechend unsicher ist. Schließlich begründet die hier vertretene Position – entgegen der namentlich von Jürgen Oechsler geäußerten Kritik181 – auch keinen Verstoß gegen die Wertung des § 137 S. 1 BGB182. Die Annahme einer Bindungswirkung hindert nämlich keineswegs die freie Verfügbarkeit über den Gegenstand. Solange nach Maßgabe des Koinzidenzprinzips noch nicht sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen der Übereignungsvorschrift erfüllt sind, es insbesondere noch an der Übergabe fehlt, ist der Veräußerer nicht daran gehindert, den Verfügungsgegenstand wirksam auf einen Dritten zu übertragen. Denn die Bindungswirkung der dinglichen Einigung beschränkt den Eigentümer nicht in seiner Rechtsmacht, nach Belieben über die Sache zu verfügen183. Soll die Verfügungsbefugnis des Veräußerers beschränkt werden, müssen sich die Parteien gem. § 158 BGB auf eine bedingte Übereignung verständigen und die Sache übergeben; nur unter diesen Umständen ist der Veräußerer nach Maßgabe des § 161 Abs. 1 S. 1 BGB im Interesse effektiven Erwerberschutzes in seiner Verfügungsmacht beschränkt. Fehlt es an einer solchen Abrede, kann der Dritte ungehindert vom Berechtigten gem. § 929 S. 1 BGB den Verfügungsgegenstand erwerben. Zu diesem Zweck bedarf es – entgegen Oechsler – auch keines Rückgriffs auf die Vorschriften des redlichen Erwerbs.
178 BGH NJW 1993, 648, 651; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 184 Rn. 15; Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rn. 4; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 184 Rn. 9. 179 Vgl. Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 628; Westermann, in: Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 37 Rn. 12. 180 BGHZ 20, 88, 97; Mezger, in: RGRK, BGB, § 455 Rn. 25; Larenz, Schuldrecht II/1, § 43 II. 181 Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 41. 182 Gegen Oechsler auch Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 37 Rn. 12. 183 Siehe nochmals oben Fn. 61.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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dd) Ökonomische Analyse der Bindungswirkung Von diesen dogmatischen Erwägungen abgesehen spricht außerdem eine rechtsökonomische Analyse der Fragestellung für die hiesige Auffassung: Für den Regelfall einer Übereignung aufgrund eines wirksamen Kausalgeschäfts beschränken sich die aus der Kontroverse resultierenden Unterschiede auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Eigentumsübergangs. Während die hier vertretene Auffassung den Veräußerer an seine Erklärung bindet und die Übereignung daher mit Sachübergabe wirksam wird, muss der Erwerber auf Grundlage der herkömmlichen Position den Veräußerer zunächst noch auf erneute Abgabe der dinglichen Übereignungserklärung in letzter Konsequenz gerichtlich in Anspruch nehmen, um den Erwerbsvorgang perfekt zu machen. Das stattgebende Urteil ersetzt in diesem Fall die Veräußerererklärung. Es liegt auf der Hand, dass der Umweg der h.M. über eine Klageerhebung in Form höherer Transaktionskosten zu Buche schlägt und so den effizienten Güteraustausch hemmt. Ist der Veräußerer aufgrund eines wirksamen Schuldvertrags zur Übereignung verpflichtet und kann der Erwerber deshalb seinen Verschaffungsanspruch jedenfalls durchsetzen, dann verhindert die Annahme einer Bindungswirkung auf Grundlage der hier vertretenen Position, dass zusätzliche Rechtsdurchsetzungskosten anfallen, die keine wohlfahrtssteigernden Effekte zeitigen, sondern als versunkene Kosten den Güterverkehr ausschließlich erschweren. Die Annahme der Bindungswirkung senkt folglich Transaktionskosten184 und leistet damit einen Beitrag zu einer effizienten Allokation knapper Ressourcen. Selbst wenn es aber ausnahmsweise an einem wirksamen Kausalgeschäft mangelt und der Erwerber die Durchführung der Transaktion nicht gerichtlich erzwingen kann, vielmehr ein bereits durchgeführter Güteraustausch nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 812 ff. BGB) rückabzuwickeln ist, erweist sich die hier vertretene Auffassung jedenfalls als unschädlich, weil sie den Veräußerer in diesem Fall nicht daran hindert, nach Belieben über den Gegenstand zu verfügen. Schließlich bewirkt die rechtliche Bindung für sich keine Verfügungsbeschränkung in der Person des Veräußerers. Er ist trotz Bindungswirkung in der Lage, seinen individuellen Nutzen durch Übereignung der Sache an einen Dritterwerber zu maximieren. ee) Die Wertung des § 873 Abs. 2 BGB Die herkömmliche Auffassung kann sich weiterhin auch nicht auf die Wertung des § 873 Abs. 2 BGB stützen, weil es sich bei dieser Vorschrift – wie oben gezeigt185 – um eine Sondervorschrift handelt, die ganz und gar auf das Liegen-
184 Siehe aus historischer Perspektive zur schuldrechtlichen Einigung gem. § 145 BGB: Oestmann, in: HKK, BGB, §§ 145–156 Rn. 10. 185 Siehe oben § 6 IV. 2.
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schaftsrecht zugeschnitten ist186 und deren Regelungsgedanken deshalb nicht ohne weiteres auf den Mobiliarerwerb übertragbar sind187. In diesem Zusammenhang ist es zwar nicht von vornherein verfehlt, für einen Gleichlauf von Mobiliar- und Immobiliarsachenrecht einzutreten. Nur kann dieser Gleichlauf entgegen der h.M. nicht so aussehen, dass die in § 873 Abs. 2 BGB angeordnete Widerruflichkeit der dinglichen Einigung auf die Fahrnisübereignung übertragen wird. Vielmehr sprechen gute Gründe dafür, den Gleichlauf – aus Perspektive de lege ferenda und in Übereinstimmung mit dem Zessionsrecht188 – durch die Annahme einer Bindungswirkung der dinglichen Einigung zu gewährleisten189. Selbst wenn man aber die zu § 873 Abs. 2 BGB herausgearbeiteten Normzwecke für die Frage nach der Verbindlichkeit der Einigung gem. § 929 S. 1 BGB fruchtbar zu machen sucht, ist die tradierte Position im Ergebnis nicht haltbar. Zunächst bedarf der Fahrnisveräußerer keines besonderen, durch die freie Widerruflichkeit vermittelten Schutzes. Denn im Regelfall eines wirksamen Kausalgeschäfts ist er ohnehin zur Übereignung verpflichtet; der Erwerber kann seinen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch im Klagewege durchsetzen, so dass der Veräußerer das Eigentum jedenfalls auf diesem Wege verliert. Selbst wenn es indes an einem wirksamen Verpflichtungsgeschäft mangelt, ist der Veräußerer nicht daran gehindert, anderweitig über den Verfügungsgegenstand zu verfügen. Eine etwaige Sicherung des Veräußerers muss auf schuldrechtlicher Ebene ansetzen. Eine Veräußerersicherung auf dinglicher Ebene ist deshalb entweder sinnentleert oder überflüssig, je nachdem, ob das schuldrechtliche Kausalgeschäft wirksam oder unwirksam ist. Andererseits spricht das auf Erwerberschutz gerichtete Regelungsziel des § 873 Abs. 2 BGB für die hiesige Meinung. Es geht im Ergebnis nämlich darum dem Erwerber durch Annahme der Bindungswirkung eine gesicherte Rechtsposition zu verschaffen, weil er auf das Eintragungsverfahren keinen Einfluss mehr nehmen kann. Die Durchführung und vor allem die Dauer des Grundbuchverfahrens liegen außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs der Vertragsparteien. Diese Überlegung lässt sich zwar nicht eins zu eins auf die Mobiliarübereignung übertragen. Der Normzweck der Bindungswirkung trägt indes auch für die Bindungswirkung beim Mobiliarerwerb. Der Erwerber soll nach 186
Dazu ausf. aus gesetzgebungs- und dogmengeschichtlicher Perspektive Lipp, FS Happ, S. 363, 365 ff.; im Ergebnis ebenso BayObLGZ 57, 229, 231 f. 187 Im Ergebnis ebenso Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 37 Rn. 12; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 74; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 36; Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 624 ff.; Otte, Jura 1993, 643, 646; Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154, 157 f.; R. Stoll, Globalzession, S. 100 f.; M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 229. 188 Siehe oben § 6 IV. 1. 189 Mangels praktischer Schwierigkeiten wird – wie bereits oben angesprochen; siehe § 6 IV. 2. c) – von einem dahingehenden Änderungsvorschlag für § 873 Abs. 2 BGB allerdings abgesehen. Das hindert freilich nicht daran, die hiermit verbundenen sachenrechtlichen Systemfragen fortzudenken. Die besseren Gründe sprechen im Ergebnis für eine einschränkungslose Annahme der Bindungswirkung dinglicher Einigungen.
IV. Bindungswirkung der dinglichen Einigung
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erzielter Einigung auf den Bestand der Parteiabrede vertrauen dürfen und nicht auf den Umweg einer klageweisen Durchsetzung der Fahrnisübereignung verwiesen sein. ff) Die Wertung des § 956 Abs. 1 S. 2 BGB Ebenso wenig überzeugend ist der Hinweis der h.M. auf § 956 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn sie argumentiert: Da die Vorschrift ausnahmsweise eine Beschränkung der freien Widerruflichkeit anordnet, sei daraus im Umkehrschluss zu folgern, dass die dingliche Einigung im Regelfall nicht binde. Gegen diese Argumentation spricht nicht nur die systematische Stellung der Vorschrift inmitten originärer Erwerbstatbestände, woraus Folgerungen für den derivativen Eigentumserwerb gem. § 929 BGB schwerlich gezogen werden können190. Auch sind § 956 Abs. 1 S. 2 BGB keine Aussagen zur Bindungswirkung dinglicher Einigungen im Allgemeinen zu entnehmen, weil die konkrete Textfassung in der Tradition der heute überholten Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag steht191 und – anders als die Fassung des § 929 S. 1 BGB – später keine materielle Änderung erfahren hat192. Vor diesem Hintergrund und im Interesse einer dogmatisch wie rechtssystematisch kohärenten Problemlösung spricht viel dafür, den aus § 956 Abs. 1 S. 2 BGB gezogenen Umkehrschluss abzulehnen und die Aneignungsgestattung auch im Übrigen als bindend zu begreifen193. Diese Frage kann für unsere Zwecke aber getrost offen bleiben. Jedenfalls kann aus der – missverständlich formulierten – Ausnahmevorschrift des § 956 Abs. 1 S. 2 BGB kein taugliches Argument für eine freie Widerruflichkeit dinglicher Einigungen im Allgemeinen hergeleitet werden. gg) Die Wertung der §§ 932 ff. BGB Schließlich kann die h.M. auch §§ 932 ff. BGB nicht für ihre Zwecke in Anspruch nehmen. Richtig ist zwar, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers auch im Zeitpunkt der Übergabe noch vorliegen muss; der Erwerber kann seine Redlichkeit also bis zu diesem Zeitpunkt noch verlieren194. Hintergrund dieser Risikoverteilung ist allerdings die Konfliktlösungsfunktion des redlichen Erwerbs. Erwerber- und Verkehrsinteressen gebührt der Vorrang nur, wenn sie sich gegen das Bestandsinteresse des wahren Berechtigten durchsetzen können. Das ist nach den Wertungen des Gutglaubensprinzips hinfällig, wenn der Erwerber vernünftigerweise nicht darauf vertrauen durfte, tatsächlich vom Be190 So auch Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 626; im Ergebnis ebenso Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154, 158. 191 Siehe oben § 6 IV. 3. b) bb). 192 Vgl. Heck, Sachenrecht, § 63, 5; Wieling, Sachenrecht I, § 11 III 5 a cc; v. Blume, JhJ 39 (1898), 439 ff.; vgl. noch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 368. 193 So dezidiert Wieling, Sachenrecht I, § 11 III 5 a cc; wohl auch Heck, Sachenrecht, § 63, 5. 194 Vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, § 932 Rn. 15; Michalski, in: Erman, § 932 Rn. 13; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 46 Rn. 20.
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§ 6 Einigungsprinzip
rechtigten zu erwerben. Eine Erklärung dafür, wie diese Überlegungen auf die Frage nach der Bindungswirkung dinglicher Einigungen ausstrahlen sollen, bleibt die h.M. schuldig195. Das gilt umso mehr, als das Merkmal der Redlichkeit subjektiv-faktischer Natur ist, während die Bindungswirkung der dinglichen Einigung objektiv-normative Züge trägt. Im Ergebnis sprechen daher die besseren Gründe für die Annahme einer Bindungswirkung der Einigung gem. § 929 S. 1 BGB.
V. Zusammenfassung Das Einigungsprinzip ist Ausfluss des systemprägenden Prinzips der Privatautonomie. Es dient der Verwirklichung der Sukzessionsfreiheit, soweit die Parteien selbstbestimmt über die Durchführung rechtsgeschäftlicher Sukzessionen entscheiden können (Selbstbestimmungsfunktion). Zugleich schließt die obligatorische Mitwirkung der Vertragsparteien aus, dass außenstehende Dritte unbefugt in fremde Vermögenssphären eingreifen (Abwehrfunktion). Der Rechtsinhaber muss daher nicht fürchten, ohne oder gegen seinen Willen Vermögensrechte zu verlieren. Der (potenzielle) Erwerber wird vor der Aufdrängung unwillkommener Vermögenspositionen geschützt. Das Konsensprinzip sichert demnach sowohl die positive Sukzessionsfreiheit des Rechtsinhabers als auch die negative Sukzessionsfreiheit des Erwerbers, und verwirklicht auf diese Weise aus rechtsökonomischer Perspektive die individuelle Präferenzautonomie der Marktteilnehmer. Eine formelle Abweichung vom Einigungsprinzip ist angezeigt, wenn von der Sukzession nur eine einzige Person betroffen ist. Steht namentlich die Begründung von Eigenrechten in Rede, genügt die Willenserklärung des Veräußerer-Erwerbers. Die auf unmittelbare Herbeiführung der Sukzessionswirkung gerichtete Willensübereinstimmung wird zutreffend als verfügende Einigung bezeichnet; im Sachenrecht eignet sich auch die Bezeichnung als dingliche Einigung. Sie ist darauf gerichtet, dass eine bestimmte Vermögensposition vom Veräußerer mit unmittelbarer, identitätswahrender Wirkung auf den Nachfolger übergeht. Hieraus ergibt sich zugleich der notwendige Mindestinhalt der verfügenden Einigung. Für die Wirksamkeit und das rechtliche Schicksal der verfügenden Einigung gelten prinzipiell die Vorschriften und Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Zwei zentrale Ausnahmen ergeben sich indes für das Immobiliarsachenrecht. Zum einen ist die Auflassung gem. § 925 Abs. 2 BGB bedingungsund befristungsfeindlich. Zum anderen hängt die Bindungswirkung der dinglichen Einigung gem. § 873 Abs. 2 BGB von der Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten ab. Beide Anomalien sind dem liegenschaftsrechtlichen Eintragungsprinzip geschuldet und daher nicht verallgemeinerungsfähig. 195
Im Ergebnis auch Wank/Kamanabrou, Jura 2000, 154, 158.
V. Zusammenfassung
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Insbesondere lassen sich aus der Sondervorschrift des § 873 Abs. 2 BGB keine Rückschlüsse auf die Bindungswirkung verfügender Einigungen ableiten. Vielmehr sind die Parteien gem. § 145 BGB grundsätzlich an ihre Erklärungen gebunden und können sie später nicht nach Belieben widerrufen. Das ist für die rechtliche Bindung des Abtretungsvertrages, namentlich bei Vorausabtretungen, heute allgemeine Meinung. Gleiches muss – entgegen der noch immer h.M. – aber auch für die dingliche Einigung im Mobiliarsachenrecht gem. § 929 S. 1 BGB gelten. Für diesen Gleichlauf dinglicher wie obligatorischer Willenserklärungen spricht zum einen, dass der Erklärungsempfänger ein Interesse daran hat, in Erwartung des späteren Rechtserwerbs Dispositionen zu treffen, um den Verfügungsgegenstand effizient nutzen zu können. Zum anderen dient das durch die Willenserklärung vermittelte Bestandsinteresse gerade auf (dinglicher) Verfügungsebene zugleich dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs, und setzt sich aufgrund seiner strukturellen Bedeutung auch gegen ein etwaiges einseitiges Lösungsinteresse einer Vertragspartei durch. Das bestätigt auch eine ökonomische Analyse der Rechtsfrage.
§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip Die rechtsgeschäftliche Sukzession vollzieht sich als abstraktes Verfügungsgeschäft. Das bedeutet, die Übertragung eines Rechts ist zum einen vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft scharf zu trennen (Trennungsprinzip) und zum anderen von einer Zweckbestimmung sowie der Existenz und Wirksamkeit des Kausalgeschäfts im Grundsatz unabhängig (Abstraktionsprinzip). Trennungs- und Abstraktionsprinzip geben der rechtsgeschäftlichen Sukzession ihre spezifisch deutsche Prägung, denn die Kombination aus beiden Prinzipien ist in anderen Rechtsordnungen nur selten anzutreffen1. Die Mehrzahl ausländischer Sukzessionsrechte ist von einem einheitlichen Veräußerungsgeschäft beherrscht, bei welchem das Eigentum unmittelbar durch Kaufvertrag übergeht, wie etwa in Frankreich, Italien, Belgien oder Portugal (Einheitsprinzip)2. In wieder anderen Rechtsordnungen, namentlich den Vereinigten Staaten, Österreich, der Schweiz, Polen oder den Niederlanden, vollzieht sich das auf Grundlage des Trennungsprinzips verselbstständigte Verfügungsgeschäft in kausaler Abhängigkeit vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (Kausalprinzip)3. Es müsste den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen, wollte man die historische Debatte über die Vor- und Nachteile von Trennungs- und Abstraktionsprinzip an dieser Stelle erneut aufgreifen und ausführlich diskutieren. Anliegen dieses Abschnitts ist es vielmehr die Bedeutung der beiden Strukturprinzipien für die rechtsgeschäftliche Sukzession herauszuarbeiten. Dass in diesem Zusammenhang auch vom praktischen Nutzen, den Vorzügen und Schwächen der Prinzipien die Rede sein wird, liegt auf der Hand. Am Ende wird sich zeigen, dass Trennungs- und Abstraktionsprinzip für die rechtsgeschäftliche Sukzession von kaum zu überschätzender Bedeutung sind. Sie sind 1
Das Abstraktionsprinzip findet sich heute beispielsweise ebenfalls im Recht von Estland sowie teilweise in der Schweiz und Griechenland; vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4661, 4672 f., 4676 f.; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 31 Fn. 71. 2 Das Einheitsprinzip wird zuweilen auch als Konsensualprinzip bezeichnet, das nicht mit dem – auch Einigungs- oder Vertragsprinzip genannten – Konsensprinzip verwechselt werden darf; vgl. zu Letzterem ausf. oben § 6. 3 Dazu im Überblick Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1; Honsell, FS Wiegand, S. 349, 350 f.; ausf. Richter, FS Wadle, S. 927, 933 ff.; vgl. noch Bucher, ZEuP 1998, 615, 615 f.; Ferrari, ZEuP 1993, 52, 59 ff.; U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 480. Zu den unterschiedlichen Gestaltung im Ausland einschließlich der jeweiligen Durchbrechungen der jeweiligen Gestaltungsformen eingehend Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 24 ff., 55 ff., 61 ff., 70 ff., 719 ff. und passim; v. Bar/Clive, DCFR, S. 4660 ff. Speziell zum englischen Recht siehe Häcker, ZEuP 2011, 335 ff.
I. Trennungsprinzip
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als deutsche Kulturleistung ersten Ranges vor allem gegen die in der jüngeren Vergangenheit geäußerte Kritik zu verteidigen und halten auch einer rechtsökonomischen Analyse stand.
I. Trennungsprinzip Das Trennungsprinzip bezeichnet die grundlegende Unterscheidung zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem dinglichen Verfügungsgeschäft4; mit anderen Worten führt das Trennungsprinzip zu einer Aufspaltung des einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs – Übertragung einer Vermögensposition – in zwei voneinander verselbstständigte Rechtsgeschäfte: ein obligatorisches und ein dingliches5. Dabei bildet das (obligatorische) Kausalgeschäft den rechtlichen Grund – die causa – der Verfügung, führt aber selbst den Rechtsübergang nicht unmittelbar herbei. Erst das in Erfüllung des Kausalgeschäfts vorgenommene (dingliche) Vollzugsgeschäft bewirkt den Subjektwechsel und sorgt dafür, dass die Vermögensposition identitätswahrend vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht.
1. Ursprung und Systematik des BGB In dieser Form geht das Trennungsprinzip zurück auf die Übereignungslehre Friedrich Carl von Savignys, der sich hierfür neben römischen Quellen6 auch auf Vorarbeiten Gustav Hugos stützen konnte7. In der Sache entwickelte v. Savigny das Trennungsprinzip – ebenso wie das hiermit aufs engste verbundene Abstraktionsprinzip8 – aus seiner Lehre vom subjektiven Recht9. In der Folge anerkannte der historische BGB-Gesetzgeber den abstrakten dinglichen Ver4
Siehe schon Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 53; heute dazu etwa Gaier, in: MünchKommBGB, Einl zu § 854 Rn. 15; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 40; Larenz, Schuldrecht II/1, § 39 II; Prütting, Sachenrecht, Rn. 28 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rn. 10, § 4 Rn. 4; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 6 Rn. 2 ff.; Habermeier, AcP 195 (1995), 283 ff. 5 So etwa Habermeier, AcP 195 (1995), 283, 283 f. 6 Zum römischen Recht ausf. Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 a. 7 Dazu ausf. Jakobs, ZRG RA 119 (2002), 269, 280 ff., 293 ff.; zur Bedeutung Kants für die institutionelle Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft siehe Byrd, S. J. Phil. 36 (1997), Supp., S. 131, 135 ff. 8 Siehe unten § 7 II. 9 Siehe v. Savigny, System III, S. 312 ff., 354; ders., Obligationenrecht II, S. 257; dazu ausf. Felgentraeger, Übereignungslehre, S. 24 ff. und passim; Hammen, Bedeutung, S. 149 ff.; Flume, AT II, § 12 III 2; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 c; Füller, Sachenrecht, S. 120 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 46 ff.; Byrd, S. J. Phil. 36 (1997), Supp., S. 131, 133 ff.; Strack, Jura 2011, 5 ff.; U. Huber, FS Canaris, S. 471, 482 ff., 496 ff.; Lipp, FS Schapp, S. 363, 376 ff. Zur vorausgegangenen Entwicklung siehe Coing, Privatrecht II, S. 393.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
trag als „ein Dogma von apriorischer Richtigkeit“10 und brachte diese Überzeugung auch in der systematischen Strukturierung des Bürgerlichen Rechts zum Ausdruck, indem er das Sachenrecht durch eine eigenständige Regelung im 3. Buch des BGB vom Obligationenrecht scharf abgrenzte und es als ein in sich geschlossenes, autonomes System konzipierte11. Die Abgrenzung von Schuldund Sachenrecht findet ihre positivrechtliche Ausformung maßgeblich in der institutionellen Trennung der beiden Rechtsgeschäfte sowie deren rechtlicher Unabhängigkeit und Eigenständigkeit12, die allerdings kein unmittelbarer Ausfluss des Trennungsprinzips ist, sondern auf dem hiervon zu unterscheidenden13 Abstraktionsprinzip14 basiert.
2. Rechtssystematische Bedeutung des Trennungsprinzips Wichtigste Implikation des Trennungsgrundsatzes ist die Maßgeblichkeit der dinglichen Verfügung für den Eintritt der Sukzessionswirkungen. Auch wenn der Veräußerer sich zuvor bereits gegenüber einem Dritten zur Übertragung eines bestimmten Gegenstands verpflichtet hat, kann der Erwerber denselben Gegenstand gleichwohl wirksam vom Veräußerer erwerben. Denn anderweitige (schuldrechtliche) Bindungen lassen die absolute Rechtszuordnung ebenso unberührt – der Veräußerer bleibt Rechtsinhaber – wie die Befugnis des Veräußerers, über den Gegenstand nach Belieben verfügen zu können15. Insbesondere wird durch Schuldverträge kein „Recht zur Sache“ (ius ad rem) geschaffen, wie es unter Geltung des Preußischen Allgemeinen Landrechts noch anerkannt war und zu einer beschränkten dinglichen Sicherung vertraglicher Erwerbsansprüche führte16. Das Trennungsprinzip kennzeichnet sämtliche Spielarten der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Anders als zuweilen behauptet17 ist es nicht auf sachenrechtliche Verfügungen beschränkt18, sondern gilt nach zutreffender Auffassung 10
So Flume, AT II, § 12 III 2 unter Hinweis auf Motive zum BGB, Bd. 3, S. 6. Treffend Wiegand, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 929 Rn. 9, Vor § 929 Rn. 15; ausf. ders., AcP 190 (1990), 112 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 98 ff.; dagegen umfassend – wenn auch im Ergebnis nicht überzeugend – Füller, Sachenrecht (2006); ebenso sein Lehrer Säcker, FS Georgiades, S. 359 ff.; ders., FS Boguslavskij, S. 805 ff.; maßvoll relativierend Bydlinski, System, S. 325. 12 So etwa Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 99. 13 Zu Unrecht für eine Gleichsetzung von Trennungs- und Abstraktionsprinzip Huber, FS Canaris I, S. 471, 474. 14 Dazu sogleich § 7 II. 15 Siehe oben § 6 III. 1. Zur Verbindung des Trennungsprinzips zu § 137 S. 1 BGB vgl. näher Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 77 f. 16 Dazu näher Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 10; ferner Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 77. 17 Siehe etwa Gaier, in: MünchKommBGB, Einl. Sachenrecht Rn. 15; Prütting, Sachenrecht, Rn. 28; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 4 Rn. 4; Weber, Sachenrecht, § 4 Rn. 1. 18 Dazu näher m. Nachw. zur Gegenauffassung Habermeier, AcP 195 (1995), 283, 284 f.; ebenso Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 24. 11
I. Trennungsprinzip
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auch für die Forderungsabtretung19, die Schuld-20 und Vertragsübernahme21. Insbesondere besteht kein spezifischer Zusammenhang zwischen dem Trennungsgedanken und dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip, wie es für den Fahrniserwerb im Traditionsprinzip22 und für das Immobiliarsachenrecht im Eintragungsprinzip zum Ausdruck gelangt23. Dass sich der Rechtserwerb im Sachenrecht typischerweise aufgrund eines Doppeltatbestands – bestehend aus der dinglichen Einigung und einem Publizitätselement – vollzieht, darf nicht mit der hier als Trennungsprinzip bezeichneten Unterscheidung der obligatorischen und dinglichen Ebene einer wirtschaftlich einheitlichen Rechtsübertragung verwechselt oder auch nur vermischt werden. Schließlich kommt das Trennungsprinzip auch dann zum Tragen, wenn sich die Sukzession, wie bei der Forderungszession, Schuld- oder Vertragsübernahme, ausschließlich nach dem Konsensprinzip vollzieht, ohne dass es hierbei eines weiteren Publizitätselements bedürfte. Aus rechtspolitischer Perspektive muss klar zwischen den Postulaten des Trennungsprinzips und des Publizitätsprinzips unterschieden werden. Zum einen darf aus den zahlreichen Durchbrechungen des Traditionsprinzips nicht der Schluss gezogen werden, in der praktischen Anwendung sei die Rechtslage nicht mehr weit von der Geltung des reinen Vertragsprinzips entfernt24, denn die Offenkundigkeit der Verfügungen ist streng von der dogmatischen Verselbstständigung der dinglichen Einigung zu trennen25. Die Argumentation, wenn „die Tradition fällt, dann dürfte damit auch das Schicksal des besonderen dinglichen Vertrages besiegelt sein“26, greift schlicht weg zu kurz. Denn es wird verkannt, dass das Traditionsprinzip nicht auf Rechtsordnungen beschränkt ist, die dem Trennungsprinzip anhängen, sondern auch dort verwirklicht sein kann, wo bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts das Eigentum über19 RGZ 68, 97, 99 f.; 70, 88, 89; 102, 385, 386; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 398 Rn. 12; Weber, in: RGRK, BGB, § 398 Rn. 4; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn, 27; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 58; Weber, Sachenrecht, § 4 Rn. 24; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 25. 20 RGZ 63, 42, 46; BGH NJW 1960, 621, 622; WM 1965, 361, 362; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 5; Weber, in: RGRK, BGB, Vor § 414 Rn. 10. 21 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 651; Larenz, Schuldrecht, § 35 III; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 113 f.; Pohlmann, GmbHR 2002, 41, 45; Röthel/Heßeler, WM 2008, 1001, 1002; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 22 f., 51 f.; abweichend und differenzierend – im Ergebnis indes systemwidrig – Wagemann, AcP 205 (2005), 547, 551 ff.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 81 ff. 22 In diesem Sinne aber Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 2: „Vor allem das § 929 S. 1 BGB (…) zugrunde liegende Trennungsprinzip (…) resultiert unmittelbar aus dieser Interpretation der Traditio (Übergabe)“. 23 Für eine klare Unterscheidung von Trennungs-, Abstraktions- und Traditionsprinzip auch Joost, FS Zöllner, S. 1161, 1163 ff.; in diesem Sinne auch Jauernig, JuS 1994, 721 ff.; Habermeier, AcP 195 (1995), 283; Prütting, Sachenrecht, Rn. 28. 24 Vgl. Heck, Sachenrecht, § 56, 3; Kohler, ArchBR 18 (1900), 1 ff. 25 Zu Publizitäts- und Abstraktionsprinzip näher Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 129 ff., auch unter Hinweis von Schnittmengen (S. 131); vgl. ferner Füller, Sachenrecht, S. 252. 26 Nolte, Reform, S. 17; zitiert nach Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 129; ebenso Süß, FS Wolff, S. 141, 163 f.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
geht27. Und umgekehrt kommt das Trennungsprinzip nicht zuletzt bei den monistisch strukturierten schuldrechtlichen Übertragungstatbeständen des deutschen Rechts (Forderungsabtretung, Schuld- und Vertragsübernahme) zur Anwendung. Ebenso wenig darf das Trennungsprinzip mit dem Prinzip des Gutglaubenserwerbs vermischt werden28. Schon ein flüchtiger Blick ins französische Recht lehrt, dass auch auf Grundlage des Konsensualprinzips ein redlicher Erwerb in Betracht kommt29. Voraussetzung für die Zulassung des Gutglaubenserwerbs ist hier wie dort nicht in erster Linie die tatsächliche Sachherrschaft über den körperlichen Verfügungsgegenstand, sondern die tatsächliche Fähigkeit des Veräußerers dem Erwerber den Besitz an der Sache zu verschaffen (Besitzverschaffungsmacht)30. Die Rechtsfigur der Besitzverschaffungsmacht lässt sich auch unter Geltung des Einheitsprinzips etablieren. Auch wenn man zu diesem Zweck die Parteiabrede noch um einen natürlichen Rechtsscheinträger ergänzen muss, spricht dieser Umstand nicht prinzipiell gegen die Vereinbarkeit von Konsensual- und Gutglaubensprinzip.
3. Fundamentalkritik und Würdigung Seit den Vorentwürfen zum BGB hat der Trennungsgedanke von verschiedenen Seiten immer wieder Kritik erfahren. Ein echter Klassiker sind die berühmten Einwendungen Otto von Gierkes, der das Trennungsprinzip als lebensfremden Formalismus geißelte31: „Auch inhaltlich ist es doch eine doktrinäre Vergewaltigung des Lebens, wenn der Entwurf durch lehrbuchartige Sätze uns zwingt, die einfachste Veräußerung einer beweglichen Sache in mindestens drei voneinander rechtlich ganz unabhängige juristische Vorgänge zu zerlegen. Wer in einen Laden geht und ein Paar Handschuhe kauft, die er sofort bezahlt und mitnimmt, muß fortan sich stets vor Augen halten, daß dreierlei geschehen ist: 1. es ist ein obligationenrechtlicher Vertrag geschlossen und das aus ihm entstandene Schuldverhältnis durch Erfüllung getilgt; 2. es ist ein von diesem Rechtsgrunde völlig losgelöster dinglicher Vertrag hinsichtlich der Übertragung des Eigentums geschlossen; 3. es ist außer diesen zwei Rechtsgeschäften eine Übergabe vorgenommen, die ‚zwar eine Rechtshandlung, aber kein Rechtsgeschäft’ ist. Sind das nicht bare Fiktionen? Indem nun aber zwei gegeneinander selbständige Verträge erdichtet werden, wo es sich in Wahrheit nur um zwei verschiedene Betrachtungsformen eines einheitlichen Rechtsgeschäftes
27
Siehe nochmals oben vor § 7 I. So aber Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 d aa. 29 Dazu etwa Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 355 ff., 514 f. 30 Dazu im Einzelnen unten § 11 III. 4. c). 31 O. v. Gierke, Entwurf, S. 336; kritisch auch Strohal, JhJ 27 (1889), 335, 337 ff.; Krause, AcP 145 (1939), 312, 315 f.; Brandt, Eigentumserwerb (1940); kritische Besprechung bei Lange, AcP 148 (1943), 188 ff.; zur Kritik Habermeier, AcP 195 (1995), 283, 286 f.; aus neuerer Zeit kritisch etwa Lehmann, Finanzinstrumente, S. 264. 28
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handelt, wird nicht nur der wirkliche Hergang auf den Kopf gestellt, sondern auch das materielle Recht durch Überspannung eines formalen Gedankens geschädigt.“
Diese Kritik greift schon deshalb zu kurz, weil die Qualität rechtlicher Grundsätze und Regelungen nicht primär an ihrer Verständlichkeit für juristische Laien zu messen ist, sondern anhand ihrer Tauglichkeit für eine interessengerechte Bewältigung rechtlicher Fragestellungen. Einer unter objektiv-teleologischen Gesichtspunkten zutreffenden Erfassung von Lebenssachverhalten ist stets der Vorrang zu gewähren gegenüber einer möglichst wirklichkeitsgetreuen Abbildung rechtlicher Vorgänge32. So ist es hinzunehmen, dass die Anwendung des Trennungsprinzips auf den Handkauf gekünstelt erscheinen mag, weil das Prinzip dafür umso besser geeignet ist, komplexe Fallgestaltungen zu erfassen, und immer dann Vorteile aufweist, wenn Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft nicht in einem (natürlichen) Akt zusammenfallen. In diesem Sinne sind sich aber selbst juristische Laien bewusst, dass etwa im Rahmen des Grundstückskaufs zwischen dem Abschluss des Kaufvertrags und der Übereignung des Grundstücks (durch Auflassung und Eintragung) zu unterscheiden ist33. Die am Trennungsprinzip geäußerte Kritik ist aber auch in der Sache nicht überzeugend, weil die hinter dem Trennungsprinzip stehenden Wertungen richtigerweise dem Umstand Rechnung tragen, dass Verpflichtungs- und Vollzugsgeschäft auf unterschiedliche Rechtsfolgen gerichtet sind und außerdem von unterschiedlichen Tatbestandsmerkmalen abhängen34. Das gilt vor allem für die Verfügungsbefugnis, die für die Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts von zentraler Bedeutung ist35, während sie auf obligatorischer Ebene überhaupt keine Rolle spielt. Der Einzelne kann sich nach Belieben zu Leistungen verpflichten, auch wenn er bei Abschluss der Kausalverträge gerade nicht Inhaber der zu übertragenden Vermögensposition ist36. Weitere Beispiele sind besondere Formvorschriften und spezifische Genehmigungserfordernisse37, die namentlich im Immobiliarsachenrecht eine besondere Rolle spielen. Daher kann es auch nicht verwundern, dass der europäische Trend im Grundstücksrecht in Richtung der Etablierung eines Trennungsprinzips verläuft38. Der Kohärenz des Sukzessionsrechts wäre es freilich wenig förderlich, wenn bewegliche Sachen, Forderungen, Schulden und ganze Vertragspositionen nach einem anderen Regime übertragen würden als unbewegliche. 32 In Bezug auf das Abstraktionsprinzip, aber auch für den Trennungsgedanken zutreffend Hager, FG BGH I, S. 777, 780: „wichtiger als die Praxisnähe ist ein angemessener Interessenausgleich.“ Im Ergebnis ebenso Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 11; Peters, Jura 1986, 449, 459; Heck, Rechtsgeschäft, S. 13 f.; Locher, Neugestaltung, S. 42. 33 Ebenso Wacke, ZEuP 2000, 254, 255; Bayerle, JuS 2009, 1079. 34 Dazu auch Habermeier, AcP 195 (1995), 283, 290; vgl. noch Locher, Neugestaltung, S. 42 f. 35 Speziell dazu Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 1; vgl. weiter Locher, Neugestaltung, S. 49. 36 Dazu bereits oben § 5 I. 1. 37 Zum Ganzen: Stadler, JZ 2010, 380, 386 f. 38 Dazu näher Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 81; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 523 ff.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
Davon abgesehen hat der Trennungsgrundsatz den Gedanken der rechtskonstruktiven Klarheit für sich, soweit es um unmittelbare Änderungen der ausschließlichen Rechtszuordnung geht. Während durch den schuldrechtlichen Kausalvertrag zunächst die Verpflichtung zur Übertragung des Vermögensrechts begründet wird, treten die Rechtsänderungen an dem Gegenstand erst durch die Vornahme des Verfügungsgeschäfts ein. Jede Gütertransaktion lässt sich in rechtsdogmatischer Hinsicht in diese beiden Komponenten aufspalten. Dass die beiden Rechtsgeschäfte im praktischen Leben häufig in demselben Zeitpunkt zusammentreffen39, ist für sich genommen kein tauglicher Grund dafür, mit dem Trennungsprinzip zu brechen, ist es doch in der Lage, die juristischen Vorgänge des Gütertransfers gerade in schwierigen Konstellationen besonders griffig und dogmatisch überzeugend zu beschreiben. Ein weiterer rechtskonstruktiver Vorteil des Trennungsprinzips liegt in seiner Differenziertheit. Die Aufspaltung des Erwerbsvorgangs in zwei verselbstständigte Rechtsgeschäfte bildet die Grundlage für die Abstraktion des Verfügungs- vom Verpflichtungsgeschäft sowie für eine differenzierte Behandlung von Wirksamkeitsmängeln auf den voneinander getrennten Rechtsebenen. Ohne dogmatische Winkelzüge, wie sie unter Geltung des Konsensualprinzips notwendig sind40, können die Parteien infolge von Trennung und Abstraktion beispielsweise dinglich wirksame Bedingungen vereinbaren, namentlich in Form des bekannten Eigentumsvorbehalts41. Schwierigkeiten bereitet dem Einheitsprinzip auch die Veräußerung von Gattungssachen sowie von nicht existierenden oder dem Veräußerer nicht gehörenden Sachen, aber auch die Erfüllung von Wahlschulden. Rechtsvergleichende Untersuchungen haben nachgewiesen, dass namentlich das französische Recht sich zur Lösung dieser Problemfälle Denkfiguren bedient, die letztlich dem Trennungs- und Abstraktionsgedanken entlehnt sind42. Weil Gattungssachen erst nach Konkretisierung auf den Erwerber übergehen sollen, ist auch unter Geltung des Konsensualprinzips neben dem Schuldvertrag noch eine Einigung über die Aussonderung der konkreten Gattungssache aus der Gesamtmenge notwendig43. Vergleichbare Probleme ergeben sich für die Einheitslehre auch in Bezug auf die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung als Gegenleistung in einem synallagmatischen Vertrag. Im Zeitpunkt des Schuldvertragsschlusses kann schwerlich das Eigentum an den 39
Vgl. auch Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 380; Habermeier, AcP 195 (1995), 283, 290. So kennt zwar auch das dem Konsensualprinzip verhaftete französische Recht einen Eigentumsvorbehalt; das Schrifttum vermag hierfür indes schwerlich eine dogmatisch überzeugende Lösung zu präsentieren; vgl. zum Problemkreis ausf. Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 278 ff. 41 Dazu ausf. Joost, FS Zöllner, S. 1161, 1166 f.; knapper Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 d bb; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 1; vgl. noch Locher, Neugestaltung, S. 49 f. 42 Dazu ausf. Ferrari, ZEuP 1997, 52, 72 ff.; zusf. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 11; siehe rechtsvergleichend noch v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39), 675, 689 ff. 43 Zum Problem näher Joost, FS Zöllner, S. 1161, 1167 ff.; ferner Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 1; zu Erklärungsversuchen im französischen Recht siehe nur Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 115 ff. 40
II. Abstraktionsprinzip
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Geldzeichen übergehen, da regelmäßig noch nicht feststeht, mit welchen Geldzeichen später bezahlt wird44. Da das Konsensualprinzip in allen diesen Konstellationen zu keinen tragfähigen Ergebnissen gelangt, muss es um zusätzliche Sonderregeln erweitert werden. Solcherlei Kunstgriffe lassen sich auf Grundlage des Trennungsprinzips in systemkonformer Weise vermeiden. Das Trennungsprinzip dient insofern nicht nur dem Gebot wertungsmäßiger Folgerichtigkeit und Kohärenz, sondern auch der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, was gerade für die Zuordnung absoluter Vermögenspositionen von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.
II. Abstraktionsprinzip 1. Verhältnis von Trennungs- und Abstraktionsprinzip Wie erwähnt, bildet das Trennungsprinzip die Vorbedingung für die Geltung des Abstraktionsprinzips, denn ohne Aufspaltung der Rechtsübertragung in zwei voneinander verselbstständigte Rechtsgeschäfte ist eine Abstraktion des (dinglichen) Verfügungs- vom (schuldrechtlichen) Kausalgeschäft schlichtweg undenkbar45. Wenn demgegenüber zuweilen die Auffassung vertreten wird, das Abstraktionsprinzip gehe dem Trennungsprinzip logisch voraus46 und sei seinerseits eine Bedingung der Trennung47, dann wird diese Sichtweise durch einen Blick über die nationalen Grenzen hinweg schnell widerlegt. Denn wie eingangs skizziert48, gilt in zahlreichen Rechtsordnungen zwar das Trennungsprinzip; die Wirksamkeit der dinglichen Einigung ist dort allerdings nach Maßgabe des Kausalprinzips abhängig von der Existenz und Wirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts49. Darüber hinaus unterscheiden sich Trennungsund Abstraktionsprinzip weiterhin dadurch, dass die Wirkungen des Abstraktionsprinzips durch parteiautonome Abreden eingeschränkt werden können, beispielsweise in der Form, dass die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts qua Bedingungszusammenhangs an die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts gebunden oder die beiden Geschäfte zu einer rechtlichen Einheit iSd. § 139
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Dazu ausf. Joost, FS Zöllner, S. 1161, 1169 ff. Vgl. Bork, BGB AT, Rn. 477; Medicus, BGB AT, Rn. 224; Jauernig, JuS 1994, 721, 722; Joost, FS Zöllner, S. 1161, 1164; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 380; Hager, FG BGH I, S. 777, 780; Füller, Sachenrecht, S. 113; a.A. offenbar U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 476. – Zu weit gehen Krause, AcP 145 (1939), 312, 320, 324; Larenz, Schuldrecht II/1, § 39 II d, die Trennungs- und Abstraktionsprinzip als untrennbare Einheit betrachten; missverständlich auch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 6. 46 So etwa Hübner, BGB AT, Rn. 633; Roth, ZVglRWiss 92 (1993), 371, 373; Schreiber/ Kreutz, Jura 1989, 617, 618. 47 Hübner, BGB AT, Rn. 633. 48 Siehe nochmals oben vor § 7. 49 Vgl. dazu auch Koziol, AcP 212 (2012), 1, 18. 45
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
BGB verbunden werden50. In Bezug auf das Trennungsprinzip ist den Vertragsparteien ein vergleichbarer Gestaltungsspielraum nicht eröffnet51. Dieser Umstand spricht ebenfalls für die fundamentale Bedeutung des Trennungsprinzips, auf dessen Basis das Abstraktionsprinzip seine Wirkungen entfaltet.
2. Zwei Komponenten: Innere und äußere Abstraktion Das Abstraktionsprinzip besagt nach modernem Verständnis zweierlei52: Zum einen ist das Verfügungsgeschäft durch seine Freiheit von einer kausalen Zweckbestimmung gekennzeichnet, wie sie sich typischerweise im Verpflichtungsgeschäft findet (innere Abstraktion). Zentrale Implikation dieser inneren Abstraktion ist, dass sich der Inhalt der gegenständlichen Einigung auf ein Minimum reduziert (sukzessionsrechtlicher Minimalkonsens)53: Einigen müssen sich die Vertragsparteien allein darüber, dass eine Vermögensposition vom bisherigen Inhaber auf den Sukzessor übergeht. Das setzt neben der Einigung über die Verfügungswirkung (Einigungsprinzip)54 nur noch voraus, dass die beteiligten Parteien und der Verfügungsgegenstand hinreichend bestimmt sind (Bestimmtheitsgrundsatz)55. Im Übrigen ist für die Wirksamkeit des dinglichen Vollzugsgeschäfts ohne Belang, zu welchem Zweck sich die Parteien auf die Sukzession geeinigt haben und ob der intendierte Zweck tatsächlich erfüllt ist56. Zum anderen besagt das Abstraktionsprinzip, dass die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts von der Existenz und Wirksamkeit des obligatorischen Verpflichtungsgeschäfts unabhängig ist (äußere Abstraktion)57. Das Abstraktionsprinzip bildet insofern den Gegenpol zum Kausalprinzip, nach dessen Grundaussage das Vollzugsgeschäft nur dann rechtsgültig ist, wenn sich der Veräußerer gegenüber dem Erwerber wirksam zum Rechtsübergang verpflichtet hat. Allerdings entfaltet die rechtsgrundlose Sukzession auf Grundlage des Abstraktionsprinzips keine endgültige rechtszuweisende Wirkung. In Ermangelung eines rechtlichen 50
Siehe unten § 7 II. 4. Zutreffend Joost, FS Zöllner, S. 1161, 1165, der hieraus nicht ohne Grund folgert, das Trennungsprinzip sei „daher weit wirkungsmächtiger als das Abstraktionsprinzip“. 52 Grundlegend dazu und zum Folgenden Jahr, AcP 168 (1968), 9, 15 ff.; dem folgend etwa Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 8; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 30; Bork, BGB AT, Rn. 479; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 380 f.; Jauernig, JuS 1994, 721, 722; Bayerle, JuS 2009, 1079; Füller, Sachenrecht, S. 115 ff.; missverständlich U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 474, der das Prinzip der inneren Abstraktion mit dem Trennungsgrundsatz gleichsetzt. 53 In Anlehnung an Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 381: „verfügungsrechtlicher Minimalkonsens“; vgl. noch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 8; St. Lorenz, JuS 2009, 489, 490; Bayerle, JuS 2009, 1079. – Siehe ergänzend oben § 6 II. 54 Dazu oben § 6. 55 Zu Letzterem unten § 8 I. 56 Vgl. etwa Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 2. 57 Diese Facette fand sich noch ausdrücklich normiert in § 829 Abs. 1 S. 2 des 1. BGB-Entwurfs; dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 187 f.; vgl. ferner Motive zum BGB, Bd. 3, S. 3; Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 53, 55; Schubert, Entstehung, S. 26. 51
II. Abstraktionsprinzip
273
Grundes zum Behaltendürfen ist die Rechtsübertragung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung rückabzuwickeln. Bis zur Rückabwicklung ist der rechtsgrundlose Erwerber allerdings vollwertiger Inhaber der ihm mit absoluter wie ausschließlicher Wirkung zugewiesenen Vermögensposition; er kann grundsätzlich ungehindert über die Position verfügen, muss zugleich aber auch gewärtigen, dass seine Gläubiger in das Vermögensrecht vollstrecken können58.
3. Herleitung, Kritik und Würdigung des Abstraktionsprinzips Die Meinungen über die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des Abstraktionsprinzips gehen im Schrifttum weit auseinander. Einerseits wird das Prinzip seit den Vorarbeiten zum BGB59 immer wieder – neuerdings auch im Kontext der über das Europäische Privatrecht geführten Debatte60 – mit großer Schärfe kritisiert61. Andererseits wird das Abstraktionsprinzip als „juristische Spitzenleistung“62 betrachtet, der maßstabsetzende Bedeutung auch für die europäische Rechtsentwicklung beigemessen wird63. Es ist hier nicht der Ort, die Kontroverse in allen ihren Feinheiten und Schattierungen nachzuzeichnen. Stattdessen fokussieren die nachfolgenden Überlegungen – nach einem Seitenblick auf die rechtshistorische Ableitung (a) – auf das berechtigte Kernanliegen des Abstraktionsprinzips: die Gewährleistung von Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (b). In diesem Sinne hält das Prinzip auch einer ökonomischen Analyse stand (c) und ist namentlich für die Forderungszession von besonderer Bedeutung (d). Schließlich können gegen das Abstraktionsprinzip auch weder die Risikoverteilung im Insolvenzfall (e) noch etwaige Überschneidungen mit dem Prinzip des Gutglaubenserwerbs (f) eingewendet werden. Ein Blick auf die Vorteile des Abstraktionsprinzips in puncto Gestaltungsfreiheit rundet das Gesamtbild ab (g).
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Vgl. nur Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 6. Siehe etwa v. Gierke, Entwurf, S. 336 f. 60 Dazu unten ausf. § 25 II. 3. b) und § 27 V. 2. – Vgl. vorerst exemplarisch Ferrari, ZEuP 1993, 52, 63; Wacke, ZEuP 2000, 254, 256 f.; a.A. Wieling, ZEuP 2001, 301 ff. 61 Vgl. exemplarisch aus jüngster Zeit Koziol, AcP 212 (2012), 1, 16 ff. sowie die reichen Nachw. in den folgenden Fn. 62 Zutreffend Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 11. Ähnlich schon Zöllner, ZHR 148 (1984), 313, 329: „Die Abstraktion ist eine geniale juristische Institution … nicht eine primitiv-archaische, durch ,Modernität‘ zu überwindende Denkform“. 63 Zur Verteidigung des Abstraktionsprinzips aus neuerer Zeit siehe ausf. Stadler, Gestaltungsfreiheit, passim, zusf. S. 728 ff.; ferner Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 ff.; Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 14; Peters, Jura 1986, 449 ff.; Prütting, Sachenrecht, Rn. 31; Regenfus, Vorgaben, S. 313 ff.; Strack, Jura 2011, 5 ff.; Stürner, JZ 1996, 741, 747; Wieling, ZEuP 2001, 301 ff.; ders., Sachenrecht I, § 1 III 1 d cc. 59
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
a) Begriffsjuristische Grundlegung Ebenso wie das Trennungsprinzip ist auch der Abstraktionsgrundsatz untrennbar mit dem Namen Friedrich Carl von Savigny verbunden, der erstmals für die Übereignung beweglicher Sachen die Abstraktheit der dinglichen Einigung vom zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft postulierte. Seine Argumentation stützte sich primär auf römischrechtliche Quellen und war stark begriffsjuristisch geprägt64. Heute spielt diese Begründung für die rechtspolitische Überzeugungskraft des Abstraktionsprinzips keine wesentliche Rolle mehr; im Zentrum der modernen Diskussion steht vielmehr der Gedanke des Verkehrsschutzes65. Die Überlegungen v. Savignys sind aber für das Verständnis der Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips auch heute noch von Bedeutung. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Entwicklung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips bei v. Savigny ist der Parteiwille66. Diesen erkennt er in der Tradition Immanuel Kants als das entscheidende Element der Privatrechtsordnung67 und unterscheidet im Rechtsverkehr zwischen unmittelbaren und mittelbaren Willensrichtungen. Die Willensrichtung sei eine unmittelbare, wenn sie auf die Entstehung oder Auflösung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sei, auch wenn es sich hierbei nur um das Mittel für andere, auch außerjuristische Zwecke handele68. Nur diese unmittelbare Richtung des Willens sei im Rechtsverkehr von Bedeutung; eine bloße – mittelbare – Motivation des Handelnden bleibe außer Betracht69. Einigten sich die Vertragsparteien etwa auf den Verkauf einer noch zu prägenden Goldmünze, dann richte sich der unmittelbare Wille des Käufers auf die Begründung der Verpflichtung des Verkäufers, die Goldmünze zu prägen und zu verschaffen. Dass der Käufer später auch Eigentum an der Münze erlange oder sie womöglich als Geschenk an einen Dritten weitergeben wolle, ist nach Ansicht v. Savignys bloßes Motiv und als mittelbare Willensrichtung daher unbeachtlich. Erst wenn der Verkäufer dem Käufer die Goldmünze übergebe, sei der Wille der Beteiligten unmittelbar darauf gerichtet, das Eigentum vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen zu lassen. Dass der Verkäufer hiermit zugleich seine Schuld aus dem Verpflichtungsvertrag erfülle, sei wiederum nur unbeachtliches Motiv. In Anbetracht des unmittelbar auf Übereignung gerichteten Parteiwillens spielt nach Ansicht v. Savignys auch die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts keine Rolle70. 64
Speziell hierzu Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 46 ff.; Byrd, S. J. Phil. 36 (1997), Supp., S. 131, 133 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 120 ff.; Brehm, AcP 207 (2007), 268, 271; Strack, Jura 2011, 5 ff. 65 Dazu sogleich unten § 7 II. 3. b). 66 Zur Bedeutung des Willensdogmas in diesem Zusammenhang siehe Heck, Rechtsgeschäft, S. 12; Landwehr, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 173, 179 f.; Strack, Jura 2011, 5, 6. 67 Zur Grundlegung der Privatautonomie und der Rolle Kants siehe oben § 4 I. 1. Speziell zur Bedeutung Kants für die Entwicklung des Abstraktionsprinzips siehe Byrd, S. J. Phil. 36 (1997), Supp., S. 131, 135 ff. 68 So v. Savigny, System III, S. 5 f. 69 Vgl. v. Savigny, System I, S. 373; dazu Strack, Jura 2011, 5, 6 f. 70 Zum Ganzen auch Strack, Jura 2011, 5, 7.
II. Abstraktionsprinzip
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b) Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs Das begriffsjuristische Konzept v. Savignys wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch Verkehrsschutzerwägungen abgelöst. Es ist das Verdienst von Heinrich Dernburg und Rudolf von Jhering, das objektiv-teleologische Fundament des Abstraktionsprinzips freigelegt zu haben71. In diesem Sinne bezeichnet v. Jhering das abstrakte Rechtsgeschäft als einen „der glücklichsten Gedanken des römischen Rechts, jedenfalls eine(n) der festesten Anker für die Sicherheit des Eigentums“72: „All der Ansteckungsstoff, der ihm (scil.: dem Eigentum) auf seinem Wege und bei seiner Berührung mit der Obligation gefährlich werden könnte, entweicht in die Form der persönlichen Klagen, d.h. das Anfechtungsmaterial, das aus der Art, wie das Eigentum im einzelnen Fall entsteht, sich ergibt, bleibt bei den zwei sich unmittelbar gegenüberstehenden Personen zurück, das Eigentum selber aber wandelt unversehrt und intakt von einer Hand in die andere“73.
In Übereinstimmung mit dem Trennungsgedanken sichert das Abstraktionsprinzip die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs und damit zugleich die klare und eindeutige Zuordnung der Rechtsinhaberschaft74. Dies liegt insgesamt sowohl im individuellen Interesse des Erwerbers als auch im überindividuellen Interesse an der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen; das Abstraktionsprinzip dient in diesem Sinne also zugleich dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Ebenso wie die Übertragungsfreiheit75 und das Gutglaubensprinzip76 dient die Entkopplung von Kausal- und Erfüllungsgeschäft nicht primär den individuellen Interessen des konkreten Erwerbers. Letzterer ist nur reflexartig als Repräsentant der überindividuellen Interessen des Rechts- und Handelsverkehrs geschützt. Das zeigt sich mit großer Deutlichkeit bei einem Blick auf die Implikationen des Abstraktionsprinzips für den Erwerber. Leidet das schuldrechtliche Kausalgeschäft nämlich an einem Mangel, ist das Abstraktionsprinzip für ihn von verhältnismäßig geringer Bedeutung, weil die ausgetauschten Leistun71 Dernburg, AcP 40 (1857), 1 ff., insb. 2; v. Jhering, Geist III, S. 208 ff.; siehe außerdem noch Bähr, Anerkennung, 1. Aufl. S. 1 f., der die Funktion der Abstrahierung des Verfügungsgeschäfts vom zugrunde liegenden Kausalgeschäft darin erblickt, die Verfolgung bereits vorhandener rechtlicher Verhältnisse „im Rechtswege zu erleichtern und sicher zu stellen“. 72 v. Jhering, Geist III, S. 213. 73 v. Jhering, Geist III, S. 214. 74 Dazu aus neuerer Zeit ausf. Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 353 ff., 390 f., 728 ff.; ferner Gaier, in: MünchKommBGB, Einl zu § 854 Rn. 16; Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 12; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 50; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 10; Flume, AT II, § 12 III 3; Larenz/Wolf, BGB AT, § 23 Rn. 87 f.; Westermann, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 8; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 384; Rother, AcP 169 (1969), 1 ff.; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 216; Regenfus, Vorgaben, S. 313 f.; Honsell, FS Wiegand, S. 349, 363 f.; vgl. noch Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 53. 75 Siehe oben § 4. 76 Siehe unten § 11.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
gen auch unter Geltung des Abstraktionsprinzips nach Maßgabe der §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln sind77. Die Rückabwicklung der durch das Verfügungsgeschäft herbeigeführten Güterverschiebung infolge ungerechtfertigter Bereicherung bildet das notwendige Korrelat zur Abstraktheit des Verfügungsgeschäfts78. Zu berücksichtigen ist allerdings die relative Schwäche der Kondiktionsforderung im Vergleich zum Vindikationsanspruch gem. § 985 BGB, der unter Geltung des Kausalprinzips zur Geltung käme79. Davon abgesehen ist das individuelle Interesse des Erwerbers aber auch schwerlich geeignet, den rechtsgrundlosen Verlust einer Rechtsposition aufseiten des Veräußerers zu legitimieren. Die hierzu notwendige Legitimationsgrundlage bildet das überindividuelle (Allgemein-)Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Die zentrale Bedeutung des Abstraktionsprinzips ist in diesem Zusammenhang darin zu erblicken, dass sich die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlich herbeigeführten Änderung der absoluten und ausschließlichen Rechtszuordnung auf das Verfügungsgeschäft und dessen sukzessionsrechtlichen Minimalkonsens beschränkt, ohne dass für die allein entscheidende Zuordnungsfrage außerdem die Gültigkeit des Kausalgeschäfts in den Blick zu nehmen wäre80. Weder der Erwerber, seine Rechtsnachfolger oder Gläubiger noch sonstige Beteiligte, deren Interessen durch die Rechtsbeständigkeit des Verfügungsgeschäfts tangiert werden, brauchen sich Gedanken darüber zu machen, ob vorausgegangene Verpflichtungsgeschäfte frei von Wirkungsmängeln waren. Maßgeblich ist allein, ob der Erwerber infolge wirksamen Verfügungsgeschäfts Rechtsinhaber geworden ist. Ist dies geschehen, kann etwa ein Dritter vom Erwerber des Erstgeschäfts als Berechtigtem den fraglichen Gegenstand in bestandskräftiger Weise erwerben. Im Vergleich dazu führt auf Grundlage des Kausalprinzips der Mangel auch nur eines einzigen Verpflichtungsgeschäfts im Rahmen einer Veräußerungskette dazu, dass der Letzterwerber – vorbehaltlich eines redlichen Erwerbs81 – kein bestandskräftiges Eigentum erwerben kann82. Dieses Ergebnis ist schon deshalb nicht sachgerecht, da (potenzielle) Erwerber die Wirksamkeit vorausgegangener Verpflichtungsgeschäfte schwerlich überprüfen können. Daher ist es auch nicht sachgerecht, ihnen einseitig das uneingeschränkte Risiko kausalvertraglicher Wirksamkeitsmängel aufzubürden83.
77 Vgl. Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 d cc; v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39), 675, 685 f.; Heck, Rechtsgeschäft, S. 17; Locher, Neugestaltung, S. 65 f.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 223 ff., 725. 78 Zutreffend Flume, AT II, § 12 I 2; Larenz/Wolf, BGB AT, § 23 Rn. 87 a.E. 79 Dazu im Einzelnen U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 506 f.; vgl. ferner v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39), 675, 698 ff. 80 Darauf verweisen die Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 53. 81 Zum Verhältnis von Abstraktionsprinzip und Gutglaubenserwerb siehe unten § 7 II. 3. f). 82 Vgl. auch Honsell, FS Wiegand, S. 349, 363 zum schweizerischen Recht; vgl. weiter Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 94 ff. 83 Wie hier auch Honsell, FS Wiegand, S. 349, 365.
II. Abstraktionsprinzip
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Stattdessen entspricht es dem Gedanken der Relativität des Schuldverhältnisses84, wenn ein auf das obligatorische Verpflichtungsgeschäft beschränkter Wirksamkeitsmangel auch auf das Rechtsverhältnis der Vertragsparteien beschränkt bleibt, die sich einander ausgesucht haben und in deren rechtlicher Beziehung sich der Fehler ereignet hat. Eine Ausstrahlungswirkung auf nachfolgende Drittverhältnisse würde dem Grundsatz widersprechen, dass sich die Beteiligten – allen voran Dritterwerber – keine Einwendungen entgegenhalten lassen müssen, die nicht aus demjenigen Schuldverhältnis stammen, an dem sie als Vertragspartei nicht beteiligt sind. Soweit Wirksamkeitsmängel ausschließlich im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien Bedeutung erlangen, ist gewährleistet, dass ein außenstehender Dritter, namentlich der Dritterwerber, nicht ohne weiteres in zwischen den Vertragsparteien bestehende Rechtsstreitigkeiten verwickelt werden kann85. Die Rechtsstellung des Dritterwerbers erfährt hierdurch eine nicht unerhebliche Verstärkung. Das gilt umso mehr, als die Zulassung einer Vindikation im Verhältnis zwischen dem Rechtsvorgänger des Veräußerers und dem Erwerber Letzterem das Insolvenzrisiko in Bezug auf seine Gegenleistung aufbürden würde. Denn dem Vindikationsanspruch des Rechtsvorgängers kann nicht die Rückzahlung der Gegenleistung entgegengehalten werden; das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Veräußerers trägt der Erwerber. Insgesamt erhöht das Abstraktionsprinzip also in wirtschaftlich sinnvoller Art und Weise die Verkehrsfähigkeit von Vermögenspositionen. Da Verkehrsschutzgründe die normativ-teleologische Basis des Abstraktionsprinzips bilden, kann auch nicht mit Erfolg gegen das Abstraktionsprinzip eingewandt werden, abstrakte Verfügungen vermittelten dem bösgläubigen Erwerber zulasten des „meist schutzwürdigeren Veräußerers“ überschießende Schutzwirkungen86. Denn das Abstraktionsprinzip ist nicht auf den Schutz des (redlichen) Erwerbers beschränkt. Letzterer repräsentiert im konkreten Einzelfall lediglich das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Das zeigt sich vor allem am Beispiel von Kettenveräußerungen. Käme es in diesem Zusammenhang jeweils auf die Redlichkeit des Erwerbers an, würde der Rechtsverkehr durch aufwendige, zum Teil undurchführbare Nachforschungsobliegenheiten belastet, die in Form erhöhter Transaktionskosten zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten führten.
84
Vgl. v. Tuhr, AT II/2, S. 111; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 384 f.; Petersen, Jura 2004, 98,
101. 85
Dazu U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 504 f. Zitat: Koziol, AcP 212 (2012), 1, 20 unter Hinweis auf Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 523, der indes unter Bezug auf die unter § 7 II. 3. e) behandelte Insolvenzproblematik von einer „Überspannung des Schutzes des unredlichen Erwerbers“ spricht; vgl. ferner Ferrari, ZEuP 1993, 52, 66; Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 115 ff. 86
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
c) Ökonomische Analyse des Abstraktionsprinzips Diese Sichtweise wird weiter unterstrichen durch eine ökonomische Analyse des Abstraktionsprinzips. Den Ausgangspunkt bildet erneut die Überlegung, dass eine Reduzierung von Transaktionskosten zur effektiven Allokation knapper Ressourcen beiträgt und auf diese Weise hilft, den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand zu steigern87. Vor diesem Hintergrund zielen die Wirkungen des Abstraktionsprinzips zuvörderst darauf ab, den Erwerber von Nachforschungsmaßnahmen in Bezug auf die Wirksamkeit vorangegangener schuldrechtlicher Verpflichtungsgeschäfte zu entlasten88 und auf diese Weise Transaktionskosten, vor allem Informations- und Streitbewältigungskosten, einzusparen89. Das ist vor allem bei Veräußerungsketten von großer Bedeutung, weil unter Geltung des Kausalprinzips bereits ein einziger Mangel ausreicht, um den wirksamen Rechtserwerb letzten Endes zu verhindern. Die Einbeziehung schuldvertraglicher Wirksamkeitsmängel auf Grundlage des konkurrierenden Kausalprinzips wiegt umso schwerer, da Kausalgeschäfte aufgrund ihres weiterreichenden Inhalts typischerweise fehleranfälliger sind als Verfügungsgeschäfte, deren Inhalt sich regelmäßig auf den sukzessionsrechtlichen Minimalkonsens beschränkt90. Daher muss der Erwerber unter Geltung des Kausalprinzips mit einer größeren Zahl von Unwirksamkeitsgründen rechnen als bei einem abstrakt ausgestalteten Rechtserwerb. Selbst wenn der Erwerber die Nachforschungsmaßnahmen mit großer Sorgfalt (und noch höherem Kostenaufwand) durchführt, stets verbleibt unter Geltung des Kausalprinzips ein niemals vollständig zu eliminierendes Restrisiko, weil Nachforschungsmaßnahmen im Einzelfall zum falschen Ergebnis führen können und die Untersuchung auch ergeben kann, dass sich Wirksamkeitsmängel weder mit hinreichender Sicherheiten verifizieren noch falsifizieren lassen. Ein risikoaverser Akteur wird die verbliebene Unsicherheit womöglich zum Anlass nehmen, eine gewinnbringende Transaktion von vornherein nicht durchzuführen. Aber auch Akteure mit neutralem Risikoprofil werden die Transaktion aufgrund der hohen Kosten und des Verlustrisikos nicht durchführen, soweit die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Gesamtkosten den erwarteten Gewinn der Vertragsparteien übersteigen. Unter Geltung des Abstraktionsprinzips ergibt sich ein anderes Bild. Hier bleiben nicht nur sämtliche Wirksamkeitsmängel vorausgegangener Verpflichtungsgeschäfte von vornherein außer Betracht. Dem Erwerber wird außerdem besagtes Restrisiko abgenommen, dass sich die schuldvertragliche Wirksamkeit womöglich nicht oder nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt. 87
Zu den Grundbegriffen der Rechtsökonomik siehe oben § 3 IV. Siehe allgemein dazu Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 390. 89 Eingehende Analyse bei Krimphove, Sachenrecht, S. 162 ff.; speziell zur Vermeidung von Informationskosten des Erwerbers siehe dort S. 165 f.; speziell zur Vermeidung von Prozessbzw. Streitbewältigungskosten siehe ebenda S. 169 f. 90 Vgl. bereits v. Tuhr, AT II/2, S. 110 f.; aus dem modernen Schrifttum Peters, Jura 1986, 449, 456 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 377. 88
II. Abstraktionsprinzip
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Auf diese Weise reduziert das Abstraktionsprinzip im Vorfeld anfallende Informations- und zugleich (potenzielle) Streitbewältigungskosten, die sich aus der Gefahr einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die rechtliche Gültigkeit vorausgegangener Kausalgeschäfte ergeben können. Denn über die Wirksamkeit dieser Rechtsgeschäfte müssen in einem nachgelagerten Prozess keine Beweise erhoben werden, was mit besonders hohen Kosten verbunden sein kann, da die zu beurteilenden Sachverhalte weit in die Vergangenheit zurückreichen können91. Zudem resultieren Prozesskostenersparnisse aus dem Umstand, dass zum Zweck einer Klage aus der Rechtsinhaberschaft, namentlich der Eigentümerstellung, auf Herausgabe oder Unterlassung ausschließlich die Voraussetzungen eines wirksamen Verfügungsgeschäfts nachzuweisen und im Streitfall zu beweisen sind, während unter Geltung des Kausalprinzips außerdem die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts noch ergänzend in den Blick zu nehmen wäre. Durch die Geltung des Abstraktionsprinzips wird der gerichtliche Nachweis- und Prüfungsaufwand in diesem Zusammenhang folglich nachhaltig vermindert und eine effektive Rechtsdurchsetzung erleichtert92. Im Ergebnis spricht daher auch eine rechtsökonomische Analyse für die rechtspolitische Überlegenheit des Abstraktions- gegenüber dem Kausalprinzip. d) Besonderheiten der Forderungszession Das bisher Gesagte gilt ungeachtet des Verfügungsgegenstands. So begünstigen abstrakte Verfügungen im Mobiliarsachenrecht eine leichte und sichere Umlauffähigkeit beweglicher Sachen; namentlich in Veräußerungsketten weist das Abstraktionsprinzip signifikante Vorteile im Vergleich zum Kausalprinzip auf. Der Schwerpunkt der rechtspraktischen Bedeutung des Abstraktionsprinzips im Immobiliarsachenrecht liegt weniger auf der Zirkulationsfähigkeit von Grundstücken als auf der Mobilisierung ihres Vermögenswerts durch die Belastung mit Nutzungs- und Verwertungsrechten93. Bei der Forderungszession kommen dem Abstraktionsprinzip noch weitergehende Schutzwirkungen zu, und zwar zugunsten des Erwerbers und des Rechtsverkehrs auf der einen sowie zugunsten des Schuldners auf der anderen Seite. Erwerber- und Verkehrsinteressen werden bei der Forderungsabtretung in besonderer Weise geschützt, weil es dem Schuldner infolge des Abstraktionsprinzips versagt ist, aus dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft Einwendungen gegenüber dem Zessionar herzuleiten94. Gilt das Kausalprinzip kann der Schuldner hingegen seine Leistung unter Hinweis auf Wirksamkeitsmängel 91 Dazu (mit Bezug zur Ersitzung) ausf. Epstein, Wash. U. L. Q. 64 (1986), 667, 674 f.; siehe (mit Bezug zum redlichen Erwerb) auch Walz, Systemdenken, S. 33. 92 Dazu Krimphove, Sachenrecht, S. 169. 93 Wie hier Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 729. 94 RGZ 102, 385, 386 f.; BGH NJW 1974, 185, 186; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/ Pöggeler, Sukzessionen, § 2 I 2 b; Honsell, FS Wiegand, S. 349, 369 f.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
des obligatorischen Geschäfts verweigern95. In diesem Zusammenhang schützt das Abstraktionsprinzip den Forderungserwerber also vor Wirksamkeitsmängeln vorausgegangener Kausalgeschäfte, was namentlich bei Kettenzessionen den Rechtsverkehr sichert und erleichtert96. Unter Geltung des Kausalprinzips würde ein einziger Mangel ausreichen, um sämtliche späteren Zessionare auszuschließen. Der (potentielle) Forderungserwerber müsste sich folglich sämtliche aus den vorausgegangenen Kausalgeschäften herrührenden Einwendungen entgegenhalten lassen. Zudem wird es dem Zessionar in solchen Fällen besonders schwerfallen, im Konfliktfall seine Gläubigerstellung nachzuweisen. Die hieraus resultierenden Nachteile für die Zirkulationsfähigkeit von Forderungen und anderen Vermögensrechten liegen auf der Hand. Die schwache Stellung des Zessionars unter Geltung des Kausalprinzips wiegt umso schwerer, als ein redlicher Forderungserwerb – abgesehen von den engen Ausnahmen für verbriefte Forderungen (vgl. § 405 BGB) – mangels tauglichen Rechtsscheinträgers für die Forderungsabtretung ausgeschlossen ist97. Für die Aufrechterhaltung der Verkehrsfähigkeit von Forderungen und anderen Rechten ist die Geltung des Abstraktionsprinzips demnach unabdingbar. An die Stelle des fehlenden Gutglaubensschutzes tritt die Abstraktheit der Forderungsabtretung98. Darüber hinaus entfaltet das Abstraktionsprinzip schuldnerschützende Wirkung, soweit der Schuldner von der Prüfung der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts entlastet wird99. In der Folge bestimmt sich seine Rechtsstellung ausschließlich nach dem Verfügungsgeschäft, ohne dass etwaige Wirksamkeitsmängel des Verpflichtungsgeschäfts in die Betrachtung einbezogen werden müssten. In diesem Zusammenhang wird nicht verkannt, dass der Schuldner auch schon durch besondere Schutzvorschriften des Zessionsrechts vor Nachteilen geschützt ist (vgl. §§ 404, 406 ff. BGB). Die Schuldnerschutzvorschriften sind in ihrem Anwendungsbereich indes beschränkt und von besonderen – zum Teil auch subjektiven – Tatbestandsvoraussetzungen abhängig, während das Abstraktionsprinzip Wirksamkeitsmängel ohne Vorliegen spezifischer Voraussetzungen aus dem Prüfungsprogramm ausklammert. Das Abstraktionsprinzip 95
Zur Rechtslage in kausalen Rechtsordnungen ausf. Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 636 ff. Vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 23 Rn. 87; Honsell, FS Wiegand, S. 349, 367, 370; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 641 f., 730. 97 Dazu im Einzelnen unter § 11 III. 6. 98 Pointiert Honsell, FS Wiegand, S. 349, 370: „Der fehlende Gutglaubensschutz im Zessionsrecht wird durch die Abstraktheit der Zession ersetzt“. – Entgegen Koziol, AcP 212 (2012), 1, 22 kann aus der Unzulässigkeit eines redlichen Forderungserwerbs nicht auf einen Wertungswiderspruch des Abstraktionsprinzips geschlossen werden. Denn der tiefere Grund für den mangelnden Gutglaubensschutz liegt nicht in der fehlenden Schutzwürdigkeit des Erwerbers oder der Verkehrsinteressen, sondern in der Ermangelung eines tauglichen Rechtsscheinträgers. Deshalb können Forderungen gem. § 405 BGB auch nur ausnahmsweise gutgläubig erworben werden, wenn eine Schuldurkunde als taugliche Rechtsscheingrundlage gegeben ist; dazu eingehend unten § 11 III. 6. 99 Dazu und zum Folgenden auch Honsell, FS Wiegand, S. 349, 369; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 631 ff.; umfassend zur historischen Grundlegung Luig, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft II, S. 112 ff., insb. S. 124 ff. 96
II. Abstraktionsprinzip
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entfaltet insofern weiterreichende Schutzwirkungen zugunsten des Schuldners und ist prozessual typischerweise auch leichter nachzuweisen als die besonderen Voraussetzungen des abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzes. e) Risikoverteilung im Insolvenzfall Dem Abstraktionsprinzip wird nicht selten zur Last gelegt, es beeinträchtige den Veräußerer und übervorteile den rechtsgrundlosen Erwerber, soweit sich der Rückabwicklungsanspruch des Veräußerers im Insolvenzfall oder im Fall eines Gläubigerzugriffs auf den rechtsgrundlos erlangten Gegenstand nicht mehr realisieren lässt100. In der Kritik des Schrifttums101 steht kurz gesagt die Risikoverteilung im Insolvenzfall. Tatsächlich führt die Geltung des Abstraktionsprinzips zu einem höheren Schutzniveau für die Gläubiger des Erwerbers, während der Veräußerer unter Geltung des Kausalprinzips den Gläubigerzugriff mittels Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) bzw. Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) abwehren kann. Allerdings ist auch der Veräußerer auf Basis des Abstraktionsprinzips nicht vollends schutzlos gestellt. Im Gegenteil: Zum einen kann er nach den Grundsätzen der in der Praxis vorherrschenden Saldotheorie die empfangene Gegenleistung zurückbehalten, bis er seine Leistung zurückerhält102. Zum anderen bieten ihm die in der Insolvenz fortbestehenden und noch erweiterten Aufrechnungsmöglichkeiten gem. §§ 94 ff. InsO zusätzlichen Schutz. Diese Mechanismen versagen nur dann, wenn der Veräußerer in Vorleistung getreten ist oder es sich um eine einseitige Zuwendung handelte. Wenn der Veräußerer den Kredit indes freiwillig gewährte, erscheint es aus rechtspolitischer Perspektive nur sach- und interessengerecht, ihn auch mit dem Insolvenzrisiko zu belasten103. Indem der Gegenstand der Haftungsmasse des Erwerbers zugewiesen wird und in der Insolvenz durch den Veräußerer nicht heraus verlangt werden kann, wirkt das Abstraktionsprinzip zugunsten der Insolvenzgläubiger des Erwerbers und sichert auf diese Weise zugleich die Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger des Insolvenzschuldners (par conditio creditorum)104. In der so ge100 Dazu und zum Folgenden Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 d cc; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 386 ff.; Honsell, FS Wiegand, S. 349, 364 f. 101 Vgl. v. Tuhr, AT II/2, S. 111 f.; Heck, Rechtsgeschäft, S. 18 ff.; Kegel, FS Mann, S. 57, 81 f.; J. Schröder, FS Bosch, S. 875, 889 f.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 9; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 123 ff., 136; Wacke, ZEuP 2000, 254, 256 f. 102 Zur Saldotheorie in diesem Zusammenhang näher v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39), 675, 704 ff.; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 390 Fn. 34; U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 507 ff.; auch zur modifizierten Zweikondiktionenlehre, die vorliegend zum gleichen Ergebnis kommen dürfte, Hager, FG BGH I, S. 777, 781. 103 Vgl. auch Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 2 I 2 b; Flume, AT II, § 12 III 3; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 d cc; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 28; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 390; ebenso Honsell, FS Wiegand, S. 349, 364 f. unter Hinweis auf die Gleichbehandlung der Gläubiger; kritisch aber Jakobs, ZRG RA 119 (2002), 269, 323 f. 104 Vgl. Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 388; U. Huber, FS Canaris I, S. 471, 505 f.
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währleisteten Gleichbehandlung von Käufer und Verkäufer liegt dementsprechend auch kein kritikwürdiges Manko, sondern vielmehr ein Vorzug des Abstraktionsprinzips105. Denn es wird sichergestellt, dass der Gegenstand nicht einem einzelnen Insolvenzgläubiger – dem Veräußerer – zugutekommt, sondern sämtlichen Insolvenzgläubigern des Erwerbers. Unter Geltung des Kausalprinzips drohen hingegen die Interessen der ganz überwiegenden Gläubigermehrheit gegen das individuelle Interesse des Veräußerers ausgespielt zu werden. Zudem hätte eine Bevorzugung des Veräußerers in diesem Fall bei konsequenter Durchführung des Kausalprinzips zur Folge, dass sämtliche rechtsgrundlos erbrachten Leistungen den jeweiligen Gläubigern unversehrt herauszugeben wären. Eine solche Besserstellung kondiktorischer Gläubiger gegenüber vertraglichen und quasivertraglichen Gläubigern ist aber durch keine sachlichen Gründe gerechtfertigt und wurde bereits durch den historischen BGB-Gesetzgeber mit Recht abgelehnt106. Wer freiwillig in Vorleistung tritt, muss auch das sich hieraus ergebende Risiko tragen. Im Gegensatz dazu führt das Kausalprinzip zu einer Privilegierung des Sachleistenden gegenüber dem Geldschuldner. Solange sich der Gegenstand noch aussonderungsfähig im Vermögen des Insolvenzschuldners befindet, kann ihn der andere Teil im Insolvenzfall herausverlangen. Die erbrachte Geldleistung geht hingegen regelmäßig durch Vermischung in das Vermögen des Insolvenzschuldners über und kann nicht ausgesondert werden, was eine Beschränkung auf die Insolvenzquote bedeutet107. Die Behandlung des Veräußerers als einfacher Insolvenzgläubiger ist wertungsmäßig aber nur dann gerechtfertigt, wenn er den Unwirksamkeitsgrund entweder kannte oder durch freiwillige Vorleistungen ein Ausfallrisiko bewusst einging. Wo es an einer solchen freiwilligen Risikoübernahme fehlt, muss das Bestandsinteresse des Veräußerers besser geschützt werden, als es nach derzeitiger Rechtslage der Fall ist. Darin liegt letztlich der berechtigte Kern der im Schrifttum am Abstraktionsprinzip in diesem Zusammenhang vorgetragenen Kritik. Wollte man aus diesem Grund allerdings das Abstraktionsprinzip undifferenziert gegen das Kausalprinzip eintauschen, ginge dies freilich nicht nur über den zur Lösung des Teilproblems notwendigen Eingriff weit hinaus, sondern würde auch die mit dem Abstraktionsprinzip verwirklichten Verkehrsschutzinteressen in nicht hinnehmbarer Weise verkürzen. Die Lösung der Problemstellung ist daher nicht im materiellen Sukzessionsrecht zu suchen, sondern muss im Bereich des Insolvenzrechts erfolgen, und zwar durch Schaffung eines besonderen Aussonderungstatbestands zugunsten des Veräußerers in den Fällen unfreiwilliger Vorleistung108.
105 Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 49; Medicus, BGB AT, Rn. 230; Lange, AcP 146 (1941), 28, 36; v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39), 675, 701; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 447. 106 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 723 f. 107 Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 447 f. 108 Zutreffend insofern bereits Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 449 ff., 464 f.
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f) Abstraktionsprinzip und Gutglaubenserwerb Im Schrifttum wird gegen das Abstraktionsprinzip weiterhin eingewandt, die angesprochenen Verkehrsinteressen könnten sachgerechter durch das Prinzip des Gutglaubenserwerbs (vgl. §§ 929 ff., §§ 891 ff. BGB) geschützt werden109. Neben dem Schutz des redlichen Erwerbers bedürfe es keiner weitergehenden Gewährleistung von Erwerber- und Verkehrsinteressen, zumal auch kein Grund ersichtlich sei, den Erwerber – wie es nach dem Abstraktionsprinzip der Fall ist – unabhängig von seinem guten Glauben zu schützen. Zu einem Nebeneinander von Abstraktions- und Gutglaubensprinzip sei es nur deshalb gekommen, weil dem historischen Gesetzgeber bei Schaffung der Gutglaubensvorschriften die Funktionsüberschneidungen mit dem Schutzzweck des Abstraktionsprinzips nicht vollständig bewusst gewesen seien110. Dieses Versehen sei durch Rückbau des Abstraktionsprinzips legislatorisch zu beheben. Auch wenn man die dogmengeschichtlichen Hintergründe dieser Auffassung nicht in Frage stellt, sind diese Erkenntnisse schwerlich geeignet, die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des Abstraktionsprinzips in Zweifel zu ziehen. Denn die Reichweite der Schrifttumskritik ist notwendig auf Vermögenspositionen beschränkt, für welche ein Gutglaubenserwerb überhaupt in Betracht kommt. Als vollkommen verfehlt erweist sich die Kritik daher mit Blick auf die Übertragung von Forderungen und anderen Vermögensrechten, die – vorbehaltlich der eng begrenzten Ausnahmevorschrift des § 405 BGB111 – nicht gutgläubig erworben werden können. Im Zessionsrecht ist die Geltung des Abstraktionsprinzips für eine ungehinderte Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten folglich alternativlos. Aber auch wo der redliche Erwerb zugelassen ist, erscheint das Abstraktionsprinzip als konsequente sowie sach- und interessengerechte Ergänzung des Gutglaubensprinzips112. Das gilt auch und gerade, weil der redliche Rechtserwerb jeweils von einer zentralen subjektiven Voraussetzung abhängig ist: der Gutgläubigkeit des Erwerbers. In diesem Zusammenhang weisen die Gutglaubenstatbestände, namentlich die unterschiedlichen Varianten des redlichen Mobiliarerwerbs gem. §§ 932 ff. BGB nicht unerhebliche Schutzlücken auf. Das 109 So oder ähnlich Larenz, Schuldrecht II/1, § 39 II d; Westermann, in: Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 9; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II; Ferrari, ZEuP 1993, 52, 66; Hagen, AcP 167 (1967), 481, 489 ff.; Jakobs, ZRG RA 119 (2002), 269, 299; Wacke, ZEuP 2000, 254, 257; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 123 ff., 136; Füller, Sachenrecht, S. 127 f., 252; Heck, Rechtsgeschäft, S. 20 ff., 22 f.; Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 115 ff., 130 f., 165; Wacke, Besitzkonstitut, S. 38 ff.; Walz, Systemdenken, S. 19; Beyerle, FS Boehmer, S. 164, 168 f.; Kegel, FS Mann, S. 57, 80 f.; J. Schröder, FS Bosch, S. 875, 891. 110 So dezidiert Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 929 Rn. 16 ff.; ders., AcP 190 (1990), 112, 119 f., 125 f.; Wacke, Besitzkonstitut, S. 38 ff.; vgl. auch Füller, Sachenrecht, S. 128, 252; dagegen etwa Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 384. 111 Dazu ausf. unten § 11 III. 6. 112 Im Ergebnis wie hier auch Flume, AT II, § 12 III 3; v. Tuhr, AT II/2, S. 110 f.; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 384; Peters, Jura 1986, 449, 456, 457; Bayerle, JuS 2009, 1079, 1080; zurückhaltender J. Hager, Verkehrsschutz, S. 215 f.
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gilt insbesondere für die im Rahmen des § 932 Abs. 2 BGB anerkannten Nachforschungsobliegenheiten, die den (potenziellen) Erwerber bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte für einen Legitimationsmangel des Veräußerers faktisch zu weiteren Nachforschungen zwingen113. Dem Dritterwerber schadet in diesem Zusammenhang nicht nur die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der mangelnden Rechtsinhaberschaft des Veräußerers, sondern analog § 142 Abs. 2 BGB auch die Kenntnis von Gründen, die zur Anfechtung des vorgelagerten Erwerbsgeschäfts des Veräußerers berechtigen114. Bei einem Übergang zum Kausalprinzip müsste sich der Erwerber auch das Vorliegen solcher Anhaltspunkte entgegenhalten lassen, die aus dem Verpflichtungsgeschäft zwischen dem Veräußerer und dessen Rechtsvorgänger erkennbar sind115. Dieser Umstand zwänge den Erwerber faktisch zur Prüfung der Rechtswirksamkeit des zwischen Veräußerer und dessen Rechtsvorgänger geschlossenen Verpflichtungsgeschäfts116. Die mit solchen Nachforschungen verbundenen Transaktionskosten beeinträchtigen wiederum die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs, was im Zweifelsfall dazu führen wird, dass die Beteiligten auf die Durchführung selbst wohlstandsmaximierender Güterverschiebungen verzichten. Durch das Gutglaubenserfordernis wird der Rechtstransfer also mit einem zusätzlichen Risiko belastet, das im Ernstfall den Rechtserwerb scheitern lassen kann. Selbst wenn dem wahren Berechtigten für diesen Umstand die Darlegungs- und Beweislast trifft, wird eine etwaige gerichtliche Auseinandersetzung mit der Feststellung der Gutgläubigkeit des Erwerbers belastet, und zwar nicht allein im Hinblick auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern gleichermaßen in Bezug auf dessen Anfechtbarkeit. Sicher ausgeschlossen werden Nachforschungsobliegenheiten in Bezug auf vorausgegangene Verpflichtungsgeschäfte und die hieraus resultierenden Verkehrsbehinderungen nur unter Geltung des Abstraktionsprinzips. Davon abgesehen spricht für die Geltung des Abstraktionsprinzips die anhaltende Legitimationskrise des redlichen Mobiliarerwerbs, der mit dem Besitz an einen wenig tauglichen Rechtsscheinträger anknüpft117. Im Zusammenhang mit dem Publizitäts- und Gutglaubensprinzip wird noch herzuarbeiten sein, dass der Besitz aufgrund der massenhaften Verbreitung von Vorbehalts-, Sicherungs- und Treuhandeigentum im modernen Wirtschaftsverkehr seine Wirkung als natürlicher Rechtsscheinträger weitgehend eingebüßt hat118. Die Legitima113 Zur Nachforschungsobliegenheit im Rahmen des redlichen Mobiliarerwerbs siehe ausf. unten § 11 VI. 4. b) aa). 114 Vgl. auch Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 383. 115 Dazu eingehend Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 374 ff. 116 Zum Ganzen Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 d cc; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 375; siehe noch pointiert Honsell, FS Wiegand, S. 349, 355: „Mit dem Kausalprinzip transportiert man die Unwägbarkeiten und Streitigkeiten des einzelnen Schuldverhältnisses ins Sachenrecht.“ Kritisch dazu Füller, Sachenrecht, S. 543 ff. 117 Zum Ganzen schon Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 378 f. 118 Zum Bedeutungsverlust des Besitzes für den Mobiliarerwerb siehe unten § 10 III.; zur eingeschränkten Bedeutung des Besitzes als Rechtsscheinkriterium siehe unten § 11 III. 4.
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tion der §§ 932 ff. BGB steht daher auf tönernen Füßen. Weil es indes gleichzeitig an einer echten Alternative zum bestehenden Gutglaubenssystem für bewegliche Sachen mangelt, vor allem die flächendeckende Einführung eines Registersystems für den Fahrniserwerb aus Praktikabilitäts- und Kostengründen ausscheidet, ist es in rechtspolitischer Hinsicht nur konsequent, den praktischen Anwendungsbereich der §§ 929 ff. BGB und die hieraus folgenden Legitimationsprobleme durch die Geltung des Abstraktionsprinzips zu limitieren. In diesem Sinne fungieren die Gutglaubensvorschriften als Ergänzung des Abstraktionsprinzips, und zwar soweit der Veräußerer seine Rechtsstellung nicht durch Rechtsgeschäft erlangt hat oder das Verfügungsgeschäft selbst an einem Mangel leidet119. In den übrigen Konstellationen, allen voran im Normalfall des rechtsgeschäftlichen Warenverkehrs, sorgt die Anerkennung abstrakter Verfügungen für die Unbeachtlichkeit schuldvertraglicher Mängel, die nicht zugleich auf die (dingliche) Vollzugsebene durchschlagen. Im Liegenschaftsrecht erhöht schließlich die abstrakte Natur des Verfügungsgeschäfts die Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs und stärkt auf diese Weise die Legitimationsgrundlage des Grundbuchs als tauglicher Rechtsscheinträger120. Der Gutglaubenserwerb gem. §§ 892, 893 BGB bezieht seine rechtspolitische Rechtfertigung nicht zuletzt aus der besonderen, durch das hoheitliche Eintragungsverfahren verbürgten Gewähr für die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs als Rechtsscheinträger121. Die von §§ 892, 893 BGB vorgenommene Abwägung des individuellen Bestandsinteresses des wahren Eigentümers mit den überindividuellen Interessen des Rechtsverkehrs geht nur deshalb im Regelfall zugunsten der Verkehrsinteressen aus, weil die materielle Fehlerhaftigkeit des Rechtsscheinträgers durch das staatliche Grundbuchverfahren auf ein Minimum reduziert ist. Schon die Motive zum BGB bemerkten in diesem Zusammenhang zutreffend, dass „Fälle, in welchen der Inhalt des Grundbuches von der wirklichen Rechtslage abweicht, in Zukunft nicht gerade häufig vorkommen werden“122. Dass Abweichungen in diesem Sinne nun tatsächlich eine seltene Ausnahme bleiben, wird – neben den Sicherungsmechanismen des hoheitlichen Eintragungsverfahrens – nicht zuletzt durch Geltung des Abstraktionsprinzips sichergestellt, das sämtliche Wirksamkeitsmängel des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts für unbeachtlich erklärt123. Nur Mängel, die unmittelbar das Verfügungsgeschäft betreffen, schlagen auf die Wirksamkeit der dinglichen Rechtsänderungen durch. Im Gegensatz dazu bestünde auf Grundlage des Kausalprinzips eine deutlich weiterreichende Gefahr unrichtiger Grundbucheintragungen, weil sich der Kreis in Betracht zu ziehender Nichtigkeits-, Unwirksamkeits- und Anfechtungs119 120
Vgl. Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 378. Zutreffend dazu schon Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 507 ff., 729; Walz, Systemdenken,
S. 20. 121 122 123
Dazu und zum Folgenden ausf. Lieder, AcP 210 (2010), 857, 869 ff. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 139. Dazu und zum Folgenden auch Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 508.
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gründe auch auf das Kausalgeschäft erstreckte und daher tendenziell weiter gezogen wäre als im Fall der ausschließlichen Fokussierung auf das dingliche Vollzugsgeschäft. Die Legitimationsbasis für das Grundbuchsystem und den redlichen Immobiliarerwerb würde durch die Anwendung des Kausalprinzips daher erheblich geschwächt. Es sprechen daher gerade auch für das Liegenschaftsrecht gute Gründe für eine friedliche Koexistenz von Abstraktionsprinzip und Gutglaubenserwerb. g) Gestaltungsfreiheit durch Abstraktion Außerdem ermöglicht die Anerkennung des Abstraktionsprinzips eine differenziertere Ausgestaltung der Nichtigkeits-, Unwirksamkeits- und Anfechtungsgründe, ohne dass hiermit substanzielle Einbußen in puncto Rechtssicherheit verbunden wären124. Im Gegensatz dazu sind kausale Rechtsordnungen gezwungen, die Anerkennung schuldvertraglicher Mängel einzuschränken, um ein vergleichbares Niveau an Stabilität und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Dieser Aspekt der größeren Gestaltungsfreiheit betrifft primär den Gesetzgeber, der die durch das Abstraktionsprinzip geschaffenen Spielräume normativ ausnutzen kann. Die institutionelle Trennung und Abstrahierung von Kausalund Erfüllungsgeschäft vergrößert aber auch die Dispositionsfreiheit der an der Transaktion beteiligten Parteien. Ihnen steht es insbesondere frei, die beiden Rechtsgeschäfte im Rahmen des ihnen eröffneten Handlungsspielraums unterschiedlich auszugestalten. Das gilt namentlich für den gestreckten Eigentumserwerb, der für bewegliche Sachen mittels Eigentumsvorbehalts und im Immobiliarsachenrecht durch die Vormerkung mit großer rechtskonstruktiver Sicherheit gewährleistet ist, sowie die Kreditsicherung mittels fiduziarischer Sicherungsmittel, sprich Sicherungsübereignung und Sicherungszession. Kausale Rechtsordnungen tun sich mit der rechtlichen Konstruktion vergleichbarer Sicherungsrechte typischerweise schwer und sind daher zuweilen auf Ausweichstrategien verfallen, die regelmäßig kostenintensiver und schwerfälliger sind als die auf Grundlage des Abstraktions- und Trennungsprinzips nach deutschem Recht gewährleisteten Möglichkeiten125.
4. Grenzen des Abstraktionsprinzips a) Rechtssystematische Vorbemerkungen Der rechtspolitisch überzeugende Kerngedanke des Abstraktionsprinzips liegt in seinem auf Gewährleistung von Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs gerichteten Regelungszweck. Das Abstraktionsprinzip flankiert einmal mehr das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Andererseits soll den 124 125
Instruktiv Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 730 ff. Dazu näher Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 103 ff., 733.
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Vertragsparteien aber gleichermaßen ermöglicht werden, ihre Rechtsverhältnisse privatautonom zu gestalten. „Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion“126 – das wissen wir seit Astrid Stadlers wirkungsmächtiger Habilitationsschrift – gehen Hand in Hand. Dem Parteiwillen der Beteiligten kommt vor diesem Hintergrund besondere Bedeutung zu. Zum Zwecke seiner Verwirklichung eröffnet das Abstraktionsprinzip Gestaltungsspielräume, mit deren Hilfe die Vertragsparteien ihre Vorstellungen und individuellen Bedürfnisse realisieren können. Es ist daher der privatautonome Parteiwille, der dem Abstraktionsprinzip eine immanente Grenze zieht. Die individuellen Parteiinteressen treten in diesem Zusammenhang allerdings in ein notwendiges Spannungsverhältnis zu den überindividuellen Verkehrsinteressen. Deshalb ist es keineswegs selbstverständlich, dass das Abstraktionsprinzip kraft Parteiwillens Durchbrechungen erfährt127; geht die Schutzrichtung des Abstraktionsprinzips doch über die Interessen der unmittelbar an der Transaktion beteiligten Vertragsparteien hinaus128. Angesichts des hohen Stellenwerts der Sukzessionsfreiheit und ihrer maßgeblichen Implikationen ist daher bei der Zulassung verkehrsbeeinträchtigender Gestaltungsoptionen qua Parteiwillens Zurückhaltung geboten. Dementsprechend ist auch der Rechtsprechung zuzustimmen, wenn sie betont, dass Einschränkungen des Abstraktionsprinzips durch Bedingungszusammenhang und Geschäftseinheit die Ausnahme bleiben müssen129. Umgekehrt darf aber gleichermaßen nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Abstraktionsprinzip nur eines von mehreren Instrumenten im Rahmen eines mehrdimensionalen Verkehrsschutzsystems darstellt. Ebenso wie das Abstraktionsprinzip dient nämlich auch das Gutglaubensprinzip dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Die Funktionen der beiden sukzessionsrechtlichen Strukturprinzipien sind zwar nicht deckungsgleich, weshalb das Abstraktionsprinzip neben den Vorschriften des redlichen Erwerbs eine eigenständige Existenzberechtigung behält130, sie überschneiden sich jedoch funktionell in nicht unbedeutendem Maße131. Heute weiß 126
Stadler, Gestaltungsfreiheit (1996). Maurer, Prinzipien, S. 119 macht darauf aufmerksam, dass „die Verknüpfung einer innerlich abstrakten Verfügung mit einem innerlich kausalen Verpflichtungsgeschäft durch § 158 BGB oder § 139 BGB (…) keine echte Durchbrechung des Abstraktionsprinzips dar(stelle)“, sondern diese Verbindung durch die Vertragsparteien selbst herbeigeführt werde. Folgt man dieser Terminologie, wird man zumindest von einer unechten Durchbrechung in solchen Fällen sprechen können. Die Problematik trägt primär terminologische Züge. 128 Deshalb mit beachtlichen rechtsökonomischen Erwägungen kritisch zu den Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips Krimphove, Sachenrecht, S. 175 f. 129 BGH NJW-RR 1989, 519; vgl. noch Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 125. 130 Dazu ausf. oben § 7 II. 3. f). 131 Grundlegend Hromadka, Entwicklung (1971); siehe ferner Wacke, Traditionsprinzip, S. 38 ff.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 929 Rn. 16 ff.; ders., AcP 190 (1990), 112, 120; dagegen etwa Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 384; siehe zu Letzterem die ablehnende Erwiderung von Wiegand, FG BGH I, S. 753, 772 f., Fn. 75; für die Eigenständigkeit der Institute aber auch Flume, AT II, § 12 III 3. 127
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man, dass die Gesetzgebung in den Partikularstaaten, die als Grundlage für das BGB diente, die Kodifikation des im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend anerkannten Gutglaubenserwerbs nur unzureichend mit dem Abstraktionsprinzip abglich132. In der Konsequenz ist der durch das Abstraktionsprinzip intendierte Schutz der Sukzessionsfreiheit zum Teil auch durch die Gutglaubensvorschriften gewährleistet, so dass viel dafür spricht, dem Parteiwillen im Einzelfall den Vorrang vor einer schematischen Anwendung des Abstraktionsprinzips einzuräumen. An dieser Stelle schließt sich auch der Kreis zur begriffsjuristischen Ableitung des Abstraktionsprinzips aus dem Parteiwillen durch v. Savigny133. Das zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit, wenn die Parteien das rechtliche Schicksal des Verfügungsgeschäfts kraft Bedingungszusammenhangs an die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts binden (b). Eine weitere Einschränkung erfährt das Abstraktionsprinzip bei der (seltenen) Annahme einer Geschäftseinheit iSd. § 139 BGB (c), während die missverständlich unter dem Begriff „Fehleridentität“ firmierende Gruppe von Fällen nicht als Durchbrechung des Prinzips zu werten ist (d). b) Bedingungszusammenhang Nach der klassischen Herleitung v. Savignys folgen Trennungs- und Abstraktionsgedanke aus der Willensrichtung der Vertragsparteien134. Entweder ihr Wille ist auf die Begründung einer schuldrechtlichen Verpflichtung zur Verschaffung eines Rechts gerichtet oder darauf, den Rechtsübergang durch die Parteierklärung unmittelbar herbeizuführen. Alle neben dieser partikularen Willensrichtung vorhandenen Zwecksetzungen der Vertragspartner sind als unbeachtliche Motive auszublenden und für die rechtliche Maßgeblichkeit und juristische Behandlung der unmittelbaren Willensrichtung irrelevant. Kommt es den Parteien nun aber ausnahmsweise darauf an, dass die Verfügung im Einzelfall nur eintreten soll, wenn auch das Verpflichtungsgeschäft wirksam ist, dann richtet sich auch der unmittelbare Parteiwille auf die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts. Diese Wirksamkeit ist folglich nicht länger nur eine unbeachtliche Motivation für die Durchführung des Verfügungsgeschäfts. Sie wird aufgrund privatautonomer Willensübereinstimmung der Vertragsparteien vielmehr in Form einer Bedingung in den Inhalt des Verfügungsgeschäfts aufgenommen. In der Folge ist es daher nach zutreffender Auffassung insbesondere zulässig, die dingliche Einigung – in Abweichung vom Grundsatz der inneren Abstraktion135 – mit bestimmten Zwecken aufzuladen, wie z.B. durch die Vereinbarung 132 133 134 135
Instruktiv Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 929 Rn. 17. Siehe oben § 7 II. 3. a). Siehe oben § 7 I. 1. und § 7 II. 3. a). Zu den beiden Komponenten des Abstraktionsprinzips siehe oben § 7 II. 2.
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von Bedingungen und Befristungen im Verfügungsgeschäft. Die Parteien können – außer bei der Auflassung (vgl. § 925 Abs. 2 BGB)136 – insbesondere vereinbaren, dass die Geltung des Rechtsübergangs von der Wirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts abhängen soll (condicio in praesens vel praeteritum collata oder relata)137. Dass die Verfügung im Grundsatz bedingungsfreundlich ist, ergibt sich – abgesehen von der Bedeutung des Parteiwillens – in teleologisch-normativer Hinsicht zum einen aus der grundsätzlichen Geltung der Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB für die verfügende Einigung138 sowie aus § 925 Abs. 2 BGB, dem im Umkehrschluss zu entnehmen ist, dass Verfügungsgeschäfte im Grundsatz einer privatautonomen Ausgestaltung zugänglich sind139. Auch wenn das Abstraktionsprinzip in dem beschriebenen Sinne dispositiven Charakters ist140, darf es doch im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Sukzessionsfreiheit durch privatautonome Absprachen nicht ausgehöhlt werden. Deshalb ging es auch zu weit, dass eine früher vertretene Auffassung den Bedingungszusammenhang regelmäßig als gegeben ansah141. Diese Position trug die am Abstraktionsprinzip geäußerte Kritik in die Rechtsanwendung hinein und setzte sich damit nicht nur über den historischen Willen des BGB-Gesetzgebers hinweg, sondern vermischte zugleich in unzulässiger Weise rechtspolitische mit rechtsdogmatischen Überlegungen. Selbst wenn man dem Abstraktionsprinzip aus rechtspolitischer Perspektive ablehnend gegenübersteht, beansprucht es als gesetzliches Gestaltungsprinzip unserer Privatrechtsordnung im Allgemeinen und unseres Sukzessionsrechts im Besonderen bis zum heutigen Tage normative Geltung142. Aus diesem Grund bedarf die Verknüpfung von Grundgeschäft und Verfügung regelmäßig einer expliziten Vereinbarung der Parteien. Bei der Annahme konkludenter Bedingungen ist im Hinblick auf die Bedeutung des Abstraktionsprinzips für die Rechts- und Verkehrssicherheit
136 Vgl. OLG Celle DNotZ 1974, 731; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 94; Winkler, DNotZ 1974, 736, 742. – Zu den Gründen siehe oben § 6 III. 2. 137 Vgl. RGZ 57, 95, 96; BGH NJW 1982, 275, 276; Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 21; Gaier, in: MünchKommBGB, Einl zu § 854 Rn. 16; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 148; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 52; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 53; Larenz/Wolf, BGB AT, § 45 Rn. 11; Hübner, BGB AT, Rn. 658; differenzierend Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 82 ff.; gegen Letztere Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 410 Fn. 108. – Zur Terminologie siehe Flume, AT II, § 38, 1 b. 138 Dazu näher oben § 6 III. 1. 139 Ebenso Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 82; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 410. 140 Wie hier Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 139 Rn. 7; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 50; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 929 Rn. 16 ff.; ders., AcP 190 (1990), 112, 125; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 416 oben; siehe aber auch S. 415 unten; a.A. Busche, in: MünchKommBGB, § 139 Rn. 68; Larenz/Wolf, BGB AT, § 45 Rn. 10. 141 Speziell mit Blick auf Treuhandverhältnisse Schultze, JhJ 43 (1901), 1, 21 ff.; O. v. Gierke, Privatrecht III, S. 204 f. 142 Vgl. exemplarisch auch Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 9 a.E.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
Zurückhaltung geboten143. Voraussetzung ist, dass den Parteien bewusst war, dass das Kausalgeschäft womöglich nicht wirksam ist144. Ungeachtet der insoweit missverständlichen Äußerungen der 2. BGB-Kommission145 und des Rechtsgedankens des § 417 Abs. 2 BGB kann ein Bedingungszusammenhang zulässigerweise auch für die Schuldübernahme vereinbart werden146. Dieses Ergebnis ist zwar im Hinblick auf den mit der Abstraktheit verbundenen Gläubigerschutzgedanken nicht über sämtliche Zweifel erhaben. Gleichwohl muss das (individuelle) Gestaltungsinteresse von Alt- und Neuschuldner nicht von vornherein hinter das (individuelle) Befriedigungsinteresse des Forderungsgläubigers zurücktreten. Das bestätigt auch ein kurzer Blick in die Gesetzesmaterialien. Sie machen deutlich, dass § 417 Abs. 2 BGB allein den Zweck verfolgt, die unter Geltung des gemeinen Rechts umstrittene Frage der Abstraktheit der Schuldübernahme in affirmativem Sinne zu beantworten147. Dem historischen Gesetzgeber lag es indes fern, den Vertragsparteien das privatautonome Gestaltungsrecht zu entziehen, auch in Ansehung des Abstraktionsprinzips die Wirksamkeit des Vollzugsgeschäfts mit der Gültigkeit des Kausalgeschäfts zu verknüpfen. Wenn die Gegenauffassung die Wirksamkeit einer solchen Bedingung davon abhängig machen will, dass dem Gläubiger die Bedingung mitgeteilt wird und er der Bedingung zustimmen muss148, dann wandelt dieser Ansatz nicht nur auf den Spuren der heute überholten Angebotstheorie149, sondern schränkt auch das den Vertragsparteien nach dem systemtragenden Prinzip der Privatautonomie gewährleistete Selbstbestimmungsrecht in nicht hinnehmbarem Maße ein. Durch die Anerkennung des Bedingungszusammenhangs werden auch keine berechtigten Gläubigerschutzinteressen beeinträchtigt, weil zugunsten des Gläubigers (Schuldner-)Schutzbestimmungen des Zessionsrechts gem. §§ 404, 407 ff. BGB entsprechende Anwendung finden. Hat der Schuldübernehmer dem Gläubiger die Übernahme beispielsweise ange143 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 148; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 53; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 38; Stürner, in: Soergel, BGB, § 925 Rn. 39; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 12; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 4 c bb. 144 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 148; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 53; Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 13; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 52 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 31; Flume, AT II, § 12 III 4; Medicus, BGB AT, Rn. 239; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 53; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 12; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 4 c bb; Peters, Jura 1986, 449, 456. 145 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 420: „(…) die zwischen ihnen (scil.: Alt- und Schuldner) vereinbarte Schuldübernahme müsse ihm (scil.: dem Gläubiger) als etwas Fertiges, von keiner anderen Bedingung als seiner Zustimmung Abhängiges entgegengebracht werden.“ 146 Wie hier BGHZ 31, 321, 322 f.; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 24; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 417 Rn. 4; Weber, in: RGRK, BGB, § 417 Rn. 19. 147 Vor allem Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 420 f.; siehe auch Motive zum BGB, Bd. 2, S. 147; vgl. ferner Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 26; Klimke, Vertragsübernahme, S. 92. 148 Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 12; Röthel, in: Erman, BGB, § 417 Rn. 6; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I b; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 400 f. 149 Siehe oben § 4 II. 5. b) bb). Vgl. noch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 27.
II. Abstraktionsprinzip
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zeigt, darf er sich analog § 409 Abs. 1 BGB auf deren (unbedingte) Wirksamkeit verlassen150. Freilich bleibt die Annahme des besagten Bedingungszusammenhangs auch bei der Schuldübernahme auf Fälle beschränkt, in denen die Vertragsparteien eine entsprechende Regelung tatsächlich gewollt haben. c) Geschäftseinheit Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte können nicht nur durch Bedingungen miteinander verbunden werden, sondern auch in Form einer rechtlichen Einheit iSd. § 139 BGB: mit der Folge, dass die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts im Zweifel die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts und damit auch des (dinglichen) Erfüllungsgeschäfts nach sich zieht. Auch wenn ein stimmgewaltiger Teil des Schrifttums151 diese namentlich von der Rechtsprechung152 vertretene Position vehement ablehnt, lässt sich eine privatautonome Verknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft nicht apriorisch leugnen153. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass dem Parteiwillen die Annahme eines Bedingungszusammenhangs vielfach besser entsprechend dürfte als die Annahme einer Geschäftseinheit iSd. § 139 BGB154. Denn zum einen beruht das Abstraktionsprinzip auf einer typisierten Betrachtung des unmittelbaren Willens der an der Transaktion beteiligten Vertragsparteien. Zum anderen ist es auch hier zulässig, die Reichweite des Abstraktionsprinzips im Hinblick auf den durch die Zulassung des redlichen Erwerbs verwirklichten Verkehrsschutz nach dem Willen der Vertragsparteien – in engen Grenzen – zu beschränken155. Zudem müsste es wertungswidersprüchlich erscheinen, wollte man, wenn auch unter engen Voraussetzungen, zwar die Begründung eines Bedingungszusammenhangs zwischen Kausal- und Erfüllungsgeschäft zulassen, die parteiautonome Verknüp150
Dazu ausf. unten § 15 III. 5. Arnold, in: Erman, BGB, § 139 Rn. 14; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 149; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 139 Rn. 20; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 54; Bork, BGB AT, Rn. 488; Flume, AT II, § 12 III 4; Hübner, BGB AT, Rn. 658; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 879; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379, 414 ff.; Petersen, Jura 2004, 98, 100; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 2 I 2 e; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 84 ff. 152 BGHZ 31, 321, 322 f.; 161, 170, 175; BGH NJW 1952, 60 f.; 1967, 1128, 1130; 1985, 3006, 3007; 1992, 3237, 3238; NJW-RR 1989, 519; 2003, 733, 735. 153 Wie hier auch Busche, in: MünchKommBGB, § 139 Rn. 20; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 139 Rn. 7; Faust, in: AnwKommBGB, § 139 Rn. 17; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 54; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 10; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 27; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 202 IV 1 a; Heck, Sachenrecht, § 30, 8; Müller, Sachenrecht, Rn. 65; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 13; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 I 2; Eisenhardt, JZ 1991, 271, 277; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 123 f. 154 Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 27 a.E.; vgl. noch Westermann, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 14. 155 Dazu ausf. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 27; ders., AcP 190 (1990), 112, 123 f., 135 f.; ders., FG BGH I, S. 753, 772 f. 151
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
fung beider Rechtsgeschäfte zu einer rechtlichen Einheit iSd. § 139 BGB indes ablehnen. Angesichts des hohen Stellenwerts des Abstraktionsprinzips für das Prinzip der Sukzessionsfreiheit ist bei der Annahme einer rechtlichen Einheit aber wiederum größte Vorsicht und Zurückhaltung geboten156, um nicht die verkehrsschützenden Wirkungen des Abstraktionsprinzips durch den Parteiwillen zu überspielen. Im Übrigen ist eine differenzierende Betrachtung in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfügungsgeschäft angezeigt: Eine Geschäftseinheit ist bei formlosen Verträgen, etwa der Abtretung eher anzunehmen, als bei der ohnehin nach § 925 Abs. 2 BGB bedingungsfeindlichen Auflassung, bei welcher die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts apriorisch ausscheidet157. Als Sonderfall erweist sich wiederum die Verbindung von Grund- und Übernahmevertrag bei der Schuldübernahme gem. § 415 BGB: Während die Rechtsprechung auch in diesem Zusammenhang die Verknüpfung beider Geschäfte gem. § 139 BGB für zulässig erachtet158, lehnt ein Großteil des Schrifttums dieses Ergebnis unter Hinweis auf die ratio legis des § 417 Abs. 2 BGB dezidiert ab159. Indes kann für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts wertungsmäßig nichts anderes gelten als für die Annahme des Bedingungszusammenhangs. Wenn man den Vertragsparteien das Recht einräumt, die Wirksamkeit des Übernahmevertrags an die Bedingungen eines wirksamen Grundgeschäfts zu knüpfen160, dann ist ihnen schwerlich die Verknüpfung mittels Geschäftseinheit gem. § 139 BGB zu versagen. Zwar mag man der Literaturauffassung zugutehalten, dass sie unter strenger Durchführung des Abstraktionsprinzips das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse zu schützen sucht. Aber auch mit Blick auf § 139 BGB muss das Gestaltungsinteresse der Parteien des Übernahmevertrags nicht von vornherein hinter das Befriedigungsinteresse des Forderungsgläubigers zurücktreten. Das gilt umso mehr, als die berechtigten Gläubigerinteressen im Rahmen einer analogen Anwendung der Schuldnerschutzvorschriften gem. §§ 404, 407 ff. BGB auf das Übernahmegeschäft hinreichend gewährleistet werden können. Hat der Neuschuldner die Übernahme angezeigt, darf sich der Gläubiger analog § 409 Abs. 1 BGB hierauf verlassen161. Allerdings zwingt gerade die besondere Schutz156 Vgl. auch BGH NJW 1988, 2364; NJW-RR 1989, 519; 1992, 593, 594; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 149; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 54. 157 Aus der Rechtsprechung siehe BGHZ 112, 376, 378; 161, 170, 175; vgl. weiter Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 53; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 149; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 14; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 54; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 95. 158 RGZ 58, 384, 386; BGHZ 31, 321, 322 f.; BGHR 2003, 885; OLG Hamburg NJW 1966, 985; dem folgend Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 417 Rn. 6; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 66, § 415 Rn. 24; Weber, in: RGRK, BGB, § 417 Rn. 19 f.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 26 IV; (für die Vertragsübernahme) Röthel/Heßeler, WM 2008, 1001, 1003. 159 Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 12; Röthel, in: Erman, BGB, § 417 Rn. 6; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I b mit Fn. 13; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 757. 160 Siehe oben § 7 II. 4. b). 161 Dazu ausf. unten § 15 III. 5.
II. Abstraktionsprinzip
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bedürftigkeit des Gläubigers zu einer restriktiven Handhabung des § 139 BGB. Deshalb geht es im Ergebnis auch zu weit, wenn im Schrifttum für die Vertragsübernahme regelmäßig eine wirtschaftliche Einheit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft angenommen wird162. d) Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft („Fehleridentität“) Keine Ausnahme vom Abstraktionsprinzip bedeutet es hingegen, wenn Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an demselben Mangel leiden und deshalb unterschiedslos unwirksam sind (Doppelmangel)163. Diese im Schrifttum unter der missverständlichen Bezeichnung „Fehleridentität“ firmierende Fallgruppe ist eine schlichte Konsequenz aus der Trennung des Veräußerungsvorgangs in ein Kausal- und ein Erfüllungsgeschäft. Die Besonderheit liegt allein darin, dass ein und derselbe Fehler zur Unwirksamkeit beider Rechtsgeschäfte führt164. Das gilt beispielsweise für die mangelnde Geschäftsfähigkeit einer Vertragspartei165, arglistige Täuschungen (§ 123 BGB)166 oder wucherische Rechtsgeschäfte (§ 138 Abs. 2 BGB)167. Der tiefere Grund für die Unwirksamkeit der verfügenden Einigung ist also nicht die Verbindung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, was – wie bei Bedingungszusammenhang und Geschäftseinheit – eine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips suggeriert. Vielmehr beruht das Phänomen der Doppelnichtigkeit auf dem allgemeinen Grundsatz, dass Verfügungsgeschäfte nur dann selbstständige Rechtswirkungen entfalten, wenn sie selbst auch wirksam sind168. Dementsprechend steht vollkommen außer Zweifel, dass Verfügungsgeschäfte im Einzelfall auch unwirksam sein können, 162
So Ulmer/Masuch, JZ 1997, 654, 655, 657; mit Recht kritisch Martinek, JZ 2000, 551, 557; Röthel/Heßeler, WM 2008, 1001, 1003 Fn. 28; Klimke, Vertragsübernahme, S. 91 ff.; mit Einschränkungen ebenso Schaffland, Vertragsübernahme, S. 53 f. 163 Gaier, in: MünchKommBGB, Einl. Sachenrecht Rn. 19; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 35; Jauernig, JuS 1994, 721, 725; Krimphove, Sachenrecht, S. 174; vgl. noch Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 55. 164 Zutreffende Einordnung bei Gaier, in: MünchKommBGB, Einl. Sachenrecht, Rn. 19; ausf. Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 136 f., 174 ff. 165 Vgl. nur Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 52; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht, Rn. 35; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 51 f.; Pawlowski, BGB AT, Rn. 592; Prütting, Sachenrecht, Rn. 34; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rn. 10. 166 RGZ 69, 13, 16; 70, 55, 57 f.; 70, 88, 89; BGH DB 1966, 818; Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 22; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 34; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn.33 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 20; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 Fn. 11; weiterführend zur Anfechtung des Verfügungsgeschäfts Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 ff.; speziell zu § 123 BGB ebenda S. 404 ff. Gegen die Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäfts nach § 123 BGB aber Pawlowski, BGB AT, Rn. 592; Roth, ZVglRWiss 92 (1993), 371, 380. 167 RGZ 57, 95, 96; 95, 244, 245; 109, 201, 202; 145, 152, 154; BGHZ 7, 111, 114 f.; BGH NJW 1970, 657 ff.; Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 22; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 52; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 35 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 23; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 51. 168 So pointiert Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 30.
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§ 7 Trennungs- und Abstraktionsprinzip
wenn das Verpflichtungsgeschäft uneingeschränkt wirksam ist, wie z.B. in dem Fall, dass sich der Veräußerer über die Person des Käufers irrt und die Sachen deshalb an einen Dritten übergibt und übereignet169.
III. Zusammenfassung Trennungs- und Abstraktionsprinzip sind integrale Strukturmerkmale sämtlicher Spielarten der rechtsgeschäftlichen Sukzession deutschrechtlicher Prägung. Das Trennungsprinzip bezeichnet die grundlegende Unterscheidung zwischen dem (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäft und dem (dinglichen) Verfügungsgeschäft. Es geht zurück auf die Übereignungslehre v. Savignys und kommt in der systematischen Eigenständigkeit des bürgerlichen Sachenrechts zum Ausdruck. Wichtigste Implikation des Trennungsprinzips ist die Maßgeblichkeit des Verfügungsgeschäfts für den Eintritt der Sukzessionswirkungen. In diesem Sinne steht es weder in einem spezifischen Zusammenhang zum sachenrechtlichen Publizitätsprinzip noch zum Prinzip des Gutglaubenserwerbs. Die am Trennungsprinzip geübte Kritik ist zurückzuweisen. Auch wenn es sich juristischen Laien nicht auf den ersten Blick erschließen mag, ist das Trennungsprinzip unter objektiv-teleologischen Gesichtspunkten als Grundlage für rechtsgeschäftliche Sukzessionen bestens geeignet. Erstens ist das Prinzip in der Lage, komplexe Fallgestaltungen zu erfassen und rechtssicher zu bewältigen. Zweitens trägt es dem Umstand konsequent Rechnung, dass sich das rechtliche Schicksal von Kausal- und Erfüllungsgeschäft nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilt. Hieraus ergeben sich drittens für den Gesetzgeber und die Vertragsparteien Gestaltungsspielräume für eine unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Rechtsgeschäfte, etwa durch die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts oder bei der Übereignung von Gattungssachen. Und viertens bildet das Trennungsprinzip die Grundlage für das Abstraktionsprinzip. Das Abstraktionsprinzip vereinigt zwei Komponenten: Zum einen befreit es das Verfügungsgeschäft von jedweder kausalen Zweckbestimmung (innere Abstraktion). Zum anderen erklärt es das Verfügungsgeschäft für unabhängig von der Existenz und Wirksamkeit des obligatorischen Verpflichtungsgeschäfts (äußere Abstraktion). Das Abstraktionsprinzip dient dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Verkehrsinteresse) sowie reflexartig dem individuellen Schutz des Erwerbers sowie dessen Rechtsnachfolgern und Gläubigern (Erwerberinteresse). Seine rechtsökonomische Bedeutung liegt in der Senkung von Informationskosten, soweit der Rechtsverkehr von Nachforschungen über die Wirksamkeit vorausgegangener Verpflichtungsgeschäfte entlastet wird, sowie der Reduzierung von Streitbewältigungskosten, soweit Streitigkeiten über die Gültigkeit der Kausalgeschäfte gar nicht 169
Vgl. Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 4 c aa.
III. Zusammenfassung
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erst entstehen können. Das Abstraktionsprinzip flankiert auf diese Weise das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit und steht in engem Zusammenhang mit dem später behandelten Gutglaubensprinzip170 sowie zu der in § 137 S. 1 BGB angeordneten Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen171. Die am Abstraktionsprinzip geübte Kritik ist zurückzuweisen. Insbesondere sind etwaige Beeinträchtigungen des Veräußerers in der Insolvenz des Erwerbers nicht geeignet, das Abstraktionsprinzip als solches in Frage zu stellen. Zum einen hat der Veräußerer verschiedene Möglichkeiten, sich gegen nachteilige Implikationen zu schützen. Zum anderen dient die Behandlung des Veräußerers als einfacher Insolvenzschuldner der Gleichbehandlung aller Gläubiger des Erwerbers. Soweit der Veräußerer in Fällen unfreiwilliger Vorleistung eines besonderen Schutzes bedarf, ist dieser Sonderfall systemkonform durch Schaffung eines insolvenzrechtlichen Aussonderungstatbestands zu lösen. Auch etwaige Funktionsüberschneidungen mit dem Gutglaubenserwerb machen das Abstraktionsprinzip nicht obsolet. Das wird schon mit Blick auf die Forderungszession deutlich, bei welcher ein redlicher Erwerb regelmäßig ausgeschlossen ist. Aber auch wo der Gutglaubenserwerb zugelassen ist, verbleibt für das Abstraktionsprinzip angesichts der subjektiven Anforderungen und der Legitimationsprobleme des redlichen Erwerbs ein sinnvoller Anwendungsbereich. Anders als das Trennungsprinzip beansprucht das Abstraktionsprinzip keine uneingeschränkte Geltung. In zwei Konstellationen wird es nach Maßgabe des Parteiwillens durchbrochen, und zwar erstens, wenn die Vertragsparteien das rechtliche Schicksal der beiden Rechtsgeschäfte mittels Bedingungszusammenhang miteinander verbinden, und zweitens, wenn Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft eine rechtliche Einheit iSd. § 139 BGB bilden. Beide Ausnahmen sind im Hinblick auf das mit dem Abstraktionsprinzip angestrebte Regelungsziel, die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zu schützen, restriktiv zu handhaben. Keine Ausnahme bedeuten hingegen die unter dem Begriff der „Fehleridentität“ zusammengefassten Fälle. Die unterschiedslose Unwirksamkeit des Kausal- und Erfüllungsgeschäfts ist eine technische Konsequenz des Trennungsprinzips.
170 171
Siehe unten § 11. Siehe oben § 4 II. 7.
§ 8 Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip Ebenso wie Trennungs- und Abstraktionsprinzip kennzeichnen Spezialitätsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz sämtliche Spielarten der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge. Beide Strukturprinzipien sind eng miteinander verbunden, in der Sache aber keineswegs identisch1. Während das Spezialitätsprinzip die Ausrichtung der Singularsukzession auf einzelne Vermögenspositionen bezeichnet, verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, dass sich die Sukzession auf einen bestimmten, d.h. hinreichend spezifizierten Verfügungsgegenstand bezieht. Obgleich sie für sämtliche Sukzessionsformen von Bedeutung sind, mangelt es im modernen Schrifttum an einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit dem Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip2. Die Erörterungen gehen vielfach über eine reine Zusammenstellung des Rechtsprechungsmaterials nicht hinaus. Außerdem erfolgt die Aufarbeitung im Schrifttum ganz überwiegend beschränkt auf die einzelnen Sukzessionstatbestände (§§ 929 ff.; §§ 873, 925; § 398 BGB), ohne Rechtsprechung und Schrifttum der jeweils anderen Tatbestände ebenfalls in nennenswertem Umfang zu berücksichtigen. Anliegen dieses Abschnittes ist daher, sich der Grundlagen des Spezialitätsund Bestimmtheitsprinzips zu versichern. Herleitung und Grundlagen bilden das Fundament für eine Kritik und Rekonfiguration der inkonsistenten Bestimmtheitsanforderungen bei Mobiliar- und Immobiliarübereignung sowie der Forderungszession. Am Ende der Untersuchung steht der Entwurf eines einheitlichen Spezialitäts- und Bestimmtheitsregimes, das für die behandelten Sukzessionstatbestände uniforme Geltung beansprucht. Zu diesem Zweck – so viel sei bereits an dieser Stelle verraten – wird ein restriktiver, geradezu minimalistischer Bestimmtheitsansatz vorgestellt, der die beiden Strukturprinzipien sowohl von unnötigem Ballast befreit als auch mit dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung3 in Einklang steht. 1 So aber Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 11; Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 929 Rn. 76; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 43; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 95; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 6. Besonders klar im hiesigen Sinne indes Dreher, AcP 138 (1934), 350, 358 ff.; siehe ferner die getrennte Darstellung bei Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 6 f.; Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 18 ff.; Prütting, Sachenrecht, Rn. 23 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 20 ff.; K. Schmidt, JuS 2000, 1118; Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 148 ff. 2 Siehe aus dem älteren Schrifttum den ideenreichen Beitrag von Dreher, AcP 138 (1934), 350 ff. zur Rechtsprechung des Reichsgerichts. 3 Siehe oben § 2 II. 2.
I. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Spezialität
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I. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Spezialität 1. Ausgangspunkt: v. Savignys Lehre von den Rechtsverhältnissen Die dogmengeschichtlichen Wurzeln des Spezialitätsprinzips sind bis heute weitgehend ungeklärt4. Bedeutsame Verbindungslinien bestehen aber jedenfalls zwischen v. Savignys Lehre von den Rechtsverhältnissen, der Eigenständigkeit des Sachenrechts und der Herausbildung des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips5. Den Ausgangspunkt bildet einmal mehr6 v. Savignys berühmte Differenzierung zwischen freien Wesen und der unfreien Natur7: „Die unfreye Natur kann von uns beherrscht werden nicht als Ganzes, sondern nur in bestimmter räumlicher Begränzung; so ein begränztes Stück derselben nennen wir Sache und auf diese bezieht sich daher die erste Art möglicher Rechte: das Recht an einer Sache, welches in seiner reinsten und vollständigsten Gestalt Eigenthum heißt.“
Für die Anerkennung des Spezialitätsprinzips als Rechtsdogma ist entscheidend, dass v. Savigny die Herrschaft über die unfreie Natur auf bestimmte, begrenzte Stücke beschränkte. Ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang namentlich ein umfassendes, einheitliches Herrschaftsrecht an einer Sach- oder Rechtsgesamtheit8. Dementsprechend bemerkte bereits Reinhold Johow in seiner Begründung zum sachenrechtlichen Vorentwurf, dass ein „Eigenthum an Begriffsganzen“ ausgeschlossen sei und der „Gegenstand des Eigenthums (…) nur einzelne Sachen“ erfassen könne9. Dem schloss sich die 1. BGB-Kommission an10: „Wenn (…) Jemand als Eigenthümer eines Inbegriffes von Sachen bezeichnet wird, so kann dies nichts anderes heißen, als daß er der Eigenthümer aller einzelnen Sachen ist, welche den Inbegriff bilden. (…) Die Regelung der dinglichen Rechte in dem Entwurfe wird ergeben, daß man ein solches Recht immer nur an einer einzelnen Sache erwerben kann (…). Der Entwurf verhält sich hiernach ablehnend gegen die Vorstellung, daß eine Sachgesammtheit Gegenstand von Rechten sein könne.“
Heute kommt der Spezialitätsgrundsatz an versteckter Stelle im geschriebenen Sachenrecht zum Ausdruck: Gem. § 1085 BGB kann ein Nießbrauch am Vermögen nämlich nur in der Weise bestellt werden, dass er an den einzelnen zum Vermögen gehörenden Gegenständen begründet wird11. Ebenso kann ein ding4
So schon der Befund von Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 117 Fn. 16. Instruktiv Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 114 ff. 6 Siehe bereits oben § 2 II. 3. 7 Siehe v. Savigny, System I, S. 338. 8 Eine Theorie für die rechtliche Zuordnung von Sachgesamtheiten entwickelt Oertmann, AcP 136 (1932), 88 ff.; für eine Anerkennung des Sachinbegriffs etwa Süß, FS Wolff, S. 141, 158, 164. 9 Johow, bei Schubert, Sachenrecht, S. 615. Hervorhebungen im Original weggelassen. 10 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 28 f. 11 Zur Bedeutung der Vorschrift siehe etwa Frank, in: Staudinger, BGB, Vor § 1085 Rn. 1; Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1085 Rn. 5; Stürner, in: Soergel, BGB, Vor § 1085 Rn. 1, § 1085 Rn. 1, 3; kritisch zur Bedeutung des § 1085 BGB etwa Dreher, AcP 138 (1934), 350, 353. 5
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liches Recht auch nicht an Warenlagern12, Unternehmen13 oder Bibliotheken als solchen bestehen, sondern nur an den einzelnen Gegenständen der Sachgesamtheit. Das gilt für das Eigentum ebenso wie für beschränkte dingliche Rechte. Wird beispielsweise eine Sachgesamtheit verpfändet, ist nicht etwa die Gesamtheit als solche mit einem beschränkten dinglichen Recht belastet, sondern jeder einzelne der Gesamtheit angehörende Gegenstand14. Eine weitere Ausprägung des Spezialitätsprinzips (und des Akzessorietätsprinzips) bedeutet es, wenn die Hypothek regulär nur für einzelne Forderungen bestellt werden kann15.
2. Verhältnis von Spezialitäts- und Traditionsprinzip Der apriorischen Herleitung des Spezialitätsprinzips aus v. Savignys Lehre von den Rechtsverhältnissen stellen andere die Bedeutung des Traditionsprinzips gegenüber16. Die Übergabe der Sache als gesetzlicher Regelfall der Mobiliarübereignung gem. § 929 S. 1 BGB versinnbildliche die Verfügung als eigenständiges Rechtsgeschäft. Auch wenn über mehrere Sachen verfügt werde, müsse jede jeweils einzeln übergeben werden, worin sich zugleich die Ernstlichkeit des Übertragungswillens auf Veräußererseite manifestiere. Diese Überlegungen sind weder für die Deutung des Übergabeerfordernisses überzeugend noch vermögen sie als Grundlegung für das Spezialitätsprinzip zu überzeugen. Zum einen hat sich der moderne Mobiliarverkehr vom Leitmotiv des § 929 S. 1 BGB weitgehend gelöst. Da sich der Eigentumstransfer in der Wirtschaftspraxis zunehmend nach §§ 930, 931 BGB ohne tatsächlichen Besitzwechsel vollzieht, ist das Paradigma des Traditionsprinzips heute überholt17. 12
Vgl. RGZ 77, 201; siehe noch RGZ 53, 218, 220: „Holzlager“. RGZ 68, 49, 54 f.; 70, 226, 231 f.; 95, 235, 237 f.; BGH NJW 1968, 392, 393. 14 Zum Pfandrecht exemplarisch RGZ 53, 218, 220; BGH NJW 1968, 392, 393; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1204 Rn. 10; Habersack, in: Soergel, BGB, Vor § 1204 Rn. 10, § 1204 Rn. 13; Kregel, in: RGRK, BGB, § 1204 Rn. 5; Michalski, in: Erman, BGB, § 1204 Rn. 7; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 35 ff.; Wieling, Sachenrecht I, § 15 III c; a.A. noch O. v. Gierke, Privatrecht II, § 170 II 1; Dernburg, Sachenrecht, § 267, 3. – Eine Ausnahme besteht nach dem Pachtkreditgesetz vom 9.7.1926, RGBl. I, S. 399, das die Verpfändung des Inventars eines landwirtschaftlichen Betriebes als Ganzes zulässt; vgl. dazu RGZ 143, 7; Damrau, in: MünchKommBGB, Vor § 1204 Rn. 12; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1204 Rn. 13; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 41; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 160 II 3, III. 15 Vgl. Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1113 Rn. 22. – Das gilt selbst für die Einheitshypothek, die mehrere Hypotheken eines Gläubigers zusammenfasst, der aber eine einheitliche Forderung zugrunde liegen muss; dazu Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1113 Rn. 24; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor § 1113 Rn. 32; vgl. noch RGZ 145, 47; OLG Zweibrücken ZfIR 2002, 244; Mattern, in: RGRK, BGB, § 1113 Rn. 41. Im Gegensatz dazu kann mit der Höchstbetragshypothek eine Mehrheit von Forderungen gesichert werden (vgl. § 1190 BGB). 16 Dazu und zum Folgenden Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 7; ähnlich Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 11, der unter Hinweis auf RGZ 52, 385; 103, 151, 153 f. anmerkt, dass unmittelbarer und mittelbarer Besitz nur an bestimmten einzelnen Sachen bestehen könne; vgl. noch Süß, FS Wolff, S. 141, 157. 17 Dazu unten ausf. § 10 III. 13
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Selbst wenn man die Betrachtungen auf das Übergabeerfordernis des § 929 S. 1 BGB beschränkte, ist dessen zentrale Funktion nicht die Manifestation des Übereignungswillens, sondern die Einräumung der tatsächlichen Nutzungsbefugnis an den Erwerber18. Zum anderen bleibt diese Position eine Antwort auf die Frage schuldig, weshalb der Anwendungsbereich des Spezialitätsprinzips nicht auf die Mobiliarübereignung, ja nicht einmal auf das Sachenrecht beschränkt ist, sondern heute für die rechtsgeschäftliche Übertragung sämtlicher Vermögenspositionen Geltung beansprucht. Das Spezialitätsprinzip ist deshalb auch nicht als ein genuin sachenrechtlicher Grundsatz anzusehen19, sondern als tragendes Strukturmerkmal sämtlicher rechtsgeschäftlicher Sukzessionstatbestände20. Das gilt für die Forderungszession21 ebenso wie für die Schuld- und Vertragsübernahme. Schließlich sind dem Inhaber Forderungen, Schulden und vertragliche Rechtspositionen stets einzeln, nicht aber als Inbegriff einer Gesamtheit von Vermögenspositionen zugewiesen. Dementsprechend greift eine rechtsdogmatische Ableitung des Spezialitätsprinzips aus dem Traditionsgedanken wesentlich zu kurz und ist daher abzulehnen.
3. Bedeutung des Prinzips der absoluten Rechtszuordnung Überzeugender ist es, nimmt man das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung22 als Ausgangspunkt. Auf schuldrechtlicher Ebene können sich die Parteien über die Veräußerung einer Sachmehrheit verständigen. Es liegt im besten Eigeninteresse der Beteiligten, sich über Inhalt und Umfang der vertraglichen Rechte und Pflichten klar zu werden. Die Rechtsordnung anerkennt die vertragliche Vereinbarung nur dann, wenn sie ein Minimum an Bestimmtheit aufweist und insbesondere die essentialia negotii umfasst. Auf dinglicher Ebene reicht dieses Maß an Spezifikation indes nicht aus. Denn für den Wechsel der Rechtszuständigkeit an einem Gegenstand muss exakt feststehen, welches Vermögensrecht betroffen ist. Zudem muss sich der Subjektwechsel nach Maßgabe der für den jeweiligen Verfügungsgegenstand geltenden Sukzessionsvorschriften vollzie18
Siehe unten § 10 III. 3. a). So aber Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 43: „ausschließlich dem Sachenrecht zuzuordnende Maxime“; im Ergebnis offenbar auch Larenz/Wolf, BGB AT, § 21 Rn. 19; Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 4 a; Schöne, Spaltung, S. 30. 20 Wie hier Säcker, FS Georgiades, S. 359, 368; ders., FS Boguslavskij, S. 805, 811; zuvor bereits ähnlich Dreher, AcP 138 (1934), 350, 359 f.; vgl. noch J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 30, der das Spezialitätsprinzip etwas überzogen als „das Grundprinzip des Rechts des Güterverkehrs nach dem BGB“ bezeichnet. Das Spezialitätsprinzip nimmt im Gesamtsystem der rechtsgeschäftlichen Sukzessionen indes keinen höheren oder niedrigeren Stellenwert ein, als das Bestimmtheitsprinzip oder das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Auch der Stellenwert der Sukzessionsfreiheit als Grundprinzip wird durch das Spezialitätsprinzip nicht übertroffen. 21 Habersack, Sachenrecht, Rn. 16; Eckert, Sachenrecht, Rn. 22. 22 Siehe oben § 2 II. 2. 19
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hen. Schon deshalb ist es unabdingbar, dass die Voraussetzungen des einschlägigen Sukzessionstatbestands für jede einzelne Vermögensposition vorliegen. Das Spezialitätsprinzip sorgt in diesem Zusammenhang für das beim Übergang absoluter Rechtspositionen unabdingbar notwendige Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Ganz konkret wird durch das Prinzip der absoluten (und eindeutigen) Zuordnung von Vermögenspositionen jedwedem Streit über die Zuordnung der Rechtsposition von vornherein der Boden entzogen. Aus rechtsökonomischer Perspektive werden folglich Streitbewältigungskosten eingespart23; diese Verringerung der Transaktionskosten steigert die Effizienz der Ressourcenallokation. Das wird man auch als den zutreffenden Kern der vielfach vertretenen Ansicht betrachten dürfen, die den Spezialitätsgrundsatz aus der dogmatischen Struktur des Verfügungsgeschäfts zu entwickeln sucht24. Zutreffender Ansatzpunkt ist aber weniger die Verfügungsberechtigung, die sich stets nur auf einen bestimmten Gegenstand beziehen kann25, sondern vielmehr die Rechtszuständigkeit als solche, d.h., die absolute und ausschließliche Zuordnung einer bestimmten Vermögensposition zu einem bestimmten Rechtsträger – ein Aspekt, der eng mit der Ordnungsfunktion des Privatrechts verknüpft ist26 und zugleich in untrennbarem Zusammenhang zum eingangs beschriebenen sukzessionsrechtlichen Zuordnungsproblem steht27. Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs muss genau spezifiziert sein, an welchem Gegenstand eine Rechtsänderung stattfindet. Weil sich die Sukzession durch einen zuordnungsändernden Charakter auszeichnet, können sich Übertragungsvorgänge stets nur auf einzelne Vermögenspositionen beziehen28. So wie jede einzelne Sache in einem singulären Zuordnungsverhältnis zu einem bestimmten Rechtsträger steht, kann auch nur dieses singuläre Rechtsverhältnis als kleinste Einheit durch eine Sukzession geändert werden. 23
Vgl. Walz, Systemdenken, S. 15. So oder ähnlich auch Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 11; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 5; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 20; Wiegand, Akzessorietät, S. 35, 41; K. Schmidt, FS Hadding, S. 1093, 1095; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 6; Habersack, Sachenrecht, Rn. 16; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 42; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 30; vgl. noch Seiler, in: Staudinger, Einl. Sachenrecht Rn. 54: Absolutheit und Typenzwang; ebenfalls auf den Typenzwang abhebend und einen eigenständigen Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes verneinend Füller, Sachenrecht, S. 18. Für einen maßgeblichen Zusammenhang mit dem Trennungsprinzip Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 43. Für eine Ableitung aus dem Herrschaftsgedanken des § 903 BGB, und zwar parallel genauso für die Forderung Dreher, AcP 138 (1934), 350, 354 ff. 25 Darauf maßgeblich abhebend Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 7. 26 Allgemein zur Rechtssicherheit im Privatrecht Neuner, FS Georgiades, S. 1231 ff.; zur Bestimmtheit in diesem Zusammenhang Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 11; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 43; Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 VIII; Säcker, FS Georgiades, S. 359, 368; ders., FS Boguslavskij, S. 805, 811. 27 Dazu oben § 2 II. 1. 28 Zur Verfügung ebenso Bork, BGB AT, Rn. 457; Medicus, BGB AT, Rn. 209; Haedicke, JuS 2001, 966, 967, 969. 24
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Das heißt freilich nicht, dass eine Sukzession nicht gleichzeitig eine Mehrzahl solcher Zuordnungsverhältnisse ansteuern könnte. Nur folgt aus dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung, dass nicht ein übergeordnetes „Gesamtrecht“, das gleichsam auf einer Metaebene über den Grundzuordnungsverhältnissen angesiedelt ist, eine Änderung erfährt, sondern jedes Einzelzuordnungsverhältnis selbst. Diese Spezialisierung hat den praktischen Vorteil, dass es neben dem Grundzuordnungsverhältnis keines weiteren Zuordnungsverhältnisses bedarf, zumal eine zweite Zuordnungsebene mit allerlei praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte. Insbesondere müsste geregelt werden, wie Einzelgegenstände in die einheitlich zugewiesene Gesamtmenge aufgenommen und wieder ausgeschieden werden können. Der hiermit verbundene Regelungsaufwand lässt keine Effizienzvorteile gegenüber einer Einzelzuweisung erkennen, sondern aufgrund der mehrstufigen Zuordnungsverhältnisse eher höhere Transaktionskosten erwarten. Überhaupt muss im Interesse der Sukzessionsfreiheit gewährleistet sein, dass über einzelne Vermögenspositionen ungehindert verfügt werden kann29. Bindungen, wie sie durch die Zusammenfassung einer Vielheit von Sachen oder Rechten im Rahmen eines Gesamtzuordnungsverhältnisses entstehen könnten, müssen in jedem Fall im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs ausgeschlossen sein. Selbst wenn sich diese Problematik durch eine ungehinderte Zirkulationsfähigkeit der Einzelrechte außerhalb der Gesamtübertragung lösen ließe, könnte das Nebeneinander verschiedener Zuordnungsverhältnisse bzw. Zuordnungsebenen im Einzelfall zu konfligierenden Verfügungen führen, die mit einer leichten, rechtssicheren Zuordnung absoluter Vermögenspositionen nicht in Einklang zu bringen sind30. Einheitliche Verfügungen über Sach-, Rechts- und Vermögensgesamtheiten sind unserer Privatrechtsordnung daher aus gutem Grunde fremd31. Es sind diese Gedanken, die bereits in der Savigny’schen Lehre von den Rechtsverhältnissen anklingen und hier auf den Boden des Prinzips der absoluten Rechtszuordnung gestellt werden. In diesem Sinne dient der Spezialitätsgrundsatz der Leichtigkeit und Sicherheit des Rechtsverkehrs.
II. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit Der Verkehrsschutzgedanke liegt auch dem Bestimmtheitsprinzip zugrunde, das mit dem Spezialitätsgrundsatz aufs engste verbunden ist. Im Einzelnen lassen sich vier Bestimmtheitskomponenten unterscheiden32:
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Larenz/Wolf, BGB AT, § 21 Rn. 20. Zutreffend Larenz/Wolf, BGB AT, § 21 Rn. 20. 31 Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 54; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 20. 32 Vgl. auch Walz, Systemdenken, S. 1, der „gegenständliche, zeitliche und personelle Bestimmtheit“ unterscheidet. 30
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1. Vier Bestimmtheitskomponenten Erstens fokussiert das klassische Verständnis des Bestimmtheitsgebots auf dessen gegenständliche Ausprägung. Der Verfügungsgegenstand muss danach hinreichend bestimmt sein. Zweitens müssen die an der Verfügung beteiligten Vertragsparteien individualisierbar sein. Damit ist die personelle Dimension des Bestimmtheitsprinzips bezeichnet. Drittens muss in zeitlicher Hinsicht feststehen, wann die Änderung der Güterzuordnung ganz konkret ihre Wirkung entfalten soll. Das bezeichnen wir als temporäre Dimension des Bestimmtheitsgrundsatzes. Und schließlich kann die Wirksamkeit der Verfügung viertens davon abhängen, dass der Inhalt des durch die Verfügung geschaffenen (beschränkten dinglichen) Rechts hinreichend bestimmt ist. Bezeichnet ist damit die inhaltliche Ausprägung des Bestimmtheitsgebots. Nachfolgend steht die gegenständliche, auf den konkreten Verfügungsgegenstand bezogene Komponente im Mittelpunkt des Interesses, weil sich in dieser Beziehung ganz erhebliche, praktisch bedeutsame Schwierigkeiten ergeben. Sie resultieren letztlich aus den Vorgaben des Spezialitätsprinzips, wonach zwar auch Sach- und Rechtsgesamtheiten übertragen werden können, sich die Verfügung aber gleichwohl auf jeden Einzelgegenstand beziehen muss. Im Vergleich dazu stehen die an der Transaktion beteiligten Personen regelmäßig fest, so dass die personelle Dimension keine nennenswerten Anwendungsprobleme bereitet. Die zeitliche Dimension des Bestimmtheitsgebots wird später als hier sogenanntes Koinzidenzprinzip herausgearbeitet und näher ausgeformt33. Die inhaltliche Ausprägung des Bestimmtheitsgrundsatzes wirft für die beschränkten Sachenrechte schließlich eine Reihe sehr spezieller Fragestellungen auf, deren Behandlung nicht nur aus Platzgründen ausgespart werden muss, sondern auch dem Anspruch einer Grundlagenuntersuchung nicht gerecht würde. Dementsprechend stehen zunächst die Herleitung und Grundlagen des Bestimmtheitsprinzips im Vordergrund (2.). Es folgt eine systemtische Darstellung der reichen Kasuistik des Rechtsprechungsmaterials (3.). Das Fallrecht wird sodann einer ausführlichen Kritik unterzogen, um auf dieser Grundlage zu einem einheitlichen – wie sich zeigen wird: minimalistischen – Bestimmtheitskonzept zu gelangen, das für die behandelten Sukzessionstatbestände uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann (4.).
2. Herleitung und Grundlagen a) Prinzip der absoluten Rechtszuordnung und Sukzessionsfreiheit Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs verlangt das Bestimmtheitsprinzip, dass der Verfügungsgegenstand eindeutig 33
Siehe unten § 12.
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bestimmt bzw. bestimmbar ist, so dass über seine Identität keine Zweifel bestehen können. Schon im Hinblick auf das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung34 und der hieraus folgenden Kategorie der Rechtszuständigkeit muss Klarheit35 darüber herrschen, auf welche Vermögensposition sich die verfügende Einigung bezieht. Weil sich die Sukzession durch einen zuordnungsändernden Charakter auszeichnet, können sich Übertragungsvorgänge stets nur auf konkret bestimmte Vermögensposition beziehen36. Das der Sukzessionsfreiheit verpflichtete Bestimmtheitsgebot vermeidet hierdurch Unsicherheiten in Bezug auf die absolute Rechtszuordnung und steht hiermit zugleich im Interesse der an der Transaktion beteiligten Vertragsparteien37. Erst die eindeutige Spezifizierung ermöglicht die Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten, sorgt für Rechtsfrieden und gewährleistet Planungssicherheit für die an der Transaktion beteiligten Akteure. Diese Erkenntnis steht in engem Zusammenhang mit der Bestimmtheit von Rechtspositionen im Allgemeinen. Denn ein nicht genügend bestimmtes Recht existiert nicht38, weil vom Rechtsverkehr schwerlich verlangt werden kann, ein unbestimmtes Recht als absolut geschützte Rechtsposition anzuerkennen und zu beachten39. Zudem kann an einem unbestimmten Gegenstand kein Herrschaftsrecht bestehen40 und er kann auch nicht übertragen werden41. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot hat daher die Unwirksamkeit der Rechtsübertragung zur Folge42. Die rechtsdogmatische Fundierung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf Grundlage der gegenständlichen Rechtszuordnung wird ergänzt durch den allgemeinen Gedanken, dass ein Rechtsgeschäft (und folglich auch eine rechtsgeschäftliche Sukzession) die intendierte Rechtsfolge nur dann herbeiführt, wenn der gesetzlich vorgesehene Mindestinhalt (essentialia negotii) unzweifelhaft bestimmbar ist43. Zutreffend spricht der BGH in diesem Zusammenhang davon, dass sich „das Verlangen nach Bestimmtheit (…) aus der Lehre vom Vertrag“ ergebe44. Für 34
Siehe oben § 2 II. 2. Den Aspekt der Rechtsklarheit betonen etwa BGHZ 7, 365, 367; Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 11; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl zu § 854 Rn. 43; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 17; Feuerborn, ZIP 2001, 600, 602; kritisch Füller, Sachenrecht, S. 17 f. 36 Zur Verfügung ebenso Bork, BGB AT, Rn. 457; Medicus, BGB AT, Rn. 209; Haedicke, JuS 2001, 966, 967, 969. 37 Vgl. BGHZ 21, 52, 58; Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. § 929 Rn. 100. 38 Säcker, FS Georgiades, S. 359, 368; ders., FS Boguslavskij, S. 805, 811; Westermann, FS Schapp, S. 507, 521. 39 Westermann, FS Schapp, S. 507, 521. 40 Vgl. Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 11; Prütting, Sachenrecht, Rn. 24. 41 Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 4 a. 42 Westermann, FS Schapp, S. 507, 521. 43 Erath, AcP 128 (1928), 344, 347, 349. 44 BGHZ 28, 16, 19 unter Hinweis auf Erath, AcP 128 (1928), 344, 347; ebenso Prütting, Sachenrecht, Rn. 419; vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 11, Anh. zu § 929 Rn. 78; Wiegand, FG BGH I, S. 753, 761; Gehrlein, MDR 2001, 911; vgl. noch BGH NJW 2011, 2713 Tz. 6. 35
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die verfügende Einigung bedeutet dies konkret, dass der sukzessionsrechtliche Minimalkonsens unzweifelhaft erfüllt sein muss, und zwar in Bezug auf die Vertragsparteien und die zu übertragende Vermögensposition. Die vertraglichen Wirkungen, namentlich die Änderung der Rechtszuständigkeit, können nur dann eingreifen, wenn eindeutig feststellbar ist, an welchem Gegenstand die Rechtsänderung eintreten soll. b) Verhältnis von Bestimmtheits- und Publizitätsprinzip Erklärungsversuche, die das Bestimmtheitsprinzip aus dem Traditions- bzw. Publizitätsprinzip zu entwickeln suchen45 oder es als genuin sachenrechtlichen Grundsatz deklarieren46, greifen demgegenüber wesentlich zu kurz. Wenig überzeugend ist bereits die Grundannahme, wonach außenstehende Dritte ein schutzwertes Interesse daran hätten, dass Rechtspositionen nicht verdeckt begründet werden können47. Um effiziente Allokationsentscheidungen zu treffen, genügt regelmäßig bereits das Wissen darum, dass die fragliche Rechtsposition für den Dritten fremd ist. Erwerber- und Verkehrsschutz vermitteln davon abgesehen die Vorschriften über den redlichen Erwerb48, das Abstraktionsprinzip sowie die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen. Die Erkennbarkeit der absoluten Rechtszuordnung für Dritte ist umso weniger von praktischer Bedeutung, als die Verknüpfung mit dem Publizitätsprinzip überhaupt nur im sachenrechtlichen Kontext in Betracht käme, was deshalb fehlgeht, weil der Geltungsbereich des Bestimmtheitsprinzips gerade nicht auf die Mobiliar- und Immobiliarübereignung beschränkt ist, sondern auch die (schuldrechtlichen) Sukzessionen der Forderungszession, Schuld- und Vertragsübernahme umfasst49. Es ist daher eine grundsätzliche Verkehrung des inneren Zusammenhangs, wenn zuweilen davon gesprochen wird, dass der Bestimmtheitsgrundsatz dieselben Zwecke verfolge wie die Übergabe50. Richtig muss es umgekehrt heißen, dass die Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB den Erfor45 So etwa Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 6; Anh. § 929 Rn. 5; Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 150 ff.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 7; ders., FS Georgiades, S. 465, 468 f.; ebenso M. Wolf, NJW 1966, 107: „in engem Zusammenhang mit dem Publizitätsprinzip“; vgl. noch K. Schmidt, BB 1983, 1697. 46 So etwa Stadler, in: Soergel, BGB, Vor § 854 Rn. 43; Hromadka, JuS 1980, 89, 90; vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 11; siehe auch Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 26: „sachenrechtlicher Bestimmbarkeitsgrundsatz“ in Bezug auf die Abtretung von GmbH-Anteilen; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 46: „sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz“ in Bezug auf die partielle Gesamtnachfolge im Spaltungsrecht; wie hier dagegen z.B. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 21; Säcker, FS Georgiades, S. 359, 368; ders., FS Boguslavskij, S. 805, 811; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 32. 47 In diese Richtung nun auch Westermann, FS Georgiades, S. 465, 469. 48 Vgl. Walz, Systemdenken, S. 22. 49 Siehe sogleich unten § 8 II. 3. und 4. 50 So aber Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 6; Ernst, Eigenbesitz, S. 140 f.; Paulus, JZ 1957, 41, 46; Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 150 ff.
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dernissen des Bestimmtheitsprinzips auf besonders eindeutige Weise gerecht wird51. Über eine gewisse indizielle Wirkung geht die Bedeutung der Übergabe für die Bestimmtheit der Einigung aber nicht hinaus. Gleiches gilt für die Eintragung von Liegenschaftsrechten im Grundbuch. Auch etwaige Sicherungsinteressen von Vollstreckungs- und Insolvenzgläubigern lassen sich schwerlich zur Begründung einer Verbindung zwischen Publizitäts- und Bestimmtheitsprinzip heranziehen52, denn Gläubiger haben ohnehin das Risiko zu tragen, dass sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners durch Verfügungsgeschäfte verändern53. Außerhalb der Einzel- oder Gesamtvollstreckung haben Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass der Vermögensbestand des Schuldners unberührt bleibt. Ihre schutzwerten Interessen werden stattdessen durch Spezialvorschriften des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts geschützt, allen voran durch die Bestimmungen über anfechtbare Rechtsgeschäfte (§§ 1 ff. AnfG, §§ 129 ff. InsO). c) Ökonomische Analyse des Bestimmtheitsprinzips Die Herleitung des Bestimmtheitsprinzips aus dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung wird untermauert durch einen ökonomischen Seitenblick auf den Property-rights-Ansatz54. In der Sache steht dahinter die Erkenntnis, dass erst auf Grundlage einer eindeutigen Zuweisung von Vermögenspositionen eine effiziente Allokation knapper Ressourcen bewerkstelligt werden kann. Das Bestimmtheitsgebot verringert auf diese Weise Kosten, die mit einer etwaigen Unsicherheit des vom Verfügungsrecht verbürgten Schutzumfangs respektive einer unsicheren Rechtszuständigkeit verbunden sind. Ausschließliche Vermögenspositionen können einem Rechtsträger überhaupt nur dann zustehen, wenn die fragliche Position auch genau spezifiziert ist. Fehlt es an einer ausschließlichen und eindeutigen Zuweisung einer Ressource droht ihre Verschwendung. Denn Dritte werden versucht sein, eine ihnen nicht oder nicht eindeutig zugewiesene Ressource zu ihrem maximalen Nutzen auszubeuten. Die hieraus drohende Übernutzung der Ressource schlägt sich in Form externer Kosteneffekte nieder. Der rational agierende ausschließliche Rechtsinhaber wird hingegen versuchen, den Gegenstand optimal 51
Besonders klar bereits Dreher, AcP 138 (1934), 350, 360 ff. – Zur Verbindung von Bestimmtheitsgrundsatz, Traditionsprinzip und Ernstlichkeit des Verfügungswillens siehe in diesem Zusammenhang Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 6. – Kritisch zur Ernstlichkeitsdoktrin beim Mobiliarerwerb unten § 10 III. 2. b). 52 So aber BGHZ 28, 16, 23; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1070; vgl. auch Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5. 53 Im Ergebnis ebenso Walz, Systemdenken, S. 23, der indes – aus hiesiger Sicht zu Unrecht – auf die Seriosität des rechtsgeschäftlichen Bindungswillens bei der dinglichen Einigung verweist. Zu beiden Aspekten siehe unten § 10 III. 2. b) und c). 54 Zur Bedeutung des Ansatzes für das Bestimmtheitsprinzip im Folgenden etwa Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, S. 96 f.; Dorndorfer/Frank, ZIP 1985, 65, 71 f.; Walz, KritV 1986, 131, 151; Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 69. Zum Ansatz allgemein siehe oben § 3 IV. 2.
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nach Maßgabe seiner individuellen Präferenzen einzusetzen und hierdurch den größtmöglichen Nutzen aus der Ressource zu ziehen. Auf diese Weise werden zugleich Informations- und Streitbewältigungskosten vermieden, die mit Unsicherheiten in der Rechtszuordnung unweigerlich verbunden sind55. Gegen diese traditionellen Erwägungen ist unter Bezugnahme auf verhaltensökonomische Untersuchungen eingewandt worden, dass sich die bereits mehrfach erwähnten Besitzeffekte56, die im Ergebnis ebenso wie Transaktionskosten einen effektiven Güteraustausch behindern können, dadurch vermeiden ließen, indem Verfügungsrechte bewusst unscharf gefasst würden57. Selbst wenn sich auf diese Weise Besitzeffekte tatsächlich minimieren ließen, was hier dahinstehen kann, erscheinen die Folgen unsicherer Rechtszuweisungen doch wesentlich schwerwiegender und vor allem (transaktions-)kostenträchtiger, als die nur schwer zu verifizierenden Besitzeffekte, deren Ausmaß zudem kontextabhängig ist58. Sind Verfügungsrechte nämlich nicht eindeutig bestimmt, schlagen sich solcherlei Unsicherheiten letztlich in einer erhöhten Kostenbelastung nieder, wie z.B. in Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die klären sollen, wem eine bestimmte Rechtsposition zugeordnet ist. Die mit vergleichbaren Unsicherheiten verbundenen Kosten werden nach Maßgabe des Bestimmtheitserfordernisses schon im Vorfeld signifikant verringert. Allerdings dürfen im Rahmen der angezeigten Kosten-Nutzen-Analyse auch diejenigen Kosten nicht unberücksichtigt bleiben, die zur konkreten Spezifizierung des Verfügungsgegenstandes aufgewendet werden müssen. Auch wenn an einer hinreichenden Bestimmtheit des Übertragungsobjekts aus hiesiger Perspektive kein Weg vorbeiführt und von diesem Erfordernis auch nicht aufgrund verhaltensökonomischer Erwägungen abgegangen werden sollte, sind möglichst restriktive Bestimmtheitserfordernisse, die neben den unbedingt nötigen Mindesterfordernissen keine zusätzlichen Anforderungen an die Vertragsparteien stellen, mit Kosteneinsparungen verbunden, die nach dem ökonomischen Modell zu einer erhöhten Verkehrsfähigkeit der betreffenden Vermögensrechte führen59. Deshalb muss es im Rahmen der Konkretisierung des Bestimmtheitsgebots darum gehen, den Verfügungsgegenstand durch Parteiabrede eindeutig zu spezifizieren, aber auch nicht mehr. Sämtliche über die für eine Parteiidentifizierung hinausgehenden formalen Zusatzanforderungen sind mit weiteren Transaktionskosten verbunden, die mit Blick auf das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung entbehrlich erscheinen. Dementsprechend hat ein minimalis55 Vgl. etwa Englerth, in: Engel u.a., Verhalten, S. 60, 110; allgemein zur Rechtfertigung von Eigentumsrechten Shavell, Foundations, S. 11 ff. 56 Siehe insbesondere oben § 3 IV. 7. 57 So Korobkin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051, 1110 unter Hinweis auf Ayres/Talley, Yale L.J. 104 (1995), 1027, 1029 f.; gegen diese aber Kaplow/Shavell, Harv. L. Rev. 109 (1996), 713, 785 ff. 58 Skeptisch auch (ohne nähere Begründung) Englerth, in: Engel u.a., Verhalten, S. 60, 110. 59 Diesen Umstand betont auch Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 VIII.
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tisch verstandenes Bestimmtheitserfordernis eine Senkung von Transaktionskosten zur Folge und führt auf diese Weise zu einer effizienten Allokation knapper Ressourcen.
3. Konkretisierung der Bestimmtheitserfordernisse auf Basis der Rechtsprechung Nach Maßgabe des Bestimmtheitsprinzips muss der Verfügungsgegenstand so konkret bezeichnet sein, dass über seine Identität keine Zweifel bestehen können. An einer eindeutigen Bezeichnung fehlt es namentlich, wenn bewegliche Sachen nur wert- oder mengenmäßig benannt sind60. Sollen etwa 3000 Büchsen junger Erbsen aus einem Konservenlager61, 130 Schweine mit einem Durchschnittsgewicht von je 3 Zentnern aus einem Schweinebestand62, 4000 Masthähnchen aus einem größeren Bestand63 oder aus Lagerbeständen 100 000 Stück Damen-Feinstrumpfhosen64 übereignet werden, sind die von der dinglichen Einigung umfassten Gegenstände nicht hinreichend spezifiziert. Gleiches gilt für die Übereignung der Hälfte eines Warenlagers oder beweglicher Sachen im Wert von 100 000 Euro65. An der notwendigen Individualisierung fehlt es gleichermaßen bei Zessionen, wenn von mehreren selbstständigen Forderungen ein nur summenmäßig festgeschriebener Teil abgetreten werden soll66, wie beispielsweise, wenn der Mieter „alle Ansprüche aus direkten oder indirekten Leistungen der Mietgeräte bis zur Höhe der Gesamtforderung des Vermieters“ an diesen abtritt67.68 Bei allen diesen Bezeichnungen bleibt die entscheidende Frage offen, welche Sachen und Forderungen ganz konkret übertragen werden sollen. Weil sie eine eindeutige Zuordnung der Rechtsänderung nicht gewährleisten, sind die Bezeichnungen nach einhelliger Auffassung allesamt zu unbestimmt und daher unwirksam. 60 Vgl. RGZ 52, 385, 390, 394; 127, 337, 340; BGHZ 21, 52, 55; BGH NJW 1984, 803, 804; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 29, 33; Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 7; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 c. – Für die Übertragung von unverbrieften Aktien und von GmbH-Geschäftsanteilen wird im modernen Schrifttum mit beachtlichen Argumenten die Gegenauffassung vertreten; vgl. Iversen, AG 2008, 736, 737 f.; Seelinger, GmbHR 2014, 119 ff. 61 KG JW 1931, 2579, 2580: „(…) teile ich Ihnen mit, daß ich 3000/1 junge Erbsen, 3000/2 Mirabellen, 2000/1 Gemischte Gemüse IV für Sie bereit halte“. 62 RG JW 1934, 222, 223. 63 BGH WM 1959, 52, 53. 64 BGH WM 1977, 218. 65 Vgl. BGHZ 21, 52, 54 ff.; siehe ferner zur Übereignung von Tieren BGH NJW 1984, 803, 804. 66 Vgl. BGH NJW 2011, 2713 Tz. 6; BGH WM 1965, 562; WM 1970, 848; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1316, 1317; OLG Köln MDR 2005, 975; vgl. für eine zulässige Variante BGHZ 71, 75, 78. 67 OLG Rostock OLG-NL 2000, 177. 68 Dazu m. w. Bsp. Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 61 f.; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 69.
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a) Mobiliarübereignung: Offenkundigkeitsformel Im Mobiliarsachenrecht entscheidet der BGH69 Zweifelsfälle in ständiger Rechtsprechung nach der viel zitierten, auf die Sichtweise eines objektiven Dritten abhebenden, hier sogenannten Offenkundigkeitsformel70: Danach muss „infolge der Wahl einfacher, äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden in dem für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt kennt, ohne weiteres ersichtlich (sein), welche individuell bestimmten Sachen übereignet worden sind“71. Diese Voraussetzung ist unstreitig erfüllt, wenn sämtliche Gegenstände in einem Warenlager (All-Formel)72, eine bestimmte Gattung von Waren in demselben73 oder aber abgesondert gelagerte (Raumsicherungsvertrag)74 oder besonders markierte Gegenstände (Markierungsvertrag)75 übereignet werden sollen. Darüber hinaus können nach Auffassung der Rechtsprechung auch Warenlager mit wechselndem Bestand übertragen werden. Zu diesem Zweck kann die dingliche Einigung alle künftig in einem bestimmten Raum aufgenommenen Gegenstände erfassen. In diesem Zusammenhang genügt ausnahmsweise die Bestimmbarkeit der später hinzukommenden Güter76. Entscheidend ist, dass die zur Übereignung bestimmten Gegenstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eindeutig bestimmt waren77. Durch nachträgliche Änderungen des Sachbestandes verliert die ursprünglich hinreichend spezifizierte Einigung nicht nachträglich ihre Wirksamkeit. Zulässig ist es daher, wenn die Übereig69 Eine kritische Analyse der vorausgegangenen Rechtsprechung des Reichsgerichts findet sich bei Dreher, AcP 138 (1934), 350 ff. 70 Vgl. auch Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5: „Beobachtungsformel“; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 97, 99, 101: „Beobachterklausel“. 71 BGHZ 73, 253, 254; gleichsinnig BGH NJW 1984, 803, 804; 1986, 1985, 1986; 1991, 2144, 2146; 1992, 1156, 1157; 1992, 1161; 1994, 133, 134. 72 Zur Formel vgl. RGZ 113, 57, 60; 132, 183, 188; BGHZ 28, 16, 20; BGH NJW 1986, 1985, 1986; 1992, 1161, 1162; 1994, 133, 134; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 29; Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 7; Feuerborn, ZIP 2001, 600, 601; Gehrlein, MDR 2001, 911, 912; ders., MDR 2008, 1069, 1071, 1072 f. – Die All-Formel gilt auch für die Forderungszession; vgl. dazu etwa RGZ 155, 26, 30; BGH NJW 1978, 634, 635; 2003, 2987; WM 1961, 350, 351; 1966, 13, 14 f.; OLG Stuttgart NJW 1964, 666; Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 60; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 70. 73 Dazu mit zahlreichen Beispielen Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 32. 74 BGH NJW 1984, 803, 804; 1992, 1161, 1162; 1996, 2654, 2655; 2000, 2898; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 30; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1070 f.; Gursky, JZ 1997, 1094, 1096; Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 164 ff. 75 BGH NJW 1991, 2144, 2146; 1992, 1161, 1162; OLG Düsseldorf NJW-RR 2012, 689, 690; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 31; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1071; Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 166 ff. 76 BGHZ 21, 52, 56; BGH WM 1966, 94, 95; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh. § 930 Rn. 30, 39; Berger, in: Jauernig, BGB, § 930 Rn. 16; Pikart, in: RGRK, BGB, § 930 Rn. 28, 37 f.; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 c. 77 RGZ 132, 183, 188; BGHZ 28, 16, 20; 73, 253, 255 f.; BGH NJW 1958, 945; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh. § 930 Rn. 39; Pikart, in: RGRK, BGB, § 930 Rn. 28; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 c; Erath, AcP 128 (1928), 344, 346 ff.; a.A. noch RGZ 113, 57, 60.
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nung das gesamte gegenwärtige und zukünftige Lager an Rollschinken und Nußschinken zum Gegenstand hat78. An der nötigen Bestimmtheit fehlt es hingegen nach Auffassung der Rechtsprechung, wenn sich die Identität der von der Übereignung erfassten Gegenstände lediglich von außen, etwa aus Geschäftsdokumenten des Veräußerers (z.B. Warenbücher, Register, Schriftwechsel, Rechnungen, Zahlungsbelege) oder aufgrund weiterer Nachforschungen, etwa durch Befragung von Mitarbeitern oder Fachleuten, ermitteln lässt79. Für einen objektiven Dritten muss auf Grundlage der dinglichen Einigung vielmehr offenkundig sein, welche Gegenstände übertragen werden sollen. In diesem Zusammenhang genügt bloße Bestimmbarkeit nicht80. Vor diesem Hintergrund hatte die Rechtsprechung zunächst der Übereignung eines Warenlagers die Wirksamkeit versagt, soweit der Rechtsübergang auf solche Sachen beschränkt sein sollte, die im Alleineigentum des Veräußerers stehen, während dort ebenfalls gelagerte Vorbehaltsware, ohne dass beide Vermögensmassen voneinander getrennt oder unterschiedlich gekennzeichnet waren, nicht erfasst sein sollte81. In Reaktion auf heftige Kritik des Schrifttums82 befürwortete der BGH später zumindest eine übertragungsfreundliche Interpretation der dinglichen Einigung: Wenn von der Parteiabrede sämtliche Gegenstände eines Warenlagers erfasst sein sollen, dann gehe in Abhängigkeit von den bestehenden Eigentumsverhältnissen entweder das Eigentum oder ein etwaiges Anwartschaftsrecht auf den Erwerber über83. Unzulässig sei es aber jedenfalls, wenn alle Gegenstände übereignet werden sollen mit Ausnahme der unter Eigentumsvorbehalt stehenden, denn – entgegen der eingangs zitierten Offenkundigkeitsformel – sei hier zur Feststellung der erfassten Gegenstände erforderlich, dass auf außerhalb der Parteiabrede liegende Unterlagen (Rechnungen, Warenbücher, Kontoauszüge etc.) zurückgegriffen werde84. Gleiches gelte, soweit die Übereignung auf pfändbare Gegenstände beschränkt sei85 oder auf solche Gegenstände, die „frei von Rechten Dritter“ sind86. Davon abgesehen verlangt die Rechtsprechung allgemein, dass sich die von der dinglichen Einigung erfassten Gegenstände einfach und unkompliziert von Dritten feststellen lassen87. 78
RG WarnRspr 1931 Nr. 154. Vgl. RGZ 132, 183, 187; BGH NJW 1984, 803, 804; 1986, 1985, 1986; 1992, 1161; OLG Frankfurt a.M. ZIP 1994, 1438, 1439; OLG Düsseldorf NJW-RR 2012, 689, 690; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh. § 930 Rn. 34; Berger, in: Jauernig, BGB, § 930 Rn. 46. 80 RGZ 132, 183, 187; BGHZ 28, 16, 19; BGH NJW 1986, 1985, 1986; WM 1962, 740; Serick, Eigentumsvorbehalt II, § 21 III 2. 81 BGHZ 21, 52, 56. 82 Dönhoff, BB 1956, 827 ff.; Paulus, JZ 1957, 41 ff.; Pohle, MDR 1956, 732 ff.; H. Westermann, NJW 1956, 1297 ff. 83 BGHZ 28, 16, 19 ff.; so auch schon RG HRR 1934 Nr. 1116; a.A. noch BGHZ 21, 52, 57 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 868 f. 84 BGH NJW 1986, 1985, 1986. 85 BGH NJW-RR 1988, 565, 566. 86 BGH NJW 1992, 1156, 1157. 87 BGH NJW 1992, 1161, 1162. 79
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b) Immobiliarübereignung: Individualisierbarkeit Im Liegenschaftsrecht ist klar zu unterscheiden zwischen den formellrechtlichen Besonderheiten des Grundbuchrechts und den materiellrechtlichen Anforderungen der dinglichen Einigung. Dementsprechend finden die für das Grundbuchverfahren geltenden §§ 2 Abs. 2, 28 GBO im Rahmen der materiellrechtlichen Einigung keine Anwendung88. Für sie sind allein die materiellen Vorgaben der §§ 873, 925 BGB maßgeblich. Das Grundstück kann also auch auf andere Weise als „übereinstimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt“ identifiziert werden89, und zwar beispielsweise mittels Lageplan und Messpunkten, durch katastermäßige Parzellennummern oder Straße und Hausnummer90. Diese Grundsätze dürfen heute als gesichert gelten. Noch immer nicht abschließend geklärt ist hingegen die Frage, nach welchen Maßstäben sich die Auslegung der dinglichen Einigung richtet91. Der Meinungsstand spiegelt die Interdependenzen zwischen materiellem und formellem Recht wider. Während sich die traditionelle Position am Grundbuchrecht orientiert und deshalb nur solche Tatsachen in die Betrachtung einbezieht, die objektiv aus den Eintragungsunterlagen oder anderen allgemein zugänglichen Dokumenten ersichtlich sind92, greift die inzwischen vorherrschende Ansicht auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des Bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) zurück93. Nach der letztgenannten Auffassung ist beispielsweise auch eine Falschbezeichnung bei der dinglichen Einigung gem. § 873 BGB unschädlich (falsa demonstratio non nocet)94. Entscheidend sind ausschließlich die Vorstellungen der Vertragsparteien, ohne dass die maßgebliche Tatsachengrundlage aus der Perspektive objektiver Dritter erkennbar sein müsste.
88 RG JW 1925, 2237; BayObLGZ 1962, 362, 371; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 55; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 62. 89 BayObLG NJW-RR 1988, 330, 331; ausf. Müller, DNotZ 1966, 77 ff.; Haegele, Rpfleger 1973, 272 ff.; vgl. noch Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 74 Rn. 3. 90 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 55; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 62; Bungert/Lange, DB 2009, 103. 91 Zum Meinungsstand Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 62 f. mit umfangreichem Material. Dort auch zu weiteren abweichenden Ansätzen, auf die hier nicht eingegangen werden kann. 92 RGZ 131, 158, 168; BGHZ 60, 226, 231; OLG Karlsruhe DNotZ 1958, 257 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II 2. 93 BGH NJW 1960, 673; DNotZ 1966, 172, 173 f.; WM 1978, 194, 196; 1985, 876, 878; BayObLG DNotZ 1995, 56, 57 f.; Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 48; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 62; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 64; Krause, in: AnwKommBGB, § 873 Rn. 12; Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 15, § 925 Rn. 37; Eickmann, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 74 Rn. 3. 94 RGZ 60, 338 ff.; Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 74 Rn. 3; kritisch Wieling, AcP 172 (1972), 297, 307 ff.
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c) Forderungszession: Maßgeblichkeit der Schuldnerperspektive In Bezug auf die Abtretung von Forderungsmehrheiten, namentlich im Rahmen von Sicherungszessionen, verfährt die Rechtsprechung großzügiger als im Mobiliarsachenrecht. Anders als dort95 ist es hier ausreichend, wenn der Verfügungsgegenstand bestimmbar ist96. Das gilt gleichermaßen für die Schuldübernahme97. Zulässig ist es insbesondere, dass auch außerhalb der Parteiabrede liegende Umstände in die Betrachtung einbezogen werden98. Die Interpretation der vertraglichen Vereinbarung erfolgt im Übrigen nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre (§§ 133, 157 BGB)99. Besonderheiten gelten für die Teilabtretung von Forderungen100. Zwar ist die Teilzession grundsätzlich zulässig101. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die einzelnen Anteile eindeutig bestimmbar sind102. Eine quoten- oder summenmäßige Festlegung des Teilbetrages ist dafür regelmäßig ausreichend103. Zulässig ist es daher, im Rahmen einer Globalzession sämtliche Forderungen zwar nicht vollständig, wohl aber zur Hälfte oder zu zwei Dritteln abzutreten104. Gleiches gilt beispielsweise, wenn Gehaltsansprüche „in Höhe des pfändbaren Teils“ abgetreten werden105 oder die Höhe der zur Sicherung zedierten Forderung an den Umfang der zu sichernden Ansprüche geknüpft wird106. Eine weitere Besonderheit gegenüber der Offenkundigkeitsformel des Mobiliarsachenrechts107 stellt es dar, dass die geforderte Bestimmbarkeit im Zessionsrecht nicht aus der Perspektive außenstehender Dritten zu verifizieren ist, sondern aus der Sicht des Forderungsschuldners108. Zur Begründung heißt es, der 95 Siehe nur RGZ 132, 183, 187; BGHZ 28, 16, 19; BGH NJW 1986, 1985, 1986; WM 1962, 740; 1977, 218, 219; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 930 Rn. 2; Pikart, in RGRK, BGB, § 929 Rn. 18; Serick, Eigentumsvorbehalt II, § 21 IV 1 c; dagegen mit Recht aber Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. zu § 929 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 98. 96 RGZ 134, 225, 227; BGHZ 7, 365, 367; BGH NJW 2000, 276, 277; 2011, 2713 Tz. 6; NJWRR 2012, 332 Tz. 29; ebenso BGH NJW 1974, 1130; 1995, 1668, 1669: „individualisierbar“; vgl. den abweichenden Sprachgebrauch in BGHZ 71, 75, 78: „genügend bestimmt“; kritisch dazu mit Recht Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 VIII mit Fn. 59. 97 Vgl. nur Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 52, § 415 Rn. 17. 98 BGH NJW 2000, 276, 277. 99 Vgl. BGH NJW 1978, 634; Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 53. 100 Zum Ganzen ausf. Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 72. 101 Siehe oben § 2 III. 2. a). 102 BGHZ 26, 178, 182 ff.; 53, 60, 63 f. 103 Vgl. Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 72. 104 Zutreffend Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 21. 105 BAG WM 1968, 1047; vgl. weiter BAG NJW 2001, 1443; 2002, 3121, 3122; BGH NJW 1995, 2289. 106 BGH NJW 1967, 751, 752. 107 Siehe oben § 8 II. 3. a). 108 Vgl. BGH NJW 1965, 2197, 2198; 2000, 276, 278; BAG WM 1968, 1047, 1048; OLG Celle DB 1967, 375, 376; OLG Dresden NJW-RR 1997, 1070, 1071; Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 54; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 16; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 72; Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 VIII; Westermann, FS Georgiades, S. 465, 474.
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Schuldner müsse aus der Parteiabrede erkennen können, wem er wie viel schuldet. Dafür genüge es nicht, dass die Rechtszuordnung nur aus der Sicht von Zedent und Zessionar individualisierbar sei, vielmehr müsse die Abtretung auch für den Schuldner transparent werden. Unzulässig soll es deshalb sein, wenn der Umfang eines zedierten Teilbetrags in Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe eines wechselnden Saldos der zwischen Zessionar und Zedent bestehenden zu sichernden Forderungen abhängig gemacht wird109. Hier sei zwar für die Vertragsparteien der Umfang der Abtretung eindeutig bestimmbar, nicht aber für den Schuldner110. Diese strenge Linie hat die Rechtsprechung in Entscheidungen jüngeren Datums teilweise aufgelockert. Unbeanstandet blieb beispielsweise eine Gestaltung, in welcher der Umfang einer Teilzession von einer weiteren Abtretung abhängig war, deren Höhe sich aus dem Verhältnis zwischen Zedent und Zweitzessionar ergab111. Das Bestimmbarkeitskriterium gilt sowohl für die Zession bestehender als auch für zukünftige Forderungen112. Während im älteren Schrifttum noch die Auffassung vertreten wurde, die Bestimmbarkeit müsse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über die Vorausabtretung bereits vorliegen113, gehen Rechtsprechung114 und Schrifttum115 heute davon aus, dass die fraglichen Ansprüche erst im Zeitpunkt ihrer Entstehung individualisierbar sein müssen.
4. Kritik und Rekonfiguration des Bestimmtheitsgrundsatzes Die Zusammenstellung des Rechtsprechungsmaterials lässt signifikante Unterschiede der Bestimmtheitsanforderungen im Mobiliar-, Immobiliar- und Zessionsrecht deutlich werden116. Bemerkenswert ist namentlich die bei Fahrniserwerb und Forderungsabtretung anzutreffende Drittrichtung des Bestimmtheitsgebots. Außenstehenden Dritten soll die Mobiliarübereignung offenkundig sein, und auch der Forderungsschuldner soll aufgrund der Parteiabrede erkennen 109
RGZ 92, 238, 239 f.; BAG WM 1968, 1047, 1048; wohl auch Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 54; offen gelassen von BGH NJW 1965, 2197, 2198; differenzierend Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 16; OLG Celle DB 1967, 375, 376. 110 So etwa Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 73. 111 BGH NJW 2000, 276, 277 f.; a.A. Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 74; Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 59. 112 Zu Letzteren siehe etwa RGZ 67, 166, 167; 92, 238, 239; 155, 26, 28; BGHZ 7, 365, 367; 79, 16, 21; BGH NJW 1964, 149; 1974, 1130; 1985, 800, 802; 1995, 1668, 1669; NJW-RR 2003, 1690, 1691. 113 H. Westermann, Interessenkollision, S. 23 f.; Schwerdtner, NJW 1974, 1785, 1788. 114 RGZ 149, 96, 100; BGHZ 70, 86, 89; 71, 75, 78; BGH WM 1961, 350; NJW 1985, 800, 802; 1988, 3204, 3205; 2000, 276; NJW-RR 2003, 1690, 1691. 115 Statt vieler siehe nur Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 11; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 25; Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 VIII. 116 So auch das Resümee von Quack, in: MünchKommBGB, 3. Aufl., Einl. Sachenrecht Rn. 56; Walz, Systemdenken, S. 22.
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können, wer sein Gläubiger ist. Im Unterschied dazu zeigen sich Rechtsprechung und Schrifttum im Liegenschaftsrecht deutlich großzügiger, indem sie die dingliche Einigung streng von den besonderen grundbuchrechtlichen Erfordernissen trennen. Eine Gesamtbetrachtung vermisst die einheitliche Linie inmitten des Fallrechts. Insbesondere die Unterschiede zwischen Mobiliarerwerb und Forderungszession können schwerlich überzeugen, zumal das Publizitätsprinzip, das in Form der Offenkundigkeitsformel die Konkretisierungsbemühungen der Rechtsprechung prägt, in keiner spezifischen Beziehung zum Bestimmtheitsgebot steht. Aber auch im Zessionsrecht stellt sich die Frage, weshalb hier Aspekte des Schuldner- bzw. Sukzessionsschutzes von Bedeutung sein sollten, fußt das Bestimmtheitsgebot doch auf dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung, das seinerseits die Zuweisung ausschließlicher Vermögenspositionen im primären Interesse der Vertragsparteien zum Gegenstand hat. Vor diesem Hintergrund führt an einer Rekonfiguration des Bestimmtheitsgrundsatzes kein Weg vorbei. Zentrales Anliegen ist es, das Bestimmtheitsgebot von allem unnützen formalistischen Ballast der Rechtsprechung zu befreien und es auf seinen zweckentsprechenden Anwendungsbereich zurückzuschneiden, um zu einer möglichst einheitlichen Handhabung des Bestimmtheitserfordernisses in Bezug auf sämtliche Verfügungsgegenstände zu gelangen117. In der Sache wird deshalb für einen minimalistischen Bestimmtheitsansatz Partei ergriffen, der ausschließlich auf die Bestimmbarkeit aus Sicht der Vertragsparteien fokussiert. Schutzwerte Drittinteressen, soweit solche überhaupt anerkennenswert erscheinen, sind durch anderweitige Mechanismen zu gewährleisten, nicht indes durch den allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Nach der hier vertretenen Position genügt es daher für sämtliche Verfügungsgegenstände, dass ihre Identität – auch unter Heranziehung außerhalb der Einigungserklärung liegender Umstände – bestimmbar ist. a) Mobiliarübereignung Die hier erhobene Forderung nach einer Neukonzeption des Bestimmtheitserfordernisses ist keine akademische Fingerübung. Vielmehr bereiten die überzogenen Bestimmtheitsanforderungen der Rechtsprechung der Praxis nicht unerhebliche Schwierigkeiten, und zwar namentlich bei der Sicherungsübereignung von Warenlagern mit wechselndem Bestand, aber auch bei anderen Übertragungen von Sachgesamtheiten, wie z.B. beim dinglichen Vollzug eines AssetDeal118. Zudem führt die differenzierte Rechtsprechungslinie zu unliebsamen Dissonanzen, die eine Handhabung der extensiven Anforderungen deutlich erschweren. Im Gegensatz zur bislang h.M. kann es insbesondere nicht überzeugen, zwar für die Verfügung über künftige Forderungen – und auch für das an117 118
So auch Dreher, AcP 138 (1934), 350, 352 ff.; vgl. auch Claussen, Gesamtnachfolge, S. 137. Dazu etwa Trendelenburg, MDR 2003, 1329, 1330 f.
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tizipierte Besitzkonstitut gem. § 930 BGB119 (!)120 – bereits Bestimmbarkeit des Verfügungsgegenstands genügen zu lassen, für die Übereignung von Sachgesamtheiten – entsprechend der Offenkundigkeitsformel – indes Bestimmtheit selbst für außenstehende Dritte zu verlangen. aa) Mangelnde Legitimation der Offenkundigkeitsformel Zur Legitimation der Offenkundigkeitsformel verweist das Schrifttum darauf, dass nicht allein die am Verfügungsgeschäft beteiligten Parteien wissen müssten, auf welche Sachen sich die dingliche Einigung beziehe, sondern auch „alle anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr“121. Die hiermit in Stellung gebrachten Drittinteressen vermögen indes die extensiven Bestimmtheitsanforderungen nicht zu tragen, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum einen haben außenstehende Dritte typischerweise kein schutzwürdiges Interesse daran, die Identität des Verfügungsgegenstands unter ausschließlichem Rückgriff auf die dingliche Einigung bestimmen zu können. Grund dafür ist die mangelnde Offenkundigkeit der Güterverschiebung aufgrund der weiträumigen Ausnahmen vom physischen Übergabeerfordernis gem. §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB. Die Erkennbarkeit der dinglichen Verhältnisse ist für den modernen Wirtschaftsverkehr daher von ganz untergeordneter Bedeutung. Weil dementsprechend auch die Vollstreckungs- und Insolvenzgläubiger etwaige Güterverschiebungen heute grundsätzlich nicht mehr erkennen können und sie außerhalb der Sondervorschriften über die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) und der Anfechtung nach dem AnfG auch keinen Anspruch auf den unveränderten Fortbestand des Schuldnervermögens haben, ist deren Schutz durch das Bestimmtheitsgebot weder erreichbar noch überhaupt intendiert122. Zum anderen trägt die Rechtsprechung mit der Offenkundigkeitsformel in unzulässiger Weise Wertungen des rechtspolitisch ohnehin angreifbaren Traditionsprinzips123 in die Bestimmtheitsdogmatik hinein, die ihre legitime Grundlage gerade nicht im Publizitätsprinzip, sondern im Prinzip der absoluten Rechtszuordnung findet124. Rechtsdogmatischer Ansatzpunkt für das Bestimmtheitsprinzip ist nicht die Wirkung von Vermögensrechten gegenüber Dritten, also insbesondere nicht der Umstand, dass dingliche Rechte ihre Wirkungen grundsätzlich gegenüber jedermann entfalten, obligatorische Rechte hingegen 119
Zur Übereignung gem. § 930 BGB siehe unten § 10 IV. 2. So bereits RG JW 1912, 797; BGH WM 1966, 94, 95; Dreher, AcP 138 (1934), 350, 369 ff.; Michalski, in: Erman, BGB, § 930 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 31. 121 So etwa Feuerborn, ZIP 2001, 600, 602; vgl. noch Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 3 Rn. 9 f.; Westermann, FS Georgiades, S. 465, 473 f. 122 A.A. noch BGHZ 28, 16, 23; wie hier aber mit Recht Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VII 4 b bb; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 865; Füller, Sachenrecht, S. 20; vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 101. 123 Zur Kritik am Traditionsprinzip, insbesondere in seiner Ausformung als Offenkundigkeitsprinzip, siehe unten § 10 III. 124 Siehe oben § 8 II. 2. 120
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nur gegen den Schuldner wirken. Vielmehr ist das Bestimmtheitskriterium aus der Absolutheit der Zuordnung von Vermögensrechten zu einem bestimmten Rechtsträger abzuleiten125. Zentrale Implikation des Absolutheitsprinzips ist die vergleichbare Strukturierung der rechtsgeschäftlichen Nachfolge in obligatorische und dingliche Rechtspositionen. Für beide Vermögensrechte gilt das Prinzip der absoluten Rechtszuweisung; übertragen wird jeweils das dem Inhaber ausschließlich zugewiesene Vermögensrecht. Auch aus dem unmittelbaren Sachbezug, d.h. der Körperlichkeit beweglicher Sachen, ergeben sich keine maßgeblichen Unterschiede, die für eine differenzierte Behandlung von Schuldund Sachenrechten streiten könnten. Denn das Bestimmtheitserfordernis knüpft nicht unmittelbar an die Sache selbst an, sondern an das dem Inhaber zugewiesene Sachenrecht, welches in dogmatischer wie funktionaler Hinsicht mit dem Forderungsrecht auf einer Stufe steht. Für eine unterschiedliche Strukturierung des Bestimmtheitserfordernisses mangelt es folglich an einer tragfähigen Grundlage. bb) Inkonsistenz der Rechtsprechung Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung die Offenkundigkeitsformel selbst nicht allzu ernst nimmt. Wenn der BGH für die Übereignung von Sachgesamtheiten verlangt, dass die erfassten Gegenstände allein aufgrund der dinglichen Einigung eindeutig bestimmt sein müssen, und zwar ohne Bezugnahme auf anderweitige Informationsquellen, dann wollen die gleichermaßen zulässigen Raumsicherungs- und Markierungsverträge nicht recht ins Bild passen. Denn aus der dinglichen Einigung ist gerade nicht ersichtlich, welche Gegenstände sich in dem bezeichneten Raum befinden oder welche Gegenstände die notwendige Markierung aufweisen. Um dies festzustellen, muss der Raum selbst in Augenschein genommen werden; und bei diesem Raum handelt es sich zweifellos um einen außerhalb des Vertrages liegenden Umstand126. Noch deutlicher wird der Widerspruch zur Offenkundigkeitsformel, wenn es die Rechtsprechung als unschädlich ansieht, dass später andere Gegenstände in den bezeichneten Raum eingebracht127 oder nachträglich Sicherungsgut entfernt wird128. Weiterhin muss es widersprüchlich erscheinen, wenn die tradierte Auffassung im Mobiliarsachenrecht rechtliche Unterscheidungskriterien, wie z.B. die Pfändbarkeit von Gegenständen, als zu unbestimmt ansieht129, während im Zes125 Die Verbindung erkennt auch Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 6 f. 126 So oder ähnlich Dreher, AcP 138 (1934), 350, 368; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VII 4 b bb Fn. 43; Füller, Sachenrecht, S. 20 f. 127 Siehe oben § 8 II. 3. a). 128 BGH WM 1960, 1223; Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 30; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 8; Serick, Eigentumsvorbehalt II, § 21 II 5. 129 So BGH NJW-RR 1988, 565, 566; im Ergebnis zustimmend Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 7; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 111; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1071.
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sionsrecht die Wirksamkeit des Forderungsübergangs schon kraft Gesetzes auf pfändbare Forderungen beschränkt ist (vgl. § 400 BGB) und nach einhelliger Auffassung auch Lohnforderungen „in Höhe des pfändbaren Teils“ abgetreten werden können130. Für eine unterschiedliche Interpretation des Bestimmtheitsgebots fehlt es angesichts der Verifizierbarkeit rechtlicher Unterscheidungsmerkmale, wie namentlich in Form von Pfändungsschutzvorschriften, an einem tauglichen Rechtfertigungsgrund. Mögen bei der Mobiliarpfändung nach § 811 ZPO zum Teil diffizile Entscheidungen zu treffen sein, die in der Praxis regelmäßig dem Gerichtsvollzieher obliegen131, werfen die Bestimmungen über den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens nach Maßgabe der wenigstens ebenso detaillierten §§ 850 ff. ZPO indes nicht weniger Zweifelsfragen auf, deren Entscheidung gem. §§ 850b Abs. 2, 850c Abs. 4, 850e, 850f ZPO zum Teil dem Vollstreckungsgericht obliegt. Dass Streitigkeiten vor diesem Hintergrund zuweilen im Klagewege ausgetragen werden müssen, steht einer hinreichenden Bestimmtheit jedenfalls nicht entgegen. Schließlich können sich vergleichbare Zweifelsfragen auch auf Grundlage der Rechtsprechungskriterien ergeben, wie die eingangs zusammengestellte Kasuistik belegt. Außerdem ist die hier allein maßgebliche Bestimmtheitsfrage auch in diesem Kontext streng von der Frage der prozessualen Realisierbarkeit zu trennen. Im Ergebnis ist es daher ohne Belang, dass die erfassten Gegenstände erst ex post nach außen erkennbar werden132. Denn die Bestimmtheit der Rechtszuordnung als solche ist unabhängig von der Erkennbarkeit der Rechtszuordnung für sämtliche außenstehende Dritte. In der Konsequenz ist dem Bestimmtheitsgebot bei einem Mobiliarerwerb auch dann genügt, wenn die Abgrenzung an eindeutig feststellbare rechtliche oder tatsächliche Eigenschaften anknüpft133. Als hinreichend bestimmt erachtete der BGH beispielsweise eine Übereignung, die sich auf das „Hausinventar des gemeinsam bewohnten Einfamilienhauses“ bezog134. Die hiervon erfassten Gegenstände lassen sich nach Maßgabe der §§ 97, 98, 1932 BGB nebst konkretisierender Rechtsprechung eindeutig ermitteln. Gleiches gilt für die Übereignung sämtlicher Zuchtstuten, Rennpferde, Jährlinge und Stuten, die auf einer eindeutig bezeichneten Gestütsfläche nebst Gebäuden gehalten wer-
130
Dazu eingehend oben § 4 III. 2. Unter Hinweis auf den Entscheidungsspielraum des Gerichtsvollziehers ablehnend etwa Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 7. 132 In anderem Zusammenhang ebenso Walz, Systemdenken, S. 29. 133 A.A. Ernst, Eigenbesitz, S. 143; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1072; wie hier aber etwa Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 29; siehe dort auch Rn. 32 für Gattungssachen; großzügig auch Gursky, JZ 1997, 1094, 1098. 134 BGHZ 73, 253, 254 f.; zustimmend etwa Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 104; Gursky, JZ 1984, 604, 606; Trendelenburg, MDR 2003, 1329, 1331; a.A. Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 7; Gursky, JZ 1997, 1094, 1098; kritisch auch Gehrlein, MDR 2001, 911, 912 f.; ders., MDR 2008, 1069, 1070 f. 131
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den135. Hinreichend bestimmt ist außerdem eine Sicherungsübereignung sämtlicher Müllcontainer einer bestimmten Größe, und zwar auch dann, wenn sich im Einigungszeitpunkt Anzahl und Ort der im Umlauf befindlichen Container nicht ohne weiteres feststellen lassen136. Führt man diese Linie konsequent fort, dann ist dem Bestimmtheitsgebot – entgegen der Auffassung des BGH – auch dann genügt, wenn sich die Übereignung eines gemischten Warenlagers ausschließlich auf Gegenstände erstrecken soll, die sich im Alleineigentum des Veräußerers befinden137. Ob sich die zu übereignenden Sachen im Einzelfall nach tatsächlichen Kriterien, wie der Lage im Raum oder anderen empirisch-realen Eigenschaften, oder anhand konkreter rechtlicher Kriterien erfassen lassen, ist mit Blick auf die dogmatischen wie rechtssystematischen Grundlagen des Bestimmtheitsprinzips ohne Bedeutung, solange die jeweiligen Merkmale nur eine eindeutige Rechtszuordnung gewährleisten. cc) Minimalistischer Bestimmtheitsansatz Dementsprechend sind die überzogenen Anforderungen der Rechtsprechung zugunsten eines minimalistischen Bestimmtheitsansatzes aufzugeben. Nach hiesiger Auffassung ist durchweg die Bestimmbarkeit des Verfügungsgegenstands ausreichend, auch wenn zu Spezifizierungszwecken auf außerhalb der dinglichen Einigung liegende – rechtliche oder tatsächliche – Umstände zurückgegriffen werden muss. Insbesondere ist es – entgegen BGH138 und Teilen des Schrifttums139 – nicht erforderlich, dass die erfassten Gegenstände nach einfachen äußeren Kriterien ohne Schwierigkeiten festgestellt werden können140. Denn die Bestimmtheitsfrage darf nicht mit der Beweisbarkeitsfrage verwechselt werden141. Solange der Verfügungsgegenstand aus Parteiperspektive nur eindeutig bestimmt werden kann, besteht kein tauglicher Grund dafür, der 135 BGH NJW 1996, 2654, 2655; kritisch Henssler, in: Soergel, BGB, Anh § 930 Rn. 34 Fn. 164; Feuerborn, ZIP 2001, 600, 602 f. 136 BGH NJW 1994, 133, 134; zust. Gursky, JZ 1997, 1094, 1097; kritisch Feuerborn, ZIP 2001, 600, 602. 137 Ebenso Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 110; Gursky, JZ 1997, 1094, 1098; an der gegenteiligen Auffassung des BGH (Z 21, 52) zweifelnd auch Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5; a.A. Serick, Eigentumsvorbehalt II, S. 178; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1073. 138 BGHZ 73, 253, 254; gleichsinnig BGH NJW 1984, 803, 804; 1986, 1985, 1986; 1991, 2144, 2146; 1992, 1156, 1157; 1992, 1161; 1994, 133, 134. 139 Vgl. statt vieler nur Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 28; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 28; Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1070. 140 Wie hier auch Dreher, AcP 138 (1934), 350, 363 f.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 104; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 c; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 866; Gursky, JZ 1997, 1094, 1097; zudem nimmt Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5 ebenfalls an, dass der Bestimmtheitsgrundsatz auch dann gewahrt ist, wenn sich der Verfügungsgegenstand „nur mühsam und schwierig“ identifizieren lässt. 141 Vgl. BGHZ 73, 253, 255; BGH NJW 1994, 133, 134; zutreffend schon Erath, AcP 128 (1928), 344, 346 ff.; Dreher, AcP 138 (1934), 350, 367; siehe noch Füller, Sachenrecht, S. 20.
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Transaktion die Wirksamkeit zu versagen. Die Erkennbarkeit für außenstehende Dritte ist hingegen irrelevant142. Dementsprechend ist die dingliche Einigung auch dann hinreichend bestimmt, wenn sich die fraglichen Gegenstände nur unter Beiziehung außerhalb der Parteiabrede liegender Unterlagen ermitteln lassen, wie z.B. Register, Lagerbücher, Rechnungen, Zahlungsbelege oder sonstiger Schriftwechsel zwischen den Parteien. Unschädlich ist es fernerhin, wenn sich der Verfügungsgegenstand erst nach weiteren Nachforschungsmaßnahmen ermitteln lässt, wie namentlich nach Befragung des Veräußerers, von Mitarbeitern oder Fachleuten143. Für dieses Verständnis des Bestimmtheitsprinzips spricht neben der rechtssystematischen Herleitung vor allem der mit dem Bestimmtheitsgrundsatz verfolgte Zweck: Die eindeutige Feststellung von Änderungen der absoluten Rechtszuordnung kann auch durch Bezugnahme auf außervertragliche Umstände gewährleistet sein, soweit sich Rechtsänderungen hieraus nur zweifelsfrei ablesen lassen144. Die hiesige Position steht schließlich mit den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB in Einklang, wonach ebenfalls außerhalb der Parteiabrede liegende Umstände zur Interpretation der Parteiabrede hergezogen werden können145. b) Immobiliarübereignung Gleichermaßen kann auch für das Liegenschaftsrecht allein die inzwischen überwiegend vertretene Auffassung überzeugen, die auf die dingliche Einigung gem. § 873 BGB die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB anwendet und so Eintragungsunterlagen und andere Quellen mit einbezieht, die für außenstehende Dritte nicht ohne weiteres ersichtlich sind. Maßgeblich ist demnach auch hier die Bestimmbarkeit des Verfügungsgegenstands aus Sicht der Vertragsparteien146. Berechtigte Drittinteressen werden durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs hinreichend geschützt, und zwar sowohl in Form der Vermutungswirkung gem. § 891 BGB sowie in Form der Rechtsscheinwirkung gem. §§ 892, 893 BGB. Der Rechtsverkehr kann sich auf die Richtigkeit des Grundbuchs auch dann verlassen, wenn die inhaltlichen Vorga142 Insofern zutreffend Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 5 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 866. 143 Im Ergebnis ebenso Dreher, AcP 138 (1934), 350, 367 f.; Paulus, JZ 1957, 41, 45; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 100; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 930 Rn. 18 a.E.; Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 6; wohl auch Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 929 Rn. 78; a.A. Gehrlein, MDR 2008, 1069, 1070. 144 A.A. Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1298; wie hier aber Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. zu § 929 Rn. 100. 145 Zur Berücksichtigung der Begleitumstände siehe exemplarisch BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003; Arnold, in: Erman, BGB, § 133 Rn. 25; Busche, in: MünchKommBGB, § 133 Rn. 55; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 133 Rn. 15; Singer, in: Staudinger, BGB, § 133 Rn. 48 ff.; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 133 Rn. 25. 146 Siehe die Nachw. oben bei § 8 II. 3. b).
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ben der Einigung von der Eintragung im Grundbuch abweichen. Eines darüber hinausgehenden Verkehrsschutzes in Form gesteigerter Bestimmtheitsanforderungen bedarf es demgegenüber nicht. Davon abgesehen bedürfen auch Gläubiger des Grundstückseigentümers, deren Interessen ausnahmsweise nicht durch §§ 891 ff. BGB geschützt sind, keines durch verschärfte Bestimmtheitsmaßstäbe vermittelten Schutzes147. Zum einen können sich Gläubiger in diesem Zusammenhang nicht auf die Wertungen eines erleichterten Rechtsverkehrs stützen, weil sich ihr Rechtserwerb kraft Hoheitsakts vollzieht148 und sie deshalb auch keine Schutzinteressen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs für sich in Anspruch nehmen können. Zum anderen gilt auch in diesem Zusammenhang, dass Gläubiger keinen Anspruch auf einen bestimmten Vermögensbestand des Vollstreckungsschuldners haben149. Schutzwürdige Gläubigerinteressen werden stattdessen durch Spezialvorschriften des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts geschützt, allen voran durch die Bestimmungen über die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften. c) Forderungszession Und schließlich gilt das minimalistische Bestimmtheitskonzept auch für die Abtretung von Forderungen und anderen Vermögensrechten. Abzulehnen ist insbesondere die von der Rechtsprechung vertretene Anreicherung des Bestimmtheitskriteriums mit schuldnerschützenden Elementen. Ebenso wie die Offenkundigkeitsformel im Mobiliarsachenrecht setzt sich die Ausrichtung des Bestimmtheitsgebots an Schuldnerinteressen im Zessionsrecht mit dem dogmatischen Fundament des Bestimmtheitsprinzips in Widerspruch. Entscheidend für die Identifizierung des zu übertragenden Forderungsrechts ist seine absolute Zuordnung zum Gläubiger. Erst die eindeutige Rechtszuordnung ermöglicht eine sichere und leichte Zirkulation von Vermögensrechten. Die berechtigten Interessen des Schuldners werden – ebenfalls im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs – nicht durch Mechanismen auf Tatbestandsseite der Abtretungsvorschrift geschützt, der Forderungsschuldner muss weder an der Zession mitwirken noch überhaupt Kenntnis von ihr erlangen; stattdessen sichern die auf Rechtsfolgenebene angesiedelten Schuldnerschutzvorschriften die schuldnerischen Interessen150. Mit anderen Worten: Schuldnerschutz wird nicht ex ante im Zusammenhang mit der verfügenden Einigung gewährleistet, sondern ex post nach Maßgabe der engmaschigen §§ 404, 406 ff. BGB151. Dementsprechend ist es auch verfehlt, wenn die Rechtsprechung das an 147
Zutreffend Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 62; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 64. 148 Zur Sukzession kraft Hoheitsakts im Bereich der Zwangsvollstreckung siehe oben § 2 III. 1. a). 149 Siehe schon oben § 8 II. 2. b). 150 Im Ergebnis wie hier M. Wolf, NJW 1966, 107. 151 Zur Systematik der Forderungszession siehe nochmals oben § 4 II. 4. c).
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die verfügende Einigung anknüpfende Bestimmtheitserfordernis mit Elementen des Schuldnerschutzes anreichert und damit in systemwidriger Weise überfrachtet. Das gilt umso mehr, als berechtigte Schuldnerinteressen bereits durch die allgemeinen Schuldnerschutzvorschriften hinreichend geschützt sind, und zwar auch, soweit die Bestimmtheit des Abtretungsvertrages in Rede steht. Solange der Schuldner keine sichere Kenntnis vom Forderungsübergang hat, kann er nämlich gem. § 407 Abs. 1 BGB weiterhin mit befreiender Wirkung an den Zedenten leisten. Das gilt auch dann, wenn die Höhe der Abtretung vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig gemacht ist, wie z.B. bei der Koppelung an eine zu sichernde Forderung. Unklarheiten gehen in diesem Zusammenhang zulasten des Zessionars. Zudem ist der Schuldner gem. § 410 Abs. 1 S. 1 BGB nur Zug-um-Zug gegen Aushändigung der Abtretungsurkunde zur Leistung verpflichtet, aus welcher der konkrete Umfang der schuldnerischen Leistungspflicht klar ersichtlich ist. Im Übrigen ist der Schuldner gem. § 409 Abs. 1 BGB gegen Fehlinformationen des Zedenten über den Umfang der gegenüber dem Zessionar bestehenden Leistungspflicht geschützt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verlagerung schuldnerschützender Elemente aus dem Bereich des ex post wirkenden Sukzessionsschutzes auf die Tatbestandsebene nicht nur unnötig. Die gesteigerten Bestimmtheitsanforderungen errichten zudem ein ex ante wirkendes Übertragungshindernis, das sowohl den Wertungen des modernen Zessionsrechts als auch dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs diametral zuwiderläuft. In der Sache führen übersteigerte Bestimmtheitsanforderungen letztlich zu einer Beeinträchtigung der Sukzessionsfreiheit, für die es nach dem bisher Gesagten an einer sachlichen Rechtfertigung fehlt. Darüber hinaus löst der minimalistische Bestimmtheitsansatz eine ganze Reihe praktischer Probleme. In weitem Umfang zulässig sind zunächst Vereinbarungen über verlängerte und erweiterte Eigentumsvorbehalte, deren praktische Handhabbarkeit auf Basis der extensiven Vorgaben der Rechtsprechung deutlich erschwert ist. Unbedenklich ist es auf Grundlage der hiesigen Position außerdem, wenn der Umfang eines zedierten Teilbetrages in Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe eines wechselnden Saldos von zwischen den Vertragsparteien bestehenden, zu sichernden Forderungen abhängig ist152. Voraussetzung ist dafür allein, dass der Forderungsumfang für die Vertragsparteien hinreichend feststellbar ist; die Bestimmbarkeit aus Sicht des Schuldners ist dagegen irrelevant153. Selbst an der nötigen Minimalbestimmtheit fehlt es allerdings, wenn eine Forderungsmehrheit in Abhängigkeit von einem wechselnden Saldo abgetreten 152 Entgegen RGZ 92, 238, 239 f.; BAG WM 1968, 1047, 1048; offen gelassen von BGH NJW 1965, 2197, 2198. 153 A.A. Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 73; Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 54; vgl. noch OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 81, 82 f.
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werden soll, die fraglichen Forderungen aber selbst aufgrund der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung nicht eindeutig individualisierbar sind154. Die Verfügung scheitert hier nicht daran, dass die zedierten Forderungen für den Schuldner nicht erkennbar wären; vielmehr sind die Vertragsparteien nicht einmal in der Lage, die Forderungen eindeutig zuzuordnen. Um in einem solchen Fall zu einer hinreichenden Bestimmbarkeit der Forderungen zu gelangen, muss genau festgeschrieben werden, in welcher Reihenfolge und nach welchen Maßstäben die betreffenden Forderungen aus der Forderungsmehrheit auf den Zessionar übergehen sollen. Insofern gilt nichts anderes als für den Fall, dass ein nur summenmäßig bestimmter Teil einer Forderungsgesamtheit abgetreten werden soll155. In Übereinstimmung mit dem minimalistischen Konzept löst die h.M. bereits das Bestimmtheitsproblem bei zukünftigen Forderungen, und zwar indem sie, soweit es die notwendige Bestimmbarkeit anlangt, auf den Entstehungszeitpunkt der zu übertragenden Forderungen abstellt. Denn bis die Forderungsrechte zur Entstehung gelangen, stellt sich noch überhaupt nicht das Zuordnungsproblem, das zu lösen die primäre Strukturaufgabe des Bestimmtheitsprinzips bildet. Erst mit ihrer Entstehung müssen die Vermögensrechte einem Rechtsträger nach dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung eindeutig zugewiesen werden können. Gleiches gilt im Ergebnis für die Mantelzession, bei der sich der Zedent verpflichtet, demnächst entstehende Forderungen in einem bestimmten Umfang abzutreten. Maßgeblich für die Bestimmbarkeit der Ansprüche ist auch hier nicht der Abschluss des Mantelzessionsvertrages, sondern die anschließende Verfügung über die entstandenen Forderungsrechte156. d) Ökonomische Analyse Gestützt wird der minimalistische Bestimmtheitsansatz in seiner Gesamtheit durch eine ökonomische Analyse. Besonders anschaulich zeigt sich dies mit Blick auf die Offenkundigkeitsformel der mobiliarsachenrechtlichen Rechtsprechung. Wird die Parteiabrede nur dann als bestimmt genug angesehen, wenn sämtliche für den Rechtsübergang erforderlichen Umstände unmittelbar in der vertraglichen Vereinbarung selbst enthalten sind, dann gestaltet sich insbesondere die Übertragung von umfangreichen Sachgesamtheiten schwerfällig und träge. Den vertraglichen Abreden sind dann typischerweise umfangreiche Listen mit Aufzählungen beizufügen, aus denen sich die jeweiligen Verfügungsgegenstände unmittelbar entnehmen lassen. Die gesteigerten Bestimmtheitser154
Vgl. OLG Dresden NJW-RR 1997, 1070, 1071. Siehe oben § 8 II. 3. 156 Zum Ganzen näher LG Berlin WM 1984, 224, 225; Busche, in: Staudinger, BGB, 398 Rn. 57; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 16; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 76; Weber, in: RGRK, BGB, § 398 Rn. 90; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 I 2 b; Serick, Eigentumsvorbehalt II, § 24 I 4. 155
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fordernisse schlagen daher in Form erhöhter Transaktionskosten zu Buche; sie verteuern Rechtsübertragungen und haben im Ernstfall zur Folge, dass selbst wohlstandsmaximierende Transaktionen unterbleiben, soweit die hiermit verbundenen Kosten durch den angestrebten Gewinn nicht aufgewogen werden. Der hier entwickelte minimalistische Bestimmtheitsansatz macht sämtliche Dokumentationserfordernisse entbehrlich, die zur eindeutigen Spezifizierung der Verfügungsgegenstände aus Sicht der Vertragsparteien nicht unabdingbar notwendig sind. Die hiermit verbundene Senkung von Transaktionskosten schlägt umgekehrt in Form einer effizienteren Allokation knapper Ressourcen zu Buche und leistet einen Beitrag zur Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands. Dieses Ziel wird auch nicht durch Werteinbußen Dritter beeinträchtigt, die in Form externer Effekte in die ökonomische Betrachtung einzubeziehen wären. Denn die rechtsdogmatischen Überlegungen haben ergeben, dass schutzwürdige Interessen außenstehender Dritter (andere Verkehrsteilnehmer, Vollstreckungsgläubiger, Forderungsschuldner) entweder nicht in nennenswertem Maße tangiert sind oder jedenfalls in Form eigenständiger Schutzmechanismen (Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften, Anfechtungsrechte, Schuldnerschutzvorschriften) hinreichend geschützt sind, so dass kein Grund dafür besteht, das Bestimmtheitskriterium mittels zusätzlicher Schutzinteressen aufzuladen. Entscheidend ist demnach allein, ob die zu übertragenden Gegenstände für die Vertragsparteien eindeutig bestimmbar sind. Ob dies der Fall ist, kann sich auch unter Heranziehung außervertraglicher Umstände durch Auslegung ergeben. In die ökonomische Betrachtung sind schließlich noch die Kosten für potenzielle Rechtsstreitigkeiten im Nachgang der Transaktion (Streitbewältigungskosten) einzubeziehen. Minimale Bestimmtheitserfordernisse – so könnte man meinen – beschwören auch in größerem Umfang Rechtsstreitigkeiten herauf, die in Form gesteigerter Transaktionskosten einer effizienten Güterallokation zuwiderlaufen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, steht aber keineswegs fest. Zum einen ist zu bedenken, dass auch die gegenwärtigen Bestimmtheitsstandards zahlreiche Prozesse ausgelöst haben, wie das reichhaltige Rechtsprechungsmaterial belegt157. Zum anderen werden rational handelnde Vertragsparteien die nachträglich zu erwartenden Streitbewältigungskosten nach dem ökonomischen Modell bereits bei Formulierung der maßgeblichen Vertragsklauseln in die Betrachtung einbeziehen. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch die rechtsökonomische Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen Bestimmbarkeit und Beweisbarkeit. Nach dem Grundsatz der Präferenzautonomie sollte den Vertragsparteien selbst die Entscheidung darüber überlassen bleiben, ob sie im Vorfeld der Transaktion Kosten aufwenden wollen, um die vertragliche Vereinbarung besonders konkret zu fassen und hierdurch spätere Streitigkeiten zu minimieren oder ob sie – angesichts der Ungewissheit zukünftiger Entwicklun157
Siehe nochmals oben § 8 II. 3.
III. Zusammenfassung
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gen – eine Formulierung wählen, deren Reichweite sich zumindest durch Auslegung bestimmen lässt, auch wenn die gewählte Bezeichnung damit ein höheres Konfliktpotenzial in sich trägt.
III. Zusammenfassung Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip sind integrale Strukturmerkmale sämtlicher Spielarten der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Das Spezialitätsprinzip besagt, dass Vermögenspositionen ihrem Inhaber stets nur einzeln zugeordnet sind und auch nur einzeln übertragen werden können. Das Prinzip klingt erstmals in v. Savignys Lehre von den Rechtsverhältnissen an und findet in § 1085 BGB einen positivrechtlichen Anhalt. Seine dogmatische Grundlage bildet das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung, nicht etwa das Traditionsprinzip. Überhaupt handelt es sich beim Spezialitätsprinzip nicht um einen genuin sachenrechtlichen Grundsatz, sondern um ein tragendes Strukturprinzip des gesamten Sukzessionsrechts. In diesem Sinne sorgt es für das bei der Übertragung absoluter Rechtspositionen unabdingbar notwendige Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und dient im Ergebnis dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Das Bestimmtheitsprinzip verlangt, dass sich rechtgeschäftliche Sukzessionen auf eindeutig individualisierte Verfügungsgegenstände beziehen. Es lässt sich aufteilen in vier Komponenten: die gegenständliche, personelle, temporäre und inhaltliche Bestimmtheit. Auch das Bestimmtheitsgebot findet seine rechtsdogmatische Grundlage im Prinzip der absoluten Rechtszuordnung; gleichermaßen steht es im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Erst die eindeutige Spezifizierung ermöglicht die ungehinderte Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten, sorgt für Rechtsfrieden und gewährleistet Planungssicherheit für die an der Transaktion Beteiligten. In diesem Sinne hält es auch einer ökonomischen Analyse stand. Keine spezifische Verbindung besteht hingegen zwischen dem Bestimmtheits- und dem Publizitätsprinzip. Die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die gegenständliche Bestimmtheit stellt, unterscheiden sich wesentlich, betrachtet man die Kasuistik zur Mobiliar- und Immobiliarübereignung sowie zur Forderungszession: Im Mobiliarsachenrecht entscheidet der BGH nach der hier sogenannten Offenkundigkeitsformel. Danach muss der Verfügungsgegenstand anhand einfacher, äußerer Abgrenzungskriterien für außenstehende Dritte hinreichend bestimmt sein, ohne dass auf außerhalb der Parteiabrede liegende Umstände zurückgegriffen werden dürfte. Die bloße Bestimmbarkeit genügt hingegen regelmäßig nicht. Im Liegenschaftsrecht entspricht es der inzwischen h.M., dass auf die dingliche Einigung gem. §§ 873, 925 BGB die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des Bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) zur Anwendung gelangen und deshalb auch außerhalb der Parteiabrede liegende Umstände einbezogen werden können. Im Zessionsrecht lässt die Rechtsprechung die Bestimmbarkeit des
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§ 8 Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip
Verfügungsgegenstandes ausreichen. Zudem können auch außerhalb der Parteiabrede liegende Umstände berücksichtigt werden, vorausgesetzt, die geforderte Bestimmbarkeit ist aus Perspektive des Forderungsschuldners erkennbar. Eine Gesamtbetrachtung lässt eine stringente Rechtsprechungslinie vermissen. Die Inkonsistenzen und Dissonanzen des Fallrechts machen eine Rekonfiguration des Bestimmtheitsgebots erforderlich, um es von allem unnützen formalistischen Ballast zu befreien und auf seinen zweckentsprechenden Anwendungsbereich zurückzuschneiden. Aus diesem Grund sind die inhomogenen Vorgaben der Rechtsprechung gegen einen für sämtliche Sukzessionstatbestände einheitlichen, minimalistischen Bestimmtheitsansatz zu ersetzen, der es ausreichen lässt, wenn die Verfügungsgegenstände – auch unter Heranziehung außerhalb der dinglichen Einigung liegender Umstände – aus Sicht der Vertragsparteien hinreichend bestimmbar sind. Im Mobiliarsachenrecht ist es demnach irrelevant, ob auch außenstehende Dritte den Verfügungsgegenstand individualisieren können. Es genügt Bestimmbarkeit aus Sicht der Vertragsparteien. Zu Spezifizierungszwecken kann – entgegen der Rechtsprechung – außerdem auf sämtliche rechtlichen und tatsächlichen Abgrenzungskriterien zurückgegriffen werden, die eine eindeutige Zuordnung aus Parteiperspektive ermöglichen. Gleichgültig ist zudem, ob sich die betreffenden Gegenstände nach einfachen, äußeren Kriterien ermitteln lassen. Die Bestimmtheitsfrage ist von der Beweisbarkeitsfrage streng zu trennen. Gleiches gilt für das Immobiliarsachenrecht. Im Zessionsrecht ist die von der Rechtsprechung vertretene Anreicherung des Bestimmtheitskriteriums mit schuldnerschützenden Elementen abzulehnen. Berechtigte Schuldnerinteressen sind nach Maßgabe der ex post wirkenden Schuldnerschutzvorschriften gem. §§ 404, 406 ff. BGB hinreichend geschützt. Insgesamt sorgt der minimalistische Bestimmtheitsansatz in der Praxis für mehr Flexibilität und erhöht so die Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen. Das bestätigt auch eine ökonomische Analyse des Rechtsproblems.
§ 9 Prinzip der Formfreiheit Das deutsche Privatrecht ist beherrscht vom Grundsatz der Formfreiheit1. Das bedeutet: Rechtsgeschäfte sind regelmäßig ohne die Einhaltung einer besonderen Form wirksam. Anderes gilt nur, wenn sich entweder die Parteien darauf verständigen2 oder die Formbedürftigkeit kraft Gesetzes angeordnet ist3. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für obligatorische Verpflichtungsgeschäfte, sondern auch für die auf Verfügungsebene angesiedelte rechtsgeschäftliche Sukzession. Nun kennt das Gesetz allerdings in Abhängigkeit vom Vermögensgegenstand eine ganze Reihe besonderer Formvorschriften. Von zentraler praktischer Bedeutung sind die Formbedürftigkeit der Auflassung gem. § 925 Abs. 1 BGB sowie der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen gem. § 15 Abs. 3 GmbHG, an denen hier der Einfluss von Formpflichten auf Sukzessionsebene zu exemplifizieren ist. Schon an dieser Stelle ist allerdings davor zu warnen, die Formerfordernisse von Verfügungsgeschäften mit sachenrechtlichen Publizitätserfordernissen (Sachübergabe, Grundbucheintragung, Briefübergabe, Verpfändungsanzeige) gleichzusetzen4. Denn während sich die hier behandelten Formregeln – ebenso wie das Bestimmtheitsprinzip5 – ausschließlich auf die verfügende Einigung beziehen6, treten Publizitätserfordernisse als (zusätzliches) Vollzugselemente neben das rechtsgeschäftliche Willenselement der Parteiabrede und vereinigen beide Komponenten zu dualistischen Übertragungstatbeständen, wie sie uns später noch eingehend beschäftigen werden7.
1 Dazu allgemein Einsele, in: MünchKommBGB, § 125 Rn. 1; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 3; Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 125 Rn. 1; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 125 Rn. 1; Bork, BGB AT, Rn. 1044; Flume, AT II, § 15 I 2; Larenz/Wolf, BGB AT, § 27 Rn. 1; Medicus, BGB AT, Rn. 609, 612 f.; Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 90; Köbl, DNotZ 1983, 207, 207 f. 2 Vgl. §§ 125 S. 2, 127 BGB. 3 Siehe exemplarisch die Zusammenstellung bei Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 22 ff. 4 Vgl. aber Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 3, der dem Übergabeerfordernis des § 929 S. 1 BGB „formähnliche Schutzzwecke“ bescheinigt; wie hier dagegen v. Tuhr, AT II/1, S. 499; Flume, AT II, § 15 I 4; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 887. 5 Siehe oben § 8 II. 2. a). 6 Zutreffend Flume, AT II, § 15 I 4. 7 Siehe unten § 10.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
I. Formfreiheit als Rechtsprinzip Das Prinzip der sukzessionsrechtlichen Formfreiheit ist Ausfluss des allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsatzes der Formfreiheit von Rechtsgeschäften, der seinerseits wiederum im systemprägenden Prinzip der Privatautonomie wurzelt8. Im Übrigen steht das Formfreiheitsprinzip in enger Verbindung mit dem Grundsatz der Sukzessionsfreiheit. Wenn man es als Kernanliegen der Sukzessionsfreiheit betrachtet, „die Formalitäten für das wirksame Zustandekommen eines Vertrages auf das unerläßliche Mindestmaß“ zu reduzieren, ist es nur konsequent, dass sich eine Rechtsordnung unter dem Primat der Privatautonomie (und der Sukzessionsfreiheit) zur Formfreiheit bekennt9. So einfach dies klingen mag, so schwer fiel dem historischen BGB-Gesetzgeber die Entscheidung gegen sämtliche Formalitäten des Vertragsschlusses. Die Motive legen beredtes Zeugnis über den schwierigen Entscheidungsfindungsprozess der 1. BGB-Kommission ab. Dort heißt es über die Vorzüge der Formbedürftigkeit10: „Die Vortheile, welche für den Formzwang in Anspruch genommen werden, lassen sich dahin zusammenfassen: die Nothwendigkeit der Beobachtung einer Form ruft bei den Betheiligten eine geschäftsmäßige Stimmung hervor, weckt das juristische Bewußtsein, fordert zur besonnenen Ueberlegung heraus und gewährleistet die Ernstlichkeit der gefaßten Entschließung. Die beobachtete Form ferner stellt den rechtlichen Charakter der Handlung klar, dient, gleich dem Gepräge einer Münze, als Stempel des fertigen juristischen Willens und setzt die Vollendung des Rechtsaktes außer Zweifel. Die beobachtete Form sichert endlich den Beweis des Rechtsgeschäftes seinem Bestande und Inhalte nach für alle Zeit; sie führt auch zur Verminderung oder doch zur Abkürzung und Vereinfachung der Prozesse.“
Diese Gründe, die inhaltlich bemerkenswerte Parallelen zu den grundlegenden Vorarbeiten Rudolf von Jherings aufweisen11, bezeichnen die drei klassischen Formzwecke: (1.) Abgrenzung des rechtlich relevanten von rechtlich irrelevantem Handeln (Klarstellungsfunktion), (2.) Schutz der Vertragsparteien vor Übereilung (Warnfunktion) sowie (3.) die Beweissicherung, Prozessvermeidung, -verkürzung und -vereinfachung (Beweisfunktion)12. So sehr diese Gesichtspunkte für besonders bedeutsame, weil folgenreiche Geschäftsformen einleuchten, so wenig konnten sie sich in den Beratungen als Prinzip durchset8 Vgl. Bork, BGB AT, Rn. 1044; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, § 10 II 2 d; Köhler, BGB AT, § 5 Rn. 1; Coester-Waltjen, Jura 2006, 436, 438; Hönn, Jura 1984, 57, 70; ders., JuS 1990, 953; Petersen, Jura 2011, 184; Bydlinski, System, S. 150; ausf. Häsemeyer, Form, S. 207 ff.; Heinrich, Freiheit, S. 60 ff.; Heiss, Formmängel, S. 44 ff. 9 Kessler, FS Wolff, S. 67, 70. 10 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 179. 11 v. Jhering, Geist II/2, S. 494 ff. nimmt seinerseits Bezug auf v. Savigny, System III, S. 238. 12 Eine umfassende Zusammenstellung von Formzwecken findet sich bei Mankowski, JZ 2010, 662 ff.; siehe ferner Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 91 ff.; vgl. auch Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 35; kritisch zum rechtsdogmatischen Wert solcher Formzweckerwägungen Häsemeyer, Form, S. 164 ff.
I. Formfreiheit als Rechtsprinzip
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zen. Im Anschluss an das gemeine Recht sowie das Handels- und Prozessrecht13 entschied sich der historische Gesetzgeber stattdessen für den Grundsatz der Formfreiheit des Rechtsgeschäfts, und zwar unter primärem Hinweis auf die Bedürfnisse des Rechts- und Handelsverkehrs. Eine mit der Einhaltung von Formvorschriften verbundene „Verkehrserschwerung“ sollte tunlichst vermieden werden. Zudem war der Gesetzgeber der Auffassung, dass sich beschwerliche Formvorschriften in der Praxis letztlich auch nicht durchsetzen ließen14: „Der Verkehr erfordert gegenwärtig mehr denn je Bewegungsfreiheit. (…) Die mit der Handhabung der Form verknüpfte Unbequemlichkeit bringt mit sich, daß des Gebotes ungeachtet von der Form vielfach abgesehen wird und abgesehen werden muß; die Parteien sind nicht immer in der Lage, zur Feder zu greifen. Mitunter liegt auch in der Sitte und dem Anstande ein Hinderniß, die als eine Mißtrauensäußerung aufgefaßte Errichtung einer Urkunde zu verlangen. Dies führt dazu, daß nicht selten das Geschäft auf Treu und Glauben gestellt, daß der Vertrag im Vertrauen auf die Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit des Mitbetheiligten ohne die vorgeschriebene Form, also ungültig, geschlossen wird. Je lästiger der Formzwang bei einzelnen Arten von Geschäften empfunden wird, um so mehr wird die Nichtbeobachtung der vorgeschriebenen Form zur Verkehrsgewohnheit. Damit schlägt aber die durch den Formzwang bezweckte Rechtssicherheit in ihr Gegentheil um, und der redliche und vertrauende Mann ist schutzlos gegen den Mißbrauch seines Vertrauens durch einen treubrüchigen Gegner. In der letzteren Hinsicht sind unter der Herrschaft des Formzwanges besonders ungünstige Erfahrungen gemacht worden.“
Ein modernes Verständnis des Formzwangs stellt die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien in den Vordergrund, die typischerweise darauf gerichtet sind, den mit der Einhaltung von Formerfordernissen verbundenen Aufwand zu vermeiden15. Denn je geringere Anforderungen an den Sukzessionstatbestand gestellt werden, desto freier können Wirtschaftsgüter zirkulieren und desto geringer ist das Risiko, dass Transaktionen an einem nicht oder nicht vollständig erfüllten Tatbestandsmerkmal scheitern16. Das gilt für Formvorschriften in besonderem Maße. Missachten die Parteien nämlich die Formvorgaben, bewusst oder unbewusst, ist das Rechtsgeschäft wegen Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB unweigerlich nichtig. Eine generelle Formbedürftigkeit von Rechtsgeschäften würde demnach die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Rechtsverkehrs, namentlich bei Massengeschäften des täglichen Lebens, ganz erheblich beeinträchtigen17. Reinhard Bork bemerkt treffend18: “Man kann nicht an jede Super13 Siehe die Zusammenstellung der wesentlichen Rechtslage in Motive zum BGB, Bd. 1, S. 178, 180. 14 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 180. 15 Vgl. zuletzt Mankowski, JZ 2010, 662. 16 Siehe oben § 4 I. 4. 17 Siehe v. Tuhr, AT II/1, S. 498: „jede Form, auch die leichteste, ist eine Erschwerung des rechtlichen Verkehrs“. 18 Bork, BGB AT, Rn. 1044 m. Fn. 2; vgl. noch Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 154 I; Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 91: „Ein Mann, ein Wort“.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
marktkasse einen Notar setzen.“ Vor diesem Hintergrund ist es im Grundsatz überzeugend, dass nicht nur die deutsche Privatrechtsordnung, sondern auch die Mehrzahl ausländischer Kodifikationen19 und übrigens auch der Gemeinsame Referenzrahmen (Art. II.-1:106 DCFR) sowie das Gemeinsame Europäische Kaufrecht (Art. 6 CESL)20 vom Grundsatz der Formfreiheit ausgehen, während das römische Recht in seiner Gesamtheit noch dem Grundsatz des rechtlichen Formalismus verhaftet war21. Der römischrechtliche Standpunkt ist vor dem Hintergrund des modernen Rechtsverkehrs nicht mehr zeitgemäß; die wirtschaftspraktischen Bedürfnisse verlangen heute in verstärktem Maße nach Leichtigkeit und Schnelligkeit des Güteraustausches22.
II. Formpflicht besonders bedeutsamer Rechtsgeschäfte 1. Herleitung und Grundlagen Anerkennt man den übergeordneten Grundsatz der Privatautonomie (und der Sukzessionsfreiheit) als rechtssystematisches Fundament des Formfreiheitsprinzips23, dann ist es nur konsequent, die Parteien selbst darüber entscheiden zu lassen, in welcher Form sie miteinander rechtsgeschäftlich interagieren möchten, ob sie also das Rechtsgeschäft formfrei vornehmen oder einem gewillkürten Formerfordernis gem. §§ 125 S. 2, 127 BGB unterwerfen wollen. Soweit Rechtsgeschäfte andererseits kraft Gesetzes besonderen Formanforderungen genügen müssen, liegt dem die typisierende Überlegung zugrunde, dass die betreffenden Rechtsgeschäfte aufgrund ihrer Bedeutung oder der mit ihnen verbundenen Gefahren und Risiken besser an eine bestimmte Form gebunden und (oder) unter Beteiligung einer besonders sachkundigen Person, typischerweise des Notars24, vorgenommen werden sollten. Die in Formvorschriften angelegte Dualität von Freiheitsgewährleistung und Freiheitsbeschränkung legt es nahe, die Formpflicht als „in der Privatautonomie zwangsintegrierten objektiven Ordnungsfaktor“25 zu begreifen. Formvorschriften dienen in diesem Sinne regelmäßig der Verwirklichung privatautono19
Dazu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 27 I. Dazu Looschelders, AcP 212 (2012), 581, 594. 21 Vgl. schon v. Jhering, Geist II/2, S. 503; aus dem modernen Schrifttum siehe nur Kaser/ Knütel, Privatrecht, § 6 Rn. 1 ff. 22 So auch Krimphove, Sachenrecht, S. 71 in Bezug auf die Mobiliarübereignung. 23 Siehe oben § 9 I. 24 Zur Begründung trägt bereits der Berichterstatter des französischen Revolutionsparlaments vor (deutsche Übersetzung bei Stürner, JZ 2012, 10, 19 f.): „Das Interesse der (Gesellschaft) verlangt auch, dass hocherfahrene Bürger dazu bereit stehen, ihre Mitbürger aufzuklären und sie vor den verhängnisvollen Irrtümern zu bewahren, die das Glück des einzelnen zerstören, und dabei in mehr oder weniger spürbarer Weise die öffentliche Ordnung und die gemeine Wohlfahrt in Frage stellen.“ 25 Häsemeyer, Form, S. 162; dem folgend auch Heinrich, Freiheit, S. 62. 20
II. Formpflicht besonders bedeutsamer Rechtsgeschäfte
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mer Freiheit26. Sie bestehen „um der Freiheit willen“ und schützen die Privatautonomie (und Sukzessionsfreiheit) als Institution gleichsam durch einen Eingriff in die Privatautonomie (und Sukzessionsfreiheit)27. Neben den Gesichtspunkten der Rechtsklarheit und Beweissicherung sind es vor allem die Risiken, die mit einer Realisierung des eigenverantwortlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen verbunden sind, welche durch Formerfordernisse abgemildert werden können28; auch Manipulationen können verhindert werden29. So ist die notarielle Beurkundung beispielsweise geeignet, geschäftsunerfahrene Personen vor übereilten Bindungen und überhaupt vor Übervorteilung zu schützen. Das ist für besonders bedeutsame Rechtsgeschäfte von zentraler Bedeutung, man denke nur an den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken. In diesem Sinne dienen Formvorschriften der verfassungsrechtlich als besondere Spielart der Rechtssicherheit im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Sicherheit des Rechts- und Handelsverkehrs. Es sind diese Gedanken, die auch in den berühmten Worten v. Jherings anklingen30: „Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen.“
Ungeachtet dieser wohlgesetzten Worte bereitete die Erfassung des praktischen Werts der Formpflicht schon v. Jhering nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Nicht ohne Grund geißelte er die „Überhebung der dürren, nackten Form, (den) ängstliche(n), pedantische(n) Cultus des an sich völlig werth- und bedeutungslosen Zeichens, (die) Dürftigkeit und Kümmerlichkeit des das ganze Formenwesen beseelenden und in ihm sich breit machenden Geistes“31. Kurzum: Formvorschriften müssen stets einen besonderen Zweck verfolgen. Denn zunächst einmal beschränken sie die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Rechtsverkehrs, da die Einhaltung von Formregeln für die Parteien mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist und die Umgehung von Formvorschriften regelmäßig zur Nichtigkeit des Rechtgeschäfts führt. Formpflicht und Nichtigkeitsfolge drängen die Beteiligten zur Beachtung der zusätzlichen Erfordernisse und beschränken damit die Freiheit der Vertragsparteien, selbst über die Abschlussform von Rechtsgeschäften zu entscheiden. Formerfordernisse erweisen sich vor diesem Hintergrund – ebenso wie die ihnen zugrunde liegende Dichotomie von Verkehrssicherheit und Verkehrs-
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Dazu näher Heinrich, Freiheit, S. 61; Häsemeyer, Form, S. 169, 209; insgesamt skeptisch Heiss, Formmängel, S. 50 ff. 27 Zitat und Grundgedanke von Di Fabio, DNotZ 2006, 342, 345. 28 Häsemeyer, Form, S. 169. 29 Stürner, JZ 2012, 10, 19. 30 v. Jhering, Geist II/2, S. 471; Hervorhebungen im Original weggelassen. 31 v. Jhering, Geist II/2, S. 478 f.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
leichtigkeit32 – einmal mehr als Optimierungsproblem (trade-off), das durch die konkrete Ausgestaltung der Sukzessionstatbestände und deren Formvorschriften in Abhängigkeit vom jeweiligen Übertragungsgegenstand einer angemessenen Lösung zuzuführen ist. Es geht letztlich um die richtige Balance: Ebenso wie ein Übermaß an Formregeln den Güterverkehr lähmen kann, ist ein Untermaß geeignet, Transaktionen zu beeinträchtigen. Insgesamt kann allerdings nicht zweifelhaft sein, dass der Sukzessions- und Formfreiheit aufgrund ihres hohen Stellenwerts im Grundsatz, namentlich für die besagten Massengeschäfte des täglichen Lebens, der Vorrang gegenüber Sukzessionsbeschränkungen in Gestalt besonderer Formerfordernisse gebührt. Eingriffe in den Grundsatz der Formfreiheit bedürfen aus diesem Grund einer besonderen sachlichen Rechtfertigung33; außerdem sind sie möglichst schonend und zurückhaltend vorzunehmen. Das lenkt den Blick auf Systematik und Phänomenologie der gesetzlichen Formvorschriften:
2. Systematik und Phänomenologie Heute sind eine Vielzahl von Formzwecken positivrechtlich ausgeformt und in Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannt34. Es ist hier nicht der Ort, die Zwecke im Detail darzustellen und umfänglich zu würdigen35. Soweit sie für das Verständnis der rechtsgeschäftlichen Sukzession von Bedeutung sind, wird darauf im Fortgang der Untersuchung besonders eingegangen. Aufschlussreicher als die Formzwecke sind die Funktionen von Formvorschriften: Diese Unterscheidung zwischen Formzwecken und Formfunktionen ist maßgeblich von Ludwig Häsemeyer im Rahmen seiner 1971 erschienen Habilitationsschrift herausgearbeitet36 und seitdem vielfach aufgegriffen worden37. 32
Siehe oben § 4 I. 4. Ebenso Mankowski, JZ 2010, 662, 663. 34 Siehe zuletzt die instruktive Zusammenstellung von Mankowski, JZ 2010, 662 ff.; zu den Formzwecken im Einzelnen ferner Noack, in: AnwKommBGB, § 125 Rn. 10; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 37 ff.; Bork, BGB AT, Rn. 1046 ff.; Faust, BGB AT, § 8 Rn. 1; Larenz/ Wolf, BGB AT, § 27 Rn. 3 ff.; Leipold, BGB AT, § 16 Rn. 2; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 1 ff.; Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 91 ff.; siehe zuvor schon v. Savigny, System III, S. 238 ff.; v. Jhering, Geist II/2, S. 475. 35 Gegen den Nutzen der Herausarbeitung einzelner Formzwecke Häsemeyer, Form, S. 164 ff.; gegen diesen mit Recht Bernard, Rechtsgeschäfte, S. 31 f.; Hagen, FS Schippel, S. 173, 174 f. 36 Häsemeyer, Form, S. 164 ff., 182 ff.: Er untergliedert in objektiver Hinsicht zwischen Formfunktionen, die um der Privatautonomie willen bestehen und solchen, die der Kontrolle und Steuerung der Privatautonomie aus öffentlichem Interesse dienen. In subjektiver Hinsicht anerkennt er Geschäftsformen aus (1) Verkehrsinteresse, (2) Parteiinteresse, (3) Einzelinteresse und (4) Drittinteresse. 37 Hart, in: AK, BGB, § 125 Rn. 14; Medicus, BGB AT, Rn. 614; Mankowski, JZ 2010, 662, 663: Danach dienen Formvorschriften (1) den am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien selbst, (2) einzelnen Dritten oder (3) sie bestehen im öffentlichen Interesse. 33
II. Formpflicht besonders bedeutsamer Rechtsgeschäfte
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Zum Zweck der hiesigen Untersuchung sind in Fortentwicklung der Schutzfunktionen von Verfügungsbeschränkungen, die infolge ihres sukzessionsbeschränkenden Charakters strukturelle Nähe zu den Formerfordernissen aufweisen, im Grundsatz vier Formfunktionen zu unterscheiden: Formregeln können bestehen im Interesse (1.) des Veräußerers, (2.) des Erwerbers und (3.) außenstehender Dritten sowie (4.) im überindividuellen (Allgemein-)Interesse des Rechtsverkehrs. Anders als die unter § 4 III. dargestellten Verfügungsbeschränkungen verfolgen Formvorschriften diese Schutzfunktionen allerdings typischerweise nicht in Reinform. Häufig dienen Formvorschriften gemeinschaftlich beiden Vertragsparteien oder sie bestehen sowohl im Interesse außenstehender Dritter als auch im allgemeinen Verkehrsinteresse. Umgekehrt dienen Vorschriften, die im Interesse des Rechtsverkehrs bestehen, regelmäßig – zumindest mittelbar oder reflexartig – auch den Interessen der Vertragsparteien38. Die Aufgabe des Gesetzgebers besteht in diesem Zusammenhang darin, den damit bezeichneten Zielkonflikt zwischen dem überindividuellen Interesse an der Leichtigkeit und Schnelligkeit des Rechtsverkehrs mit den Individual- und Allgemeininteressen abzuwägen, die sich in Gestalt der besonderen Formfunktionen hinter den einzelnen Formvorschriften verbergen, und sie zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen39. Aber auch der Rechtsanwender darf im Rahmen der teleologischen Auslegung der Formvorschriften den bezeichneten Zielkonflikt niemals aus den Augen verlieren40. Im Rahmen der Gesamtabwägung ist nicht nur zu entscheiden, ob eine Formregel aufgestellt, sondern wie sie konkret ausgestaltet werden sollte. Soweit damit auch die konkreten Anforderungen der einzelnen Formvorschriften in die Betrachtung einbezogen werden, lenkt dies das Augenmerk auf die gesetzlich vorgesehenen Formarten41. Das Gesetz unterscheidet im Wesentlichen vier verschiedene Abstufungen: (1.) Textform gem. § 126b BGB, (2.) Schriftform gem. § 126 BGB und die ihr gleichwertige elektronische Form gem. § 126a BGB, (3.) öffentliche Beglaubigung gem. § 129 BGB und (4.) notarielle Beurkundung gem. § 128 BGB, die durch gerichtlichen Vergleich gem. § 127a BGB ersetzt werden kann. Mit den unterschiedlichen Formarten korrespondiert ein unterschiedlicher Grad an Formzweckverwirklichung42. So dient das Textformerfordernis primär der Nachlesbarkeit des Erklärungsinhalts (Klarstellungsfunktion)43, während 38
So auch Häsemeyer, Form, S. 183. Vgl. BGHZ 125, 218, 223; Mankowski, JZ 2010, 662; Häsemeyer, JuS 1980, 1, 2; siehe ferner dens., Form, S. 209 ff.; Hagen, FS Schippel, S. 173, 183; Kanzleiter, FS Hagen, S. 309, 310. 40 Kanzleiter, FS Hagen, S. 309, 310 f.; siehe allgemein zur teleologischen Auslegung der Formvorschriften Hagen, FS Brambring, S. 99, 99 f. 41 Dazu und zum Folgenden näher Häsemeyer, JuS 1980, 1, 3. 42 Anschauliche Übersicht bei Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 36. 43 Die Textform ist nach § 126b BGB nur gewahrt, wenn die Erklärung entweder in einer Urkunde verkörpert oder in sonstiger Weise in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Form 39
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
das Schriftformerfordernis – sozusagen die Basisversion und Mutter aller Formregeln – darüber hinaus geeignet ist, die Vertragsparteien dazu anzuregen, ihre Vereinbarung zu überdenken (Warnfunktion) und durch ihre Unterschrift zugleich als Privaturkunde iSd. § 416 ZPO beweiskräftig festzuhalten (Beweisfunktion)44. Mit der Unterzeichnung eines Vertrags wird außerdem das Stadium der Vertragsverhandlungen verlassen und die verbindliche Absicht zum Vertragsschluss dokumentiert (Klarstellungsfunktion)45. Auf nächsthöherer Stufe bürgt die öffentliche Beglaubigung weiterhin für die Identität des Ausstellers der Urkunde (Echtheit der Unterschrift)46 und lässt in zivilverfahrensrechtlicher Hinsicht gem. § 440 Abs. 2 ZPO die Echtheit des beglaubigten Textes vermuten. Im Rahmen der notariellen Beurkundung – gleichsam die Premiumversion der Formerfordernisse – lässt der Notar den Beteiligten schließlich fachmännischen Rat angedeihen; außerdem obliegen ihm inhaltliche Prüfungs- und Belehrungspflichten gem. §§ 17 ff. BeurkG (Beratungsfunktion)47. Als öffentliche Urkunde erbringt das notarielle Dokument gem. §§ 415, 418 ZPO den vollen Beweis der beurkundeten Erklärung. Auch wenn die von Schriftform und notarieller Beurkundung verfolgten Formzwecke weitgehend vergleichbar sind, werden sie durch die Mitwirkung des Notars doch in wesentlich umfassenderem Sinne verwirklicht als durch Text- oder Schriftform. Die dem Notar auferlegte Pflicht, die Beteiligten ordnungsgemäß in Bezug auf das intendierte Geschäft zu beraten und ihren wahren Willen sorgfältig zu erkunden, bildet zweifellos eine hervorragende Grundlage, das privatautonome Selbstbestimmungsrecht der Vertragsparteien zum vollen Durchbruch zu bringen und zugleich einen effektiven Schutz gegen die Verfremdung des Parteiwillens zu schaffen48. Einmal mehr fühlt man sich an v. Jherings geflügeltes Wort von der Form als „Zwillingsschwester der Freiheit“ erinnert49. Allerdings gibt es dieses besondere Schutzniveau nicht zum Nulltarif. Es ist erkauft durch einen signifikant höheren Zeit- und Kostenaufwand, den zu betreiben sich typischerweise nur für besonders bedeutsame Rechtsgeschäfte lohnt. Im Vergleich dazu bedeuten Text- und Schriftformerfordernisse für die Parteien regelmäßig keine unüberwindliche Hürde und halten sich auch in Bezug auf den Zeit- und Kostenaufwand in engen Grenzen. 44 abgegeben ist. Für Einzelheiten siehe etwa Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 126b Rn. 3; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 126b Rn. 25 ff.; Einsele, in: MünchKommBGB, § 126b Rn. 4; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 126b Rn. 2 f. 44 Zu den Nachteilen der Schriftform instruktiv und nachdrücklich Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 95. 45 Vgl. Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 42. 46 BGHZ 37, 79, 86; Einsele, in: MünchKommBGB, § 129 Rn. 1; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 129 Rn. 1; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 129 Rn. 1; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 888. 47 Einsele, in: MünchKommBGB, § 128 Rn. 1; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 128 Rn. 1. 48 Besonders klar Hagen, DNotZ 2010, 644, 647. 49 Siehe oben § 9 II. 1.
II. Formpflicht besonders bedeutsamer Rechtsgeschäfte
333
3. Formgebundenheit der rechtsgeschäftlichen Sukzession Die bisherige wissenschaftliche Diskussion der Formfrage dreht sich im Wesentlichen um die Zwecke und Funktionen von Formvorschriften50. Es bedeutet in diesem Zusammenhang ein nicht unerhebliches Forschungsdefizit, dass die Unterscheidung zwischen (obligatorischen) Verpflichtungs- und (dinglichen) Verfügungsgeschäften bisher keine sonderliche Beachtung erfahren hat51. Dabei heben bereits die Motive zum BGB als einen der bedeutendsten Unterschiede zwischen Schuld- und Sachenrecht hervor, dass für die meisten dinglichen Rechtsgeschäfte der Grundsatz der Formfreiheit nicht gelte52. Tatsächlich unterliegen dingliche, besser: verfügende, Einigungen häufig entweder einer bestimmten Form oder die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts ist von der Einhaltung eines anderweitigen, von der Form im engeren Sinne freilich streng zu trennenden Publizitätselements (Sachübergabe, Grundbucheintragung, Briefübergabe, Verpfändungsanzeige) abhängig53. Die unterschiedliche Ausrichtung der Formerfordernisse, je nachdem ob sie auf Kausal- oder Vollzugsebene angesiedelt sind, gründet auf der Trennung und Abstraktion der beiden Rechtsgeschäfte. Es ist daher naheliegend, Formvorschriften auf derjenigen Regelungsebene zu installieren, auf der sie ihre optimale Wirkkraft entfalten können und zugleich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Rechtsverkehrs am wenigsten beeinträchtigen. Zutreffend ist es vor diesem Hintergrund, dass bereits auf der Ebene des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts der Schutz vor unüberlegten und übereilten Transaktionen (Warnfunktion)54 sowie die Beratung und Belehrung der Vertragsparteien über die Auswirkungen des intendierten Rechtsgeschäfts (Beratungsfunktion) angesiedelt sind. Das gilt namentlich für die formbedürftige Übertragung von Grundstücken (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB)55, Miterbenanteilen (§§ 2371, 2385 BGB)56, nicht jedoch für die eigenwillige Ausgestaltung der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 4 GmbHG)57. Schutz vor Übereilung ist sinnvollerweise auf der schuldrechtlichen Ebene zu installieren; denn ist erst 50 Siehe exemplarisch Heldrich, AcP 147 (1941), 89 ff.; Häsemeyer, Form (1971); dens., JuS 1980, 1 ff.; Mankowski, JZ 2010, 662 ff. 51 Vgl. aber BayObLG NJW 1976, 1895; Köbl, DNotZ 1983, 207, 210; Ertl, DNotZ 1976, 68 ff.; dens., DNotZ 1977, 81 ff.; siehe außerdem differenzierte Stellungnahmen zur rechtspolitische Sinnhaftigkeit des § 15 Abs. 3 und 4 unten § 9 VI. 2. 52 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 7. 53 Siehe nochmals oben vor § 9 I. 54 So auch Köbl, DNotZ 1983, 207, 210. 55 Zur Warn- und Beratungsfunktion bei § 311b Abs. 1 S. 1 BGB siehe unten § 9 V. 1. 56 Zur Warn- und Beratungsfunktion bei §§ 2371, 2385 BGB: Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 114; RGZ 72, 209, 210; 137, 171, 174; BGH NJW 1998, 1557, 1558; Musielak, in: MünchKommBGB, § 2371 Rn. 1; Olshausen, in: Staudinger, BGB, § 2371 Rn. 4; Zimmermann, in: Soergel, BGB, § 2371 Rn. 19; Muscheler, Erbrecht II, Rn. 4318; Schlüter, Erbrecht, Rn. 1235; Hügel, ZEV 1995, 121, 122; Keller, Formproblematik, Rn. 3 a.E., 6 f. 57 Zur mangelnden Warn- und Beratungsfunktion bei § 15 Abs. 4 GmbHG siehe unten § 9 VI. 1. c).
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
einmal das Verpflichtungsgeschäft rechtswirksam abgeschlossen, können sich die Vertragsparteien wechselseitig auf Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen in Anspruch nehmen. Der (dingliche) Vollzug des Rechtsgeschäfts, d.h. der Sukzessionsvorgang selbst, kann – notfalls im Klagewege – erzwungen werden. Übereilungsschutz auf dinglicher Ebene kommt demgegenüber zu spät, haben sich die Parteien bereits schuldrechtlich zur Durchführung der Transaktion verpflichtet. Umgekehrt liegt der teleologische Schwerpunkt der für Verfügungsgeschäfte vorgesehenen Formvorschriften auf der Beweisfunktion; auf Sukzessionsebene angesiedelte Formregeln dienen zugleich der Prozessvermeidung, -erleichterung und -vereinfachung. Das gilt namentlich für die Auflassung von Grundstücken (§ 925 Abs. 1 BGB)58 und die Bewilligung sonstiger Grundbucheintragungen (§ 29 Abs. 1 GBO)59 sowie die Abtretung von Miterbenanteilen (§§ 2033 Abs. 1 S. 2, 2037 BGB)60 und GmbH-Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 3 GmbHG)61. Alle diese Vorschriften sind in besonderem Maße auf die Gewährleistung einer sicheren Dokumentation der Rechtsänderung an absolut zugewiesenen Vermögenspositionen gerichtet. Es ist daher nur konsequent, durch die Einschaltung des Notars für eine besondere Richtigkeitsgewähr und Verlässlichkeit der betreffenden Unterlagen zu sorgen; zumal die formbedürftigen Dokumente als Grundlage für die Eintragung von Rechtsänderungen in Registern (Grundbuch, zum Handelsregister einzureichende Gesellschafterliste) bestimmt sind, die ihrerseits mit Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen ausgestattet sind (vgl. §§ 891 ff. BGB; § 16 Abs. 1 und 3 GmbHG)62. In diesem Punkt unterscheidet sich das Verfügungsgeschäft maßgeblich vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft: Während dieses unmittelbar auf die Änderung der Rechtszuständigkeit an einer bestimmten Vermögensposition gerichtet ist, begründet jenes lediglich obligatorische Bindungen zwischen den Vertragsparteien, wirkt aber nicht unmittelbar ändernd auf die Rechtslage ein. Zwar mag die Beweisfunktion mit Blick auf die praktische Bedeutung des Rechtsgeschäfts auch bereits auf Verpflichtungsebene von Belang sein; ihren Schwerpunkt hat die Beweisfunktion indes auf der (dinglichen) Vollzugsebene, weil erst das Verfügungsgeschäft direkt auf die absolute Rechtszuordnung einwirkt. Soweit die Formregeln neben der Beweis- und Sicherungsfunktion im Einzelfall weitere Schutzwirkungen zeitigen, handelt es sich dabei lediglich um Rechtsreflexe. So kommt die Gewährleistung einer Warnfunktion durch auf 58
Dazu unten § 9 V. 1. Vgl. Köbl, DNotZ 1983, 207, 211. 60 Zur Beweisfunktion der §§ 2033 Abs. 1 S. 2, 2037 BGB siehe Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 839; BGH NJW 1998, 1557, 1558; Gergen, in: MünchKommBGB, § 2033 Rn. 2; Lohmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2033 Rn. 6; O. Werner, in: Staudinger, BGB, § 2033 Rn. 17; Heller, Formproblematik, Rn. 8. 61 Dazu unten § 9 VI. 1. b). 62 Dazu ausf. unten § 11 III. 2. und 5. 59
III. Ökonomische Analyse der Formfrage
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Verfügungsebene angesiedelte Formvorschriften schon im Hinblick auf den engen Fokus der verfügenden Einigung, die ausschließlich darauf gerichtet ist, eine bestimmte Vermögensposition mit unmittelbarer, identitätswahrender Wirkung auf den Nachfolger zu übertragen63, schwerlich in Betracht. Gesichtspunkte der Vertragsgerechtigkeit und des Übereilungsschutzes finden ihren Platz auf der Ebene des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts, nicht hingegen auf der Ebene des (dinglichen) Vollzugsgeschäfts64. Die verfügende Einigung würde mit solchen Gesichtspunkten ohne sachliche Rechtfertigung überfrachtet, zumal sich die Formerfordernisse dem sukzessionsrechtlichen Minimalkonsens folgend auf die Vertragsparteien, den Verfügungsgegenstand und die Art der Zuordnungsänderung beschränken. Für weitere Formzwecke neben der Beweissicherungsfunktion ist daher typischerweise kein Raum. Eine eng begrenzte Ausnahme ergibt sich für den – seltenen – Fall, dass der Formpflicht auf obligatorischer Ebene nicht entsprochen ist und es deshalb an einer schuldrechtlichen Bindung der Vertragsparteien mangelt. In diesem Fall kommt den auf Verfügungsebene installierten Formvorschriften ausnahmsweise auch Bedeutung für den Schutz der Vertragsparteien vor übereilten und unüberlegten Transaktionen zu. Voraussetzung ist dafür aber freilich, dass die Parteien von der Formnichtigkeit des Kausalgeschäfts Kenntnis haben. Handeln sie hingegen in dem Bewusstsein, durch den Schuldvertrag ohnehin schon gebunden zu sein, kommen Warnfunktion und Übereilungsschutz kaum zum Tragen. Es erscheint daher verfehlt, sie mit Blick auf den Ausnahmecharakter dieser Fallgestaltung zu echten Formzwecken zu erheben. Sie sind und bleiben vielmehr reflexartiger Natur.
III. Ökonomische Analyse der Formfrage Die bisherigen Überlegungen haben den ambivalenten Charakter der Formerfordernisse offenkundig werden lassen. Er wird nochmals durch eine ökonomische Analyse der Formfrage bestätigt, wenngleich sich über die ökonomische Sinnhaftigkeit einzelner Formvorschriften schwerlich konkrete Aussagen treffen lassen. Das beruht im Wesentlichen auf dem Umstand, dass sich Kostenersparnisse durch die präventive Beachtung von Formregeln für die Verhinderung späterer Prozesse, d.h. die Senkung sogenannter Streitbewältigungskosten, nicht seriös quantifizieren lassen65. Gleichwohl können sich aus einer KostenNutzen-Analyse zumindest Anhaltspunkte für eine heuristische Standortbestimmung der Formvorschriften und ihre ökonomische wie rechtspolitische Sinnhaftigkeit ergeben, ohne selbstredend einen Anspruch auf mathematische Exaktheit zu erheben. 63
Siehe oben § 6 II. Vgl. (zu § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG) Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 19. 65 Im Ergebnis auch Murray/Stürner, Notary, S. 152. 64
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
1. Kosten und Nutzen der Formfreiheit Nach dem ökonomischen Modell beeinflussen Formkosten ganz selbstverständlich die Neigung und Bereitschaft von Rechtssubjekten miteinander zu interagieren, Verträge abzuschließen und Güter auszutauschen66. Je höher die mit einer Transaktion verbundenen Kosten sind – hier geht es nicht nur um Notarkosten67, sondern auch um die mit der Einhaltung der Formalitäten verbundenen Zeitverluste –, desto seltener werden die Vertragsparteien einen gemeinsamen Gewinn aus der Transaktion erzielen können: mit der Folge, dass wohlstandssteigernde Austauschgeschäfte im Zweifel unterbleiben. Ruft man sich die Grundbegriffe der Rechtsökonomik nochmals ins Gedächtnis68, fällt es nicht schwer, den wesentlichen Vorteil der Formfreiheit in der Vermeidung von Transaktionskosten zu erblicken, während Formerfordernisse in Gestalt zusätzlicher Durchführungskosten zu Buche schlagen und in diesem Sinne geeignet sind, die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Rechts- und Handelsverkehrs zu beeinträchtigen. Denn eine Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands korreliert negativ mit der Höhe der für Transaktionen insgesamt anfallenden Kosten. Die Senkung von Transaktionskosten führt umgekehrt zu einer erhöhten Güterzirkulation und einer effizienten Allokation knapper Ressourcen. Der Grundsatz der Formfreiheit sorgt vor diesem Hintergrund aber nicht nur dafür, dass zusätzliche Transaktionskosten für die Beachtung etwaiger Formregeln minimiert werden. Die Abwesenheit von Formerfordernissen verringert außerdem das Risiko, dass Transaktionen an der (versehentlichen) Nichteinhaltung von Formvorschriften scheitern. Den im Schrifttum zur Abmilderung dieses Risikopotenzials erarbeiteten Alternativlösungen zu einer uneingeschränkten Formnichtigkeit69 war bisher kein durchschlagender Erfolg beschieden. In der Folge erscheinen Formvorschriften auch weiterhin als kostenträchtige Fehlerquellen, an denen bedeutsame Transaktionen schon bei geringfügigen Verstößen scheitern oder infolge nachgelagerter Rechtsstreitigkeiten in die Länge gezogen werden können70. Rechtsökonomische Untersuchungen der Rechtsfolgen formnichtiger Geschäfte haben dementsprechend ergeben, dass scharf sanktionierte Formvorschriften eine effektive Ressourcenallokation behindern können. Denn zum einem entstehen Kosten für die abermalige Durchführung der Transaktion – nun unter Einhaltung der Formvor66
Dazu ausf. Heiss, Formmängel, S. 50 ff.; Mankowski, JZ 2010, 662. Eine Aufhebung der Gebührenpflicht erwägt Häsemeyer, Form, S. 208. 68 Siehe oben § 3 IV. 69 Dazu insb. Heiss, Formmängel, S. 39 ff., 82 ff., 131 ff., 459 und passim; demgegenüber die uneingeschränkte Nichtigkeitsfolge „als die allein funktionsgerechte und zugleich der Privatautonomie angemessene Konsequenz“ verteidigend Häsemeyer, JuS 1980, 1, 8; ausf. ders., Form, S. 287 ff., 294 ff. Einen Überblick über die teleologischen Einschränkungen der Nichtigkeitsfolge gibt Hagen, FS Brambring, S. 99, 102 ff. 70 Vgl. Häsemeyer, JuS 1980, 1, 2. 67
III. Ökonomische Analyse der Formfrage
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schriften –, und zum anderen Einbußen in Form von Vertrauensschäden, die aufgrund der Formnichtigkeit der ursprünglichen Transaktion grundsätzlich nicht kompensiert werden71. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht verwundern, dass die führenden Köpfe des Gemeinsamen Referenzrahmens die Abwesenheit von Formerfordernissen als ein maßgebliches Element des im DCFR verwirklichten Effizienzgedankens begreifen (vgl. noch Art. II.-1:106 DCFR)72.
2. Kosten und Nutzen der Formpflicht Die Segnungen der Formfreiheit sind indes nur die halbe Wahrheit. Auch wenn es zutrifft, dass Formerfordernisse mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden sind und eigenständige Wirksamkeitsrisiken in formpflichtige Transaktionen hineintragen, können sie doch auf der anderen Seite zu einer Senkung von Transaktionskosten führen73. Das geschieht zunächst durch den Abbau ineffizienter Informationsasymmetrien74. Wenn die Beteiligten sich überhaupt nicht darüber bewusst sind, dass sie rechtsgeschäftlich tätig werden, oder sie sich über das Ausmaß der rechtlichen Implikationen einer Transaktion im Unklaren befinden, werden gerade unerfahrene Personen durch Formerfordernisse zunächst dafür sensibilisiert, dass sie sich überhaupt im rechtlichen Bereich bewegen (Klarstellungsfunktion); zudem werden sie durch Formregeln vor unbeabsichtigten Rechtsfolgen und übereilten Bindungen bewahrt (Warnfunktion). Die Vertragsparteien können also offen in Verhandlungen eintreten, ohne befürchten zu müssen, vorschnell einer rechtlichen Bindung zu unterliegen75. Beide Aspekte tragen dazu bei, ineffiziente Transaktionen zu vermeiden, und sind außerdem geeignet, die paternalistische Zielrichtung des Formzwangs, soweit er gerade auf den Schutz der an der Transaktion beteiligten Vertragsparteien abzielt76, in ökonomischer Hinsicht zu legitimieren. Zunächst ist der durch Formerfordernisse bewirkte Freiheitsverlust niedrig anzusetzen, denn die betreffenden Rechtsgeschäfte werden nicht schlichtweg für nichtig erklärt, ihre Wirksamkeit ist lediglich von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig. Zudem richten sich die durch Formregeln vermittelten Schutzwirkungen gegen unwiederbringliche Freiheitsverluste der Akteure. Haben sie einmal 71
Dazu eingehend Braunstein, Utah L. Rev. 1989, 383 ff.; zusf. Heiss, Formmängel, S. 75 f. So v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 60. 73 Siehe hierzu allgemein Ayres/Gertner, Yale L.J. 99 (1989), 87, 123 ff.; Krimphove, Sachenrecht, S. 67 ff.; Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 49 f., 51 f. 74 Dazu und zum Folgenden Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 49. 75 Zum Problem in einem anderen Zusammenhang Shavell, Foundations, S. 294 ff. 76 Auch Singer, JZ 1995, 1133, 1134 begreift Formvorschriften, namentlich § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, als eine Ausprägung eines „Schutzes vor sich selbst“; Kirste, JZ 2011, 805, 807 interpretiert Formvorschriften als paternalistische Regeln, die aufgrund ihrer freiheitsbeschränkenden Qualität einer Rechtfertigung bedürfen. 72
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
ein ineffizientes Geschäft abgeschlossen, sind sie an die Folgen gebunden. Dieses Ergebnis wird durch Formerfordernisse, die mit Klarstellungs- und Warnfunktion versehen sind, vermieden. In diesem Lichte ist auch die Tätigkeit des Notars zu würdigen. Er agiert als Informationsintermediär, um zwischen den Vertragsparteien bestehende Informationsasymmetrien zu beseitigen77 und auf diese Weise übereilte und unüberlegte Rechtsgeschäfte zu verhindern. Darüber hinaus können Formvorschriften auch zur Senkung von Streitbewältigungskosten beitragen, soweit sie ihrem Zweck entsprechend auf die rechtssichere Dokumentation der erzielten Parteiabrede gerichtet sind (Beweisfunktion). Klar dokumentierte Vereinbarungen verringern von vornherein das Risiko, dass es später zwischen den Vertragsparteien zum Streit über die Wirksamkeit oder den Inhalt der rechtsgeschäftlichen Abrede kommt. Lässt sich ein Rechtsstreit trotz sorgfältiger Dokumentation nicht vermeiden, vereinfachen und beschleunigen förmliche Unterlagen die rechtliche Auseinandersetzung78. Schließlich sind formgerechte Schriftstücke zum Teil mit besonderen Beweiswirkungen ausgestattet79 und ihre Inaugenscheinnahme verhältnismäßig kostengünstig. Im Gegensatz dazu können mündliche Vereinbarungen nur durch den kostenintensiveren Zeugenbeweis nachgewiesen werden80. Auch wenn sich das Maß der hieraus resultierenden Senkung potenzieller Prozesskosten nicht seriös quantifizieren lässt, gewährleisten präventiv wirkende Formvorschriften jedenfalls ein höheres Maß an Rechts- und Verkehrssicherheit, dass den Formkosten im Rahmen einer Gesamtabwägung gegenüberzustellen ist. Darüber hinaus dienen im Interesse der Beweissicherung stehende Formregeln zudem der Funktionsfähigkeit von Registersystemen, die mit Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen ausgestattet sind. Namentlich die rechtsökonomische Sinnhaftigkeit des Gutglaubenserwerbs wird durch die formindizierte Richtigkeit und Verlässlichkeit der notariell dokumentierten Transaktionsunterlagen im Liegenschafts- und GmbH-Recht in besonderem Maße gewährleistet81. Das durch Formerfordernisse erhöhte Maß an Rechtssicherheit sorgt schließlich dafür, dass der Erwerber das übertragene Vermögensrecht auch effektiv nutzen kann. Infolge einer beweiskräftigen Dokumentation des Rechtsübergangs vermindern sich die Zweifel an seiner Berechtigung, die unweigerlich mit Werteinbußen verbunden sind. Muss der Erwerber nämlich an seinem Recht zweifeln, hat er wenig Anreiz im Vertrauen auf den endgültigen Bestand seiner Rechtsposition nutzensteigernde Investitionen zu tätigen, wie z.B. ein Grundstück zu bebauen. Stattdessen wird er sich im Zweifelsfall mit der Planung und 77
Vgl. etwa Arruñada, Eur. J. L. & Econ. 3 (1996), 5, 9; Fleischer, FS Schäfer, S. 125, 135; Walz, Systemdenken, S. 13; eingehend zur ökonomischen Analyse des Notariats siehe die gleichnamige Studie von Knieper, Analyse (2010); nochmals ders., RNotZ 2011, 197 ff. 78 Vgl. auch Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 51. 79 Siehe im Einzelnen oben § 9 II. 2. 80 Krimphove, Sachenrecht, S. 69. 81 Dazu ausf. unten § 11 II. 3.
III. Ökonomische Analyse der Formfrage
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Durchführung zusätzlicher Investitionen tendenziell zurückhalten82. Durch Formerfordernisse verbürgte Rechtssicherheit erhöht in diesem Zusammenhang folglich den Nutzwert von Grundstücken.
3. Gesamtabwägung Sämtliche Kosten und aller Nutzen, die zugunsten von Formfreiheit und Formzwang zu Buche schlagen, sind zum Zweck der ökonomischen Analyse in eine Gesamtabwägung einzustellen. Die ökonomische Sinnhaftigkeit von Formvorschriften beurteilt sich dabei in Abhängigkeit von sämtlichen für den betreffenden Verfügungsgegenstand zu Buche schlagenden Transaktionskosten. Im Allgemeinen gilt: Je geringer der Wert des Übertragungsobjekts, desto stärker beeinträchtigen Formkosten die Motivation der Vertragsparteien eine Transaktion durchzuführen83. Werden die Formkosten durch den zu erwartenden Gewinn nicht aufgewogen, werden die Parteien auch eine nutzenmaximierende Transaktion nicht durchführen. Aufgrund des ambivalenten Charakters von Formvorschriften muss vielmehr in Bezug auf das jeweils betroffene Rechtsgeschäft in rechtsökonomischer wie allgemein in rechtspolitischer Hinsicht sehr genau geprüft werden, ob eine Formregel in Abwägung der Formalisierungskosten, namentlich Notarkosten nebst zeitlichem Aufwand, mit dem tatsächlich erzielten Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit als effizient oder ineffizient erscheint. Weiterhin ist das praktische Bedürfnis nach einer zügigen Durchführung von Transaktionen zu berücksichtigen. Während Transaktionen über geringwertige Gegenstände womöglich schlichtweg unterbleiben, wenn sie auch nur von geringfügigen Formerfordernissen abhängig sind, vollziehen sich bedeutende Geschäfte regelmäßig in einem größeren zeitlichen Rahmen, der es nach den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen der Vertragsparteien regelmäßig unschädlich erscheinen lässt, dass bedeutende Rechtsgeschäfte eine bestimmte Zeit für Vorbereitung, Verhandlung und Durchführung benötigen. In diesem Fall bedeutet es keine wesentliche Erschwerung der Transaktion in zeitlicher Hinsicht, wenn den Parteien auch noch der zeitliche Aufwand für die Einhaltung von Formalien abverlangt wird84. Zu bedenken ist schließlich die Häufigkeit, mit der bestimmte Verfügungsgegenstände den Inhaber wechseln. Sind Güter für eine fortwährende Zirkulation bestimmt, stellen Formkosten ein nicht zu unterschätzendes Sukzessionshindernis dar, zumal Kosten bei jeder einzelnen Transaktion anfallen. Wird umgekehrt nur selten über das Übertragungsobjekt verfügt, fallen Formkosten weniger stark ins Gewicht.
82 83 84
Zum Ganzen instruktiv Murray/Stürner, Notary, S. 152 f. Krimphove, Sachenrecht, S. 65. So schon v. Jhering, Geist II/2, S. 502 f.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
Vor diesem Hintergrund können Formvorschriften für Bagatellgeschäfte nicht überzeugen. Da Formregeln stets mit Kosten verbunden sind, sprechen gute Gründe dafür, alltägliche Massengeschäfte, vor allem solche von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung, von jeglichen Formerfordernissen freizustellen. Das gilt umso mehr, wenn es sich dabei um Gegenstände handelt, die häufig ihren Inhaber wechseln, da Formkosten bei jedem Übertragungsvorgang anfallen und dadurch die ungehinderte Umlauffähigkeit beeinträchtigen. So wäre es in rechtsökonomischer Hinsicht vollkommen widersinnig, etwa die Übertragung von Bargeld an eine besondere Form zu binden, und zwar unabhängig vom übertragenen Wert. Gleiches gilt für die große Mehrzahl anderer beweglicher Sachen, zumal sich praxistaugliche Abgrenzungskriterien schwerlich finden lassen und auch Wertgrenzen zu Anwendungsschwierigkeiten führen können. Umgekehrt fallen Formkosten kaum ins Gewicht, wenn über besonders wertvolle und (oder) volkswirtschaftlich bedeutsame Vermögenspositionen verfügt wird. Gerade wenn Übertragungsgeschäfte für die Vertragsparteien weitreichende Rechtsfolgen zeitigen, besteht zudem ein besonderes Interesse an der Wahrung von Rechtssicherheit. Dies geschieht durch die Beseitigung zwischen den Vertragsparteien bestehender Informationsasymmetrien und die Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit oder den Inhalt der vertraglichen Erklärung. Dieser Aspekt ist schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich lohnt, über hochpreisige Verfügungsgegenstände zu streiten, während rechtliche Auseinandersetzungen bei geringwertigen Transaktionen kaum jemals zu erwarten sind. Und schließlich wird tendenziell seltener über hochwertige Güter verfügt, so dass Formkosten ihre Zirkulationsfähigkeit nicht über Gebühr beeinträchtigen werden.
IV. Anwendungsfälle der Formfreiheit im Überblick Angesichts der rechtssystematischen wie rechtsökonomischen Bedeutung der Formfreiheit als Strukturprinzip der rechtsgeschäftlichen Sukzession ist es nur konsequent, die Mehrzahl der alltäglichen Rechtsgeschäfte keiner besonderen Form zu unterstellen. Das gilt vor allem für die Mobiliarübereignung (1.) und die Forderungszession (2.), aber gleichermaßen für die Schuld- und Vertragsübernahme (3.).
1. Mobiliarübereignung In Abhängigkeit von einem bestimmten Mindestwert sehen die Rechtsordnungen Frankreichs, Italiens und Spaniens ein Schriftformerfordernis für die Übereignung beweglicher Sachen vor85, während die überwiegende Mehrzahl euro85
Dazu näher Krimphove, Sachenrecht, S. 70.
IV. Anwendungsfälle der Formfreiheit im Überblick
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päischer Rechtsordnungen auf solcherlei Formerfordernisse verzichtet. Dass auch §§ 929 ff. BGB selbst für hochwertige Fahrnisgegenstände keine besonderen Formvorschriften vorsehen, liegt in dem Umstand begründet, dass die mit der Einhaltung von Formerfordernissen verbundenen Kosten sowie die mit der Nichteinhaltung verbundenen Risiken typischerweise außer Verhältnis zu einer potenziellen Senkung von Streitbewältigungs- und Prozesskosten stehen. Auch knüpfen an die besagten Formerfordernisse für bewegliche Sachen keine besonderen Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen an; diese Funktion übernimmt im Mobiliarsachenrecht die faktische Herrschaftsposition über den körperlichen Gegenstand bzw. die Rechtsfigur der Besitzverschaffungsmacht86. Umgekehrt erleichtert die formlose Einigung einerseits die ungehinderte Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen, auf die der moderne Rechts- und Handelsverkehr dringend angewiesen ist; andererseits ermöglicht das Prinzip der Formfreiheit, dass die Einigung auch durch konkludentes Verhalten herbeigeführt werden kann87. In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass selbst eine bedingte Einigung durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann. So erfolgt beispielsweise die Übereignungserklärung des Benutzers durch Münzeinwurf in einen Münzfernsprecher unter der konkludenten Bedingung, dass die Verbindung hergestellt werden kann88. Die Übereignungserklärung des Aufstellers einer Tanksäule steht nach zutreffender Auffassung unter der Bedingung der Bezahlung des abgenommenen Kraftstoffs89.
2. Forderungszession Weitgehende Geltung entfaltet der Grundsatz der Formfreiheit außerdem für die Abtretung von Forderungen und anderen Vermögensrechten (§§ 398, 413 BGB). Ein Blick in die Dogmengeschichte lehrt, dass die Formfreiheit der Forderungszession den Endpunkt einer langwierigen Entwicklung bildet90. Letztlich waren es auch hier Erfordernisse des Rechtsverkehrs, die gegen ein etwaiges Formerfordernis in Stellung gebracht wurden. Besonders klar bringt Redaktor
86
Dazu im Einzelnen unten § 11 III. 4. Vgl. BGH WM 1979, 11, 12; OLG München OLGR 2004, 195; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 27. 88 OLG Düsseldorf NJW 1988, 1335, 1336. 89 OLG Hamm NStZ 1983, 266, 267; Kindhäuser, in: NK, StGB, § 242 Rn. 17; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 27; Wolf, in: Soergel, BGB, § 145 Rn. 8; Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799, 2802 f.; Charalambakis, MDR 1985, 975, 977; Faust, JuS 2011, 929, 931; Ranft, JA 1984, 1, 4; a.A. OLG Düsseldorf NStZ 1982, 249; JR 1985, 207; LG Traunstein, BeckRS 2011, 14960; Bork, in: Staudinger, BGB, § 145 Rn. 8; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 18; Herzberg, JA 1980, 385, 389; ders., NStZ 1983, 251; ders., NJW 1984, 896, 898; Seier, JA 1984, 322. Zum Abschluss des Kausalgeschäfts mit Einfüllen des Kraftstoffs: BGH NJW 2011, 2871 Tz. 13 ff. 90 Zur Geschichte der Forderungszession siehe oben § 4 II. 4. a). 87
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
v. Kübel die tragenden Gedanken zum Ausdruck, wenn er in der Begründung zum schuldrechtlichen Vorentwurf schreibt91: „Ausgehend von dem (…) Prinzip der freien Vertragsform liegt kein Grund vor, bei der Cession eine Ausnahme zu machen und deren Giltigkeit an die Einhaltung einer besonderen Form zu binden, vielmehr kommt dagegen entscheidend in Betracht, daß der Verkehr mit Forderungen gerade umgekehrt möglichste Freiheit fordert und beschränkende Formen nicht ohne Nachteile erträgt, daher auch, wo sie bestehen, sie zu umgehen bestrebt ist.“
Dieser Grundsatzentscheidung, die der BGB-Gesetzgeber wenig später kodifizierte, ist aus heutiger Perspektive – gerade mit Blick auf europäische und internationale Entwicklungen92 – uneingeschränkt zuzustimmen. Die einschlägigen Formzwecke kommen für die Forderungsabtretung typischerweise nicht in Betracht. Von untergeordneter Relevanz ist zunächst die Beweisfunktion. Denn für Existenz und Inhalt der Forderung trägt der Zessionar die Darlegungs- und Beweislast. Er hat folglich einen wirtschaftlichen Anreiz, für eine hinreichende Dokumentation der Abtretung zu sorgen. Erscheint ihm dies im Einzelfall als nicht sinnvoll, steht es ihm frei, das Prozessrisiko einschließlich der hiermit verbundenen Streitbewältigungskosten sehenden Auges in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus bedarf es weder im Interesse des Zessionars noch des Zedenten eines durch Formerfordernisse vermittelten Übereilungsschutzes. Zwar kann die wirtschaftliche Bedeutung von Forderungen in Abhängigkeit von ihrem Umfang durchaus beträchtlich sein. Nichts anderes gilt indes für die Übereignung wertvoller Fahrnisgegenstände und auch dort hat sich der BGB-Gesetzgeber mit Recht gegen die Formbedürftigkeit hochwertiger Transaktionen entschieden93. Und schließlich existieren auch keine besonderen Schutzinteressen des Forderungsschuldners, die für die Formbedürftigkeit ins Feld geführt werden könnten. Auch wenn der Forderungsschuldner ein Interesse daran hat, seinen Gläubiger und den Umfang seiner Leistungspflicht zu kennen, sind die schuldnerischen Interessen doch jedenfalls durch die besonderen Schutzvorschriften der §§ 404, 406 ff. BGB hinreichend gesichert. Solange er keine sichere Kenntnis vom Gläubigerwechsel hat, kann der Schuldner namentlich mit befreiender Wirkung gem. § 407 Abs. 1 BGB an den Zedenten leisten. Der maßgebliche praktische Vorteil fehlender Formgebundenheit liegt dabei zum einen in der erleichterten Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten und zum anderen darin, dass sich die Vertragsparteien auch stillschweigend auf den Rechtsübergang verständigen können94. Dabei sind an die Manifestation 91
Siehe v. Kübel, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 947. Vgl. vorerst nur Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 475; siehe näher unten § 25 II. 5. 93 Siehe oben § 9 IV. 1. 94 Zum letzteren Aspekt siehe RGZ 126, 183, 185; BGH NJW 1969, 40; 1983, 2502; 1986, 977; 1991, 1821, 1822; 1997, 729, 730; NJW-RR 2001, 422; 2003, 1690, 1691; BAG NJW 1993, 2701, 2702; Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 18, § 398 Rn. 4; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 5; Müller, in: PWW, BGB, § 398 Rn. 4; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 398 Rn. 54; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 13; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 8. 92
IV. Anwendungsfälle der Formfreiheit im Überblick
343
des Sukzessionswillens keine hohen Anforderungen zu stellen, wenn – wie im modernen Rechtsverkehr üblich – Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zusammenfallen95. Praktisch bedeutsam ist auch die Tilgung einer durch Abtretung gesicherten Forderung; in der Entgegennahme der Erfüllungsleistung kann nach Auffassung der Rechtsprechung eine konkludente Rückabtretung der zur Sicherheit abgetretenen Forderung liegen96. Der Vollständigkeit halber sei abschließend noch auf bedeutsame Ausnahmen hingewiesen. Zunächst können sich die Vertragsparteien gem. § 125 S. 2 BGB privatautonom auf die Einhaltung einer bestimmten Form verständigen. Hierbei handelt es sich in rechtsdogmatischer Hinsicht um eine Verfügungsbeschränkung minderen Rechts, die gem. § 399 Alt. 2 BGB de lege lata ohne weiteres zulässig ist97. Gesetzliche Ausnahmen vom Formfreiheitsgrundsatz gelten außerdem für die Übertragung von Wertpapierrechten98 und hypothekarisch gesicherten Forderungen (§ 1154 Abs. 1 S. 1 BGB)99.
3. Schuld- und Vertragsübernahme Das zur Formfreiheit der Forderungsabtretung Gesagte gilt spiegelverkehrt für die Schuldübernahme und entsprechend für die Vertragsübernahme. Beide Sukzessionstatbestände können daher formfrei vorgenommen werden, soweit sich nicht ausnahmsweise aus der übernommenen Schuld oder dem übernommenen Vertrag bzw. deren Änderung eine besondere Formpflicht ergibt. Die 1. BGBKommission hatte es ausdrücklich abgelehnt, die Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB in Parallele zur Bürgschaft an die Einhaltung der Schriftform zu binden100. Für die Vertragsübernahme spricht ihre strukturelle Nähe zu den Tatbeständen der Abtretung und der Schuldübernahme ebenfalls für die Geltung des Prinzips der Formfreiheit101. Das hat namentlich zur Folge, dass 95 BGH NJW 1986, 977; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 398 Rn. 54; vgl. weiter Rosch, in: jurisPK-BGB, § 398 Rn. 35. 96 BGH NJW 1986, 977; zust. Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 398 Rn. 54; zum Problemkreis näher Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 109. 97 Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 20; Rosch, in: jurisPK-BGB, § 398 Rn. 34; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 34. – Zur Reformbedürftigkeit der Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen siehe oben § 4 III. 4. und unten § 25 III. 3. b). 98 Dieser Problematik wird hier aus Raumgründen nicht näher nachgegangen; vgl. stattdessen für einen Überblick Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 7; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 37 ff. 99 Zum teleologischen Hintergrund siehe authentisch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 705, 749; vgl. ferner Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1154 Rn. 1; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1154 Rn. 2 ff. 100 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 143: Die Schuldübernahme „ist, wie die Abtretung, Veräußerungsvertrag, sog. dinglicher Vertrags und als solcher formfrei“. Siehe die Beratungen bei Jacobs/ Schubert, Schuldrecht I, S. 844; vgl. noch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 59; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 414 Rn. 4. 101 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 121; Maurer, BWNotZ 2005, 114, 117; Klimke, Vertragsübernahme, S. 156; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 169.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
Schuld-102 und Vertragsübernahmen103 stillschweigend vereinbart werden können. Interessanter als dieser Grundsatz ist allerdings die Frage, inwieweit etwaige auf die Schuld bzw. den Vertrag bezogene Formerfordernisse ausnahmsweise eine Formbedürftigkeit von Schuld- und Vertragsübernahme begründen können. Dieser Frage ist sogleich im Zusammenhang mit der Formbedürftigkeit der Auflassung nachzuspüren104.
V. Formbedürftigkeit der Grundstücksübereignung Im Grundsatz vollzieht sich auch die dingliche Einigung gem. § 873 Abs. 1 BGB formfrei105, so dass die Rechtsänderung an Grundstücken und Grundstücksrechten106 regelmäßig keiner besonderen Form bedarf107. Die praktisch bedeutsamste Ausnahme bildet die Formbedürftigkeit der Auflassung, die gem. § 925 Abs. 1 S. 1 BGB „bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden“ muss. Die folgenden Überlegungen nehmen bei der Auflassung ihren Ausgang (1.) und fragen sodann nach der Formbedürftigkeit der Abtretung des Auflassungsanspruchs (2.) sowie der Übernahme der Übereignungspflicht (3.).
1. Auflassung Wie in vielen anderen Rechtsordnungen108 ist die Auflassung einem besonderen Formerfordernis unterworfen109. In der Praxis erklären die Vertragsparteien ih102 RGZ 59, 232, 233; 107, 215, 216; BGHZ 62, 71, 75 f.; BGH NJW-RR 2012, 741 Tz. 7 ff.; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 414 Rn. 3. 103 OLG Hamm NJW-RR 1991, 48, 49; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 648; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 169. 104 Siehe unten § 9 V. 3. 105 BGH WM 1963, 217, 218; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 50; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 65. 106 Speziell zur Grunddienstbarkeit bemerken die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 478, dass es für deren Begründung keiner besonderen Form bedürfe, „da das Rechtsgeschäft der Servitutbestellung minder wichtig (sei) und dessen strengere Formalisirung unnöthig den Geschäftsverkehr erschweren würde“. Gleiches gilt für die Bestellung des Nießbrauchs; vgl. Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1030 Rn. 87; Frank, in: Staudinger, BGB, § 1030 Rn. 62. 107 Und dennoch ist das Immobiliarsachenrecht in der Praxis weitgehend von Förmlichkeiten und der Mitwirkung des Notars beherrscht. Dies rührt aber weniger von den materiellrechtlichen Erfordernissen her, sondern von den formellen Anforderungen des Grundbuchrechts. Die nach § 19 GBO gegenüber dem Grundbuchamt abzugebende Eintragungsbewilligung ist nach § 29 GBO in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Hinzu kommen die – vom hier behandelten Formerfordernis in rechtsdogmatischer Hinsicht strikt zu trennenden – Publizitätserfordernisse, namentlich die Eintragung der Rechtsänderungen in das Grundbuch. 108 Rechtsvergleichend v. Hoffmann, Recht, S. 111 ff. 109 Entsprechende Formvorschriften gelten für die Begründung, Aufhebung und Übertragung von Wohnungseigentum nach § 4 Abs. 2 WEG bzw. §§ 747 S. 1, 925 Abs. 1 BGB. Dazu näher Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 19. Ebenso findet auf das Erbbaurecht nach § 11 Abs. 2 ErbbauRG das Formerfordernis nach § 925 Abs. 1 BGB Anwendung.
V. Formbedürftigkeit der Grundstücksübereignung
345
ren Willen zur Grundstücksübereignung typischerweise vor dem Notar (vgl. § 925 Abs. 1 S. 2 BGB)110. Die Auflassung kann aber gleichermaßen in einem gerichtlichen Vergleich (vgl. §§ 925 Abs. 1 S. 3 Alt. 1, 127a BGB) oder einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan (vgl. § 925 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 BGB; §§ 254a Abs. 1, 228 InsO) erklärt werden. Wird gegen die Formvorschrift verstoßen, ist die dingliche Einigung gem. § 125 S. 1 BGB formnichtig. Nach Auffassung des Gesetzgebers verfolgt § 925 Abs. 1 BGB im Wesentlichen dieselben Schutzzwecke wie die für das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft vorgesehene Beurkundungsvorschrift des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB111. Tatsächlich steht hier die Beweissicherungsfunktion – den allgemeinen Grundsätzen folgend112 – im Vordergrund, während Warn- und Beratungsfunktion von ganz untergeordneter Bedeutung sind113. Diese beiden Funktionen sind schließlich typischerweise durch die Formbedürftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts abgedeckt114. Ein erst auf dinglicher Ebene ansetzender Übereilungsschutz wäre defizitär, da sich die Vertragsparteien aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Vertragsbindung auf Erfüllung in Anspruch nehmen können. Nur wenn es auf schuldrechtlicher Ebene an der Einhaltung der Formvorschrift fehlt und die Wirksamkeit des Grundstücksgeschäfts von einer Heilung gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB abhängt, kommt § 925 Abs. 1 BGB in gewisser Weise auch Bedeutung für den Schutz der Vertragsparteien vor übereilten und unüberlegten Transaktionen zu. Indes greift diese Schutzwirkung nur ein, wenn sich die Parteien des Formmangels (auf schuldrechtlicher Ebene) auch tatsächlich bewusst sind; gehen sie hingegen vom Bestehen einer rechtlichen Bindung aus, laufen Warn- und Beratungsfunktion leer. Das alles spricht einmal mehr für die untergeordnete Bedeutung der beiden Formzwecke. Der besondere Stellenwert der Beweisfunktion auf dinglicher Ebene ergibt sich weiterhin aus dem Wert der formalisierten Dokumente für die Richtigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs115, das im Hinblick auf die gem. §§ 891 ff. BGB vermittelten Vermutungs- und Rechtsscheinwirkungen auf materiell zutreffende Erklärungen angewiesen ist. In diesem Sinne betonte bereits die 1. BGB-Kommission, dass aufgrund der Formerfordernisse wegen „der hohen 110 Zur wechselhaften Entwicklungsgeschichte näher Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 77 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 813. – Zur Zuständigkeit anderer Stellen siehe Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 925 Rn. 14 f.; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 81 f. 111 Siehe schon Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 174. 112 Siehe oben § 9 II. 3. 113 Vgl. Locher, Neugestaltung, S. 92 f.; Ertl, MittBayNot 1992, 102, 104; Köbl, DNotZ 1983, 207, 211 f.; Grün, in: Bamberger/Roth, BGB, § 925 Rn. 3; Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 925 Rn. 1, 17; ders., DNotZ 1994, 275, 283; siehe noch Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 75. – Die Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 174 betonen noch den „Schutz gegen leichtsinnige und unüberlegte Grundstücksveräußerungen“. 114 Zu dessen Formzwecken authentisch Motive zum BGB, Bd. 2, S. 190; vgl. weiter Locher, Neugestaltung, S. 92. 115 Vgl. auch Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 75; Häsemeyer, Form, S. 183 ff.; Köbl, DNotZ 1983, 207, 211 f.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
Wichtigkeit, welche der Eigenthumsübertragung für die Rechtsverhältnisse an Grund und Boden beizumessen ist, (…) für das Grundeigenthum eine nahezu vollständige Sicherheit gewonnen“116 werden müsse. Diese Überlegung hatte schon eine ganze Reihe von Partikularstaaten überzeugt, besondere Auflassungsformen zu schaffen117, und veranlasste den historischen Gesetzgeber zur Schaffung des § 925 Abs. 1 BGB. In die gleiche Richtung ist auch die 2. BGBKommission zu verstehen, wenn sie betont, das Formerfordernis diene dem Zweck, „den ernsthaften und überlegten Willen der Parteien, dass das Eigentum übergehe, zweifelsfrei festzustellen“118. Da beide Vertragsteile gleichzeitig anwesend sein müssen, kann der Notar ausschließen, dass die Parteien einem Irrtum oder Dissens unterliegen, sie in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind oder anderweitige Unwirksamkeitsgründe vorliegen119, die im Falle der Eintragung das Grundbuch unrichtig machen würden. Zugleich wird hiermit sichergestellt, dass der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs eindeutig bestimmt wird120.121 Schließlich wird durch die Besonderheit, dass Auflassungen nicht notariell zu beurkunden, sondern lediglich durch die beiden gleichzeitig anwesenden Vertragsparteien vor dem Notar zu erklären sind, vermieden, dass Grundstücksgeschäfte an Beurkundungsmängeln leiden und das Grundbuch auf diese Weise unrichtig machen122. Die notarielle Feststellung und Dokumentation der dinglichen Einigung gem. § 873 Abs. 1 BGB ist dementsprechend zu Beweisund Sicherungszwecken von zentraler Bedeutung.
2. Abtretung des Auflassungsanspruchs Maßgeblich ist der Formzweck des § 925 Abs. 1 BGB namentlich für die Frage, ob auch die Abtretung des Auflassungsanspruchs ausnahmsweise formbedürftig ist. Die Antwort muss nach Maßgabe des Trennungs- und Abstraktionsprinzips dahingehend differenzieren, ob es um die Verpflichtung zur Abtretung des Auflassungsanspruchs (a) oder um die Abtretung des Auflassungsanspruchs als Verfügungsgeschäft geht (b).
116
Motive zum BGB, Bd. 3, S. 313. Dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 313 f. 118 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 175. Diesen Zweck besonders betonend Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 813. 119 Vgl. Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 925 Rn. 1; Lorenz, in: Erman, BGB, § 925 Rn. 1. 120 Stürner, in: Soergel, BGB, § 925 Rn. 1 a.E.; Lorenz, in: Erman, BGB, § 925 Rn. 1. 121 Es ist bemerkenswert, dass die Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 175 f. zur Begründung der notariellen Beteiligung – im Gegensatz zur Auflassung vor dem Grundbuchamt – neben den praktischen Erfordernissen in Gebieten mit weitgehender Bodenzersplitterung außerdem die „Erhaltung des selbständigen Notariats“ anführen, „wie es namentlich in Bayern bestehe“. Siehe dazu noch Schubert, Entstehung, S. 126 und die in Motive zum BGB, Bd. 3, S. 315 f. vertretene Gegenposition. 122 Vgl. Ertl, DNotZ 1976, 68, 72; Köbl, DNotZ 1983, 207, 211 f. 117
V. Formbedürftigkeit der Grundstücksübereignung
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a) Verpflichtung zur Abtretung des Auflassungsanspruchs Die bisherige Diskussion zum Problem beschränkt sich fast ausschließlich auf die Formbedürftigkeit der Verpflichtung zur Abtretung des Auflassungsanspruchs. Eine solche wird von der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung123 und Literatur124 abgelehnt. Zur Begründung macht die h.M. gemeinhin geltend, dass derjenige, der lediglich einen schuldrechtlichen Erwerbsanspruch für ein Grundstück innehabe im Hinblick auf den Normzweck des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB nicht ebenso schutzwürdig sei wie der Grundstückseigentümer selbst. Dass eine solche Unterscheidung durchaus fragwürdig ist, belegt die an der Rechtsprechung geäußerte Kritik auch von denjenigen, die die Position der h.M. de lege lata – nicht zuletzt um eine drohende Überdehnung der in der Praxis ohnehin ungeliebten Formerfordernisse – akzeptieren125. Jedenfalls im Hinblick auf die Schutzzwecke des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB – die Vertragsparteien vor unüberlegten Grundstücksgeschäften zu warnen und sie über deren weitreichende Rechtsfolgen hinreichend zu informieren – sprechen gute Gründe für eine Erstreckung der Beurkundungspflicht auch auf die Verpflichtung der Abtretung des Auflassungsanspruchs126. Denn aus der Verpflichtung können sich die beiden Vertragsparteien wechselseitig auf Erfüllung in Anspruch nehmen. In der Folge wechselt der Auflassungsanspruch seinen Inhaber und der Zessionar kann den Schuldner des Auflassungsanspruchs wiederum auf Vollzug des Grundstückserwerbsgeschäfts in Anspruch genommen werden. Wäre das Verpflichtungsgeschäft formfrei möglich – wie es die ganz h.M. annimmt – könnten über den Umweg der Abtretung des Auflassungsanspruchs die Schutzzwecke des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB umgangen werden. Das wiegt umso schwerer, als § 925 Abs. 1 S. 1 BGB auf dinglicher Ebene keinen Übereilungsschutz gewährt, und zwar weder in unmittelbarer Anwendung auf den Vollzug der Grundstückstransaktion noch in Bezug auf die Abtretung des Auflassungsanspruchs als solchen:
123
RGZ 65, 227, 241; 108, 60, 62; 111, 298, 300 f.; 148, 105, 108; BGHZ 89, 41, 44 f., 46 f. Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 19; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311b Rn. 6, § 398 Rn. 6; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 33; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 8; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Abs. 1 Rn. 27; Ballhaus, in: RGRK, BGB, § 313 Rn. 63; im Ergebnis auch Füller, Sachenrecht, S. 179 f. 125 So etwa Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 2 I 1; kritisch auch Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 33; zweifelnd Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 311b Rn. 16 Fn. 32; offen gelassen wird die Frage von BayObLG NJW 1976, 1895, 1896. 126 So auch Donau, MDR 1956, 532; Ertl, DNotZ 1976, 68, 79 ff.; ders., DNotZ 1977, 81, 84 f.; Köbl, DNotZ 1983, 207, 213 f.; Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 311b Rn. 16. 124
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
b) Abtretung des Auflassungsanspruchs als Verfügungsgeschäft Im Gegensatz dazu ist die Abtretung des Auflassungsanspruchs an keine besondere Form gebunden127. Der Anwendungsbereich des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB ist – auch soweit es die analoge Anwendung der Vorschrift anlangt – nach Maßgabe des Trennungs- und Abstraktionsprinzips auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft beschränkt128, findet also auf die Verfügung über den Auflassungsanspruch keine Anwendung129. Denn die Abtretung selbst begründet keine Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücksrechts, sondern führt die Übertragung selbst unmittelbar herbei. Der durch § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erstrebte Schutzzweck ist – wenn überhaupt – auf schuldrechtlicher Ebene zu verwirklichen. Soweit die Formbedürftigkeit der Abtretung als Verfügungsgeschäft in Rede steht, ist § 925 Abs. 1 BGB sedes materiae130, der aber letztlich ebenso wenig herangezogen werden kann. Gegen eine Analogiebildung spricht vor allem der auf Beweissicherung beschränkte Normzweck der Formvorschrift. Denn die Ordnungsmäßigkeit des Grundbuchverfahrens und die Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems werden bereits dadurch sichergestellt, dass im Anschluss an die Übertragung des Auflassungsanspruchs die Rechtsänderung an dem Grundstück erst dann eintreten kann, wenn die Vertragsparteien die Auflassung selbst in der Form des § 925 Abs. 1 BGB erklären131. Hierdurch wird der Formzweck vollends verwirklicht. Eine zusätzliche Formpflicht für die Abtretung des Auflassungsanspruchs analog § 925 Abs. 1 BGB bedarf es nicht.
3. Übernahme der Übereignungspflicht Das Parallelproblem stellt sich bei Übernahme der Verpflichtung zur Grundstücksübereignung durch einen neuen Schuldner, d.h. bei der Nachfolge in die Auflassungsschuld. In diesem Zusammenhang wird von der h.M. wiederum nicht sauber zwischen der Verpflichtung zur Schuldübernahme und dem Abschluss des Übernahmevertrags als (reines) Verfügungsgeschäft132 unterschie127
Im Ergebnis wie hier auch RGZ 53, 268, 270; 65, 227, 241; 108, 60, 62; 108, 113, 114; 155, 172, 176; BGHZ 89, 41, 46; BayObLG NJW 1976, 1895, 1896; Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 19; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311b Rn. 6; Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 311b Rn. 16; Ballhaus, in: RGRK, BGB, § 313 Rn. 63; Wuffka, in: Staudinger, BGB, § 311b Abs. 1 Rn. 26; Köbl, DNotZ 1983, 207, 214. 128 Wie hier auch BayObLG NJW 1976, 1895, 1896; Wolfsteiner, Rpfleger 1976, 120, 121. 129 A.A. Donau, MDR 1956, 532 f.; Huhn, Rpfleger 1974, 2, 3; ebenso noch Ertl, DNotZ 1976, 68, 81 ff.; aufgegeben in DNotZ 1977, 81, 82. 130 So mit Recht auch BayObLG NJW 1976, 1895, 1896 f.; Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 311b Rn. 16; Köbl, DNotZ 1983, 207, 214. 131 Vgl. auch BayObLG NJW 1976, 1895, 1897; Köbl, DNotZ 1983, 207, 214. 132 Zur Dogmatik der Schuldübernahme siehe oben § 4 II. 5. b) aa).
V. Formbedürftigkeit der Grundstücksübereignung
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den. Pauschal heißt es in Rechtsprechung133 und Schrifttum134, dass die Verpflichtung zum Erwerb bzw. zur Veräußerung eines Grundstücks gem. § 311b Abs. 1 BGB (analog) formbedürftig sei, und zwar unabhängig davon, ob sich die Schuldübernahme gem. § 414 oder § 415 BGB vollziehe. Diese Position muss mit Blick auf den Meinungsstand bei der Forderungsabtretung verwundern, vertritt doch die h.M. dort die genaue Gegenauffassung. Im Anschluss an die Überlegungen zur Zession ist wiederum ein differenzierter Standpunkt angezeigt: a) Verpflichtung zur Übernahme der Übereignungspflicht In Bezug auf die Verpflichtung zur Übernahme der Übereignungspflicht sprechen im Hinblick auf die Schutzzwecke des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB – Übereilungsschutz und Warnfunktion – wiederum gute Gründe für eine Erstreckung der Beurkundungspflicht auf das Verpflichtungsgeschäft. Auf schuldrechtlicher Ebene entfaltet die Vorschrift entsprechend ihrer Formzwecke Ausstrahlungswirkung auf die Verpflichtung zur Übernahme der Auflassungsschuld, weil der Schuldner letztlich auf den Vollzug der Schuldübernahme durch den Gläubiger in Anspruch genommen werden kann. Darin liegt die durch § 311b Abs. 1 BGB sanktionierte Gefahr, die auch bei dem der Schuldübernahme zugrunde liegenden Kausalgeschäft zum Tragen kommt. b) Übernahme der Übereignungspflicht als Verfügungsgeschäft Geht es hingegen um die Übernahme der Übereignungspflicht als Verfügungsgeschäft findet § 311b Abs. 1 BGB keine Anwendung. Denn der Anwendungsbereich des § 311b Abs. 1 BGB ist im Hinblick auf seinen Normzweck, die Beteiligten zu warnen und über die geschäftlichen Risiken zu unterrichten, auf die Verpflichtungsebene beschränkt. Die Formbedürftigkeit des Vollzugsgeschäfts bestimmt sich hingegen nach § 925 Abs. 1 BGB. Allerdings kommt auch für diese Vorschrift eine analoge Anwendung nicht in Betracht, weil deren Regelungszweck – die Rechtssicherheit im Grundbuchverkehr zu gewährleisten – bereits dadurch verwirklicht wird, dass Gläubiger und Schuldübernehmer zu einem späteren Zeitpunkt die Auflassungserklärungen in Form des § 925 Abs. 1 BGB ordnungsgemäß abgeben müssen, bevor es tatsächlich zu einer wirksamen Rechtsänderung am Grundstückseigentum kommt. Einer zusätzlichen Formpflicht für die Übernahme der Übereignungspflicht analog § 925 Abs. 1 BGB bedarf es also nicht. 133
RGZ 140, 216, 218; BGH NJW 1996, 2503, 2504 (zur Vertragsübernahme). Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 414 Rn. 1; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 414 Rn. 4, § 415 Rn. 5; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 62; Ballhaus, in: RGRK, BGB, § 313 Rn. 63; Röthel, in: Erman, BGB, § 414 Rn. 11; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Abs. 1 Rn. 28; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 399; Maurer, Schuldübernahme, S. 272 f.; a.A. Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 311b Rn. 16. 134
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
Dass die h.M. anders votiert, mag daran liegen, dass die Schuldübernahme auch heute noch weithin als Doppeltatbestand angesehen wird, der ein Verpflichtungs- und ein Verfügungselement verbindet135. Es ist das Verpflichtungselement, an welches die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB nach herkömmlicher Auffassung anknüpfen soll. Indes ist oben136 bereits ausführlich dargelegt worden, dass die Lehre vom Doppeltatbestand als in sich widersprüchlich abzulehnen ist, weil eine Schuld aufgrund des Verpflichtungsgeschäfts nicht übertragen, sondern nur neu begründet werden kann. Eine solche originäre Neubegründung findet indes bei der Schuldübernahme nicht statt. Die Verpflichtung des Übernehmers resultiert vielmehr aus dem derivativen Erwerb ebendieser Schuldposition durch Schuldübergang vom Alt- auf den Neuschuldner. Folglich widerspricht die tradierte Auffassung der modernen Schuldübernahmedogmatik und ist auch aus diesem Grund abzulehnen. c) Übernahme von Grundstückskaufverträgen Nichts anderes gilt im Übrigen für die Übernahme von ganzen Grundstückskaufverträgen. Auch hier greift der Normzweck des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB hinsichtlich des auf die Übernahme gerichteten (obligatorischen) Verpflichtungsgeschäfts zur Vertragsübernahme ein137, während die Übernahme des Grundstückskaufvertrags als Verfügungsgeschäft § 311b Abs. 1 S. 1 BGB nicht unterfällt138. Eine Formbedürftigkeit des Verfügungsgeschäfts ließe sich rechtssystematisch allenfalls aus § 925 Abs. 1 BGB ableiten. Dessen analoge Anwendung scheitert aber wiederum daran, dass zum einen der notwendige Übereilungsschutz bereits auf schuldrechtlicher Ebene verwirklicht ist, während die mit § 925 Abs. 1 BGB intendierte Beweisfunktion im Rahmen der späteren Durchführung des übernommenen Vertrags erfüllt wird139.
VI. Übertragung von GmbH-Anteilen Gleichsam als Kontrastprogramm zur Formbedürftigkeit der Auflassung präsentiert sich die Formpflicht bei der Übertragung von GmbH-Anteilen. Eine historisch-teleologische Untersuchung der Formzwecke zeigt (1.), dass nicht etwa die Förderung der Sukzessionsfreiheit mit § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG in135
Siehe die Nachweise oben bei § 4 II. 5. b) aa). Siehe oben § 4 II. 5. b) aa). 137 So auch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 122; grundsätzlich auch Klimke, Schuldübernahme, S. 159 ff.; offenbar auch Maurer, BWNotZ 2005, 114, 117. 138 A.A. BGH NJW 1996, 2503, 2504; Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 19 III; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 122; Röthel, in: Erman, BGB, Vor § 414 Rn. 7; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 171 ff.; einschränkend Klimke, Schuldübernahme, S. 159 ff.; wie hier im Ergebnis Maurer, BWNotZ 2005, 114, 117. 139 Siehe die Parallele zur Schuldübernahme oben § 9 V. 3. b). 136
VI. Übertragung von GmbH-Anteilen
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tendiert ist, sondern im Gegenteil die Erschwerung der Anteilsübertragung. Nicht zuletzt aus diesem Grund steht die Formvorschrift seit geraumer Zeit in der Kritik, zu der (2.) Stellung zu nehmen ist. Eine rechtsdogmatische Analyse der Abtretung des Übertragungsanspruchs zeigt die rechtspraktische Bedeutung der eigenwilligen Formvorschrift (3.) auf.
1. Historisch-teleologische Bestimmung der Formzwecke a) Erschwerungsfunktion Die Formvorschrift für die Übertragung von GmbH-Anteilen (§ 15 Abs. 3 GmbHG) ist eine echte Besonderheit: Sie zielt – in diametralem Gegensatz zum Prinzip der ungehinderten Übertragbarkeit vom Vermögenspositionen140 – darauf ab, die Übertragung von Geschäftsanteilen zu erschweren (Erschwerungsfunktion). In der Amtlichen Begründung zum GmbH-Gesetz von 1891 heißt es dazu wörtlich141: „Die Veräußer(u)ng142 wird (…) nur unter dem Gesichtspunkt zuzulassen (…) sein, daß es sich dabei um ein Hülfsmittel handelt, welches zwar für den Bedürfnißfall den Gesellschaftern die Realisirung ihrer Antheilsrechte ermöglicht, den Karakter der Mitgliedschaft als eines der Regel nach dauernden Verhältnisses aber nicht beseitigen soll. (…) Entscheidendes Gewicht ist auf die Form zu legen, welche für die Uebertragung der Geschäftsantheile vorgeschrieben wird; denn die formalen Voraussetzungen der Uebertragung müssen in erster Linie Gewähr dafür bieten, daß die Antheilsrechte der neuen Gesellschaften nicht zu einem Gegenstande des Handelsverkehrs werden. (…) Für die neue Gesellschaft wird die Formvorschrift auch auf obligatorische Geschäfte, welche zur Veräußerung von Geschäftsantheilen verpflichten, auszudehnen sein, da der spekulative Handel mit Gesellschaftsbetheiligungen, welcher hier verhindert werden soll, sich vornehmlich in Geschäften der bezeichneten Art zu vollziehen pflegt.“
Das Formerfordernis bildet damit ein prominentes Beispiel für Vorschriften, die im Interesse der Marktregulierung auf die Unterbindung eines freien Handels mit bestimmten Gütern abzielen143. Maßgeblich für diesen eigenwilligen Normzweck waren zwei voneinander unabhängige Aspekte: Zum einen stand die legislatorische Entscheidung in untrennbarem Zusammenhang mit dem Dogma von der Unübertragbarkeit von Mitgliedschaftsrechten an Personengesellschaften. Als der Gesetzgeber die GmbH am Reißbrett entwarf, herrschte das Unübertragbarkeitsdogma noch unangefochten144. Wie stark diese Doktrin das Verständnis der Gesetzesverfasser beeinflusste, zeigt 140
Siehe oben § 4 I. Amtliche Begründung zum GmbHG, S. 37 f. 142 Im Originalabdruck „Veräußernng“. 143 Vgl. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 7 III 2 b; Mankowski, JZ 2010, 662, 667. 144 Zur historischen Entwicklung siehe etwa Flume, AT I/1, § 17 I; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 5 II 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 III 2 b. 141
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
sich an der Ausführlichkeit, mit der die Gesetzesmaterialien die Übertragbarkeit und Vererblichkeit von GmbH-Anteilen begründeten145. Wenn man aber schon die Übertragung von Geschäftsanteilen zuließ, sollten sie in Anbetracht der bei Personengesellschaften bestehenden Übertragungshindernisse auch im GmbH-Recht jedenfalls nicht ungehindert übertragen werden können146. Deshalb verfiel der Gesetzgeber auf die Idee, die Übertragbarkeit mittels besonderer Formerfordernisse zu beschränken. Zum anderen sollten mit Hilfe des Formzwangs ein Börsenhandel und sonstige leichtfertige Anteilsübertragungen tunlichst unterbunden werden. Das galt im Besonderen für einen spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen147. Denn angesichts der personalistischen Struktur der GmbH und der typischerweise auf lange Zeit angelegten Mitgliedschaftsbeziehungen sei die Gesellschaft auf eine stabile Zusammensetzung des Gesellschafterkreises angelegt. Im anhaltenden Bewusstsein der Übertreibungen und Missbräuche im Zusammenhang mit dem Aktienschwindel in den Gründerjahren nach 1870148 zielte der Formzwang darauf ab, GmbH-Beteiligungen weder zum Gegenstand des Handels auf dem echten noch auf dem grauen Kapitalmarkt zu machen149. b) Beweis- und Klarstellungsfunktion Durch das Erfordernis der notariellen Beurkundung sollte aber nicht allein die Umlauffähigkeit der Anteile eingeschränkt werden. Da anders als bei der AG eine Verbriefung von GmbH-Beteiligungen nicht zugelassen ist, dient die Formvorschrift außerdem der Beweissicherung und -erleichterung sowie der Klarstellung der Rechtsverhältnisse an Geschäftsanteilen im Allgemeinen (Beweis- und Klarstellungsfunktion)150: 145 Aus diesem Grund für die Abkehr vom Formerfordernis des § 15 Abs. 4 GmbHG: Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 5. 146 Vgl. auch Altmeppen, FS Westermann, S. 771, 773 f., 781. 147 Amtliche Begründung zum GmbHG, S. 38; RG, JW 1903, 11, 12; RGZ 135, 70, 71; 164, 162, 170; BGHZ 13, 49, 51 f.; 19, 69, 71; 75, 352, 353 ff.; 127, 129, 135; 141, 207, 211 f.; BGH NZG 2008, 377 Tz. 14; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 1; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 15 Rn. 112; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 16; Winter/Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 111; Winter, in: Gehrlein, GmbHG, § 15 Rn. 15; Hadding, ZIP 2003, 2133, 2138 f.; Kindler, BB 2010, 74, 75; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 899; Mankowski, JZ 2010, 662, 667; Kecker, Fungibilisierung, S. 107; Schlüter, FS Bartholomeyczik, S. 359, 361. 148 Dazu ausf. Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht I, 10. Kap. Rn. 109 ff. 149 König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 883. 150 RGZ 164, 162, 170; BGHZ 13, 49, 51 f.; 75, 352, 353 ff.; 141, 207, 211 f.; BGH NZG 2008, 377 Tz. 14; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 15 Rn. 21; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 17; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 111; Winter, in: Gehrlein, GmbHG, § 15 Rn. 15; Kanzleiter, DNotZ 1994, 275, 282; König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 882; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 899; Wertenbruch, NZG 2008, 454, 455; Schlüter, FS Bartholomeyczik, S. 359, 361; vgl. noch Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 30.
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„Andererseits muß, wenn die Uebertragung ohne die Grundlage eines zur Legitimation des Erwerbers dienenden Antheilsscheines zugelassen wird, die Form des Uebertragungsaktes selbst eine derart authentische sein, daß Zweifel und Unklarheiten über die Thatsache der Uebertragung nicht entstehen können.“151
c) Warnfunktion? Heute plädieren Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung152 und des Schrifttums153 weiterhin dafür, § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG außerdem Warnfunktion vor übereilten Anteilsübertragungen beizulegen (Übereilungsschutz)154. Das sei schon deshalb nötig, um den Vertragsparteien eine zutreffende Vorstellung über die Verhältnisse der Gesellschaft und die mit Anteilsübertragungen im Allgemeinen verbundenen Folgen und Risiken zu verschaffen. Weil die Beurkundungspflicht in ihrer praktischen Anwendung die Entscheidungsfreiheit der Beteiligten sichere, sei dieser Gesichtspunkt in den Normzweck des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG mit aufzunehmen155. Dem ist entschieden zu widersprechen. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass Formerfordernisse in der Praxis gerade mit Blick auf die Belehrungs- und Aufklärungspflicht des § 17 BeurkG einen faktischen Schutz vor übereilten und unüberlegten Anteilstransaktionen verbürgen156. Die verfahrensrechtliche Vorschrift schlägt indes auf den Inhalt der materiellrechtlichen Formregel nicht durch. Ihr Normzweck ist autonom mit Blick auf den materiellrechtlichen Schutzgehalt der Vorschrift zu bestimmen. Ein durch § 17 BeurkG vermittelter Schutz ist bloßer Rechtsreflex157. Gegen die Anreicherung des Regelungsgehalts der Formvorschrift spricht weiterhin die klare Zielsetzung, die § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG durch den historischen GmbH-Gesetzgeber erhalten hat; sie stellte die Erschwerungsfunktion sowie die Klarstellungs- und Beweisfunktion in den 151
Amtliche Begründung zum GmbHG, S. 38. OLG Stuttgart DB 1989, 1817; OLG München WM 1995, 670, 671. 153 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 66; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 52; Barth, GmbHR 2004, 383, 389; Kanzleiter, DNotZ 1994, 275, 282 f.; ders., ZIP 2001, 2105, 2106; Mankowski, JZ 2010, 662, 667; Walz/Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135; Häsemeyer, Form, S. 189 f. 154 Für die Anerkennung einer Beratungs- und Belehrungsfunktion aus der notariellen Praxis etwa Kanzleiter, ZIP 2001, 2105, 2108; Walz/Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135 ff.; König/Götte/ Bormann, NZG 2009, 881, 882. 155 Besonders nachdrücklich und eingehend Walz/Fembacher, NZG 2003, 1134, 1139 ff. 156 Vgl. Kanzleiter, ZIP 2001, 2105, 2106 ff.; Wicke, ZIP 2006, 977, 980; ausf. zu den Wirkungen der Beurkundung Walz/Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135 ff. 157 Im Ergebnis ebenso BGH NJW 1996, 3338, 3339; NJW-RR 1998, 1270, 1271; OLG Frankfurt NZG 2008, 19, 20; OLG München BB 1996, 1296; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 1; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 18 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 41; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 771 f.; Liese, GmbHR 2010, 1256, 1259; ablehnend auch schon RGZ 68, 394, 396 f.; 135, 70, 71; Schlüter, FS Bartholomeyczik, S. 359, 365; vgl. ferner Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 7; Winter, in: Gehrlein, GmbHG, § 15 Rn. 15; Dyhr, Formgebot, S. 32 ff.; Kecker, Fungibilisierung, S. 107. 152
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Vordergrund. Anhaltspunkte dafür, dass der Formvorschrift außerdem auch Warnfunktion zukommen sollte, sucht man in der Amtlichen Begründung zum GmbHG vergeblich.
2. Rechtspolitische Würdigung des Beurkundungserfordernisses a) Kritik am Formzwang Das Formerfordernis für Anteilsübertragungen steht schon seit geraumer Zeit in der Kritik158. Marcus Lutter bescheinigte der Formpflicht bereits während der Reformdebatte um 1970159, dass sie „höchstens die Tradition für sich“ habe160. Das Formerfordernis sei ersatzlos zu streichen, zumindest aber auf das Verfügungsgeschäft zu beschränken. Auch der 55. Deutsche Juristentag 1984 in Hamburg votierte mehrheitlich für eine Abkehr vom Formzwang161. In der Folgezeit war es vor allem die Unternehmenspraxis, die zunächst vereinzelt162, ab dem Jahre 2000163 bis zur jüngsten Modernisierung des GmbH-Rechts164 zunehmend die Beurkundungspflicht kritisierte und zum Teil die ersatzlose Streichung des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG forderte165. Inhaltlich war die Kritik durchaus vielfältig. Bemängelt wurde erstens, dass aufgrund des auf schuldrechtlicher Ebene geltenden Vollständigkeitsgrundsatzes166 auch sämtliche Nebenabreden beurkundet und verlesen werden müssen, was zu überlangen Vorlesezeiten und unnötigen Kosten führe167. Zweitens sei nicht nachvollziehbar, weshalb zwar die Übertragung von GmbH-Anteilen formbedürftig sei, nicht aber die Übertragung von Aktien sowie die Anteile an 158
Rechtshistorische Hinweise bei Kecker, Fungibilisierung, S. 9 ff. Zur damaligen Reformdebatte ausf. Fleischer, in: MünchKommGmbHG, Einl. Rn. 99 ff. 160 Lutter, Probleme, 1970, S. 63, 86. 161 Schlussabstimmung, DB 1984, 2186 f. 162 Exemplarisch Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 226 f.; Meyer-Cording, BB 1982, 896, 897 f.; siehe aus der Wissenschaft Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181 ff., vgl. schließlich noch Kecker, Fungibilisierung, S. 117 ff., der für die Einführung einer Anteilsgesellschaft als Sonderform der GmbH mit handelbaren Anteilen plädiert. 163 Siehe etwa Heidenhain, NJW 1999, 3073, 3077; dens., ZIP 2001, 721 ff.; dens., ZIP 2001, 2113 f.; Loritz, DNotZ 2000, 90, 95 ff., 109; Binz/Mayer, NJW 2002, 3054; König, ZIP 2004, 1838 ff., 1842; Happ, ZHR 169 (2005), 6, 23 ff. 164 Zusf. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 25; siehe ferner exemplarisch Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 316; (beschränkt auf § 15 Abs. 4 GmbHG) Bayer, notar 2007, 41, 44; DAV NZG 2007, 211 Tz. 129 ff.; J. Vetter, notar 2007, 31, 34 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 5; Dyhr, Formgebot, S. 147 f. 165 Dagegen wiederum das notarielle Schrifttum; siehe nur Wicke, ZIP 2006, 977, 979 ff.; Heckschen, NotBZ 2006, 381, 383; zuvor bereits Kanzleiter, ZIP 2001, 2105 ff.; Priester, DNotZ 2001, Sonderheft, S. 52, 59 f. 166 Dazu ausf. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 49; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 106 ff.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 15 Rn. 36; aus der Rechtsprechung siehe BGH NJW 1996, 3338, 3339; 2002, 142, 143; kritisch Heidenhain, NJW 1999, 3073 ff.; den Vollständigkeitsgrundsatz verteidigend Walz/Fembacher NZG 2003, 1134 ff. 159
VI. Übertragung von GmbH-Anteilen
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Personengesellschaften168. Drittens seien die mit den Formvorschriften ursprünglich intendierten Zwecke nicht erreicht worden und im Übrigen aus heutiger Perspektive überholt169. Und viertens wird überhaupt der auf Erschwerung der Zirkulationsfähigkeit von GmbH-Anteilen gerichtete Formzweck als „von vornherein illegitim“170 oder „schlechthin unzulässig“171 bezeichnet172. b) Stellungnahme Im Rahmen der Stellungnahme ist in mehrfacher Hinsicht zu differenzieren. Zum einen danach, ob sich die rechtspolitische Kritik auf das (schuldrechtliche) Verpflichtungs- oder das (dingliche) Verfügungsgeschäft bezieht. Zum anderen sind die anerkannten Formzwecke des § 15 Abs. 3 GmbHG – Transaktionserschwerung und Beweissicherung – streng auseinander zu halten. Und zum dritten darf die Kritik, die im Allgemeinen an der Ausgestaltung des Beurkundungsverfahrens geübt wird, nicht mit der Kritik am Formzwang für Anteilsübertragungen speziell im GmbH-Recht vermengt werden. aa) Beweisfunktion Bemerkenswert ist zunächst, dass sich die Kritik ganz überwiegend gegen die Formbedürftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts gem. § 15 Abs. 4 GmbHG richtet. Zwar wird in Bezug auf die Formpflicht des § 15 Abs. 3 GmbHG ebenfalls kritisiert, dass sich der ursprüngliche Normzweck der Vorschrift, den spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen zu unterbinden, überholt habe. Im gleichen Atemzug wird allerdings regelmäßig zugestanden, dass die notarielle Beurkundung des Verfügungsgeschäfts im Interesse einer effektiven Beweissicherung auch weiterhin von Wert sei und deshalb nicht fallen dürfe173. 167 Siehe Bayer, notar 2007, 41, 44; Binz/Mayer, NJW 2002, 3054, 3054 f.; Haidenhain, ZIP 2001, 721, 725 m. Fn. 33; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 8, 66b; vgl. noch Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 49; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 113 ff.; Happ, ZHR 169 (2005), 6, 27 f.; siehe schließlich mit anschaulichen Beispiele aus der unternehmensberatenden Praxis J. Vetter, notar 2007, 31, 31 f. 168 Loritz, DNotZ 2000, 90, 96: „keine in sich konsistente Systematik der Formbedürftigkeit gesellschaftsrechtlicher Übertragungsakte“; sachlich ebenso Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 5; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 316. 169 Haidenhain, ZIP 2001, 721 ff.; vgl. auch Loritz, DNotZ 2000, 90, 95 ff., 109; Happ, ZHR 169 (2005), 6, 24 f. 170 Heiss, Formmängel, S. 73. 171 Häsemeyer, Form, S. 174; ähnlich später ders., JuS 1980, 1, 2, der darauf hinweist, „daß die Form als Mittel zur Reglementierung oder Einschränkung von Geschäften schlechthin untauglich“ sei. 172 Für zulässig hält sie indes Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 93; vgl. auch Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 768 ff. 173 DAV NZG 2007, 211 Tz. 130; siehe auch Tz. 131: DAV schlägt ersatzlose Streichung des § 15 Abs. 4 GmbHG vor, aber unveränderte Beibehaltung des § 15 Abs. 3 GmbHG; in der Sache ebenso Bayer, notar 2007, 41, 44; J. Vetter, notar 2007, 31, 33; jetzt auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 6; anders noch Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 15 Rn. 6.
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Letzterem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die über das Verfügungsgeschäft ausgestellte notarielle Urkunde dient seit jeher dem Erwerber als zuverlässiger Nachweis der Anteilstransaktion gem. § 16 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft174. Nach Zulassung des redlichen Anteilserwerbs gem. § 16 Abs. 3 GmbHG hat sich die teleologisch-funktionelle Legitimationsbasis für die Beweisfunktion des § 15 Abs. 3 GmbHG nochmals verbreitert175. Die notarielle Beurkundung des Verfügungsvertrages bildet zum einen den Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Notars zur Einreichung der neuen Gesellschafterliste gem. § 40 Abs. 2 GmbHG. Zum anderen bietet das Formerfordernis eine besondere materielle Richtigkeitsgewähr für den beurkundeten Übertragungsvorgang176. Mit Recht wird in der rechtspolitischen Diskussion daher gerade im Hinblick auf § 16 Abs. 3 GmbHG für die Beibehaltung des Formerfordernisses gem. § 15 Abs. 3 GmbHG plädiert177. Schon im Hinblick auf die große praktische Bedeutung, die der Beweisfunktion für das GmbHRecht zukommt, kann die unionsrechtliche Zulässigkeit der formbedürftigen Anteilsübertragung im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV nicht zweifelhaft sein178. bb) Erschwerung des spekulativen Anteilshandels Weniger eindeutig, aber dennoch überzeugend begründbar, ist außerdem der teleologisch-historische Formzweck des § 15 Abs. 3 GmbHG, den spekulativen Handel mit GmbH-Geschäftsanteilen zu erschweren. Es steht außer Zweifel, dass die damit verbundenen Beeinträchtigungen der Zirkulationsfähigkeit von GmbH-Anteilen mit erhöhten Transaktionskosten verbunden sind, die neben den Notarkosten (in durchaus moderater Höhe179) auch den zeitlichen Aufwand betreffen. In rechtsökonomischer Hinsicht folgt hieraus aber nicht ohne weiteres die Ineffizienz der Formvorschrift. Stattdessen bewirkt die Formvorschrift zugleich eine Internalisierung der mit spekulativen Anteilsveräußerungen verbundenen Externalitäten. Externe Kosten verursachen insbesondere die
174 Vgl. RGZ 167, 162, 170; BGHZ 13, 49, 52; Winter/Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 111; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 774; Dyhr, Formgebot, S. 38; vgl. ferner Rodewald, GmbHR 1995, 718. 175 Dezidiert Bayer, DNotZ 2009, 887, 888 f.; ders., notar 2007, 41, 44; J. Vetter, notar 2007, 31, 33; siehe ferner Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 4 a.E., 9; Heckschen, NotBZ 2006, 381, 383. 176 Vgl. König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 882; Mauch, ZVglRWiss 106 (2007), 272, 295. 177 Wie hier auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 1; ders., notar 2007, 41, 44; J. Vetter, notar 2007, 31, 33; letztlich auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 5. – Lutter, in: Probleme, S. 233 wies im Rahmen der Diskussion zu seinem Referat im Jahre 1969 darauf hin, dass, sollte ein gutgläubiger Erwerb von Mitgliedschaftsrechten eingeführt werden, „der Formpflicht bei der Abtretung wieder eine tragende Funktion zuwachsen“ könnte. 178 In diese Richtung ist auch EuGH, NJW 2007, 3051 Tz. 54 zu verstehen; ebenso Reichert/ Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 115 m. Fn. 313. 179 Zur Kostenfrage ausf. Kanzleiter, ZIP 2001, 2105, 2111; Wicke, ZIP 2006, 977, 981.
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durch Fluktuationen im Gesellschafterbestand in die Unternehmensverfassung der GmbH hineingetragene Unruhe und Fehlanreize180: Die GmbH ist nach ihrem gesetzlichen Leitbild als personalistische Gesellschaftsform ausgestaltet, bei der die Mitgliedschaft ihrer Gesellschafter auf Dauer angelegt ist. Ein ständig wechselnder Mitgliederbestand droht insbesondere, die kontinuierliche Verfolgung einer nachhaltigen Geschäfts- und Unternehmenspolitik zu beeinträchtigen. Die Gesellschafter können nämlich aufgrund der im GmbH-Recht bestehenden Satzungsautonomie (vgl. § 45 GmbHG) sowie mittels Weisungsrecht gem. § 37 Abs. 1 GmbHG unmittelbar und jederzeit auf die Geschäftsführung einwirken und Sie nach ihren Vorstellungen beeinflussen. Ein spekulativer Handel mit GmbH-Anteilen birgt vor diesem Hintergrund die nicht gering zu schätzende Gefahr, dass die Gesellschafter ihr Weisungsrecht dazu ausnutzen, kurzfristig den Gewinn des Unternehmens und den Wert ihrer Beteiligung zu mehren und umgekehrt die Interessen der übrigen an der GmbH beteiligten Personengruppen, namentlich Minderheitsgesellschafter und Gläubiger, hintanzustellen. Soweit die eingeschränkte Umlauffähigkeit von GmbH-Anteilen dem Schutz von Anleger- und Gläubigerinteressen181 dient, steht sie sogar im öffentlichen Interesse182. Dieser – überindividuelle – Gehalt der Formvorschriften lässt schließlich klarwerden, dass allein die privatautonome Möglichkeit, Übertragungen von GmbH-Anteilen gem. § 15 Abs. 5 GmbHG an die Zustimmung der Gesellschaft zu binden, zur Vermeidung der erwähnten Gefahren schwerlich ausreicht183. Durch die besondere Gefahrenlage unterscheidet sich das überwiegend frei gestaltbare GmbH-Innenrecht von der stark reglementierten Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft, die durch eine ausdifferenzierte Gewaltenteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung gekennzeichnet ist (vgl. § 23 Abs. 5 AktG)184, und in puncto Anlegerschutz für börsennotierte Gesellschaften noch weiter durch das spezialgesetzlich näher ausgeformte Kapitalmarktrecht ergänzt wird185. Noch schwerer wiegt indes die Bedeutung der ungehinderten Übertragbarkeit von Aktien für die Kapitalsammelfunktion der Aktiengesellschaft186. In Form der AG organisierte Unternehmen sind darauf 180 Dazu und zum Folgenden auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 41 f.; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 769 f.; Großfeld/Berndt, RIW 1996, 625, 629; König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 883. 181 Vgl. Harke, WM 2004, 357, 358; Mankowski, JZ 2010, 662, 667. 182 Dazu allgemein Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 93; vgl. noch Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 768 ff. in Auseinandersetzung mit Häsemeyer, Form, S 189 f. iVm. S. 174. 183 So aber Lutter, Probleme, S. 63, 85; dem folgend Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 15 Rn. 9. 184 Das Gewaltenteilungssystem wurde durch das Aktiengesetz von 1937 geschaffen; zu den dahinter stehenden Grundgedanken ausf. Lieder, Aufsichtsrat, S. 342 ff. 185 Zur Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Überblick siehe Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 248 ff. 186 Zu diesem Leitbild der AG siehe Henssler/Wiedemann, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht II, 1. Kap. Rn. 18; Habersack, in: MünchKommAktG, Einl. Rn. 5; K. Schmidt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Einl. Rn. 2; Bayer, Verhandlungen 67. DJT I, E10.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
angewiesen, sich schnell am Kapitalmarkt frische Geldmittel beschaffen zu können. Anleger werden Risikokapital aber nur dann zur Verfügung stellen, wenn sie ohne zusätzliche Formkosten einfach investieren und desinvestieren können. Notarielle Formerfordernisse würden die börsenmäßige Handelbarkeit der Aktie weitgehend zum Erliegen bringen. Die volkswirtschaftlichen Einbußen wären unüberschaubar. Mangels Börsengängigkeit der GmbH besteht für eine formlose Übertragung von GmbH-Anteilen kein vergleichbares Bedürfnis. Auch ein Vergleich mit der (formfreien) Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften geht fehl187. Gläubigerinteressen sind dort bereits aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter (vgl. § 128 S. 1 HGB) hinreichend geschützt. Die Haftungssanktion sorgt in der Praxis dafür, dass die personelle Zusammensetzung von OHG und BGB-Gesellschaften verhältnismäßig stabil ist. Das gilt umso mehr, als die scharfe Haftungsfolge nicht nur künftige Verbindlichkeiten (Neuschulden), sondern gem. § 130 HGB (analog) auch sämtliche bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten umfasst (Altschulden)188. Hinzu kommt, dass die Aufnahme neuer Gesellschafter sowie die Übertragung von Personengesellschaftsanteilen grundsätzlich der Zustimmung sämtlicher (Alt-)Gesellschafter bedürfen189. Die Gefahr einer diskontinuierlichen Geschäftsführung ist demnach schwerlich zu besorgen. Gleiches gilt für den Erwerb von Kommanditbeteiligungen. Zwar kann der Kommanditistenbestand einer Publikums-KG in der Praxis durchaus erheblichen Veränderungen unterliegen. Indes sind die Anlagegesellschafter nach § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen, so dass sie auf die Gesellschaftsleitung keinen Einfluss nehmen können. Zum Schutz der vermögensrechtlichen Interessen der Anlagegesellschafter hat die Rechtsprechung seit den 1970er Jahren außerdem im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ein austariertes Sonderrecht für Publikumspersonengesellschaften entwickelt190. Anlegergesellschafter sind auf diese Weise insbesondere durch die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen geschützt191. Die Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf den Beitritt zu Publikumspersonengesellschaften192 dient in diesem Zusammenhang nicht nur den Interessen der bereits an der Gesellschaft beteiligten Anleger, sondern insbesondere auch Gläubigerinteressen. Wenn weiterhin kritisiert wird, der Normzweck, die Handelbarkeit von GmbH-Anteilen zu unterbinden, sei in praxi nicht erreicht worden und über187
Siehe dazu auch König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 883. Zur Anwendung der §§ 128 ff. HGB analog auf die BGB-Gesellschaft siehe nur BGHZ 154, 88; 154, 370; 172, 169; BGH NJW 2006, 765. 189 Vgl. nur Ulmer/Schäfer, in: MünchKommBGB, § 719 Rn. 21; Grunewald, Gesellschaftsrecht, § 1 Rn. 136; Bitter, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 108. 190 Dazu ausf. Hopt, FG BGH II, S. 497 ff.; ders., WM 2009, 1873, 1876 ff.; Wiedemann, FS Priester, S. 857 ff.; zusf. Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 254. 191 BGHZ 64, 241; 84, 15; 102, 172; 104, 50; zusf. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Anh § 177a Rn. 68. 192 BGHZ 148, 201; zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht EuGH NJW 2010, 1511; umgesetzt durch BGH NJW 2010, 3096. 188
VI. Übertragung von GmbH-Anteilen
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haupt durch Formvorschriften nicht erreichbar193, dann wird dabei übersehen, dass das Beurkundungserfordernis nicht darauf abzielt, den Handel mit GmbH-Anteilen vollständig zum Erliegen zu bringen. Vielmehr ist der Normzweck des § 15 Abs. 3 GmbHG darauf gerichtet, den Handel (lediglich) zu erschweren und zu verlangsamen, so dass ein Markt für spekulative Anteilstransaktionen unterbunden wird. Soweit die Formerfordernisse in der Praxis umgangen werden, ist dies kein Grund vor diesem Missstand zu kapitulieren und die Formregeln ersatzlos zu streichen. Stattdessen ist nach juristischen Wegen zu suchen, Schlupflöcher nach Möglichkeit zu stopfen. Aufgerufen sind hierzu Rechtsprechung und Wissenschaft gleichermaßen, in letzter Konsequenz aber auch der Gesetzgeber. Dass die Rechtsprechung in der Lage ist, Umgehungskonstellationen zu sanktionieren, wird später noch am Beispiel der Abtretung von Übertragungsansprüchen gezeigt194. Bei der Formbedürftigkeit der Anteilsübertragung handelt es sich auch nicht um einen deutschen Sonderweg. Vielmehr belegt ein rechtsvergleichender Blick in das benachbarte Ausland, dass zahlreiche europäische Rechtsordnungen zur Übertragung von Geschäftsanteilen entweder die notarielle Beurkundung des Übertragungsgeschäfts (z.B. Österreich, Niederlande, Spanien) oder zumindest die notarielle Beglaubigung der Unterschriften des privatschriftlichen Abtretungsvertrags (z.B. Polen und Italien) verlangen195. Dass Investoren das Formerfordernis als lästig empfinden, ist mit Blick auf den Formzweck nicht zu bemängeln, sondern gerade symptomatisch dafür, dass die Formvorschriften ihren Zweck erfüllen und den spekulativen Handel mit GmbH-Anteilen eindämmen. cc) Reform des Beurkundungsverfahrens In der Summe sprechen also gute Gründe für die Legitimation des Formerfordernisses gem. § 15 Abs. 3 GmbHG (Verfügungsebene) aus dem Gedanken der Erschwerung spekulativer Anteilstransaktionen. In Bezug auf das Formerfordernis gem. § 15 Abs. 4 (Verpflichtungsebene) mag man dies anders sehen196. Zudem gehört die Sinnhaftigkeit des Beurkundungsverfahrens auf den Prüfstand gestellt. Schließlich zielt ein Teil der eingangs zusammengestellten Kritik auf allgemeine Gesichtspunkte des Verfahrens ab. In diesem Zusammenhang ginge es indes zu weit, wenn man die Form der notariellen Beurkundung – jedenfalls soweit es § 15 Abs. 3 GmbHG anlangt – durch Textform gem. § 126b BGB ersetzen wollte197. Damit wäre insbesondere die im Hinblick auf die Legitimationswirkung der Abtretungsdokumente so wichtige Beweisfunktion des 193
Vgl. nur König, ZIP 2004, 1838, 1839; Happ, ZHR 169 (2005), 6, 24 f. Dazu unten § 9 VI. 3. 195 Dazu eingehend Kalss, Übertragung, 2003, S. 11 f.; Wachter, in: Schröder, GmbH, 2005, S. 27, 59 f.; Wicke, ZIP 2006, 977, 980 mit Fn. 32. 196 Siehe Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 4, 9; Jasper, in: MünchHdbGmbH, § 24 Rn. 42; erwägend auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 9; Happ, ZHR 169 (2005), 6, 29. 197 So für das Verpflichtungsgeschäft die in Fn. 196 Genannten. 194
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§ 15 Abs. 3 GmbHG nicht zu verwirklichen. Gerade im Hinblick auf die Gewährleistung materieller Richtigkeit führt an der Beteiligung des Notars auch in Zukunft kein Weg vorbei. Denkbar wäre es aber durchaus, die Form der notariellen Beurkundung durch öffentliche Beglaubigung zu ersetzen, wie es während des Gesetzgebungsverfahrens zum MoMiG erwogen worden ist198. Der MoMiG-Gesetzgeber stellte diesen Punkt aber letztlich zurück und verwies darauf, dass die „gebotenen Änderungen“ in einem „geplanten Gesetz zur Erleichterung von beurkundungsrechtlichen Vorschriften untergebracht werden“ sollten199. Ein entsprechendes Entlastungsgesetz ist allerdings bis heute nicht auf den Weg gebracht worden200. Dieses Desiderat gilt es bei nächster Gelegenheit zu beseitigen. Denn eine Deregulierung des beurkundungsrechtlichen Verfahrens tut not. Sie könnte helfen die überschießenden, heute nicht mehr zeitgemäßen Tendenzen des Beurkundungsrechts einzudämmen. Auf den Prüfstand gehören namentlich der Vollständigkeitsgrundsatz201 und die Vorlesungspflicht des § 13 BeurkG.
3. Abtretung des Übertragungsanspruchs Abschließend ist die rechtsdogmatische Bedeutung der GmbH-rechtlichen Formerfordernisse am Fall der Abtretung des Anspruchs auf Übertragung von Geschäftsanteilen zu exemplifizieren. Diese Rechtsfrage steht hier beispielhaft für eine wahre Fülle von Auslegungsfragen, die anhand der für legitim erachteten Funktionen des Formerfordernisses zu beantworten sind202. Ob auch die Zession des auf GmbH-Anteile bezogenen Übertragungsanspruchs der notariellen Beurkundung bedarf, war lange Zeit sehr umstritten203. Während das Reichsgericht die Formbedürftigkeit des Abtretungsgeschäfts in wortlautgetreuer Interpretation der § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG ursprünglich verneinte204, ist seit BGHZ 75, 352 für die Praxis geklärt, dass die Zession solcher Übertragungsansprüche formbedürftig ist und ein Verstoß gem. § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit führt. Der ganz überwiegende Teil des Schrifttums ist dem 198 BR-Drucks. 354/1/07, S. 18; dazu auch Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 3; Winter, in: Gehrlein, GmbHG, § 15 Rn. 2. 199 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 26. 200 Vgl. auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 9. 201 Dieser Aspekt betrifft allein das Verpflichtungsgeschäft. Auf das Verfügungsgeschäfts findet der Vollständigkeitsgrundsatz keine Anwendung; vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 70; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 15 Rn. 125; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 56; Winter/Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 132; Wiesner, NJW 1984, 95, 97. 202 Zur Relevanz des Normzwecks im Überblick Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 20. 203 Vor BGHZ 75, 352 für Formbedürftigkeit Ganssmüller, GmbHR 1956, 44; Schlüter, FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359, 361; a.A. Winter, in: Scholz, GmbHG, 6. Aufl., § 15 Rn. 28. 204 RGZ 80, 99, 103; RG JW 1912, 1109; dagegen schon Schlüter, FS Bartholomeyczik, S. 359, 364 f.
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gefolgt205. Nur vereinzelt wird heute noch die Auffassung vertreten, die Abtretung des Übertragungsanspruchs sei – vorbehaltlich unzulässiger Umgehungsgestaltungen – formfrei gültig206. Dies indes zu Unrecht: Die Erschwerungsfunktion des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG erzwingt die Einhaltung des notariellen Beurkundungserfordernisses, und zwar sowohl für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft. In konsequenter Fortschreibung der Erkenntnisse zu §§ 311b Abs. 1 S. 1, 925 Abs. 1 BGB ist hier wiederum zwischen der Formbedürftigkeit des (schuldrechtlichen) Kausalgeschäfts und des (verfügenden) Erfüllungsgeschäfts streng zu unterscheiden. Diese Unterscheidung sucht man im modernen Schrifttum vergebens207. In der Folge besteht Unsicherheit über die Frage, ob § 15 Abs. 3 oder § 15 Abs. 4 GmbHG auf das Fallbeispiel zur Anwendung gelangen soll. Nach Maßgabe des Trennungs- und Abstraktionsprinzips führt an einer differenzierenden Betrachtung letztlich kein Weg vorbei: Soweit es um die Formbedürftigkeit der Verpflichtung zur Abtretung des Übertragungsanspruchs geht, kann sich das Formerfordernis nur analog § 15 Abs. 4 GmbHG ergeben, während für die Formbedürftigkeit der Abtretung als Verfügungsgeschäft nur die entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 GmbHG in Betracht kommt. In Abweichung zur Übertragung des Auflassungsanspruchs erzwingt der – de lege lata auf die Erschwerung des Anteilsverkehrs gerichtete (Erschwerungsfunktion) – Formzweck des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG für beide Regelungsebenen die Erstreckung der Formvorschrift auf den Übertragungsanspruch. Der Normzweck, einen schwunghaften Handel mit GmbH-Anteilen zu verhindern, ist nämlich auch dann tangiert, wenn nicht der Geschäftsanteil als solcher übertragen wird, sondern der auf seine Verschaffung gerichtete schuldrechtliche Anspruch. Andernfalls könnte über den Umweg der Abtretung von Übertragungsansprüchen – entgegen des Normzwecks der Formvorschrift – ein Markt für Übertragungsansprüche geschaffen werden, der bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise letztlich auf den Umsatz von GmbHAnteilen gerichtet ist208. Dem Regelungsziel, die Entstehung eines solchen Marktes zu verhindern, wird die Gegenauffassung, die im Einzelfall über die Anwendung der Formvorschriften entscheiden will209, nicht gerecht. Nur eine unterschiedslose Erfassung der Abtretungsgeschäfte verhindert die Schaffung besagten Marktes. Das gilt umso mehr, wenn man gewärtigt, dass der übertragene Anspruch den Erwerber in die Lage versetzt, sich den GmbH-Anteil unmittelbar zu verschaffen. Der 205 Aus dem Schrifttum statt der ganz h.M.: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 30; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 15 Rn. 87, 122 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 15 Rn. 26; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 45; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 67. 206 So heute noch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 94. 207 Vgl. aber aus der älteren Literatur Schlüter, FS Bartholomeyczik, S. 359, 364 f. 208 BGHZ 75, 352, 354 f., siehe ferner Kecker, Fungibilisierung, S. 111. 209 Siehe nochmals Fn. 206.
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§ 9 Prinzip der Formfreiheit
Verschaffungsanspruch ist letztlich reines Transportvehikel für den GmbHAnteil. Durch die anschließende Realisierung der schuldrechtlichen Verpflichtung wird der Erwerber zum GmbH-Gesellschafter und kann nach allgemeinen Grundsätzen auf die Unternehmensleitung einwirken, und zwar mit sämtlichen Gefahren, die sich hieraus für eine kontinuierliche Geschäftsführung ergeben und die zu verhindern, Kernanliegen der Formbestimmung ist.
VII. Zusammenfassung und Folgerungen Die rechtsgeschäftliche Sukzession ist gekennzeichnet durch den Grundsatz der Formfreiheit. Das rechtssystematische Fundament der Formfreiheit bilden die Privatautonomie und die Sukzessionsfreiheit. Inhaltlich zielt das Formfreiheitsprinzip darauf ab, den mit der Einhaltung besonderer Formerfordernisse verbundenen Aufwand zu vermeiden. Denn je geringere Anforderungen an den Sukzessionstatbestand gestellt werden, desto freier können Wirtschaftsgüter zirkulieren und desto geringer ist die Gefahr, dass Transaktionen an einem nicht oder nicht vollständig verwirklichten Tatbestandsmerkmal scheitern. Es liegt in der Konsequenz von Privatautonomie und Sukzessionsfreiheit, die Beteiligten selbst darüber entscheiden zu lassen, in welcher Form sie miteinander interagieren möchten (vgl. §§ 125 S. 2, 127 BGB). Aber auch das Gesetz knüpft bedeutsame Rechtsgeschäfte zuweilen an spezielle Formvorschriften. Sie dienen der Sicherheit des Rechtsverkehrs und können helfen, zwischen den Vertragsparteien bestehende Informationsasymmetrien abzubauen und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu gewährleisten. Allerdings stehen Formerfordernisse stets in dem Spannungsverhältnis zwischen Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit, das durch die konkrete Ausgestaltung der Sukzessionstatbestände und ihrer Formerfordernisse aufzulösen ist. Den Zielkonflikt zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers. Aber auch der Rechtsanwender hat das Optimierungsproblem im Rahmen der teleologischen Interpretation von Formvorschriften zu berücksichtigen. Da Formpflichten stets mit einer Erschwerung des Rechts- und Handelsverkehrs verbunden sind, bedürfen sie einer besonderen Rechtfertigung. Diese Grundsätze werden von einer ökonomischen Analyse der Formfrage bestätigt. Die rechtspolitische Sinnhaftigkeit von Formvorschriften beurteilt sich anhand einer Gesamtabwägung, in die sämtliche Kosten und aller Nutzen einzustellen sind, die zugunsten von Formfreiheit und Formzwang zu Buche schlagen. Im Allgemeinen gilt: Je geringer der Wert des Verfügungsgegenstands, desto stärker beeinträchtigen Formkosten die Motivation der Vertragsparteien eine Transaktion durchzuführen. Alltägliche Massengeschäfte, vor allem solche von geringer wirtschaftlicher Bedeutung, sollten daher von jeglichen Formerfordernissen freigestellt werden. Umgekehrt fallen Formkosten kaum ins Gewicht, wenn über besonders wertvolle und (oder) volkswirtschaftlich besonders bedeutsame Vermögenspositionen verfügt wird. Angesichts der rechtssystema-
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tischen und rechtsökonomischen Bedeutung der Formfreiheit ist es nur konsequent, dass Mobiliarerwerb und Abtretung sowie Schuld- und Vertragsübernahme keinen besonderen Formvorschriften unterstehen. In Bezug auf die Zielrichtung der Formerfordernisse ist nach Maßgabe des Trennungs- und Abstraktionsprinzips zwischen dem (obligatorischen) Verpflichtungs- und dem (dinglichen) Verfügungsgeschäft zu differenzieren: Während Formregeln auf schuldrechtlicher Ebene typischerweise auf den Schutz vor unüberlegten und übereilten Transaktionen abzielen (Warnfunktion) sowie der Beratung und Belehrung der Vertragsparteien zu dienen bestimmt sind (Beratungsfunktion), liegt der Schwerpunkt der auf Verfügungsebene angesiedelten Formvorschriften auf einer rechtssicheren Dokumentation der erzielten Parteiabreden sowie auf Prozessvermeidung, -verkürzung und -vereinfachung (Beweisfunktion). Die Beweisfunktion dient außerdem der materiellen Richtigkeit und Verlässlichkeit der Führung öffentlicher Register, die ihrerseits mit Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen ausgestaltet sind. Dieser Zusammenhang lässt sich sowohl für die Formbedürftigkeit der Auflassung (§ 925 Abs. 1 BGB) in Verbindung mit dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§§ 891 ff. BGB) als auch für die Abtretung von GmbH-Anteilen (§ 15 Abs. 3 GmbHG) in Verbindung mit dem redlichen Anteilserwerb gem. § 16 Abs. 3 GmbHG nachweisen. Die Zielrichtung der Formerfordernisse ist auch maßgeblich für die analoge Anwendung der Formerfordernisse. Wiederum sind die beiden Regelungsebenen streng auseinander zu halten. Das zeigt sich deutlich am Beispiel der Abtretung von Verschaffungsansprüchen. So unterliegt das Verpflichtungsgeschäft zur Abtretung des Auflassungsanspruchs – entgegen der h.M. – dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, während die Abtretung des Auflassungsanspruchs als Verfügungsgeschäft weder von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB noch § 925 Abs. 1 BGB erfasst wird. Entsprechendes gilt für die Übernahme der Übereignungspflicht sowie des ganzen Grundstückskaufvertrages. Wiederum sind die jeweiligen Verpflichtungsgeschäfte analog § 311b Abs. 1 S. 1 BGB formbedürftig, während sich Schuld- und Vertragsübernahme als Verfügungsgeschäfte formlos vollziehen. Besonderheiten gelten für die Übertragung von GmbH-Anteilen. Deren Formbedürftigkeit gem. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG zielt nach dem Willen des historischen Gesetzgebers auf eine Erschwerung des spekulativen Handels mit Geschäftsanteilen ab (Erschwerungsfunktion). Daneben dient das auf Verfügungsebene angesiedelte Formerfordernis des § 15 Abs. 3 GmbHG außerdem der Beweissicherung und -erleichterung sowie der Klarstellung der Rechtsverhältnisse an Geschäftsanteilen im Allgemeinen (Beweis- und Klarstellungsfunktion). Soweit die Formregeln darüber hinaus einen faktischen Schutz vor übereilten Anteilstransaktionen verbürgen (Übereilungsschutz), handelt es sich um einen bloßen Rechtsreflex. Das Formerfordernis des § 15 Abs. 3 GmbHG ist primär im Hinblick auf seine Beweis- und Klarstellungsfunktion, aber auch mit Blick auf die Erschwe-
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rung des Anteilstransfers rechtspolitisch überzeugend. Für § 15 Abs. 4 GmbHG bestehen indes Zweifel. Jedenfalls sollte der Gesetzgeber bei nächster Gelegenheit eine Deregulierung des Beurkundungsverfahrens ernstlich in Betracht ziehen. In rechtsdogmatischer Hinsicht verlangt die Erschwerungsfunktion die analoge Anwendung der Formregeln auf die Verpflichtung zur Abtretung des Anteilsübertragungsanspruchs (§ 15 Abs. 4 GmbHG) sowie auf die Abtretung als Verfügungsgeschäft (§ 15 Abs. 3 GmbHG).
§ 10 Publizitätsprinzip Nachdem der Fokus bisher auf Struktur- und Wertungsprinzipien lag, die sämtlichen Erscheinungsformen der rechtsgeschäftlichen Sukzession gemeinsam sind, wird mit dem Publizitätsprinzip in diesem Abschnitt ein Strukturprinzip gewürdigt, das eine Besonderheit der sachenrechtlichen Sukzessionstatbestände darstellt. Das Publizitätsprinzip begegnet uns in zwei grundlegenden Spielarten, und zwar zum einen bei der Immobiliarübereignung in Form des Eintragungsprinzips und zum anderen beim Mobiliarerwerb in Gestalt des Traditionsprinzips1. Während das Eintragungsprinzip im deutschen Liegenschaftsrecht de lege lata streng durchgeführt ist und auch de lege ferenda zu überzeugen vermag (II.), wird die Bedeutung des Traditionsprinzips (III.) maßgeblich von seinen Ausnahmen und Durchbrechungen bestimmt, deren rechtstatsächliches Ausmaß die rechtspolitische Legitimation des Traditionsprinzips zunehmend verblassen lässt (IV.). Besonderheiten gelten für die Publizitätserfordernisse der Mobiliarverpfändung, die de lege ferenda ebenfalls zu hinterfragen sind (V.). Es ist nicht übertrieben, in diesem Zusammenhang von einer existenziellen Krise des Traditionsprinzips zu sprechen. Sie lässt sich nur überwinden, wenn man bereit ist, die funktionelle Ausrichtung des Traditionsprinzips am Koordinatensystem des modernen Geschäftsverkehrs auszurichten und eine Reihe hergebrachter Erkenntnisse zu überdenken. Dementsprechend wird im Folgenden für ein restriktives Verständnis des Übergabeerfordernisses eingetreten, dessen primäre Funktion nicht in der Offenlegung sachenrechtlicher Verhältnisse besteht, sondern im Interesse des Verkehrs- und Erwerberschutzes liegt. Zunächst gilt es allerdings die maßgeblichen Grundlagen des Publizitätsprinzips offen zu legen:
I. Grundlagen und Funktionen Die Übereignungstatbestände des Sachenrechts bedürfen zu ihrer Wirksamkeit neben der stets erforderlichen – zum Teil formbedürftigen2 – verfügenden Einigung der Parteien vielfach eines besonderen Publizitätsakts. In diesem Zusammenhang ist pointiert vom „einheitlichen Doppeltatbestand der Verfügung“3 1 Hinzu kommen noch die Anzeigeerfordernisse gem. §§ 1205 Abs. 2, 1280 BGB: siehe unten § 10 V. 4. 2 Siehe oben § 9 V.
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§ 10 Publizitätsprinzip
oder dem „dualistischen Prinzip des deutschen Sachenrechts“4 die Rede. Die sachenrechtlichen Sukzessionstatbestände bestehen demnach aus einem rechtsgeschäftlichen Willenselement und einem – unterschiedlich ausgestalteten – tatsächlichen Vollzugselement. In diesem Punkt unterscheidet sich das deutsche Recht maßgeblich von Rechtsordnungen, wie etwa Frankreich und den Vereinigten Staaten, die – dem Konsensualprinzip folgend – auf eine nach außen hervortretende Kenntlichmachung der Rechtsänderung dem Grunde nach verzichten5.
1. Publizitätsprinzip und Offenkundigkeit sachenrechtlicher Verhältnisse Nach herkömmlicher Interpretation zielt das sachenrechtliche6 Publizitätserfordernis darauf ab, für Offenkundigkeit der an körperlichen Gegenständen bestehenden Verhältnisse zu sorgen, mit anderen Worten: der Sinneswahrnehmung verschlossene Rechtsverhältnisse durch den Einsatz äußerer Rechtszeichen sinnlich wahrnehmbar zu machen7. Schon die Motive zum BGB forderten die „Öffentlichkeit der Rechtsverhältnisse“ ein8. Repräsentativ für dieses tradierte Verständnis stehen die rechtspolitischen Überlegungen von Hermann Krause aus dem Jahr 19399: „Der Gedanke der Offenkundigkeit ist altes deutsches Rechtsgut und wird auch noch von der überwiegenden Meinung als wertvoll anerkannt. Dingliche Rechtsänderungen berühren schon ihrem Wesen nach wegen ihrer absoluten Wirkung die Allgemeinheit und bedürfen deshalb nach Möglichkeit der Erkennbarkeit.“
Vergleichbare Ausführungen zum Publizitätsprinzip in seiner Deutung als Offenkundigkeitsprinzip10 finden sich heute in zahlreichen Lehrbüchern11 ebenso 3 So Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 2; vgl. weiter Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 4, 7; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 15; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 3; Heck, Sachenrecht, § 55, 1; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 10; monografisch Quantz, Besitz (2005). 4 So Pfeifer, in: Staudinger, BGB, Vor § 925 Rn. 2. 5 Dazu im Einzelnen Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 121 ff. 6 Zum Publizitätsprinzip im Privatrecht allgemein siehe im Überblick Merkt, Unternehmenspublizität, S. 17 ff. 7 Quantz, Besitz, S. 25. 8 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 9, speziell zum Immobilienrecht. 9 Krause, AcP 145 (1939), 312, 314 plädiert im Anschluss daran für die Stärkung des Übergabeerfordernis im Mobiliarsachenrecht. 10 So etwa Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 9; Berger, in: Jauernig, BGB, Vor § 854 Rn. 4; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 9; Prütting, Sachenrecht, Rn. 38. 11 Siehe etwa die besonders deutliche Formulierung von Crome, System III, 1906, S. 83 f.: „Es besteht das Bedürfnis, die gegen Alle wirkenden dinglichen Rechte auch für Alle erkennbar zu machen. Sollen dritte Personen das Recht respektieren, so muß auch die Möglichkeit gegeben werden, sich über den Bestand des Rechts zu unterrichten“; siehe weiter Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 9; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 10; Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 4 d.
I. Grundlagen und Funktionen
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wie in der modernen Kommentar-12 und Aufsatzliteratur13. Exemplarisch für das Schrifttum bemerkt Hanns Prütting in seinem sachenrechtlichen Standardlehrbuch14: „Es ist naheliegend, daß die schuldrechtlichen Beziehungen, die nur die beiden Partner berühren, nach außen nicht in Erscheinung treten müssen, weil sie weder Wirkungen für Dritte entfalten noch die Belange Dritter in der Weise berühren, daß diese einen Anspruch auf Kenntnisnahme hätten. Dagegen sollen dingliche Rechte, die jedermann respektieren muß, auch für dritte Personen erkennbar sein.“
Ein in diesem Sinne verstandenes Publizitätsprinzip bereitet indes Schwierigkeiten15: Wenn ein dingliches Recht aufgrund seiner absoluten Wirkung gegenüber jedermann erkennbar sein soll, dann mag es nicht recht einleuchten, warum ein dingliches Recht gegenüber einem Dritten auch dann seine volle Wirksamkeit entfaltet, wenn es im Einzelfall – und die nachfolgende Untersuchung wird zeigen, dass die Einzelfälle gerade beim Mobiliarerwerb zahlreich sind, – nicht erkennbar ist. Forderte man auf dem Boden der h.M. nämlich aufgrund der absoluten Wirkung dinglicher Rechte, dass sie nach außen in Erscheinung treten, dann wäre einem dinglichen Recht konsequenterweise die Wirkung zu versagen, wenn es ausnahmsweise einmal nicht nach außen hervortritt. Diese Konsequenz wird indes nirgends gezogen. So kann sich namentlich der Sicherungseigentümer auf seine Rechtsinhaberschaft berufen und seine Eigentümerinteressen gegen die Angriffe Dritter abwehren, obgleich seine Eigentümerstellung nach außen nicht hervortritt, sondern nur aufgrund weiterer Nachforschungen für Dritte erkennbar wird. Umgekehrt ist es freilich ebenso wenig zielführend, die Wirksamkeit dinglicher Rechte tatbestandlich uneingeschränkt von deren Erkennbarkeit gegenüber Dritten abhängig zu machen; ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit wäre die notwendige Folge. Träte die Rechtsänderung an dem Gegenstand nämlich erst in dem Zeitpunkt ein, in dem der Vorgang nach außen allgemein erkennbar ist, würde der Rechtsverkehr hierdurch signifikant verlangsamt und erschwert. Mit der eingangs entworfenen Maxime der Sukzessionsfreiheit ist ein solches Ergebnis schwerlich in Einklang zu bringen. Die weniger strenge Durchführung des Publizitätsprinzips nach Maßgabe der §§ 929 ff. BGB ist einer strikten, die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen erheblich beschränkenden Ausgestaltung allemal vorzuziehen. Allerdings entfernt sich diese Spielart des Publizitätsprinzips von ihrer herkömmlichen Legitimationsgrundlage: der Offenkundigkeit absolut wirkender dinglicher Rechte; ihre rechtspolitische Sinnhaftigkeit muss daher insgesamt zweifelhaft erscheinen. 12 Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 9; Berger, in: Jauernig, BGB, Vor § 854 Rn. 4; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht, Rn. 40; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 56. 13 Hromadka, JuS 1980, 89, 90; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 576. 14 Prütting, Sachenrecht, Rn. 38. 15 Gedankenreich dazu Hedinger, Publizitätsdenken, S. 7 ff.
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§ 10 Publizitätsprinzip
2. Herleitung aus dem Absolutheitsprinzip Angesichts der allgegenwärtigen Unterscheidung zwischen obligatorischen und dinglichen Vermögensrechten kann es nicht verwundern, dass die ganz überwiegende Auffassung der Verlockung erlegen ist, das Publizitätsprinzip aus dem „absoluten“ Charakter von Sachenrechten abzuleiten16. Dafür scheint vordergründig auch die Realtypik publizitätspflichtiger Verfügungen zu sprechen, da sich ihr tatsächliches Vorkommen im Bürgerlichen Recht auf die sachenrechtlichen Übereignungstatbestände beschränkt, während schuldrechtliche Verfügungen dem Grunde nach ohne zusätzliches Vollzugselement auskommen (vgl. § 398; §§ 414, 415 BGB). Die Herleitung des Publizitätsprinzips aus der absoluten Wirkung dinglicher Rechte stößt indes auf durchgreifende Bedenken17: Zur Dichotomie der Vermögenspositionen wurde bereits herausgestellt, dass von der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrechten einzig der unmittelbare Sachbezug dinglicher Rechte übrigbleibt und sich Besonderheiten primär aus der Körperlichkeit der sachenrechtlichen Verfügungsgegenstände ergeben können18. Im Übrigen sind dingliche wie obligatorische Rechte ihrem jeweiligen Inhaber gleichermaßen mit absoluter Wirkung zugeordnet. Die Rechtszuständigkeit des Sacheigentümers unterscheidet sich im Hinblick auf die strukturellen und funktionellen Charakteristika nicht von der Rechtszuständigkeit des Forderungsgläubigers. Für Schuld- und Sachenrechte gilt daher unterschiedslos das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung19. Da auch obligatorische Vermögensrechte ihrem jeweiligen Inhaber absolut zugeordnet sind und in diesem Sinne – ebenso wie dingliche Rechte – gegenüber jedermann wirken, müssen sie auch von jeder anderen Person respektiert werden. Machte man mit der Begründung der h.M. ernst, müssten daher auch schuldrechtliche Verfügungen nach außen kundgemacht werden. Davon hat der historische Gesetzgeber mit guten Gründen für den Regelfall abgesehen20. Eine Ausnahme macht § 1280 BGB für die Verpfändung von Forderungen. Allerdings zielt das Anzeigeerfordernis in diesem Kontext nicht darauf ab, die Bestellung des Sicherungsrechts offenkundig zu machen. Durch die Anzeige wird vielmehr der Pfandgläubiger vor einer schuldbefreienden Leistung des Forderungsschuldners an den Forderungsgläubiger geschützt21. 16
Statt der ganz h.M. siehe Henssler, in: Soergel, BGB, Vor § 929 Rn. 9; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 40; Prütting, Sachenrecht, Rn. 38; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 4 II 4; Einsele, JZ 1990, 1005, 1006 f.; Hromadka, JuS 1980, 89, 90; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 576; Wadle, JZ 1974, 689, 694; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 18. 17 Ablehnend auch Süß, FS Wolff, S. 141, 162 f.; Weber, Publizitätsprinzip, S. 89 f.; Füller, Sachenrecht, S. 250 ff. 18 Siehe oben § 2 II. 3. 19 Siehe oben § 2 II. 2. 20 Siehe etwa zur Entbehrlichkeit der schuldnerischen Zustimmung bei der Forderungszession oben § 4 II. 4. c). Diese Überlegungen können cum grano salis auf die hiesige Problematik übertragen werden. 21 Siehe unten § 10 V. 4.
I. Grundlagen und Funktionen
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Schließlich spricht gegen die Herleitung des Publizitätsprinzips aus der Absolutheit dinglicher Rechte, dass die nach außen kundgetane Mobiliarübereignung in der modernen Wirtschaftspraxis zunehmend ins Hintertreffen geraten ist. Die zentralen Ausnahmetatbestände der §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB setzen sich zum traditionellen, auf Offenkundigkeit gerichteten Verständnis des Publizitätsprinzips in einen unauflöslichen Widerspruch, der auch der Herleitung aus dem Absolutheitsprinzip die rechtssystematische Legitimationsgrundlage entzieht. Angesichts der weitreichenden Durchbrechungen des Traditionsprinzips im Mobiliarsachenrecht kann nicht verwundern, dass es bereits als „Atavismus des Sachenrechts“ gegeißelt und seine ersatzlose Streichung gefordert worden ist22.
3. Publizitätsprinzip und Sukzessionsfreiheit Entscheidend für die Funktion des Publizitätsprinzips ist die tatsächliche Bedeutung der gewährleisteten Publizität im Rechtsverkehr. Und auch wenn Form- und Publizitätserfordernisse in rechtsdogmatischer Hinsicht streng auseinander zu halten sind, ist beiden Merkmalen doch ihr ambivalenter Charakter gemein. Einerseits erleichtert und beschleunigt die Abwesenheit tatsächlicher Vollzugselemente den Güterverkehr, da zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen stets mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden sind und Transaktionen im Übrigen scheitern können, wenn besondere Publizitätserfordernisse nicht oder nur mangelhaft erfüllt sind. Je geringere Anforderungen also an einen Sukzessionstatbestand gestellt werden, desto freier können Wirtschaftsgüter zirkulieren und desto geringer ist das Risiko, dass Rechtsgeschäfte an einem nicht oder nicht vollständig verwirklichten Tatbestandsmerkmal scheitern23. Andererseits kann die Erkennbarkeit der an Gegenständen bestehenden Rechtsverhältnisse im Einzelfall zur Sicherheit des Rechts- und Handelsverkehrs beitragen24. Mustergültig verwirklicht ist dieser Gedanke im Immobiliarsachenrecht durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs25 sowie den daran anknüpfenden Gutglaubenserwerb26. Erneut kommt hier die das Sukzessionsrecht prägende Dichotomie von Verkehrsleichtigkeit und Verkehrssicherheit zum Ausdruck27, die – wie bereits im Zusammenhang mit dem Sukzessionsschutzprinzip28 sowie der Formfrage29 22 Besonders deutlich Süß, FS Wolff, S. 141; in der Sache ebenso Säcker, FS Georgiades, S. 359, 364; Füller, Sachenrecht, S. 550; scharfe Kritik auch bei Heck, Sachenrecht, § 56. 23 Siehe oben § 4 I. 4. und § 9 I. 24 Zur Verbindung von Publizität und Verkehrsschutz siehe auch Füller, Sachenrecht, S. 252 f. 25 Siehe unten § 10 II. 26 Dazu später unten § 11 III. 2. 27 Siehe oben § 4 I. 4. 28 Siehe oben § 4 II. 2. 29 Siehe oben § 9 II. 1.
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§ 10 Publizitätsprinzip
herausgestellt – als Optimierungsproblem (trade-off) zu begreifen ist, das durch die konkrete Ausgestaltung der Sukzessionstatbestände und ihrer Publizitätserfordernisse in Abhängigkeit vom jeweiligen Übertragungsgegenstand aufzulösen ist. Wiederum geht es um die richtige Balance: Ebenso wie ein Übermaß an Publizitätsregeln den Güterverkehr lähmen kann, ist ein Untermaß geeignet, wohlfahrtssteigernde Transaktionen zu unterbinden. Indes kann bei der Gesamtbetrachtung nicht zweifelhaft sein, dass der Sukzessionsfreiheit aufgrund ihrer systemprägenden Bedeutung der grundsätzliche Vorrang gegenüber sukzessionsbeschränkenden Publizitätserfordernissen gebührt. Publizitätsregeln bedürfen vor diesem Hintergrund stets einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Außerdem dürfen sie das zur Verwirklichung der mit ihnen erstrebten Zwecke notwendige Maß nicht überschreiten. Sie sind daher möglichst schonend und zurückhaltend zu installieren. Diesen Zielkonflikt zwischen Verkehrsleichtigkeit und Verkehrsschnelligkeit mit Blick auf zusätzliche Publizitätserfordernisse aufzulösen, berührt den Aufgabenbereich der Legislative30. Der Gesetzgeber muss die maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung zu einem angemessenen Ausgleich bringen. Aber auch der Rechtsanwender ist aufgerufen, im Rahmen einer teleologischfunktionalen Interpretation der Übertragungstatbestände das Optimierungsproblem mit Blick auf den tendenziellen Vorrang der Sukzessionsfreiheit zu bewältigen.
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs Im Immobiliarsachenrecht finden sich die hergebrachten Funktionen des Publizitätsprinzips31 mustergültig verwirklicht: Erstens hängt die Wirksamkeit der Grundstücksübertragung maßgeblich von der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch ab (§ 873 Abs. 1 BGB). Ohne Grundbucheintragung findet die rechtsgeschäftliche Einzelnachfolge nicht statt (Sukzessionswirkung)32. Zweitens knüpft an die Grundbucheintragung gem. § 891 BGB die gesetzliche Vermutung an, dass dem im Grundbuch Eingetragenen auch tatsächlich das dort verzeichnete Liegenschaftsrecht zusteht bzw. ein gelöschtes Recht nicht mehr besteht (Vermutungswirkung)33. Und drittens begründet der öffentliche Glaube des Grundbuchs nach §§ 892, 893 BGB die notwendige Legitimationsbasis für den redlichen Erwerb von Grundstücksrechten und sonstige Rechts-
30
Siehe zur Formfrage bereits oben § 9 II. 2. Dazu z.B. Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 56 ff.; Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 40; dies., Gestaltungsfreiheit, S. 126 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, Rn. § 4 Rn. 9 ff.; vgl. noch Martinek, AcP 188 (1988), 573, 577 ff. 32 Zur rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge siehe unten §§ 16 ff. 33 Vgl. etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rn. 12 ff.; § 10; Lüke, Sachenrecht, Rn. 36; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 54 ff. 31
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs
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geschäfte mit dem Eingetragenen (Gutglaubenswirkung)34. Im Folgenden wird zunächst ein Blick auf die rechtshistorische Entwicklung des Eintragungsprinzips geworfen (1.), um es im Anschluss daran einer rechtspolitischen und rechtsvergleichenden Würdigung zu unterziehen (2.). Das gewonnene – positive – Ergebnis wird anhand einer ökonomischen Analyse nochmals untermauert (3.).
1. Rechtshistorische Entwicklung Die konstitutive Wirkung der Grundbucheintragung blickt auf eine lange rechtshistorische Tradition zurück. Im römischen Recht vollzog sich die Übereignung von beweglichen und unbeweglichen Sachen noch nach parallelen Regeln, ohne dass Eintragungs- oder Registerpublizität vorgesehen war35. Das änderte sich im Mittelalter, als die Verbindung politischer Rechte mit dem Grundeigentum zur Entwicklung eines deutschen Sonderrechts für Immobiliargeschäfte führte. Kernanliegen der historischen Publizitätsmechanismen war die Offenlegung der an Grundstücken im Einzelnen bestehenden Rechtsverhältnisse, die für Bestandssicherheit sorgen und einer Verdunkelung der wahren Rechtsbeziehung durch Zeitablauf entgegenwirken sollte36. Für Offenkundigkeit sorgten zunächst schriftliche Urkunden sowie später – namentlich in den mittelalterlichen Städten – die Führung öffentlicher Grund- oder Schreinsbücher, in welchen die einzelnen Rechtsänderungen an Grundstücken vermerkt waren37. Während die Einschreibung ursprünglich nur deklaratorischer Natur war und Beweiszwecken diente, entwickelte sich die Eintragung mit der Zeit zu einem konstitutiven Merkmal der Rechtsänderung, so dass sich die Grundstücksübertragung zunehmend dualistisch durch (1.) Einigung vor dem Rat oder vor Gericht und (2.) Eintragung in ein öffentliches Buch vollzog38. Im Zuge der Rezeption des römischen Rechts wurde der Offenkundigkeitsgedanke im gemeinen Recht weitgehend zurückgedrängt39. In zahlreichen Partikularstaaten vollzog sich die Übereignung von Grundstücken – ebenso wie bei beweglichen Sachen – durch Einigung und Übergabe. Erst die Anstrengungen des preußischen Gesetzgebers im Zuge der Bewältigung der durch den 34
Dazu ausf. unten § 12. Dazu und zum Folgenden Motive zum BGB, Bd. 3, S. 9; aufschlussreich auch Kohler, in: MünchKommBGB, Vor § 873 Rn. 10 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 26; Stewing, Rpfleger 1989, 445 ff. 36 Vgl. Kohler, in: MünchKommBGB, Vor § 873 Rn. 9; Limmer, ERCL2013, 387, 397. 37 Zu einigen prominenten öffentlichen Urkundensammlungen Bauer, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl. A 20; vgl. ferner Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 569; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 26 II; Stewing, Rpfleger 1989, 445, 445 f.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 124 f. 38 Siehe Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 26 II 2. 39 Wegen der Einzelheiten siehe Motive zum BGB, Bd. 3, S. 9 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 26 III; Stewing, Rpfleger 1989, 445, 446. 35
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§ 10 Publizitätsprinzip
Dreißigjährigen Krieg ausgelösten Kreditkrise führten zur Rückbesinnung auf öffentliche Register, in welche die liegenschaftsrechtlichen Verkehrsgeschäfte einzutragen waren. In paradigmatischer Weise bediente sich die preußische Hypothekenordnung von 1783 zu diesem Zweck eines Hypothekenbuchs40. Hintergrund für die Offenlegung der an Grundstücken bestehenden Rechtsverhältnisse waren freilich nicht länger politische Gesichtspunkte, sondern die praktischen Bedürfnisse des Grundstücksverkehrs und des Realkredits. Die ursprüngliche Fokussierung der zeitgenössischen Register auf die Hypothek war deren herausragender Bedeutung als Verwertungsrecht in der damaligen Zeit geschuldet41. Die Beschränkung auf Sicherungsrechte brachte auch den Vorteil mit sich, dass dem zentralen Anliegen, die Realsicherung zu verbessern, entsprochen werden konnte, ohne noch wesentlich höhere Kosten für die katastermäßige Vermessung des gesamten Grundstücksbestandes aufwenden zu müssen42. Während in Preußen die Wirkungen des Hypothekenbuches zunächst auf die hypothekarischen Belastungen beschränkt blieben und für die Grundstücksübereignung im Übrigen das Traditionsprinzip des römischen Rechts galt (Pfandbuchsystem)43, erstreckten andere Partikularstaaten die Buchwirkungen auf sämtliche Rechtsverhältnisse an Grundstücken und verwirklichten so ein echtes Grundbuchsystem44. Die Entwicklung beruhte auf der Erkenntnis, dass die Offenlegung der an Liegenschaften bestehenden Belastungen nur einen, wenn auch bedeutsamen Teilbereich der Registerfunktion abbildete. Grundbücher sollten deshalb fortan außerdem der Bezeichnung von Grundstücken sowie der Feststellung des Grundeigentums dienen45. Wichtigste Implikation dieser Rechtsevolution war, dass nicht länger nur Belastungen, sondern auch Grundstücksübertragungen dem Eintragungsprinzip unterworfen wurden, um ein Auseinanderfallen von Buch- und wirklichem Eigentum effektiv auszuschließen. Preußen folgte dieser Entwicklung durch Erlass des epochemachenden Gesetzes über den Eigentumserwerb und den Erwerb dinglicher Rechte an Grundstücken von 187246, wonach zur Übereignung von Grundstücken neben der dinglichen Einigung (Auflassung) auch die Eintra-
40 Dazu näher Motive zum BGB, Bd. 3, S. 9 f.; Stewing, Rpfleger 1989, 445, 446; siehe weitere partikularrechtliche Vorschriften bei Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor § 873 Rn. 1; Bauer, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl. A 29 ff. – Zum Transkriptions- und Inskriptionssystems des 19. Jahrhunderts näher Lipp, FS Schapp, S. 363, 366. 41 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 19; siehe ferner Hedinger, Publizitätsdenken, S. 73. 42 Schubert, Entstehung, S. 99. 43 Zur Rechtslage unter Geltung des Preußischen Allgemeinen Landrechts siehe Landwehr, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 173, 182. Zur Geltung des Pfandbuchsystems in weiteren Partikularstaaten Schubert, Entstehung, S. 96 ff. 44 Ausf. dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 11 ff. 45 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 19. 46 Gesetz vom 5.5.1872, Preußische Gesetzessammlung 1872, S. 433 ff. – Zur Entstehung ausf. Landwehr, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik, S. 173, 183 ff.; vgl. weiter Schubert, Entstehung, S. 97 f.
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs
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gung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich war47. In anderen Partikularrechtsordnungen, namentlich den Hansestädten Hamburg und Lübeck, hatte die Eintragung hingegen formelle Rechtskraft, d.h., sie führte – ungeachtet der Wirksamkeit des dinglichen Vertrages – die Rechtsänderung herbei48. Im Anwendungsgebiet des französischen Rechts galt schließlich das Transkriptions- und Inskriptionssystem49. Danach erfolgte die Übereignung durch bloße Einigung; die Eintragung in das Transkriptionsregister hatte nur deklaratorischen Charakter; sie sicherte den Rechtserwerb für den Fall eines Doppelverkaufs ab.
2. Rechtspolitische Würdigung und Rechtsvergleich Vor diesem Hintergrund entschied sich der historische BGB-Gesetzgeber für die Verwirklichung des echten Grundbuchsystems preußischer Prägung. Er konnte sich dafür auf die Erkenntnis berufen, dass sich ein lückenloser Schutz des Grundstücksverkehrs nicht anders als mittels konstitutiver Eintragungswirkung bewerkstelligen ließe. In dem dualistischen Übereignungstatbestand des § 873 Abs. 1 BGB verband sich fortan das aus dem römischen Recht entlehnte Einigungsprinzip mit dem in den deutschen Partikularstaaten verwurzelten Eintragungsgrundsatz50. Beide Elemente des Sukzessionstatbestands – Einigung und Eintragung – sind konstitutiver Natur und für die Begründung und Übertragung von Grundstücksrechten von zentraler Bedeutung51. a) Bedeutung des Einigungsprinzips Auf die dingliche Einigung kann schon mit Blick auf die Grundstruktur der rechtsgeschäftlichen Sukzession nicht verzichtet werden52. In funktionaler Hinsicht verhindert das Einigungsprinzip zum einen, dass der Eigentümer sein Vermögensrecht ungewollt an einen Dritten verliert. Zum anderen bewahrt es potenzielle Erwerber davor, dass ihnen ein Vermögensrecht gegen oder auch nur ohne ihren Willen aufgedrängt wird. Dieser Schutzrichtung folgend existiert auch im Immobiliarsachenrecht zur Geltung des Einigungsprinzips keine taugliche Alternative. Es ist daher auch nicht überzeugend, Rechtsänderungen an Liegenschaften ausschließlich von der Grundbucheintragung abhängig zu machen, wie es das früher gebräuchliche System der formellen Rechtskraft in ein47 Dazu und zum Folgenden näher Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 2; Gergen, AcP 206 (2006), 624, 644 f.; aus der zeitgenössischen Rechtsprechung vgl. noch RGZ 28, 307, 309 f. 48 Vgl. nur Gergen, AcP 206 (2006), 624, 644. 49 Dazu Lipp, FS Schapp, S. 363, 366. 50 Dazu näher Schubert, Entstehung, S. 96 f., 107 f., 122 f. 51 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 2 spricht von den „zwei Säulen“ des Erwerbstatbestands; vgl. auch Schubert, Entstehung, S. 107 f. 52 Dazu ausf. oben § 6 I.
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§ 10 Publizitätsprinzip
zelnen deutschen Partikularstaaten53 sowie das auch heute noch in Australien und Teilen der Vereinigten Staaten anzutreffende Torrens-System54 vorsehen. Dieses Modell setzt sich nicht nur zu den Grundwertungen des Einigungsprinzips in Widerspruch, auch ist es nahezu ausgeschlossen, einmal ins Register gelangte Unrichtigkeiten im Nachhinein zu korrigieren. Die damit für den wahren Berechtigten verbundenen Härten sind durch die überindividuellen Bedürfnisse des Rechtsverkehrs an Sicherheit und Leichtigkeit schwerlich aufzuwiegen. Das gilt umso mehr, als selbst gefälschte Eintragungen nach diesem Prinzip volle Wirksamkeit erlangen und vom Rechtsverkehr akzeptiert werden müssen55. Im Vergleich dazu erweist sich die im deutschen Recht verankerte, gleichsam differenzierte Lösung als deutlich sach- und interessengerechter56, zumal sie dem wahren Berechtigten bei erkannten Unrichtigkeiten einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) und im Übrigen ein Widerspruchsrecht (§ 899 BGB) einräumt, mit deren Hilfe unrichtige Eintragungen aus dem Grundbuch entfernt werden können. b) Vorzüge des deutschen Grundbuchsystems im internationalen Vergleich Auf der anderen Seite schafft das Eintragungsprinzip eine sichere Grundlage für die an Immobilien bestehenden Rechtsverhältnisse und schützt so das Vertrauen auf die materielle Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchinhalts. Für das hohe Maß an sachlicher Verlässlichkeit bürgt die Einbeziehung des Grundbuchamts als hoheitliche Stelle sowie die Mitwirkung des Notars im Eintragungsverfahren57. Beide Aspekte formen eine tragfähige Legitimationsgrundlage für den öffentlichen Glauben des Grundbuchs, konkret die besagten Vermutungs- und Gutglaubenswirkung (§§ 891 ff. BGB). Es sind gerade jene weitreichenden Wirkungen der Grundbucheintragung, die das Grundbuchsystem deutscher Provenienz signifikant von in anderen Rechtsordnungen etablierten Publizitätssystemen unterscheiden58 und dem deutschen System einen hervorragenden internationalen Ruf eingebracht haben59. Ergänzt wird die rechtspolitische Überzeugungskraft des deutschen Grundbuchsystems durch weitere bedeutsame Gesichtspunkte: 53 Pointiert beschreiben Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 26 IV 1 die Wirkungsweise dieses Systems mit den Worten „Was im Buch steht, ist richtig, weil es darin steht“. 54 Zum Torrens-System ausf. Spellenberg, FS W. Lorenz, S. 779 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 500 ff.; vgl. noch Miceli/Sirmans, J. Real Estate Fin. & Econ. 10 (1995), 81, 81 f.; Bouckaert, in: Bouckaert, Property, S. 191, 193; Murray/Stürner, Notary, S. 128 f. 55 Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 26 IV 1. 56 Im Ergebnis auch Füller, Sachenrecht, S. 364. 57 Vgl. Bauer, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT I Rn. 34; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 7; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 870; Limmer, ERCL 2013, 387, 396 ff.; Eickelberg, Rpfleger 2013, 253, 255. 58 Dazu zusf. Kohler, in: MünchKommBGB, Vor § 873 Rn. 12 f. 59 Positiv etwa Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 2; Kohler, in: MünchKommBGB, Vor § 873 Rn. 13.
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs
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aa) Umfassende Dokumentation der Immobiliarsachenrechte Zuvörderst dokumentiert das Grundbuch sämtliche an Grundstücken bestehenden dinglichen Rechte. Es unterscheidet sich insofern von dem früher in Preußen60 und heute im Grundsatz noch in Spanien61 gebräuchlichen Pfandbuch, das nur die Belastungen mit Verwertungsrechten, namentlich Hypotheken, umfasst. Heute sind neben dem Eigentum am Grundstück auch die auf diesem lastenden Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten und Nießbräuche aus dem Grundbuch ersichtlich. Gleiches gilt für das Erbbaurecht und im Grundsatz auch für das Wohnungseigentum62. Die Vorteile einer umfassenden Dokumentation liegen auf der Hand: Will man unliebsame Schutzlücken im Bereich des Immobiliarsachenrechts vermeiden, führt an einer Erfassung sämtlicher Grundstücksrechte kein Weg vorbei. Zwar ist die katastermäßige Erfassung aller Liegenschaften mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Allerdings amortisieren sich diese Einmalkosten im Laufe der Zeit, weil sämtliche Marktakteure, die an späteren Übertragungs- und Belastungsgeschäften beteiligt sind, von der einmaligen Erfassung profitieren. Zudem wäre es auch aus rechtstechnischer Perspektive wenig einleuchtend, wenn zwar dingliche Belastungen, wie Grundschulden und Hypotheken, im Register vermerkt werden könnten, nicht hingegen auch Änderungen der Eigentümerstellung. Außerdem unterscheidet sich das Grundbuchsystem deutscher Prägung von den im angelsächsischen Ausland gebräuchlichen registers of deeds. Dort werden private Übertragungsurkunden in einem Register archiviert, ohne dass damit ein besonderer Vertrauenstatbestand verbunden wäre63. Das hat Auswirkungen insbesondere auf den öffentlichen Glauben, der bei den land records wesentlich schwächer ausgeprägt ist als nach deutschem Recht. Um die Berechtigung des Veräußerers zu verifizieren, muss deshalb im Vorfeld einer Übereignung das Archiv nach sämtlichen vorausgegangenen Übertragungsvorgängen und den übrigen auf das Grundstück bezogenen Geschäften durchsucht werden, und zwar immer und immer wieder für jede einzelne Transaktion, die mit Bezug auf das Grundstück stattfindet64. Im Anschluss daran prüft typischerweise ein Rechtsanwalt die rechtliche Wirksamkeit der Übertragungskette (chain of title). Außerdem sichern die Beteiligten die Grundstückstransaktion typischerweise noch versicherungstechnisch ab (title insurance), weil sich in den Unterlagen Fehler eingeschli60
Siehe oben § 10 II. 1. Dazu ausf. Füller, Sachenrecht, S. 257 f., auch zu den neuesten Rechtsentwicklungen und zur Anwendung in der Praxis. 62 Siehe dazu Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 90, 92; Stürner, in: Soergel, BGB, § 873 Rn. 26; Füller, Sachenrecht, S. 254. 63 Siehe etwa Janczyk, J. Legal Stud. 6 (1977), 213, 213 f.; dens., J. Legal Stud. 8 (1979), 569, 570 ff.; Murray/Stürner, Notary, S. 127 ff.; Limmer, ERCL2013, 387, 404 ff.; ferner Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 48 ff.; Hay, US-amerikanisches Recht, Rn. 472; Stürner, AcP 210 (2010), 105, 123. 64 Vgl. Lueck/Miceli, in: Polinsky/Shavell, Handbook, S. 216. 61
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chen haben können und bestimmte Grundstücksrechte nicht notwendigerweise dokumentiert sind65. Nach dem hergebrachten Modell dient die Versicherung dem Schutz des Erwerbers, der sein Eigentum an den wahren Berechtigten verliert, sollte dieser das Grundstück vom Erwerber herausverlangen. In diesem Fall wird der Erwerber durch Auszahlung der Versicherungsleistung geschützt66. Indes sind monetäre Kompensationen in vielen Fällen für einen effektiven Schutz des überindividuellen Interesses an der Sicherheit und Leichtigkeit des Grundstücksverkehrs unzureichend. Hinzu kommt die hiermit verbundene zusätzliche Kostenbelastung für die Beteiligten. Anstatt einer hoheitlichen Stelle führen Versicherungsgesellschaften Buch über Grundstückstransaktionen. Die Versicherungskosten plus Anwaltsgebühren, die für title research zu Buche schlagen, liegen in der Summe deutlich über den Kosten, die für Grundstücksübertragungen in Rechtsordnungen mit einem echten Grundbuchsystem in Gestalt von Notar- und Verfahrenskosten anfallen67. Berücksichtigt man schließlich noch die Bedeutung von Einstandserklärungen des Veräußerers für seine Berechtigung am Grundstück und dessen Belastungsfreiheit (warranty deeds)68, dann erweisen sich die angloamerikanischen Übertragungsmodalitäten von Liegenschaftsrechten im Vergleich zum Grundbuchsystem deutscher Provenienz als deutlich umständlicher und schwerfälliger69. bb) Zentrale Funktionen der Grundbucheintragung Eine weitere Besonderheit des deutschen Registersystems liegt in der konstitutiven Wirkung der Grundbucheintragung70. Eintragungen vollziehen nicht nur 65 Siehe etwa R. Posner, Analysis, S. 78; Miceli/Sirmans, J. Real Estate Fin. & Econ. 10 (1995), 81 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 531 f.; außerdem Murray/Stürner, Notary, S. 129 ff., die nachweisen, dass sich die Übertragungskosten aufgrund der Entwicklungen in der Versicherungsbranche in der jüngeren Zeit erheblich erhöht haben. Ebenda S. 210 sprechen die Autoren davon, dass sich die Versicherungsunternehmen parasitär verhielten („parasitical activity“). Vergleichbare Probleme sind dem deutschen Grundbuchsystem unter notarieller Beteiligung fremd. 66 Dazu Miceli/Sirmans, J. Real Estate Fin. & Econ. 10 (1995), 81. 67 Dazu ausf. Arruñada, J. L. Econ. & Org. 19 (2003), 401, 433 f.; ders., in: Ayotte/Smith, Handbook, S. 237, 245 f.; ferner Stürner, AcP 210 (2010), 105, 123; Limmer, ERCL2013, 387, 404 f.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 500. 68 Zu anderen Urkundenarten: Hay, US-amerikanisches Recht, Rn. 471. 69 Die rechtsökonomische Literatur hat sich vielfach mit den Kosten der einzelnen Modelle befasst. Das recording system angloamerikanischer Prägung schnitt dabei regelmäßig schlecht ab; grundlegend Janczyk, J. Legal Stud. 6 (1977), 213 ff.; siehe ferner dens., J. Legal Stud. 8 (1979), 569 ff.; aus neuerer Zeit siehe die eindrucksvolle Untersuchung von Arruñada, in: Ayotte/Smith, Handbook, S. 237, 245 ff. Damit in Einklang stehend weisen Miceli et al., J. L. & Econ. 45 (2002), 565 ff. nach, dass die Übernahme des Torrens system (dazu sogleich) anstelle des recording system zu einer signifikanten Erhöhung des Grundstückswerts führen würde. Für einen eingehenden Vergleich der Transaktionskosten im Grundstücksverkehr in Deutschland, Frankreich, England, Estland, Schweden und den Vereinigten Staaten siehe Murray, Conveyancing, S. 86 ff.; Murray/ Stürner, Notary, S. 148 ff. 70 Siehe insofern den Vergleich zwischen recording system und registration system bei Bouckaert, in: Bouckaert, Property, S. 191, 197 ff.; ferner Arruñada, in: Ayotte/Smith, Handbook, S. 237, 239 ff.
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs
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bereits außerhalb des Registers erfolgte Rechtsänderungen mit deklaratorischer Wirkung nach, wie es etwa beim französischen Transkriptionssystem der Fall ist71. Vielmehr führt erst die Eintragung im Grundbuch gem. § 873 Abs. 1 BGB die Änderung, namentlich den Übergang von Liegenschaftsrechten, herbei (Sukzessionswirkung). Umgekehrt ist jedweder rechtsgeschäftliche Singularerwerb von Grundstücksrechten außerhalb des Grundbuchs ausgeschlossen, was in der Konsequenz zu einem Gleichlauf von materieller Rechtsinhaberschaft und formellem Registerinhalt führt72. Erst diese Wirkung des Eintragungsprinzips verleiht dem Grundbuch dasjenige Maß an materieller Richtigkeit und Verlässlichkeit, das in rechtspolitischer Hinsicht für die Zulassung des redlichen Erwerbs von Liegenschaftsrechten und den Entzug des Eigentums beim wahren Berechtigten unabdingbar erforderlich ist73. Das Eintragungsprinzip bildet insofern die Grundlage für die materielle Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs als Rechtsscheinträger und den Gutglaubensschutz im Liegenschaftsrecht insgesamt74. Weil die Sukzessionswirkung allerdings erst mit dem letzten Teilakt des Übertragungstatbestands eintritt, also typischerweise mit Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch, nimmt das deutsche Grunderwerbssystem eine Schwebephase zwischen dem Abschluss der dinglichen Einigung und der Grundbucheintragung in Kauf. Hiermit verbundene Beeinträchtigungen der Erwerberinteressen werden durch eine Reihe von Sonderregelungen vermieden, und zwar (1.) durch Anerkennung der Bindungswirkung der dinglichen Einigung gem. § 873 Abs. 2 BGB75, (2.) mittels Unbeachtlichkeit nachträglicher Verfügungsbeschränkungen gem. § 878 BGB76 sowie (3.) durch Vorverlagerung des Gutglaubensschutzes gem. § 892 Abs. 2 BGB77. Die Wirkungen der – ebenfalls durch die konstitutive Wirkung der Grundbucheintragung implizierten – Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung (§ 925 Abs. 2 BGB)78 werden durch die Vormerkung als besonderes Sicherungsmittel (§ 883 BGB) abgemildert, wodurch der Erwerber seinen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch mit quasidinglicher Wirkung durchsetzen kann79. Schließlich entfaltet das Grundbuch materielle Publizitätswirkungen. Mit den Eintragungen sind namentlich Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen 71 Dazu näher Bärmann, AcP 155 (1956), 440 f.; Ferid/Sonnenberger, Zivilrecht, Kap. 3 C Rn. 13 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 255 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 504 f.; Spellenberg, FS W. Lorenz, S. 779, 790 ff.; Franzmann, MittBayNot 2009, 346, 349. 72 Vgl. auch Kohler, in: MünchKommBGB, Vor § 873 Rn. 14. 73 Vgl. Lieder, AcP 210 (2010), 857, 870; Walz, Systemdenken, S. 13. 74 Dazu näher unten § 11 III. 2. 75 Zur Dogmatik und rechtssystematischen Einordnung siehe oben § 6. IV. 2. 76 Siehe unten § 12 II. 3. 77 Zur Bedeutung des § 892 Abs. 2 BGB siehe Bassenge, in: Palandt, BGB, § 892 Rn. 25; Lorenz, in: Erman, BGB, § 892 Rn. 33 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 23 Rn. 33 f.; Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 83 Rn. 21. 78 Dazu oben § 6 III. 2. 79 Siehe oben § 4 III. 3. und unten § 15 VI. 4. b).
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verbunden, die dem deutschen Grundbuchsystem einen besonderen Rang einräumen und weder im angelsächsischen Deeds-Register-System80 noch im französischen Transkriptionssystem81 eine Entsprechung finden. Zum einen wird in Ansehung der Grundbucheintragungen gem. § 891 BGB die Richtigkeit der aus dem Grundbuch ersichtlichen (und nicht ersichtlichen) Rechtsverhältnisse am Grundstück vermutet (Vermutungswirkung). Zum anderen dient die Eintragung gem. §§ 892, 893 BGB als Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb von Liegenschaftsrechten (Gutglaubenswirkung). Diese herausragende Bedeutung des Gutglaubenserwerbs für die Sicherheit und Leichtigkeit des Grundstücksverkehrs ist Gegenstand eines späteren Abschnitts82.
3. Ökonomische Analyse des Eintragungsprinzips Die positive rechtspolitische Würdigung des immobiliarsachenrechtlichen Eintragungsprinzips wird durch eine ökonomische Analyse bestätigt. Die wirtschaftliche Bedeutung eines funktionsfähigen Grundbuchsystems hat bereits in den Gesetzesmaterialen erste Anklänge gefunden (a), ähnliche Argumente finden sich im traditionellen Schrifttum (b). Die eigentliche Bedeutung des Eintragungsprinzips in wirtschaftlicher Hinsicht enthüllt indes erst eine eingehende ökonomische Analyse, deren Erkenntnisse auf die Übertragung beweglicher Sachen ausstrahlen (c). a) Anklänge in den Gesetzesmaterialien In Auseinandersetzung mit den historischen Vorläufersystemen betonte der Gesetzgeber des BGB, dass die Einrichtung eines Grundbuchs schon aufgrund der absoluten Wirkung dinglicher Rechte erforderlich sei83. Es müsse nämlich verhindert werden, dass Personen durch den (vermeintlichen) Grundstückseigentümer über dessen Inhaberschaft sowie Belastungen des Grundstücks getäuscht würden84. Deshalb bedürfe es nach außen hin erkennbarer Merkmale, an denen potenzielle Erwerber den Eigentümer des Grundstücks sowie die Grundstücksbelastungen erkennen können85. In beinahe rechtsökonomischer Manier argumentierte die 1. BGB-Kommission weiter86:
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Dazu ausf. Hay, US-amerikanisches Recht, Rn. 473. Dazu ausf. Sturm, FS Ficker, S. 459, 471 f.; Ferid/Sonnenberger, Zivilrecht, Kap. 3 C Rn. 13 ff. 82 Siehe unten § 11. 83 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 16. 84 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 161. 85 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 162. 86 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 16. 81
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„Das Vorhandensein dieser Gefahr (scil.: daß ältere Rechte an dem Grundstücke begründet sind, welche den Erwerber von dem Rechtserwerbe ausschließen oder doch den Werth des Gegenstandes erschöpfen) mindert naturgemäß die Neigung, Grundstücke zu erwerben und zu beleihen, erschwert infolge dessen den Abschluss von Veräußerungsund Kreditgeschäften zu angemessenen Bedingungen und schädigt auf diese Weise das Interesse des Grundbesitzers auf das Empfindlichste.“
b) Wirtschaftliche Argumente im traditionellen Schrifttum Während Aspekte der Sukzessionsfreiheit im Mobiliarsachenrecht primär auf einen schnellen und ungehinderten Güterumsatz gerichtet sind, trägt das Eintragungsprinzip des Immobiliarsachenrechts maßgeblich dem Umstand Rechnung, dass mit Grundstücken über Gegenstände von erheblichem materiellen und immateriellen Wert verfügt wird. Schon Rudolf von Jhering betonte den „moralische(n) Einfluß, den das Grundeigenthum auf den Eigenthümer ausüben kann und soll“, und meinte damit „das Gefühl der Sicherheit, Freiheit, Unabhängigkeit, die Liebe und Anhänglichkeit zur Scholle“87. Heute steht der besondere Wert sowie die Wertbeständigkeit von Liegenschaften im Vordergrund88, die ihre Bedeutung auch in Zeiten wirtschaftlicher Krisenlagen kaum einbüßen. Denn anders als bewegliche Sachen ist das Grundeigentum nicht beliebig vermehrbar und angesichts seiner Lage, Beschaffenheit und individuellen Eigenschaften unikal89. In der Folge spielen Grundstücke im Privatrechtsverkehr und im modernen Wirtschaftsleben als Übertragungsgegenstand, aber auch als Kreditunterlage eine ganz herausragende Rolle90. Ob ihrer besonderen Wertbeständigkeit vermitteln Grundstücke dem Grundpfandgläubiger ein psychologisch besonders wertvolles Gefühl der Sicherheit. Hans Wolfsteiner spricht in diesem Zusammenhang pointiert davon, dass „(…) die Tatsache, an einem Grundstück gesichert zu sein, ein tief in das menschliche Bewusstsein eingegrabenes Sicherheitsgefühl verleiht, das durch keine andere Sicherheit ersetzt werden kann“91. Daraus folgt die herausragende Bedeutung von Liegenschaften als Grundlage für die reale Kreditsicherung. Sie sorgt für eine Mobilisierung von Grund und Boden, was wiederum für eine positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung unverzichtbar ist92. Darüber hinaus besteht im Grundstücksverkehr ein gesteigertes Interesse an der Beständigkeit des Rechtserwerbs, da Rückabwicklungsvorgänge hier vielfach mit größeren praktischen Schwierigkeiten verbunden sind als im Mobiliarsachenrecht93. Während Fahrniseigentum oftmals nur um seiner selbst willen 87 88 89 90 91 92 93
v. Jhering, Geist II/1, S. 227. Vgl. Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1113 Rn. 2; Spellenberg, FS W. Lorenz, S. 779. Vgl. Limmer, ERCL 2013, 387, 392. Siehe exemplarisch Sefrin, MittBayNot 2010, 268. Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor § 1113 Rn. 15 a.E. Vgl. Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor § 1113 Rn. 33; Limmer, ERCL 2013, 387, 389. Dazu schon Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 499.
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veräußert und erworben wird, stehen Grundstückstransaktionen nicht selten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit weiteren, sich an den Rechtserwerb anschließenden Transaktionen. Man denke etwa an den Erwerb eines Baugrundstücks oder die Belastung der Liegenschaft mit Sicherungsrechten. Registersysteme für Grundstücke fördern dementsprechend nicht nur die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs, sondern auch die Investitionsfreude des Grundstückserwerbers. Die besonders gelagerte Chancen- und Risikostruktur von Grundstückstransaktionen verlangt folgerichtig nach einer besonderen Sicherung der Bestandskraft von Grundstückstransaktionen94. c) Grundbuchsystem für Liegenschaftsrechte Das Liegenschaftsrecht steht paradigmatisch für die Erkenntnis, dass die Leichtigkeit und Sicherheit des Rechtsverkehrs keineswegs immer dann optimal gewährleistet ist, wenn sich eine Transaktion nach dem reinen Konsensprinzip vollzieht und neben der verfügenden Einigung keine weiteren Voraussetzungen erfüllt sein müssen95. aa) Kosten von Registersystemen Ausgangspunkt der Betrachtung sind aber gleichwohl – gerade mit Blick auf die bereits erwähnte Bedeutung der Sukzessionsfreiheit96 – die mit der Installation des Eintragungsprinzips verbundenen Transaktionskosten. Das betrifft sowohl die (einmaligen) Aufwendungen für die Einrichtung des Grundbuchsystems und die erstmalige Registrierung der Grundstücke97 als auch die (laufenden) Kosten für die Eintragung der jeweiligen Rechtsänderung98. Diese Kosten beeinflussen nach dem ökonomischen Modell ganz selbstverständlich die Motivation der Marktteilnehmer, registerpflichtige Gegenstände zu übertragen. Und ebenso wie für Formkosten gilt99: Je höher die mit der Transaktion verbundenen Kosten sind, desto seltener werden die Vertragsparteien einen gemeinsamen Gewinn aus der Transaktion erzielen: mit der Folge, dass nutzenmaximierende Austauschgeschäfte im Zweifel unterbleiben. Da die Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands negativ mit der Höhe der Transaktionskosten korreliert, bedeutet der Verzicht auf das Eintragungsprinzip bei unbefangener ökonomischer Betrachtung zunächst eine Verbilligung des Güterumsatzes, das steigert und beschleunigt die Güterzirkulation und trägt zu einer effizienten 94
So auch Spellenberg, FS W. Lorenz, S. 779, 780 m. Fn. 3. Wie hier auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 227; ferner Walz, Systemdenken, S. 16. 96 Siehe oben § 10 I. 3. 97 Diese Kosten verhindern in vielen Teilen der Welt noch immer, dass obligatorische Liegenschaftsregister geschaffen werden. Das gilt auch für die Überlegungen zur Einrichtung des Torrens-Systems in den Vereinigten Staaten; zu den Kosten vgl. Janczyk, J. Legal Stud. 6 (1977), 213, 220 ff. 98 Shavell, Foundations, S. 47. 99 Siehe oben § 9 III. 1. 95
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Allokation knapper Ressourcen bei. Außerdem paralysiert ein Verzicht auf das Eintragungsprinzip auch das Risiko, dass Rechtsgeschäfte an einer (versehentlichen) Nichtbeachtung des Eintragungserfordernisses scheitern. bb) Nutzen von Registersystemen Auf der anderen Seite liegen die maßgebliche Funktion und der Nutzen des Liegenschaftsregisters im Interesse der Parteien an einem bestandskräftigen Rechtsübergang. Namentlich der Erwerber ist daran interessiert, dass ihm das Grundstück nicht im Nachhinein (auf Betreiben des wahren Berechtigten) wieder entzogen werden kann100. Fehlte es an einem Grundbuchsystem und sind daher die an Liegenschaften bestehenden Rechtsverhältnisse für Marktteilnehmer nicht leicht zugänglich, müsste sich der Erwerber durch zeitlich wie finanziell aufwendige Nachforschungsmaßnahmen über die materielle Berechtigung des Veräußerers informieren. Zu diesem Zweck müsste er sämtliche, in der Vergangenheit liegende Übertragungsvorgänge identifizieren und auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen, um auf diese Weise die veräußererseitige Berechtigung zu verifizieren. Möchte er außerdem sicherstellen, lastenfreies Eigentum zu erwerben, müsste er außerdem untersuchen, ob das Grundstück in der Vergangenheit mit beschränkten dinglichen Rechten Dritter belastet worden ist. Nun ist schon unsicher, ob sich der Erwerber überhaupt von sämtlichen Rechtsgeschäften Kenntnis verschaffen und ihre rechtliche Wirksamkeit prüfen kann. Selbst wenn ihm dies jedoch gelingt, verbleibt stets ein nicht gering zu schätzendes Restrisiko, dass er entweder doch nicht sämtliche Übertragungsund Belastungsvorgänge hat ermitteln können oder dass seine rechtliche Prüfung fehlerhaft verlief. Muss der Erwerber das erlangte Grundstück aus diesem Grund an den wahren Berechtigten herausgeben und dessen Eintragung in das Grundbuch zustimmen, stehen dem Erwerber zwar schuldrechtliche Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer zu. Stets trägt er aber das Risiko der Uneinbringlichkeit solcher Ersatzansprüche, ohne dass ihm gegenüber dem wahren Eigentümer ein Zurückbehaltungsrecht zustünde (vgl. § 986 BGB). Die benannten Risiken schlagen sich in Form zusätzlicher Transaktionskosten nieder und verteuern Grundstücksgeschäfte. Verspricht die Transaktion infolgedessen für die Vertragsparteien objektiv keinen zusätzlichen Gewinn oder erscheint dem risikoaversen Erwerber auch nur das mit dem Rechtsgeschäft verbundene Verlustrisiko zu hoch, werden selbst nutzenmaximierende Grundstückstransaktionen nicht mehr durchgeführt101. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Marktmechanismen im Grundstücksverkehr ohnehin nur einge100 Die nachfolgende Argumentation weist signifikante Parallelen zur rechtsökonomischen Analyse des redlichen Erwerbs auf; vgl. dazu Lieder, AcP 210 (2010), 857, 862 f. Hieran sind auch die nachfolgenden Überlegungen angelehnt. 101 In diesem Zusammenhang spricht v. Hoffmann, Recht, 1982, S. 36 davon, dass die Übertragbarkeit von Grundeigentum durch Legitimationsschwierigkeiten praktisch ausgeschlossen sein kann. Allgemein dazu auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 227.
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schränkt funktionieren, da Liegenschaften oftmals einzigartige Charakteristika aufweisen und daher nicht substituierbar sind102, von der mangelnden Vermehrbarkeit von Grund und Boden ganz zu schweigen. Die erhöhten Transaktionskosten schlagen sich außerdem in niedrigeren Grundstückspreisen nieder und führen im Ergebnis zu einer negativen Auslese (adverse selection), weil hochwertige Grundstücke tendenziell weniger häufig umgesetzt werden als Liegenschaften, die für einen geringen Preis gehandelt werden103. Potenzielle Käufer werden aufgrund der ohne Registersystem bestehenden Unsicherheit über die Eigentumsverhältnisse und Belastungen an Grundstücken nur noch bereit sein, niedrigere Preise zu bezahlen, zu welchen Veräußerer womöglich nicht bereit sein werden, die Immobilie zu veräußern. Verstärkt wird diese Tendenz weiter durch die bekannten Besitzeffekte, die auch für die Übertragung von Grundstücken transaktionshemmende Wirkung entfalten104. Außerdem beeinträchtigen die Preisabschläge die Tauglichkeit von Liegenschaften als reale Kreditgrundlage. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass durch die rechtssichere Belastung von Grundstücken mit Grundpfandrechten außerdem die Transaktionskosten für die Kreditfinanzierung gesenkt werden können105. Die durch die Unsicherheit verursachten Transaktions-, insbesondere Informationskosten106, werden durch die Geltung des Eintragungsprinzips ebenso effektiv vermindert wie die Risiken eines nachträglichen Rechtsverlusts. Tritt die Sukzessionswirkung an Grundstücksrechten nämlich nur dann ein, wenn die Rechtsänderung auch ordnungsgemäß im Grundbuch vermerkt ist, kann sich der Erwerber durch Einsichtnahme Kenntnis über die an einem Grundstück bestehenden Eigentums- und sonstigen Rechtsverhältnisse verschaffen. In Verbindung mit dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§§ 891 ff. BGB) darf der Erwerber darauf vertrauen, dass der im Register ausgewiesene Berechtigte auch tatsächlich Inhaber des Grundstücks ist. Das Eintragungsprinzip sorgt so für Rechtsbeständigkeit in dem Sinne, dass dem Erwerber das erlangte Grundstück im Nachhinein nicht wieder entzogen werden kann. Aufgrund dieser Absicherung der Grundstückstransaktion wird der Erwerber tendenziell bereit sein, für das Grundstück einen höheren Preis zu bezahlen. Außerdem wird durch die Rechtsbeständigkeit des Grundstückserwerbs auch die Investitionsfreude des Erwerbers und außenstehender Drittinvestoren gesteigert. Sie müssen nicht besorgen, dass sich ihre Verwendungen auf das Grundstück nachträglich als sinnlos herausstellen, weil sie jene andernfalls im Fall einer etwaigen Herausgabe an den wahren Berechtigten nicht ersetzt erhielten.
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Siehe auch Spellenberg, FS W. Lorenz, S. 779, 782; ferner v. Hoffmann, Recht, S. 4 f. Vgl. Arruñada/Garoupa, J. L. & Econ. 47 (2005), 709, 722 ff. 104 Siehe allgemein oben § 3 IV. 7. b). 105 Vgl. Arruñada, J. L. Econ. & Org. 19 (2003), 401; Arruñada/Garoupa, J. L. & Econ. 47 (2005), 709. 106 Vgl. Krimphove, Sachenrecht, S. 74. 103
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Die Identifizierungsfunktion öffentlicher Register dient allerdings nicht ausschließlich dem Erwerbsinteresse des Nachfolgers, sondern gleichermaßen dem Veräußerungsinteresse des Grundstückseigentümers107. Da sich potenzielle Erwerber ohne hinreichenden Nachweis der Berechtigung des Veräußerers auf das Grundstücksgeschäft nicht einlassen werden, hätte der Berechtigte ohne entsprechendes Registersystem erhebliche Schwierigkeiten, potenzielle Erwerber von seiner Berechtigung am Grundstück und womöglich von der Lastenfreiheit der Liegenschaft zu überzeugen. Aus rechtsökonomischer Perspektive stellt sich also das Problem und die Frage, wie der Veräußerer einem potenziellen Erwerber Berechtigung und Lastenfreiheit kostengünstig signalisieren kann (signaling problem)108. Gelöst wird das Problem durch die Eintragung von Eigentümerstellung und Belastungen in das Grundbuch. Indem das hoheitlich geführte Grundbuch dem Veräußerer eine einfache und kostengünstige Möglichkeit eröffnet, gegenüber dem Dritten den Nachweis seiner Berechtigung zu führen, wird die Informationsasymmetrie zwischen dem informierten Anbieter und dem uninformierten Nachfolger mit verhältnismäßig geringem Aufwand beseitigt und das Signalisierungsproblem gelöst. Die konstitutive Sukzessionswirkung der Grundbucheintragung entfaltet – ebenso wie die Publizitätswirkung des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1 HGB109 – außerdem einen heilsamen Druck auf die Erwerber von Grundstücksrechten (Druckfunktion). Hängt der Rechtserwerb nämlich von der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch ab, hat der Erwerber einen signifikanten wirtschaftlichen Anreiz, für eine sofortige ordnungsgemäße Grundbucheintragung zu sorgen110. Durch Herbeiführung der Grundbucheintragung sichert der Erwerber nicht allein seine Rechtsstellung als Inhaber des erworbenen Grundstücks; mit Blick auf die Vorschriften des redlichen Erwerbs von Liegenschaftsrechten sichert er gleichermaßen sein Erwerbsinteresse gegen drittgerichtete Verfügungen des Veräußerers ab. Zudem schaffen Vermutungs- und Gutglaubenswirkung des Grundbuchs für den materiellrechtlichen Inhaber eines Grundstücksrechts einen maßgeblichen Anreiz, das Grundbuch richtig zu halten111 und zu diesem Zweck gegebenenfalls den Grundbuchberichtigungsan-
107
Vgl. Holderness, J. Legal Stud. 14 (1985), 321, 339 f. Zum Problem allgemein Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell, Handbook, Vol. 1, 2007, S. 1, 34 ff.; mit Bezug auf Informationsasymmetrien im Servitutenrecht Dnes/Lueck, J. Legal Stud. 38 (2009), 89, 92: „title clouding“; Schmolke, WM 2010, 740, 743. 109 Ebenso K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 II 1 b; ders., DB 1994, 515, 519; ausf. ders., ZIP 2002, 413, 415 f.; ferner Ammon/Ries, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 15 Rn. 1; J. Koch, in: GroßkommHGB, § 15 Rn. 1; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 238 f.; Oetker, GS Sonnenschein, S. 635, 647, Leenen, in: Symposion Wieacker, S. 108, 124; Lieder, JbJZ 2010, S. 121, 127 f.; a.A. Krebs, in: MünchKommHGB, 2. Aufl., § 15 Rn. 6, der eine Berücksichtigung dieses Aspekts als teleologische Rechtfertigung der Norm ablehnt. 110 Wie hier auch Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 37; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 227, Fn. 84; vgl. noch Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl. B Rn. 8 ff. 111 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 559. 108
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spruch gem. § 894 BGB durchzusetzen oder zumindest einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs nach § 899 BGB eintragen zu lassen. Und schließlich senken öffentliche Register posttransaktionale Streitbewältigungskosten112. Da das Grundbuch sichere Auskunft über die Rechtslage an Grundstücken gibt und sich der Erwerber auf die materielle Richtigkeit der Eintragungen verlassen kann, werden nachvertragliche Rechtsstreitigkeiten vermindert. Entweder werden Prozesse bereits aufgrund der klaren Beweislage von vornherein überhaupt nicht angestrengt, oder sie können schnell und einfach anhand der Registerlage sowie der dort anknüpfenden Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen entschieden werden. Da das Grundbuch auch einfach zugänglich ist, verursacht eine Beweisaufnahme im Vergleich zur Zeugeneinvernahme verhältnismäßig geringe Prozesskosten. Die konstitutive Wirkung des Eintragungsprinzips sorgt folglich präventiv für ein höheres Maß an Rechtsund Verkehrssicherheit und vermindert nachtransaktionale Streitbewältigungskosten, die im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind. cc) Gesamtabwägung Öffentliche Register erweisen sich vor diesem Hintergrund nur dann als rechtsökonomisch sinnvoll, wenn die mit ihrer Einrichtung und ihrem Betrieb verbundenen Kosten durch konkrete Vorteile des Grundbuchsystems für die Absicherung von Erwerbsvorgängen aufgewogen werden113. In die Gesamtbetrachtung sind eine Reihe unterschiedlicher Gesichtspunkte einzubeziehen. Danach sollte das Eintragungsprinzip nur dann zum Einsatz kommen, wenn es um die Übertragung (1.) verhältnismäßig wertvoller und (2.) leicht zu identifizierender Gegenstände geht114, die sich (3.) durch relative Langlebigkeit auszeichnen und (4.) nur selten übertragen werden115. Für die Einrichtung eines Registersystems spricht es weiterhin, wenn an den fraglichen Gegenständen (5.) verschiedene (beschränkte dingliche) Rechte zulässigerweise begründet werden können116 und in der Praxis auch regelmäßig begründet werden sowie wenn schließlich (6.) die Auffindung der Sache in dem öffentlichen Register keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. 112 Siehe bereits die Parallelargumentation zur Formbedürftigkeit von Grunderwerbsverträgen oben § 9 III. 2. 113 Miceli/Sirmans/Kieyah, Am. L. & Econ. Rev. 3 (2001), 275, 279 („trade-off between increased security of title offered by a registration system and the higher administrative cost of operating it“); Krimphove, Sachenrecht, S. 73 f. 114 Zur Identifizierung von Sachen siehe Shavell, Foundations, S. 47; vgl. noch Bouckaert, in: Bouckaert, Property, S. 191, 196. 115 Shavell, Foundations, S. 50 betrachtet die Übertragungsfrequenz als einen Umstand, der mit der Notwendigkeit eines Registersystems positiv korreliert; a.A. Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 304; Miceli, in: Backhaus, Elgar Companion, S. 246, 253. Richtig ist, dass es keines Registers bedarf, wenn Sachen im Laufe ihrer Existenz so gut wie gar nicht übertragen werden. Umgekehrt ist eine Registrierung aber vollkommen impraktikabel, falls Gegenstände stets und ständig ihren Eigentümer wechseln. Vgl. weiter Bouckaert, in: Bouckaert, Property, S. 191, 196. 116 Vgl. auch Epstein, S. Cal. L. Rev. 55 (1982), 1353, 1354 f.
II. Das Eintragungsprinzip des Immobiliarerwerbs
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Diese Voraussetzungen sind bei der Übertragung und Belastung von Grundstücken mustergültig erfüllt117. Liegenschaften sind aufgrund ihrer Lage im Raum katastermäßig eindeutig bestimmbar. Auch sind die eingetragenen, an dem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse im Grundbuch leicht auffindbar. Die mit der Transaktion verbundenen Informationskosten fallen folglich kaum ins Gewicht. Zudem können an Grundstücken zahlreiche unterschiedliche (beschränkte dingliche) Verwertungs- und Nutzungsrechte begründet werden, die sich durch ihre Rangstellung voneinander unterscheiden. Während bewegliche Sachen und Forderungen nur mit Pfandrecht und Nießbrauch belastet werden können, können an Grundstücken neben Nießbrauch und den Grundpfandrechten Hypothek, Grund- und Rentenschuld, außerdem Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sowie Vorkaufsrechte und Reallasten bestellt werden. Diese Vielfalt unterschiedlichster Belastungen verlangt nach einer rechtssicheren Dokumentation, die das Grundbuch angemessen zu gewährleisten vermag. Außerdem spricht die besondere Werthaltigkeit und Wertbeständigkeit von Liegenschaften für die registermäßige Dokumentation von Rechtsänderungen. Deshalb fallen auch die für die Eintragung anfallenden (laufenden) Kosten im Vergleich zum Grundstückswert typischerweise kaum ins Gewicht118. Hinzu kommt schließlich, dass Grundstücke über eine lange Lebensdauer verfügen und Transaktionen über einzelne Liegenschaften – statistisch gesehen – etwa im Vergleich zu beweglichen Sachen nur selten vorkommen. Alle Gesichtspunkte sprechen im Ergebnis dafür, dass gerade im Grundstücksrecht die mit Registern verbundenen Kosten durch Vorteile an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, konkret durch eine Senkung von Transaktionskosten in Form von Informationskosten für Nachforschungsmaßnahmen und nachvertragliche Streitbewältigungskosten, aufgewogen werden119. Außerdem deuten verschiedene empirische Studien darauf hin, dass zwischen dem Schutz des Grundstückseigentums durch öffentliche Registersysteme und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einer Volkswirtschaft eine positive Korrelation besteht120. So wurde etwa das Fehlen eines hoheitlichen Registersystems in den meisten Entwicklungsländern mit ihrer schwachen volkswirtschaftlichen Performance in Verbindung gebracht121. Andere Untersuchungen belegen, dass der formale Schutz von Eigentumsrechten durch Registersysteme zur Wertsteigerung von Grundstücken beiträgt122. Die Gründe dafür sind darin 117 Für eine auf das US-amerikanische Recht bezogene Diskussion siehe Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 304 f.; vgl. noch Miceli, in: Backhaus, Elgar Companion, S. 246, 253; Holderness, J. Legal Stud. 14 (1985), 321, 339 f. 118 Siehe das Modell bei Miceli/Sirmans/Kieyah, Am. L. & Econ. Rev. 3 (2001), 275, 280. 119 Im Ergebnis ebenso Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 305; Walz, Systemdenken, S. 16. 120 Vgl. Miceli, in: Backhaus, Elgar Companion, S. 246, 254; Bouckaert, in: Bouckaert, Property, S. 191, 194 f. 121 Dazu ausf. de Soto, Freiheit, S. 58 ff., 75 ff. 122 Besley, J. Pol. Econ. 103 (1995), 903 ff.; Alston/Libecap/Schneider, J. L. Econ. & Org. 12 (1996), 25 ff.; Miceli/Sirmans/Kieyah, Am. L. & Econ. Rev. 3 (2001), 275 ff.
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§ 10 Publizitätsprinzip
zu sehen, dass durch Registersysteme der Schutz des Eigentums vor dem Zugriff Dritter gesichert ist und das Grundstückseigentum effektiver als Kreditsicherungsmittel eingesetzt werden kann. Empirisch belegbar ist schließlich der Zusammenhang zwischen öffentlichen Registersystemen und einer gesteigerten Bereitschaft für grundstücksbezogene Investitionen123. Zudem bestätigte eine empirisch-rechtsvergleichend angelegte Studie von Peter Murray die transaktionskostenspezifischen Vorteile des deutschen (und estnischen) Grundbuchsystems namentlich im Vergleich zum angelsächsischen Deeds-Register-System124.
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs Auch wenn das Eintragungsprinzip des Immobiliarsachenrechts und das Traditionsprinzip beim Mobiliarerwerb auf das allgemeine sachenrechtliche Publizitätsprinzip rückführbar sind, unterscheiden sich die beiden Teilgewährleistungen doch ganz erheblich. Als Publizitätselement dient im Mobiliarsachenrecht eben nicht die Eintragung einer Rechtsänderung in einem öffentlichen Register, vielmehr ist die Übertragung des Besitzes das zentrale Publizitätsmittel der rechtsgeschäftlichen Verfügung über bewegliche Sachen. Das Traditionsprinzip bildet aus rechtsvergleichender Perspektive das Gegenstück zum – beispielsweise im französischen Recht125 anzutreffenden – reinen Konsensprinzip126 und gilt sowohl für die translative als auch für die konstitutive Nachfolge, und zwar für die Grundform der Übereignung (§ 929 S. 1 BGB) sowie die Nießbrauchund Pfandrechtsbestellung an beweglichen Sachen (§§ 1032, 1205 BGB). Um die wahre Bedeutung des Traditionsprinzips auch nur näherungsweise ermessen zu können, führt an einer einführenden rechtshistorischen Betrachtung kein Weg vorbei (1.). Diese Überlegungen ebnen den Weg für eine Analyse der herkömmlich dem Traditionsprinzip zugewiesenen Funktionen (2.), um auf dieser Grundlage zu den modernen Funktionen des Übergabeerfordernisses vorzustoßen (3.). Im Anschluss daran wird das Traditionsprinzip einer ökonomischen Analyse unterzogen (4.). Und schließlich werden aus dem hiesigen Traditionsverständnis dogmatische Konsequenzen gezogen (5.).
123
Dazu näher Besley, J. Pol. Econ. 103 (1995), 903, 906 ff. Murray, Conveyancing, S. 10 f. und passim. Zu abweichenden Ergebnissen gelangt die Studie des ZERP, Conveyancing, S. 7 ff. und passim, wonach eine restriktive Regulierung des Grundstücksverkehrs mit niedrigen Transaktionskosten korreliert. Das deutsche System nimmt in dieser auf die reinen Rechtskosten beschränkten Untersuchung eine nur mittelmäßige Stellung ein. Das mag tatsächlich auf den von der Studien zu eng gewählten Fokus zurückzuführen sein; siehe auch die Kritik bei Knieper, Analyse, S. 44 f. 125 Zum französischen Recht etwa Ferid/Sonnenberger, Zivilrecht, 1 F Rn. 76, 78; Hübner/ Constantinesco, Einführung, S. 188; zu den Gründe dieser unterschiedlichen Entwicklung trotz gemeinsamer römischrechtlicher Wurzeln Wacke, ZEuP 2000, 254, 257 f.; Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 11 ff. 126 Dazu ausf. v. Tuhr, ZfranzR 30 (1899), 527, 528 f.; Süß, Festschrift M. Wolff, S. 141, 146 f. 124
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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1. Rechtshistorische Grundlagen Die Wiege des Traditionsprinzips steht in Rom. Schon unter Geltung des klassischen römischen Rechts wurden bewegliche Sachen durch Übergabe (traditio) vom Eigentümer auf den Erwerber übertragen127. Dieser Übereignungsmodus überdauerte viele Jahrhunderte und prägte später sowohl die Sachenrechte der Partikularstaaten128 als auch die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts129. a) Beratungen des Juristentags und der BGB-Kommissionen Paradigmatisch für die zeitgenössische Diskussion über die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des Traditionsprinzips waren die Verhandlungen des 14. und 15. Deutschen Juristentags 1878 und 1880 in Jena und Leipzig. Beide Male befassten sich die Teilnehmer mit der Frage, ob das Traditions- oder das reine Konsensprinzip das zukünftige Mobiliarsachenrecht beherrschen sollte130. In seiner Bestandsaufnahme zum damaligen Recht konstatierte der Gutachter Julius Petersen auf dem 14. Deutschen Juristentag mit Blick auf das schon damals vorherrschende Traditionsprinzip, „daß ein dingliches Recht mit seinem Anspruche auf allgemeine Geltung nur dann berücksichtigt werden könne, wenn es in einer Form auftritt, die es allgemein erkennbar macht“131. Weiter führte er aus132: „Es soll Jeder, der eine Sache kaufen, oder ein anderes Recht an derselben erwerben will, in die Lage gesetzt werden, zu beurtheilen, wem das Eigenthums- bezw. Verfügungsrecht zusteht, so daß die Gefahr, daß er mit dem Besitzer und anscheinenden Eigenthümer ein Rechtsgeschäft abschließt, und dann von dem wirklichen, plötzlich aus dem Dunkel hervortretenden, Eigenthümer evincirt wird, so viel als möglich ausgeschlossen wird. (…) Da das Eigenthum, wie jedes andere dingliche Recht, nicht blos bestimmten Personen, sondern Jedermann gegenüber wirksam sein soll, ist es ein gerechtfertigtes Verlangen, dass die Uebertragung desselben nicht in heimlicher Weise, sondern in bestimmten Formen vorgenommen werde, welche es für Jedermann erkennbar machen, daß ein Wechsel in der Person des Eigenthümers eingetreten sei.“
127 Dazu näher Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 2; Kaser/Knütel, Privatrecht, § 24 Rn. 10 ff.; Wieling, Sachenrecht I, § 1 III 1 a; Ferrari, ZEuP 1993, 52, 54 f.; Wacke, Besitzkonstitut, S. 6 ff.; ders., ZEuP 2000, 254, 257 f.; Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 11. 128 Dazu ausf. Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 885; Wacke, Besitzkonstitut, S. 4. 129 Grundlegend v. Savigny, System III, S. 312 f.; ders., Obligationenrecht II, S. 254 ff. 130 Das Traditionsprinzip stand im Mittelpunkt des 14. DJT; siehe die Gutachten von Bornemann, Verhandlungen 14. DJT I/1, S. 113 ff.; Seitz, ebenda I/2, S. 56 ff.; Petersen, ebenda, S. 163 ff. sowie die Referate von Albrecht, ebenda II, S. 26 ff.; Petersen, ebenda, S. 36 ff. mit Diskussionen ebenda S. 44 ff., 243 ff. Der 15. DJT beschäftigte sich vor allem mit dem Besitzkonstitut; siehe die Gutachten von Exner, Verhandlungen 15. DJT I, S. 3 ff.; Behrend, ebenda, S. 72 ff.; Leonhard, ebenda, S. 91 ff. und das Referat von Wiener, ebenda II, S. 84 ff. mit Diskussion ebenda S. 102 ff. – Zum Folgenden siehe auch Hedinger, Publizitätsdenken, S. 27 ff. 131 Petersen, Verhandlungen 14. DJT I/2, S. 167. 132 Petersen, Verhandlungen 14. DJT I/2, S. 181.
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Im gleichen Atemzug betont der Gutachter aber, dass im Gegensatz zur Eintragung in das Grundbuch im Mobiliarsachenrecht „die Tradition (…) in keiner Weise geeignet (sei), Publicität zu schaffen“133. Schon damals hatte man nämlich erkannt, dass Sachen nicht allein zu Übereignungszwecken den Besitzer wechseln, sondern auch zur Realisierung eines nur schuldrechtlichen Besitzrechts. Dass sich diese Auffassung gleichwohl nicht durchsetzen konnte, war letztlich dem Umstand geschuldet, dass Petersen nur für eine Minderheit der Juristentagsteilnehmer sprach, und zwar den Teil, deren Rechtsverhältnisse maßgeblich durch französisches Recht bestimmt waren, also die Rheinländer sowie die Bewohner Elsass-Lothringens und Badens. Die Mehrheit wollte hingegen an dem bekannten Traditionsprinzip festhalten, wie es in den großen Flächenstaaten, namentlich im einflussreichen Preußen und in Sachsen, seit jeher galt134. Da es den Vätern des BGB primär auf eine Rechtsvereinheitlichung und nicht so sehr auf eine Reformierung des geltenden Zivilrechts ankam135, folgte der historische Gesetzgeber der Mehrzahl der Partikularstaaten und etablierte das Traditionsprinzip im neuen Bürgerlichen Recht. In der Sache betonte die 1. BGB-Kommission die strukturelle Vergleichbarkeit der Publizitätserfordernisse im Mobiliar- und Immobiliarsachenrecht136 und begründete das Traditionsprinzip für die Übereignung beweglicher Sachen unter Hinweis auf das Eintragungsprinzip im Liegenschaftsrecht137: „Wie im Immobilienrechte das Eintragungsprinzip der Richtigerhaltung des Grundbuches und damit der Kundbarmachung des zeitigen Rechtsbestandes dient, so dient im Mobilienrechte das Traditionsprinzip ähnlichen Zwecken, indem es ein Auseinanderfallen von Besitz und Eigenthum thunlichst verhütet und in einer, wenn auch dem Grundbuche gegenüber unvollkommenen, aber doch immer von großem praktischen Werthe bleibenden Weise zur Kundbarmachung des zeitigen Rechtszustandes beiträgt.“
b) Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag (Einheitstheorie) Abgesehen von diesem Bekenntnis zum Traditionsprinzip lagen die rechtsdogmatischen Grundlagen des Übergabeerfordernisses indes lange Zeit im Dunkeln. Wieder einmal war es Friedrich Carl von Savigny, der in Auseinandersetzung mit römischrechtlichen Quellen der Eigentumsverschaffung durch traditio erste dogmatische Konturen verlieh. Er arbeitet heraus, dass die Übergabe selbst einen vom Verpflichtungsgeschäft verselbstständigten, abstrakten dingli133 Petersen, Verhandlungen 14. DJT II, S. 40, im Ergebnis ebenso Franken, Verhandlungen 15. DJT I, S. 132, 133 f. 134 Dazu instruktiv Wacke, Besitzkonstitut, S. 4. 135 Siehe nur Schubert, Entstehung, S. 181 f. 136 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344; insgesamt kritisch dazu Füller, Sachenrecht, S. 289 ff. – Zuvor hatte sich die 1. Kommission in den Vorberatungen bereits mehrheitlich gegen die Übernahme des französischen reinen Konsensprinzips ausgesprochen; vgl. dazu Schubert, Entstehung, S. 144 f. 137 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 333.
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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chen Vertrag (sic!) darstellte138. Einigung und Übergabe betrachtete er in diesem Sinne als einheitliches dingliches Rechtsgeschäft. Bernhard Windscheid entwickelte diese hier sogenannte Einheitstheorie fort und fasste ihre Grundzüge in seinem führenden Pandektenlehrbuch wie folgt zusammen139: „Die Willenserklärung unter Lebenden, daß das Eigenthum auf einen Andern übergehen solle, reicht als solche nicht aus, um den Uebergang des Eigenthums zu bewirken. Es muß 1) zu ihr hinzu kommen die Erklärung des Willens von Seiten dieses Andern, daß er das ihm übertragene Eigenthum erwerben wolle; mit anderen Worten, der Eigenthumsübergang setzt voraus einen Eigenthumsübertragungsvertrag. Dieser Vertrag sodann bedarf 2) einer gewissen Form. Diese Form ist die Uebergabe (Tradition) der Sache. Der auf das Geben und Nehmen des Rechts an der Sache gerichtete Wille muß seinen Ausdruck finden in dem Geben und Nehmen des Körpers der Sache. Auf Grund hiervon wird die Besitzübergabe (Tradition) geradezu als Eigenthumserwerbsart bezeichnet, indem das Vorhandensein des gehörigen Willens in Betreff des Rechts hinzugedacht wird.“
Diese Überlegungen griff Reinhold Johow im sachenrechtlichen Vorentwurf auf und bezeichnete die „Uebergabe als Form des Eigenthumsübertragungsvertrages“140.141 In der Begründung zum Vorentwurf heißt es weiter142: „In dem Geben und Nehmen der Sache spiegelt sich der Vertragswille; das Geben und Nehmen tritt nicht etwa zu einem schon früher abgeschlossenen dinglichen Vertrage hinzu und vollendet denselben, sondern nur aus der innerlich ihm entsprechenden That soll der Vertragswille kraft positiver Vorschrift herausgelesen werden können.“
Die Motive der 1. BGB-Kommission machten sich diese Position ebenfalls zu eigen und betonten in Übereinstimmung mit den Ausführungen zum Rechtserwerb im Immobiliarsachenrecht143 unter der Marginalie „Die Uebergabe als Form des Vertrages“144: „Die Uebergabe wird als ein nothwendig präsentes Moment des dinglichen Vertrages und nicht etwa als eine Bedingung der Wirksamkeit derselben bestimmt, welche sich auch nachträglich erfüllen kann. Vor der Uebergabe liegt deshalb ein bindender dinglicher Vertrag nicht vor.“
138 Zur dogmengeschichtlichen Entwicklung instruktiv Lipp, FS Schapp, S. 363, 376 ff.; vgl. weiter Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 123 f. 139 Windscheid, Pandektenrecht I, § 171; siehe das Zitat aus einer früheren Ausgabe wiedergegeben auch bei Wiegand, FG BGH I, S. 753, 757 f. 140 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 888 verweist in seiner Begründung ausdrücklich auf die zitierte Passage aus Windscheids Pandektenlehrbuch. 141 Vgl. auch Wiegand, FG BGH I, S. 753, 758 f. 142 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 889. 143 Siehe Motive zum BGB, Bd. 3, S. 139. 144 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 336.
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c) Dogmatische Verselbstständigung von Einigung und Übergabe Während die 1. BGB-Kommission Einigung und Übergabe demnach als „zwei Seiten derselben Medaille“145 betrachtete, vollzog die 2. Kommission eine überraschende Kehrtwende und sprach sich für eine Verselbstständigung der beiden Tatbestandsmerkmale aus. Die Protokolle machen deutlich146: „Anlangend endlich das Verhältniß der Uebergabe zu der Willenseinigung, so beschloß man zum Ausdrucke zu bringen, daß die Uebergabe zu der Vereinbarung hinzukommen müsse; die Uebergabe stelle nicht die Form dar, in welcher die Vereinbarung zu Tage trete, sondern sei ein selbständiges Erforderniß für den Eigenthumsübergang.“
Die Gründe für diesen Paradigmenwechsel sind nicht mehr rekonstruierbar147. Aus heutiger Perspektive ist aber jedenfalls festzuhalten, dass der historische BGB-Gesetzgeber mit der dogmatischen Verselbstständigung von Einigung und Übergabe den Boden einer modernen Übereignungsdogmatik bereitete, die in ihren Grundzügen noch immer die Interpretation der §§ 929 ff. BGB beherrscht: Es gilt ein Doppeltatbestand bestehend aus einer rechtsgeschäftlichen und einer faktischen Komponente, die als dingliche Einigung und Übergabe in ihrer rechtsdogmatischen Behandlung scharf voneinander zu trennen sind. Zwar tritt eine Rechtsänderung nur dann ein, wenn sich die Vertragsparteien auch im Zeitpunkt der Übergabe noch einig sind148. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine verdeckte Revitalisierung der früheren Einheitstheorie, sondern um eine schlichte (eher technische) Implikation des Koinzidenzprinzips, wonach eine Rechtsänderung unter Geltung eines mehraktigen Sukzessionstatbestands erst dann eintritt, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen in einem Zeitpunkt kumulativ vorliegen149. d) Rechtsdogmatische Folgerungen für den Übereignungstatbestand Aus der dogmatisch-konstruktiven Verselbstständigung von Einigung und Übergabe lassen sich unterschiedliche Folgerungen ableiten: Zum einen spricht die klare Trennung der beiden Elemente dafür, dass die allgemeinen vertragsrechtlichen Regelungen auf das rechtliche Schicksal des faktischen Vollzugselements ohne Einfluss bleiben150. Umgekehrt legt die dogmatische Separation nahe, die Bindungswirkung der dinglichen Einigung gem. § 929 S. 1 BGB – entgegen der herkömmlichen Auffassung – nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu bejahen151. Weiterhin streitet die dogmatische Ver-
145 146 147 148 149 150 151
So prägnant Wiegand, FG BGH I, S. 753, 776. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 196. Dazu aufschlussreich Wiegand, FG BGH I, S. 753, 759. Zur Bindungswirkung der dinglichen Einigungserklärungen oben § 6 IV. 3. Zum Koinzidenzprinzip siehe unten § 12. So etwa Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622, 623. Dazu ausf. oben § 6 IV. 3.
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selbstständigung dafür, dass – entgegen Teilen des Schrifttums152 – nicht Einigung und Übergabe gemeinsam den dinglichen Vertrag konstituieren, sondern die dingliche Einigung selbst als dinglicher Vertrag aufzufassen ist, der nach § 929 S. 1 BGB um eine – von der Einigung verselbstständigte – Übergabe der Sache ergänzt wird153. Und schließlich liegt es in der Konsequenz des modernen Verständnisses, dass sich – entgegen zahlreicher Literaturstimmen154 – das zusätzliche Tatbestandsmerkmal eines inneren Zusammenhangs zwischen Einigung und Übergabe nicht begründen lässt155. Die abzulehnende Gegenauffassung schiebt der Sachübergabe ein rechtsgeschäftliches Element unter, das sich mit der rechtsdogmatischen Verselbstständigung von Einigung und Übergabe nicht vereinbaren lässt und insofern systemfremd erscheinen muss156. Zweifelsfälle sind durch Auslegung der Parteierklärungen nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu lösen. Erfolgt die Übergabe beispielsweise nicht zu Übereignungszwecken, fehlt es oftmals an der notwendigen dinglichen Einigung der Vertragsparteien157.158
2. Herkömmliche Funktionen des Traditionsprinzips Um die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des Übergabeerfordernisses zu prüfen, führt an einer eingehenden Untersuchung der Funktionen des Traditionsprinzips, die ihm vom historischen BGB-Gesetzgeber beigelegt worden sind, kein 152 In diesem Sinne Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 II 2, § 66 I 2; für den Parallelfall der Übertragung von Grundstücken durch Einigung und Eintragung ebenso Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 34 ff. 153 So die h.M.: Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 27; Wiegand, FG BGH I, S. 753, 760 f. 154 Siehe etwa Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 60; Reich, in: AK, BGB, § 929 Rn. 7; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 177; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 7 Rn. 7; Martinek, AcP 188 (1988), 574, 582 f.; Wadle, JZ 1974, 689, 691; Weber, JuS 1998, 577, 579; Gergen, AcP 206 (2006), 624, 646 f.; vgl. auch BGH NJW 2005, 359, 363. 155 Besonders deutlich schon Zitelmann, JhJ 70 (1921), 1 ff., 17; ebenso Wiegand, FG BGH I, S. 753, 765 f., der überzeugend nachweist, dass sich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, soweit sie sich auf einen solchen Zusammenhang beruft, bei genauerer Betrachtung mit anderen Rechtsfragen auseinandersetzt als dem bezeichneten inneren Zusammenhang von Einigung und Übergabe; im Ergebnis ebenso Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 51; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 8; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 929 Rn. 30; Meller-Hannich/Schilken, in: NK, BGB, § 929 Rn. 61; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 60; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 88; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27 Rn. 14 f.; Füller, Sachenrecht, S. 304 f. 156 Vgl. auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 88; dens., FG BGH I, S. 753, 766; Füller, Sachenrecht, S. 304 f. Fn. 256. 157 Vgl. Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 51; Meller-Hannich/Schilken, in: NK, BGB, § 929 Rn. 61; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 88; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 8. 158 Davon unberührt bleibt freilich das mit der Übergabe verbundene Element der willentlichen Besitzeinräumung, ohne dass der Erwerber verbotene Eigenmacht iSd. § 858 BGB üben würde; zur Unterscheidung Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 51; Meller-Hannich/Schilken, in: NK, BGB, § 929 Rn. 61; vgl. noch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 60.
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Weg vorbei. Wie die nachfolgenden Erörterungen zeigen werden, erweisen sich sämtliche überkommenen Funktionen als untauglich für die Legitimation der Übergabe als zusätzliche Sukzessionsvoraussetzung des Mobiliarerwerbs. a) Traditionsprinzip und Offenkundigkeit Ein Blick in die Dogmengeschichte lehrt, dass es schon dem historischen Gesetzgeber bei Schaffung des BGB nicht leichtfiel, das für den Regelfall der Fahrnisübereignung vorgesehene Übergabeerfordernis des § 929 S. 1 BGB mit einer sinnvollen Bedeutung zu füllen. Für die Interpretation des Zwecks der Übergabe war der Offenkundigkeitsgedanke zentral; die 1. BGB-Kommission verlangte die Sachübergabe zur „Kundbarmachung des zeitigen Rechtszustandes“159. In der Sache sollte die Geltung des Traditionsprinzips „ein Auseinanderfallen von Besitz und Eigenthum thunlichst verhüten“, wenngleich den Kommissionsmitgliedern klar war, dass die angestrebte Kundbarmachung im Vergleich zur Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs nur unvollkommen gewährleistet ist. Besonders pointiert beschreibt das Reichsgericht dieses Verständnis eines mobiliarsachenrechtlichen Offenkundigkeitsprinzips mit Urteil vom 24. Juni 1911160: „Die Erkennbarkeit ist das allgemeine kennzeichnende Merkmal dinglicher Rechte und dinglicher Herrschaftsverhältnisse. Da diese gegen jedermann wirken sollen, müssen sie auch für jedermann erkennbar sein. Diese Erkennbarkeit des dinglichen Rechts wird bei Grundstücken durch die Eintragung in ein öffentliches Buch, das Grundbuch, bei beweglichen Sachen durch das sich äußerlich kundmachende tatsächliche Herrschaftsverhältnis hergestellt, das Besitz genannt wird (…). Eine symbolische Besitzübertragung kennt das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht; es ist überall die Herstellung eines wirklichen, tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses erforderlich, das sich als solches äußerlich kennzeichnen muß, nicht in dem Sinne, daß es von allen erkannt werde, aber daß es von allen, die darauf achten, erkannt werden könne.“
Diese Überlegungen sind aufs Engste verknüpft mit der eingangs angesprochenen Forderung, dingliche Rechte müssten gegenüber jedermann erkennbar sein, da sie – anders als obligatorische Rechte – auch gegenüber jedermann wirkten. Dass diese Argumentation im Ergebnis nicht trägt, wurde oben161 bereits unter Hinweis auf die strukturellen Gemeinsamkeiten obligatorischer und dinglicher Recht auf dem Boden des Prinzips der für beide Vermögensrechte gleichermaßen gültigen Lehre von der absoluten Rechtszuordnung herausgestellt. Hinzu kommt, dass auf Grundlage der lex lata – selbstverständlich – auch solche dinglichen Rechte von jedermann zu beachten sind, die nicht nach außen in Erscheinung treten. Die vom historischen Gesetzgeber und der ihm folgenden Rechtsprechung und Literatur gezogene Verbindung zwischen der „absoluten“ Wir159
Motive zum BGB, Bd. 3, S. 333. Dort auch das nachfolgende Zitat. RGZ 77, 201, 208. 161 Siehe oben § 10 I. 1. und exemplarisch Wacke, Besitzkonstitut, S. 28 f.; Wadle, JZ 1974, 689, 694. 160
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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kung dinglicher Rechte und dem Offenkundigkeits- bzw. Traditionserfordernis ist demnach nicht überzeugend begründbar. Das doktrinäre Festhalten am Traditionsprinzip im Sinne eines Offenkundigkeitsprinzips trägt anachronistische Züge162. Die Zukunft – auch und gerade im Mobiliarsachenrecht – gehört dem reinen Einigungsprinzip. Grund dafür sind in erster Linie die weitreichenden Ausnahmen in §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB. Sie legen beredtes Zeugnis darüber ab, wie unvollkommen das Traditionsprinzip bereits de lege lata verwirklicht ist. So ist die körperliche Übergabe im Fall der brevi manu traditio (§ 929 S. 2) von vornherein entbehrlich. Außerdem kann sie ohne weiteres durch Begründung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB) oder Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) ersetzt werden, ohne dass die so herbeigeführte Rechtsänderung auch nur ansatzweise für außenstehende Dritte erkennbar ist. Machen die Vertragsparteien von diesen Ausnahmetatbeständen Gebrauch, unterscheidet sich der Übereignungsmodus nach geltendem Recht nicht vom Rechtsübergang unter Geltung des reinen Konsensprinzips163. In der Folge hat sich die Dogmatik der Übergabe zunehmend von der Erkennbarkeit des Übertragungsvorgangs entfernt164. Das gilt für die Übergabe durch Vereinbarung des Besitzübergangs gem. § 854 Abs. 2 BGB (longa manu traditio)165 ebenso wie für die Einschaltung eines Besitzdieners (§ 855 BGB)166 oder Besitzmittlers (vgl. § 868 BGB)167 sowie die Anerkennung des Geheißerwerbs168, aber auch für Kettenveräußerungen und Übereignungen an den, den es angeht169. Insgesamt ist die körperliche Sachübergabe nur eine von mehreren, gleichberechtigt nebeneinander stehenden Formen der Mobiliarübereignung. Letztere bedarf folglich nicht zwingend einer nach außen publik gemachten Übergabe. Umgekehrt geht mit der Übergabe nicht notwendig eine Übereignung einher170. Die Übergabe kann ebenso gut Zeichen einer schuldrechtlichen Gebrauchsüberlassung sein (z.B. Miete, Leihe oder Auftrag) oder mit der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts zusammenfallen. Selbst wenn die Besitzübertragung nicht aufgrund eines schuldrechtlichen, sondern eines dinglichen Rechtsverhältnisses stattfindet, ist nach außen nicht sichtbar, ob die Sache übereignet, verpfändet oder ein Nießbrauch daran begründet wird171. 162 Sehr pointiert Heck, Sachenrecht, § 56, 11: „Das Traditionsprinzip ist daher nur das historische Kostüm, in dem das Vertragsprinzip den Eintritt in das geltende Recht gefunden hat.“ 163 Vgl. Petersen, Verhandlungen 14. DJT I/2, S. 163, 179. 164 Zu den Divergenzen zwischen unmittelbarem Besitz und Offenkundigkeit näher Füller, Sachenrecht, S. 277 ff. 165 Dazu ausf. Heck, Sachenrecht, § 56, 5; zur rechtlichen Zulässigkeit ferner BGH NJW 1976, 1539, 1540; 1979, 714, 715; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 18; zum römischrechtlichen Ursprung siehe Kaser/Knütel, Privatrecht, § 20 Rn. 2. 166 Dazu ausf. Füller, Sachenrecht, S. 280 ff., 306 ff. 167 Dazu näher Füller, Sachenrecht, S. 308 f. 168 Dazu näher unten § 10 III. 5. 169 Prägnante Zusammenfassung bei Walz, Systemdenken, S. 18. 170 Vgl. bereits Petersen, Verhandlungen 14. DJT I/2, S. 163, 181; ferner Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 58; Quantz, Besitz, S. 312. 171 Vgl. Quantz, Besitz, S. 43, 312 f.
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Dass die Übereignung kraft tatsächlicher Sachübergabe gem. § 929 S. 1 BGB noch immer die gesetzliche Grundform des Mobiliarerwerbs bildet, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dieser Übereignungsmodus in der modernen Wirtschaftspraxis im Wesentlichen auf Bargeschäfte des täglichen Lebens beschränkt. Dominiert wird die Übereignungspraxis hingegen von den publizitätslosen Übereignungsformen der §§ 930, 931 BGB. Offenkundigkeitsdefizite kennzeichnen das Vorbehalts- und Sicherungseigentum sowie sonstige fiduziarische und treuhänderische Eigentumsübertragungen. In der Konsequenz sind die sachenrechtlichen Sukzessionstatbestände in der Wirtschaftspraxis nicht länger vom Traditions- bzw. Publizitätsprinzip, sondern vom reinen Einigungsprinzip dominiert. Die Annäherung an die rechtstechnische Ausgestaltung der Übertragung schuldrechtlicher Vermögenspositionen in Form der Forderungszession, Schuld- und Vertragsübernahme, die sich jeweils ohne Hinzutreten faktischer Publizitätsmomente vollziehen, ist unverkennbar. Gleiches gilt für die hiermit verbundene Erleichterung und Beschleunigung des Güterverkehrs. Deshalb und aufgrund der tiefen Verankerung der publizitätslosen Übertragungsmodalitäten in der Wirtschaftspraxis lassen sich die auf Marginalisierung des Publizitätsprinzips gerichteten Entwicklungen auch nicht kurzerhand wieder rückgängig machen. Freilich besteht für eine solche Rückentwicklung auch in der Sache kein Anlass, erweisen sich die publizitätslosen Übereignungsformen doch in rechtspolitischer Hinsicht als unverzichtbare Ergänzung zum gesetzlichen Regelungskanon. Die Übergabe kann die ihr vom historischen Gesetzgeber ursprünglich zuerkannte Publizitätsfunktion im modernen Wirtschaftsverkehr folglich nicht erfüllen. Im Ergebnis hat der nach außen für Dritte erkennbare Besitz seine Eigenschaft als „die entscheidende Informationsquelle“172 für an beweglichen Sachen bestehende Rechtsverhältnisse durch die zurückliegenden Entwicklungen in der Wirtschaftspraxis weitgehend eingebüßt173. Insofern unterscheidet sich der Besitz als Publizitätsmittel ganz erheblich von der durch die Grundbucheintragung vermittelten Publizität. Es ist daher nicht mehr gerechtfertigt, für das Mobiliarsachenrecht von einer Geltung des Publizitätsprinzips zu sprechen, vielmehr eröffnet das gesetzliche Regelungssystem den Parteien eher eine „Publizitätsoption“174. Ob es vor diesem Hintergrund noch länger gerechtfertigt ist, das Traditionsprinzip als einen vorherrschenden Grundsatz des Mobiliarerwerbs zu begreifen175, ist eine überwiegend terminologische Frage ohne weiterführenden Er-
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So Walz, Systemdenken, S. 17. Im Ergebnis auch Walz, Systemdenken, S. 18. 174 Walz, Systemdenken, S. 18. 175 Ablehnend Heck, Sachenrecht, § 56, 3; Süß, FS Wolff, S. 141 ff.; Quantz, Besitz, S. 64; kritisch auch Kohler, ArchBR 18 (1900), 1 ff.; v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119, 208 ff.; M. Bauer, FS Bosch, S. 1 ff.; Säcker, FS Boguslavskij, S. 805, 808 f. 173
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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kenntniswert176. Durch die Normierung des Übergabeerfordernisses in § 929 S. 1 BGB ist das Traditionsprinzip jedenfalls de lege lata als Leitbild des regulären Mobiliarerwerbs iSd. § 929 S. 1 BGB anzuerkennen177. An seiner Geltung führt auf der Basis des geltenden Rechts kein Weg vorbei. Deshalb ist auch etwaigen Versuchen, das Übergabeerfordernis im Wege einer teleologischen Reduktion aus der Vorschrift herauszulösen178, auf Grundlage der lex lata eine klare Absage zu erteilen. Das kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Traditionsprinzip jedenfalls seine Funktion als Paradigma des Mobiliarsachenrechts weitgehend eingebüßt hat. Damit einher geht ein funktioneller Bedeutungsverlust des Übergabeerfordernisses, der auch für die Entscheidung rechtsdogmatischer Zweifelsfragen nicht ohne Auswirkungen bleiben kann. Davon zu trennen ist freilich die Frage, ob das Traditionsprinzip de lege ferenda überhaupt noch eine Existenzberechtigung aufweist. b) Manifestation eines ernstlichen Übereignungswillens Schon die 2. BGB-Kommission musste während ihrer Erörterungen zum Besitzkonstitut erkennen, dass sich das Traditionsprinzip nicht ausnahmslos durchhalten lässt. Die Kommission hob hervor, dass es nicht der Zweck des Übergabeerfordernisses sei, den Eigentumsübergang erkennbar zu machen. Dass es sich hierbei nicht um den wesentlichen Zweck handeln könne, ergebe sich schon aus dem Umstand, dass „das durch die Uebergabe hergestellte Besitzverhältniß nicht die Gewähr der Dauer biete, sondern jeden Augenblick verändert werden könne. Es handele sich vielmehr wesentlich darum, durch die Uebergabe den ernstlichen Willen festzustellen, daß eine dingliche Wirkung beabsichtigt sei“179. Die Kommission knüpfte insofern an die Begründung zum sachenrechtlichen Vorentwurf an, wo Johow in Anlehnung an Vorarbeiten Windscheids180 ausführte, der „schwerwiegende(…) Zweckmäßigkeitsgrund“ des Übergabeerfordernisses bestehe darin, dass es „als unzweideutiger Ausdruck 176
Vgl. auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 929 Rn. 20 in Auseinandersetzung mit Heck, Sachenrecht, § 56, 11. 177 Dezidiert und zutreffend Martinek, AcP 188 (1988), 573, 581; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 121. 178 Dafür etwa Heck, Sachenrecht, § 57 III für Fälle der „Traditionsvereitelung“; tendenziell auch Füller, Sachenrecht, S. 303 f. 179 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 197. 180 Windscheid, Pandektenrecht I, § 171 Fn. 3: „Die Tradition ist hier als Form des Vertrags bezeichnet worden. (…) Das Wesentliche ist, daß erkannt werde, daß die Tradition, d.h. das willentliche Herbeiführen eines thatsächlichen (körperlichen) Verhältnisses, nicht etwas zu dem Eigenthumsübertragungsvertrag Hinzukommendes, denselben Vollendendes, sondern der nothwendige Ausdruck desselben ist. Sie ist der Eigenthumsübertragungsvertrag; auch wenn der Eigenthumsübertragungsvertrag der Tradition vorhergeht, wird er in der Tradition wiederholt, und der nicht in der Tradition ausgedrückte Eigenthumsübertragungsvertrag ist ohne alle rechtliche Bedeutung, oder hat höchstens obligatorische Wirkung.“ Siehe ferner Dernburg, Pandekten I, § 211, 3: „Gemeinrechtlich ist die Tradition die allgemeine Form der Übereignung für Immobilien, wie für Mobilien.“
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des auf die Rechtsübertragung gerichteten Willens den dinglichen Vertrag von dem obligatorischen scharf abgrenzt“181. Besagte Manifestation eines ernstlichen Übereignungswillens zieht das moderne Schrifttum auch heute noch vielfach zur Legitimation des Traditionsprinzips heran182. Indes ist die Bedeutung der Übergabe für die Ernstlichkeit der auf den dinglichen Rechtsübergang gerichteten Willenserklärung marginal. Eine Sonderstellung der Sachübergabe für die Interpretation der dinglichen Einigung ist bereits mit der rechtsdogmatischen Verselbstständigung der beiden Tatbestandsmerkmale schwerlich in Einklang zu bringen183. Außerdem stößt sich die Manifestationsdoktrin an den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, die auch für die dingliche Einigung iSd. § 929 S. 1 BGB dem Grunde nach Geltung beanspruchen184. Dafür, dass für die dingliche Einigung in diesem Zusammenhang etwas anderes gelten sollte, finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Vielmehr lassen die Ausnahmetatbestände (§§ 929 S. 2, 930, 931 BGB) bereits die bloße Einigung zum Eigentumserwerb genügen, ohne dass die Ernstlichkeit der abgegebenen Willenserklärung durch ein zusätzliches nach außen erkennbares Publizitätselement unter Beweis gestellt werden müsste185. Maßgeblich ist daher auch nicht der Zweck der Übergabe186, sondern vielmehr der allgemeine Gedanke, dass ein Rechtsgeschäft die intendierte Rechtsfolge nur dann herbeiführt, wenn der gesetzlich vorgesehene Mindestinhalt des Rechtsgeschäfts (essentialia negotii) unzweifelhaft bestimmbar ist187. Ausreichend ist nach heute einhelliger Auffassung daher, dass sich der auf Eigentumsübertragung gerichtete Parteiwille durch Auslegung der Parteierklärungen zweifelsfrei ermitteln lässt188. Dabei kann der Erklärungsempfänger nach den Wertungen der §§ 116 ff. BGB grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Willenserklärung des Erklärenden auf die Herbeiführung einer wirksamen Rechtsfolge gerichtet ist. Die Bindungswirkung bestimmt sich – wie üblich – aus der Perspektive des objektiven Empfängerhorizonts189. Ein Mangel im Erklärungsbewusstsein kann nach h.M. durch das zurechenbar veranlasste Vertrauen auf das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung überspielt werden (potenzielles Erklärungsbewusstsein). Erforderlich ist dafür, dass der Erklärende 181
Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 886. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 3; Wiegand, in: Staudinger, Vor § 929 Rn. 21; Wiegand, FG BGH I, S. 753, 766 f.; Quantz, Besitz, S. 65 ff.; zuvor bereits Petersen, Verhandlungen 14. DJT I, S. 163, 176 f.; Heck, Sachenrecht, § 56, 3 b. 183 Siehe oben § 10 III. 1. c). 184 Dazu oben § 6 III. 1. 185 Siehe zum Zusammenhang von Ernstlichkeit der Erklärung und Besitzkonstitut noch Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 198. 186 In diesem Sinne aber Ernst, Eigenbesitz, S. 141. 187 Erath, AcP 128 (1928), 344, 347. 188 Deutlich BGH NJW 1990, 1913; ferner BGH WM 1974, 11 ff.; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 17; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 27; Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 49; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 9; krit. zum Teil Derleder, JZ 1999, 176 ff. 189 Siehe nochmals BGH NJW 1990, 1913; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 17. 182
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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den äußeren Anschein einer von einem Erklärungsbewusstsein getragenen Willenserklärung zurechenbar veranlasst hat und der Empfänger unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) darauf vertrauen durfte und sein Vertrauen für das vorgenommene Rechtsgeschäft auch kausal gewesen ist190. Bestehen nach diesen Grundsätzen an der Ernstlichkeit der dinglichen Einigung keine Zweifel, ist die in diesem Zusammenhang erfolgte Übergabe für die Interpretation des Parteiwillens letztlich bedeutungslos; maßgeblich sind allein die Erklärungen der Vertragsparteien191. Für die dingliche Einigung, die auf die Übereignung einer beweglichen Sache abzielt, gilt im Grundsatz nichts anders als für die Feststellung des Sukzessionswillens bei der Abtretung von (Geld-) Forderungen192 oder GmbH-Geschäftsanteilen193, die ohne vergleichbare Publizitätselemente übertragen werden. Sieht die vertragliche Abrede beispielsweise vor, dass die Gegenleistung – typischerweise der Kaufpreis – sofort gezahlt werden soll, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Parteiwille nicht nur auf die Begründung einer schuldrechtlichen Verpflichtung gerichtet ist, sondern gleichermaßen auf die Übertragung der fraglichen Vermögensrechte194. Im Übrigen ist es freilich nicht ausgeschlossen, der Sachübergabe beim Fahrniserwerb eine gewisse Indizwirkung für den Übertragungswillen der Parteien beizulegen. Über diese Indizwirkung geht das Übergabeerfordernis aber umgekehrt auch nicht hinaus195. Die Übergabe ist notwendig, um den Erwerbstatbestand des § 929 S. 1 BGB zu verwirklichen. Für das Vorliegen einer wirksamen dinglichen Einigung kommt ihr hingegen keine maßgebende Bedeutung zu. c) Schutz von Gläubigerinteressen Traditionell wurde dem Publizitätsprinzip außerdem Bedeutung für den Schutz von Gläubigerinteressen beigemessen, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung196. Der kreditgewährende Gläubiger habe ein berechtigtes Interesse daran, die Kreditwürdigkeit des Schuldners überprüfen zu können. 190 Dazu BGHZ 91, 324 ff.; 109, 171, 177; Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 119 Rn. 93 ff.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Vor § 116 Rn. 17; Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 12 ff.; Köhler, BGB AT, § 7 Rn. 5. 191 Siehe auch Füller, Sachenrecht, S. 302. 192 Siehe exemplarisch RGZ 126, 183, 184 f.; BGH NJW 1969, 40; Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 3; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 23. 193 Siehe etwa RGZ 68, 394, 396 f.; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 15 Rn. 115; Reichert/ Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 22; Winter/Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, § 15 Rn. 112; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 89. 194 Zur Übertragung von GmbH-Anteilen in diesem Sinne etwa Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 22. 195 Vgl. auch Brehm/Berger, Sachenrecht, § 26 Rn. 12: „Indiz dafür, daß ein wirklicher Veräußerungsvorgang vorliegt“; Füller, Sachenrecht, S. 303: „eine Art Beweiszeichen für die Einigung“. 196 Dazu aus moderner Perspektive Wagner, AcP 206 (2006), 352, 428; Krimphove, Sachenrecht, S. 76, 181; vgl. authentisch die Überlegungen der Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 201.
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Dafür müsse leicht und sicher erkennbar sein, welche Vermögensstücke sich im Schuldnervermögen befänden, die notfalls für die Rückzahlung eines Kredits im Wege der Zwangsvollstreckung hafteten. Allerdings kommen auch Gläubigerschutzerwägungen zur rechtspolitischen Rechtfertigung des Traditionsprinzips nicht in Betracht. Nicht allein, dass sich für den Schutz von Gläubigerinteressen keine Anknüpfungspunkte im Gesetzestext finden lassen. Schon die 2. BGB-Kommission hat sich ausdrücklich gegen eine gläubigerschützende Zielrichtung positioniert. Denn „(…) die Gläubiger seien ganz im Allgemeinen nicht berechtigt, sich darauf zu verlassen, daß alle im Besitze des Schuldners befindlichen Sachen diesem auch gehörten“197. Dem ist schwerlich zu widersprechen, kann sich der persönliche Gläubiger doch schon aufgrund der weitmaschigen Durchbrechungen des Traditionsprinzips sowie im Hinblick auf den Umstand, dass Vermögensgegenstände auch aufgrund obligatorischer Verpflichtungen in den Besitz des Schuldners gelangen können, von vornherein nicht darauf verlassen, dass die im Besitz des Schuldners befindlichen Sachen diesem auch zu Eigentum gehören. Das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz ist ohne weiteres zulässig, in der modernen Wirtschaftsordnung häufig anzutreffen und letztlich auch ohne echte Alternative198. Zudem ist der gute Glaube an die Eigentümerstellung auch im Vollstreckungsrecht nicht geschützt; der Schuldner haftet allein mit seinem tatsächlichen Vermögen, und über dieses kann er nach Belieben verfügen. Der ungesicherte Gläubiger hat keinen Anspruch, zur Befriedigung seiner Forderungen auf konkrete Gegenstände zugreifen zu können; die Vollstreckungsgrundlage ist daher von Rechts wegen unsicher199. Überhaupt ist das sachenrechtliche Traditionsprinzip in rechtssystematischer Hinsicht nicht der richtige Ort, berechtigte Gläubigerinteressen zu verwirklichen, zumal es hierzu auch aufgrund seiner zahlreichen Durchbrechungen nicht imstande ist. Sedes materiae sind vielmehr die Anfechtungsvorschriften des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts (§§ 1 ff. AnfG, §§ 129 ff. InsO). Sie sollen verhindern, dass den Gläubigern Vermögenswerte durch vollstreckungsvereitelnde Rechtsgeschäfte entzogen werden. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der anfechtungsrechtlichen Sonderregeln nicht erfüllt, bleibt es dem Rechtsinhaber vorbehalten, von der ihm zugewiesenen Sukzessionsfreiheit nach Belieben Gebrauch zu machen. Eine letzte Grenze ziehen noch die bürgerlichrechtlichen Generalklauseln (§§ 138, 826 BGB) und strafrechtlichen Verbote (§ 134 BGB iVm. § 288 StGB).
197 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 201; im Ergebnis ebenso Wieling, Sachenrecht I, § 1 II 4 d; Hromadka, JuS 1980, 89, 94; Füller, Sachenrecht, S. 247; Wacke, Besitzkonstitut, S. 33 ff. 198 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Konstitutsübereignung siehe unten § 10 IV. 2. b). 199 Dazu auch Wacke, Besitzkonstitut, S. 34 f.
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3. Moderne Funktionen des Traditionsprinzips Nachdem die Prüfung der herkömmlichen Funktionen ergeben hat, dass jene zur Rechtfertigung des Traditionsprinzips nicht in Betracht kommen, ist nun nach modernen Regelungszwecken Ausschau zu halten, die das überkommene Sachübergabeerfordernis zu legitimieren vermögen200. Von Belang sind in diesem Zusammenhang die Verschaffungsfunktion (a), die Vermutungsfunktion (b) und die Gutglaubensfunktion des Traditionserfordernisses (c). a) Verschaffungsfunktion Das Traditionsprinzip verschafft dem Erwerber einer beweglichen Sache ein hohes Maß an Rechtssicherheit, indem es ihm die tatsächliche Ausübung des Eigentumsrechts gewährleistet. Michael Martinek spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von der Verschaffungsfunktion des Übergabeerfordernisses201. Sachlich geht es einmal mehr um die Sicherung von Erwerberinteressen (Erwerberschutz)202, wie wir diese Zielrichtung bereits im Zusammenhang mit anderen Strukturprinzipien der rechtsgeschäftlichen Sukzession kennengelernt haben203. Da der Erwerber typischerweise ein berechtigtes Interesse daran hat, tatsächlich auf den Verfügungsgegenstand zugreifen zu können, entspricht die Übereignung kraft Besitzübergabe dem tatsächlichen oder auch nur mutmaßlichen Parteienwillen204. Vollzöge sich die Übereignung nach dem reinen Konsensprinzip, dann müsste sich der Erwerber die Sache vom Veräußerer erst noch verschaffen, um sie physisch-real nutzen zu können. Durch das Übergabeerfordernis erhält der Erwerber die Sache unmittelbar zu Eigenbesitz und erlangt hiermit zugleich jede Möglichkeit, „mit der Sache nach Belieben zu verfahren und Dritte von jeder Einwirkung auszuschließen“ (vgl. § 903 BGB)205. Hierin kommt eine Besonderheit der Übereignung körperlicher Gegenstände zum Ausdruck, die sie deutlich von der Übertragung obligatorischer Rechte unterscheidet206. Während der Zessionar nach der Abtretung durch Geltendmachung gegenüber dem Schuldner von der Forderung unmittelbar Gebrauch machen kann, setzt die Ausübung der Eigentümerbefugnisse, soweit es die physisch-reale Nutzung des 200
Dazu schon ausf. Wacke, Besitzkonstitut, S. 31 ff.; andeutungsweise auch Krause, AcP 145 (1939), 312, 312 f. 201 Martinek, AcP 188 (1988), 573, 577 f.; a.A. Süß, FS Wolff, S. 141, 144 f., Fn. 4; ablehnend auch Füller, Sachenrecht, S. 301, der im Rahmen seiner Kritik übersieht, dass sich die Verschaffungsfunktion auf den Anwendungsbereich des § 929 S. 1 BGB beschränkt und deshalb für die Übereignung nach § 930 BGB ohne Belang ist. 202 Zum Ganzen auch Wacke, Besitzkonstitut, S. 37 ff.; a.A. etwa Einsele, JZ 1990, 1005, 1006. 203 Siehe etwa oben § 4 III. 3., § 6 IV. 2. b) und § 7 II. 3. b). 204 Vgl. auch Heck, Sachenrecht, § 56, 4 unter Hinweis auf den Parteiwillen bei Spezies- und Gattungskauf; a.A. offenbar Süß, FS Wolff, S. 141, 162 f. 205 In diesem Sinne auch Martinek, AcP 188 (1988), 573, 577; Peters, Jura 1986, 449. 206 Zur Dichotomie der Vermögensrechte siehe oben § 2 II. 3.
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Verfügungsgegenstandes anlangt, außerdem die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Sache voraus, die sich typischerweise durch Übergabe der Sache an den Erwerber realisiert. Freilich ließe sich die Zugriffsmöglichkeit auch durch Ansprüche gegen den Veräußerer bewerkstelligen. Um sein Nutzungsrecht zu realisieren, wäre der Eigentümer in diesem Fall indes zunächst auf eine Herausgabeklage verwiesen, deren Erfolgsaussichten durchaus unsicher sind, da es dem Erwerber nicht immer leicht fallen dürfte, die dingliche Einigung darzulegen und im Ernstfall zu beweisen (Beweiserleichterung). Ist zur Mobiliarübereignung die Sachübergabe notwendig, kann an die Innehabung der Sache eine entsprechende Vermutungswirkung für die Eigentümerstellung anknüpfen, von der sogleich noch die Rede sein wird207. Das konstitutive Übergabeerfordernis erleichtert so die Realisierung der physisch-realen Nutzungsmöglichkeit des Verfügungsgegenstands und gewährleistet zudem den grundsätzlichen Gleichlauf zwischen Eigentümerstellung und Nutzungsmöglichkeit. Das Übergabeerfordernis dient demnach in erster Linie den berechtigten Interessen des Erwerbers an der Ausübung des Eigentumsrechts. Das bleibt für die Dogmatik der Übergabe nicht ohne Folgen: Ist das Sachnutzungsinteresse des Erwerbers von zentraler Bedeutung für das Traditionserfordernis, dann setzt eine wirksame Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB auch voraus, dass der Erwerber durch die Sachübergabe tatsächlich in die Lage versetzt wird, den Verfügungsgegenstand nach seinen individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen zu nutzen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf den Vorgang der Besitzübertragung an. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Erwerber am Ende die tatsächliche Sachherrschaft zusteht208. Im Grundsatz ist dafür die Besitzbegründung auf Seiten des Erwerbers notwendig. Allerdings kann den Interessen des Erwerbers auch genügt sein, wenn er – ohne in den Besitz der Sache zu gelangen – die Rechtsmacht erhält, über den Verbleib der Sache zu disponieren (Besitzzuweisungsmacht). Dass durch die Übergabe der Sache die neue Rechtszuordnung zuweilen für Dritte erkennbar wird (Offenkundigkeitsfunktion), ist ein zugegebenermaßen nicht unwillkommener Rechtsreflex209. b) Vermutungsfunktion Von Bedeutung ist weiterhin die an die Verschaffungsfunktion anknüpfende Vermutungsfunktion der Übergabe. Nach § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er deren Eigentümer sei. Zudem resultiert aus der Übergabe gem. § 929 S. 1 BGB sowie dem hiermit verbundenen Verpflichtungsgeschäft die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer dinglichen Einigung zwischen den Vertragsparteien210. Die Übergabe 207
Siehe unten § 10 III. 3. b). Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 63; Westermann, in: Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 6. 209 Ebenso Peters, Jura 1986, 449. 210 Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 69; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 87. 208
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der beweglichen Sache versetzt den Erwerber demnach nicht nur gegenständlich im Hinblick auf die Nutzungs- und Gebrauchsmöglichkeiten der Sache in eine vorteilhafte Position. Aufgrund der Vermutungsfunktion hat der besitzende Erwerber auch die Vermutung auf seiner Seite, der wahre Sacheigentümer zu sein. Geschützt wird der Erwerber so auch davor, die Sache in einem Rechtsstreit kurzerhand zu verlieren. Wer die Sache nämlich für sich beansprucht und sie in einem Prozess gegen den (Eigen-)Besitzer herausfordert, der muss beweisen, dass er tatsächlich Eigentümer der Sache ist. Hierzu muss er namentlich die Vermutungswirkung des § 1006 BGB entkräften211. Gerade mit Blick auf die Sicherung berechtigter Erwerberinteressen flankiert die Vermutungsfunktion die Verschaffungsfunktion212 und spricht in diesem Sinne gleichermaßen für die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des durch Sachübergabe gekennzeichneten Grundtatbestands gem. § 929 S. 1 BGB. c) Gutglaubensfunktion Mit Verschaffungs- und Vermutungsfunktion in engem Zusammenhang steht die Gutglaubensfunktion des Traditionsprinzips. Die Sachübergabe und der Besitzwechsel spielen für die Legitimation des redlichen Mobiliarerwerbs gem. §§ 932 ff. BGB seit jeher eine besondere Rolle213. Allerdings hat sich die moderne Gutglaubensdogmatik im Laufe der Zeit vom Dogma des Besitzes als Rechtsscheinträger weit entfernt. Das hängt mit dessen mangelnder Tauglichkeit als äußeres Rechtszeichen zur Kenntlichmachung der Eigentümerstellung des Besitzers zusammen214. An die Stelle des Besitzes ist daher die verwirklichte Besitzverschaffungsmacht getreten215. Der Veräußerer muss seine Rechtsmacht zur (vermeintlichen) Eigentumsverschaffung in dem Übertragungsvorgang manifestieren und der Erwerber muss ungeteilten Eigenbesitz erwerben. Nur wenn einerseits der Erwerber die ungehinderte Zugriffsmöglichkeit auf den Gegenstand hat und andererseits sowohl Veräußerer als auch Eigentümer mangels hinreichender Besitzposition nicht länger auf die Sache zugreifen können, ist es gerechtfertigt, den Konflikt der widerstreitenden Interessen zwischen dem wahren Berechtigten und dem Erwerber zugunsten des Letzteren aufzulösen216, weil die notwendige objektive Rechtsscheingrundlage gegeben ist, die das Fundament des erwerberseitigen Vertrauens auf die ungestörte Nutzung des Ge211 Dazu näher Baldus, in: MünchKommBGB, § 1006 Rn. 38 ff.; Ebbing, in: Erman, BGB, § 1006 Rn. 11. 212 Martinek, AcP 188 (1988), 573, 580 spricht insofern von einer „Sekundärfunktion des Übergabetatbestandes“. 213 Für eine scharfe Trennung von Traditionsprinzip und Gutglaubenserwerb Füller, Sachenrecht, S. 252 f.; relativierend auch Martinek, AcP 188 (1988), 573, 578 f.; demgegenüber auf einen engen Zusammenhang hinweisend Wadle, JZ 1974, 689, 694. 214 Dazu schon ausf. oben § 10 III. 2. a). 215 Siehe unten § 11 III. 4. c). 216 Ebenso Quantz, Besitz, S. 208.
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genstandes bildet217. Soweit im Einzelfall durch die Änderung der Besitzposition der Beteiligten die an dem Verfügungsgegenstand bestehenden Rechtsverhältnisse nach außen erkennbar werden, handelt es sich dabei nicht um die primäre Intention der §§ 932 ff. BGB, sondern um einen reinen Rechtsreflex218, der wiederum im Einzelfall nicht unerwünscht sein mag. Oftmals vollzieht sich auch der redliche Mobiliarerwerb ohne nach außen erkennbare Veränderung der Besitzpositionen. Das wird mit Blick auf § 934 Alt. 1 BGB besonders deutlich. Dort genügt die Verschaffung mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs des Veräußerers an den Erwerber. Auch für § 934 Alt. 2 BGB genügt der Erwerb mittelbaren – „vergeistigten“ – Besitzes. Überhaupt genügt für sämtliche Gutglaubenstatbestände der Erwerb mittelbaren Besitzes, soweit nur Veräußerer und wahrer Berechtigter nicht zugleich Besitzmittler sind219. Auch wenn der Besitzwechsel nach außen nicht in Erscheinung treten muss, kommt der redliche Mobiliarerwerb nicht ohne Anknüpfung an die Besitzlage aus. Das gilt nicht allein für das deutsche Recht nach §§ 932 ff. BGB, sondern auch für die Rechtslage in Frankreich, wonach für den Gutglaubenserwerb ebenfalls auf den Besitzerwerb abgestellt wird220. Deshalb ist es auch verfehlt, wenn unter Hinweis auf § 933 BGB zuweilen die Auffassung vertreten wird, der Gesetzgeber sei zum Traditionsprinzip zurückgekehrt221. Richtig ist vielmehr, dass für die Bewerkstelligung redlichen Mobiliarerwerbs kein anderer tauglicher Rechtsscheinträger in Betracht kommt als die Anknüpfung an die Besitzlage am Verfügungsgegenstand, und zwar unabhängig davon, ob man nun auf den tatsächlichen Sachbesitz abstellt oder – mit der zutreffenden Auffassung222 – auf die verwirklichte Besitzverschaffungsmacht.
4. Ökonomische Analyse des Traditionsprinzips Steht damit fest, dass das Übergabeerfordernis auch heute noch einige wichtige Funktionen erfüllt, stellt sich im direkten Anschluss die Frage nach der rechtsökonomischen Sinnhaftigkeit des Traditionsprinzips. Ausgangspunkt ist einmal mehr die Erkenntnis, dass die Einhaltung der durch das Traditionsprinzip vorgegebenen – zusätzlichen – Voraussetzungen mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden ist223, die den Rechts- und Handelsverkehr erschweren und nur 217
Dazu näher unten § 11 III. 4. Vgl. Quantz, Besitz, S. 208: „Nebenprodukt“. 219 Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 209 f.; Kindl, AcP 201 (2001), 391, 394 ff.; Quantz, Besitz, S. 208. 220 Ferid/Sonnenberger, Zivilrecht, Kap. 3 B Rn. 16 ff.; Hübner/Constantinesco, Einführung, S. 205 f. 221 So aber BGHZ 50, 45, 49 f.; Henssler, in: Soergel, BGB, § 933 Rn. 1; Kindl, AcP 201 (2001), 391, 397. 222 Siehe ausf. unten § 11 III. 4. c). 223 Dazu auch Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 303. 218
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dann gerechtfertigt sind, wenn sie durch einen zusätzlichen Nutzen, speziell für den Erwerber, wenigstens aufgewogen werden. Zum Teil wird in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, das Übergabeerfordernis reduziere Verhandlungs- und Nachverhandlungskosten sowie potenzielle Aufwendungen für gerichtliche Rechtsstreitigkeiten, da „die Parteien wissen, was sie tun, um späteren Streit darüber zu vermeiden“224. Diese Argumentation ist durchaus ambivalent. Ob durch die Geltung des Traditionsprinzips tatsächlich Verhandlungs- und Streitbewältigungskosten gesenkt werden können, hängt maßgeblich von den Interessen der Vertragsparteien ab. Anerkennt man das Interesse des Erwerbers, aufgrund des Eigentumserwerbs die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Sache zu erlangen und sie ungestört zu seinen Zwecken nutzen zu können, dann spricht viel für die grundsätzliche ökonomische Sinnhaftigkeit des Traditionsprinzips, die mit Blick auf die – wenn auch begrenzte – Bedeutung des Übergabeerfordernisses für den Gutglaubenserwerb noch verstärkt wird225. Soweit das rechtsökonomische Schrifttum das Traditionsprinzip außerdem unter Hinweis auf die mit dem Übergabeerfordernis erzielte Publizitätswirkung sowie die Interessen der Gläubiger an der Erkennbarkeit der Eigentumsverhältnisse zu legitimieren sucht226, ist dieser Ansatz im Anschluss an die Kritik der herkömmlichen Funktionen abzulehnen. Die dem Traditionsprinzip in diesem Zusammenhang zugeschriebene Senkung von Such- und Informationskosten unterliegt infolge der weitreichenden Durchbrechungen gem. § 929 S. 2, 930, 931 BGB und des massenhaften Vorkommens publizitätsloser Übereignungsvorgänge durchgreifenden Bedenken. Wo es dem Erwerber auf die Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft indes nicht maßgeblich ankommt, weil im Vordergrund der Rechtsübertragung nicht die Nutzung der Sache steht, sondern beispielsweise Sicherungszwecke, wirkt ein obligatorisches Übergabeerfordernis kontraproduktiv, zumal der Sicherungsgeber seinerseits vielfach ein berechtigtes Interesse daran haben wird, den zur Sicherheit übereigneten Gegenstand für seine Zwecke weiter zu nutzen. Ein ausnahmslos durchgehaltenes Traditionserfordernis behindert die – in solchen Fallgestaltungen ökonomisch sinnvolle – Trennung der formalen Eigentümerstellung von der Nutzungsmöglichkeit der Sache durch den Besitzer. Es ist daher von Bedeutung, dass neben Übereignungsformen kraft Sachübergabe auch publizitätslose Eigentumsübertragungen zulässig sind. Darauf ist im Zusammenhang mit der Konstitutsübereignung gem. § 930 BGB zurückzukommen227. Rechtsordnungen, die darüber hinaus weder eine Übereignung unter Zession des Herausgabeanspruchs noch unter Einschal224
Walz, Systemdenken, S. 13. Zur ökonomischen Sinnhaftigkeit des redlichen Erwerbs im Allgemeinen siehe vorerst Lieder, AcP 210 (2010), 857, 861 ff. sowie ausf. unten § 11 II. 3. 226 So Krimphove, Sachenrecht, S. 76, 181 f. 227 Dazu ausf. unten § 10 IV. 2. 225
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tung von Geheißpersonen zulassen, beschwören zudem höhere Transaktionskosten herauf, namentlich in Form von Transportkosten, die notwendig sind, um die von den Vertragsparteien gewünschten Besitzverhältnisse am Verfügungsgegenstand herzustellen228. Der Verzicht auf ein zusätzliches (Übergabe-) Erfordernis senkt schließlich das allgemeine Risiko, dass ein Rechtserwerb an der (versehentlichen) Nichtbeachtung zusätzlicher Sukzessionsvoraussetzungen scheitert.
5. Dogmatik des Übergabeerfordernisses Die Funktionen des Traditionsprinzips strahlen aus auf die konkreten, an die Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB zu stellenden Anforderungen. Das ist heute allgemein anerkannt und äußert sich in durchaus unterschiedlichen Interpretationen des Übergabebegriffs. Wer der Übergabe Bedeutung für die Manifestation des Veräußerungswillens beimisst, wird für eine strenge Linie eintreten229. Andere sehen sich gar zur Formulierung eines einheitlichen Übergabebegriffs überhaupt außerstande und plädieren stattdessen dafür, anhand aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu entschieden, ob dem Zweck des Übergabeerfordernisses im konkreten Einzelfall genügt sei230. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht namentlich darin, dass sich die zum Teil sehr unterschiedlichen, heute anerkannten Übergabeformen, allen voran Geheißerwerb231 und Streckengeschäfte232, zwanglos unter den Übergabebegriff subsumieren lassen233. Wenn diese Position allerdings betont, dass das Übergabeerfordernis „dann als erfüllt anzusehen (sei), wenn eine Besitzlage hergestellt ist, die der von den Parteien gewollten neuen Zuordnung des Eigentumsrechtes entspricht“234, dann setzt sie sich mit dem in § 929 S. 1 BGB normierten Erfordernis der physisch-realen Sachübergabe in Widerspruch. Die schmale Rechtfertigungsbasis des Traditionsprinzips darf nicht dazu verleiten, das Übergabeerfordernis im Wege teleologischer Reduktion aus dem Sukzessionstatbestand des § 929 S. 1 BGB vollständig herauszulösen. Die Übergabe ist und bleibt ein konstitutives 228 229
Krimphove, Sachenrecht, S. 75, 183. Paradigmatisch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 48 ff., insb. 51, ferner 52 ff.,
59 ff. 230 So Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 52, 61; vgl. weiter dens., FG BGH I, S. 753, 767 ff.; ähnlich Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 50; Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 28. 231 Dazu sogleich im Text. 232 Siehe hierzu ausf. Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 63 ff.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 67; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 51; Wieling, Sachenrecht I, § 9 VIII; v. Caemmerer, JZ 1963, 586 ff.; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 613 ff.; Padeck, Jura 1987, 454 ff.; Flume, FS E. Wolf, S. 61 ff.; aus der Rechtsprechung siehe exemplarisch BGH NJW 1974, 1132, 1133; 1982, 2371; 1986, 1166. 233 Ähnlich Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 52. 234 So Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 60; ähnlich Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 50 a.E., 53.
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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Merkmal dieses Grundtatbestands und als solches ist sie der Disposition der Vertragsparteien entzogen235. Es bleibt dabei: Die Verwirklichung der Übergabe bestimmt über den Eintritt des Eigentumserwerbs – nicht umgekehrt. Darüber hinaus ist vor einer Überdehnung des Übergabebegriffs auch deshalb zu warnen, weil ein extensives Begriffsverständnis eine Abgrenzung zu den Übergabesurrogaten der §§ 930, 931 BGB wesentlich erschwert und außerdem die Gefahr herauf beschwört, den genuinen Anwendungsbereich der Ausnahmetatbestände über Gebühr zu beschränken. Von Bedeutung ist eine saubere Abgrenzung der einzelnen Übereignungsmodi insbesondere mit Blick auf den redlichen (lastenfreien) Erwerb, der für die Erwerbstatbestände gem. §§ 933, 934 Alt. 2, 936 Abs. 1 S. 2 und S. 3 BGB ganz unterschiedlich ausgestaltet ist236. Betrachtet man nun den typisierten Parteiwillen für den Grundfall des § 929 S. 1 BGB, dann ergibt sich, dass die Interessen des Erwerbers primär darauf gerichtet sind, die Sache unter vollständigem Ausschluss einer fortbestehenden Berechtigung und Einwirkungsmöglichkeiten des Veräußerers einschränkungslos nutzen zu können. Damit steht es im Einklang, wenn die einhellige Auffassung heute verlangt, dass der Erwerber auf Veranlassung des Veräußerers den Besitz an der Sache erlangt und der Veräußerer seine Sachherrschaft vollständig und endgültig aufgibt, so dass „nicht mehr der geringste Rest eines Besitzes (im Sinne der tatsächlichen Gewalt)“ in seiner Hand verbleibt237. Dementsprechend reicht es für eine Übergabe beispielsweise nicht aus, wenn dem Erwerber ein Schlüssel zu einer Wohnung238 oder eines Kfz239 ausgehändigt wird, soweit der Veräußerer einen (Zweit-)Schlüssel für sich behält. Aufgrund der fortbestehenden Zugriffsmöglichkeit des Veräußerers ist die Nutzungsmöglichkeit des Erwerbers keine exklusive, so dass die Übereignung am fehlenden Ausschluss des Veräußerers scheitert. Nach dem Zweck des Übergabeerfordernisses muss sich der Veräußerer nicht notwendig im Besitz der Sache befinden (argumentum e § 934 Alt. 2 BGB)240. Maßgeblich für eine wirksame Übergabe ist allein, dass der Veräußerer keine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit mehr auf die Sache besitzt. Praktisch relevant wird dieser Punkt für die Veräußerung unter Einschaltung einer Geheiß-
235
Zutreffend Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 52. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 52. 237 Zitat: RGZ 137, 23, 25; in der Sache ebenso BGHZ 27, 360, 362; BGH NJW 1979, 714, 715; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 11; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 50, 53, 59; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 53; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 62, 64 f.; Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 19; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 2; Weber, JuS 1998, 577, 578. 238 BGH NJW 1979, 714, 715. 239 BGH NJW-RR 2005, 280, 281; OLG Karlsruhe MDR 2005, 1155, 1156. 240 Vgl. RGZ 137, 23, 25; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 54; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 54; Picker, AcP 188 (1988), 511, 553; Rebe, AcP 173 (1973), 186, 193; kritisch Martinek, AcP 188 (1988), 573, 602 f. 236
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person241. Hier genügt es, wenn die Sache entweder an den Erwerber dergestalt übergeben wird, dass die Geheißperson nicht mehr auf die Sache einwirken kann oder der Veräußerer seine Weisungsgewalt gegenüber der Geheißperson einbüßt, er also jedweder Besitzverschaffungsmacht enthoben ist242. Insgesamt muss für eine wirksame Übereignung sichergestellt sein, dass der Veräußerer weder in Person noch durch Einflussnahme auf Dritte auf den Sukzessionsgegenstand einwirken kann. Denn erst unter diesen Umständen ist dem Zweck der Übergabe Genüge getan, dem Erwerber die ungehinderte Zugriffsmöglichkeit auf die Sache zu gewährleisten. Die auf Erwerberseite erforderliche Einwirkungsbefugnis ist im Lichte der Verschaffungsfunktion des Traditionsprinzips zu interpretieren. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass dem Erwerber eine bestimmte Besitzposition zusteht oder wenigstens die Besitzposition eines Dritten als eigene zugerechnet werden kann243. In Abhängigkeit von den konkreten Vorstellungen und individuellen Bedürfnissen des Erwerbers kommen hierfür ganz unterschiedliche Gestaltungsformen in Betracht. Unstreitig ausreichend sind die Begründung unmittelbaren244 und mittelbaren245 Besitzes, aber auch die Einschaltung eines Besitzdieners246 oder einer Geheißperson247. Im letzten Fall wird zwar kein Besitz des Erwerbers begründet248, allerdings kann der Erwerber aufgrund seiner Weisungsbefugnis gegenüber der Geheißperson tatsächlich über die Verwendung der Sache entscheiden (Besitzzuweisungsmacht)249. Trotz
241 Allgemein anerkannt: BGHZ 36, 56; BGH NJW 1973, 141; 1974, 1132, 1133 f.; 1999, 425; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 61; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 50; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 15; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 I 1 a; v. Caemmerer, JZ 1963, 586 ff.; Wadle, JZ 1974, 689; Süß, FS M. Wolff, S. 141, 153. 242 Dazu speziell Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 54. 243 Zum Zurechnungsgedanken: Martinek, AcP 188 (1988), 573, 588 ff., 593 ff., 603 ff. 244 Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 56; Westermann, in: Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 9 I 2. 245 Außer es handelt sich um den Veräußerer; denn dieser Fall ist ausschließlich durch § 930 BGB erfasst: Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 55, 59; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 56. Dafür genügt auch die Anweisung des Veräußerers an den mittelbaren Besitzer, von nun an dem Erwerber den Besitz zu mitteln (Besitzanweisung); vgl. RGZ 103, 151, 153 f.; BGHZ 92, 280, 288; BGH NJW 1959, 1536, 1539; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 55; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 66; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 49; Tiedtke, WM 1978, 446; dens., WM 1979, 1142, 1144; Wieling, AcP 184 (1984), 439, 456. 246 RGZ 137, 23, 25. 247 Allg. M.: Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 35; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 50; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 10 ff.; Wolff/ Raiser, Sachenrecht, § 66 I 1 a; Süß, FS M. Wolff, S. 141, 153 f.; offen gelassen in BGH WM 1976, 153 f. 248 Zutreffend Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 57; Westermann, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 10 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 I a ; Wieling, JZ 1977, 291, 294 ff.; vgl. noch BGH NJW 1974, 1132, 1133 f. 249 So namentlich Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 57; zur Weisungsbefugnis vgl. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 564; v. Caemmerer, JZ 1963, 586; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 588 ff.; Tiedtke, Jura 1983, 460, 463 f.
III. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs
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der im Schrifttum vielfach geäußerten Kritik250 wird man es gleichermaßen für ausreichend erachten müssen, dass der Veräußerer als Besitzdiener des Erwerbers fungiert251. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Erwerber die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Sache mit dem Einverständnis des Veräußerers erlangt und der Erwerber hierbei auch selbst den Willen hat, die Sache gem. § 872 BGB als ihm gehörend zu besitzen (Eigenbesitz)252. Dass der Veräußerer mit dem Besitzwechsel einverstanden sein muss, folgt bereits aus § 858 Abs. 1 BGB. Würde ihm nämlich der Besitz ohne seinen Willen entzogen, handelte es sich um verbotene Eigenmacht, gegen welche sich der Veräußerer im Wege der Selbsthilfe nach § 859 BGB sowie durch Geltendmachung possessorischer Ansprüche (§§ 861, 862 BGB) zur Wehr setzen könnte. Außerdem wäre die Sache in diesem Fall iSd. § 935 Abs. 1 BGB dem Veräußerer abhanden gekommen253, sodass ein redlicher Erwerb regelmäßig ausscheiden müsste. Das Willenselement auf Seiten des Erwerbers resultiert schlicht aus der allgemeinen Natur des Besitzes, der nach zutreffender h.M.254 von einem Sachherrschaftswillen getragen sein muss. Dementsprechend kann nicht zweifelhaft sein, dass eine Übergabe auch dann vorliegt, wenn der Erwerber einseitig den Besitz an der Sache begründet und der Veräußerer zustimmt255. Zulässig ist nach dem Normzweck der Übergabe – und gegen die inzwischen überholte Rechtsprechung des BGH256 – auch eine nachträgliche Genehmigung der ohne den Willen des Veräußerers erfolgten Besitzbegründung durch den Erwerber analog § 185 Abs. 2 S. 1 BGB257.
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Vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 74. RGZ 99, 208, 210; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 53, 59; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 10; Weber, JuS 1998, 577, 579. 252 Dazu etwa Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 59 ff.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 67 ff.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 7. 253 Vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 63; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 70; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 7. 254 RGZ 106, 135, 136; BGHZ 27, 360, 362; 101, 186, 187; OLG Koblenz NJW-RR 1994, 1351; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 854 Rn. 4; Bund, in: Staudinger, BGB, § 854 Rn. 14 f.; Joost, in: MünchKommBGB, § 854 Rn. 8; Lorenz, in: Erman, BGB, § 854 Rn. 10; Prütting, Sachenrecht, Rn. 54; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 10 II. 255 Heute einhellige M.: RGZ 53, 218, 221; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 63; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 50; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 67 ff.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 7. 256 BGHZ 67, 207, 209; a.A. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 933 Rn. 22; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 69 II 2 c a.E.; Deutsch, JZ 1978, 385, 387 f. – Zur inzwischen verblassten Geltungskraft der Entscheidung: Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 65, § 933 Rn. 5. 257 Zutreffend RGZ 124, 28, 32; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 61, 65; Ernst, Eigenbesitz, S. 77; Flume, AT II, § 57 I 1 d. 251
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IV. Durchbrechungen des Traditionsprinzips Die beschränkte Bedeutung des Traditionsprinzips im Bereich der Mobiliarübereignung beruht maßgeblich auf den weitreichenden Durchbrechungen, die das Prinzip kraft Gesetzes erfahren hat. Sie sind in ihrer Gesamtheit eine Konzession an die praktischen Bedürfnisse des güterumsetzenden Wirtschaftsverkehrs. Diese Übergabesurrogate stehen nachfolgend im Mittelpunkt des Interesses. Beschrieben werden ihre dogmatische Struktur, ihre wirtschaftliche Bedeutung sowie ihre rechtspolitische (und rechtsökonomische) Überzeugungskraft, und zwar für die Übereignung kurzer Hand gem. § 929 S. 2 BGB (1.), die Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts gem. § 930 BGB (2.) sowie unter Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 931 BGB (3.). Im Anschluss daran werden einige allgemeine Grundsätze zu den Ausnahmetatbeständen formuliert, um zu entscheiden, wie sich die Übereignung besitzloser Sachen vollzieht (4.).
1. Übereignung kurzer Hand Hat der Erwerber bereits die unmittelbare Herrschaft über die Sache inne, genügt für den Eigentumsübergang gem. § 929 S. 2 BGB die bloße Einigung zwischen den Vertragsparteien. Man spricht von der Übereignung kurzer Hand: brevi manu traditio. a) Rechtsdogmatische und rechtssystematische Einordnung Für die Übereignung nach § 929 S. 2 BGB, die in ihrer Struktur bereits dem römischen Recht bekannt war258, ist umstritten, ob es sich um eine Durchbrechung des Traditionsprinzips handelt259, oder nur um eine „Anwendung (desselben) auf die Situation“260. Dem Traditionsprinzip soll dadurch genügt sein, dass sich die Übereignung durch einen „wirklichen Wechsel(…) im Eigenbesitz“ vollziehe261. Dieser Argumentation kann man nur folgen, wenn man ein Verständnis des Traditionsprinzips zugrunde legt, das nicht an die nach außen erkennbare Sach258
Dazu Kaser/Knütel, Privatrecht, § 20 Rn. 5; ausf. Wadle, JuS 1996, L25, L26. Dezidiert etwa Süß, FS Wolff, S. 141, 151; Füller, Sachenrecht, S. 317 f.; im Ergebnis ebenso Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 118; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 20; vgl. noch Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 73, der von einer „selbstverständlichen Einschränkung“ spricht. 260 So Ernst, Eigenbesitz, S. 81; auch Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 858 betont, dass es sich nicht um eine Ausnahme vom Traditionsprinzip handele; letztlich ebenso Martinek, AcP 188 (1988), 573, 592; Roth, ZVglRWiss 92 (1993), 371, 377; vgl. noch Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 73, der „keine Durchbrechung, sondern eine selbstverständliche Einschränkung des Traditionsprinzips“ annimmt. 261 Ernst, Eigenbesitz, S. 81. 259
IV. Durchbrechungen des Traditionsprinzips
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übergabe anknüpft, sondern an den einverständlichen Erwerb des Eigenbesitzes262. Aber selbst wenn man nicht den Eigenbesitzerwerb als maßgebliches Kriterium begreift, sondern seine Verschaffungsfunktion, dann fügt sich der Ausnahmetatbestand des § 929 S. 2 BGB durchaus in ein funktionell geprägtes Verständnis des Traditionsprinzips ein. Schließlich kann der Erwerber nach der Einigung ungehindert auf die Sachen zugreifen und sie nach seinen individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen nutzen. Freilich muss man sich in Gefolgschaft dieser Position bewusst sein, dass § 929 S. 2 BGB kein nach außen erkennbares Publizitätszeichen voraussetzt und daher mit dem – noch immer vorherrschenden263 – Verständnis des Traditionsprinzips als Offenkundigkeitsprinzip nicht in Einklang zu bringen ist. Da sich der Eigentumsübergang hier aufgrund einer schlichten Einigung vollzieht, liegt eine Interpretation des § 929 S. 2 BGB im Sinne des reinen Konsensprinzips zumindest nicht fern, auch wenn es sich mit der hiesigen Vorstellung eines modernen Traditionsprinzips264 zwanglos in Einklang bringen lässt. b) Rechtspolitische und rechtsökonomische Würdigung Mit Blick auf dieses Verständnis fällt auch die rechtspolitische Würdigung des § 929 S. 2 BGB durchweg positiv aus: Es wäre widersinnig und bloße Förmelei, verlangte man vom bereits besitzenden Erwerber eine nach außen wahrnehmbare Übertragung des unmittelbaren Besitzes, etwa dergestalt, dass die Sache zunächst an den Veräußerer herausgegeben würde, um sie dem Erwerber im Anschluss zurückzugeben. Dieses unnötige Hin- und Herschieben des Verfügungsgegenstands wäre mit erhöhten Transaktionskosten verbunden, namentlich in Form von Transportkosten265. Durch die Zulassung eines § 929 S. 2 BGB entsprechenden publizitätslosen Übereignungstatbestands lassen sich solche Kostenfaktoren unschwer vermeiden. Das steigert insgesamt die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen, liegt im Interesse einer ungehinderten Übertragbarkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit) und trägt zu einer effizienten Allokation knapper Ressourcen bei. Praktische Bedeutung erlangt die verkürzte Übereignung namentlich bei der Rückübertragung sicherungsübereigneter Sachgesamtheiten266. Zudem erleidet der Erwerber aus dem Traditionsdispens keine Einbußen in puncto Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die nach dem ökonomischen Modell ebenfalls in Form von Transaktionskosten oder externen Effekten zu Buche schlügen. Der Erwerber kann kraft Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft nämlich einerseits die Sache nach seinen individuellen Vorstellungen 262 263 264 265 266
Dazu ausf. Ernst, Eigenbesitz, S. 55 f. Siehe oben § 10 III. 2. a). Siehe nochmals oben § 10 III. 5. Vgl. Krimphove, Sachenrecht, S. 187. Vgl. Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 74; Füller, Sachenrecht, S. 317.
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§ 10 Publizitätsprinzip
physisch-real nutzen und ist andererseits gegen etwaige Anfechtungen des Veräußerers in einem Vindikationsprozess effektiv geschützt. Zwar findet die Vermutungswirkung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB auf denjenigen, der zunächst Fremdbesitzer war keine Anwendung, denn es gibt gerade keine Vermutung dafür, dass die Umwandlung von Fremd- in Eigenbesitz rechtmäßig erfolgte267. Allerdings helfen dem besitzenden Erwerber die allgemeinen Beweislastregeln, wonach grundsätzlich der Kläger die für ihn günstigen Voraussetzungen der Anspruchsnorm dartun muss268. Der Kläger trägt folglich das Risiko der Unerweislichkeit der eigenen Berechtigung. Im Ergebnis ist daher der Zweck des Übergabeerfordernisses für § 929 S. 2 BGB schon dadurch erfüllt, dass der Erwerber vor erfolgter Einigung die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt.
2. Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts Die in der Praxis bei weitem bedeutsamste Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip ist die Übereignung unter Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB). Schwerpunktmäßige Anwendung findet das Übergabesurrogat im Rahmen der Sicherungsübereignung. a) Rechtshistorische und rechtssystematische Grundlagen Die Schöpfung des Besitzkonstituts wird gemeinhin dem römischen Juristen Iuventius Celsus zugeschrieben269. In den deutschen Partikularstaaten war die Zulässigkeit der Konstitutsübereignung vor Inkrafttreten des BGB durchaus umstritten270. Nachdem sich allerdings Reinhold Johow in der Begründung zum sachenrechtlichen Vorentwurf für die Anerkennung des constitutum possessorium ausgesprochen hatte271, anerkannte auch der historische BGB-Gesetzgeber die Übereignung kraft Besitzkonstituts als allgemeingültiges Rechtsinstitut272. 267 Ganz h.M.: OGH NJW 1949, 143; BGHZ 73, 355, 361; 156, 310, 317; Baldus, in: MünchKommBGB, § 1006 Rn. 26; Berger, in: Jauernig, BGB, § 1006 Rn. 1; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1006 Rn. 7; Kohl, in: AK, BGB, § 1006 Rn. 4; Münch, in: Soergel, BGB, § 1006 Rn. 11; Pikart, in: RGRK, BGB, § 1006 Rn. 13; Schanbacher, in: AnwKommBGB, § 1006 Rn. 3; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 270; a.A. noch RG JW 1923, 229; M. Wolf, JuS 1985, 941, 944. 268 Vgl. Baldus, in: MünchKommBGB, § 1006 Rn. 4. 269 Dazu und zur dogmengeschichtlichen Entwicklung ausf. Kohler, ArchBR 18 (1900), 1 ff.; Wacke, Besitzkonstitut, S. 8 ff.; ferner Süß, FS M. Wolff, S. 141, 149; vgl. auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 1; Kaser/Knütel, Privatrecht, § 20 Rn. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 1 a. 270 Dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 335; Schubert, Entstehung, S. 146 f. 271 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 890 ff.; dazu ausf. Brinkmann, Kreditsicherheiten, S. 107 ff. 272 Zu den BGB-Entwürfen und ihrer Kritik siehe Brinkmann, Kreditsicherheiten, S. 111 ff.
IV. Durchbrechungen des Traditionsprinzips
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Die Schaffung des § 930 BGB war eng verflochten mit der Entwicklung des Sicherungseigentums, das sich insbesondere gegenüber dem Mobiliarpfandrecht behaupten musste273, welches seinerseits aus historischen Gründen dem Faustpfandprinzip verhaftet war (und noch immer ist)274. Angesichts der signifikanten Unterschiede zwischen der Konstitutsübereignung, die ohne jegliches Publizitätselement auskommt (vgl. § 930 BGB), und der Mobiliarverpfändung, die eine Pfandrechtsbestellung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts ausschließt, ist es nicht selbstverständlich, dass Sicherungsübereignung und Mobiliarpfandrecht, die aus wirtschaftlicher Perspektive gleichermaßen der Sicherung von Gläubigerinteressen dienen, sich ohne dogmatische Verwerfungen nebeneinander behaupten können. Namentlich die abweichenden Rechtsentwicklungen in Österreich und anderen Staaten zeigen, dass der deutsche Weg keineswegs alternativlos war275. Allerdings beruht das Nebeneinander von Pfandrecht und Sicherungseigentum auf einer bewussten Entscheidung des historischen Gesetzgebers276. Namentlich die 2. BGB-Kommission betonte, dass es sich bei Sicherungsübereignungen „keineswegs überwiegend um illegitime Geschäfte“ handele277. Es kann daher nicht verwundern, dass das Reichsgericht noch vor Inkrafttreten des BGB die Zulässigkeit des Sicherungseigentums ausdrücklich anerkannte278 und an dieser Rechtsprechungslinie auch nach 1900 uneingeschränkt festhielt279. Die anschließende Entwicklung in der Kreditsicherungspraxis, die zu einer weitgehenden Verdrängung des Faustpfandrechts führte, war daraufhin nicht mehr aufzuhalten und muss heute als unumkehrbar angesehen werden280. In Anbetracht der §§ 216 Abs. 2 S. 1 BGB, 51 Nr. 1 InsO kann hierüber auf Basis der lex lata heute kein Zweifel mehr bestehen281. Von besonderer Bedeutung für die rechtstatsächliche Entwicklung des Kreditsicherungsrechts waren die gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen im Deutschland des 20. Jahrhunderts282. Insbesondere die beiden Weltkriege sowie die schwere Inflation in den Jahren 1914 bis 1923 zerstörten die Kapitalmarktinstitutionen und vernichteten das Kapital der Anleger in
273
Zur Entwicklung siehe Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 3. Dazu unten § 10 V. 275 Dazu eingehend Krimphove, Sachenrecht, S. 197 ff.; Koziol, AcP 212 (2012), 1, 27 ff. 276 Zutreffend Schubert, Entstehung, S. 163; Gaul, AcP 168 (1968), 351, 357 ff.; Reich, AcP 169 (1969), 247; Brinkmann, Kreditsicherheiten, S. 117 f. 277 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 201; siehe noch Motive zum BGB, Bd. 1, S. 345; dazu ferner Gaul, AcP 168 (1968), 351, 359; Schubert, Entstehung, S. 163 ff. 278 RGZ 45, 80, 84 ff. 279 RGZ 57, 175, 177; bestätigt durch RGZ 59, 146. 280 Zur Entwicklung instruktiv Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh. §§ 929–931 Rn. 10 ff.; Hromadka, JuS 1980, 89 ff.; siehe ferner Prütting, Sachenrecht, Rn. 413 ff. 281 Wieling, Sachenrecht I, § 18 II 1; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 235. 282 Zu den Verhältnissen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe Hromadka, JuS 1980, 89, 91 f. 274
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großem Stil283. In der Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Nachkriegszeit bestand daher nur in sehr eingeschränktem Maße für deutsche Unternehmen die Möglichkeit, sich über den Kapitalmarkt zu rekapitalisieren. Die Unternehmensfinanzierung war stattdessen durch Fremdkapitalaufnahme und Selbstfinanzierung geprägt284. Für die Ausreichung von Krediten verlangten die Banken indes liquide Sicherheiten. Das Sicherungseigentum erwies sich in diesem Zusammenhang als besonders flexibel einsetzbar. Schließlich ermöglichte die Sicherungsübereignung dem Sicherungsgeber – anders als die Mobiliarverpfändung – die zur Sicherheit übertragenen Gegenstände im Rahmen seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit uneingeschränkt weiter zu benutzen. b) Ökonomische Bedeutung der Konstitutsübereignung Dementsprechend ist die Konstitutsübereignung aus dem modernen Wirtschaftsverkehr nicht mehr wegzudenken. Sie erleichtert den Mobiliarerwerb namentlich für den Fall, dass dem Veräußerer daran gelegen ist, den Sicherungsgegenstand auch nach Eigentumsübertragung noch selbst weiter benutzen zu können. Die konkrete Ausgestaltung der publizitätslosen Übereignung vermeidet den verzichtbaren Umweg über einen regulären Eigentumserwerb gem. § 929 S. 1 BGB nebst Übergabe der Sache an den Sicherungsnehmer und deren Rückgabe an den Sicherungsgeber unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB). Ebenso wie bei § 929 S. 2 BGB erweisen sich diese Winkelzüge als überflüssig und pure Förmelei285. So verstanden dient auch § 930 BGB der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs286 und vergrößert den wirtschaftlichen Handlungsspielraum der Beteiligten287. Das praktische Ausmaß der mit § 930 BGB verbundenen Erleichterungen zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit am Beispiel der Sicherungsübereignung von Warenlagern mit revolvierendem Bestand. Eine wirksame Eigentumsübertragung gem. § 930 BGB verlangt hier nur eine hinreichend konkretisierte Einigung der Vertragsparteien288, allerdings keine physisch-reale Übergabe sämtlicher Sicherungsgegenstände an den Sicherungsnehmer. Auf diese Weise werden in großem Stil Transaktionskosten in Form von Transportkosten eingespart, die Bestellung von Mobiliarsicherungen und die Kreditaufnahme insgesamt erleichtert. Positive Effekte zeitigt § 930 BGB auch im Fall der vorgezogenen 283 Dazu in Bezug auf die Entwicklung von Kapitalmärkten Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 258; ausf. Roe, Harv. L. Rev. 120 (2006), 462, 498 ff.; siehe ferner Rajan/Zingales, J. Fin. Econ. 69 (2003), 5, 12 ff.; kritisch dagegen La Porta/Lopes-de-Silanes/Shleifer, J. Econ. Lit. 46 (2008), 285, 316 ff. 284 Näher Lieder, Aufsichtsrat, S. 416 m.w.Nachw. 285 Vgl. nur Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 1 a. 286 Ebenso Henssler, in: Soergel, BGB, § 930 Rn. 2; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 2; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 21. 287 Krimphove, Sachenrecht, S. 195. 288 Zum Bestimmtheitsproblem in diesem Zusammenhang siehe schon oben § 8 II. 4. a).
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Veräußerung noch nicht übergabefähiger Sachen289. Für den Eigentumsübergang müssen sich allein die Besitzverhältnisse an den Sachen dergestalt ändern, dass zwischen den Vertragsparteien ein Besitzmittlungsverhältnis begründet wird, welches den bisherigen Eigenbesitz des Veräußerers in Fremdbesitz umwandelt. Wirtschaftliche Folge der Übereignung nach § 930 BGB ist eine funktionale Aufspaltung der Funktionen des Privateigentums290. Während dem Sicherungsnehmer das formale Eigentumsvollrecht zur Sicherung übertragen wird (Sicherungsfunktion), verbleibt dem Sicherungsgeber in den Grenzen der Sicherungsabrede die Befugnis, den Verfügungsgegenstand für seine wirtschaftlichen Zwecke auch weiterhin zu nutzen (Nutzungsfunktion). Ein Verstoß gegen die rechtsdogmatisch ohnehin zweifelhafte Lehre vom ungeteilten Eigentum291 ist darin nicht zu erkennen, ist das Eigentumsrecht doch ausschließlich, absolut und ungeteilt dem Sicherungsnehmer zugewiesen, während der Sicherungsgeber nur über ein obligatorisches Nutzungsrecht verfügt. Der maßgebliche wirtschaftliche Vorteil der Sicherungsübereignung besteht darin, dass der Veräußerer im Besitz der Sache bleiben und sie im eigenen Interesse weiterhin nutzen kann292. Damit unterscheidet sich die Sicherungsübereignung maßgeblich von der konkurrierenden Verpfändung, die nach dem tradierten Faustpfandprinzip voraussetzt, dass der Sicherungsgegenstand dem Pfandgläubiger dergestalt ausgehändigt wird, dass der Verpfänder von der Einwirkung auf und die Verfügung über die Pfandsache vollständig ausgeschlossen ist293. Dieser Unterschied macht die Sicherungsübereignung besonders attraktiv, weil zur Sicherung von Geldkrediten auch das Anlage- und Umlaufvermögen des Sicherungsgebers an den Gläubiger übertragen werden kann, ohne gleichzeitig die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit an diesen Gegenständen zu verlieren. Die Belassung des Sicherungsguts im Besitz des Veräußerers dient nicht nur den Interessen des Sicherungsgebers. Vielmehr wird auch der Sicherungsneh289
Dazu ausf. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 24 ff. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 2, Anh. § 929 Rn. 1; vgl. weiter Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh § 929 Rn. 58 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 57 Rn. 1 ff.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 44 Rn. 1 ff. Siehe zur früher vielfach vertretenen, heute indes überholten Lehre vom wirtschaftlichen Eigentum des Sicherungsgebers und dem formellen Eigentum des Sicherungsnehmers ausf. Reich, AcP 169 (1969), 247, 251 ff. 291 Siehe dazu oben § 2 III. 2. b) aa). 292 Dazu und zum Folgenden Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 2; Gaul, AcP 168 (1968), 351, 357 ff.; Lange, NJW 1950, 565; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 56 Rn. 9; Prütting, Sachenrecht, Rn. 409; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 44 Rn. 1 ff. 293 Der historische Gesetzgeber bemerkt in den Worten der 2. BGB-Kommission, Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 201: „Vielmehr diene diese Rechtsform sehr häufig zur Befriedigung des Kreditbedürfnisses der kleinen Leute, welche dem Gläubiger allein mit ihrer beweglichen Habe Sicherheit zu gewähren im Stande seien, aber den fortdauernden Besitz und Gebrauch derselben nicht entbehren und deshalb dem Gläubiger ihre Sachen nicht als Faustpfand übergeben könnten.“ 290
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mer typischerweise daran interessiert sein, dass sein Vertragspartner unter Nutzung des Sicherungsguts die gesicherten Verbindlichkeiten befriedigt. Hinzu kommt, dass der Sicherungsgeber vielfach auch ein Interesse daran haben wird, zur Kreditsicherung notwendige Transaktionen nicht öffentlich zu machen. Die Offenlegung von Refinanzierungs- und Kreditsicherungsbedarf führt bei den Geschäftspartnern des Sicherungsgebers nicht selten zu Irritationen, die eine prosperierende Fortführung des Unternehmens beeinträchtigen könnten. Schließlich spart der Sicherungsnehmer Aufwendungen, die er im Fall der Verpfändung aufgrund der Einlagerung von Gegenständen aufwenden müsste, und kann bei Eintritt des Sicherungsfalls gem. § 883 ZPO vollstrecken, während er ansonsten auf ein Vorgehen nach Maßgabe des § 808 ZPO nebst Pfändungsschutz gem. § 811 ZPO verwiesen wäre. Berücksichtigt man diese wirtschaftlichen Vorzüge der Sicherungsübereignung und ruft man sich nochmals das hier vertretene – eingeschränkte – Verständnis des Traditionsprinzips ins Gedächtnis, erweist sich die publizitätslose Ausgestaltung der Konstitutsübereignung als geradezu alternativlos. Die im Schrifttum zum Teil noch immer vorgetragenen Bedenken und Kritikpunkte294 können sich gegen die praktischen Bedürfnisse des Rechts- und Sicherungsverkehrs im Ergebnis nicht durchsetzen. Schon die Motive zum BGB ließen mit Recht keine Gegenargumente gelten295. Es sei hinzunehmen, dass die Zulassung der Konstitutsübereignung zur Schaffung eines besitzlosen Pfandrechts führe und Sachen durch fingierte Übereignungen dem Gläubigerzugriff entzogen werden könnten. Denn im Ergebnis hielt man es für wichtiger, durch die Zulassung des Besitzkonstituts den überragenden Erfordernissen des Rechts- und Handelsverkehrs zu entsprechen296. c) Rechtsdogmatische Struktur des Besitzkonstituts Gleichwohl haben die gegen § 930 BGB in der Vergangenheit vorgebrachten Bedenken in der Dogmatik des Besitzkonstituts ihre Spuren hinterlassen. Namentlich die noch immer vorherrschende Lehre vom konkreten Besitzkonstitut ist zuweilen dafür in Anspruch genommen worden, simulierte und missbräuchliche Vermögensverlagerungen zu unterbinden297. Unzureichend sei es insbesondere, wenn der bisherige Eigentümer lediglich den Willen äußere, künftig für den Erwerber zu besitzen298. Zum Schutz vor Missbräuchen sei für ein wirk294 Siehe etwa die pointierten Zusammenstellungen bei Hromadka, JuS 1980, 89 und zuletzt Koziol, AcP 212 (2012), 1, 27 ff. 295 Hierzu und zum Folgenden Motive zum BGB, Bd. 3, S. 335; vgl. noch Gaul, AcP 168 (1968), 352, 357 ff.; Schubert, Entstehung, S. 146 f. 296 Dazu auch Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 197, 201. 297 Vgl. dazu Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 24. 298 So im Ergebnis die h.M.: RGZ 5, 181, 183 f.; 24, 307, 311; 49, 170, 173 f.; 54, 396, 397; BGH NJW 1979, 2308; OLG Karlsruhe MDR 2005, 1155, 1156; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 930 Rn. 8; Berger, in: Jauernig, BGB, § 858 Rn. 5; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 930 Rn. 5;
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sames Besitzkonstitut zwingend notwendig, dass sich die Parteien über die Dauer und Ausübung des Besitzes vertraglich geeinigt hätten. In dieser Lesart ist die herkömmliche Auffassung aus verschiedenen Gründen abzulehnen. Zunächst verkennt diese Position, dass die Vereinbarung eines konkreten Besitzmittlungsverhältnisses ebenso simuliert werden kann wie die dingliche Einigung selbst299. Darauf wies bereits die 2. BGB-Kommission zutreffend hin300: „Es handele sich bei dem sog. individualisirten constitutum possessorium lediglich um den mißlungenen Versuch einer neuen Theorie, fraudulöse Geschäfte durch diese besondere Gestaltung unmöglich zu machen; dieses Ziel sei aber nicht zu erreichen, da die Parteien jederzeit ein unkontrolirbares Scheingeschäft abschließen könnten.“
Davon abgesehen wäre es außerdem verfehlt, das aufgezeigte Missbrauchspotenzial zum Anlass zu nehmen, um – entgegen den typisierten Parteiinteressen – § 930 BGB einschränkend auszulegen. Denn Maßnahmen, die auf eine Vereitelung der Einzel- oder Gesamtvollstreckung abzielen, können sachnäher durch besondere Anfechtungsregeln unterbunden werden301. Überhaupt sind den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass gerade die Konkretheit des Besitzmittlungsverhältnisses der Missbrauchsgefahr entgegentreten sollte. Vielmehr spricht die 2. BGB-Kommission zutreffend davon, dass ein rein abstraktes Besitzmittlungsverhältnis ohnehin schwer vorstellbar sei. Die Protokolle fassen den Standpunkt der Mehrheit wie folgt zusammen302: „Ein abstraktes constitutum (…) komme in Wirklichkeit überhaupt nicht vor. Es müsse vielmehr immer irgendein Rechtsverhältniß zu Grunde liegen, wenn die Parteien ernstlich einerseits den Eigenthumsübergang und andererseits das Verbleiben des Besitzes beim Veräußerer wollten.“
Außerdem manifestiert sich die mangelnde Überzeugungskraft der Lehre vom konkreten Besitzmittlungsverhältnis darin, dass die h.M. ihre Position auch keineswegs konsequent durchzuhalten vermag. Insgesamt – so die Rechtsprechung303 – seien an die Konkretheit des Besitzmittlungsverhältnisses „keine allzu strengen Anforderungen“ zu stellen. Paradigmatisch dafür steht eine neuere höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherungsübereignung. Dort führt der II. Zivilsenat des BGH wörtlich aus, dass „zur Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses (…) im Ergebnis jedes besitzbegründende Rechtsverhält299 Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 14 ff.; Pikart, in: RGRK, BGB, § 930 Rn. 22; Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 22; Prütting, Sachenrecht, § 32 III 3; relativierend Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 39 Rn. 8. 299 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 20; Heck, Sachenrecht, S. 501; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 b aa. 300 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 198. 301 Siehe dazu oben § 10 III. 2. c). 302 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 198. 303 So dezidiert etwa BGH NJW 1979, 2308, 2309; vgl. exemplarisch noch Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 39 Rn. 8.
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nis“304 genüge. Dieser klaren Aussage ist in der Sache uneingeschränkt beizupflichten; dann aber taugt „jedes besitzbegründende Rechtsverhältnis“ kaum als konkretes (!) Besitzmittlungsverhältnis, wie es die herkömmliche Ansicht noch immer voraussetzt. Lässt man bereits die bloße Bezugnahme auf das Institut der Sicherungsübereignung ausreichen305, wird das Dogma vom konkreten Besitzmittlungsverhältnis im besten Fall der konturlosen Beliebigkeit preisgegeben, wenn nicht sogar faktisch fallengelassen. Dazu passt es schließlich, wenn der II. Zivilsenat die stillschweigende Begründung des Besitzkonstituts genügen lässt306. Auch diese Aussage ist in der Sache zutreffend, da sich aus der stillschweigenden Sicherungsabrede die nach § 930 BGB für das Besitzmittlungsverhältnis notwendigen Rechte und Pflichten ableiten lassen. Eine derart weitherzige Interpretation gibt das von der h.M. postulierte Konkretisierungsgebot indes implizit auf. Diese Konsequenz ist bisher noch nicht allseits zur Kenntnis genommen worden. In der Sache kann jedenfalls leicht auf das Dogma des konkreten Besitzkonstituts verzichtet werden. Zur praktischen Handhabbarkeit der Konstitutsübereignung vermag dieses Kriterium ebenso wenig beizutragen wie zum Schutz der individuellen Parteiinteressen und der überindividuellen Interessen des Rechts- und Handelsverkehrs. Das belegt auch eine funktionale Analyse des Besitzkonstituts: Im Anschluss an die oben307 herausgearbeiteten modernen Funktionen des Traditionsprinzips steht das Übergabeerfordernis nach dem hier befürworteten Ansatz im Interesse des Erwerber- und Verkehrsschutzes. Überträgt man diese teleologisch-normative Erkenntnis auf das Besitzkonstitut, liegt es nahe, dessen zentrale Funktion darin zu erkennen, dem Erwerber die durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses iSd. § 868 BGB vermittelte Herrschaft über die Sache zu sichern (Erwerberschutz). Hierfür bedarf es – entgegen der h.M. – indes keiner besonderen Konkretisierung des Besitzkonstituts. Es genügt vielmehr die allgemeine Abrede, der Veräußerer solle künftig für den Erwerber besitzen308. Die Vertragsparteien müssen lediglich übereinkommen, dass sich die besitzrechtlichen Verhältnisse dahingehend ändern, dass der Veräußerer fortan als Fremdbesitzer für den Erwerber besitzen soll und nicht mehr wie bisher als Eigenbesitzer. Entscheidendes Kriterium ist der Fremdbesitzerwille des Veräu304
BGH NJW-RR 2005, 280, 281. So BGH NJW-RR 2005, 280, 281; OLG Stuttgart WM 1975, 1322, 1323 f.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 930 Rn. 9; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 22; offen gelassen in BGH NJW 1979, 2308, 2309; a.A. noch Pikart, in: RGRK, BGB, § 930 Rn. 11, 19. 306 BGH NJW-RR 2005, 280, 281. 307 Siehe § 10 III. 3. 308 Wie hier auch Joost, in: MünchKommBGB, § 868 Rn. 14; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 930 Rn. 5; Reich, in: AK, BGB, §§ 930, 931 Rn. 7; Meller-Hannich/Schilken, in: AnwKommBGB, § 930 Rn. 11; Stadler, in: Soergel, BGB, § 868 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 18 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 491; Heck, Sachenrecht, S. 500 ff.; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III b aa; Wacke, ZEuP 2000, 254, 260; tendenziell gegen das Dogma vom konkreten Besitzmittlungsverhältnis auch Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 905; Kohler, ArchBR 18 (1900), 1, 76 ff.; Ernst, Eigenbesitz, S. 133 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 286 f. 305
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ßerers; hinzu kommt der Besitzerwerbswille des künftigen Eigentümers309. Dementsprechend kann in diesem Zusammenhang auch schwerlich von einem abstrakten Besitzmittlungsverhältnis die Rede sein. Sobald sich nämlich der Wechsel in den besitzrechtlichen Positionen manifestiert hat, handelt es sich notwendig um ein individualisiertes Besitzmittlungsverhältnis, das freilich inhaltlich hinter den weitergehenden Anforderungen der h.M. zurückbleibt. Dass es eines konkreten Besitzmittlungsverhältnisses nicht bedarf, entspricht auch der grundsätzlichen Interessenlage der Vertragsparteien einer Konstitutsübereignung. Während es demjenigen, der eine Sache nach Maßgabe des § 929 S. 1 BGB durch physisch-reale Übergabe erwirbt, typischerweise auf die durch das Übergabeerfordernis vermittelte Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit ankommt, ist derjenige, der das Sacheigentum auf Grundlage des § 930 BGB erwirbt, primär am Erwerb der formalen Eigentumsposition interessiert. Ihm geht es um die Sicherungswirkung des Eigentumsrechts und das hiermit verbundene Verwertungsrecht an der Sache, während er nach seiner typisierten Interessenlage auf die Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft in der Regel keinen Wert legt. Zuweilen wird dem Sicherungsnehmer die physisch-reale Übergabe der Sache sogar unwillkommen sein. Man denke nur an die Übereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand, das einem Bankinstitut zur Sicherung eines umfänglichen Kreditengagements dient. Die Bank wird gern die Einlagerungskosten sparen wollen und dem Sicherungsgeber Sachherrschaft und Nutzungsmöglichkeit belassen. Es ist gerade dieser Umstand: die privatautonome Zuweisung von Sachherrschaft und Nutzungsmöglichkeit, auf die sich die Vereinbarung der Parteien iSd. § 868 BGB beziehen muss. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung ist nicht notwendig. Die Lehre vom konkreten Besitzmittlungsverhältnis kann ferner auch nicht erklären, warum nach heute einhelliger und zutreffender Auffassung310 auch ein unwirksames Besitzmittlungsverhältnis zur Eigentumsübertragung gem. § 930 BGB ausreicht. Hält man nämlich die Wirksamkeit des Besitzmittlungsverhältnisses für irrelevant, dann stützt sich das Besitzkonstitut ausschließlich auf den Herausgabeanspruch311 und den Fremdbesitzerwillen des Veräußerers, während die inhaltliche Ausgestaltung des Besitzmittlungsverhältnisses selbst, weil unwirksam (!), keine Rolle spielt312. Lässt man eine Konstitutsübereignung 309
Wie hier auch Meller-Hannich/Schilken, in: AnwKommBGB, § 930 Rn. 11; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 25. 310 RGZ 98, 131, 133; BGHZ 96, 61, 65; BGH NJW 1955, 499; KG OLGE 18, 140 ff.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 930 Rn. 8; Joost, in: MünchKommBGB, § 868 Rn. 15; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 930 Rn. 6; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 9 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 13, 20 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 45; Wieling, Sachenrecht I, § 6 II 1; ders., AcP 184 (1984), 439, 440 f.; Ernst, Eigenbesitz, S. 124, 127 f.; a.A. offenbar RGZ 105, 414; differenzierend RGZ 86, 262, 264 f.; Bruns, Besitzerwerb, S. 137. 311 Für die h.M.: BGHZ 10, 81, 87; Joost, in: MünchKommBGB, § 868 Rn. 15; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 45; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 17 Rn. 8; a.A. Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 868 Rn. 17; Wieling, AcP 184 (1984), 439, 445 ff. 312 Im Ergebnis auch Joost, in: MünchKommBGB, § 868 Rn. 14.
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selbst auf Grundlage eines unwirksamen Besitzmittlungsverhältnisses zu, dann bedeutet es folglich einen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch, wenn man die Übereignung gem. § 930 BGB – wie von der herkömmlichen Auffassung befürwortet – an der mangelnden inhaltlichen Konkretisierung eines wirksamen Besitzmittlungsverhältnisses scheitern lassen wollte. Als untauglich erweist sich auch der Versuch, das Dogma vom konkreten Besitzmittlungsverhältnis unter Hinweis auf die Manifestation der Ernstlichkeit des Übereignungswillens zu stützen313. Richtig ist zwar, dass die 2. BGB-Kommission das Besitzkonstitut mit der Manifestierung eines ernstlichen Übereignungswillens in Verbindung gebracht hat314. Daraus kann die h.M. indes kein Argument für ihre Position herleiten, denn im Anschluss an die grundsätzlichen Überlegungen zum Übergabeerfordernis des § 929 S. 1 BGB315 kommt der Beschaffenheit des Besitzkonstituts – wenn überhaupt316 – lediglich Indizwirkung für das Vorliegen des veräußererseitigen Übereignungswillens zu317. Keinesfalls kann indes aus dem Erfordernis der Ernstlichkeit des Parteiwillens auf das Erfordernis eines konkreten Besitzkonstituts geschlossen werden (und umgekehrt). Auch wenn sich die Parteien auf ein (im Sinne der tradierten Auffassung) konkretes Besitzkonstitut geeinigt haben, können die Einigungserklärungen nur zum Schein abgegeben worden sein. Umgekehrt genügt auch die bloße Abrede, der Veräußerer werde zukünftig für den Erwerber besitzen, zur Begründung des erforderlichen Besitzmittlungsverhältnisses, wenn diese Erklärung nur mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen abgegeben worden ist318. Im Übrigen bestimmt sich die Seriosität der Übereignungsabsicht bei § 930 BGB – nicht anders als im Rahmen des § 929 S. 1 BGB319 – nach den Auslegungsgrundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Maßgeblich ist daher in erster Linie die dingliche Einigung. Dem auf die Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses gerichteten Parteiwillen kommt hingegen keine gesteigerte Ernstlichkeitsgewähr zu. Dementsprechend ist das Dogma des konkreten Besitzkonstituts in seiner Gesamtheit aufzugeben. Erforderlich ist lediglich die Bestimmtheit des Besitzmittlungsverhältnisses in dem Sinne, dass es sich – in Anwendung des allgemei313 So aber Brodmann, in: Planck, BGB, § 930 Anm. 3; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 16; dagegen bereits zutreffend Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 18, 21; Heck, Sachenrecht, S. 502; vgl. noch Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 b aa. 314 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 198: „Daß man gesetzlich den Eigenthumsübergang von der (mindestens vermeintlichen) Existenz eines solchen Rechtsverhältnisses abhängig mache, diene dazu, die Ernstlichkeit des Willens der Parteien klarzustellen, daß sie die Uebergabe durch eine Erklärung des Veräußerers ersetzt wissen wollten.“ 315 Siehe oben § 10 III. 2. b). 316 Insgesamt ablehnend Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 b aa. 317 In der Sache ebenso Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 18, 21; Heck, Sachenrecht, S. 502. 318 Im Ergebnis auch Dernburg, Pandekten I, § 181, 1; Heck, Sachenrecht, S. 502; Wieling, Sachenrecht I, § 9 III 2 b aa; Lange, NJW 1950, 565, 567. 319 Siehe nochmals oben § 10 III. 2. b).
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nen sukzessionsrechtlichen Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips320 – auf einzelne, individualisierbare Sachen bezieht. Weder kann sich das Besitzkonstitut auf einen ideellen Sachanteil beschränken noch kann es eine Sachgesamtheit als Ganzes umfassen321. Außerdem muss sich aus der zwischen den Vertragsparteien – möglicherweise auch konkludent322 – getroffenen Abrede eindeutig feststellen lassen, auf welche Sachen sich das Rechtsverhältnis erstreckt.
3. Übereignung unter Abtretung des Herausgabeanspruchs Ebenso wie bei § 929 S. 2 und § 930 BGB waren es wirtschaftliche Überlegungen, namentlich die Bedürfnisse des Rechts- und Handelsverkehrs, die den historischen Gesetzgeber zur Zulassung der Übereignung unter Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 931 BGB bewegten. Ein „unabweisbares praktisches Bedürfniß“ für eine Eigentumsübertragung – so die 2. BGB-Kommission – bestehe auch dann, wenn nicht der Veräußerer (dann kommen § 929 S. 1 und § 930 BGB in Betracht) oder der Erwerber (es gilt § 929 S. 2 BGB), sondern ein Dritter im Besitz der Sache sei323. a) Rechtshistorische Grundlagen Mit Schaffung des § 931 BGB knüpfte der historische Gesetzgeber an Vorarbeiten Emil Strohals an, der die Ersetzung der Übergabe durch Abtretung von Herausgabeansprüchen aus dem Recht der Traditionspapiere (vgl. § 363 Abs. 3 HGB 1897) auf das bürgerliche Sachenrecht übertragen wollte324. Wesentliche Voraussetzung für die Zulassung dieses Übergabesurrogats war die Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession in Forderungsrechte325, ohne die eine Zession des Herausgabeanspruchs unmöglich ist. Nachdem der 1. BGB-Entwurf die Einzelnachfolge in Forderungen und andere Vermögensrechte anerkannt hatte326, konnte die 2. BGB-Kommission auf dieser nunmehr gesicherten Basis die Übereignung unter Abtretung des Herausgabeanspruchs installieren, ohne sich rechtsdogmatischen Anfeindungen auszusetzen327. Die Übereignung unter Abtretung des Herausgabeanspruchs bedeutete einen erheblichen Fortschritt im Vergleich zu der nach gemeinem Recht anerkannten
320
Dazu ausf. oben § 8. RGZ 52, 385, 390; 103, 151, 154; Joost, in: MünchKommBGB, § 868 Rn. 14. 322 BGH NJW 1979, 2308, 2309. 323 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 202. 324 Strohal, JhJ 31 (1892), 1, 41 ff.; dazu etwa Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 1; Ernst, Eigenbesitz, S. 278. 325 Dazu ausf. oben § 4 II. 4. 326 Zur vorausgegangenen Entwicklung ausf. Wieling, Sachenrecht I, § 9 IV 1. 327 Siehe auch Ernst, Eigenbesitz, S. 279 f. 321
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§ 10 Publizitätsprinzip
Besitzanweisung, die im Ergebnis davon abhängig war, dass der unmittelbare Besitzer sein Einverständnis damit erklärte, nicht länger dem Veräußerer sondern nunmehr dem Erwerber den Besitz zu mitteln328. b) Ökonomische Bedeutung Damals wie heute zielt § 931 BGB primär darauf ab, die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen zu erleichtern. Konkret wird dem nicht (unmittelbar) besitzenden Veräußerer ermöglicht, ohne physische Übergabeakte über sein Eigentumsrecht zu verfügen329. Wollte man uneingeschränkt am Traditionsprinzip festhalten, könnte die Übereignung einer Sache, die sich im unmittelbaren Besitz eines Dritten befindet, nur dergestalt bewerkstelligt werden, dass sie (1.) der Dritte zunächst an den Veräußerer herausgibt, damit jener sie anschließend (2.) dem Erwerber zum Zweck der Eigentumsübertragung übergibt. Ist auch der Erwerber an der unmittelbaren Sachherrschaft nicht interessiert, müsste er (3.) die Sache wieder an den Dritten zurückgelangen lassen. Ein solcher Umweg über nicht weniger als drei (!) gegenständlich auszuführende Sachübergaben ist mit erheblichen Transportkosten verbunden, die als Transaktionskosten die ungehinderte Güterzirkulation beeinträchtigen und die effektive Allokation knapper Ressourcen verhindern. Ermöglicht man hingegen die Übereignung durch Abtretung des gegen den (unmittelbar) besitzenden Dritten gerichteten Herausgabeanspruchs iSd. § 870 BGB, fallen die zusätzlichen Transportkosten ersatzlos weg. Die Übereignung gem. § 931 BGB leistet insofern einen Beitrag zur Erleichterung des Rechts- und Handelsverkehrs und flankiert so das Prinzip der Sukzessionsfreiheit. c) Rechtsdogmatische und rechtssystematische Einordnung Die Übereignung nach § 931 BGB passt sich nahtlos in das Regelungssystem der §§ 929 ff. BGB ein. Ebenso wie nach § 930 BGB ein Besitzmittlungsverhältnis zur dinglichen Einigung hinzutreten muss, komplettiert hier die Abtretung des Herausgabeanspruchs den dualistischen Erwerbstatbestand. Dabei sind die auf den Eigentumswechsel bezogene Einigung einerseits sowie die auf Zession des Herausgabeanspruchs gerichtete Einigung andererseits in rechtsdogmatischer Hinsicht streng voneinander zu trennen. In der Praxis fallen beide Einigungen typischerweise in einer umfassenden Willensäußerung zusammen330. Hier tritt der Verzicht auf ein nach außen in Erscheinung tretendes Publizitäts-
328 Dazu authentisch Johow, in: Schubert, Sachenrecht, S. 515 f.; aus heutiger Perspektive Wieling, Sachenrecht I, § 9 IV 1 a. 329 Vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 35. 330 Vgl. Henssler, in: Soergel, BGB, § 931 Rn. 1; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 931 Rn. 1, 7; Michalski, in: Erman, BGB, § 931 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 38; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 40 Rn. 10; Füller, Sachenrecht, S. 321.
IV. Durchbrechungen des Traditionsprinzips
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moment besonders deutlich hervor und rückt § 931 BGB in die Nähe des reinen Konsensprinzips331. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, das Zessionserfordernis solle die Seriosität des Verfügungswillens des Veräußerers bezeugen332, ist dem – in Übereinstimmung mit dem eingangs zum Traditionsprinzip333 und zur Konstitutsübereignung334 Gesagten – nachdrücklich zu widersprechen. Richtig ist zwar, dass die 2. BGB-Kommission der Anspruchszession auch insofern Bedeutung zumaß, als dieser Rechtsakt „geeignet sei, die regelmäßig erforderliche körperliche Uebergabe nach der Richtung zu ersetzen, daß er den auf den unmittelbaren Eintritt der dinglichen Rechtswirkung gerichteten Parteiwillen außer Frage stelle“335. Dieses Argument muss indes schon deshalb zweifelhaft erscheinen, weil die Abtretung des Herausgabeanspruchs nach allgemeinen Grundsätzen auch stillschweigend336 erfolgen kann337. Überhaupt sind keine überzeugenden Gründe dafür ersichtlich, die Ernstlichkeit der dinglichen Einigung im Sachenrecht im Vergleich zur verfügenden Einigung im Zessionsrecht nach unterschiedlichen Maßstäben zu bestimmen. Hier wie dort gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze der bürgerlichrechtlichen Auslegungslehre (vgl. §§ 133, 157 BGB). Maßgeblich ist folglich die Zielrichtung der Parteierklärungen, die auf die Übertragung des Eigentumsrechts vom Veräußerer auf den Erwerber gerichtet sein müssen. Im Rahmen der auf dieser Grundlage anzustellenden Gesamtbetrachtung sind sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls einzubeziehen338 und damit auch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 870 BGB, ohne dass diesem Umstand indes besonderes Gewicht bei der Auslegung zukäme. Wie auch die Übergabe beweglicher Sachen bei § 929 S. 1 BGB und die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses bei § 930 BGB kann der Abtretung allenfalls Indizwirkung für die Ernstlichkeit der dinglichen Einigung beigemessen werden. Wollte man ihr eine darüber hinausgehende Bedeutung beilegen, setzte man sich in Widerspruch zur dogmatischen Verselbstständigung von dinglicher Einigung einerseits und Übergabe bzw. Übergabesurrogat andererseits. Die abweichende Gegenauffassung muss sich daher die Kritik gefallen lassen, die beiden Tatbestandsmerkmale des Mobiliarerwerbs in unzulässiger Weise miteinander zu vermischen.
331
Siehe Henssler, in: Soergel, BGB, § 931 Rn. 1; Michalski, in: Erman, BGB, § 931 Rn. 1 a.E.; Weber, JuS 1998, 577, 581; Süß, FS Wolff, S. 141, 152; Füller, Sachenrecht, S. 321 f.; vgl. auch Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 931 Rn. 2; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 1. 332 So dezidiert Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 5. 333 Siehe oben § 10 III. 2. b). 334 Siehe oben § 10 IV. 2. c). 335 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 203. 336 Vgl. RGZ 135, 85, 88; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 931 Rn. 7; Michalski, in: Erman, BGB, § 931 Rn. 4; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 38; Wieling, Sachenrecht I, § 9 IV 2 b. 337 Kritisch auch Ernst, Eigenbesitz, S. 284. 338 Aus der Rechtsprechung siehe etwa RGZ 103, 151, 153; RG HRR 1933 Nr. 1188; BGH NJW 1971, 1608, 1609.
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§ 10 Publizitätsprinzip
In rechtskonstruktiver Hinsicht ist weiterhin bemerkenswert, dass die Abtretung des Herausgabeanspruchs für die Eigentumsübertragung gem. § 931 BGB ausreicht, auch wenn der Besitzmittler von der Anspruchszession keine Kenntnis hat339 und daher auch nicht über den Willen verfügt, nicht länger dem Veräußerer, sondern nunmehr dem Erwerber den Besitz zu mitteln340. Auch wenn der Erwerber also nicht mittelbarer Besitzer der Sache wird, erlangt er gleichwohl das Eigentum am Verfügungsgegenstand. Dafür spricht de lege lata neben dem insofern klaren Wortlaut des § 931 BGB ein argumentum e contrario zu § 1205 Abs. 2 BGB, der die Abtretungsanzeige an den unmittelbaren Besitzer zur Wirksamkeitsvoraussetzung der durch Anspruchsabtretung vermittelten Verpfändung erhebt341. Auch in rechtssystematischer Hinsicht, namentlich mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Forderungszession, erweist sich die gesetzliche Regelung als kohärent. Da sich die Wirksamkeit der Abtretung des Herausgabeanspruchs nach Maßgabe der §§ 398 ff. BGB bestimmt342, bedarf die Abtretung (1.) keiner besonderen Form343; sie braucht (2.) dem mittelbaren Besitzer (als Schuldner) nicht angezeigt zu werden344; außerdem ist der Veräußerer (3.) an seine Abtretungserklärung in dem Sinne gebunden, dass er sie nicht frei widerrufen kann345; und schließlich sind (4.) die berechtigten Interessen des unmittelbaren Besitzers durch Anwendung der zessionsrechtlichen Schuldnerschutzbestimmungen (§§ 404, 406 ff. BGB) hinreichend gewahrt346. Hat etwa der Besitzmittler von der Abtretung des Herausgabeanspruchs keine Kenntnis, kann er mit befreiender Wirkung die Sache an den Veräußerer herausgeben347. Freilich hat es der Erwerber selbst in der Hand, eine befreiende Rückgabe auszuschließen, indem er den Besitzmittler von der Abtretung in Kenntnis setzt. Gezwungen ist er hierzu allerdings nicht.
339 Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 931 Rn. 7; Michalski, in: Erman, BGB, § 931 Rn. 4; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 5; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 22; Wieling, Sachenrecht I, § 9 IV 2 d; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 67 II 3; Ernst, Eigenbesitz, S. 282. 340 Dazu ausf. Ernst, Eigenbesitz, S. 281 ff.; ferner Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 3. 341 Dazu im Einzelnen unten § 10 V. 4. 342 Zur Anwendbarkeit des Zessionsrechts auf die Anspruchsabtretung iSd. § 870 BGB: Bund, in: Staudinger, BGB, § 870 Rn. 5; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 870 Rn. 5; Joost, in: MünchKommBGB, § 870 Rn. 3; Lorenz, in: Erman, § 870 Rn. 1; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 18 ff.; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 245; a.A. Wieling, Sachenrecht I, § 6 III 2 b; ders., AcP 184 (1984), 439, 460 f. 343 Bund, in: Staudinger, BGB, § 870 Rn. 5; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 18; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 20. 344 RGZ 52, 273, 277; Bund, in: Staudinger, BGB, § 870 Rn. 5; Lorenz, in: Erman, BGB, § 870 Rn. 1; Joost, in: MünchKommBGB, § 870 Rn. 3; Kregel, in: RGRK, BGB, § 870 Rn. 2; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 18; Stadler, in: Soergel, BGB, § 870 Rn. 2. 345 Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 18. 346 Dazu näher Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 21 f.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 22. 347 Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 931 Rn. 7, 9; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 22; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 67 II 3; Ernst, Eigenbesitz, S. 283.
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Die juristische Konstruktion der Übereignung gem. § 931 BGB stellt deutlich heraus, dass maßgeblicher Ansatzpunkt für die Eigentumsübertragung nicht die Übertragung des Besitzes ist, sondern die vollständige Aufgabe der veräußererseitigen Besitzposition348. Hier gibt der Veräußerer seinen mittelbaren Besitz auf, indem er den Herausgabeanspruch gegen den Besitzmittler gem. § 870 BGB an den Erwerber abtritt. Dass der Besitzmittler mangels Kenntniserlangung von der Abtretung auch weiterhin in der Vorstellung besitzt, dem Veräußerer den Besitz zu mitteln, hindert den Eigentumsübergang nicht. Der Veräußerer kann seine Besitzposition schließlich durch einseitige Erklärung beenden349. Das folgt weniger aus dem Rechtsgedanken des § 333 BGB350, wonach sich niemand einen Vorteil aufdrängen lassen muss351, als vielmehr aus der Dogmatik des Besitzmittlungsverhältnisses nach § 868 BGB, das einen Konsens zwischen dem mittelbaren und unmittelbaren Besitzer voraussetzt352. Mangelt es an dieser Willensübereinstimmung, entfällt die Besitzposition des Veräußerers. Dies genügt nach der gesetzlichen Konzeption, um den Erwerbsvorgang mit hinreichender Deutlichkeit zu manifestieren. Andererseits ist der Erwerber in der Lage durch Erklärung gegenüber dem Besitzmittler, seine Position als neuer mittelbarer Besitzer zu aktivieren. Selbst wenn sich der Besitzmittler weigern sollte, nunmehr dem Erwerber den Besitz zu mitteln, kann der Erwerber – sowohl gestützt auf den abgetretenen Herausgabeanspruch (§ 870 BGB) als auch auf den Vindikationsanspruch gem. § 985 BGB – den Verfügungsgegenstand an sich herausverlangen353. Ausweislich der Protokolle hat die 2. BGB-Kommission von einer Abtretungsanzeige ausdrücklich abgesehen, um zu verhindern, dass sich der Eigentumswechsel „nach dem schwer feststellbaren Moment der Kenntniserlangung bestimme“354. Auch wenn sich die Erwägungen durchaus zum Anzeigeerfordernis des § 1205 Abs. 2 BGB bei der Mobiliarverpfändung in Widerspruch setzen, dient der Verzicht auf die Abtretungsanzeige einmal mehr der gesteigerten Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen und damit einer ungehinderten Übertragung von Vermögensrechten nach dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Kritikwürdig ist de lege ferenda daher nicht die erleichterte Übertragung beweglicher Sachen gem. § 931 BGB, sondern die strenge Durchführung des Traditionsprinzips beim Mobiliarpfandrecht, die für die heutige Bedeutungslosigkeit der Verpfändung beweglicher Sachen verantwortlich zeichnet355.
348 349 350 351 352 353 354 355
Siehe zu § 929 S. 1 BGB bereits oben § 10 III. 5. A.A. OLG Schleswig SchlHA 1975, 47, 48; Joost, in: MünchKommBGB, § 868 Rn. 31. So aber Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 5. Zu diesem Gedanken im Zusammenhang mit dem Einigungsprinzip siehe oben § 6 I. 2. Siehe oben § 10 IV. 2. c). Vgl. auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 4. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 204. Dazu unten § 10 V.
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§ 10 Publizitätsprinzip
4. Folgerungen für die Geltung des Traditionsprinzips Als Fazit der methodenpluralistischen Analyse der Ausnahmetatbestände ist festzuhalten, dass die physisch-reale Übergabe des Verfügungsgegenstands keine zwingende Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen darstellt (a). Das gilt auch für die Übereignung besitzloser Sachen (b). a) Rechtssystematische Synthese von Übergabe und Übergabesurrogaten Sämtliche Übergabesurrogate sind für außenstehende Dritte nicht offenkundig. Die Eigentumsübertragung nach Maßgabe der §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB vollzieht sich jenseits des Traditionsprinzips. Sie ist in ihren praktischen Wirkungen dem reinen Einigungsprinzip weitgehend angenähert356 und gewinnt gerade aus diesem Umstand ihre besondere Bedeutung für den modernen Wirtschaftsverkehr. Der Verzicht auf die strikte Durchführung des Publizitätsprinzips steigert die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen. Es entspricht den ökonomischen Modellvorstellungen, dass publizitätslose Übereignungen insgesamt weniger Transportkosten verursachen und sich der Güterverkehr aus diesem Grund verbilligt. In diesem Sinne dienen sämtliche Übergabesurrogate – neben dem Aspekt des Erwerberschutzes – gleichermaßen dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Sukzessionsfreiheit). Die idealtypische Folge ist die effiziente Allokation knapper Ressourcen und die Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands. Trotz alledem fungiert die Fahrnisübereignung unter physisch-realer Übergabe des Verfügungsgegenstandes gem. § 929 S. 1 BGB aus gutem Grund auch weiterhin als Grundtypus des Mobiliarerwerbs357: Mittels Übergabe wird der Erwerber erstens in die Lage versetzt, die Sache nach seinen individuellen Vorstellungen und wirtschaftlichen Bedürfnissen tatsächlich zu nutzen (Verschaffungsfunktion). Zweitens knüpft an den Übergang des unmittelbaren Besitzes die zentrale Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB an (Vermutungsfunktion). Und drittens fungiert die auf den Besitz bezogene (verwirklichte) Besitzverschaffungsmacht als legitimer Anknüpfungspunkt für den redlichen Erwerb beweglicher Sachen vom Nichtberechtigten (Gutglaubensfunktion). Die Parteien werden sich des regulären Übereignungstatbestands bedienen, wenn ihr Wille darauf gerichtet ist, dem Erwerber die physisch-reale Zugriffsund Nutzungsmöglichkeit unmittelbar zu gewährleisten. Allerdings entspricht die nach § 929 S. 1 BGB vorgesehene tatsächliche Übergabe des Verfügungsgegenstandes nicht in jedem Fall den wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien. Es sind die unterschiedlichen Parteiinteressen, auf welche die Übergabesurrogate fokussieren: Befindet sich der Erwerber bereits im Besitz der Sache, ist eine Sachübergabe schlicht entbehrlich (vgl. § 929 S. 2 BGB). Aufgrund sei356 357
Darauf verwies bereits Heck, Sachenrecht, § 56, 12. Siehe oben § 10 III. 3.
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ner Besitzposition ist der Erwerber ohne weiteres in der Lage, auf den Gegenstand ungehindert zuzugreifen und ihn nach seinen Vorstellungen zu nutzen. Ein zusätzliches Hin- und Herschieben des Verfügungsgegenstandes ist mit unnötigen Transportkosten verbunden und daher entbehrliche Förmelei. Zielt die Interessenlage der Vertragsparteien hingegen darauf, dem Erwerber zwar die formelle Eigentümerstellung zu verschaffen, dem Veräußerer aber die physisch-reale Nutzungsmöglichkeit an der Sache zu erhalten, macht eine Übergabe ebenfalls keinen Sinn. Stattdessen stellt das Recht mit § 930 BGB einen Übereignungsmodus zur Verfügung, nach welchem der Erwerber im Besitz der Sache bleiben und sie für seine Zwecke nutzen kann. Ist das Interesse der Vertragsparteien schließlich darauf gerichtet, die bei einem Dritten befindliche Sache dergestalt zu übertragen, dass sie auch nach dem Eigentumswechsel bei dem Dritten verbleiben soll, können sie sich des in § 931 BGB vorgesehenen Übereignungsmodus bedienen. Die Parteien werden die Abtretung des Herausgabeanspruchs als Übergabesurrogat wählen, wenn sie beide kein gesteigertes Interesse an der physischen Gewalt über den Verfügungsgegenstand haben, womöglich sogar daran interessiert sind, nicht für die Einlagerung der Sache in der Verantwortung zu stehen. Auf diese Weise gewährleistet das Regelungssystem der §§ 929 ff. BGB für die jeweilige Interessenlage der Vertragsparteien passgenaue Übereignungsmodalitäten, deren ökonomische Bedeutung in einer weitestmöglichen Senkung von Transport- und sonstigen Transaktionskosten liegt. Dem Traditionsprinzip als solchem kommt in diesem Regelungskontext keine eigenständige – doktrinäre – Bedeutung zu. Vielmehr ist die physisch-reale Übergabe der Sache an den Erwerber gem. § 929 S. 1 BGB nur Mittel zum Zweck, und zwar um dem Erwerber die ungehinderte Nutzung des Verfügungsgegenstands zu ermöglichen. Das Übergabeerfordernis erlangt seine rechtspolitische Legitimation folglich aus dem Parteiwillen und der zugrunde liegenden Interessenlage. Diese Erkenntnis weist den Weg für die Lösung von Zweifelsfällen. Paradigmatisch dafür soll im Folgenden die Übereignung besitzloser Sachen beleuchtet werden: b) Übereignung besitzloser Sachen Auf der Basis des Traditionsprinzips spricht viel dafür, eine Übereignung besitzloser Sachen vollständig auszuschließen, da sie nicht übergeben werden können und auch keines der bekannten Übergabesurrogate eingreift358. In diese Richtung sind offenbar auch die Motive zum BGB zu verstehen, wenn es dort heißt359: „Durch das Traditionsprinzip wird allerdings dem Nichtbesitzer die Veräußerung unmöglich gemacht (…). Der veräußernde Eigenthümer mag sich zunächst den Besitz verschaffen bezw. seine Vertreter in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt zur Unter358 359
So tatsächlich RG Recht 1918 Nr. 1536; Eichler, Institutionen II/1, S. 146. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 334.
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§ 10 Publizitätsprinzip
werfung unter die Anweisung (…) anhalten. Ist der Veräußerer hierzu nicht im Stande, so würden, wenn das Gesetz dennoch den dinglichen Vertrag wirksam sein lassen wollte, ungewisse Rechtsverhältnisse entstehen.“
Diese Auffassung belegt besitzlose Sachen indes mit einer faktischen Verfügungsbeschränkung, die den Bedürfnissen der modernen Wirtschaftspraxis erkennbar zuwiderläuft. Der Eigentümer der besitzlosen Sache und ein potenzieller Erwerber können nämlich ein berechtigtes Interesse an einem Eigentumswechsel haben360. Man denke nur an das klassische Beispiel vom gesunkenen Schiff auf dem Meeresgrund361. Soweit der Erwerber bereit ist, das Risiko der Unauffindbarkeit zu tragen, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die Übertragung des Schiffseigentums zu unterbinden362. Der bergungswillige Dritte wird die zur Hebung des Schiffswracks notwendigen Bergungskosten nur tätigen wollen, wenn ihm das gehobene Schiff im Erfolgsfall nicht im Nachhinein wieder entzogen werden kann. Lässt man folglich die Übereignung des besitzlosen Schiffes zu, erlangt der Erwerber eine rechtlich gesicherte Zugriffsmöglichkeit auf das Schiff, die sich in ihrer Sicherungswirkung von einem einfachen schuldrechtlichen Anspruch maßgeblich unterscheidet. Darüber hinaus kann auch der Sachversicherer ein wirtschaftliches Interesse an der Übereignung besitzloser Sachen haben, insbesondere wenn er die geschuldete Versicherungsleistung bereits an den bisherigen Eigentümer erbracht hat363. Die Übereignung besitzloser Sachen ist daher nach heute ganz überwiegend vertretener Auffassung zulässig, und zwar mittels bloßer Einigung364. Wenn zum Teil noch immer die Auffassung vertreten wird, dass sich die Übereignung durch Abtretung des Vindikationsanspruchs aus § 985 BGB vollziehe365, wird hiermit gegen das sachlich überzeugende Unabtretbarkeitsdogma des Vindikationsanspruchs verstoßen, das sicherstellen soll, dass ein solches Schutzrecht, das zu dem zugehörigen Substanzrecht (Eigentum) in unauflöslicher Verbindung steht und zu dessen Verwirklichung bestimmt ist, aufgrund seiner besonderen Zweckbindung nicht vom Stammrecht getrennt übertragen werden kann366. 360
So auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 14; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 17; Heck, Sachenrecht, § 57 II. 361 Kohler, ArchBR 18 (1900), 1, 88 nennt außerdem die Sache, die in eine Gletscherspalte gefallen, und das Silbergeschirr, das von einer Affenherde entwendet worden ist; Avenarius, JZ 1994, 511 nennt den Fall der Versteigerung eines sowjetischen Mondfahrzeugs. 362 A.A. noch RG Recht 1918 Nr. 1536; Pikart, in: RGRK, BGB, § 929 Rn. 4. 363 Wie hier Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 14 a.E.; Avenarius, JZ 1994, 511. 364 Statt aller Bassenge, in: Palandt, BGB, § 931 Rn. 2 f.; Henssler, in: Soergel, BGB, § 931 Rn. 7; Berger, in: Jauernig, BGB, § 931 Rn. 10; Michalski, in: Erman, BGB, § 931 Rn. 2; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 11, 14; Pikart, in: RGRK, BGB, § 931 Rn. 9; Reich, in: AK, BGB, §§ 930, 931 Rn. 11; Meller-Hannich/Schilken, in: AnwKommBGB, § 931 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 17; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 37; Heck, Sachenrecht, § 57 II; v. Tuhr, AT I, S. 266; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 40 Rn. 4; Wieling, Sachenrecht I, § 9 IV 5; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 67 II 2; Avenarius, JZ 1994, 511, 512. 365 So noch Eichler, Institutionen II/1, S. 145 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 914. 366 Dazu oben § 4 III. 4. d) cc).
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Gegen die Abweichung der ganz h.M. vom Traditionsprinzip ist schon deshalb nichts zu erinnern, weil besitzlose Gegenstände schlicht nicht übergeben werden können. Dementsprechend sind auch Parteiwille und Interessenlage darauf gerichtet, dass der Erwerber durch bloße Willensübereinstimmung Eigentümer des Verfügungsgegenstandes wird, auch wenn er die physisch-reale Sachherrschaft – falls überhaupt – erst zu einem späteren Zeitpunkt erwirbt. Ist also die Übertragung des unmittelbaren Besitzes nach dem Parteiwillen nicht notwendig oder schlicht unmöglich, dann ist es auch nicht gerechtfertigt, den Eigentumswechsel neben der dinglichen Einigung noch an zusätzliche (Publizitäts-)Erfordernisse zu knüpfen. In rechtskonstruktiver Hinsicht reicht die bloße Einigung auch deshalb aus, weil der Erwerber nicht befürchten muss, dass der Veräußerer aufgrund seiner Besitzposition auf die Sache zugreifen kann. Denn der Veräußerer hat von vornherein typischerweise keine besitzrechtliche Beziehung zum Verfügungsgegenstand367. Dieses Ergebnis wird man schwerlich mit Teilen des älteren Schrifttums auf eine Übereignung unter Abtretung eines künftigen Herausgabeanspruchs gem. § 931 BGB stützen können368. Denn damit werden die wirtschaftlichen Probleme der Übereignung besitzloser Sachen nicht gelöst369: Zum einen hängt die Wirksamkeit von der zeitlich unbestimmten Entstehung des Herausgabeanspruchs ab. Zum anderen ermöglicht es diese Auffassung den Parteien gerade nicht, mit sofortiger Wirkung das Eigentum zu übertragen. Eine sofortige Übereignung wird in den meisten Fällen aber gerade dem Parteiinteresse entsprechen. Es kann daher nicht verwundern, dass heute überwiegend § 931 BGB in analoger Anwendung herangezogen wird370, während sich andere explizit gegen die Anwendung des § 931 BGB aussprechen und stattdessen allgemein auf das Vertragsprinzip verweisen371. Da beide Positionen zum gleichen Ergebnis gelangen: Eigentumsübergang ausschließlich auf Grundlage der dinglichen Einigung iSd. § 929 S. 1 BGB, und zwar im Zeitpunkt der Willensübereinstimmung372, mag die normative Anknüpfung an dieser Stelle auf sich beruhen.
367
Zutreffend Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 17 unter Hinweis auf H. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., § 41 II 3. 368 So aber Berg, in: Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 931 Rn. 2; Pikart, in: RGRK, BGB, § 931 Rn. 9; Kohler, ArchBR 18 (1900), 1, 88; Oertmann, AcP 113 (1915), 51, 78; Eichler, Institutionen II/1, S. 146; vgl. noch Brodmann, in: Planck, BGB, § 931 Anm. 3a; überhaupt ablehnend Biermann, Sachenrecht, § 931 Anm. 3. 369 Zutreffend dazu Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 17. 370 So etwa Henssler, in: Soergel, BGB, § 931 Rn. 7; Michalski, in: Erman, BGB, § 931 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 9 IV 5; Füller, Sachenrecht, S. 322. 371 Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 40 Rn. 4; Avenarius, JZ 1994, 511, 512; vgl. auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 17. 372 Vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 12.
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V. Das Traditionsprinzip des Mobiliarpfandrechts Während die Nießbrauchbestellung gem. § 1032 BGB zur Mobiliarübertragung vollkommen parallel verläuft, gelten für die Pfandrechtsbestellung im Hinblick auf das Übergabeerfordernis einige signifikante Besonderheiten. Zwar bildet erneut die körperliche Übergabe der Pfandsache an den Gläubiger die Grundform der Pfandrechtsbestellung. Auch kann die Übergabe brevi manu erfolgen (§ 1205 Abs. 1 S. 2 BGB) sowie durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 1205 Abs. 2 BGB) ersetzt werden. Ausgeschlossen ist indes die Verpfändung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts. Zu § 930 BGB gibt es im Regelungssystem der §§ 1205, 1206 BGB keine Entsprechung. Diese Anomalie ist nur rechtshistorisch zu erklären (1.); de lege ferenda ist sie verfehlt und deshalb durch Zulassung eines publizitätslosen Mobiliarpfandrechts zu beseitigen (5.). Entwickelt wird diese Forderung unter Berücksichtigung der Funktionen des pfandrechtlichen Traditionsprinzips (2.) sowie der Dogmatik des pfandrechtlichen Übergabe- (3.) und Anzeigeerfordernisses (4.).
1. Rechtshistorische Entwicklung Nach einer wechselvollen Entwicklung, die bereits im klassischen römischen Recht ihren Ausgang nahm373, setzte sich das Prinzip des Faustpfandrechts im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Gesetzgebungen der deutschen Partikularstaaten zunehmend durch374. Nach den Vorschriften des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) und der Reichskonkursordnung (KO) stand nur dem Faustpfandgläubiger das Recht zur abgesonderten Befriedigung zu375. Hieran knüpften die Motive zum BGB ausdrücklich an376: „Das Faustpfandprinzip, welchem das Erfordernis der Uebergabe entspricht, ist seit Erlaß der Vorschriften der Konk. O. über die Geltendmachung des Pfandrechtes an beweglichen Sachen im Konkurse überall angenommen, auch wo es bis dahin noch nicht streng durchgeführt war.“
In der Sache rechtfertigte die 1. BGB-Kommission diese Abweichung von § 930 BGB und § 1032 S. 2 BGB unter Hinweis auf die Gefahr, dass die Vereinbarung eines Besitzkonstituts dazu führen könne, „geheime, die Sicherheit des Verkehres, namentlich auf den Fall des Konkurses hin, beeinträchtigende Pfandrechte zu schaffen“377. Eine Missbrauchsgefahr im Hinblick auf die Vereitelung der 373
Dazu ausf. Kaser/Knütel, Privatrecht, § 31 Rn. 14 ff. Näher Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 1204 Rn. 3 ff.; vgl. auch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 801 mit Fn. 1. 375 Dazu ausf. Hromadka, Entwicklung, S. 120 ff., 127 ff. 376 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 800. 377 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 801; siehe dort auch noch ergänzende strafrechtliche Erwägungen der 1. Kommission. 374
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Gesamt- und Einzelvollstreckung ist zwar nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Indes ist dieses Risiko schwerlich geeignet, den Ausschluss dieser Verpfändungsvariante zu rechtfertigen, zumal die Übereignung gem. § 930 BGB mit vergleichbaren Gefahren behaftet ist und aus gutem Grund dennoch zugelassen worden ist378. Die für die Zulassung einer publizitätslosen Übereignung in die Waagschale geworfenen Argumente tragen erst recht eine publizitätslose Pfandrechtsbestellung unter Vereinbarung eines Besitzkonstituts:
2. Funktionen des pfandrechtlichen Traditionsprinzips a) Traditionsprinzip und Offenkundigkeit Abzulehnen ist zunächst die Begründung des Faustpfandrechts aus dem Gedanken der Offenkundigkeit der an Sachen bestehenden Rechtsverhältnisse379. Eine Interpretation des pfandrechtlichen Traditionsprinzips im Sinne eines Offenkundigkeitsprinzips ist ebenso abzulehnen wie für den Mobiliarerwerb. Angesichts des klaren Bekenntnisses der 2. BGB-Kommission zur Konstitutsübereignung muss es verwundern, wenn die gleiche Kommission die Publizitätsfrage für das Mobiliarpfandrecht im genau entgegengesetzten Sinne entscheidet380: „Mit dem Erfordernisse der Besitzeinräumung werde namentlich die Herstellung eines äußeren(,) das Bestehen des Pfandrechts erkennbar machenden Zustandes bezweckt.“
Die Interpretation des Publizitätsgedankens im Sinne einer nach außen wahrnehmbaren Kenntlichmachung von Rechtsverhältnissen kann für das Pfandrecht indes ebenso wenig überzeugen wie für die Übereignung381. Zum einen kann sich auch die Verpfändung ohne Übergabe der Pfandsache vollziehen, falls sich der Pfandgläubiger bereits in deren Besitz befindet (§ 1205 Abs. 1 S. 2 BGB). Aber auch die Verpfändung nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB muss nicht notwendig nach außen in Erscheinung treten; man denke etwa an die Mitwirkung eines Besitzdieners (§ 855 BGB)382, einer Geheißperson383 sowie die – nach zu-
378 Siehe nochmals oben § 10 IV. 2. b). De lege lata für die Anerkennung eines stillen Pfandrechts Schwintowski, Pfandrecht (2012). 379 Zum Publizitätsprinzip beim Pfandrecht – in der Grundstimmung positiv – etwa Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 26; Michalski, in: Erman, BGB, Einl zu § 1204 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 8. 380 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 443; dem folgend RGZ 53, 218, 220; 66, 258, 262 f.; 74, 146, 148; 77, 201, 208. 381 Kritisch bereits Hromadka, Entwicklung (1971); ders., JuS 1980, 89 ff.; Rittner, JZ 1965, 274, 274 f.; Füller, Sachenrecht, S. 354 f.; Quantz, Besitz, S. 81 ff. 382 RGZ 67, 421, 422; 77, 201, 209; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1205 Rn. 7; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 13. 383 RGZ 93, 230, 233; Flad, in: Planck, BGB, § 1205 Anm. 1b; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1205 Rn. 7; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 13; Quantz, Besitz, S. 90 f.
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treffender h.M.384 zulässige – Besitzübertragung gem. § 854 Abs. 2 BGB. Zum anderen vollzieht sich die Übertragung des Pfandrechts ebenfalls ohne erkennbaren Publizitätsakt385. Als (streng) akzessorisches Sicherungsrecht geht das Pfandrecht gem. §§ 401, 1250 Abs. 1 S. 1 BGB mit Abtretung der gesicherten Forderung auf den Zessionar über. Zwar kann der neue Pfandgläubiger gem. § 1251 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Pfandgegenstands verlangen; der Übertragungsvorgang selbst tritt nach außen hingegen nicht in Erscheinung. Das war in den Vorentwürfen zum Sachenrecht noch anders geregelt: Für eine wirksame Übertragung des Pfandrechts sollte auch die Übergabe der Pfandsache notwendig sein386. Letztlich verzichtete der historische Gesetzgeber auf dieses Erfordernis unter Hinweis auf die akzessorische Natur des Pfandrechts sowie die Dominanz der gewählten Lösung in den Partikularrechten387. b) Schutz von Gläubigerinteressen Wenig überzeugend und angesichts der modernen Entwicklungen inzwischen überholt ist auch die Erwägung, das Übergabeerfordernis solle verhindern, dass die Pfandsache im Rechtsverkehr als unbelasteter Vermögensgegenstand des Verpfänders wahrgenommen werde, um zumindest für die interessierten Verkehrskreise erkennbar zu machen, dass die Sache für eine weitere Kreditsicherung ausscheide388. Das Vertrauen darauf, dass eine bewegliche Sache im Besitz des Schuldners nicht mit einem Pfandrecht belastet ist, ist de lege lata ebenso wenig geschützt, wie das allgemeine Vertrauen darauf, dass eine Sache, die sich im Besitz des Schuldners befindet, in seinem Eigentum steht. In diesem Sinne hat die 2. BGBKommission ausdrücklich darauf hingewiesen, gegen die Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts könne nicht eingewandt werden „daß durch die Belassung des Besitzes bei dem Veräußerer andere Gläubiger desselben über seine Kreditwürdigkeit getäuscht werden könnten; denn die Gläubiger seien ganz im Allgemeinen nicht berechtigt, sich darauf zu verlassen, daß alle im Besitze des Schuldners befindlichen Sachen diesem auch gehörten“389. 384 Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 17; Michalski, in: Erman, BGB, § 1205 Rn. 6; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1205 Rn. 7; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 5; jetzt auch Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 10. 385 Dazu auch Quantz, Besitz, S. 83 f. 386 § 446 des Teilentwurfs lautet: „Das Pfandrecht kann bei Abtretung der gesicherten Forderung dem Erwerber derselben mit abgetreten werden. Zur Abtretung des Pfandrechts ist die Uebergabe des Pfandes an den neuen Gläubiger erforderlich.“ Siehe hierzu Wieling, Sachenrecht I, § 15 VIII 1. 387 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 836 f. mit Fn. 1 auf S. 837. 388 So aber RGZ 53, 218, 220; 77, 201, 207 f.; Flad, in: Planck, BGB, § 1205 Anm. 1b; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 1204 Rn. 22; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 6; Eichler, Institutionen II/2, S. 541 Anm. 4; R. Schmidt, AcP 134 (1931), 1, 2, 6 f.; wie hier dagegen zu Recht Hromadka, JuS 1980, 89, 92; Quantz, Besitz, S. 102 f. 389 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 201.
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Aufgrund der weiten Verbreitung von Sicherungs- und Vorbehaltseigentum sowie sonstigen fiduziarischen Übereignungen ist der Schluss vom Besitz auf die Eigentümerstellung heute nicht mehr gerechtfertigt. Dementsprechend kann auch aus der Innehabung einer Sache nicht auf die allgemeine Kreditwürdigkeit eines Schuldners geschlossen werden; ein dahingehendes Vertrauen der Gläubiger ist de lege lata nicht geschützt. Hinzu kommt, dass der Pfandgeber typischerweise auch daran interessiert ist, über die Verpfändung Diskretion zu wahren. c) Verfügungsschutzfunktion Der zentrale Normzweck des Übergabeerfordernisses kann nach alldem nur darin bestehen, den Pfandrechtsgläubiger vor der Einwirkung des Verpfänders auf die Pfandsache sowie vor weiteren Verfügungen zu schützen (Verfügungsschutzfunktion)390. Da der Verpfänder nach Übergabe auf den Pfandgegenstand nicht mehr unmittelbar zugreifen kann, ist es ihm auch unmöglich, einem Dritten die Sache ohne Mitwirkung des Pfandgläubigers zu präsentieren391. Im Besonderen ist er effektiv daran gehindert, den Pfandgegenstand einer anderen Person lastenfrei (vgl. § 936 BGB) zu übereignen. Ebenso wie das Übergabeerfordernis nach § 929 S. 1 BGB dem Nutzungsinteresse des Erwerbers zu dienen bestimmt ist, zielt die Besitzpublizität des Pfandrechts darauf ab, das Verwertungsinteresse des Pfandgläubigers zu sichern. Diese Position findet auch in den Gesetzesmaterialien einen Ansatzpunkt, wenn es im Zusammenhang mit der Abgrenzung der dem Mobiliarpfandrecht funktionell vergleichbaren Sicherungsübereignung zur Mobiliarhypothek heißt: „Zwischen der Mobiliarhypothek und der Uebereignung durch Konstitut bestehe der wesentliche Unterschied, daß die letztere die besonders bedenkliche Begründung konkurrirender Rechte für mehrere Gläubiger nicht zulasse.“392 Diese Überlegung gilt gleichermaßen für die Begründung eines Pfandrechts an beweglichen Sachen und zielt hiermit darauf ab, zwischen mehreren Gläubigern bestehende Beweisschwierigkeiten zu vermeiden393. Auch wenn damit dem in § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB normierten Traditionserfordernis ein überzeugendes Regelungsziel zugewiesen werden kann, folgt daraus keine zwingende Rechtfertigung für den Ausschluss der Konstitutsverpfändung. Denn auch im Fall der Verpfändung unter Abtretung des Her390 Siehe in diesem Sinne schon die Begründung zum Vorentwurf des Sachenrecht von Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 429 f.; insofern zutreffend auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 1204 Rn. 22, § 1205 Rn. 10; R. Schmidt, AcP 134 (1931), 1, 6; Boehmer, Grundlagen II/2, S. 144 f.; ausf. Füller, Sachenrecht, S. 354 ff.; zum schweizerischen Recht vgl. weiter Hedinger, Publizitätsdenken, S. 68; Weber, Publizitätsprinzip, S. 30 ff.; kritisch dazu Quantz, Besitz, S. 105. 391 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 20 (zu § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB); R. Schmidt, AcP 134 (1931), 1, 77 ff. 392 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 201. 393 Vgl. Boehmer, Grundlagen II/2, S. 144 f.; Hromadka, JuS 1980, 89, 92.
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ausgabeanspruchs gegen den Besitzmittler gem. § 1205 Abs. 2 BGB erlangt der Pfandgläubiger keinen unmittelbaren Besitz an der Sache. Der Gläubiger läuft in dieser Konstellation nicht minder Gefahr, sein Sicherungsrecht durch eine lastenfreie Veräußerung des (materiellrechtlich nicht berechtigten) Besitzmittlers gem. §§ 929 S. 1, 932, 936 Abs. 1 S. 1 BGB an einen redlichen Dritterwerber zu verlieren. Wenn das Gesetz dieses Verlustrisiko durch Veräußerung des Besitzmittlers zum Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs in Kauf nimmt, dann will es nicht recht einleuchten, weshalb die Konstitutsverpfändung, die mit einer entsprechenden Gefahr verbunden ist, von vornherein ausgeschlossen sein soll. Das gilt umso mehr, wenn man einen Binnenrechtsvergleich zur Gefahrenlage einer Konstitutsübereignung gem. § 930 BGB anstellt. Denn auch in dieser Konstellation läuft der (materiell berechtigte) Sicherungsnehmer Gefahr, seine Eigentümerstellung durch Veräußerung des nichtberechtigten Sicherungsgebers gem. § 933 BGB zu verlieren. Wenn das Gesetz nun das Risiko des Vollrechtsverlustes im Rahmen der Übereignung gem. § 930 BGB bewusst in Kauf nimmt, dann vermag ein Hinweis auf das Risiko eines Pfandrechtsverlustes den Ausschluss der Konstitutsverpfändung schwerlich zu rechtfertigen. Auch aus der Gefahr einer Doppelverpfändung kann nichts anderes hergeleitet werden, da die Rangfolge verschiedener Pfandrechte unter Einbeziehung des Gutglaubensprinzips in §§ 1208, 1209 BGB eine sachgerechte Regelung erfahren hat, die der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs einmal mehr den Vorrang einräumt.
3. Dogmatik des pfandrechtlichen Übergabeerfordernisses Für die Interpretation des Übergabebegriffs bei der Mobiliarverpfändung ist die Verfügungsschutzfunktion gleichwohl von entscheidender Bedeutung. Der Normzweck des Traditionserfordernisses ist danach nur dann erfüllt, wenn der gewählte Übergabemodus dem Gläubiger eine ungehinderte Zugriffsmöglichkeit eröffnet und die Einwirkungs- und Verfügungsmöglichkeit des Verpfänders vollkommen ausschließt394. Die Übergabe muss demnach in der Art bewirkt sein, dass dem Verpfänder keine besitzrechtliche Position mehr verbleibt, die es ihm ermöglichen würde, auf den Pfandgegenstand einzuwirken und insbesondere hierüber wirksam zu verfügen. Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf den Grundtatbestand des § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur erfüllt, wenn der Pfandgegenstand physisch-real an den Pfandnehmer ausgehändigt wird, sondern auch dann, wenn es an einer nach außen erkennbaren Kundbarmachung der Rechtsänderung fehlt, wie z.B. bei der Verpfändung durch Einschaltung eines Besitzdieners, Besitzmittlers oder
394
Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 10; Füller, Sachenrecht, S. 356.
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einer Geheißperson395. In allen diesen Fällen entäußert sich der Veräußerer – wenn auch für außenstehende Dritte unbemerkt – seiner besitzrechtlichen Position und damit zugleich seiner rechtlichen Zugriffsmöglichkeit auf die Pfandsache. Zulässig ist grundsätzlich auch eine Besitzübertragung gem. § 854 Abs. 2 BGB396, vorausgesetzt, der Verpfänder gibt seine Herrschaft über den Verfügungsgegenstand vollständig auf und der Pfandnehmer ist zur Ausübung der Sachherrschaft uneingeschränkt in der Lage397. Das ist mit dem Reichsgericht etwa zu verneinen, wenn der auf einem Betriebsgelände lagernde Holzstapel zwar ausgesondert und durch eine Pfandtafel kenntlich gemacht wurde, der Pfandgeber aber weiterhin darauf zugreifen kann398. Gleiches gilt, wenn dem Gläubiger der Besitz an einem Raum überlassen wird, zu dem der Verpfänder auch weiterhin freien Zugang hat399, z.B. weil er sich mit einem zurückbehaltenen Schlüssel Zutritt verschaffen kann. Das gilt nicht nur für den Fall, dass der Gläubiger von dem Schlüssel des Eigentümers weiß400, sondern nach zutreffender Auffassung401 auch dann, wenn ihm dieser Umstand unbekannt bleibt. Denn der gute Glaube an eine bestimmte Besitzlage ist de lege lata nicht geschützt. Es zählt die objektive Zugriffsmöglichkeit des Verpfänders, die hier besteht, auch wenn er von dem Schlüssel tatsächlich keinen Gebrauch macht402. Die Übergabe ist nach § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB entbehrlich, wenn sich der Pfandnehmer bereits im Besitz der Sache befindet. Die bloße Einigung ist in diesem Fall ausreichend, weil der Verpfänder vom Zugriff auf den Verfügungsgegenstand ausgeschlossen ist. Das gilt auch dann, wenn der Pfandgläubiger nur mittelbarer Besitzer ist403, es sei denn, es ist gerade der Verpfänder, der ihm den Besitz mittelt. Die nämlichen Grundsätze finden auch für die Auslegung des § 1206 BGB Anwendung. Nach der gesetzlichen Konzeption dient die Verpfändung durch Einräumung des Mitbesitzes als Surrogat für die ausgeschlossene Konstituts395 Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 11 f.; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 18; Wieling, Sachenrecht I, § 15 IV 1 a. 396 BGHZ 27, 360, 362; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 17; Gursky, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 5; ebenso jetzt auch Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 10 unter Aufgabe seiner abweichenden Auffassung in der Voraufl. 397 Vgl. BGHZ 27, 360, 362; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 10; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 17. 398 RGZ 74, 146, 148. 399 RGZ 77, 201, 209 f.; RG Recht 1907 Nr. 462; SeuffA 66 (1911), Nr. 70; JW 1914, 681. 400 Vgl. BGHZ 27, 360, 362; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 10; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 19. 401 Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 19; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1206 Rn. 4; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 7; R. Schmidt, AcP 134 (1931), 1, 11 ff., 21 ff., 24; a.A. RGZ 103, 100, 101 f.; RG Gruchot 48 (1904), 955, 956 ff.; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 10. 402 A.A. RGZ 66, 258, 263; Mühl, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 1205 Rn. 26. 403 RGZ 118, 250, 253; BGH NJW 1997, 2110, 2111; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 16; Habersack, in: Soergel, § 1205 Rn. 21; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 20; Wieling, Sachenrecht I, § 15 V 1 b; Gursky, JZ 1997, 1154, 1163 f.
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verpfändung404. Der nach § 1206 BGB erforderliche (mittelbare) Mitbesitz ist ein qualifizierter, der gewährleisten soll, dass der Verpfänder ohne Mitwirkung des Pfandnehmers zur Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über die Pfandsache nicht in der Lage ist405. Um den beschriebenen Standards der Sachübergabe zu genügen, muss die Einräumung des Mitbesitzes dazu führen, dass der Verpfänder weder tatsächlich auf das Pfand einwirken noch rechtlich darüber verfügen kann406. Daran fehlt es beispielsweise, wenn der Raum, in welchem sich der Verfügungsgegenstand befindet, zwar über zwei Schlösser verfügt, zu welchem Pfandnehmer und Verpfänder jeweils einen Schlüssel haben, das Schloss des Gläubigers indes stets unverschlossen ist, sodass der Eigentümer faktisch ungestört auf die Pfandsache zugreifen kann407. Gleiches gilt, wenn der Verpfänder einen Schlüssel zurückbehält, mit dem er auf die Pfandsache ungehindert zugreifen kann408. Dem angesprochenen Grundgedanken kommt schließlich auch für die Publizitätswirkung des Anzeigeerfordernisses iSd. § 1205 Abs. 2 BGB signifikante Bedeutung zu:
4. Dogmatik des pfandrechtlichen Anzeigeerfordernisses Eine weitere Besonderheit zur Übereignung besteht darin, dass die Wirksamkeit der Verpfändung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 1205 Abs. 2 BGB) sowie für die Verpfändung von Forderungen (§ 1280 BGB) von der vorherigen Anzeige an den Schuldner abhängig ist. Diese Sondervorschriften werden noch immer überwiegend als Beleg für die Geltung des sachenrechtlichen Publizitätsprinzips angesehen; erst durch die Anzeige werde die Verpfändung nach außen offenkundig (Offenkundigkeitsprinzip)409. Zur Begründung können Rechtsprechung und Schrifttum auf die Protokolle zum BGB verweisen; dort bezeichnete die 2. BGB-Kommission die Verpfändungsanzeige als „einen gewissen Ersatz“ für die „zur Begründung des Faustpfandrechts sonst erforderliche Besitzeinräumung“410. Allerdings führt dieses Verständnis des Anzeigeerfordernisses einmal mehr in die Irre. Dass die durch Verpfändungsanzeige vermittelte Publizitätswirkung 404 Damrau, in: MünchKommBGB, § 1206 Rn. 1; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1206 Rn. 1; Füller, Sachenrecht, S. 356. 405 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 802; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1206 Rn. 1; Wieling, Sachenrecht I, § 15 V 1 e. 406 RGZ 53, 218, 221; RG Recht 1908 Nr. 1208; KG OLGE 12, 136; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1206 Rn. 4; Füller, Sachenrecht, S. 356. 407 RGZ 77, 201. 408 Dies gilt wiederum unabhängig davon, ob der Eigentümer hiervon Kenntnis hat oder nicht: Habersack, in: Soergel, BGB, § 1206 Rn. 3; a.A. Damrau, in: MünchKommBGB, § 1206 Rn. 5. 409 RGZ 85, 431, 436; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 20; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 26; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 27; Gursky, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 12. 410 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 443; dem folgend RGZ 85, 431, 436.
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zur Offenlegung des Verpfändungsvorgangs schwerlich geeignet ist, folgt bereits aus dem Umstand, dass sich die Anzeige ausschließlich an den Drittbesitzer (§ 1205 Abs. 2 BGB) bzw. Forderungsschuldner (§ 1280 BGB) richtet. Offenkundigkeit in dem Sinne, dass die Verpfändung öffentlich gegenüber sämtlichen Teilnehmern des Rechtsverkehrs bekannt würde, ist mit der Anzeige nicht gewährleistet411. Stattdessen ergibt eine tiefergehende Analyse, dass die Anzeige primär den Interessen des Pfandgläubigers zu dienen bestimmt ist412. In beiden Fällen geht es darum, den Verpfänder im Interesse des Pfandgläubigers von jedweder Einwirkung auf die Sache auszuschließen und Verfügungen über den Gegenstand zu verhindern413. Durch das Anzeigeerfordernis des § 1205 Abs. 2 BGB wird sichergestellt, dass der Besitzmittler414 die Sache nur an den Pfandgläubiger mit schuldbefreiender Wirkung herausgeben kann415, weil er nach erfolgter Anzeige nicht länger gem. § 407 Abs. 1 BGB dazu berechtigt ist, sich von seiner Verpflichtung gegenüber dem Pfandgläubiger durch Herausgabe der Pfandsache an den Eigentümer zu befreien416. Das gilt umso mehr, als das Pfandrecht mit Rückgabe an den Eigentümer gem. § 1253 Abs. 1 S. 1 BGB erlischt. Im Zentrum des Schutzzwecks des § 1205 Abs. 2 BGB steht demnach der Pfandgläubiger; die Vorschrift entfaltet mithin gläubigerschützende Wirkung. Reflexartig wird auch der unmittelbare Besitzer gem. § 409 BGB in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit der Anzeige geschützt. Er kann die Sache mit schuldbefreiender Wirkung an den vermeintlichen Gläubiger herausgeben, solange die Anzeige nicht widerrufen ist. Dies erklärt auch, weshalb nach ganz überwiegender Auffassung die bloße Kenntnis des Drittbesitzers die ausdrückliche Anzeigeerteilung durch den Verpfänder nicht zu ersetzen vermag417. 411
Vgl. auch Quantz, Besitz, S. 85. Dagegen aber Quantz, Besitz, S. 84 f., der allerdings übersieht, dass der Schutz des Pfandgläubigers auch dann Normzweck des § 1205 Abs. 2 BGB sein kann, wenn dieses Ziel durch die Vorschrift nicht vollends verwirklicht wird. Jedenfalls lässt sich das Anzeigeerfordernis am ehesten auf der Basis der hier vertretenen Auffassung erklären, wenngleich die anschließenden rechtspolitische Erwägungen zeigen, dass das Faustpfandprinzip des BGB insgesamt aufgegeben werden sollte. De lege lata führt am Anzeigeerfordernis des § 1205 Abs. 2 BGB indes kein Weg vorbei. 413 Insofern zutreffend auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 27; Wieling, Sachenrecht I, § 15 V 1 d; Rittner, JZ 1975, 274, 275; R. Schmidt, AcP 134 (1931), 1, 58 f., 129 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 355. 414 Die Anzeige ist demjenigen gegenüber abzugeben, der dem Pfandgläubiger den Besitz vermittelt. Das ist im Regelfall der unmittelbare Besitzer. Bei gestuftem Mitbesitz ist es indes der mittelbare Besitzer erster Stufe. Dazu Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 30. 415 RGZ 85, 431, 436; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1205 Rn. 27. 416 Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 443; KG JW 1936, 1136, 1137; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 20; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 26; Wieling, Sachenrecht I, § 15 V 1 d; vgl. auch Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 128 II 3 b. 417 RGZ 89, 289 f.; KG SeuffA 73 Nr. 226; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1205 Rn. 9; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1205 Rn. 22; Kregel, in: RGRK, BGB, § 1280 Rn. 5; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1205 Rn. 26, § 1280 Rn. 6; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 Rn. 17; a.A. aber Wieling, Sachenrecht I, § 15 V 1 d. 412
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§ 10 Publizitätsprinzip
In diesem Sinne ist auch das Anzeigeerfordernis des § 1280 BGB zu interpretieren. Wiederum steht die Sicherungsfunktion der Anzeige für den Pfandgläubiger im Vordergrund. Durch die Anzeige an den Schuldner wird effektiv verhindert, dass er mit schuldbefreiender Wirkung an den Forderungsgläubiger leistet und so die Sicherungswirkung des an der Forderung bestellten Pfandrechts vereitelt. Abzulehnen sind hingegen die im Schrifttum vertretenen Interpretationen des § 1280 BGB, die der Vorschrift Bedeutung für die Verwirklichung des (sachenrechtlichen) Publizitätsprinzips unterzuschieben suchen. Weder zielt die Anzeige darauf ab, die mit der Verpfändung einhergehende Abspaltung des Verwertungsrechts aus einer Forderung nach außen publik zu machen und so aus dem Vermögen des Verpfänders auszusondern418, noch ist es primäres Anliegen der Vorschrift, „die Nichtverfügbarkeit der Forderung für künftige Kreditgeber des Verpfänders erkennbar zu machen“419. Beide Positionen können nicht erklären, wie die nach § 1280 BGB gegenüber dem (Forderungs-)Schuldner (!) abzugebende Anzeige die gesamte Öffentlichkeit oder auch nur künftige Kreditgeber über die „Nichtverfügbarkeit“ der Forderung aufklären soll420. Vielmehr begegnet das Anzeigeerfordernis der andernfalls gem. §§ 1275, 407 BGB bestehenden Gefahr, dass der Schuldner mit befreiender Wirkung an den Verpfänder (Forderungsgläubiger) leistet. Dieses Risiko auszuschließen ist für den Pfandgläubiger von großer Wichtigkeit, weil er ansonsten – ebenso wie durch die Rückgabe der Pfandsache an den Eigentümer (vgl. § 1253 Abs. 1 S. 1 BGB) – seine Sicherung durch die verpfändete Forderung verliert. Dass der Regelungszweck der Anzeige primär dem Schutz berechtigter Pfandgläubigerinteressen, nicht aber der allgemeingültigen Offenlegung des Sicherungsrechts zu dienen bestimmt ist, erklärt auch, weshalb nach zutreffender Auffassung auf die Anzeige verzichtet werden kann, wenn der Pfandgläubiger zugleich Schuldner der verpfändeten Forderung ist421. Denn in diesem Fall sind die berechtigten Interessen des Verpfänders auch ohne die Anzeige durch den Verpfänder hinreichend gewahrt. Von einer Offenkundigkeit der „Nichtverfügbarkeit“ dieser Forderung kann vernünftigerweise freilich keine Rede sein.
5. Rechtspolitische Folgerungen Zieht man aus den bisherigen Überlegungen zur Funktion und Dogmatik des pfandrechtlichen Traditionsprinzip die Summe, fällt das Ergebnis ebenso ernüchternd aus wie für die Mobiliarübereignung: Das Übergabeerfordernis kann wiederum nicht im Sinne eines sachenrechtlichen Offenkundigkeitsgebots ver418 So aber Motive zum BGB, Bd. 3, S. 855; RG JW 1920, 558; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1280 Rn. 1; Flad, in: Planck, BGB, § 1280 Anm. 3 b. 419 So aber D. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1280 Rn. 1. 420 In diesem Sinne auch Adams, Analyse, S. 290 f. 421 RGZ 116, 198, 207; RG LZ 1922, 557 f.; RG Recht 1923 Nr. 350; BGH WM 1956, 217, 218; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1280 Rn. 7; D. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1280 Rn. 5.
V. Das Traditionsprinzip des Mobiliarpfandrechts
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standen werden, das im Interesse des Rechtsverkehrs darauf abzielt, die Verhältnisse nach außen publik zu machen. Vielmehr liegt der maßgebliche – rechtspolitisch nachvollziehbare – Zweck der Traditionselemente (Übergabe, Übergabesurrogate, Anzeige) darin, die berechtigten Sicherungsinteressen des Pfandgläubigers zu schützen (Erwerberschutz). Die Parallele zum Schutz der Erwerberinteressen bei der Mobiliarübereignung ist unverkennbar. Es liegt daher nahe, das sachenrechtliche Traditionsprinzip als Erwerbsschutzprinzip (neu) zu interpretieren. Angesichts dieser Zielrichtung des pfandrechtlichen Traditionserfordernisses ist es de lege lata geboten, am Faustpfandprinzip festzuhalten und die Verpfändungsvorschriften im Lichte des Erwerberschutzes auszulegen. Eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung mit dem Ziel, auch die Verpfändung mittels Besitzkonstitut zuzulassen, scheitert an dem klaren Bekenntnis des historischen Gesetzgebers zur strengen Durchführung des Traditionsprinzips422. De lege ferenda spricht indes vieles dafür, neben den bestehenden Verpfändungsmodalitäten auch ein publizitätsloses vertragliches Pfandrecht zuzulassen423. Dafür streitet zunächst, dass die vom Publizitäts- bzw. Traditionsprinzip angestrebte Offenkundigkeit der an beweglichen Sachen bestehenden Rechtsverhältnisse aufgrund der rechtstatsächlichen Verbreitung von Sicherungs- und Vorbehaltseigentum sowie sonstiger fiduziarischer und treuhänderischer Übereignungsformen schlichtweg nicht zu gewährleisten ist424. Zudem können Gläubiger auch nicht darauf vertrauen, dass Sachen, die sich im Besitz einer Person befinden, auch in deren Eigentum und deshalb für eine Verpfändung zur Verfügung stehen425. Dass die Begründung von Pfandrechten nicht zwingend für Außenstehende erkennbar sein müssen, zeigt ferner ein Blick auf das aufgeweichte Publizitätsprinzip bei besitzlosen gesetzlichen Pfandrechten (§§ 562 ff., 581 Abs. 2, 592, 704 BGB, §§ 397, 441, 464, 475b HGB)426. Gegen eine strenge Durchführung des Traditionsprinzips beim Pfandrecht spricht außerdem, dass sich auch die Sicherungsübereignung ohne nach außen erkennbare Übergabe vollzieht. Zwar wurde oben427 klar herausgestellt, dass der historische Gesetzgeber sich bewusst für das Nebeneinander der beiden Sicherungsmittel entschieden hat. Indes erscheint es de lege ferenda aus heutiger Sicht wertungswidersprüchlich, die Publizitätsanforderungen beim weniger weitreichenden Sicherungsrecht (Pfandrecht) strenger auszugestalten als beim weiter 422
So auch Füller, Sachenrecht, S. 358 f.; Quantz, Besitz, S. 110. Wie hier Habersack, in: Soergel, BGB, Vor § 1204 Rn. 18; Hromadka, JuS 1980, 89, 94; Hübner, Rechtsverlust, S. 64 f.; Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 60; Süß, FS Wolff, S. 141, 164; ausf. Quantz, Besitz, S. 111 ff., 327; ebenso Olzen, in: Baur, Eigentums, S. 103, 124: „… Umgestaltung des Sicherungseigentumes und des Eigentumsvorbehaltes in ein Pfandrecht. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß das Offenkundigkeitsprinzip des Pfandrechtes aus dem BGB entfernt wird.“ 424 Siehe nochmals oben § 10 V. 2. a). 425 Siehe nochmals oben § 10 V. 2. b). 426 Hierzu näher Quantz, Besitz, S. 92 ff.; im Überblick Süß, FS Wolff, S. 141, 162. 427 Siehe § 10 IV. 2. a). 423
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§ 10 Publizitätsprinzip
reichenden Sicherungsrecht der Sicherungsübereignung428. Die unnachgiebige Strenge des pfandrechtlichen Traditionsprinzips ist bekanntlich auch der Grund für die Dominanz der Konstitutsübereignung in der Sicherungspraxis. Die Sicherungsübereignung ermöglicht es den Vertragsparteien, die beiden maßgeblichen wirtschaftlichen Funktionen des Eigentums aufzuspalten429: Während der Sicherungsnehmer primär an der Erlangung einer formellen Rechtsposition interessiert ist, um die Sache im Sicherungsfall zu verwerten (Sicherungsfunktion), ist der Sicherungsgeber typischerweise daran interessiert, die Sache trotz Sicherheitenbestellung auch weiterhin für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzen zu können (Nutzungsfunktion). Ist dem Sicherungsgeber also an einer fortdauernden Nutzung des Sicherungsgegenstandes gelegen, wird er sich gegen eine Verpfändung entscheiden, weil ihm die Pfandsache gem. §§ 1205, 1206 BGB notwendig entzogen wird. Die für Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer gleichsam vorzugswürdige – gespaltene – Allokation einzelner Eigentumsbefugnisse lässt sich durch die Verpfändung in ihrer heutigen Gestalt nicht bewerkstelligen, sondern ausschließlich durch das Institut der Sicherungsübereignung. Es bleibt die Frage, ob der oben herausgearbeitete Schutzzweck des Übergabeerfordernisses – den berechtigten Interessen des Verpfänders zu dienen – dem Übergang zu einem publizitätslosen Pfandrecht entgegensteht. Die Frage stellen, heißt sie verneinen. Denn im Grunde liegen die Interessen bei der Verpfändung nicht anders als bei der Einräumung von Sicherungseigentum. In beiden Fällen trägt der Rechtsinhaber das Risiko, dass der in Besitz der Sache verbleibende frühere Berechtigte nochmals über die Sache verfügt und hierdurch das Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers vereitelt. Allerdings kommt ein redlicher Erwerb nach § 933 BGB nur dann in Betracht, wenn die Sache dem späteren Erwerber auch tatsächlich übergeben wird. Das sollte sich der Sicherungsgeber gut überlegen, ist die Nutzungsmöglichkeit der Sache für ihn doch regelmäßig von großem Interesse, sonst hätte er womöglich eine andere Übereignungs- bzw. Verpfändungsform gewählt. Es kommt hinzu, dass der gesetzliche Normzweck der Besitzpublizität beim Pfandrecht primär auf den Schutz der Pfandgläubigerinteressen gerichtet ist. Dann muss es dem Gläubiger aber auch überlassen bleiben, auf diesen Schutz durch die Wahl einer anderen – weniger sicheren – Verpfändungsform zu verzichten, wenn – wie im vorliegenden Fall – überindividuelle Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs sowie etwaige Interessen künftiger Gläubiger nicht entgegenstehen. Da durch die Zulassung eines publizitätslosen Pfandrechts der wirtschaftliche Handlungsspielraum vergrößert wird, liegt sie letztlich auch im Interesse des Pfandgläubigers. 428 Vgl. auch Hromadka, JuS 1980, 89, 92; Quantz, Besitz, S. 104 mit Fn. 200, S. 109; vgl. noch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 233, die indes einen anderen Schluss aus dem erkannten Wertungswiderspruch ziehen: Einschränkung der Sicherungsübereignung. 429 Siehe dazu bereits oben § 10 IV. 2. b).
VI. Zusammenfassung
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VI. Zusammenfassung Die Sukzessionstatbestände des Sachenrechts setzen sich aus einem rechtsgeschäftlichen Willenselement (dingliche Einigung) und einem tatsächlichen Vollzugselement zusammen. Das Vollzugselement ist konstitutiver Natur und dient nach herkömmlicher Auffassung der Offenkundigkeit sachenrechtlicher Verhältnisse (Publizitätsprinzip). Ein in diesem Sinne verstandenes Publizitätsprinzip bereitet indes unüberwindliche Schwierigkeiten und kann auch nicht aus dem „absoluten“ Charakter dinglicher Rechte hergeleitet werden. Stattdessen ist eine funktionale Interpretation des Publizitätsprinzips angezeigt, die den Sinngehalt von nach außen erkennbaren Erklärungszeichen aus der tatsächlichen Bedeutung der im Rechtsverkehr gewährleisteten Publizität erhält: Zum einen kann die Erkennbarkeit der an Gegenständen bestehenden Rechtsverhältnisse zur Sicherung des Rechts- und Handelsverkehrs beitragen, wie es durch das Eintragungsprinzip und den öffentlichen Glauben des Grundbuchs im Immobiliarsachenrecht mustergültig verwirklicht ist. Zum anderen kann die Erfüllung des Publizitätselements im Interesse der Vertragsparteien, namentlich des Erwerbers liegen (Erwerberschutz), dem im Mobiliarsachenrecht vielfach daran gelegen sein wird, mit der Eigentumsübertragung auch die tatsächliche Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit zu erlangen. In diesem Sinne ist das Traditionsprinzip als Erwerbsschutzprinzip zu verstehen. Das Eintragungsprinzip im Liegenschaftsrecht und das Traditionsprinzip im Fahrnisrecht dienen insofern auf unterschiedliche Weise der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs sowie der Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit). Das Eintragungsprinzip verwirklicht idealtypisch die hergebrachten Funktionen des Publizitätsprinzips: Es macht die Rechtsänderungen an Grundstücken nach außen publik und die Wirksamkeit der Grundstücksübertragung von der Eintragung abhängig (Sukzessionsfunktion). Außerdem ist mit der Eintragung die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchinhalts verbunden (Vermutungsfunktion). Und schließlich bildet der öffentliche Glaube des Grundbuchs die notwendige Legitimationsgrundlage für den gutgläubigen Erwerb von Liegenschaftsrechten (Gutglaubensfunktion). Im Rechtsvergleich weist das deutsche Grundbuchsystem einige maßgebliche Vorzüge auf: Zum einen gewährleistet das öffentliche Register eine umfassende Dokumentation sämtlicher an Grundstücken bestehenden dinglichen Rechte. Zum anderen schaffen seine hoheitliche Ausgestaltung und die konstitutive Eintragungswirkung eine tragfähige Grundlage für die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs und seine Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen. Hieraus speist das Eintragungsprinzip auch seine rechtsökonomische Überzeugungskraft: Zwar sind die Kosten für die Einrichtung von Registersystemen und die Kosten für die Eintragung der Rechtsänderungen nicht zu unterschätzen. Solche Transaktionskosten hemmen nämlich die Motivation der Marktteilnehmer zur Verfügung über Grundstücksrechte. Auf der anderen Seite sorgt die
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§ 10 Publizitätsprinzip
gesteigerte Bestandskraft des Rechtsübergangs dafür, dass dem Erwerber das Liegenschaftsrecht nicht im Nachhinein wieder entzogen werden kann. Darin liegt auch die maßgebliche Verbindung aus der ökonomischen Bedeutung von Eintragungsprinzip und Gutglaubenserwerb im Immobiliarsachenrecht. Aufgrund der Registerpublizität und der materiellen Verlässlichkeit des Grundbuchs erspart der Erwerber Informationskosten; er darf auf die Richtigkeit des Inhalts vertrauen und braucht keine aufwendigen Nachforschungsmaßnahmen anzustellen. Zudem senken öffentliche Register posttransaktionale Streitbewältigungskosten. Das Traditionsprinzip des Mobiliarerwerbs ist nur rechtshistorisch zu erklären. Bedeutung hat die Dogmengeschichte des Übergabeerfordernisses auch für das moderne dogmatische Verständnis der §§ 929 ff. BGB. Das beruht insbesondere auf der Überwindung der Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag (Einheitstheorie) und das Bekenntnis des historischen Gesetzgebers zur dogmatischen Verselbstständigung von Einigung und Übergabe. Die Wirksamkeit der beiden Tatbestandsmerkmale beurteilt sich daher nach jeweils eigenständigen Regeln und Grundsätzen. Die herkömmlichen Funktionen des Traditionsprinzips vermögen das Übergabeerfordernis nicht zu stützen. Weder lässt sich das Traditionsprinzip auf Gesichtspunkte der Offenlegung von an Sachen bestehenden Rechtsverhältnissen stützen, noch ist die Sachübergabe ausschlaggebend für die Ernstlichkeit des Übereignungswillens. Und auch zum Schutz berechtigter Gläubigerinteressen ist das Traditionsprinzip weder geeignet noch erforderlich. Seine rechtspolitische Sinnhaftigkeit folgt stattdessen aus den modernen Funktionen des Traditionsprinzips. Von besonderer Bedeutung ist die Verschaffungsfunktion. Durch das Übergabeerfordernis wird namentlich das Interesse des Erwerbers an der physisch-realen Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit gesichert (Erwerberschutz). Damit in enger Verbindung stehen die Vermutungsund Gutglaubensfunktionen des Traditionsprinzips. Diese Funktionen bilden zugleich die Grundlage für die ökonomische Sinnhaftigkeit des Übergabeerfordernisses. Und schließlich beeinflusst die Verschaffungsfunktion auch die Dogmatik der Sachübergabe. Sie liegt vor, wenn der Erwerber (1.) die Sache unter vollständigem und endgültigem Ausschluss des Veräußerers einschränkungslos für seine Zwecke nutzen kann und (2.) sein Wille auf die Begründung von Eigenbesitz gerichtet ist. Die in §§ 929 S. 2, 931, 932 BGB normierten Übergabesurrogate durchbrechen das Traditionsprinzip. Sie sind in ihren Wirkungen dem reinen Einigungsprinzip weitgehend angenähert und gewinnen aus diesem Umstand ihre besondere praktische Relevanz. Insbesondere steigert der Verzicht auf Publizitätselemente die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen, verringert die mit der Übereignung verbundenen Transaktions-, namentlich Transportkosten, und verbilligt so den Güterverkehr. Das gesamte Regelungssystem der §§ 929 ff. BGB gewährleistet für die jeweilige Interessenlage der Vertragsparteien passgenaue Übereignungsmodalitäten, die in diesem Sinne neben dem Erwerber-
VI. Zusammenfassung
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schutz dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Sukzessionsfreiheit) zu dienen bestimmt sind. Das entfaltet Rückwirkungen auf die Dogmatik der §§ 929 ff. BGB: Zum einen ist die Lehre vom konkreten Besitzmittlungsverhältnis mit den Grundwertungen eines modernen Traditionsprinzips nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen können besitzlose Sachen ohne Hinzutreten eines faktischen Vollzugselements mittels bloßer Einigung übertragen werden. Für das Mobiliarpfandrecht ist das Traditionsprinzip in Form des Faustpfandprinzips strikter durchgeführt als bei der Mobiliarübereignung. Das hat historische Gründe, ist indes angesichts der rechtstatsächlichen Übermacht der Konstitutsübereignung nicht länger zeitgemäß; auch im Übrigen ist das Faustpfandprinzip de lege ferenda verfehlt und daher durch Zulassung eines publizitätslosen Mobiliarpfandrechts zu beseitigen. Das pfandrechtliche Übereignungserfordernis lässt sich weder sinnvoll aus dem Gedanken der Offenkundigkeit noch aus dem Schutzbedürfnis für berechtigte Gläubigerinteressen erklären. Der zentrale Normzweck besteht stattdessen darin, den Pfandgläubiger vor Einwirkungen des Verpfänders auf die Pfandsache sowie vor weiteren Verfügungen zu schützen (Verfügungsschutzfunktion). Zwar ist auch diese Interpretation des pfandrechtlichen Traditionsprinzips de lege ferenda schwerlich mit der publizitätslosen Konstitutsübereignung gem. § 930 BGB in Einklang zu bringen; für die Auslegung der §§ 1205, 1206 BGB de lege lata ist die Verfügungsschutzfunktion aber gleichwohl maßstabgebend. Auch die pfandrechtlichen Anzeigeerfordernisse (§§ 1205 Abs. 2, 1280 BGB) sind nicht im Sinne des Offenkundigkeitsprinzips zu verstehen; sie sollen vielmehr verhindern, dass der Forderungsschuldner mit befreiender Wirkung an den Verpfänder leistet und so das Sicherungsrecht des Pfandgläubigers vereitelt (Erwerberschutz). Der Wertungswiderspruch des strikten pfandrechtlichen Traditionsprinzips zur publizitätslosen Konstitutsübereignung ist zugunsten der Zulassung eines publizitätslosen vertraglichen Mobiliarpfandrechts aufzulösen.
§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs Mit dem Publizitätsprinzip eng verbunden ist das Prinzip des Gutglaubenserwerbs. Beiden Strukturprinzipien ist gemeinsam, dass sie nicht für sämtliche Spielarten rechtsgeschäftlicher Sukzessionen gelten: Notwendiger Anknüpfungspunkt für den redlichen Erwerb einer Rechtsposition ist vielmehr ein tauglicher Rechtsscheinträger, der das Vertrauen auf die materielle Berechtigung des Veräußerers zu rechtfertigen vermag. Eine solche Vertrauensgrundlage existiert nicht für sämtliche Sukzessionstatbestände, sondern knüpft vorrangig an die den sachenrechtlichen Übereignungstatbeständen eigenen Publizitätsakte an. Im Zentrum der Untersuchung stehen folglich der öffentliche Glaube des Grundbuchs (§§ 891 ff. BGB) und der redliche Mobiliarerwerb (§§ 932 ff. BGB). Einbezogen werden außerdem noch die Gutglaubenswirkungen des Erbscheins (§§ 2365 ff. BGB) und der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 3 GmbHG) sowie der redliche Forderungserwerb (§ 405 BGB). Die Fülle des Materials zwingt einmal mehr zur Selbstbeschränkung. Grundanliegen der nachfolgenden Überlegungen kann deshalb keine vollumfängliche Darstellung der einzelnen Gutglaubenstatbestände sein. Vielmehr soll es darum gehen, die spezifische Bedeutung des Gutglaubenserwerbs als prägendes Strukturmerkmal der rechtsgeschäftlichen Nachfolge herauszustellen und in das Gesamtsystem der Strukturprinzipien einzuordnen. Zu diesem Zweck ist zunächst ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte des Gutglaubenserwerbs zu werfen (I.), bevor die rechtssystematischen, teleologischen und rechtsökonomischen Grundlagen des Gutglaubensprinzips gelegt werden (II.). Im Anschluss werden die verschiedenen Rechtsscheinträger auf ihre Tauglichkeit hin untersucht, als Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb zu dienen (III.), bevor die zentralen Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen der Gutglaubensvorschriften im Einzelnen behandelt werden (IV. – IX.).
I. Rechtshistorische Entwicklung Lehrreich ist zunächst ein Blick in die Entwicklungsgeschichte des redlichen Mobiliarerwerbs1. Es wird sich zeigen, dass die Gutglaubensvorschriften in ihrer heutigen Ausgestaltung sowohl in der römischrechtlichen (1.) als auch in der 1 Zur Historie des gutgläubigen Immobiliarerwerbs siehe bereits oben § 10 II. 1. sowie die Darstellung bei Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 1 f. Zur Entstehung des § 16 Abs. 3 GmbHG siehe unten § 11 III. 5.
I. Rechtshistorische Entwicklung
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deutschrechtlichen (2.) Tradition verwurzelt sind2. Während der Erwerb vom Nichtberechtigten dem deutschen Recht entstammt, ist das Gutglaubenserfordernis auf das römische Ersitzungsrecht zurückzuführen. Bemerkenswert ist ferner der Paradigmenwandel vom prozessualen Ausschluss der Vindikationsklage, der noch die Partikularrechte des 18. und 19. Jahrhunderts beherrschte (3.), zur Anerkennung des materiellen Rechtserwerbs, der erstmals im Allgemeinen Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 kodifiziert war (5.)3. Überhaupt standen die Gutglaubensvorschriften des Art. 306 ADHGB 1861 Pate für die modernen §§ 932 ff. BGB. Die abweichenden Regelungen des sachenrechtlichen Vorentwurfs (4.) vermochten sich während der Kommissionsberatungen zum BGB (6.) hingegen nicht durchzusetzen.
1. Römisches Recht Im römischen Recht galt uneingeschränkt die bekannte Rechtsparömie: Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet4. Weil niemand mehr Rechte übertragen könne, als er selbst innehat, war der redliche Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten unter Geltung des römischen Rechts ausgeschlossen. In Anwendung des allgemeinen Sukzessionsbegriffs5 erhielt der Nachfolger die übertragene Vermögensposition nur in der Gestalt, wie sie dem Vorgänger bisher zustand. Scheiterte der Eigentumserwerb nach diesen Grundsätzen, musste der Besitzer die nicht wirksam zu Eigentum erworbene Sache an den wahren Berechtigten herausgeben, und zwar unabhängig davon, ob er in Ansehung der vermeintlichen Eigentümerstellung des Veräußerers in gutem oder bösem Glauben handelte oder ob der Berechtigte die Sache willentlich aus der Hand gegeben hatte oder nicht. Das Erwerbsinteresse des Gutgläubigen schützte das römische Recht primär durch die Vorschriften über die Ersitzung, die sich durch eine verhältnismäßig kurze Ersitzungsdauer von 1 bis 3 Jahren auszeichnete. Die Nähe zum modernen Gutglaubenserwerb manifestiert sich darin, dass der Rechtserwerb kraft Ersitzung vom guten Glauben des Eigenbesitzers in Bezug auf seine Eigentü-
2
Im Ergebnis ebenso Kaser/Knütel, Privatrecht, § 24 Rn. 4; Kaser, JuS 1967, 336, 342; v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119, 188 f. 3 Zum Übergang von der formellen zur materiellen Lösung des Gutglaubensproblems siehe bereits v. Tuhr, ZfranzR 30 (1899), 527, 540 f.; Hübner, Rechtsverlust, S. 24; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 1 a.E. 4 Dig. 50.17.54; dazu und zum Folgenden näher Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 15; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 2; Kaser/Knütel, Privatrecht, § 24 Rn. 3; Kaser, JuS 1967, 337, 342; Olzen, Jura 1990, 505; vgl. noch Stagl, AcP 211 (2011), 530 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 326 ff., 367 f. Siehe im Übrigen Dig. 50, 17, 175, 1: non debeo melioris condiciones esse, quam auctor meus, a quo ius in me transit: „niemand soll eine bessere Position innehaben als der Vorgänger, der ihm das Recht übertragen hat“. 5 Siehe zum Sukzessionsbegriff oben § 2 I. 3.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
merstellung6 sowie vom Erfordernis eines ersitzungsfähigen Gegenstandes abhängig war. Von der Ersitzung ausgeschlossen waren namentlich gestohlene und geraubte Sachen7. Nach den römischen Rechtsgrundsätzen war der Rechtserwerb demnach nicht als ein (derivativer) Erwerb vom Nichtberechtigten konzipiert, sondern als originärer Eigentumserwerb aufgrund eines selbstständigen Ersitzungstatbestandes8.
2. Altgermanisches Recht Auch dem altdeutschen Recht war ein echter Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten unbekannt. Stattdessen lautete die zentrale Frage, ob der frühere Gewereinhaber gegen den Besitzer mittels Herausgabeklage vorgehen konnte. Der zentrale Unterschied zum modernen Recht liegt in der prozessualen Lösung des zwischen wahrem Berechtigten und Erwerber bestehenden Interessenkonflikts, während §§ 932 ff. BGB heute eine materiellrechtliche Konfliktlösung vorsehen9. Nach der heute noch immer vorherrschenden Auffassung bildete das germanische Rechtsinstitut der „Gewere“ den historischen Ausgangspunkt für den redlichen Erwerb beweglicher Sachen10. Die Gewere übernahm im damaligen Recht einzelne Funktionen des modernen Eigentums, wies zugleich aber auch Parallelen zum heutigen Besitz auf und war daher in der Rechtspraxis von herausragender Bedeutung. Kam es zu einem Verlust der Gewere des wahren Berechtigten, richtete sich sein Klagerecht danach, ob der Gewereverlust freiwillig oder unfreiwillig eingetreten war. Handelte es sich um einen unfreiwilligen Verlust, namentlich durch Diebstahl oder Raub, konnte der wahre Berechtigte die Sache herausverlangen. Unter keinen Umständen durfte der Besitzer unter Geltung des altdeutschen Rechts die erlangte Sache behalten, und zwar auch dann nicht, wenn er sie in gutem Glauben erworben hatte11. Weniger eindeutig und noch immer nicht abschließend geklärt ist die Frage nach den Rechtsfolgen eines freiwilligen Gewereverlusts und die hiermit eng verknüpfte Frage, inwiefern die tradierte Rechtsparömie „Hand wahre Hand“ in der damaligen Rechtspraxis tatsächlich eine Entsprechung fand. Zwar ent6 Dazu näher Kaser/Knütel, Privatrecht, § 25 Rn. 11; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 2; ausf. Behrends, FS Huwiler, 2007, S. 13 ff. 7 Mit weiterführenden Hinweisen Kaser/Knütel, Privatrecht, § 25 Rn. 8, 19; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 2; ausf. v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119, 138 ff.; vgl. auch Stagl, AcP 211 (2011), 530, 552. 8 Zur Rechtsnatur des redlichen Erwerbs nach heutigem Recht siehe unten § 11 IX. 2. 9 Siehe unten § 11 IX. 1. 10 Ausf. Olzen, Jura 1990, 505, 506 ff.; ferner Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 2, 4; zum Teil kritisch Hübner, Rechtsverlust, S. 18 ff. 11 Hübner, Grundzüge, S. 443 f.; v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119, 177; Olzen, Jura 1990, 505, 507.
I. Rechtshistorische Entwicklung
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spricht es der herkömmlichen Auffassung, dass die Klagerechte des wahren Eigentümers bei freiwilligem Gewereverlust eingeschränkt waren. Im modernen Schrifttum werden aber zunehmend Zweifel an einer prinzipiellen Geltung dieses Grundsatzes geäußert und die bisherigen Begründungsstränge kritisch hinterfragt12.
3. Partikularrechte und Rezeption Im späteren Partikularrecht fanden sich ganz unterschiedliche Regelungen13. Vor allem die Herausgabeklage bei freiwillig weggegebenen Gegenständen war in den Stadt- und Partikularrechten sehr heterogen ausgestaltet. So lässt sich insbesondere das „Hand-wahre-Hand“-Prinzip nur in wenigen Rechtsbüchern nachweisen. Für den Fall des unfreiwilligen Sachverlustes blieb es zwar im Grundsatz dabei, dass die abhanden gekommene Sache an den wahren Berechtigten herauszugeben war. Zum Teil wurde der Erwerber aber auch durch die Gewährung eines Lösungsrechts geschützt, wonach der Herausgabeanspruch nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises erfüllt werden musste. Zum Teil schlossen die Partikularrechte die Herausgabeklage für alle auf einem Markt gekauften Sachen sogar vollständig aus. Später verschmolzen die deutsch- und römischrechtlichen Regelungen zu neuen, zum Teil stark voneinander abweichenden Erwerbstatbeständen14, die in Parallele zum römischen Recht vielfach den guten Glauben des Erwerbers voraussetzten15.
4. Vorentwurf zum Sachenrecht Über die Vorschriften des preußischen Allgemeinen Landrechts16 gelangte das partikularrechtliche Lösungsrecht auch in den von Reinhold Johow redigierten Vorentwurf zum Sachenrecht. Dort heißt es in § 186: „Der Gegenanspruch des Inhabers einer beweglichen Sache erstreckt sich, wenn er diese in gutem Glauben an das Eigenthum des Veräußerers in übrigens rechtsgültiger Weise erworben hat, auch auf die Erstattung dessen, was er für die Erwerbung der Sache gegeben oder geleistet hat (…)“.
Im Übrigen beschränkte der Vorentwurf die Zulässigkeit des redlichen Mobiliarerwerbs auf wenige Einzelfälle und verwarf insbesondere die Unterscheidung 12 13
Vgl. Olzen, Jura 1990, 505, 507 f.; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 535. Dazu und zum Folgenden näher Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 4; Olzen, Jura 1990, 505,
508 f. 14
Im Überblick dazu Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 5. Ausf. Hinz, Entwicklung, S. 30 ff. 16 Pr. ALR I 15 §§ 24 ff.; siehe dazu etwa Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 5 a; Hübner, Rechtsverlust, S. 25 f. 15
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Besitzverlust. Gehe es nämlich um den Schutz des Rechtsverkehrs sowie um den guten Glauben des Erwerbers, dann könne eine solche Differenzierung von vornherein nicht überzeugen17. Dementsprechend kam ein redlicher Erwerb gem. § 135 des Vorentwurfs nur in Betracht, soweit (1.) der Gegenstand im Rahmen einer öffentlichen Ersteigerung erstanden wurde, (2.) es sich um Geld oder Inhaberpapiere oder (3.) um Erzeugnisse oder Ausbeute aus der Sache handelte18. Auf diese Weise erstrebte Johow zum einen den römischen Prinzipien zum Durchbruch zu verhelfen, die nach seiner Auffassung in dem „weithaus größten Theil Deutschlands“ galten19. Zum anderen suchte er, durch die Statuierung des Lösungsrechts einen angemessenen Ausgleich zwischen Erwerber- und Verkehrsinteressen einerseits und dem Bestandsinteresse des Eigentümers andererseits zu schaffen.
5. Gutglaubensschutz im ADHGB 1861 Mit dieser Grundhaltung setzte sich der Vorentwurf in offenen Widerspruch zu den bereits im Jahre 1861 in Kraft getretenen Gutglaubensvorschriften für den kaufmännischen Handelsverkehr20. Nach Art. 306 Abs. 1 ADHGB 1861 erlangte der redliche Erwerber das Eigentum auch vom Nichtberechtigten, wenn „Waaren und andere bewegliche Sachen von einem Kaufmann in dessen Handelsbetriebe veräußert und übergeben worden sind“. Eine Ausnahme galt für gestohlene und verloren gegangene Gegenstände (Art. 306 Abs. 4 ADHGB 1861). Ein Blick in die einschlägigen Materialien belegt, wie hart die Gutglaubensregeln während des Gesetzgebungsverfahrens im Grundsatz und in den Details umkämpft waren21. Namentlich die Anerkennung des – materiellrechtlich wirksamen – redlichen Eigentumserwerbs im Gegensatz zum bloßen – formellen – Ausschluss der Vindikationsklage kam nur mit der entscheidenden Stimme des Kommissionspräsidenten zustande22. Über das mit Art. 306 ADHGB 1861 verfolgte Regelungsziel finden sich in den Gesetzesmaterialien keine tiefergehenden Reflexionen23. Als Kernanliegen der Kommission lässt sich aber jedenfalls nachweisen, dass die Zulassung des redlichen Erwerbs ganz allgemein den Handelsverkehr schützen sollte24. Aus 17
Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 876 f.; siehe die Nachweise zu den partikularrechtlichen Vorschriften ebenda S. 879 f. 18 Siehe dazu die Erläuterungen von Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 896 ff. 19 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 877; zu den Hintergründen vgl. weiter Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 6 a; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 309 ff. 20 Ausf. zur Entstehungsgeschichte des Art. 306 ADHGB 1861: Goldschmidt, ZHR 9 (1866), 1 ff.; Hübner, Rechtsverlust, S. 28 f.; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 5 d; Kunkel, Verkehrsschutz, S. 7 ff. 21 Vgl. auch die authentische Einschätzung bei Goldschmidt, ZHR 8 (1866), 225, 226. 22 Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, S. 4611. 23 Siehe Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, S. 4605 f. 24 Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, S. 4606: „Schutz des Handelsverkehrs“.
I. Rechtshistorische Entwicklung
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diesem Grund wurde im Ergebnis auch der Antrag angenommen, die ursprünglich auf das Kommissionsgeschäft beschränkten Gutglaubensvorschriften auf sämtliche Handelsgeschäfte auszudehnen, zumal sich für eine Beschränkung des Rechtsgedankens keine hinreichende Grundlage ausmachen ließ. Auch wenn Teile der Kommission keine Notwendigkeit für eine Gutglaubensregel sahen25, konnte die Mehrheit doch darauf verweisen, dass die praktischen Handelsbedürfnisse die Geltung des römischrechtlichen Nemo-plus-iuris-Prinzips weitgehend zurückgedrängt hatten26. Wo die Grundsätze des römischen Rechts noch immer vorherrschten, sei man sich der mit der Vindikationsklage verbundenen praktischen Risiken offenbar noch nicht hinreichend bewusst. Darüber hinaus lag der Entscheidung zugunsten des materiellen Rechtserwerbs die Überlegung zugrunde, „daß, wer offenkundig im Marktverkehr um sein Geld kaufe, sicher sei, daß er die erworbene Sache behalten dürfe“. Demgegenüber müsste der formelle Ausschluss der Vindikationsklage zu rechtspraktischen Verwerfungen führen, wenn der wahre Berechtigte seine Rechtsposition durch den redlichen Erwerb nicht verliere. Überhaupt stehe der Erwerb des Vollrechts den römischrechtlichen Grundsätzen der „Ersitzung redlich erworbener Mobilien“ sehr nahe und unterscheide sich von ihnen „nur durch die Uebergehung der willkührlichen justinianeischen Fristen“27.
6. Kommissionsberatungen zum BGB Die Argumente überzeugten auch den bürgerlichen Gesetzgeber in Gestalt der beiden BGB-Kommissionen. Sie demontierten sukzessive die im Johow’schen Vorentwurf enthaltenen Regelungsvorschläge und nahmen stattdessen ganz wesentlich an den handelsrechtlichen Gutglaubensvorschriften Maß. a) Beratungen der 1. BGB-Kommission Obgleich die 1. BGB-Kommission dem redlichen Erwerb zunächst skeptisch gegenüberstand, lehnte sie die restriktiven Vorschläge Johows letztlich dennoch als zu kompliziert und inkonsequent ab28. Zwar behielt der 1. Entwurf noch das Lösungsrecht in § 93929 bei, dies indes inhaltlich beschränkt auf den gutgläubigen Erwerb abhanden gekommener Gegenstände, während alle übrigen Sachen 25
Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, S. 4606 ff. Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, S. 4608 ff. 27 Alle Zitaten in diesem Absatz: Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, S. 4610. 28 Dazu Schubert, Entstehung, S. 150 f. 29 Die Vorschrift lautet: „Hat der Besitzer einer beweglichen Sache, welche ihm von einem Nichteigenthümer übertragen ist, das Eigentum an derselbe nur auf Grund der im §. 879 Satz 2 (scil.: Ausschluss des Gutglaubenserwerbs für abhanden gekommene Sachen) enthaltenen Vorschriften nicht erworben, so kann er von dem Eigenthümer Ersatz desjenigen fordern, was er für den Erwerb der Sache dem Veräußerer geleistet oder noch zu leisten hat (…)“. 26
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
redlich erworben werden konnten (§ 877). Zur Begründung weisen die Motive auf drei tragende Gesichtspunkte hin, und zwar (1.) die Sicherung des Verkehrs mit beweglichen Sachen, (2.) den Gleichlauf mit dem redlichen Immobiliarerwerb und schließlich (3.) die Parallele zum Handelsrecht30. Für diese Auffassung konnten sich die Kommissionsmitglieder auch auf das Votum des 15. Deutschen Juristentags 1880 in Leipzig stützen, der sich zuvor bereits mehrheitlich für die Übertragung der handelsrechtlichen Grundsätze auf das Bürgerliche Recht ausgesprochen hatte31. Ebenso wie bei der Verwirklichung des Publizitätsprinzips orientierte sich die 1. BGB-Kommission auch in Bezug auf den redlichen Mobiliarerwerb an den Regelungen des Grundstücksrechts32. Während im Liegenschaftsrecht das Grundbuch als Rechtsscheinträger fungiere, könne im Fahrnisrecht das Vertrauen des Erwerbers an der Innehabung und dem Besitz des Veräußerers anknüpfen. Außerdem könne sich der Eigentümer vor einem Eigentumsverlust wirksam schützen, indem er den Gegenstand nicht aus der Hand gebe. Umgekehrt sei der Erwerber jedenfalls nicht in der Lage, sich der Eigentümerstellung des Veräußerers mit hinreichender Gewissheit zu versichern. Und schließlich biete auch ein Lösungsrecht keinen ausreichenden Schutz vor einem Entzug der erworbenen Rechtsposition, so dass dieses Instrument auf Ausnahmen beschränkt bleiben müsse. Was nun die konkrete Ausgestaltung der Vorschriften anlangte, mussten die Kommissionsmitglieder einräumen, dass hier weitergehende Ausnahmen und Differenzierungen vonnöten waren als im Liegenschaftsrecht. Das betraf im Besonderen (1.) die Verwirklichung des hergebrachten Traditionserfordernisses33, (2.) die erhöhten Redlichkeitsanforderungen, für welche der Erwerber nach dem Willen der 1. Kommission auch noch beweispflichtig sein sollte34, und (3.) die Ausnahme für gestohlene und verlorene Sachen (einschließlich des besagten Lösungsrechts)35. b) Beratungen der 2. BGB-Kommission Trotz der am 1. Entwurf geübten Schrifttumskritik36 hielt die 2. BGB-Kommission einhellig an der Zulassung des redlichen Mobiliarerwerbs fest und verwies zur Begründung nochmals auf die Parallele zum Handelsrecht. Änderungen nahm die Kommission nur noch bei den einzelnen Voraussetzungen der Gutglaubensregeln vor: Erstens entlastete sie den Erwerber vom Nachweis seines guten Glaubens. Aus Verkehrsschutzgründen wurde die Bösgläubigkeit des Er30 31 32 33 34 35 36
Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344 f. Beschlüsse, Verhandlungen 15. DJT II, S. 82 ff., 329 ff. Zum Folgenden siehe Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 345 f. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 346 f. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 347 ff. Dazu zusf. Schubert, Entstehung, S. 157 ff.
II. Grundlagen: Rechtssystematik, Teleologie und Rechtsökonomik
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werbers zum Ausschlussgrund des Gutglaubenserwerbs37. Zweitens verlieh man dem redlichen Mobiliarerwerb unter Inanspruchnahme von Übergabesurrogaten schärfere Konturen38 und behandelte auch die Frage, ab welchem Zeitpunkt der böse Glaube dem Erwerber schade39. Drittens verabschiedete sich die Kommission vom Institut des Lösungsrechts, wie es für die Fälle des gescheiterten Gutglaubenserwerbs bei abhanden gekommenen Gegenständen vorgesehen war. In dieser Form wurde der redliche Mobiliarerwerb nach Maßgabe der §§ 932 ff. BGB Gesetz und gilt – abgesehen von geringfügigen Anpassungen an neuere Rechtsentwicklungen – heute unverändert fort.
II. Grundlagen: Rechtssystematik, Teleologie und Rechtsökonomik Im Zentrum der historischen Rechtfertigung des Gutglaubenserwerbs standen einmal mehr die praktischen Bedürfnisse des Wirtschafts- und Güterverkehrs, die zunächst den Handelsgesetzgeber und später auch die Väter des BGB dazu veranlassten, das römischrechtliche Nemo-plus-iuris-Prinzip zu überwinden und den Grundkonflikt zwischen dem Bestandsinteresse des wahren Berechtigten und den Erwerber- und Verkehrsinteressen zugunsten eines Erwerbs vom Nichtberechtigten aufzulösen40. Diese Wertung hat auf Grundlage der modernen Gutglaubenstatbestände de lege lata unvermindert Bestand. Allerdings gilt es zu erkennen, dass Verkehrs- und Erwerberinteressen kein automatischer Vorrang gegenüber dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten eingeräumt ist. Vielmehr erweisen sich die Gutglaubensvorschriften in ihrem jeweiligen gesetzlichen Gewand als Lösungsinstrumente für den aufgezeigten Grundkonflikt (1.). Im Rahmen eines beweglichen Systems sind die tangierten Interessen jeweils angemessen zu berücksichtigen. Allerdings sprechen die überindividuellen Gesichtspunkte der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsund Handelsverkehrs tendenziell für die grundsätzliche Zulassung des Gutglaubenserwerbs (2.). Bestätigt wird dieser Befund auf Grundlage einer ökonomischen Analyse des Nemo-plus-iuris-Prinzips sowie des Prinzips des Gutglaubenserwerbs (3.). Und schließlich bildet auch das Verfassungsrecht keine unüberwindliche Hürde für die Anerkennung des Gutglaubensprinzips (4.). In rechtssystematischer Hinsicht sind die Gutglaubenstatbestände auf dem Boden der Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz besonders anschaulich zu erklären (5.).
37 38 39 40
Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 207 f. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 208 ff. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210 f. Siehe zum Immobiliarsachenrecht: Motive zum BGB, Bd. 3, S. 209 f.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
1. Gutglaubenserwerb als Konfliktlösungsinstrument Trotz des klaren Bekenntnisses des historischen Gesetzgebers ist die rechtspolitische Legitimation des redlichen Erwerbers heute noch immer sehr umstritten. Überwiegend wird das Gutglaubensprinzip – im Anschluss an die Gesetzesmaterialien41 – unter Hinweis auf Verkehrsschutzgründe verteidigt42. In diesem Sinne ist der gutgläubige Erwerb als Gewährleistung des überindividuellen Interesses an der Leichtigkeit und Sicherheit des Rechts- und Handelsverkehrs zu interpretieren. Die Betonung des Verkehrsschutzprinzips darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die durch die Gutglaubensvorschriften getroffene Legislativentscheidung in erster Linie den handfesten Konflikt zwischen dem Bestandsinteresse des wahren Rechtsinhabers auf der einen Seite und den Verkehrsinteressen sowie dem Erwerbsinteresse des Gutgläubigen auf der anderen Seite aufzulösen bestimmt ist43. Dementsprechend mangelt es auch nicht an Stimmen, die das vorherrschende Verständnis des redlichen Erwerbs zum Teil scharf kritisieren44. Gegen die am Verkehrsschutz ansetzende Begründung wird eingewandt, nicht nur der Erwerber sei dem Verkehr zuzurechnen, sondern auch der wahre Berechtigte45. Soweit für die Bevorzugung des Erwerbers der Begriff des Verkehrsschutzes verwendet werde, sei dies zumindest missverständlich, da es in Wahrheit um den Ausgleich der konfligierenden Interessen des wahren Berechtigten und des Erwerbers gehe. Auch soweit auf den Gedanken des Umsatzschutzes abgestellt werde46, könne dies nicht überzeugen, da ein Erwerb vom Nichtberechtigten auch bei unentgeltlichen Verfügungen in Betracht komme, zudem der Ausschlusstatbestand des § 935 BGB entgegenstehe47 und die Zulassung des redlichen Erwerbs für Nicht-Kaufleute ohnehin zweifelhaft sei48. Diese Einwände sind in ihrer Gesamtheit ernst zu nehmen, vermögen im Ergebnis indes nicht durchzudringen. Beschränkt man die Betrachtung (zunächst) auf den zwischen Berechtigtem und Erwerber bestehenden Interessenkonflikt, ist es verfehlt, das Erhaltungsinteresse des wahren Berechtigten generell hinter 41
Siehe nochmals oben § 11 I. 6. Statt vieler Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 8 ff.; Heck, Sachenrecht, § 58; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 14 ff.; Karner, Mobiliarerwerb, S. 63 ff., 121 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 252 f.; Huwiler, FS Bader, S. 75, 86 ff. 43 Dazu und zum Folgenden bereits Lieder, AcP 210 (2010), 857, 860 f.; vgl. außerdem Fn. 54 sowie jüngst Stagl, AcP 211 (2011), 530, 536. 44 Exemplarisch v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119, 227; Rebe, AcP 173 (1973), 186, 200 ff.; Wiegand, JuS 1974, 201, 210; Wilburg, FS Baltl, S. 557, 563 f.; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 7 a; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 536 f. 45 So etwa Hübner, Rechtsverlust, S. 54 f.; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 536. 46 Vgl. etwa Meller-Hannich/Schilken, in: NK, BGB, § 932 Rn. 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1. 47 Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 7 a. 48 Stagl, AcP 211 (2011), 530, 537. 42
II. Grundlagen: Rechtssystematik, Teleologie und Rechtsökonomik
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das Erwerbsinteresse zurücktreten zu lassen. Keineswegs entbehrt es einer inneren Logik und vordergründig scheint es auch dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl zu entsprechen, dass dem materiellen Rechtsinhaber eine vermögenswerte Position nicht durch die Verfügung eines Nichtberechtigten entzogen werden kann49. Dass nur die Eigentümerstellung dazu berechtige, das Eigentum zu übertragen, nennt Harry Westermann ein Postulat der Gerechtigkeit50. Zuvor kritisierte schon Karl Binding51: „(D)as enthusiastische Lob, was so leichtherzig viefach dieser modernen Art der Rechtsberaubung gespendet wird, hat mich manchmal am Gerechtigkeitssinne, ganz besonders auch in Juristenkreisen, irre gemacht“.
Darüber hinaus gerät der Gutglaubenserwerb aber auch mit dem Einigungsprinzip in Konflikt, das voraussetzt, dass eine Rechtsposition nur dann vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht, wenn beide Parteien zugestimmt haben. Daran fehlt es indes hier, da der Nichtberechtigte der Rechtsübertragung seine Zustimmung gerade nicht erteilt hat. Das wiegt unter Geltung des Grundgesetzes umso schwerer, als der Entzug des Eigentumsrechts und anderer Vermögensrechte heute aufgrund der verfassungsrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und dem Prinzip der Rechtssicherheit52 einer besonderen Rechtfertigung bedarf53. Vor diesem Hintergrund kann man Walter Wilburg nur beipflichten, wenn er bemerkt54: „Der Interessenkonflikt, der hier entsteht, muß das juristische Temperament entzünden, soweit das Rechtsgefühl nicht durch eingefahrene Denkbahnen verschüttet ist.“
Das Bild konfligierender Interessen und Wertungen wird komplettiert, wenn man außerdem das Regressinteresse des wahren Berechtigten in die Betrachtung einbezieht. Zum einen ist von Bedeutung, wer das Insolvenzrisiko für das Aus-
49 Siehe nur Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn, 1; Weber, JuS 1999, 1; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 2; Karner, Mobiliarerwerb, S. 55 f.; Peters, Entzug, S. 25. 50 H. Westermann, JuS 1963, 1, 1 f.; vgl. auch Picker, AcP 188 (1988), 511, 548; Weber, JuS 1999, 1. 51 Binding, Ungerechtigkeit, S. 7; kritisch außerdem Wieacker, Wandlungen, S. 31 ff.; Böhmer, Grundlagen II/2, S. 28 ff.; Hübner, Rechtsverlust, S. 11 ff., 56 ff.; v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119 ff.; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 ff.; Giehl, AcP 161 (1962), 357 ff.; Rebe, AcP 173 (1973), 186 ff. 52 Dazu in diesem Zusammenhang Karner, Mobiliarerwerb, S. 55 f.; ausf. zum Verhältnis zwischen Verkehrsschutz und Rechtssicherheit schon Ehrenberg, JhJ 47 (1904), 273 ff., 279 ff.; zur Bedeutung der Rechtssicherheit als Optimierungsgebot bei Prinzipienkollisionen Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 331. 53 Zum Ganzen ausf. Peters, Entzug, S. 17 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 382 f.; Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 161 ff.; Omlor, Verkehrsschutz, S. 335 ff. 54 Wilburg, FS Baltl, S. 557; vgl. ferner Hübner, Rechtsverlust, S. 13: „Das lebendige Gefühl für den zwischen Eigentumserhaltung und Erwerberschutz bestehenden Interessenkonflikt, dessen Lösung im Bereich der dinglichen Zuordnungsfunktion zu den schwierigsten gerechnet werden muß, ist vielorts verschüttet, statt daß an diesem Brennpunkt die Spannung zwischen Gerechtigkeitsidee und Rechtsordnung immer wieder offenbar würde.“
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
bleiben von Regresszahlungen des Nichtberechtigten trägt55. Zum anderen sind Ansprüche zu berücksichtigen, die dem früheren Rechtsinhaber gegen pflichtwidrig handelnde Amtsträger bzw. deren Trägerkörperschaft zustehen56. Nach geltendem Recht trägt der frühere Rechtsinhaber das Risiko, vom Nichtberechtigten einen vermögensrechtlichen Ausgleich zu erlangen. Darüber hinaus kommen Amtshaftungsansprüche und sonstige Ansprüche aus Staatshaftung nur dort in Betracht, wo Amtsträger an der Verfügung beteiligt sind. Haftungsansprüche knüpfen daher regelmäßig nur an künstlich geschaffene Vertrauenstatbestände an, während sich etwa der redliche Mobiliarerwerb ohne hoheitliche Beteiligung vollzieht und eine Amtshaftung ausscheidet. Schuldrechtliche Regressansprüche des wahren Berechtigten können den durch Rechtsverlust erlittenen Vermögensschaden daher in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Einzelfalls abmildern; für eine umfassende Kompensation sind sie freilich ungeeignet.
2. Bedeutung des überindividuellen Verkehrsinteresses Die von den Kritikern in Stellung gebrachten Gerechtigkeitsbedenken sind ernst zu nehmen. Sie können aber gleichwohl nicht darüber hinwegtäuschen, dass einer materiell verstandenen Gerechtigkeit vor allem dann gedient ist, wenn im Interesse der Allgemeinheit ein sicherer und leichter Güterverkehr gewährleistet ist. Dieser Zusammenhang lässt sich bereits bei Immanuel Kant nachweisen, der den Grundgedanken des Gutglaubenserwerbs nach den Grundsätzen der austeilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva) rechtfertigte57: Lasse man nach den Grundsätzen der ausgleichenden (wörtlich: austauschenden58) Gerechtigkeit (iustitia commutativa) allein den Erwerb vom Berechtigten zu, könne sich der Erwerber niemals sicher sein, bestandskräftiges Eigentum zu erwerben. Aus diesem Grund müsse die distributive Gerechtigkeit sich bei der Lösung des Interessenkonflikts dahingehend auswirken, dass die durch das Rechtsgeschäft erlangte Position dem redlichen Erwerber gesichert werde. In der Konsequenz gelangte Kant zur Bestandskraft des redlichen Er55 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz, S. 2 f.; Karner, Mobiliarerwerb, S. 57; Stadler, JZ 2010, 380, 391 Fn. 148. 56 Dazu ausf. Lieder, AcP 210 (2010), 857, 876 f., 909 f.; siehe aus verfassungsrechtlicher Perspektive J. Hager, Verkehrsschutz, S. 86 f. 57 Kant, Rechtslehre, S. 146 ff.; zum Ganzen Huwiler, FS Bader, S. 75, 86 ff., insb. 88, der mit Recht darauf hinweist, dass eine Rechtfertigung des redlichen Erwerbs nach Gerechtigkeitsprinzipien ausscheiden müsse (S. 99). Allerdings kommt Kant eine Sonderstellung gegenüber der großen Mehrzahl bedeutender Naturrechtsler zu; dazu ausf. Hinz, Entwicklung, S. 100 ff.; zusf. Karner, Mobiliarerwerb, S. 2 f., 64. – Die von Aristoteles entwickelte Distinktion von iustitia commutativa und iustitia distributiva ist von Canaris, Bedeutung (1997), aufgegriffen worden, um Rechtsregeln und Wertungen des geltenden Rechts neu zu hinterfragen; zur Dogmen- und Rezeptionsgeschichte ausf. Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287 ff. 58 Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287.
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werbs und legte damit zugleich die Grundlage für die ordnungstheoretische Legitimation des Gutglaubensprinzips aus dem Gedanken des Verkehrsschutzes. Dieses Verkehrsinteresse beschränkt sich auch nicht in erster Linie auf das individuelle Interesse des konkreten Erwerbers, sondern fokussiert auf das überindividuelle Allgemeininteresse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Der durch die Anwendung der Gutglaubensvorschriften im Einzelfall begünstigte Erwerber fungiert in diesem Zusammenhang lediglich als Repräsentant des durch das Gutglaubensprinzip geschützten Rechtsverkehrs, ohne selbst primäres Schutzsubjekt der Gutglaubensvorschrift zu sein59. Vielmehr fungiert der einzelfallbezogene Schutz des Gutgläubigen nur als Mittel, durch welches die Leichtigkeit und Verlässlichkeit des Rechtsverkehrs gewährleistet wird60. Dass es den Vorschriften über den redlichen Erwerb nicht in erster Linie um den Schutz des individuellen Erwerbers geht, sondern um den überindividuellen Schutz des Rechts- und Handelsverkehrs, folgt schon aus dem Umstand, dass der Erwerber – mit der ganz h.M.61 – nicht nach Belieben auf die eingetretenen Gutglaubenswirkungen verzichten kann62. Es stehen sich hier demnach keine Individualinteressen gegenüber; auch sind es keine (unterschiedlichen) Verkehrsinteressen, die aufeinander prallen63. Der wahre Berechtigte ist an dem Verkehrsgeschäft nicht beteiligt; er kann daher auch keine Verkehrsinteressen für sich in Anspruch nehmen. Stattdessen stehen sich das Individualinteresse des wahren Berechtigten am Erhalt seiner Rechtsposition und das überindividuelle (Allgemein-)Interesse an der Sicherung des Rechtsverkehrs (Verkehrsinteresse) gegenüber64.
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Vgl. auch (zum Erbschein) J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 25; (für § 15 HGB) Lieder, JbJZ 2010, 121, 127; a.A. etwa Hübner, Rechtsverlust, S. 77. 60 Siehe (zum Erbschein) Eßlinger, Erbschein, S. 95; (für § 15 HGB) Lieder, JbJZ 2010, 121, 127. 61 Für das Grundbuch: OLG Frankfurt MDR 1985, 498; Augustin, in: RGRK, BGB, § 892 Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 231; Heck, Sachenrecht, § 44 III; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 728 m. Fn. 1300 f.; Chiusi, AcP 202 (2002), 494, 501 Fn. 23; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 181 f.; a.A. Altmeppen, Disponibilität, S. 232 ff.; für den redlichen Mobiliarerwerb: Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 113; Chiusi, AcP 202 (2002), 494, 499 ff., 514 f.; a.A. Altmeppen, Disponibilität, S. 294 ff.; für den Erbschein: S. Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 29; J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 2 a.E.; Muscheler, Jura 2009, 731, 736; a.A. Greiff, in: Planck, BGB, § 2366 Anm. IV 2; für § 16 Abs. 3 GmbHG: Altgen, Erwerb, S. 288 ff. Anders für die Rechtsscheinhaftung im Allgemeinen Altmeppen, Disponibilität. S. 317 und passim; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 519 f.; zutreffend differenzierend hingegen Chiusi, AcP 202 (2002), 494 ff. 62 Siehe unten § 11 IX. 1. 63 Dieser Gedanken klingt bereits in den Motiven zum BGB, Bd. 3, S. 344 an: „Dabei steht der in dem einen oder anderen Falle einen einzelnen Eigenthümer treffende Verlust in keinem Verhältnisse zu dem allen Eigenthümern aus der Befähigung zu einem den Erwerber sicherstellenden Veräußerungsakte erwachsenden Vortheile.“ 64 In diese Richtung auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 3; Wadle, JZ 1974, 689, 696; Karner, Mobiliarerwerb, S. 63 ff., 121 ff.; Huwiler, FS Bader, S. 75, 89, 99 f.
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Die Gutglaubensvorschriften vermitteln ihre Schutzwirkungen in Parallele zum Abstraktionsprinzip65, indem sie Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs abschneiden. Der Erwerber muss sich insbesondere nicht darum kümmern, ob der vorausgegangene Rechtserwerb seines Veräußerers wirksam vonstattenging. Ganz konkret wird der Erwerber von dem Aufwand entlastet, die Wirksamkeit aller vorausgegangenen Erwerbsvorgänge zu verifizieren66. Zudem wird er von dem Risiko entlastet, dass eine solche Überprüfung unmöglich ist oder zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Und schließlich bedeutet der Gutglaubenserwerb eine sinnvolle Ergänzung zu den Gewährleistungen des Abstraktionsprinzips, denn der Schutz des redlichen Erwerbers beschränkt sich nicht ausschließlich auf Wirksamkeitsmängel vorausgegangener Verpflichtungsgeschäfte, sondern erfasst sämtliche Unwirksamkeitsgründe, also auch solche auf Verfügungsebene67. Im Übrigen verhindert der redliche Erwerb eine Belastung des Rechtsverkehrs durch aufwendige Rückabwicklungsvorgänge. Das gilt insbesondere für Fallgestaltungen, in denen Gegenstände nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand herausgegeben werden können, sei es, weil ein Grundstück durch den Erwerber bebaut worden ist, sei es, weil eine bewegliche Sache wesentlich verändert wurde, sei es, weil eine GmbH, deren Anteile übertragen worden sind, grundlegend umstrukturiert worden ist. Der Gutglaubenserwerb sorgt dafür, dass es bei einer bestandskräftigen, dinglichen Rechtszuordnung bleibt und der Ausgleich sich allein auf obligatorischer Ebene vollzieht. Hiermit wird zugleich sichergestellt, dass die Beteiligten nicht mit Einwendungen aus Drittverhältnissen konfrontiert werden, ihnen aber die Einwendungen gegen ihren Vertragspartner erhalten bleiben; auch das Insolvenzrisiko trifft ausschließlich die jeweilige Gegenpartei68. Das entspricht dem Gedanken der Relativität des Schuldverhältnisses69.
3. Ökonomische Analyse des Gutglaubensprinzips Die Bedeutung des Gutglaubenserwerbs für die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs wird durch eine ökonomische Analyse unterstrichen70. Geht 65
Siehe oben § 7 II. Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 8 f.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1; Weber, JuS 1999, 1, 2; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 15; Meyer, Publizitätsprinzip, S. 84; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 228 f. 67 Zur Bedeutung von Trennungs- und Abstraktionsprinzip einerseits und Gutglaubenserwerb andererseits siehe oben § 7 II. 3. f). 68 Überzeugend unter Hinweis auf die bereicherungsrechtliche Literatur J. Hager, Verkehrsschutz, S. 229. 69 Zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit dem Abstraktionsprinzip m.w.Nachw. siehe oben § 7 II. 3. b). 70 Die wesentlichen Gedanken wurden in komprimierter Form bereits ausgebreitet bei Lieder, AcP 210 (2010), 857, 861 ff. 66
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man einmal mehr von der Erkenntnis aus, dass eine Reduzierung von Transaktionskosten zur effektiven Allokation knapper Ressourcen beiträgt, dann zielen die Gutglaubensvorschriften darauf ab, den Erwerber von Informations- und Streitbewältigungskosten zu entlasten und so den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand zu steigern. Vom Abstraktionsprinzip71 unterscheidet sich die ökonomische Analyse des Gutglaubenserwerbs indes dadurch, dass zusätzlich die Aufwendungen des wahren Berechtigten in die Betrachtung einzubeziehen sind, die jener in Form von Schutz- und Kontrollkosten für die Bestandssicherung seiner Vermögensrechte aufwenden muss. a) Nemo-plus-iuris-Prinzip Wer ein Vermögensrecht erwirbt, ist daran interessiert, dass ihm der Verfügungsgegenstand auf Dauer verbleibt und nicht im Nachhinein (durch den wahren Berechtigten) wieder entzogen werden kann. Dieses Erwerbsinteresse wird in Rechtsordnungen enttäuscht, die keinen redlichen Erwerb zulassen und stattdessen dem Nemo-plus-iuris-Prinzip folgen. In der Konsequenz kann der Eigentümer den Gegenstand vom potenziellen Erwerber herausverlangen, der seinerseits auf Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Nichtberechtigten verwiesen ist. Der Erwerber verliert also regelmäßig den Verfügungsgegenstand und trägt außerdem das Risiko der Uneinbringlichkeit ihm gegen den Veräußerer zustehender Ersatzansprüche, ohne dass ihm gegenüber dem wahren Berechtigten notwendig ein Zurückbehaltungsrecht zustünde. Will der Erwerber den nachträglichen Rechtsverlust verhindern, muss er Nachforschungsmaßnahmen ergreifen, um die materielle Berechtigung des Veräußerers zu verifizieren72. Bestehen auch keine Sonderregeln über die Ersitzung oder Verwirkung von Vermögensrechten, ist der Erwerber gezwungen, die Rechtswirksamkeit sämtlicher vorausgegangenen Übertragungsvorgänge zu überprüfen. Soweit sich solche Nachforschungen überhaupt bewerkstelligen lassen, sind sie typischerweise mit einem erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden. Das kann zu einer Kostenbelastung führen, die eine Durchführung der Transaktion für die Vertragsparteien wirtschaftlich sinnlos macht. Darüber hinaus erweist sich die Informationsverschaffung auch in dem Sinne als unproduktiv, dass die Kenntnisse über die Berechtigung des Veräußerers ausschließlich dem individuellen Erwerber zugutekommen, ohne indes die Nutzbarkeit oder Verwertbarkeit des Verfügungsgegenstandes zu steigern73 oder auch nur für zukünftige Erwerber von Vorteil zu sein. Jeder Erwerber muss die Prüfung für sich jeweils von neuem durchführen. Und selbst wenn der Erwerber die Nachforschungen mit großer Sorgfalt (und noch höherem Kos71
Siehe oben § 7 II. 3. c). Allg. M.: Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 611; Krimphove, ZfRV 1998, 185, 193; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 231; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 429. 73 Krimphove, Sachenrecht, S. 228 f. 72
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tenaufwand) durchführt, verbleibt stets ein Restrisiko, weil die Untersuchung im Einzelfall zum falschen Ergebnis führen oder ergeben kann, dass sich die Berechtigung des Veräußerers weder mit hinreichender Sicherheit verifizieren noch falsifizieren lässt. Risikoaverse Akteure werden die verbliebene Unsicherheit womöglich zum Anlass nehmen, eine nutzenmaximierende Transaktion von vornherein zu unterlassen. Aber auch Marktteilnehmer mit neutralem Risikoprofil werden die Transaktion aufgrund der hohen Kosten und des Verlustrisikos nicht durchführen, soweit die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Gesamtkosten den erwarteten Gewinn übersteigen. Aber auch wenn die Transaktion durchgeführt wird, werden den Erwerber berechtigte Zweifel an der Beständigkeit des Rechtserwerbs nicht selten von einer effizienten Nutzung des Verfügungsgegenstands abhalten74. Muss der Grundstückserwerber befürchten, das Eigentum im Nachhinein zu verlieren, wird er sich mit Investitionen, etwa in Form einer Bebauung oder Beleihung des Grundstücks, tendenziell zurückhalten. Solche Aufwendungen können sich im Nachhinein nicht nur als nutzlos erweisen, sondern im Einzelfall sogar Ersatzansprüche des wahren Berechtigten nach sich ziehen75. Darüber hinaus verhindert die Geltung des Nemo-plus-iuris-Prinzips auch den Eigentumserwerb potenzieller Dritterwerber: mit der Folge, dass der Verfügungsgegenstand den gesamtwirtschaftlichen Produktions- und Wirtschaftsabläufen dauerhaft entzogen wird76. Alle diese Faktoren beeinträchtigen unter Geltung des Nemo-plusiuris-Prinzips die Zirkulationsfähigkeit von Wirtschaftsgütern und verhindern, dass Vermögensrechte zu demjenigen gelangen, der aus ihnen den jeweils größten individuellen Nutzen ziehen kann. b) Prinzip des Gutglaubenserwerbs Hier setzen die Gutglaubensvorschriften an: Da sich der Erwerber auf die materielle Richtigkeit des Rechtsscheinträgers verlassen kann, wird er zum einen von den kostspieligen Nachforschungsmaßnahmen entbunden; in der Folge sinken die Informationskosten. Zum anderen braucht sich der Erwerber auch keine Gedanken darüber zu machen, wie riskant die Durchführung eines Erwerbsgeschäfts trotz sorgfältiger Prüfung ausfällt77. Stattdessen kann er sich durch Einsichtnahme im Grundbuch oder Handelsregister (Gesellschafterliste) auf einfache Weise Gewissheit über die Berechtigung des Veräußerers verschaffen. Die hierfür zu Buche schlagenden Informationskosten fallen im Vergleich zu den für eine Prüfung der bisherigen Erwerbsvorgänge anfallenden Nachforschungskosten kaum ins Gewicht. Zudem entscheidet der Erwerber selbst darüber, ob er solche Auskünfte überhaupt einziehen möchte, weil er ex lege nicht 74 75 76 77
Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 612. Dazu näher Krimphove, ZfRV 1998, 185, 192 f.; ders., Sachenrecht, S. 230. Krimphove, Sachenrecht, S. 230. Zum Vertrauensschutz im Allgemeinen Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 557 ff.
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gezwungen ist, den Rechtsscheinträger zur Kenntnis zu nehmen. In den Genuss der Gutglaubenswirkungen kommt er nach zutreffender Auffassung auch dann, wenn er von der Vertrauensgrundlage keine Kenntnis genommen hat. Zudem braucht zwischen dem Vertrauen auf die materielle Berechtigung des Veräußerers und dem konkreten Geschäftsabschluss auch kein Kausalzusammenhang zu bestehen78. Der Erwerber kann also selbst darüber befinden, ob er die Informationskosten auf sich nehmen oder lieber das Risiko mangelnder Berechtigung des Veräußerers eingehen will. Das alles senkt die Informationskosten des Erwerbers und verbilligt Transaktionen in ihrer Gesamtheit79, so dass unter Geltung eines angemessenen Gutglaubensregimes auch solche Umsatzgeschäfte durchgeführt werden, die unter Geltung des Nemo-plus-iuris-Prinzips an prohibitiv hohen Transaktionskosten gescheitert wären. Darüber hinaus wird sich der Erwerber auch deshalb tendenziell eher für die Durchführung der Transaktion entscheiden, weil er darauf vertrauen kann, dass ihm das erlangte Eigentum nicht im Nachhinein durch den früheren Berechtigten wieder entzogen wird. Besonders wertvoll ist der durch die Gutglaubensvorschriften vermittelte Schutz deshalb, weil nicht nur der unmittelbare Erwerber in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des erworbenen Vermögensrechts geschützt wird80. Am Gutglaubenserwerb partizipieren vielmehr sämtliche Verkehrsteilnehmer, die mit dem Erwerber in rechtlichen Verbindungen stehen, weil sie – ebenso wie der Erwerber – auf die Bestandskraft des Rechtserwerbs vertrauen dürfen. Müssen sie nicht befürchten, dass dem Erwerber der Verfügungsgegenstand im Nachhinein wieder entzogen wird, werden Dritte auch eher zu Investitionen bereit sein. Die gesteigerte Investitionsfreude trägt zur Erhaltung und wohlstandsmaximierenden Nutzung von Wirtschaftsgütern bei. Das Gutglaubensprinzip entfaltet seine positiven Schutzwirkungen nicht nur, wenn tatsächlich ein Nichtberechtigter über ein Vermögensrecht verfügt. Der Erwerber ist vielmehr bei sämtlichen Erwerbsvorgängen von kostspieligen Nachforschungs- und Sicherungsmaßnahmen befreit81. Denn er darf sich darauf verlassen, dass ihm der in gutem Glauben erworbene Verfügungsgegenstand nicht im Nachhinein wieder entzogen werden kann. Zudem liegt die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs letztlich auch im Interesse des wahren Eigentümers82. Vor allem risikoaverse Erwerber werden bei Zweifeln an der Eigentümerstel78
Dazu ausf. unten § 11 II. 5. und § 11 VI. 3. Vgl. (in einem anderen Zusammenhang) Shavell, Foundations, S. 47, 54. 80 Siehe etwa Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), 273, 289, der dem redlichen Erwerb ansonsten aber kritisch gegenüber steht und für ein Lösungsrecht des Eigentümers plädiert; zu Letzterem siehe oben § 11 I. 3. 81 Vgl. auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 236 f., 243. 82 Dazu und zum Folgenden J. Hager, Verkehrsschutz, S. 3, 80; Karner, Mobiliarerwerb, S. 64 f.; vgl. ferner Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344; v. Schweinitz, in: AK, BGB, §§ 892, 893 Rn. 3; Heck, Sachenrecht, § 29, 4b; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 236, 243; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 125; v. Hoffmann, Grundstückskauf, S. 36; aus der rechtsökonomischen Literatur Baird/ Jackson, J. Leg. Stud. 13 (1984), 299, 300. 79
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lung bzw. Verfügungsbefugnis das Geschäft nicht abschließen wollen. Da sich der potenzielle Erwerber ohne hinreichenden Nachweis der Berechtigung des Veräußerers auf die Transaktion nicht einlassen wird, hat der Berechtigte unter Geltung des Nemo-plus-iuris-Prinzips erhebliche Schwierigkeiten, potenzielle Erwerber von seiner materiellen Berechtigung zu überzeugen. Dieses Signalisierungsproblem (signaling problem) wird durch die Verlässlichkeit des Rechtsscheinträgers gelöst. Das Gutglaubensprinzip erspart dem Veräußerer diejenigen Kosten, die er andernfalls aufwenden müsste, um den Erwerber von seiner materiellen Berechtigung zu überzeugen. Darüber hinaus sind Gutglaubensvorschriften geeignet, nachvertragliche Streitbewältigungskosten zu senken. Gilt der Rechtsscheinträger in Ansehung der beteiligten Marktteilnehmer als materiell richtig, bleibt die tatsächliche materielle Berechtigung des Veräußerers in einem nachgelagerten Rechtsstreit von vornherein außer Betracht. Für die Zwecke des Prozesses ist die Richtigkeit des Rechtsscheinträgers über alle Zweifel erhaben, so dass hinsichtlich der veräußererseitigen Berechtigung insbesondere auch keine Beweise erhoben werden müssen, die vielfach mit besonders hohen Kosten verbunden sind, weil die zugrunde liegenden Sachverhalte regelmäßig weit in die Vergangenheit zurückreichen83. Dementsprechend werden Prozesse aufgrund der eindeutigen Beweislage entweder überhaupt nicht angestrengt oder sie können aufgrund der Gutglaubenswirkungen schnell und einfach entschieden werden. Insgesamt wird durch die Geltung des Gutglaubensprinzips der gerichtliche Nachweis- und Prüfungsaufwand nachhaltig vermindert und eine effektive Rechtsdurchsetzung erleichtert84. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass auch die Anwendung und Funktionsfähigkeit der Gutglaubensvorschriften mit Kosten verbunden ist. Man denke beispielsweise an die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb eines funktionsfähigen Grundbuchsystems85. Hinzu kommen noch die Kosten des wahren Berechtigten für Schutz- und Kontrollmaßnahmen86: Droht der Eigentümer seine Rechtsposition aufgrund redlichen Erwerbs zu verlieren, wird er Maßnahmen gegen einen solchen Rechtsverlust ergreifen. Zu diesem Zweck stehen dem Berechtigten in Abhängigkeit vom jeweiligen Rechtsscheinträger unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. So kann der Grundstückseigentümer in regelmäßigen Abständen das Grundbuch einsehen, um auszuschließen, dass er aufgrund der Fehleintragung eines Dritten durch redlichen Erwerb sein Grundstück verliert. Der Fahrniseigentümer kann den Rechtsverlust verhindern, indem er den guten Glauben potenzieller Erwerber durch Kennzeichnung seiner Habe zerstört oder überhaupt darauf verzichtet, bewegliche Sachen 83 Dazu (in Bezug auf die Ersitzung) ausf. Epstein, Wash. U. L. Q. 64 (1986), 668, 674 f.; siehe auch Walz, Systemdenken, S. 33. 84 Siehe (zum Abstraktionsprinzip) in diesem Sinne Krimphove, Sachenrecht, S. 169. 85 Siehe oben § 10 II. 3. c) aa) sowie exemplarisch Shavell, Foundations, S. 47; Baird/Jackson, J. Leg. Stud. 13 (1984), 299, 301. 86 Dazu und zum Folgenden Krimphove, Sachenrecht, S. 231.
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freiwillig an Dritten weiterzugeben. Typischerweise werden diese Schutz- und Kontrollkosten – namentlich bei qualitativ hochwertigen Rechtsscheinträgern (Grundbuch, Erbschein) – hinter den Transaktionskosten zurückbleiben, die in Ermangelung von Gutglaubensvorschriften anfallen würden. Nur wo Schutzund Kontrollkosten die durch den redlichen Erwerber indizierten Kostenersparnisse egalisieren oder überwiegen, muss ein Gutglaubenserwerb unterbleiben. Das betrifft den redlichen Mobiliar- und Anteilserwerb, deren materielle Richtigkeitsgewähr nicht durch ein amtliches Verfahren besonders abgesichert ist und deren Rechtswirksamkeit deshalb von einem zusätzlichen Zurechnungskriterium abhängt87.
4. Verfassungsrechtliche Grundlagen In der jüngeren Vergangenheit waren die Gutglaubensvorschriften – allen voran §§ 932 ff. BGB88 – vermehrt Gegenstand verfassungsrechtlicher Studien89. Ein Teil der Untersuchungen äußerte mit Blick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften90. Soweit er auf den Besitz des Veräußerers verzichte, wurde § 934 Alt. 2 BGB vereinzelt sogar als verfassungswidrig eingestuft91. Aber auch im Übrigen nötigten verfassungsrechtliche Wertungen zu weitgehenden Einschränkungen der in §§ 932 ff. BGB angeordneten Gutglaubenswirkung. Das gelte nicht nur für den unentgeltlichen Erwerb92, sondern auch für die Zulassung eines redlichen Erwerbs im Falle leicht fahrlässiger Unkenntnis des Erwerbers93. Soweit die Kritiker für ihre Überlegungen Art. 14 Abs. 3 GG in Anspruch nehmen94, kann dem schon aus verfassungsdogmatischen Gründen nicht gefolgt werden95. Bei den Gutglaubensvorschriften handelt es sich nämlich – mit der zutreffenden h.M.96 – um Inhalts- und Schrankenbestimmungen iSd. Art. 14 87 Zu den Legitimationssäulen der Gutglaubenstatbestände siehe unten § 11 III. 1. Zu den Zurechnungskriterien siehe unten § 11 VII. 2. 88 Zu § 16 Abs. 3 GmbHG siehe z.B. Omlor, Verkehrsschutz, S. 338 ff. 89 Lesenswerte Aufarbeitung des Materials bei J. Hager, FG BGH I, S. 777, 783 ff.; vgl. ferner mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand ders., Verkehrsschutz, S. 9 ff.; zur unionsrechtlichen Dimension des Gutglaubenserwerbs siehe v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 348 ff. 90 So insbesondere Peters, Entzug, S. 17 ff., 32, 34 ff. 91 Peters, Entzug, S. 149 m. Fn. 34. 92 Ebenso Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 241 f., 245. 93 Peters, Entzug, S. 43 ff., 77 f., 84 f. mit Ausnahmen für Rechtsgeschäfte unter Kaufleuten und in Ladengeschäften sowie für den redlichen Erwerb von Geld und Inhaberpapieren; vgl. noch v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 354 f. 94 So Peters, Entzug, S. 33 ff. 95 Ebenso J. Hager, FG BGH I, S. 777, 784 f. 96 Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 932 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 10 I 7 b; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 210 ff.; Wolf, JZ 1997, 1087, 1090; Altgen, Erwerb, S. 40; Omlor, Verkehrsschutz, S. 339 f.; Regenfus, Vorgaben, S. 182 ff., 647 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 382 f.; SchulzeOsterloh, Prinzip, S. 283; Wiersch, Erwerb, S. 50; vgl. auch BGHZ 53, 226, 234.
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Abs. 1 S. 2 GG97, die in ihrem Kern den Gemeinwohlbelangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zu dienen bestimmt sind98. Dieses Verkehrsinteresse ist Bestandteil des allgemeinen Verfassungsrechtsinstituts der Verkehrssicherheit, das als Teilgewährleistung der Rechtssicherheit im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert ist und damit ebenso wie die Eigentumsposition des wahren Berechtigten Verfassungsrang genießt99. Daneben ist außerdem das Erwerbsinteresse des Gutgläubigen zu berücksichtigen, das teilweise Art. 14 GG100, teilweise Art. 2 Abs. 1 GG101 zugeordnet wird102. Es ist in erster Linie die Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, den Konflikt der genannten Verfassungspositionen aufzulösen. Entgegen kritischer Stellungnahmen ist er keineswegs daran gehindert, den (überindividuellen) Verkehrsinteressen gegenüber dem (individuellen) Bestandsinteresse des wahren Berechtigten im Grundsatz den Vorrang einzuräumen103. Im Gegenteil: Das mit dem redlichen Erwerb verfolgte Ziel, die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs zu schützen, ist geeignet und erforderlich, den Rechtsverlust des wahren Berechtigten verfassungsrechtlich zu rechtfertigen; und im Übrigen steht auch der Rechtsverlust beim Berechtigten nicht völlig außer Verhältnis zum erstrebten Ziel eines effektiven Verkehrsschutzes104. Allerdings sind Verkehrsschutzerwägungen nicht nur zur Begründung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung notwendig, sie markieren zugleich die verfassungsrechtliche Grenze für die Zulässigkeit des redlichen Erwerbs105. Dementsprechend finden die Gutglaubensvorschriften grundsätzlich keine Anwendung, wenn sich der Erwerbsvorgang nicht auf rechtsgeschäftlicher Grundlage vollzieht. Nur das im Rechtsverkehr dem Veräußerer entgegengebrachte Vertrauen und die Funktionsfähigkeit der Güterzirkulation vermögen den Eingriff in die Rechtsposition des wahren Berechtigten zu rechtfertigen. Wo dies nicht der Fall ist, scheidet ein redlicher Erwerb dem Grunde nach aus106. Die nämlichen Überlegungen gelten gleichermaßen für die rechtsdogmatische Be97
Kritisch dazu J. Hager, Verkehrsschutz, S. 65 ff., 75 ff. Gegen eine Verfassungswidrigkeit der §§ 932 ff. BGB ausf. Regenfus, Vorgaben, S. 650 ff., 655 ff., 665; ferner Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 II 1 a; aus unionsrechtlicher Perspektive v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 352 f. 99 Zur verfassungsrechtlichen Seite siehe BVerfGE 7, 89, 92; speziell zur Verkehrssicherheit Scholz, Rechtssicherheit, S. 40 ff., 45; Leenen, in: Symposion Wieacker, S. 108, 110 f.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 131 ff.; Pieroth, Jura 2011, 729, 734; speziell zum redlichen Erwerb Lieder, AcP 210 (2010), 857, 859 f.; siehe ferner oben § 4 I. 4. 100 J. Hager, Verkehrsschutz, S. 48, 79 f.; ders., FG BGH I, S. 777, 784; Peters, Entzug, S. 40. 101 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 II 1 a m. Fn. 33. 102 Kritisch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 224 f. 103 Für §§ 932 ff. BGB: Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 215 ff., 226 ff.; im Ergebnis ebenso Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 917 a.E.; zu § 16 Abs. 3 GmbHG Omlor, Verkehrsschutz, S. 341 f. 104 Für §§ 932 ff. BGB: Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 234 ff.; Regenfus, Vorgaben, S. 655 ff.; a.A. für die vom Geschäftsführer geführte Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger des redlichen Erwerbs nach § 16 Abs. 3 GmbHG Omlor, Verkehrsschutz, S. 344 ff. 105 Omlor, Verkehrsschutz, S. 342. 106 Dazu im Einzelnen unten § 11 IV. 98
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gründung der Lehre vom Verkehrsgeschäft: Nur wenn der Erwerber wertungsmäßig aufseiten des Rechtsverkehrs steht, sind auch die verfassungsrechtlich besonders geschützten Verkehrsinteressen tangiert. Ist er hingegen rechtlich oder auch nur wirtschaftlich der Veräußererseite zuzurechnen, scheidet ein redlicher Erwerb aus107. Im Übrigen bestehen indes keine Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung der hier behandelten Gutglaubensvorschriften. Weder gibt es gegen den Redlichkeitsmaßstab etwas zu erinnern108, noch ist der Gesetzgeber zur Förderung des Rechtsverkehrs daran gehindert, den redlichen Erwerb gem. § 934 Alt. 2 BGB aus der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers herzuleiten und auf eine spezifische (veräußererseitige) Besitzposition zu verzichten109. Und schließlich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit des unentgeltlichen Gutglaubenserwerbs, zumal die Interessen des wahren Berechtigten durch einen gegen den Erwerber gerichteten Kondiktionsanspruch hinreichend geschützt sind110.
5. Gutglaubenserwerb als abstrakter Vertrauensschutz Ist mit der Gewährleistung des Verkehrsinteresses das maßgebliche Regelungsziel des Gutglaubensprinzips identifiziert, stellt sich im nächsten Schritt die Frage nach der rechtssystematischen Einordnung des verbürgten Verkehrsschutzes. In Abhängigkeit von der Intensität, mit welcher der Verkehrsschutzgedanken in Rechtsvorschriften und Grundsätzen verwirklicht ist, unterscheidet man drei Regelungstypen: Am stärksten verwirklicht wird das Regelungsziel der Sicherheit und Leichtigkeit im Rechts- und Handelsverkehr durch Vorschriften des absoluten Verkehrsschutzes. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass etwaige Transaktionshindernisse für die Wirksamkeit der Sukzession von vornherein unbeachtlich sind. Zu dieser Gruppe gehören namentlich die Unwirksamkeitsregel für rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen gem. § 137 S. 1 BGB111 sowie das Abstraktionsprinzip112. Die geringsten Schutzwirkungen vermitteln Vorschriften des konkreten Vertrauensschutzes, wie sie etwa in §§ 170 ff. BGB eine positivrechtliche Ausprägung erfahren haben. Aufbauend auf diese und andere Regeln hat Claus-Wilhelm Canaris in seiner viel beachteten Habilitationsschrift praeter legem das allgemeine Rechtsinstitut der Vertrauenshaftung nach Rechtsscheingrundsätzen 107
Siehe unten § 11 V. Siehe unten § 11 VI. 109 Siehe unten § 11 III. 4. d) bb). 110 Siehe unten § 11 VIII. und Regenfus, Vorgaben, S. 670 ff. 111 Siehe oben § 4 II. 7. Siehe zum Verhältnis des Gutglaubensschutzes zu § 137 S. 1 BGB näher Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 84 f. 112 Siehe oben § 7 II. 108
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entwickelt113. Konkreter Vertrauensschutz wird hiernach gewährleistet, wenn (1.) der objektive Rechtsschein zurechenbar veranlasst ist, (2.) der Geschützte konkrete Kenntnis vom Vertrauenstatbestand hat, (3.) aufgrund dieser Kenntnis das Rechtsgeschäft abschließt und (4.) sich bezüglich der wahren Sachlage in gutem Glauben befindet. Eine gleichsam vermittelnde Stellung nehmen Vorschriften des abstrakten Vertrauensschutzes ein114. Abstrakte unterscheiden sich von konkreten Vertrauensschutznormen, indem sie auch dann zur Anwendung gelangen, wenn der Geschützte kein konkretes, positiv-kausales Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Stattdessen genügt es, wenn eine wirksame Rechtsscheingrundlage vorliegt, an die das abstrakt-potenzielle Vertrauen des Gutgläubigen anknüpfen kann. Um in den Genuss abstrakten Vertrauensschutzes zu gelangen, muss der Begünstigte den Rechtsscheinträger folglich nicht zur Kenntnis genommen haben. Überhaupt braucht er sich bei Vertragsabschluss keine konkreten Vorstellungen über die wahre Rechtslage gemacht zu haben115. Nach der anderen Seite hin zum absoluten Verkehrsschutz grenzt sich der abstrakte Vertrauensschutz dadurch ab, dass Erwerbshindernisse nur überwunden werden können, wenn der Erwerber in Bezug auf die wahre Rechtslage gutgläubig ist, während das Redlichkeitserfordernis für Vorschriften des absoluten Verkehrsschutzes ohne Belang ist; man rufe sich nur die Diskussion über die Geltung des Abstraktionsprinzips gegenüber dem bösgläubigen Erwerber in Erinnerung116. In diesem Sinne sind die Vorschriften des Gutglaubensschutzes der Kategorie des abstrakten Vertrauensschutzes zuzuordnen. Einerseits setzen sämtliche Gutglaubenstatbestände die Gutgläubigkeit des Erwerbers voraus. Andererseits verlangen sie keinen kausalen Zusammenhang zwischen der konkreten Kenntnisnahme und dem Geschäftsabschluss. Positive Kenntnis vom Vorliegen eines tauglichen Rechtsscheinträgers ist nicht erforderlich. Stattdessen ist der redliche Erwerb bei Kenntnis der wahren Rechtslage ausgeschlossen. Die Bösgläubigkeit dient ausweislich der negativen Fassung von § 892 Abs. 1 S. 1 a.E., § 932 Abs. 1 S. 1 a.E. und Abs. 2, § 2366 a.E. BGB, § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG als Ausschlussgrund, gehört indes nicht zum konstituierenden Tatbestand des Gutglaubenserwerbs.
113
Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff.; ferner ders., Handelsrecht, § 6 Rn. 3 ff., 7 ff.; Schilken, AcP 187 (1987), 1, 4; zur Abgrenzung von Verkehrs- und Vertrauensschutz ausf. Omlor, Verkehrsschutz, S. 46 ff.; zur Interpretation des redlichen Erwerbs nach diesem Konzept siehe etwa Parodi, AcP 185 (1985), 362, 366 ff.; Wiegand, JuS 1978, 145 ff. sowie ausf. unten § 11 VI. 3. 114 Zur Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz im Handelsrecht in diesem Sinne bereits Lieder, JbJZ 2010, 121, 126; siehe ferner die Nachw. unten bei § 11 VI. 3. a). – Omlor, Verkehrsschutz, S. 42 f. spricht in diesem Zusammenhang von relativem Verkehrsschutz und lehnt die hier vorgeschlagene Abgrenzung zwischen konkretem und abstrakten Vertrauensschutz – zu Unrecht – ab. 115 Zum Ganzen im Einzelnen mit Nachw. unten § 11 VI. 3. a). 116 Siehe oben § 7 II. 3. f).
III. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage
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Weiterhin entspricht es der Abstraktheit des Vertrauensschutzes, dass die Gutglaubensvorschriften weniger auf den Schutz des konkreten Erwerbers abzielen als auf die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsund Handelsverkehrs117. Der Erwerber fungiert lediglich als Repräsentant des Rechtsverkehrs, ohne selbst primäres Schutzsubjekt der Rechtsscheintatbestände zu sein. Es geht gerade nicht um den Schutz des Erwerbers, der individuell auf den Rechtsscheinträger vertraut; sein Schutz ist lediglich das Mittel, mit dessen Hilfe Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit gewährleistet werden118.
III. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage Soweit der Gesetzgeber dazu berufen ist, den Konflikt zwischen dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten und dem Erwerbsinteresse des Gutgläubigen sowie dem Verkehrsinteresse zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, ist er gleichermaßen dazu berufen, eine taugliche Rechtsscheingrundlage zu entwerfen, an die das berechtigte Vertrauen des Erwerbers anknüpfen kann. Eines solchen Anknüpfungspunktes bedarf es schon deshalb, weil „blindes“ Vertrauen in aller Regel nicht schutzwürdig ist119. Es gilt: Ohne tauglichen und wirksamen120 Rechtsscheinträger kein redlicher Erwerb121!
1. Kategorien und Legitimationssäulen des Gutglaubenserwerbs Seit der grundlegenden Arbeit von Moritz Wellspacher über „Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte“ von 1906 werden gemeinhin zwei Kategorien von Vertrauenstatbeständen unterschieden122: zum einen natürliche Rechtsscheinträger, wie der Besitz oder Urkunden, zum anderen künstlich ge117
In diesem Sinne bereits (zu § 15 Abs. 1 HGB) Lieder, JbJZ 2010, 121, 127. Und dementsprechend auch Mittel zum Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs; so namentlich Hedinger, Publizitätsdenken, S. 44: „Der Rechtsverlust wird dem Berechtigten nicht deshalb zugemutet, weil der gutgläubige Dritte als überwiegend schutzwürdig erscheint; der wirkliche Grund liegt darin, dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Grundbuch gefördert werden soll, was nur dadurch geschehen kann, dass man im Einzelfall den Erwerb des gutgläubigen Dritten schützt. Der immobiliarsachenrechtliche Gutglaubenserwerb lässt sich somit als eine blosse Nebenwirkung der Forderung nach Publizität bezeichnen: das Individualinteresse wird hier dem allgemeinen Interesse an der Zuverlässigkeit des Grundbuchs geopfert.“ 119 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491; ebenso Lieder, AcP 210 (2010), 857, 858; vgl. noch Flume, AT II, § 42, 4 c; ders., AcP 161 (1962), 385, 395 ff., der zutreffend bemerkt, dass ein Vertrauen auf bloßes „Gerede“ nicht schutzwürdig ist. 120 Die Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger ist entwickelt bei Lieder, AcP 210 (2010), 857 ff. 121 So schon Lieder, AcP 210 (2010), 857, 858; zustimmend jetzt Kindler/Paulus, JuS 2013, 393, 395 f. 122 Wellspacher, Vertrauen, S. 1 ff., 22 ff., 58 ff. und passim. 118
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schaffene Rechtsscheinträger, wie das Grundbuch, der Erbschein oder die Gesellschafterliste. Beide Gruppen von Vertrauenstatbeständen dienen dem Allgemeininteresse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Die Marktteilnehmer, insbesondere Erwerber, sollen sich auf die materielle Richtigkeit der Vertrauensgrundlage verlassen können. Deshalb findet ein redlicher Erwerb auch dann statt, wenn der nach außen erzeugte Rechtsschein ausnahmsweise von der wahren Rechtslage abweicht. Gehört das im Grundbuch vermerkte Grundstück nicht dem Veräußerer, sondern einem Drittberechtigten, dann erwirbt der Gutgläubige kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs das Eigentum am übertragenen Grundstück. Der Gutglaubenserwerb ist im Hinblick auf das überindividuelle Interesse des Rechtsverkehrs dem Grunde nach gerechtfertigt (erste Legitimationssäule)123. Hinzu kommt für künstliche Rechtsscheinträger, wie das Grundbuch, allerdings noch ein weiterer zentraler Aspekt, der hier als zweite Legitimationssäule des Gutglaubenserwerbs bezeichnet wird. Die Abwägung der konfligierenden Interessen geht beim redlichen Erwerb aufgrund künstlicher Vertrauenstatbestände auch deshalb zugunsten des Verkehrsinteresses aus, weil sich die Rechtsscheingrundlage durch eine besondere Richtigkeitsgewähr auszeichnet; die Wahrscheinlichkeit, dass die durch den Rechtsscheinträger ausgewiesene Rechtslage mit der wahren Rechtslage nicht übereinstimmt, ist aufgrund hoheitlicher Verfahren (Grundbuchverfahren, Erbscheinverfahren) auf ein Minimum reduziert124. Dementsprechend ist auch die Gefahr, dass der wahre Berechtigte seines Vermögensrechts aufgrund redlichen Erwerbs verlustig geht, ebenfalls auf ein Minimum reduziert. Die durch hoheitliche Verfahren bewirkte materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit bildet demnach die zweite Legitimationssäule künstlich geschaffener Rechtsscheinträger. Für natürliche Rechtsscheinträger sind vergleichbare hoheitliche Verfahren nicht vorgesehen. Dementsprechend besteht für sie auch keine besondere Richtigkeitsgewähr, die einen Rechtsverlust beim wahren Berechtigten rechtfertigen könnte. Natürliche Rechtsscheinträger knüpfen stattdessen an äußere Erklärungszeichen an, die vorrechtliche Züge tragen. Namentlich für die Anknüpfung des redlichen Mobiliarerwerbs an den Besitz des Veräußerers bestehen heute mit Blick auf die existenzielle Krise des Traditionsprinzips125 gewichtige Bedenken. Vermag die Richtigkeitsgewähr des Rechtsscheinträgers den redlichen Mobiliarerwerb nicht zu stützen, bedarf es ergänzender Voraussetzungen für den Rechtsverlust des wahren Berechtigten. Diese zweite Legitimationssäule natürlicher Rechtsscheinträger bildet das Zurechnungsprinzip. Dementsprechend kommt der redliche Mobiliarerwerb grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Eigentümer die Sache freiwillig an einen Dritten weitergegeben hat 123
Siehe nochmals oben § 11 II. Dazu im Einzelnen ausf. Lieder, AcP 210 (2010), 857 ff., 869 ff., 884 ff., 894 f., 902 ff., 911; vgl. noch Kindler/Paulus, JuS 2013, 393, 395 f. 125 Siehe oben § 10 III. 124
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(§ 935 Abs. 1 BGB). Erst das Zusammenspiel der Verkehrsschutzerwägungen mit dem Zurechnungsprinzip vermögen den redlichen Mobiliarerwerb zu rechtfertigen. Ein funktionell vergleichbares Zurechnungselement prägt den redlichen Anteilserwerb (§ 16 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 GmbHG). Zwar handelt es sich bei der zum Handelsregister einzureichenden Gesellschafterliste um einen künstlich geschaffenen Rechtsscheinträger. Indes ist die materielle Richtigkeit der Listeneintragungen nicht wie bei Grundbuch oder Erbschein durch ein amtliches Verfahren abgesichert. Die niedrigere Verlässlichkeit des Rechtsscheinträgers ist daher durch ein partielles Zurechnungskriterium kompensiert worden. Die rechtspolitische Sinnhaftigkeit dieser Kompromisslösung ist durchaus zweifelhaft126. Mit der Legitimation des Gutglaubenserwerbs untrennbar verbunden ist die begrenzte Reichweite der Vertrauenstatbestände: Die Legitimationswirkung sämtlicher Rechtsscheinträger zielt nach ihrer Ausgestaltung und Funktion ausschließlich darauf ab, die fehlende Rechtszuständigkeit des Veräußerers zu überwinden127. Man mag in diesem Zusammenhang vom „Prinzipe der Kongruenz des Vertrauensschutzes“ sprechen128. Dementsprechend signalisiert der Besitz einer Person nach tradierter Auffassung, dass die Person Eigentümerin der Sache ist (vgl. § 1006 BGB). Aus dem äußeren Merkmal der tatsächlichen Sachherrschaft wird also auf das Eigentum als rechtliches Zuordnungsverhältnis zwischen Person und Sache geschlossen. Hierauf beschränkt sich im Umkehrschluss auch der funktionale Anwendungsbereich der Gutglaubensvorschrift: Der gute Glaube des Erwerbers muss sich folglich auf die Rechtszuständigkeit des Veräußerers beziehen. Das Vertrauen auf die Rechts- oder Geschäftsfähigkeit des Veräußerers ist ebenso wenig geschützt wie das Vertrauen auf die Abwesenheit anderweitiger Wirksamkeitsmängel des Verfügungsgeschäfts129. Denn die Gutglaubenstatbestände treffen nach Funktion und Ausgestaltung gerade keine rechtlich relevante Aussage über andere Wirksamkeitshindernisse als die fehlende Rechtszuständigkeit des Veräußerers. Dementsprechend schützt der öffentliche Glaube des Erbscheins gem. § 2366 BGB ausschließlich das Vertrauen auf die Erbenstellung des durch Erbschein Legitimierten, nicht aber auch das Vertrauen auf die Nachlasseigenschaft des Verfügungsgegenstands130. Denn aus dem Erbschein ist nur die Person des Erben er126
Zur Kritik im Einzelnen siehe unten § 11 III. 5. und § 11 VII. 3. Dazu und zum Folgenden auch Wiegand, JuS 1978, 145, 147. 128 Wellspacher, Vertrauen, S. 52. 129 RGZ 120, 170, 174; BGH NJW 1977, 622, 623; 1988, 3260, 3261; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 127; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 34; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 3; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 10 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 39; Schreiber/Burbulla, Jura 1999, 150; v. Tuhr, ZfranzR 30 (1899), 527, 543; Altgen, Erwerb, S. 232; a.A. (für § 16 Abs. 3 GmbHG) D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 419 f. 130 Weidlich, in: Palandt, BGB, § 2366 Rn. 1; Kregel, in: RGRK, BGB, § 2366 Rn. 3; J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 3; S. Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 23; Schlüter, in: 127
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sichtlich und auch das Erteilungsverfahren zielt ausschließlich auf die Ermittlung der wahren Erben ab, während die Zugehörigkeit von Gegenständen zum Nachlass weder im Verfahren eine Rolle spielt noch im Erbschein auftaucht. Folglich ist auch die Zugehörigkeit einer bestimmten Sache zum Nachlass vom öffentlichen Glauben des Erbscheins nicht erfasst.
2. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs Seitdem Pfand- und Grundbücher in den deutschen Partikularstaaten des 18. und 19. Jahrhunderts geführt wurden131, entfalteten sie überwiegend öffentlichen Glauben132. Heute können Grundstücksrechte gem. § 892 BGB redlich erworben werden, wenn sich der Erwerber in Ansehung des im Grundbuch unzutreffend eingetragenen Rechts nur in gutem Glauben befindet. Zur Begründung machte sich Reinhold Johow die Überlegungen Ferdinand Regelsbergers zu eigen und benannte als Zweck des öffentlichen Glaubens, „das berechtigte Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit des (Buchs) zu schützen und die Nachtheile abzuwenden, welche aus einer Täuschung durch dieses öffentliche Buch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen erwachsen würden“133. Kurzum: „Der Schutz des Vertrauens auf das Grundbuch ist die wichtigste Garantie für die Sicherheit des liegenschaftlichen Rechtsverkehrs“134. Um dieses Regelungsziel zu erreichen, und den Grundstücksverkehr „auf eine feste und sichere Grundlage zu stellen“, muss – mit den Worten der Motive zum BGB135 – auch die „Reinheit“ des Grundbuchs „als (…) Erkenntnisquelle der Rechte am Grund und Boden“, d.h., die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs, gewährleistet sein. Diese Gewährleistung beruht auf der hinter dem Grundbuch verborgenen staatlichen Autorität und das die Richtigkeit der Eintragung sichernde hoheitliche Eintragungsverfahren136, das maß131 Erman, BGB, § 2366 Rn. 6; Zimmermann, in: Soergel, BGB, § 2366 Rn. 2; Kipp/Coing, Erbrecht, § 103 II 4; Leipold, Erbrecht, Rn. 658; Bartholomeyczik, 5. Denkschrift, S. 263; Lieder, Jura 2010, 801, 803; Muscheler, Jura 2009, 329, 332; ders., Jura 2009, 731, 738. 131 Zur Historie des Eintragungsprinzips siehe oben § 10 II 1. 132 Dazu Schubert, Entstehung, S. 109, 139 f. 133 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 358 unter Hinweis auf Regelsberger, Hypothekenrecht, §§ 33 ff., Zitat auf S. 152 f. 134 So Locher, Neugestaltung, S. 105; im Original durch Sperrung hervorgehoben. 135 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 208; ebenso bereits Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 306. 136 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 876: „Das Grundbuch ist mit allen erdenkbaren Garantien einer zuverlässigen Anlegung und Fortführung ausgestattet, durch strenge Formvorschriften wird dahin gewirkt, Eintragungen nur mit Bewilligung des hierzu Berechtigten geschehen zu lassen, das Grundbuch verdient daher in hohem Maße das Vertrauen, daß sein Inhalt den wahren Rechtszustand wiedergebe“. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 208: „Eine gewisse Bürgschaft für die Uebereinstimmung des Buchinhaltes mit der wirklichen Rechtslage leistet das Gesetz dadurch, daß es Einrichtungen und Vorkehrungen trifft, welche eine sorgfältige Führung der Bücher ermöglichen, und die Eintragungen von einer eingehenden Prüfung der Buchbehörde abhängig macht“; ebenso Johow, aaO., S. 306. Vgl. dazu schon Lieder, AcP 210 (2010), 857, 870.
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geblich durch die Prinzipien des formellen Grundbuchrechts abgesichert ist. Zu nennen sind hier stichpunktartig: – – – – –
Antrags- und Bewilligungsgrundsatz (§§ 13, 19 GBO), Einigungsgrundsatz (§ 20 GBO), Nachweiserfordernis (§ 29 GBO), Voreintragungsgrundsatz (§ 39 GBO) und Amtslöschungsbefugnis (§ 53 GBO).
Die Prinzipien des formellen Grundbuchrechts bilden das Fundament für den öffentlichen Glauben des Grundbuchs und sind Anknüpfungspunkt für dessen Eigenschaft als Rechtsscheinträger. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dass die Grundbücher von staatlichen Stellen geführt werden, die mit dieser Aufgabe eine besondere Gewähr für die materielle Richtigkeit des Grundbuchs übernehmen, so dass Eintragungsfehler auf ein absolutes Minimum reduziert sind137. Neben dem hoheitlichen Eintragungsverfahren verbürgt die Beteiligung des Notars eine besondere Richtigkeitsgewähr liegenschaftsrechtlicher Erwerbsvorgänge. Die den Beteiligten im Rahmen der Immobiliarübereignung zuteilwerdende Beratung und Prüfung zielt darauf ab, die Identität der Vertragsparteien rechtssicher festzustellen und Mängel der Geschäftsfähigkeit auszuschließen. Aus dem angelsächsischen Ausland bekannte Identitätstäuschungen und Urkundenfälschungen138 finden im deutschen Liegenschaftsrecht aufgrund notarieller Mitwirkung keine Entsprechung. Eine materielle Unrichtigkeit des Grundbuchs ist nach alldem nur dann zu befürchten, wenn sich Transaktionen außerhalb des Grundbuchs vollziehen, in deren Folge das Register unrichtig wird und entsprechend berichtigt werden muss, oder in den seltenen Fällen einer unwirksamen dinglichen Einigung139. Aber selbst wenn es ausnahmsweise zu einer fehlerhaften Grundbucheintragung kommt, die einen redlichen Erwerb nach sich zieht, ist das Regressinte137 Vgl. schon Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 876: „Daß der als Eigenthümer Eingetragene nicht Eigenthümer ist, wird voraussichtlich nur selten vorkommen, und noch viel seltener wird es sein, daß der eingetragene Nichteigenthümer, ehe der Eigenthümer zur Wahrung seiner Rechte eine Vormerkung zu erwirken sich veranlaßt findet, das Grundstück an einen mit den Verhältnissen unbekannten Dritten veräußert, und dessen Eintragung im Grundbuche herbeigeführt wird.“ Motive zum BGB, Bd. 3, S. 139: „Die Verallgemeinerung des Eintragungsprinzipes in dem Entwurf berechtigt ohnehin zu der Erwartung, daß Fälle, in welchen der Inhalt des Grundbuches von der wirklichen Rechtslage abweicht, in Zukunft nicht gerade häufig vorkommen werden“. Anders aber die Auffassung der Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 79, die aber in Ansehung der modernen Grundbuchpraxis – zumindest heute – als unzutreffend erscheinen muss: „Unrichtigkeiten im Grundbuche seien gar nicht selten und könnten ohne irgendwelches Verschulden des Berechtigten durch falsche Legitimation, Namensverwechslung und dergl. entstehen“. Siehe aus dem modernen Schrifttum zur Qualität des Grundbuchverfahrens: Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 7; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 23 Rn. 5; Füller, Sachenrecht, S. 265; Wiersch, Erwerb, S. 19 ff. 138 Zum Ganzen ausf. Franzmann, MittBayNot 2009, 346, 350 f.; vgl. weiter Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 527 ff. 139 Ebenso Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 508.
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resse des wahren Berechtigten regelmäßig dadurch effektiv geschützt, dass er nicht nur einen Bereicherungsanspruch gegen den verfügenden Nichtberechtigten geltend machen kann, sondern ihm typischerweise auch ein Regressanspruch gegen den Staat nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG zusteht140. In rechtstechnischer Hinsicht wird der Zusammenhang zwischen hoheitlichem Eintragungsverfahren und materieller Richtigkeit des Grundbuchs durch das Eintragungsprinzip sichergestellt: Ist die Grundbucheintragung nämlich konstitutive Voraussetzung für den Rechtserwerb an Grundstücken (vgl. § 873 Abs. 1 BGB), dann hat der Erwerber einen signifikanten wirtschaftlichen Anreiz, für eine sofortige ordnungsgemäße Eintragung zu sorgen141. Durch die Herbeiführung der Grundbucheintragung sichert der Erwerber nicht nur seine materielle Rechtsposition als Grundstückseigentümer, sondern verhindert auch drittgerichtete Verfügungen des Veräußerers. Neben der konstitutiven Wirkung der Grundbucheintragung sorgt auch die Geltung des Abstraktionsprinzips im Immobiliarsachenrecht dafür, dass Wirksamkeitsmängel des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts typischerweise nicht auf die dingliche Verfügungsebene durchschlagen und das Vollzugsgeschäft nur sehr selten mit einem Wirksamkeitsmangel behaftet ist, der trotz wirksamer Eintragung den Erwerb von Grundstücksrechten scheitern lassen und das Grundbuch unrichtig machen könnte142. Beachtlich sind demnach ausschließlich Wirksamkeitsmängel, die sich unmittelbar auf die dingliche Einigung beziehen, was angesichts der Fokussierung auf den sukzessionsrechtlichen Mindestkonsens ohnehin weniger häufig vorkommen dürfte als Wirksamkeitsmängel des obligatorischen Kausalgeschäfts. Aus der besonderen Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs erklären sich schließlich die strukturellen Besonderheiten des immobiliarsachenrechtlichen Gutglaubenstatbestands: Zum einen bedingt die Verlässlichkeit des Grundstücks die vergleichsweise niedrigen Redlichkeitsanforderungen des § 892 Abs. 1 S. 1 BGB: nur positive Kenntnis schadet143. Zum anderen kann infolge dessen auf ein institutionalisiertes Zurechnungskriterium verzichtet werden: es gilt das reine Rechtsscheinprinzip144.145
140 Zu Haftungsfragen näher Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 273; Demharter, GBO, § 53 Rn. 2. 141 Dazu bereits oben § 10 II. 3. c) bb). 142 Dazu Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 508 f. – Zum Abstraktionsprinzip siehe oben § 7 II. 3. f). 143 Dazu ausf. unten § 11 VI. 4. a). 144 Dazu näher unten § 11 VII. 1. 145 Distanziert Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 9; vgl. auch Lutter, AcP 164 (1964), 122, 125, der von einer „fast grob wirkenden Lösung“ spricht.
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3. Öffentlicher Glaube des Erbscheins Auch der öffentliche Glaube des Erbscheins basiert auf den beiden zentralen Legitimationssäulen des Verkehrsschutzes und der materiellen Richtigkeitsgewähr aufgrund eines hoheitlichen Verfahrens146. Was für den öffentlichen Glauben des Grundbuchs das amtliche Eintragungsverfahren, ist für den Erbschein das mit staatlicher Autorität ausgestattete Erbscheinverfahren147. Das Erbscheinverfahren ist gekennzeichnet durch das Amtsermittlungsprinzip gem. § 2358 BGB und die strengen Erteilungsvoraussetzungen des § 2359 BGB, wonach die Erbenstellung des Anwärters zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen muss, sowie weitreichende Beschwerdemöglichkeiten148. Darüber hinaus ist das Nachlassgericht auch nach Erteilung des Erbscheins gem. § 2361 Abs. 3 BGB von Amts wegen berechtigt, ergänzende Ermittlungen über die Richtigkeit des einmal erteilten Erbscheins anzustellen und den als unrichtig erkannten Rechtsscheinträger für kraftlos zu erklären, und zwar auch gegen den Willen des im Erbschein Legitimierten. Freilich darf man sich in diesem Zusammenhang nicht der Erkenntnis verschließen, dass Einziehungsverfahren durchaus ihre Zeit brauchen; in der Schwebephase ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass ein Nichtberechtigter über Nachlassgegenstände verfügt. Um allerdings den Nachlass während des schwebenden Einziehungsverfahrens nicht extra commercium zu setzen und außerdem das berechtigte Erwerbervertrauen nicht vollständig zu enttäuschen, wird man der gesetzlichen Regelung folgen und dem Verkehrsinteresse auch in diesem Zusammenhang den Vorrang gegenüber dem Bestandsinteresse des wahren Erben einräumen müssen149. Das Erbscheinverfahren verbürgt die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit des Erbscheins150, der seinerseits als Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb von Nachlassgegenständen fungiert. Der redliche Erwerb vom (Erbschein-)Scheinerben151 wird nur deshalb ausnahmsweise zugelassen, weil die Wahrscheinlichkeit der Fehlerhaftigkeit des Erbscheins bei Einhaltung des nachlassgerichtlichen Verfahrens sehr gering ausfällt152. Daher ist es gerechtfertigt, den Erwerber im seltenen Unrichtigkeitsfall in seinem Vertrauen auf den 146
Zum Ganzen bereits ausf. Lieder, AcP 210 (2010), 857, 894 f. Zum Verfahren im Details siehe nur J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2353 Rn. 45 ff.; Kuchinke, Jura 1981, 281, 283 f.; Muscheler, Jura 2009, 567 ff. 148 Grundlegend Bartholomeyczik, 5. Denkschrift, S. 264 ff. in Auseinandersetzung mit Endemann, Erbrecht, § 143 II; gegen Letzteren Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 39 VII 1 Fn. 222; vgl. weiter Motive zum BGB, Bd. 5, S. 563; BGHZ 47, 58, 63 ff.; Muscheler, Jura 2009, 329, 333. 149 Bedenkenswert ist aber jedenfalls der Vorschlag von Muscheler, Jura 2009, 329, 334, der sich für ein beschleunigtes Hemmungsverfahren nach Erbscheinerteilung in Anlehnung an den grundbuchrechtlichen Widerspruch ausspricht. 150 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 569: „Endlich kann nicht wohl von Fahrlässigkeit die Rede sein, wenn der Dritte sich ohne weitere Nachforschung auf den Erbschein verläßt, nachdem dieser in einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren von dem Nachlaßgerichte ertheilt ist“. 151 Sprachlich verkürzt wird der „Erbschein-Scheinerbe“ im Folgenden kurz als Scheinerbe bezeichnet. 152 So die Einschätzung von Bartholomeyczik, 5. Denkschrift, S. 266. 147
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Inhalt des Erbscheins zu schützen. In Parallele zum Liegenschaftsrecht wird der wahre Berechtigte hier wiederum nicht schutzlos gestellt, weil ihm bei fehlerhafter Durchführung des Erbscheinverfahrens liquide Amtshaftungsansprüche gegen den Staat zustehen. Die besondere Richtigkeitsgewähr des Erbscheins bildet denn auch die Grundlage für das verhältnismäßig geringe Redlichkeitserfordernis: nur positive Kenntnis schadet153, und für das Fehlen eines besonderen Zurechnungselements: auch hier gilt das reine Rechtsscheinprinzip154. Die Zulassung des Gutglaubenserwerbs im Erbrecht beruht auf den Besonderheiten des Erbfalls und steht in untrennbarer Verbindung mit den maßgeblichen Funktionen des Erbscheins, der seinerseits dem Nachweis des Erbrechts im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs dient155. Mit dem Tod des Erblassers geht der Nachlass kraft Universalsukzession und Vonselbsterwerb als Ganzes auf die Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Dieser Rechtsübergang ist ausschließlich an den Eintritt des Erbfalls geknüpft und in der Praxis typischerweise unzweifelhaft. Schwierigkeiten bereitet indes vielfach die Frage, wer Erbe geworden ist156. Die hiermit verbundene Rechtsunsicherheit beeinträchtigt den Rechtsverkehr, weil potenzielle Erwerber ein berechtigtes Interesse daran haben, erworbene Nachlassgegenstände dauerhaft zu behalten und nicht im Nachhinein wieder an den wahren Erben herausgeben zu müssen. Diese Rechtsunsicherheit beseitigt der Erbschein mittels seiner Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen gem. §§ 2365 ff. BGB157. War der Veräußerer im Erbschein als Erbe ausgewiesen, ist der Erwerber in seinem Vertrauen an dessen Erbenstellung geschützt158. Auch wenn der Erbschein fehlerhaft war, ist der Erwerber folglich nicht verpflichtet, den erworbenen Nachlassgegenstand im Nachhinein an den wahren Erben herauszugeben.
4. Redlicher Mobiliarerwerb Soweit das Gesetz nicht an einen künstlich geschaffenen, sondern einen natürlichen Rechtsscheinträger anknüpft, liegt dem die typisierende Überlegung zugrunde, dass aus dem Vorliegen eines äußeren Merkmals auf die Rechtsinhaberschaft des Veräußerers geschlossen werden kann159. In diesem Sinne knüpfen §§ 932 ff. BGB nach tradierter Auffassung an die Verkehrsanschauung an, dass der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft auch Eigentümer des Verfügungsgegenstandes ist. Tatsächlich wird allerdings die Tauglichkeit des Besitzes als 153
Dazu ausf. unten § 11 VI. 4. a). Siehe unten § 11 VII. 1. 155 Vgl. Bartholomeyczik, 5. Denkschrift, S. 249 f.; J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 1 f.; S. Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 1; Leipold, Erbrecht, Rn. 642. 156 J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2353 Rn. 1. 157 Vgl. etwa Muscheler, Jura 2009, 329, 332. 158 Siehe schon Lieder, Jura 2010, 801; dens., JbJZ 2010, 121, 142. 159 Klassisch Wiegand, JuS 1978, 145, 146. 154
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natürlicher Rechtsscheinträger des redlichen Mobiliarerwerbs seit geraumer Zeit in Zweifel gezogen. Die existenzielle Krise des Traditionsprinzips, die publizitätslosen Übereignungsformen und das rechtstatsächliche Ausmaß von Sicherungs- und Vorbehaltseigentum sowie anderer fiduziarischer und treuhänderischer Rechtsübertragungen in der Wirtschaftspraxis160 lassen die Tauglichkeit des Sachbesitzes als tragfähige Rechtsscheingrundlage in einem schlechten Licht erscheinen. Vor diesem Hintergrund mag man die Tatbestände des redlichen Mobiliarerwerbs kritisieren. Indes mangelt es für eine grundlegende Neukonzeption an tauglichen Alternativen161. Es ist daher gleichsam innerhalb des bestehenden Regelungssystems auf der Grundlage der lex lata nach Mitteln und Wegen zu suchen, §§ 932 ff. in rechtsdogmatischer Hinsicht schärfer zu konturieren und an die veränderten Rahmendaten der Sachenrechtspraxis anzupassen. a) Besitz als natürlicher Rechtsscheinträger Dass bewegliche Sachen ebenso wie Grundstücke im Interesse des Verkehrsschutzes und der Verkehrssicherheit gutgläubig erworben werden können, ist eine Errungenschaft des ausklingenden 19. Jahrhunderts, die sich – in rechtspolitischer und rechtsökonomischer Hinsicht162 – dem Grunde nach auch heute noch als zutreffend erweist. Der historische BGB-Gesetzgeber entschied sich für die Anknüpfung des redlichen Mobiliarerwerbs an die tatsächliche Sachherrschaft, da Eigentum und Besitz im damaligen Wirtschaftsverkehr typischerweise zusammenfielen und weil die Anknüpfung an das (natürliche) Erklärungszeichen „Besitz“ mit niedrigen Transaktionskosten verbunden ist163. Überhaupt sind natürliche Rechtscheinträger regelmäßig mit niedrigen Kosten verbunden, weil für sie keine Kosten für die Schaffung und Anwendung künstlicher Rechtsscheinträger anfallen. Schon im Hinblick auf die hohe Umsatzfrequenz beweglicher Sachen scheidet die Einrichtung eines Registersystems für sämtliche beweglichen Sachen aus164. Im Vergleich zu einem öffentlichen Register ist die Anknüpfung an den Besitz mit vernachlässigbaren Kosten verbunden, eine solche Anknüpfung steigert die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen und dient so der effizienten Allokation knapper Ressourcen.
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Zum Ganzen eingehend § 10 II. Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 31 bemerkt zutreffend: „Wie sie durch eine bessere Regelung ersetzt werden könnte, ist bisher nicht gezeigt worden.“ 162 Siehe oben § 11 II. 163 In diese Richtung Adams, Analyse, S. 188; Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 613; Krimphove, ZfRV 1998, 185, 197; ausf. ders., Sachenrecht, S. 325 ff., 329 ff. 164 Dazu näher Hedinger, Publizitätsdenken, S. 45 f. – Für besonders werthaltige Sachen und daran begründete Sicherungsrechte mag man über die Errichtung eines fakultativen Registersystems nachdenken. Für solche Spezialüberlegungen ist hier indes nicht der richtige Ort. 161
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b) Defizite des Besitzes als Legitimationsgrundlage Auf der anderen Seite lässt allerdings die Qualität natürlicher Rechtsscheinträger zu wünschen übrig. Sie sind weniger präzise und deutlich fehleranfälliger als künstliche Vertrauenstatbestände. Namentlich der durch Besitz hervorgerufene Rechtsschein ist in rechtlicher Hinsicht nur sehr unvollkommen abgesichert: Erstens fallen Eigentum und Besitz im modernen Wirtschaftsverkehr, nicht zuletzt aufgrund des massenhaften Einsatzes von Anwartschaftsrecht und Sicherungsübereignung, aber auch von Leasing und anderen Gebrauchsüberlassungsverträgen häufig auseinander. Und der Sachherrschaft ist auch nicht anzusehen, ob es sich um Eigen- oder Fremdbesitz handelt oder es – wie beim Besitzdiener (§ 855 BGB) – überhaupt an einer rechtlich relevanten Besitzposition fehlt165. Auch ist nicht feststellbar, welches Recht der Fremdbesitzer für sich in Anspruch nimmt. Das kann ein dingliches sein, wie beim Pfandgläubiger, oder ein schuldrechtliches, wie beim Mieter. Zweitens ist die Einräumung des Besitzes auch nicht auf Grundlage eines staatlich autorisierten Verfahrens institutionell abgesichert. Abweichungen des durch den Besitz vermittelten Rechtsscheins von der wahren Rechtslage sind dementsprechend auch nicht auf ein absolutes Minimum reduziert. Und drittens mangelt es dem Besitz als natürlichem Rechtsscheinträger an der notwendigen Komplexität zur Kundbarmachung der an einem Gegenstand bestehenden (beschränkten) dinglichen Rechte166. Der Besitz vermag stets nur eine Berechtigung an der Sache auszuweisen, die sich letztlich darauf reduziert, dass der Gegenstand nicht herrenlos ist167. Diese Defizite zeigen deutlich, dass der Besitz als Rechtsscheinträger – anders als vom historischen Gesetzgeber unterstellt168 – nicht dieselbe Qualität aufweist wie der öffentliche Glaube des Grundbuchs oder des Erbscheins169. c) Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht Die Krise der Besitzpublizität und der Umstand, dass der Besitz des Veräußerers weder eine stets notwendige noch hinreichende Bedingung für den Gutglaubenserwerb darstellt, zwingen de lege lata zu einer Korrektur der hergebrachten Dogmatik des Regelungssystems der §§ 932 ff. BGB. Augenfällig wird dies immer dann, wenn Gutglaubenswirkungen an die Übertragung mittelbaren 165
Siehe exemplarisch Medicus, Jura 2001, 294, 297. Medicus, Jura 2001, 294, 297; H. Westermann, JuS 1963, 1, 4; Hedinger, Publizitätsdenken, S. 47 f. 167 Bauer, FS Bosch, S. 1, 4 f.; Stintzing, AcP 109 (1912), 347, 413, Fn. 72. 168 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344: „Bei beweglichen Sachen bildet an Stelle des Grundbuches die Inhabung und der Besitz des Veräußerers, welche denselben befähigen, den Erfordernissen des dinglichen Vertrages in der Uebergabe zu genügen, die Grundlage des zu schützenden guten Glaubens“. Zuvor bereits ebenso Reuling, Verhandlungen 15. DJT II, S. 72; später gleichsinnig Heck, Sachenrecht, § 58 I 4; H. Meyer, Publizitätsprinzip, S. 1, 41; Nolte, Reform, S. 87. 169 Ebenso schon Cosack/Mitteis, Lehrbuch II/1, S. 157 f.; Stintzing, AcP 109 (1912), 347, 435; Hübner, Rechtsverlust, S. 68 ff.; Wellspacher, Vertrauen, S. 17. 166
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Besitzes geknüpft werden, der nach außen von vornherein nicht in Erscheinung tritt und dem daher die für einen Rechtsscheintatbestand notwendige „sozialtypische Evidenz und Greifbarkeit“ mit Recht abgesprochen wird170. Aus diesem Grund hat das Schrifttum mit Blick auf den redlichen Erwerb durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 934 Alt. 1 BGB die Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht entwickelt171. Konkreter Ansatzpunkt für den Gutglaubenserwerb ist danach nicht die nach außen erkennbare, faktische Besitzposition, sondern die Rechtsmacht des Veräußerers, dem Erwerber durch Abtretung des Herausgabeanspruchs das Sacheigentum zu verschaffen. Mittels Anspruchszession entäußert sich der Veräußerer vollständig seiner vorherigen Besitzposition und dokumentiert durch den Übertragungsvorgang zugleich seine Besitzverschaffungsmacht gegenüber dem redlichen Erwerber, der darauf vertrauen darf, dass sich die Rechtsmacht des Veräußerers aus seiner materiellen Berechtigung am Verfügungsgegenstand speist. Nach diesem – vorzugswürdigen – Ansatz ist die faktische Besitzposition des Veräußerers für die Legitimation des redlichen Erwerbs ohne Bedeutung. Ausschlaggebend ist die Fähigkeit des Veräußerers, dem Erwerber eine rechtlich relevante Besitzposition an dem übertragenen Gegenstand zu verschaffen. Die Hinwendung der modernen Dogmatik zur Besitzverschaffung und die hiermit verbundene Zurücksetzung der statischen Innehabung des Besitzes ist eine Entwicklung, die sich in den letzten Dekaden vollzogen hat. Angedeutet hat sich diese Verlagerung des rechtsdogmatischen Fokus von der Veräußererauf die Erwerberseite aber bereits in den Verhandlungen der 1. BGB-Kommission. In den Motiven heißt es, der Besitz des Veräußerers, „welche(r) denselben befähigt, den Erfordernissen des dinglichen Vertrages in der Uebergabe zu genügen“, bilde „die Grundlage des zu schützenden guten Glaubens“172. Noch deutlicher sprach die 2. Kommission später davon, der Erwerber erlange beim redlichen Erwerb gem. § 934 Alt. 1 BGB mittels Abtretung des Herausgabeanspruchs die rechtlich vermittelte Sachherrschaft173: „(…) die Fähigkeit des Veräußerers, ihm diese Herrschaft zu verschaffen, biete eine ebenso berechtigte Grundlage für das Vertrauen des Erwerbers auf das Eigenthum des Veräußerers wie der eigene Besitz des letzteren.“
170
Picker, AcP 188 (1988), 511, 562; Karner, Mobiliarerwerb, S. 182. Insbesondere J. Hager, Verkehrsschutz, S. 239 ff. mit Nachw. aus dem älteren Schrifttum insb. auf. S. 245 in Fn. 109; ebenso Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 1 f., 12 f.; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 932 Rn. 1; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 12 ff., § 932 Rn. 20, 24; Karner, Mobiliarerwerb, S. 179 ff.; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 6, § 47 Rn. 2, 6, § 49 Rn. 14; Musielak, JuS 1992, 713, 714 m. Fn. 12; Wadle, JZ 1974, 689, 694 f.; Weber, JuS 1999, 1, 2; a.A. etwa Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 927 m. Fn. 1632; Giehl, AcP 161 (1962), 357, 378; Füller, Sachenrecht, S. 324 f. 172 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344. 173 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210; dazu auch Karner, Mobiliarerwerb, S. 183. 171
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Das gilt umso mehr für den Gutglaubenserwerb gem. § 934 Alt. 2 BGB. Dort indiziert das vollständige Fehlen einer Besitzposition des Veräußerers bereits die Maßgeblichkeit der Besitzverschaffungsmacht. Folglich kommt es entscheidend auf die Rechtsmacht des Veräußerers an, dem Erwerber den – mittelbaren174 – Besitz zu verschaffen175. Die Protokolle bemerken in diesem Zusammenhang, dass der redliche Erwerber die Besitzeinräumung durch den Veräußerer nach Abtretung eines vermeintlichen Herausgabeanspruchs als „Anerkennung des Eigenthums des Veräußerers“ auffassen müsse; und fügt hinzu: „in diesem Vertrauen dürfe er nicht enttäuscht werden“176. Die Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht darf allerdings nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass der Erwerber auf eine – tatsächlich nicht vorhandene – Befugnis des Veräußerers konkret vertrauen muss. Stattdessen knüpft die Lehre nach zutreffendem Verständnis an den tatsächlichen Eigenbesitzerwerb des Redlichen an177. Der Erwerb des Eigenbesitzes bildet die objektive Grundlage für den Gutglaubenserwerb im Mobiliarsachenrecht. Erwirbt der Gutgläubige uneingeschränkten Eigenbesitz, darf er darauf vertrauen, das Eigentum am Verfügungsgegenstand erworben zu haben. Insofern erscheint es auch gerechtfertigt, den Erwerberschutz an den lebensnahen Umstand des Besitzwechsels zu knüpfen178. Voraussetzung für den Besitzwechsel unter Begründung uneingeschränkten Eigenbesitzes durch den Erwerber ist freilich, dass – in Parallele zum Erwerb vom Berechtigten179 – in der Person des Veräußerers und auch in der Person des wahren Berechtigten „nicht mehr der geringste Rest eines Besitzes“ verbleibt. In subjektiver Hinsicht bedarf es nach Maßgabe der Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz180 keines konkret-positiven Vertrauens des Erwerbers auf die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers. Es genügt vielmehr, dass sich der Erwerber in Bezug auf die mangelnde Berechtigung des Veräußerers in gutem Glauben befand. Insbesondere braucht sich der Erwerber über die Besitzverhältnisse am Verfügungsgegenstand vor Durchführung der Transaktion keine Kenntnis verschafft zu haben; von einem konkreten Vertrauen auf eine etwaige Besitzposition des Veräußerers ganz zu schweigen181.
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Mittelbarer Besitz ist ausreichend; vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210; BGH NJW 1978, 696, 697; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 22; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 48 Rn. 11; Wieling, Sachenrecht I, § 10 IV 4 c. 175 Ebenso schon Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 18; Heck, Sachenrecht, § 59, 5; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 6; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 248 f.; Karner, Mobiliarerwerb, S. 183 f. 176 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 209 f. 177 Ebenso Quantz, Besitz, S. 315. 178 Ernst, FS Gernhuber, S. 95, 115. 179 Siehe oben § 10 III. 5. 180 Siehe oben § 11 II. 4. und unten § 11 VI. 3. 181 Zutreffend Quantz, Besitz, S. 261 ff., 325, 329.
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d) Folgerungen für die einzelnen Gutglaubenstatbestände Mit der Anknüpfung an den Eigenbesitzerwerb des Redlichen sind zugleich die Weichen für die rechtsdogmatische Interpretation der einzelnen Gutglaubenstatbestände gestellt. Dabei bereitet die rechtsdogmatische Erfassung der beiden in § 932 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB niedergelegten Spielarten keine Schwierigkeiten. Noch immer nicht abschließend geklärt ist hingegen das Verständnis der §§ 933, 934 BGB. Sie sollen nachfolgend im Mittelpunkt stehen. aa) Redlicher Erwerb bei Besitzkonstitut Es entspricht inzwischen einhelliger Auffassung, dass eine allseits überzeugende Lösung für das Zusammenspiel der beiden Tatbestände schon deshalb nicht gefunden werden kann, weil der historische Gesetzgeber sich erst während des Gesetzgebungsverfahrens dafür entschied, das hergebrachte System des Besitzrechts grundlegend zu reformieren und auf der Basis des neuen Rechts auch den Eigentumserwerb kraft Besitzkonstituts zuzulassen182. Aus diesem Grund besitzen die vom historischen Gesetzgeber für die Rechtfertigung des § 933 BGB in die Waagschale geworfenen Argumente für die moderne Diskussion nur insofern Bedeutung, als sie vor dem Hintergrund der aktuellen Dogmatik des redlichen Mobiliarerwerbs zu überzeugen vermögen. Unter Bezugnahme auf die zentrale Vorläuferregelung des Art. 306 ADHGB 1861183 und die hierzu ergangene Rechtsprechung184 sprach sich die 1. BGBKommission dafür aus, die Vereinbarung eines constitutum possessorium für den redlichen Erwerb nicht genügen zu lassen, und forderte stattdessen die „körperliche Uebergabe“; denn185: „Der durch den bona fide Erwerb bedrohte Eigenthümer muß dagegen geschützt werden, daß der ihn treffende Rechtsverlust hinter einen so wenig ersichtlichen Akt wie das constitutum possessorium sich verstecke“.
Dieser Gedanke wird bis heute zur Rechtfertigung des § 933 BGB herangezogen186. Allerdings basiert die Überlegung letztlich auf einem Verständnis des Traditionsprinzips, dass die mit der Offenkundigkeit rechtlicher Verhältnisse verbundenen Vorteile überbewertet und bereits für die Rechtfertigung des Er182
Dazu ausf. Wieling, AcP 184 (1984), 439 ff.; Picker, AcP 188 (1988), 511 ff.; Lohsse, AcP 206 (2006), 527 ff.; zusf. Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 14 ff. 183 Siehe dazu oben § 11 I. 5. Zur dieser Vorschrift vorausgegangenen Entwicklung siehe Ernst, Eigenbesitz, S. 267 f. 184 RGZ 19, 239, 242: Art. 306 ADHGB ist auf „eine Übergabe durch constitutum possessorium nicht anwendbar“. 185 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 345; dem folgend die 2. Kommission; vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 209. 186 Aus dem modernen Schrifttum siehe Oechsler, in: MünchKommBGB, § 933 Rn. 1; ähnlich Picker, AcP 188 (1988), 511, 521, 523 f.; Wacke, Besitzkonstitut, S. 44; zuvor bereits v. Tuhr, ZfranzR 30 (1899), 527, 546; Schubert, Entstehung, S. 152; ablehnend Wieling, Sachenrecht I, § 10 IV 3 b.
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werbs vom Berechtigten nicht zu überzeugen vermochte187. Es darf füglich bezweifelt werden, dass sich der Schutz des Eigentümers durch die Offenlegung des Übertragungsvorgangs verbessert. Für eine eigentümerseitige Intervention dürfte es nach Kenntniserlangung regelmäßig zu spät sein188. Außerdem unterscheidet sich die Übereignung durch Besitzkonstitut in diesem Sinne nicht wesentlich von den übrigen Besitzwechseln, die ohne körperliche Übergabe erfolgen und gleichwohl für einen redlichen Mobiliarerwerb ausreichen (vgl. §§ 929 Abs. 1 S. 2, 932 Abs. 1 S. 2 BGB; §§ 931, 934 BGB)189. Deshalb gehen auch sämtliche Legitimationsversuche fehl, die § 933 BGB die Funktion beilegen wollen, heimliche und deshalb missbräuchliche Transaktionen zu verhindern190. Auch aus § 936 Abs. 3 BGB folgt nichts anderes191, weil danach allein der unmittelbare Besitzer besonderen Schutz genießt; der Eigentümer im Fall des § 933 BGB ist nun aber nur mittelbarer Besitzer. Überhaupt besteht zwischen § 933 BGB und § 936 Abs. 3 BGB keine spezifische Verbindung. Die Besonderheit des § 936 Abs. 3 BGB liegt gerade darin, dass der besitzende Rechtsinhaber nicht Gefahr läuft, durch Besitzaufgabe seines Eigentums verlustig zu gehen. Dementsprechend ist es der Risikogedanke des § 935 Abs. 1 BGB, der gleichsam als Kehrseite den Ausschluss des redlichen lastenfreien Erwerbs legitimiert192. Überzeugend erklären lässt sich § 933 BGB nur nach dem Gedanken der Vertrauenssymmetrie193: Indem der Erwerber die Sache beim Veräußerer belasse, bringe er dem Veräußerer ein spezifisches Vertrauen entgegen. Dieses Vertrauen lasse den Erwerber im Ergebnis nicht schutzwürdiger erscheinen als den wahren Berechtigten, der den Verfügungsgegenstand freiwillig an den Veräußerer übergeben habe, der seinerseits als Vertrauensperson des Eigentümers fungiere. Richtig ist daran, dass der Erwerber allein durch die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses im Vergleich zum wahren Berechtigten keine bessere Besitzposition erlangt, vermöge derer er ungestört – und unter Ausschluss des (Alt-)Eigentümers (!) – auf den Gegenstand zugreifen kann194. Erst wenn der Erwerber den unmittelbaren Besitz am Verfügungsgegenstand erlangt, darf er 187
Siehe oben § 10 III 2. a) und § 10 IV. 2. Vgl. bereits Wellspacher, Vertrauen, S. 7; Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 529 ff. 189 Ernst, Eigenbesitz, S. 272. 190 So Boehmer, Grundlagen II/2, S. 29 ff. 191 So aber Oechsler, in: MünchKommBGB, § 933 Rn. 1. 192 Insofern zutreffend Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 14 iVm. § 934 Rn. 9. 193 Im Ansatz bereits Motive zum BGB, Bd. 3, S. 345; ebenso Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 209; aus dem Schrifttum bereits Goldschmidt, ZHR 9 (1866), 1, 15 Fn. 13; ebenso Brodmann, in: Planck, BGB, § 933 Anm. 1; Michalski, in: Erman, BGB, § 933 Rn. 1; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 933 Rn. 1; Pikart, in: RGRK, BGB, § 933 Rn. 1; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 933 Rn. 2 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 901; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 69 II 2 c; Wacke, Besitzkonstitut, S. 48 ff. mit Fn. 115; Kindl, AcP 201 (2001), 391, 409 f.; krit. aber Wellspacher, Vertrauen, S. 7 ff.; v. Tuhr, ZfranzR 30 (1899), 527, 546; Müller, AcP 137 (1933), 86, 89; Quantz, Besitz, S. 215 ff. 194 Im Ergebnis auch J. Hager, Verkehrsschutz, S. 343; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 564. 188
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darauf vertrauen, infolge des endgültigen Besitzwechsels zu seinen Gunsten auch das Eigentum an der Sache erworben zu haben. Lässt sich der Gutglaubenserwerb gem. § 933 BGB demnach zwanglos auf der Grundlage der hier vertretenen Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht erklären und ist die Regelung auch in rechtspolitischer Hinsicht nicht zu beanstanden, dann ist auch sämtlichen Versuchen eine klare Absage zu erteilen, die den Anwendungsbereich der Vorschrift im Hinblick auf deren Entstehungsgeschichte teleologisch korrigieren wollen und die Sachübergabe nur für notwendig halten, wenn der Veräußerer als Fremdbesitzer in Erscheinung tritt195. Werde der Veräußerer hingegen als Eigenbesitzer tätig, genüge bereits die Übertragung mittelbaren Besitzes. Mit dieser Interpretation setzt sich die Gegenauffassung indes ohne hinreichende Sachargumente über die teleologischen Grundlagen des redlichen Mobiliarerwerbs durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts hinweg. Auch wenn die Beweggründe des historischen Gesetzgebers heute nicht mehr zu überzeugen vermögen, schafft erst das Übergabeerfordernis eine taugliche Rechtsscheingrundlage für den redlichen Erwerb in den Fällen des § 933 BGB. bb) Redlicher Erwerb bei Abtretung des Herausgabeanspruchs Bei der Übereignung kraft Abtretung des Herausgabeanspruchs konnte das Übergabeerfordernis allerdings nicht länger durchgehalten werden, weil sich der Eigentumserwerb dort vollkommen unabhängig von einer Veränderung in der Position des unmittelbaren Besitzers vollzieht. Will man den redlichen Erwerb dennoch zulassen, muss an die Übertragung des mittelbaren Besitzes angeknüpft werden. Hieran entzündet sich die rechtspolitische Kritik, es fehle an einem nach außen erkennbaren Anknüpfungspunkt für das Erwerbervertrauen. Der Erwerber vertraue im Ergebnis nur auf das Gerede des Veräußerers. Kurzum: § 934 Alt. 1 BGB statuiere eine „Rechtsscheinhaftung ohne Rechtsscheintatbestand“196. Dass dieser Zustand als unbefriedigend empfunden wird197, kann nicht weiter überraschen, scheitert doch auch der redliche Erwerb von Forderungsrechten – sieht man einmal vom restriktiven § 405 BGB ab198 – de lege lata in Ermangelung einer tauglichen Rechtsscheingrundlage. Es bedarf daher einer tragfähigen Begründung dafür, weshalb die Dinge bei der Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 934 Alt. 1 BGB fundamental anders liegen sollen. Von Bedeutung ist zunächst die Entstehungsgeschichte des Gutglaubenstatbestands: 195 So aber Ernst, Eigenbesitz, S. 272; im Ergebnis – wenn auch mit abweichender Begründung – ebenso J. Hager, Verkehrsschutz, S. 343 f.; kritisch auch Heck, Sachenrecht, § 59, 4; wie hier ablehnend auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 933 Rn. 2; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 933 Rn. 3; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 48 Rn. 1. 196 So Oechsler, in: MünchKommBGB, § 934 Rn. 1. 197 Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 17; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 981 ff.; Picker, AcP 188 (1988), 511, 522 ff.; Weber, JuS 1999, 1, 3 f.; Bömer, Besitzmittlungswille, S. 202 f. 198 Dazu sogleich unten § 11 III. 6.
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Während die Rechtsfigur des mittelbaren Besitzes der 1. BGB-Kommission noch fremd war und sich im 1. Entwurf dementsprechend auch keine Vorläuferregelungen zu §§ 931, 934 BGB finden199, entschied sich die 2. Kommission für die Abkehr vom gemeinen Recht und die Einführung eines modernen Besitzrechts, das neben dem unmittelbaren nun auch den mittelbaren Besitz kannte200. Dieser Erweiterung möglicher Besitzpositionen folgend sollte nach Auffassung der Kommission auch die Abtretung des Herausgabeanspruchs für den redlichen Erwerb vom mittelbar besitzenden Veräußerer ausreichen; denn201: „In diesem Fall erlange der Erwerber durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs eine wirkliche rechtliche Herrschaft über die Sache und die Fähigkeit des Veräußerers, ihm diese Herrschaft zu verschaffen, biete eine ebenso berechtigte Grundlage für das Vertrauen des Erwerbers auf das Eigentum des Veräußerers wie der eigene Besitz des letzteren.“
Mit diesen Worten hat der historische Gesetzgeber die hier vertretene Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht dem Grunde nach zur gesetzlichen Maxime erhoben und damit zugleich den treffenden teleologischen Gesichtspunkt für die Rechtfertigung des § 934 Alt. 1 BGB angesprochen. Mittels Abtretung des Herausgabeanspruchs begibt sich der Veräußerer vollständig und endgültig seiner Besitzposition, während der Erwerber mittelbaren Eigenbesitz erwirbt. Ist auch in der Person des wahren Berechtigten kein Besitzrest verblieben, darf der Erwerber wiederum darauf vertrauen, mit der (mittelbaren) Besitzposition auch das Eigentumsrecht erworben zu haben. Das entspricht letztlich auch der Auffassung des historischen Gesetzgebers. Während der Beratungen der 2. BGB-Kommission monierte Rudolph Sohm den (vermeintlichen) Widerspruch zwischen § 933 BGB und § 934 Alt. 1 BGB. Es sei wertungswidersprüchlich, dass der Erwerber im ersten Fall nur mittels körperlicher Übergabe redlich erwerben könne, während im zweiten Fall bereits die Abtretung des Herausgabeanspruchs ausreiche. Deshalb beantragte er, einen heimlichen Gutglaubenserwerb, wie er in seinen Augen durch § 934 Alt. 1 BGB ermöglicht werden sollte, gesetzlich zu untersagen202 – im Ergebnis indes ohne Erfolg203: „Wenn man einmal bei der Abwägung der Interessen des Eigenthümers und des gutgläubigen Erwerbers sich dahin entschieden habe, im Falle des (§ 934 Alt. 1 BGB) das ausschlaggebende Gewicht auf die Verkehrserleichterung zu legen, so dürfe man den so entstandenen Rechtssatz nicht durch die vorgeschlagene Beschränkung wieder völlig in Frage stellen.“ 199
Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 345. Eingehend Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 28 f.; dazu ausf. Picker, 188 (1988), 511, 527 ff.; Schubert, Entstehung, S. 93 ff.; zusf. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 934 Rn. 1. 201 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210. 202 Siehe Protokolle zum BGB, Bd. 6, S. 263. 203 Protokolle zum BGB, Bd. 6, 264; dazu auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 934 Rn. 2; Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 550. 200
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Diesem legislatorischen Diktum zum Trotz wird noch immer vehement eine Harmonisierung von § 933 und § 934 BGB gefordert204. Überwiegend wird eine teleologische Reduktion des § 934 Alt. 1 BGB befürwortet205, vereinzelt auch eine Anpassung des § 933 BGB an § 934 BGB erwogen206. Die Rechtsprechung hat sich ausdrücklich gegen eine Gesetzeskorrektur ausgesprochen: Zwar reiche die Begründung mittelbaren Besitzes für einen gutgläubigen Erwerb – wie bei § 933 BGB – nicht aus, wohl aber – wie bei § 934 Alt. 1 BGB – die Übertragung bestehenden mittelbaren Besitzes207. Auch wenn der Rechtsprechung im Ergebnis zuzustimmen ist, greift das angeführte Argument doch wesentlich zu kurz; schließlich genügt für § 934 Alt. 2 BGB bereits die Begründung mittelbaren Besitzes208. Der maßgebliche Unterschied zwischen § 933 und § 934 Alt. 1 BGB ist vielmehr darin zu sehen, dass die Übertragung des mittelbaren Besitzes bei § 934 Alt. 1 BGB dazu führt, dass in der Person des Veräußerers (und des wahren Berechtigten) keine Besitzposition zurückbleibt und der Erwerber infolge der neu erlangten (mittelbaren) Besitzposition ungehindert auf den Gegenstand zugreifen und die Sache für sich nutzen kann209. Angesichts des Besitzwechsels nebst ausschließlicher Zugriffsmöglichkeit darf der Erwerber darauf vertrauen, auch die materielle Berechtigung am Verfügungsgegenstand zu erwerben. Der gleiche Gedanke kommt auch bei § 934 Alt. 2 BGB zum Tragen: Indem der Erwerber hier mittelbaren oder unmittelbaren Besitz erlangt, kann er ungehindert auf den Verfügungsgegenstand zugreifen und alle übrigen Beteiligten von der Herrschaft ausschließen. Weder beim Veräußerer noch beim wahren Berechtigten ist nämlich ein Besitzrest verblieben. Aufgrund der alleinigen Besitzposition darf der Erwerber auch darauf vertrauen, infolge der Transaktion die materielle Berechtigung am Verfügungsgegenstand erworben zu haben. In diesem Sinne begründen auch die Protokolle die Zulassung des Gutglaubenser204 Siehe z.B. Boehmer, Grundlagen II/2, S. 28 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 20; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 987; Lohsse, AcP 206 (2006), 527 ff.; Michalski, AcP 181 (1981), 384 ff.; Musielak, JuS 1992, 713, 720 ff.; Picker, AcP 188 (1988), 511 ff.; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 330 ff.; Kindl, AcP 201 (2001), 391 ff.; monografisch Penner, Inkongruenz (2006). 205 Siehe den instruktiven Überblick über die einzelnen Strömungen bei Musielak, JuS 1992, 713, 721 f.; ferner Picker, AcP 188 (1988), 511, 524, 533 ff.; für Missbrauchsfälle auch Boehmer, Grundlagen II/2, S. 37 ff. 206 Siehe die Diskussion bei Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 547 ff., der sich im Ergebnis (S. 554) indes mit der gesetzlichen Regelung abfindet. 207 BGHZ 50, 45, 49 – Fräsmaschinenfall; dem folgend etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 2; Michalski, AcP 181 (1981), 384, 386 ff.; Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 554. 208 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210; BGH NJW 1978, 696, 697; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 934 Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 22; Gursky, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 48 Rn. 11; Wieling, Sachenrecht I, § 10 IV 4 c. 209 RGZ 137, 23, 25; BGHZ 50, 45, 49 f.; Henssler, in: Soergel, BGB, § 934 Rn. 3; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 934 Rn. 2; Wiegand, in: Staudinger, § 934 Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 20, 22; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 48 Rn. 9; Wieling, Sachenrecht I, § 10 IV 4 a; Michalski, AcP 181 (1981), 384, 418; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 579 f.
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werbs nach § 934 Alt. 2 BGB: Entspreche der unmittelbare Besitzer nach der vermeintlichen Abtretung des Herausgabeanspruchs dem Verlangen des Erwerbers „auf die Einräumung des Besitzes an der Sache, so müsse dieser hierin eine Anerkennung des Eigenthums des Veräußerers erblicken und in diesem Vertrauen dürfe er nach dem Grundgedanken der (Gutglaubensvorschriften) nicht getäuscht werden; mit der Erlangung des Besitzes müsse er daher das Eigenthum erwerben“210. Dabei ist außerdem ohne Belang, ob der Erwerber selbst den Besitz erlangt oder ob er mit Dritten ein Rechtsverhältnis begründet, vermöge dessen der Dritte verpflichtet wird, ihm den Gegenstand nach Beendigung des Rechtsverhältnisses herauszugeben211. Denn in beiden Fällen kann der Erwerber ungehindert auf den Verfügungsgegenstand zugreifen, soweit nur weder der Veräußerer noch der wahre Berechtigte eine Besitzposition an der Sache innehaben. Der von der heute noch immer herrschenden Lehrmeinung angenommene Wertungswiderspruch zwischen § 933 und § 934 BGB löst sich vor diesem Hintergrund auf. Die unterschiedlichen Anforderungen an den Besitzwechsel lassen sich zwanglos unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenheiten der Gutglaubenstatbestände erklären. Der gemeinsame Nenner beider Vorschriften liegt in Übereinstimmung mit der Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht darin, dass der Erwerber eine Besitzposition erlangt, vermöge welcher er ungehindert auf den Verfügungsgegenstand zugreifen kann, während sowohl beim Veräußerer als auch beim wahren Berechtigten kein Besitzrest verbleiben darf212. Ist dies der Fall, darf der Gutgläubige darauf vertrauen, infolge des Eigenbesitzerwerbs auch das Eigentum am Verfügungsgegenstand erlangt zu haben. Der Schwerpunkt der rechtskonstruktiven Begründung des Gutglaubenserwerbs liegt auf der rechtssichernden und rechtsverfestigenden Funktion des Besitzes, die es dem Erwerber ermöglicht – unter Ausschluss von Veräußerer und Eigentümer – ungestört den Sachgegenstand für sich nutzbar zu machen213. Zugegebenermaßen ist die gesetzliche Konstruktion des Rechtsscheintatbestandes hier denkbar schwach ausgeprägt214. Anerkennt man indes die wirtschaftliche Notwendigkeit der Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen, die im unmittelbaren Besitz von Dritten stehen, und außerdem die den redlichen Erwerb im Allgemeinen tragenden Verkehrsschutzgründe, dann mangelt es für die Anknüpfung des Erwerbervertrauens in diesem Zusammenhang schlicht an tauglichen Alternativen. Dass Eigentum überhaupt von einem Veräußerer erworben werden kann, der sich nicht selbst im unmittelbaren Besitz der Sache 210
Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210. 212 Im Ergebnis auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 17, 20, 22; Wieling, Sachenrecht I, § 10 IV 4 a; Michalski, AcP 181 (1981), 384, 418 f.; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 580. 213 Vgl. Quantz, Besitz, S. 225; siehe noch Ernst, Eigenbesitz, S. 309; dens., FS Gernhuber, S. 95, 114 ff. 214 Zu Differenzierungen der Rechtsscheinintensität Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 12 ff.; Rebe, AcP 173 (1973), 186, 195 f.; kritisch Quantz, Besitz, S. 233. 211
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befindet, trägt den praktischen Bedürfnissen des modernen Wirtschafts- und Handelsverkehrs Rechnung. Auch wenn sich der Verfügungsgegenstand im unmittelbaren Besitz eines Dritten befindet, gebührt dem individuellen Erwerbsinteresse des Gutgläubigen und dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs der grundsätzliche Vorrang gegenüber dem Beharrungsinteresse des wahren Eigentümers. Könnte nämlich nicht auch mittels Abtretung des Herausgabeanspruchs redlich erworben werden, würden die mit § 931 BGB erstrebten Verkehrserleichterungen wesentlich entwertet215. Um dem Erwerber zweifelsfreies Eigentum zu verschaffen, wäre der Veräußerer gezwungen, den Verfügungsgegenstand dem Erwerber physisch zu übergeben. Die Zirkulationsfähigkeit bei Dritten eingelagerter Sachen wäre in der Folge erheblich eingeschränkt. Wollte umgekehrt der Erwerber unter Verzicht auf die gegenständliche Übergabe nach § 931 BGB erwerben, müsste er Nachforschungen über die Berechtigung des Veräußerers anstellen, von welchen die Gutglaubensvorschriften den Erwerber im Interesse der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit gerade entlasten wollen. Die Nachforschungsmaßnahmen schlagen in Form höherer Informationskosten zu Buche und beeinträchtigen die Umlauffähigkeit beweglicher Sachen und den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Nur wenn man die Abtretung des Herausgabeanspruchs für den redlichen Mobiliarerwerb ausreichen lässt, sind auch die Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs hinreichend geschützt.
5. Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen Die Gesellschafterliste ist das jüngste Mitglied in der Familie künstlicher Rechtsscheinträger216. Während die bisher behandelten Vertrauenstatbestände auf eine jeweils mehr als 100-jährige Tradition zurückblicken können, steht die rechtsdogmatische Durchdringung der Gesellschafterliste, wie sie als Rechtsscheingrundlage im Zuge der Modernisierung des GmbH-Rechts durch das MoMiG217 in §§ 16, 40 GmbHG positivrechtlich ausgeformt worden ist, noch weit am Anfang. Obgleich sich in verhältnismäßig kurzer Zeit schon eine große Menge Literatur zum Thema angesammelt hat218, ist die Stellung der Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb von GmbHAnteilen gem. § 16 Abs. 3 GmbHG noch immer nicht abschließend geklärt. 215
So bereits Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 210. Der folgende Abschnitt baut auf früheren Arbeiten auf; siehe Lieder, AcP 210 (2010), 857, 898 ff.; dens., Jura 2010, 801, 804 ff. 217 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I, S. 2026. 218 Siehe namentlich die Monografien von Rieg, Erwerb (2012); Schüßler, Erwerb (2011); Omlor, Verkehrsschutz (2010); Altgen, Erwerb (2009); Wiersch, Erwerb (2009) und das dort verarbeitete Schrifttum sowie die Nachweise in den folgenden Fußnoten. 216
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Das beruht in erster Linie darauf, dass sich der Reformgesetzgeber nicht dazu entschließen konnte, die Gesellschafterliste nach dem Vorbild des Grundbuchs als einen der materiellen Verlässlichkeit verpflichteten Rechtsscheinträger auszugestalten219. Stattdessen wählte man eine hybride Kompromisslösung, die Elemente des öffentlichen Registers mit solchen des redlichen Mobiliarerwerbs verbindet. Dementsprechend fehlt es der Gesellschafterliste an einem amtlichen Verfahren, das die Richtigkeit der Eintragungen garantieren könnte. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber für einen strengeren Redlichkeitsstandard entschieden: auch grobfahrlässige Unkenntnis der wahren Rechtslage schadet (§ 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG). Zudem hat er ein besonderes Zurechnungskriterium etabliert, das aber wiederum nur für die ersten drei Jahre der Listenunrichtigkeit gilt; danach gilt das reine Rechtsscheinprinzip (§ 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG). a) Zulassung des redlichen Erwerbs Trotz dieser eigenwilligen Ausgestaltung lässt sich § 16 Abs. 3 GmbHG zwanglos in das Gesamtsystem des Gutglaubenserwerbs einordnen. Zunächst zielt auch die Zulassung des redlichen Anteilserwerbs auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs220: Vor Inkrafttreten des MoMiG war der Anteilserwerber gezwungen, die Berechtigung des Veräußerers bis zur GmbHGründung zurückzuverfolgen, wollte er das Risiko ausschließen, die übertragenen Geschäftsanteile im Nachhinein an den wahren Berechtigten zu verlieren221. Selbst wenn er diese Prüfungen mit großer Sorgfalt (und noch höheren Kosten) durchführte, verblieb stets das Restrisiko, dass die Untersuchung womöglich gleichwohl nicht zum zutreffenden Ergebnis führte und der Anteilserwerb deshalb unwirksam war und rückabgewickelt werden musste. Die hiermit verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen schlugen sich in Form erhöhter Informationskosten nieder, die sich negativ auf die Bereitschaft zur Durchführung von Unternehmenstransaktionen auswirkten und damit den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand schmälerten. Davon abgesehen bereitete die Rückabwicklung unwirksamer Transaktionen immer dann besondere praktische Schwierigkeiten, wenn die Gesellschaft durch Strukturmaßnahmen grundlegend umgestaltet worden war. Diese Problemlage nahm das Schrifttum zum Anlass, die Zulassung des redlichen Erwerbs von GmbH-Anteilen zu fordern, um hiermit die Transaktionspraxis zu entlasten222. Der Gesetzgeber des 219 Zu den einzelnen Alternativmodellen siehe zusf. Heidinger, in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 206 ff.; ausf. Omlor, Verkehrsschutz, S. 93 ff. 220 Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 38; Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 10; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 898; Omlor, Verkehrsschutz, passim. 221 Dazu näher Heidinger, in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 26; Müller, GmbHR 2006, 953, 954; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1841 f.; Wiersch, Erwerb, S. 5 f.; zu den Fehlerquellen bei Abtretung von Geschäftsanteilen ausf. Omlor, Verkehrsschutz, S. 66 ff. 222 Insbesondere Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685 ff.
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MoMiG griff die vorgetragenen Argumente auf und schuf mit § 16 Abs. 3 GmbHG einen neuen Gutglaubenstatbestand, um – nach eigenen Aussagen223 – Transaktionskosten zu verringern und ein Mehr an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Legislativentscheidung für die Zulassung des redlichen Anteilserwerbs ist uneingeschränkt zu begrüßen und auch aus rechtsökonomischer Perspektive überzeugend224: Abgesehen von den sogleich noch behandelten Schwächen des § 16 Abs. 3 GmbHG225 werden die Vertragsparteien von Nachforschungsmaßnahmen über die materielle Berechtigung des Anteilsveräußerers entlastet. Unternehmenstransaktionen werden billiger, so dass auch solche Transaktionen durchgeführt werden, die unter Geltung des früheren Rechts an zu hohen Informationskosten gescheitert wären. Außerdem müssen Erwerber auf Basis des modernisierten GmbH-Rechts nicht befürchten, dass ihnen der redlich erworbene GmbH-Anteil durch den wahren Rechtsinhaber im Nachhinein wieder entzogen wird. Die rechtspolitische wie rechtsökonomische Sinnhaftigkeit der Neuregelung kann nach alldem nicht zweifelhaft sein. b) Defizite der Gesellschafterliste Allerdings bedeutet es ein gewichtiges Defizit des § 16 Abs. 3 GmbHG, dass die Vorschrift ausschließlich die fehlende Rechtszuständigkeit des Veräußerers zu überwinden vermag226, nach zutreffender h.M. hingegen keinen gutgläubigen lastenfreien Anteilserwerb gewährleistet227. Der Gesellschafterliste fehlt es in dieser Beziehung – in Übereinstimmung mit dem Besitz228 und im Gegensatz zum Grundbuch229 – an der notwendigen Komplexität, um auch beschränkte 223
Siehe Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 38; zur Entstehung des § 16 Abs. 3 GmbHG ausf. Omlor, Verkehrsschutz, S. 247 ff. 224 Zum Ganzen schon Lieder, AcP 210 (2010), 857, 899. 225 Siehe unten § 11 III. 5. b). 226 Statt vieler BGHZ 191, 84 Tz. 17; OLG München NJW 2010, 305, 306; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 56; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, § 13 Rn. 136; ders., in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 211, 275; Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 40 Rn. 10; Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 790. 227 Statt vieler BGHZ 191, 84 Tz. 18; OLG München NJW 2010, 305, 306; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 60; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 16 Rn. 251; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 26, 28 a.E.; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 38; ausf. Lieder, Jura 2010, 801, 805 f.; a.A. Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, § 13 Rn. 135; ders., in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 270 ff.; Reymann, WM 2008, 2095 ff. Gleichermaßen ausgeschlossen ist nach zutreffender h.M. auch der redliche Erwerb nicht existierender GmbH-Anteile; siehe etwa OLG München NJW 2010, 305, 306; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 69; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 57; a.A. Omlor, WM 2009, 2105, 2110 f.; ders., Verkehrsschutz, S. 403 ff.; Altgen, Erwerb, S. 156 ff., 175 ff., 214 f. Hieran besteht selbst de lege ferenda kein Änderungsbedarf; vgl. Lieder, Jura 2010, 801, 805; Wiersch, Erwerb, S. 225 ff., 254; a.A. D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 430. 228 Siehe oben § 11 III. 4. b). 229 Siehe oben § 11 III. 2.
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dingliche Belastungen von Geschäftsanteilen abbilden zu können. Das bedeutet für die Transaktionspraxis, dass im Rahmen einer Due Diligence230 im Vorfeld einer Unternehmenstransaktion zwar nicht die materielle Berechtigung des Veräußerers verifiziert zu werden braucht, wohl aber die Frage, ob der Verfügungsgegenstand verpfändet oder mit einem Nießbrauch belastet ist. Es liegt auf der Hand, dass der eingeschränkte Anwendungsbereich der Gesellschafterliste die angestrebten Gutglaubenswirkungen weitgehend entwertet. Das hat auch der II. Zivilsenat des BGH erkannt, wenn er bemerkt, „(a)ngesichts der (…) Grenzen der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste hinsichtlich dinglicher Belastungen“ könne das legislatorische Ziel des § 16 Abs. 3 GmbHG „nur eingeschränkt erreicht werden“231. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert die hierzu vorgelegten Vorschläge232 in Betracht zu ziehen und einen redlichen lastenfreien Erwerb von GmbH-Anteilen zu ermöglichen233. Davon abgesehen besteht die zentrale Problematik der Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger darin, dass sie aufgrund ihrer institutionellen Ausgestaltung und verfahrensrechtlichen Absicherung keine vergleichbare Gewähr für die materielle Richtigkeit ihrer Eintragungen bietet, wie etwa das Grundbuch oder der Erbschein. Insbesondere existiert für die Gesellschafterliste kein hoheitliches Verfahren, das die Verlässlichkeit des Listeninhalts sicherstellen würde. Dementsprechend ist auch die Wahrscheinlichkeit fehlerhafter Eintragungen nicht auf ein Minimum reduziert. Das hängt auch damit zusammen, dass die Eintragung der Rechtsänderung in die Gesellschafterliste – anders als im Liegenschaftsrecht – keine konstitutive Wirkung entfaltet. Der Rechtsübergang vollzieht sich außerhalb der Gesellschafterliste durch formbedürftige234 Zession und ist daher von der Eintragung des neuen Berechtigten in die Gesellschafterliste unabhängig. Die Listeneintragung vollzieht also den Sukzessionsvorgang nur nach und hat daher lediglich deklaratorische Bedeutung. Erschwerend kommt hinzu, dass nach der gesetzlichen Systematik grundsätzlich die Geschäftsführer zur Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister verantwortlich zeichnen (§ 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG)235. Dem mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Notar verbleibt gem. § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG nur eine Reservezuständigkeit, die freilich in der GmbH-Praxis den 230 Zum Problemkreis der Due Diligence nach dem MoMiG ausf. Rodewald, GmbHR 2009, 196 ff.; Stenzel, BB 2012, 337 ff.; vgl. noch Noack, FS Hüffer, S. 723, 727; Döser, GS Wolf, S. 27, 39 ff. 231 BGHZ 191, 84 Tz. 22. 232 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 60; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 28; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Reichert, in: Bayer/Koch, GmbH-Recht, S. 29, 43 f.; Wiersch, Erwerb, S. 201 ff., 253; kritisch bis ablehnend DAV, NZG 2007, 211, 215; Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, 691; Kanzleiter, FS Roth, S. 355, 364. 233 Siehe zum Problem ausf. unten § 15 II. 2. d). 234 Zur Formbedürftigkeit siehe oben § 9 VI. 235 Zur Kompetenzverteilung in diesem Sinne Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 44; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rn. 17; Wachter, ZNotP 2008, 378, 383, 387; Preuß, FS Spiegelberger, S. 876, 878.
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tatsächlichen Regelfall bildet. Der Notar ist immer dann zur Einreichung berufen, wenn er an einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung iSd. § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG mitwirkt236. Andernfalls wird die Gesellschafterliste privat durch die Geschäftsführer erstellt. Zwar war es das erklärte Ziel des MoMiG-Gesetzgebers, auch die von Geschäftsführern zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterlisten mit einer besonderen Richtigkeitsgewähr auszustatten237. Zu diesem Zweck obliegt den Geschäftsführern eine besondere Prüfungspflicht in Bezug auf die materielle Richtigkeit der Gesellschafterliste; Änderungen der Liste iSd. § 40 Abs. 1 S. 2 GmbHG dürfen sie nur vornehmen, wenn ihnen die zugrunde liegenden Vorgänge mitgeteilt und nachgewiesen werden238. Die Einhaltung ihrer organschaftlichen Pflichten ist in diesem Zusammenhang außerdem durch die besondere Schadensersatzpflicht des § 40 Abs. 3 GmbHG sanktioniert239. Für die Authentizität der Gesellschafterliste bürgen die Geschäftsführer schließlich mit deren Unterzeichnung240. Und gleichwohl ist die Authentizität der Gesellschafterliste nicht hinreichend sichergestellt, denn die genannten Maßnahmen verbürgen keine Richtigkeitsgewähr, die mit einer notariellen Mitwirkung verbunden wäre241. Es fehlt schlichtweg an einer hoheitlichen Instanz respektive einem mit staatlicher Autorität ausgestatteten (Eintragungs-)Verfahren, das die eingereichte Gesellschafterliste auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüft. Im Gegensatz zum Notar sind Geschäftsführer keine unabhängigen und unparteiischen Träger eines öffentlichen Amtes; sie werden vielmehr bei der Erstellung der Gesellschafterliste als das Gesellschaftsorgan tätig, das nach § 37 Abs. 1 GmbHG den Weisungen der Gesellschafter unterliegt und insofern privaten Interessen verpflichtet ist242. In diesem Zusammenhang besteht sowohl die Gefahr von Interessenkonflikten als auch das Risiko, dass der Mehrheitsgesellschafter die Geschäftsführer veranlasst, zum Handelsregister eine unrichtige Gesellschafterliste einzureichen243. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Geschäftsführer mit der Durchführung der juristischen Prüfung der Rechtslage überfordert 236 Für Details siehe die Aufstellungen bei Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 24 f.; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Nachtrag MoMiG, § 40 Rn. 41; Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 13 f.; Hasselmann, NZG 2009, 449, 452 ff.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 408; Vossius, DB 2007, 2299, 2303 f.; Wachter, ZNotP 2008, 378, 387 ff.; Preuß, FS Spiegelberger, S. 876, 880 ff.; Schüßler, Erwerb, S. 73 ff. 237 Siehe Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 43. 238 Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 44; für Einzelheiten vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 19 ff.; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Nachtrag MoMiG, § 40 Rn. 17 ff.; Noack, FS Hüffer, S. 721, 729 ff. 239 Dazu näher Preuß, ZGR 2008, 676, 699; Altgen, Erwerb, S. 110 ff. 240 Exemplarisch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rn. 35. 241 Siehe dazu sogleich unten § 11 III. 5. c). 242 Vgl. auch Preuß, ZGR 2008, 676, 694 f.; Wiersch, Erwerb, S. 27. 243 Bednarz, BB 2008, 1854, 1857; Wiersch, Erwerb, S. 27; Omlor, Verkehrsschutz, S. 333; Schüßler, Erwerb, S. 102.
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sind244. Davon abgesehen fehlen verfahrensrechtliche präventive Schutzvorkehrungen, mit deren Hilfe die Einreichung unrichtiger Gesellschafterlisten effektiv vermieden werden könnte. Eine dem Grundbuch vergleichbare Richtigkeitsgewähr ist für die Gesellschafter derzeit nicht gegeben. Auch durch das Registergericht findet keine inhaltliche Überprüfung der Liste statt. Das Gericht prüft ausschließlich die formelle Ordnungsmäßigkeit der Gesellschafterliste, während deren materielle Richtigkeit sowie die Identität und Vertretungsberechtigung der einreichenden Geschäftsführer von der Prüfungskompetenz des Registerrichters nicht umfasst sind245. Entbehrlich ist zudem die Vorlage der für die Listenrichtigkeit maßgeblichen Dokumente, wie z.B. Zessionsverträge oder Erbscheine246. Die Gefahr unrichtiger Gesellschafterlisten wird weiter dadurch verstärkt, dass im Fall einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse nicht etwa nur die betreffenden Änderungen mitgeteilt werden müssen; nach § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG ist vielmehr die komplette Gesellschafterliste neu zum Handelsregister einzureichen247. Nimmt man das alles zusammen, ist die zweite Legitimationssäule des redlichen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen im Vergleich zu den anderen künstlichen Vertrauenstatbeständen deutlich schwächer ausgeprägt. Nun könnte man annehmen, das lokalisierte Legitimationsdefizit sei bereits de lege lata in Anlehnung an den redlichen Mobiliarerwerb durch (1.) das Zurechnungskriterium des § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG sowie (2.) den strengen Redlichkeitsmaßstab des § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG hinreichend kompensiert. Schließlich hat der Gesetzgeber – nicht zuletzt aufgrund der in diese Richtung weisenden Kritik am Referentenentwurf248 – die Konsequenzen gezogen und den Rechtserwerb teilweise dem Zurechnungsprinzip unterworfen249. Die konkrete Ausgestaltung des Zurechnungsmerkmals provoziert hingegen erneut Kritik250. Denn der Rechtsverlust tritt beim wahren Berechtigten gem. § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG nicht nur ein, wenn ihm die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste zuzurechnen ist. Vielmehr ist die Geltung des Zurechnungsprinzips auf einen Karenzzeitraum von drei Jahren seit Fehleintragung beschränkt. Danach gilt das reine Rechtsscheinprinzip; der Berechtigte kann seines Anteilsrechts also auch dann verlustig gehen, wenn er für die Listenunrichtigkeit nicht ver244 Vgl. Bayer, LA Winter, S. 9, 13 f.; Bednarz, BB 2008, 1854, 1858; Kort, GmbHR 2009, 169, 171; Omlor, Verkehrsschutz, S. 332 f.; Schüßler, Erwerb, S. 102. 245 Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 44; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 40 Rn. 22; Bednarz, BB 2008, 1854, 1858; Harbarth, ZIP 2008, 57, 58; Kort, GmbHR 2009, 169, 171; Wiersch, Erwerb, S. 24. 246 Vgl. Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, MoMiG Ergänzungsband, § 40 Rn. 6; Bednarz, BB 2008, 1854, 1858; Bohrer, DStR 2007, 995, 999; Döser, GS Wolf, S. 27, 36. 247 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 5; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 40 Rn. 6; Wiersch, Erwerb, S. 26. 248 Siehe nur Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812 f.; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1847; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1326. 249 Für Details siehe unten § 11 VII. 3. 250 Ebenso schon Bednarz, BB 2008, 1854, 1856; Schüßler, Erwerb, S. 193 f.
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antwortlich zeichnet. Nach der gesetzlichen Konzeption obliegt es folglich dem wahren Berechtigten, sich fortwährend von der Richtigkeit der Gesellschafterliste zu überzeugen. Andernfalls läuft er Gefahr, den Geschäftsanteil an einen redlichen Erwerber zu verlieren. Die dem Berechtigten in diesem Sinne auferlegte Prüfungspflicht findet im herkömmlichen System künstlich geschaffener Vertrauenstatbestände keine Entsprechung. Auch lässt sich die in § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG niedergelegte Differenzierung mit der dualistischen Legitimation des Gutglaubenserwerbs schwerlich in Einklang bringen. Im Hinblick auf den sensiblen Interessenausgleich durch die Vorschriften des redlichen Erwerbs gibt es nur zwei Varianten, die im Hinblick auf die Wertungen des Art. 14 Abs. 1 GG den Rechtsverlust des wahren Berechtigten zu rechtfertigen vermögen: Entweder gewährleistet ein hoheitliches Eintragungsverfahren die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit des Rechtsscheinträgers, so dass das Risiko unrichtiger Listeneintragungen auf ein Minimum reduziert ist, oder aber, der wahre Berechtigte verliert das Vermögensrecht, weil ihm die Unrichtigkeit des Rechtsscheinträgers zuzurechnen ist. Keine der beiden Varianten ist für den Fall der Einreichungszuständigkeit der Geschäftsführer nach Ablauf der Dreijahresfrist erfüllt. Vielmehr wird dem Verkehrsinteresse gegenüber dem Beharrungsinteresse des bisherigen Anteilsinhabers der Vorzug gewährt, obgleich weder eine besondere Gewähr für die materielle Richtigkeit der Gesellschafterliste besteht noch der den Rechtsverlust erleidende Gesellschafter die Unrichtigkeit der Liste zurechenbar veranlasst hat. c) Reformvorschlag: Obligatorische Beteiligung des Notars Diese strukturelle Schwäche der Rechtsscheinintensität der durch die Geschäftsführer eingereichten Gesellschafterliste ist deshalb mit Recht auf vehemente rechtspolitische Kritik gestoßen251 und sollte bei nächster Gelegenheit durch Anordnung der obligatorischen Einreichungszuständigkeit des Notars beseitigt werden252. 251 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 4, 10; Heidinger, in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 295 ff.; Harbarth, ZIP 2008, 57, 61 ff.; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Link, RNotZ 2009, 193, 215 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 430 ff.; Preuß, ZGR 2008, 676, 693 ff.; Ries, NZG 2010, 135, 136; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844 f.; Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Schüßler, Erwerb, S. 104 ff. – Omlor, Verkehrsschutz, S. 344 ff. hält die Vorschrift aus diesem Grund sogar für verfassungswidrig; kritisch auch Harbarth ZIP 2008, 57, 62; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 430 f.; keine Bedenken hingegen bei Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 125; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 63; Hamann, NZG 2007, 492, 493; Schüßler, Erwerb, S. 103 f.; Wiersch, Erwerb, S. 186 f.; Kanzleiter, FS Roth, S. 355, 364. 252 Bayer, LA Winter, S. 9, 14; ders., notar 2012, 267, 268; Bednarz, BB 2008, 1854, 1859; Flesner, NZG 2006, 641, 643; Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, 686; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1450; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 905; Omlor, WM 2009, 2105, 2108, 2112; Wegen, FS Lüer, S. 321, 328; vgl. noch D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 432. Für die notarielle Beglaubigung
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Die durch den Notar eingereichte Gesellschafterliste ist taugliche Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb von GmbH-Anteilen. Denn der Notar übernimmt als unparteiischer und unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes eine besondere Gewähr für die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit der Gesellschafterliste253. Entsprechend seiner umfänglichen Prüfungsrechte und Prüfungspflichten254 hat der Notar neben der Identität und Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien zu untersuchen, ob dem Verfügungsgeschäft, das zur Änderung der Gesellschafterliste iSd. § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG Anlass gibt, formelle oder materielle Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen. Infolge dieser Untersuchung würde die Wahrscheinlichkeit von Fehleintragungen deutlich reduziert und die Legitimationsbasis für den redlichen Anteilserwerb erheblich verbreitert255. Flankierenden Schutz bietet darüber hinaus die nach § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG zu fertigende Notarbescheinigung256, die zwar der Richtigkeit der eingereichten Liste dienen soll, selbst aber keine Rechtsscheinwirkung entfaltet257. Unabhängig davon, ob man § 40 Abs. 2 GmbHG als Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB auffasst258, sind die Vermögensinteressen der Beteiligten gegen ein etwaiges Fehlverhalten des Notars außerdem durch die Notarhaftung gem. § 19 Abs. 1 BNotO ergänzend abgesichert259. Durch die obligatorische Notarbeteiligung würde zugleich verhindert, dass Geschäftsführer aus eigener Machtvollkommenheit durch den Notar eingereichte Listen nachträglich ändern260. Zudem würden mit der ausschließlichen Einreichungszuständigkeit des Notars die in der bisherigen Praxis zum Vorschein gekommenen Abgrenzungsschwierigkeiten beseitigt, namentlich soweit der253Unterschriften der Geschäftsführer: Stellungnahme Bundesrat, BT-Drucks. 16/6140, S. 61, 66 f.; Bayer, notar 2012, 267, 268; Bednarz, BB 2008, 1854, 1858; Bohrer, DStR 2007, 995, 1000; Greitemann/Bergjan, FS Pöllath, S. 271, 283 f. 253 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rn. 49; Preuß, FS Spiegelberger, S. 876, 880. 254 Dazu ausf. Omlor, Verkehrsschutz, S. 312 ff. 255 So bereits Lieder, AcP 210 (2010), 857, 903. 256 Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 44; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 34; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 410 f.; ausf. Wachter, ZNotP 2008. 378, 391 f.; Wicke, NotBZ 2009, 1, 14 f.; krit. Hasselmann, NZG 2009, 486, 492; Altgen, Erwerb, S. 89. 257 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rn. 65; Bohrer, DStR 2007, 995, 998; Hasselmann, NZG 2009, 486, 492; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Altgen, Erwerb, S. 89. – Selbst wenn die Bescheinigung fehlt, entfaltet eine wirksame Gesellschafterliste ihre Rechtsscheinwirkungen; vgl. Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, § 13 Rn. 97; Gottschalk, NZG 2009, 896, 898; Hasselmann, NZG 2009, 486, 492, 493; Link, RNotZ 2009, 193, 216; Wachter, ZNotP 2008, 378, 395. 258 Dafür Omlor, Verkehrsschutz, S. 323 ff.; dagegen Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 36; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rn. 72; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 414 f. 259 Zur Notarhaftung in diesem Kontext siehe Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 36; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, MoMiG Ergänzungsband, § 40 Rn. 101; Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 21; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rn. 72 ff.; Kanzleiter, FS Roth, S. 355, 363. 260 Kritisch zu dieser Möglichkeit auf Basis des geltenden Rechts Harbarth, ZIP 2008, 57, 59; Wiersch, Erwerb, S. 29; gänzlich ablehnend Bednarz, BB 2008, 1854, 1859.
III. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage
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der Notar an Übertragungsvorgängen nur mittelbar beteiligt ist261. Gleichermaßen würde einem etwaigen Missbrauch bei der Einreichung von Gesellschafterlisten durch den Geschäftsführer effektiv entgegengewirkt und Fälschungen der Gesellschafterliste durch Unbefugte weitgehend ausgeschlossen262. Umgekehrt wäre die Notarbeteiligung freilich mit einer höheren Kostenbelastung und (geringfügigen) zeitlichen Verzögerungen verbunden263. Diese Nachteile sind aber zum einen mit Blick auf die erhöhte Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste hinzunehmen; zum anderen kann nach einer solchen Änderung der Gutglaubenstatbestand um das Zurechnungserfordernis des § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG entlastet werden264. Diese Umgestaltung würde die Gesellschafterliste ein gutes Stück an das Grundbuch als Prototyp eines rechtspolitisch wie rechtsökonomisch überzeugenden Rechtsscheinträgers annähern, für ein höheres Maß an Sicherheit und Leichtigkeit in der Transaktionspraxis sorgen und zur Kohärenz des gesamten privatrechtlichen Gutglaubenssystems beitragen.
6. Gutglaubenserwerb von Forderungsrechten Die Bedeutung des Rechtsscheinträgers als Legitimationsgrundlage des gutgläubigen Erwerbs wird besonders plastisch, wirft man einen kontrastierenden Blick auf die Rechtslage bei der Forderungszession. In Ermangelung einer tauglichen Rechtsscheingrundlage ist der Gutglaubenserwerb von Forderungen und der meisten anderen Vermögensrechte iSd. § 413 BGB ausgeschlossen265. Die Forderungszession vollzieht sich nach dem reinen Einigungsprinzip, ohne dass – wie es bei den dualistischen Sukzessionstatbeständen des Sachenrechts der Fall ist266 – noch ein weiteres faktisches Vollzugselement hinzutreten muss267. Da es folglich an einem tauglichen Anknüpfungspunkt für das Vertrauen des Zessionars auf die materielle Berechtigung des Zedenten fehlt, ist auch der redliche Forderungserwerb ausgeschlossen. a) Schuldurkunde als natürlicher Rechtsscheinträger Ist der Forderungserwerb indes ausnahmsweise mit einem faktischen Vollzugselement verbunden, das nach außen hin wahrgenommen werden kann und sich als Anknüpfungspunkt für das Vertrauen des Zessionars eignet, kommt auch 261 Zutreffend Bayer, LA Winter, S. 9, 13 unter Hinweis auf OLG Hamm DNotZ 2010, 214; ausf. Ising, NZG 2010, 812 ff.; Rieg, Erwerb, S. 153 ff. 262 Bayer, LA Winter, S. 9, 14 unter Hinweis auf Lieder, AcP 210 (2010), 857, 898 ff. 263 Dazu näher Wiersch, Erwerb, S. 64. 264 Dazu im Einzelnen unten § 11 VII. 3. b). 265 Vgl. RG LZ 1917, Sp. 459 Nr. 7; Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 26; Larenz, Schuldrecht I, § 34 I; Wiegand, JuS 1974, 545, 549; Zeranski, JuS 2002, 340, 341; Kindler/Paulus, JuS 2013, 393; Bydlinski, System, S. 508; Karner, Mobiliarerwerb, S. 154 f. 266 Dazu allgemein oben § 4 II. 3. sowie § 10. 267 Siehe oben § 4 II. 4.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
ein redlicher Forderungserwerb dem Grunde nach in Betracht268. So kann das berechtigte Erwerbervertrauen namentlich an die Publizitätswirkung der (Schuld-)Urkunde anknüpfen269. Dabei hat sich der historische BGB-Gesetzgeber für eine bemerkenswert restriktive Ausgestaltung des redlichen Forderungserwerbs entschieden. Nach Maßgabe des § 405 BGB ist das Vertrauen des Zessionars bei Vorlage der Schuldurkunde nur geschützt, soweit der die Abtretung hindernde Rechtsmangel darin besteht, dass (1.) die Forderung nur zum Schein gem. § 117 BGB eingegangen oder anerkannt oder (2.) die Abtretung durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Zedenten gem. § 399 Alt. 2 BGB ausgeschlossen worden ist. Für die Schuldurkunde lassen sich in Übereinstimmung zum redlichen Mobiliarerwerb die beiden Legitimationssäulen natürlicher Rechtsscheinträger nachweisen: Zum einen stützt sich § 405 BGB auf die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Verkehrsschutz). Hinzu kommt der Vertrauensschutz des Zessionars, der sich auf eine beurkundete Erklärung, die den Anschein der Richtigkeit für sich hat, im Grundsatz verlassen können soll (Erwerberschutz). Zum anderen beruht die Anerkennung des redlichen Forderungserwerbs auf dem Zurechnungsprinzip: b) Rechtsdogmatische Bedeutung des Zurechnungsprinzips Der Schuldner muss die redlich erworbene Forderung gegen sich gelten lassen, weil er an ihrer Verbriefung mitgewirkt und hierdurch den Anschein einer tatsächlich existierenden, verkehrsfähigen Forderung zurechenbar veranlasst hat270. Er ist in beiden Varianten des § 405 BGB nicht schutzwürdig, weil er sowohl vom vereinbarten Scheingeschäft als auch vom Abtretungsausschluss positive Kenntnis gehabt haben muss. Umgekehrt braucht der Zessionar, der im Vertrauen auf die Richtigkeit der Urkunde ein Rechtsgeschäft vorgenommen hat, nicht damit zu rechnen, dass die genannten Einwendungen vorliegen, soweit sie aus der Urkunde nicht ersichtlich sind271. Gegen den Schutz des Zessionars unter Zurücksetzung von Schuldnerinteressen können auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben werden. Denn § 405 BGB liegt die durchaus verhältnismäßige Wertung zugrunde, dass der Schuldner, der die Verbriefung einer nicht existierenden oder nicht abtretbaren Forderung zu-
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Siehe den Überblick einzelner Tatbestände bei Thomale, JuS 2010, 857, 859 f. Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 6, S. 168; RGZ 87, 420, 422; Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 2 a.E.; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 6 I. – Das § 405 BGB zugrunde liegende Publizitätsprinzip begegnet uns z.B. auch in §§ 171, 370, 892, 932, 1138, 1155, 2366 BGB. 270 Zum Zurechnungserfordernis des § 405 BGB vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 86 ff.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 315 ff.; vgl. zuvor bereits Wellspacher, Vertrauen, S. 68. 271 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 86; siehe ferner Siber, in: Planck, BGB, § 405 Anm. 1; Oertmann, BGB, § 405 Anm. 2. 269
III. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage
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rechenbar veranlasst, sich im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs an diesem Rechtsschein festhalten lassen muss. Es liegt in der Konsequenz des § 405 BGB zugrunde liegenden Zurechnungsprinzips, dass der Forderungsschuldner nur dann in die Haftung genommen werden kann, wenn er das Inverkehrbringen der (einschränkungslosen) Schuldurkunde tatsächlich zurechenbar veranlasst hat. Diese Feststellung bereitet im Fall eines willentlichen Zusammenwirkens mit dem Zedenten typischerweise keine Schwierigkeiten. Aber auch wenn die Abtretungsbeschränkung nachträglich vereinbart wird und in der Urkunde keinen Ausdruck findet, scheidet eine Veranlassung nicht apriorisch aus. Schließlich hätte der Schuldner seine Zustimmung zur Abtretungsbeschränkung davon abhängig machen können, diesen Umstand in die Urkunde aufzunehmen. Unterlässt er hingegen die Beseitigung des Rechtsscheins, muss er sich auch weiterhin hieran festhalten lassen272. Deshalb ist heute mit Recht überwiegend anerkannt, dass der Schuldner die Rückgabe der Urkunde verlangen kann, um einen nachträglich vereinbarten Abtretungsausschluss eintragen zu lassen273. Eine weitere Grenze zieht das Zurechnungsprinzip, wenn die Urkunde dem Schuldner abhanden gekommen ist274. Von einer zurechenbaren Veranlassung des Rechtsscheins kann in diesem Fall nicht mehr die Rede sein. Deshalb wird in rechtsmethodischer Hinsicht vorgeschlagen, § 172 Abs. 1 BGB im Wege der Analogiebildung auf § 405 BGB zu übertragen: mit dem Ergebnis, dass der Schuldner dem Gläubiger die Urkunde auch „ausgehändigt“ haben muss275. Nach hiesiger Auffassung sollte die Lösung des Rechtsproblems auf den Regelungsbereich des § 405 BGB beschränkt bleiben. Angesichts der § 405 BGB zugrunde liegenden Wertung des Zurechnungsprinzips als Teil der teleologischen Begründung des redlichen Forderungserwerbs bereitet es wenig Schwierigkeiten, die abhanden gekommene Schuldurkunde im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 405 BGB auszuklammern. Hierbei ist es freilich nicht fernliegend, ergänzend auf den Rechtsgedanken des § 172 Abs. 1 BGB zu rekurrieren.
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Dazu allgemein und grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 488 ff. Zur Herleitung verweist Canaris, Vertrauenshaftung, S. 97 Fn. 61 überzeugend auf § 371 BGB analog sowie vertragliche Nebenpflichten; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 316 wendet § 175 BGB analog an; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 6 I 3 nehmen an, dass es sich hierbei um eine „Folge aus der gesetzlichen Statuierung des Rechtsscheins in Verbindung mit der die Abtretung ausschließenden Abrede“ handele; vgl. noch Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 29. 274 Heute im Ergebnis ganz h.M.: Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 5; Roth, in: MünchKommBGB, § 405 Rn. 6; Westermann, in: Erman, BGB, § 405 Rn. 2; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 405 Rn. 3; Weber, in: RGRK, BGB, § 405 Rn. 8; Weimar, MDR 1968, 556, 557; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 89; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 316; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 6 I 1; a.A. noch Stoll, AcP 135 (1932), 89, 107. 275 Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 316 unter Hinweis auf RGZ 87, 420, 422; ähnlich Canaris, Vertrauenshaftung, S. 89. 273
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
c) Ausdehnung des Anwendungsbereichs de lege lata Der konkrete Anwendungsbereich des § 405 BGB ist bemerkenswert eng gefasst. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit der Regelungsgehalt des § 405 BGB im Wege der erweiternden Auslegung respektive Analogiebildung auf ungeregelte Sachverhalte ausgedehnt werden kann. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden, und zwar zum einen die erweiternde Anwendung des § 405 BGB auf andere Übertragungsvorgänge als die Abtretung einer Forderung und zum anderen die Anwendung auf andere als die in § 405 BGB festgeschriebenen Einwendungen. aa) Konstitutive Nachfolge in Forderungsrechte In Bezug auf die erste Kategorie ist heute einhellig anerkannt, dass auch beschränkte Rechte an Forderungen analog § 405 BGB gutgläubig vom Nichtberechtigten erworben werden können. Das gilt gleichermaßen für die Nießbrauchbestellung (§§ 1069, 1070 BGB) und das Pfandrecht an Forderungen (§§ 1274, 1275 BGB)276. Denn beide Rechtsgeschäfte vollziehen sich in Form der konstitutiven Nachfolge277, für die nach allgemeinen Grundsätzen die gleichen Prinzipien gelten wie für die Übertragung des Vollrechts im Wege der translativen Sukzession278. Vollzieht sich die Belastung einer Forderung in rechtskonstruktiver Hinsicht als Übertragung eines aus dem Stammrecht abgespaltenen Teils des Forderungsrechts auf den beschränkten Berechtigten, dann liegt es nahe, die insofern bestehende planwidrige Regelungslücke – für Wirksamkeitsmängel bei der Bestellung beschränkter Rechte an Forderungen existieren keine Sondervorschriften – im Wege der analogen Anwendung des § 405 BGB zu schließen. Die Interessenlage des Zessionars und des beschränkt Berechtigten sind in jeder Hinsicht vergleichbar, weil sie gleichermaßen auf einen effektiven Verkehrs- und Erwerberschutz angewiesen sind. Außerdem hat der Schuldner in beiden Fällen mittels Autorisation der Schuldurkunde einen zurechenbaren Rechtsschein für das Bestehen einer wirksamen, verkehrsfähigen Forderung gesetzt, worauf der jeweilige Erwerber auch vertrauen durfte. Für andere als Forderungsrechte gilt § 405 BGB dem Grunde nach schon mittels Verweisung des § 413 BGB279.
276 RG WarnRspr. 1914 Nr. 245; Siber, in: Planck, BGB, § 405 Anm. 6; Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 30; Roth, in: MünchKommBGB, § 405 Rn. 12; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 79 II 3 Fn. 8; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 93; Ramdohr, Gruchot 44 (1900), 658, 684 f.; Stoll, AcP 135 (1932), 89, 114. 277 Vgl. auch Siber, in: Planck, BGB, § 405 Anm. 6; Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 30; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 79 II 3 Fn. 8. 278 Siehe dazu oben § 2 III. 3. b). 279 Vgl. zum übertragbaren Vertragsangebot etwa RGZ 111, 46, 47; Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 31; Westermann, in: Erman, BGB, § 405 Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 405 Rn. 1; Omlor, Verkehrsschutz, S. 238; vgl. noch Roth, in: MünchKommBGB, § 405 Rn. 12.
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bb) Anwendung auf andere Wirksamkeitsmängel Davon abgesehen ist die analoge Anwendung des § 405 BGB auf andere als die gesetzlich vorgesehenen Wirksamkeitsmängel sehr umstritten. Bewertet man die Gesetzesfassung der Gutglaubensvorschrift als „dogmengeschichtlichen Zufall“ und beklagt „unter Gerechtigkeitsaspekten“ das Fehlen eines rechtfertigenden Grundes für den eingeschränkten Anwendungsbereich der Norm280, gelangt man mit einem beachtlichen Teil der Literatur leicht zu einem erweiternden Verständnis des § 405 BGB281. Letztlich diene der Gutglaubenstatbestand dem Schutz des Rechtsverkehrs und dem Vertrauensinteresse des Zessionars. Sei unter bewusster Beteiligung des Schuldners ein Rechtsscheintatbestand in Form der Schuldurkunde geschaffen worden, dann müsse der Anwendungsbereich des § 405 BGB auf sämtliche Einwendungen ausgedehnt werden, die dem Schuldner bei Erstellung der Schuldurkunde bekannt waren282. Diese Position ist de lege ferenda durchaus erwägenswert283; de lege lata verbietet sich indes eine über die ausdrücklich normierten Unwirksamkeitsgründe hinausgehende Anwendung des § 405 BGB. Da die klare Grenze des Gesetzeswortlauts einer teleologischen Extension entgegensteht284, ließe sich die Ausdehnung des in § 405 BGB niedergelegten Regelungsgedankens in rechtsmethodischer Hinsicht nur im Wege der Analogiebildung bewerkstelligen. Die analoge Anwendung scheitert zwar nicht daran, dass es sich bei § 405 BGB um eine Ausnahmevorschrift handelt285. Denn auch Ausnahmevorschriften sind im Rahmen ihres begrenzten Normzwecks einer Analogiebildung zugänglich286, wenngleich zu beachten ist, dass die erweiternde Auslegung das gesetzlich vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht in sein Gegenteil verkehren darf. Die Analogiebildung scheitert aber jedenfalls an der notwendigen Planwidrigkeit der Regelungslücke. Insbesondere dürfen die Erwägungen, die den historischen Gesetzgeber zur Regelung des gutgläubigen Forderungserwerbs veranlasst haben, nicht unberücksichtigt bleiben. Das gilt auch und gerade dann, wenn es sich bei § 405 BGB tatsächlich um einen „dogmengeschichtlichen Zufall“ handeln sollte. Denn es ist nicht die Aufgabe des Rechtsanwenders, be280 Beide Zitate: Canaris, Vertrauenshaftung, S. 98; Hervorhebungen im Original weggelassen. 281 Mit Unterschieden im Detail Canaris, Vertrauenshaftung, S. 97 ff.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 317; im Ergebnis auch Roth, in: MünchKommBGB, § 405 Rn. 13, der die Haftung aber „aus den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung (bzw.) des venire contra factum proprium“ herleiten will; für eine Erweiterung bereits Wellspacher, Vertrauen, S. 64 f. 282 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 98. 283 Siehe unten § 11 III. 6. d). 284 Zur Bedeutung des Wortlauts als Auslegungsgrenze siehe nur Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 143 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 440 ff. 285 Es handelt sich um eine Ausnahme vom Nemo-plus-iuris-Grundsatz sowie vom Einwendungserhalt des § 404 BGB; zum letzteren Aspekt siehe unten § 15 III. 1. 286 Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn. 120; Canaris, Feststellung, S. 180 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 185 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 355 f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 489a; Bydlinski, Methodenlehre, S. 440; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 298; Würdinger, JuS 2008, 949 ff.
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wusste Entscheidungen des historischen Gesetzgebers zu korrigieren. Hierzu ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, die für die Zulassung des redlichen Erwerbs eine besondere Rolle spielen287, allein der demokratisch legitimierte Gesetzgeber berufen. Nur wenn sich die historischen Vorstellungen nicht länger mit dem aktuellen Stand der Rechtsdogmatik in Einklang bringen lassen und eine neue, alternative Deutung mit den Wertungen der gesetzlichen Vorschriften besser harmoniert, kommt ein Abgehen vom originären Willen des Gesetzgebers in Betracht288. Diese Voraussetzungen liegen für die von der Gegenauffassung befürwortete Ausdehnung des § 405 BGB nicht vor: Ein Blick in die Protokolle zum BGB lehrt, dass es der 2. Kommission mit der Schaffung des § 405 BGB primär darum zutun war, eine „Spezialvorschrift (…) zu Gunsten des auf die Gültigkeit des Scheingeschäfts vertrauenden Dritten“ zu kodifizieren289. Der historische Gesetzgeber verfolgte gerade keinen Ansatz zur umfassenden Gewährleistung von Vertrauensschutz für verbriefte Forderungen. Dass § 405 BGB auf die Regelung eines Spezialproblems abzielte, hebt die 2. Kommission mit den Worten hervor, dass sich der Dritte „(…) nicht darauf verlassen darf, daß die Urkunde (…) den Vertragswillen vollständig enthalte, daß nicht noch andere Abreden zwischen den Parteien getroffen seien, und noch weniger könne die Ausstellung der Urkunde die Annahme rechtfertigen, daß keine Aenderung des beurkundeten Rechtsverhältnisses vereinbart werde, keine Tilgung der beurkundeten Schuld erfolge, ohne auf der Urkunde ersichtlich gemacht zu werden“290.
An dieser restriktiven Grundhaltung der 2. Kommission änderte sich auch nichts, als § 405 BGB im Rahmen der 2. Lesung um das Abtretungshindernis des heutigen § 399 Alt. 2 BGB ergänzt wurde. Die mit neun zu neun Stimmen durch Stichentscheid des Vorsitzenden beschlossene Änderung sollte lediglich der Meinung Ausdruck verleihen291, „(…) daß neben der weiten Ausdehnung, die der Schutz des guten Glaubens im Sachenrecht erfahren habe, es befremden müßte, wenn nicht auch der gutgläubige Erwerber einer Forderung weiter, als der Entw(urf) dies bisher thue geschützt würde. Der Schuldner dürfe sich nicht beklagen, wenn er so unvorsichtig sei, die Abrede der Unübertragbarkeit nicht in die Urkunde aufzunehmen, bei späterer Vereinbarung aber lasse sich der Vorschrift durch einen Vermerk auf der Urkunde genügen.“
Im Übrigen ist die legislatorische Richtungsentscheidung vor dem Hintergrund der wechselvollen Dogmengeschichte der Zessionslehre gut nachvollziehbar. Nur zögerlich vermochte sich die Überzeugung Bahn zu brechen, dass Forderungen auch ohne Beteiligung des Schuldners übertragbar sind. Da man 287
Siehe oben § 11 II. 4. So schon oben § 1 II. 4. 289 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 389. – Zur vorausgegangenen Diskussion über einen umfassenden Schutz Dritter gegen Scheingeschäfte siehe Motive zum BGB, Bd. 1, S. 193; Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 97. 290 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 390 f. 291 Protokolle zum BGB, Bd. 6, S. 168. 288
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zugunsten der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs auf die Zustimmung des Schuldners bewusst verzichtete und sich insofern gegen jedweden Schuldnerschutz ex ante aussprach, war eine effektive Absicherung der Schuldnerinteressen durch ein besonderes Schuldnerschutzsystem mit Wirkung ex post unverzichtbar (vgl. §§ 404, 406 ff. BGB). Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber die Schuldnerschutzbestimmungen – allen voran den grundlegenden § 404 BGB, den § 405 BGB in Bezug nimmt, – nicht mittels ausschweifender Gutglaubensvorschriften wieder unterlaufen wollte. Deshalb entschied sich die 2. Kommission dafür, die Ausnahmevorschrift auf die Spezialfälle Scheingeschäft und Abtretungsverbot zu beschränken, alle übrigen Einwendungen des Schuldners indes unangetastet zu lassen, und zwar selbst dann, wenn der Schuldner an der fehlerhaften Schuldurkunde bewusst mitgewirkt hat. Die berechtigten Haftungsinteressen des Zessionars werden durch deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 iVm. § 263 StGB292 und § 826 BGB gesichert. Andere als die genannten Einwendungen sind von § 405 BGB demnach nicht erfasst und stehen einem Forderungserwerb notwendig entgegen293. Der Schuldner kann sie dem Zessionar daher wirksam gem. § 404 BGB entgegenhalten294. d) Rechtspolitische Bewertung Obgleich de lege lata zutreffend, kann die Limitierung des § 405 BGB auf zwei ausgewählte Einwendungen de lege ferenda nicht überzeugen. In ihrer konkreten Ausgestaltung entbehrt die Gutglaubensvorschrift schlichtweg der inneren Logik. Es bestehen zwei Möglichkeiten, diesen Strukturmangel zu beseitigen: Entweder man dehnt den Anwendungsbereich des § 405 BGB auf sämtliche, dem Schuldner zurechenbare Einwendungen aus, wofür eine starke Meinungsgruppe bereits de lege lata plädiert295, oder aber man entscheidet sich für eine ersatzlose Streichung des § 405 BGB296. Als überzeugend erweist sich die Ausdehnung des § 405 BGB de lege ferenda: Eingangs ist bereits herausgestellt worden, dass die Schuldurkunde einen tauglichen Rechtsscheinträger bildet, der seine Legitimation einerseits aus Verkehrsschutzgründen und dem Vertrauensinteresse des Zessionars und andererseits aus der zurechenbaren Veranlassung des zu überwindenden Wirksamkeitshindernisses speist297. In Anknüpfung an das Zurechnungsprinzip sprechen 292
Vgl. schon Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 390. Wie hier im Ergebnis auch RGZ 71, 30, 31; 74, 416, 421; RG WarnRspr. 1912 Nr. 334; BGHZ 25, 27, 30; Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 13; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 405 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 405 Rn. 10; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 6 II. 294 Dazu RGZ 71, 30, 31; Busche, in: Staudinger, BGB, § 405 Rn. 14. 295 Siehe nochmals oben Fn. 281. 296 In diese Richtung offenkundig Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 6 I. 297 Siehe oben § 11 III. 6. a). 293
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daher die besseren Argumente für eine Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs auf sämtliche zurechenbar veranlassten Einwendungen. Zum einen ist der Schuldner nicht schutzwürdig, wenn er eine Schuldurkunde in dem Bewusstsein ausstellt, dass die in ihr verkörperte Forderung aufgrund von Einwendungen tatsächlich nicht existiert oder nicht durchsetzbar ist. Zum anderen besteht kein Anlass dem Zessionar die Schutzbedürftigkeit bei sämtlichen Einwendungen abzusprechen, mit denen er in Ansehung der Schuldurkunde nicht zu rechnen brauchte. Der Regelungsgehalt des § 405 BGB erweist sich vor diesem Hintergrund als lückenhaft und im Hinblick auf das Gesamtsystem des Gutglaubenserwerbs wenig stringent. Der Gesetzgeber ist daher aufgerufen, den sachlichen Anwendungsbereich des § 405 BGB auf sämtliche dem Schuldner zurechenbaren, aus der Schuldurkunde nicht ersichtlichen Einwendungen auszudehnen.
IV. Rechtsgeschäftlicher Erwerb Nachdem die maßgeblichen Grundlagen des privatrechtlichen Gutglaubenssystems gelegt sind, gilt es nun, die zentralen, weitgehend übereinstimmenden Merkmale der Gutglaubenstatbestände zu untersuchen. Es wird sich zeigen, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale anhand der bisher herausgearbeiteten Gutglaubensprinzipien erklärbar sind. Das betrifft (1.) das Verkehrsschutzprinzip298, (2.) das Zurechnungsprinzip sowie (3.) die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz. Besonders anschaulich lässt sich die Verwirklichung des Verkehrsschutzprinzips am Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Erwerbs exemplifizieren299:
1. Rechtserwerb kraft Gesetzes Nur wenn der Gutgläubige den Verfügungsgegenstand aufgrund eines Rechtsgeschäfts erwirbt, sind die überindividuellen Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs berührt und nur dann bringt der Erwerber dem Veräußerer auch tatsächlich ein relevantes Vertrauen in die materielle Berechtigung entgegen. Vollzieht sich der Rechtsübergang hingegen kraft Ge-
298 Den Verkehrsschutzgedanken betonten bereits J. Hager, Verkehrsschutz, S. 227 ff. und passim; Karner, Mobiliarerwerb, S. 121 ff. 299 Für diese Erwerbsvoraussetzung siehe Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 6; S. Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 24; J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 9 f.; Siegmann/ Höger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2366 Rn. 3; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 35; § 932 Rn. 4; dens., JuS 1975, 205, 206; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 618; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 547; Schreiber, Sachenrecht, Rn. 165; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 710; Lieder, Jura 2010, 801, 803; Zeranski, JuS 2002, 340; kritisch J. Hager, Verkehrsschutz, S. 96 ff.
IV. Rechtsgeschäftlicher Erwerb
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setzes, machen „Bedürfnisse des Verkehrs, zu deren Schutze eine Abweichung von dem ordentlichen Gange des Rechts angezeigt wären, sich nicht geltend“300. Sieht man den Gutglaubenserwerb primär im Verkehrsschutzprinzip verankert, das seinerseits aus der im systemprägenden Grundsatz der Privatautonomie verankerten Sukzessionsfreiheit abzuleiten ist301, dann fehlt die für den redlichen Erwerb notwendige Legitimationsgrundlage, wenn sich der Rechtsübergang kraft Gesetzes vollzieht, weil sich dann weder die Sukzessionsfreiheit der Beteiligten realisiert noch übergeordnete Aspekte der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit tangiert sind. Der Verfügungsgegenstand geht vielmehr kraft Gesetzes über, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Übergangsvorschrift erfüllt sind. Ein berechtigtes Erwerbervertrauen auf die Richtigkeit eines etwaigen Rechtsscheins kann für den Rechtsübergang von vornherein keine Rolle spielen302. Auch wenn mit dem Rechtserwerb ein – gelegentliches – Vertrauen des Erwerbers einhergehen mag, kann eine Kausalbeziehung zwischen Vertrauen und Erwerb sicher ausgeschlossen werden303, soweit das Erwerbervertrauen nicht ausnahmsweise reguläres Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Übertragungsvorschrift ist. Das Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Erwerbs steht außerdem in Einklang mit der Interpretation der Gutglaubensvorschriften im Sinne abstraktpotenzieller Vertrauenstatbestände. Zwar ist nach der Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz nicht erforderlich, dass der Erwerber konkrete Kenntnis vom Rechtsscheintatbestand hatte und auf die dort ausgewiesene Rechtslage positiv vertraut hat304. Allerdings scheidet nach der Lehre von der potenziellen Kausalität die Anwendung von Gutglaubenstatbeständen sicher aus, wenn der Erwerber nicht einmal potenziell auf den Rechtsschein vertraut haben kann305. Ist damit selbst ein potenzielles hingegen unter allen Umständen denknotwendig ausgeschlossen, dann ist der Erwerber a priori nicht schutzwürdig und kommt auch nicht in den Genuss der Gutglaubensvorschrift. Genau so liegt der Fall bei einem gesetzlichen Erwerb, bei dem das Vertrauen auf den Rechts300 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 357. Zum Rechtsübergang im Erbfall heißt es ebenda weiter: „Der Erbe (…) stellt mit dem Erblasser Eine Person vor (sic!); die Rechtsverhältnisse, in welchen jener stand, erleiden mit dem Uebergang auf diesen grundsätzlich eine Aenderung zum Nachtheil anderer Personen nicht“. In der Sache übereinstimmend Motive zum BGB, Bd. 3, S. 214. Gegen eine Begründung aus dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes Quantz, Besitz, S. 294 f. 301 Siehe oben § 4 I. 302 Vgl. Locher, Neugestaltung, S. 115. 303 Vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 32; Lieder, Jura 2010, 801, 803. 304 Siehe oben § 11 II. 4. und unten § 11 VI. 3. 305 Zum Konzept der potenziellen Kausalität (zu § 15 Abs. 1 HGB) bereits ausf. Lieder, JbJZ 2010, 121, 133 ff.; ferner Canaris, Handelsrecht, § 5 Rn. 14, 19; J. Koch, in: GroßkommHGB, § 15 Rn. 25; Krebs, in: MünchKommHGB, § 15 Rn. 22. Zum Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Erwerbs bereits Endemann, Lehrbuch, 6. Aufl. 1900, § 62, 2a; ferner Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 81; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 32.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
schein a priori keine Rolle gespielt haben kann. Das gilt insbesondere für den surrogationsweisen Erwerb und den Erwerb kraft erbrechtlicher Universalsukzession (§ 1922 BGB)306.
2. Rechtserwerb kraft Hoheitsakts Vollzieht sich der Rechtserwerb kraft Hoheitsakts, scheidet ein redlicher Erwerb nach geltender Rechtslage ebenfalls aus307. Noch im sachenrechtlichen Vorentwurf war vorgesehen, dass auch der Rechtsübergang kraft Hoheitsakts vom öffentlichen Glauben des Grundbuchs erfasst sein sollte308. Auch die 1. BGB-Kommission billigte diesen Ansatz unter Hinweis auf „die neuere Rechtsentwicklung“309. Zugleich räumte die Kommission mit dieser extensiven Ausgestaltung des Gutglaubenserwerbs den Verkehrsinteressen gegenüber dem Erhaltungsinteresse des wahren Berechtigten den uneingeschränkten Vorrang ein und schaffte es zugleich, Ausnahmen vom Gutglaubensprinzip so weit wie möglich zu vermeiden310. Nicht zuletzt aufgrund der im Schrifttum vorgetragenen Kritik, sah sich die 2. BGB-Kommission gezwungen, in der Frage des hoheitlichen Rechtserwerbs zurückzurudern und diese Fälle aus dem Anwendungsbereich der Gutglaubensvorschriften wieder herauszunehmen. Auch wenn die Kommission weiterhin die Leichtigkeit des Grundstücks- und Kreditverkehrs zu gewährleisten suchte, rückte sie die Interessen des wahren Eigentümers wieder mehr in den Vordergrund, um die tangierten Interessen zu einem allseits befriedigenden Ausgleich zu bringen311. In der Sache war die 2. Kommission der Auffassung, dass sich das Befriedigungsinteresse des Gläubigers auf das tatsächliche Vermögen des Schuldners beschränke; ein darüber hinausgehendes Interesse an der Inanspruchnahme von Vermögensstücken anderer Personen sei hingegen nicht anzuerkennen312. Deshalb entschied man sich ausdrücklich gegen den Gutglaubensschutz im Falle der Zwangsvollstreckung313, namentlich für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in schuldnerfremde Sachen314. Das ist schon deshalb überzeugend, weil der Gläubiger für einen Zugriff auf schuldner306 Zu beidem näher Kohler, Jura 2008, 321, 322 f.; vgl. ferner Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 10 II 1; Weber, JuS 1999, 1, 8. 307 Dazu ausf. Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 28 ff.; ders., Jura 2008, 321 f. 308 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 358. 309 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 213. Für den Erbschein enthielt sich die Kommission einer besonderen Regelung; vgl. Motive zum BGB, Bd. 5, S. 572. 310 Dazu näher Schubert, Entstehung, S. 109 f., 117 f. 311 Siehe ausf. Schubert, Entstehung, S. 137 ff., 143. 312 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 78. 313 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 77 ff., 707 f. 314 Ganz h.M.; siehe nur BGHZ 9, 250, 253; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 90; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 6; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 29 f.; Wieling, Sachenrecht I, § 10 II 1 a; Zeranski, JuS 2002, 340, 341; a.A. noch Lüke, NJW 1954, 1669, 1672.
V. Lehre vom Verkehrsgeschäft
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fremde Sachen kein besonderes Interesse vorweisen kann315. Entsprechendes gilt für den Eigentumserwerb im Wege der Enteignung316. In rechtsdogmatischer Hinsicht unterstreicht die Bereichsausnahme für den hoheitlichen Erwerb seine Rückbindung an den Schutz berechtigter Verkehrsinteressen, die in besonderem Maße bei rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorgängen von Bedeutung sind, nicht aber in gleichem Maße bei einem hoheitlichen Zugriff auf das Schuldnervermögen. Der Gläubiger repräsentiert – anders als der Erwerber eines Umsatzgeschäfts – hier schwerlich den Rechtsverkehr. Überindividuelle Interessen der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit bleiben daher außer Betracht. Es ermangelt folglich einer der tragenden Legitimationssäulen des redlichen Erwerbs. Steht indes keine Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in das Schuldnervermögen in Rede, sondern die zwangsweise Durchsetzung eines individuellen Anspruchs auf Rechtsänderung, dann kommt ein redlicher Erwerb sehr wohl in Betracht317. Wertungsmäßig ist der Erwerber, der seinen schuldrechtlichen Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen muss, nämlich ebenso schutzwürdig, wie der Erwerber, dem der Veräußerer den Verfügungsgegenstand anstandslos übergeben hat. Auch wenn sich der Erwerber zur Realisierung seiner Ansprüche gerichtlicher Hilfe bedient, repräsentiert er den Rechtsverkehr. Die Interessenlage der Beteiligten ist demnach deckungsgleich, ob der Veräußerer nun freiwillig liefert oder durch Zwangsmaßnahmen dazu veranlasst wird. Daraus zieht § 898 ZPO die zutreffende Konsequenz, gem. §§ 894, 897 ZPO die Geltung der Gutglaubensvorschriften anzuordnen.
V. Lehre vom Verkehrsgeschäft Auch das von der heute h.M. in sämtliche Gutglaubensvorschriften hineingelesene Tatbestandsmerkmal des Verkehrsgeschäfts findet seine teleologische Grundlage im Verkehrsschutzinteresse318 sowie in der Lehre vom abstrakt-potenziellen Vertrauensschutz. Rechtsprechung und Schrifttum ist es allerdings bisher nicht gelungen, eine kohärente Präzisierung dieses ungeschriebenen Erfordernisses des Gutglaubenserwerbs zu entwickeln, die über die Kasuistik des reichen Fallrechts hinausgehen würde. Nach der Grundlagenorientierung der vorliegenden Untersuchung ist hier nicht der Ort, eine in sich stimmige Lehre vom Verkehrsgeschäft im Einzelnen auszubuchstabieren. Vielmehr soll nach315
Vgl. Locher, Neugestaltung, S. 116. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 94; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 28; v. Schweinitz, in: AK, BGB, §§ 892, 893 Rn. 50; a.A. OLG Hamm NJW 1966, 1132. 317 Dazu und zum Folgenden Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 6; Wieling, Sachenrecht I, § 10 II 1 a; (für § 16 Abs. 3 GmbHG) Wiersch, Erwerb, S. 75 f. 318 BGHZ 173, 71 Tz. 23 a.E.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 97; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 33; Rosenberg, Sachenrecht, § 892 Anm. II 3 c , ; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 159. 316
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folgend anhand prominenter Fallgestaltungen lediglich die grundsätzliche Bedeutung der Verkehrsgeschäftslehre für das Gesamtsystem der Gutglaubenstatbestände aufgezeigt werden.
1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Lehre vom Verkehrsgeschäft kommt ein redlicher Erwerb nur in Betracht, wenn der Erwerber im Verhältnis zum Veräußerer als außenstehender Dritter anzusehen ist. Umgekehrt scheitert der Gutglaubenserwerb, wenn auf Veräußerer- und Erwerberseite dieselben Personen beteiligt sind319. Die Vertragsparteien dürfen weder in persönlicher320 noch wirtschaftlicher321 Hinsicht identisch sein. Ein redlicher Erwerb scheidet demnach aus, wenn sich eine Bruchteilsgemeinschaft von Grundstückseigentümern personenidentisch in eine Gesamthandsgemeinschaft umwandelt (und umgekehrt)322 oder wenn eine Erbengemeinschaft Nachlassgegenstände an eine personenidentische Personengesellschaft überträgt323. Nach dem gleichen Gedanken ist ein Gutglaubenserwerb auch bei der rechtsgeschäftlichen Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ausgeschlossen324. In rechtssystematischer Hinsicht fungiert die von der h.M. vertretene Lehre vom Verkehrsgeschäft als negatives Tatbestandsmerkmal325, das ausgewählte Fallkonstellationen dem Schutz der Gutglaubensvorschriften entzieht. Die im Schrifttum vertretene Gegenauffassung gibt zu bedenken, dass ein Grundsatz, der den Nichtberechtigte an einem späteren Rechtserwerb hindern 319
Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 97; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 24, 33; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 548; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 159; Zeranski, JuS 2002, 340, 341; Tiedtke, Erwerb, S. 6. 320 Vgl. BGHZ 173, 71 Tz. 22; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 7; Wieling, Sachenrecht I, § 10 II 1 b; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 548 f.; Musielak, JuS 1992, 713, 714; Weber, JuS 1999, 1, 8; Tiedtke, Jura 1983, 460, 461. 321 Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 7; Pikart, in: RGRK, BGB, § 932 Rn. 31; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 2408; Prütting, Sachenrecht, Rn. 424; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 8; Wieling, Sachenrecht, § 10 II 1 b; Musielak, JuS 1992, 713, 714; Zeranski, JuS 2002, 340, 341; Tiedtke, Erwerb, S. 7 f. 322 KG OLGE 46, 46 f.; Augustin, in: RGRK, BGB, § 892 Rn. 10; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 99; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 37; Stürner, in: Soergel, BGB, § 892 Rn. 21; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 45 I 4; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 160. 323 RGZ 117, 257, 265 ff.; OLG Hamburg OLGE 46, 72 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 99; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 37; für weitere Fälle vgl. K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 517 ff. 324 KG JW 1927, 1000, 1001; OLG Hamm FamRZ 1975, 510, 513 f.; J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 11; Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 25; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 1067; Kuchinke, Jura 1981, 281, 285; Lieder, Jura 2010, 801, 803; Muscheler, Jura 2009, 731, 738; Wiegand, JuS 1975, 283, 284 Fn. 4. 325 Vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 66; zur Bedeutung der Beweislastumkehr siehe Peters, Entzug, S. 133; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 101.
V. Lehre vom Verkehrsgeschäft
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könne, dem geltenden Recht fremd sei326. Zudem könnten durch die Anwendung der Verkehrsgeschäftslehre zentrale Wertungen des Gutglaubenserwerbs unterlaufen werden, und zwar namentlich die Grundsätze der allgemeinen Wissenszurechnung, die Wirksamkeit unentgeltlicher Rechtsgeschäfte und die Beweislastregeln.
2. Stellungnahme In der Sache handelt es sich bei der Lehre vom Verkehrsgeschäft um eine Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs der Gutglaubensvorschriften aus Billigkeitsgründen. Man mag das Konzept mit der Gegenauffassung kritisieren, schlichtweg ablehnen kann man es indes nicht327. Denn es besteht tatsächlich die Notwendigkeit für ein solches Korrektiv, das – auch unter Berücksichtigung der Kritikpunkte – letztlich nur der Verwirklichung des den Gutglaubenstatbeständen zugrunde liegenden Regelungsziels zu dienen bestimmt ist. Den Bedenken der Kritiker ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die angesprochenen Problempunkte bei der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall hinreichend berücksichtigt werden. a) Teleologische Reduktion der Gutglaubensvorschriften Der Beschränkung auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb vergleichbar beschränkt die Lehre vom Verkehrsgeschäft den Anwendungsbereich der Gutglaubensregeln auf Fallgestaltungen, in welchen tatsächlich Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs berührt sind. Der Kerngedanke besteht darin, dass die Gutglaubensvorschriften nicht primär dem individuellen Schutz des redlichen Erwerbers zu dienen bestimmt sind, sondern das überindividuelle Verkehrsinteresse schützen sollen. Den Schutz, den der Erwerber im Einzelfall erfährt, indem sein Erwerbsinteresse dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten vorgezogen wird, ist nur ein reflexartiger. Der Erwerber repräsentiert nur den Rechtsverkehr, ohne selbst primäres Schutzsubjekt der Gutglaubensvorschriften zu sein. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Anwendungsbereich der Gutglaubensvorschriften einzuschränken bzw. ihre Anwendung vollkommen auszuschließen ist, wenn der Erwerber im konkreten Einzelfall nicht als Repräsentant der überindividuellen Verkehrsinteressen fungiert328. Wo er nur formal als Erwerber tätig wird, nicht aber wie ein unbeteiligter Dritter gegenüber dem Veräußerer auftritt, kommen die Regeln über den 326 Siehe insbesondere Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 35 f.; kritisch zur h.M. auch J. Hager, Verkehrsschutz, S. 118 ff. 327 Gegen die Kritik auch Gursky, AcP 191 (1991), 368 ff. 328 Ähnlich Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 43: „Repräsentant der Allgemeinheit“.
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gutgläubigen Erwerb nicht zur Anwendung. Nur der außenstehende Gutgläubige, der im Wege der Einzelnachfolge ein Vermögensrecht erwirbt und weder aus rechtlicher noch aus wirtschaftlicher Perspektive gleichsam aufseiten des Veräußerers steht, darf als Repräsentant des Rechtsverkehrs gelten. Steht er bei der Vornahme des Erwerbsgeschäfts indes – bildlich gesprochen – nicht auf der Seite des allgemeinen Rechtsverkehrs, sondern auf der Veräußererseite, dann ist das Verkehrsinteresse bei Vornahme dieses Geschäfts nicht tangiert und deshalb fehlt zugleich die zentrale Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb. Erkennt man die Gutglaubensvorschriften als Konfliktlösungsinstrument, das verschiedene Interessen zu einem angemessenen Ausgleich bringen will, dann leuchtet es unmittelbar ein, dass mit dem Wegfall des bedeutendsten Legitimationselements – des Verkehrsinteresses – der Rechtsverlust beim wahren Berechtigten schwerlich zu rechtfertigen ist. Deshalb beschränkt die Lehre vom Verkehrsgeschäft Gutglaubensvorschriften im Wege der teleologischen Reduktion329 auf solche Anwendungsfälle, in denen das Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs tatsächlich berührt ist. Sind also Verkehrsinteressen nicht berührt, da der Erwerber bei wertender Betrachtung nicht dem Rechtsverkehr zugeordnet werden kann, ist eine teleologische Korrektur zugunsten des wahren Rechtsinhabers unumgänglich. b) Konkretisierung anhand prominenter Beispiele Allerdings ist mit der rechtsdogmatischen Verortung der Verkehrsgeschäftslehre für die praktische Rechtsanwendung und die Präzisierung der Doktrin verhältnismäßig wenig gewonnen. Denn unter dem Obergriff des Verkehrsgeschäfts werden eine ganze Reihe zum Teil sehr heterogener Fallgestaltungen zusammengefasst, für die sich – sieht man einmal vom Verkehrsschutzgedanken ab – eine verbindende Idee schwerlich finden lässt. Zudem dürfen sich – das ist eine Konzession an die Kritik der Gegenauffassung – die Fallgruppen der Verkehrsgeschäftslehre nicht zu den grundlegenden Wertungen der Wissenszurechnung, des Abstraktionsprinzips und der Darlegungs- und Beweislastverteilung in Widerspruch setzen. Angezeigt ist daher eine differenzierende Betrachtung, die auch das Interesse des wahren Berechtigten in den Blick nimmt, seine Rechtsposition nicht an einen Erwerber zu verlieren, der im Einzelfall gerade nicht als Teil des allgemeinen Rechtsverkehrs fungiert. Nur soweit der Erwerber als Repräsentant des Rechtsverkehrs auftritt, kommt auch ein redlicher Erwerb in Betracht. Deshalb scheidet ein Verkehrsgeschäft beispielsweise aus, wenn der gutgläubige Bucheigentümer zu seinen Gunsten eine Eigentümergrundschuld zu be-
329 Ebenso Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 43; Musielak, JuS 1992, 713, 714; Kindler/Paulus, JuS 2013, 393, 395; Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 141.
V. Lehre vom Verkehrsgeschäft
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stellen sucht330. Auch scheitert der redliche Erwerb des Miterben, der Gegenstände im Rahmen der erbrechtlichen Auseinandersetzung erwirbt331. Denn der betreffende Miterbe wird in diesem Fall auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts sowohl als (Mit-)Veräußerer als auch als Erwerber tätig. Den allgemeinen Rechtsverkehr, dessen Schutz die Gutglaubensvorschriften bezwecken, repräsentiert er in dieser Eigenschaft nicht. Entsprechendes gilt, wenn eine Erbengemeinschaft Nachlassgegenstände an eine personenidentische Personengesellschaft überträgt332 oder sich eine Bruchteilsgemeinschaft in eine personenidentische Gesamthandsgemeinschaft umwandelt (und umgekehrt)333. Leistet ein Gesellschafter hingegen eine Sacheinlage an eine GmbH, welcher er als Gesellschafter angehört, dann scheitert dieser Erwerbsvorgang – nach zutreffender h.M.334 – nicht allein an dem Umstand, dass er bei einer späteren Liquidation an der Verwertung des Verfügungsgegenstandes partizipieren würde. Vielmehr ist die rechtliche Verselbstständigung der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern (Trennungsgrundsatz) auch im Zusammenhang mit dem Gutglaubenserwerb ernst zu nehmen. Das gilt in besonderem Maße für Kapitalgesellschaften, weil die eingebrachten Einlagen dort ein Gegengewicht zur fehlenden persönlichen Haftung der Gesellschafter bilden. Sie schaffen im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes einen garantierten Haftungsfonds; ihre Leistung entlastet die Mitgesellschafter bei der GmbH außerdem von der Gefahr, nach § 24 GmbHG auf Ausgleich in Anspruch genommen zu werden. Die Zulassung des redlichen Erwerbs dient in diesem Zusammenhang folglich mittelbar auch dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger und Mitgesellschafter. Umstritten ist, ob dies auch für die Einlageleistung in der Einpersonengesellschaft gilt335. Einzig konsequent ist es, auch in diesem Fall eine Ausnahme vom redlichen Erwerb abzulehnen. Dementsprechend kann die GmbH von ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer redlich erwerben, solange er nur gutgläubig ist. Die GmbH als verselbstständigter Rechtsträger repräsentiert bei diesem Erwerbsgeschäft schon mit Blick auf die tangierten Gläubigerbelange die Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Im Übrigen finden die allgemeinen Grundsätze über die Wissenszurechnung in juristischen Personen 330 RG DRiZ 1927 Nr. 115; WarnRspr. 1934 Nr. 38; Augustin, in: RGRK, BGB, § 892 Rn. 9; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 892 Rn. 6; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 98; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 35; Stürner, in: Soergel, BGB, § 892 Rn. 23; Wieling, Sachenrecht I, § 10 II 1 b; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 160; K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 524; a.A. Heck, Sachenrecht, § 44 II 2; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 123, 145. 331 Siehe die Nachw. in Fn. 324. 332 Siehe die Nachw. in Fn. 323. 333 Siehe die Nachw. in Fn. 322. 334 BGH NJW-RR 2003, 170, 171; zust. schon Bayer/Lieder, WuB II C. § 5 GmbHG 1.04; ebenso Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 34 f.; Märtens, in: MünchKommGmbHG, § 5 Rn. 80; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 5 Rn. 48. 335 Dafür Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 36; ablehnend BGHZ 173, 71 Tz. 22; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 7; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 5 Rn. 48 a.E.; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 8.
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Anwendung336. Nur wenn sämtliche Mitglieder des Vertretungsorgans bei Vornahme des Erwerbsgeschäfts gutgläubig waren, kommt ein redlicher Erwerb in Betracht337. Gleiches gilt für die Veräußerung einer Sache durch einen Gesamthänder an die Gesamthandsgesellschaft. Die übrigen Gesamthänder repräsentieren in dieser Konstellation den Rechtsverkehr, dessen Sicherheit und Leichtigkeit – die Redlichkeit aller Gesamthänder vorausgesetzt – durch die Anwendung der Gutglaubensvorschriften gewährleistet wird338.
VI. Redlichkeit des Erwerbers Den Schutz der Gutglaubensvorschriften kann nur beanspruchen, wer sich hinsichtlich der wahren Rechtslage in gutem Glauben befindet. Aus rechtshistorischer Perspektive ist bemerkenswert, dass das Redlichkeitserfordernis dem altgermanischen Recht fremd war und erst im Laufe der Rezeption des römischen Ersitzungsrechts in die deutsche Rechtskultur Einzug hielt (1.). Die moderne Doktrin rechtfertigt das Erfordernis des guten Glaubens heute mit rechtsökonomischen Überlegungen (2.). In rechtsdogmatischer Hinsicht lässt sich die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz zur Erklärung der maßgeblichen Anforderungen der Redlichkeit fruchtbar machen (3.). Die unterschiedlichen Redlichkeitsmaßstände der einzelnen Gutglaubenstatbestände resultieren aus der unterschiedlichen Qualität respektive Richtigkeitsgewähr der einzelnen Rechtsscheinträger (4.). Gemeinsam ist sämtlichen Tatbeständen schließlich, dass der gute Glaube nicht als zusätzliche Erwerbsvoraussetzung fungiert, sondern ein negatives Tatbestandsmerkmal bildet, für das der wahre Berechtigte im Streitfall darlegungs- und beweispflichtig ist (5.).
1. Rechtshistorische Grundlagen Die Redlichkeit des Erwerbers war nicht schon immer notwendige Voraussetzung des Rechtserwerbs vom Nichtberechtigten. Namentlich dem altdeutschen Recht war das Gutglaubenserfordernis fremd; der Ausschluss des Vindikationsanspruchs war von der Redlichkeit des Sachinhabers unabhängig. Erst im Laufe der Rezeption des römischen Rechts fand das Gutglaubenserfordernis Eingang in das deutsche Privatrecht. Entlehnt war die Redlichkeit des Erwerbers dem römischrechtlichen Institut der Ersitzung, die mit ihren kurzen Fristen in der 336 Vgl. dazu Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 35 f.; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 5 Rn. 48. 337 Siehe exemplarisch BGHZ 20, 149, 153; 41, 282, 287; 109, 327, 331. 338 Vgl. RGZ 117, 257, 267; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 102, 109; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 7; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 37; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 548; Habersack, Sachenrecht, Rn. 150.
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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damaligen Praxis eine dem redlichen Erwerb vergleichbare Wirkung zeitigte. Zentrale Voraussetzung des Rechtserwerbs auf Grundlage der Ersitzung war nach römischem Recht der gute Glaube des Eigenbesitzers339. Durchweg anerkannt – wenn auch zum Teil sehr unterschiedlich ausgestaltet – war das Redlichkeitserfordernis in den partikularrechtlichen Vorschriften über den öffentlichen Glauben von Pfand-, Hypotheken- und Grundbüchern340. Hieran knüpfte Reinhold Johows sachenrechtlicher Vorentwurf an und gab unter Hinweis auf die maßgeblichen Vorarbeiten Ferdinand Regelsbergers Folgendes zu bedenken341: „Kein redlicher Mann, der den materiellen Rechtszustand kennt, wird sich durch die unrichtige Darstellung in dem Grundbuche zu rechtlich unwirksamen Handlungen verleiten lassen. Wenn daher die Verhinderung von Täuschungen durch das Buch der Zweck ist, welchem der öffentliche Glaube desselben dient, so folgt, daß für den Gesetzgeber kein Grund vorliegt, auch denjenigen in Schutz zu nehmen, der sich auf eine Einschreibung beruft, deren Unrichtigkeit ihm bereits bei der von ihm gemachten bzw. versuchten Erwerbung bekannt war.“
Der Redaktor betont weiter, dass bei positiver Kenntnis des Erwerbers auch „(k)ein Verkehrsbedürfniß (…) eine Abweichung von dem gewöhnlichen Gange des Rechts“ fordere; gemeint war der Nemo-plus-iuris-Grundsatz. Vielmehr sei der gute Glaube „ein selbständiger, aus der Eigenthümlichkeit des Grundbuchrechts entwickelter, wesentlich negativer Begriff“342. Während der Beratungen zum BGB reflektierten die beiden Kommissionen intensiv über die inhaltlichen Anforderungen der Redlichkeit des Erwerbers. Die grundsätzliche Geltung des Gutglaubenserfordernisses wurde indes zu keiner Zeit mehr in Zweifel gezogen.
2. Moderne Rechtfertigung des Redlichkeitserfordernisses Heute wird das Redlichkeitserfordernis im Schrifttum verbreitet mit der Überlegung begründet, der bösgläubige Erwerber stelle sich außerhalb der Rechts339 Siehe nochmals oben § 11 I. 1. Vgl. noch Stagl, AcP 211 (2011), 530, 546 ff., der das Redlichkeitserfordernis und den Gutglaubenserwerb aus der Moraltheologie und dem Zusammenhang mit der Ersitzung zu begründen sucht. Gegen diese Auffassung sprechen indes die eingangs dargestellten Entwicklungsschritte des redlichen Erwerbs aus dem altgermanischen Recht heraus bis in die Moderne, die in ihrer Gesamtheit keine spezifische Nähe zum Rechtsinstitut der Ersitzung aufweisen (siehe oben § 11 I.). Damit wird nicht geleugnet, dass zumindest die teleologische Schutzrichtung der beiden Erwerbstatbestände vergleichbar ist. Dennoch ist zwischen Gutglaubenserwerb und Ersitzung streng zu trennen; vgl. nur Hübner, Rechtsverlust, S. 80 f. Zur Begriffsgeschichte siehe ausf. Wieling, Sachenrecht I, § 10 III 1. 340 Siehe die Zusammenstellung von Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 359 ff. 341 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 359 unter Hinweis auf Regelsberger, Hypothekenrecht, S. 155. 342 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 361.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
ordnung und verdiene deshalb – selbstverständlich343 – keinen Schutz344. Habe der Erwerber von der mangelnden Berechtigung des Veräußerers positive Kenntnis, dann fehle es überhaupt an dem erforderlichen Rechtsschein, der den Rechtsverlust des wahren Berechtigten im Verkehrsinteresse begründen könnte345. Diese Überlegungen verfehlen den Kern des Problems. Insbesondere vermögen sie nicht zu erklären, wie sich der Ausschluss des redlichen Erwerbs mit dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs in Einklang bringen lässt, dem die Gutglaubensvorschriften zu dienen bestimmt sind. Den zutreffenden Ansatzpunkt einer tiefergehenden Analyse bildet die eingangs herausgearbeitete Konfliktlösungsfunktion der Gutglaubensregeln einschließlich ihrer rechtsökonomischen Implikationen. Die Vorschriften über den redlichen Erwerb nehmen eine sensible Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des wahren Berechtigten auf der einen Seite und dem Erwerbsinteresse des Gutgläubigen sowie dem überindividuellen Allgemeininteresse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs auf der anderen Seite vor. In diesem Zusammenhang gebührt weder der einen noch der anderen Seite ein apriorisches Vorrecht. Die Abwägung geht dem Grunde nach zugunsten von Erwerber- und Verkehrsinteressen aus, weil Rechtsgeschäfte andernfalls an zu hohen Informationskosten der Erwerberseite scheitern würden; eine ineffiziente Ressourcenallokation und eine Beeinträchtigung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands wären die Folge. Die Gewichtung verschiebt sich indes, wenn dem Erwerber positiv bekannt ist (oder ihm aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist), dass der Veräußerer mangels materieller Berechtigung nicht in der Lage ist, ihm den Verfügungsgegenstand zu verschaffen346. Die Informationskosten für Nachforschungsmaßnahmen, die durch den Gutglaubenserwerb gesenkt werden sollen, fallen aufseiten des Erwerbers von vornherein nicht an, weil er entweder den wahren Berechtigen kennt oder zumindest keine nennenswerten Informationskosten aufwenden muss, um die Berechtigung des Veräußerers zu verifizieren. Außerdem kann der unredliche Erwerber auch das posttransaktionale Risiko, unnütze Aufwendungen auf den Verfügungsgegenstand zu tätigen, überblicken und vermeiden. Frustrierte Aufwendungen gehen in Kenntnis der Unwirksamkeit des Erwerbsvorgangs notwendig zu seinen Lasten. Umgekehrt wird der wahre Berechtigte bei Ausschluss des redlichen Erwerbs effektiv davon abgehalten, ökonomisch irrationale Informations- und Kontrollkosten aufzuwenden, um einen Rechtsverlust unter allen Umständen
343
Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 16: „Dass die positive Kenntnis (…) einen gutgläubigen Erwerb ausschließt, ist eine Selbstverständlichkeit“. Siehe aber nochmals die rechtshistorischen Grundlagen oben § 11 I. 344 Vgl. Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 44; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 552; Zeranski, JuS 2002, 340, 343. 345 Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 16; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 41. 346 Ähnlich auch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 613.
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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auszuschließen347. Der Berechtigte ist etwa nicht gezwungen, den Gegenstand aus Verlustangst überhaupt nicht mehr aus der Hand zu geben und sich damit von vornherein einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung zu begeben, die nach Maßgabe der individuellen Präferenzen der Beteiligten mit einer Besitzübertragung auf Grundlage eines Gebrauchsüberlassungsvertrages oder einer Sicherungsübereignung verbunden sein kann348. Im Übrigen kann der wahre Berechtigte einen redlichen Mobiliarerwerb leicht dadurch verhindern, dass er den guten Glauben eines potenziellen Erwerbers, z.B. durch Kennzeichnung von Gegenständen, zerstört349. Die ökonomische Sinnhaftigkeit des Gutglaubenserfordernisses kann daher im Grundsatz nicht zweifelhaft sein.
3. Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz Für sämtliche Rechtsscheintatbestände stellt sich die grundlegende Frage, in welcher subjektiven Beziehung der Erwerber zum Rechtsscheinträger stehen muss350. Ganz konkret ist zu entscheiden, ob der Erwerber den Inhalt des Vertrauenstatbestandes positiv kennen und das Rechtsgeschäft im (konkreten) Vertrauen auf die Richtigkeit des Inhalts abgeschlossen haben muss, oder ob die Gutglaubensvorschriften bereits eingreifen, wenn ein tauglicher Rechtsscheinträger vorlag und der Erwerber in Bezug auf die materielle Berechtigung des Veräußerers nicht bösgläubig war. a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Im Allgemeinen stehen sich hier zwei Grundsatzpositionen gegenüber: Während der konkret-individuelle Ansatz verlangt, dass der Erwerber positive Kenntnis vom Rechtsscheinträger haben und bei Ausführung des Rechtsgeschäfts auf die materielle Berechtigung des Veräußerers auch konkret vertraut haben muss, verlangt der abstrakt-potenzielle Ansatz nur, dass die Rechtsscheingrundlage wirksam vorlag und der Erwerber von der mangelnden Berechtigung des Veräußerers keine Kenntnis hatte. Ohne Belang ist für die Anwendbarkeit der Gutglaubensvorschrift nach dem abstrakt-potenziellen Ansatz weiter, ob der Erwerber den Inhalt des Vertrauenstatbestandes positiv kannte und bei Vertragsabschluss konkret auf die Richtigkeit des Rechtsscheins vertraute. Die Kontroverse wird für die einzelnen Gutglaubenstatbestände mit sehr unterschiedlicher Intensität geführt. Im Handelsrecht zählt sie zu den klassischen, viel behandelten Streitfragen der negativen Publizität des Handelsregisters gem. 347 348 349 350
So auch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 613; Krimphove, ZfRV 1998, 185, 194. Krimphove, ZfRV 1998, 185, 194; ders., Sachenrecht, S. 297. Krimphove, Sachenrecht, S. 296. Die folgende Darstellung baut auf einer früheren Arbeit in JbJZ 2010, 121 ff. auf.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
§ 15 Abs. 1 HGB. Dem von Karsten Schmidt begründeten Konzept des „abstrakten Vertrauensschutzes“351, das auf das konkrete Vertrauen des Gutgläubigen verzichtet und die Rechtsscheinwirkungen auch eintreten lässt, wenn er das Handelsregister nicht eingesehen hat, setzt Claus-Wilhelm Canaris den Gegenentwurf eines konkret-individuellen Vertrauensschutzkonzepts entgegen, der sich an den Strukturmerkmalen der allgemeinen Vertrauenshaftung (Rechtsscheinträger, Zurechnung, Gutgläubigkeit und Kausalität)352 orientiert353. Weit weniger kontrovers wird die Streitfrage für den Erbschein diskutiert; über den zutreffenden Ansatzpunkt konnte hingegen noch keine Einigkeit erzielt werden. So interpretiert die h.M. § 2366 BGB im Sinne einer abstrakten Vertrauensschutznorm, die weder voraussetzt, dass der Erwerber von der Erteilung des Erbscheins überhaupt wusste, noch dass er dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat. Auch braucht der Erwerber bei Vertragsabschluss auf die Richtigkeit des Erbscheins nicht konkret vertraut zu haben und der Erbschein muss für die Vornahme des Rechtsgeschäfts auch nicht ursächlich gewesen sein354. Die Gegenauffassung verlangt hingegen positive Kenntnis von Erteilung und Inhalt des Erbscheins und darüber hinaus, dass der Erwerber aufgrund dieser Kenntnis das Rechtsgeschäft abgeschlossen hat und der Erbschein für den Vertragsabschluss auch kausal war355. Die Gutglaubensvorschriften des Liegenschaftsrechts werden von der heute ganz h.M. klar im Sinne eines abstrakten Vertrauensschutzes interpretiert356. Und auch die hier vertretene Lehre von der verwirklichten Besitzverschaf351 K. Schmidt, Handelsrecht, 1. Aufl., § 14 II 2 b (S. 302); ebenso heute ders., Handelsrecht, § 14 II 2 b (S. 393); ders., Gesellschaftsrecht, § 55 I 1 b (S. 1604 f.); dem Sprachgebrauch folgen Schilken, AcP 187 (1987), 1, 6 f.; Oetker, Handelsrecht, § 3 Rn. 38; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 15 Rn. 13; J. Koch, in: GroßkommHGB, § 15 Rn. 23, 60. 352 Siehe dazu bereits oben § 11 II. 4. 353 Canaris, Handelsrecht, § 5 Rn. 18; sympathisierend Hübner, Handelsrecht, Rn. 144 a.E.; im Ergebnis ebenso Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 201. 354 BGHZ 33, 314, 317; 40, 54, 60; S. Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 5; J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 25; Schlüter, in: Erman, BGB, § 2366 Rn. 4 f.; Siegmann/Höger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2366 Rn. 11; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 39 VII 1; Lieder, Jura 2010, 801, 804; Muscheler, Jura 2009, 731, 737; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 450. 355 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 508; Parodi, AcP 185 (1985), 362, 369 ff., 374; Wiegand, JuS 1978, 145, 149, 150; Lemke, Erbschein, S. 44 ff. 356 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 7: „potentielles Vertrauen“; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 722 a.E.: „abstrakter Schutz kraft Registerrechtsscheins“; im Ergebnis ebenso RGZ 86, 353, 356; RG JW 1927, 44, 45; BGH NJW 1980, 2413, 2414; NJW-RR 2013, 789 Tz. 15; Augustin, in: RGRK, BGB, § 892 Rn. 82, 96; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 892 Rn. 15, 18 a.E.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 2, 4, 45; Strecker, in: Planck, BGB, § 892 Anm. II 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 23 Rn. 32; Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 83 Rn. 11; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 45 I 5 b γ; Höland, AcP 198 (1998), 539, 566; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 123 f., 165, 166 f.; Medicus, Jura 2001, 294, 297; Wiegand, JuS 1975, 205, 209; Füller, Sachenrecht, S. 265; Locher, Neugestaltung, S. 122; ausf. J. Hager, Verkehrsschutz, S. 419 ff.: „Eintragungsverschaffungsmacht“ (S. 423); a.A. noch RGZ 61, 195, 202 f.; dem folgend Wiegand, JuS 1978, 145, 149, 150; ebenso Schmelzeisen, AcP 151 (1950/51), 461 f.; offen gelassen in RGZ 74, 416, 420. Die Lehre gilt auch im Rahmen des § 1155 BGB: RG Gruchot 62 (1918), 621, 624; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1155 Rn. 7; Quantz, Besitz, S. 265.
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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fungsmacht357 setzt – im Gegensatz zur früher h.M., die sich in dieser Frage durch mangelndes Problembewusstsein auszeichnete358, – nicht voraus, dass der Erwerber konkrete Kenntnis von einer (wahrnehmbaren) Besitzposition des Veräußerers hat; es genügt das abstrakte Vertrauen in die Rechtsmacht des Veräußerers, dem Erwerber das Eigentum an der Sache zu verschaffen359. Zudem muss der Erwerber zum Vertragsabschluss auch nicht durch eine Besitzposition des Veräußerers motiviert worden sein360. Schließlich setzt sich auch für den redlichen Erwerb von GmbH-Anteilen zunehmend die Auffassung durch, dass der Erwerber die Gesellschafterliste vor Vertragsabschluss nicht eingesehen zu haben braucht und der Rechtserwerb auch im Übrigen nicht von einem konkreten Vertrauen auf die Richtigkeit des Rechtsscheinträgers abhängt361. b) Stellungnahme Den hier behandelten Gutglaubenstatbeständen liegt das Konzept des abstrakten Vertrauensschutzes zugrunde362. Anders als nach der praeter legem entwickelten Lehre von der Vertrauenshaftung nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen muss der Erwerber kein konkretes, positiv-kausales Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, um sich auf die Gutglaubensvorschriften berufen zu können. Es genügt das Vorliegen eines wirksamen Rechtsscheinträgers, an den das Erwerbervertrauen abstrakt-potenziell anknüpfen kann. Es ist daher weder erforderlich, dass der Erwerber vom Vertrauenstatbestand positive Kenntnis hat, noch muss er sich überhaupt konkrete Vorstellungen über die Berechtigung des Veräußerers gemacht haben. Folgerichtig kommt es auch nicht darauf an, ob die Kenntnis des Rechtsscheinträgers das Vertrauen des Erwerbers ausgelöst hat, ebenso wenig, ob dieses Erwerbervertrauen für die rechtsgeschäftliche Sukzession kausal geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass der Erwerber keine Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) von der wahren Sachlage hat. Das geht mit Deutlichkeit schon aus der negativen Formulierung der Redlichkeitserfordernisse hervor und befindet sich außerdem im Einklang mit dem Willen des historischen Gesetzgebers (aa), dem Normzweck (bb) und einer rechtsökonomischen Analyse der Gutglaubensvorschriften (cc). 357
Siehe oben § 11 III. 4. c). Konkrete Kenntnis und Kausalität fordernd Wiegand, JuS 1978, 145, 149, 150; vgl. in diese Richtung auch BGHZ 56, 123, 130. 359 J. Hager, Verkehrsschutz, S. 247, 328 f.; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 240 f.; ders., Verkehrsinteresse, S. 39; Karner, Mobiliarerwerb, S. 395; Quantz, Besitz, S. 261 ff.; im Ergebnis auch Eckert, in: Hk-BGB, § 932 Rn. 5; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 30; K. Müller, Sachenrecht, Rn. 2393 f.; Wieling, Sachenrecht I, § 10 III 3 a, 4; gegen einen abstrakten Vertrauensschutz beim redlichen Mobiliarerwerb Ernst, FS Gernhuber, S. 95, 113. 360 J. Hager, Verkehrsschutz, S. 248, 329; Quantz, Besitz, S. 264. 361 Vgl. Bohrer, DStR 2007, 995, 999; Wachter, ZNotP 2008, 378, 395; Altgen, Erwerb, S. 242; Omlor, Verkehrsschutz, S. 498 ff.; Wiersch, Erwerb, S. 118 f.; Kanzleiter, FS Roth, S. 355, 360; a.A. Bartl, in: Hk-GmbH-Recht, § 16 Rn. 18: unterlassene Einsichtnahme begründet Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis; ebenso Schüßler, Erwerb, S. 178. 362 Siehe bereits Lieder, JbJZ 2010, 121 ff. sowie oben § 11 II. 4. 358
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
aa) Historisch-genetischer Ausgangspunkt Unter Hinweis auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, denen der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu dienen bestimmt ist, bringt Johow die subjektive Beziehung des Dritten zum Rechtsscheinträger „Grundbuch“ klar mit den Worten zum Ausdruck363: „Der Entwurf faßt deshalb den guten Glauben des Erwerbers zwar als stillschweigende Voraussetzung, nicht aber als Erforderniß der Berufung auf den öffentlichen Glauben des Buches auf. (…) Der gute Glaube (…) besteht in der Unkenntniß der wahren, durch den Inhalt der Einschreibungen verhüllten Sachlage.“
Der Erwerber – so Johow weiter – könne sich auch dann auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs berufen, wenn er dasselbe tatsächlich gar nicht eingesehen habe364. Er müsse auch nicht beweisen, dass er das Geschäft „im guten Glauben an die Richtigkeit des Buchinhaltes“ abgeschlossen habe365. Wenn der verfügende Nichtberechtigte demnach im Grundbuch eingetragen sei und der Erwerber damit „das Grundbuch für sich hat, so muß von ihm angenommen werden, daß er im Glauben an die Richtigkeit der Nachrichten des Buches auf das Geschäft sich eingelassen hat“366. Noch deutlicher kommt die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz in den Motiven zum Gutglaubenserwerb nach § 2366 BGB zum Ausdruck. Die 1. Kommission führt dazu aus: „Demgemäß darf nicht verlangt werden, daß der Dritte bei oder vor dem Rechtsgeschäfte sich den Erbschein seitens des Empfängers hat vorlegen lassen. Es muß sogar abgesehen werden von dem Beweise des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Handeln des Dritten und der Kunde von dem Erbscheine sowie dem Vertrauen auf den Erbschein. Nicht einmal dem Nachweise der Unbekanntschaft des Dritten mit der Ertheilung des Erbscheines kann ein Einfluß gestattet werden. Zu entscheiden hat ausschließlich die Thatsache, daß ein von dem Nachlaßgerichte nicht für kraftlos erklärter oder noch nicht an das Nachlaßgericht zurückgelieferter Erbschein zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes demjenigen, mit welchem als Erben der Dritte verhandelt hat, erteilt gewesen ist“367. „(…) weder (ist) die Vorlegung des Erbscheines noch der Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Handeln des Dritten und der Kenntniß von dem Erbscheine sowie dem Vertrauen auf den Erbschein erfordert (…), daß der in dem Erbscheine Bezeichnete als Erbe gehandelt habe“368.
363
Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 361. Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 366: „Die Bethätigung des öffentlichen Glaubens im einzelnen Fall ist nicht dadurch bedingt, daß derjenige, welcher sich darauf beruft, vor seiner Erwerbung das Grundbuch eingesehen hat“ (Hervorhebungen im Original weggelassen); ebenso Motive zum BGB, Bd. 3, S. 212; zum Ganzen ausf. Lieder, JbJZ 2010, 121, 136 ff. 365 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 212. 366 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 213. 367 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 569 f. 368 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 572. 364
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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bb) Teleologische Argumente Der historische Befund wird bestätigt durch die Teleologie der Gutglaubenstatbestände. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz ist einmal mehr das Verkehrsschutzprinzip. Danach steht die Gewährleistung des überindividuellen Interesses an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs im Mittelpunkt der Teleologie der Gutglaubensvorschriften. Der im Einzelfall geschützte Erwerber fungiert lediglich als Repräsentant des Rechtsverkehrs, ohne selbst primäres Schutzobjekt der Gutglaubenstatbestände zu sein. Darin liegt der tragende Unterschied zwischen den hier behandelten Gutglaubensregeln und der praeter legem entwickelten allgemeinen Rechtsscheinlehre. Während die allgemeine Rechtsscheinlehre in erster Linie dem Schutz des konkret-individuell auf einen Rechtsschein vertrauenden Dritten dient, bezwecken die Vorschriften über den redlichen Erwerb den Schutz des überindividuellen Allgemeininteresses an der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit. Aus diesem Grund geht auch jede Deutung der Gutglaubensvorschriften fehl, die die Rechtsscheinwirkungen primär an das konkrete Vertrauen des einzelnen Erwerbers auf den unrichtigen Inhalt des Rechtsscheinträgers festzumachen sucht. Eine solche Position würde die dogmatischen Unterschiede zwischen den Gutglaubenstatbeständen und der allgemeinen Rechtsscheinlehre in unzulässiger Weise vermischen. Hinzu kommt, dass es für die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Erwerbers und des Rechtsverkehrs bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ohne Belang ist, ob sich der Erwerber konkrete Vorstellungen über die Berechtigung des Veräußerers gemacht hat oder nicht. Denn im Rahmen eines redlichen Geschäftsverkehrs dürfen Erwerber – in Ermangelung besonderer Umstände – davon ausgehen, dass der Veräußerer auch Inhaber des übertragenen Gegenstands ist. Daher ist allein entscheidend, dass die Verkehrsteilnehmer die abstrakt-potenzielle Möglichkeit hatten, vom Inhalt des Vertrauenstatbestandes positive Kenntnis zu erlangen. Ob sie dies tun oder nicht, steht in ihrem Ermessen. Es ist dieser Grundsatz, der durch die negative Formulierung der Redlichkeitserfordernisse deutlich zum Ausdruck kommt. cc) Ökonomische Analyse Und schließlich ist die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz in rechtsökonomischer Hinsicht geeignet, die mit einem redlichen Erwerb verbundenen Kosten noch weiter zu senken369. Eingespart werden namentlich die zeitlichen und finanziellen Aufwendungen, die andernfalls mit der Einsichtnahme in das Grundbuch oder die Gesellschafterliste oder der Vorlage des Erbscheins verbunden wären. Der durch Rechtsscheinträger vermittelte Schutz der Sicherheit 369
Dazu schon Lieder, JbJZ 2010, 121, 129 ff., insb. 131; siehe ferner Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 196, der aber (zu § 15 Abs. 1 HGB) im Ergebnis eine abweichende Auffassung vertritt.
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und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs wäre nur unvollkommen verwirklicht, wäre der Erwerber von Gesetzes wegen gezwungen, sich vom Vertrauenstatbestand in jedem Fall positive Kenntnis zu verschaffen. Die Gegenauffassung führt außerdem zu einer Erhöhung der posttransaktionalen Streitbewältigungskosten. Auf Grundlage der Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz muss der Gegner in einem Rechtsstreit, der sich im Nachgang der Transaktion entwickelt, darlegen und im Ernstfall beweisen, dass der Erwerber von der wahren Sachlage Kenntnis hatte (oder seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte). Müsste der Erwerber nun – wie es die Gegenauffassung verlangt – außerdem nachweisen, dass der Erwerber die Existenz und (oder) den Inhalt des Rechtsscheinträgers positiv zur Kenntnis genommen und im Vertrauen auf dessen Richtigkeit über den streitbefangenen Gegenstand verfügt hat, dann ergäbe sich für den Erwerber zum einen die wesentlich erhöhte Gefahr, den Verfügungsgegenstand im Nachhinein wieder zu verlieren. Zum anderen würde die Beweisführung nach der Lehre vom konkreten Vertrauensschutz wegen der erhöhten Redlichkeitsanforderungen mit höheren Kosten belastet. Und schließlich müsste der Erwerber nach dieser Position insgesamt mit einer Zunahme von Rechtsstreitigkeiten rechnen370. Nach alldem wird der Erwerber unter Geltung der Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz daher eher geneigt sein Erwerbsgeschäfte vorzunehmen, da das Risiko, den erworbenen Gegenstand in einem anschließenden Rechtsstreit wieder zu verlieren, im Vergleich zur Lehre vom konkreten Vertrauensschutz erheblich vermindert ist. In diesem Sinne lassen sich auch die Überlegungen des historischen Gesetzgebers zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast interpretieren, von denen sogleich371 noch die Rede sein wird. Eine Besonderheit gilt für den redlichen Mobiliarerwerb372. Mit der zutreffenden – inzwischen herrschenden – Meinung knüpft die Legitimation des Gutglaubenserwerbs beweglicher Sachen nicht an die Besitzposition des Veräußerers, sondern an die verwirklichte Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers. Ist der Veräußerer rechtlich in der Lage, dem Erwerber den Besitz am Verfügungsgegenstand zu verschaffen, darf der Gutgläubige auch davon ausgehen, der Veräußerer sei zur Verfügung berechtigt gewesen. In diesem Zusammenhang ist es vollkommen ohne Belang, ob der Veräußerer zuvor außerdem eine bestimmte Besitzposition an dem Gegenstand innehatte. Dementsprechend ist es aus rechtsökonomischer Perspektive gleichermaßen sinnwidrig, vom Erwerber die konkrete Kenntnis einer solchen Besitzposition zu verlangen, die sich ausschließlich in unnütz aufgewendeten Informationskosten niederschlagen würde, ohne dem Erwerber eine zusätzliche Gewähr für die materielle Berechtigung des Veräußerers zu bieten.
370 371 372
Vgl. auch Baird/Jackson, J. Leg. Stud. 13 (1984), 299, 319. Siehe sogleich unten § 11 VI. 5. Dazu und zum Folgenden J. Hager, Verkehrsschutz, S. 247.
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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4. Maßstab der Redlichkeit Die Gutglaubenstatbestände stellen unterschiedliche Anforderungen an das Maß der Redlichkeit. Während dem Erwerber im Immobiliarsachenrecht und Erbrecht nur positive Kenntnis von der mangelnden Berechtigung des Veräußerers schadet, scheitert ein Gutglaubenserwerb im Mobiliarsachen- und GmbH-Recht bereits, wenn dem Erwerber der Berechtigungsmangel auch nur aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Diese Differenzierung beruht nicht auf einem dogmengeschichtlichen Zufall. Vielmehr besteht zwischen dem Maßstab der Redlichkeit auf der einen Seite und der Intensität, Ausgestaltung und Komplexität des jeweiligen Rechtsscheinträgers auf der anderen Seite eine untrennbare Verbindung373: Das Gesetz stellt an die Redlichkeit des Erwerbers umso geringere Anforderungen, je stärker der durch den Vertrauenstatbestand geschaffene Rechtsschein durch besondere verfahrenstechnische Schutzvorkehrungen ausgeprägt ist. Oder mit anderen Worten: Je stärker die Richtigkeitsgewähr und je höher die Qualität des Rechtsscheinträgers, desto geringer sind die Anforderungen an die Redlichkeit des Erwerbers. Die Interdependenz zwischen Rechtsscheinqualität und Redlichkeit impliziert, dass die mit einer besonderen Richtigkeitsgewähr ausgestatteten – typischerweise künstlich geschaffenen – Gutglaubenstatbestände (Grundbuch, Erbschein) vergleichsweise geringe Anforderungen an die Redlichkeit des Erwerbers stellen, während das Gesetz an die weniger gut abgesicherten Rechtsscheinträger des redlichen Mobiliarund Anteilserwerbs gesteigerte Redlichkeitsanforderungen stellt. a) Grundbuch und Erbschein: Richtigkeitsgewähr und Redlichkeit Ist durch die Einhaltung eines institutionalisierten, hoheitlichen Verfahrens eine besondere Gewähr für die materielle Richtigkeit der Vertrauensgrundlage gegeben, schadet dem Erwerber nur positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Rechtsscheinträgers. Für das Liegenschaftsrecht bemerkt Marcus Lutter zutreffend, der Erwerber sei nach Maßgabe des § 892 BGB faktisch „von allen und jeglichen Sorgfaltspflichten entbunden“374. Gleiches gilt für den Erwerb von Nachlassgegenständen vom Scheinerben gem. § 2366 BGB; dem Erwerber obliegen keinerlei Nachforschungs- und Prüfpflichten. Es schadet allein positive Kenntnis von der mangelnden Berechtigung des im Erbschein Legitimierten. Die vergleichsweise niedrigen Redlichkeitsanforderungen beim redlichen Immobiliarerwerb375 und dem Erwerb aufgrund Erbscheins basieren in der Sa373
Dazu bereits Wiegand, JuS 1974, 201, 207 f.; ders., JuS 1978, 145, 146; zusf. ders., in: Staudinger, BGB, Vor § 932 Rn. 9, 27; § 932 Rn. 37; dem folgend Karner, Mobiliarerwerb, S. 188 f., 416 ff.; a.A. Bauer, FS Bosch, S. 1, 18; Ernst, FS Gernhuber, S. 95, 109 f.; (für § 16 Abs. 3 GmbHG) Omlor, Verkehrsschutz, S. 481 f. 374 Lutter, AcP 164 (1964), 122, 123; siehe noch J. Hager, Verkehrsschutz, S. 423. 375 Vgl. auch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 161; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 2.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
che auf der besonderen Verlässlichkeit von Grundbuch und Erbschein, die insbesondere durch das hoheitliche Eintragungsverfahren sowie – beim Grundbuch – außerdem durch die Mitwirkung des Notars sichergestellt sind. Hierdurch wird das Risiko der materiellen Unrichtigkeit der Rechtsscheinträger auf ein Minimum reduziert, was umgekehrt zu einem besonderen Vertrauensschutz und einer gesteigerten Verkehrsfähigkeit von Grundstücken und Nachlassgegenständen führt. Es ist dieser Umstand, der zugleich dafür streitet, im Gegensatz zum redlichen Mobiliarerwerb kein besonderes Zurechnungserfordernis zu implementieren376. Deshalb haben sich auch Reformvorschläge, die eine Übernahme des in § 932 Abs. 2 BGB niedergelegten schärferen Maßstabs (und aller seiner Rechtsanwendungsprobleme) zum Gegenstand hatten377, im Ergebnis nicht durchsetzen können. Die Partikularrechte des 19. Jahrhunderts waren noch weit entfernt von einer einheitlichen Linie. Das galt sowohl für den öffentlichen Glauben des Grundbuchs378 als auch für den redlichen Mobiliarerwerb. Im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb von Grundstücksrechten setzte sich Johow in seiner Begründung zum sachenrechtlichen Teilentwurf mit dieser Frage näher auseinander. Er knüpfte an das Regelungsziel des Grundbuchs an und meinte379: „Indem das Gesetz die Richtigkeit des Buchinhaltes garantirt, überhebt es den Einzelnen der Nothwendigkeit, die Einschreibungen in Ansehung ihrer Voraussetzungen einer Prüfung zu unterziehen. Es kann also Niemand ohne Weiteres um deswillen als fahrlässig angesehen werden, weil er eine solche Prüfung nicht angestellt hat.“
Diese Überlegung hielt auch die 1. BGB-Kommission für überzeugend, und zwar sowohl für das Grundbuch380 als auch für den öffentlichen Glauben des Erbscheins381. In diesem Sinne heißt es in den Motiven382: „Endlich kann nicht wohl von Fahrlässigkeit die Rede sein, wenn der Dritte sich ohne weitere Nachforschung auf den Erbschein verläßt, nachdem dieser in einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren von dem Nachlaßgerichte ertheilt ist.“
Das hohe Schutzniveau wird weiter dadurch gesteigert, dass nur die positive Kenntnis der Unrichtigkeit von Grundbuch und Erbschein schadet, nicht aber bereits die Kenntnis der Tatsachen, die auf die Unrichtigkeit des jeweili376
Dazu unten § 11 VII. 1. So etwa Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 45 Fn. 23; a.A. schon der Bodenrechtsausschluss der Akademie für Deutsches Recht, vgl. Locher, Neugestaltung, S. 122 ff.; zusf. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 9. 378 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 362. 379 Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 363. 380 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 221. 381 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 569: „Dem Dritten, welcher sich auf den Erbschein verläßt, noch eine weitere Nachforschungspflicht aufzuerlegen, wäre nicht gerechtfertigt, weil der Erbschein, wie das Grundbuch, bestimmt ist, den Erben gegenüber Jedem festzustellen“. 382 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 569. 377
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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gen Rechtsscheinträgers schließen lassen. In diesem Punkte hatte die 2. BGBKommission während der Beratungen des Liegenschaftsrechts noch anders entschieden383. Aber schon die Verhandlungen über den Erbschein ließen in der Kommission Zweifel an dieser Auffassung aufkommen384. Als die Rechtsfrage später für beide Rechtsscheinträger gemeinsam erörtert wurde, einigte man sich auf eine großzügige Linie. Danach sollte der redliche Erwerb nur im Fall positiver Kenntnis der Unrichtigkeit selbst ausgeschlossen sein385. Mit Recht waren die Kommissionsmitglieder zur Überzeugung gelangt, dass der öffentliche Glaube von Grundbuch und Erbschein und folglich auch die Verkehrsinteressen beeinträchtigt würden, wenn dem Erwerber bereits die Kenntnis von Tatsachen schaden würde, die nur mittelbar den Schluss auf die Unrichtigkeit der Vertrauensgrundlage zuließen. Außerdem sei es dem Erwerber im konkreten Einzelfall auch nicht zumutbar, dass er die Gründe nachprüfen müsse, die das Grundbuchamt zur Eintragung veranlasst hätten, insbesondere soweit auch rechtliche Zweifelsfragen in diesem Zusammenhang von Belang seien. Für diese Auffassung spricht weiter, dass dem Erwerber die positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Rechtsscheinträgers auch dann schadet, wenn sie sich nicht auf die Kenntnis der zugrunde liegenden Tatsachen zurückführen lässt386. Heute gilt diese Auffassung unangefochten für das Grundbuch387 und den Erbschein388, aber auch für den redlichen Mobiliarerwerb389. b) Redlicher Mobiliar- und GmbH-Anteilserwerb Im Gegensatz zu Grundbuch und Erbschein vermittelt die verwirklichte Besitzverschaffungsmacht (und die Gesellschafterliste) keine vergleichbare Ge383
Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 85 f. Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 685: „Um den gutgläubigen lediglich in einem Rechtsirrthume befangenen Erwerber vor Schaden zu bewahren, müsse auch der bösgläubige Erwerber geschützt werden.“ 385 Protokolle zum BGB, Bd. 6, S. 222. 386 So schon Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 85 f.; ebenso Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 45 I 5 b; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 163; vgl. noch RG JW 1936, 804; BGHZ 26, 256. 387 RGZ 117, 180, 187; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 145; Strecker, in: Planck, BGB, § 892 Anm. II 2 d ; Stürner, in: Soergel, BGB, § 892 Rn. 4; Lutter, AcP 164 (1964), 122, 163; Schreiber/Burbulla, Jura 1999, 491, 493; Wiegand, JuS 1975, 205, 208; a.A. de lege ferenda Locher, Neugestaltung, S. 124. 388 S. Herzog, in: Staudinger, BGB, § 2366 Rn. 11; Siegmann/Höger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2366 Rn. 9a; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 618; Lieder, Jura 2010, 801, 803; Muscheler, Jura 2009, 731, 740. – Umstritten ist die Frage, ob in diesem Fall zumindest der Anschein für einen Mangel der Gutgläubigkeit spricht; so für die h.M. Greiff, in: Planck, BGB, § 2366 Anm. V 1 a ; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 618; Muscheler, Jura 2009, 731, 740; a.A. J. Mayer, in: MünchKommBGB, § 2366 Rn. 28. 389 RGZ 74, 354, 356 f.; BGH NJW 1961, 777; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 16; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 41; Wieling, Sachenrecht I, § 10 III 3 b; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 69 Fn. 11. 384
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
währ für die materielle Richtigkeit des Vertrauenstatbestands390. Darüber war sich die 1. BGB-Kommission völlig im Klaren391: „Hierin liegt eine Abweichung vom Immobilienrechte, welche sich dadurch rechtfertigt, daß das Grundbuch den Zweck hat, die gesammten Rechtsverhältnisse zu Kunde zu bringen, während bei beweglichen Sachen der Besitzstand einen weit unsichereren Schluß auf den Rechtsbestand zuläßt.“
Redlicher Mobiliar- und Anteilserwerb sind daher nicht nur bei positiver Kenntnis der fehlenden Berechtigung des Veräußerers ausgeschlossen, sondern auch wenn die Unkenntnis des Erwerbers auf grober Fahrlässigkeit beruht (§ 932 Abs. 2 BGB; § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG). Das ist nach gängiger Definition der Fall, wenn der Erwerber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders grobem Maße außer Acht gelassen hat, d.h., wenn er dasjenige nicht beachtet, was im gegenwärtigen Fall jedem hätte einleuchten müssen392. Für diese Mindestanforderungen gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab393, weil sich eine Subjektivierung des Fahrlässigkeitsvorwurfs mit der normativ-teleologischen Zielrichtung der Gutglaubensvorschrift – sprich: dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs – nicht in Einklang bringen lässt. Die durch §§ 932 ff. BGB vorgenommene Interessenabwägung verlangt nach verlässlichen Mindeststandards. Individuelle Nachlässigkeiten des Erwerbers sind nicht geeignet, das Beharrungsinteresse des wahren Rechtsinhabers noch mehr zu beeinträchtigen als durch die legislatorische Richtungsentscheidung zugelassen. aa) Präzisierung der mobiliarsachenrechtlichen Nachforschungsobliegenheiten Der erhöhte Redlichkeitsmaßstab im Fahrnis- und GmbH-Recht manifestiert sich in der Bedeutung von Nachforschungsobliegenheiten des Erwerbers. Dies erkannte bereits der historische Gesetzgeber, der dem Mobiliarerwerber – anders als dem Erwerber von Grundstücksrechten394 – „eine gewisse Nachforschungspflicht“ auferlegte395. Die Rechtsprechung hat den in den Motiven niedergelegten Ansatz aufgegriffen, fortentwickelt und an die veränderten wirt390
Siehe bereits Motive zum BGB, Bd. 3, S. 346. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 346. 392 BGHZ 10, 14, 16; 77, 274, 276; BGH NJW 1992, 316, 317; 1994, 2022, 2023; 2005, 1365, 1366; 2013, 1946 Tz. 11; OLG Saarbrücken NJW-RR 2011, 638; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 932 Rn. 10; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 47; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 938; (zu § 16 Abs. 3 GmbHG) Lieder, Jura 2010, 801, 806; Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 161, 163; ausf. Omlor, Verkehrsschutz, S. 483 ff., 487 ff. 393 Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 20; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 46; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 45, 49; allgemein Larenz, Schuldrecht I, § 20 III; Röhl, JZ 1974, 521, 525; kritisch Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 932 Rn. 28. 394 Siehe oben § 11 VI. 4. a). 395 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 346. 391
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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schaftlichen Rahmenbedingungen angepasst396. Das gilt namentlich für die Bedeutung, die dem Eigentumsvorbehalt und der Sicherungsübereignung im modernen Wirtschaftsverkehr zukommt. Durch die Bildung von Fallgruppen haben Reichsgericht und BGH so ein gutes Stück Rechtssicherheit geschaffen, wenngleich sich die Konkretisierung der Nachforschungspflichten nach wie vor anhand der konkreten Erwerbsumstände im Einzelfall vollzieht397. Auch wenn es richtig ist, die Nachforschungsobliegenheiten des Erwerbers anhand einer Gesamtschau der wesentlichen Umstände des konkreten Einzelfalls zu präzisieren, darf hierbei das primäre Regelungsziel des redlichen Mobiliarerwerbs nicht aus dem Blick verloren werden. Im Interesse effektiven Verkehrsschutzes soll der Gutglaubenserwerb ermöglicht werden, nicht aber unverhältnismäßig erschwert. Deshalb trifft den Erwerber zunächst keine allgemeine Pflicht, sich über die Eigentumsverhältnisse zu informieren398. Kernanliegen der Gutglaubensvorschriften ist es gerade, den Erwerber von – kostenintensiven – Informationsobliegenheiten zu entbinden399. Deshalb muss die erwerberseitige Prüfpflicht eine Ausnahme bleiben und tendenziell restriktiv gehandhabt werden400. Der Erwerber darf grundsätzlich auf die Berechtigung des Veräußerers vertrauen401. Nachforschungspflichten sind nur dann anzuerkennen, wenn ein konkreter Anlass für weitere Untersuchungen besteht, weil deutliche Anhaltspunkte für eine mangelnde Berechtigung vorliegen402. Verdachtsmomente können sich insbesondere aus der Veräußerung einer Sache unter Wert403, aus einer verdächtigen Erwerbssituation (finanzielle Schwierigkeiten404, geschäftliche Unkorrektheiten405 oder besonderer Zeitdruck406 aufseiten des Veräußerers, außerhalb des gewöhnlichen oder ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs407)408 sowie bei Verfügungen über außergewöhnliche Gegenstände, namentlich Investi396
Grundlegend bereits RGZ 141, 129 ff. Ebenso Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 20; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 47; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 50, 72; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 46 Rn. 8 ff.; Kunkel, Verkehrsschutz, S. 237 f. 398 BGH NJW 1975, 735; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 66. 399 Siehe nochmals oben § 11 II. 3. b). 400 So auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 71. 401 BGH NJW 1975, 735; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 42; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 66. 402 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 346; BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457; WM 1975, 362, 363; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 20, 23; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 43 f.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 54; distanziert aber RGZ 141, 129, 131 f. 403 BGH NJW 1975, 735, 736; NJW-RR 1987, 1456; BB 1969, 1455; OLG Bremen MDR 2006, 986; OLG Hamburg MDR 1970, 506; OLG München NJW 2003, 673. 404 BGH WM 1978, 1208, 1209; OLG Düsseldorf MDR 1994, 473; OLG Saarbrücken NJWRR 2011, 638. 405 OLG Saarbrücken NJW-RR 2011, 638. 406 BGH BB 1969, 1455; OLG Schleswig OLGR 2007, 357. 407 BGH NJW 1999, 425, 426; OLG Saarbrücken NJW-RR 2011, 638. 408 Zum Ganzen mit weiteren Rechtsprechungsnachweise Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 49 ff. 397
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
tionsgüter409, ergeben, während für übliche Massenwaren keine vergleichbaren Nachforschungspflichten bestehen410. Soweit in Rechtsprechung und Literatur Nachforschungspflichten gleichwohl anerkannt werden, dienen sie dem einzelfallgeleiteten Ausgleich des dem Gutglaubenserwerb zugrunde liegenden Interessenkonflikts411. Innerhalb des Interessensystems des Gutglaubenserwerbs stärken die Prüfpflichten die Rechtsstellung des wahren Berechtigten412. Eine Analyse des Rechtsprechungsmaterials zeigt weiterhin, dass das Redlichkeitserfordernis heute mehr denn je zur Kompensation des im Mobiliarsachenrecht bestehenden Legitimationsdefizits in Anspruch genommen wird. Auf das zunehmende Auseinanderdriften von Eigentum und Besitz reagierten Rechtsprechung und Schrifttum mit einer sichtlichen Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs413. Schon frühzeitig reagierte das Reichsgericht etwa auf die zunehmende Kreditsicherung durch Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung414. Es entwickelte nicht nur eine allgemeine Erkundigungspflicht für KfzVeräußerungen415, sondern postulierte mit Blick auf die während der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre eingetretenen Änderungen der ökonomischen Verhältnisse in Deutschland außerdem, dass „jeder, der sich Waren eines Kaufmanns zur Sicherheit übereignen lasse, mit einer Belastung der Ware durch einen Eigentumsvorbehalt rechnen müsse“416. In der Folgezeit entwickelte die Rechtsprechung weitere Ausdifferenzierungen, die dem Erwerber insbesondere für hochwertige Investitions- und Konsumgüter Nachforschungsobliegenheiten auferlegen, soweit aufgrund ihres Alters mit einer Finanzierung durch den Veräußerer zu rechnen ist417. 409 OLG Brandenburg BeckRS 2009, 5871; OLG Düsseldorf MDR 1994, 473; OLG München OLGR 1997, 59. Siehe weitere Beispiele aus der Rechtsprechung bei Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 48. 410 Vgl. OLG München BeckRS 2007, 14735 Tz. 93 ff.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 48. 411 Instruktiv Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 68 ff. 412 RGZ 58, 162, 164: „Die Prüfungspflicht liegt dem Erwerber lediglich im Interesse des wahren Eigentümers ob“; Hervorhebung auch im Original, dort aber nicht kursiv, sondern gesperrt; vergleichbar RGZ 143, 14, 18; dazu Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 70. 413 Differenzierend Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 137 f., der sich bei echten Austausch- und Umsatzgeschäften für eine Einschränkung und bei Sicherungsgeschäften für eine Erweiterung der Nachforschungspflichten ausspricht. De lege lata siehe insbesondere Hübner, Rechtsverlust, S. 70 ff.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 37, 40, 47 ff., 57 ff., 74 ff.; dens., JuS 1974, 201, 206 ff.; dens., JuS 1978, 145 ff.; Karner, Mobiliarerwerb, S. 420 ff.; zuvor bereits Eichler, Institutionen II/1, 1957, S. 156; einschränkend Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 30; kritisch zu dieser Tendenz Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 46 Rn. 9; Schantz, AcP 142 (1936), 67 ff.; Ernst, FS Gernhuber, S. 95, 109; vgl. noch Musielak, JuS 1992, 713, 715. 414 RGZ 143, 14, 18 f.; anders noch RGZ 141, 129, 132. 415 RGZ 143, 14, 18 f.; vgl. aus jüngster Zeit BGH NJW 2013, 1946 Tz. 13 ff.; OLG Stuttgart WM 2013, 1481, 1482. 416 So RGZ 147, 321, 331; dem in der Sache folgend BGHZ 10, 14, 17; 77, 274, 277 f.; BGH NJW 1966, 1959, 1960; 1999, 425, 426. 417 BGH NJW 1981, 227, 228; BGH NJW 1999, 425, 426; OLG Düsseldorf MDR 1994, 473; OLG Saarbrücken NJW-RR 2011, 638; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 932 Rn. 12; Henssler, in:
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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Mit Sicherungsübereignungen braucht nach Auffassung der Rechtsprechung hingegen niemand zu rechnen, der von Kreditaufnahmen des Veräußerers keine Kenntnis hat418. Es besteht folglich kein allgemeiner Verdacht dafür, dass bestimmte Waren typischerweise zur Sicherheit an Geldkreditgeber übereignet sind419. Dieser – empirisch belegbare420 – Unterschied im Vergleich zum Eigentumsvorbehalt rechtfertigt die im Schrifttum421 zuweilen kritisierte differenzierte Behandlung der beiden Sicherungsrechte. Da die forensische Praxis aber ohnehin einen einzelfallbezogenen Ansatz verfolgt, dürften die aus der Differenzierung resultierenden praktischen Unterschiede gering sein422. So ist der Erwerber namentlich bei schlechter Vermögenslage des Veräußerers verpflichtet, sich darüber zu informieren, ob der Erwerbsgegenstand zur Sicherheit übereignet ist423. Im Wege der Fortentwicklung dieser Nachforschungspflichten hat die Rechtsprechung nicht nur zu einer praxisorientierten Konkretisierung des Redlichkeitserfordernisses beigetragen. Sie hat außerdem den Wert der betroffenen dinglichen Sicherungsrechte (Anwartschaftsrecht und Sicherungsübereignung) erhöht, weil Sicherungsnehmer aufgrund gesteigerter Redlichkeitsanforderungen nunmehr besser vor den Gefahren eines redlichen lastenfreien Erwerbs geschützt sind424. Außerdem hat die Erhöhung des Redlichkeitsmaßstabs das oben für den redlichen Mobiliarerwerb herausgestellte Legitimationsdefizit ein gutes Stück weit entschärft425. Wenn Besitz und Eigentum in Praxis oftmals auseinanderfallen, dann ist ein Schluss von der Besitzposition auf die Rechtsinhaberschaft nicht länger zwingend. Es ist daher nur konsequent, die zugrunde liegenden Entwicklungen der Wirtschaftspraxis im Rahmen konkretisierter Redlichkeitsanforderungen zu berücksichtigen und auf diese Weise das durch den Gutglaubenserwerb beeinträchtigte Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten besser zu schützen. 418 Soergel, BGB, § 932 Rn. 26 f.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 58; ablehnend Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 75 ff.; kritisch auch Wieling, Sachenrecht I, § 10 III 1 d; Musielak, JuS 1992, 712, 715. 418 BGHZ 86, 300, 311; BGH NJW 1966, 1959, 1960; DB 1970, 248; JZ 1970, 187; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 932 Rn. 11; Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 28; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 64. 419 Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 28; Serick, Eigentumsvorbehalt II, § 23 III 2. 420 Vgl. Weyer, NJW 1966, 959: In manchen Branchen werden mehr als 95% aller Waren unter Eigentumsvorhalt veräußert; ähnlich Brinkmann, Mobiliarsicherheiten, S. 43: „deutlich über 90%“. 421 Wieling, Sachenrecht, § 10 III 3 d; Weber, JuS 1999, 1, 6; vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 64. 422 Näher Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 29. 423 BGHZ 86, 300, 312; OLG Frankfurt WM 1975, 1050. 424 Zum Problemkreis ausf. Brinkmann, Kreditsicherheiten, S. 53 ff.; vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 57. 425 Kritisch zur Mediatisierung des Gutglaubenserfordernisses aber Ernst, FS Gernhuber, S. 95, 109 f.; zutreffend verweist Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 30 auf die rechtlichen Grenzen einer solchen teleologischen Feinsteuerung, die dem Normzweck des § 932 Abs. 1 S. 1 BGB gerecht werden muss.
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bb) Präzisierung der GmbH-rechtlichen Nachforschungsobliegenheiten Die zum redlichen Mobiliarerwerb entwickelten Grundsätze sind – trotz der übereinstimmenden Regelungen in § 932 Abs. 2 BGB und § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG – nicht ohne weiteres auf den redlichen Erwerb von GmbH-Anteilen übertragbar426. Auch wenn die Gesellschafterliste ohne obligatorische Beteiligung des Notars bisher ein erhebliches Legitimationsdefizit aufweist, das de lege ferenda bei nächster Gelegenheit zu beseitigen ist, schafft sie de lege lata noch immer eine verlässlichere Vertrauensgrundlage für den redlichen Erwerb als Besitz und (verwirklichte) Besitzverschaffungsmacht. Daher ist es einerseits wertungskonform, dass dem Erwerber auch bei der Gesellschafterliste bereits grobfahrlässige Unkenntnis schadet. Andererseits ist es indes nicht gerechtfertigt, die für den redlichen Mobiliarerwerb entwickelten Verschärfungen der Redlichkeitserfordernisse eins zu eins auf das GmbH-Recht zu übertragen. Das folgt bereits aus der Formbedürftigkeit der Anteilsübertragung (§ 15 Abs. 3 GmbHG)427, die eine ganze Reihe von Verdachtsmomenten egalisiert, welche im Mobiliarsachenrecht geeignet sind, eine besondere Nachforschungspflicht des Erwerbers auszulösen. In Verbindung mit der Grundwertung des § 16 Abs. 3 GmbHG folgt daraus in rechtsdogmatischer Hinsicht, dass besondere Nachforschungsobliegenheiten im GmbH-Recht tendenziell seltener anzunehmen sind als beim redlichen Fahrniserwerb. Dementsprechend bedarf es wiederum deutlicher Anhaltspunkte für die mangelnde Berechtigung des Veräußerers428. Wiederum existiert keine allgemeine Nachforschungspflicht, die auch nicht im Gewand einer Verpflichtung, vor Unternehmenstransaktionen unter allen Umständen eine Due Diligence durchzuführen429, durch die Hintertür eingeführt werden darf. Andernfalls würde das legislatorische Ziel verfehlt, durch den neuen Gutglaubenstatbestand die mit solchen Prüfungen verbundenen Transaktionskosten zu senken und zugleich für mehr Rechtssicherheit zu sorgen430.
426 Für einen Gleichlauf Hamann, NZG 2007, 492, 493 f.; Omlor, Verkehrsschutz, S. 487 ff.; dagegen wie hier Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 163. 427 Zur Formbedürftigkeit siehe oben § 9 VI. 428 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 38; Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 164; Lieder, Jura 2010, 801, 806 f. 429 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 72; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 38; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 16 Rn. 223; Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 164; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 86; Bayer, notar 2012, 267, 271; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898; Kort, GmbHR 2009, 169, 176; Lieder, Jura 2010, 801, 806; Link, RNotZ 2009, 193, 218; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, 337, 342; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304; Altgen, Erwerb, S. 243 f.; Omlor, Verkehrsschutz, S. 490 ff.; Schüßler, Erwerb, S. 179; Wiersch, Erwerb, S. 116 f. 430 Siehe nochmals Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 38.
VI. Redlichkeit des Erwerbers
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5. Darlegungs- und Beweislastverteilung Und schließlich steht auch die Darlegungs- und Beweislastverteilung der Gutglaubensvorschriften in Verbindung mit dem Verkehrsinteresse. Die hier untersuchten Gutglaubenstatbestände sind durchweg in einer Weise strukturiert, dass der wahre Berechtigte darlegen und im Ernstfall beweisen muss, dass sich der Erwerber im maßgeblichen Zeitpunkt nicht in gutem Glauben befand. Für das Immobiliarsachenrecht lässt sich die Geltung dieses Grundsatzes bis zu den partikularrechtlichen Bestimmungen zurückverfolgen431. Die Entwicklungsgeschichte im Mobiliarsachenrecht verlief demgegenüber durchaus wechselhaft: Während Johows sachenrechtlicher Vorentwurf die Darlegungs- und Beweislast ebenfalls dem wahren Berechtigten aufbürdete432, sah der 1. BGB-Entwurf vor, dass der Erwerber seinen guten Glauben im Streitfall zu behaupten und zu beweisen hatte433. Zur Begründung verweisen die Motive darauf, dass neben der objektiven Gutglaubensgrundlage ein subjektiver guter Glaube für den redlichen Mobiliarerwerb vonnöten sei434: „Gerade dieser subjektive gute Glaube soll (…) Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsnorm sein (…), weil nur unter jener Voraussetzung die anomale Begünstigung des Erwerbers gerechtfertigt erscheint. Die subjektiven Anschauungen und Motive des Erwerbers treten in dem abstrakten dinglichen Vertrage nicht äußerlich erkennbar hervor. Erst aus der Darlegung der begleitenden Umstände und insbesondere der obligatorischen causa der Tradition lassen dieselben sich entnehmen.“
Die 2. BGB-Kommission ließ diese Überlegungen nicht gelten und kehrte mit knapper Mehrheit von 9 zu 8 Stimmen zur ursprünglich vorgesehenen Darlegungs- und Beweispflicht des wahren Berechtigten zurück435. Zur Begründung verweisen die Protokolle einmal mehr „auf das Verkehrsinteresse“. Die Gutglaubensvorschriften müssten in einer Weise gestaltet sein, „daß der redliche Verkehr ausreichend geschützt werde“. Weiter heißt es436: „Der redliche Erwerber werde jedoch erheblich gefährdet, wenn ihm zugemuthet werde, nach langer Zeit den Hergang beim Erwerb einer beweglichen Sache noch so weit darzuthun, als erforderlich sei, um das Gericht von seiner Redlichkeit beim Erwerbe zu überzeugen. Der Eigenthümer, welcher seine Sache einem Anderen anvertraue, müsse 431
Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 365 f., der sich in Form des § 24 Abs. 3 des Teilentwurfs dieser Entwicklung anschloss. 432 § 135 Abs. 2 des Teilentwurfs lautete: „In gutem Glauben befindet sich nicht, wer bei der Erwerbung das Nichteigenthum des Veräußerers kannte oder ohne grobes Versehen hätte kennen müssen.“ Vgl. Berichtigungen zum Teilentwurf, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 109. 433 Vgl. die positive Formulierung von § 877 S. 1 des 1. BGB-Entwurfs: „Wenn der Veräußerer nicht Eigenthümer der Sache war, der Erwerber aber diesen Umstand bei dem sich vollziehenden Erwerbe nicht gekannt, seine Unkenntnis auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht hat, so erlangt der Erwerber (…) das Eigenthum“. 434 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 346 f. 435 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 207. 436 Sämtliche Zitate: Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 208.
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die Gefahr des Eigenthumsverlustes auch insofern tragen, als der Nachtheil der Beweislast ihn treffe, nicht den dritten Erwerber.“
Ganz bewusst entschied sich der historische Gesetzgeber im Interesse des Verkehrsschutzes – mit Recht – für eine Entlastung des Erwerbers437. Mit den Grundwertungen des redlichen Erwerbs wäre es schlichtweg unvereinbar, bürdete man dem Erwerber das Risiko der Unerweislichkeit seiner Redlichkeit auf. Das gilt umso mehr, da Kenntnis und grobfahrlässige Unkenntnis als „innere Tatsachen“ nur mit großen Anstrengungen bewiesen werden können438, zumal wenn der Erwerbsvorgang, was nicht selten der Fall sein dürfte, weit in die Vergangenheit zurückreicht. Das Erwerbsinteresse des Redlichen, vor allem aber das Interesse der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit wären nur unvollständig gewährleistet, wäre der Erwerber verpflichtet, seine Gutgläubigkeit in einem nachgelagerten Rechtsstreit nachzuweisen.
VII. Reines Rechtsscheinprinzip versus Zurechnungsprinzip Wie eingangs entwickelt439, ruht die Legitimation der Gutglaubenstatbestände auf zwei Säulen: Erste Legitimationssäule ist stets das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Verkehrsschutz). Darüber hinaus stützt sich die Zulassung des redlichen Erwerbs – gleichsam als zweite Legitimationssäule440 – entweder auf eine besondere Gewähr der materiellen Richtigkeit und Verlässlichkeit des Rechtsscheinträgers, die durch die Einhaltung eines amtlichen Verfahrens erzeugt wird, oder auf die Zurechnung des gesetzten Rechtsscheins zur Risikosphäre des wahren Berechtigten. Nur wenn die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Vertrauensgrundlage auf ein Minimum reduziert oder die Unrichtigkeit des Rechtsscheinträgers dem wahren Berechtigten zuzurechnen ist, ist es auch sachlich gerechtfertigt den grundlegenden Konflikt aller Gutglaubenstatbestände zwischen dem Bestandsinteresse des wahren Berechtigten sowie dem Verkehrs- und Erwerberinteresse im letztgenannten Sinne zu entscheiden. Kann aufgrund der besonderen Qualität des Rechtsscheinträgers also auf eine solche Rückbindung an ein Zurechnungskriterium verzichtet werden, wie beispielsweise im Immobiliarsachenrecht und Erbrecht, spricht man vom reinen Rechtsschein-
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Ebenso Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 101; Karner, Mobiliarerwerb, S. 391. Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 101; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 516; Karner, Mobiliarerwerb, S. 391. 439 Siehe oben § 11 III. 1. 440 Karner, Mobiliarerwerb, S. 232 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass „es sich sowohl beim Zurechnungsprinzip als auch beim Vertrauensprinzip lediglich um Subprinzipien handelt, die eine möglichst optimale Austarierung der Prinzipienkollision zwischen Bestandsschutz und Verkehrsschutz gewährleisten sollen und denen insofern eine Ergänzungs- und Kontrollfunktion zukommt“. 438
VII. Reines Rechtsscheinprinzip versus Zurechnungsprinzip
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prinzip (1.)441. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs und des Erbscheins sind danach für die Anerkennung des redlichen Erwerbs ausreichend. Hängt die Zulassung des Gutglaubenserwerbs, wie namentlich im Mobiliarsachenrecht, hingegen maßgeblich von der zurechenbaren Veranlassung des Rechtsscheins durch den Eigentümer ab, spricht man vom Zurechnungsprinzip (2.). Zwischen beiden Polen ist das partielle Zurechnungsprinzip angesiedelt, wie es für den redlichen Anteilserwerb gem. § 16 Abs. 3 GmbHG gilt (3.).
1. Reines Rechtsscheinprinzip Ist die Wahrscheinlichkeit unrichtiger Eintragungen aufgrund eines hoheitlichen Eintragungsverfahrens auf ein Minimum reduziert, darf sich der Rechtsverkehr (und namentlich der Erwerber) ohne weiteres auf die materielle Richtigkeit der Rechtsscheingrundlage verlassen. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs wird nach dem reinen Rechtsscheinprinzip vollkommen unabhängig davon geschützt, ob der wahre Berechtigte an der Entstehung oder dem Fortbestand des falschen Rechtsscheins mitgewirkt hat oder nicht442. Neben der besonderen Richtigkeitsgewähr rechtfertigt sich die Abwesenheit des Zurechnungskriteriums auch aus der besonderen Zielrichtung des hoheitlichen Verfahrens, das gerade auch solche Fehler aufdecken und vermeiden soll, die in die Risikosphäre des wahren Berechtigten fallen. Deshalb haben sich in der Vergangenheit auch Vorschläge nicht durchsetzen können, die beispielsweise im Liegenschaftsrecht für die Einführung eines Zurechnungskriteriums plädierten443. Das gilt umso mehr, als solcherlei Änderungen zu einer nachhaltigen Abschwächung des öffentlichen Glaubens von Grundbuch und Erbschein führen würden. Der Erwerber müsste nämlich im Vorfeld des Rechtserwerbs verifizieren, ob der wahre Berechtigte die Unrichtigkeit der Eintragung zurechenbar veranlasst hat. Die hiermit verbundenen Informationskosten beeinträchtigten den ungehinderten Güterumsatz und verhinderten die effektive Allokation knapper Ressourcen.
441 Diese Terminologie geht zurück auf H. Westermann, JuS 1963, 1, 6; übernommen z.B. von Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 7; Wiegand, JuS 1975, 205, 207 f.; Kindler/Paulus, JuS 2013, 393, 395; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 471; Füller, Sachenrecht, S. 265; Karner, Mobiliarerwerb, S. 152. 442 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 7; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 2; Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 83 Rn. 1; H. Westermann, JuS 1963, 1, 6; Füller, Sachenrecht, S. 265; Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 42. 443 Brandt, Eigentumserwerb, S. 290 ff.; dagegen bereits der Bodenrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, vgl. Locher, Neugestaltung, S. 108 ff., 113; zusf. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 9.
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2. Zurechnungsprinzip Wo es an einem hoheitlichen Verfahren zur Sicherung der inhaltlichen Richtigkeit des Rechtsscheinträgers fehlt und deshalb keine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass ein unberechtigter Rechtsverlust nur in seltenen Ausnahmefällen eintritt, beschränkt das Gesetz die Gutglaubenswirkungen typischerweise durch Etablierung eines zusätzlichen – negativen – Tatbestandsmerkmals, das einen Kontrapunkt zum reinen Rechtsscheinprinzip setzt. a) Rechtshistorische Grundlagen Bereits die 1. BGB-Kommission wies mit Blick auf den redlichen Mobiliarerwerb444 darauf hin, dass „(d)as Vertrauen auf den Besitzstand (…) dem Vertrauen auf das Grundbuch nicht gleichgesetzt werden“ könne445. Es müsse damit gerechnet werden, dass es „sehr häufig“ zu nichtberechtigten Verfügungen über bewegliche Sachen komme. Deshalb müsse es auch für den Fall, dass der Veräußerer den Gegenstand vom Eigentümer erhalten habe, bei dem hergebrachten altdeutschen Grundsatz „Hand wahre Hand“ bleiben446 und „der Eigenthümer gegenüber einem gutgläubigen Erwerber die Gefahr einer unrechtmäßigen Verfügung des Inhabers tragen“. In den Materialien zur Vorläuferregelung des Art. 306 Abs. 4 ADHGB 1861 heißt es außerdem, der Eigentümer, der seine Sache einer anderen Person anvertraue, sei tendenziell weniger schutzwürdig als der Erwerber, weil sich der Eigentümer die Vertrauensperson selbst aussuchen könne447. Das gelte umso mehr, als die Bereichsausnahme für deliktisch erlangte Gegenstände helfe, Hehlerei mit Handelsgütern zu unterbinden448. Anders sei nur zu entscheiden, wenn dem Eigentümer die Sache gegen oder auch nur ohne seinen Willen entzogen worden sei. Im Ergebnis beruht § 935 Abs. 1 BGB also auf einer Billigkeitsentscheidung des historischen Gesetzgebers. Zur Begründung führt die 1. BGB-Kommission aus: „Gegen die Veräußerung der Sache durch einen Nichtberechtigten kann der Eigenthümer, abgesehen von den Fällen der Entziehung der Sache, sich genügend dadurch schützen, daß er die Innehabung nicht aus der Hand giebt, und dadurch dritten Personen gegenüber den Schein ausschließt, dass die Sache einem Anderen gehöre. (…) An dem Irrthume des Erwerbers über das Eigenthum des Veräußerers trägt deshalb in der Regel der Eigenthümer in höherem Grade Schuld als der Erwerber; deshalb ist es der Billigkeit mehr entsprechend, den Nachtheil von dem Ersteren tragen zu lassen“449. 444 Gleiches gilt für weitere natürliche Rechtsscheinträger, wie z.B. Urkunden. Der hieran anknüpfende Rechtsschein setzt voraus, dass Urkunden vom Betroffenen ausgehändigt worden sind (vgl. §§ 172, 405 BGB); siehe oben § 11 III. 6. b). 445 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 348; dort auch die nachfolgenden Zitate. 446 Zum Problem der Verifizierung dieses Prinzips siehe oben § 11 I. 2. 447 Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, Protokolle, S. 4616; ausf. Kunkel, Verkehrsschutz, S. 17 f. 448 Protokolle zum ADHGB 1861, bei Schubert, Protokolle, S. 4610 f. 449 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 344.
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„Dagegen überwiegen die Gründe, anders zu entscheiden, wenn dem Eigenthümer oder dessen Vertreter ohne deren Willen die Innehabung der Sache entzogen ist. (…) Ferner kommt in Betracht, daß (…) die Gefahr des Verlustes der Innehabung einer beweglichen Sache (…) eine sehr nahe liegende ist und daß das moderne Recht nicht geneigt ist, dem Eigenthümer die Verfolgung der ihm abhanden gekommenen Sache zu Gunsten des gutgläubigen Erwerbers gänzlich abzuschneiden“450.
b) Rechtspolitische und rechtsökonomische Würdigung Die rechtspolitische Sinnhaftigkeit und die Ausgestaltung des Zurechnungsprinzips in § 935 Abs. 1 BGB sind seit jeher angefeindet worden. Kritiker werfen dem Ausschlusstatbestand vor, dass er mit den Erfordernissen des modernen Rechtsverkehrs schwerlich in Einklang zu bringen sei451: Zum einen müssten Gegenstände aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten Dritten übergeben werden können. Es erscheine daher fernliegend, den Rechtsverlust beim wahren Berechtigten unter Hinweis auf die freiwillige Sachübergabe legitimieren zu wollen. Zum anderen grenze es an eine unzulässige Fiktion, wollte man § 935 Abs. 1 BGB den Gedanken unterschieben, der Eigentümer könne den Rechtsverlust durch eine Überprüfung der Vertrauensperson verhindern. Und schließlich erscheine auch die Anknüpfung an den Umstand des unfreiwilligen Besitzverlusts nicht durchweg geeignet, eine besondere Schutzwürdigkeit des Eigentümers zu begründen. Wertungswidersprüche zeigten sich etwa dann, wenn der Eigentümer die Sache aus Nachlässigkeit liegen gelassen oder den zum Besitzverlust führenden Diebstahl fahrlässig verursacht habe. Diese Kritik ist ernst zu nehmen. Dementsprechend ist das Zurechnungsprinzip für sich auch ungeeignet, den redlichen Erwerb als solchen zu legitimieren. Dessen ungeachtet ist es als nachgeordnetes Prinzip für die konkrete Ausgestaltung und Interpretation der einzelnen Gutglaubenstatbestände von zentraler Bedeutung452. Dass die mit § 935 Abs. 1 BGB in das positive Recht hineingetragenen Wertungen zumindest dem Grunde nach zu überzeugenden Ergebnissen führen, verdeutlicht eine ökonomische Analyse der Vorschrift: Aus ökonomischer Perspektive fungiert das Zurechnungsprinzip als Wertungselement innerhalb der Gesamtabwägung zwischen dem Bestandsinteresse des wahren Berechtigten sowie dem Verkehrs- und Erwerbsinteresse453. Dem wahren Berechtigten wird ein Rechtsverlust auch deshalb zugemutet, weil er infolge Sachbeherrschung den redlichen Erwerb dadurch wirksam ausschließen 450
Motive zum BGB, Bd. 3, S. 348. Dazu und zum Folgenden Giehl, AcP 161 (1962), 357, 364; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 542 f.; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 13; Hübner, Rechtsverlust, S. 101 ff.; Karner, Mobiliarerwerb, S. 60; Peters, Entzug, S. 50 f., 55 ff.; Ernst, FS Gernhuber, S. 95, 118 m. Fn. 92; v. Lübtow, FS FU Berlin, S. 119, 217, 221 f.; Wilburg, FS Baltl, S. 557, 565 f. 452 Vgl. auch Karner, Mobiliarerwerb, S. 66. 453 Ablehnend zur Fruchtbarmachung rechtsökonomischer Methoden gerade im vorliegenden Zusammenhang: J. Hager, Verkehrsschutz, S. 231 ff., 237 f.; Karner, Mobiliarerwerb, S. 122 f.; anders die ganz h.M. mit Nachw. in Fn. 454. 451
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kann, dass er die Sache nicht aus der Hand gibt. Zudem ist ihm das Verlustrisiko zugewiesen, weil er sich im Vergleich zum Erwerber über die Vertrauenswürdigkeit des Dritten, dem er die tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand anvertraut hat, regelmäßig unter Einsatz geringerer Kosten informieren und ihn überwachen kann454. Der wahre Berechtigte ist in diesem Zusammenhang demnach cheapest cost avoider455. Er kann den eigenen Rechtsverlust durch sorgfältige Auswahl und Überwachung der Vertrauensperson zu geringeren Kosten verhindern als sie der Erwerber aufwenden müsste, um die Eigentümerstellung des Verfügenden zu verifizieren. Zudem ist es auch der wahre Berechtigte, der aus der Besitzübertragung einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt. Dann muss der Erwerber aber auch das spiegelbildliche Risiko tragen, den aus der Hand gegebenen Gegenstand durch redlichen Erwerb zu verlieren456. Diese ökonomischen Erwägungen tragen allerdings nur für den Fall der freiwilligen Sachübergabe an eine Vertrauensperson. Wird dem Eigentümer die Sache gestohlen oder kommt sie ihm anderweitig abhanden, hat er sich weder bewusst für die wirtschaftliche Nutzung des Gegenstandes durch Besitzverlagerung entschieden noch konnte er die Vertrauensperson sorgfältig aussuchen und überwachen. Auch konnte der Eigentümer aus der Besitzübertragung keine besonderen Vorteile ziehen, die es rechtfertigen könnten, ihm gleichsam als Kehrseite das Verlustrisiko aufzubürden457. Hinzu kommt, dass der Eigentümer im Falle freiwilliger Besitzübertragung einen etwaigen Rechtsverlust später leichter sanktionieren kann, indem er sich bei demjenigen schadlos hält, der als Nichtberechtigter über den Gegenstand verfügt hat. Ist er hingegen bestohlen worden und kann er den Täter deshalb nicht ausfindig machen, kann er ihn auch nicht in die Haftung nehmen und ist damit weniger wirksam geschützt. Davon abgesehen ist die gesamtwirtschaftliche Dimension des Ausschlusses für gestohlene Sachen durchaus umstritten. Die Kritiker monieren zum einen, dass der Ausschlusstatbestand überhaupt nicht in der Lage sei, die Gefahr von Diebstählen effektiv zu verringern458. Zum anderen sei der Ausschluss mit externen Kosten verbunden, die sich negativ auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen auswirkten459. Eine genauere Analyse entlarvt die beiden Argumente als unzutreffend: 454 So im Ansatz Reich, in: AK, BGB, §§ 932, 933 Rn. 3; Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 612 ff.; Krimphove, ZfRV 1998, 185, 192 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 429; Walz, KritV 1986, 131, 145; Adams, Analyse, S. 188 f.; ähnlich Levmore, J. Legal Stud. 16 (1987), 43, 59; Weinberg, J. Leg. Stud. 9 (1980), 569, 591; kritisch J. Hager, Verkehrsschutz, S. 231 ff.; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 223; distanziert auch Karner, Mobiliarerwerb, S. 60, anders aber S. 245. 455 So etwa Posner, Analysis, S. 99: „lower-cost avoider“; Karner, Mobiliarerwerb, S. 246. 456 Ebenso Adams, Analyse, S. 189. 457 Siehe Adams, Analyse, S. 189 in Fn. 1, der die Ausnahmevorschrift des § 935 Abs. 1 BGB im Ergebnis indes ablehnt. 458 So Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), 273, 289 ff. (Lösungsrecht bevorzugend); Thorn, Mobiliarerwerb, S. 263 f. 459 Adams, Analyse, S. 189 in Fn. 1; Krimphove, ZfRV 1998, 185, 202 ff. (Lösungsrecht bevorzugend).
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Zunächst bedeutete die Zulassung des redlichen Erwerbs auch für gestohlene Sachen, dass sich die Schutz- und Kontrollkosten des wahren Berechtigten stark erhöhten460. Der Eigentümer müsste gesteigerte Aufwendungen tätigen, um einen Verlust seiner Vermögensrechte sicher auszuschließen. Anders als unter Geltung der lex lata kann er sich gegen einen Rechtsverlust nicht länger dadurch schützen, dass er den Gegenstand nicht aus der Hand gibt461. Er müsste effektive Sicherungsmaßnahmen ergreifen, wollte er einen Rechtsverlust verhindern. Dabei bestünde namentlich die Gefahr, dass er irrational hohe Aufwendungen tätigt. Umgekehrt hätte der Erwerber keinen Anlass, sich über die Herkunft des Erwerbsgegenstandes zu erkundigen. Zwar werden hiermit seine Informationskosten gesenkt. Dadurch würde umgekehrt aber die Veräußerung gestohlener Sachen erleichtert und damit zugleich ein Anreiz für vermehrte Diebstähle gesetzt sowie die mit Diebstählen verbundenen Folgekosten (theftrelated costs), wie z.B. Rechts- und Strafverfolgungskosten462, erhöht, während der Tatbestandsausschluss für gestohlene Sachen die Zirkulation von Diebesgut und anderer deliktisch erlangter Vermögensrechte erschwert und Diebstähle weniger attraktiv erscheinen lässt463. Darüber hinaus erzeugt der Ausschlusstatbestand für den wahren Berechtigten außerdem den Anreiz, sich um die Wiederbeschaffung gestohlener Gegenstände zu bemühen. Gestohlene Gegenstände bleiben dem redlichen Rechtsverkehr demnach nicht auf alle Zeit entzogen und können nach ihrer Rückgabe wieder effektiv genutzt werden464. Könnten gestohlene Sachen hingegen redlich erworben werden, bestünde kein vergleichbarer Anreiz zur Wiederbeschaffung465. Der Ausschlusstatbestand trägt insofern dazu bei, dass Diebstähle unattraktiver werden, weil Diebe eher damit rechnen müssen, entdeckt, angeklagt und verurteilt zu werden. Aufgrund der hieraus resultierenden höheren Aufdeckungsgefahr verliert Diebesgut an Wert, da der Erwerber damit rechnen muss, dass ihm der Gegenstand, sollte er gestohlen sein, unabhängig von seiner Redlichkeit wieder entzogen werden kann466. Vielfach wird daher ein Preisabschlag gestohlene Gegenstände identifizierbar machen und potenziellen Erwerbern signalisieren, dass es sich bei den zum Verkauf angebotenen Gegenständen womöglich um Diebesgut handelt. Davon abgesehen bildet der auffallend geringe Preis ein Verdachtsmoment, das es dem Erwerber ermöglicht, kostengünstig die Berechtigung des Veräußerers zu verifizieren. In der Konsequenz ist es für den 460 Dazu und zum Folgenden Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 613 f.; stärker die Informationskosten des Erwerbers betonend Krimphove, ZfRV 1998, 185, 201. 461 Wagner, AcP 206 (2006), 352, 429. 462 Vgl. Weinberg, J. Leg. Stud. 9 (1980), 569, 580 iVm. 570 Fn. 7. 463 R. Posner, Analysis, S. 99. 464 A.A. Krimphove, ZfRV 1998, 185, 202. 465 Dazu und zum Folgenden sowie weiterführend Weinberg, J. Leg. Stud. 9 (1980), 569, 581 ff.; vgl. auch Shavell, Foundations, S. 54; Levmore, J. Legal Stud. 16 (1987), 43, 46, 58. 466 Näher Shavell, Foundations, S. 54; vgl. noch Levmore, J. Legal Stud. 16 (1987), 43, 46; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 429.
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Erwerber auch leichter, sich vor dem Erwerb gestohlener Sachen zu schützen, als vor dem Erwerb eines Gegenstandes, den eine Vertrauensperson des früheren Eigentümers unberechtigt weiterveräußert hat467. Vor diesem Hintergrund geht die ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung bei gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Gegenständen zugunsten des wahren Berechtigten aus. Verkehrs- und Erwerberinteressen rücken wieder in den Vordergrund, wenn bewegliche Sachen in besonderem Maße auf eine ungehinderte Umlauffähigkeit angewiesen sind: c) Ausnahmen für besonders umlauffähige Gegenstände Eine Ausnahme vom Zurechnungsprinzip des redlichen Mobiliarerwerbs sieht § 935 Abs. 2 BGB für Gegenstände vor, die in besonderem Maße auf eine leichte und ungehinderte Zirkulation angewiesen sind, wie z.B. Geld468 und Inhaberpapiere469, und die deshalb auch redlich erworben werden können, wenn sie dem wahren Berechtigten gestohlen worden oder auf sonstige Weise abhanden gekommen sind470. Gegenüber dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten treten bei diesen Sonderfällen wieder die Interessen an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Zahlungsverkehrs in den Vordergrund, auch wenn der Eigentümer die bezeichneten Gegenstände nicht freiwillig weitergegeben hat. Für Geld und Inhaberpapier gilt auch beim redlichen Mobiliarerwerb ausnahmsweise das reine Rechtsscheinprinzip. Die damit einhergehende Belastung des wahren Berechtigten liegt auf der Hand: Er kann sich vor dem Verlust von Geld und Wertpapieren nicht einmal dadurch schützen, dass er sie nicht freiwillig aus der Hand gibt. Auch wird ihm der Bereicherungsanspruch gegen den Nichtberechtigten in der Regel wenig nützen, weil der Dieb typischerweise schwer auffindbar und dementsprechend schwerlich haftbar zu machen ist471. Und dennoch erweist sich die legislatorische Grundsatzentscheidung zugunsten des Verkehrs- und Erwerberschutzes bei näherem Hinsehen als zutreffend. Betrachtet man zunächst die Position des wahren Berechtigten, dann zeigt sich, dass er durch § 935 Abs. 2 BGB nicht so schwer belastet ist, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Denn im Gegensatz zu vielen anderen 467
Wagner, AcP 206 (2006), 352, 429. Zur Sonderstellung von Geld siehe allgemein Kaser, AcP 143 (1937), 1 ff.; Simitis, AcP 159 (1960), 406, 454 ff.; Walz, KritV 1986, 131, 135 f., 158 ff.; monografisch Falck, Geld (1960); Lange, Ware und Geld (1943). 469 Die weitere Ausnahme für Gegenstände, die aufgrund öffentlicher Versteigerung veräußert worden sind, bleibt aus Raumgründen an dieser Stelle ausgespart; siehe dazu näher Wieling, Sachenrecht I, § 10 V 5 c; Karner, Mobiliarerwerb, S. 280, 282 ff. De lege ferenda ablehnend gegenüber dieser Ausnahme: Hübner, Rechtsverlust, S. 145 ff.; Peters, Entzug, S. 82. 470 Die Sonderregelung für die öffentliche Versteigerung und die Internetversteigerung iSd. § 979 Abs. 1a BGB dient der Funktionsfähigkeit öffentlich anerkannter Versteigerungen; vgl. BGH NJW 1990, 899, 900; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 935 Rn. 17. 471 Vgl. Karner, Mobiliarerwerb, S. 279. 468
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Sachen können Geld und Wertpapiere durch sichere Verwahrung kostengünstig auch gegen einen unfreiwilligen Besitzverlust geschützt werden472. Zudem entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, im Umgang mit Geld besondere Wachsamkeit und Vorsicht walten zu lassen. Auf der Seite des Erwerbers ist zu berücksichtigen, dass Geldscheine und Wertpapiere mangels leicht erkennbarer Identifikationsmerkmale nur schwer unterscheidbar sind. Dementsprechend ist auch schwerlich nachvollziehbar, ob bestimmte Geldzeichen einem früheren Eigentümer jemals abhanden gekommen sind oder nicht473. Auch wird es selten Verdachtsmomente aufseiten des Erwerbers geben, die ihm – wie etwa ein sehr geringer Kaufpreis bei anderen Sachen – zu Nachforschungen über die Berechtigung des Veräußerers oder die Herkunft der Geldmittel Anlass geben müssen. Überhaupt kann die für Geld und Inhaberpapiere notwendige Zirkulationsfähigkeit nur dadurch sichergestellt werden, dass der redliche Erwerb unabhängig von der Zurechenbarkeit des geschaffenen Rechtsscheins eintritt474. Zum einen wäre der Zahlungsverkehr ganz erheblich beeinträchtigt, wenn der wahre Berechtigte einzelne Geldscheine vom aktuellen Besitzer unter Hinweis auf ihr Abhandenkommen vindizieren könnte; von dem Problem der Unterscheidbarkeit einzelner Banknoten einmal ganz abgesehen. Zum anderen müssten aufgrund der Übereignungsfrequenz von Bargeld nicht selten eine große Vielzahl von Zahlungsvorgängen rückabgewickelt werden475, was offensichtlich mit erheblichen rechtspraktischen Schwierigkeiten und hohen Transaktionskosten verbunden wäre. Denn abhanden gekommene Sachen können gem. § 935 Abs. 1 BGB niemals gutgläubig erworben werden. Der Makel haftet dem Gegenstand gleichsam „ewig“ an476. Und schließlich befindet sich der Berechtigte vielfach in Beweisnot, weil er kaum einmal nachweisen kann, dass ein ganz bestimmter Geldschein früher in seinem Eigentum stand477. Durch die Zulassung des redlichen Erwerbs werden folglich auch posttransaktionale Streitbewältigungskosten gesenkt. Die uneingeschränkte Tauglichkeit von Geld als Tauschmittel mit dem höchsten Grad an Liquidität ist in institutioneller Hinsicht folglich nur dann hinreichend abgesichert, wenn auch gestohlene und sonst abhanden gekommene Geldscheine und Inhaberpapiere redlich erworben werden können478.
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Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 306. Vgl. Krimphove, Sachenrecht, S. 392 f. 474 Ebenso Medicus, Jura 2001, 294, 296; Karner, Mobiliarerwerb, S. 280. 475 Peters, Entzug, S. 77. 476 Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 935 Rn. 21. 477 Vgl. Kaser, AcP 143 (1937), 1, 3; Hübner, Rechtsverlust, S. 139 f.; Baird/Jackson, J. Legal Stud. 13 (1984), 299, 306. 478 Vgl. Walz, KritV 1986, 131, 159. 473
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
3. Partielles Zurechnungsprinzip Auch die Legitimation der Gesellschafterliste lässt aufgrund ihrer strukturellen Defizite479 zu wünschen übrig und fordert ihren Tribut sowohl (1.) in Form gesteigerter Redlichkeitserfordernisse480 als auch (2.) in Form des partiellen Zurechnungsprinzips481, welches das aus dem Mobiliarsachenrecht bekannte Zurechnungskriterium auf Grundlage einer zeitlichen Staffelung gem. § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG mit dem reinen Rechtsscheinprinzip verbindet: a) Rechtsdogmatische Grundlegung de lege lata Während der ersten drei Jahre, in welchen die Gesellschafterliste unrichtig ist, kommt ein redlicher Erwerb nur in Betracht, wenn die Unrichtigkeit dem Berechtigten zuzurechnen ist482. Nach Vollendung des Karenzzeitraums gilt das reine Rechtsscheinprinzip: Der Gutgläubige erwirbt den Geschäftsanteil auch dann, wenn dem wahren Rechtsinhaber die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste nicht zurechenbar ist. Mit der zeitlichen Differenzierung sucht das Gesetz, die tangierten Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen483. Da die Gesellschafterliste als Rechtsscheintatbestand nicht die gleiche Richtigkeitsgewähr aufweist wie das Grundbuch, war die Implementierung eines Zurechnungskriteriums – ebenso wie im Fall des § 935 Abs. 1 BGB – im Ergebnis unumgänglich484. Den zutreffenden Ausgangspunkt der normativ-teleologischen Präzisierung des Zurechnungserfordernisses bildet einmal mehr das Spannungsverhältnis zwischen dem Beharrungsinteresse des wahren Gesellschafters auf der einen Seite sowie das individuelle Erwerbs- und das – wiederum ausschlaggebende – überindividuelle Verkehrsinteresse auf der anderen Seite485. Einerseits darf das erklärte Ziel des MoMiG-Gesetzgebers nicht aus den Augen verloren werden, durch die Zulassung eines redlichen Anteilserwerbs Transaktionskosten (namentlich durch Verschlankung der Due Diligence) zu senken und zugleich für rechtssichere Verhältnisse zu sorgen. Dieser Regelungszweck spricht für eine 479
Siehe oben § 11 III. 5. b). Siehe oben § 11 VI. 4. b) bb). 481 Vgl. auch Altgen, Erwerb, S. 262 ff.: „Verschuldensprinzip“; Wiersch, Erwerb, S. 43, 46: „potenzielles Gefahrbeherrschungsprinzip“; Lieder, AcP 201 (2010), 857, 900: „partielle Veranlasserlösung“; zustimmend jetzt Kindler/Paulus, JuS 2013, 393, 398. 482 Für die ganz h.M. statt aller Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 77 ff.; Heidinger, in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 239 ff.; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Reymann, WM 2008, 2095, 2097; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304; Wiersch, Erwerb, S. 41 ff.; a.A. nur Altgen, Erwerb, S. 256 ff., der eine einheitliche Lösung nach dem Verschuldensprinzip befürwortet. 483 Omlor, Verkehrsschutz, S. 460 ff. erkennt in der Zurechnungsregel die Ausprägung einer angemessenen Chancen- und Risikoverteilung. 484 Siehe schon oben § 11 III. 5. b). 485 Ähnlich Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 103; Altgen, Erwerb, S. 254; Wiersch, Erwerb, S. 43. 480
VII. Reines Rechtsscheinprinzip versus Zurechnungsprinzip
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restriktive Interpretation des Zurechnungskriteriums. Andererseits verlangt die Interdependenz zwischen Vertrauensgrundlage und Zurechnungselement nach einem hinreichenden Beitrag des wahren Berechtigten für die Unrichtigkeit des Rechtsscheinträgers. Andernfalls ist es schwerlich gerechtfertigt, dem Gesellschafter seinen GmbH-Anteil aufgrund einer Rechtsscheingrundlage zu entziehen, deren materielle Richtigkeit nicht durch ein hoheitliches Verfahren besonders abgesichert ist. Dementsprechend hat sich im Schrifttum eine Veranlassungsformel durchgesetzt, die eine Zurechnung annimmt, wenn der wahre Berechtigte die Unrichtigkeit zumindest teilweise veranlasst oder teilweise zu verantworten hat486. Auf ein Verschulden des (Alt-)Gesellschafters kommt es nicht an487. b) Verzicht auf das Zurechnungsprinzip de lege ferenda Ob der wahre Berechtigte die Unrichtigkeit der Liste durch Tun oder Unterlassen zurechenbar veranlasst bzw. zu verantworten hat, ist letztlich eine Wertungsentscheidung, die das Spannungsverhältnis zwischen dem Beharrungsinteresse sowie dem Verkehrs- und Erwerbsinteresse für den jeweiligen Einzelfall angemessen auflösen muss488. Mit diesem Kriterium wird die Praxis umgehen lernen; Rechtsprechung und Schrifttum werden Leitlinien und Fallgruppen entwickeln, um mit der Zeit für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen. Kurzum: De lege lata ist die Veranlassungsformel in der praktischen Anwendung handhabbar. De lege ferenda ist das Zurechnungsprinzip indes nur die zweitbeste Lösung: Noch einmal ist an dieser Stelle klar herauszustellen, dass die Geltung des Zurechnungsprinzips einzig und allein dem Zweck dient, das Legitimationsdefizit der Gesellschafterliste zu kompensieren, die in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung für sich allein keine tragfähige Rechtsscheingrundlage für einen redlichen Anteilserwerb darstellt. Es fehlt an einer institutionellen Absicherung der materiellen Richtigkeitsgewähr der Listeneintragungen. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, diese bei nächster Gelegenheit herzustellen. Es ist dringend notwendig, die obligatorische Einreichungszuständigkeit des Notars festzuschreiben. Wird dieser Reformvorschlag ordnungsgemäß umgesetzt und die Verlässlichkeit der Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger derart gesteigert, dass die 486 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 68; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 80; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 16 Rn. 214; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 104; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 22; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Lieder, Jura 2010, 801, 807; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wachter, ZNotP 2008, 378, 395. 487 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 68; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 80; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 16 Rn. 214; Heidinger, in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 242; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 104, 105; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 22; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Lieder, Jura 2010, 801, 807; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wachter, ZNotP 2008, 378, 395; Wilhelm, FS Picker, S. 837, 854 f.; a.A. dezidiert Altgen, Erwerb, S. 256 ff., 262 ff., der sich für die Geltung des Verschuldensprinzips ausspricht. 488 Ähnlich Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 104.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
Wahrscheinlichkeit unrichtiger Eintragungen auf ein absolutes Minimum reduziert ist, dann kann auch auf das Zurechnungselement des § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG verzichtet werden489. Die Vorteile einer solchen Änderung des redlichen Anteilserwerbs liegen auf der Hand: Zum einen würde die Gesellschafterliste als künstlicher Vertrauenstatbestand in systemkonformer Weise an die übrigen künstlich geschaffenen Rechtsscheinträger (Grundbuch, Erbschein) angepasst. Die übrigen Vertrauenstatbestände sind von einer bestimmten Mindestdauer der Divergenz zwischen Rechtsschein und wahrer Rechtslage unabhängig490. Das gilt umso mehr, als die Gesellschafterliste regelmäßig keine Auskunft darüber gibt, seit welchem Zeitpunkt sie bereits fehlerhaft ist. Zum anderen würden die mit dem Zurechnungskriterium verbundenen Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Anteilsverkehrs beseitigt. Für den Erwerber eines GmbH-Anteils ist nämlich heute nicht ersichtlich, ob die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste dem wahren Berechtigten zuzurechnen ist oder nicht. Der Anteilserwerber wird dementsprechend mit zusätzlichen Informationskosten sowie dem Risiko eines nachträglichen Rechtsverlusts belastet. Kann nach Aufwertung der Gesellschafterliste allerdings auf das Zurechnungselement verzichtet werden, fallen besagte Informationskosten ebenso weg wie das Risiko des nachträglichen Rechtsverlusts. Diese handfesten ökonomischen Vorteile dürften die mit einer obligatorischen Notarbeteiligung verbundenen Kosten angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung von GmbH-Anteilstransaktionen regelmäßig um ein Vielfaches aufwiegen. Ein Verzicht auf das Zurechnungskriterium würde auch die Interessen des wahren Berechtigten nicht über Gebühr beeinträchtigen. Denn zum einen verringert die höhere Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste das Verlustrisiko des Anteilsinhabers. Zum anderen hat er auch die (bereits nach gegenwärtiger Rechtslage bestehende) Möglichkeit, nach Kenntniserlangung einen Widerspruch gegen die Eintragung zu erwirken (§ 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG). Hinzu kommt, dass der neue Gesellschafter ein veritables Interesse an der Eintragung seiner persönlichen Angabe in die Gesellschafterliste hat. Schließlich hängt seine Gesellschafterstellung im Verhältnis zur GmbH und den Mitgesellschaftern gem. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG maßgeblich von der Listeneintragung ab. Auch wenn die Eintragung für die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs ohne Belang ist, begründen die an die Nichteintragung geknüpften Folgen für den Anteilserwerber einen wirtschaftlichen Anreiz, für die materielle Richtigkeit der Gesellschafterliste zu sorgen491. Das gilt umso mehr, als sich der Gesellschafter durch Einsichtnahme in das (elektronische) Handelsregister schnell, sicher und 489
Für eine Reduzierung der Karenzzeit auf ein Jahr: Schüßler, Erwerb, S. 193. Vgl. Altgen, Erwerb, S. 32; Füller, Sachenrecht, S. 279. 491 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157, 1159; Preuß, ZGR 2008, 676, 677; Wedemann, WM 2008, 1381, 1383; Altgen, Erwerb, S. 109; (zu § 15 Abs. 1 HGB) Lieder, JbJZ 2010, 121, 127 f.; kritisch Greitemann/Bergjan, FS Pöllath, S. 271, 275 f. 490
VIII. Schutz des unentgeltlichen Erwerbs
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einfach Kenntnis über den Inhalt der Gesellschafterliste verschaffen und hierdurch seine Rechte wahren kann492. Unter Zugrundelegung des rechtsökonomischen Modells darf man daher konstatieren, dass der wahre Berechtigte zur Vermeidung eines Rechtsverlusts – anders als etwa der Mobiliareigentümer – nur verhältnismäßig geringe Informations- und Kontrollkosten aufwenden müsste, während der Erwerber nach geltender Rechtslage hohe Transaktionskosten aufwenden muss, um anhand des Zurechnungskriteriums die materielle Berechtigung des Veräußerers zu verifizieren. Für den redlichen Erwerb von GmbH-Anteilen gilt daher einmal mehr, dass es sich beim (Alt-)Gesellschafter um den cheapest cost avoider handelt. Ihn sollte daher auch die Obliegenheit treffen, im eigenen Interesse den Verlust seiner Rechtsposition zu vermeiden. Eine dahingehende Lösung des Interessenkonflikts würde sich insgesamt in einer wohlstandsmaximierenden Senkung von Transaktionskosten niederschlagen und einen nicht gering zu schätzenden Beitrag zu einer effektiven Anteilsallokation leisten. Die nämlichen Überlegungen sprechen letztlich auch dafür, den Redlichkeitsmaßstab des § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG nach Aufwertung der Gesellschafterliste an §§ 892 Abs. 1 S. 1 a.E., 2366 a.E. BGB anzupassen, so dass dem Erwerber künftig nur positive Kenntnis von der Listenunrichtigkeit schadet493.
VIII. Schutz des unentgeltlichen Erwerbs Ein Zankapfel der Vorschriften über den redlichen Erwerb ist noch immer der Schutz des unentgeltlichen Erwerbs. Teile des Schrifttums vertreten die Auffassung, der Erwerber sei nicht schutzwürdig, wenn er für den Verfügungsgegenstand keine (angemessene) Gegenleistung erbracht habe, so dass die Gutglaubensvorschriften kraft teleologischer Reduktion beim unentgeltlichen Erwerb unangewendet bleiben müssten494. Indes ist diese Position de lege lata weder mit der Entstehungsgeschichte der Gutglaubensvorschriften (1.) noch der Wertung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB (2.) in Einklang zu bringen. Und auch de lege ferenda gibt es hinsichtlich der Zulassung des unentgeltlichen Gutglaubenserwerbs nichts zu erinnern (3.).
492 Siehe dazu und zum Folgenden ähnlich Wiersch, Erwerb, S. 58 f.; kritisch Altgen, Erwerb, S. 259 ff. 493 Dafür auf Basis des geltenden Rechts bereits Wiersch, Erwerb, S. 194 ff., was freilich mit dem Regelungssystem des § 16 Abs. 3 GmbHG de lege lata nicht vereinbar ist. 494 So Peters, Entzug, S. 116 ff. – Wolf, JZ 1997, 1087, 1091; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 241 f.; ders., Verkehrsinteresse, S. 204 halten den redlichen unentgeltlichen Erwerb für verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt; kritisch auch Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 17 m. Fn. 54; Brandt, Eigentumserwerb, S. 261 f., 289 f.; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 81 ff.; de lege ferenda gegen einen unentgeltlichen Gutglaubenserwerb Locher, Neugestaltung, S. 117 ff., 120.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
1. Rechtshistorische Grundlagen Ein Blick in die Entwicklungsgeschichte der Gutglaubenstatbestände lehrt, dass unter Geltung des altgermanischen Rechts auch ohne Erbringung einer angemessenen Gegenleistung redlich erworben werden konnte495. Auch wenn die deutschen Partikularrechte des 18. und 19. Jahrhunderts später geteilter Meinung über diese Frage waren, votierte Johow im sachenrechtlichen Vorentwurf für die Zulassung des unentgeltlichen Erwerbs und verwies zur Begründung im Anschluss an Vorarbeiten von Adolf Exner insbesondere auf „das Interesse des Realkredits“. Mit dem zusätzlichen Erfordernis der Entgeltlichkeit – so befürchtete der Redaktor – würden auch zusätzliche Unsicherheiten in den „Hypothekarprozeß“ hingetragen, die durch eine ausschließliche Anknüpfung an den „formell korrekten Buchinhalt“ vermieden werden können496. Ergänzend argumentiert Johow, dass reine Schenkungen in der Praxis ohnehin nur selten vorkämen und daher – wolle man den durch die Bereichsausnahme für unentgeltliche Verfügungen gemachten Billigkeitserwägungen effektiv zum Durchbruch verhelfen – auch gemischte Schenkungen erfasst werden müssten, was allerdings die Aufspaltung des Erwerbsvorgangs in zwei Teile zur Folge haben müsste und praktische Schwierigkeiten nach sich ziehe. Und schließlich könne der Erwerber auch bei unentgeltlichen Leistungen im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs Dispositionen tätigen, die nicht durch Zulassung der Vindikation des unentgeltlich erlangten Gegenstandes enttäuscht werden dürften497. Man denke nur an die Bebauung eines geschenkten Grundstücks. Diese Überlegungen machte sich die 1. BGB-Kommission vollumfänglich zu eigen und betonte in Bezug auf das Liegenschaftsrecht, der „durchschlagende Grund“ für die Zulassung des redlichen unentgeltlichen Erwerbs liege „in der Rücksicht auf den Immobiliarverkehr überhaupt“498. Gleiches müsse für den redlichen Mobiliarerwerb und für den gutgläubigen Erwerb von Nachlassgegenständen gelten499. Trotz der am 1. Entwurf geäußerten Schrifttumskritik500 hielt auch die 2. BGB-Kommission an der eingeschlagenen Linie fest, schuf im Interesse des wahren Berechtigten allerdings einen neuartigen bereicherungsrechtlichen Ersatzanspruch, wonach der wahre Berechtigte den Verfügungsge-
495
Vgl. Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 367. Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 368 unter Hinweis auf Exner, Publizitätsprinzip, S. 64, 67. 497 Zum Ganzen: Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 367 f. 498 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 212; dort heißt es weiter: „Wenn dieser Verkehr auf eine sichere Grundlage gestellt werden soll, so darf das vorschriftgemäß errichtete und vollzogene Erwerbsgeschäft nicht durch die Behauptung eines Dritten, daß der Erwerb ohne Entgelt erfolgt sei, in Frage gezogen werden; die Berücksichtigung einer solchen Behauptung würde den Erwerber der Gefahr aussetzen, durch frivole und chikanöse Angriffe in dem ruhigen Genusse des entgeltlich erworbenen Rechtes gestört zu werden.“ 499 Dazu Motive zum BGB, Bd. 5, S. 571. 500 Siehe die bei Schubert, Entstehung, S. 128 in Fn. 673 nachgewiesenen Stimmen. 496
VIII. Schutz des unentgeltlichen Erwerbs
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genstand beim redlich Beschenkten kondizieren kann (vgl. §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB). Wie umstritten diese Richtungsentscheidung war, wird am Abstimmungsergebnis der Kommission deutlich. Bei 9 gegen 9 Stimmen gab erst die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag für die Zulassung des unentgeltlichen redlichen Erwerbs nebst Kondiktionsanspruch501. Zur Begründung verwies die 2. Kommission zunächst auf die hergebrachten Argumente. Außerdem betonte sie, dass der gute Glaube des Erwerbers auch bei Unentgeltlichkeit des Erwerbsvorgangs schutzwürdig sei502. Und schließlich verwiesen die Mitglieder mit Recht darauf, dass die Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäften mit der Verselbstständigung von Kausal- und Verfügungsgeschäft schwerlich in Einklang zu bringen sei503.
2. Wertung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB De lege lata spricht der Blick auf die rechtshistorisch-genetischen Hintergründe eine deutliche Sprache. Der Gesetzgeber hat sich bewusst – wenn auch mit knapper Mehrheit – für den Schutz des redlichen, unentgeltlichen Erwerbs entschieden. Diese Wertung kommt heute insbesondere in § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck. Der Kondiktionsanspruch macht nur Sinn, wenn der redliche Erwerber auch bei Unentgeltlichkeit zunächst den Verfügungsgegenstand zu Eigentum erwirbt. Wäre der unentgeltliche, gutgläubige Erwerb nämlich ausgeschlossen, bedürfte es keiner besonderen Kondiktionsvorschrift504. Zugleich sind durch diese Kompromisslösung auch die berechtigten Interessen des früheren Rechtsinhabers hinreichend gewahrt. Die Kondiktionslösung bestätigt den im BGB auch an anderen Stellen, etwa in §§ 822, 988 BGB, zum Ausdruck gelangten Gedanken der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs.
3. Rechtspolitische Würdigung De lege ferenda sprechen für die Zulassung des unentgeltlichen Gutglaubenserwerbs vor allem die Wertungen des Trennungs- und Abstraktionsprinzips und die Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten505. Käme der Unterscheidung nach der Entgeltlichkeit Bedeutung für den redlichen Erwerb zu, würden 501
Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 82. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 84. 503 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 82 f. 504 Vgl. BGHZ 81, 395, 396; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 25 a.E.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 33; Wacke, Jura 1986, 435, 437; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 88 ff.; siehe aus der Rechtsprechung noch OLG Naumburg NJW 2003, 3209, 3210. 505 In diese Richtung auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 33; Schubert, Entstehung, S. 138; a.A. Füller, Sachenrecht, S. 266. 502
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die maßgeblichen Postulate des Trennungs- und Abstraktionsprinzips verletzt, deren primäres Regelungsziel darauf gerichtet ist, die Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts soweit wie möglich vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zu entkoppeln und hierdurch für Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit zu sorgen. Zudem würde ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal in die Gutglaubensvorschriften hineingelesen, dass ihrem zentralen Regelungsziel – der Sicherung und Erleichterung des Rechts- und Handelsverkehrs – diametral zuwiderliefe. Insbesondere müsste sich der Erwerber Klarheit darüber verschaffen, ob für das Erwerbsgeschäft eine angemessene Gegenleistung vereinbart ist. Mit dieser Nachforschungsobliegenheit sind wiederum erhöhte Informationskosten und ein höheres Risiko verbunden, dass die Transaktion an der Nichterfüllung des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals scheitert506. Beide Problempunkte werden beseitigt, entscheidet man sich mit dem geltenden Recht für einen Gleichlauf zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb. Aus diesem Grund können auch die in neuerer Zeit geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen unentgeltliche Verfügungen507 im Ergebnis nicht durchdringen508. Das gilt umso mehr, als unentgeltliche Verfügungen zwar auf dinglicher Ebene wirksam, die erlangten Vermögenspositionen indes nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln sind. Die Interessen des wahren Berechtigten werden auf Grundlage des geltenden Rechts daher auch nicht über Gebühr beeinträchtigt. Vielmehr kann er den Verfügungsgegenstand gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB beim unentgeltlichen Erwerber und gem. § 822 BGB bei einem dritten unentgeltlichen Empfänger kondizieren und wird so vor einem endgültigen Rechtsverlust geschützt. Zugegebenermaßen werden dem wahren Berechtigten hiermit die Schwächen des Bereicherungsanspruchs sowie das Insolvenzrisiko des Erwerbers aufgebürdet. Diese Belastungen sind indes aus Verkehrsschutzgründen und zur effektiven Durchführung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips hinzunehmen. Verbleibende Härten können zum Teil durch eine sachgerechte Anwendung der Lehre vom Verkehrsgeschäft abgemildert werden, die auch in diesem Zusammenhang als flexibles Korrektiv zur Verfügung steht, wenn der Erwerber funktional nicht aufseiten des Rechtsverkehrs, sondern aufseiten des Veräußerers steht509. Zudem muss ein besonders günstiger Kaufpreis für eine bewegliche Sache den potenziellen Erwerber zu Nachforschungen veranlassen, andernfalls beruht seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit und ein redlicher Mobiliarerwerb scheidet aus510.
506 507 508 509 510
Vgl. auch Krimphove, Sachenrecht, S. 410 f. Siehe nochmals oben § 11 II. 4. Dazu ausf. Regenfus, Vorgaben, S. 670 ff.; vgl. ferner Altgen, Erwerb, S. 29. Siehe nochmals oben § 11 V. Siehe oben § 11 VI. 4. b) aa).
IX. Rechtsfolgen
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IX. Rechtsfolgen Auf Rechtsfolgenseite gilt es abschließend noch kurz festzuhalten, dass der Erwerber vom Nichtberechtigten nach den geltenden Gutglaubenstatbeständen in der Art und Weise erwirbt, wie er auch vom Berechtigten erworben hätte; er erwirbt also endgültig das uneingeschränkte Vollrecht (1.). Zudem ist der redliche Erwerb in sukzessionssystematischer Hinsicht als rechtsgeschäftlich veranlasste Nachfolge kraft Gesetzes zu qualifizieren (2.).
1. Endgültiger Erwerb des Vollrechts Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gutglaubensvorschriften erfüllt, erwirbt der Gutgläubige vom Nichtberechtigten das materielle Recht in der Art und Weise, wie er es vom Berechtigten erworben hätte. Der Erwerber wird vollendeter Rechtsinhaber. Ihm steht nicht lediglich eine (formellrechtliche) Einrede gegen den wahren Berechtigten zu, sondern das übertragene Vermögensrecht als solches511. Durch die materiellrechtliche Zuordnung des Vermögensrechts an den Erwerber wird vermieden, dass faktische Inhaberschaft und materielle Berechtigung dauerhaft auseinanderfallen. Das gilt sowohl für die dauerhafte Aufspaltung von Besitz und Eigentum als auch für die andauernde Trennung von Buchposition und wahrer Berechtigung. Auf diese Weise werden nicht nur praktische Verwerfungen vermieden, sondern auch klare rechtsdogmatische Strukturen geschaffen, die dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des redlichen Rechts- und Handelsverkehrs zu dienen bestimmt sind. Nicht nur der unmittelbare Erwerber, sondern auch seine Geschäftspartner, Gläubiger und etwaige Dritterwerber dürfen sich nach dem redlichen Erwerb auf die Rechtsbeständigkeit verlassen. Einmal mehr bestätigt sich an dieser Stelle das Konzept vom Erwerber als Repräsentant des Rechtsverkehrs. Weil der Erwerber nur mittelbarer Schutzadressat der Gutglaubenstatbestände ist, kann er auch nicht nach Belieben über deren Geltung oder Nichtgeltung entscheiden. Der Rechtserwerb ist deshalb auch nicht davon abhängig, dass sich der Erwerber auf die Geltung der Gutglaubensvorschriften beruft512. Schließlich entspricht es auch der teleologisch-normativen Begründung des Gutglaubenserwerbs aus dem überindividuellen Interesse des Rechtsverkehrs an einer Sicherheit und Leichtigkeit des Güterumsatzes, dass die Wirkungen der Gutglaubensvorschriften unabhängig vom Willen des Erwerbers eintreten. 511 Vgl. bereits Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 372 für das Liegenschaftsrecht: „Das Prinzip des öffentlichen Glaubens verschafft also dem Erwerber nicht blos eine Einrede gegen den Anspruch des durch die Uebertragung oder durch die Begründung des erworbenen Rechts Verletzten, sondern erhebt dieses Recht zu einem vollgültigen, ganz so, als wäre das Recht des Auktors überhaupt nicht mit einem Mangel behaftet gewesen“. 512 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 215; OLG Frankfurt MDR 1985, 498; Augustin, in: RGRK, § 892 Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 231; Heck, Sachenrecht, § 44 III; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 728 m. Fn. 1300 f.; a.A. Altmeppen, Disponibilität, S. 232 ff.
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2. Gutglaubenserwerb als rechtsgeschäftlich veranlasste Sukzession kraft Gesetzes Sehr umstritten war lange Zeit die sukzessionssystematische Einordnung des redlichen Erwerbs. Ein Großteil des Schrifttums zog in Zweifel, dass es sich beim Gutglaubenserwerb um einen derivativen Erwerb im Sinne einer Rechtsnachfolge handelte513. Und noch heute wird verbreitet die Auffassung vertreten, es handele sich um einen originären Erwerbsvorgang514. Dem setzt die überwiegend vertretene Auffassung ein derivatives Erwerbskonzept entgegen515. Beim redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten handelt es sich nach zutreffender Auffassung um eine Sukzession, die zwar rechtsgeschäftlich durch ein Verkehrsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber veranlasst ist, sich aber kraft Gesetzes, aufgrund des besonderen Gutglaubenstatbestands vollzieht und das Vermögensrecht des wahren Berechtigten auf den redlichen Erwerber übergehen lässt. Rechtsvorgänger des redlichen Erwerbers ist der wahre Berechtigte516, nicht etwa der unberechtigt Verfügende517 oder beide Personen gemein513 Klassisch ist die Kontroverse während der Verhandlungen des 15. Deutschen Juristentags 1880 in Leipzig. Dort vertrat Franken, Verhandlungen 15. DJT I, S. 147 die Auffassung, es handele sich um einen originären Eigentumserwerb, während Reuling, Verhandlungen 15. DJT II, S. 71 f. von einem derivativen Rechtserwerb ausging. Diese Kontroverse lässt sich auch in den Protokollen zum BGB, Bd. 3, S. 213, nachweisen. Dort heißt es: „Von mehreren Seiten wurde die Auffassung vertreten, wenn Jemand in Gemäßheit der Vorschriften über den Erwerb in gutem Glauben das Eigenthum einer Sache von dem Nichteigenthümer erworben habe, so sei dieser Erwerb als derivativer Erwerb anzusehen, der den Grundsätzen der Rechtsnachfolge unterliege. Von anderer Seite wurde betont, es lasse sich zur Zeit nicht mit Bestimmtheit übersehen, ob in den gedachten Fällen in der That sämmtliche für den derivativen Erwerb geltenden Vorschriften zur Anwendung zu kommen hätten. Eine Entscheidung der Komm(ission) wurde über diese Frage nicht herbeigeführt“. In diesem Sinne zuvor bereits Johow, bei Schubert, Sachenrecht I, S. 373: „(…) das ist eine Frage, deren Lösung nicht dem Gesetzgeber, sondern der Rechtswissenschaft obliegt“. 514 So etwa Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 932 Rn. 59; Larenz, BGB AT, § 13 V a; Hübner, BGB AT, Rn. 385; Stagl, AcP 211 (2011), 530, 545 f.; aus dem älteren Schrifttum Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 141 III; Romeick, Rechtsnachfolge, S. 35 ff.; Regelsberger, JhJ 47 (1904), 339, 360 ff., 377; Kipp/Windscheid, Pandektenrecht I, § 64 Anm. 6; Sohm, Gegenstand, S. 38, 56 f.; vgl. noch RGZ 47, 66, 70. 515 Für die h.M.: Henssler, in: Soergel, BGB, § 932 Rn. 38; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 69; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 932 Rn. 109; Bork, BGB AT, Rn. 307; Larenz/ Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 28; Prütting, Sachenrecht, Rn. 441; Gursky, in: Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 45 Rn. 14; aus dem älteren Schrifttum siehe noch v. Tuhr, AT II/1, S. 52 ff.; Hellmann, Vorträge, § 12; Hellwig, Rechtskraft, S. 103 ff.; dens., Lehrbuch, § 39 II 2; Wendt, AcP 89 (1899), 1, 17 ff.; Lessing, Rechtsnachfolge, S. 40 ff.; v. Schwerin, Begriff, S. 32 betrachtet den redlichen Erwerb als Fall der Rechtsnachfolge, nimmt aber dennoch originären Erwerb an. 516 Besonders klar und zutreffend v. Tuhr, AT II/1, S. 55 f.; vgl. ferner Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 28. 517 Quack, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 932 Rn. 59; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 45 II 3 mit Fn. 38, § 69 IV mit Fn. 28 gehen von einem derivativen Eigentumserwerb aus, sehen den wahren Berechtigten indes nicht als Vorgänger des Erwerbers, sprechen aber auch nicht explizit davon, dass der Verfügende Rechtsvorgänger ist; so aber die Interpretation von J. Hager, Verkehrsschutz, S. 5.
IX. Rechtsfolgen
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sam518. Das entspricht dem sukzessionsrechtlichen Grundsatz, dass eine Nachfolge nur in Betracht kommt, wenn der Vorgänger selbst Inhaber des übertragenen Vermögensrechts ist519. Für die Einordnung als derivativer Erwerb spricht zunächst § 936 BGB, der einen redlichen, lastenfreien Erwerb besonders regelt520. Würde der Gutgläubige originäres Eigentum erwerben, dann wäre eine solche Regelung schlichtweg überflüssig. Denn das originär erworbene Eigentum müsste von Natur aus unbelastet sein. Zudem erscheint es gekünstelt, konstruierte man den redlichen Erwerb als zweiaktigen Vorgang, der einerseits das Vermögensrecht in der Person des Erwerbers – gleichsam aus dem Nichts – neu entstehen lässt, während das bisher in der Person des wahren Berechtigten bestehende Recht ersatzlos erlischt. Im Gegensatz dazu lassen sich die Rechtsfolgen der Gutglaubenstatbestände auf Grundlage eines Nachfolgekonzepts ohne rechtskonstruktive Brüche erklären. Gegen diese Position kann auch nicht eingewandt werden, der wahre Berechtigte habe das Eigentum nicht auf den Erwerber übertragen (wollen)521. Es ist zwar richtig, dass im Falle des Gutglaubenserwerbs zwischen Alt- und Neurechtsinhaber keine rechtsgeschäftliche Verbindung besteht. Dies schließt eine Sukzession aber keineswegs aus. Ausgeschlossen ist allein die Einordnung des redlichen Erwerbs als rechtsgeschäftliche Nachfolge. Aufgrund der Gutglaubenstatbestände vollzieht sich der Rechtsübergang im Ergebnis ex lege. Der Gutgläubige erwirbt nicht primär aus dem Grund, weil sein Parteiwille auf den Übertragungsvorgang gerichtet war (als Repräsentant des Rechtsverkehrs reicht sein bloßer Erwerbswille für einen redlichen Erwerb nicht aus), sondern weil das vorrangige, überindividuelle Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs, wie es in den tatbestandlichen Voraussetzungen der Gutglaubensregelung zum Ausdruck kommt, einen Rechtserwerb erfordert. Dieser Erwerb vollzieht sich kraft Gesetzes, wenngleich es zu den unverzichtbaren Tatbestandsmerkmalen jeder Gutglaubensregel gehört, dass der Erwerber dem Veräußerer ein rechtsgeschäftliches Vertrauen entgegenbringen muss. Dieses rechtsgeschäftliche Vertrauen ist Ausfluss des Verkehrsschutzgedankens522. Folglich bewirken die Gutglaubensvorschriften eine rechtsgeschäftlich veranlasste Sukzession kraft Gesetzes523.
518 So aber Hellwig, Rechtskraft, S. 103; Süß, AcP 151 (1950/51), 1, 12 f.; dagegen schon mit Recht v. Tuhr, AT II/1, S. 56 f. 519 Siehe oben § 2 I. 3. 520 Ebenso Oechsler, in: MünchKommBGB, § 932 Rn. 69; Bork, BGB AT, Rn. 307; a.A. Stagl, AcP 211 (2011), 530, 546 unter Hinweis auf § 945 BGB für die Ersitzung, die nach ganz h.M. als originärer Erwerbstatbestand angesehen wird. Das Argument ist alt und wurde bereits zu Art. 306 ADHGB vorgebracht; vgl. aus der zeitgenössischen Literatur v. Hahn, ADHGB, Bd. II, 1867, Art. 306 § 44; aus dem neueren Schrifttum siehe Huwiler, FS Bader, S. 75, 98. 521 Vgl. etwa Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 141 III. 522 Siehe oben § 11 IV. 523 Vgl. auch Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 28; Hübner, Rechtsverlust, S. 51 f.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
X. Zusammenfassung Das Prinzip des Gutglaubenserwerbs blickt auf eine bewegte Rechtsgeschichte zurück. Bemerkenswert ist erstens die historische Verschmelzung römisch- und deutschrechtlicher Elemente, wie sie namentlich den redlichen Mobiliarerwerb kennzeichnen. Zweitens vollzog sich im Laufe der Entwicklung vom altgermanischen zum neuzeitlichen Handelsrecht ein Paradigmenwechsel vom prozessualen Ausschluss der Vindikationsklage des wahren Berechtigten hin zum endgültigen Erwerb des materiellen Vollrechts. Und drittens hat sich an der Begründung des historischen Gesetzgebers für die Zulassung des redlichen Erwerbs bis heute nichts verändert: Das Gutglaubensprinzip dient in erster Linie dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Die einzelnen Gutglaubenstatbestände sind dazu berufen, mit Blick auf die jeweiligen Besonderheiten des Verfügungsgegenstands und der Qualität des Rechtsscheinträgers den grundlegenden Konflikt zwischen dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten auf der einen Seite und dem Verkehrs- und Erwerberinteresse auf der anderen Seite aufzulösen. Der Gutglaubenserwerb fungiert in diesem Zusammenhang als Konfliktlösungsinstrument. Im Rahmen der angezeigten Interessenabwägung kommt – in Anknüpfung an den hohen Stellenwert der Sukzessionsfreiheit – dem überindividuellen Allgemeininteresse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs der grundsätzliche Vorrang zu. Das überindividuelle Verkehrsinteresse setzt sich regelmäßig gegen das Individualinteresse des wahren Berechtigten durch. Der durch die Gutglaubensvorschriften im Einzelfall begünstigte Erwerber fungiert lediglich als Repräsentant des durch das Gutglaubensprinzip geschützten Rechtsverkehrs, ohne selbst primäres Schutzsubjekt der Vorschriften zu sein. Der Vorrang des Verkehrsinteresses wird durch eine ökonomische Analyse bestätigt: Die Gutglaubensvorschriften senken Informationskosten, weil der Erwerber über die materielle Berechtigung keine aufwendigen Nachforschungen anstellen muss, und nachvertragliche Streitbewältigungskosten, weil die veräußererseitige Berechtigung in späteren Prozessen nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann. Zudem braucht der Erwerber nicht zu befürchten, das erworbene Vermögensrecht im Nachhinein wieder zu verlieren. Auf der anderen Seite sind indes auch die Schutz- und Kontrollkosten in die Betrachtung einzubeziehen, die der wahre Berechtigte aufwenden muss, um sich gegen einen Rechtsverlust kraft redlichen Erwerbs zu schützen. Da die Schutz- und Kontrollkosten typischerweise niedriger ausfallen als die Ersparnis der Informations- und Streitbewältigungskosten, geht die ökonomische Analyse für den Regelfall zugunsten des redlichen Erwerbs aus. Nur wo die Kosten des Berechtigten die Kostenersparnisse übersteigen, muss ein Gutglaubenserwerb ausnahmsweise unterbleiben. Die Zulassung des redlichen Erwerbs unterliegt keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers den grundsätzlichen Interessenkonflikt durch einfachgesetzliche
X. Zusammenfassung
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Gutglaubensvorschriften zu lösen. Er ist dabei nicht daran gehindert, dem Verkehrsinteresse gegenüber dem Beharrungsinteresse den grundsätzlichen Vorrang einzuräumen, solange er nur eine taugliche Rechtsscheingrundlage kreiert, an die das berechtigte Vertrauen des Erwerbers anknüpfen kann. Die Legitimation der Gutglaubenstatbestände ruht auf zwei Säulen: Erste Legitimationssäule ist stets das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Verkehrsschutz). Gleichsam als zweite Legitimationssäule stützt sich der redliche Erwerb entweder auf eine besondere Richtigkeitsgewähr des Rechtsscheinträgers, die durch die Einhaltung eines hoheitlichen Verfahrens erzeugt wird (reines Rechtsscheinprinzip), oder auf die Zurechnung des gesetzten Rechtsscheins zur Risikosphäre des wahren Berechtigten (Zurechnungsprinzip). Der öffentliche Glaube des Grundbuchs beruht auf der materiellen Richtigkeit und Verlässlichkeit der Registereintragungen, die durch das amtliche Eintragungsverfahren einschließlich der Prinzipien des formellen Grundbuchsrechts sowie durch die Mitwirkung des Notars im Vorfeld der Grundstückstransaktion sichergestellt wird. Die besondere Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs erklärt zum einen, weshalb im Immobiliarsachenrecht auf ein institutionalisiertes Zurechnungskriterium verzichtet werden kann: es gilt das reine Rechtsscheinprinzip. Zum anderen beruhen hierauf auch die niedrigen Redlichkeitsanforderungen: nur positive Kenntnis schadet. Entsprechendes gilt für den öffentlichen Glauben des Erbscheins, der durch das amtliche Erteilungsverfahren besonders abgesichert ist. Für den redlichen Mobiliarerwerb steht kein vergleichbarer künstlich geschaffener Rechtsscheinträger zur Verfügung, stattdessen knüpfen §§ 932 ff. BGB nach traditionellem Verständnis an den Besitz an, der als natürliche Vertrauensgrundlage fungiert. Indes hat der Besitz aufgrund der zunehmenden Trennung von Eigentum und Besitz im modernen Wirtschaftsverkehr als Legitimationsgrundlage faktisch ausgedient. Erklärbar ist der redliche Mobiliarerwerb nach zutreffender Auffassung nur auf Grundlage der Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht: Erwirbt der Gutgläubige auf Veranlassung des Veräußerers unbeschränkten Eigenbesitz, darf er darauf vertrauen, das Eigentum an dem Verfügungsgegenstand erworben zu haben, soweit weder beim Veräußerer noch beim wahren Berechtigten ein Besitzrest verbleibt. Auf dieser Grundlage lassen sich – entgegen des kritischen Schrifttums – auch §§ 933, 934 BGB ohne wesentliche Korrekturen des Gesetzeswortlauts erklären und legitimieren. Der redliche Erwerb von GmbH-Anteilen knüpft an die künstlich geschaffene Gesellschafterliste an. Der Gutglaubenstatbestand des § 16 Abs. 3 GmbHG verbindet als hybride Kompromisslösung Elemente der öffentlichen Register mit solchen des redlichen Mobiliarerwerbs. Dass der MoMiG-Gesetzgeber den gutgläubigen Anteilserwerb zugelassen hat, ist im Grundsatz zu begrüßen. Allerdings bestehen zahlreiche Defizite der Gesellschafterliste: Erstens ist ein redlicher, lastenfreier Anteilserwerb ausgeschlossen. Zweitens verbürgt
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
die Gesellschafterliste mangels institutioneller Absicherung durch ein amtliches Verfahren keine dem Grundbuch vergleichbare Richtigkeitsgewähr. Und drittens ist dieses Legitimationsdefizit auch durch das GmbH-rechtliche Zurechnungskriterium nicht hinreichend aufgewogen, weil es nur für einen Zeitraum von drei Jahren gilt; danach findet das reine Rechtsscheinprinzip Anwendung. Es ist daher dringend anzuraten, die strukturelle Legitimationsschwäche der Gesellschafterliste durch Anordnung der obligatorischen Zuständigkeit des Notars zur Einreichung der Gesellschafterliste zu beheben. Mangels tauglichen Anknüpfungspunktes für das Vertrauen des Zessionars ist der redliche Forderungserwerb grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt, wenn der Forderungserwerb mit einem faktischen Vollzugselement verbunden ist, wie z.B. bei Aushändigung einer Schuldurkunde (§ 405 BGB). Legitimationsgrundlagen des gutgläubigen Forderungserwerbs sind einerseits der Verkehrs- und Erwerberschutz und andererseits das Zurechnungsprinzip. Eine Zurechnung scheidet bei abhanden gekommenen Schuldurkunden aus. Ebenfalls ausgeschlossen ist de lege lata eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf andere Einwendungen als Scheingeschäfte und Abtretungsbeschränkungen. Diese Limitierung ist indes de lege ferenda nicht überzeugend und sollte zugunsten einer Ausdehnung des § 405 BGB auf sämtliche dem Schuldner zurechenbare, aus der Schuldurkunde aber nicht ersichtliche Einwendungen aufgegeben werden. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des redlichen Erwerbs sind anhand dreier subalterner Gutglaubensprinzipien erklärbar: Verkehrsschutzprinzip, Zurechnungsprinzip und Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz. Auf Grundlage des Verkehrsschutzprinzips erklärt sich zunächst das Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Erwerbs. Da sowohl beim Erwerb kraft Gesetzes als auch beim Erwerb kraft Hoheitsakts durch den Erwerber kein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen wird und er auch nicht als Repräsentant des Rechtsverkehrs tätig wird, scheidet ein Gutglaubenserwerb aus. Auch die in sämtliche Gutglaubenstatbestände hineingelesene Lehre vom Verkehrsgeschäft findet ihre dogmatische Grundlage im Verkehrsschutzprinzip. Die Gutglaubensvorschriften sind teleologisch zu reduzieren, wenn der Erwerber im Einzelfall nicht den Rechtsverkehr repräsentiert, sondern wertungsmäßig auf der Veräußererseite steht. Dann ist das Verkehrsinteresse nicht tangiert und es fehlt an der zentralen Legitimationsgrundlage des redlichen Erwerbs. Das Erfordernis der Redlichkeit des Erwerbers rechtfertigt sich nach zutreffender Auffassung aufgrund einer ökonomischen Analyse des Gutglaubenserwerbs. Genießt das Verkehrsinteresse den grundsätzlichen Vorrang, weil der Erwerber andernfalls mit prohibitiv hohen Informations- und Streitbewältigungskosten belastet würde, muss das Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten überwiegen, wenn der Erwerber in Kenntnis der mangelnden Berechtigung des Veräußerers keine Nachforschungsmaßnahmen anstellen muss, um dessen Berechtigung zu verifizieren.
X. Zusammenfassung
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Die subjektive Beziehung des Erwerbers zum Rechtsscheinträger ist durch die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz geprägt: Der Erwerber braucht kein konkretes, positiv-kausales Vertrauen für sich in Anspruch zu nehmen. Es genügt das Vorliegen eines wirksamen Rechtsscheinträgers, an den das Erwerbervertrauen abstrakt-potenziell anknüpfen kann. Es ist weder erforderlich, dass der Erwerber vom Vertrauenstatbestand positive Kenntnis hat, noch muss das Erwerbervertrauen für die Transaktion kausal geworden sein. Entscheidend ist, dass der Erwerber keine Kenntnis (oder grobfahrlässige Unkenntnis) von der wahren Sachlage hat. Der Maßstab der Redlichkeit ist abhängig von der Intensität, Ausgestaltung und Komplexität des Rechtsscheinträgers: Je höher die Qualität und Richtigkeitsgewähr des Vertrauenstatbestands, desto geringer sind die Anforderungen an die Redlichkeit des Erwerbers. Die Interdependenz zwischen Rechtsscheinqualität und Redlichkeit impliziert geringe Redlichkeitsanforderungen (nur positive Kenntnis schadet) bei den verfahrensmäßig besonders abgesicherten künstlichen Rechtsscheinträgern Grundbuch und Erbschein und gesteigerte Anforderungen (auch grobfahrlässige Unkenntnis schadet) bei den weniger abgesicherten Rechtsscheinträgern des redlichen Mobiliar- und Anteilserwerbs. Für die Präzisierung der groben Fahrlässigkeit sind die von der Rechtsprechung entwickelten Nachforschungsobliegenheiten von zentraler Bedeutung. Es lässt sich nachweisen, dass das Redlichkeitserfordernis zur Kompensation des im Mobiliarsachenrecht ausgemachten Legitimationsdefizits in Anspruch genommen wird. Das zunehmende Auseinanderdriften von Eigentum und Besitz manifestiert sich in einer Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs. Diese Entwicklung kann nicht eins zu eins auf die GmbH-rechtlichen Nachforschungsobliegenheiten übertragen werden. Das Zurechnungsprinzip kennzeichnet Gutglaubenstatbestände, die maßgeblich von der zurechenbaren Veranlassung des Rechtsscheins durch den wahren Berechtigten geprägt sind, wie namentlich den redlichen Mobiliarerwerb. Die Entscheidung des historischen BGB-Gesetzgebers für die Verankerung des Zurechnungskriteriums in § 935 Abs. 1 BGB erweist sich auch heute noch als zutreffend. Aus ökonomischer Perspektive fungiert das Zurechnungsprinzip als Wertungselement im Rahmen der Gesamtabwägung zwischen dem Bestandsinteresse und dem Verkehrs- und Erwerberinteresse. Da der Sachinhaber den redlichen Erwerb durch einen Verzicht auf die Weitergabe der Sache verhindern kann und bei Weitergabe die Vertrauensperson bestimmt und überwacht, kann er den redlichen Erwerb mit geringen Kosten verhindern (cheapest cost avoider). Das gilt nicht im Fall des unfreiwilligen Besitzentzugs. Überhaupt zeitigt der Ausschluss gestohlener Sachen positive gesamtwirtschaftliche Effekte, da die Weiterveräußerung gestohlener Sachen erschwert wird, dadurch der Anreiz für Diebstähle sinkt und mit Diebstählen verbundene Rechts- und Strafverfolgungskosten eingespart werden können. Ausnahmen gelten für Gegenstände, die aufgrund ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung auf eine besondere Umlauffähigkeit angewiesen sind, wie etwa Geld und Inhaberpapiere.
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§ 11 Prinzip des Gutglaubenserwerbs
Aufgrund der strukturellen Legitimationsdefizite gilt auch für die Gesellschafterliste ein – partielles – Zurechnungsprinzip, beschränkt auf die Karenzzeit der ersten drei Jahre nach Eintritt der Listenunrichtigkeit. Eine Zurechnung iSd. § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG ist anzunehmen, wenn der wahre Anteilsinhaber die Unrichtigkeit zumindest teilweise veranlasst oder in sonstiger Weise zu verantworten hat. In der Sache ist eine Wertungsentscheidung zu treffen, die das Spannungsverhältnis zwischen dem Beharrungsinteresse sowie dem Verkehrsund Erwerbsinteresse für den Einzelfall angemessen auflösen muss. Entscheidet man sich de lege ferenda für eine obligatorische Einreichungszuständigkeit des Notars, kann auf das sperrige Zurechnungskriterium verzichtet werden. Die Gutglaubenstatbestände sind auch anwendbar, wenn der Erwerber keine (angemessene) Gegenleistung für den Verfügungsgegenstand erbracht hat. Dafür spricht de lege lata sowohl die historisch-genetische Interpretation der Gutglaubenstatbestände als auch die Wertung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB. Dabei muss es auch de lege ferenda bleiben, will man sich nicht in Widerspruch zu den grundlegenden Wertungen des Abstraktionsprinzips setzen und die mit dem redlichen Erwerb verbundenen ökonomischen Vorteile preisgeben. Rechtsfolge der Gutglaubensvorschriften ist der endgültige Erwerb des Vollrechts: Der Redliche erwirbt das Vermögensrecht vom Nichtberechtigten in der Art und Weise, wie er es auch vom Berechtigten erworben hätte. Diese Wirkung ist vom Willen des Erwerbers unabhängig; er kann insbesondere nicht auf den Eintritt der Gutglaubenswirkungen verzichten. In sukzessionssystematischer Hinsicht handelt es sich beim redlichen Erwerb um eine Nachfolge, die zwar rechtsgeschäftlich durch ein Verkehrsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber veranlasst ist, sich aber kraft Gesetzes vollzieht und das Vermögensrecht vom wahren Berechtigten auf den redlichen Erwerber übergehen lässt.
§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip Die bisher behandelten Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession werden durch das Koinzidenz- und Kongruenzprinzip miteinander verklammert. Zunächst treten die Rechtsfolgen eines Sukzessionstatbestands nur dann ein, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen zeitlich zusammentreffen. Erforderlich ist die materielle Gleichzeitigkeit sämtlicher Tatbestandsmerkmale1. Um dieses Erfordernis auch sprachlich sauber erfassen zu können, wird hier der Begriff des Koinzidenzprinzips im Sinne eines Gleichzeitigkeitsprinzips in die privatrechtliche2 Diskussion eingeführt. Das Koinzidenzprinzip wird im Folgenden als tragendes Strukturprinzip der rechtsgeschäftlichen Nachfolge herausgestellt (I.) und für das Immobiliar- (II.) und Mobiliarsachenrecht (III.) sowie das Zessionsrecht (IV.) näher ausgeformt. Abschließend wird noch ein Blick auf das Kongruenzprinzip geworfen (V.), wonach Rechtsänderungen nur insoweit eintreten, als die tatbestandlichen Voraussetzungen eines mehrgliedrigen Sukzessionstatbestands auch inhaltlich übereinstimmen.
I. Koinzidenzprinzip: Grundlagen Das Koinzidenzprinzip erscheint auf den ersten Blick geradezu selbstverständlich: Da die Rechtsfolgen einer Vorschrift im Allgemeinen nur eintreten, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind3, tritt auch eine Rechtsänderung nach Maßgabe eines Sukzessionstatbestandes nur ein, wenn sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen der Sukzessionsvorschrift erfüllt sind. Eigenständige Bedeutung kommt dem Koinzidenzprinzip dennoch zu, weil es sich wie eine Klammer um die in den bisherigen Abschnitten herausgearbeiteten Strukturprinzipien legt und sie zu ganzheitlichen Sukzessionstatbeständen zusammenfügt. Über das Postulat der vollständigen Normverwirklichung geht das Koinzidenzprinzip hinaus, da es nicht ausschließlich verlangt, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, sondern außerdem fordert, dass alle Voraus1
In Anlehnung an Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417 zum strafrechtlichen Koinzidenzprinzip. Etabliert ist der Begriff des Koinzidenzprinzips bisher im Strafrecht; ausf. Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417 ff.; ferner Hruschka, Strafrecht, S. 6 f. (zum Simultanietätsprinzip); Satzger, Jura 2008, 112, 118. 3 Vgl. etwa Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 125 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 71 ff. 2
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
setzungen auch zur gleichen Zeit vorliegen müssen. Nur wenn sämtliche Merkmale gleichzeitig erfüllt sind, geht der Verfügungsgenstand auf den Nachfolger über. Es findet keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt statt, zu dem das erste Tatbestandsmerkmal der Sukzessionsregelung vorlag4. Diese Erkenntnis ist vor allem für mehrgliedrige Übertragungstatbestände von Bedeutung, die sich als gestreckte Erwerbsvorgänge vollziehen, wie namentlich die Übereignung von Grundstücken und Grundstücksrechten. Typischerweise geht hier die dingliche Einigung (Auflassung) der Grundbucheintragung zeitlich voraus. Zu Einschreibungsverzögerungen kann es in der Grundbuchpraxis etwa aufgrund der Überlastung vor allem großstädtischer Grundbuchämter oder aufgrund noch ausstehender staatlicher Genehmigungen kommen5. Erst wenn Einigung und Eintragung zeitlich gem. § 873 Abs. 2 BGB zusammentreffen, kommt ein Rechtserwerb in Betracht6. Gleichermaßen setzt die Übereignung beweglicher Sachen voraus, dass neben der wirksamen Einigung die Sache übergeben oder die Übergabe durch ein gesetzlich zugelassenes Surrogat ersetzt wird7. Allerdings ist das Koinzidenzprinzip nicht auf die Übereignungstatbestände des Sachenrechts beschränkt. Zur Anwendung gelangt es auch bei der Forderungsabtretung8, der Schuld- und Vertragsübernahme. So verlangt das Koinzidenzprinzip für sämtliche Sukzessionstatbestände etwa, dass der Veräußerer bei Vollendung des Erwerbstatbestandes noch berechtigt ist, über das fragliche Recht zu verfügen (Verfügungsbefugnis)9, und dass der Erwerber in diesem Zeitpunkt auch die Fähigkeit besitzt, das Recht zu erwerben (Erwerbsfähigkeit). Ist der Zedent im Zeitpunkt der verfügenden Einigung nicht mehr Inhaber des Vermögensrechts, entfaltet die Parteiabrede keine Rechtswirkungen; die Verfügung geht ins Leere. Ebenso scheitern Mobiliar- und Immobiliarerwerb grundsätzlich an der fehlenden Rechtsinhaberschaft bzw. Sukzessionsbefugnis des Veräußerers. Ausnahmen gelten allerdings für den redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten10, die Heilung der durch einen Nichtberechtigten vorgenom-
4 Für § 873 BGB: Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 188; Rosenberg, Sachenrecht, § 873 Anm. III 1 a ; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. II 1; für § 925 BGB ebenso Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 9, 107. – Die Rechtswirkungen erstrecken sich auch nicht auf den Zeitpunkt, zu dem der Eintragungsantrag gestellt wurde: RGZ 57, 277, 281 f.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 188. 5 Vgl. Gergen, AcP 206 (2006), 624, 626 f. 6 RGZ 131, 97, 99; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 873 Rn. 1; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 6, 186 f.: „Koexistenz von Einigung und Eintragung” (Rn. 187); Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 99; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 107; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. II 1. 7 Vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 8; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38. 8 Siehe sogleich noch zur Vorausabtretung unten § 12 IV. 9 Zur Sukzessionsbefugnis siehe oben § 5. Exemplarisch aus der Rechtsprechung siehe BGH NJW-RR 2010, 192 Tz. 10; BayObLG NJW 1956, 1279; vgl. weiter Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 75. 10 Dazu oben § 11.
II. Immobiliarsachenrecht
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menen Verfügung11 sowie im Liegenschaftsrecht gem. § 878 BGB12. Außerdem gelten für den Verlust der Geschäftsfähigkeit sowie den Tod einer Vertragspartei die Vorschriften der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, allen voran §§ 130 Abs. 2, 153 BGB13: Für die Wirksamkeit der abgegebenen Willenserklärung ist es also ohne Belang, wenn der Erklärende nach deren Abgabe verstirbt oder geschäftsunfähig wird14. Der Erklärungsempfänger kann das postum fortwirkende Angebot gem. § 153 BGB noch wirksam annehmen. Keine Aussage trifft das Koinzidenzprinzip allerdings über die Frage, welche tatbestandlichen Voraussetzungen zusammenfallen müssen, um die Sukzessionswirkung auszulösen. Art und Anzahl der Tatbestandsmerkmale – oder mit anderen Worten die Frage, was koinzidieren muss, – ist eine vorgelagerte Frage, die für jeden Sukzessionstatbestand autonom zu bestimmen ist, bevor nach der materiellen Gleichzeitigkeit der Tatbestandselemente gefragt werden kann15. Vor diesem Hintergrund wird das Koinzidenzprinzip anhand des Immobiliarund Mobiliarerwerbs sowie der Forderungszession exemplifiziert:
II. Immobiliarsachenrecht Der Grundtatbestand des Immobiliarsachenrechts – § 873 BGB – verlangt, dass zum gleichen Zeitpunkt (1.) eine dingliche Einigung, (2.) die Eintragung in das Grundbuch sowie (3.) die Sukzessionsbefugnis des Veräußerers vorliegen müssen16.
1. Koinzidenz von Einigung und Eintragung Dementsprechend mangelt es an der nötigen Koinzidenz, wenn die ordnungsgemäß zustande gekommene Einigung vor der Eintragung ihre Wirksamkeit verliert17, z.B. wenn vor Eintritt der Bindungswirkung gem. § 873 Abs. 2 BGB die Einigung widerrufen wird18. Umgekehrt scheitert der Rechtserwerb, wenn die zuerst erfolgte Eintragung – etwa im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB – noch vor Zustandekommen der wirksamen Einigung ge11
Dazu oben § 5 IV. Dazu sogleich unten § 12 II. 3. 13 Aus der Rechtsprechung siehe dazu exemplarisch KG JR 1951, 761, 762; OLG Celle NJW 2006, 3501; vgl. weiter Gursky, in: Staudinger, § 878 Rn. 17; Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 5; Pfeifer, in: Staudinger, § 925 Rn. 112. 14 Zur Bindungswirkung der dinglichen Einigung siehe oben § 6 IV. 15 Vgl. (zum Strafrecht) Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417, 418. 16 Siehe schon oben § 4 II. 3. b). 17 BayObLGZ 1954, 141, 142; OLG Hamm Rpfleger 1973, 137; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 187; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 108. 18 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 187. 12
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
löscht wird19. Das gilt nach zutreffender h.M. auch dann, wenn die Einigung zunächst schwebend unwirksam war und erst nach Löschung der Eintragung rückwirkend, z.B. nach Erteilung einer behördlichen oder vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wirksam wurde20. Nach entfallener Eintragung geht die Rückwirkungsfiktion ins Leere. Rechtsdogmatisch verfehlt ist indes die Auffassung21, die Löschung der Eintragung führe zur endgültigen Unwirksamkeit der schwebenden Einigung. Denn Einigung und Eintragung sind zwei voneinander unabhängige und in rechtsdogmatischer Hinsicht verselbstständigte Elemente des dualistischen Erwerbstatbestands, deren rechtliches Schicksal sich nach unterschiedlichen Regelungsregimen bestimmt22. Für die Einigung gelten prinzipiell die Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre23, während sich die Wirksamkeit der Eintragung nach Grundbuchrecht bestimmt24. Deshalb muss es auch nach Löschung der Eintragung bei der schwebenden Unwirksamkeit der Einigung bleiben25. In der Folge haben es die Parteien in der Hand, erneut eine wirksame Eintragung in das Grundbuch herbeizuführen. Diese Lösung ist gegenüber der Position des BGH auch deshalb vorzugswürdig, weil sie nicht nur dem allgemeinen Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in den Rechtsverkehr26 entspricht, sondern im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auch zu einem erleichterten Gütertransfer führt27. Unter Fortwirkung der schwebenden Unwirksamkeit haben die Parteien nämlich die Möglichkeit, die intendierte Rechtsfolge durch Veranlassung einer wirksamen Eintragung noch herbeizuführen, ohne dass es einer nochmaligen Auflassung des Grundstücks bedarf. Die Einigung bleibt auch wirksam, soweit der Veräußerer seine Berechtigung oder Verfügungsbefugnis28 oder der andere Teil seine Erwerbsfähigkeit29 19 BGH MDR 1971, 380; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 187; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 108. 20 RGZ 131, 97, 99 ff.; BGH WM 1971, 500; KG HRR 1930 Nr. 887; OLG Breslau JW 1929, 788 f.; Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 99; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 187; Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rn. 6; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 9, 107; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 16; Steffen, in: RGRK, BGB, § 184 Rn. 8; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. II 4 a.E; a.A. RG Gruchot 67 (1925), 549, 552 f.; Weigert, JW 1929, 712, 713. 21 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 113. 22 Zur dogmatischen Verselbstständigung von Einigung und Übergabe siehe oben § 10 III. 1. c); für die dualistische Ausgestaltung des § 873 BGB nach dem Eintragungsprinzip kann nichts anderes gelten. 23 Dazu oben § 6 III 1. 24 Zum Eintragungsprinzip des Immobiliarsachenrechts siehe oben § 10 II. 25 Wie hier auch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 187; vgl. noch Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rn. 6. 26 Siehe zum Prinzip des schonendsten Eingriffs schon oben § 4 III. 3. c). 27 Vgl. (in anderem Zusammenhang) noch Lieder, JuS 2012, 623, 624. 28 A.A. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 187; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 112, 113. 29 A.A. Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 112.
II. Immobiliarsachenrecht
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verliert. Die Sukzessionswirkungen bleiben in diesem Fall aber dennoch aus, weil ein anderes Tatbestandsmerkmal der Übertragungsvorschrift nicht erfüllt ist: es mangelt an der Verfügungsbefugnis bzw. Erwerbsfähigkeit. Diese Differenzierung steht im Einklang mit der rechtsdogmatischen Trennung von Einigung und Verfügungsbefugnis, deren Schicksal sich nach unterschiedlichen Rechtsvorschriften bestimmt und deren Rechtsfolgen dementsprechend streng zu trennen sind. Zwar ist die Verfügung (schwebend) unwirksam, wenn der Veräußerer – aufgrund zwischenzeitlich verlorengegangener Verfügungsbefugnis – nunmehr als Nichtberechtigter verfügt. Die Vertragsparteien sind aber gleichwohl an das zustimmungsfähige Geschäft gebunden, da sie sich von der wirksam getroffenen Vereinbarung nicht einseitig lösen können30. Dafür spricht in rechtsmethodischer Hinsicht der Gesamtumkehrschluss zu §§ 109, 178, 1830 BGB31, die in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen (vgl. §§ 145 ff. BGB) die Widerruflichkeit der Erklärung des jeweils anderen Teils anordnen. Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte seine Zustimmung erteilt oder einer der Konvaleszenztatbestände des § 185 Abs. 2 S. 1 BGB erfüllt ist.
2. Innerer Zusammenhang zwischen Einigung und Eintragung Das Koinzidenzprinzip verlangt, dass Einigung und Eintragung gleichzeitig vorliegen. In welcher Reihenfolge die einzelnen Tatbestandsmerkmale verwirklicht werden, ist für den Eigentumswechsel indes ohne Belang32. Streitig diskutiert wird allerdings die Frage, ob zwischen der dinglichen Einigung und der Grundbucheintragung ein spezifischer, innerer Zusammenhang bestehen muss. a) Würdigung der bisherigen Entwicklung Früher verlangte das Kammergericht33, dass die Eintragung aufgrund der Auflassung stattfinde bzw. beide aufeinander bezogen sind. Hätte die Spruchpraxis mit dieser Auffassung ernst gemacht, wäre eine der Eintragung nachfolgende Auflassung a priori unwirksam gewesen. Diese Konsequenz hat die Rechtsprechung aber niemals gezogen34, und zwar mit Recht, verdeutlichen doch §§ 892 Abs. 2, 879 Abs. 2 BGB, dass Eintragung und Eintragungsantrag der Einigung ohne weiteres vorausgehen können. Kommt unter diesen Umständen später 30 BGH NJW 1993, 648, 651; Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 184 Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 184 Rn. 15; Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rn. 4; Maier-Reimer, in: Erman, BGB, § 184 Rn. 9. 31 Vgl. M. Fischer, GS Eckert, S. 223, 231. 32 Vieweg, in: jurisPK-BGB, § 873 Rn. 23; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 III; Streuer, Rpfleger 1988, 513; zur Vormerkung Kohler, DNotZ 2011, 808, 820 f. 33 KGJ 21 (1901), A306; 51 (1919), 187, 189 f. 34 RGZ 139, 118, 129 f.; KG JW 1925, 2617, 2618.
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
eine wirksame Einigung zustande, wird ex nunc das Grundeigentum übertragen und das Grundbuch richtig35. Aber selbst wenn man diese Konsequenz nicht zieht, sieht sich die frühere Rechtsprechung schweren Praktikabilitätsbedenken ausgesetzt, soweit sie – wie später auch der BGH36 – einen inneren Zusammenhang von Einigung und Eintragung verlangt. Fehlte es nämlich an einer solchen Sonderverbindung, müsste zunächst das Grundbuch berichtigt werden, um im Anschluss daran die Auflassung zu erklären und erneut eine inhaltsgleiche (!) Neueintragung vorzunehmen37. Diese Vorgehensweise erscheint unnötig kompliziert, überflüssig und erhöht die mit Grundstückstransaktionen verbundenen Kosten, was aus rechtsökonomischer Perspektive bedenklich erscheinen muss. Es kann nur spekuliert werden, ob es diese Gründe waren, die den BGH später veranlasst haben, von dem bis dahin postulierten Zusammenhang stillschweigend abzurücken38. Die ausdrückliche Aufgabe der tradierten Linie erklärte die höchstrichterliche Rechtsprechung erst im Jahre 1999, als der BGH in einer auf die Vormerkung bezogenen Entscheidung deutlich aussprach, dass Einigung und Eintragung „nicht in einem beabsichtigten Zusammenhang zu stehen“ brauchen39. Im Schrifttum hat diese Auffassung viel Zustimmung40, aber noch mehr Kritik erfahren41. Zudem sind auch differenzierte Wortmeldungen zu vernehmen42, die grundsätzlich daran festhalten wollen, dass Einigung und Eintragung dieselbe Rechtsänderung zum Gegenstand haben müssen43.
35 Zutreffend BGHZ 143, 175, 179 f.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 100; kritisch Hager, FS Kanzleiter, S. 195, 197. 36 BGH Rpfleger 1952, 587, 589. 37 Vgl. Wieling, AcP 209 (2009), 577, 582. 38 BGH NJW 1973, 613, 614 f. 39 BGHZ 143, 175, 181; bestätigt und konkretisiert durch BGH NJW 2008, 578, 579 f.; BGH NJW 2012, 2032 Tz. 18 ff.; 2012, 2654 Tz. 18; MittBayNot 2013, 476, 477 m. Bspr. Reymann MittBayNot 2013, 456 ff.; vgl. weiter OLG Bremen, DNotZ 2011, 689, 690; OLG Hamm, DNotZ 2011, 691, 693 f.; OLG Düsseldorf, DNotZ 2011, 694, 695; jeweils m. Anm. Preuß; OLG Hamm NotBZ 2014, 58, 59 f. 40 Bassenge, in: Palandt, BGB, § 873 Rn. 2; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 101; ders., DNotZ 2011, 808, 821 ff.; Wieling, AcP 209 (2009), 577 ff.; Krüger, FS Krämer, S. 475, 478 f.; zuvor bereits Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. II 4; Siber, Buchrechtsgeschäft, S. 122; differenzierend Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 210 ff. 41 Dezidiert Gergen, AcP 206 (2006), 624, 647; speziell zur Vormerkungsproblematik Amann, MittBayNot 2000, 197 ff.; ders., DNotZ 2008, 520, 523 f.; Demharter, MittBayNot 2000, 106 ff.; ders., MittBayNot 2008, 214 ff.; Kesseler, NJW 2012, 2765, 2767 f.; Preuß, DNotZ 2011, 696 ff.; Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 272; Streuer, Rpfleger 2000, 155; Zimmer, NJW 2000, 2978, 2980. 42 So Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 212 ff.; einschränkend Streuer, Rpfleger 1988, 513, 515 f.; nach dem Zeitpunkt etwaiger Zwischenverfügungen differenzierend Hager, FS Kanzleiter, S. 195 ff. 43 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 213; v. Schweinitz, in: AK, BGB, § 873 Rn. 5; a.A. BGH NJW 1973, 613, 614 f.; Augustin, in: RGRK, BGB, § 873 Rn. 101; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. II 4; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 III 2 Fn. 27; Gotzler, NJW 1973, 2014 f.; Streuer, Rpfleger 1988, 513, 516.
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b) Stellungnahme Richtigerweise ist die Lehre vom inneren Zusammenhang zwischen Einigung und Eintragung abzulehnen, und zwar nicht nur für den Fall, dass sich die Vertragsparteien erst nach Eintragung der Rechtsänderung wirksam einigen44, sondern auch wenn Einigung und Eintragung nicht dieselbe Rechtsänderung zum Gegenstand haben45. Für den Regelungszweck des § 873 BGB sowie die Grundwertung des Koinzidenzprinzips ist es ohne Belang, aus welchem Grund und in welchem Zusammenhang eine Eintragung in das Grundbuch gelangt, solange sie sich nur als zutreffendes Abbild des von den Vertragsparteien Gewollten erweist. Wenn die Gegenposition in diesem Zusammenhang argumentiert, § 873 BGB verlange „eindeutig“ die „Eintragung der Rechtsänderung“46, dann wird nicht hinreichend bedacht, dass es für die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs, namentlich für seine Vermutungs- und Gutglaubensregelungen47, letztlich keine Rolle spielt, aus welchem Grund die betreffende Eintragung in das Grundbuch gelangt ist. Die Eintragung der Rechtsänderung erfolgt im Interesse des potenziellen Erwerbers. Sie soll die Verkehrsfähigkeit von Grund und Boden gewährleisten. Daran besteht auch dann kein Zweifel, wenn sich die Parteien wirksam auf den Eigentumsübergang geeinigt haben und aus einem hiermit in keinem inneren Zusammenhang stehenden Grund das Grundbuch im Sinne der geschlossenen Vereinbarung geändert worden ist. Dem Rechtsverkehr, repräsentiert durch einen potenziellen Grundstücksinteressenten, ist es nämlich gleichgültig, ob die Grundbucheintragung infolge der über das Grundstück erklärten Auflassung erfolgte oder aus einem anderen Grund. In beiden Fällen weist das Grundbuch die zutreffende materielle Rechtslage aus, auf welche sich der Erwerber verlassen kann. Dafür spricht auch der Wille des historischen Gesetzgebers, wie er in den Protokollen zum heutigen § 873 BGB zum Ausdruck gelangt48: „Sei die Eintragung schon vor der Vertragsschließung, z.B. in Folge eines Versehens des Grundbuchbeamten, erfolgt, so werde der dingliche Vertrag mit der Einigung der Parteien, daß die eingetragene Rechtsänderung zu Recht bestehen soll, für die Parteien bindend, obwohl in diesem Falle die Eintragung nicht auf den Antrag eines der Vertragsschließenden bewirkt worden sei.“
Die 2. BGB-Kommission stand demnach auf dem Standpunkt, dass auch ohne Auflassungsbezug ins Grundbuch gelangte Eintragungen als Grundlage für spätere Auflassungen dienen können.49 Zudem spricht gegen das Dogma vom 44
So aus der Rechtsprechung auch RGZ 139, 118, 129 f.; KG JW 1925, 2617, 2618; 1927, 854; BayObLG MittBayNot 2002, 114. 45 Siehe die Nachweise in Fn. 43. 46 So etwa Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 213, 215. 47 Siehe oben § 10 II. 48 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 61. 49 Vgl. auch Siber, Buchrechtsgeschäft, S. 119 ff.; Gotzler, NJW 1973, 2014.
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inneren Zusammenhang die rechtsdogmatische Verselbstständigung von Einigung und Eintragung, deren rechtliches Schicksal sich – wie schon erwähnt50 – nach unterschiedlichen Regelungsregimen bestimmt. Die historisch-teleologischen Erwägungen werden weiter durch eine ökonomische Analyse der Rechtsfrage untermauert: Wenn die Gegenposition – ebenso wie die überwundene Rechtsprechung51 – nämlich verlangt, dass einer wirksamen Übereignung im Zweifel eine Grundbuchberichtigung und die (wiederum identische) Neueintragung aufgrund der Auflassung vorausgehen muss52, dann wird das Grundstücksgeschäft durch die zusätzlichen Transaktionskosten für Löschung und Neueintragung signifikant verteuert. In der Folge sinkt der Grundstückswert; zugleich wird eine effiziente Allokation des nicht vermehrbaren Grundeigentums verhindert. Verzichtet man indes mit der hiesigen Auffassung auf den inneren Zusammenhang, schlagen besagte Zusatzkosten von vornherein nicht zu Buche. Damit geht eine wohlfahrtssteigernde Transaktionskostenersparnis einher, ohne dass anderweitige Nachteile oder externe Effekte zu befürchten wären. Der Verzicht auf den inneren Zusammenhang von Einigung und Eintragung ist daher auch in ökonomischer Hinsicht zielführend. Dementsprechend spielt es für den Grundtatbestand des § 873 BGB keine Rolle, in welcher Reihenfolge Einigung und Eintragung erfolgen; auch bedarf es keines inneren Zusammenhangs zwischen beiden Tatbestandsmerkmalen. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen materiellrechtlicher Bewilligung und Eintragung der Vormerkung gem. § 885 Abs. 1 BGB, auch wenn es dort heißt, die Vormerkung werde „auf Grund der Bewilligung“ eingetragen53. Diese Passage ist vor dem Hintergrund der angeführten Überlegungen in teleologisch-normativer Hinsicht so zu verstehen, dass die beiden Tatbestandsvoraussetzungen zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam vorliegen müssen, ohne indes eine klare temporale Vorgabe über ihr Vorliegen zu machen.
3. Nachträgliche Verfügungsbeschränkungen Nach allgemeinen Grundsätzen scheitert der Rechtsübergang, wenn der Veräußerer seine Rechtsinhaberschaft54 oder Verfügungsbefugnis55 in dem Zeitraum 50
Siehe oben § 12 II. 1. Siehe oben § 12 II. 2. a). 52 Vgl. schon Gotzler, NJW 1973, 2014; Wieling, AcP 209 (2009), 577, 586. 53 Kritisch Kesseler, NJW 2012, 2765, 2767 f. 54 Im Ergebnis wie hier BGH LM § 185 BGB Nr. 6; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 18; ders., in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 75; Rosenberg, Sachenrecht, § 873 Anm. IV 4 a; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 33 f.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 III 1, 2. 55 Vgl. BGHZ 27, 360, 366; 28, 182, 184; 137, 267, 286; BGH NJW 1963, 36; 2001, 359; BayObLG NJW 1961, 783; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 185 Rn. 5; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 18; Lorenz, in: Erman, BGB, § 878 Rn. 1; Schramm, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 27; Stürner, in: Soergel, BGB, § 878 Rn. 1; Trautwein, in: jurisPK, BGB, § 185 Rn. 20; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 35. 51
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zwischen Einigung und Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch verliert. Eine Abweichung vom Koinzidenzprinzip ergibt sich allerdings für nachträgliche Verfügungsbeschränkungen beim Immobiliarerwerb56: Nach § 878 BGB wird eine auf dingliche Rechtsänderung gerichtete Erklärung „nicht dadurch unwirksam, dass der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird“, nachdem die Erklärung iSd. § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden und der Eintragungsantrag gestellt worden ist57. a) Sicherung von Erwerberinteressen Die durch § 878 BGB angeordnete Ausnahme vom Koinzidenzprinzip dient dem individuellen Interesse des Erwerbers an einer erfolgreichen Durchführung des gestreckten Immobiliarerwerbs. In der Sache geht es also – ebenso wie bei den Verfügungsbeschränkungen der §§ 161 Abs. 1 S. 1, 2113 Abs. 1, 883 Abs. 2 S. 1 BGB58 – um Erwerbssicherung59. Der Erwerber bedarf in den Fällen des Grundstückserwerbs einer besonderen Sicherung seiner Interessen, weil er nach Eintritt der Bindungswirkung und Stellung des Eintragungsantrags auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Grundbucheintragung keinen Einfluss mehr nehmen kann60. Nachdem die Vertragsparteien alle in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Voraussetzungen für einen wirksamen Rechtsübergang erfüllt haben, hängt die Perfektion des Geschäfts nur noch davon ab, dass das Grundbuchamt die Eintragung vornimmt. Dieser Umstand liegt aber außerhalb der durch die Parteien beherrschbaren Risikosphäre. Verzögerungen, die z.B. aus der Überlastung des Grundbuchamts oder längeren Prüfungsverfahren resultieren, sollen deshalb nicht zulasten des Erwerbers gehen61, wenn der Veräußerer später – aus welchem Grund auch immer – eine Verfügungsbeschränkung erleidet. Diese Risikoverteilung erscheint auch im Hinblick auf das Interesse des durch die nachträgliche Verfügungsbeschränkung Geschützten angemessen62: Soweit der Eintragungsantrag noch nicht gestellt ist, kann er ein gerichtliches Veräußerungsverbot gegen den Vollzug des Grundstücksgeschäfts erwirken. Nachdem der Eintragungsantrag gestellt ist, überwiegt hingegen das berechtigte Interesse des Erwerbers, der alles zur Herbeiführung des Rechtserwerbs Erfor56
Zum Ausnahmecharakter der Vorschrift siehe BGHZ 27, 360, 366; BGH NJW 1963, 36, 36 f.; BayObLG NJW 1956, 1279; Augustin, in: RGRK, § 878 Rn. 15; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 3; kritisch dazu Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 3. 57 Zum Verhältnis der Einigung zur Verfügungsbefugnis siehe oben § 1 II. 1. 58 Siehe oben § 4 III 3. 59 Vgl. Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 1; Kössinger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 878 Rn. 1; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 3. 60 Siehe zur Bindungswirkung der dinglichen Einigung gem. § 873 Abs. 2 BGB bereits oben § 6 IV. 2. b). 61 Dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 190, 192 f. 62 Dazu Motive zum BGB, Bd. 3, S. 192 f.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 1 a.E.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 35; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 1.
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derliche getan hat, während der Zeitpunkt der tatsächlichen Grundbucheintragung ungewiss und für ihn nicht mehr beeinflussbar ist. Durch den Schutz der Integrität des Erwerbsvorgangs wird aber nicht nur das Erwerberinteresse geschützt, vielmehr dient § 878 BGB zugleich dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Grundstücksverkehrs (Verkehrsinteresse), weil die Vorschrift unliebsame Schwebezustände in der Zeit zwischen Antragstellung und Grundbucheintragung vermeidet63. Auch wenn der Erwerbsanwärter mit Antragstellung nicht bereits Eigentümer des Grundstücks wird, ist seine Erwerbsposition doch zumindest insoweit gesichert, als nachträglich eintretende Verfügungsbeschränkungen den intendierten Erwerb nicht mehr verhindern können. Das schafft Planungssicherheit nicht nur für den Erwerber, sondern auch für seine Vertragspartner im Bezug auf die beabsichtigte Nutzung des Verfügungsgegenstands. Es liegt auf der Hand, dass weder der Erwerber noch seine Vertragspartner ohne eine gesicherte Erwerbsposition Investitionen im Vorgriff auf den Grundstückserwerb tätigen würden. Auch würde der Grundpfandgläubiger das dem Veräußerer versprochene Darlehen nicht vor Eintragung des Sicherungsrechts gewähren64. Im Ergebnis dient die in § 878 BGB verankerte Abweichung vom Koinzidenzprinzip folglich dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit. b) Tatbestandliche Voraussetzungen der Erwerbssicherung Nachträglich eintretende Verfügungsbeschränkungen bleiben allerdings nur dann außer Betracht, wenn (1.) die Einigungserklärungen iSd. § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden sind und (2.) auch der Eintragungsantrag ordnungsgemäß gestellt worden ist. Beide Voraussetzungen tragen der Erkenntnis Rechnung, dass ein erweiterter Erwerberschutz gegen den zwischenzeitlichen Verlust der veräußererseitigen Verfügungsbefugnis die Interessen des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten unangemessen beeinträchtigen würde. Die Tatbestandsmerkmale sorgen so für einen billigen Interessenausgleich aller an der Transaktion beteiligten Personen65. Ist die Auflassungserklärung nach Maßgabe des § 873 Abs. 2 BGB bisher nicht bindend geworden, steht es dem anderen Teil frei, seine Einigungserklärung nach Belieben zu widerrufen66. Ein Vertrauen des Erwerbers auf den Eintritt der Rechtsänderung ist unter diesen Umständen nicht schutzwürdig. Denn bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ist es im Ergebnis ohne Belang, ob der Rechtserwerb an einem willkürlichen Widerruf scheitert oder einer zwi63
Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 1, 3; Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 1; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 4. 64 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 3; Lorenz, in: Erman, BGB, § 878 Rn. 1; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 4. 65 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 192 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 35; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 1. 66 Zum Normzweck dieser Anomalie siehe oben § 6 IV. 2.
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schenzeitlich eingetretenen Verfügungsbeschränkung67. Solange ein Widerruf des anderen Teils noch möglich ist, kann auch eine Verfügungsbeschränkung den Rechtserwerb noch hindern. Fehlt es andererseits an der Antragstellung, haben die Vertragsparteien noch nicht alles zur Herbeiführung der Rechtsänderung Erforderliche getan. Die aus einer verzögerten Antragstellung resultierenden Risiken in Bezug auf eine reibungslose Durchführung der Grundstückstransaktion fallen in die Risikosphäre der Vertragsparteien. Es ist daher überzeugend, dass der durch § 878 BGB vermittelte Schutz gegen Verzögerungen im Eintragungsverfahren erst ausgelöst wird, wenn das Verfahren durch Antragstellung bereits in Gang gesetzt worden ist68. c) Nachträglicher Verlust der Rechtszuständigkeit Keine Anwendung findet § 878 BGB nach zutreffender Auffassung auf den zwischenzeitlichen Verlust der veräußererseitigen Rechtszuständigkeit69. Dafür streitet nicht nur der klare Gesetzeswortlaut, sondern auch die Gesetzesmaterialien; sie beziehen sich jeweils ausdrücklich auf nachträgliche Verfügungsbeschränkungen, nicht aber zugleich auf den Wegfall der Rechtsinhaberschaft70. Zwar lässt sich eine Analogiebildung zu § 878 BGB erwägen, die auch nicht zwingend am Ausnahmecharakter der Vorschrift scheitert71. Im Gegenteil liegt eine Erstreckung des Rechtsgedankens von § 878 BGB auf den Verlust der Rechtszuständigkeit nicht fern, zumal der Normzweck der Vorschrift auf den Schutz des Erwerbers vor zwischenzeitlichen Erwerbsbeeinträchtigungen gerichtet ist72. Und dennoch muss eine analoge Anwendung ausscheiden, weil andernfalls der Geltungsbereich der Vorschrift übermäßig ausgedehnt würde. Der Wegfall der Rechtszuständigkeit wiegt deutlich schwerer als eine Beschränkung der Verfügungsmacht. Anders als bei Eintritt einer nachträglichen Verfügungsbeschränkung wird nämlich die Rechtszuordnung des Grundeigentums geän-
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Ebenso Gursky, in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 2; Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 7; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 15. 68 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 41; Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 7; Vieweg, in: jurisPK, BGB, § 878 Rn. 18. 69 BayObLG NJW 1961, 783, 784; MittBayNot 1975, 228; OLG Frankfurt a.M. OLGZ 1980, 100, 104; OLG München FGPrax 2009, 12, 13; Augustin, in: RGRK, BGB, § 878 Rn. 13; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 878 Rn. 2; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 185 Rn. 18; ders., in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 18; Kohler, in: MünchKommBGB, § 878 Rn. 29; Kössinger, in: Bamberger/Roth, BGB, § 878 Rn. 10; Lorenz, in: Erman, BGB, § 878 Rn. 9; Strecker, in: Planck, BGB, § 878 Anm. 2; Stürner, in: Soergel, BGB, § 878 Rn. 3; Vieweg, in: jurisPK-BGB, § 878 Rn. 7; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 33; a.A. K. Müller, Sachenrecht, Rn. 1017. 70 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 191 f. 71 Siehe nur Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn. 120; Canaris, Feststellung, S. 180 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 185 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 355 f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 489a; Bydlinski, Methodenlehre, S. 440; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 298; Würdinger, JuS 2008, 949 ff. 72 Vgl. auch BayObLG NJW 1961, 783, 784.
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dert. Der Veräußerer ist nicht länger Eigentümer des Verfügungsgegenstandes und verfügt daher – anders als der nur in seiner Verfügungsmacht Beschränkte – nicht über eine eigene Sache, sondern als Nichtberechtigter über ein fremdes Recht. Der Erwerb vom Nichtberechtigten ist in §§ 892, 893 BGB allerdings durch Spezialvorschriften besonders ausgestaltet, die auch für den Fall eines erst nachträglich eingetretenen Wegfalls der Rechtszuständigkeit greifen73. Sie gehen § 878 BGB in diesem Zusammenhang vor.
III. Mobiliarsachenrecht 1. Koinzidenz von Einigung und Übergabe Während bei der Mehrzahl alltäglicher Austauschgeschäfte Einigung und Übergabe zeitlich zusammenfallen, kennt die moderne Wirtschaftspraxis ebenso zahlreiche Gestaltungen, in denen die beiden Merkmale sukzessive eintreten, man denke nur an Raumsicherungsverträge mit wechselndem Bestand oder die Sicherungsübereignung von künftigen Sachen. Geht die Einigung der Übergabe voraus (antizipierte Einigung), muss sie im späteren Übergabezeitpunkt noch wirksam sein74. Das ist Ausdruck des Koinzidenzprinzips, wie es im Wortlaut des § 929 S. 1 BGB einen deutlichen Anhaltspunkt gefunden hat. Zur Mobiliarübereignung ist danach erforderlich, „dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll“. Die hier hervorgehobene Konjunktion „und“ ist nach grammatikalischer Interpretation der Vorschrift als Koinzidenzerfordernis zu interpretieren und verlangt, dass die Vertragsparteien den Eintritt der Sukzessionswirkung auch noch im Zeitpunkt der Übergabe herbeiführen wollen. Gleiches gilt auch, wenn die Übergabe durch die Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB)75 und die Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB)76 ersetzt wird sowie nach zutreffender Auffassung77 auch für die Übereignung brevi manu, wenn dem Erwerber etwa eine verlorene Sache unter der Voraussetzung übereignet wird, 73
Wie hier (zu Verfügungsbeschränkungen) Gursky, in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 6. Vgl. RGZ 83, 223, 229 f.; 135, 366, 367; BGHZ 7, 111, 115; 14, 114, 119; BGH NJW 1976, 1539, 1540; 1978, 696, 697; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 9; Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 50; Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 80; a.A. allein Heck, Sachenrecht, § 55, 1. 75 Vgl. BGHZ 7, 111, 115; Henssler, in: Soergel, BGB, § 930 Rn. 5a, 16 ff. 76 Vgl. RGZ 135, 366, 366 f. 77 So bereits v. Tuhr, AT II/1, S. 383 f., Fn. 116; heute ebenso Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 929 Rn. 40; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 119 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 20; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 38 Rn. 17; Wadle, JuS 1996, L25, L26; a.A. OLG Dresden SeuffA 62 (1907), Nr. 171; Brodmann, in: Planck, BGB, § 929 Anm. 8; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 II; Wieling, Sachenrecht I, § 9 II 2 b; wohl auch Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38, 74; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 19; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 86. 74
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dass er sie findet78. Geht die Übergabe gem. § 929 S. 2 BGB umgekehrt der Einigung voraus, erlangt der Erwerber das Eigentum mit Zustandekommen einer wirksamen Einigung79.
2. Innerer Zusammenhang von Einigung und Übergabe Zumindest ebenso kontrovers wie im Liegenschaftsrecht80 wird für die Mobiliarübereignung die Frage diskutiert, ob die Verwirklichung des Erwerbstatbestands von einem zwischen Einigung und Übergabe bestehenden inneren Zusammenhang abhängt81. Auch wenn ein Großteil des Schrifttums hier eine spezifische Verbindung verlangt82, ist sie für den Mobiliarerwerb ebenso abzulehnen wie für den Immobiliarerwerb83. Dafür spricht im Anschluss an die rechtsgenealogische Untersuchung des Traditionsprinzips die dogmatische Verselbstständigung der dinglichen Einigung und der Übergabe84. Die von der Gegenauffassung verfochtene Lehre vom inneren Zusammenhang ist mit der historischen Entwicklung des Mobiliarsachenrechts nicht in Einklang zu bringen, weil sie in der Sache die von den Vätern des BGB ausdrücklich aufgegebene Lehre vom einheitlichen dinglichen Vertrag wiederaufleben lässt. Nach dieser – auch als Einheitstheorie bezeichneten – Auffassung deutete die Pandektenwissenschaft die Übergabe als Form (!) der dinglichen Einigung, so dass sich die Einigung nur „durch“ Übergabe vollziehen konnte. Mit der Überwindung dieses Ansatzes durch die rechtsdogmatische Aufspaltung des dualistischen Übereignungstatbestands in Einigung und Übergabe ist die Einheitslehre obsolet geworden. Dessen ungeachtet schiebt die Gegenauffassung der Sachübergabe in Form des besonderen Zweckbezugs ein rechtsgeschäftliches Element unter, das angesichts der dogmatischen Verselbstständigung systemwidrig erscheinen muss85. 78
Siehe die in der vorherigen Fn. affirmativ Zitierten. Mit Hinweis auf § 929 S. 2 BGB: Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 9; ohne einen solchen Hinweis: Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 38. 80 Siehe oben § 12 II. 2. 81 Siehe schon oben § 9 III. 1. d). 82 Siehe etwa Henssler, in: Soergel, BGB, § 929 Rn. 60; Reich, in: AK, BGB, § 929 Rn. 7; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 177; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 7 Rn. 4; Martinek, AcP 188 (1988), 574, 582 f.; Wadle, JZ 1974, 689, 691; Weber, JuS 1998, 577, 579; Gergen, AcP 206 (2006), 624, 646 f.; vgl. auch BGH NJW 2005, 359, 363. 83 Besonders deutlich schon Zitelmann, JhJ 70 (1921), 1 ff., 17; ebenso Wiegand, FG BGH I, S. 753, 765 f., der überzeugend nachweist, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, soweit sie sich auf einen solchen Zusammenhang beruft, sich bei genauerer Betrachtung mit anderen Rechtsfragen auseinandersetzt als dem bezeichneten inneren Zusammenhang von Einigung und Übergabe; im Ergebnis auch Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 53; Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 8; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 929 Rn. 30; Meller-Hannich/Schilken, in: NK, BGB, § 929 Rn. 61; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 929 Rn. 60; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 88; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27 Rn. 15; Füller, Sachenrecht, S. 304 f. 84 Siehe oben § 9 III. 1. 85 Vgl. auch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 88; dens., FG BGH I, S. 753, 766; Füller, Sachenrecht, S. 304 f. Fn. 256. 79
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
Auch für die praktische Rechtsanwendung ist der innere Zusammenhang entbehrlich. Zweifelsfälle lassen sich zwanglos durch Interpretation der Übereignungserklärungen nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre lösen. Erfolgt die Übergabe beispielsweise nicht zu Übereignungszwecken, fehlt es vielfach bereits an der notwendigen Einigung der Vertragsparteien86.
IV. Zessionsrecht Gestreckte Erwerbsvorgänge sind schließlich auch im Zessionsrecht zu beobachten. Da sich die Forderungsabtretung allerdings nach dem reinen Einigungsprinzip vollzieht und gem. § 398 S. 2 BGB grundsätzlich mit Wirksamwerden der verfügenden Einigung eintritt, kommt es nur selten vor, dass der Abschluss des zedierenden Rechtsgeschäfts und der Eintritt der Verfügungswirkungen auseinanderfallen87. Solche Fälle beschränken sich im Wesentlichen auf die Zession künftiger Forderungen88. Bei der Vorausabtretung einigen sich die Vertragsparteien antizipiert darauf, dass später zur Entstehung gelangende Forderungen oder andere Vermögensrechte iSd. § 413 BGB übergehen sollen. Der Rechtserwerb ist davon abhängig, dass die Forderung später in der Person des Zedenten wirksam entsteht. Gelangt die Forderung indes entweder überhaupt nicht89 oder nicht in der Person des Zedenten90 zur Entstehung, geht die Zession ins Leere. Wird die Forderung aber wirksam begründet, geht das Vermögensrecht im Entstehungszeitpunkt grundsätzlich auf den Zessionar über91. 86 Vgl. Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 Rn. 53; Meller-Hannich/Schilken, in: NK, BGB, § 929 Rn. 61; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 929 Rn. 88. 87 Vgl. auch BGH NJW-RR 2010, 192 Tz. 10; Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 63 a.E.; Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II. 88 Zur Zulässigkeit siehe RGZ 55, 334; 58, 71, 72; 67, 166, 167; 92, 238, 239; 136, 100, 102; 149, 19, 21; BGHZ 7, 365, 367 f.; 26, 185, 188; 30, 149, 151; 88, 205, 206 f.; 108, 98, 104; BGH NJW 1988, 3204, 3205; NJW-RR 2003, 1690, 1691; 2005, 1408; aus dem Schrifttum grundlegend v. Tuhr, AT II/1, S. 387 ff.; ders., DJZ 1904, 426, 427; siehe ferner exemplarisch Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 63; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79; Weber, in: RGRK, BGB, § 398 Rn. 11, 115; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 11; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I/2, § 37 I 2 a; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; v. Caemmerer, JZ 1953, 97 ff.; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 463 f.; zur Entwicklungsgeschichte instruktiv Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 I. 89 BGH WM 1973, 489; BAG NJW 1993, 2701, 2702 (zur Verpfändung); Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Rosch, in: jurisPK-BGB, § 398 Rn. 20; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79. 90 BGHZ 88, 205, 207; 104, 351, 353; BGH NJW 1997, 3370; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Rosch, in: jurisPK-BGB, § 398 Rn. 20; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79 f.; v. Tuhr, AT II/1, S. 392 f. 91 BGHZ 26, 185, 188; 88, 205, 206 f.; BGH NJW 1995, 1668, 1671; 2008, 1153 Tz. 33; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; v. Tuhr, AT II/1, S. 392; Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II.
IV. Zessionsrecht
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1. Verfügende Einigung Das Koinzidenzprinzip verlangt allerdings auch hier, dass in diesem Moment noch die verfügende Einigung wirksam vorliegen muss. Ist die Einigung nicht mehr wirksam, geht die antizipierte Forderungsabtretung ins Leere. Zumindest missverständlich ist es daher, wenn bisweilen die Auffassung vertreten wird, die Willensübereinstimmung der Parteien müsse bei Vollendung des Rechtserwerbs, also mit Entstehung der (künftigen) Forderung, nicht mehr fortbestehen92. Richtig ist zwar, dass es keines Rechtsbewusstseins der Vertragsparteien in Bezug auf den Rechtsübergang bedarf. Auch eine zwischenzeitlich eintretende Geschäftsunfähigkeit oder der Tod des Zedenten sind für den späteren Eintritt der Zessionswirkung nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre ohne Belang93. Mit der einmal rechtswirksam zustande gekommenen Einigung ist also das rechtsgeschäftliche Element der Forderungszession voll verwirklicht94. Insbesondere ist eine nochmalige Einigung nach Entstehung der Forderung entbehrlich. Darin liegt gerade die besondere praktische Bedeutung der Vorausabtretung, die sich auch in einer ökonomisch sinnvollen Senkung von Transaktionskosten niederschlägt. Gleichwohl muss die verfügende Einigung der Vertragsparteien nach den Wertungen des Koinzidenzprinzips auch noch im Zeitpunkt der Forderungsentstehung wirksam sein. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn die Vertragsparteien sich auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrags verständigt haben. Sind für eine solche Parteiabrede keine Anhaltspunkte ersichtlich, bleibt es bei der Bindungswirkung des Abtretungsvertrags95. Der Zedent ist daher effektiv daran gehindert, seine Abtretungserklärung vor Entstehung des Forderungsrechts einseitig zu widerrufen96. Es ist davon auszugehen, dass die zwischen den Parteien ursprünglich vereinbarte Abtretung auch noch im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs mit Entstehung des (künftigen) Forderungsrechts fortwirkt.
2. Verfügungsbefugnis Umstritten ist weiterhin, ob die Verfügungsbefugnis des Veräußerers im Zeitpunkt der Entstehung des zu übertragenden Forderungsrechts noch bestehen muss oder ob es ausreicht, dass der Veräußerer im Zeitpunkt des Abtretungsvertragsschlusses zur Verfügung über das künftige Forderungsrecht berechtigt 92 So etwa – jeweils ohne nähere Begründung – BGH NJW 1960, 1712, 1713; BGH NJW-RR 2010, 192 Tz. 11; Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 71; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Rosch, in: jurisPK-BGB, § 398 Rn. 20; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 11; vgl. auch Weber, in: RGRK, BGB, § 398 Rn. 71. 93 Siehe oben § 12 II. 1. 94 So auch Pöggeler, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II; vgl. schon Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 9 III 1. 95 Siehe oben § 6 IV. 1. 96 Insofern zutreffend Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79.
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
war. Die überwiegend vertretene Auffassung in Rechtsprechung97 und Schrifttum98 weist der Vorausabtretung gegenüber allen übrigen Sukzessionstatbeständen eine Ausnahmestellung zu, weil die Verwirklichung des Verfügungstatbestands und des Verfügungserfolgs ausnahmsweise einmal auseinanderfielen. Da sich die Verfügungsbefugnis auf den Verfügungstatbestand beziehe, sei eine nach Vereinbarung der Vorausabtretung eingetretene Verfügungsbeschränkung unschädlich. Weil auch die auf die Vorausabtretung bezogene Einigung nicht bis zur Vollendung der Abtretung fortbestehen müsse99, könne für die Verfügungsbefugnis nichts anderes gelten. Nichts anderes ergebe sich aus der Wertung der Konvaleszenztatbestände, namentlich § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB. Diese Argumentation wird im Schrifttum100 vereinzelt bekämpft und dies mit vollem Recht: Das Koinzidenzprinzip verlangt nicht nur, dass die Verfügungsbefugnis des Veräußerers bei Vertragsabschluss besteht, sondern auch fortbesteht bis zum Zeitpunkt der Entstehung des künftigen Forderungsrechts. Zwar erlangt der Erwerber bereits mit Abschluss des Vorausabtretungsvertrages eine gesicherte Rechtsstellung, soweit der Veräußerer hiernach effektiv daran gehindert ist, dieselbe künftige Forderung nochmals an einen Dritterwerber zu übertragen101. Das darf freilich nicht zu dem Schluss verleiten, die Verfügungsbefugnis sei durch die Vorausabtretung „verbraucht“ und könne daher im Entstehungszeitpunkt der Forderung nicht fortbestehen. Stattdessen beruht die Sicherungswirkung für den Erwerber auf dem Regelungsgedanken des § 185 Abs. 2 S. 2 BGB, der dem Prioritätsprinzip auch für die Vorausabtretung zum Durchbruch verhilft. Eines darüber hinausgehenden Schutzes bedarf der Zessionar bei der Vorausabtretung nicht. Es bleibt also bei der Geltung der allgemeinen Grundsätze des Koinzidenzprinzips. Darüber hinaus setzt sich der Verbrauchsgedanke auch zur Wertung des § 185 Abs. 2 S. 1 BGB in Widerspruch, der den Fortbestand der Verfügungsbefugnis auch noch im Zeitpunkt des Rechtserwerbs voraussetzt102. Da dem Zedenten die künftige Forderung bei Vertragsabschluss mangels Existenz rechtlich noch nicht zugeordnet ist, verfügt er wertungsmäßig als Nichtberechtigter iSd. § 185 BGB. Dementsprechend muss auch für die Vorausabtretung der für die Konvaleszenz anwendbare Grundsatz gelten, dass die Verfügungsbefugnis auch noch im Zeitpunkt der Forderungsentstehung gegeben sein muss103.104 97 BGH NJW-RR 2010, 192 Tz. 10 ff.; siehe zuvor bereits BGHZ 135, 140, 144; BGH NJW 1959, 1539. 98 Busche, in: Staudinger, BGB, § 398 Rn. 6; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11; Gehrlein, ZIP 2011, 5, 6. 99 Siehe die Nachweise oben in Fn. 92. 100 Dezidiert Eckardt, ZIP 1997, 957, 960 f.; Simokat, NZI 2012, 57, 60 ff. 101 Siehe oben § 6 IV. 1. 102 RGZ 135, 378, 383; BGHZ 36, 329, 334. 103 Eckardt, ZIP 1997, 957, 961; Simokat, NZI 2012, 57, 60 f. 104 Siehe ferner noch zur Bedeutung der §§ 566, 566b BGB und §§ 571, 573 BGB a.F. einerseits BGH NJW-RR 2010, 192 Tz. 13 und andererseits Simokat, NZI 2012, 57, 61.
IV. Zessionsrecht
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Dafür spricht in rechtssystematischer Hinsicht auch die Wertung des § 878 BGB105, wonach eine Ausnahme von der fortbestehenden Verfügungsbefugnis allein für den Immobiliarerwerb postuliert ist, und zwar deshalb, weil die Vertragsparteien auf den weiteren Ablauf des Eintragungsverfahrens keinen Einfluss mehr nehmen können; Störungen aus der Risikosphäre des Grundbuchamts sollen deshalb nicht zulasten der Vertragsparteien gehen, die alles für den Rechtsübergang Erforderliche getan haben. Schon aus rechtssystematischen Erwägungen kommt eine Übertragung des Regelungsgedankens des § 878 BGB auf die Vorausabtretung nicht in Betracht, zumal es an einem vergleichbaren Eintragungsverfahren für Forderungsrechte fehlt. Ob die Vertragsparteien alles zum Rechtserwerb Erforderliche getan haben106, ist in diesem Zusammenhang ebenso gleichgültig wie auch sonst nach den allgemeinen Grundsätzen des Koinzidenzprinzips. Unzutreffend ist auch die Argumentation der h.M., wenn die verfügende Einigung schon nicht bis zur Forderungsentstehung fortwirken müsse, könne für die Verfügungsbefugnis nichts anderes gelten. Als fehlerhaft erweist sich in diesem Zusammenhang bereits die Prämisse, denn nach zutreffender Auffassung kommt eine wirksame Vorausabtretung nur in Betracht, wenn auch die Einigung noch fortwirkt und insbesondere nicht durch Aufhebungsvertrag der Parteien nachträglich wieder beseitigt worden ist107. Verlangt man mit der hier vertretenen Ansicht nun, dass die verfügende Einigung bis zur Entstehung der künftigen Forderung fortbesteht, ist es nur konsequent, auch den Fortbestand der veräußererseitigen Verfügungsbefugnis einzufordern. Das gilt umso mehr, als für die antizipierte Sicherungsübereignung ebenfalls Einigung und Verfügungsbefugnis bis zur Entstehung der Sache fortwirken müssen108. Ebenso wie bei der Vorausabtretung fallen bei der antizipierten Sicherungsübereignung Verfügungshandlung und Verfügungserfolg zeitlich auseinander, die Abwicklung der beiden Sukzessionsvorgänge ist daher in rechtstechnischer Hinsicht vollkommen identisch. Berücksichtigt man fernerhin, dass nach der Lehre von der absoluten Rechtszuweisung auch im Übrigen grundsätzlich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Übertragung von Forderungs- und Sachenrechten bestehen und dass auch die Körperlichkeit der künftigen Sachen keine abweichende Beurteilung der Rechtslage erfordert, mangelt es an tauglichen Gründen für eine unterschiedliche Behandlung von antizipierter Sicherungsübereignung und Vorausabtretung109. Und schließlich spricht für die hiesige Position, dass es sich bei der Verfügungsbefugnis – anders als bei der Einigung – nicht um eine personenbezogene Fähigkeit handelt, sondern um ein „gegenstandsbezogenes rechtliches Kön105
Ebenso Bork, FS Seiler, S. 289, 304; Simokat, NZI 2012, 57, 61. Wie es BGH NJW-RR 2010, 192 Tz. 12 offenbar verlangt. 107 Siehe oben § 12 IV. 1. 108 BGHZ 27, 360, 366 f.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 930 Rn. 26; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 930 Rn. 33; vgl. weiter BGH NJW 1992, 1156, 1157. 109 Ebenso Eckardt, ZIP 1997, 957, 960; Simokat, NZI 2012, 57, 61 f. 106
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
nen“110. Die Verfügungsbefugnis besteht folglich nur an einzelnen, bestimmten Gegenständen, indes niemals an sich. Dementsprechend entfaltet die Verfügungsmacht ihre Sukzessionswirkung auch erst mit Entstehung des Verfügungsgegenstands, auf welchen sie sich als gegenstandsbezogene Befugnis bezieht111.
V. Kongruenzprinzip Abschließend sind noch kurz die Grundzüge des Kongruenzprinzips nachzuzeichnen112. Während das Koinzidenzprinzip für eine zeitliche Verklammerung der tatbestandlichen Sukzessionsvoraussetzungen sorgt, bewerkstelligt das Kongruenzprinzip die inhaltliche Übereinstimmung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Die Wirkungen eines Sukzessionstatbestands treten danach nur insoweit ein, als sich sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen im Hinblick auf ihren Inhalt und Umfang decken113. Besonders anschaulich lässt sich das Kongruenzprinzip an Fallgestaltungen des Immobiliarsachenrechts exemplifizieren: Zunächst findet die Eigentumsübertragung an einem Grundstück nur statt, wenn und soweit sich Einigung und Eintragung inhaltlich decken. Beziehen sich Einigung und Eintragung hingegen auf zwei ganz unterschiedliche Liegenschaftsrechte, scheitert der Rechtserwerb114. Das vereinbarte Recht gelangt mangels Eintragung nicht zur Entstehung. Das eingetragene Recht ist mangels Einigung nicht entstanden. Das Grundbuch ist folglich unrichtig; dem wahren Berechtigten steht gegen den Bucheigentümer ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) zu. Gleiches gilt nicht nur, wenn sich die Parteien auf die Bestellung einer Hypothek einigen, im Grundbuch das betreffende Grundstück indes mit einer Dienstbarkeit belastet wird, sondern nach zutreffender Auffassung115 auch im Verhältnis der Grunddienstbarkeit zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Weichen Einigung und Eintragung quantitativ oder qualitativ nur zum Teil voneinander ab, tritt die Rechtsänderung nach Maßgabe des § 139 BGB inso110 Thiele, Zustimmungen, S. 196; ebenso Armbrüster, in: MünchKommBGB, § 137 Rn. 8; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 144 I; Hübner, BGB AT, Rn. 393; Medicus, BGB AT, Rn. 1001; Eckardt, ZIP 1997, 957, 960; vgl. noch Bayreuther, in: MünchKommBGB, § 185 Rn. 21. 111 Vgl. Bork, FS Seiler, S. 289, 304; Eckardt, ZIP 1997, 957, 960; Simokat, NZI 2012, 57, 60. 112 Auf die Darstellung von Einzelheiten wird aus Raumgründen und mit Rücksicht auf die thematische Ausrichtung der Arbeit verzichtet. Siehe stattdessen ausf. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 190 ff.; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 114 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 553 ff. 113 Vgl. BGHZ 123, 297, 301; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 190; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 99; Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 873 Rn. 24. 114 Vgl. BGHZ 123, 297, 301; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 22 Rn. 12; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 200; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 30. 115 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 202; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 102; differenzierend hingegen Bassenge, in: Palandt, BGB, § 873 Rn. 12; Westermann, in: MünchKommBGB, § 1094 Rn. 10; abweichend auch BayObLG NJW 1961, 1263, 1265.
V. Kongruenzprinzip
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weit ein, als Einigung und Eintragung inhaltlich und umfänglich übereinstimmen116. Es gilt der bereits den Römern bekannte Grundsatz, dass ein Mehr ein Weniger umfasst (da plus minus continet)117. Einigen sich die Vertragsparteien also beispielsweise darauf, zwei unterschiedliche Grundstücke zu übertragen, wird die Rechtsänderung aber nur hinsichtlich eines der beiden Grundstücke im Grundbuch ordnungsgemäß vermerkt, ist der Rechtsübergang auch nur für dasjenige Grundstück wirksam, auf welches sich die Eintragung bezog118. Entsprechendes gilt, falls zwar die Rechtsänderung an beiden Grundstücken ordnungsgemäß in das Grundbuch eingetragen wird, sich die Einigung aber lediglich auf eines der beiden Grundstücke bezieht oder nur für eines der beiden Grundstücke wirksam ist. Beispielhaft für quantitative Abweichungen steht hier der Fall, dass sich die Parteien auf die Einräumung eines Wohnrechts verständigt haben, das auf 30 Jahre begrenzt sein sollte, die Beschränkung in der Eintragung indes keinen Niederschlag fand. Entstanden ist hier ein auf 30 Jahre beschränktes Wohnrecht119. Einigen sich die Parteien auf ein 50-jähriges Wohnrecht, wird aber versehentlich ein 20-jähriges Wohnrecht eingetragen, entsteht nur ein 20-jähriges Wohnrecht. Vereinbaren die Parteien die Bestellung einer Grundschuld in Höhe von 100 000 Euro, werden als Haftsumme indes 250 000 Euro in das Grundbuch eingetragen, so gelangt die Grundschuld in Höhe von 100 000 Euro zum Entstehen120. Als Beispiel für eine qualitative Abweichung gilt die Divergenz von Verkehrs- und Buchhypothek. Einigen sich die Parteien auf eine Buchhypothek, wird aber eine Verkehrshypothek eingetragen oder umgekehrt, entsteht in jedem Fall eine Verkehrshypothek121. Denn die Verkehrshypothek ist der gesetzliche Normaltypus; eine Buchhypothek entsteht nur, wenn die Parteien zusätzlich gem. § 1116 Abs. 2 BGB den Ausschluss der Brieferteilung vereinbaren und diesen Umstand ordnungsgemäß in das Grundbuch eintragen lassen. Insofern erweist sich die Briefhypothek gegenüber der Buchhypothek als Minus.
116 Vgl. BGH WM 1985, 876, 878; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 191, 196; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 102; Krause, in: AnwKommBGB, § 873 Rn. 53; Lorenz, in: Erman, BGB, § 873 Rn. 25; Strecker, in: Planck, BGB, § 873 Anm. II 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 31; Gergen, AcP 206 (2006), 624, 627. 117 Dazu ausf. Backhaus, ZRG RomA 100 (1983), 136 ff.; ferner Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 102. 118 Vgl. BGH WM 1985, 876, 878 (zum Vorkaufsrecht). 119 BGH NJW 1990, 112, 114. 120 Siehe aus der Rechtsprechung exemplarisch RGZ 108, 146, 148 ff.; BGH WM 1985, 876, 877 f.; NJW 1990, 112, 114; vgl. weiter Bassenge, in: Palandt, BGB, § 873 Rn. 12; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 192, 196. 121 Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1116 Rn. 28, 30; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 207 f.; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1116 Rn. 4 f.; Kohler, in: MünchKommBGB, § 873 Rn. 102; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 22 Rn. 14; Prütting, Sachenrecht, Rn. 644.
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§ 12 Koinzidenz- und Kongruenzprinzip
VI. Zusammenfassung Das privatrechtliche Koinzidenzprinzip verklammert die bisher behandelten Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession nach Maßgabe der konkreten Sukzessionstatbestände in der Weise, dass ihre Wirkung nur eintritt, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale im gleichen Zeitpunkt zusammentreffen. Von zentraler praktischer Bedeutung ist das Koinzidenzprinzip für mehrgliedrige Übertragungstatbestände, die sich als gestreckte Erwerbsvorgänge vollziehen. Im Immobiliarsachenrecht müssen dingliche Einigung, Grundbucheintragung und Sukzessionsbefugnis zusammentreffen, um die Sukzessionswirkungen des § 873 BGB auszulösen. Sämtliche Tatbestandsmerkmale gehorchen eigenständigen Grundsätzen: Für die dingliche Einigung gilt die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, für die Grundbucheintragung das Sachen- und Grundbuchrecht. Durch den Fortfall der Verfügungsbefugnis des Veräußerers wird die Wirksamkeit der Einigung nicht berührt. Die rechtsdogmatische Verselbstständigung von Einigung und Eintragung spricht auch gegen das Erfordernis eines inneren Zusammenhangs zwischen beiden Tatbestandsmerkmalen in dem Sinne, dass die Eintragung aufgrund der Einigung erfolgen müsste. Gegen das Dogma vom inneren Zusammenhang sprechen ferner historische Gründe und ökonomische Erwägungen. Eine – singuläre – Abweichung vom Koinzidenzprinzip enthält § 878 BGB für nachträgliche Verfügungsbeschränkungen beim Immobiliarerwerb. Sie dient dem individuellen Interesse des Erwerbers an einer erfolgreichen Durchführung des gestreckten Immobiliarerwerbs, da er nach Eintritt der Bindungswirkung gem. § 873 Abs. 2 BGB und Antragstellung auf den Zeitpunkt der Grundbucheintragung keinen Einfluss mehr nehmen kann. Zudem schützt § 878 BGB das überindividuelle Verkehrsinteresse, weil er unliebsame Schwebezustände zwischen Antragstellung und Grundbucheintragung vermeidet. Keine Anwendung findet § 878 BGB auf den zwischenzeitlichen Verlust der veräußererseitigen Rechtszuständigkeit; in diesem Fall gehen §§ 892, 893 BGB vor. Im Mobiliarsachenrecht müssen dingliche Einigung, Übergabe (Übergabesurrogat) und Sukzessionsbefugnis zusammentreffen, um die Sukzessionswirkung der §§ 929 ff. BGB auszulösen. Wiederum bedarf es aufgrund der rechtsdogmatischen Trennung von Einigung und Übergabe keines inneren Zusammenhangs zwischen beiden Tatbestandselementen. Im Zessionsrecht kommt dem Koinzidenzprinzip vor allem für die Zession künftiger Forderungen praktische Bedeutung zu. Entgegen der h.M. gelten keine Ausnahmen vom Koinzidenzprinzip: Zum einen muss die verfügende Einigung im Entstehungszeitpunkt des künftigen Forderungsrechts noch fortbestehen. Zum anderen muss der Zedent im Entstehungszeitpunkt auch noch berechtigt sein, über das entstandene Forderungsrecht rechtmäßig zu verfügen. Für die Notwendigkeit des Fortbestands der Verfügungsbefugnis bis zur Voll-
VI. Zusammenfassung
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endung des Forderungserwerbs sprechen die Wertungen der §§ 185 Abs. 2, 878 BGB sowie die Parallele zur antizipierten Sicherungsübereignung. Das Kongruenzprinzip verlangt eine inhaltliche Übereinstimmung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Die Wirkungen des Sukzessionstatbestands treten nur insoweit ein, als sich sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen im Hinblick auf ihren Inhalt und Umfang quantitativ oder qualitativ decken. Es gilt der Grundsatz, dass ein Mehr ein Weniger umfasst.
2. Kapitel
Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession Die Untersuchung der Tatbestandsebene hat den Blick auf eine ganze Reihe von Struktur- und Wertungsprinzipien gelenkt, aus denen sich die hier behandelten Sukzessionstatbestände zusammensetzen und von deren Vorliegen der Eintritt der Sukzessionswirkungen abhängt. Auf die Sukzessionswirkungen selbst ist bisher nur kurz im Zusammenhang mit der Definition des materiellrechtlichen Nachfolgebegriffs eingegangen worden1. Im Rahmen dieses zweiten Kapitels stehen nun die Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession im Mittelpunkt. Zentrale Sukzessionswirkung ist der identitätswahrende Übergang der Vermögensposition von einem Rechtsträger auf den anderen, wie er durch das grundlegende Prinzip der sukzessionsrechtlichen Identität beschrieben wird (§ 13). Damit in enger Verbindung steht das Akzessorietätsprinzip, das den Übergang von Hilfs- und Nebenrechten steuert (§ 14). Dem Identitäts- und Akzessorietätsprinzip wird sodann das grundlegende Prinzip des Sukzessionsschutzes gegenübergestellt, wie es in seinen Grundzügen bereits oben2 als Pendant zur Sukzessionsfreiheit entwickelt worden ist (§ 15).
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Siehe oben § 2 I. 3. Siehe § 4 II. 2.
§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip Das Proprium der juristischen Nachfolge ist das Prinzip der sukzessionsrechtlichen Identität. Das Identitätsprinzip bezeichnet die primäre Wirkung der Sukzession: Sie sorgt für einen identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition von einem Rechtsträger auf den anderen1. Dieser Gedanke kommt bereits in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck, wenn es dort im Zusammenhang mit der Verjährung heißt2: „Eine durch Rechtsnachfolge in den Anspruch herbeigeführte Aenderung in der Person des Berechtigten oder Verpflichteten berührt das Wesen des Anspruches nicht.“
Das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip bildet das Fundament der materiellrechtlichen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Sukzession, entfaltet indes auch Ausstrahlungswirkung auf die zivilprozessualen3 und kollisionsrechtlichen4 Implikationen der vertraglichen Nachfolge. Weit verstanden umfasst das Identitätsprinzip sowohl das Akzessorietätsprinzip5 als auch das Prinzip des Sukzessionsschutzes6. Für die Zwecke dieses Abschnitts wird das Identitätsprinzip eng verstanden, und zwar in dem Sinne, dass die übertragene Vermögensposition durch den Sukzessionsvorgang weder in Gestalt noch Charakter eine Änderung erfährt7. Die Sukzession vollzieht sich mit anderen Worten identitätswahrend.
I. Identität und Kontinuität der Vermögensposition In der Identität und Kontinuität der übertragenen Vermögensposition liegt das zentrale Merkmal der Sukzession. Allerdings ist die Identität der übertragenen Vermögensposition seit jeher umstritten; nach zutreffender Auffassung sind es die Sukzessionstatbestände selbst, die den identitätswahrenden Übergang an1
Zum Ganzen bereits oben § 2 I. 3. Motive zum BGB, Bd. 1, S. 340. 3 Siehe unten § 19 II. 4 Siehe unten § 22 III. 1. a). 5 Dazu unten § 14. 6 Dazu unten § 15. 7 Die Untersuchung beschränkt sich aus Raumgründen auf die unmittelbaren gegenständlichen Sukzessionswirkungen. Die vertragsrechtliche Perspektive, die das Beziehungsgeflecht zwischen den Vertragsparteien in den Blick nimmt, muss hier ausgespart bleiben; siehe dazu ausf. Dörner, Relativität, S. 151 ff. 2
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§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
ordnen, so dass die fruchtlose Kontroverse betreffend das Identitätsproblem nur kurz umrissen werden soll (1.). Sodann sind aus dem Identitätsprinzip einige grundlegende Folgerungen für die Rechtszuständigkeit und Übertragbarkeit auf der einen Seite (2.) sowie für die Ausgestaltung und den Charakter der Vermögensposition auf der anderen Seite (3.) zu ziehen.
1. Das Identitätsproblem Solange das juristische Schrifttum über Sukzessionsfragen diskutiert, wird meist zu bedenken gegeben, dass streng genommen von einer echten Identität der übertragenen Vermögensposition nicht gesprochen werden könne, weil sich durch die Sukzession jedenfalls die Bezugsperson ändere (Änderung der Rechtszuständigkeit)8. Teile der Pandektenwissenschaft nahmen diesen Umstand zum Anlass, sich prinzipiell gegen den Begriff der Rechtsnachfolge auszusprechen. Ihre Grundthese lautete, dass das Subjekt zum Wesen des Rechts gehöre und das Recht nach dem Subjektwechsel notwendig ein anderes sei9. Namentlich bei der Forderungsabtretung werde die Person des Gläubigers ausgewechselt. Da die Leistungsbeziehung stets zwischen bestimmten Personen bestehe, sei das übergegangene Forderungsrecht mit dem ursprünglichen Recht nicht identisch10. Die für die Dogmatik des Sukzessionsrechts unfruchtbare Kontroverse trägt in erster Linie terminologische Züge und darf daher in ihrer Bedeutung für das Verständnis des Sukzessionsgedankens und namentlich des juristischen Identitätsprinzips nicht überschätzt werden. Auch in der Sache führt ein überzogenes Identitätsverständnis in die Irre. Zwar ist es zutreffend, dass Forderungsrechte ohne Rechtsträger schlichtweg undenkbar sind; ebenso sind dauerhaft subjektlose (vagabundierende) Rechte unserer Privatrechtsordnung fremd. Dieser Personalbezug der Forderungsrechte spricht aber nun gerade dafür, die subjektive Zuordnung des Forderungsrechts aus dem juristischen Identitätsbegriff auszunehmen. Schließlich ist auch der Wechsel der Inhaberschaft der übertragenen Vermögensposition ein zentrales Strukturmerkmal der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Kurzum: Ohne Änderung der Rechtszuständigkeit, keine Sukzession. Schon der Umstand, dass Forderungen und andere Vermögensrechte und noch mehr Schuldpositionen und ganze Vertragsverhältnisse (identitätswah8 Aus dem älteren Schrifttum siehe nur v. Tuhr, AT I, S. 222; Leonhard, Schuldrecht I, S. 660 f.; Siber, in: Planck, BGB, Vor § 241 Anm. I 2 c, Vor § 398 Anm. 1; aus dem modernen Schrifttum siehe Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 2; Dörner, Relativität, S. 119; insgesamt kritisch v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 19; zum Streit unter Geltung des gemeinen Rechts siehe noch Luig, Zessionslehre, S. 68 f., 80 ff., 107 ff. 9 Nachw. und eingehende Diskussion bei Windscheid, Lehrbuch I, § 64, 2 a, Note 6; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 21 ff.; Lessing, Rechtsnachfolge, S. 15 ff. 10 So noch heute namentlich Busche, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 398 Rn. 2; vgl. noch Rieble ZIP 1997, 301, 304.
I. Identität und Kontinuität der Vermögensposition
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rend) übertragen werden können, spricht für den bis heute ungebrochenen Trend zu einer umfassenden Mobilisierung von Vermögenspositionen. Damit einher geht auch eine Entkoppelung der Vermögensposition von ihrem Rechtsträger, die – sprachlich ungenau – zuweilen als „Verdinglichung“ bezeichnet wird11. Dahinter steht der Gedanke, dass die Bedürfnisse des modernen Wirtschaftsverkehrs nach einer ungehinderten Übertragbarkeit sämtlicher Vermögenspositionen verlangen und Ausnahmen einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Die mit dem strengen Identitätsverständnis verbundene übersteigerte Personalisierung namentlich von Forderungsrechten wird den Anforderungen des globalen Rechtsverkehrs im 21. Jahrhundert schwerlich gerecht12. Hinzu kommt, dass sich die Reichweite der über den Identitätsbegriff geführten Diskussion auf die Übertragung von schuldrechtlichen Positionen beschränkt, während eine vergleichbar tiefgehende Debatte für die Sukzession in dingliche Rechte nicht geführt wird. Im Sachenrecht hat man offenbar keine Schwierigkeiten mit der Annahme, dass die vom Erwerber erlangte Sache mit der zuvor im Eigentum des Veräußerers stehenden Sache übereinstimmt. Der Verfügungsgegenstand, sei es eine bewegliche Sache, sei es ein Grundstück, wird sowohl in der Rechtspraxis als auch im wissenschaftlichen Schrifttum ohne weiteres als identisch angesehen. Vom Standpunkt der Lehre von der absoluten Rechtszuweisung13 aus betrachtet kann für die Sukzession in obligatorische Positionen nichts anderes gelten. In beiden Fällen kommt es durch den Nachfolgevorgang zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit an dem jeweiligen Gegenstand. Die Übertragung von Forderungs- und Eigentumsrechten vollzieht sich nach den gleichen Strukturen. Deshalb macht es für die Identitätsfrage auch keinen Unterschied, ob die Rechtszuordnung in Richtung eines körperlichen Gegenstands geändert wird oder in Bezug auf eine schuldrechtliche Position. Und auch die Körperlichkeit beweglicher Sachen sowie der unmittelbare Sachbezug bei der Übertragung dinglicher Rechte, die zuweilen eine unterschiedliche Behandlung von Schuld- und Sachenrechten erfordern14, sind für die Identitätsfrage ohne Belang. Man mag daher von einem philosophischen oder logischen Standpunkt aus in Frage stellen, ob die abgetretene Forderung oder das übergegangene Schuldverhältnis in der Person des Nachfolgers mit der Rechtsposition in der Hand des Vorgängers identisch ist15. Auf der Basis des geltenden Rechts – im juristischen, genauer: sukzessionsrechtlichen Sinne – ist die Identität der Vermögensposition
11 Zur Forderungszession: Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 2; ausf. Dörner, Relativität, S. 1 ff.; kritisch zum Sprachgebrach Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 III 1; Otte, FS Wieacker, S. 463, 474 f.; J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, 1995, Einl zu § 241 Rn. 452. 12 Siehe allgemein bereits oben § 4 III. 4. d). 13 Siehe oben § 2 II. 2. 14 Siehe oben § 2 II. 3. 15 Dazu eingehend Klein, Zweckerreichung, S. 68 ff.; siehe ferner Dörner, Relativität, S. 120 ff.; Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 2.
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§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
positivrechtlich angeordnet und unbestreitbar16. Dabei ist die Identität des Rechtsinhabers streng von der Identität der Vermögensposition zu trennen17. Die Identität des Rechtsinhabers muss für die Beurteilung der Identität der Vermögensposition schon deshalb außer Betracht bleiben, weil eine – identitätswahrende – Sukzession andernfalls apriorisch ausscheiden müsste. Einen normativen Anhaltspunkt hat die Unbeachtlichkeit des Gläubigeraustausches für die Abtretung in § 399 Alt. 1 BGB gefunden18. Wenn diese Vorschrift nämlich anordnet, dass der Forderungsübergang scheitert, soweit die Leistung an den Zessionar nicht ohne eine inhaltliche Veränderung erfolgen kann, ist daraus e contrario zu schließen, dass der Gläubigerwechsel nicht als Inhaltsänderung zählt. Zugleich manifestiert sich in § 399 Alt. 1 BGB eine – unmittelbar aus dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip ableitbare – tatbestandliche Begrenzung der Forderungszession19.
2. Rechtszuständigkeit und Übertragbarkeit Erblickt man das Wesen der Sukzession „in der Abhängigkeit und Bedingtheit des auf abgeleitete Weise erworbenen Rechts vom Recht des Urhebers“20, dann setzt eine rechtsgeschäftliche Sukzession dem Grunde nach voraus, dass der Verfügungsgegenstand dem Veräußerer rechtlich zugeordnet war21. Der Nachfolger gründet seine Vermögensposition auf die Rechtsinhaberschaft bzw. eine anderweitige Sukzessionsbefugnis des Vorgängers22. Es gilt der bekannte Nemo-plus-iuris-Grundsatz, wonach der Veräußerer – sieht man vom Sonderfall des redlichen Erwerbs ab23 – nicht mehr Rechte übertragen kann als er selbst innehat. Darüber hinaus tritt die beabsichtigte Sukzessionswirkung nur ein, wenn der Verfügungsgegenstand auch übertragbar ist. Die Bedeutung der Sukzessionsfreiheit, wonach Vermögenspositionen im Grundsatz ungehindert übertragen werden können, ist auch im Hinblick auf das Identitätsprinzip kaum zu über16 Siehe Klein, Zweckerreichung, S. 73, der meint, dass es sich hier eben „nicht um logische Identität, sondern nur um Identität kraft Gesetzes handelt“; Hervorhebungen auch im Original. Im Ergebnis ebenso Dörner, Relativität, S. 120 f.; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 398 Rn. 60: „die Person des Gläubigers (ist) kein prägender Forderungsbestandteil“; Schreiber, in: Soergel, BGB, Vor § 398 Rn. 1; Brecher, FS Schmidt-Rimpler, S. 181, 218 ff.; Ficker, AcP 165 (1965), 32, 37 f.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 36. 17 Vgl. Hurni, Vermögensübertragung, S. 114. 18 Zutreffend Dörner, Relativität, S. 119; Brand, Jura 2012, 319, 321. 19 So auch Dörner, Relativität, S. 159 ff. – Zur Deutung des § 399 Alt. 1 BGB als Abtretungsbeschränkung siehe oben § 4 III. 4. d). 20 So pointiert Regelsberger, Pandekten I, § 119 III; dem folgend H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 17; gleichsinnig Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 27. 21 Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 35; Leonhard, Schuldrecht I, S. 660 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 140 I; Dörner, Relativität, S. 118 f. 22 Siehe oben § 2 I. 3. 23 Dazu eingehend oben § 11.
I. Identität und Kontinuität der Vermögensposition
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schätzen, liegen Identität und Kontinuität doch im Interesse der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen24. So werden die Vertragsparteien durch die Kombination des Sukzessionsgedankens mit dem Identitätsprinzip von weiteren Verhandlungen über die Ausgestaltung der übertragenen Vermögensposition entlastet. Das dient dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs, senkt Transaktionskosten und steigert den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand.
3. Ausgestaltung und Charakter der Vermögensposition Die Sukzession wahrt die Identität der übertragenen Vermögensposition; Inhalt und Umfang des Verfügungsgegenstands bleiben im Grundsatz unberührt25. Der Nachfolger erwirbt die Vermögensposition so, wie sie in der Hand des Veräußerers bestand, und zwar auch im Hinblick auf deren Natur und Charakteristika26. Tritt der Zedent beispielsweise einen Erfüllungsanspruch ab, erwirbt der Zessionar ebenfalls einen Erfüllungsanspruch27. Befindet sich die Entstehung einer Forderung oder Schuld in der Schwebe, tritt der Nachfolger jeweils in den Schwebezustand ein28. Auch bedingte, befristete und betagte Vermögenspositionen erstarken aufgrund der Rechtsübertragung nicht zum Vollrecht29. Unverändert bleiben im Prinzip auch der Leistungs- und Erfüllungsort. Das gilt für Forderungsabtretung30 und Schuldübernahme31. Was dieser Aspekt speziell für die Schuldübernahme bedeutet, brachte Franz Philipp von Kübel in seiner Begründung zum schuldrechtlichen Vorentwurf wie folgt zum Ausdruck32: „Nach dem Begriff und Wesen der Schuldübertragung tritt (…) der neue Schuldner lediglich an die Stelle des bisherigen Schuldners als dessen Singularnachfolger in das bestehende Schuldverhältniß ein, es wird dieses durch die Uebertragung der Schuld nicht 24
Siehe noch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 56: „mobilitätsfördernd“. Vgl. BGH NJW-RR 2004, 1130, 1131; v. Tuhr, AT I, S. 219 f.; Leonhard, Schuldrecht I, S. 660 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 140 I; Dörner, Relativität, S. 119; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 I; kritisch zur Ableitung von Rechtsfolgen aus dem Identitätsprinzip v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 13 ff., 17 ff.; Bangha-Szabo, Unübertragbarkeit, S. 198 f. 26 Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 II 1. 27 Haertlein, JuS 2007, 1073. 28 Zur Vertragsübernahme vgl. BGHZ 129, 371, 375 f.; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 7 m. Fn. 20; für die Schuldübernahme ebenso Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 82. 29 Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 140 I. 30 Weiterführend Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 II 1; Dörner, Relativität, S. 261 ff.; Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 70 f. 31 Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 6; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 83; vgl. noch OLG Schleswig NJW 1952, 1018, 1019; a.A. Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 II: die Örtlichkeiten bestimmen sich nicht länger nach dem Altschuldner, sondern nach dem Übernehmer. 32 Besonders klar v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 997. 25
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§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
weiter alterirt, als dies der Wechsel in der Person des Schuldners mit sich bringt, und geht daher die Schuld auf den Uebernehmer über, wie sie bei dem bisherigen Schuldner bestand.“
Aus dem Identitätsprinzip folgt weiter, dass der Erwerber – abgesehen von den Fällen des redlichen (lastenfreien) Erwerbs33 – keine bessere Rechtsstellung erlangt als sie der Veräußerer innehatte34. Vor allem Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe schlagen auf die rechtliche Position des Nachfolgers durch35. Die Abtretung einer nicht existierenden Forderung geht folglich ins Leere. Dem Schuldner gegenüber dem Zedenten zustehende Einwendungen kann er gem. § 404 BGB auch dem Zessionar entgegenhalten36. Ebenso kann der Schuldübernehmer dem Gläubiger gem. § 417 Abs. 1 S. 1 BGB die Einwendungen entgegensetzen, die aus dem Verhältnis des Gläubigers zum Altschuldner resultieren37. Schließlich bedingt der Sukzessionscharakter der Vertragsübernahme eine identitätswahrende Übertragung der Vertragsstellung auf den Erwerber; §§ 404 und 417 Abs. 1 S. 1 BGB finden kumulative Anwendung, so dass grundsätzlich alle Einwendungen aus dem bisherigen Vertragsverhältnis sowohl der verbleibenden Vertragspartei als auch dem Übernehmer erhalten bleiben38. Umgekehrt erwirbt der Zessionar nach § 401 BGB (analog) die mit der Forderung verbundenen Sicherungs-, Vorzugs- und sonstigen Nebenrechte. Es gilt das aus dem Identitätsprinzip abgeleitete Akzessorietätsprinzip39. Seine Wirkungen beschränken sich indes nicht auf das Zessionsrecht. Das Akzessorietätsprinzip gilt grundsätzlich auch für die privative Schuldübernahme. Zum Schutz der Interessen des Sicherungsgebers hängt seine Geltung allerdings von der Zustimmung des Sicherungsgebers ab (§ 418 Abs. 1 BGB). Und schließlich finden die nämlichen Grundsätze analog §§ 401, 418 BGB auch Anwendung auf die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme.
II. Vereinigungstatbestände: Konfusion und Konsolidation Das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip entfaltet seine Wirkungen auch dann, wenn die Sukzession zu einer Vereinigung gegenläufiger Vermögenspositionen führt, die infolge der Vereinigung erlöschen. Solche Vereinigungstatbestände begegnen uns sowohl auf obligatorischer als auch auf dinglicher Ebene. 33
Siehe unten § 15 II. 2. Vgl. Regelsberger, Pandekten I, § 119 III; v. Tuhr, AT II/1, S. 50; Hübner, BGB AT, Rn. 387. 35 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 2, S. 128 f. 36 Dazu ausf. unten § 15 III. 1. 37 Dazu ausf. unten § 15 IV. 2. 38 Vgl. vorerst nur Dörner, Relativität, S. 238 f.; Pieper, Vertragsübernahme, S. 213; ausf. zur Identität des übernommenen Vertrages Klimke, Vertragsübernahme, S. 7 ff.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 34 ff., 59 ff.; kritisch Bangha-Szabo, Unübertragbarkeit, S. 204. – Dazu ausf. unten § 15 V. 1. 39 Siehe unten § 14. 34
II. Vereinigungstatbestände: Konfusion und Konsolidation
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Treffen Gläubiger- und Schuldnerstellung im Rahmen eines Schuldverhältnisses in ein und derselben Person zusammen, spricht man von einer Konfusion, die regelmäßig zum Fortfall der vereinigten Vermögenspositionen führt. Vereinigt sich auf dinglicher Ebene das Stammrecht (Eigentum, Forderungsrecht) mit einer hieraus abgespaltenen Belastung (beschränktes dingliches oder obligatorisches Recht), spricht man von eine Konsolidation, die zwar im Mobiliarsachenrecht, nicht aber im Liegenschaftsrecht regelmäßig zum Erlöschen des konsolidierten Rechts führt. Ungeachtet ihrer abweichenden Rechtswirkungen beruhen Konfusion und Konsolidation auf einem einheitlichen rechtsdogmatischen Fundament, das im Folgenden frei gelegt werden soll. Zuvor lohnt ein Blick auf die historischen Grundlagen:
1. Rechtshistorische Grundlagen Nach dem römischrechtlichen Institut der confusio hatten die Vereinigungen von Gläubiger- und Schuldnerstellung sowie von Stammrecht und Belastung das Erlöschen der konfudierten Forderung und des konsolidierten Rechts zur Folge40. Es galt – ebenso wie später im gemeinen Recht41 – der Grundsatz: nulli res sua servit. Danach ist niemand in der Lage, die eigene Sache, vor allem nicht das eigene Grundstück, mit einem eigenen Recht zu belasten. Allerdings haben weder das römische Recht noch die Partikularrechte des 19. Jahrhunderts den Grundsatz ausnahmslos durchhalten können. Die Römer anerkannten beispielsweise eine Reihe von Ansprüchen, die dem Eigentümer aus dem Pfandrecht an einer eigenen Sache zustanden42. Die partikularrechtlichen Hypothekenrechte betrachteten eine Hypothek mehrheitlich auch dann als fortbestehend, wenn sie sich mit dem Eigentum des von ihr belasteten Grundstücks vereinigte43. Die Väter des BGB griffen diesen Rechtsgedanken auf und verschafften ihm – namentlich unter Hinweis auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung der Eigentümergrundpfandrechte (vgl. § 1196 BGB) – im Immobiliarsachenrecht allgemeine Geltung: mit der Folge, dass konsolidierte Grundstücksrechte gem. § 889 BGB nicht erlöschen. Zu einer vergleichbaren Regelung für die Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung konnte sich der historische Gesetzgeber nicht entschließen. Überhaupt sah man im Ergebnis von einer ausdrücklichen Regelung der Rechtsfrage ab, weil die 2. BGB-Kommission nach kritischen Bemerkungen aus 40 Zusf. Kaser/Knütel, Recht, § 28 Rn. 19, § 53 Rn. 32; ausf. Kieß, confusio, S. 13 ff., 36 ff., 60 ff., 176 ff. und passim; Mosler, Konfusion, S. 15 ff., 32 ff. und passim; Wesenberg, Symbolae Taubenschlag, S. 553 ff.; dort S. 570 ff. auch zur Rezeptionsgeschichte. 41 Windscheid, Pandektenrecht I, § 215, 3, § 222, § 223, 248, 4. 42 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 201; Kieß, confusio, S. 57 ff.; zur Diskussion beim Nießbrauch ebenda, S. 15 ff.; zur Dienstbarkeit ebenda, S. 37 ff. 43 Zur partikularrechtlichen Lage ausf. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 201 f.; vgl. ferner Wolff/ Raiser, Sachenrecht, § 143 III; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 2.
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§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
dem zeitgenössischen Schrifttum44 der Meinung war, dass sich die von der 1. Kommission entworfene Vorschrift „aus dem Wesen der Obligation (…) von selbst ergiebt und überdies aus den Ausnahmen, welche der Entw(urf) enthält, sich unschwer ableiten läßt“45. Die in Bezug genommene Bestimmung in § 291 des 1. BGB-Entwurfs lautete: „Das Schuldverhältniß erlischt, wenn Forderung und Verbindlichkeit in derselben Person sich vereinigen.“
Mit dieser Vorschrift machte sich die 1. BGB-Kommission unter Hinweis auf partikularrechtliche Vorschriften und die herrschende Doktrin des gemeinen Rechts das Dogma zu eigen, dass niemand sein eigener Schuldner sein könne46. Die Entwurfsverfasser beabsichtigten, das Rechtsinstitut der Konfusion als eigenständigen Erlöschenstatbestand zu regeln, der, ohne Erfüllungswirkung iSd. § 362 BGB eintreten zu lassen, zum Fortfall der vereinigten Vermögenspositionen führen sollte. Auch wenn die 2. Kommission sich weigerte, die Vorschrift in geschriebenes Recht zu überführen, bestanden an der Richtigkeit des noch im 1. Entwurf enthaltenen Grundsatzes keinerlei Zweifel.
2. Konfusion Vor diesem Hintergrund ist man sich auch heute ganz überwiegend darüber einig, dass die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Hand regelmäßig zum Erlöschen des Forderungsrechts führt47. Allerdings kennt das Gesetz von diesem Grundsatz zahlreiche Ausnahmen, die erbrechtlichen (vgl. §§ 1976 ff., 1991 Abs. 2, 2143, 2175, 2377 BGB) und sachenrechtlichen (vgl. §§ 1164, 1173 BGB) Besonderheiten Rechnung tragen. Hinzu kommt noch eine Reihe umstrittener Ausnahmen, die ebenfalls zum Fortbestand der konfudierten Forderung führen, wie beispielsweise wenn eine Vertragspartei oder ein Dritter einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb der Forderung oder ein sonstiges Erwerbsinteresse hat48. Ferner wird darüber gestritten, ob ein vormerkungsgesicherter Auflassungsanspruch durch Vereinigung von Forderung und Verbind44
Dazu ausf. Schwedler, Erlöschen, S. 72 ff. m.w.Nachw. Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 376. 46 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 116 mit Nachw. auf S. 117 Fn. 1. 47 Statt vieler RGZ 147, 233, 243; BGHZ 48, 214, 218; BGH NJW 1981, 447, 448; 1982, 2381, 2382; 1995, 2287, 2288; BGH NJW-RR 2009, 1059 Tz. 19; BFH NJW-RR 2006, 1232, 1233; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 684, 685; LG Bonn NJW-RR 2010, 88; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 362 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 18; Fetzer, in: MünchKommBGB, Vor § 362 Rn. 4; Weber, in: RGRK, BGB, Vor § 362 Rn. 10; a.A. aber jetzt Wacke, FS Medicus II, S. 543 ff., 583. 48 Siehe die unterschiedlichen Ansätze bei BGH VersR 1953, 469, 470; Fetzer, in: MünchKommBGB, Vor § 362 Rn. 4; Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 30; Dörstling, NJW 1954, 1429 ff. 45
II. Vereinigungstatbestände: Konfusion und Konsolidation
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lichkeit erlischt49. Bevor wir uns der Dogmatik der Konfusion zuwenden können und die Streitfragen behandeln, ist zunächst einmal die Frage zu klären, wie die regelmäßige Erlöschenswirkung der Konfusion mit den Grundaussagen des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips in Einklang zu bringen ist: a) Geltung des Identitätsdogmas Für die Konsolidation prägte Andreas von Tuhr den Satz: „Geht das Tochterrecht durch Sukzession unter, so liegt zwar der Tatbestand, aber nicht die Rechtswirkung einer Sukzession vor“50. Damit suggeriert v. Tuhr, dass es bei der Vereinigung des Stammrechts mit dem beschränkten Recht von vornherein zu keinem identitätswahrenden Übergang des Sukzessionsgegenstands kommt. In die gleiche Richtung weist die Bemerkung Knut Wolfgang Nörrs, „der Satz, daß die Abtretung der Forderung deren Zustand nicht verändere, (stelle) kein blindes Dogma dar“51. Auch wenn man der letzten Aussage schwerlich wird widersprechen können, darf die Erlöschenswirkung der Konfusion nicht als Durchbrechung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips missverstanden werden. Richtigerweise behält das Identitätsprinzip auch in den Fällen der Konfusion und Konsolidation unverminderte Gültigkeit. Die rechtsvernichtenden Wirkungen der Vereinigungstatbestände können überhaupt nur deshalb eintreten, weil – zumindest eine logische Sekunde zuvor52 – der identitätswahrende Übergang der Vermögensposition erfolgt war. Ohne identitätswahrende Sukzession wäre es in der Person des Erwerbers nicht zur Vereinigung der gegenläufigen Positionen gekommen. Denn sind Forderung und Schuld nicht exakt deckungsgleich, kommt auch ein Fortfall des Leistungsanspruchs nicht in Betracht. Nur bei vollständiger Kongruenz von Gläubiger- und Schuldnerstellung erlischt die Forderung. Die Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips erweist sich vor diesem Hintergrund als unverzichtbare Prämisse für die Erlöschenswirkungen von Konfusion und Konsolidation. b) Grundsatz: Erlöschen der Forderung Die rechtsdogmatische Begründung für das Erlöschen der konfudierten Forderung sieht die herkömmliche Auffassung, die sich dogmengeschichtlich bis ins klassische römische Recht zurückverfolgen lässt53, in der Natur der Forderung 49 Dafür BGH NJW 1981, 447, 448; Weber, in: RGRK, BGB, Vor § 362 Rn. 10; Ebel, NJW 1982, 724 ff., 728; dagegen OLG Schleswig NJW-RR 1999, 1528, 1529; Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 31; Gernhuber, Erfüllung, § 19, 6b; Medicus/Petersen, Recht, Rn. 554a; Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 307 f.; Wacke, NJW 1981, 1577 ff.; vgl. noch Servatius, JuS 2006, 1060 ff. 50 v. Tuhr, AT II/1, S. 82. 51 Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 II 3. 52 So Gernhuber, Erfüllung, § 19, 3a.
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§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
begründet. Als Schuldverhältnis (im engeren Sinne) setze die Forderung nämlich die Personenverschiedenheit von Gläubiger und Schuldner voraus; der Gläubiger könne nicht sein eigener Schuldner sein54. Dieser Lehrsatz wird indes durch die eingangs erwähnten Ausnahmevorschriften ernstlich in Zweifel gezogen. Auch wenn die Vorschriften typischerweise anordnen, dass die vereinigten Vermögenspositionen „als nicht erloschen“ gelten, was auf eine gesetzliche Fiktion hindeutet55, ist schwerlich an dem Dogma obligatorischer Personenverschiedenheit festzuhalten. Denn im Ergebnis führen die Ausnahmetatbestände in jedem Fall zu einem Nebeneinander von Forderung und Schuld in einer Person. Das befindet sich auch im Einklang mit der modernen Dogmatik, die das gleichzeitige Bestehen von Leistungsanspruch und Schuld in einer Hand nicht länger als rechtsdogmatisch ausgeschlossen betrachtet56. Der tiefere Grund für das grundsätzliche Erlöschen der konfudierten Forderung muss demnach ein anderer sein57. Nach zutreffender Auffassung ist der Erlöschensgrund darin zu erblicken, dass es infolge der personellen Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung typischerweise an einem schutzwürdigen Interesse für die Aufrechterhaltung der Forderung fehlt58. Bei der auch in diesem Zusammenhang gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung macht es schlicht keinen Sinn den Leistungsanspruch, der von seinem Inhaber durch Leistungserbringung an sich selbst (!) erfüllt werden müsste, fortbestehen zu lassen. Der Rechtsinhaber hat typischerweise kein Interesse daran, die Forderung gegen sich selbst durchzuset53
Dazu näher Kieß, confusio, S. 60, 193. Vgl. BGHZ 48, 214, 218; 115, 116, 122; BGH NJW 1982, 2381, 2382; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Vor § 362 Rn. 3; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 76; Leonhard, Schuldrecht I, S. 641; Knöchlein, Recht, S. 22; Ludwig, DNotZ 1987, 403, 418 f.; Mosler, Konfusion, S. 4. 55 Siehe nur Küpper, in: MünchKommBGB, § 1976 Rn. 4, § 1991 Rn. 5; Marotzke, in: Staudinger, BGB, § 1976 Rn. 4; Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 306. 56 So auch BGH NJW 1995, 2287, 2288; Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 28; Gernhuber, Erfüllung, § 19, 3b; Larenz, Schuldrecht I, § 19 I b mit Fn. 10; Bosak, JA 2009, 596, 597; Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 309 ff.; Wacke, NJW 1981, 1577, 1579; ders., DNotZ 2001, 302, 315 f.; ders., FS Medicus II, S. 543, 556 ff. 57 Als solcher wird im Schrifttum zuweilen die Zweckerreichung angeführt; so Oertmann, BGB, Vor § 362 Anm. 2c; Klein, Zweckerreichung, S. 117 f., 149; Wacke, NJW 1981, 1577, 1579; nahe stehend Wimmer, FS Mayer-Maly, S. 889 ff.; vgl. auch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 76 Fn. 1. In diesem Zusammenhang bleibt indes unklar, welcher Zweck mit der Vereinigung von Anspruch und Schuld erreicht sein soll; kritisch auch Gernhuber, Erfüllung, § 19, 3a; Bosak, JA 2009, 596, 597; Wacke, FS Medicus II, S. 543, 562; vgl. noch Kieß, confusio, S. 194. Siehe ferner noch den – ebenfalls abzulehnenden – Ansatz der Initialrückziehung, gewürdigt bei Wacke, FS Medicus II, S. 543, 560 f. 58 Im Wesentlichen gleichsinnig Heck, Schuldrecht, § 64: „so verliert das Gebot (scil.: der Leistung) seinen Sinn“; Gernhuber, Erfüllung, § 19, 3a: „Sinnverlust als Erlöschensgrund bedarf keiner weiteren Erklärung, solange die Rechtsordnung als sinnhaftes Gefüge von Rechtssätzen verstanden wird(; Konfusion) ist ein Erlöschensgrund, dem Evidenz eigen ist“; Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 28: „kein rechtliches Bedürfnis für den Fortbestand der Forderung“ (Hervorhebung im Original weggelassen); ebenso Larenz, Schuldrecht I, § 19 I b; Bosak, JA 2009, 596, 597; Kohler, JZ 1983, 13, 17. 54
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zen. Der Fortfall der konfudierten Forderung ist folglich ein Gebot der Zweckmäßigkeit. Abzulehnen ist daher auch der jüngste Versuch, die Erlöschenswirkung der Konfusion grundsätzlich in Zweifel zu ziehen und es stattdessen bei einem Wegfall der Klagbarkeit bewenden zu lassen. Zudem soll der Gläubiger-Schuldner die Vermögensposition nur „durch Rechtsgeschäft mit sich selbst“ zum Erlöschen bringen können59. Das kann nicht überzeugen. Bereits das Erfordernis eines mit sich selbst geschlossenen Rechtsgeschäfts ist – abgesehen von seiner rechtsdogmatischen Fragwürdigkeit – eine unnötig komplizierte Konstruktion. Bestehen keine schutzwürdigen Interessen an der Aufrechterhaltung der Forderung, macht es von vornherein keinen Sinn, das Forderungsrecht fortbestehen zu lassen. Jedes weitere Erfordernis ist überflüssig. Das gilt umso mehr, als sich der historische BGB-Gesetzgeber ausdrücklich zum automatischen Erlöschen der konfudierten Forderung bekannte60. An diese – auch in der Sache überzeugende – legislatorische Richtungsentscheidung ist der moderne Rechtsanwender nach wie vor gebunden. Weder setzt sich die regelmäßige Erlöschenswirkung mit dem gegenwärtigen Stand der Dogmatik in Widerspruch, noch fügt sich der abweichende Lösungsansatz besser in das geltende Regelungssystem ein. Im Gegenteil legen die erwähnten Ausnahmetatbestände, die ausnahmsweise den Fortbestand der konfudierten Forderung anordnen, beredtes Zeugnis darüber ab, dass es im Grundsatz, wenn also die in den Sondertatbeständen normierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, beim Fortfall von Forderung und Schuld bewenden soll. c) Ausnahme: Besonderes Kontinuitätsinteresse Befreit man sich mit dem hier vertretenen Ansatz von den dogmatischen Zwängen der hergebrachten Ansicht, lässt sich aufgrund einer Interessenbetrachtung nicht nur die regelmäßige Erlöschenswirkung der Konfusion begründen; auch die gesetzlich nicht geregelten Ausnahmen lassen sich – gespiegelt an der Interessenlage der Beteiligten – überzeugend erklären. Im Grundsatz gilt: Die Forderung erlischt infolge Konfusion nur dann, wenn nicht ausnahmsweise ein besonderes Kontinuitätsinteresse der Beteiligten den Fortbestand des Leistungsanspruchs als sachgerecht erscheinen lässt61. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis in Abhängigkeit von dem im Einzelfall bestehenden Kontinuitätsinteresse entspricht nicht nur dem Konzept der lex lata, sondern ist auch de lege ferenda 59 So Wacke, FS Medicus II, S. 543 ff., 571 ff., 583 unter reichhaltiger Bezugnahme auf römischrechtliche Quellen. 60 Siehe nochmals oben § 13 II. 1. 61 Vgl. BGH NJW 1981, 447, 448; 1995, 2287, 2288; NJW-RR 2009, 1059 Tz. 20; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 362 Rn. 4; Fetzer, in: MünchKommBGB, Vor § 362 Rn. 4; Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 29 ff.; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Vor § 362 Rn. 3; Heck, Schuldrecht, § 64; Larenz, Schuldrecht I, § 19 I; Bosak, JA 2009, 596, 597; Kohler, JZ 1983, 13, 17; Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 310.
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überzeugend. Da das Erlöschen infolge Konfusion nicht auf rechtsdogmatischen Notwendigkeiten, sondern auf Zweckmäßigkeitserwägungen fußt, bilden Zweckmäßigkeitsgründe auch die zutreffende Basis für die Anerkennung von Ausnahmen. Insbesondere muss durch die ausnahmsweise Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs verhindert werden, dass ein Forderungsfortfall die Kohärenz des Rechtssystems gefährdet62. Da sich inzwischen auch die Rechtsprechung des BGH63 auf dieser Linie bewegt, besteht – entgegen anders lautender Forderungen aus dem Schrifttum64 – kein legislatorischer Handlungsbedarf. Bekennt man sich im Grundsatz zum Erfordernis des besonderen Kontinuitätsinteresses, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, wessen Interessen zur Aufrechterhaltung des Forderungsrechts geeignet sind. Typischerweise spricht die h.M. davon, dass die Forderung im Hinblick auf berechtigte Drittinteressen bestehen bleibt65. Ein solches Drittinteresse ist unstreitig anzunehmen, wenn die konfudierte Forderung verpfändet oder mit einem Nießbrauch zugunsten eines Dritten belastet ist66. Die auf Zweckmäßigkeitserwägungen basierende Erlöschenswirkung kann sich gegen die Schutzinteressen dinglich Berechtigter nicht durchsetzen. Diese Position wird weiter durch einen Blick auf die juristische Konstruktion des beschränkten (obligatorischen) Rechts gestärkt67: Durch die Bestellung von Pfandrecht oder Nießbrauch wird ein qualitativer Teil vom Stammrecht abgespalten (Abspaltungslehre) und im Wege konstitutiver Nachfolge auf den Drittberechtigten übertragen. Vereinigen sich nun das – unvollständige, weil um das an den Drittberechtigten übertragene Recht gekürzte – Forderungsrecht und die Schuldnerstellung in einer Person, scheitert der Eintritt der Erlöschenswirkung bereits an der mangelnden Kongruenz der beiden Vermögenspositionen. Das abgespaltene, auf den Drittberechtigten übertragene Teilrecht muss fortbestehen, weil es sich gerade nicht in der Hand des Gläubiger-Schuldners befindet. Dessen ungeachtet kann der Drittberechtigte noch darauf verweisen, dass seine Rechtsstellung infolge der Rechtsübertragung nicht verschlechtert werden darf68. Das durch das Sukzessionsschutzprinzip implizierte Verschlechterungsverbot muss für den dinglich Berechtigten auch dann gelten, wenn die Nachfolge zu einer Vereinigung von Forderung und Schuld führt. 62
Ähnlich Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 29. Siehe die Nachw. in Fn. 61. 64 Bosak, JA 2009, 596, 598 fordert eine Kodifikation der anerkannten Grundsätze; die Vorteile der bestehenden Rechtslage hervorhebend Wacke, FS Medicus II, S. 543, 563 f. 65 Vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 1059 Tz. 20; BGH NJW 1995, 2287, 2288; Fetzer, in: MünchKommBGB, Vor § 362 Rn. 4; richtig dagegen OLG Schleswig NJW-RR 1999, 1528, 1529 f.; zum Problem auch Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 307. 66 Vgl. Dennhardt, in: Bamberger/Roth, BGB, § 362 Rn. 7; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 362 Rn. 4; Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 29; Weber, in: RGRK, BGB, Vor § 362 Rn. 10; Fetzer, in: MünchKommBGB, Vor § 362 Rn. 4; Gernhuber, Erfüllung, § 19, 6c; Heck, Schuldrecht, § 64, 3a. 67 Siehe oben § 2 III. 2. b). 68 Zum Prinzip des Sukzessionsschutzes siehe unten § 15. 63
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Während man sich weitgehend darüber einig ist, dass berechtigte Drittinteressen in diesem Zusammenhang Schutz verdienen, ist die rechtsdogmatische Konstruktion der Schutzgewährleistung nicht abschließend geklärt. Verbreitet wird im Schrifttum noch immer die Auffassung vertreten, der Fortbestand des Leistungsanspruchs werde ausschließlich im Interesse des dinglich Berechtigten fingiert69. Zwar kann diese Position auf die Fiktionslösung der gesetzlichen Ausnahmevorschriften verweisen70. In der Sache handelt es sich indes um einen Anachronismus aus der überkommenen Tradition des gemeinen Rechts71. Heute hat man sich von der begriffslogischen Anschauung gelöst und muss sich folglich nicht länger mit der Fiktion als einer „Krücke im Denken“ behelfen, die allzu oft nur Ausdruck „unzulänglicher Bewältigung eines Rechtsgedankens“ ist72. Erkennt man nämlich den tieferen Grund für die Erlöschenswirkung in Zweckmäßigkeitserwägungen, so lässt sich der Schutz berechtigter Drittinteressen zwanglos durch die Aufrechterhaltung der ursprünglichen Forderung bewerkstelligen, ohne auf die in rechtsmethodischer Hinsicht ungeliebte Figur der Rechtsfiktion zurückzugreifen, die stets im Verdacht steht, die der Rechtsauffassung zugrundeliegenden Sachargumente zu verdecken und sie durch eine Scheinbegründung zu ersetzen73. Nach zutreffender Auffassung besteht also die Forderung in der Person des Gläubiger-Schuldners fort und bildet einen tauglichen Anknüpfungspunkt für beschränkte Rechte, auf den sich jedermann berufen kann. Richtigerweise kann aber nicht nur ein Dritter, sondern auch der Rechtsinhaber selbst ein (Eigen-)Interesse am Fortbestand der konfudierten Forderung haben. Das gilt anerkanntermaßen für den Fall, dass dem Rechtsinhaber durch den Fortfall des Forderungsrechts die Möglichkeit genommen würde, mit befreiender Wirkung an den Altgläubiger zu leisten74. Neben dem Befreiungsinteresse kann auch ein Sicherungsinteresse die Aufrechterhaltung des Forderungsrechts notwendig machen. Typisches Beispiel ist die Sicherungszession an den Schuldner der sichernden Forderung, wie etwa die Sicherungsabtretung der aus einer Lebensversicherung resultierenden Rechte an den Versicherer75. Darüber hinaus kann sich das besondere Kontinuitätsinteresse auf der Grundlage des hiesigen Ansatzes auch aus dem schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb der Forde-
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So etwa Zeiss, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., Vor § 362 Rn. 2: „Dem Nießbraucher und Pfandgläubiger stehen ihre Befugnisse zu, als wenn die Forderung noch bestände“; ebenso Enneccerus/ Lehmann, Schuldrecht, § 76, 3. 70 Siehe oben § 13 II. 2. b). 71 Siehe namentlich die Zitate bei Zeiss, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., Vor § 362 Rn. 2. 72 Zitate: v. Jhering, Geist III/1, S. 288; weiterführend und instruktiv zur Bedeutung der Rechtsfiktionen Esser, Wert, S. 15 ff. und passim. 73 Vgl. nur Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 85; ausf. Esser, Wert, S. 199 ff. und passim. 74 So im Ergebnis zutreffend BGH NJW-RR 2009, 1059 Tz. 21 ff. 75 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1406, 1407; Gernhuber, Erfüllung, § 19, 6c; Kollhosser/ Jansen, JA 1988, 305, 307; mit abweichender Begründung im Ergebnis auch Dörstling, NJW 1954, 1429 ff.; vgl. noch BGH VersR 1953, 469.
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rung oder einem anderweitigen Erwerbsinteresse ergeben76. Dieser Befund wird durch § 2175 BGB gestützt, dem insofern ein verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke innewohnt77. Nichts anderes gilt für den viel diskutierten Fall der Konfusion des vormerkungsgesicherten Auflassungsanspruchs. Aufgrund des berechtigten Erlangungsinteresses des Erwerbers führt die Vereinigung des Auflassungsanspruchs mit der Auflassungsschuld – entgegen der Auffassung des BGH78 – nicht zum Erlöschen der Vermögenspositionen79. Ein Wegfall des vormerkungsgesicherten Auflassungsanspruchs läuft ersichtlich dem mit der Vormerkung verfolgten Sicherungszweck zuwider. Nur wenn der Vormerkungsberechtigte nicht mehr befürchten muss, dass Dritte noch Ansprüche auf das Grundstück anmelden, sind seine schutzwerten Interessen hinreichend gewahrt. Stehen hingegen noch Zwischenverfügungen im Raum, die den vorgemerkten Anspruch beeinträchtigen könnten, muss es bei der durch die Vormerkung vermittelten Sicherungswirkung bleiben. Andernfalls könnte die durch die Vormerkung bezweckte Vorverlegung des Erwerbsschutzes nicht bewerkstelligt werden; der Rechtserwerb hinge von der Zufälligkeit ab, in welchem Zeitpunkt es zur Konfusion kommt80.
3. Konsolidation Der für die (schuldrechtliche) Konfusion entwickelte Erklärungsansatz für Wegfall und Aufrechterhaltung der konfudierten Forderung lässt sich in leicht modifizierter Form auf die (sachenrechtliche) Konsolidation übertragen. Die Konsolidation bezeichnet den Fall, dass sich ein beschränktes (dingliches) Recht mit dem Vollrecht des belasteten Gegenstands vereinigt. Das Schicksal des konsolidierten Sachenrechts hängt im Grundsatz wiederum davon ab, ob ein besonderes Kontinuitätsinteresse für seinen Fortbestand streitet. Allerdings hält das positive Recht für verschiedene Fallgestaltungen bereits differenzierte Antworten auf diese Frage bereit: Während für das Immobiliarsachenrecht gem. § 889 BGB das unterschiedslose Bestehen eines solchen besonderen Kontinuitätsinteresses quasi kraft Gesetzes angeordnet ist, bestehen konsolidierte Rechte an beweglichen Sachen nur fort, wenn ein berechtigtes Kontinuitätsinteresse im konkreten Einzelfall tatsächlich vorliegt. Das ist durchaus bemer76 Wie hier Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 30; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Vor § 362 Rn. 3; Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 307, 310; Gernhuber, Erfüllung, § 19, 6c; vgl. auch Heck, Schuldrecht, § 64, 5. 77 Zum letzten Punkt Gernhuber, Erfüllung, § 19, 6c; Kollhosser/Jansen, JA 1988, 305, 307; Heck, Schuldrecht, § 64, 5; zur Dogmengeschichte siehe Wimmer, FS Mayer-Maly, S. 889, 893 ff. 78 BGH NJW 1981, 447, 448; siehe weiter Nachweise in Fn. 49. 79 Siehe die Nachw. oben in Fn. 49 sowie Dinstühler, MittRhNotK 2000, 427, 429. 80 Wacke, NJW 1981, 1577, 1578; vgl. noch Olzen, in: Staudinger, BGB, Vor § 362 Rn. 31.
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kenswert, zeichnen sich doch beispielsweise das englische und französische Recht durch einheitliche Regelungen aus81. Der tiefere Grund für die unterschiedliche Regelung ist in den Besonderheiten des deutschen Grundstücksrechts zu erblicken: a) Immobiliarsachenrecht: Fortbestand konsolidierter Rechte Im deutschen Immobiliarsachenrecht führt die Vereinigung des beschränkten Rechts mit dem Grundstückseigentum gem. § 889 BGB nicht zum Erlöschen des Grundstücksrechts. Vielmehr besteht das konsolidierte Recht unverändert fort. Der historische BGB-Gesetzgeber knüpfte mit dieser Regelung maßgeblich an die Partikularrechte des 19. Jahrhunderts an, die dem römischrechtlichen Grundsatz nulli res sua servit namentlich für Grundpfandrechte mehrheitlich die Gefolgschaft verweigerten82. Der Gesetzgeber bekannte sich nachdrücklich zum Institut des Eigentümergrundpfandrechts gem. §§ 1177, 1196 BGB, „um einerseits das berechtigte Interesse des Realkredits in großen Gebieten des Reiches zu wahren und zu fördern, andererseits zu verhindern, daß den nachstehenden Berechtigten ein durchaus unberechtigter Vortheil aus der Vereinigung eines vorstehenden Rechtes mit dem Eigenthume erwachse“83.
Darüber hinaus müsse der Untergang des konsolidierten Liegenschaftsrechts ausscheiden, wenn es mit dem Recht eines Dritten belastet sei und daher unbestreitbar ein berechtigtes Interesse an seiner Aufrechthaltung bestehe84. Im Hinblick auf Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie den öffentlichen Glauben des Grundbuchs entschied sich der historische Gesetzgeber dafür, das den legislatorischen Überlegungen zugrunde liegende besondere Kontinuitätsinteresse nicht zu einer notwendigen Voraussetzung für den Fortbestand des konsolidierten Sachenrechts zu erheben, sondern das konsolidierte Recht grundsätzlich85 fortbestehen zu lassen. Die legislatorische Richtungsentscheidung zugunsten des Fortbestands konsolidierter Grundstücksrechte erweist sich auch heute noch als zutreffend86: Zum einen sichert die Aufrechterhaltung der Vermögensposition dem Inhaber-
81 Rechtsvergleichend zu England, Frankreich und den Niederlanden: Akkermans, ERPL 2010, 259, 272 ff. 82 Siehe nochmals oben § 13 II. 1. 83 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 203. 84 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 202 f. 85 Eine Ausnahme enthält etwa § 1178 BGB. Die Vorschrift gilt über zahlreiche Verweisungen auch für die Rückstandsgrund- und Rückstandsrentenschuld sowie weitere Rückstände anderweitiger Leistungen; siehe die Aufzählung bei Kohler, in: MünchKommBGB, § 889 Rn. 3 a.E. 86 Siehe noch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 3; Kohler, in: MünchKommBGB, § 889 Rn. 1; Heck, Sachenrecht, § 25, 4; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 30 VII; Akkermans, ERPL 2010, 259, 275; Bosak, JA 2009, 596, 599; Knöchlein, Recht, S. 173.
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Eigentümer das Ranginteresse87. Zum anderen erweitert diese Lösung den wirtschaftlichen Gestaltungsspielraum des Grundeigentümers. Er kann durch den Erwerb eines Eigenrechts nämlich über das Grundeigentum verfügen, sich hierbei aber die Übertragung des beschränkten Rechts vorbehalten, oder über beschränkte Rechte verfügen, aber selbst Eigentümer bleiben. Die gesetzliche Lösung dient folglich dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Grundstücksverkehrs. Gleiches gilt für den Fall, dass der Eigentümer das konsolidierte Recht weiterveräußern möchte. In diesem Zusammenhang profitiert der Eigentümer von der Rangstelle des auf ihn übergegangenen Grundpfandrechts; er kann es bei einem höheren Rang typischerweise unter besseren Konditionen zur Sicherung einsetzen. Außerdem erspart er Transaktionskosten, die mit der Neueintragung des Rechts in jedem Fall einhergingen. Überhaupt erweist sich der Fortbestand des konsolidierten Rechts aus ökonomischer Perspektive als sinnvoll, weil die Kontinuität (und Identität) des Verfügungsgegenstands gegenüber der Neubegründung signifikante Kostenvorteile aufweist. In rechtsdogmatischer Hinsicht herrscht heute88 Einigkeit darüber, dass der Eigentümer in jeder Hinsicht – wie ein Dritterwerber – das beschränkte Sachenrecht als selbstständiges Recht am eigenen Grundstück erlangt; insbesondere wird sein Fortbestand nicht etwa nur fingiert89, wie es die frühere Doktrin annahm, die den Fortbestand als „begrifflich unmöglich“ betrachtete90. Ebenso wie die konfudierte Forderung in Ausnahmefällen91 besteht auch das beschränkte Recht in materieller Hinsicht unter Aufrechterhaltung seiner Identität und Kontinuität fort. Gerade die rangwahrende Funktion von Eigenrechten lässt sich auf Grundlage des materiellrechtlichen Lösungsansatzes ohne dogmatische Brüche erklären, zumal die rangsichernde Wirkung ausschließlich aus dem fortbestehenden beschränkten Recht resultieren kann. Gegen die hier vertretene materielle Sichtweise kann auch nicht eingewendet werden, dass neben dem konsolidierten Recht außerdem das Eigentumsrecht besteht, aus dem der Inhaber umfassende Herrschaftsbefugnisse ableiten kann, ohne ergänzend auf das beschränkte Recht zurückgreifen zu müssen. Denn eine bestimmte Herrschaftsbefugnis kann sich gleichermaßen aus zwei voneinander unabhängigen 87 Der gesetzliche Löschungsanspruch gem. § 1179a BGB bedeutet eine nicht gering zu schätzende Beschränkung der rangsichernden Wirkung des § 1177 BGB. 88 Die Motive zum BGB, S. 205 haben die Frage ausdrücklich der Wissenschaft überlassen. Zum historischen Meinungsstand siehe Dümchen, JhJ 54 (1909), 355, 462 ff.; Hartmann, JhJ 17 (1879), 69, 100 ff.; Oberneck, Gruchot 47 (1903), 306, 312 ff.; aus moderner Perspektive siehe Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1177 Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 8; Knöchlein, Recht, S. 70 f. 89 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 8; Kohler, in: MünchKommBGB, § 889 Rn. 4; Rosenberg, Sachenrecht, § 889 Anm. II 3; vgl. zu Eigentümergrundpfandrechten Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1177 Rn. 3; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1177 Rn. 5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 36 Rn. 124; Eichler, Institutionen II, S. 459; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 147 I 3. 90 Zum Problem ausf. Esser, Wert, S. 146 ff., 152. 91 Siehe oben § 13 II. 2. c).
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Rechtsgründen ergeben. Das folgt nicht zuletzt aus der inzwischen überwiegend anerkannten Lehre von der Doppelwirkung im Recht92. Inhaltlich entspricht das konsolidierte Recht derjenigen Berechtigung, die ein Dritterwerber innehaben würde. Inhalt und Umfang richten sich nach dem ursprünglichen Rechtsgehalt93. Gegen Beeinträchtigungen von Dienstbarkeiten etwa kann sich der Berechtigte mit den allgemeinen Befugnissen zur Wehr setzen (vgl. §§ 1027, 1065, 1090 Abs. 2 BGB). Wird die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung in das Grundstück betrieben, kann er seine Rechte wie jeder andere Berechtigte geltend machen94. Im Übrigen kann er das beschränkte Recht nach Maßgabe der §§ 875, 876 BGB aufheben oder an eine andere Person veräußern. Überträgt er hingegen das Eigentumsrecht, geht das beschränkte Recht nicht automatisch auf den Erwerber über, sondern verbleibt beim Veräußerer, es sei denn, es wird aufgrund einer zusätzlichen Vereinbarung gemeinsam mit dem (unvollständigen) Stammrecht auf den Erwerber übertragen95. Auch insofern gilt also das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip mit allen seinen materiellrechtlichen Implikationen. Besonderheiten gelten für die Hypothek, die sich, soweit dem Eigentümer die hypothekarisch gesicherte Forderung nicht zusteht, beim Übergang vom Fremd- zum Eigenrecht gem. § 1177 Abs. 1 S. 1 BGB in eine Eigentümergrundschuld umwandelt. Die Wandlung beruht auf der akzessorischen Rechtsnatur der Forderung; ohne eine zu sichernde Hauptforderung kann die Hypothek nicht bestehen (vgl. § 1153 BGB)96. Die Überleitung zeitigt gem. § 1177 Abs. 1 S. 2 indes kaum Auswirkungen auf Inhalt und Umfang des erworbenen Eigenrechts. Insbesondere umfasst die Eigentümergrundschuld im Grundsatz sämtliche Befugnisse, die auch ein Fremdrecht gewähren würde; namentlich kann der Rechtsinhaber aus dem Grundstück die Zahlung einer bestimmten Geldsumme verlangen97. Unberührt bleiben ferner Zinssatz, Fälligkeit, Kündigungsmodalitäten und Zahlungsort. Die in diesem Zusammenhang für die Grundschuld geltenden Sonderregelungen der §§ 1193, 1194 BGB finden keine Anwendung98. 92
Auf diese Parallele verweisen zutreffend auch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 8 a.E.; Akkermans, ERPL 2010, 259, 263, 276; Knöchlein, Recht, S. 70; allgemein zur Doppelwirkung im Recht grundlegend Kipp, FS v. Martitz, S. 211 ff.; ferner aus dem „Jubiläumsjahr“ etwa Herbert, JZ 2011, 503 ff.; Chr. Schreiber, AcP 211 (2011), 35 ff.; Würdinger, JuS 2011, 769 ff. 93 So insb. Kohler, in: MünchKommBGB, § 889 Rn. 4; gleichsinnig Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 9; v. Tuhr, AT II/1, S. 81; abweichend Heck, Sachenrecht, § 25, 5: „inhaltsärmer“. 94 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 679; Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 572; RGZ 63, 214, 216; 65, 414, 418; OLG Köln NJW 1959, 2167, 2168; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 9; Strecker, in: Planck, BGB, § 1177 Anm. 3 b ; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1177 Rn. 19; Wolff/ Raiser, Sachenrecht, § 146 I 1. 95 Ebenso Knöchlein, Recht, S. 68. 96 Dazu ausf. unten § 11 III. 1. b) bb). 97 BGHZ 64, 316, 318; OLG Köln NJW 1959, 2167, 2168; H. Westermann, NJW 1960, 1723. 98 BGHZ 71, 206, 209 f.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1177 Rn. 2; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1177 Rn. 5; Thumm, in: RGRK, BGB, § 1177 Rn. 4; Strecker, in: Planck, BGB, § 1177 Anm. 3a; Wenzel, in: Erman, BGB, § 1177 Rn. 2; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1177 Rn. 7; a.A. noch H. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., § 113 II 3.
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Auch der Rang des Eigentümerrechts99 sowie die Art des Grundpfandrechts (Brief-/Buchrecht)100 verändern sich nicht. Kurzum: Die Identität des Grundpfandrechts bleibt bestehen101. Die übrigen, aus § 1197 BGB ersichtlichen Besonderheiten der Eigentümergrundschuld bestehen darin, dass der Berechtigte zum einen nicht zu seiner Befriedigung die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben darf; zum anderen gebühren ihm Grundschuldzinsen nur, soweit das Grundstück unter Zwangsverwaltung steht. Von der Zwangsvollstreckung ist der Eigentümer ausgeschlossen, weil er sonst vermittels §§ 52, 91 ZVG nachrangige Rechte zum Erlöschen bringen könnte und er sich damit zu seinen vertraglichen Verpflichtungen in Widerspruch setzen und zugleich den Sicherungszweck des Grundpfandrechts vereiteln würde102. Die Zinsen kann der Berechtigte nur beanspruchen, wenn ihm nicht zugleich die Nutzungen, deren Äquivalent der Zinsanspruch bedeutet, an dem Grundstück zustehen103. Daher kommt der Zinsanspruch nur in Betracht, wenn ihm das Nutzungsrecht infolge Zwangsverwaltung entzogen ist. Diese – auch de lege ferenda überzeugenden – Besonderheiten führen allerdings nicht dazu, dass die fraglichen Rechte auch im materiellrechtlichen Sinne erlöschen. Vielmehr handelt es sich um Einschränkungen persönlicher Art, die vom Eigentümer selbst lediglich nicht durchgesetzt werden können104. Der BGH spricht von einer „persönliche(n) Beschränkung der (…) Rechtsstellung des Eigentümers als des Inhabers der Grundschuld“. Es handele sich um eine „personengebundene Suspendierung von Einzelbefugnissen aus dem Recht für die Zeit der Rechtsinhaberschaft des Eigentümers“ und gerade nicht um einen inhaltlichen Unterschied zwischen Eigentümer- und Fremdgrundschuld105. In der Konsequenz finden die Einschränkungen demnach keine Anwendung auf einen Drittberechtigten, namentlich den Pfandgläubiger. Er kann die Zwangsvollstreckung betreiben106 und nach zutreffender, wenngleich umstrittener Auf99 BayObLGZ 1932, 123; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1177 Rn. 5 a.E.; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1177 Rn. 8. 100 Strecker, in: Planck, BGB, § 1177 Anm. 3 b ; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1177 Rn. 8 a.E. 101 Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1177 Rn. 7; vgl. weiter BayObLG SeuffBl. 74, 135, 138; KGJ 29 A 179, 181; Hachenburg, Beiträge, S. 27. 102 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 679; Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 573, 723; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1197 Rn. 2; Konzen, in: Soergel, BGB, § 1197 Rn. 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1523; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 146 I 1. 103 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 734; Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 611; RGZ 60, 359, 361; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1197 Rn. 4; Strecker, in: Planck, BGB, § 1177 Anm. 3 b ; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 146 I 2. 104 BGHZ 64, 316, 319; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1197 Rn. 1; H. Westermann, NJW 1960, 1723. 105 BGHZ 64, 316, 319 unter Hinweis auf OLG Köln NJW 1959, 2167, 2168; OLG Frankfurt ZZP 72 (1959), 262, 264; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 147 II; H. Westermann, NJW 1960, 1723; ebenso z.B. Konzen, in: Soergel, BGB, § 1197 Rn. 1. 106 BGHZ 103, 30, 37 f.; OLG Köln NJW 1959, 2167, 2168; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1197 Rn. 2; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1197 Rn. 6; Konzen, in: Soergel, BGB, § 1197
II. Vereinigungstatbestände: Konfusion und Konsolidation
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fassung auch die Grundschuldzinsen für sich beanspruchen107. Im Übrigen fallen die Beschränkungen fort, wenn die Vereinigung in der Hand des Grundstückseigentümers endet108. Hier zeigt sich erneut, dass es sich bei den auf die Person des Grundstückseigentümers beschränkten Restriktionen um keine (echte) Einschränkung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips handelt, sondern lediglich aus der Person des Grundstückseigentümers folgende Beschränkungen. b) Mobiliarsachenrecht: Fortbestand bei Kontinuitätsinteresse Bemerkenswert ist nun, dass der historische Gesetzgeber für die Vereinigung beschränkter dinglicher Rechte mit dem Mobiliareigentum eine abweichende Lösung gewählt hat. Konsolidierte Mobiliarsachenrechte bestehen nämlich nicht ohne weiteres fort, wie dies § 889 BGB für beschränkte Grundstücksrechte anordnet. Nach der Vereinigung mit dem Sacheigentum werden Nießbrauch und Pfandrecht an beweglichen Sachen gem. §§ 1063, 1256 BGB nur unter der Bedingung aufrechterhalten, dass der Berechtigte ein „rechtliches Interesse“ am Fortbestand des konsolidierten Rechts hat. Gleiches gilt, wenn die durch ein Pfandrecht gesicherte Forderung mit dem Recht eines Dritten belastet ist. Davon abgesehen sind die nämlichen Grundsätze gem. §§ 1072, 1273 Abs. 2 S. 1 BGB auch auf die Konsolidation von Nießbrauch und Pfandrecht an Forderungen und anderen Vermögensrechten anwendbar109. Noch restriktiver hatte sich die 1. BGB-Kommission zuvor für den Nießbrauch ausgesprochen. Das konsolidierte Recht sollte auf Grundlage des 1. Entwurfs nur fortbestehen, soweit der Nießbrauch mit einem Drittrecht belastet war110. Denn der überdauernde Fortbestand des Nießbrauchs könne „niemals (…) im Interesse des Eigenthümers“ liegen111. Im Gegensatz sollte das Pfandrecht im Vereinigungsfall auch aufrechterhalten bleiben, wenn der Eigentümer selbst ein berechtigtes Interesse daran hatte112. Wenn ein älteres Pfandrecht konRn.1072; Wenzel, in: Erman, BGB, § 1197 Rn. 2; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1197 Rn. 5; Kollhosser, JA 1979, 232, 235; Stöber, Rpfleger 1958, 339, 341 f.; a.A. noch LG Darmstadt MDR 1958, 853; Strecker, in: Planck, BGB, § 1177 Anm. 3 b ; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 146 I 1. 107 Zutreffend Bayer, AcP 189 (1989), 470 ff.; ferner Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1197 Rn. 7; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1197 Rn. 14; Kollhosser, JA 1979, 232, 235; a.A. RGZ 60, 359, 361; Stöber, Rpfleger 1958, 339, 342. 108 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 889 Rn. 9; v. Tuhr, AT II/1, S. 81 f. 109 Dazu (zum Nießbrauch) Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1072 Rn. 2 ff.; (zum Pfandrecht) Damrau, in: MünchKommBGB, § 1276 Rn. 11. 110 § 1016 Abs. 1 des 1. BGB-Entwurfs lautet: „Der Nießbrauch an einer beweglichen Sache wird dadurch aufgehoben, daß das Eigenthum an derselben und der Nießbrauch in derselben Person sich vereinigen. Die Aufhebung tritt jedoch nicht ein, solange der Nießbrauch mit dem Rechte eines Dritten belastet ist.“ 111 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 531. 112 § 1193 daselbst lautet: „Das Pfandrecht wird dadurch aufgehoben, daß das Eigenthum an dem Pfande und die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung in derselben Person sich vereini-
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solidiere, müsse dessen Rang für den Eigentümer gewahrt und verhindert werden, dass ein jüngeres Pfandrecht in einen besseren Rang aufsteige113. Diesen Regelungsgedanken übertrug die Redaktionskommission schließlich unter Hinweis auf die allgemeine rangsichernde Wirkung von Eigenrecht auch auf den Nießbrauch114, womit die mobiliarsachenrechtlichen Konsolidationsregeln ihre heutige Gestalt gefunden hatten. Bedeutung erlangen diese Vorschriften insbesondere für das Zusammentreffen von Nießbrauch und Pfandrecht, das Zusammentreffen von gleichrangigen oder einander nachstehenden Nießbräuchen oder Pfandrechten sowie in dem Fall, dass das Stammrecht nur auf Zeit oder unter einer aufschiebenden Bedingung erworben wird115. Besondere praktische Relevanz hat die Vereinigung des Sacheigentums mit einem älteren Pfandrecht. Hier verhindert der Fortbestand des konsolidierten Rechts, dass dem Eigentümer nicht durch das Aufrücken jüngerer Pfandrechte das – nach zutreffender, wenngleich umstrittener Auffassung116 zuerkannte – Recht abgeschnitten wird, seine Forderung im Wege des Pfandverkaufs zu befriedigen117. Gleiches gilt für das berechtigte Interesse an einer Weiterübertragung der pfandrechtsgesicherten Forderung an einen Dritten118. Ein besonderes Kontinuitätsinteresse des Eigentümers ist weiterhin anzunehmen, wenn er nach der Konsolidation über das Fahrniseigentum verfügen, sich das beschränkte Recht indes vorbehalten möchte. Kann sich der Inhaber das beschränkte Recht vorbehalten, ist er nicht darauf angewiesen, nach einer vollständigen Übertagung des Stammrechts vom Erwerber in einer nachgelagerten Transaktion das beschränkte Recht zurückzuerhalten; zumal der Rückerwerb mit praktischen Schwierigkeiten behaftet sein kann, wenn etwa der Erwerber minderjährig ist oder der Rückerwerb wegen anderweitiger Gründe zweifelhaft erscheint119. Das hieraus resultierende Sicherungsinteresse ist ebenfalls als rechtliches Interesse iSd. §§ 1063, 1256 BGB anzuerkennen, auch wenn derartige Fallgestaltungen in der Praxis nicht gerade häufig vorkommen dürften.
113 gen. Die Aufhebung tritt jedoch nicht ein, solange die Forderung mit dem Rechte eines Dritten belastet ist. Auch wird die Aufhebung insoweit als nicht eingetreten angesehen, als das Fortbestehen des Pfandrechtes für den Eigenthümer ein rechtliches Interesse hat.“ 113 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 842. 114 Protokolle zum BGB, bei Mugdan, Materialien, Bd. 3, S. 764. 115 Zu diesen Gestaltungen Brodmann, in: Planck, BGB, § 1063 Anm. 2; Frank, in: Staudinger, BGB, § 1063 Rn. 2 ff.; Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1063 Rn. 3; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1063 Rn. 2; Wegmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1063 Rn. 4. 116 Damrau, in: MünchKommBGB, § 1256 Rn. 5; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1256 Rn. 5; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 160 V; a.A. Flad, in: Planck, BGB, § 1256 Anm. 3; Kregel, in: RGRK, BGB, § 1256 Rn. 4; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1256 Rn. 4 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1256 Rn. 8. 117 RG LZ 1927, 393, 394; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1256 Rn. 4. 118 Damrau, in: MünchKommBGB, § 1256 Rn. 4; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1256 Rn. 5; Flad, in: Planck, BGB, § 1256 Anm. 3; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1256 Rn. 4; vgl. noch RGZ 154, 378, 383. 119 So (für Eigenrechte an Rechten) Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1068 Rn. 4.
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Aufschlussreich ist diese Erkenntnis aber dennoch für die rechtsdogmatischen Parallelen zwischen Konsolidation und Konfusion. Die hier entwickelte Kategorie des besonderen Kontinuitätsinteresses taugt als einheitliches Entscheidungskriterium und Kristallisationspunkt in der Frage, unter welchen Voraussetzungen konfudierte und konsolidierte Rechte fortbestehen respektive erlöschen. Auf dieser Grundlage lassen sich die ungeschriebene Lehre von der Konfusion mit den geschriebenen Konsolidationsvorschriften zu einer einheitlichen Doktrin zusammenfügen, die für die Konfusion und die mobiliarsachenrechtliche Konsolidation einen positiven Nachweis des besonderen Kontinuitätsinteresses des Inhabers oder eines Dritten verlangt, während dieses Interesse aufgrund der Besonderheiten des Grundstücksrechts, namentlich aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, für die Rechtsanwendung unterstellt wird. Aus diesem Grund vermag auch die vereinzelt geäußerte Kritik an den Vorschriften nicht zu überzeugen, die den §§ 1063, 1075 BGB wegen der Anknüpfung an das rechtliche Interesse eine unklare Tatbestandsfassung vorwirft120. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte ist schwerlich eine präzisere Formel zu finden. Das gilt umso mehr, als es hier – ebenso wie bei der Konfusion – letztlich um Zweckmäßigkeitserwägungen geht, die über Fortbestand und Untergang der Eigenrechte entscheiden. Auch die de lege ferenda erwägenswerte Alternative eines generellen Fortbestands konsolidierter Rechte, so wie er gem. § 889 BGB für Rechte am eigenen Grundstück angeordnet ist, kommt nicht in Betracht. Denn zum einen trägt § 889 BGB den besonderen Interessen an der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Liegenschaftsrecht sowie der Funktionsfähigkeit des Grundbuchs und seines öffentlichen Glaubens Rechnung. Mit einem einzelfallabhängigen Entscheidungskriterium würden Unsicherheiten in das Immobiliarsachenrecht hineingetragen, die mit den Wertungen des Eintragungsprinzips sowie den Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen des Grundbuchs schlichtweg unvereinbar wären. Zum anderen ist die Aufrechterhaltung von Eigenrechten weder sinnvoll noch angemessen, wenn hieran im Mobiliarsachenrecht im Einzelfall kein besonderes Kontinuitätsinteresse besteht. Das gilt umso mehr, als für die Übertragung von Fahrnisrechten auch kein dem Grundbuch vergleichbares Registersystem existiert, das durch den unterschiedslosen Fortbestand konsolidierter Rechte geschützt werden müsste. Das spricht entscheidend für eine Parallele von mobiliarrechtlicher Konsolidation und obligatorischer Konfusion. Fehlt es an einem besonderen Kontinuitätsinteresse, sprechen Zweckmäßigkeitserwägungen für einen automatischen Wegfall des konsolidierten Rechts. Hiermit wird der Eigentümer insbesondere davon entlastet, das Eigenrecht gesondert aufheben zu müssen. In rechtsdogmatischer Hinsicht vertritt das Schrifttum unter Hinweis auf den Wortlaut der §§ 1063 Abs. 2, 1256 Abs. 2 BGB („gilt als nicht erloschen“) mehrheitlich die Auffassung, dass die Eigenrechte bei Vorliegen des notwendigen Interesses tatsächlich erlöschen und ihr Fortbestand lediglich fingiert 120
So Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1063 Rn. 3 a.E.
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wird121. Das kann wiederum nicht überzeugen. Ebenso wie bei der (schuldrechtlichen) Konfusion122 und der Konsolidation von Grundstücksrechten (§ 889 BGB)123 ist vom materiellrechtlichen Fortbestand der konsolidierten Mobiliarrechte auszugehen124. Weder die hiesige Position noch die Gegenauffassung kann allerdings die Gesetzesmaterialien für sich in Anspruch nehmen: Zum einen bemerkte die Redaktionskommission, auf deren Intervention die konkrete Gesetzesfassung zurückgeht, bei Vereinigung von Eigentum und Nießbrauch in einer Hand müsse der Berechtigte gegenüber dem nachrangigen Pfandgläubiger so angesehen werden, „als bestände der Nießbrauch (…) fort“. Zum anderen heißt es in den Protokollen mit Blick auf § 1256 Abs. 2 BGB, dass „ein Mobiliarpfandrecht durch die Vereinigung von Pfandrecht und Eigenthum nicht erlischt“125. In jedem Fall hat die hier vertretene Lösung aber den Vorteil der klaren dogmatischen Struktur. Anerkennt man den Fortbestand des konsolidierten Rechts, kann ohne weiteres auf die ungeliebte Figur der Rechtsfiktion verzichtet werden, erweist sich ihr Einsatz doch auch in diesem Zusammenhang als anachronistische Überlieferung aus einer längst vergangenen Zeit: aus einer Zeit, als Rechte an der eigenen Sache noch nicht anerkannt waren, ja als „begrifflich unmöglich“ gegeißelt wurden, und man sich deshalb mit einer Fiktionslösung behelfen musste, um praktisch vernünftige Ergebnisse zu erzielen126. Diese Zeit gehört nach Zulassung von Eigentümergrundpfandrechten sowie anderer Rechte am eigenen Grundstück der Vergangenheit an. Schließlich ist auch kein tauglicher Grund ersichtlich, weshalb Eigenrechte an beweglichen Sachen anders behandelt werden sollten als solche an Liegenschaften. Die von der Gegenauffassung befürwortete Rechtsfiktion verdeckt im Ergebnis nur den wahren Interessenwiderstreit und seinen Ausgleich, der sich nach Maßgabe einer Gesamtabwägung im konkreten Einzelfall in dem Fortbestand respektive Wegfall des konsolidierten Rechts manifestiert. Abzulehnen ist deshalb auch die namentlich vom BGH gezogene Konsequenz127: weil § 1256 Abs. 2 BGB das Pfandrecht nur im Eigentümerinteresse 121
Dafür (für das Pfandrecht) Damrau, in: MünchKommBGB, § 1256 Rn. 5; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1256 Rn. 4; Kregel, in: RGRK, BGB, § 1256 Rn. 4; Sosnitza, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 1256 Rn. 4; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1256 Rn. 7; Heck, Schuldrecht, § 64, 2; ders., Sachenrecht, § 24, 8, § 25, 3, § 104, 5; unentschieden (zum Nießbrauch) Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1063 Rn. 4. 122 Siehe oben § 13 II. 2. c). 123 Siehe oben § 13 II. 3. a). 124 Im Ergebnis wie hier Flad, in: Planck, BGB, § 1256 Anm. 3; Esser, Wert, S. 152 ff.; kritisch zur Ungleichbehandlung von beweglichen und unbeweglichen Sachen auch Heck, Sachenrecht, § 25, 6c. 125 Beide Zitate: Protokolle zum BGB, Bd. 6, S. 390; vgl. auch Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1063 Rn. 4. 126 Vgl. auch Heck, Sachenrecht, § 25, 1; ausf. und instruktiv Esser, Wert, S. 152 ff. 127 BGHZ 27, 227, 233; ebenso Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1256 Rn. 2; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1256 Rn. 5 a.E.; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1256 Rn. 4; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1256 Rn. 4; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1256 Rn. 7; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 171 I 1 b.
III. Zusammenfassung
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aufrechterhalte, sei es Dritten verwehrt, sich auf dessen Fortbestand zu berufen. Die Argumentation vermag auf Grundlage der hier vertretenen Auffassung nicht zu überzeugen. Anerkennt man nämlich den materiellrechtlichen Fortbestand des Pfandrechts, ist es nur folgerichtig, auch Dritten die Berufung auf das konsolidierte Recht zu gestatten. Davon abgesehen birgt die vom BGH vertretene Fiktionslösung auch in der Sache Schwierigkeiten, weil sie zur Annahme eines nur relativ wirksamen bzw. unwirksamen Rechts führt. Bereits im Zusammenhang mit den Verfügungsbeschränkungen gem. §§ 135 Abs. 1 S. 1, 136, 883 Abs. 2, 399 Alt. 2 BGB128 ist ausführlich gegen die Anerkennung relativ unwirksamer Rechtspositionen Stellung genommen worden. Die Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit stellt einen systemwidrigen Fremdkörper im deutschen Vermögensrecht dar und kommt deshalb überhaupt nur in Betracht, wenn es im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, was weder für § 1256 Abs. 2 noch für § 1063 Abs. 2 BGB geschehen ist129. Und selbst wenn das Gesetz eine dahingehende Regelung vorsieht, wie namentlich für §§ 135 Abs. 1 S. 1, 136, 883 Abs. 2 BGB, ist die moderne Doktrin aus überzeugenden Gründen über diese Anordnung hinweggegangen und hat die Interpretation der Vorschriften an die moderne Dogmatik angepasst, die weitestgehend ohne relative Rechte auskommt. Und schließlich ist im Übrigen auch kein Grund ersichtlich, weshalb Dritten die Berufung auf das aufrechterhaltene Recht verwehrt bleiben sollte. Das zeigt auch ein Blick auf die Dogmatik des § 1256 Abs. 1 S. 2 BGB. Bemerkenswerterweise steht die heute h.M.130 hier nämlich auf dem Standpunkt, dass das Pfandrecht nicht allein zum Schutz des interessierten Dritten fortbesteht, sondern einschränkungslos im Verhältnis zu sämtlichen Teilnehmern des Rechtsverkehrs.
III. Zusammenfassung Das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip ist das Proprium der juristischen Nachfolge und bezeichnet zugleich die primäre Wirkung der Sukzession. Sie besteht in dem identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition von einem Rechtsträger auf den anderen. In rechtskonstruktiver Hinsicht kommt es zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit unter fortbestehender Identität und Kontinuität der übertragenen Vermögensposition. Auf der Grundlage des geltenden Rechts ist die Identität der Vermö-
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Siehe oben § 4 III. 3. c) dd) und § 4 III. 4. b) dd). Deshalb ablehnend wie hier auch Pohlmann, in: MünchKommBGB, § 1063 Rn. 4 a.E. 130 Damrau, in: MünchKommBGB, § 1256 Rn. 3; Flad, in: Planck, BGB, § 1256 Anm. 2; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1256 Rn. 3; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1256 Rn. 3; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1256 Rn. 4; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 131 Rn. 11; a.A. noch Wieling, Sachenrecht I, § 15 VIII 2 d aa; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 171 I 1 b iVm. § 39 IV. 129
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§ 13 Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
gensposition im juristischen, genauer: sukzessionsrechtlichen Sinne positivrechtlich angeordnet und in der Sache unbestreitbar. Nach dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip gründet der Nachfolger seine Stellung auf die Rechtsinhaberschaft des Vorgängers. Identität und Kontinuität liegen außerdem im Interesse der ungehinderten Übertragung von Vermögenspositionen. Nach dem Identitätsprinzip bleiben Ausgestaltung und Charakter der Vermögensposition im Grundsatz unberührt. Das gilt grundsätzlich auch für die Rechtsstellung der jeweiligen Gegenpartei obligatorischer Vermögenspositionen; ihnen bleiben namentlich die Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis erhalten (vgl. §§ 404, 417 BGB). Die Vereinigungstatbestände der Konfusion (Vereinigung von Schuldnerund Gläubigerstellung) und der Konsolidation (Vereinigung von Stammrecht und beschränktem Recht) stellen keine Durchbrechung des Identitätsprinzips dar. Vielmehr setzen die Rechtsfolgen der Vereinigungstatbestände die Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips voraus, da eine etwaige Erlöschenswirkung in beiden Fällen davon abhängt, dass die gegenläufigen Vermögenspositionen tatsächlich kongruent sind. Treffen Gläubiger- und Schuldnerstellung in einer Person zusammen (Konfusion) erlischt die konfudierte Forderung, soweit kein besonderes Kontinuitätsinteresse besteht, aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil der Rechtsinhaber typischerweise kein Interesse daran hat, die Forderung gegen sich selbst durchzusetzen. Nur wenn ausnahmsweise ein besonderes Kontinuitätsinteresse der Beteiligten am Fortbestand des Leistungsanspruchs besteht, wird die konfudierte Forderung aufrechterhalten. In Betracht kommen dafür berechtigte Drittinteressen, beispielsweise aufgrund beschränkter Rechte an der Forderung, aber auch berechtigte Eigeninteressen, wie namentlich ein Befreiungs-, Sicherungsund Erwerbsinteresse des Rechtsinhabers. Ein berechtigtes Erwerbsinteresse liegt namentlich vor, wenn es zur Vereinigung des vormerkungsgesicherten Auflassungsanspruchs mit der Auflassungsschuld kommt. Ist das besondere Kontinuitätsinteresse zu bejahen, besteht die Forderung in materiellrechtlichem Sinne fort; einer Fiktionslösung bedarf es an dieser Stelle nicht. Vereinigt sich ein beschränktes Recht mit dem Vollrecht des belasteten Gegenstands (Konsolidation), bestehen konsolidierte Grundstücksrechte gem. § 889 BGB fort, während konsolidierte Mobiliarrechte gem. §§ 1063, 1256 BGB grundsätzlich erlöschen, es sei denn, an deren Aufrechterhaltung besteht ein besonderes Kontinuitätsinteresse. Für das Mobiliarsachenrecht gelten im Vergleich zur Konfusion keine signifikanten Abweichungen. Die Erlöschenswirkung beruht auch hier auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Besteht an der Aufrechterhaltung konsolidierter Mobiliarsachenrechte kein besonderes Kontinuitätsinteresse, macht es schlichtweg keinen Sinn, das beschränkte Recht fortbestehen zu lassen. Das berechtigte Kontinuitätsinteresse ist besonders festzustellen. Es besteht insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer beschränkter Mobiliarrechte und folgt aus dem Ranginteresse des Rechtsinhabers. Nach zutreffender Auffassung besteht das
III. Zusammenfassung
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konsolidierte Recht im materiellrechtlichen Sinne fort; sein Fortbestand wird nicht lediglich fingiert. Zudem können sich auch Dritte auf das konsolidierte Recht berufen, auch wenn es gerade im Interesse des Inhabers aufrechterhalten worden ist. Insgesamt bildet die hier entwickelte Kategorie des besonderen Kontinuitätsinteresses das einheitliche Entscheidungskriterium für die Frage, ob konfudierte und konsolidierte Rechte fortbestehen respektive erlöschen. In rechtsdogmatischer Hinsicht lassen sich auf dieser Grundlage die ungeschriebene Lehre von der Konfusion mit den Konsolidationsvorschriften zu einer ganzheitlichen Doktrin zusammenführen, die einmal mehr die These stützt, dass sich die Sukzession in obligatorische und dingliche Rechte nach vergleichbaren Prinzipien vollzieht. Der rechtssystematische Grund für die abweichende Behandlung konsolidierter Liegenschaftsrechte ist in den Besonderheiten des Immobiliarsachenrechts zu erblicken: Die Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems und die Implikationen des Eintragungsprinzips, namentlich die Vermutungs- und Gutglaubensfunktion des Grundbuchs, ist mit einer einzelfallbezogenen Behandlung schwerlich in Einklang zu bringen. Deshalb wird das Vorliegen eines besonderen Kontinuitätsinteresses durch § 889 BGB vorausgesetzt, was im Hinblick auf das Ranginteresse der Inhaber konsolidierter Grundstücksrechte in rechtspolitischer Hinsicht überzeugt. In rechtsdogmatischer Hinsicht bleibt das beschränkte Liegenschaftsrecht ebenfalls im materiellrechtlichen Sinne als eigenständiges Recht am eigenen Grundstück aufrechterhalten und wird nicht etwa nur kraft Gesetzes fingiert.
§ 14 Akzessorietätsprinzip Eine wesentliche Implikation des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips besteht darin, dass mit dem übertragenen Hauptrecht verbundene – akzessorische – Sicherungs-, Vorzugs- und sonstige Nebenrechte auf den Nachfolger übergehen. Für die Forderungszession ordnet § 401 BGB die Geltung des Akzessorietätsprinzips mustergültig an. Aber auch bei der Begründung beschränkter dinglicher wie obligatorischer Rechte lassen sich die Akzessorietätswirkungen nachweisen. Beide Ausprägungen des allgemeinen Akzessorietätsprinzips werden nachfolgend unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die rechtsgeschäftliche Sukzession untersucht, und zwar zum einen die Entstehungsakzessorietät im Rahmen der Begründung akzessorischer Nebenrechte im Wege konstitutiver Nachfolge (II.) und zum anderen die Zuordnungsakzessorietät, die sich bei der Übertragung akzessorischer Nebenrechte in Form einer translativen Nachfolge realisiert (III.). Bevor sich die Untersuchung diesen beiden Akzessorietätswirkungen zuwendet, sind zunächst noch die maßgeblichen terminologischen und historischen Grundlagen des sukzessionsrechtlichen Akzessorietätsprinzips freizulegen:
I. Terminologische und historische Grundlagen Das Akzessorietätsprinzip bezeichnet im Allgemeinen die Abhängigkeit eines Rechts von einem anderen1. Die Abhängigkeit des Nebenrechts vom Hauptrecht ist geprägt durch ihre Einseitigkeit und Unmittelbarkeit2. Das Verhältnis ist einseitig, weil das Nebenrecht stets vom Hauptrecht abhängig ist, nicht aber umgekehrt. Die Verbindung ist unmittelbar, weil die Übertragung des Hauptrechts ohne weitere Zwischenschritte den Übergang des Nebenrechts nach sich zieht. Typischerweise sind die durch das Akzessorietätsprinzip miteinander verbundenen Rechte auf das gleiche Ziel gerichtet, bei akzessorischen Sicherungsrechten etwa auf die Befriedigung des Gläubigers3. In Bezug auf die rechtsge1 Alexander, JuS 2012, 481, 482; Medicus, JuS 1971, 497; Pöggeler, JA 2001, 65; Wiegand, Akzessorietät, S. 35, 38. 2 Dazu Stadler, in: Soergel, BGB, Einl. Sachenrecht Rn. 45; dies., Gestaltungsfreiheit, S. 18; Habersack, JZ 1997, 857, 862; Medicus, JuS 1971, 497; ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48 ff. 3 Vgl. Lettl, JA 2004, 238, 246.
I. Terminologische und historische Grundlagen
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schäftliche Sukzession spielt das Akzessorietätsprinzip als Strukturmerkmal auf Rechtsfolgenseite eine wichtige Rolle, und zwar im Hinblick auf die Begründung und Übertragung von (Sicherungs-)Rechten. Namentlich das Pfandrecht an beweglichen Sachen und Forderungen und die Grundstückshypothek sind als akzessorische Nebenrechte von der zu sichernden (Haupt-)Forderung abhängig. Akzessorietät bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als Forderungsabhängigkeit. Die Entwicklungsgeschichte des Akzessorietätsprinzips lässt sich bis ins klassische römische Recht zurückverfolgen, das unter der Bezeichnung accessio Sicherungsmittel zusammenfasste, die wir heute als Bürgschaft, besitzlose Pfandrechte und Besitzpfandrechte kennen4. Die Forderungsabhängigkeit der Nebenrechte war indes noch nicht so strikt durchgeführt, wie wir es heute kennen5. Insbesondere das römische Pfandrecht war in seiner Zuordnung zum Inhaber der gesicherten Forderung noch nicht akzessorisch; seine Übertragung folgte nicht automatisch und unmittelbar der gesicherten Forderung6. Diese Eigenschaften erhielt das Pfandrecht erst wesentlich später durch die partikularrechtliche Gesetzgebung sowie die Pandektenwissenschaft des vorvergangenen Jahrhunderts. Überhaupt erlangte das Akzessorietätsprinzip seine herausgehobene juristische Bedeutung erst durch die deutsche Pandektistik des 19. Jahrhunderts, als es namhafte Vertreter der Begriffsjurisprudenz unternahmen, aus dem Akzessorietätsbegriff weitreichende Folgerungen für akzessorische Sicherungsrechte herzuleiten7. Auf diese Weise stieg das Akzessorietätsprinzip zu einem allgemein akzeptierten Dogma auf, das die Ausgestaltung der bürgerlichrechtlichen Vorschriften über die Begründung und Übertragung von Pfandrecht und Hypothek maßgeblich beeinflusste8. Da es der Pandektenwissenschaft allerdings nicht gelungen war, übergreifende Akzessorietätsgrundsätze zu entwickeln, beschränkte sich der historische Gesetzgeber darauf, für die einschlägigen Sicherungsrechte eine begrenzte Zahl von Sondervorschriften zu normieren, die einzelne Facetten des Akzessorietätsprinzips in sehr unterschiedlicher Art und Intensität positivrechtlich verankerten9.
4 D 46.3.43: „In omnibus speciebus liberationum etiam accessiones liberantur, puta adpromissores hypothecae pignora …“; zum Ganzen auch Habersack, JZ 1997, 857, 860; Pöggeler, JA 2001, 65, 66; Mincke, Akzessorietät, S. 34. 5 Dazu ausf. Flume, ZRG RomA 113 (1996), 88 ff.; siehe ferner Kaser/Knütel, Privatrecht, § 31 Rn. 5, 16, 21, 30; Habersack, JZ 1997, 857, 860; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 127 f. 6 Vgl. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 130 f. 7 Authentisch etwa Sintenis, Handbuch, 1836, S. 15 f.; dazu auch Pöggeler, JA 2001, 65, 67; speziell zur Hypothek: Motive zum BGB, Bd. 3, S. 706. 8 Dazu Habersack, JZ 1997, 857, 860; ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 104 ff. 9 Vgl. auch Pöggeler, JA 2001, 65, 67: „Was man findet sind ganz konkrete Einzelregelungen oder, wie ich sagen möchte, ganz konkrete akzessorische Phänomene“; Hervorhebung auch im Original.
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§ 14 Akzessorietätsprinzip
Dementsprechend findet sich das Akzessorietätsprinzip heute nirgends in Reinform verwirklicht. Das Gesetzesrecht ist vielmehr darum bemüht, den Interessen der Beteiligten durch flexible, mehrdimensionale Lösungen hinreichend gerecht zu werden. Bereits Ferdinand Regelsberger hat zutreffend erkannt, dass es gefährlich sei, „aus der accessorischen Natur Schlüsse zu ziehen“10. Deshalb habe der Akzessorietätsbegriff auch keinen großen dogmatischen Wert. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die einzelnen Facetten des Akzessorietätsprinzips einer differenzierten Betrachtung zu unterziehen, die sich aus thematischen Gründen auf die Entstehung und Übertragung akzessorischer Rechte beschränkt11.
II. Entstehungsakzessorietät Bei der Entstehung akzessorischer (Neben-)Rechte wirkt das Akzessorietätsprinzip regelmäßig im Sinne einer Rechtsbedingung. Das Nebenrecht entsteht im Wege der konstitutiven Nachfolge nur dann, wenn auch das Hauptrecht wirksam entsteht12. Und auch im Umfang ist das akzessorische Recht von der zu sichernden Forderung abhängig. Durch den Akzessorietätsmechanismus wird sichergestellt, dass das Nebenrecht nur insoweit entsteht, als es zur Sicherung des Hauptrechts notwendig ist13. Dieser Grundsatz findet sich namentlich für das Mobiliarpfandrecht streng durchgeführt:
1. Mobiliarpfandrecht Gelangt die zu sichernde Forderung nicht zum Entstehen, entsteht auch kein Pfandrecht14. Die Bestellung eines isolierten Pfandrechts ohne zugrunde liegende persönliche Schuld verstößt gegen den in § 1204 Abs. 1 BGB („zur Sicherung einer Forderung“) zum Ausdruck gebrachten Akzessorietätsgedanken15. Fehlte es ursprünglich an der persönlichen Forderung, wird die Sicherheitenbestellung auch dann nicht automatisch wirksam, wenn später das betreffende Forderungsrecht entsteht16. Das Koinzidenzprinzip lässt ein akzessorisches Si10
Regelsberger, Pandekten I, § 51 II. Vgl. zu weiteren Wirkrichtungen des Akzessorietätsprinzips Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 60; Habersack, JZ 1997, 857, 862; Lettl, JA 2004, 238 ff.; Medicus, JuS 1971, 497, 498 ff.; Pöggeler, JA 2001, 65, 66. 12 Vgl. Habersack, JZ 1997, 857, 862; Lettl, JA 2004, 238; Mincke, Akzessorietät, S. 31. 13 Alexander, JuS 2012, 481, 483. 14 Vgl. RGZ 153, 338, 347 f.; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1204 Rn. 15; zur Sicherung des Bereicherungsanspruchs siehe BGH NJW 1968, 1134; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1204 Rn. 21. 15 Vgl. noch BGHZ 23, 293; 25, 174, 181. 16 Zur Bürgschaft a.A. RGZ 134, 243, 246; Habersack, in: MünchKommBGB, § 767 Rn. 7; Mormann, in: RGRK, BGB, § 765 Rn. 2; wie hier aber Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 264. 11
II. Entstehungsakzessorietät
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cherungsrecht nur entstehen, wenn in einem Zeitpunkt sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des Sukzessionstatbestands erfüllt sind17. Die spätere Nachholung des fehlenden Merkmals hat keine rückwirkende Heilungskraft. Anders liegt der Fall nur, wenn sich unmittelbar aus der Abrede oder zumindest durch Auslegung ermitteln lässt, dass die Vertragsparteien das Pfandrecht auch für den Fall einer späteren Forderungsentstehung bestellen wollten. Dann greift die Akzessorietätslockerung, die §§ 1113 Abs. 2, 1204 Abs. 2 BGB für die Sicherung bedingter und künftiger Forderungen vorsehen. Bevor hiervon noch ausführlicher die Rede sein wird18, gilt es zunächst einen Blick auf die abweichende Regelung im Hypothekenrecht zu werfen.
2. Eigentümergrundschuld Eine abgeschwächte Form der Forderungsgebundenheit ist bei der Hypothek anzutreffen: Fehlt es an der zu sichernden Forderung, kommt zwar auch hier keine Fremdhypothek zugunsten des sicherungsnehmenden Gläubigers zustande, d.h., der (potentielle) Hypothekar erwirbt zunächst kein Sicherungsrecht. Stattdessen entsteht aber an dem belasteten Grundstück eine Eigentümergrundschuld (§§ 1163 Abs. 1 S. 1, 1177 Abs. 1 BGB), deren Zweck darin besteht, dem Eigentümer den Rang des eingetragenen Grundpfandrechts gegenüber nachrangigen Grundstücksrechten zu sichern19. Mittels Aufrechterhaltung des Eigenrechts opfert das Gesetz die strikte Durchführung des Akzessorietätsprinzips zugunsten des Grundsatzes der festen Rangstelle. Das Ranginteresse des Eigentümers – so die h.M.20 – würde andernfalls beeinträchtigt, müsste er aufgrund der rigiden Durchführung des Akzessorietätsprinzips, das zum Wegfall seines vorrangigen Sicherungsrechts führen würde, einen höheren Zinssatz zahlen. Auch wenn dieser Mechanismus heute nicht mehr uneingeschränkt funktioniert, weil in der modernen Sicherungspraxis die für die erstrangige Hypothek zu entrichtenden Zinsen häufig am höchsten und zugunsten von Bausparkassen oder der öffentlichen Hand bestellte nachrangige Grundpfandrechte oftmals niedriger verzinst sind21, besteht im Ergebnis kein legislatorischer Handlungsbedarf. Zunächst darf nicht übersehen werden, dass die niedrige Verzinsung nachrangiger Bauspardarlehen typischerweise darauf beruhen, dass der Bausparer sich diese durch jahrelangen Verzicht auf eine angemessene Verzinsung des 17
Dazu allgemein oben § 12. Siehe sogleich unten § 14 II. 3. 19 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 203. – Zur Bedeutung der Eigentümergrundschuld für das Identitätsprinzip siehe oben § 13 II. 3. a). 20 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 203; Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 600; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1163 Rn. 1; Konzen, in: Soergel, BGB, § 1163 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 36 Rn. 98. 21 Zum Ganzen Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1163 Rn. 2; Hadding/Welter, JR 1980, 89, 90; zur früheren Lage: Schapp, JuS 1979, 544, 545. 18
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Bausparguthabens im Voraus erkauft hat22. Die zugunsten der öffentlichen Hand bestellten Grundpfandrechte trotzen ohnehin vielfach marktwirtschaftlichen Grundsätzen und sind daher als Argument für Rechtsänderungen im privatwirtschaftlichen Bereich denkbar ungeeignet. Zudem haben die rechtstatsächlichen Veränderungen bereits zur Reform des Rechts der Löschungsvormerkung geführt23. So ist das berechtigte Sicherungsinteresse nachrangiger Gläubiger durch den gesetzlichen Löschungsanspruch gem. §§ 1179a, 1179b BGB sowie die Möglichkeit, in bestimmten Fällen eine Löschungsvormerkung gem. § 1179 BGB zu vereinbaren, hinreichend gewahrt24. Weitergehende Forderungen nach einer noch grundlegenderen Neujustierung des Systems der Eigentümerrechte25 konnten sich nicht durchsetzen, weil das Prinzip der festen Rangstelle noch immer für Zwischenfinanzierungen eine zentrale Rolle spielt26. Und auch im Übrigen muss es dabei bleiben, dass der Gläubiger keine bessere Rangstelle beanspruchen kann, als sie ihm durch das zugrunde liegende Kreditgeschäft vertraglich zugewiesen ist27. Bei gleichbleibender Risikoprämie darf ein nachrangiger Gläubiger nicht automatisch in eine höhere Sicherungsposition aufrücken und damit von Vorteilen partizipieren, die ihm nach der Parteivereinbarung nicht zustehen. Ist mit dem Ranginteresse der maßgebliche Grund für die Einschränkung des Akzessorietätsprinzips bei den Grundpfandrechten identifiziert, fragt sich, ob die nämlichen Erwägungen nicht auch für das Mobiliarpfandrecht in Betracht zu ziehen sind. Wie § 1209 BGB klar zum Ausdruck bringt, können Rangfolgen auch für Pfandrechte an beweglichen Sachen bestehen. Dass für das Mobiliarpfandrecht gleichwohl kein Erwerb des Eigenrechts vorgesehen ist, hat keine dogmatischen Gründe, sondern ist der Erwägung geschuldet, dass bewegliche Pfandgegenstände regelmäßig keinen so großen Wert aufweisen, der eine mehrfache Verpfändung wahrscheinlich werden ließe. In der niedrigeren Werthaltigkeit beweglicher Sachen gegenüber Grundeigentum liegt letztlich auch der maßgebliche Grund für die unterschiedlich strenge Durchführung des Akzessorietätsprinzips im Pfand- und Hypothekenrecht. Da sich bei der Verpfändung bisher kein praktisches Bedürfnis für die Entstehung eines rangsichernden Eigenrechts gezeigt hat, besteht auch kein legislatorischer Handlungsbedarf. 22 Zutreffend Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1163 Rn. 6 gegen Stöber Rpfleger 1977, 399; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1163 Rn. 1; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1163 Rn. 2. 23 Siehe etwa Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1179 Rn. 1. 24 Richtigerweise muss rechtspolitische Kritik am Verhältnis von § 1163 BGB zu §§ 1179 ff. BGB an letztgenannten Vorschriften ansetzen; richtig, wenn gewiss auch im Ton überzogen Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1163 Rn. 9: „Die heutige Situation ist die, dass der mit heißer Nadel gestrickte gesetzliche Löschungsanspruch die Regelungen des § 1163 (…) weitgehend entleert hat. (…) Es ist eine traurige, fast leichenfledderische Aufgabe, § 1163 zu kommentieren.“ 25 Vgl. nur Teichmann, Wegfall (1968); H. Westermann, Vorschläge (1972). 26 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/89, S. 8 f.; vgl. weiter Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 608; Schapp, JuS 1979, 544, 547 f. (dort auch zu weiteren Gründen für die Beibehaltung der Eigentümergrundschuld). 27 Vgl. Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1163 Rn. 6.
II. Entstehungsakzessorietät
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3. Künftige und bedingte Forderungen Die Geltung des Akzessorietätsprinzips ist bei der Begründung beschränkter Sicherungsrechte weiterhin in dem Sinne gelockert, als akzessorische Nebenrechte zulässigerweise auch für zukünftige und bedingte Forderungen bestellt werden können. Das gilt gem. § 1204 Abs. 2 BGB zunächst für das Pfandrecht, das in diesem Fall mit Einigung und Übergabe28 bereits vor Entstehung der Forderung wirksam wird29. Die Motive zum BGB begründen diese Abweichung vom Akzessorietätsprinzip (und Koinzidenzprinzip) lapidar mit der Bemerkung, dass „das praktische Bedürfniß hierzu nöthigt“30. Im Vorentwurf zum Sachenrecht zieht Redaktor Johow die Parallele zum Bürgschaftsrecht. Dort könne sich der Bürge ebenfalls schon vor Entstehung der Hauptschuld für deren Erfüllung verbürgen; gleiches müsse für die Verpfändung gelten31. Dem Gläubiger einer künftigen Forderung sollte es durch diese Option ermöglicht werden, das Pfandrecht gegen Dritte geltend zu machen, die zwischen Pfandrechtsbestellung und Entstehung der Forderung ein Recht an der Pfandsache erwerben. Das entspreche dem Parteiwillen von Eigentümer und Pfandgläubiger und beeinträchtige auch nicht die Interessen der übrigen Marktteilnehmer, weil Dritte die Pfandsache so hinnehmen müssten, wie sie im Augenblick des späteren Rechtserwerbs beschaffen sei. Sein akzessorischer Charakter dürfe das Pfandrecht nicht „zum Schaden des Hauptrechts“ schwächen32. Daher müssten auch die im vorangegangenen Schrifttum geäußerten rein doktrinären Bedenken zurückstehen. Gegen die Pfandrechtsbestellung für künftige Forderungen sind ebenso wenig rechtsdogmatische Bedenken33 angezeigt wie gegen die Vorauszession34. Bereits das gemeine Recht ließ die Pfandrechtsbestellung für künftige Forderungen zu35 und auch in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen ist die Pfand28 Vgl. BGHZ 86, 340, 347; BGH NJW 1983, 1619, 1620 f.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 26; Lettl, JA 2004, 238, 239; vgl. auch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 799. 29 Die h.M. geht auch im Fall des § 1204 Abs. 2 BGB von der Entstehung eines (gegenwärtigen) Pfandrechts ohne Verwertungsrecht aus; vgl. BGHZ 86, 340, 347; BGH NJW 1983, 1120, 1122 f.; 1983, 1619, 1620 f.; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1204 Rn. 23; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 23; a.A. Damrau, in: MünchKommBGB, § 1204 Rn. 22; Kregel, in: RGRK, BGB, § 1204 Rn. 10; Rüll, Pfandrecht, S. 151: Anwartschaftsrecht auf ein Pfandrecht. 30 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 798. 31 Dazu und zum Folgenden Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 404. 32 Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 772 unter Hinweis auf Dernburg, Pfandrecht I, S. 520 ff.; siehe ferner noch Exner, Kritik, S. 100 ff. 33 Vgl. aber auch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 798 f., die eine nähere Konkretisierung der Wissenschaft und Praxis überlassen wollten, während sich Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 405 noch dafür ausgesprochen hat, dass es „auch nicht gezeigt (erscheine), die Zulässigkeit der Pfandrechtsbestellung für eine künftige Forderung auf die Fälle zu beschränken, in welchen bereits eine obligatorische Gebundenheit besteht“. 34 Siehe oben § 12 IV. 35 Dafür Exner, Kritik, S. 103; Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 405, 772 f. mit Nachweisen zu den partikularrechtlichen Vorschriften.
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rechtsbestellung unter diesen Umständen anerkannt36. Weiterhin sind die Interessen des Verpfänders dadurch hinreichend geschützt, dass das Verwertungsrecht erst bei Fälligkeit der Forderungen eingreift (vgl. § 1228 Abs. 2 BGB). Für die Pfandrechtsbestellung gelten schließlich die allgemeinen Grundsätze des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips. Das Akzessorietätsprinzip verlangt in Verbindung mit dem oben37 entwickelten minimalistischen Bestimmtheitsansatz, dass das Sicherungsrecht für eine ganz bestimmte Forderung bestellt wird und die künftige Hauptforderung hinreichend bestimmbar ist38. Insbesondere braucht die konkrete Höhe der Forderung bei Bestellung des Pfandrechts noch nicht festzustehen39. In Anwendung der bekannten All-Formel ist es auch zulässig, sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche eines bestimmten Gläubigers gegen einen bestimmten Schuldner40, sämtliche Forderungen aus laufenden Wechselverbindlichkeiten41 oder aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung42 durch die Bestellung eines Pfandrechts zu sichern. Diese Grundsätze gelten für bereits existierende Forderungen ebenso wie für zukünftige Ansprüche43. Im Übrigen bezieht sich das Bestimmtheitskriterium auf den Zeitpunkt der Entstehung der Hauptforderung; bei Vertragsabschluss muss die Forderung noch nicht individualisierbar sein44. Das gilt nicht nur für die Verpfändung, sondern nach zutreffender h.M. auch für die Hypothekenbestellung45. Die Individualisierung der zu sichernden Forderung bedeutet in rechtssystematischer Hinsicht eine Konkretisierung des Akzessorietätsgrundsatzes durch das Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip46. 36
Näher Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 24. Siehe § 8 II. 4. 38 Zum Pfandrecht vgl. Damrau, in: MünchKommBGB, § 1204 Rn. 23; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1204 Rn. 21; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 11; Gursky, in: Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 19. – Zur Orientierung an den Grundsätzen des Zessionsrechts vgl. noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 24 a.E. 39 Für das Pfandrecht: RG Recht 1913 Nr. 2732; KGJ 44 (1913), 269; Damrau, in: MünchKommBGB, § 1204 Rn. 23. 40 RGZ 78, 26, 27 f.; RG JW 1911, 367; BGH NJW 1965, 965; WM 2005, 1076, 1078; OLG Bremen BB 1974, 154. 41 KG Recht 1927 Nr. 1192. 42 BGH NJW 1981, 756; 1985, 863, 864; OLG Bremen BB 1974, 154. 43 Zum Pfandrecht an künftigen Forderungen vgl. KGJ 44 (1913), 269; OLG Bremen BB 1974, 154; Kregel, in: RGRK, BGB, § 1204 Rn. 10; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 24. 44 Habersack, in: Soergel, BGB, § 1204 Rn. 21; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 24 a.E.; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 19. 45 BGHZ 124, 164, 168; BGH WM 1972, 786, 787; Konzen, in: Soergel, BGB, § 1113 Rn. 14; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1113 Rn. 16; H. Westermann, JZ 1962, 302, 303; tendenziell anders Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1113 Rn. 34: „bestimmt“; Forderung muss individualisiert sein; Forderungshöhe muss feststehen; siehe zum Ganzen noch Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1204 Rn. 25; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 19; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 260 ff. 46 Vgl. auch Wiegand, Akzessorietät, S. 35, 41 f.; kritisch, aber in der Sache ähnlich BeckerEberhard, Forderungsgebundenheit, S. 256 f., der das nach seiner Auffassung übergeordnete Prinzip der Forderungsgebundenheit als maßgeblichen Grund für das Bestimmtheitserfordernis ansieht. 37
III. Zuordnungsakzessorietät
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Wird eine Hypothek für künftige oder bedingte Forderungen bestellt (vgl. § 1113 Abs. 2 BGB), entsteht wiederum zunächst eine Eigentümergrundschuld47, die sich erst mit Entstehung der zu sichernden Forderung in eine Fremdhypothek des Gläubigers verwandelt. Hintergrund für die Eigenrechtsentstehung ist einmal mehr die Sicherung des Ranginteresses, die dem Eigentümer möglichst günstige Besicherungskonditionen verspricht48. Im Übrigen weist der historische Gesetzgeber darauf hin, dass es mit Aspekten der Rechtssicherheit unvereinbar sei, würde die Bestellung der Hypothek nur aus dem Grund hinfällig, dass die Auszahlung der Darlehensvaluta erst nach Eintragung des Grundpfandrechts erfolge. Das Prinzip der Rechtssicherheit verbiete es, „eine solche Hypothek, bevor dieselbe an einen mit der Sachlage unbekannten Dritten übertragen ist, als wirkungslos anzusehen, wenn der Schuldner das Darlehen erst nach der Eintragung erhalten hat“49. Die Gestaltungsoption des § 1113 Abs. 2 BGB vereinfacht zum einen die Kreditsicherungspraxis und sorgt zum anderen für ein höheres Maß an Sicherheit und Leichtigkeit im Rechtsund Grundstücksverkehr.
III. Zuordnungsakzessorietät Was für die konstitutive Nachfolge die Entstehungsakzessorietät, ist für die translative Nachfolge die Zuordnungsakzessorietät. Letztere beschreibt die Eigenschaft akzessorischer Nebenrechte, gemeinsam mit dem Hauptrecht vom Veräußerer auf den Erwerber überzugehen (1.). Besonderheiten gelten für die Schuldübernahme, bei welcher akzessorische Nebenrechte regelmäßig erlöschen (2.).
1. Übergang akzessorischer Nebenrechte a) Schutzzweck des Akzessorietätsprinzips Der Übergang akzessorischer Nebenrechte gem. § 401 BGB stellt eine besondere Ausformung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips dar. Unter Geltung des Akzessorietätsprinzips wird dem Erwerber die vollständige Rechtsstellung des Veräußerers eingeräumt, und zwar auch, soweit es die Sicherung 47 Vgl. RGZ 51, 43, 44; RG JW 1932, 1579 f.; Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1113 Rn. 52; Konzen, in: Soergel, BGB, § 1163 Rn. 6; Mattern, in: RGRK, BGB, § 1113 Rn. 43; Strecker, in: Planck, BGB, § 1113 Anm. 5g; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 37 Rn. 21; Heck, Sachenrecht, § 84, 3; Weber, Sachenrecht II, § 14 Rn. 69; Lettl, JA 2004, 238, 239; Medicus, JuS 1971, 497, 499; a.A. (Entstehung als Fremdhypothek) Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1447 ff.; v. Lübtow, FS Lehmann I, 1956, S. 328, 350 f. 48 Weiterführende Hinweise bei Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1113 Rn. 49. 49 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 638.
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§ 14 Akzessorietätsprinzip
des übertragenen Hauptrechts durch akzessorische Nebenrechte anlangt und ohne dass es der Neubegründung des Sicherungsrechts in der Person des Erwerbers bedarf. Dieser Mechanismus entspricht der typischen Interessenlage der an der Transaktion Beteiligten (aa) und hält auch einer ökonomischen Analyse stand (bb). aa) Interessenlage Die durch das Akzessorietätsprinzip hergestellte Verknüpfung zwischen dem „führenden“ Hauptrecht und dem „abhängigen“ Nebenrecht dient zum einen der Sicherung und Verwirklichung des Hauptrechts in der Person des Erwerbers (Erwerberschutz)50 und minimiert zum anderen die Gefahr des Sicherungsgebers, infolge der Personenverschiedenheit von Sicherungsnehmer und Forderungsinhaber doppelt in Anspruch genommen zu werden (Sukzessionsschutz)51. Es entspricht dem Akzessorietätsgedanken, Sicherungsrechte und verstärkende Nebenrechte mit der Hauptforderung auf den Erwerber übergehen zu lassen und auf diese Weise seine Realisierungschancen zu verbessern. Denn kann der Erwerber auch auf sichernde Nebenrechte zugreifen, wird er tendenziell eher bereit sein, die Forderung zu einem dem Nennwert angenäherten Betrag zu erwerben, was wiederum die Umlauffähigkeit von Vermögensrechten insgesamt erhöht und gleichermaßen im Interesse des Zedenten liegt, die Forderung „zu Geld machen“ zu können52. Das Akzessorietätsprinzip dient als besonderes Gestaltungsmittel damit zugleich dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs53. Im Gegensatz dazu muss der Veräußerer den akzessorischen Rechtsübergang dulden, weil er nach dem Verlust des Hauptrechts typischerweise kein berechtigtes Interesse am Fortbestand des Sicherungsrechts geltend machen kann. Nach der Übertragung des Hauptrechts könnte ein beim Veräußerer verbliebenes Sicherungsrecht seiner Zwecksetzung ohnehin nicht mehr gerecht werden54. Da für den Zedenten mit der Übertragung der gesicherten Forderung das Sicherungsbedürfnis mangels Hauptforderung erloschen ist, entfällt auch der Zweck
50 Vgl. v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 29, 144; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 521. 51 Habersack, JZ 1997, 857, 862 f.; Pöggeler, JA 2001, 65, 68; Lettl, JA 2004, 238, 246; BeckerEberhard, Forderungsgebundenheit, S. 503; auch Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zu § 854 Rn. 60: „Je stärker die Akzessorietät (…) durchgeführt ist (…), desto günstiger ist dies in der Regel für den Schuldner und umgekehrt“. 52 So v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 30. 53 In diesem Sinne auch v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 29, 144. 54 Im Hinblick auf die Hypothek bemerken die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 706: „Die Hypothek muß mit der Forderung übergehen. Die Uebertragung der letzteren ohne die erstere wäre ein in sich widerspruchsvoller Akt. Denn da die Hypothek lediglich zur Sicherung der Forderung dient, so kann sie nur dem jeweiligen Gläubiger zustehen; für einen früheren Gläubiger würde sie ein inhaltsloses und folglich nutzloses Recht sein.“
III. Zuordnungsakzessorietät
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für die Geltendmachung von Nebenrechten55. Die Realisierung des Nebenrechts durch den Veräußerer verstieße gegen den Sicherungscharakter56. Davon abgesehen verlangt die besondere Zweckbindung des Sicherungsrechts überhaupt einen Gleichlauf von Haupt- und Nebenrecht57, der typischerweise dem mutmaßlichen Willen der an der Transaktion Beteiligten entsprechen wird58. Schließlich entspricht es dem Zweck des Akzessorietätsprinzips, dass Haupt- und Nebenrecht auch nach Übergang des Hauptrechts in einer Hand liegen. Das Schrifttum spricht in diesem Zusammenhang von der Ordnungsfunktion des Akzessorietätsprinzips59, bezeichnet damit allerdings keinen besonderen Regelungszweck, sondern beschreibt eher die zentrale Rechtsfolge der (Zuordnungs-)Akzessorietät. bb) Ökonomische Analyse Der damit postulierte „Gerechtigkeitsgehalt“ des Akzessorietätsprinzips ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn rechtstechnisch hätte das soeben begründete Ergebnis auch dadurch herbeigeführt werden können, dass das Sicherungsrecht mit Übertragung des Hauptrechts in der Person des Veräußerers erlischt und im Anschluss daran durch den Erwerber und den Sicherungsgeber neu bestellt werden muss60. Denkbar ist außerdem eine Ausübung des Sicherungsrechts durch den Zedenten, der fremdnütziger Inhaber des Nebenrechts bleibt61. Die Alternativmodelle vermögen einer ökonomischen Problemanalyse indes nicht standzuhalten62, weil sie jeweils mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden sind, die bei einem akzessorischen Rechtsübergang nicht anfallen. Gehen Nebenrechte nicht gemeinsam mit dem gesicherten Hauptrecht über, müssen die Vertragsparteien zusätzlich die Übertragungskonditionen für das Ne55
Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 2. Wenn Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 503 meint, diese Folge würde das Sicherungsrecht zu einem selbstständigen, forderungsungebundenen Recht machen, dann ist dies zwar formal zutreffend, aber zur Begründung des Akzessorietätsmodus nicht zielführend, da gerade erklärt werden soll, warum das Sicherungsrecht einen unselbstständigen, forderungsgebundenen Charakter aufweist. Es handelt sich um eine petitio principii. 57 Ähnlich schon v. Tuhr, AT II/2, S. 176; vgl. ferner Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 53 ff., 60 f., 201 ff.; Habersack, JZ 1997, 857, 863. 58 Habersack, JZ 1997, 857, 862. 59 Habersack, in: Soergel, BGB, Vor § 1204 Rn. 9 a.E.; ders., JZ 1997, 857, 863. 60 Siehe auch Habersack, JZ 1997, 857, 862; Lettl, JA 2004, 238, 246; Medicus, JuS 1971, 497, 498; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 37 f., die das Akzessorietätsprinzip jeweils als „rechtstechnische Vereinfachung“ betrachten. 61 Zum letzten Modell ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 509 ff., aber später auch S. 519. 62 Vgl. auch Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 5 I: „… so würde das Erfordernis eines selbständigen Übertragungsaktes in vielen Fällen eine unnötige Erschwerung des Verkehrs darstellen.“ Die ebenda erwähnten „dogmatischen Schwierigkeiten“, die aus einer selbstständigen Übertragung an zwei verschiedene Personen resultieren, dürfen nicht überbewertet werden. Das beweist bereits ein Blick auf die Übertragung nichtakzessorischer Nebenrechte. 56
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§ 14 Akzessorietätsprinzip
benrecht verhandeln. Die zusätzlichen Verhandlungskosten lassen sich durch einen automatischen Übergang einsparen. Wäre selbst die rechtsgeschäftliche Übertragung akzessorischer Nebenrechte ausgeschlossen, fielen zusätzliche Verhandlungs- und Rechtsbegründungskosten für die Neubestellung des Sicherungsrechts in der Person des Zessionars an zuzüglich der Kosten für die Rechtsaufhebung in der Person des Zedenten. Zudem wird der Zessionar auch bereit sein, einen höheren Preis für das übertragene Hauptrecht zu zahlen, wenn dessen Realisierung durch den automatischen Übergang eines akzessorischen Sicherungsrechts besonders gewährleistet ist63. Hinzu kommt, dass sich der akzessorische Rechtsübergang durch eine einfache und klare Struktur auszeichnet64. Die ökonomische Analyse lehrt somit, dass die mit der Geltung des Akzessorietätsprinzips verbundene rechtstechnische Vereinfachung keineswegs „wertneutral“ ist65, sondern handfeste ökonomische Vorteile mit sich bringt. Die niedrigen Transaktionskosten fördern nach den Annahmen des institutionsökonomischen Grundmodells eine effiziente Allokation knapper Ressourcen und steigern so den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Unnötig kompliziert und daher auch aus ökonomischer Perspektive nicht zielführend ist das Modell einer fremdnützigen Wahrnehmung von Sicherungsinteressen durch den Veräußerer. Das Modell würde zum einen für den Veräußerer eine ungerechtfertigte Belastung bedeuten (externer Effekt), weil er – obgleich nicht länger Hauptrechtsinhaber – für die Wahrung von Erwerberinteressen in Anspruch genommen würde. Zum anderen werden durch die Inanspruchnahme des Veräußerers zusätzliche Verhandlungs- und Überwachungskosten verursacht, da der Zessionar durch besondere Regeln sicherstellen müsste, dass der Zedent das Sicherungsrecht auch tatsächlich in seinem Interesse ausübt. In diesem Zusammenhang besteht ein klassischer Principal-AgentKonflikt, der sich durch den automatischen Übergang akzessorischer Nebenund Sicherungsrechte schlechthin vermeiden lässt. Als weitere Variante kommt eine fiduziarische, nichtakzessorische Ausgestaltung des Sicherungsrechts in Betracht. Der rechtstatsächliche Vergleich zwischen der akzessorischen Hypothek mit der nichtakzessorischen Grundschuld zeigt deutlich, dass die Sicherungspraxis in den letzten Jahren eine Vorliebe für fiduziarische Sicherheiten entwickelt hat66. Das hat seinen Grund in der größeren Flexibilität nichtakzessorischer Sicherungsrechte, die Forderungsauswechslungen ebenso unkompliziert erlauben wie eine Aufstockung des Darlehensbetrages sowie Umschuldung und Neuvalutierung67. Zu diesem Zweck lassen sich 63
Vgl. auch Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 520. Vgl. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 519. 65 So aber Habersack, JZ 1997, 857, 862. 66 Dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 36 Rn. 59; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 1168; vgl. weiter Alexander, JuS 2012, 481, 482 f., der zutreffend darlegt, dass akzessorische Sicherungsrechte regelmäßig im Interesse des Sicherungsgebers liegen, während nichtakzessorische Sicherheiten für Sicherungsnehmer von Vorteil sind. 67 Dazu näher Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 607; ausf. Stöcker, Eurohypothek, S. 32 ff. 64
III. Zuordnungsakzessorietät
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die Sicherungsarrangements verhältnismäßig einfach und regelmäßig formfrei durch die Änderung des Sicherungsvertrags anpassen; die Folge ist eine Verringerung von Notar- und Grundbuchkosten. Um zu entscheiden, welche Gestaltungsvariante im Einzelfall vorzugswürdig ist, sind die genannten Einsparungen denjenigen Kostenvorteilen gegenüberzustellen, die sich aus dem Gleichlauf von Haupt- und (akzessorischem) Nebenrecht ergeben. Je nachdem, ob mit einer (verstärkten) Zirkulation von Sicherungsrechten zu rechnen ist, mögen sich akzessorische Sicherungsrechte als ökonomisch vorteilhaft erweisen68. Bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen ohne nennenswerte Übertragungsvorgänge mögen die Vorteile nichtakzessorischer Sicherungsrechte überwiegen. Da den Marktteilnehmer namentlich im Bereich der Grundpfandrechte mit Hypothek und Grundschuld jeweils ein akzessorisch und ein nichtakzessorisch ausgestaltetes Sicherungsrecht zur Verfügung steht, können die Akteure nach Maßgabe ihrer individuellen Präferenzen das ihren Bedürfnissen am ehesten entsprechende Grundpfandrecht wählen. Gleiches gilt im Verhältnis des Mobiliarpfandrechts zur Sicherungsübereignung sowie für das Pfandrecht an Forderungen und anderen Vermögensrechten und die Sicherungszession. b) Reichweite des Akzessorietätsprinzips Der Übergang akzessorischer Nebenrechte ist gem. § 401 BGB für Hypothek, Pfandrecht und Bürgschaft ausdrücklich angeordnet. Entsprechend dem Regelungsziel der Übergangsvorschrift sollen dem Zessionar die mit der gesicherten Hauptforderung verbundenen Vorteile und Vergünstigungen erhalten bleiben69. Das gilt neben den erwähnten Nebenrechten iSd. § 401 Abs. 1 BGB auch für die Vorzugsstellung der Forderung in Zwangsvollstreckung und Insolvenz (§ 401 Abs. 2 BGB). Der Gesetzeswortlaut verschleiert die wahre Bedeutung und den weiten Anwendungsbereich des § 401 Abs. 1 BGB. Stellenwert und Reichweite der Übergangsvorschrift werden erst durch einen Blick in die Entstehungsgeschichte enthüllt. So ordnete der 1. BGB-Entwurf in § 297 noch den – vollumfänglichen – Übergang der „zur Verstärkung (der Forderung) dienenden Nebenrechte“ an. Die 2. Kommission entschied sich für eine Beschränkung auf „die hauptsächlichsten Nebenrechte dieser Art“, weil so „das Gesetz an Verständlichkeit gewinne“. Im gleichen Atemzug hob die Mehrheit indes hervor, die engere Gesetzesfassung „schließe selbstverständlich die Anwendung der Bestimmung auf andere Nebenrechte im Wege der Analogie nicht aus“70. Dementsprechend kann es auch nicht verwundern, dass Wissenschaft und Praxis den Anwen68 Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 609 f. misst den Unterschieden zwischen akzessorischen und fiduziarischen Sicherungsrechten in Bezug auf ihre Verkehrsfähigkeit nur untergeordnete Bedeutung zu. 69 Vgl. Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 1; Westermann, in: Erman, BGB, § 401 Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 1. 70 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 386.
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§ 14 Akzessorietätsprinzip
dungsbereich des § 401 BGB sukzessive ausdehnten und den Regelungsgedanken des § 401 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf sämtliche akzessorischen Nebenund Hilfsrechte anwenden. Analoge Anwendung findet § 401 Abs. 1 BGB heute beispielsweise auf eine Vielzahl unselbstständiger Sicherungs-71 und Gestaltungsrechte72, Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung73 sowie sonstige Hilfsrechte74. Für die Ausdehnung des § 401 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Regelungsgedankens spricht außerdem die Wechselwirkung der Übergangsvorschrift mit § 399 Alt. 1 BGB, wonach unselbstständige Ansprüche nicht übertragbar sind75. Die Einschränkung der Sukzessionsfreiheit für unselbstständige Ansprüche ist nur deshalb hinnehmbar, weil die Ansprüche mit der Übertragung des Hauptrechts automatisch auf den Zessionar übergehen; die Vertragsparteien können daher mittelbar, d.h. gemeinsam mit dem Hauptrecht, auch das Nebenrecht übertragen. Notwendige Voraussetzung für den Rechtsübergang ist allerdings, dass die benannten Neben- und Hilfsrechte zur Realisierung der Forderung tatsächlich erforderlich sind oder dass die Aufspaltung eines komplexen Rechtsverhältnisses die wirtschaftliche Vermögenszuordnung beeinträchtigen würde76. Folglich gehen analog § 401 Abs. 1 BGB sämtliche Nebenrechte auf den Zessionar über, die der Verwirklichung, Verstärkung oder Sicherung des Hauptrechts zu dienen bestimmt sind, es sei denn, der Rechtsübergang setzt sich in Widerspruch zu übergeordneten Rechtsgrundsätzen77. c) Hypothek und Pfandrecht Das Akzessorietätsprinzip manifestiert sich in zwei zentralen Wirkungen, die für Hypothek und Pfandrecht im Wesentlichen übereinstimmend geregelt sind, und zwar zum einen in Form des Mitlaufgebots (§§ 401 Abs. 1, 1153 Abs. 1, 71 Vgl. (für die Vormerkung) RGZ 83, 434, 438 f.; 142, 331, 333; BGHZ 25, 16, 23; BGH NJW 1994, 2947 f.; (für die Schuldmitübernahme) BGH NJW 1972, 437, 439; 2000, 575; (für die Erfüllungsübernahme) Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 31; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 9. 72 Die Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten ist eine Frage für sich; zum Ganzen monografisch etwa Steinbeck, Übertragbarkeit (1994); siehe ferner Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177 ff.; Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 60 ff. – Unselbstständige (akzessorische) Gestaltungsrechte unterfallen § 401 BGB in analoger Anwendung: BGH NJW 1973, 1793, 1794; Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 35; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 10; Weber, in: RGRK, BGB, § 401 Rn. 19; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 181. 73 BGH ZIP 2000, 1444; NJW-RR 2003, 1555; Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 34; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 8; Weber, in: RGRK, BGB, § 401 Rn. 18; Westermann, in: Erman, BGB, § 401 Rn. 2. 74 Aus der Rechtsprechung exemplarisch BGH NJW 1998, 2134, 2135; NJW 2011, 443 Tz. 20; aus dem Schrifttum zum Ganzen Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 29 f., 33; Rosch, in: jurisPK-BGB, § 401 Rn. 12; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 13. 75 Dazu im Einzelnen oben § 4 III. 4. d) cc). 76 Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 13. 77 Vgl. auch Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 28.
III. Zuordnungsakzessorietät
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1250 Abs. 1 S. 1 BGB): das Sicherungsrecht geht gemeinsam mit der Hauptforderung auf den Erwerber über; und zum anderen in Form des Trennungsverbots (§§ 399 Alt. 1, 1153 Abs. 2 Hs. 2, 1250 Abs. 1 S. 2 BGB): die Sicherungsrechte können nicht selbstständig ohne das Hauptrecht übertragen werden78. Ebenso wie §§ 1113 Abs. 1, 1204 Abs. 1 BGB für die Begründung akzessorischer Sicherungsrechte (Entstehungsakzessorietät) gewährleisten, dass der Erwerber mit dem Forderungsinhaber identisch ist79, gewährleisten Mitlaufgebot und Trennungsverbot auch für den Übergang akzessorischer Rechte (Zuordnungsakzessorietät), dass der Erwerber des Hauptrechts mit dem Sicherungsnehmer identisch ist. aa) Schutz des sicherungsgebenden Schuldners Eine maßgebliche Implikation des Identitätsprinzips ist der Untergang des Pfandrechts gem. § 1250 Abs. 2 BGB für den Fall, dass die Beteiligten den Übergang des Pfandrechts mit der Forderung auf privatautonomer Grundlage ausschließen. Namentlich im Interesse des sicherungsgebenden Schuldners wird dadurch verhindert, dass zwar die Hauptforderung (ohne Sicherheit) übertragen wird, das Pfandrecht indes auch weiterhin dem Veräußerer zusteht und von diesem gegenüber dem Sicherungsgeber geltend gemacht werden kann. Demselben Gedanken verpflichtet ist § 1153 Abs. 2 BGB, der sich indes von § 1250 Abs. 2 BGB dadurch unterscheidet, dass die Übertragung der Hauptforderung ohne Hypothek von vornherein überhaupt ausgeschlossen ist. Die für das Pfandrecht vorgesehene Regelungsvariante, bestehend aus der Übertragung des Hauptrechts unter Erlöschen des Sicherungsrechts, ist für die Hypothek nicht vorgesehen. Es stellt sich dementsprechend die Frage, weshalb nicht auch hypothekarisch gesicherte Forderungen unter Erlöschen der Hypothek übertragen werden können. Dafür spricht prima vista das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Indes würde sich eine isolierte Forderungsübertragung mit der Funktionsfähigkeit des Grundbuchs, dem Eintragungsprinzip sowie den registerrechtlichen Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen in Widerspruch setzen: bb) Keine Forderungszession ohne Hypothek Durch Eintragung in das Grundbuch (vgl. §§ 1113, 1115 BGB) nimmt die (obligatorische) Forderung an den maßgeblichen Publizitätswirkungen des öffentlichen Registers teil80. In der Konsequenz vollzieht sich auch die Übertragung der hypothekarisch gesicherten Forderung gem. § 1154 BGB unter Beachtung einer besonderen Form. Die Übertragung der Buchhypothek erfolgt durch Ein78 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1464 bezeichnet die beiden Anordnungen als selbstverständliche Konsequenzen des Akzessorietätsdogmas. 79 Dazu ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 329 ff. 80 Siehe als weitere Implikation dieser Besonderheit sogleich die Diskussion zu § 1138 BGB unten § 14 III. 1. c) dd). – Zu diesem Punkt vgl. auch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 707 f.
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§ 14 Akzessorietätsprinzip
tragung der Abtretung in das Grundbuch; die – aus Gründen der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs81 geschaffene – Briefhypothek wird in schriftlicher Form sowie mittels Übergabe des Hypothekenbriefes übertragen. Die erhöhten Form- und Publizitätserfordernisse bedeuten in der Sache eine Fortsetzung der Registerpublizität für Transaktionen, die sich außerhalb des Grundbuchs vollziehen. Die mit dem liegenschaftsrechtlichen Eintragungsprinzip verbundenen Gewährleistungen für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, für Leichtigkeit und Vertrauensschutz im Grundstücksverkehr würden signifikant beeinträchtigt, gestattete man die isolierte Forderungszession unter Erlöschen der Hypothek. Soll die Forderung isoliert übertragen werden, muss demnach sichergestellt sein, dass die Hypothek zuvor aus dem Grundbuch gelöscht wird. Daher sieht das Hypothekenrecht für diesen Fall folgerichtig vor, dass die Hypothek zunächst aufgehoben oder auf sie verzichtet werden muss (vgl. §§ 875, 1183, 1168 BGB); erst danach kann die – nun nicht mehr hypothekarisch gesicherte – Forderung nach Maßgabe der allgemeinen Abtretungsvorschriften (§§ 398 ff. BGB) übertragen werden. Aus dem besonderen Schutzzweck des § 1153 BGB ist ferner die Folgerung abzuleiten, dass die hypothekenrechtliche Sondervorschrift – anders als § 401 Abs. 1 BGB82 – zwingender Natur ist83: Die Verbindung zwischen Forderung und Hypothek kann auf privatautonomer Grundlage nicht aufgelöst werden. Abreden, wonach entweder nur die Forderung oder nur die Hypothek auf den Erwerber übergehen sollen, sind unwirksam84. cc) Publizitätslose Pfandrechtsübertragung Die Übertragungsvorschriften für die Hypothek und das Pfandrecht unterscheiden sich weiterhin dadurch, dass zwar die Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung gem. § 1154 BGB an die Einhaltung eines besonderen Vollzugselements (Briefübergabe, Grundbucheintragung) gekoppelt ist, nicht aber auch die Übertragung der mit einem Pfandrecht besicherten Forderung. Die Pfandrechtsübertragung vollzieht sich vielmehr publizitätslos; sie braucht insbesondere nicht von der Übergabe der Pfandsache begleitet zu sein. Das bedeutet in der Sache einen bemerkenswerten Dispens von den allgemeinen Vorgaben des Traditionsprinzips, das de lege lata für die Mobiliarverpfändung – Stichwort: Faustpfandprinzip – im Einzelnen noch strenger ausgestaltet ist als das Traditionsprinzip bei der Mobiliarübereignung85. Tatsächlich lässt sich der abweichende Übertragungsmodus, der die Wirksamkeit der Forderungsabtretung an die Übergabe des Pfandgegenstands 81
So schon Motive zum BGB, Bd. 3, S. 616. BGHZ 151, 236, 239; Schulze, in: Hk-BGB, § 401 Rn. 1; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 60 III 2 b; Alexander, JuS 2012, 481, 485; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 29. 83 Statt aller Mattern, in: RGRK, BGB, § 1153 Rn. 2; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1153 Rn. 11; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 5 I 2 a. – Zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz siehe Eickmann, in: MünchKommBGB, § 1153 Rn. 8 ff. 84 KG OLGE 26, 153; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1153 Rn. 12. 85 Dazu ausf. oben § 10 V.; dort auch zu Vorschlägen de lege ferenda. 82
III. Zuordnungsakzessorietät
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knüpft, ab Mitte des 19. Jahrhunderts im pandektistischen Schrifttum und in den partikularrechtlichen Gesetzen nachweisen86. Und auch der Vorentwurf zum Sachenrecht wollte die Pfandrechtsübertragung von der Abtretung der gesicherten Forderung und der Übergabe des Pfandgegenstands abhängig machen87. Zur Begründung bemerkte Johow, dass die Übertragung des Pfandrechts als dingliches Recht durch bloßen Vertrag eine Ausnahme bilden würde, wofür es indes an praktischen Gründen fehle. Dass sich dieser Regelungsvorschlag nicht durchzusetzen vermochte, lag – nach Auffassung des historischen BGB-Gesetzgebers – an dem unliebsamen Schwebezustand, den die Regelung des sachenrechtlichen Vorentwurfs bereit war, sehenden Auges in Kauf zu nehmen, und zwar für die Zeit vom Abschluss der dinglichen Einigung bis zur Übergabe des Pfandgegenstands, „während dessen der bisherige Gläubiger die Macht behält, das Pfandrecht durch Rechtsgeschäft aufzuheben oder dem neuen Gläubiger zu verschaffen, ein zweckloses Verbleiben des Pfandes in der Hand des bisherigen Gläubigers mit sich bringen und den neuen Gläubiger, welchem der bisherige Gläubiger zur Abtretung nur obligatorisch verbunden ist, gefährden“88.
Diese Argumentation ist denkbar schwach. Das nämliche Problem stellt sich in vergleichbarem Gewand auch bei der Mobiliarübereignung. Dort erlangt der Erwerber auch erst mittels Übergabe den Sukzessionsgegenstand, obgleich er nur einen obligatorischen Leistungsanspruch gegen den Veräußerer hat, den er im Ernstfall im Klagewege durchsetzen muss. Dass sich das Pfandrecht durch seinen akzessorischen Charakter auszeichnet, ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung, weil es auf dem Boden der lex lata gerade dem Akzessorietätsprinzip entsprechen würde, die Übertragung des Pfandrechts an die Übergabe der Pfandsache zu binden. Dennoch hat der historische Gesetzgeber gut daran getan, auf das Traditionserfordernis zu verzichten. Denn anders als das liegenschaftsrechtliche Eintragungsprinzip vermag das Traditionsprinzip auch und gerade für die Mobiliarverpfändung de lege ferenda nicht zu überzeugen. Deshalb kann die rechtspolitische Forderung auch nicht dahin gehen, das Traditions- und Akzessorietätsprinzip für das Mobiliarpfandrecht zu synchronisieren und in Parallele zu § 1154 BGB einen nach außen erkennbaren Sukzessionstatbestand für die Pfandrechtsübertragung zu fordern. Vielmehr ist an dieser Stelle der rechtspolitische Appell zu erneuern, neben den bestehenden Verpfändungsmodalitäten auch ein publizitätsloses vertragliches Pfandrecht zu schaffen89, für welches eine – publizitätslose – Übertragung nach Maßgabe des § 1250 BGB nur konsequent wäre.
86 87 88 89
Vgl. dazu die Nachweise bei Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 812 f. § 446 des Vorentwurfs; vgl. dazu Johow, bei Schubert, Sachenrecht II, S. 812 f. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 836. Siehe ausf. oben § 10 V. 5.
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§ 14 Akzessorietätsprinzip
dd) Redlicher Erwerb einer forderungsentkleideten Hypothek Zum Schwur kommt es nun, wenn das Akzessorietätsprinzip, dessen Intention grundsätzlich die Erleichterung der Rechtsübertragung ist90, im Einzelfall mit den Bedürfnissen des redlichen Rechtsverkehrs kollidiert, so z.B. wenn die im Grundbuch eingetragene Hypothek mangels zu sichernder Forderung tatsächlich nicht besteht. Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems ermöglicht § 1138 BGB den redlichen Erwerb einer (forderungsentkleideten) Hypothek. Der historische Gesetzgeber entschied sich für die Erstreckung des öffentlichen Glaubens auf die zu sichernde Forderung, um zu verhindern, „daß die Neigung zur Beleihung des Grundbesitzes in den betheiligten Kreisen erheblich sich abschwächte. Das Realkreditbedürfniß kann auf volle Befriedigung nur rechnen, wenn derjenige, welcher im Vertrauen auf das Grundbuch sich eine Hypothekenforderung abtreten (…) läßt, sich darauf verlassen darf, daß er das Recht auch in Ansehung der Forderung gerade so erwirbt, wie dasselbe durch das Grundbuch ausgewiesen wird.“91
Diese Erwägungen treffen den ökonomischen Kern des § 1138 BGB92. Müsste der Erwerber nämlich befürchten, dass mangels wirksamer Forderung der Hypothekenerwerb scheitert, müsste er im Vorfeld erhebliche Informationskosten aufwenden, um den Forderungsbestand zu verifizieren; zudem trüge er das Risiko, dass sich seine Nachforschungen wider Erwarten als fehlerhaft herausstellen. Die mit der Übertragung einer hypothekarisch gesicherten Forderung verbundenen Kosten lassen sich auf Grundlage des § 1138 BGB demnach signifikant reduzieren, da der Erwerber darauf vertrauen darf, zumindest das Sicherungsrecht gutgläubig zu erwerben und später auch verwerten zu können. Im Ergebnis entschärft § 1138 BGB also das mit dem Akzessorietätsprinzip zusätzlich in den Sukzessionstatbestand der §§ 398, 1154 BGB hineingetragene Risiko, dass der Hypothekenerwerb mangels Hauptforderung scheitert. Das ist zwar nicht eben unkompliziert, aus rechtsökonomischer wie auch rechtspolitischer Perspektive aber durchweg überzeugend. Davon abgesehen bestätigt die rechtstechnische Ausgestaltung des gutgläubigen Hypothekenerwerbs einmal mehr die Geltung des Akzessorietätsprinzips im Hypothekenrecht93. Denn die Vorschrift dispensiert nicht etwa vom Erfordernis der zu sichernden Hauptforderung. Vielmehr finden die Vorschriften über den redlichen Erwerb von Grundstücksrechten nur „in Ansehung der Forderung“ Anwendung. Das Gesetz fingiert folglich das Bestehen der tatsächlich nicht bestehenden Forderung, um daraufhin den gutgläubigen Erwerb einer forderungsentkleideten Hypothek zu ermöglichen. 90 91 92 93
Siehe oben § 14 III. 1. a). Motive zum BGB, Bd. 3, S. 602, vgl. noch ebenda S. 695. Vgl. nochmals die Grundlagen des Gutglaubensprinzips oben § 11 II. Dazu und zum Folgenden Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 123.
III. Zuordnungsakzessorietät
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Abschließend stellt sich die Frage, weshalb der Gutglaubenserwerb ausschließlich für die Hypothek, nicht aber gleichermaßen für das Pfandrecht vorgesehen ist. Denn nach zutreffender, wenngleich umstrittener Auffassung94 scheidet ein redlicher (Zweit-)Erwerb des Pfandrechts aus, wenn es an einer zu sichernden Forderung fehlt. In rechtsmethodischer Hinsicht kann man darüber nachdenken, § 1138 BGB im Wege der Analogiebildung auf das Mobiliarpfandrecht zu übertragen. Indes scheitert die Anwendung des Rechtsgedankens jedenfalls an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Die Unterschiede zwischen dem liegenschaftsrechtlichen Eintragungsprinzip und dem mobiliarsachenrechtlichen Traditionsprinzip, das seine Bedeutung als rechtstatsächliches wie wissenschaftliches Paradigma inzwischen weitgehend verloren hat, sind einfach zu groß95. Ganz konkret fehlt es an einem dem Grundbuch vergleichbaren Rechtsscheinträger im Bezug auf die rechtsgeschäftliche Übertragung der durch Pfandrecht gesicherten Forderung. Zum einen ist im Zessionsrecht mit Ausnahme des § 405 BGB der redliche Erwerb von Forderungsrechten ausgeschlossen96. Zum anderen hat sich der historische Gesetzgeber für eine publizitätslose Pfandrechtsübertragung entschieden. Damit scheidet auch die Besitzübertragung, genauer: die Verwirklichung der Besitzverschaffungsmacht – im Gegensatz zum redlichen Mobiliarerwerb97 – als taugliche Legitimationsgrundlage für den redlichen Pfandrechtserwerb aus. Gleiches muss gelten, wenn zwar die zu sichernde Forderung besteht, ein wirksames Pfandrecht indes nicht bestellt worden ist98. d) Übergang nichtakzessorischer Sicherungsrechte Die Akzessorietät unselbstständiger Sicherungsrechte ist nur eine Möglichkeit, eine rechtliche Verknüpfung zwischen Haupt- und Sicherungsrecht herzustellen. Die bisher beschriebenen Akzessorietätstatbestände haben eine feste Verankerung im positiven Zivilrecht und seiner Dogmatik gefunden. Die maßgeb94
Flad, in: Planck, BGB, § 1250 Anm. 1 a; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1250 Rn. 6; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1250 Rn. 4; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 34 Rn. 16; Prütting, Sachenrecht, Rn. 819; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 132 I 1 b; Wolff/ Raiser, Sachenrecht, § 170 II 1; Quantz, Besitz, S. 270, 301 f.; Latta/Rademacher, JuS 2008, 1052, 1053; im Grundsatz ebenso, anders aber für Ausnahmekonstellationen (§ 405 BGB, Art. 16 WG) Damrau, in: MünchKommBGB, § 1250 Rn. 3; vgl. auch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 837; a.A. Bülow, in: AnwKommBGB, § 1250 Rn. 5; Heck, Sachenrecht, § 105 V; H. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., § 132 I 1 b; Wieling, Sachenrecht I, § 15 VIII 1 b; J. Hager, Verkehrsschutz, S. 96 ff., 311 ff. 95 Zum Ganzen siehe oben § 10. 96 Dazu näher oben § 11 III. 6. 97 Siehe oben § 11 III. 4. 98 Im Ergebnis ebenso Damrau, in: MünchKommBGB, § 1250 Rn. 3; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 1250 Rn. 4; Prütting, Sachenrecht, Rn. 819; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1859; Reinicke, NJW 1964, 2373, 2376 ff.; Tiedtke, WM 1981, 1097, 1098; Reinicke/Tiedtke, JA 1984, 202, 212; Quantz, Besitz, S. 270; Latta/Rademacher, JuS 2008, 1052, 1053; vgl. noch Motive zum BGB, Bd. 3, S. 837.
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lichen Akzessorietätswirkungen treten in diesen Fällen ex lege ein, ohne dass sich die Vertragsparteien ausdrücklich darauf verständigen müssen. Wo es an einer kraft Gesetzes angeordneten Forderungsgebundenheit indes fehlt, steht es den Parteien frei, durch vertragliche Abreden zwei selbstständige Rechte auf schuldrechtlicher Grundlage miteinander zu verknüpfen. Eine Variante ist die privatautonome Nachahmung der Akzessorietätswirkung, indem der Übergang des Sicherungsrechts unter der aufschiebenden Bedingung der Hauptrechtsübertragung vereinbart wird99. Da die Rechtsstellung des Erwerbers durch den Übergang des Nebenrechts berührt wird, verlangt das Konsensprinzip allerdings, dass sich der potenzielle Erwerber bereits im Vorfeld mit dem Übergang des Sicherungsrechts einverstanden erklärt. Da die Übertragung des Hauptrechts zu diesem Zeitpunkt typischerweise noch kein Thema sein wird, ist diese Lösung indes praktisch wertlos. Zudem tritt eine akzessorische Verknüpfung nichtakzessorischer Rechte, wie namentlich bei der Sicherungsübereignung und der Sicherungsgrundschuld in ein bedenkliches Spannungsverhältnis zum sachenrechtlichen Typenzwang100. In dieser Hinsicht wird man eine akzessorisch ausgestaltete Sicherungszession zwar als unbedenklich ansehen können; das gesetzliche Schuldnerschutzsystem der §§ 404, 406 ff. BGB muss aber jedenfalls unberührt bleiben. Es besteht daher die Gefahr, dass der Drittschuldner in Unkenntnis des Forderungsübergangs noch mit befreiender Wirkung an den Zedenten leistet und so die mit der Vereinbarung intendierte Schutzwirkung aushebelt. Um dies zu vermeiden, müsste man die Sicherungsabtretung dem Drittschuldner gegenüber offenlegen, was typischerweise nicht dem Interesse der Beteiligten entspricht. Und schließlich hätte die akzessorische Abhängigkeit von Haupt- und Nebenforderung die unliebsame Folge, dass sich mit einer Verminderung der Hauptschuld auch die sicherungszedierte Nebenforderung verringert. Angesichts dieser rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten wählt die Praxis für die Verknüpfung von Haupt- und Sicherungsrecht auf schuldrechtlicher Ebene typischerweise das Instrument des Sicherungsvertrages101. Er ist das rechtliche Bindeglied der fiduziarischen Sicherheiten, namentlich der Sicherungsübereignung, Sicherungsgrundschuld und Sicherungszession, deren praktische Bedeutung für die Sicherungspraxis und die gesamte Wirtschaftsordnung kaum zu überschätzen ist. Der maßgebliche Vorteil nichtakzessorischer Sicherungsrechte liegt darin, dass sie typischerweise die Auswechselung der zu sichernden Hauptforderung ohne weiteres erlauben. Der zentrale Unterschied zwischen den beiden Verknüpfungsmodi besteht darin, dass die gesetzliche 99
Dazu und zum Folgenden Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 525. Ablehnend im Hinblick auf eine akzessorische Sicherungsübereignung etwa Jauernig, NJW 1982, 268, 270 f.; Tiedtke, DB 1982, 1709, 1711; zum Problemkreis ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 64 ff. 101 Für Einzelheiten zum Inhalt des Sicherungsvertrags vgl. nur Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 69 ff.; Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 25 ff.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1191 Rn. 17. 100
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Verbindung akzessorischer Sicherungsrechte zum Hauptrecht eine unmittelbare ist, während die sicherungsvertragliche Verbindung bei den fiduziarischen Rechten nur mittelbarer Natur ist102. Deshalb sind Sicherungsübereignung, Sicherungsgrundschuld und Sicherungszession regelmäßig auch dann wirksam, wenn das zu sichernde Hauptrecht nicht zur Entstehung gelangt, es sei denn, die Entstehung der Sicherungsrechte ist durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung iSd. § 158 Abs. 1 BGB an die Wirksamkeit der Hauptforderung gebunden. Zudem gehen nichtakzessorische Sicherungsrechte auch nicht automatisch mit der Übertragung des Hauptrechts auf den Erwerber über103. Sicherungsübereignung104, Sicherungsgrundschuld105 und Sicherungsabtretung106 werden von § 401 BGB nicht – auch nicht im Wege analoger Anwendung – erfasst. Es bedarf folglich einer gesonderten Übertragung des fiduziarischen Sicherungsrechts. Das ist grundsätzlich unproblematisch, da es sich bei nichtakzessorischen Sicherheiten typischerweise um selbstständige Vermögensrechte handelt, deren Übertragung nicht an § 399 Alt. 1 BGB scheitert. Auch wenn sich die Vertragsparteien gesondert darauf einigen müssen, über fiduziarische Sicherungsrechte zu verfügen, anerkennen Rechtsprechung und Schrifttum unter Bezugnahme auf den Rechtsgedanken des § 401 BGB eine Nebenpflicht des Zedenten, die mit der übertragenen Hauptforderung verbundenen nichtakzessorischen Sicherungsrechte an den Zessionar zu übertragen107. Die Annahme einer auf Übertragung des Sicherungsrechts gerichteten Nebenpflicht entbindet den Veräußerer indes nicht von seinen Verpflichtungen aus dem Sicherungsvertrag gegenüber dem Sicherungsgeber. Aus diesem Grund hält ein Teil des Schrifttums die Übertragung des Sicherungsrechts nur mit Zustimmung des Sicherungsgebers für zulässig108. Der Zedent ist nach dieser Auffassung verpflichtet, beim Sicherungsgeber die Zustimmung zur Übertragung 102
Vgl. auch Pöggeler, JA 2001, 65, 66. Vgl. aber die Entscheidung BGH NJW 1982, 275, die im Schrifttum zu Recht gemeinhin als Ausreißer eingestuft wird; vgl. Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh. § 929 Rn. 10. 104 BGHZ 42, 53, 56; 78, 137, 143; Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 37; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 5; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 14; Weber, in: RGRK, BGB, § 401 Rn. 26 ff.; a.A. v. Rintelen, Übergang (1996). 105 RGZ 135, 272, 274; BGHZ 80, 228, 232; BGH WM 1969, 209, 210 f.; NJW 1974, 100, 101; Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 40; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 5; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 401 Rn. 9; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 3. 106 BGHZ 78, 137, 143; Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 37 a.E.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 5; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 401 Rn. 9; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 14; Weber, in: RGRK, BGB, § 401 Rn. 26 ff.; Becker-Eberhard, Forderungszuständigkeit, S. 526 ff.; a.A. v. Rintelen, Übergang (1996). 107 RGZ 89, 193, 195; 91, 277, 279 f.; BGHZ 42, 53, 56 f.; 80, 228, 232; aus dem Schrifttum ebenso z.B. Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 39; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 5; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 401 Rn. 3; Larenz, Schuldrecht I, § 34 I Fn. 5; zur dogmatischen Begründung ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 526 ff. 108 So insbesondere Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 14; Westermann, in: Erman, BGB, § 401 Rn. 4; kritisch auch Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 5 I 4 e. 103
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des Sicherungsrechts einzuholen. Verweigert der Sicherungsgeber seine Zustimmung, scheitert der Rechtsübergang. Dieses Ergebnis ist indes mit dem Regelungszweck des § 401 BGB ebenso wenig in Einklang zu bringen wie mit der typischen Interessenlage der beteiligten Akteure. Weder ein Verbleib des Sicherungsrechts in der Hand des Zedenten noch ein ersatzloser Wegfall entspricht dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten109. Zudem wird der Erwerber bereit sein, für die Hauptforderung einen höheren Preis zu bezahlen, wenn er gegen den Veräußerer einen Anspruch auf Übertragung der fiduziarischen Sicherungsrechte geltend machen und auch gegen den Willen des Sicherungsgebers durchsetzen kann. Damit wird nicht nur verhindert, dass der Sicherungsgeber die Übertragung des Sicherungsrechts aus strategischen Gründen verhindert (Hold-up-Situation). Wenn das Sicherungsrecht auch gegen seinen Willen übertragen werden kann, werden auch Transaktionskosten für etwaige Verhandlungen mit dem Sicherungsgeber eingespart. Insgesamt fördert die h.M. folglich das Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und entspricht damit zugleich dem übergeordneten Postulat der Sukzessionsfreiheit. Der Schutz des Verkehrsinteresses geht auch nicht zulasten des Sicherungsgebers. Er ist gem. § 404 BGB nämlich berechtigt, die aus dem Sicherungsvertrag resultierenden Einreden gegenüber dem Zessionar geltend zu machen. Namentlich kann der Sicherungsgeber verlangen, dass die abgetretene Forderung nur Zugum-Zug gegen die Rückübertragung des Sicherungsrechts erfüllt wird110. Ferner trifft den Zedenten auch die Nebenpflicht, die ihm gegenüber dem Sicherungsgeber obliegenden Verpflichtungen aus dem Sicherungsvertrag im Rahmen der Übertragung des Sicherungsrechts auch dem Zessionar aufzuerlegen111. Das geschieht in rechtskonstruktiver Hinsicht durch einen Schuldbeitritt des Zessionars und führt im Ergebnis zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Vertragspartner gegenüber dem Sicherungsgeber112. Sollten diese Mechanismen zum Schutz des Sicherungsgebers im Einzelfall nicht ausreichen, etwa weil die Bestellung des Sicherungsmittels auf einer besonders engen Vertrauensbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer (Zedent) beruht113, mag man die Übertragung des Sicherungsrechts ausnahmsweise von der Zustimmung des Sicherungsgebers abhängig machen. Mit Blick auf den hohen Stellenwert der Sukzessionsfreiheit sind an die Annahme einer solchen Ausnahmesituation indes strenge Anforderungen zu stellen. Nur wenn die ohne Zustimmung erfolgte Sicherheitenübertragung nach allgemeinen Grundsätzen als treuwidrig erscheint, ist ihr die Wirksamkeit wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben zu versagen. 109
Siehe zur Akzessorietät oben § 14 III. 1. a) aa). Oechsler, in: MünchKommBGB, Anh § 929 Rn. 46. 111 BGH NJW 1997, 461, 463; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 401 Rn. 5; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 171, 197 f.; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 558; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 5 I 4 e. 112 Busche, in: Staudinger, BGB, § 401 Rn. 39; Stadler, AcP 197 (1997), 529, 534. 113 Vgl. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 90 ff. 110
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Über die konkrete Ausgestaltung des Sicherungsvertrages entscheiden letztlich die Vertragsparteien auf privatautonomer Grundlage. Dementsprechend können sie auch die bezeichneten Nebenpflichten des Sicherungsnehmers näher ausgestalten, sie ausdehnen oder einschränken. Sind die Parteien des Sicherungsvertrages beispielsweise daran interessiert, in Zukunft weitere Kreditgeschäfte abzuschließen, die durch die Bestellung fiduziarischer Rechte gesichert werden sollen, dann macht es Sinn, den Sicherungsnehmer von der Verpflichtung zu entbinden, das Sicherungsrecht gemeinsam mit der Hauptforderung an einen potenziellen Erwerber zu übertragen. Außerdem kann die isolierte Abtretung der Hauptforderung de lege lata durch Vereinbarung einer Abtretungsbeschränkung iSd. § 399 Alt. 2 BGB ausgeschlossen werden114. Ohne die Zustimmung des potenziellen Erwerbers – Konsensprinzip (!) – sind die Parteien des Sicherungsvertrags indes effektiv daran gehindert, auf privatautonomer Grundlage eine akzessorische Verbindung zwischen Haupt- und Sicherungsrecht herzustellen115.
2. Erlöschen akzessorischer Nebenrechte bei der Schuldübernahme Übertragt man den Regelungsgedanken des § 401 Abs. 1 BGB von der Forderungszession auf die privative Schuldübernahme, dann müssten akzessorische Sicherungsrechte prima vista im Interesse des Gläubigers auch für die Schuld des Übernehmers fortwirken. Dementsprechend betonen auch die Motive im Anschluss an die Redaktionsvorlage v. Kübels116, dass „alle zur Verstärkung dienenden Nebenrechte“ entsprechend dem „Prinzip der Sondernachfolge“ im Fall der Schuldübernahme an sich fortdauern müssten117. Das glatte Gegenteil bestimmt allerdings § 418 Abs. 1 BGB: Mit der privativen Schuldübernahme erlöschen für die Forderung bestellte Bürgschaften und Pfandrechte; Hypotheken verwandeln sich in Eigentümergrundschulden (§ 418 Abs. 1 S. 2 iVm. §§ 1168 Abs. 1, 1177 Abs. 1 BGB). Nur wenn der Sicherungsgeber einwilligt, bestehen die akzessorischen Sicherungsrechte fort (§ 418 Abs. 1 S. 3 BGB). Wie ist das grundsätzliche Erlöschen akzessorischer Sicherungsrechte nun mit dem Akzessorietätsprinzip in Einklang zu bringen? a) Normzweck: Schutz der Sicherungsgeber Maßgeblicher Ansatzpunkt für das Verständnis des § 418 BGB ist die Personengebundenheit der Sicherungsrechte in dem Sinne, dass der Sicherungsgeber typischerweise nur das Ausfallrisiko eines ganz bestimmten Schuldners überneh114 115 116 117
Vgl. BGH NJW-RR 1991, 305; Roth, in: MünchKommBGB, § 401 Rn. 3. Pöggeler, JA 2001, 65, 68; ausf. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 64 ff. Siehe v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 997 f. Motive zum BGB, Bd. 2, S. 147.
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men will118. Der Sicherungsgeber übernimmt sein Pflicht „mit Rücksicht und im Vertrauen auf die Persönlichkeit und die Vermögensumstände des Schuldners“119. Kommt es infolge privativer Schuldübernahme zu einem Wechsel des Schuldners, verändert sich auch das Ausfallrisiko für den Sicherungsgeber. Um zu verhindern, dass sich der Sicherungsgeber einem höheren Ausfallrisiko gegenübersieht, bindet § 418 Abs. 1 S. 3 BGB den Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte an die Zustimmung des Sicherungsgebers. Mit seiner Einwilligung entfällt der Rechtsgrund für den besonderen Schutz des Sicherungsgebers120. Mit dem Erlöschen der akzessorischen Sicherungsrechte gewichtet § 418 BGB das Interesse des Sicherungsgebers, nicht weiter haften zu müssen als ursprünglich vereinbart, höher als das Sicherungsinteresse des Gläubigers. Das ist auf der Grundlage des geltenden Rechts in rechtspolitischer Hinsicht vollkommen überzeugend: Zum einen werden hiermit die Wertungen des Konsensprinzips im Verhältnis zum Sicherungsgeber beachtet. Zum anderen kann der Gläubiger nicht verlangen, dass ihm das Sicherungsrecht jedenfalls auch nach Übernahme der Schuld durch einen Neuschuldner zugutekommt. Akzeptiert er nämlich den neuen Schuldner, muss ihm bewusst sein, dass er damit die personenbezogene Sicherung aufs Spiel setzt121. Der Gläubiger kann den Verlust des Sicherungsrechts folglich dadurch verhindern, dass er sein Einverständnis zur Schuldübernahme verweigert oder sie an die Zustimmung des Sicherungsgebers iSd. § 418 Abs. 1 S. 3 BGB bindet. b) Übertragung auf fiduziarische Sicherheiten Der in § 418 Abs. 1 BGB niedergelegte Rechtsgedanke trägt nicht nur für akzessorische, sondern auch für fiduziarische Sicherheiten. Die Risikosituation des Sicherungsgebers ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung für beide Sicherungsrechte vergleichbar. Auch die nichtakzessorischen Sicherheiten sind durch ihre Personengebundenheit und das schuldnerbezogene Ausfallrisiko gekennzeichnet. Der Sicherungsgeber hat ein schutzwürdiges Interesse daran, nur für den ursprünglichen Schuldner einstehen zu müssen. Eine Ausdehnung der Sicherung auf den Schuldübernehmer ist von seinem ursprünglichen, im Sicherungsvertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen nicht mehr gedeckt. Da wertungsmäßig in diesem Zusammenhang keine signifikanten Un118 Vgl. auch Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 423 sowie pointiert Lüderitz, in: StudKommBGB, § 418 Anm. 1: „Man sagt nicht für jedermann gut.“ 119 So ausdrücklich schon v. Kübel, Vorentwurf, bei Schubert, Schuldrecht I, S. 997; siehe ferner RG WarnRspr 1916 Nr. 222; BGH WM 1966, 577, 579; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 418 Rn. 1; Schuhmacher BKR 2013, 270, 271. 120 Vgl. noch RG WarnRspr 1916 Nr. 222; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 418 Rn. 6. 121 Vgl. auch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 418 Rn. 3: „Die Zustimmung des Gläubigers zur Schuldübernahme wirkt gleich einem Verzicht auf die ihm gewährten Sicherheiten“; siehe noch Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1467.
IV. Zusammenfassung
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terschiede zwischen akzessorischen und fiduziarischen Sicherheiten bestehen, findet § 418 Abs. 1 BGB auch auf nichtakzessorische Sicherungsrechte Anwendung122. Mangels akzessorischer Verknüpfung zwischen Hauptforderung und Sicherheit, beispielsweise beim Sicherungseigentum oder der Sicherungsgrundschuld, führt die Schuldübernahme aber nicht zu einem automatischen Erlöschen des Sicherungsrechts123. Vielmehr ergibt sich jeweils aus dem Sicherungsvertrag mit Rücksicht auf den Regelungsgedanken des § 418 Abs. 1 BGB ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsrechts124. Dieser Anspruch ist analog § 418 Abs. 1 S. 3 BGB freilich ausgeschlossen, wenn der Sicherungsgeber seine Zustimmung zur Erweiterung des Sicherungszwecks erteilt125.
IV. Zusammenfassung Das Akzessorietätsprinzip ist eine zentrale Implikation des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips und bezeichnet im Allgemeinen die Abhängigkeit eines Rechts von einem anderen. Im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Sukzession sind zwei Ausprägungen des Akzessorietätsprinzips von Belang: zum einen die Entstehungsakzessorietät bei Begründung akzessorischer Nebenrechte durch konstitutive Nachfolge und zum anderen die Zuordnungsakzessorietät bei der Übertragung akzessorischer Nebenrechte durch translative Nachfolge. Streng akzessorisch ausgestaltet ist das Pfandrecht an beweglichen Sachen und Forderungen, das ohne eine zu sichernde Forderung gem. § 1204 Abs. 1 BGB nicht zur Entstehung gelangt. Eine Lockerung sieht in diesem Zusammenhang das Hypothekenrecht vor: Ohne zu sichernde Forderung entsteht an dem belasteten Grundstück zumindest eine Eigentümergrundschuld, die dem Eigentümer den Rang des eingetragenen Rechts gegenüber nachrangigen Liegenschaftsrechten sichern soll (Ranginteresse). Diese Regelung ist in rechtspolitischer Hinsicht auch vor dem Hintergrund rechtstatsächlicher Änderungen der deutschen Sicherungspraxis nach wie vor überzeugend. Gleiches gilt für eine weitere Einschränkung des Akzessorietätsprinzips durch Zulassung akzessorischer Nebenrechte für zukünftige und bedingte Forderungen (vgl. §§ 1113 122
So auch BGHZ 115, 241, 244; BGH WM 1966, 577, 579; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 418 Rn. 2; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 418 Rn. 12 ff.; Weber, in: RGRK, BGB, § 418 Rn. 2; Röthel, in: Erman, BGB, § 418 Rn. 2; Schuhmacher BKR 2013, 270, 271; Maurer, Schuldübernahme, S. 289 ff. 123 Offen gelassen von BGHZ 115, 241, 246; a.A. Schreiber, in: Soergel, BGB, § 418 Rn. 1: automatischer Rückfall des Eigentums bei der Sicherungsübereignung. 124 Vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 418 Rn. 12; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 III; Boeck, LZ 1922, 241, 242; Schuhmacher BKR 2013, 270, 271; differenzierend Maurer, Schuldübernahme, S. 291, der sich zwar bei der Sicherungsübereignung für einen Rückgewähranspruch ausspricht, bei der Sicherungsgrundschuld aber einen automatischen Rückfall annimmt. 125 Vgl. mit abweichender Konstruktion Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1476.
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Abs. 2, 1204 Abs. 2 BGB). In Fortschreibung des minimalistischen Bestimmtheitsansatzes muss das Sicherungsrecht aber auch in diesem Fall auf hinreichend bestimmbare Forderungen bezogen sein. Der automatische Übergang akzessorischer Nebenrechte gemeinsam mit dem übertragenen Hauptrecht gem. § 401 BGB dient zum einen der vollumfänglichen Verwirklichung des Hauptrechts in der Person des Erwerbers (Erwerberschutz) und minimiert zum anderen die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Sicherungsgebers (Sukzessionsschutz). Darüber hinaus dient der akzessorische Übergang dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Verkehrsschutz). Da zusätzliche Transaktionskosten und externe Effekte, die mit anderen Übertragungsmodi verbunden wären, nicht anfallen, hält das Akzessorietätsprinzip auch einer ökonomischen Analyse stand. Dennoch kann eine nichtakzessorische Ausgestaltung des Sicherungsrechts von Vorteil sein, wenn bei einer langjährigen Geschäftsbeziehung nicht die Übertragung des Sicherungsrechts im Vordergrund steht, sondern die dauerhafte Nutzung des Sicherungsrechts für wechselnde Forderungen. Die Zuordnungsakzessorietät manifestiert sich für Pfandrecht und Hypothek in zwei zentralen Wirkungen, und zwar zum einen in Form des Mitlaufgebots: das Sicherungsrecht geht gemeinsam mit der Hauptforderung auf den Erwerber über, und zum anderen in Form des Trennungsverbots: die Sicherungsrechte können nicht selbstständig ohne das Hauptrecht übertragen werden. Ebenso wie bei Begründung akzessorischer Sicherungsrechte gewährleisten Mitlaufgebot und Trennungsverbot für den Übergang akzessorischer Rechte, dass der Erwerber des Hauptrechts mit dem Sicherungsnehmer identisch ist. Dies dient primär dem Schutz des sicherungsgebenden Schuldners, der hierdurch effektiv gegen eine doppelte Inanspruchnahme geschützt wird. Während das Pfandrecht gem. § 1250 Abs. 2 BGB erlischt, sollte der Zedent die Hauptforderung ohne das Pfandrecht an den Erwerber übertragen wollen, scheidet die Übertragung der hypothekarisch gesicherten Forderung gem. § 1153 Abs. 2 BGB von vornherein aus, wenn nicht zugleich auch die Hypothek auf den Erwerber übergehen soll. Der Ausschluss der isolierten Forderungsübertragung im Hypothekenrecht dient der Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems, dem Eintragungsprinzip sowie den registerrechtlichen Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen. Da die Hauptforderung an den Publizitätswirkungen des Grundbuchs teilnimmt, ist die zwingende Ausgestaltung des § 1153 Abs. 2 BGB nur konsequent. Bemerkenswert ist die publizitätslose Übertragung des Pfandrechts. Sie tritt in Widerspruch zur strengen Ausgestaltung des mobiliarsachenrechtlichen Traditionsprinzips für die Mobiliarverpfändung. Auf Grundlage des Traditionsprinzips wäre es nur konsequent, wenn die Pfandrechtsübertragung an die Übergabe der Pfandsache geknüpft würde. Angesichts der gegenwärtigen Krise des Traditionsprinzips sollte indes umgekehrt eine Anpassung des Begründungs- an den Übertragungstatbestand erfolgen und ein publizitätsloses vertragliches Pfandrecht geschaffen werden.
IV. Zusammenfassung
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Der redliche Erwerb einer forderungsentkleideten Hypothek gem. § 1138 BGB bedeutet eine konsequente Fortschreibung des Gutglaubenserwerbs. Da die hypothekarisch gesicherte Forderung ins Grundbuch eingetragen wird, ist es nur konsequent, auch die registerrechtliche Gutglaubenswirkung auf die Forderung zu übertragen. Die hiermit verbundene Lockerung des Akzessorietätsprinzips ist aus Verkehrsschutzgründen hinzunehmen. Demgegenüber scheidet ein redlicher Zweiterwerb des Pfandrechts aus. Für einen Gutglaubenserwerb mangelt es an einem tauglichen Rechtsscheinträger. Nichtakzessorische Rechte gehen nicht automatisch gemeinsam mit dem Hauptrecht über. Es bedarf einer separaten Rechtsübertragung. Der Zedent ist in Ansehung des § 401 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedankens allerdings verpflichtet, die mit der Hauptforderung verbundenen nichtakzessorischen Sicherungsrechte an den Zessionar zu übertragen. Zudem ist der Zedent verpflichtet, mit dem Zessionar die Geltung des Sicherungsvertrags zu vereinbaren. Im Übrigen ist der Sicherungsgeber durch die Anwendung der §§ 404, 406 ff. BGB hinreichend geschützt, so dass auch die Literaturauffassung abzulehnen ist, die die Übertragung nichtakzessorischer Sicherungsrechte von der Zustimmung des Sicherungsgebers abhängig machen will. Bei der privativen Schuldübernahme erlöschen gem. § 418 Abs. 1 BGB grundsätzlich die akzessorischen Sicherungsrechte der übernommenen Forderung, weil sich der Sicherungsgeber typischerweise in Ansehung eines ganz bestimmten Schuldners verpflichtet. Nur wenn der Sicherungsgeber zustimmt, bleibt das Sicherungsrecht auch in Bezug auf den Schuldübernehmer wirksam. Der § 418 BGB zugrunde liegende Regelungsgedanke trägt auch für nichtakzessorische Sicherheiten. Mangels akzessorischer Verknüpfung erlöschen fiduziarische Sicherungsrechte indes nicht automatisch. Vielmehr resultiert aus dem Sicherungsvertrag ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch.
§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes Nach Maßgabe des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips lässt die Nachfolge die Ausgestaltung und den Charakter der übertragenen Vermögensposition unberührt1. Dementsprechend erlangt der Sukzessor den Verfügungsgegenstand so, wie er in der Hand des Veräußerers bestand. Das Identitätsprinzip entfaltet seine Rechtswirkungen allerdings nicht nur zwischen den Parteien des Sukzessionsgeschäfts, sondern auch gegenüber mittelbar von der Transaktion tangierten (Dritt-)Beteiligten. Diese Facette eines weit verstandenen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips wird hier als Prinzip des Sukzessionsschutzes bezeichnet. Das Sukzessionsschutzprinzip ist als Schutzprinzip zugunsten von Personen zu verstehen, die am Nachfolgegeschäft nicht selbst als Vertragsparteien beteiligt und daher auch nicht durch das Einigungsprinzip2 geschützt sind. Weil sie sich infolge der Sukzession mit einem anderen Rechtssubjekt konfrontiert sehen, das sie sich nicht selbst als Vertragspartei ausgesucht haben (Stichwort: Kontrahentenwahlfreiheit3), werden ihre berechtigten Interessen durch besondere Rechtsvorschriften und Grundsätze geschützt4. In diesem Sinne beantwortet das Sukzessionsschutzprinzip in seinen unterschiedlichen Schattierungen die Frage, welche mittelbaren Implikationen die Nachfolge für Drittbeteiligte zeitigt, die in einer rechtlich relevanten Beziehung zu dem Verfügungsgegenstand stehen. Das betrifft im Wesentlichen drei verschiedene Personengruppen, deren Rechtsstellung von Gesetzes wegen differenziert ausgestaltet ist, und zwar (1.) die Inhaber beschränkter Rechte, wie z.B. Pfandgläubiger oder Nießbraucher, (2.) die Gegenpartei eines obligatorischen Rechts, beispielsweise den Schuldner einer abgetretenen Forderung oder den Gläubiger einer übernommenen Schuld, und – ausnahmsweise – (3.) die Inhaber bestimmter obligatorischer Rechte, namentlich den Vormerkungsberechtigten oder den Grundstücksmieter. In sämtlichen Fallgruppen fungiert das Prinzip des Sukzessionsschutzes sowohl als zentrales Struktur- wie auch als Wertungsprinzip der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Seine systematische, dogmatische und ökonomische Bedeutung ist Gegenstand des vorliegenden Abschnitts. 1
Siehe nochmals oben § 13 I. 3. Zum Einigungsprinzip siehe oben § 6. 3 Dazu oben § 4 II. 2. 4 Vgl. auch Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 15 II: „Es liegt keine Veränderung beim Subjekt selbst vor, sondern eine Veränderung in der Beziehung des Subjekts zu einem bestimmten Rechtsverhältnis. Immerhin liegt – von diesem Rechtsverhältnis aus gesehen – ein Wechsel oder Austausch eines beteiligten Subjekts vor (…)“. 2
I. Herleitung und Grundlagen
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I. Herleitung und Grundlagen 1. Begriff des Sukzessionsschutzes In seiner klassischen Lesart bezieht sich der Begriff des Sukzessionsschutzes auf die erste Fallgruppe. Nach diesem engen Begriffsverständnis bezeichnet Sukzessionsschutz die Eigenschaft beschränkter (dinglicher) Rechte bei der Übertragung des Stammrechts als Belastung auf den Erwerber überzugehen (II.)5. Legt man – wie es das moderne Schrifttum zu Recht tut6 – ein extensives Begriffsverständnis zugrunde, können die Schuldnerschutzvorschriften des Zessionsrechts gem. §§ 404, 406 ff. BGB als Gewährleistungen eines abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzes aufgefasst werden (III.). Gleiches gilt für die Gläubigerschutzvorschriften der Schuldübernahme (IV.), die – gemeinsam mit den Schuldnerschutzvorschriften des Zessionsrechts – das normativ-teleologische Fundament des vertragsübernahmerechtlichen Sukzessionsschutzes bilden (V.). Gleichsam zwischen diesen Polen ist der Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte anzusiedeln, der – durch gesetzliche Sondervorschriften vermittelt – untrennbar mit der Debatte um die Verdinglichung von Obligationen verbunden ist (VI.). Tatsächlich könnte man den Begriff des Sukzessionsschutzes noch weiter fassen und außerdem sämtliche Schutzmechanismen einbeziehen, die ungewollte Sukzessionen überhaupt verhindern. Nach diesem Verständnis wären vom Prinzip des Sukzessionsschutzes auch das Einigungsprinzip, Formerfordernisse und alle weiteren Strukturprinzipien auf Tatbestandsebene der rechtsgeschäftlichen Sukzession umfasst. Damit verlöre der Begriff des Sukzessionsschutzes indessen jedwede Umgrenzung und wäre als dogmatische Kategorie weitgehend entwertet. Deshalb soll es zum Zweck der vorliegenden Untersuchung dabei bleiben, das Prinzip des Sukzessionsschutzes auf die Interessen der nicht (als Vertragsparteien) unmittelbar am Sukzessionsgeschäft beteiligten Rechtssubjekte zu beschränken. Für dieses Begriffsverständnis spricht auch der gemeinsame Kern der hier behandelten Erscheinungsformen7: Das Sukzessionsschutzprinzip bildet das maßgebliche Pendant zur Sukzessionsfreiheit. Es kompensiert den mit der Sukzessionsfreiheit verbundenen Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit. Weil 5 Prägend für den Begriff des Sukzessionsschutzes war Eichler, Institutionen I, S. 7: „Successionsschutz“; die Grundidee lässt sich zurückverfolgen bis zu Raape, JhJ 74 (1924), 179, 222, 248: „Sichbehaupten des Rechts gegenüber dem späteren Eigentümer der Sache“; dazu weiter Canaris, FS Flume I, S. 371, 373 f.; Dörner, Relativität, S. 87 ff.; Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 80 f.; Füller, Sachenrecht, S. 54 ff.; Petersen, Jura 2012, 279 ff.; vgl. außerdem Raiser, Anwartschaften, S. 33; Forkel, Grundlagen, S. 154 f. 6 So Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 192; Petersen, Jura 2012, 279 ff.; gleichsinnig Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 III 5 b: „Sukzessionsschutz nach einem Gläubigerwechsel“; Schnorr, Gemeinschaft, S. 16: „umfassende(r) Sukzessionsschutz“; vgl. noch Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71a Rn. 28; Sosnitza, Besitz, S. 285; E. Wagner, WM 2010, 202, 205. 7 Siehe dazu schon oben § 4 II. 2.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
beschränkte Rechtsinhaber und Forderungsschuldner die Übertragung des Stammrechts nicht verhindern können und weil sie sich infolge der Transaktion mit einem Rechtssubjekt konfrontiert sehen, das sie sich nicht durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung ausgesucht haben, macht das Sukzessionsschutzprinzip die Rechtsstellung der vom Nachfolgevorgang mittelbar berührten Drittbeteiligten sukzessionsfest. Auf diese Weise wird eine Veränderung, insbesondere Beeinträchtigung, der Rechtsstellung von Drittbeteiligten vermieden und gewährleistet, dass Sukzessionsvorgänge nicht auf Kosten mittelbar beteiligter Rechtssubjekte durchgeführt werden können.
2. Phänomenologie Das Prinzip des Sukzessionsschutzes ist für die einzelnen Übertragungstatbestände de lege lata sehr heterogen ausgestaltet. Zentral ist zunächst die Differenzierung danach, ob Drittbeteiligte ihre Interessen im Vorfeld des Sukzessionsgeschäfts geltend machen können (präventiver Sukzessionsschutz) oder ob ihre Rechtsstellung im Nachgang der Transaktion gewährleistet wird (postventiver Sukzessionsschutz)8. So kann der Forderungsgläubiger die privative Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB ex ante verhindern, indem er seine Zustimmung verweigert9. Beschränkte Rechtsinhaber und Forderungsschuldner können die Transaktion hingegen nicht präventiv verhindern. Ihre Rechtsstellung wird mit Wirkung ex post durch besondere Sukzessionsschutzvorschriften geschützt. Vorbehaltlich eines redlichen lastenfreien Erwerbs10 erlangt der Nachfolger das Stammrecht belastet mit dem beschränkten Recht. Der Forderungsschuldner wird nach Maßgabe der §§ 404, 406 ff. BGB vor Rechtsnachteilen geschützt. Insbesondere muss er infolge der Forderungszession keine Verschlechterung seiner persönlichen Rechtsstellung hinnehmen. Hinzu kommen die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Sukzessionsschutzes für obligatorische Rechte. Sie sind zum Teil als Verfügungsbeschränkungen (§§ 161 Abs. 1 S. 1, 883 Abs. 2 BGB), Vertrags- (§ 566 BGB) oder Einwendungserstreckung (§ 986 Abs. 2 BGB), als Belastung (§ 1010 BGB) oder als inhaltliche Konkretisierung eines dinglichen Rechts (vgl. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG, § 2 ErbbauRG) konstruiert.
8
Abweichender Sprachgebrauch bei Dörner, Relativität, S. 92: „Sukzessionsschutz ist daher Präventivschutz“; Hervorhebung auch im Original. Er setzt den Präventivschutz in Beziehung zu einer (postventiven) Gewährung von bloßen Rechtsschutzansprüchen, namentlich der Leistung von Schadensersatz als Rechtsfolge der Entziehung bzw. Beeinträchtigung der Rechtsposition. 9 Dazu schon ausf. oben § 4 II. 5. 10 Siehe unten § 15 II. 2.
I. Herleitung und Grundlagen
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3. Rechtsökonomik Davon abgesehen hält das Prinzip des Sukzessionsschutzes auch einer rechtsökonomischen Analyse stand. Nach dem Verhandlungsmodell der neoklassischen Ökonomik haben es die Marktteilnehmer selbst in der Hand, unter Nutzbarmachung der Preisbildungsmechanismen und der Mechanismen des freien Marktes durch Abschluss privatautonomer Vereinbarungen für wohlstandsmaximierende Güterverschiebungen zu sorgen11. Indes versagen Marktmechanismen und das Verhandlungsmodell, wenn sich die Auswirkungen der Transaktion nicht auf die Vertragsparteien beschränken, sondern externe Effekte für nicht unmittelbar an der Transaktion beteiligte Dritte zeitigen. Diese auch Drittparteieffekte genannten Externalitäten entstehen, weil die Vertragsparteien bei den Verhandlungen über die Transaktion grundsätzlich nur eigene Interessen ins Kalkül ziehen, nicht indes die – positiven oder negativen – Auswirkungen des Rechtsgeschäfts auf Dritte12. Negative externe Effekte erlangen gesamtwirtschaftliche Bedeutung, wenn die Nachteile für außenstehende Dritte durch den aus der Transaktion resultierenden Effizienzgewinn der Vertragsparteien nicht aufgewogen werden13. In der Konsequenz obliegt es dem Gesetzgeber, besondere Vorschriften zu schaffen, um die mit Externalitäten verbundenen Kosten Dritter zu eliminieren oder zumindest Anreize zu schaffen, externe Kosten in den Entscheidungsfindungsprozess der Vertragsparteien zu implementieren. Das geschieht durch die dem Sukzessionsschutz gewidmeten Sondervorschriften. Sie sorgen dafür, dass die berechtigten Interessen der Drittbeteiligten von den Vertragsparteien des Sukzessionsgeschäfts berücksichtigt werden. Durch die Sukzession darf sich ihre Rechtsstellung nicht verändern, insbesondere nicht verschlechtern. Negative Externalitäten werden beseitigt. Umgekehrt müssen die Vertragsparteien die mit Sukzessionsschutzvorschriften verbundenen Durchsetzungsschwierigkeiten im Rahmen ihrer privatautonomen Verhandlungen einpreisen. Das gilt etwa für die Verhandlungen über den Erwerbspreis von Grundstücken, die mit Grundpfandrechten belastet sind, oder den Erwerb von Forderungen, gegen die der Schuldner Einwendungen und Einreden erheben kann, die gem. § 404 BGB auch dem Zessionar entgegengehalten werden können. Aufgrund sukzessionsschützender Regelungen werden die Vertragsparteien effektiv daran gehindert, Effizienzgewinne zulasten außenstehender Dritter zu generieren. Das steigert eine effiziente Allokation knapper Ressourcen und so das Niveau gesamtwirtschaftlichen Wohlstands.
11 12 13
Dazu ausf. oben § 3 IV. 3. Zum Problemkreis siehe oben § 3 IV. 4. Zum Ganzen ausf. Cooter/Ulen, Law, 2008, S. 43 ff.; Shavell, Foundations, S. 77 f.
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II. Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte Seinen klassischen Anwendungsbereich findet das Sukzessionsschutzprinzip im Bereich der beschränkten (dinglichen und obligatorischen) Rechte. Hier bilden das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung und die Abspaltungslehre die rechtssystematischen Grundlagen des Sukzessionsschutzprinzips, welches freilich nicht nur für beschränkte dingliche Rechte gilt, sondern gleichermaßen für beschränkte obligatorische Rechte, und im Übrigen auch für die Sukzessionsfreiheit von Bedeutung ist (1.). Umgekehrt verlangen Verkehrsinteressen zum Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs nach einer Einschränkung des Sukzessionsschutzniveaus, wenn das Stammrecht vom Nachfolger in Unkenntnis des beschränkten Rechts gutgläubig lastenfrei erworben wird (2.).
1. Herleitung und Grundlagen a) Absolute Rechtszuordnung und Verfügungsbefugnis Das Prinzip des Sukzessionsschutzes fußt einmal mehr auf dem übergeordneten Prinzip der absoluten Zuordnung von Vermögenspositionen14. Die Absolutheit der rechtlichen Zuordnung gewährleistet neben der zivilprozessualen Durchsetzbarkeit absoluter Rechte sowie deren Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsfestigkeit auch das Prinzip des Verfügungsschutzes, das seinerseits die Grundlage für das Sukzessionsschutzprinzip bildet15. Weil die absolute Zuordnung beschränkter Rechte zur Person des Teilrechtsinhabers ihre Wirkung gegenüber jedermann entfaltet, scheidet eine Verfügung gegen den Willen des Teilrechtsinhabers aus. Kein anderes Rechtssubjekt, weder der bisherige Berechtigte noch der Inhaber des Stammrechts, besitzt die originäre Rechtsmacht, Verfügungen über das absolut zugewiesene Teilrecht zu treffen. Die Rechtszuständigkeit des Berechtigten schließt auch die Befugnis ein, die subjektive Zuordnung von Vermögenspositionen zu ändern (Zuweisungsfunktion der Verfügungsbefugnis)16. Umgekehrt schützt die Rechtszuständigkeit den Drittberechtigten vor unbefugten rechtsgeschäftlichen Einwirkungen auf seine Rechtsposition (Abwehrfunktion der Verfügungsbefugnis)17. Dementsprechend kann dem Teilrechtsinhaber das beschränkte Recht nicht ohne seinen Willen entzogen werden. Gleichermaßen kann der Inhaber des Stammrechts, da er selbst nicht Inhaber des beschränkten Rechts ist, auch nur über das Stammrecht ver14 Dazu oben § 2 II. 2. Zur Herleitung auch Canaris, FS Flume I, S. 371, 373 f.; vgl. weiter Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 2 I; kritisch Füller, Sachenrecht, S. 50 ff. 15 Für eine scharfe Unterscheidung von Sukzessions- und Verfügungsschutz: Dörner, Relativität, S. 87 f.; Füller, Sachenrecht, S. 55. 16 Siehe oben § 5 I. 1. 17 Siehe oben § 5 I. 2.
II. Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte
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fügen, nicht aber über das beschränkte Recht. Das folgt zwanglos aus dem Charakter der einem Rechtssubjekt in absoluter Weise zugewiesenen Rechtsposition18. Es ist diese Absolutheit der Rechtszuordnung, die den Sukzessionsschutz absolut zugewiesener Vermögensrechte gewährleistet. b) Bedeutung der Abspaltungslehre Rechtskonstruktiv lässt sich dieser Aspekt darüber hinaus mit der modellhaften Vorstellung der Abspaltungslehre verdeutlichen19: Versteht man die Belastung des Eigentumsrechts (oder anderer absoluter Vermögensrechte) mit einem beschränkten Recht als Abspaltung einzelner Handlungsbefugnisse aus dem Stammrecht, die im Wege konstitutiver Nachfolge – bildlich gesprochen – als verselbstständigte Eigentumssplitter auf den Erwerber übertragen werden, dann bleibt in der Person des Stammrechtsinhabers eine um jene Handlungsrechte gekürzte Rechtsposition zurück. Nur über diese verminderte Rechtsposition kann der Stammrechtsinhaber – vorbehaltlich der Zustimmung des Teilrechtsinhabers – verfügen. Der Nachfolger des Stammrechtsinhabers erlangt folglich nur die um das beschränkte Recht gekürzte Rechtsposition, weil der Veräußerer – lässt man zunächst die Möglichkeiten des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs beiseite20 – nicht mehr Rechte übertragen kann als er selbst innehat. Auch in diesem Zusammenhang gilt also der bekannte Nemo-plus-iurisGrundsatz. Über die dem Stammrechtsinhaber nicht zustehenden, an den Teilrechtsinhaber übertragenen Handlungsrechte kann der Stammrechtsinhaber nicht verfügen. Es bleibt bei der Identität des Verfügungsgegenstands auch in Bezug auf seine Belastungen. Die Verknüpfungen zwischen Sukzessionsschutzprinzip und sukzessionsrechtlichem Identitätsprinzip kommen an dieser Stelle deutlich zum Vorschein. c) Sukzessionsschutz beschränkter obligatorischer Rechte Ebenso wenig wie die Wirkungen des Absolutheitsprinzips auf körperliche Gegenstände limitiert sind21, beschränken sich die Implikationen des Sukzessionsschutzes auf beschränkte dingliche Rechte. Das Sukzessionsschutzprinzip gilt vielmehr gleichermaßen für beschränkte Rechte aus Rechten, also namentlich für Nießbrauch und Pfandrecht an Forderungen und anderen Vermögensrechten (§§ 1068, 1273 BGB)22. Zwar unterscheiden sich beschränkte Sachen- und Schuldrechte im Hinblick auf ihren Rechtsinhalt: Während sich beschränkte 18 Offenbar abweichend Füller, Sachenrecht, S. 55: Sukzessionsschutz ist kein Phänomen des absoluten Rechts. 19 Dazu oben § 2 III. 2. b) bb). 20 Dazu später ausf. unten § 15 II. 2. 21 Siehe nochmals oben § 2 II. 2. 22 Dazu und zum Folgenden schon oben § 2 III. 2. b) dd).
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dingliche Rechte unmittelbar auf körperliche Gegenstände beziehen, richten sich beschränkte obligatorische Rechte gegen die Person des Forderungsschuldners. Im Verhältnis zur Gegenpartei des belasteten Schuldrechts handelt es sich nach zutreffender Auffassung daher auch nicht um ein dingliches, sondern um ein obligatorisches Recht. Das ist nicht zuletzt dem Prinzip der Relativität des Schuldverhältnisses geschuldet, von dem nachfolgend noch im Zusammenhang mit der „Verdinglichung obligatorischer Rechte“ die Rede sein wird23. Im Verhältnis zum Stammrecht zeichnen sich indes auch beschränkte Schuldrechte durch „dingliche“ Wirkungen aus, weil sie im Fall der Stammrechtsübertragung nicht verloren gehen, sondern ebenso wie beschränkte Sachenrechte auch weiterhin auf dem Stammrecht lasten und mit diesem gemeinsam auf den Erwerber übergehen24. Diese rechtssystematische Parallele von dinglichen und obligatorischen Rechten beruht auf der unterschiedslosen Geltung des Absolutheitsprinzips und der Abspaltungslehre. Diese Gemeinsamkeit in Bezug auf den Sukzessionsschutz beschränkter Schuld- und Sachenrechte sind Teil des einheitlichen Konzepts der rechtsgeschäftlichen Sukzession, ungeachtet des Umstands, ob es um die Nachfolge in dingliche oder obligatorische Vermögenspositionen geht. d) Bedeutung für die Sukzessionsfreiheit Obgleich der teleologische Schwerpunkt des Sukzessionsschutzprinzips deutlich auf den Schutz Drittberechtigter fokussiert, stärkt es gleichermaßen – indirekt – das prima vista gegenläufige Strukturprinzip der Sukzessionsfreiheit. Aufgrund der postventiven Ausgestaltung des Sukzessionsschutzes ist der Stammrechtsinhaber trotz der mit dem Schutz des Teilrechtsinhabers verbundenen Belastung nicht daran gehindert, über seine Rechtsstellung nach freiem Belieben zu verfügen25. Die gewährleistete Zirkulationsfähigkeit von Stammrechten dient einmal mehr dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Im Gegensatz zu diesem überzeugenden Regelungsmodell würden – dinglich wirkende – Verfügungsbeschränkungen zugunsten der tangierten Drittbeteiligten über das zum Schutz der Interessen von Teilrechtsinhabern erforderliche Maß weit hinausgehen, weil sie die Übertragbarkeit des Stammrechts wesentlich beschränken. Schließlich sind besagte Drittinteressen schon dadurch hinreichend gewahrt, dass der Teilberechtigte seine Rechtsposition jedem Stammrechtserwerber entgegensetzen 23
Siehe unten § 15 VI. Damrau, in: MünchKommBGB, § 1273 Rn. 1 a.E.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor § 1273 Rn. 5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 60 Rn. 3; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 135 Rn. 3; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 175 I; Thiele, Zustimmung, S. 35; Canaris, FS Flume I, S. 371, 375; vgl. weiter Larenz/Wolf, BGB AT, § 20 Rn. 91. 25 Zum Folgenden auch Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 80; vgl. noch Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 10 sowie Füller, Sachenrecht, S. 55, der unpassender Weise § 137 S. 2 BGB in diesem Zusammenhang anführt. 24
II. Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte
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und diesem gegenüber etwaige Nutzungs- und Verwertungsansprüche durchsetzen kann. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht das Stammrecht nicht präventiv unübertragbar gestellt zu werden. Es genügt, unter Anerkennung postventiven Sukzessionsschutzes die Fortdauer des beschränkten Rechts im Fall der Stammrechtsübertragung zu gewährleisten. Das erhält einerseits die individuelle Verfügungsfreiheit des Stammrechtsinhabers aufrecht und wahrt andererseits den überindividuellen Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen.
2. Redlicher Erwerb der Lastenfreiheit a) Herleitung und Grundlagen Hat der Erwerber positive Kenntnis von der Belastung des Verfügungsgegenstands, gebührt dem Sukzessionsschutzprinzip der Vorrang gegenüber dem Interesse des Erwerbers an einem unbelasteten Übertragungsobjekt. Der Nachfolger erwirbt den Gegenstand so wie er in der Hand des Veräußerers bestand. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass dem Teilrechtsinhaber das beschränkte Recht nicht ohne seinen Willen entzogen wird. Das Sukzessionsschutzprinzip dient insofern dem Beharrungsinteresse des Drittberechtigten. Hat der Stammrechtserwerber indes keine Kenntnis von der Belastung des Verfügungsgegenstands, tritt das Beharrungsinteresse des Drittberechtigten in den altbekannten Konflikt zum individuellen Erwerbsinteresse des Redlichen und dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Den normativen Mechanismus zur Auflösung dieses Interessenkonflikts liefern die Vorschriften über den Gutglaubenserwerb, wie sie oben26 bereits für den Vollrechtserwerb dargelegt und gewürdigt worden sind. Angesichts der herausragenden Bedeutung des überindividuellen Verkehrsinteresses und der transaktionskostensenkenden Wirkung des redlichen Erwerbs muss das Beharrungsinteresse des Eigentümers grundsätzlich zurückstehen. Für das Beharrungsinteresse des Drittberechtigten kann bei Redlichkeit des Erwerbers in Bezug auf die Lastenfreiheit des Verfügungsgegenstands nichts anderes gelten. In diesem Sinne befürwortete bereits die 1. BGBKommission eine parallele Regelung für den partiellen Mangel des Veräußererrechts, da „der theilweise Rechtsmangel für den Erwerber in gleicher Art unersichtlich (sei), wie der totale Rechtsmangel“27. Genauer betrachtet basiert die Anerkennung des redlichen lastenfreien Erwerbs auf einem – rechtspolitischen – argumentum a maiore ad minus: Wenn schon das Vollrecht redlich vom Nichtberechtigten erworben werden kann, dann muss dies erst recht für den redlichen Erwerb der Lastenfreiheit als graduell weniger schwerwiegenden 26 27
Siehe § 11. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 347.
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Mangel gelten28. Zugleich vervollständigt der lastenfreie Gutglaubenserwerb die auf das Vollrecht bezogenen Gutglaubensvorschriften und verhindert so die Entwertung des redlichen Stammrechtserwerbs durch den Übergang unbekannter Belastungen, welche die Nutzung oder Verwertung des Gegenstandes vereiteln oder zumindest beeinträchtigen können29. Der Erwerber wird nämlich durch Anerkennung des redlichen lastenfreien Erwerbs von Nachforschungsobliegenheiten in Bezug auf etwaige Belastungen des Erwerbsobjekts entbunden. Der gutgläubige Erwerb der Lastenfreiheit senkt demnach in ökonomischer Hinsicht wiederum vorvertragliche Informations- und nachvertragliche Streitbewältigungskosten und trägt hiermit zu einer effektiven Allokation knapper Ressourcen sowie zur Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands bei. b) Redlicher Immobiliarerwerb Für den gutgläubigen lastenfreien Erwerb von Grundstücksrechten ergeben sich im Vergleich zum redlichen Vollrechtserwerb30 keine Besonderheiten. Der Redliche erwirbt lastenfrei gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB31, wenn die Belastung im Widerspruch zur wahren Rechtslage nicht (ordnungsgemäß) in das Grundbuch eingetragen ist. Sind die übrigen Voraussetzungen des Gutglaubenstatbestands erfüllt, darf der redliche Erwerber darauf vertrauen, dass nicht eingetragene Belastungen am Grundstück auch tatsächlich nicht bestehen. Gleichgültig, ob er das Grundstück vom Berechtigten oder – redlich – vom Nichtberechtigten erwirbt, erlangt er lastenfreies Grundeigentum. c) Redlicher Mobiliarerwerb Das Mobiliarsachenrecht kennt mit § 936 BGB eine besondere Vorschrift für den redlichen Erwerb der Lastenfreiheit. Entstehungsgeschichtlich geht die Bestimmung auf Art. 306 Abs. 1 S. 3 ADHGB zurück. Danach erlosch „(j)edes früher begründete Pfandrecht oder sonstige dingliche Recht (…), wenn dasselbe dem Erwerber bei der Veräußerung unbekannt war“. In rechtssystematischer Hinsicht enthält § 936 BGB „eine Miniatur der §§ 932–935 BGB“ und gehorcht auch sonst den Prinzipien des redlichen Mobiliarerwerbs32. Namentlich bildet die im Rechtsgeschäft zwischen Nichtberechtigtem und Erwerber verwirklichte Besitzverschaffungsmacht nach dem Konzept der lex lata die notwendige Legitimationsgrundlage für den redlichen Erwerb der Lastenfreiheit. Hat sich 28 Vgl. noch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 1: „Minus gegenüber dem gutgläubigen Erwerb des Vollrechts“; J. Werner, JA 2009, 411. 29 Vgl. auch Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 1 a.E.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 51; Wieling, Sachenrecht I, § 10 VII 1. 30 Siehe oben § 11 III. 2. 31 Vgl. nur Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 16, 22; Heck, Sachenrecht, § 43 II 2; J. Werner, JA 2009, 411. 32 Zutreffend Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 936 Rn. 1; ders., JuS 1974, 201, 210; gleichsinnig Henssler, in: Soergel, BGB, § 936 Rn. 1; J. Werner, JA 2009, 411.
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die veräußererseitige Rechtsmacht in einem Rechtserwerb aufseiten des Nachfolgers manifestiert und ist auch bei keinem anderen Beteiligten eine Besitzposition zurückgeblieben, dann darf der Erwerber darauf vertrauen, nicht nur das Vollrecht als solches zu erwerben, sondern auch darauf, dass keine beschränkten Rechte Dritter auf dem Verfügungsgegenstand lasten33. Der gutgläubige lastenfreie Erwerb gem. § 936 BGB unterliegt den gleichen Beschränkungen wie der redliche Vollrechtserwerb nach §§ 932 ff. BGB. Die Gutglaubensvorschriften greifen nur ein, wenn ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb im Sinne eines Verkehrsgeschäfts in Rede steht34. Weiterhin muss der Erwerber eine ausschließliche Besitzposition erlangen35 und der Verfügungsgegenstand darf dem Inhaber des (beschränkten) dinglichen Rechts analog § 935 Abs. 1 BGB nicht abhanden gekommen sein36. Darüber hinaus muss sich der Erwerber auch in Ansehung des auf der Sache lastenden Rechts in gutem Glauben befinden37. d) Redlicher Erwerb von GmbH-Anteilen Angesichts der Bedeutung des redlichen lastenfreien Erwerbs für den Schutz des redlichen Erwerbers und des überindividuellen Allgemeininteresses an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs ist es verwunderlich, dass die h.M.38 den redlichen lastenfreien Erwerb von GmbH-Anteilen 33
Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 936 Rn. 1; ders., JuS 1974, 201, 210. Unstr.; vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, § 936 Rn. 2; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 10 VII 2 a; J. Werner, JA 2009, 411, 412. 35 Die Besonderheiten des § 936 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 BGB sind für das Grundverständnis des lastenfreien Gutglaubenserwerbs als Ausnahme des Sukzessionsschutzes ohne tiefere Bedeutung und bleiben hier deshalb außer Betracht; siehe hierzu nur Henssler, in: Soergel, BGB, § 936 Rn. 6 f.; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 8 f., 14 ff.; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 936 Rn. 13 ff.; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 50 Rn. 3 ff.; Wieling, Sachenrecht I, § 10 VII 2 b; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1014 ff.; J. Werner, JA 2009, 411, 413 ff. 36 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 348; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 936 Rn. 3; Henssler, in: Soergel, BGB, § 936 Rn. 11; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 13; Schilken, in: AnwKommBGB, § 936 Rn. 14; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 936 Rn. 12; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 52; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 50 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht I, § 10 VII 1, 2 c; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1013; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 70 I 3; J. Werner, JA 2009, 411, 413. 37 Die Einzelheiten sind umstritten, siehe einerseits Henssler, in: Soergel, BGB, § 936 Rn. 8; Pikart, in: RGRK, BGB, § 936 Rn. 9; Oechsler, in: MünchKommBGB, § 936 Rn. 11; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 936 Rn. 8; andererseits Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1208 Rn. 2; Habersack, in: Soergel, BGB, § 1208 Rn. 6; Kregel, in: RGRK, § 1208 Rn. 5; Wieling, Sachenrecht I, § 10 VII 2 d; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 70 I 2. 38 BGHZ 191, 84 Tz. 18; OLG München NJW 2010, 305, 306; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 59; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 60; ders., notar 2012, 267, 269; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 16 Rn. 251; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 26, 28 a.E.; Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 132; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 73; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 16; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Hamann, NZG 2007, 492, 494; Hasselmann, NZG 2009, 449, 451; Wachter, ZNotP 2008, 378, 397; Schüßler, Erwerb, S. 248 ff. 34
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gem. § 16 Abs. 3 GmbHG de lege lata derzeit für ausgeschlossen hält. Zwar will eine vereinzelt vertretene Gegenposition39 beschränkte Rechte an GmbH-Geschäftsanteilen, d.h., Nießbrauch und Pfandrecht, durch die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der Liste kenntlich machen und damit das Vertrauen von Erwerbern auf die Lastenfreiheit der Anteile rechtlich schützen. Mit dem legislatorischen Konzept der Gesellschafterliste iSd. § 40 GmbHG ist diese Auffassung indes nicht in Einklang zu bringen, so dass de lege lata an der h.M. richtigerweise kein Weg vorbeiführt (aa)40. Gute Gründe sprechen aber jedenfalls dafür, den redlichen lastenfreien Erwerb de lege ferenda schnellstmöglich in das Gesetz aufzunehmen (bb)41. aa) Kein lastenfreier Gutglaubenserwerb de lege lata Ein redlicher Erwerb der Lastenfreiheit von GmbH-Anteilen scheitert derzeit an der mangelnden Komplexität der Gesellschafterliste42. Eintragungsfähig sind nach § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG nur Veränderungen „in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung“. Damit unterscheidet sich die Gesellschafterliste maßgeblich vom Aktienregister, in dem auch Nießbräuche und Pfandrechte an Namensaktien verlautbart werden können43, das seinerseits aber freilich keine Gutglaubenswirkungen entfaltet. Die Eintragung von Umständen, die über die Person und ihre Beteiligung an der GmbH hinausgehen, wie insbesondere Belastungen von GmbH-Anteilen, ist nach derzeit geltendem Recht nicht vorgesehen. Dass dies auch dem Willen des MoMiG-Gesetzgebers entspricht, folgt schon aus dem Umstand, dass die während des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt vorgebrachten Forderungen nach einer erweiterten Publizitätswirkung der Gesellschafterliste ohne legislatorischen Erfolg blieben und sich gerade nicht im endgültigen Gesetzestext niedergeschlagen haben44. Für eine Analogiebildung zu § 16 Abs. 3 GmbHG mangelt es folglich bereits an 39 Heidinger, in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 270 ff.; ders., in: Heckschen/Heidinger, GmbH, § 13 Rn. 135, 286 ff.; Reymann, WM 2008, 2095 ff.; vgl. noch LG Aachen RNotZ 2009, 409: Belastung ist eintragungsfähig. 40 In diese Richtung bereits Lieder, Jura 2010, 801, 806; ders., AcP 210 (2010), 857, 900. 41 Dafür auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 60; ders., LA Winter, S. 9, 18; ders., notar 2012, 267, 269; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 74; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 28; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Rau, DStR 2006, 1892, 1899; Reichert, in: Bayer/Koch, GmbH-Recht, S. 29, 43 f.; Wiersch, Erwerb, S. 201 ff., 253; skeptisch indes die Mitglieder des „Berliner Arbeitskreises“ bei Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, 691; ablehnend DAV, NZG 2007, 211, 215; Kanzleiter, FS Roth, S. 355, 364. 42 Zu diesem Problem und anderen Defiziten der Gesellschafterliste siehe oben § 11 III. 5. b). 43 Bayer, in: MünchKommAktG, § 67 Rn. 30; ders., LA Winter, S. 9, 17; Cahn, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 67 Rn. 25; Lutter/Drygala, in: KölnKommAktG, § 67 Rn. 33 ff., 38; Hüffer, AktG, § 67 Rn. 9. 44 Wie hier Löbbe, in: Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 132; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 73; Link, RNotZ 2009, 193, 204; Schüßler, Erwerb, S. 251 f.; siehe auch Hasselmann, NZG 2009, 449, 451; a.A. Reymann, WM 2008, 2095, 2098 ff.
II. Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte
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der fehlenden Planwidrigkeit der Regelungslücke45. Der Gesetzgeber verzichtete mit Blick auf das Vertraulichkeitsinteresse der GmbH-Gesellschafter an einer stillen Verpfändung ihrer Anteile ganz bewusst auf den redlichen lastenfreien Erwerb. Diese legislatorische Richtungsentscheidung darf durch den Rechtsanwender nicht unterminiert werden. Davon abgesehen stößt die von der Gegenauffassung befürwortete Widerspruchslösung auf verfassungsrechtliche Bedenken. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Beteiligung an der GmbH der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterfällt46. Gleiches gilt für an GmbH-Anteilen bestellte beschränkte dingliche Rechte47. Der von der Gegenauffassung befürwortete Entzug dieser verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen bedarf gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG demnach – ebenso wie die Vorschriften des redlichen Erwerbers im Allgemeinen48 – einer hinreichenden normativen Rechtsgrundlage, aus der sich mit der nötigen Bestimmtheit die Möglichkeit eines Rechtsverlusts ablesen lässt49. Gerade an einer solchen Grundlage fehlt es hier allerdings, weil §§ 16 Abs. 3, 40 GmbHG nicht entnommen werden kann, dass Belastungen von GmbH-Anteilen in die Gesellschafterliste aufgenommen werden können und deren Nichteintragung umgekehrt zum redlichen Erwerb der Lastenfreiheit führen kann. Demnach muss es de lege lata beim Ausschluss des gutgläubigen lastenfreien Anteilserwerbs bleiben. bb) Zulassung des lastenfreien Gutglaubenserwerbs de lege ferenda De lege ferenda sprechen indes gewichtige Gründe für die Anerkennung eines redlichen lastenfreien GmbH-Anteilserwerbs: Zum einen hätte die Zulassung den Vorzug innerer Folgerichtigkeit für sich. Wenn nämlich das Vollrecht (GmbH-Anteil) durch den Redlichen wirksam erworben und so der totale Rechtsmangel des Veräußerers kraft guten Glaubens überwunden werden kann, dann muss erst recht der teilweise Rechtsmangel (Belastung) durch Gutglaubensvorschrift für unbeachtlich erklärt werden. Der in § 16 Abs. 3 GmbHG vorgesehene einschränkungslose Sukzessionsschutz für Nießbrauch und Pfandrecht an GmbH-Anteilen ist daher mit Blick auf den lastenfreien Grundstücks- und Mobiliarerwerb schlichtweg systemwidrig und wird auch nicht durch die Besonderheiten des GmbH-Rechts erzwungen. Vielmehr erscheint es geradezu wertungswidersprüchlich, das Beharrungsinteresse des (beschränk45
So auch Schüßler, Erwerb, S. 250 ff. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 142 f.; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 38; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 49. 47 Für beschränkte (dingliche) Rechte im Allgemeinen etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 8 f.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24; vgl. ferner Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 46. 48 Siehe oben § 11 II. 4. 49 Dazu eingehend Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 339; vgl. weiter Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 133 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 86 ff. 46
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
ten) Drittberechtigten (Nießbraucher, Pfandgläubiger) höher zu gewichten als das Beharrungsinteresse des Vollrechtsinhabers (Gesellschafter)50. Im Übrigen gebührt dem individuellen Erwerbsinteresse des Redlichen und dem überindividuellen Interesse des Rechtsverkehrs auch beim Erwerb von GmbH-Anteilen der Vorrang gegenüber dem Beharrungsinteresse des Drittberechtigten. Zum anderen wird erst durch die Zulassung des redlichen lastenfreien Erwerbs der Gutglaubenserwerb des Vollrechts komplettiert51. Bleiben die beschränkten Rechte vom redlichen Vollrechtserwerb unberührt, ist die Rechtsstellung des Erwerbers durch fortwirkende Teilrechte signifikant beeinträchtigt. Insbesondere kann der Stammrechtserwerber nicht darauf vertrauen, dass er sich im Nachhinein keinen unbekannten Drittrechten gegenübersieht. Will er dies vermeiden, muss er umfangreiche und also kostspielige Nachforschungsmaßnahmen über die in der Vergangenheit liegenden Belastungen an GmbH-Anteilen anstellen. Die Informationskosten, die dem Erwerber an sich durch Zulassung des redlichen Anteilserwerbs abgenommen werden sollen, fallen in Ermangelung eines redlichen Erwerbs der Lastenfreiheit nun im Rahmen einer Due Diligence in Bezug auf Nießbräuche und Pfandrechte an GmbH-Anteilen an. Hinzu kommt das allgemeine Risiko, dass die Nachforschungen nicht zum richtigen Ergebnis führen. Ein solches Restrisiko ist ohne Gutglaubensvorschriften niemals vollständig zu eliminieren. Gleiches gilt für das Risiko späterer Rechtsstreitigkeiten unter den Beteiligten. Alle diese Umstände können dazu führen, dass Marktteilnehmer von potenziell wohlstandssteigernden Unternehmenstransaktionen unter Beteiligung von GmbH Abstand nehmen. Das mit § 16 Abs. 3 GmbHG verfolgte Regelungsziel, Transaktionskosten zu senken und für ein Mehr an Rechtssicherheit zu sorgen52, wird hiermit signifikant beeinträchtigt. Erst die Zulassung des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs entlastet den Erwerber von den auf Anteilsbelastungen bezogenen Nachforschungsobliegenheiten und verwirklicht das erklärte Ziel des MoMiG-Gesetzgebers. Im Vergleich zu diesen Vorzügen des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs fallen die hiermit verbundenen Nachteile für den Einsatz von GmbH-Anteilen als Sicherungsmittel weniger stark ins Gewicht und können im Übrigen durch eine differenzierte Eintragungsregelung angemessen bewältigt werden. Zunächst ist die Komplexität der Gesellschafterliste zu erhöhen und die Liste ist mit negativen Publizitätswirkungen auszustatten53. Der damit verbundene Aufwand hält sich schon deshalb in engen Grenzen, weil zu diesem Zweck auf die existierende Gesellschafterliste zurückgegriffen werden kann, die lediglich um eine Abtei-
50
Dazu auch Reymann, WM 2008, 2095, 2100; Schüßler, Erwerb, S. 247. Dazu und zum Folgenden auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 74; Harbarth, ZIP 2008, 57, 63 f.; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; Rau, DStR 2006, 1892, 1899; Reichert, in: Bayer/ Koch, GmbH-Recht, S. 29, 43 f.; Schüßler, Erwerb, S. 245 f. 52 Siehe oben § 11 III. 5. a). 53 Für die technischen Details der Eintragung siehe Schüßler, Erwerb, S. 253 f. 51
II. Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte
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lung zu erweitern ist, in der die beschränkten Anteilsrechte zu vermerken sind. Das Prinzip mehrerer Abteilungen ist aus dem Liegenschaftsrecht bestens vertraut54 und ohne größeren technischen Aufwand auf das elektronisch geführte Handelsregister übertragbar. Darüber hinaus ist auch die Eintragung von Nießbräuchen und Pfandrechten an GmbH-Anteilen mit verhältnismäßig geringfügigen Eintragungs- und Kontrollkosten verbunden. Schon jetzt ist die Einreichung einer Gesellschafterliste gem. § 40 GmbHG für Rechtsänderungen an GmbH-Anteilen zwingend vorgesehen. Die Ausdehnung auf beschränkte Anteilsrechte fällt im Vergleich dazu nicht wesentlich ins Gewicht. Allein der Drittberechtigte wird mit Kontrollkosten belastet, weil er nach Ablauf der dreijährigen Karenzzeit sein Anteilsrecht nach dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG durch redlichen lastenfreien Erwerb verlieren kann, soweit das Anteilsrecht nicht ordnungsgemäß in der Gesellschafterliste vermerkt ist. Die mit der Verifizierung der Eintragungen verbundenen Aufwendungen sind allerdings im Hinblick auf das Ausmaß der mit der Anerkennung des redlichen lastenfreien Erwerbs ersparten Transaktionskosten und dem hiermit verbundenen Zugewinn an Rechtssicherheit für Unternehmenstransaktionen unter Beteiligung von GmbH ohne weiteres hinnehmbar. Was bleibt, sind die Geheimhaltungsinteressen der an der Anteilsbelastung beteiligten Personen55. Insbesondere der Gesellschafter hat ein veritables Interesse daran, dass die Bestellung seines Anteils mit Nießbrauch und Pfandrecht nicht für jedermann aus der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste ersichtlich ist. Dieses Diskretionsinteresse ist anerkennenswert und kann durch die Etablierung einer Gesellschafterliste mit zwei Abteilungen verhältnismäßig einfach bewältigt werden56: In die erste Abteilung werden die schon jetzt in der Liste enthaltenen Angaben zur Person und Berechtigung am Geschäftsanteil eingetragen. Sie ist voraussetzungslos im Handelsregister abrufbar und kann von jedermann eingesehen werden. In die zweite Abteilung werden die Belastungen der Geschäftsanteile eingetragen. Diese Informationen stehen nicht jedermann zur Verfügung. Vielmehr ist die Offenlegung in Anlehnung an § 12 Abs. 1 S. 1 GBO von einem berechtigten Interesse abhängig, das zum Zweck der Einsichtnahme vom Interessenten besonders nachgewiesen werden muss57. Durch die Adaption dieses Regelungsmechanismus werden einerseits die Segnungen des gutgläubigen Erwerbs der Lastenfreiheit und andererseits berechtigte Vertraulichkeitsinteressen der Beteiligten gewährleistet. Der Ge54 Dazu umfassend Kössinger, Kohler, Bayer/Lieder, Wegmann, N. Mayer, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT II-IV. 55 Zu diesem Aspekt siehe DAV, NZG 2007, 211, 215; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 28. 56 So schon Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 74; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 28; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; vgl. ferner Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 60; dens., LA Winter, S. 9, 18; dens., notar 2012, 267, 269; Reichert, in: Bayer/ Koch, GmbH-Recht, S. 29, 44. 57 Zu den technischen Details siehe Schüßler, Erwerb, S. 255 ff.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
setzgeber ist aufgefordert, das vorgestellte Zwei-Abteilungen-Modell zur Ermöglichung eines redlichen lastenfreien Erwerbs von GmbH-Anteilen bei nächster Gelegenheit legislatorisch umzusetzen.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz Neben beschränkten (dinglichen und obligatorischen) Rechten genießt Sukzessionsschutz auch der Forderungsschuldner im Abtretungsfall. Dementsprechend ist der abtretungsrechtliche Sukzessionsschutz in der Sache primär Schuldnerschutz. Weil dem Schuldner im Interesse einer ungehinderten Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten (Sukzessionsfreiheit) die Mitwirkung am Zessionsgeschäft kraft Gesetzes versagt ist, schützen die Sondervorschriften der §§ 404, 406 ff. BGB sein Interesse an einem unveränderten Fortbestand seiner Rechtsstellung (Sukzessionsschutz)58. Anstelle einer präventiven Beteiligung des Schuldners nach den Mechanismen des Einigungsprinzips tritt der postventive Schutz berechtigter Schuldnerinteressen durch sukzessionsschützende Spezialregelungen. Hierbei zielt das Regelungssystem des Zessionsrechts in Fortschreibung des allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips darauf ab, die schuldnerische Rechtsstellung trotz Forderungsübergangs weitgehend unberührt zu lassen, und zwar insbesondere nicht zu verschlechtern (vgl. §§ 404, 406 BGB) und außerdem Nachteile auszuschließen, die aus der Unkenntnis des Gläubigerwechsels herrühren (vgl. §§ 407, 408, 410 BGB)59. Während das abtretungsrechtliche Verschlechterungsverbot einen Ausgleich für die mangelnde (rechtsgeschäftliche) Beteiligung des Schuldners am Zessionsgeschäft schafft, sanktionieren die zessionsrechtlichen Vertrauensschutzregeln die mangelnde Mitteilung der Forderungszession gegenüber dem Schuldner60. Im Einzelnen bleiben dem Forderungsschuldner gegenüber dem Zessionar gem. § 404 BGB sämtliche Einwendungen und Einreden erhalten, die im Verhältnis zum Zedenten im Abtretungszeitpunkt begründet waren (1.). Aufrechterhalten wird gem. § 406 BGB auch eine vor dem Zessionsfall bzw. in Unkenntnis desselben begründete Aufrechnungslage (2.). Darüber hinaus wird der Forderungsschuldner gem. § 407 Abs. 1 BGB vor dem Risiko geschützt, in Unkenntnis der Abtretung an den falschen Adressaten zu leisten und sonstige Rechtsgeschäfte mit dem – inzwischen nicht mehr berechtigten – Zedenten abzuschließen (3.). Gleiches gilt gem. § 408 BGB im Fall konkurrierender Forderungszessionen (4.). Abgerundet wird der Schutz des debtor cessus durch einen besonderen Schuldnerschutz bei angezeigter Abtretung gem. § 409 BGB (5.). In diesem Sinne handelt es sich beim abtretungsrechtlichen Schuldnerschutz weniger um ein – inhaltlich opak wirkendes – „elementares Gebot der Gerech58 59 60
Siehe schon oben § 4 II. 4. c). Vgl. Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 25. Ebenso Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 1.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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tigkeit“61, sondern schlicht und einfach um die sachgerechte Kompensation der mangelnden Beteiligung des Schuldners am Abtretungsvertrag. Es entspricht dem Rechtsgedanken des favor debitoris, den Schuldner von abtretungsbedingten Rechtsnachteilen freizuhalten62. Der Rechtsgedanke des Verschlechterungsverbots bildet – ergänzt um die Komponente des Verbesserungsverbots63 – das wertungsmäßige Fundament für das teleologische Verständnis und die einzelfallgeleitete Interpretation der §§ 404, 406 ff. BGB. Bei aller Liebe zu Systembildung und normativ-teleologischer Kohärenz ist der Versuchung einer gleichmacherischen Auslegung der schuldnerschützenden Bestimmungen gleichwohl zu widerstehen, um den vom historischen Gesetzgeber bewusst unterschiedlich ausgestalteten Regelungsansätzen auf Grundlage der lex lata gerecht zu werden64.
1. Einwendungserhalt zugunsten des Schuldners a) Rechtssystematische Grundlagen: Identitätsprinzip und Schuldnerschutz Nach der zentralen Schuldnerschutzvorschrift des § 404 BGB kann der Schuldner dem Zessionar sämtliche Einwendungen entgegensetzen, die im Abtretungszeitpunkt gegen den Zedent begründet waren. Wie keine andere Sukzessionsschutzbestimmung manifestiert sich in § 404 BGB der materielle Gehalt des allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips65, und zwar betrachtet aus Perspektive des Forderungsschuldners66. Berechtigte Schuldnerinteressen werden effektiv geschützt, weil der Zessionar die Forderung nur in der Gestalt erlangt, wie sie zuvor in der Person des Zedenten bestand. Insbesondere kann der Zessionar vom Schuldner keine andere Leistung einfordern, als sie mit dem Zedenten ursprünglich vereinbart war. Das gilt nicht nur für Inhalt und Umfang der Leistungspflicht, sondern auch für die der Forderung entgegenstehen61
So aber v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 33. BGHZ 19, 153, 156; 58, 327, 331; 63, 338, 343; 167, 337 Tz. 21; BGH NJW 2006, 219 Tz. 27; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 1; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 79 II 2; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 33; krit. Dörner, Relativität, S. 227 f.; Quast, Titel, S. 97 ff. 63 Siehe sogleich unten § 15 III. 1. e). 64 Vgl. auch Haertlein, JuS 2007, 1073, 1075 f.; Quast, Titel, S. 98, 102. 65 Die Motive zum BGB, Bd. 2, S. 128 benennen als rechtsdogmatische Grundlage des heutigen § 404 BGB das „richtig verstandene(…) Prinzip(…) der Sondernachfolge“; vgl. ferner RGZ 83, 279, 282 f.; 170, 285, 290; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 3; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 1; Weber, in: RGRK, BGB, § 404 Rn. 1; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, §§ 4, 7. 66 Zum schuldnerschützenden Charakter des § 404 BGB: BGHZ 19, 153, 156; 167, 337 Tz. 21; BGH NJW-RR 2004, 1347, 1348; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 404 Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 1; Westermann, in: Erman, BGB, § 404 Rn. 1; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 79 II 2; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/ 2, § 37 I 4; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 33; Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 62. 62
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
den Einwendungen, die dem Schuldner gem. § 404 BGB ausdrücklich erhalten bleiben. Es ist daher auch verfehlt, wenn der schuldnerschützende Charakter des § 404 BGB vielfach vom Identitätsprinzip streng abgegrenzt wird67: Die Gewährleistungen des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips beschränken sich nicht allein auf die Aktivseite der Forderung (Gläubigerstellung), sondern umfassen gleichermaßen die Passivseite (Schuldnerstellung). Auch der Forderungsschuldner hat ein veritables Interesse daran, dass die auf den Zessionar übertragene Rechtsposition sich durch den Sukzessionsvorgang nicht verändert. Das Gesetz trägt diesem Umstand unter anderem dadurch Rechnung, dass ein Vermögensrecht gem. § 399 Alt. 1 BGB von vornherein nicht abtretbar ist, wenn die Abtretung den Rechtsinhalt änderte. In gleicher Weise wird durch § 404 BGB verhindert, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners durch den Fortfall von Einwendungen und Einreden verändert, namentlich verschlechtert. Insofern erweist sich das schuldnerschützende Verschlechterungsverbot – ebenso wie das rechtssystematische Pendant des Verbesserungsverbots68 – als unmittelbare, aus Schuldnersicht konsequente Fortschreibung des allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips. b) Zeitliche und sachliche Präzisierung Mit Blick auf den schuldnerschützenden Charakter, das zugrunde liegende Identitätsprinzip sowie den Rechtsgedanken des favor debitoris ist § 404 BGB in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung69 und der herrschenden Lehre70 weit auszulegen und ohne Mitwirkung des Forderungsschuldners unabdingbar71. In zeitlicher Hinsicht ist eine Einwendung nicht nur vor der Abtretung „begründet“, wenn zuvor schon sämtliche, die Einwendung tragenden Rechtstatsachen ihrem Grunde nach in dem Schuldverhältnis angelegt waren. Vielmehr erfasst § 404 BGB auch solche Einwendungen, die ihre rechtliche Grundlage zwar vor Abtretung in dem forderungsrelevanten Schuldverhältnis hatten, die aber erst später durch Hinzutreten weiterer Umstände wirksam geworden sind. Zu 67
Siehe etwa Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 1; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 14 f.,
19 f. 68
Siehe sogleich unten § 15 III. 1. e). RGZ 77, 157, 158; 124, 111, 113 f.; BGHZ 25, 27, 29; 93, 71, 79; BGH NJW 1986, 919, 920; 1992, 2221, 2222; NJW-RR 1989, 1207, 1208. 70 Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 404 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 10; Siber, in: Planck, BGB, § 404 Anm. 1; Weber, in: RGRK, BGB, § 404 Rn. 11; Westermann, in: Erman, BGB, § 404 Rn. 5; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 3; Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 34 Rn. 20; Heck, Schuldrecht, § 66, 6 c; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1117; Haertlein, JuS 2007, 1073, 1074; Kornblum, BB 1981, 1296, 1299; Pick, AcP 172 (1972), 39, 41; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 33 f. 71 Vgl. nur Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 35; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 18. – Zur Disponibilität des § 404 BGB unter Mitwirkung des Schuldners siehe unten § 15 III. 1. d). 69
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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denken ist hier beispielsweise an eine mit dem Zedenten vereinbarte Bedingung, die erst nach dem Gläubigerwechsel eintritt, oder die vor Abtretung in Gang gesetzte Verjährung72, deren Frist erst nach dem Forderungsübergang abläuft73, aber auch an Gestaltungsrechte, die zwar im Rechtsverhältnis angelegt sind, sich aber auf Tatsachen stützen, die erst nach dem Gläubigerwechsel eingetreten sind74. Einen noch weiterreichenden Schutz erfährt der Schuldner bei der Vorausabtretung. Da künftige Forderungen im Abtretungszeitpunkt noch nicht bestehen, kann es für die Frage der Begründetheit etwaiger Einwendungen iSd. § 404 BGB auch nicht auf den Zeitpunkt des Gläubigerwechsels ankommen. Maßgeblich ist nach allgemeiner und zutreffender Auffassung stattdessen der Zeitpunkt, in dem die Forderung entsteht und die Vorausabtretung wirksam wird75. Hiermit wird das Schuldnerschutzniveau deutlich aufgewertet und damit der folgerichtige Schluss aus der ungehinderten Übertragbarkeit künftiger Forderungsrechte gezogen. Wird die Abtretung zukünftiger Forderungen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zugelassen und damit die Zirkulationsfähigkeit künftiger Vermögensrechte erhöht, müssen umgekehrt auch die berechtigten Schuldnerinteressen effektiv abgesichert werden. Ein höheres Maß an Sukzessionsfreiheit wird konsequenterweise durch ein höheres Maß an Sukzessions-, genau: Schuldnerschutz erkauft. Im Ergebnis wird also mit der Verlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts auf die Wirksamkeit des Forderungsübergangs der Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen bei der Vorausabtretung (wieder-)hergestellt. Nicht mehr vom Normzweck des § 404 BGB erfasst sind Einwendungen, die erst nach der Forderungszession durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Zedent begründet werden, wie z.B. Erlass, Stundung oder Änderungen des Leistungsinhalts76. Zweifellos würde hiermit nicht gegen ein streng schuldnerperspektivisch ausgerichtetes Verschlechterungsverbot verstoßen, ganz im Gegenteil würde sich die Rechtsstellung des Schuldners verbessern. Indes ist eine solche Besserstellung des debtor cessus weder vom sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip gedeckt noch vom Regelungsgehalt des § 404 BGB. Schließlich soll sich die Rechtsstellung des Schuldners durch die Abtretung weder verschlech-
72
Weiterführend BGH NJW 1973, 702; 1982, 1761; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 27; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 10. 73 RGZ 124, 111, 114; dazu etwa Pick, AcP 172 (1972), 39, 44; für weitere Beispiele exemplarisch Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 10; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 III 2 f. 74 BGHZ 111, 84, 96; BGH NJW-RR 2004, 1347, 1348; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 10 a.E. 75 Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 12; Serick, Eigentumsvorbehalt IV, § 47 IV 3 b; Dörner, Relativität, S. 231 f. 76 Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 10; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 3; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Pick, AcP 172 (1972), 39, 41 f.; vgl. aber auch BAG NJW 1981, 1059, 1060.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
tern noch verbessern77. Aber selbst wenn man aus Gründen des Sukzessionsschutzes eine Besserstellung des Schuldners erlaubte, scheitern nachträgliche Vereinbarungen daran, dass der Zedent mit der Forderungsabtretung die Rechtszuständigkeit an der Forderung auf den Zessionar übertragen hat und daher mangels Verfügungsbefugnis nicht (mehr) in der Lage ist, in rechtlich relevanter Weise auf den Sukzessionsgegenstand einzuwirken. Im Interesse des Zessionars ist dem Zedenten die nachvertragliche Einwirkung auf die übertragene Forderung versagt (Erwerberschutz). Als neuer Rechtsinhaber ist allein der Zessionar berechtigt, über die ihm absolut und ausschließlich zugeordnete Forderung zu verfügen. Aus Gründen ergänzenden Schuldnerschutzes macht § 407 Abs. 1 BGB hiervon eine Ausnahme, soweit dem Schuldner der Gläubigerwechsel unbekannt geblieben ist78. Großzügig ist § 404 BGB auch in sachlicher Hinsicht zu interpretieren, namentlich soweit es den Begriff der Einwendung anlangt. Dem Schuldner bleiben danach alle rechtlichen Möglichkeiten erhalten, sich gegen den Leistungsanspruch zu verteidigen. Das gilt für Einwendungen im technischen Sinne, wie z.B. die Nichtexistenz oder das Erlöschen der Forderung79, ebenso wie für Einreden, namentlich Zurückbehaltungsrechte80 oder die Verjährung81. Außerdem umfasst § 404 BGB Einwendungen aus Anfechtung, Rücktritt, Kündigung und anderen Gestaltungserklärungen, die der Schuldner schon vor Wirksamwerden der Forderungsabtretung gegenüber dem Zedent abgegeben hat82. c) Einrede der Gestaltbarkeit bei Unerreichbarkeit des Zedenten Waren die Umstände für die spätere Ausübung solcher Gestaltungsrechte ihrem Rechtsgrund nach schon vor Abtretung in dem Rechtsverhältnis angelegt, kann der Schuldner die Gestaltungserklärung auch nach dem Forderungsübergang noch abgeben, und zwar unstreitig gegenüber dem Zedent83. Schließlich hatte sich der Schuldner den bisherigen Vertragspartner ausgesucht und muss ihm gegenüber auch etwaige Gestaltungserklärungen ausüben, wenn jener ohne Mit77 In einem anderen Zusammenhang diesen Gedanken betonend Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 11. Zum Verbesserungsverbot siehe ausf. unten § 15 III. 1. e). 78 Dazu sogleich unten § 15 III. 3. 79 RGZ 93, 74, 75 f.; BGHZ 31, 148, 149. Für weiteres Fallmaterial siehe Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 17; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 5; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 1. 80 RGZ 83, 279, 282; BGHZ 19, 153, 162; 58, 327, 331; 64, 122, 126; BGH NJW 1991, 1821; ausf. Pick, AcP 172 (1972), 39, 47 ff. 81 BGHZ 48, 181, 183. 82 Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 13; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 404 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 6; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 1. 83 Der Anfechtungsgegner bestimmt sich nach § 143 Abs. 2 BGB; dazu noch RGZ 86, 305, 310; BGH WM 1957, 910, 912; vgl. weiter BGH NJW 1986, 919, 920 (zum Rücktritt); allgemein Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 14, 20; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 6; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Köhler, JZ 1986, 516 ff.; Pick, AcP 172 (1972), 39, 52; Neumann-Duesberg, FS Nipperdey, S. 659, 660 ff.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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wirkung des Schuldners die Forderungen übertragen hat. Dem Gedanken des abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzes und der besonderen Schutzwürdigkeit der Schuldnerinteressen entspricht es, dem Schuldner mit der zutreffenden h.M.84 außerdem die Befugnis einzuräumen, Gestaltungsrechte einredeweise auch dem Zessionar entgegenzuhalten, soweit die Abgabe der Gestaltungserklärung gegenüber dem Zedent aus tatsächlichen Gründen scheitert. In rechtsmethodischer Hinsicht ist diese „Einrede der Gestaltbarkeit“85 aus einer Gesamtrechtsanalogie zu §§ 770 Abs. 1, 1137 Abs. 1, 1211 Abs. 1 BGB, 129 Abs. 2 und 3 HGB abzuleiten86. Verfehlt ist es indes, wenn ein Großteil des Schrifttums87 dem Schuldner per se ein Wahlrecht zwischen dem Zedent und dem Zessionar einräumt. Ein solches Wahlrecht ist weder mit dem Rechtsgedanken des § 143 Abs. 2 BGB noch mit der Relativität des auch nach dem Gläubigerwechsel zwischen Zedent und Schuldner unverändert fortbestehenden Rechtsverhältnisses vereinbar88. Zudem hat der Zedent ein berechtigtes Interesse daran, zeitnah von der Ausübung eines Gestaltungsrechts zu erfahren; vielfach wird er daraufhin zu wirtschaftlichen Dispositionen gezwungen sein. Außerdem wird der Zedent als ursprünglicher Vertragspartner auch die Erfolgsaussichten des vom Schuldner geltend gemachten Gestaltungsrechts besser einschätzen können als der Zessionar, dem die dafür notwendigen Informationen typischerweise fehlen. Das vielfach befürwortete Wahlrecht birgt demnach die Gefahr, berechtigte Interessen von Zedent und Zessionar zu beeinträchtigen, während sich die Rechtsstellung des Schuldners entgegen der Wertung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips in unzulässiger Weise verbesserte89. Aus diesem Grund muss die Geltendmachung der Gestaltbarkeitseinrede gegenüber dem Zessionar auf Fälle beschränkt bleiben, in denen die Abgabe der Gestaltungserklärung gegenüber dem Zedent tatsächlich ausscheidet. Der Schuldner muss folglich zunächst einen tauglichen Versuch unternehmen, das Gestaltungsrecht gegenüber dem Zedent auszuüben, notfalls auch durch Erset-
84 OLG Brandenburg NJW-RR 1998, 1584; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 14; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 404 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 6; Siber, in: Planck, BGB, § 404 Anm. 1 a ; Weber, in: RGRK, BGB, § 404 Rn. 16; Westermann, in: Erman, BGB, § 404 Rn. 3; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 1 a.E.; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Neumann-Duesberg, FS Nipperdey, 1965, S. 659 ff.; ders., NJW 1971, 271 f.; Pick, AcP 172 (1972), 39, 52; a.A. Kaduk, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 404 Rn. 21 f.; Köhler, JZ 1986, 516, 517 f.; Dörner, Relativität, S. 233. 85 Siehe nur v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 50. 86 Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 14; Siber, in: Planck, BGB, § 404 Anm. 1 a . 87 Neumann-Duesberg, NJW 1971, 271, 272; Dörner, Relativität, S. 248 f.; Scheyhing, in: Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1. Aufl., § 4 II 5 a; mit Ausnahme der Anfechtung jetzt ebenso Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 III 2 a, b; offen gelassen von BGH NJW 1986, 919, 920; gegen die Wahlmöglichkeit Köhler, JZ 1986, 516 f.; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV m. Fn. 40a. 88 Weiterführend, auch zum Folgenden Köhler, JZ 1986, 516 f. 89 Zum Verbesserungsverbot im Einzelnen unten § 15 III. 1. e).
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zung des Zugangs im Wege einer öffentlichen Zustellung gem. § 132 BGB90. Unter diesen Voraussetzungen wird ein Gleichlauf der Rechtsausübung vor und nach der Abtretung hergestellt. Zwar mag die Geltendmachung des Gestaltungsrechts dem Schuldner im Einzelfall entbehrlich erscheinen, wenn der (ursprüngliche) Gläubiger unauffindbar ist und nicht auf Leistung dringt91. Da die Ausübung von Gestaltungsrechten aber zum Teil an kurze Fristen gebunden ist (vgl. § 121 Abs. 1 BGB), kann der Schuldner sehr wohl ein Interesse an einer Rechtsausübung auch gegenüber einem kurzzeitig unauffindbaren Gläubiger haben, um ein späteres Leistungsverlangen endgültig auszuschließen. Auch in dieser Konstellation wird sich der Schuldner in letzter Konsequenz der öffentlichen Zustellung bedienen, um den Zugang der Gestaltungserklärung beim Gläubiger herbeizuführen. Dies ist ihm auch im Abtretungsfall zumutbar. d) Einschränkungen des Schuldnerschutzes Der Sukzessionsschutz des Forderungsschuldners erfährt Einschränkungen aus verschiedenen Gründen. Die drei wichtigsten Fälle sind der redliche Forderungserwerb (aa), der Einwendungsverzicht des Schuldners (bb) und die Einschränkung für personenbezogene Einwendungen (cc). aa) Redlicher Forderungserwerb In systematischer Parallele zum redlichen lastenfreien Erwerb beim Sukzessionsschutz beschränkter (dinglicher und obligatorischer) Rechte ermöglicht § 405 BGB92 den gutgläubigen Forderungserwerb93. Im individuellen Interesse des Zessionars sowie im überindividuellen Interesse der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit kann sich der Schuldner entgegen § 404 BGB auf bestimmte Rechtsmängel in der Person des Zedenten nicht berufen. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift sehr begrenzt: Erstens kommt § 405 BGB nur zur Anwendung, wenn sich das berechtigte Vertrauen des Zessionars auf eine bei der Abtretung vorgelegte Schuldurkunde bezieht. Zweitens gilt das Zurechnungsprinzip: Die Abtretungsurkunde entfaltet ihre Legitimationswirkungen nur, wenn der Schuldner an der Verbriefung mitgewirkt und hierdurch den Anschein einer verkehrsfähigen Forderung zurechen90 Ähnlich Köhler, JZ 1986, 516, 517 f.; Pick, AcP 172 (1972), 39, 52 f. – Verspricht auch die öffentliche Zustellung keinen Erfolg, etwa weil die Erben des verstorbenen Zedenten nicht feststehen, darf dieser Umstand dem Schuldner freilich nicht zum Nachteil gereichen; er kann die Einrede der Gestaltbarkeit in einer solchen Situation sogleich gegen den Zessionar erheben. Diese Konstellation wird von Dörner, Relativität, S. 233, offenbar übersehen. 91 So v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 52. 92 Auf die weitergehenden Ausnahmen aus dem Wertpapierrecht wird hier aus Raumgründen nicht weiter eingegangen; vgl. § 796 BGB, § 364 Abs. 2 HGB, Art. 17 WG, Art. 22 ScheckG. Zum redlichen Erwerb einer forderungsentkleideten Hypothek gem. § 1138 BGB siehe oben § 14 III. 1. c) dd). 93 Dazu bereits ausf. oben § 11 III. 6.
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bar veranlasst hat94. Und drittens schützt § 405 BGB den redlichen Zessionar ausschließlich davor, dass (1.) eine Forderung nur zum Schein gem. § 117 BGB eingegangen oder anerkannt oder (2.) die Abtretung durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Zedent gem. § 399 Alt. 2 BGB ausgeschlossen worden ist. Zwar tritt eine ernst zu nehmende Literaturauffassung für einen erheblich weitergehenden Anwendungsbereich des § 405 BGB ein. Diese Position ist indes auf Grundlage der lex lata, namentlich mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie die Bedeutung des abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzes, abzulehnen95. De lege ferenda sprechen hingegen gute Gründe dafür, den sachlichen Anwendungsbereich des § 405 BGB auf sämtliche zurechenbar veranlasste Einwendungen auszudehnen96. bb) Einwendungsverzicht des Schuldners Das abtretungsrechtliche Sukzessionsschutzprinzip ist in seiner Ausprägung des Verschlechterungsprinzips ausschließlich dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen verpflichtet. Daher steht es dem Schuldner auch frei, auf die durch § 404 BGB vermittelten Schutzwirkungen zu verzichten97. Durch einen Akt privatautonomer Selbstbestimmung kann sich der Schuldner gegenüber dem Zedenten beispielsweise verpflichten, eine Stundungseinrede nicht gegen einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger zu erheben98. Angesichts ihrer den Schuldnerschutz beschränkenden Wirkung sind schuldnerseitige Verzichtserklärungen allerdings restriktiv auszulegen99. Der verzichtende Schuldner läuft nämlich im Einzelfall Gefahr, von beiden Parteien des Zessionsvertrags und also doppelt auf die versprochene Leistung in Anspruch genommen zu werden. Es liegt auf der Hand, dass dem Schuldner ein Verzichtswille daher nicht leichtfertig unterstellt werden kann; jede andere Annahme liefe auf eine unzulässige Fiktion hinaus. Deshalb erstreckt sich die Wirkung einer Verzichtserklärung regelmäßig nur auf solche Einwendungen, die dem Schuldner positiv bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnen musste100. Das gilt insbesondere, wenn der Schuldner einen Bestätigungsvermerk auf der ihm zugesandten Abtretungsanzeige unterzeichnet101. Einen Ver94
Dazu oben § 11 III. 6. b). Zum Ganzen siehe oben § 11 III. 6. c). 96 Dazu ausf. oben § 11 III. 6. d). 97 Zum dispositiven Charakter des § 404 BGB: Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 9, 35; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 404 Rn. 15; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 18; Siber, in: Planck, BGB, § 404 Anm. 1; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 404 Rn. 7; Heck, Schuldrecht, § 66, 12; Ahcin/Armbrüster, JuS 2000, 658, 659. 98 Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 3 a.E., 35 ff.; vgl. weiter Weber, in: RGRK, BGB, § 404 Rn. 28; Westermann, in: Erman, BGB, § 404 Rn. 8. 99 So auch Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 19. 100 BGH NJW 1970, 321; 1973, 2019; 1983, 1903, 1904; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 404 Rn. 7; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 20; Ahcin/Armbrüster, JuS 2000, 658, 659; Marburger, DB 1973, 2125. 101 Vgl. BGH NJW 1973, 39. 95
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zicht auf unbekannte Einwendungen muss er hingegen klar und eindeutig erklären102. Im Übrigen gehen verbleibende Ungenauigkeiten und mehrdeutige Formulierungen im Bestätigungsformular zulasten des vorlegenden Zessionars103. Insgesamt gilt in diesem Zusammenhang folglich das Primat der schuldnerfreundlichen Auslegung. cc) Personenbezogene Einwendungen Eine weitere Einschränkung erfährt § 404 BGB für personenbezogene Einwendungen. Beispielhaft steht dafür der Fall, dass die Geltendmachung der gegen den Schuldner gerichteten Forderung aufgrund in der Person des Zedenten liegender Umstände am Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens scheitert, vergleichbare Umstände in der Person des Zessionars indes nicht vorliegen und dem Neugläubiger vom Schuldner daher auch nicht entgegengesetzt werden können104. Diese Fallgruppe ist mit scharfen dogmatischen Kategorien schwerlich fassbar. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Umstände, die den Schuldner im Verhältnis zum Zedenten zur Geltendmachung einer Einwendung berechtigen, einen besonderen Bezug zur Person des Zedenten aufweisen und deshalb auch vom rechtlichen Inhalt und Charakter des übertragenen Forderungsrechts abgeschichtet werden können. Während also Inhalt und Umfang des Forderungsrechts auch nach dem Gläubigerwechsel unverändert fortbestehen, existieren in der Person des Zessionars keine dem Zedent vergleichbaren einwendungsrelevanten Umstände. Daran muss auch die Ausübung personenbezogener Einwendungen im Verhältnis zum Zessionar scheitern. Überhaupt handelt es sich bei diesem Phänomen nicht um ein Spezifikum der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Auch ohne den Inhalt des Forderungsrechts zu ändern und ohne Gläubigerwechsel können die persönlichen Umstände in der Person des Zedenten wegfallen und der Schuldner infolge dessen an der Geltendmachung der Einwendung gehindert sein105. Allerdings ist der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nicht notwendig höchstpersönlicher Natur. Ist der Schuldner nämlich aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Zedenten (dauerhaft) berechtigt, die Leistung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verweigern, kann er diesen Umstand regelmäßig auch dem Zessionar entgegenhalten106. In Abhängigkeit von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ist für jede Sachver102 RGZ 71, 30, 32; RG JW 1909, 310; BGH NJW 1970, 321; 1983, 1903, 1904; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 38, 46; Grüneberg, in: Palandt, BGB § 404 Rn. 7; Marburger, in: Staudinger, BGB, § 781 Rn. 32; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 20. 103 BGH NJW 1973, 39; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 38 a.E. 104 OLG München NJW 1970, 663, 664; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 3, 18; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 404 Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 9; Westermann, in: Erman, BGB, § 404 Rn. 1; Kornblum, BB 1981, 1296, 1299; vgl. noch BGH NJW 2001, 1859, 1862; 2002, 3170, 3172; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 271. 105 Dörner, Relativität, S. 231. 106 BGH NJW 1962, 1388, 1390; NJW-RR 2004, 1281, 1282; ZIP 2000, 1444; Busche, in: Staudinger, BGB, § 404 Rn. 18; Roth, in: MünchKommBGB, § 404 Rn. 9.
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haltskonstellation anhand einer wertenden Betrachtung zu ermitteln, ob die Einwendungen ausnahmsweise höchstpersönlicher Natur sind und dem Zessionar daher nicht entgegengehalten werden können oder ob § 404 BGB – wie im Regelfall – seine sukzessionsschützenden Wirkungen entfaltet. e) Keine Besserstellung des Forderungsschuldners Das abtretungsrechtliche Verschlechterungsverbot ist nur eine Ausformung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips107, und zwar aus der Perspektive des Forderungsschuldners, dem am unveränderten Fortbestand seiner Rechtspositionen zu seinen Gunsten gelegen ist. Nimmt man darüber hinaus auch die berechtigten Interessen der Parteien des Abtretungsvertrages in den Blick, muss unter Zugrundelegung des Identitätsprinzips auch verhindert werden, dass sich der Schuldner infolge der Abtretung ungerechtfertigte Vorteile verschafft und sich seine Rechtsstellung verbessert (Verbesserungsverbot)108. Paradigmatisch dafür stehen die dem Zedent gegenüber dem Schuldner ursprünglich zustehenden Zurückbehaltungsrechte: In Bezug auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB sind sich Rechtsprechung109 und Literatur110 weitestgehend darüber einig, dass der Zedent die Leistung an den Schuldner solange verweigern darf, bis der Schuldner den Zessionar befriedigt hat111. So einig man sich über dieses Ergebnis ist, so heterogen fallen die Begründungen aus. Dabei ist die Versuchung groß, den Rechtsgedanken des § 404 BGB für die Falllösung fruchtbar zu machen112. Bei § 404 BGB handelt es sich zwar um eine einfachgesetzliche Ausformung des übergreifenden Identitätsprinzips; nach Wortlaut und Regelungszweck zielt die Vorschrift indes ausschließlich auf den Schutz von Schuldnerinteressen ab, während die Belange von Zedent und Zessionar außen vor bleiben. Diese teleologische Beschränkung ist durchaus vernünftig. Während der Schuldner mangels Mitwirkung am Abtretungsvertrag den Gläubigerwechsel nicht verhindern kann und daher auf einen besonderen gesetzlichen Sukzessionsschutz angewiesen ist, haben die Vertragsparteien den Forderungsübergang nebst Aufspaltung des gegenseitigen Vertrages willentlich herbeigeführt und müssen auch die hieraus resultierenden Rechtsfolgen hinnehmen. Dessen ungeachtet ist allerdings kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, den Schuldner ohne Zustimmung von 107 Gegen eine Ableitung aus dem Identitätsdogma v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 62; wie hier aber Dörner, Relativität, S. 227. 108 Umfassend v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 62 ff. 109 RGZ 88, 254, 255; BGHZ 55, 354, 356; 85, 346, 348; BGH WM 1978, 951. 110 Siehe exemplarisch nur Emmerich, in: MünchKommBGB, § 320 Rn. 32; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 320 Rn. 2, 6; Schwenzer, AcP 182 (1982), 214, 225 f.; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 66 f.; Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 62 ff., 67 ff. 111 A.A. noch OLG Dresden SächsA 6 (1911), 36; mit Einschränkungen auch Ludwig, NJW 1972, 516 f. 112 Dafür Schwenzer, AcP 182 (1982), 214, 225; vgl. auch Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 68: „Gleichheitsprinzip“.
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Zedent und Zessionar besserzustellen, als er ohne die erfolgte Abtretung des Leistungsanspruchs aus dem gegenseitigen Vertrag stehen würde113. Die ursprüngliche Verknüpfung der beiden Leistungspflichten verlangt nach Identität und Kontinuität des Vertragsmechanismus, weil sich an dem gegenseitigen Versprechen der Vertragspartner und der wechselseitigen Abhängigkeit ihrer Verbindlichkeiten voneinander durch die Abtretung einer Einzelforderung nichts geändert hat. Zutreffender dogmatischer Ansatzpunkt für die Geltendmachung der Einrede des nichterfüllten Vertrags ist folglich das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip, wie es seine Schutzwirkungen zugunsten sämtlicher vom Gläubigerwechsel tangierter Rechtssubjekte entfaltet. In konsequenter Fortentwicklung dieser Überlegungen muss – entgegen der überwiegend vertretenen Gegenposition114 – auch das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB aufrechterhalten bleiben115. Zutreffend ist zwar, dass die Verknüpfung von Haupt- und Gegenforderung bei § 273 BGB – anders als im Fall des § 320 BGB – nicht auf einem einheitlichen Leistungsversprechen der Vertragsparteien beruht. Gleichwohl setzt § 273 BGB voraus, dass die Ansprüche aus einem einheitlichen und innerlich zusammengehörigen Lebenssachverhalt herrühren116. Möchte der Schuldner seine Forderung gegen den (ursprünglichen) Gläubiger durchsetzen, muss er gem. § 273 Abs. 1 BGB entweder seine Leistung tatsächlich erbringen oder nach § 273 Abs. 3 BGB Sicherheit leisten. Von dieser Verpflichtung würde der Schuldner indes ohne weiteres enthoben, verlöre der Zedent infolge des Gläubigerwechsels das Zurückbehaltungsrecht. Für eine solche Besserstellung der schuldnerischen Rechtsposition ist ein sachlicher Grund ebenso wenig ersichtlich wie für den – von der h.M. zutreffend verneinten – Verlust der Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB. In beiden Fällen sorgt das aus dem übergeordneten Identitätsprinzip abgeleitete, zessionsrechtliche Verbesserungsverbot für den unveränderten Fortbestand der schuldnerseitigen Rechtsstellung.
2. Fortbestand der Aufrechnungslage Eine weitere Ausformung des abtretungsrechtlichen Verschlechterungsverbots ist der in § 406 BGB normierte Fortbestand der Aufrechnungslage. Hat die Aufrechnungslage bereits vor dem Gläubigerwechsel bestanden, kann der Forderungsschuldner später auch weiterhin mit einer eigenen Forderung gegen den Zedent aufrechnen. Damit wird sein Interesse an einem unveränderten Fortbe113
So auch v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 66 f. BGHZ 92, 194, 196; Krüger, in: MünchKommBGB, § 273 Rn. 10; Ebert, in: Erman, BGB, § 273 Rn. 12; M. Wolf, in: Soergel, BGB, § 273 Rn. 12; Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 69. 115 Siber, in: Planck, BGB, § 273 Anm. 2 a ; Blomeyer, JR 1955, 343; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 68. 116 RGZ 72, 61, 65; BGHZ 47, 157, 167; 92, 194, 196; 115, 99, 103; BGH NJW 1997, 2944, 2945. 114
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stand seiner Rechtsstellung geschützt und dem allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip Rechnung getragen. Soweit § 406 Hs. 2 BGB dem Schuldner außerdem die Befugnis einräumt, mit einer erst nach der Abtretung erworbenen Gegenforderung aufzurechnen, geht die Sukzessionsschutzbestimmung über das Verschlechterungsverbot hinaus und schützt den Schuldner außerdem vor dem Risiko eines unbekannt gebliebenen Gläubigerwechsels. Insofern vermittelt § 406 BGB in Übereinstimmung mit §§ 407, 408 BGB außerdem Vertrauensschutz. Diese unterschiedlichen Stoßrichtungen komplizieren die Interpretation der Schutzvorschrift: a) Regelungszweck und Dogmatik In der Vergangenheit hat es nicht an Deutungsversuchen für § 406 BGB gefehlt. So nahm etwa Josef Kohler an, die Forderung sei mit dem erstmaligen Eintritt der Aufrechnungslage einer „Vinkulierung“ unterworfen, die dem Schuldner im Fall einer späteren Aufrechnung eine „bedingte Befriedigung“ gewähre117. Noch heute interpretiert die Rechtsprechung die durch § 406 BGB vermittelte Aufrechnungsmöglichkeit zuweilen als „Belastung“ der Hauptforderung118 oder fingiert den Fortbestand der tatsächlich nicht gegebenen Gegenseitigkeit der Forderungen119. Diese Erklärungsansätze verfehlen allesamt den teleologisch-normativen Kern des § 406 BGB. Der primäre Regelungszweck des § 406 BGB zielt darauf ab, dem Forderungsschuldner die vor Abtretung bestehende Aufrechnungslage zu erhalten. Indem der Schuldner auch nach dem Gläubigerwechsel gegen die zedierte Forderung mit einer gegen den Zedenten gerichteten Gegenforderung aufrechnen kann, wird verhindert, dass sich an seiner Rechtsstellung durch die Änderung der Rechtszuständigkeit an der Hauptforderung auch nur das Geringste ändert (Verschlechterungsverbot)120. Zur Erklärung dieser Zielrichtung ist indes die von der Rechtsprechung zuweilen vertretene Fiktionslösung (Fortbestand der Gegenseitigkeit)121 abzulehnen. Aus rechtsdogmatischer Perspektive dispensiert § 406 BGB vielmehr im Interesse eines effektiven Schuldnerschutzes vom Gegenseitigkeitserfordernis des § 387 BGB122. In der Konsequenz kann der Schuldner gegenüber dem Zessionar mit einer Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Zedenten zusteht, obwohl jener nach dem Gläubigerwechsel 117
Kohler, ZZP 24 (1898), 1, 32 ff., 39. BGH NJW 1978, 2244: „Die Darlehensforderung der Kl. war mit der Befugnis der Frau B zur Aufrechnung belastet (…)“; ähnlich OLG Köln NJW-RR 2001, 539, 540; Quast, Titel, S. 113. 119 So etwa BGHZ 19, 153, 157; 58, 327, 329; BGH NJW 1996, 1056, 1057. 120 Vgl. RGZ 73, 138, 139 f.; BGHZ 19, 153, 156; 58, 327, 331; 64, 122, 126; BGH NJW 2003, 1182, 1183; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 406 Rn. 1; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 406 Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 406 Rn. 1; Siber, in: Planck, BGB, § 406 Anm. 1; Weber, in: RGRK, BGB, § 406 Rn. 1. 121 Siehe nochmals Fn. 119. 122 Vgl. RGZ 73, 138, 139; BGH NJW 1996, 1056, 1057; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 13; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 406 Rn. 1; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1124. 118
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nicht mehr Inhaber der Hauptforderung ist. In der Gesamtschau mit § 404 BGB zielt § 406 BGB letztlich darauf ab, dem Schuldner sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten gegen den zedierten Leistungsanspruch zu erhalten123. Auf die weiteren in Rechtsprechung und Schrifttum anzutreffenden, noch vorwiegend begriffsjuristisch geprägten Deutungsversuche des § 406 BGB kann hingegen verzichtet werden: Insofern ist das von der Rechtsprechung zuweilen gebrauchte Bild vom Fortbestand der Aufrechnungslage als „Belastung“ der zedierten Forderung zumindest unglücklich gewählt. Zwar zeitigen die Sukzessionsschutzvorschriften bei beschränkten (dinglichen und obligatorischen) Rechten und die Regelungen des abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzes bemerkenswerte funktionelle Parallelen; ihre rechtsdogmatische Konstruktion unterscheidet sich hingegen grundlegend. Der Sukzessionsschutz beschränkter Rechte beruht letztlich auf einer Abspaltung von Teilrechten aus dem Stammrecht, die dem Drittberechtigten absolut und ausschließlich zugewiesen werden und ihm auch durch die Übertragung des Stammrechts – vorbehaltlich eines redlichen Erwerbs der Lastenfreiheit – nicht entzogen werden können. Demgegenüber stärkt § 406 BGB die obligatorische (relative) Rechtsstellung des Schuldners im Verhältnis zum Zessionar. Davon abgesehen erweist sich die Belastungsallegorie der Rechtsprechung indes als unschädlich für die praktische Anwendung des § 406 BGB. Insbesondere misst sie der Sukzessionsschutzbestimmung keine über das gesetzliche Schuldnerschutzsystem hinausgehenden Rechtswirkungen bei. Insofern unterscheidet sich dieser Ansatz vom Kohler’schen Verständnis des § 406 BGB. Denn Kohler sucht aus seiner Deutung der Vorschrift – Vinkulierung mit bedingtem Befriedigungsrecht – eine ganze Reihe von Implikationen abzuleiten, die in ihrer Gesamtheit die Grenzen der §§ 404, 406 ff. BGB bei weitem überschreiten124. Da dieser Ansatz mit der legislatorischen Grundidee eines wohldosierten Schuldnerschutzes schwerlich in Einklang zu bringen ist, hat die von Kohler begründete, extensive Auslegung zu Recht keine Gefolgschaft erfahren125. Um die Norm korrekt erfassen zu können, muss man sie in ihre einzelnen Tatbestandsmerkmale zerlegen. Wenn die Grundregel des § 406 BGB dem Schuldner die vor Abtretung bereits entstandene Aufrechnungslage mit einer Forderung gegen den Zedent erhält, dann fügt sich dieser Regelungsgedanke zwanglos in das Konzept des identitätswahrenden Forderungsübergangs und des unveränderten Fortbestands der schuldnerischen Rechtsstellung ein (Verschlechterungsverbot)126. Durch die Übertragung der Forderung an den Zessionar soll der Schuldner nicht die einmal entstandene Aufrechnungsmöglichkeit 123 Für die h.M.: Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 14; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 17, 33 ff. 124 Dazu ausf. Kohler, ZZP 24 (1898), 1, 45 ff. 125 Kritisch daher v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 17 ff. 126 Vgl. auch Motive zum BGB, Bd. 2, S. 131.
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verlieren. Schließlich hängt es nicht selten vom Zufall ab, in welchem Zeitpunkt der Schuldner sich zur Abgabe der Aufrechnungserklärung entschließt. Außerdem machen die Motive darauf aufmerksam, dass der Schuldner häufig „gerade mit Rücksicht auf die ihm durch seine Schuld gewährte Deckung sich zur Kreditgewährung an den Gläubiger verstanden oder seine Schuld gegen den bisherigen Gläubiger gerade mit Rücksicht auf die Gegenforderung an denselben kontrahirt haben“ wird. Der Fortbestand der Aufrechnungsbefugnis entspreche daher allein der „Billigkeit und praktische(n) Rücksichten“127. Im Ergebnis bleibt sie ihm vollumfänglich erhalten, da sie bereits im Rechtsverhältnis zwischen Zedent und Schuldner im Zeitpunkt der Abtretung ihrem Grund nach angelegt war; § 406 BGB ermöglicht in diesem Zusammenhang, dass der Schuldner unmittelbar gegenüber dem Zessionar aufrechnen kann. Da der Schutzzweck der Vorschrift primär auf die Gewährleistung individuellen Schuldnerschutzes gerichtet ist, kann der Schuldner auf die Aufrechnungsmöglichkeit – ebenso wie auf die Rechtswirkungen des § 404 BGB128 – kraft privatautonomer Vereinbarung verzichten129. Ebenfalls in Parallele zur Interpretation des § 404 BGB130 verlangt das übergeordnete sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip, wie es auch in § 406 BGB zum Ausdruck gelangt, dass der Schuldner aus der Abtretung der Hauptforderung keine ungerechtfertigten Vorteile ziehen kann (Verbesserungsverbot)131. Daher bleiben dem Zessionar insbesondere die Einwendungen und Gegenrechte erhalten, die auch der Zedent gegen die Gegenforderung des Schuldners hätte geltend machen können, hätte jener die Hauptforderung nicht an den Zessionar abgetreten132. Das zeigt sich besonders anschaulich am Beispiel der mit einem Zurückbehaltungsrecht belasteten Gegenforderung, mit welcher der Schuldner nach Maßgabe des § 406 BGB aufrechnen möchte. Die Aufrechnung nach dem Gläubigerwechsel ist dem Schuldner indes verwehrt, weil er auch ohne die Abtretung gem. § 390 S. 1 BGB gegen den Zedenten nicht hätte aufrechnen können. Der in § 390 S. 1 BGB niedergelegte Grundgedanke ist auf den Zessionsfall zu übertragen. Denn § 406 BGB will dem Schuldner die Aufrechnungslage im Interesse eines unveränderten Fortbestands seiner Rechtsstellung 127
Beide Zitate: Motive zum BGB, Bd. 2, S. 131. Siehe oben § 15 III. 1. d) bb). 129 Zum dispositiven Charakter des § 406 BGB: RGZ 125, 252, 254 f.; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 12, 37; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 406 Rn. 1; Siber, in: Planck, BGB, § 406 Anm. 2 f; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 8. 130 Siehe oben § 15 III. 1. e). 131 Vgl. BGHZ 35, 317, 328; Weber, in: RGRK, BGB, § 406 Rn. 18; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 270; a.A. Kaduk, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 406 Rn. 14; vgl. noch v. Olshausen, AcP 182 (1982), 254, 255. – Gegen eine Begründung unter Heranziehung des Identitätsprinzips v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 62; wie hier dagegen Dörner, Relativität, S. 227. 132 BGHZ 35, 317, 327 f.; BFH ZIP 1984, 1245, 1247; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 38; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 406 Rn. 9; Weber, in: RGRK, BGB, § 406 Rn. 19; Westermann, in: Erman, BGB, § 406 Rn. 1, 8; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 406 Rn. 4; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 5; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 271. 128
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
nach dem Gläubigerwechsel lediglich erhalten, ihm im Gegensatz dazu indes keine – erweiterte – Kompensationsmöglichkeit eröffnen, die ihm ohne die Abtretung der Hauptforderung nicht zugestanden hätte133. Dementsprechend scheitert eine Aufrechnung gem. § 406 BGB bei vertraglich vereinbarten Aufrechnungsausschlüssen134 und gesetzlichen Aufrechnungsverboten (vgl. § 394 BGB)135, soweit die Aufrechnungshindernisse entsprechend ihrer Zielsetzung für den Zessionar ebenso gelten wie für den Zedent136. Paradigmatisch dafür steht § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, der über § 394 S. 1 BGB dem „sozialen Schutz des Unfallopfers“ dient. Geht die Hauptforderung auf den Sozialversicherungsträger über, findet das Aufrechnungsverbot keine Anwendung, da es gegenüber dem Zessionar an einem vergleichbaren Schutzbedürfnis fehlt137. b) Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeit bei Unkenntnis des Schuldners Mit dem Identitätsgedanken allein lässt sich aber nur erklären, weshalb die vor Abtretung entstandene Aufrechnungslage im Schuldnerinteresse aufrechterhalten wird, nicht aber, weshalb der Schuldner auch mit solchen Gegenforderungen aufrechnen kann, die er in Unkenntnis des Gläubigerwechsels und damit nach der Forderungsabtretung erwirbt. Zur Begründung des erweiterten Sukzessionsschutzes verweist die 1. BGB-Kommission auf Billigkeitsgründe138, die in concreto auf einen besonderen Vertrauensschutz des Schuldners abzielen139: Habe der Schuldner vom Gläubigerwechsel keine Kenntnis erlangt, müsse er in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, auch mit einer nach dem Gläubigerwechsel erworbenen Forderung aufrechnen zu können. Das gelte umso mehr, als es die Parteien des Abtretungsvertrags selbst in der Hand hätten, den Schuldner zeitnah von der erfolgten Forderungszession in Kenntnis zu setzen. Diese Wertung ist durchaus zutreffend. Indem § 406 Hs. 2 BGB über das einfache, §§ 404, 387 BGB zugrundeliegende140 Benachteiligungsverbot hinausgeht, schützt die Vorschrift den Forderungsschuldner vor den Gefahren einer unbekannt gebliebenen Abtretung. Letztlich sanktioniert diese Gewährleistung des § 406 BGB den Umstand, dass dem Schuldner im Interesse einer ungehin133
Vgl. auch BGHZ 35, 317, 328; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 78. BGHZ 14, 61, 63; 23, 131, 138; BGH WM 1975, 852, 854; 1980, 214, 215. 135 RGZ 85, 351, 353; BGHZ 53, 71, 75; 95, 109, 117; siehe noch Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 38; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 406 Rn. 9; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 406 Rn. 4 a.E.; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 5; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 78. 136 Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 38; Westermann, in: Erman, BGB, § 406 Rn. 1. 137 BGHZ 35, 317, 327; 95, 109, 117; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 38 a.E. 138 Zu der dieser Billigkeitsentscheidung zugrunde liegenden Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner siehe RGZ 73, 138, 140 f.; BGHZ 2, 300, 306; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 249 ff. 139 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 131 f. 140 Vgl. BGH NJW 2002, 2865, 2866; 2003, 1182, 1183; OLG Köln NJW-RR 2001, 539, 540; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 1, 15; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 250 f. 134
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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derten Zirkulation von Forderungsrechten nicht nur die Mitwirkung an der Zession versagt ist, sondern er nicht einmal von einer – erfolgten – Abtretung ins Bild gesetzt werden muss. Da sich der Forderungsübergang für den Schuldner völlig unbemerkt vollziehen kann, muss er auch effektiv von solchen Rechtsnachteilen entlastet werden, die aus der mangelnden Kenntnis von der Zession erwachsen können. Deshalb wird nach Maßgabe des § 406 BGB auch das Vertrauen des Schuldners geschützt, sich nach Erwerb einer gegen den Zedent gerichteten Gegenforderung durch Aufrechnung von der zedierten Hauptforderung befreien zu können141. Soweit § 406 BGB insofern auf die Gewährleistung schuldnerseitigen Vertrauensschutzes abzielt, beruht die Vorschrift auf demselben Regelungsgedanken wie § 407 Abs. 1 BGB, der ebenfalls das Vertrauen des Schuldners auf den unveränderten Fortbestand der Gläubigerstellung des Zedenten schützen soll142. Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Vertrauenslehre, dass die Vertrauenswirkungen nur soweit reichen, wie sich der Begünstigte in Bezug auf die vertrauensgeschützte Tatsachengrundlage in gutem Glauben befindet143. Dementsprechend endet die Vertrauensschutzwirkung sobald der Schuldner nach Maßgabe des § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB vom Gläubigerwechsel positive Kenntnis erlangt. Erwirbt der Schuldner eine gegen den Zedent gerichtete Gegenforderung erst nach Kenntniserlangung, besteht keine Notwendigkeit, den Schuldner in seinem Vertrauen darauf zu schützen, sich durch Aufrechnung gegenüber dem Zessionar von seiner gegen den Zedent gerichteten Gegenforderung zu befreien144. In diesem Fall muss sich der Schuldner darüber im Klaren sein, dass er die gegen den Zedent erworbene Forderung mangels Gegenseitigkeit der Leistungsansprüche nicht mittels Aufrechnung realisieren kann. Die wirtschaftlichen Interessen des Schuldners sind nach Kenntniserlangung dadurch geschützt, dass er sich eine gegen den Zessionar gerichtete Forderung verschaffen kann, um mit dieser gegen die zedierte Hauptforderung aufzurechnen. Wendet man diese Überlegung konsequent auf künftige Forderungen an, gelangt man mit der zutreffenden h.M. zu dem Ergebnis, dass dem Schuldner bereits die Kenntnis von der Vorausabtretung schadet, auch wenn der Abtretungserfolg selbst noch nicht eingetreten ist145. Die auf die Entstehung der
141 BGH NJW 2002, 2865, 2866; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 1, 15; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 250 f. Vgl. noch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 80 I 4 a; Heck, Schuldrecht, § 67, 5. 142 Dazu sogleich unten § 15 III. 3. 143 Zum Redlichkeitserfordernis beim Gutglaubenserwerb siehe oben § 11 VI. 144 Vgl. BGHZ 19, 153, 158; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 18, 25; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 262. 145 BGHZ 66, 384, 386 f.; BGH NJW 2002, 2865; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 27; Roth, in: MünchKommBGB, § 406 Rn. 19; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 406 Rn. 2 a.E.; Brink, WM 2003, 1355, 1362; Kornblum, BB 1981, 1296, 1303; Schomaker, BB 1969, 940, 941; einschränkend Schwarz, WM 2001, 2185, 2188 ff.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
Hauptforderung abhebende Gegenauffassung146 kann sich nicht auf die zur Vorausabtretung für § 404 BGB überwiegend vertretene Ausdehnung des Schuldnerschutzes147 berufen, da die Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeit gem. § 406 BGB im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht § 404 BGB nachgebildet ist und auch nicht dessen Grundwertung teilt, sondern am Rechtsgedanken des § 407 Abs. 1 BGB Maß nimmt. Geht es folglich primär um den Schutz vor Gefahren, die sich aus der Unkenntnis des Gläubigerwechsels ergeben, mangelt es an der notwendigen Schutzwürdigkeit des Schuldners, wenn er nach Kenntniserlangung von der Vorausabtretung damit rechnen muss, dass die künftige Forderung mit Entstehung auf den Zessionar übergeht148. Ab Kenntniserlangung von der Vorausabtretung muss er mit dem Verlust der Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem Zedenten rechnen. Erwirbt der Schuldner gleichwohl eine gegen den Zedenten gerichtete Forderung, handelt er auf eigenes Risiko. Der Vertrauensschutzgedanke entfaltet seine Rechtswirkungen unstreitig für den Fall, dass der Schuldner die gegen den Zedent gerichtete Forderung nach Abtretung der Hauptforderung kraft Rechtsgeschäfts erwirbt. Denn in dieser Ausübung privatautonomer Selbstbestimmung manifestiert sich eine willentliche Vertrauensdisposition. Erwirbt der Schuldner die gegen den Zedent gerichtete Gegenforderung indes kraft Gesetzes, kann von einer vergleichbaren Vertrauensdisposition des Schuldners keine Rede sein149. Dennoch wenden Rechtsprechung150 und Teile des Schrifttums151 § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB auch auf ohne den Willen des Schuldners erworbene Gegenforderungen an – und haben Recht: Zugegebenermaßen ist es nicht fernliegend, den gesetzlichen Rechtserwerb – in Parallele zum redlichen Erwerb152 – aus dem Anwendungsbereich des § 406 BGB auszuklammern. Da sich für eine solche restriktive Interpretation der Sukzessionsschutzvorschrift allerdings keine tauglichen Ansatzpunkte im Gesetzestext oder den Gesetzesmaterialien ausmachen lassen, kommt eine einschränkende Auslegung des § 406 BGB nur in Form einer teleologischen Reduktion in Betracht, die nach Maßgabe des normativen Regelungsziels einer besonderen Begründung bedarf. Hierbei erweisen sich die für die Beschränkung des Gutglaubenserwerbs auf rechtsgeschäftliche Transaktionen angeführten Gründe153 indes als wenig zielführend. Dort basiert die Bereichsausnahme näm146 OLG Köln NJW-RR 2001, 539, 540 f.; Westermann, in: Erman, BGB, § 406 Rn. 3; v. Tuhr, AT II/1, S. 394; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 b; Serick, Eigentumsvorbehalt IV, § 47 IV 3 b; ders., BB 1982, 873 ff., 875; Bülow, JA 1983, 7, 12. 147 Siehe oben § 15 III. 1. b). 148 Vgl. auch BGHZ 66, 384, 386 f.; BGH NJW 2002, 2865, 2866; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 27; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 406 Rn. 2 a.E. 149 Zweifelnd auch Roth, in: MünchKommBGB, § 406 Rn. 8; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 784. 150 BGHZ 19, 153, 158. 151 Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 7; Westermann, in: Erman, BGB, § 406 Rn. 4; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 252. 152 Siehe oben § 11 IV. 153 Siehe nochmals oben § 11 IV.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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lich nicht auf der mangelnden Vertrauensdisposition des Erwerbers, sondern darauf, dass die dem redlichen Erwerb in erster Linie zugrunde liegenden Verkehrsschutzerwägungen im Fall eines gesetzlichen oder hoheitlichen Erwerbs typischerweise nicht einschlägig sind, weil der Erwerber in einem solchen Fall nicht als Repräsentant des Rechtsverkehrs fungiert. Im Übrigen spielt das Vertrauen des Erwerbers in die Richtigkeit des gesetzten Rechtsscheins keine Rolle. Im Gegensatz dazu spielen überindividuelle Verkehrsinteressen im Rahmen des durch § 406 BGB vermittelten Schuldnerschutzes von Anfang an keine Rolle. Auch fungiert der Schuldner im hiesigen Zusammenhang nicht als Repräsentant des Rechtsverkehrs. Vielmehr zielt § 406 BGB auf den individuellen Schutz berechtigter Schuldnerinteressen. Und auch bei einem gesetzlichen Forderungserwerb können solche Schutzinteressen tangiert sein. Gleichgültig, auf welche Weise der Schuldner nämlich die Gegenforderung erwirbt, wird er in Unkenntnis der erfolgten Abtretung darauf vertrauen, sich mit Hilfe der gegen den Zedent gerichteten Forderung von der zedierten Hauptforderung zu befreien. Für das schuldnerseitige Vertrauen ist es in dem Zusammenhang bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung folglich ohne Belang, ob der Schuldner die Forderung zu Befriedigungszwecken rechtsgeschäftlich erwirbt oder ob er nach einem gesetzlichen oder hoheitlichen Erwerb der Forderung auf die aus seiner Sicht gegebene – subjektive – Aufrechnungslage vertraut154. Das Vertrauen kann sich im letzten Fall etwa darin manifestieren, dass es der Schuldner unterlässt, seine gegen den Zedent gerichtete Forderung in Ansehung der Aufrechnungsoption an einen Dritten abzutreten. Im Übrigen ist die Aufrechnung nach Maßgabe des § 407 Abs. 1 BGB jedenfalls wirksam, wenn sie der Schuldner sofort nach Erwerb der Gegenforderung erklärt155. Da der Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Gläubigerwechsel und der Abgabe der Aufrechnungserklärung nicht selten vom Zufall abhängen, bedeutete es einen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch, wenn nichtvertraglich erworbene Gegenforderungen aus dem Anwendungsbereich des § 406 BGB ausgeklammert würden. c) Einschränkung für später fällige Gegenforderung Der aufrechnungsspezifische Vertrauensschutz scheidet gem. § 406 Hs. 2 BGB nicht nur aus, wenn der Schuldner im Zeitpunkt des Forderungserwerbs von der Abtretung positive Kenntnis hat, sondern auch wenn die Gegenforderung (1.) erst nach Kenntniserlangung und (2.) später als die zedierte Hauptforderung fällig geworden ist. Diese Einschränkung des Sukzessionsschutzes für später fällige Gegenforderungen erschließt sich durch einen Blick in die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und erweist sich in ihrem Grundanliegen als durchaus berechtigt.
154 155
Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 252. Bacher, JA 1992, 200, 204.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
Noch im 1. BGB-Entwurf sucht man vergebens nach der heute in § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB normierten Einschränkung. Die 1. Kommission betonte dementsprechend noch, dass die Gegenforderung nicht schon im Abtretungszeitpunkt fällig sein müsse, sondern erst im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung, und dass es auch unschädlich sei, wenn die Gegenforderung erst nach der abgetretenen Forderung fällig werde156. Dass die 2. Kommission später anders entschied, ist einer Änderung im Recht der Aufrechnung geschuldet. Gegen beschlagnahmte Forderungen sollte nämlich die Aufrechnung ausgeschlossen sein, wenn der Schuldner seine Forderung nach der Beschlagnahme erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der Beschlagnahme und später als die in Beschlag genommene Forderung fällig geworden ist. Mit diesem heute in § 392 BGB niedergelegten Aufrechnungsverbot soll verhindert werden, dass sich der Schuldner die Aufrechnungsbefugnis in unzulässiger Weise verschafft, indem er die eigene Leistung bis zur Fälligkeit hinauszögert157. Diesen Rechtsgedanken übertrug die 2. BGB-Kommission kurzerhand auf den Fortbestand der Aufrechnungslage im Abtretungsfall158. Der so hergestellte Gleichlauf der §§ 392, 406 BGB ist nur konsequent. Ist die gegen den Zedenten gerichtete Gegenforderung nämlich im Abtretungszeitpunkt nicht fällig, muss der Schuldner damit rechnen, dass der Zessionar die zedierte Hauptforderung erfolgreich gegen ihn durchsetzen wird, ohne dass sich der Schuldner durch Aufrechnung hiergegen verteidigen kann159. Mangels Aufrechnungslage konnte folglich beim Schuldner kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Rechtsverteidigung hervorgerufen werden. Mit den Worten des BGH hat der Schuldner „nur einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der Rechte, die er im Zeitpunkt der Abtretung schon hatte, nicht auch auf ungeschmälerte Gewährung solcher Rechte, die er ohne die Abtretung später hätte erwerben können“160. Die fälligkeitsbedingte Einschränkung macht § 406 BGB zwar kompliziert und schwer verständlich161; im Grundsatz liegt ihr indes eine zutreffende Wertung zugrunde. d) Die nach Abtretung, aber vor Kenntniserlangung fällige Gegenforderung Abschließender Prüfstein für die normzweckkonforme Interpretation des § 406 BGB ist die Frage, ob der Schuldner auch dann aufrechnen kann, wenn er seine Gegenforderung erst nach Abtretung erworben hat und sie ebenfalls erst nach der zedierten Hauptforderung, aber noch vor Kenntniserlangung des Schuld156
Motive zum BGB, Bd. 2, S. 132. Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 374. 158 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 391. 159 Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 19 a.E.; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 260; Bacher, JA 1992, 200, 206. 160 BGHZ 19, 153, 157 (zu § 404 BGB). 161 Kritisch etwa Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 3 a.E.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 406 Rn. 1: „unnötig komplizierte Regelung“. 157
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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ners vom Gläubigerwechsel fällig wird. Während für diese Konstellation früher nicht selten eine korrigierende Auslegung befürwortet wurde162, wendet die heute h.M. § 406 BGB wortlautgetreu an und gestattet dem Schuldner auch die Aufrechnung mit nach Abtretung, aber vor Kenntniserlangung fällig gewordenen Gegenforderungen163. Für diesen Standpunkt spricht zunächst der Gesetzeswortlaut, so dass die Gegenauffassung in rechtsmethodischer Hinsicht die Begründungslast für eine teleologische Reduktion trägt. Sachliche Gründe, die dafür sprechen könnten, die hiesige Fallgestaltung aus dem Anwendungsbereich des § 406 BGB herauszunehmen, sind indes weder im Hinblick auf den Willen des historischen Gesetzgebers noch hinsichtlich des maßgeblichen Regelungszwecks ersichtlich. Im Gegenteil spricht der Gedanke des Vertrauensschutzes im Interesse eines effektiven Schuldnerschutzes für die heute überwiegend vertretene Auffassung. Geschützt ist nämlich nicht allein das Vertrauen des Schuldners auf eine im Zeitpunkt des Gläubigerwechsels aktuelle Aufrechnungslage, sondern auch das Vertrauen darauf, eine später in Unkenntnis der Abtretung erworbene Forderung gegen den ursprünglichen Gläubiger aufrechnen zu können164. Solange der Schuldner von der Abtretung der Hauptforderung keine Kenntnis hat, ist sein Vertrauen darauf schutzwürdig, sich ab Eintritt der Fälligkeit durch Aufrechnung gegen die unerkannt zedierte Hauptforderung zu befriedigen. Im Übrigen muss es wertungswidersprüchlich erscheinen, dem Schuldner die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu versagen, die zwar nach dem Gläubigerwechsel, aber noch vor Kenntniserlangung fällig wurde, obgleich es dem Schuldner gem. § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB sogar erlaubt ist, mit einer nach Abtretung erworbenen Gegenforderung aufzurechnen, die nach Kenntniserlangung von der Abtretung, aber jedenfalls früher oder zur gleichen Zeit fällig wird als die zedierte Hauptforderung. Zudem kann die Gegenauffassung auch die Entstehungsgeschichte des § 406 BGB nicht für sich in Anspruch nehmen. Sie bleibt im Ergebnis den Nachweis schuldig, bei der weiten Fassung des § 406 BGB handele es sich um ein Redaktionsversehen165. Im Gegenteil sprechen die besseren Gründe dafür, dass die Kommissionsmitglieder die vorliegende Fallgestaltung schlicht übersehen haben166. Anstelle einer teleologischen Reduktion ist daher vielmehr ein argumentum a maiore ad minus zu § 406 letzt. Hs. BGB angezeigt, so dass der Schuldner im Ergebnis berechtigt ist, auch mit einer nach Abtretung, aber vor Kenntniserlangung fällig gewordenen Gegenforderung aufzurechnen. 162 Kaduk, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 406 Rn. 40; Siber, in: Planck, BGB, § 406 Anm. 1 b ; Weber, in: RGRK, BGB, § 406 Rn. 14. 163 Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 21; Roth, in: MünchKommBGB, § 406 Rn. 10; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 c; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 251 m. Fn. 23, 268 m. Fn. 60; kritisch, aber im Ergebnis ebenso Westermann, in: Erman, BGB, § 406 Rn. 4. 164 Das gilt selbst für den Fall nachträglich auf nichtvertraglichem Wege erworbener Forderungen; siehe oben § 15 III. 2. b). 165 So aber Siber, in: Planck, BGB, § 406 Anm. 1 b . 166 Zum Problem siehe noch Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 268 Fn. 60.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
3. Schuldnerschutz bei Unkenntnis der Abtretung Der bekannte Vertrauensschutzgedanke liegt auch § 407 Abs. 1 BGB zugrunde. Da die Wirksamkeit der Forderungszession gegenüber dem Schuldner nach geltendem (deutschen) Recht nicht davon abhängt, dass dem Schuldner die Forderungsabtretung angezeigt wird, besteht für ihn das Risiko, in Unkenntnis der Abtretung ohne befreiende Wirkung an den – nicht mehr forderungszuständigen – Zedent zu leisten und sich zugleich dem Leistungsanspruch des Zessionars auszusetzen. Zudem besteht die Gefahr, dass der Schuldner in Ansehung der unerkannt abgetretenen Forderung Rechtsgeschäfte mit dem Zedent abschließt, denen nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Privatrechts ebenfalls mangels Gläubigerstellung des Zedenten die Wirksamkeit versagt wäre167. Hier setzt die Vertrauensschutzbestimmung des § 407 BGB an und eröffnet dem Schuldner die Möglichkeit, in Unkenntnis des Gläubigerwechsels mit befreiender Wirkung an den Zedent zu leisten. Außerdem erklärt § 407 Abs. 1 BGB zwischen Schuldner und Zedent abgeschlossene Rechtsgeschäfte für wirksam, die in Ansehung der Forderung und in Unkenntnis der Abtretung abgeschlossen werden. a) Regelungszweck und Dogmatik Die Umsetzung des durch § 407 Abs. 1 BGB gewährleisteten Regelungsziels in dogmatische Kategorien bereitet seit jeher Schwierigkeiten. Das zeigt sich schon an der Vielfalt der hierzu vertretenen Deutungen: Noch unter Geltung des (sinngleichen) gemeinen Rechts168 und selbst auf Grundlage des BGB169 nahmen Teile des Schrifttums an, die zedierte Forderung stehe bis zur Kenntniserlangung dem Zedent in dem Sinne zu, dass er zunächst Gläubiger bleibe und der Zessionar allein zur Ausübung der Forderung berechtigt sei. Einschränkend spricht auch das Reichsgericht davon, die Abtretung sei „dem Schuldner gegenüber für dessen Leistungspflicht und dessen Recht, mit dem bisherigen Gläubiger Rechtsgeschäfte in Ansehung der Forderung abzuschließen, nach § 407 Abs. 1 BGB unwirksam“ und werde „nach derselben Vorschrift auch ihm gegenüber wirksam, sobald er Kenntnis von der Abtretung“ erhalte170. Das läuft im Ergebnis auf die namentlich von Josef Esser171 vertretene Position hinaus, die den Zessionar zwar im Außenverhältnis zum Rechtsverkehr als Forderungsgläubiger ansieht, während sie die Forderung im Innenverhältnis zum Schuldner bis zur Kenntniserlangung dem Zedent zuweist. Heinrich Dörner spricht in diesem Zusammenhang von einer „Fiktion der Gläubigerstellung“172. 167 168 169 170 171 172
Vgl. schon Motive zum BGB, Bd. 2, S. 132 f. Siehe die Nachweise bei Luig, Zessionslehre, S. 66. Affolter, ArchBR 13 (1897), 296, 303. RGZ 84, 286, 290; ebenso RG HRR 1932 Nr. 1001; ähnlich noch Lüke, JuS 1996, 588, 590. Esser, Wert, 1969, S. 162 ff.; ebenso Dörner, Relativität, S. 269. So Dörner, Relativität, S. 269; Hervorhebung im Original weggelassen.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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Schon der Rückgriff auf die methodische Figur der Rechtsfiktion lässt die genannten Deutungsversuche zweifelhaft erscheinen. Bekanntlich bedient sich die Doktrin der Fiktionslösung vielfach, um die einer Rechtsansicht zugrunde liegenden Sachargumente zu verdecken173. Noch gewichtiger als die methodischen Bedenken ist indes die Konstruktion einer relativen Gläubigerstellung bzw. relativen Unwirksamkeit des Forderungsübergangs in Bezug auf den redlichen Schuldner. Zwar ist die Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit der deutschen Privatrechtsordnung nicht per se unbekannt (vgl. §§ 135 Abs. 1 S. 1, 136, 883 Abs. 2 S. 1 BGB). Allerdings ist die moderne Dogmatik mit Recht dazu übergegangen, die Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit zurückzudrängen und gegen absolut wirkende Verfügungsbeschränkungen auszutauschen174. Grund dafür sind zum einen die mit relativen Rechtspositionen verbundenen Rechtsanwendungsprobleme und zum anderen Friktionen mit dem Grundprinzip der absoluten Rechtszuordnung175. Die Denkfigur der relativen Gläubigerstellung ist daher nur schwerlich für das moderne Privatrechtssystem akzeptieren. In der Konsequenz sollte auf diese Konstruktion nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden, wenn in rechtsdogmatischer Hinsicht kein anderer tauglicher Erklärungsansatz zur Verfügung steht. Weil sich der Regelungszweck des § 407 Abs. 1 BGB auch ohne unnötig komplizierte Winkelzüge im Anschluss an die moderne Vertrauensdogmatik176 erklären lässt, kann zum Zwecke der rechtskonstruktiven Erfassung des § 407 Abs. 1 BGB auf die Anerkennung einer relativen Gläubigerstellung verzichtet werden. Vertrauensschutzerwägungen ersetzen die – nach dem allseitig absolut wirksamen Forderungsübergang – fehlende Rechtszuständigkeit des Zedenten177. Das ermöglicht dem Schuldner namentlich, in Unkenntnis des Gläubigerwechsels mit befreiender Wirkung auch weiterhin an den Zedenten zu leisten, ohne sich einer doppelten Inanspruchnahme vonseiten des Zessionars ausgesetzt zu sehen178. Der Zessionar muss die Leistung an den Zedent gegen sich gelten lassen und kann nicht nochmals auf den Schuldner zugreifen. An dieser Stelle wird der von § 404 BGB abweichende Regelungszweck des § 407 Abs. 1 BGB besonders deutlich. Rechtssystematische Grundlage der Vorschrift ist nicht das übergeordnete sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip, sondern der eigenständige Gedanke, dass der Schuldner effektiv gegen die Gefahren eines unerkannten Gläubigerwechsels geschützt werden muss; und dies geschieht durch den Schutz des schuldnerischen Vertrauens auf den unveränderten Fortbestand der Rechtszuständigkeit des Zedenten179. Als übergeordnete 173
Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 85. Siehe oben § 4 III. 3. c) dd). 175 Zum letzteren Punkt siehe oben § 2 II. 2. 176 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, passim, insb. S. 143 f. 177 Siehe nur Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 1; vgl. ferner Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 1: „Gebot der Gerechtigkeit“. 178 Vgl. BGH NJW 1976, 1842, 1843; 1991, 427, 429. 179 Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1068. 174
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
Prinzipien dieser „Vorschrift zum Schutze des unwissenden Schuldners“180 werden zuweilen das Gerechtigkeitsgebot und das Prinzip der Rechtssicherheit genannt181. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, solange man nur erkennt, dass sich der in § 407 Abs. 1 BGB niedergelegte Vertrauensschutzgedanke fundamental vom Gutglaubensschutz des redlichen Erwerbs182 unterscheidet. Dort geht es zwar auch um eine Form des Vertrauensschutzes; jener ist indes abstrakter Natur und primär auf das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs gerichtet. Der sukzessionsschützende Vertrauensgedanke des § 407 Abs. 1 BGB trägt hingegen konkret-individualistische Züge; er schützt die berechtigten individuellen Interessen des Forderungsschuldners. Anders als beim Gutglaubenserwerb fungiert der Forderungsschuldner hier auch nicht als Repräsentant des redlichen Rechtsverkehrs. Dementsprechend kommt auch die Lehre vom abstrakt-potenziellen Vertrauensschutz183 nicht zur Anwendung, sondern das Konzept des konkret-individuellen Vertrauensschutzes184. b) Zeitliche und sachliche Präzisierung Es liegt in der zwingenden Konsequenz dieses Ansatzes, dass der Schuldner gem. § 407 Abs. 1 BGB nur solange mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten kann, bis er vom Gläubigerwechsel Kenntnis erlangt185. Denn mit Kenntniserlangung entfällt die vertrauensgeschützte Tatsachengrundlage und hiermit zugleich eine zentrale Anwendungsvoraussetzung des § 407 Abs. 1 BGB. Gleiches gilt für Rechtshandlungen in Bezug auf im Voraus abgetretene Forderungen, wenn der Schuldner nach dem Abschluss des Vorausabtretungsvertrages, aber vor Entstehung der zedierten Forderung Kenntnis erlangt186. Denn mit Vertragsabschluss ist die verfügende Einigung der Parteien verbindlich in dem Sinne, dass sie nicht mehr durch eine Partei einseitig widerrufen werden kann187. Entsteht die künftige Forderung, geht sie – von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung einmal abgesehen – auf den Zessionar über. Das muss auch dem Schuldner in Ansehung des Vorausabtretungsvertrags klar sein.
180
So Siber, in: Planck, BGB, § 407 Anm. 1; Hervorhebungen im Original weggelassen. So Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 2; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 29. 182 Dazu allgemein oben § 11. 183 Siehe oben § 11 IV. 3. 184 Dazu oben § 11 II. 5. 185 Für Einzelheiten siehe Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 30 ff.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 6 ff.; H.-F. Müller, in: PWW, BGB, § 407 Rn. 5 ff.; Rohe, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 407 Rn. 11 ff.; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 23 ff.; Westermann, in: Erman, BGB, § 407 Rn. 4 ff.; Bydlinski, FS Canaris I, S. 83, 86 ff. 186 BGH NJW 1982, 2371, 2372; Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 37; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 6; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 30; Coester-Waltjen, Jura 2004, 391, 392. 187 Siehe oben § 6 IV. 1. 181
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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Abgesehen von dieser zeitlichen Schranke impliziert der § 407 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Vertrauensschutzgedanke eine extensive Auslegung der Sukzessionsschutzbestimmung. Soweit es die erste Alternative der Leistungsbefreiung anlangt, erfasst § 407 Abs. 1 BGB sämtliche Erscheinungsformen der Erfüllung188, namentlich Leistung an Erfüllungs statt und erfüllungshalber189, aber auch die Zuwendung anderer, erfüllungsgleicher Vermögensvorteile190. Zu den Rechtsgeschäften der zweiten Alternative zählen z.B. Vertragsaufhebung, Erlass, Stundung und Änderungen der Vertragslaufzeit191, aber auch die Ausübung der Aufrechnung192, Kündigung193 und anderer Gestaltungsrechte, wenn sie gegenüber oder durch den Zedent wahrgenommen werden. Eine Grenze findet der Anwendungsbereich des § 407 Abs. 1 BGB nach seinem schuldnerzentrierten Regelungszweck erst dort, wo Rechtshandlungen des Zedenten die schuldnerische Rechtsposition verschlechtern. Das gilt auch und gerade für vom Zedent geltend gemachte, für den Schuldner nachteilige Gestaltungsrechte, deren Gültigkeit von der ratio legis des § 407 Abs. 1 BGB nicht gedeckt sind und deren Ausübung daher an der nach dem Gläubigerwechsel fehlenden Rechtszuständigkeit des Zedenten scheitern muss194. Zumindest insofern gilt auch für die Auslegung des § 407 Abs. 1 BGB das sukzessionsrechtliche Verschlechterungsverbot. c) Wahlrecht des Schuldners Umstritten ist schließlich, ob § 407 Abs. 1 BGB seine sukzessionsschützende Wirkung ausnahmslos in jedem Fall entfaltet, wie es die früher h.M. annahm195, 188
Speziell zur Erfüllung im Sinne des § 362 BGB siehe RGZ 111, 298, 303. Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 12; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 6; Weber, in: RGRK, BGB, § 407 Rn. 4; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I 1; vgl. noch BGH NJW 2002, 1417, 1418. Anerkannt ist insbesondere die Hingabe von Wechseln und Schecks; vgl. RGZ 158, 315, 317; BGHZ 102, 68, 71; BGH NJW 1976, 1842, 1843; 1979, 1704; 1991, 427, 429. 190 OLG Schleswig NJW-RR 1997, 1415, 1416; Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 12; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 6 a.E. 191 BGHZ 111, 84, 91; OLG Saarbrücken ZIP 2001, 1318, 1320 f.; jeweils zu Aufhebungsvereinbarungen; insgesamt Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 14; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 7; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I 1; Deubner, JuS 1992, 19, 20 ff. 192 OLG Schleswig NJW-RR 2004, 717, 718. 193 OLG Düsseldorf WM 1980, 94, 95. 194 RGZ 52, 181, 184; 125, 408, 409 f.; Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 15; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 8; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 407 Rn. 1; Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 34 Rn. 25; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1135; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I 1; a.A. Knütel, JR 1985, 6, 10; einschränkend Dörner, Relativität, S. 271. 195 OLG Hamburg OLGR 18, 94; OLG Dresden NJW-RR 1996, 444, 446; Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 8; Siber, in: Planck, BGB, § 406 Anm. 2 e, § 407 Anm. 1 b; Heck, Schuldrecht, § 67, 6; Leonhard, Schuldrecht I, S. 666; v. Tuhr, AT II/1, S. 141 f. m. Fn. 102; Karst, MDR 1995, 559; Salomon, JW 1914, 728, 729; Freitag, Zedentenklage, S. 25 f.; kritisch auch Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 407 Rn. 19. 189
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
oder ob dem Forderungsschuldner – mit der heute überwiegend vertretenen Auffassung196 – ein Wahlrecht dahingehend einzuräumen ist, ob er den Vertrauensschutz gegen sich gelten lassen oder darauf verzichten möchte. Zugunsten des Wahlrechts wird vorgebracht, der Schuldner müsse sich die durch § 407 Abs. 1 BGB bewirkte Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht aufdrängen lassen, sondern könne sich bewusst dafür entscheiden, die an den Zedent erbrachte Leistung zu kondizieren und gegenüber dem Zessionar eine andere, für den Schuldner womöglich vorteilhaftere Art der Erfüllung zu wählen. Die Gegenposition stützt sich maßgeblich auf den in den Motiven zum Ausdruck gelangten Willen des historischen Gesetzgebers, der die Kondiktion durch den Schuldner als unzulässig ansah197. Im Übrigen führt diese Auffassung an, der Schuldner habe keinen über die eintretende Erfüllungswirkung hinausgehenden Schutz verdient; insbesondere dürfe er nicht während der Schwebelage bis zur Ausübung des Wahlrechts auf Kosten der übrigen Beteiligten mit der Forderung „spekulieren“. Das gelte umso mehr, als auch im Rahmen anderer Gutglaubensvorschriften ein endgültiger Rechtserwerb eintrete. Die von der Gegenauffassung geltend gemachten Argumente sind durchaus gewichtig. Angesichts des von § 407 Abs. 1 BGB verfolgten Regelungszwecks sprechen die besseren Argumente gleichwohl für die Anerkennung des schuldnerseitigen Wahlrechts. Zunächst übersieht die Gegenauffassung, dass die Disponibilität des Rechtsscheins für jeden Vertrauenstatbestand eigenständig anhand des Normzwecks zu bestimmen ist198. Während gerade die Tatbestände des Gutglaubenserwerbs im Hinblick auf die mit ihnen erstrebte – abstrakt-generelle, überindividuelle – Verkehrssicherheit darauf angewiesen sind, dass die erlangte Eigentümerposition nicht zur Disposition des redlichen Erwerbers steht, weil er primär als Repräsentant des redlichen Rechtsverkehrs fungiert und sich nicht mittels individueller Wahlentscheidung über die berechtigten Vertrauensinteressen der übrigen Verkehrsteilnehmer hinwegsetzen darf, berührt § 407 Abs. 1 BGB in erster Linie das konkret-individuelle Interesse des Forderungsschuldners an der unveränderten Rechtszuständigkeit des Zedenten. Da § 407 Abs. 1 BGB keine über den Schutz des Forderungsschuldners hinausgehenden Implikationen zeitigt, sich insbesondere für den Schutz des Rechts196 Für die h.M.: RGZ 83, 184, 188; BGHZ 52, 150, 154; 102, 68, 71; 145, 352, 357; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 5; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 10; Weber, in: RGRK, BGB, § 407 Rn. 9 f.; Westermann, in: Erman, BGB, § 407 Rn. 2; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 407 Rn. 2; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1135; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 799; Ahcin/ Armbrüster, JuS 2000, 658, 661; Chiusi, AcP 202 (2002), 494, 503 ff.; Coester-Waltjen, Jura 2003, 23, 29; Haertlein, JuS 2007, 1073, 1075; Altmeppen, Disponibilität, S. 25 ff.; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 64, 92 ff.; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I 3. 197 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 134: „Aus den Vorschriften (…) erhellt, daß der Schuldner, welcher ohne Kenntniß von dem Gläubigerwechsel (…) eine Leistung behufs Erfüllung bewirkt, von dem früheren Gläubiger (…) nicht kondiziren kann, obwohl an einen Nichtgläubiger geleistet ist.“ 198 So auch der Ansatz der übergreifenden Untersuchung zur „Verzichtbarkeit von Rechtsscheinwirkungen“ von Chiusi, AcP 202 (2002), 494 ff.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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verkehrs keine Auswirkungen ergeben, kann der Schuldner auf den gesetzlich angeordneten Sukzessionsschutz auch verzichten, ohne hierdurch überindividuelle Interessen der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit zu beeinträchtigen. Wenn die Gegenauffassung dem Schuldner die Möglichkeit versagt, an den Zessionar zu leisten, führt sie außerdem zu einer sachlichen Verschlechterung der schuldnerischen Rechtsstellung, da sie dem Schuldner eine Handlungsoption vorenthält, die er in Kenntnis der Abtretung ohne weiteres hätte ergreifen können199. Man denke nur an die Möglichkeit, durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung die zedierte Hauptforderung bei Vermögensverfall oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zessionars zum Erlöschen zu bringen. Da § 407 BGB ersichtlich darauf abzielt, den Handlungsspielraum des Schuldners zu erweitern, muss die Gegenauffassung – wenn sie dem Schuldner die besagte Wahlmöglichkeit versagt – in letzter Konsequenz systemwidrig und wertungswidersprüchlich erscheinen. Aus diesem Grund kann auch den Äußerungen des historischen Gesetzgebers keine bindende Wirkung zukommen, zumal sie im Gesetzeswortlaut nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck gelangt sind200. Es sprechen daher auch keine rechtsmethodischen Gründe dagegen, den lokalisierten Wertungswiderspruch orientiert am Leitmotiv der §§ 404, 406 ff. BGB – dem abtretungsrechtlichen Verschlechterungsverbot – zugunsten eines Wahlrechts des Schuldners aufzulösen. Davon abgesehen werden Zedent und Zessionar durch die von der heute h.M. hingenommene Schwebelage201 auch nicht über Gebühr belastet. Denn die vom Schuldner einmal getroffene Wahl ist für ihn endgültig bindend202. Zudem können auch Zedent und Zessionar eigenverantwortlich für klare Verhältnisse sorgen. Zum einen können sie den Schuldner vom Gläubigerwechsel in Kenntnis setzen und damit die Vertrauenswirkungen des § 407 Abs. 1 BGB rechtssicher ausschließen. Zum anderen endet das nach hiesiger Auffassung befürwortete Wahlrecht, wenn der Zedent die empfangene Leistung an den Schuldner herausgibt. Gleiches gilt, wenn der Zessionar in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 816 Abs. 2 BGB die Empfangnahme der Leistung durch den Ze-
199
So auch RGZ 83, 184, 188; Chiusi, AcP 202 (2002), 494, 506; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 93 f.; Rose, Schuldnerschutz, S. 61; Winter, FS Sieg, S. 563, 580 f. 200 Zur Bedeutung der Gesetzesmaterialien siehe oben § 1 II. 4. 201 Die Leistungserbringung an den Zedent führt nach zutreffender Auffassung nicht zum automatischen Erlöschen der gegen den Schuldner gerichteten Forderung, sondern gibt dem Schuldner eine Einrede an die Hand, die er dem Leistungsverlangen des Zessionars entgegenhalten kann; zur Dogmatik und Folgeproblemen ausf. v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 95 ff.; Rose, Schuldnerschutz, S. 47 ff.; Winter, FS Sieg, S. 563, 577 ff. 202 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 407 Rn. 5; Oertmann, BGB, § 407 Anm. 1 c; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 407 Rn. 19; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 11; Westermann, in: Erman, BGB, § 407 Rn. 2; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 407 Rn. 2; Dörner, Relativität, S. 273; ausf. v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 104 ff.; a.A. Rose, Schuldnerschutz, S. 52.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
dent genehmigt203. Eine noch weitergehende Bindungswirkung kann im Einzelfall aus § 242 BGB folgen, wobei im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Schuldner mangels erklärten Widerspruchs in den Genuss des § 407 Abs. 1 BGB kommen möchte.
4. Schuldnerschutz bei mehrfacher Abtretung Flankierender Vertrauensschutz ist dem Schuldner auch bei konkurrierenden Zessionen gewährleistet. Nach Maßgabe des § 408 BGB muss der (wahre) Erstzessionar sich solche Leistungen und Rechtshandlungen des Schuldners entgegenhalten lassen, die er in Unkenntnis der vorausgegangenen Abtretung gegenüber dem (Schein-)Zweitzessionar vorgenommen hat. Das abtretungsrechtliche Sukzessionsschutzsystem reagiert mit § 408 BGB auf die Geltung des allgemeinen Prioritätsprinzips im Zessionsrecht. Seine Geltung verhindert, dass der Zedent die einmal an den Erstzessionar abgetretene Forderung ein weiteres Mal an den Zweitzessionar abtreten kann und dem Ersterwerber seine wirksam erlangte Rechtsposition im Nachhinein wieder entzieht204. Angesichts der hieraus resultierenden Unwirksamkeit nachfolgender, konkurrierender Verfügungen besteht für den Schuldner die Gefahr, dass er in Unkenntnis der wirksamen Erstzession an den – nicht empfangszuständigen – Zweitzessionar leistet und womöglich seine Leistung nochmals an den wahren Neugläubiger erbringen muss. Im Interesse effektiven Schuldnerschutzes ordnet § 408 BGB daher an, dass der redliche Forderungsschuldner mit befreiender Wirkung an den (Schein-)Zweitzessionar leisten kann. Die funktionale Nähe des § 408 BGB zu § 407 Abs. 1 BGB ist mit Händen zu greifen. Die Parallelität der beiden Vorschriften strahlt gleichermaßen auf die rechtsdogmatische Durchdringung des Spezialtatbestands aus205. Zum einen entfaltet § 408 BGB seine Gewährleistungen wiederum nur zugunsten des Schuldners. Mangels Rechtsinhaberschaft kann daher der Zweitzessionar auf das Forderungsverhältnis nicht wirksam einwirken; darüber vermag auch § 408 BGB in normzweckkonformer Auslegung nicht hinwegzuhelfen206. Zum anderen ist dem Schuldner auch bei Mehrfachzessionen die Wahl eröffnet, ob er den gesetzlichen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen oder – womöglich um eine vorteilhaftere Erfüllungsmöglichkeit wahrzunehmen – darauf verzichten will207. Davon abgesehen besteht der maßgebliche Unterschied zwischen beiden
203
Dazu Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 11; Weimar, JR 1966, 461; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 110 f.; Rose, Schuldnerschutz, S. 51 f. 204 Dazu ausf. oben § 5 I. 3. 205 Vgl. noch Motive zum BGB, Bd. 2, S. 134. 206 Busche, in: Staudinger, BGB, § 408 Rn. 8; Roth, in: MünchKommBGB, § 408 Rn. 2. 207 Roth, in: MünchKommBGB, § 408 Rn. 2 a.E.; Haertlein, JuS 2007, 1073, 1075; a.A. Busche, in: Staudinger, BGB, § 408 Rn. 8.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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Vertrauensschutztatbeständen darin, dass § 408 BGB nicht auf den Fortbestand der Rechtszuständigkeit des Zedenten gerichtet ist, sondern auf die Abwesenheit früherer, den Rechtserwerb des Zweitzessionars beeinträchtigender Verfügungen208. Nun wird die rechtspolitische Sinnhaftigkeit der Schutzvorschrift mit Blick auf die allgemeinen Grundlagen des Vertrauensschutzes in Zweifel gezogen209. Für den Schutz des schuldnerseitigen Vertrauens sei es nämlich unzureichend, wenn der Schuldner lediglich auf das – subjektive – Gerede des (Schein-)Zweitzessionars vertraue. Richtig ist daran, dass es stets einer objektiven Rechtsscheingrundlage bedarf, um vertrauensschützende Wirkungen auszulösen210. Allerdings ist diese objektive Grundlage bereits in der Zweitabtretung als solcher zu sehen. Das bedeutet umgekehrt, dass die Zweitabtretung zum einen tatsächlich stattgefunden haben muss211. Zum anderen muss sie – sieht man von der vorausgegangenen Erstabtretung einmal ab – auch im Übrigen wirksam gewesen sein212. Auf welche Weise der Schuldner von der Zweitabtretung Kenntnis erlangt hat, spielt für seinen Schutz hingegen keine entscheidende Rolle213. Aus der negativen Formulierung der §§ 408, 407 Abs. 1 BGB folgt nämlich, dass der Schuldner nicht positiv auf die Wirksamkeit der fehlgeschlagenen Zweitzession vertraut haben muss; maßgeblich ist vielmehr seine Unkenntnis von der vorausgegangenen wirksamen Erstabtretung214.
5. Schuldnerschutz bei angezeigter Abtretung Komplettiert wird das zessionsrechtliche Schuldnerschutzsystem durch den Schuldnerschutz bei angezeigter Abtretung gem. § 409 BGB. Auch wenn die strukturelle Nähe der Vorschrift zu §§ 407, 408 BGB unverkennbar ist, schützen die letzteren Bestimmungen das negative Vertrauen des Schuldners, d.h., die Unkenntnis von einer erfolgten bzw. einer früheren Abtretung, während § 409 BGB das positive Vertrauen des Schuldners auf die Richtigkeit der vom Zessionar erteilten Abtretungsanzeige schützt.
208 Vgl. BGH NJW 1989, 899; Busche, in: Staudinger, BGB, § 408 Rn. 2; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 408 Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 408 Rn. 1. 209 Zum Problem schon H. Westermann, JuS 1963, 1, 5; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 143 f. 210 Zum Erfordernis der Rechtsscheingrundlage siehe oben § 11 III. 211 BGH NJW 1989, 899; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 408 Rn. 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 408 Rn. 1; Busche, in: Staudinger, BGB, § 408 Rn. 3; Haertlein, JuS 2007, 1073, 1075. 212 Siehe nur Roth, in: MünchKommBGB, § 408 Rn. 5; Busche, in: Staudinger, BGB, § 408 Rn. 3. 213 Busche, in: Staudinger, BGB, § 408 Rn. 3; vgl. BGH WM 1967, 88, 89. 214 Roth, in: MünchKommBGB, § 408 Rn. 4.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
a) Regelungszweck und Dogmatik Ausgangspunkt für die Erfassung des Regelungszwecks und der rechtsdogmatischen Konstruktion des § 409 BGB ist der Gesetzeswortlaut der Vorläuferregelung im 1. BGB-Entwurf; der einschlägige § 306 Abs. 1 lautete: „Hat der Gläubiger dem Schuldner angezeigt, daß die Forderung übertragen sei, so gilt die angezeigte Uebertragung, auch wenn sie nicht erfolgt oder ungültig ist, im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner so lange als erfolgt und wirksam, bis der Gläubiger den Widerruf der Anzeige gegenüber dem Schuldner erklärt hat.“
Unter Hinweis auf diese Passage wird im Schrifttum noch immer die Auffassung vertreten, § 409 BGB bewirke mittels Fiktion der Gläubigerstellung die relative (Un-)Wirksamkeit der Forderungsabtretung: mit der Folge, dass die Forderung im Außenverhältnis zum Rechtsverkehr auch weiterhin dem wahren Gläubiger (Zedent) zustehe, im Verhältnis zum Schuldner indes als Forderung des (Schein-)Zessionars gelte215. Gleichsinnig finden sich in der Rechtsprechung des Reichsgerichts Entscheidungen, die der Abtretungsanzeige eine in diesem Sinne konstitutive Wirkung im Verhältnis zum Schuldner beimessen216. Mit dem heutigen Wortlaut des § 409 BGB ist diese Auffassung indes schwerlich in Einklang zu bringen. Nicht länger spricht die Vorschrift nämlich davon, die Forderung gelte gegenüber dem Schuldner als eine solche des Scheinzessionars. Vielmehr formuliert § 409 BGB heute, der Zedent müsse nach abgegebener Zessionsanzeige die Forderungsabtretung gegen sich gelten lassen. Es ist daher zutreffend, wenn die heute überwiegend vertretene Auffassung allein den Zedent als Forderungsinhaber ansieht, dem (Schein-)Zessionar indes jedwede materielle Berechtigung an der Forderung abspricht217. Somit eröffnet § 409 BGB dem Forderungsschuldner durch die Anknüpfung an die objektive Rechtsscheinbasis der Abtretungsanzeige eine zusätzliche Erfüllungsmöglichkeit, ähnlich der in § 362 Abs. 2 BGB verankerten Option218. In Parallele zu §§ 407, 408 BGB entspricht es außerdem dem Regelungszweck des § 409 BGB, dem Schuldner die Wahl zu belassen, ob er in Ansehung der Abtretungsanzeige an den Scheinzessionar oder – etwa weil er von der Unrichtigkeit der Anzeige Kenntnis erlangt hat – an den Zedent leisten
215
So etwa Esser, Wert, S. 167; Dörner, Relativität, S. 284 f.; ders., NJW 1986, 2916, 2920; siehe zur Interpretation des 1. BGB-Entwurfs Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 65; Karollus, JZ 1992, 557, 558; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 290 f. 216 Besonders prägnant RG JW 1926, 2529, 2530. 217 BGHZ 64, 117, 119; BGH NJW 1978, 2025, 2026; Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 25; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 409 Rn. 1, 4 f.; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 409 Rn. 9; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 8. 218 Hinzu kommen außerdem die Einwände, die bereits zu der für § 407 Abs. 1 BGB vertretenen Gegenauffassung angeführt worden sind: Die von der abweichenden Auffassung befürwortete Rechtsfiktion verdeckt nur den Mangel an Sachargumenten, speziell mit Blick auf die Systemwidrigkeit von relativen Rechtspositionen im materiellen deutschen Privatrecht. Siehe oben § 15 III. 3. a).
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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möchte219. Dafür spricht nicht allein der Normzweck des § 409 BGB, den Schuldner von einer Wirksamkeitsprüfung in Bezug auf die angezeigte Abtretung zu entlasten, sondern auch die wahre Rechtslage in materiellrechtlicher Hinsicht: Ist nämlich der Scheinzessionar nicht Gläubiger der Forderung, mag der Schuldner zwar berechtigt sein, an den Scheinzessionar zu leisten; eine Leistungspflicht ist indes schwerlich mit der abweichenden materiellen Rechtslage vereinbar220. b) Redlichkeit des Schuldners Die rechtsdogmatische Einordnung des § 409 BGB hat nicht allein akademische Bedeutung, sondern ist auch für die praktische Interpretation der Vorschrift von Belang. Das gilt zu allererst für den Grundsatzstreit, ob § 409 BGB mit der seit jeher h.M. auch dem bösgläubigen Schuldner zugutekommt221 oder ob sich – in teleologischer Reduktion der Bestimmung – nur der gutgläubige Schuldner darauf berufen kann222. Daran schließt sich die Frage an, ob die Regelung – wie es die h.M. noch immer tut223 – als Vertrauens- oder Rechtsscheintatbestand anzusehen ist. Den Ausgangspunkt bildet der Gesetzeswortlaut, der im Gegensatz zu den Vertrauensschutzvorschriften der §§ 407, 408 BGB (und auch zum Vertrauensschutz im Stellvertretungsrecht gem. § 173 BGB) kein Redlichkeitserfordernis normiert. Dementsprechend trägt die einschränkende Auffassung im Hinblick auf Grammatik und Systematik die Begründungslast für eine teleologische Re219 RGZ 53, 416, 420; 70, 88, 89; 93, 74, 76; BGHZ 64, 117, 119; Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 26; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 409 Rn. 5; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 11; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 409 Rn. 1; Weber, in: RGRK, BGB, § 409 Rn. 11; Westermann, in: Erman, BGB, § 409 Rn. 1; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 IV 4 d; Haertlein, JuS 2007, 1073, 1075; Dörner, Relativität, S. 285. 220 BGHZ 145, 352, 356; BGH NJW 1997, 1501, 1502; NJW-RR 2004, 656, 657; Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 26. 221 RGZ 126, 183, 185; RG JW 1926, 2529, 2530; BGHZ 29, 76, 82; 64, 117, 119; BGH BB 1956, 639; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 2; Siber, in: Planck, BGB, § 409 Anm. 1 a; Weber, in: RGRK, BGB, § 409 Rn. 2, 5; Westermann, in: Erman, BGB, § 409 Rn. 3; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 409 Rn. 2; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 782; Ahcin/Armbrüster, JuS 2000, 658, 662; Haertlein, JuS 2007, 1073, 1075; Dörner, Relativität, S. 284; Luig, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft II, S. 112, 143. 222 Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 29; Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 65; Ott, in: AK, BGB, § 409 Rn. 3 a.E.; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 409 Rn. 2; Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 34 Rn. 31; Heck, Schuldrecht, § 67, 8; Karollus, JZ 1992, 557, 564; Rieke, NJW 1959, 1415 f.; Hoenike, Anzeige, S. 95 ff.; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 289 ff.; zweifelnd auch BGH DB 1955, 603. 223 Auf Basis der h.M.: BGHZ 40, 297, 304; BGH NJW 1978, 2025, 2026; Westermann, in: Erman, BGB, § 409 Rn. 1; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 409 Rn. 1; Rieke, NJW 1959, 1415, 1416; auf Grundlage der Gegenposition: Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 65; Heck, Schuldrecht, § 67, 8; Karollus, JZ 1992, 557 ff.; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 287 ff.; differenzierend Weber, in: RGRK, BGB, § 409 Rn. 1 f.; vgl. noch Kaduk, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 409 Rn. 8 f.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
duktion des § 409 BGB. Allein ist diese Ansicht tragfähige Argumente für die einschränkende Anwendung der Sukzessionsschutzbestimmung bis heute schuldig geblieben. Stattdessen spricht die historische Genese prima vista für die h.M.: Während nämlich noch der 1. BGB-Entwurf die Rechtswirkungen der vorgelegten Abtretungsurkunde ausschloss, soweit der Schuldner die Unwirksamkeit der Forderungszession kannte224, verzichtete die 2. BGB-Kommission im Hinblick auf die abweichende Bestimmung zur Abtretungsanzeige225 sowie in bewusster Abkehr von der gegenteiligen Regelung bei der Vollmachtsurkunde auf die Gutglaubensregelung226. Was sich allerdings der historische Gesetzgeber im Einzelnen bei der Änderung der Gesetzesfassung dachte, ist bis heute umstritten, nicht mehr mit letzter Sicherheit rekonstruierbar und für die Interpretation des § 409 BGB letztlich auch nicht entscheidend227. Mehr Aufschluss verspricht die Teleologie der Abtretungsanzeige: Nimmt man den Schutzzweck des § 409 BGB in den Blick, rechtfertigt sich die weitreichende Schutzgewähr unter dem Gesichtspunkt, dass der Scheinzessionar den Schuldner unter Hinweis auf § 410 BGB selbst dann zur Leistung an ihn drängen kann, wenn der Schuldner positiv von der Unrichtigkeit der Abtretungsurkunde weiß228. Will der Schuldner in einem solchen Fall nicht Gefahr laufen, sowohl an den Altgläubiger als auch (nochmals) an den Scheinzessionar leisten zu müssen, muss er selbst in Kenntnis der unrichtigen Abtretungsurkunde gem. § 409 BGB mit befreiender Wirkung an den Scheinzessionar leisten können. Nur unter Zugrundelegung dieses Verständnisses ist der Schuldner von einer Prüfung der materiellen Berechtigung des Zessionars befreit229. Insofern unterscheidet sich die Lage des durch die Forderungszession betroffenen Schuldners maßgeblich von der Position anderer durch Vertrauensvorschriften geschützter Verkehrsteilnehmer230, namentlich vom Geschäftspartner eines mit Vollmachtsurkunde ausgestatteten Vertreters (vgl. § 173 BGB). Während von dem Vertrauenden im letzteren Sinn erwartet werden kann, dass er bei Kenntnis der Unrichtigkeit des Rechtsscheins von einer Handlung Abstand nimmt und so durch eigene vernünftige Entscheidungen von einer Beeinträchtigung seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen verschont bleibt, steht diese 224 § 306 Abs. 2 des 1. BGB-Entwurfs lautete: „Der Anzeige der Uebertragung steht gleich die Vorlegung einer von dem Gläubiger ertheilten, die Abtretung der Forderung oder die Anerkennung der Uebertragung derselben an den Dritten enthaltenden Urkunde. Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der Schuldner zu der nach dem §. 304 entscheidenden Zeit von der Nichtigkeit der beurkundeten Uebertragung Kenntniß hatte.“ 225 Kritisch zur Gleichstellung: Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 65; Karollus, JZ 1992, 557, 559; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 292 f.; siehe aber auch Luig, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft II, S. 112, 139 ff. 226 Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 395. 227 Dazu ausf. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 65; Karollus, JZ 1992, 557, 558 ff.; Hoenike, Anzeige, S. 47 ff.; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 289 ff.; vgl. aber auch Luig, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft II, S. 112, 139 ff. 228 Ebenso Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 12. 229 RG JW 1926, 2529, 2530; BGHZ 64, 117, 119; BGH NJW 1978, 2025, 2026. 230 Dazu näher Dörner, Relativität, S. 284.
III. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz
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Handlungsoption dem Schuldner einer zedierten Forderung gerade nicht offen. Ungeachtet der erkannten oder vermuteten Unrichtigkeit einer Abtretungsanzeige sieht er sich dem Leistungsverlangen des Zessionars ausgesetzt und erlangt durch Befriedigung des Zedenten die Befreiung von der Verbindlichkeit nur dann, wenn die Abtretung tatsächlich nicht wirksam erfolgte. Von diesem Beurteilungsrisiko befreit § 409 BGB mit Recht auch den bösgläubigen Schuldner. Keine vergleichbare Gefahrenlage besteht allerdings im Fall der bloß mündlichen Abtretungsanzeige, denn der Schuldner kann die Leistung an den (Schein-)Zessionar gem. § 410 BGB bis zur Vorlage einer Abtretungsurkunde verweigern und läuft daher in diesem Fall auch nicht Gefahr, ein zweites Mal an den Zedent leisten zu müssen. Das gilt auch und gerade, wenn der Schuldner erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Abtretungsanzeige hat. Solange dem Schuldner keine vom Zedenten stammende Abtretungsurkunde vorgelegt ist, braucht er nach § 410 BGB nicht zu leisten. Deshalb ist es überzeugend, die Schutzgewährleistung des § 409 BGB für den Fall der Abtretungsanzeige im Wege teleologischer Reduktion einzuschränken231. Eines darüber hinausgehenden Schutzes bedarf der Schuldner nicht. Auch im Übrigen besteht weder de lege lata noch – entgegen vereinzelter Vorschläge im Schrifttum232 – de lege ferenda etwaiger Korrekturbedarf. Umgekehrt ist es in Ermangelung eines subjektiven Elements freilich unangebracht, in Bezug auf § 409 von einer Vertrauensschutzvorschrift oder einer Haftung wegen veranlassten Rechtsscheins233 zu sprechen234. Stattdessen gewährleistet die Vorschrift absoluten Verkehrsschutz235. Nichtsdestoweniger fungieren Abtretungsurkunde und Abtretungsanzeige als objektive Legitimationsgrundlagen für die Schutzwirkungen des § 409 BGB zugunsten des Forderungsschuldners. Zur Anwendung gelangt daher eine ganze Reihe von Konzepten, die aus dem Bereich des Gutglaubenserwerbs bekannt sind. Das gilt zum einen für die Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger236: mit der Folge, dass eine gefälschte Abtretungsurkunde den Schutz des § 409 BGB nicht auszulösen vermag237. Zum anderen zeigt sich eine bemerkenswerte Parallele zu anderen 231 Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 12; auf Basis der Gegenauffassung ebenso Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 29; kritisch, im Ergebnis aber ähnlich Karollus, JZ 1992, 557, 562, 564. 232 Für die Aufnahme eines Kenntnisvorbehalts in § 409 Abs. 1 BGB: Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 65; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 491, der dem Schuldner die Leistungsbefreiung auch versagen will, wenn er die Kenntnis „nach Umstände haben mußte“. 233 Siehe oben die Nachw. in Fn. 223. 234 Richtig Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 2; Dörner, Relativität, S. 283 f. 235 Dazu oben § 11 II. 5. 236 Diese Lehre ist entwickelt bei Lieder, AcP 210 (2010), 857 ff. 237 BGHZ 100, 36, 46; Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 24; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 6; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 409 Rn. 5; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1140 a.E.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
natürlichen Vertrauenstatbeständen, die neben einer authentischen Legitimationsgrundlage auch die Zurechenbarkeit der objektiven Merkmale erfordern238. Deshalb kommt § 409 BGB auch nur dann zur Anwendung, wenn Abtretungsanzeige und Abtretungsurkunde durch den Zedent willentlich in Richtung des Schuldners abgegeben worden sind; abhanden gekommene Erklärungen genügen dafür nicht239. Ebenso wenig kann ein nicht (voll) Geschäftsfähiger eine wirksame Abtretungserklärung abgeben240. Weitere Einschränkungen kommen nach einhelliger Auffassung in Betracht, wenn die Berufung auf die unrichtige Abtretungsanzeige als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheint, woran mit Blick auf die Zielrichtung des § 409 BGB indes keine geringen Anforderungen zu stellen sind. Unstreitig anerkannt sind Fälle des arglistigen241 und kollusiven242 Zusammenwirkens mit dem Scheinzessionar. Unzureichend ist es hingegen, wenn die vermeintliche Forderungszession gegen ein gesetzliches Verbot verstößt243. Andernfalls würde dem Schuldner nämlich das Risiko einer unzutreffenden Rechtsprüfung aufgebürdet, das ihm nach der ratio des § 409 BGB gerade abgenommen werden soll244. Ist demnach nicht auszuschließen, dass die Leistungsverweigerung des Schuldners gegenüber dem Scheinzessionar die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme mit sich bringt, muss es bei einer wortlautgetreuen Anwendung der Sukzessionsschutzbestimmung bleiben.
IV. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz Dem auf den Forderungsschuldner bezogenen abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutz entspricht als rechtssystematisches Gegenstück der auf den Forderungsgläubiger bezogene schuldübernahmerechtliche Sukzessionsschutz. Die strukturellen Parallelen der beiden Regelungssysteme resultieren aus dem ein238 Dazu ausf. oben § 11 VII. und speziell zur Abtretungsanzeige Bydlinski, FS Canaris I, S. 83, 84. 239 Vgl. Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 15, 22; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 409 Rn. 3; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 6; Siber, in: Planck, BGB, § 409 Anm. 2 b; Westermann, in: Erman, BGB, § 409 Rn. 2; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 409 Rn. 4; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 302. 240 BGHZ 121, 98, 105; Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 409 Rn. 3; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 409 Rn. 5; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 9; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 409 Rn. 4; Weber, in: RGRK, BGB, § 409 Rn. 6; Westermann, in: Erman, BGB, § 409 Rn. 2; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Dörner, Relativität, S. 286; Kindl, Rechtsscheintatbestände, S. 300 f. 241 BGH BB 1956, 639. 242 RGZ 126, 183, 185 f. 243 So aber BAG NJW 1991, 2038, 2039; OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 479, 480; LG Stuttgart NJW-RR 1993, 672, 673; Busche, in: Staudinger, BGB, § 409 Rn. 30; Roth, in: MünchKommBGB, § 409 Rn. 12 a.E.; differenzierend Siber, in: Planck, BGB, § 409 Anm. 1 d. 244 Wie hier auch Stürner, in: Jauernig, BGB, § 409 Rn. 2; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 IV 4 a.
IV. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz
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gangs entworfenen Gesamtkonzept eines übergeordneten Sukzessionsschutzes, das jeweils berechtigte Interessen einer vom Sukzessionsgeschäft berührten Gegenpartei betrifft. Das ist bei der Forderungszession der Schuldner, bei der Schuldübernahme der Forderungsgläubiger. Angesichts der unterschiedlichen Interessenlage hat sich der BGB-Gesetzgeber in der Sache dafür entschieden, den schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsschutz gem. §§ 414, 415 BGB präventiv auszugestalten, wovon oben245 bereits ausführlich die Rede war. Daneben tritt ein ergänzendes Sukzessionsschutzsystem zugunsten des Forderungsgläubigers (und des Schuldübernehmers), der nachfolgend näher beleuchtet wird.
1. Identität und Kontinuität der Rechtsposition des Forderungsgläubigers Erste tragende Säule des schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsschutzes ist die Geltung des allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips246. Danach lässt der Schuldnerwechsel die Rechtsstellung des Forderungsgläubigers dem Grunde nach unberührt. Die gläubigerseitige Rechtsposition darf sich durch die Schuldübernahme grundsätzlich weder verschlechtern (Verschlechterungsverbot) noch verbessern (Verbesserungsverbot). In der Folge ist die gegen den Schuldübernehmer gerichtete Forderung nach Inhalt, Art und Umfang mit dem bisher gegen den Altschuldner gerichteten Anspruch identisch. Das gilt nicht allein für Primärleistungspflichten, sondern auch für Annexpflichten und Gestaltungsrechte. Alle diese Vermögenspositionen stehen dem Gläubiger nunmehr gegenüber dem neuen Schuldner zu, soweit sie aus dem Verhältnis zum Altschuldner herrühren und schon vor dem Schuldübergang begründet waren.
2. Einwendungserhalt zugunsten des Übernehmers Umgekehrt darf der Gläubiger aber auch keine unberechtigten Vorteile aus dem Schuldnerwechsel ziehen. Daher kann der Schuldübernehmer dem Gläubiger gem. § 417 Abs. 1 S. 1 BGB sämtliche Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die bereits dem Altschuldner zustanden. In Parallele zum abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutz ist auch hier nicht erforderlich, dass die Einwendungen bereits im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Schuldübernahme247 vom Altschuldner hätten geltend gemacht werden können. Entscheidend ist vielmehr, dass sie zu diesem Zeitpunkt in dem Schuldverhältnis dem Grunde nach 245
Siehe im Einzelnen § 4 II. 5. c). Siehe oben § 13 I. sowie § 15 III. 1. a). 247 Das ist de lege lata mit Abschluss des Übernahmevertrags der Fall; vgl. Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 4. 246
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
angelegt waren248. Das gilt beispielsweise für die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB249, aber auch für Gestaltungsrechte, wie z.B. Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung, soweit sie sich ausschließlich auf die übertragene Schuldposition beziehen250. Bezieht sich ein Gestaltungsrecht indes auf das Vertragsverhältnis im Ganzen, das zwischen Altschuldner und Gläubiger fortbesteht, obliegt die Geltendmachung des Gestaltungsrechts ausschließlich dem bisherigen Schuldner. Entgegen einer Literaturauffassung251 steht dem Schuldübernehmer keine Einrede der Gestaltbarkeit252 zu253. Denn hiermit würde die Rechtsstellung des Gläubigers beeinträchtigt, der ohne Schuldübernahme auf den bisherigen Schuldner hätte zugreifen können, soweit dieser sein Gestaltungsrecht noch nicht ausgeübt hat. Mit einem auf den Gläubiger fokussierenden Sukzessionsschutz ist die Einrede der Gestaltbarkeit folglich nicht in Einklang zu bringen. Erwirbt der Übernehmer vom Altschuldner gem. § 415 BGB, muss der Interessenausgleich im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses erfolgen. Typischerweise wird der Altschuldner verpflichtet sein, die ihm zustehenden Gestaltungsrechte im Interesse des Übernehmers gegen die übernommene Forderung auszuüben und ihn so von seiner Leistungspflicht zu befreien. Schließlich bleibt noch anzumerken, dass höchstpersönliche Einwendungen, die ausschließlich in der Person des Altschuldners bestehen, vom Neuschuldner dem Gläubiger nicht entgegengehalten werden können254. In diesem Zusammenhang gilt das zur Behandlung personenbezogener Einwendungen bei der Forderungszession Gesagte255 entsprechend. In diesen Kontext ordnet das moderne Schrifttum auch das Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 BGB ein, das nach überwiegender Auffassung nicht auf den Schuldübernehmer übergehen soll256. Schließlich stehe die konnexe Gegenforderung ausschließlich dem Alt248 Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 4; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 29; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 II. 249 Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 4; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 13; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 417 Rn. 2; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 II; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 14 II 4 b. 250 Auf Details der Abgrenzung kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden; dazu ausf. Dörner, Relativität, S. 314 ff.; siehe ferner Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 14; Siber, in: Planck, BGB, § 417 Anm. 1a. 251 So Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 15; Siber, in: Planck, BGB, § 417 Anm. 1 a . 252 Zur Anerkennung der Einrede im Recht der Forderungsabtretung siehe oben § 15 III. 1. c). 253 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 417 Rn. 2; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 5; Röthel, in: Erman, BGB, § 417 Rn. 5; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 417 Rn. 1; Weber, in: RGRK, BGB, § 417 Rn. 7; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 II; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 398; Dörner, Relativität, S. 238. 254 Vgl. Motive zum BGB, Bd. 2, S. 146; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 18; Strohal, JhJ 57 (1910), 231, 320, 330 ff. 255 Siehe oben § 15 III. 1. d) cc). 256 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 19; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 II.
IV. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz
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schuldner zu und diene nur ihm als Druckmittel, welches der übernommenen Schuld nicht anhafte. Das ist im Ergebnis – und in Übereinstimmung mit der zutreffenden Auffassung bei der Forderungszession257 – nicht überzeugend258. Verweigerte man nämlich den identitätswahrenden Übergang des Zurückbehaltungsrechts, wäre der Gläubiger durch die privative Schuldübernahme der Verpflichtung zur Leistungserbringung (§ 273 Abs. 1 BGB) bzw. Sicherheitsleistung (§ 273 Abs. 3 BGB) enthoben. Für eine derartige Verbesserung der gläubigerseitigen Rechtsstellung ist ein sachlicher Grund indes ebenso wenig ersichtlich wie für den Fortfall der Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB. In beiden Fällen sorgt das aus dem übergeordneten Identitätsprinzip abgeleitete, zessionsrechtliche Verbesserungsverbot für den unveränderten Fortbestand der gläubigerseitigen Rechtsposition.
3. Gläubigerschutz bei Unkenntnis der Schuldübernahme Für den gesetzlichen Regelfall der Schuldübernahme ist ein besonderer Schutz des Gläubigers wegen Unkenntnis des Schuldnerwechsels entbehrlich, kommt die Übernahme ohne den Willen des Gläubigers gem. §§ 414, 415 BGB de lege lata doch nicht in Betracht. Die Notwendigkeit für einen erweiterten Gläubigerschutz kann sich allerdings dann ergeben, wenn der Gläubiger bereits bei Begründung des Schuldverhältnisses seine Einwilligung (vgl. § 415 Abs. 1 S. 1 BGB) mit der künftigen Übernahme erklärt hat259. In einem solchen Fall besteht das nicht gering zu schätzende Risiko, dass der Gläubiger in Unkenntnis des Schuldnerwechsels nachteilige Dispositionen trifft, beispielsweise eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB oder eine Mahnung gem. § 286 Abs. 1 BGB an den ursprünglichen Schuldner richtet und nicht an den Übernehmer und ihm hierdurch handfeste Vermögenseinbußen entstehen, die mit Blick auf Verjährungsfragen bis zur vollständigen Entwertung der Forderung reichen260. Gegen diese Risiken ist der Gläubiger durch das allgemeine schuldvertragliche Instrumentarium nicht hinreichend geschützt. Zwar können ihm aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB Ansprüche wegen schuldhafter Aufklärungspflichtverletzung zustehen. Das gegenüber dem Neuschuldner bestehende Schuldverhältnis begründet die übernommene Schuld. Gegenüber dem Altschuldner wirkt die übertragene Schuldposition noch nach gem. der Lehre von der culpa post contrahendo, wobei das nachvertragliche Schuldverhältnis als rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis iSd. § 311 Abs. 2 BGB einzuordnen ist, dessen Ver257
Siehe oben § 15 III. 1. e). Wie hier auch Siber, in: Planck, BGB, § 273 Anm. 2 a ; missverständlich ebenda § 417 Anm. 1 a . 259 Zur Zulässigkeit der vorherigen Zustimmung siehe nur BGH NJW 1998, 1645; OLG Köln NJW-RR 1994, 210; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 415 Rn. 9; Röthel, in: Erman, BGB, § 415 Rn. 9; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 26 I 2. 260 Zum Problemkreis bereits ausf. Dörner, Relativität, S. 279 ff. 258
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
letzung ebenfalls gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB sanktioniert wird261. Nachteil dieser rein schuldrechtlichen Lösung ist allerdings, dass sie den Forderungsgläubiger mit dem Insolvenzrisiko des jeweiligen Schuldners belastet, was schwerlich mit dem übernahmerechtlichen Verschlechterungsverbot in Einklang zu bringen ist. Für den Gläubiger soll sich die Rechtsstellung infolge der privativen Schuldübernahme grundsätzlich nicht verändern. Deshalb kann der Gläubiger auf den unveränderten Fortbestand der Leistungspflicht des Altschuldners vertrauen. Die Interessenlage entspricht daher in den wesentlichen Punkten der Situation des Schuldners, dem eine zwischenzeitlich erfolgte Abtretung unbekannt geblieben ist. Die für die Schuldübernahme lokalisierte planwidrige Lücke im Sukzessionsschutzsystem ist daher mittels Analogie zu § 407 Abs. 1 BGB zu schließen262. In der Konsequenz muss daher der Schuldübernehmer jedes die Rechtsstellung des Gläubigers verbessernde Rechtsgeschäft, das nach der Schuldübernahme zwischen Gläubiger und Altschuldner in Ansehung der übertragenen Verbindlichkeit in Unkenntnis des Gläubigers vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen263. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob die Initiative vom Altschuldner ausgeht, der womöglich auf Einwendungen verzichtet, oder vom Gläubiger selbst, wenn er den anderen Teil beispielsweise in Verzug setzt. Allerdings kann der Gläubiger – ebenso wie der Schuldner bei der Forderungszession gem. § 407 Abs. 1 BGB264 – wählen, ob er sich auf die Sukzessionswirkungen berufen will oder unter Hinweis auf die wahre Rechtslage gegen den Schuldübernehmer vorgeht. Vom Gedanken des Sukzessionsschutzes nicht gedeckt sind allerdings Rechtsgeschäfte, die die Rechtsstellung des Gläubigers beeinträchtigen, wie z.B. der Abschluss eines Erlassvertrags oder einer Stundungsvereinbarung. Vom Vertrauensgedanken ebenfalls nicht mehr umfasst sind Rechtsgeschäfte, die erst nach Kenntniserlangung vom Schuldnerwechsel vorgenommen werden.
4. Gläubigerschutz bei angezeigter Schuldübernahme Ein besonderes Schutzbedürfnis des Gläubigers zeigt sich auch in der Fallgestaltung der zur Kenntnis des Gläubigers gebrachten Schuldübernahme, die sich im Nachhinein als unwirksam herausstellt. Das betrifft nicht nur den Sonderfall einer mit vorheriger Zustimmung des Gläubigers erfolgten Schuldübernahme, sondern auch den gesetzlichen Normalfall der nachträglichen Genehmigung, soweit der Gläubiger im Vertrauen auf die Wirksamkeit der angezeig261 Dazu näher Otto, in: Staudinger, BGB, § 280 Rn. B 15; zur früheren Rechtslage grundlegend RGZ 161, 330, 337 ff. 262 Ebenso dezidiert Dörner, Relativität, S. 280 f.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 314. 263 Zu den nachfolgenden Implikationen im Einzelnen schon Dörner, Relativität, S. 281. 264 Siehe oben § 15 III. 3. c).
IV. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz
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ten Schuldübernahme rechtserhebliche Dispositionen tätigt, die sich infolge der Unwirksamkeit des Sukzessionsgeschäfts als nachteilig erweisen. Paradigma der Thematik ist die Anfechtbarkeit des Schuldübernahmevertrags gem. § 415 BGB. Den forensischen Ausgangspunkt bildet das Grundsatzurteil BGHZ 31, 231. Dort hat der BGH dem Gläubiger das Beurteilungsrisiko für die Unwirksamkeit der Schuldübernahme aufgebürdet, indem er es im Grundsatz ablehnte, die anfechtungsbedingten Nichtigkeitsfolgen abzumildern265. Das Schrifttum ist hiergegen Sturm gelaufen und kann sich bis heute mit dieser Rechtsprechung nicht anfreunden266. Kritisiert wird insbesondere die unterschiedliche Behandlung von Schuldübernahmen, die auf indirektem Wege gem. § 415 BGB erfolgen, und der zwischen Gläubiger und Übernehmer gem. § 414 BGB vereinbarten Übernahme, weil im letzteren Fall § 123 Abs. 2 S. 1 BGB zur Anwendung gelangt. Zur Bewältigung dieses Rechtsproblems wird eine ganze Reihe unterschiedlicher Lösungen angeboten, die allesamt darauf abzielen, dem Gläubiger das Beurteilungsrisiko abzunehmen. Die Argumentation dreht sich zumeist ausschließlich um §§ 123 und 417 Abs. 2 BGB267. Die Perspektive der herrschenden Lehrmeinungen erweist sich gerade in diesem normativen Ansatzpunkt als zu eng268. Denn das Problem des unwirksamen Übernahmevertrags ist nicht auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beschränkt, sondern stellt sich für sämtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe. Zur Problemlösung eignet sich folglich nur ein übergreifender Ansatz jenseits der Spezialvorschrift des § 123 BGB. Bevor nach einer Alternativlösung gesucht wird, ist aber zunächst die vorgelagerte Frage zu beantworten, ob der Gläubiger infolge Schuldübernahme überhaupt vom Beurteilungsrisiko in Bezug auf die Wirksamkeit des Übernahmevertrags entlastet werden soll oder nicht. Diese Frage muss mit Blick auf die unterschiedliche Rechtskonstruktion der §§ 414 und 415 BGB nicht notwendig einheitlich entschieden werden. Denn das Risikopotenzial der beiden Übernahmetypen ist unterschiedlich: Während der Gläubiger bei einer direkten Schuldübernahme nach § 414 BGB nur das Unwirksamkeitsrisiko aus dem Verhältnis zum Schuldübernehmer trägt, tritt bei einer indirekten Übernahme gem. § 415 BGB das Unwirksamkeitsrisiko aus dem Verhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner hinzu. 265 Dem folgend BGH WM 1973, 1289, 1291; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 417 Rn. 3; Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 15 ff.; Rieble, in: MünchKommBGB, § 415 Rn. 29 ff.; Röthel, in: Erman, BGB, § 415 Rn. 12, § 417 Rn. 2; Weber, in: RGRK, BGB, § 417 Rn. 16; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 26 III; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I b. 266 Mit unterschiedlichen Ansätzen siehe Flume, AT II, § 29, 3; Kramer, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 123 Rn. 25: Rechtsgedanke des § 417 Abs. 2 BGB; Esser/Schmidt, AT I/ 2, § 37 II 1 b: § 123 Abs. 2 S. 2 BGB analog; Rimmelspacher, JR 1969, 201, 207 f.; Brox, JZ 1960, 369, 370 f.: teleologische Reduktion des § 123 Abs. 1; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 400: Kombination aus teleologischer Extension des § 123 Abs. 2 S. 1 und den Wertungen aus §§ 414, 417 Abs. 2 BGB. 267 Siehe nochmals Fn. 266. 268 Auf den Aspekt des Vertrauensschutzes rekurriert Canaris, Vertrauenshaftung, S. 127 ff.; Röthel, in: Erman, BGB, § 415 Rn. 12; vgl. ferner Dörner, NJW 1986, 2916, 2920.
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Allerdings ist der Gläubiger auch im Fall der indirekten Übernahme – als an diesem Rechtsgeschäft nicht unmittelbar beteiligte Gegenpartei – in besonderer Weise schutzwürdig. Wenn sich der Schuldner bei Anzeige der Forderungsabtretung nach Maßgabe des § 409 BGB auf die Wirksamkeit der Forderungszession verlassen darf, dann erscheint es aufgrund der strukturellen Übereinstimmung der beiden Sukzessionsformen wenig wertungskohärent, wenn dem Gläubiger bei der privativen Schuldübernahme kein vergleichbarer Sukzessionsschutz zuteilwird. Hinsichtlich der Interessenlage besteht in beiden Fällen nämlich kein grundsätzlicher Unterschied269: Während der Schuldner nach Anzeige der Abtretung durch den Zedenten darauf vertrauen darf, dass die befreiende Wirkung seiner Leistung an den (Schein-)Zessionar nicht unter Hinweis auf die mangelnde Wirksamkeit der Abtretung verweigert werden kann und ihm hierdurch das Rückforderungs- bzw. Insolvenzrisiko des (Schein-)Zessionars abgenommen wird, besteht bei der (unwirksamen) Schuldübernahme das in struktureller Hinsicht ohne weiteres vergleichbare Risiko, dass er eine zeitnahe Rechtsdurchsetzung gegen den Altschuldner unterlässt und die Forderung allein gegen den (Schein-)Übernehmer durchzusetzen versucht. Die Rechtsstellung des Gläubigers würde ohne Anerkennung eines besonderen Sukzessionsschutzes signifikant und im Vergleich zur Schutzgewährleistung im Zessionsrecht (§ 409 BGB) in systemwidriger Weise geschwächt, wenn die gegenüber dem Übernehmer vorgenommenen Rechtshandlungen nicht auch für den Altschuldner verbindlich wären. Es liegt daher nahe, den Rechtsgedanken des § 409 BGB auf den Gläubiger der übernommenen Schuld zu übertragen270. Gegenüber dieser teleologisch-systematischen Argumentation müssen die formalen Einwände der Gegenauffassung zurücktreten. Das gilt zunächst für den Hinweis, der Gläubiger sei im Fall der Schuldübernahme nicht gleichermaßen schutzwürdig, weil er – anders als der Schuldner im Verhältnis zum Zedent – mit dem Übernehmer bisher nicht in rechtsgeschäftlichem Kontakt gestanden habe271. Mit der Mitteilung der Schuldübernahme erklärt der Neuschuldner, dass sich der Gläubiger nun an ihn wenden kann. Für das Vertrauen des Gläubigers auf diese Information ist es bei wertender Betrachtung ohne Belang, ob zwischen Gläubiger und Übernehmer im Vorfeld bereits ein rechtsgeschäftlicher Kontakt bestand oder nicht. Überhaupt bedarf es für Vertrauenstatbestände nicht notwendig eines solchen Kontakts. Man denke nur an das Auftreten einer GmbH ohne den nach § 4 GmbHG notwendigen Rechtsformzusatz. Auch wenn der Vertragspartner bisher mit der GmbH in keiner rechtsgeschäftlichen Beziehung stand, darf er sich auf die persönliche Haftung der Gesell269
A.A. Maurer, Schuldübernahme, S. 257. So bereits Dörner, Relativität, S. 291 ff.; ders., NJW 1986, 2916, 2920; dem folgend Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 417 Rn. 3; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 417 Rn. 5; a.A. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 56 ff., § 417 Rn. 10; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 417 Rn. 10; Maurer, Schuldübernahme, S. 256 f.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 180 ff.; kritisch Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 15. 271 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 56; Maurer, Schuldübernahme, S. 257. 270
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schafter verlassen, die analog § 128 S. 1 HGB als Gesellschafter einer ScheinOHG haften272. Zudem bedeutet die analoge Anwendung des § 409 BGB auch keine Rückkehr zur oben273 verworfenen Angebotstheorie274. Denn analog § 409 BGB tritt gerade keine materielle Änderung der Rechtslage ein: Der Übernehmer wird objektiv nicht zum Schuldner der vermeintlich übernommenen Verbindlichkeit275; stattdessen muss er die dem Gläubiger angezeigte Übernahme lediglich gegen sich gelten lassen. Durch diese dogmatische Konstruktion wird sichergestellt, dass der Gläubiger zwar im Vertrauen auf die vermeintliche Schuldnerstellung des Übernehmers effektiv geschützt ist. Umgekehrt bleibt die Rechtsstellung des Altschuldners von den Schutzwirkungen des § 409 BGB unberührt276. In Anbetracht des andernfalls zu befürchtenden Wertungswiderspruchs muss auch der entgegenstehende Wille des historischen Gesetzgebers zurücktreten. In den Motiven zum BGB hat die 1. BGB-Kommission nämlich ausdrücklich anerkannt, dass sich der Übernehmer auch dann auf die Unwirksamkeit der Schuldübernahme berufen kann, wenn er dem Gläubiger die Übernahme mitgeteilt oder ihn zur Genehmigung aufgefordert hat277. Rechtlich verbindlich ist diese Auffassung für die moderne Dogmatik des Sukzessionsschutzes aber letztlich nicht278: Zum einen hat diese Position des BGB-Gesetzgebers im geschriebenen Schuldübernahmerecht, namentlich § 417 BGB, keinen Niederschlag gefunden und ist schon aus diesem Grund für den Rechtsanwender nicht bindend. Zum anderen können (und müssen) die historischen Vorstellungen überwunden werden, wenn sie mit dem modernen Stand der Rechtsdogmatik nicht mehr in Einklang zu bringen sind und eine neue, alternative Deutung mit den Wertungen und der Gesamtsystematik des einschlägigen Regelungsregimes besser harmoniert. Diese Anforderungen sind angesichts der strukturellen Übereinstimmung zwischen der Schutzbedürftigkeit des Forderungsschuldners bei der Abtretung und des Gläubigers bei der Schuldübernahme erfüllt. Einer analogen Anwendung des § 409 BGB zugunsten des Gläubigers bei angezeigter Schuldübernahme stehen daher auch keine Einwände aus der Gesetzeshistorie entgegen. Zeigt der Schuldübernehmer dem Gläubiger also an, dass er in die Pflichtenstellung des Altschuldners eingetreten ist, oder wird dem Gläubiger eine Urkunde mit entsprechendem Inhalt vorgelegt, muss der Übernehmer die angezeigte Schuldübernahme analog § 409 BGB gegen sich gelten lassen, auch wenn sie tatsächlich nicht erfolgt oder unwirksam ist. Das Vertrauen des Gläubigers 272 Vgl. nur BGH NJW 1991, 2627; 1996, 2645; 2007, 1529, 1530; J. Mayer, in: MünchKommGmbHG, § 4 Rn. 147. 273 Zur Kritik an der Angebotstheorie siehe oben § 4 II. 5. b) bb). 274 So aber Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 56. 275 Zutreffend Dörner, Relativität, S. 292. 276 Dazu näher Dörner, Relativität, S. 292 f. 277 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 147. 278 Zu den rechtsmethodischen Grundlagen siehe oben § 1 II. 4.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
auf die Schuldnerposition des Übernehmers ist nach der Wertung des § 409 BGB allerdings nur dann schutzwürdig, wenn die Anzeige vom Übernehmer stammt, weil er es ist, der als Zuwendender agiert und aus der Transaktion einen Vermögensnachteil erleidet279. Aus diesem Grund darf der Gläubiger darauf vertrauen, dass der Neuschuldner die Anzeige nur abgeben wird, wenn es tatsächlich zu einer Schuldübernahme gekommen ist. Der Gläubiger ist solange geschützt, wie die Anzeige nicht analog § 409 Abs. 2 BGB durch den Schuldübernehmer mit Zustimmung des Altschuldners zurückgenommen wird. Im Übrigen kann der Gläubiger auch in diesem Zusammenhang wählen, ob er sich auf die Schutzwirkungen analog § 409 BGB beruft oder nach materieller Rechtslage den Altschuldner in Anspruch nimmt. Auf eine Anzeige des Altschuldners darf sich der Gläubiger hingegen nicht verlassen280. Der Altschuldner könnte eine beliebige Person als neuen Schuldner benennen. Ein besonderes Vertrauen kann durch eine solche Mitteilung beim Gläubiger nicht ausgelöst werden. Insbesondere fehlt es an dem für § 409 BGB nach moderner Dogmatik notwendigen Zurechnungszusammenhang281. Nur wenn der mit den Rechtswirkungen des § 409 BGB belastete Übernehmer den Rechtsschein zurechenbar veranlasst hat, ist es auch gerechtfertigt, ihn an dieser Scheinlage festzuhalten. Zudem besteht die Gefahr, dass der Altschuldner sich mit Benennung eines beliebigen Neuschuldners nur der berechtigten Inanspruchnahme des Gläubigers entziehen will. Daher trägt der Gläubiger das Beurteilungsrisiko für die Wirksamkeit der vom Altschuldner angezeigten Schuldübernahme.
5. Keine Aufrechnungsbefugnis des Schuldübernehmers Ein signifikanter Unterschied zum abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutz (vgl. § 406 BGB) besteht darin, dass der Schuldübernehmer gem. § 417 Abs. 1 S. 2 BGB mit einer Forderung des Altschuldners nicht gegen die Hauptforderung des Gläubigers aufrechnen kann. Diese Differenz ist indes leicht nachvollziehbar, fehlt es dem Übernehmer doch schlichtweg an der Rechtszuständigkeit und Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Gegenforderung des Altschuldners282. Wäre der Übernehmer gleichwohl in Parallele zu § 406 BGB zur Aufrechnung befugt, könnte er dem Altschuldner die ihm ausschließlich zugewiesene Gegenforderung entziehen. Dieses Ergebnis würde indes die Rechtsstellung des Altschuldners erheblich beeinträchtigen, der typischerweise ein berechtigtes Inte279
Zutreffend Dörner, Relativität, S. 291 f. Zutreffend dazu schon Dörner, Relativität, S. 291 f. Mit der nachfolgenden Argumentation entfallen auch die Einwände in Bezug auf die mangelnde Differenzierung des § 415 Abs. 1 S. 2 BGB, wie sie etwa von Rieble, in: Staudinger, BGB, § 415 Rn. 56 vorgebracht werden. 281 Siehe oben § 15 III. 5. a). 282 Vgl. Bydlinski, in: MünchKommBGB, § 417 Rn. 7; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I b; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 II; Dörner, Relativität, S. 238. 280
V. Vertragsübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz
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resse daran haben wird, seine Gegenforderung zum eigenen Vorteil gegen den Gläubiger durchzusetzen. Insofern hat § 417 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich deklaratorischen Charakter283. Der Schuldübernehmer kann dem Gläubiger die Gegenforderung des Altschuldners folglich nur entgegensetzen, wenn der Altschuldner ihm neben der Schuldposition auch die Gegenforderung überträgt.
V. Vertragsübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz Der vertragsübernahmerechtliche Sukzessionsschutz hat – ebenso wie das Rechtsinstitut der Vertragsübernahme selbst – keine positivrechtliche Ausformung erfahren. In Anlehnung an die rechtsdogmatischen Grundstrukturen ist für die Ermittlung des Sukzessionsschutzniveaus zugunsten der verbleibenden Vertragspartei, die selbst weder ihre vertragliche Rechtsstellung überträgt noch eine Vertragsposition übernimmt, auf die Regelungsmodelle des Zessions- und Schuldübernahmerechts zurückzugreifen284. Zwar ist anerkannt, dass die Rechtswirkungen der Vertragsübernahme über die bloße Zusammenfassung von Forderungszessionen und Schuldübernahme hinausgehen. Dieser – auch vom Parteiwillen getragene – Einheitscharakter von Sukzessionsgegenstand und Sukzessionsgeschäft kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die moderne Dogmatik der Vertragsübernahme sich stark an das Zessions- und Schuldübernahmerecht anlehnt. Das kann in der Sache auch nicht weiter verwundern, enthalten die beiden Rechtsgebiete doch die Grundbausteine eines allgemeinen Sukzessionsmodells, an dem sich auch die rechtliche Behandlung der Vertragsübernahme messen lassen muss, soweit sich aus den vertragsübernahmespezifischen Besonderheiten, d.h., aus dem Umstand, dass keine einzelne Forderung oder Schuld, sondern eine gesamte, einheitliche vertragliche Rechtsposition übertragen wird, keine Abweichungen ergeben. Eine solche Abweichung resultiert etwa aus dem Umstand, dass der verbleibende Teil als Gegenpartei gem. §§ 414, 415 BGB typischerweise an der Schuldübernahme mitwirkt und bestimmte Gefahrenlagen, wie sie §§ 406 ff. BGB im Auge haben, von vornherein nur unter besonderen Umständen entstehen285. Bleibt dem Verbleibenden die Vertragsübernahme indes verborgen, weil er etwa seine vorherige Zustimmung erteilt hat, kommt die Anwendung abtretungsrechtlichen Vertrauensschutzes dem Grunde nach in Betracht.
283 284 285
Rieble, in: Staudinger, BGB, § 417 Rn. 29; Klimke, Vertragsübernahme, S. 297. Siehe oben § 4 II. 6. b). Deshalb in der Tendenz ablehnend Schaffland, Vertragsübernahme, S. 82 f.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
1. Identität und Kontinuität der Rechtsposition des verbleibenden Vertragsteils Anwendung findet darüber hinaus das übergeordnete sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip286. Danach lässt die Nachfolge in die vertragliche Rechtsposition im Interesse sämtlicher Beteiligter den Inhalt und Umfang des Verfügungsgegenstandes grundsätzlich unberührt. Weil der neue Vertragsteil die vertragliche Rechtsstellung so erwirbt, wie sie in der Person des ausscheidenden Vertragsteils bestand, erfährt auch die Rechtsstellung der Gegenpartei – des verbleibenden Vertragsteils – grundsätzlich keine Änderung. In der Konsequenz gelten daher auch in Bezug auf die Vertragsübernahme die allgemeinen Grundsätze des sukzessionsrechtlichen Verschlechterungs- und Verbesserungsverbots. Infolge der Vertragsübernahme darf sich die Rechtsposition des Verbleibenden weder in rechtlich relevanter Weise verschlechtern noch darf sie sich – zulasten einer der anderen Vertragsteile – verbessern. Dementsprechend bleiben auch die Einwendungen aufrechterhalten, die den bisherigen Vertragsparteien im Verhältnis gegeneinander zustanden. In analoger Anwendung der §§ 404, 417 Abs. 1 S. 1 BGB können die Einwendungen auch nach der Vertragsübernahme dem neuen Vertragsteil entgegengehalten und vom Übernehmer gegenüber dem Verbleibenden geltend gemacht werden287. Das gilt nicht nur für die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB, sondern auch für das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB, die vom Verbleibenden analog § 404 BGB288 und vom Übernehmer analog § 417 Abs. 1 S. 1 BGB289 geltend gemacht werden können. Für die zeitliche und sachliche Präzisierung des Einwendungserhalts gelten im Vergleich zu dem bisher Gesagten290 keine Besonderheiten. Insbesondere genügt auch bei der Vertragsübernahme, dass die Einwendungen im ursprünglichen Vertragsverhältnis angelegt waren. Ist etwa die Verjährungsfrist bereits angelaufen, beginnt sie kraft Vertragsübernahme nicht etwa neu, sondern läuft auch nach dem Vertragspartnerwechsel unverändert weiter291. Eine Einschränkung gilt wiederum für höchstpersönliche Einwendungen, die – wie beispielsweise der Einwand missbräuchlicher Rechtsausübung – nur in der Person des
286
Siehe oben § 13 I. sowie § 15 III. 1. a) und § 15 IV. 1. Zum Ganzen ausf. Klimke, Vertragsübernahme, S. 292 ff.; knapp Schaffland, Vertragsübernahme, S. 83 f. 288 Für die Vertragsübernahme differenzierend nach Einwilligung und Genehmigung: Klimke, Vertragsübernahme, S. 302 f. Zur Parallele bei der Forderungszession siehe oben § 15 III. 1. b). 289 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 30 II 1 d; a.A. Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 22 II; Klimke, Vertragsübernahme, S. 301 f. Zur Parallele bei der Schuldübernahme siehe oben § 15 IV. 2. 290 Siehe oben § 15 III. 1. b) und § 15 IV. 2. 291 Vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 140; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 22 II; Klimke, Vertragsübernahme, S. 293 f. 287
V. Vertragsübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz
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Ausscheidenden begründet liegen292. Sie können dem Eintretenden nicht entgegengehalten werden. Umgekehrt können aber personenbezogene Einwendungen gegen den Übernehmer in seiner Person erstmalig entstehen.
2. Sukzessionsschutz bei Unkenntnis der Vertragsübernahme In analoger Anwendung des § 407 BGB wird der verbleibende Vertragsteil auch vor den Gefahren einer unbekannt gebliebenen Vertragsübernahme geschützt293. Zwar hängt die Wirksamkeit der Vertragsübernahme de lege lata von der Zustimmung auch des verbleibenden Vertragsteils ab, der sich hieran entweder im Rahmen einer dreiseitigen Vereinbarung sämtlicher Beteiligter oder aufgrund einer qualifiziert-zweiseitigen Abrede kraft Zustimmung analog § 415 Abs. 1 BGB beteiligen muss. Allerdings können die ursprünglichen Vertragsparteien – ebenso wie bei der Schuldübernahme294 – bereits im Vorfeld in die zukünftige Vertragsübernahme einwilligen295. Kommt es später zur Vertragsübernahme, ohne dass der verbleibende Teil hiervon Kenntnis erlangt, ist er ebenso schutzwürdig wie der Forderungsschuldner, der in Unkenntnis des Gläubigerwechsels an den Zedent leistet, oder der Forderungsgläubiger, der in Unkenntnis des Schuldnerwechsels Rechtshandlungen in Bezug auf den Altschuldner vornimmt. Deshalb muss auch das Vertrauen des verbleibenden Vertragsteils auf den unveränderten Fortbestand der vertraglichen Rechtsstellung seines Kontrahenten analog § 407 Abs. 1 BGB geschützt werden. Der neue Vertragsteil muss deshalb sowohl die Leistungserbringung an den bisherigen Vertragspartner als auch sämtliche die Rechtsstellung des verbleibenden Teils verbessernden Rechtsgeschäfte, die in Unkenntnis der Vertragsübernahme zwischen dem Verbleibenden und dem Ausscheidenden in Ansehung des übertragenen Schuldverhältnisses vorgenommen werden, gegen sich gelten lassen. Allerdings kann der Verbleibende auch hier wählen, ob er sich auf die Vertrauenswirkungen analog § 407 Abs. 1 BGB beruft oder besser nach der wahren materiellen Rechtslage vorgehen will. Die Schutzwirkungen enden mit Kenntniserlangung von der Vertragsübernahme.
292
Dazu Klimke, Vertragsübernahme, S. 294. Pieper, Vertragsübernahme, S. 212 f.; Dörner, Relativität, S. 281 f.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 313 f.; vgl. noch Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 206; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 44; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 131; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 195; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 IV 2 b; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 22 I. 294 Siehe oben § 15 IV. 3. 295 Zum Ganzen siehe oben § 4 II. 6. c). 293
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
3. Sukzessionswirkungen bei angezeigter Vertragsübernahme In konsequenter Fortentwicklung der zum Zessions- und Schuldübernahmerecht entwickelten Grundsätze wird analog § 409 BGB auch das Vertrauen des verbleibenden Teils auf eine angezeigte, tatsächlich aber nicht erfolgte oder unwirksame Vertragsübernahme geschützt296. Der verbleibende Teil, der von der Unwirksamkeit des Vertragspartnerwechsels keine Kenntnis hat, ist ebenso schutzwürdig wie der Forderungsschuldner in Unkenntnis der Abtretung und der Forderungsgläubiger in Unkenntnis der Schuldübernahme. Leistet der verbleibende Teil aufgrund der vermeintlichen Vertragsübernahme an den Eintretenden, ist es mit dem vertragsübernahmerechtlichen Verschlechterungsverbot und dem Vertrauensinteresse des verbleibenden Teils unvereinbar, ihm das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme bzw. das Insolvenzrisiko des neuen Vertragspartners aufzubürden. Deshalb muss sich der Ausscheidende, der dem Verbleibenden die Vertragsübernahme angezeigt hat, an der Leistungserbringung zugunsten des neuen Vertragsteils festhalten lassen. Umgekehrt begründet die vom Eintretenden abgegebene Übernahmeanzeige das berechtigte Vertrauen des verbleibenden Teils darauf, sich nunmehr an den Vertragsübernehmer als neuen Schuldner halten zu können. Die jeweiligen Rechtswirkungen hängen in Übereinstimmung mit den zum Zessions- und Schuldübernahmerecht entwickelten Regeln folglich davon ab, ob die Vertragsübernahme dem verbleibenden Teil vom Eintretenden oder Ausscheidenden angezeigt wird. Der Verbleibende wird vom Beurteilungsrisiko nur dann in jeder Hinsicht befreit, wenn ihm beide am Übernahmevertrag notwendig beteiligten Parteien die Mitteilung machen.
4. Aufrechnungsbefugnis des verbleibenden Vertragsteils Für die Aufrechnungsbefugnis des verbleibenden Vertragsteils gelten keine Besonderheiten: Bestand die Aufrechnungslage vor der Vertragsübernahme, kann der Verbleibende gegenüber dem Vertragsnachfolger nach zutreffender h.M.297 analog § 406 BGB aufrechnen. Die ablehnende Gegenauffassung, die in der Zustimmung des Verbleibenden zugleich einen Verzicht auf die Geltendmachung solcher Einwendungen sieht298, läuft auf eine unzulässige Fiktion hinaus und ist 296 Dazu und zum Folgenden Dörner, Relativität, S. 293; wohl auch Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 IV 2 b; a.A. Pieper, Vertragsübernahme, S. 214; Klimke, Vertragsübernahme, S. 179 ff., der sich auch gegen die Anwendung der allgemeinen Rechtsscheinhaftung ausspricht (S. 182 ff.); vgl. noch KG VersR 2003, 490, 491. 297 Dezidiert Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 22 II; ebenso Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 206; Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 5, 195; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 44; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 37 IV 2 b; im Ergebnis ebenso unter Heranziehung des § 404 BGB Dörner, Relativität, S. 251 f.; differenzierend Klimke, Vertragsübernahme, S. 296 ff.: Anwendung des § 406 BGB analog nur bei vorheriger Zustimmung, nicht aber bei unmittelbarer Mitwirkung an der Vertragsübernahme. 298 So noch Pieper, Vertragsübernahme, S. 214 f.
VI. Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte
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daher abzulehnen. Im Übrigen entspricht der unveränderte Fortbestand der Aufrechnungslage – nicht anders als bei der Forderungszession – dem allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip299. Zwar kann die Vertragsübernahme de lege lata nicht gegen den Willen des Verbleibenden erfolgen, gleichwohl hat der Verbleibende, auch wenn er seine Zustimmung erteilt, kein Interesse daran, eine bisher bestehende Aufrechnungslage zu opfern. Vielmehr entspricht es dem der Vertragsübernahme zugrunde liegenden Sukzessionsgedanken und der Wertung des § 406 BGB, dem verbleibenden Vertragsteil die einmal entstandene Aufrechnungslage zu erhalten. Wer hingegen argumentiert, der Verbleibende habe sich seiner Verteidigungsmöglichkeiten durch die Beteiligung an der Vertragsübernahme begeben300, redet der Gegenauffassung das Wort, die dem verbleibenden Vertragsteil in unzulässiger Weise einen Verzichtswillen unterstellt. Umgekehrt ist dem Nachfolger trotz ursprünglich bestehender Aufrechnungslage analog § 417 Abs. 1 S. 2 BGB die Aufrechnung mit einer dem Altpartner zustehenden Gegenforderung verwehrt301. Denn zum einen fehlt es dem Eintretenden in Bezug auf die Gegenforderung an der notwendigen Rechtszuständigkeit bzw. Verfügungsbefugnis. Zum anderen würden die Interessen des Ausscheidenden beeinträchtigt, wenn der Nachfolger die dem bisherigen Vertragsteil ausschließlich zugewiesene Forderung für seine eigenen Interessen einsetzen könnte.
VI. Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte Gleichsam vermittelnd zwischen den Sukzessionsschutzsystemen für beschränkte (dingliche und obligatorische) Rechte und für die Gegenpartei eines Schuldverhältnisses ist der Sukzessionsschutz für bestimmte schuldrechtliche Positionen angesiedelt. Die hierzu geführte Diskussion steht unter dem Oberbegriff der „Verdinglichung obligatorischer Rechte“302, die sich – angestoßen 299
A.A. Klimke, Vertragsübernahme, S. 297. So namentlich Klimke, Vertragsübernahme, S. 297. 301 Pieper, Vertragsübernahme, S. 212 f.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 22 II; Dörner, Relativität, S. 251 f.; Klimke, Vertragsübernahme, S. 295 f.; Schaffland, Vertragsübernahme, S. 82. 302 Im Zusammenhang mit Obligationen von einer „Verdinglichung“ zu sprechen ist ungenau, denn das Wesen dinglicher Rechte resultiert aus ihrem unmittelbaren Bezug zur Sache. Daran fehlt es bei obligatorischen Rechten. Deshalb wird im Schrifttum als Alternative vorgeschlagen, von einer „Verabsolutierung relativer Rechte“ zu sprechen; so etwa Diederichsen, Besitz, S. 52; Dörner, Relativität, S. 82; Füller, Sachenrecht, S. 86. Das ist nicht falsch, suggeriert aber, dass für Forderungen das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung keine Geltung beansprucht. Dieser Eindruck ist tunlichst zu vermeiden, da auch Forderungen und andere Vermögensrechte ihrem Inhaber (Gläubiger) nach der Lehre von der absoluten Rechtszuweisung grundsätzlich mit Wirkung gegenüber jedermann absolut und ausschließlich zugeordnet sind. Aus diesem Grund ist hier vorwiegend vom Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte die Rede. 300
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
durch die gleichnamige Schrift Gerhard Dulckeits – bis in die Gegenwart fortgesetzt hat303. Allerdings ist der Sukzessionsschutz für schuldrechtliche Positionen im deutschen Zivilrecht der Ausnahmefall304. Es kann daher auch nicht verwundern, dass dieses Rechtsphänomen in der jüngeren Literatur bisher ein „Schattendasein“305 fristet. Hauptanliegen der nachfolgenden Untersuchung ist deshalb die systematische Analyse der wichtigsten Sukzessionsschutztatbestände für obligatorische Rechte.
1. Rechtssystematische und rechtsökonomische Grundlagen Ausgangspunkt für dieses Untersuchungsprogramm ist das Prinzip der Relativität des Schuldverhältnisses306. Während dingliche Rechte grundsätzlich gegenüber jedermann wirken, beschränkt sich die – relative – Wirkung obligatorischer Rechte grundsätzlich auf das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien. Ist Gegenstand des Schuldverhältnisses etwa die Einräumung eines Nutzungsrechts an einer Sache, entfaltet die schuldrechtliche Position des Nutzungsberechtigten ihre Wirkungen grundsätzlich nur im Verhältnis zum anderen Vertragsteil, dem Inhaber des dinglichen Rechts, nicht aber gegenüber jedermann und grundsätzlich auch nicht gegenüber denjenigen, die mit der Ausübung des Nutzungsrechts in Kontakt kommen307. Überträgt der Vertragspartner nun das dingliche Stammrecht, auf das sich das Schuldverhältnis bezieht, bleibt das zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien geschlossene Rechtsverhältnis hiervon dem Grunde nach unberührt. Nach Maßgabe des Prinzips der Relativität des Schuldverhältnisses geht die Verbindlichkeit des veräußernden Vertragsteils nicht ipso iure auf den Erwerber über308. Denn der Eintritt einer vertraglichen Bindungswirkung setzt nach dem systemprägenden Prinzip der Privatautonomie309 nebst Einigungsgrundsatz310 voraus, dass Rechtssubjekte grundsätzlich nur im Rahmen eines Vertragsschlusses gebunden werden (Abschlussfreiheit), und zwar grundsätzlich nur im Verhältnis zu einem Vertragspartner, den sie sich selbst ausgesucht haben (Kontrahentenwahlfreiheit). Fehlt es an der Zustimmung des Nachfolgers in das dingliche Stammrecht, richten sich die Rechte und 303 Dazu den ebenfalls gleichnamigen Beitrag von Canaris, FS Flume I, S. 371 ff.; ferner Dörner, Relativität, S. 81 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 85 ff.; zusf. Kramer, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., Einl. Schuldrecht Rn. 21; Larenz/Wolf, BGB AT, § 15 Rn. 52 ff.; Westermann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 1 Rn. 12. 304 Vgl. auch Kohler, in: Staudinger, BGB, § 137 Rn. 10. 305 So Hauck, AcP 211 (2011), 626, 628. 306 Siehe dazu oben § 2 II. 3. 307 Instruktiver Überblick zu Grundsatz und Ausnahmen bei Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721 ff. 308 Vgl. etwa BGHZ 99, 358, 360. 309 Dazu ausf. oben § 4 I. 1.; instruktiv in Bezug auf § 571 BGB a.F. (= § 566 BGB) auch Paschke/Oetker, NJW 1986, 3174, 3175. 310 Dazu ausf. oben § 6 I. 1.
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Pflichten aus dem Schuldverhältnis auch weiterhin gegen den ursprünglichen Vertragspartner, es sei denn, der Erwerber übernimmt die vertragliche Verpflichtung vom Veräußerer auf Grundlage einer selbstständigen Abrede. Dass der Veräußerer die ihm absolut und ausschließlich zugewiesenen Vermögenspositionen ungehindert übertragen kann, ohne dass dingliche311 oder – wie hier – obligatorische Berechtigte am Sukzessionsgeschäft notwendig beteiligt sind, dient zum einen dem individuellen Interesse des Veräußerers an der Verwertung der Rechtsposition und zum anderen dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit). Dass zudem der Erwerber von schuldrechtlichen Bindungen freigehalten wird, entspricht seinem berechtigten Interesse, den Verfügungsgegenstand nach seinen individuellen Präferenzen nutzen zu können. Würden auch schuldrechtliche Bindungen auf den Erwerber übergehen, müsste er im Vorfeld nämlich herausfinden, welche vertraglichen Verpflichtungen der Veräußerer eingegangen ist. Um sich der vertraglichen Bindung zu entledigen, müsste er mit der Gegenpartei verhandeln und sie mittels Zahlung einer Gegenleistung dazu veranlassen, einer Vertragsaufhebung zuzustimmen. Die durch das Konzept der Relativität des Schuldverhältnisses gewährleistete ungehinderte Zirkulation von Vermögensrechten senkt in ökonomischer Hinsicht folglich mit der Transaktion verbundene Informations- und Verhandlungskosten. Weder muss sich der Erwerber darüber informieren, wer eine dingliche oder obligatorische Berechtigung am Verfügungsgegenstand hat, noch müssen die Vertragspartner befürchten, dass zustimmungsberechtigte Dritte versuchen, die so geschaffene Hold-up-Situation durch strategisches Verhalten auszunutzen, woran im Ergebnis die Rentabilität und der wirtschaftliche Erfolg der Transaktion überhaupt scheitern können312. Umgekehrt wird durch die Grundsatzentscheidung für die Relativität des Schuldverhältnisses auch das Interesse des vertraglichen Drittberechtigten an der unveränderten Durchführung des bestehenden Schuldverhältnisses nicht grundsätzlich beeinträchtigt. Denn an der vertraglichen Bindung der ursprünglichen Vertragspartei ändert sich durch die Übertragung des dinglichen Rechts nicht das Geringste313. In unserem Ausgangsbeispiel bleibt der Veräußerer dazu verpflichtet, dem Drittberechtigten die Nutzung des Gegenstands zu ermöglichen. Ist er hierzu nicht in der Lage, sind die Interessen des Drittberechtigten durch schuldrechtliche Sekundäransprüche, namentlich durch das Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht geschützt. Durch die Pflicht des vertragsbrüchigen Teils zur Leistung von Schadensersatz sind die berechtigten Interessen des Drittberechtigten typischerweise abgedeckt. Das alles spricht für die grundsätzliche ökonomische Sinnhaftigkeit des schuldrechtlichen Relativitäts311
Siehe oben § 15 II. Zur Parallelproblematik bei dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkungen siehe ausf. oben § 4 II. 7. c). 313 Vgl. etwa BGHZ 83, 251, 257. 312
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prinzips. Anderes kann nur dann gelten, wenn das Interesse der Gegenpartei durch schlichte Geldzahlung nicht hinreichend abgedeckt ist. Man denke nur an das mit der obligatorischen Berechtigung an dem Gegenstand verbundene Affektionsinteresse des Drittberechtigten, das im Rahmen monetärer Ersatzleistungen grundsätzlich unberücksichtigt bleibt314. Es sind solche individuellen Sonderinteressen von obligatorisch Berechtigten, welchen die Tatbestände des Sukzessionsschutzes für schuldrechtliche Positionen zum Durchbruch verhelfen.
2. Phänomenologie und Anwendungsbereich des Sukzessionsschutzes Sukzessionsschutz genießen obligatorische Rechte allerdings nur dann, wenn es vom Gesetzgeber besonders angeordnet ist315; kraft privatautonomer Parteiabrede können keine sukzessionsschützenden Wirkungen ausgelöst werden316. Die juristische Konstruktion des Sukzessionsschutzes für obligatorische Rechte ist sehr unterschiedlich ausgestaltet: Während die Vormerkung in Form einer Verfügungsbeschränkung wirkt317, erstreckt § 566 BGB den Mietvertrag auf den Grundstückserwerber (Vertragserstreckung)318 und § 986 Abs. 2 BGB bewirkt eine Erstreckung der obligatorischen Einwendungen auf den Nachfolger (Einwendungserstreckung)319. In der bürgerlichen Bruchteilsgemeinschaft wird bestimmten Sonderabreden echte dingliche Wirkung beigelegt320, während der im Wohnungseigentums- und Erbbaurecht gewährleistete Sukzessionsschutz über die inhaltliche Ausgestaltung des dinglichen Stammrechts bewerkstelligt wird321. Da nur bestimmten obligatorischen Rechten in gesetzlich genau umrissenen Ausnahmefällen Sukzessionsschutz zuteilwird, sind zum einen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Sukzessionsschutzbestimmungen ernst zu nehmen; zum anderen verhindert der Ausnahmecharakter der Regelungen im Grundsatz eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Ausdehnung des sachlichen und personellen Anwendungsbereichs im Wege der extensiven Auslegung oder Analogiebildung322. Das beruht nicht etwa auf der verbreiteten Fehlvorstellung, Ausnahmevorschriften seien nicht analogiefähig (singularia non sunt exten314
Vgl. nur Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 883, 959. Dazu auch Canaris, FS Flume I, S. 371, 380 f.; Dörner, Relativität, S. 85 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 82. 316 Hauck, AcP 211 (2011), 626, 629 unter Hinweis auf BGH NJW 2005, 3353. 317 Siehe oben § 4 III. 3 und § 15 VI. 4. 318 Siehe unten § 15 VI. 5. a). 319 Siehe unten § 15 VI. 5. b). 320 Siehe unten § 15 VI. 6. 321 Siehe unten § 15 VI. 7. und § 15 VI. 8. 322 Siehe (zur Anwendung des § 571 BGB a.F. auf das Patentrecht) BGHZ 83, 251, 257; Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 19; allgemein Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 20 I. 315
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denda)323. Zutreffend ist vielmehr, dass auch Sondervorschriften der Analogiebildung zugänglich sind, nur ist ihre Analogiefähigkeit eben auf den – bei Ausnahmetatbeständen eng begrenzten – Regelungszweck beschränkt. Für eine wortlautgetreue Interpretation sprechen allerdings die Grundwertungen des schuldrechtlichen Relativitätsgrundsatzes, der Sukzessionsfreiheit sowie das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs324.
3. Bedeutung des Publizitätsprinzips In seiner gleichnamigen Schrift hatte Dulckeit die „Verdinglichung obligatorischer Rechte“ in enger Anlehnung an das Publizitätsprinzip entwickelt. Insbesondere war er der Auffassung, die Verdinglichung sei – von einer einzigen Ausnahme abgesehen – „stets an den Besitz der in Anspruch genommenen Sache oder an den Grundbucheintrag als Buchbesitz geknüpft“. Geschützt werde derjenige obligatorisch Berechtigte, „dessen Recht im Besitz kundbar geworden“ sei325. Dass diese Auffassung die Bedeutung des Publizitätsprinzips maßlos überschätzt, hat Canaris bereits unter Hinweis auf fiduziarische Rechtsübertragungen eindrucksvoll nachgewiesen326. Dass der Besitz nicht die einzige Form der Verdinglichung obligatorischer Rechte darstellt327 und dass Sukzessionsschutz nicht nur dann eintritt, wenn das obligatorische Recht nach außen erkennbar ist (Offenkundigkeitsprinzip), zeigt sich außerdem an der Wirkung von Vereinbarungen unter (Bruch-)Teilhabern an beweglichen Sachen und Rechten328. Davon abgesehen bleibt Dulckeit überhaupt eine tragfähige Begründung dafür schuldig, aus welchem Grund die Offenkundigkeit geeignet sein soll, schuldrechtlichen Positionen sukzessionsschützende Wirkungen beizulegen329. Die Bedeutung des Publizitätsprinzips für die rechtsgeschäftliche Sukzession ist jedenfalls im Mobiliarsachenrecht deutlich geschwunden330. Richtigerweise kommt es daher für die Frage, ob ein bestimmtes obligatorisches Recht auch gegenüber dem Nachfolger wirken soll, primär auf die besondere Schutzbedürf323 Richtig dazu etwa Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn. 120; Canaris, Feststellung, S. 180 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 185 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 355 f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 489a; Bydlinski, Methodenlehre, S. 440; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 298; Würdinger, JuS 2008, 949 ff. 324 Siehe nochmals oben § 15 VI. 1. 325 Alle Zitate: Dulckeit, Verdinglichung, S. 11; Hervorhebungen auch im Original; siehe weiter ebenda, S. 29. 326 Canaris, FS Flume I, S. 371, 379, 416 f.; vgl. weiter Weitnauer, FS Larenz II, S. 705, 710 ff. 327 So H. Westermann, AcP 152 (1953), 93, 95. 328 Siehe unten § 15 VI. 6. 329 So auch Koziol, Beeinträchtigung, S. 21; dagegen die Bedeutung des Besitzes für die Verdinglichung betonend Canaris, FS Flume I, S. 371, 380, 392 ff. 330 Siehe oben § 10 III.
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tigkeit und Schutzwürdigkeit des Drittberechtigten an, die sich nicht notwendig aus seiner Besitzlage ergeben muss, freilich aber auch aus dessen Interesse an der Erhaltung der Nutzungsmöglichkeit des Verfügungsgegenstands ergeben kann. Aber auch in diesem Fall greift der angeordnete Sukzessionsschutz nicht ein, weil die Besitzlage publik ist, sondern aufgrund des besonderen Interesses des Drittberechtigten an der tatsächlichen Nutzung des Sukzessionsgegenstands331. Für die Intensität des Schutzbedürfnisses und der Schutzwürdigkeit ist die Publizität der Rechtsposition des obligatorisch Berechtigten folglich von untergeordneter Bedeutung. Endgültig verlässt Dulckeit den Boden des geltenden Rechts, wenn er annimmt, „der Besitz (mache) jedes obligatorische Recht (zum Besitz) zu einem dinglichen Recht“332. Diese These verstößt ebenso gegen Trennungs- und Abstraktionsprinzip333 wie die Auffassung: „Im Schuldvertrag wird bereits das Eigentum an der Sache selbst relativ übertragen“334. Auch verwandelt die nachfolgende Sachübergabe das vermeintlich erworbene (relative) Recht nicht „in ein absolutes oder dingliches Recht“335. Auf der Grundlage der lex lata ebenso wenig begründbar ist Dulckeits Lehre vom „relativen Eigen“336, die in der These gipfelt, „daß bis zur Übertragung noch der Veräußerer kraft Rechtsscheins als dinglich Berechtigter zu gelten hat; der Eigentümer im Innenverhältnis ist der wahre, der Eigentümer im Außenverhältnis der scheinbare Eigentümer“337. Mit der Lehre von der absoluten Rechtszuweisung338 und den grundsätzlichen Bedenken gegen relative Rechtspositionen339 ist dieses Verständnis von der „Verdinglichung obligatorischer Rechte“ nicht in Einklang zu bringen. Es kann daher nicht verwundern, dass der Lehre Dulckeits zwar das Verdienst zukommt, die grundlegende Debatte über die „Verdinglichung“ schuldrechtlicher Positionen angestoßen zu haben; seine Thesen fanden indes zu Recht keine Folgeschaft340.
331 Hier zeigt sich eine bemerkenswerte Parallele zur Funktion des Übergabeerfordernisses (Traditionsprinzips) beim Mobiliarerwerb. Dort steht es im Interesse des Erwerbers, der typischerweise daran interessiert ist, auf die Sache zuzugreifen und sie nach Maßgabe seiner eigenen Präferenzen zu nutzen; siehe oben § 10 III. 332 Dulckeit, Verdinglichung, S. 14; Hervorhebungen auch im Original. 333 Siehe ausf. oben § 7. Vgl. schon Diederichsen, Besitz, S. 79; Canaris, FS Flume I, S. 371, 379; Weitnauer, FS Larenz II, S. 705, 708 ff. 334 Dulckeit, Verdinglichung, S. 43. 335 Nochmals Dulckeit, Verdinglichung, S. 43. 336 Entwickelt bei Dulckeit, Verdinglichung, S. 33 f., 43 ff. 337 Dulckeit, Verdinglichung, S. 43. 338 Siehe oben § 2 II 2. 339 Siehe oben § 4 III. 3. c) dd) sowie § 15 III. 3. a). 340 Kritisch z.B. auch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 1 II 1 c; Larenz, Schuldrecht I, § 2 II mit Fn. 18, 20; Diederichsen, Besitz, S. 76 ff.; Dörner, Relativität, S. 83 f. in Fn. 19; Koziol, Beeinträchtigung, S. 21 f.; H. Westermann, AcP 152 (1953), 93, 95 f.; Weitnauer, FS Larenz II, S. 705, 706 ff.; Sosnitza, Besitz, S. 282 f.; zustimmend dagegen Enneccerus/Nipperdey, AT I, § 79 Anm. 22.
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4. Sukzessionsschutz für Erwerbsansprüche Nach dem Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses genießt der Inhaber eines obligatorischen Erwerbsanspruchs, namentlich der Käufer, im Regelfall keinen besonderen Schutz gegen vertragswidrige Verfügungen des anderen Teils. Der Käufer ist insbesondere nicht dagegen geschützt, dass der Verkäufer den Vertragsgegenstand wirksam an einen Dritten veräußert. Denn der Abschluss des Schuldvertrages tangiert weder die Rechtszuständigkeit noch die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. Dass der Veräußerer das Vermögensrecht ungehindert an einen Dritterwerber übertragen kann, dient im Ergebnis wiederum dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit sowie der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. a) Sukzessionsschutz durch Verfügungsbeschränkungen Hat der Käufer ein gesteigertes Interesse daran, den Verfügungsgegenstand in jedem Fall zu erwerben und möchte er aus diesem Grund vertragswidrige Drittverfügungen seines Vertragspartners ausschließen, stehen ihm von Gesetzes wegen verschiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung. Zum einen können bewegliche Sachen und Forderungen gem. § 158 Abs. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung bereits an den potenziellen Erwerber übertragen werden. Die Rechtsstellung des Erwerbers wird nach Maßgabe des § 161 Abs. 1 S. 1 BGB dergestalt geschützt, dass vertragswidrige Drittverfügungen mit Bedingungseintritt ihre Wirksamkeit verlieren, soweit sie den Rechtserwerb des Erstkäufers vereiteln oder beeinträchtigen würden. Zum anderen kann der Käufer einen auf Grundstücksrechte gerichteten Verschaffungsanspruch mittels Eintragung einer Vormerkung in das Grundbuch gem. § 883 Abs. 1 BGB absichern. Gegen vormerkungswidrige Verfügungen ist der Vormerkungsberechtigte gem. § 883 Abs. 2 BGB geschützt; er kann zudem gem. § 888 BGB vom Dritterwerber die Zustimmung zur Eintragung seines Rechtserwerbs in das Grundbuch verlangen. In rechtssystematischer Hinsicht sind die Sukzessionsschutzvorschriften zugunsten des potenziellen Erwerbers gem. §§ 161 Abs. 1 S. 1, 883 Abs. 2 BGB als Verfügungsbeschränkungen ausgestaltet. Die maßgeblichen rechtsdogmatischen und rechtsökonomischen Grundlagen sind schon oben341 im Zusammenhang mit den Grenzen der Sukzessionsfreiheit behandelt worden. Aus der Perspektive des Veräußerers erscheinen die Verfügungsbeschränkungen als Beeinträchtigung der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten, aus der Perspektive des Erwerbers erscheinen sie als Tatbestände des Sukzessionsschutzes, die verhindern wollen, dass eine Transaktion durch nachfolgende Verfügungen des Veräußerers beeinträchtigt oder vereitelt wird.
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Siehe ausf. oben § 4 III. 3.
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Das Spannungsverhältnis zwischen Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz tritt an dieser Stelle deutlich hervor. Angesichts der überragenden Bedeutung der Sukzessionsfreiheit können Verfügungsbeschränkungen nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Eingriff in die freie Übertragbarkeit schonend ausfällt und die Schutzinteressen des Erwerbers von solchem Gewicht sind, dass sie den Eingriff als angemessen erscheinen lassen. Beide Voraussetzungen sind im Rahmen der oben stehenden Analyse bejaht worden342: Nach Maßgabe des Prinzips des schonendsten Eingriffs erfährt der erwerbssichernde Sukzessionsschutz eine mehrdimensionale Einschränkung. Erstens besteht die veräußererseitige Verfügungsbefugnis grundsätzlich fort. Zweitens beschränkt sich die Unwirksamkeitsfolge in gegenständlicher Hinsicht auf solche Zwischenverfügungen, die geeignet wären, die gesicherte Erwerbsposition des Ersterwerbers zu beeinträchtigen. Drittens kann der Erwerber auf die durch die Verfügungsbeschränkung vermittelten Schutzwirkungen verzichten. Und viertens werden das individuelle Erwerbsinteresse des redlichen Zwischenerwerbers und das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs durch die Anwendbarkeit der Gutglaubensvorschriften (§§ 161 Abs. 3, 892 Abs. 1 S. 2 BGB) besonders gesichert. b) Die Vormerkung als Gestaltungsmittel des Sukzessionsschutzes Die genannten Aspekte gelten für bedingte Verfügungen ebenso wie für den durch Vormerkung gesicherten Erwerbsanspruch. Exemplifiziert wurden die Wirkungen der Verfügungsbeschränkung im Zusammenhang mit den Grenzen der Sukzessionsfreiheit anhand bedingter Verfügungen. Da der vormerkungsgesicherte Verschaffungsanspruch als das klassische Beispiel verdinglichter Schuldrechte gelten darf, sollen im Folgenden noch kurz einige Überlegungen zur Dogmatik der Vormerkung als Gestaltungsmittel des Sukzessionsschutzes für obligatorische Rechte nachgetragen werden. Heute ist man sich weitgehend darüber einig, dass der Vormerkungsberechtigte kein dingliches Recht innehat343, sondern ein Sicherungsmittel eigener Art, das nur bestimmte dingliche Wirkungen entfaltet344. Anders als dem (beschränkten) dinglichen Berechtigten steht dem Vormerkungsinhaber kein (um342
Siehe nochmals oben § 4 III. 3. Für die ganz h.M. siehe Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 329, 335; Lorenz, in: Erman, BGB, § 883 Rn. 2; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 5; Assmann, Vormerkung, S. 277 ff., 291; Canaris, FS Flume I, S. 371, 382 f.; sowie implizit die in Fn. 344 angeführten Nachweise; a.A. noch Heck, Sachenrecht, § 47 IV 3; Wieling, Sachenrecht, § 22 I 2; E. Wolf, Sachenrecht, § 13 A II e; Wunner, NJW 1969, 113, 114 ff. – Zu weiteren abweichenden Ansätzen ausf. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 330 ff. 344 RGZ 151, 389, 392; BGHZ 25, 16, 23; 60, 46, 49; Augustin, in: RGRK, BGB, § 883 Rn. 10; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 883 Rn. 2; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 328; Lorenz, in: Erman, BGB, § 883 Rn. 2; v. Schweinitz, in: AK, BGB, § 883 Rn. 2; Strecker, in: Planck, BGB, § 883 Anm. 2; Stürner, in: Soergel, BGB, § 883 Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 20 Rn. 61. 343
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fassender) dinglicher Anspruch gegenüber jedermann zu, namentlich nicht gegenüber dem jeweiligen Grundeigentümer345. Seine Anspruchsposition ist vielmehr eine bloß obligatorische, die sich ausschließlich gegen den Veräußerer richtet und auf die Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung abzielt. Daran ändert auch der gegen den jeweiligen Dritterwerber gerichtete Anspruch aus § 888 BGB nichts. Denn der Anspruch des Vormerkungsberechtigten auf Zustimmungserteilung ist ein unselbstständiger Hilfsanspruch mit dem alleinigen Zweck, das grundbuchrechtliche Eintragungshindernis der mangelnden Zustimmung des Dritterwerbers auszuräumen346. Der Vormerkungsberechtigte kann den Dritterwerber gem. § 888 BGB zwingen, die nach § 19 GBO notwendige Löschungsbewilligung in Bezug auf das vormerkungswidrig erlangte Grundstücksrecht abzugeben. Dass der Zustimmungsanspruch nur verfahrensrechtliche Bedeutung hat, zeigt sich auch daran, dass eine ohne die Zustimmung erfolgte Eintragung des Vormerkungsberechtigten wirksam ist und nicht etwa das Grundbuch unrichtig werden lässt347. Die Vormerkung gewährleistet ihrem Inhaber Sukzessionsschutz, indem § 883 Abs. 2 BGB vormerkungswidrige Verfügungen des Grundstückeigentümers dem Vormerkungsberechtigten gegenüber für unwirksam erklärt. Die auf den Vormerkungsberechtigten gerichtete Schutzwirkung darf indes nicht dazu verleiten, der Unwirksamkeitsfolge des § 883 Abs. 2 BGB relativen Charakter beizumessen oder von einer relativen Unwirksamkeit der vormerkungswidrigen Drittverfügung zu sprechen348. Richtig ist zwar, dass nur der Vormerkungsberechtigte durch Realisierung des Zustimmungsanspruchs die Unwirksamkeitsfolge herbeiführen kann. Nach zutreffender Auffassung erlangt der Dritterwerber durch die vormerkungswidrige Verfügung indes die uneingeschränkte Berechtigung an dem übertragenen Grundstücksrecht, und zwar auch im Verhältnis zum Vormerkungsberechtigten. Letzterer wird dadurch geschützt, dass der Veräußerer kraft Gesetzes zur Verfügung über den Gegenstand berechtigt bleibt.
5. Obligatorische Besitzrechte Ein weiterer klassischer Fall der „Verdinglichung“ ist der Sukzessionsschutz für das obligatorische Recht zum Besitz, das kraft Gesetzes in Form zweier Realtypen vorkommt: Zum einen bestehen obligatorische Nutzungsrechte von Mietern und Pächtern gem. §§ 566, 578, 578a, 581 Abs. 2 BGB auch nach Veräußerung des Vertragsgrundstücks fort (a). Zum anderen kann der Besitzer einer be345
Dagegen entschieden sich bereits die Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 740 ff., 746. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 329; Kohler, in: MünchKommBGB, § 883 Rn. 5; Canaris, FS Flume I, S. 371, 382 f.; Muthorst, DNotZ 2011, 729, 740 f. 347 BayObLG NJW-RR 1990, 724; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 20 Rn. 36 a.E. 348 Dazu und zum Folgenden bereits oben § 4 III. 3. c) dd). 346
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weglichen Sache dem neuen Sacheigentümer das aus dem Schuldverhältnis mit dem Veräußerer resultierende, obligatorische Besitzrecht gem. § 986 Abs. 2 BGB entgegenhalten (b). a) Besitzrecht an unbeweglichen Sachen Das durch Miet- und Pachtvertrag eingeräumte Besitzrecht an Grundstücken genießt Sukzessionsschutz, der in Form der Vertragserstreckung bewerkstelligt wird. Nach der Grundnorm des § 566 Abs. 1 BGB tritt der Grundstückserwerber „anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten“ ein. Hiermit wird das Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse durchbrochen. Der Weg dorthin war steinig und schwer: aa) Dogmengeschichte Dass der mietrechtliche Sukzessionsschutz keine juristische Selbstverständlichkeit darstellt, belegt nicht nur der rechtsvergleichende Blick auf die Rechtslage in Österreich und der Schweiz349, sondern vor allem der aufschlussreiche Blick in die Dogmengeschichte des heute in § 566 BGB festgeschriebenen Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“: Während das römische und später das gemeine Recht das schuldrechtliche Relativitätsprinzip streng durchhielten350, legte das preußische Allgemeine Landrecht der Miete von beweglichen und unbeweglichen Sachen dinglichen Charakter bei351. Die Gebrauchsüberlassung konnte bei der Grundstücksmiete sogar durch Eintragung in das Hypothekenbuch ersetzt werden352. Während das französische Recht des Code Civil wiederum dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ nur für Grundstücke folgte353, lehnte die 1. BGB-Kommission besagten Grundsatz vollständig ab, gewährleistete dem Mieter aber eine Räumungsfrist354. Es ist nicht verwunderlich, dass dieser Regelungsvorschlag vor allem in jenen Landesteilen auf erbitterten Widerstand stieß, in denen bisher preußisches oder französisches Recht galt. Zudem entzündete sich an der Regelung die bekannte, weit ausgreifende Kritik, die den heute sprichwörtlich gewordenen „Tropfen 349
Zusf. Häublein, in: MünchKommBGB, Einl. zu § 535 Rn. 7 a.E.; vgl. (zum Teil noch zum alten Recht) Koziol, Beeinträchtigung, S. 115 ff., 117 ff. 350 Dazu Motive zum BGB, Bd. 2, S. 381; Streyl, NZM 2010, 343, 344; ausf. Hattenhauer, GS Sonnenschein, S. 153, 154 ff.; Wieling, GS Sonnenschein, S. 201, 202 f.; Brand, JZ 2012, 349, 350 f. 351 ALR I 21 §§ 2 ff., 358; zur Rechtslage und Rechtsentwicklung in Preußen ausf. Hattenhauer, GS Sonnenschein, S. 153, 169 ff.; Otte, FS Wieacker, S. 463, 470 ff.; Schubert, GS Sonnenschein, S. 11, 41 f.; Wieling, GS Sonnenschein, S. 201 ff.; Brand, JZ 2012, 349, 351. 352 Löning, Grundstücksmiete, S. 88 ff.; Füller, Sachenrecht, S. 86 f.; Wieling, GS Sonnenschein, S. 201 ff. 353 Weiterführend Wolter, Bestandsschutz, S. 69 f.; zur Rechtslage in (anderen) deutschen Partikularstaaten siehe noch Motive zum BGB, Bd. 2, S. 382 f. 354 §§ 509, 510 des 1. BGB-Entwurfs; dazu Motive zum BGB, Bd.2, S. 383 ff.
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sozialen Öls“ als Antwort auf die soziale Frage im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts anmahnte355. Vor diesem Hintergrund und in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des 19. Deutschen Juristentages 1888 in Stettin356 konnten sich die Kritiker schließlich in den Beratungen der 2. BGBKommission mit ihrer Forderung nach einem gesteigerten Mieterschutz durchsetzen357. In rechtsdogmatischer Hinsicht verwarfen die Mitglieder sogleich die vorgeschlagene Zessionslösung und entschieden sich für die Erstreckung des gesamten Mietverhältnisses auf den neuen Grundstückserwerber. Maßgeblich für die Ablehnung des nach Zessionsgrundsätzen gewährleisteten Sukzessionsschutzes war das Problem der „Duplizität der Miethverhältnisse“358. Im Wege der Abtretung hätte – so die Kommissionsmitglieder – nur ein Teil der Vermieterrechte auf den Erwerber übertragen werden können, während ein Teil in der Person des Veräußerers hätte verbleiben müssen. Die Aufspaltung der Rechtsstellung des Vermieters auf zwei Personen betrachtete man als „theoretisch unrichtig und praktisch undurchführbar“. Deshalb entschied sich die 2. Kommission dafür, „den Erwerber mit der Eigenthumsübertragung unmittelbar kraft Gesetzes in die Rechte und Pflichten des Vermiethers eintreten“ zu lassen. Dabei erkannte man sehr wohl, dass diese juristische Konstruktion eine „Anomalie gegenüber dem Systeme des Entw(urfes)“ darstellt. Da eine andere Konstruktion den Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ schwerlich hätte verwirklichen können, müsse der systematische Fremdkörper gleichwohl hingenommen werden. Lehrreich für die Verortung des § 566 BGB im Gesamtsystem des Sukzessionsschutzes ist der Umstand, dass die 2. Kommission die Vertragserstreckung unter Hinweis auf den Sukzessionsschutz beschränkter dinglicher Rechte zu rechtfertigen suchte und § 566 BGB in die Nähe der Reallasten rückte359: „Diese Konstruktion (scil.: des § 566 BGB) lehne sich überdies an den deutschrechtlichen Gedanken an, nach welchem gewisse Rechte und Pflichten mit dem Eigenthum an einem Grundstücke verbunden seien. Fasse man aber die aus dem Miethverhältnisse sich ergebenden Verpflichtungen als eine den deutschrechtlichen Reallasten ähnliche Belastung des Grundstücks auf, so müsse man dem Eigenthümer als Entgelt für die ihm obliegenden Verpflichtungen während der Dauer seines Eigenthums auch die aus dem Miethverhältnisse sich ergebenden Rechte des Vermiethers, insbesondere das Recht auf den 355
Dazu ausf. und instruktiv Hattenhauer, GS Sonnenschein, S. 153, 174 ff.; ferner Schubert, GS Sonnenschein, S. 11, 42 f.; Wieling, GS Sonnenschein, S. 201, 209; Wolter, Bestandsschutz, S. 69 ff.; vgl. noch Derleder, NJW 2008, 1189. 356 Die erste Abteilung des 19. DJT beschloss: „Es empfiehlt sich, in das bürgerliche Gesetzbuch für den Fall der freiwilligen Uebereignung einer Sache, die dem Miether oder Pächter bereits vorher überlassen war, den Grundsatz: ,Kauf bricht nicht Miethe‘ aufzunehmen“; siehe Verhandlungen 19. DJT III, S. 73 f.; siehe noch die Gutachten von Eck, Verhandlungen 19. DJT I, S. 229 ff.; O. Fischer, Verhandlungen 19. DJT II, S. 312 ff.; dazu auch Hattenhauer, GS Sonnenschein, S. 153, 175 ff. 357 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 137 f. 358 Dieses und alle nachfolgenden Zitate: Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 139. 359 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 139.
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Miethzins einräumen. Wollte man (…) den Erwerber nur nach Maßgabe der für die Cession geltenden Grundsätze in die aus dem Miethverhältnisse sich ergebenden Rechte eintreten lassen, so würde der Erwerber, falls der Vermiether vor der Eigenthumsübertragung den Miethzins schon für einen längeren Zeitraum im voraus erhoben hätte, für diese Zeit zur Gewährung des vertraglichen Gebrauchs verpflichtet sein, ohne ein entsprechendes Entgelt hierfür zu erhalten.“
Den Anforderungen einer modernen Dogmatik werden diese Überlegungen selbstredend nicht gerecht360. Denn sie verdecken die anerkannten Unterschiede zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Rechten361. Auf das moderne Verständnis des § 566 BGB schlägt diese Begründungsschwäche indes nicht durch. Insbesondere kann sein Charakter als Sondervorschrift362 in Ansehung des Prinzips der Relativität des Schuldverhältnisses nicht zweifelhaft sein. bb) Teleologie und Systematik Der Regelungszweck des § 566 BGB fokussiert auf den Schutz des obligatorischen Berechtigten. Die Vorschrift rechnet dementsprechend zu den Mieterschutzbestimmungen363. Der Mieter erhält das Recht, sich auch gegenüber dem Erwerber auf sein obligatorisches Besitzrecht zu berufen. So wird verhindert, dass der neue Eigentümer, zu dem der Mieter in keinem besitzvermittelnden Rechtsverhältnis steht, denselben zur Räumung zwingt364. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass sich der Mieter nicht einem Vermieter gegenübersieht, der nicht Eigentümer des Mietobjekts ist, und einem Eigentümer, der nicht durch den Mietvertrag gebunden ist365. Im Übrigen liegt die Vertragserstreckung auf den Grundstückserwerber aber auch im Interesse der übrigen Beteiligten366: Ginge es § 566 BGB allein um den Schutz des obligatorisch berechtigten Mieters vor einem Verlust seines Besitzrechts, dann hätte das Sacherhaltungsinteresse auch durch eine Einwendungserstreckung nach dem Modell des § 986 Abs. 2 BGB gewährleistet werden können. Dass sich der Gesetzgeber für eine 360
Kritisch auch Streyl, NZM 2010, 343, 347. Siehe oben § 2 II. 3. 362 BGHZ 141, 160, 165 bezeichnet § 566 BGB als „Systemwidrigkeit“ und erklärt die Vorschrift gleichwohl für rechtspolitisch überzeugend. 363 So bereits Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 138: „(…) namentlich bei der Miethe von Geschäftsräumen für ein Erwerbsgeschäft und bei der Pacht von Landgütern und gewerblichen Unternehmungen (bestehe) für den Miether und Pächter ein großes Interesse (…), für die Dauer der vereinbarten Mieth- oder Pachtzeit gegen Austreibung thunlichst gesichert zu sein“. Aus neuerer Zeit vgl. BGHZ 138, 82, 86; 141, 160, 165, 167; 141, 239, 247; BGH NJW 2003, 2987; 2007, 1818 Tz. 7; 2008, 2773 Tz. 10; OLG Karlsruhe NJW 1981, 1278; Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 566 Rn. 3; Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 1; Herrmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 566 Rn. 1; Lützenkirchen, in: Erman, BGB, § 566 Rn. 1; Riecke, in: AnwKommBGB, § 566 Rn. 4; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 566 Rn. 1; Streyl, NZM 2010, 343, 345; Weitemeyer, FS Blank, S. 445. 364 Vgl. nur Rüfner, FS Picker, S. 681. 365 BGHZ 138, 82, 86; BGH NJW 2008, 2773 Tz. 10. 366 Zu diesem Aspekt bereits Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 137; siehe auch Dörner, Relativität, S. 96; Weitemeyer, FS Blank, S. 445, 455; ausf. Streyl, NZM 2010, 343, 345. 361
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umfassendere Lösung in Form der Vertragserstreckung entschieden hat, trägt zugleich dem Kontinuitätsinteresse von Veräußerer und Erwerber Rechnung. Das Interesse des Erwerbers ist in wirtschaftlicher Hinsicht darauf gerichtet, als neuer Vermieter aus dem Mietverhältnis wirtschaftliche Einnahmen zu erzielen, die nicht selten den Ausschlag für den Erwerb von mit Wohngebäuden bebauten Grundstücken geben. Eine hohe Auslastung des Mietobjekts wird heute überwiegend als wertsteigernd angesehen und erhöht damit zugleich die Marktgängigkeit des Grundstücks367. Andererseits geht das Interesse des Veräußerers dahin, nach dem Eigentumswechsel von den Pflichten aus dem Mietverhältnis entlastet zu werden. Zudem hat er ein Interesse daran, dem Grundstückserwerber neben dem Grundeigentum auch die wertsteigernden „Mietverträge“ zu übertragen, weil er so regelmäßig einen höheren Verkaufspreis realisieren kann. Dies alles wird durch den Mechanismus der Vertragserstreckung gem. § 566 BGB gewährleistet. Die rechtsdogmatische Schlussfolgerung aus dem mehrdimensionalen Normzweck des § 566 BGB lautet, dass eine Ausdehnung des Regelungsgehalts der Sukzessionsschutzbestimmung nur dann in Betracht kommt, wenn nicht nur der obligatorisch berechtigte Besitzer schutzbedürftig ist, sondern wenn darüber hinaus auch das besondere Kontinuitätsinteresse von Veräußerer und Erwerber eine Vertragserstreckung auf einen nicht geregelten Fall erforderlich macht368. Das wird bei anderen Schuldverhältnissen als Mietverträgen nur selten der Fall sein. Zwar schließt der Ausnahmecharakter des § 566 BGB eine analoge Anwendung nicht a priori aus. Allerdings muss im konkreten Einzelfall sehr genau geprüft werden, ob der spezifische Regelungszweck der Vorschrift auch auf andere Fallgestaltungen erstreckt werden kann. Das wird man mit der überwiegenden Auffassung im Regelfall anzunehmen haben, wenn der Rechtsübergang nicht auf Rechtsgeschäft beruht, sondern kraft Gesetzes eintritt. Hier kommt nach inzwischen auch vom BGH gebilligter Auffassung eine analoge Anwendung des § 566 BGB in Betracht, weil dessen Regelungszweck auch in dieser Gestaltung eingreift369. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist es sowohl aus der Perspektive des Mieters als auch des Vermieters ohne Belang, auf welchem rechtstechnischen Wege sich der Eigentumswechsel vollzieht. Entscheidend ist allein der Umstand, dass an die Stelle des bisherigen Vermieters eine andere Person tritt. In diesem Fall muss der Mieter vor einem Auseinanderfallen der Rechtsstellung von Eigentümer und Vermieter geschützt werden. Der frühere Vermieter hat ein berechtigtes Interesse daran, aus dem Mietverhältnis entlassen zu werden, während der neue Erwerber typischerweise daran interessiert ist, obligatorische Rechte gegen den Mieter zu erwerben. 367 Vgl. auch Derleder, NJW 2008, 1189, 1190; Streyl, NZM 2010, 343, 345; Eckert, FS Blank, S. 129. 368 Zutreffend Dörner, Relativität, S. 96. 369 BGH NJW 2008, 2773 Tz. 10 ff.; Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 566 Rn. 20; Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 9; vgl. noch RGZ 103, 166, 167.
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In rechtssystematischer Hinsicht ist der Sukzessionsschutz des § 566 BGB stärker ausgestaltet als derjenige des § 986 Abs. 2 BGB370. Während der Grundstückserwerber als neue Vertragspartei in das ursprüngliche Schuldverhältnis eingebunden wird, kann der obligatorisch berechtigte Sachbesitzer dem Mobiliarerwerber nur die Einwendungen entgegenhalten, die ihm bis dato gegenüber dem Alteigentümer zustanden. Eine Vertragserstreckung auf den neuen Fahrniseigentümer findet nicht statt. Die Besserstellung des Grundstücksmieters beruht primär auf der besonderen praktischen Bedeutung der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung, die typischerweise auf einen längeren Zeitraum angelegt ist und mit umfänglichen Rechten und Pflichten der Vertragsparteien einhergeht. Dies ließe es unnötig kompliziert erscheinen, müssten sämtliche Leistungen „über’s Eck“ abgewickelt werden; man denke nur an die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen des Mieters. Ohne die Vertragserstreckung müsste sich der Mieter mit dem Alteigentümer auseinandersetzen, der sich seinerseits beim Veräußerer schadlos halten müsste. Das wird infolge der Erstreckung der vertraglichen Rechtsposition auf den Grundstückserwerber entbehrlich, so dass sich der Sukzessionsmechanismus des § 566 BGB auch aus ökonomischer Perspektive als vorteilhaft erweist. Umgekehrt ist die Grundstücksmiete aber kein dingliches Recht371. Die Rechtsbeziehungen des Mieters zum jeweiligen Grundstückseigentümer sind ausschließlich schuldrechtlicher Natur372. Das gilt im Besonderen für die Erstreckung des obligatorischen Besitzrechts auf den Grundstückserwerber. Nicht die Dinglichkeit des Leistungsanspruchs bildet die Grundlage des Sukzessionsschutzes, sondern die durch den Schuldvertrag herbeigeführte Näheund Nutzungsbeziehung zum Vertragsgegenstand. An dieser zivilrechtsdogmatischen Einordnung vermag auch der verfassungsrechtlich anerkannte Schutz des mietvertraglichen Besitzrechts als eigentumskräftig verfestigte Rechtsposition iSd. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG373 nichts zu ändern. Denn zum einen reicht der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff weiter als der bürgerlichrechtliche Eigentumsbegriff iSd. § 903 BGB und umfasst nach zutreffender h.M. auch (absolut zugewiesene) Forderungsrechte374, bei denen es sich anerkanntermaßen 370
Dazu auch Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 3; Harke, ZMR 2002, 490, 491. So aber Derleder, in: AK, BGB, § 571 Rn. 1; Koch, ZMR 1985, 187 ff.; Oertmann, AcP 123 (1925), 129, 147; Wieling, GS Sonnenschein, S. 201, 213 ff.; vgl. noch Kohler, ZZP 123 (2010), 439, 448, der meint, dass die Grundstücksmiete „einem beschränkten dinglichen Recht ähnlich ist“; Diederichsen, Besitz, S. 83 f., der § 566 BGB eine Zwitterstellung beimisst und Weller, JZ 2012, 881, 886, der die Grundstücksmiete in die Nähe des der deutschen Privatrechtsordnung unbekannten ius ad rem rückt. 372 Emmerich, in: Staudinger, BGB, Vor § 535 Rn. 17 ff., § 566 Rn. 6; Häublein, in: MünchKommBGB, Einl. zu § 535 Rn. 6; § 566 Rn. 3; Lützenkirchen, in: Erman, BGB, Vor § 535 Rn. 2 f.; Medicus, NJW 1980, 1273, 1274; Schopp, ZMR 1987, 206 ff.; Streyl, NZM 2010, 343, 347; Wolter, Bestandsschutz, S. 391 ff., 397; Weitnauer, FS Larenz II, S. 705, 712. 373 BVerfGE 89, 1, 5 ff.; BVerfG NJW 1994, 41, 41 f.; NJW 2000, 2658, 2659; NJW-RR 2004, 440, 441; BGHZ 165, 75, 79; 179, 289 Tz. 14; zum Ganzen ausf. etwa Sosnitza, Besitz, S. 128 ff. 374 Siehe oben § 2 II. 2. 371
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nicht um dingliche Rechte handelt. Zum anderen kommt dem Besitz(-recht) als solchem für die „Verdinglichung der Grundstücksmiete“ keine maßgebliche Bedeutung zu. Und schließlich ist zu bedenken, dass sich nicht allein der besitzende Mieter auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen kann. Vielmehr sind auch die durch das Eigentumsgrundrecht verbürgten Interessen des Vermieters angemessen in die Abwägung der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien einzustellen375. Nach alldem muss es beim schuldrechtlichen Charakter der in § 566 BGB angeordneten Vertragserstreckung bleiben. cc) Rechtsdogmatische Einordnung Die rechtsdogmatische Einordnung dieser Vertragserstreckung ist sehr umstritten. Die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums konstruieren die obligatorische Rechtsstellung des Grundstückserwerbers auf Grundlage eines mit ihm kraft Gesetzes neu abgeschlossenen Mietvertrages376. In rechtsdogmatischer Hinsicht bewirke der Neuabschluss eine Novation, die einen originären Rechtserwerb begründe. Der Erwerber trete lediglich in die dingliche Rechtsstellung des Veräußerers identitätswahrend ein, nicht aber auch in die obligatorische Rechts- und Pflichtenstellung des Veräußerers als Vermieter des Besitzberechtigten. Im Gegensatz dazu betrachtet die im modernen Schrifttum derzeit vordringende Auffassung auch die Erstreckung der obligatorischen Rechtsstellung des Veräußerers auf den Grundstückserwerber als Sukzession, und zwar in Form einer rechtsgeschäftlich veranlassten, kraft Gesetzes eintretenden Vertragsübernahme377. Die besseren Argumente sprechen für die moderne Lehre von der Vertragsübernahme, und zwar vor allem deshalb, weil sich die Fruchtbarmachung des Sukzessionsgedankens reibungslos in das mietrechtliche Schutzsystem einfügen lässt: Zunächst kann nach diesem Ansatz die Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips keinen Zweifeln unterliegen, während die herkömmliche Auffassung die inhaltliche Identität des ex lege mit dem Erwerber neubegründeten Mietverhältnisses besonders begründen muss378. Schwierigkeiten bereitet dabei z.B. die konstruktive Erklärung des Fortbestands einer Kündigungslage, die (wenigstens teilweise) schon vor dem Eigentumswechsel eingetreten war, sowie die Begründung von Schadensersatzansprüchen, wenn die ur375
BVerfGE 89, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 2658, 2659; NJW-RR 2004, 440, 441; v. Mutius, GS Sonnenschein, S. 69 ff., 87 f.; Weitemeyer, FS Blank, S. 445, 455. 376 RGZ 59, 177, 188; 68, 10, 12 f.; 102, 177, 178; 103, 166, 167; BGHZ 53, 174, 179; 166, 125 Tz. 14 f.; BGH NJW 1962, 1388, 1390; 2000, 2346; 2008, 2256 Tz. 17; OLG Karlsruhe ZMR 2008, 533, 534; Häublein, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 566 Rn. 23; anders jetzt ders., in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 23. 377 Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 566 Rn. 5; Derleder/Bartels, JZ 1997, 981, 984; Medicus, JuS 1974, 613, 615; Streyl, NZM 2010, 343, 346 f.; Dörner, Relativität, S. 359 ff.; Canaris, FS Flume I, S. 371, 393; Weitemeyer, FS Blank, S. 445, 453 ff. 378 Zur inhaltlichen Identität vgl. RGZ 103, 166, 167; BGHZ 72, 147, 150; BGH NJW 2000, 2346; BGHZ 166, 125 Tz. 14; Gelhaar, in: RGRK, BGB, § 571 Rn. 24; ebenso – auf der Grundlage der Sukzessionslösung – Dörner, Relativität, S. 366 f.
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sächliche Schädigungshandlung vor dem Grundstückserwerb vorgenommen worden war379. Selbst wenn das Mietverhältnis bereits durch Kündigung vor dem Eigentumswechsel beendet worden ist, tritt der Erwerber in das mietrechtliche Abwicklungsverhältnis ein und kann vom Mieter nach § 546a BGB Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz wegen verzögerter Räumung beanspruchen, soweit der Mieter sich noch im Besitz der Mietsache befindet380. Darüber hinaus bietet die Sukzessionslösung eine tragfähige Grundlage für die analoge Anwendung der §§ 404 ff. BGB, deren Geltung von der Rechtsprechung noch immer teilweise abgelehnt wird381. Richtigerweise kann sich der Mieter analog § 404 BGB auf alle Einwendungen und Einreden aus dem ursprünglichen Mietverhältnis berufen und beispielsweise geltend machen, dass der ursprüngliche Mietvertrag unwirksam382 oder anfechtbar war383. Letztlich können die rechtskonstruktiven Unterschiede der beiden Erklärungsansätze indes auf sich beruhen, weil nicht nur die Sukzessionslösung, sondern auch die Novationslösung dem Identitätsprinzip verpflichtet ist. Nach beiden Auffassungen ist der mit dem Grundstückserwerber bestehende Mietvertrag folglich nach Inhalt, Art und Umfang identisch mit dem ursprünglich zwischen dem Veräußerer und dem Besitzberechtigten geschlossenen Vertrag384. Die Geltung des Identitätsprinzips ist auch der maßgebliche Ansatzpunkt für die analoge Anwendbarkeit der §§ 404 ff., 417 f. BGB auf die Rechtsstellung der Beteiligten385. Ob die Sukzessionsschutzbestimmungen zum Zuge kommen, hängt nämlich weniger von der rechtstechnischen Ausgestaltung der Vertragserstreckung ab als von der teleologisch-funktionellen Vereinbarkeit der einzelnen Vorschriften mit der Rechtsstellung des Mieters. Freilich liegt es auf der Hand, dass die rechtsdogmatische Begründung einer analogen Anwendung der abtretungs- und schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsschutzvorschriften auf Grundlage der Sukzessionsthese reibungsloser begründet werden kann als auf Grundlage der Novationsthese. 379
Instruktiv und ausf. dazu Streyl, NZM 2010, 343, 348 f. BGHZ 72, 147, 149 f.; BGH NJW 2007, 1818 Tz. 9; Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 28; a.A. offenbar OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1101. 381 Siehe nur BGH NJW 1962, 1388, 1390; BGHZ 166, 125 Tz. 15 (zu § 404 BGB); LG Berlin NZM 1999, 616; anders indes BGH NZM 2002, 291 (zu § 407 BGB). 382 Dieses Ergebnis kann gleichermaßen durch Auslegung des § 566 Abs. 1 BGB gewonnen werden, dessen Anwendbarkeit von einem wirksamen Mietvertrag abhängt; vgl. nur BGH NJW 2007, 1818 Tz. 8; Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 28; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 566 Rn. 14. 383 Im Ergebnis ebenso Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 566 Rn. 5, 28, 42 f.; Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 36; Streyl, NZM 2010, 343, 348; Dörner, Relativität, S. 364 f.; Weitemeyer, FS Blank, S. 445, 458. 384 Siehe nochmals oben Fn. 378. 385 Ablehnend aber die Nachw. in Fn. 381; für die Anwendbarkeit der §§ 404 ff. BGB hingegen Häublein, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 566 Rn. 23 noch auf Grundlage der h.M.; ebenso die Vertreter der neueren Literaturauffassung: Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 5, 37; Dörner, Relativität, S. 364 ff.; Weitemeyer, FS Blank, S. 445, 456; einschränkend aber Streyl, NZM 2010, 343, 348. 380
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Aus der Geltung des Identitätsprinzips folgt weiterhin, dass der Erwerber einen bestimmten Gebrauch des Mieters, wie etwa Tierhaltung oder Untervermietung, dulden muss, soweit der Veräußerer hierzu seine Zustimmung erteilt hat386. Gleiches gilt für die mit dem Veräußerer geschlossene Vereinbarung, das Inventar nach Beendigung des Mietverhältnisses zu übernehmen387. Überhaupt hat sich der historische Gesetzgeber gegen eine während der Verhandlungen der 2. BGB-Kommission vorgeschlagene Begrenzung der Erwerberhaftung388 ausgesprochen389. Dem lag die zutreffende Annahme zugrunde, dass jede substanzielle Abweichung vom Identitätsprinzip den mit § 566 BGB angestrebten Regelungszweck hätte vereiteln können. Der Mieter soll demnach vom Grundstückserwerber gerade die vom Veräußerer-Vermieter geschuldete Leistung in natura vollumfänglich verlangen können und nicht auf etwaige Schadensersatzansprüche gegen seinen alten Vertragspartner verwiesen sein. Dem entspricht es auch, dass mit dem Alteigentümer verabredete Options-, Anmiet- und Vormietrechte ebenfalls dem Erwerber entgegengehalten werden können390. Macht der Mieter von diesen Rechten oder einem anderen Gestaltungsrecht Gebrauch, bindet die Erklärung den Erwerber analog § 407 BGB selbst dann, wenn sie erst nach dem Eigentumswechsel erfolgte, vorausgesetzt der Mieter war zu diesem Zeitpunkt über das Grundstücksgeschäft nicht informiert391. Gleiches gilt für Leistungen, die der Mieter in Unkenntnis des Eigentümerwechsels noch an den Veräußerer erbringt392. Für die Aufrechnung durch den Mieter enthält § 566d BGB allerdings eine § 406 BGB verdrängende Sondervorschrift. Weiterhin wird § 409 BGB für mietzinsrelevante Rechtshandlungen durch § 566e BGB verdrängt393. Die Geltung des Identitätsprinzips findet allerdings dort eine Grenze, wo es nicht mehr um die unmittelbar aus dem Mietverhältnis folgenden Rechte und Pflichten geht, sondern um den Übergang von Nebenabreden. Resultieren Nebenabreden nämlich aus rechtlich selbstständigen Vereinbarungen, die mit dem Mietvertrag nur in einem mittelbaren Zusammenhang stehen, dann sind sie von 386
Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 37. BGH NJW 1965, 2198, 2199 (zur Pacht). 388 Beantragt war die folgende Vorschrift: „Fehlt dem Grundstücke, eine von dem Vermiether zugesicherte Eigenschaft oder hat der Vermiether dem Miether die Herstellung einer Einrichtung versprochen, so tritt der Erwerber in die aus der Zusicherung oder dem Versprechen sich ergebende Haftung des Vermiethers nur ein, wenn er sie diesem gegenüber übernommen hat“; vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 136 (Antrag 3a). 389 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 140: „Dieser Zweck würde leicht vereitelt werden, wenn man einen solchen gewissermaßen dinglich wirkenden Anspruch nur hinsichtlich der dem Vermiether gesetzlich obliegenden Verpflichtungen anerkennen wollte“. 390 Vgl. RGZ 103, 349, 351; BGHZ 55, 71, 73 ff.; Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 56; Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 37; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 566 Rn. 18. 391 BGH NZM 2002, 291; Häublein, in: MünchKommBGB, § 566 Rn. 37 a.E.; verallgemeinernd Streyl, NZM 2010, 343, 355; Dörner, Relativität, S. 370 f. 392 Dörner, Relativität, S. 371. 393 Für Einzelheiten in Bezug auf den Schutz von Mietforderungen siehe Streyl, NZM 2010, 343, 355. 387
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der Vertragserstreckung des § 566 BGB ausgenommen, mögen sie auch mit dem Mietvertrag in einer wirtschaftlichen Verbindung stehen394. Das gilt beispielsweise für ein dem Mieter auferlegtes Konkurrenzverbot395, die Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter ein Darlehen zu gewähren396, oder für die Anrechnung von an den Veräußerer geleisteten Fördermitteln der öffentlichen Hand gem. § 559a BGB397. In diesen Fällen ist der spezifisch mietrechtliche Schutzzweck des § 566 BGB nicht einschlägig. b) Besitzrecht an beweglichen Sachen aa) Teleologie und Systematik Weniger weit reicht der in § 986 Abs. 2 BGB normierte Sukzessionsschutz für obligatorische Besitzrechte an beweglichen Sachen398. Originärer Zweck der Vorschrift ist der Schutz des obligatorisch berechtigten, unmittelbaren Besitzers einer Sache, deren Eigentum ohne sein Zutun gem. § 931 BGB übertragen wird399. Dabei ist die Reichweite des durch § 986 Abs. 2 BGB gewährleisteten Sukzessionsschutzes eng begrenzt: Im Gegensatz zu § 566 BGB bewirkt die Vorschrift keine Vertragserstreckung; sie beschränkt sich auf eine Erstreckung der Einwendung des obligatorischen Besitzrechts (Einwendungserstreckung)400 und richtet sich ausschließlich gegen den Vindikationsanspruch des neuen Fahrniseigentümers401.
394 RGZ 71, 404, 408; BGHZ 141, 160, 166 f.; 166, 125 Tz. 15; Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 39; Derleder/Bartels, JZ 1997, 981, 984. 395 RG SeuffA 61 (1906), 183, 184 f.; vgl. noch OLG Celle NJW-RR 1990, 974; differenzierend Emmerich, in: Staudinger, § 566 Rn. 40. 396 RG JW 1939, 286, 287. 397 BGH NJW 1998, 445; NZM 2003, 973; Weitemeyer, FS Blank, S. 445, 456; vgl. weiter Paschke/Oetker, NJW 1986, 3174, 3177 f. zur gemeinnützigkeitsrechtlichen Preisbindung. 398 Heute ist das Verhältnis von § 986 Abs. 2 BGB zu § 566 BGB geklärt: Auf Grundstücke findet § 986 Abs. 2 BGB keine Anwendung; für die Grundstücksmiete gelten allein die Sondervorschriften der §§ 566 ff. BGB; vgl. dazu Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 27; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 986 Rn. 9 a.E.; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 986 Rn. 25; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 59 f.; vgl. abweichend noch BGHZ 90, 269, 271 f. (zu § 419 BGB a.F.). 399 Vgl. Brodmann, in: Planck, BGB, § 986 Anm. 2 a; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 49. 400 Heck, Sachenrecht, § 66, 10 b: „Der Schutz des Besitzers erfolgt im Wege der Einredesukzession, nicht der Vertragssukzession, wie bei Grundstücken nach § 571“ BGB a.F.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 50: „Einwendungserstreckung“; ebenso Dörner, Relativität, S. 89; Waltermann, Jura 1993, 521, 523: „Einwandserstreckung“. 401 Ob man es deshalb mit Weitnauer, FS Larenz II, S. 705, 711 ablehnt, von einer „Verdinglichung im eigentlichen Sinne“ zu sprechen, weil der neue Eigentümer – anders als bei § 566 BGB – nicht in die Rechtsbeziehung eintritt, ist eine rein terminologische Frage. Da in unserem Zusammenhang das Sukzessionsschutzprinzip im Vordergrund steht, das nach dem hiesigen Ansatz weitverstanden wird, um sämtliche Facetten zu erfassen, kann diese Frage auf sich beruhen.
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Vertrags- und Einwendungserstreckung haben indes gemein, dass es sich um echte Durchbrechungen des Relativitätsdogmas handelt402. Denn § 986 Abs. 2 BGB knüpft nicht etwa an die Abtretung des – ohnehin nicht zessiblen403 – Vindikationsanspruchs aus § 985 BGB an, sondern an den Wechsel des Fahrniseigentums, und erstreckt die aus dem obligatorischen Verhältnis zum Vorgänger folgenden Einwendungen auf den in der Person des Fahrniserwerbers neu entstehenden Vindikationsanspruch. In diesem Punkt unterscheidet sich die Einwendungserstreckung des § 986 Abs. 2 BGB maßgeblich vom Regelungsgehalt des § 404 BGB404, der voraussetzt, dass ein Rechtsübergang des einwendungsbehafteten Leistungsanspruchs erfolgt. Im Übrigen dient § 986 Abs. 2 BGB auch nicht der Abwehr eines obligatorischen, sondern eines dinglichen (Herausgabe-)Anspruchs. Die rechtsdogmatischen Unterschiede zum zessionsrechtlichen Schuldnerschutz sind zum Verständnis der Einwendungserstreckung gem. § 986 Abs. 2 BGB von zentraler Bedeutung. Sie führen aber kaum zu einem unterschiedlichen Schutzniveau. Funktional gewährleistet § 986 Abs. 2 BGB nämlich in gleichem Umfang Sukzessionsschutz, als wenn der Vindikationsanspruch an den Erwerber abgetreten werden könnte. Hieraus folgert die einhellige Auffassung, dass §§ 404 ff. BGB im Rahmen des § 986 Abs. 2 BGB zumindest ihrem Normzweck entsprechend herangezogen werden können405. Die wesentliche Implikation dieser erweiternden Auslegung besteht darin, dass der berechtigte Besitzer Einwendungen und Einreden aller Art gegen den neuen Eigentümer geltend machen kann, soweit sie im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs zumindest ihrem Rechtsgrund nach in dem Schuldverhältnis bereits angelegt waren406. Zudem kann sich der Besitzer analog § 407 Abs. 1 BGB auf Abreden mit dem Veräußerer berufen, die erst nach dem Eigentumswechsel getroffen wurden, soweit der Besitzer zu diesem Zeitpunkt von der Übereignung noch keine Kenntnis hatte407. 402 Ebenso Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 49; Waltermann, Jura 1993, 521, 528; Diederichsen, Besitz, S. 52; Canaris, FS Flume I, S. 371, 393; vgl. noch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 III 5 b. 403 Siehe oben § 4 III. 4. d) cc). 404 A.A. v. Tuhr, AT I, S. 214; Sosnitza, Besitz, S. 285, die § 986 Abs. 2 BGB zu Unrecht als bloßen Anwendungsfall des § 404 BGB qualifizieren. Dagegen wie hier Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 49; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 III 5 b; Diederichsen, Besitz, S. 52; Canaris, FS Flume I, S. 371, 392; mit abweichender Begründung ebenso Dörner, Relativität, S. 89. 405 Vgl. BGHZ 64, 122, 125 ff.; Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 25; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 986 Rn. 9; Ebbing, in: Erman, BGB, § 986 Rn. 35; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 986 Rn. 23; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 50; Pikart, in: RGRK, BGB, § 986 Rn. 39; Canaris, FS Flume I, S. 371, 392; Petersen, Jura 2012, 279, 280. 406 Vgl. BGHZ 64, 122, 125 f.; OLG Düsseldorf NJW 1986, 2513; OLG Hamm OLGR 1993, 177; OLG Zweibrücken OLGR 1999, 362; Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 25; Ebbing, in: Erman, BGB, § 986 Rn. 35; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 986 Rn. 23; Pikart, in: RGRK, BGB, § 986 Rn. 39; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 50. 407 RG LZ 1911, 777; Brodmann, in: Planck, BGB, § 986 Anm. 2 c; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 51; Pikart, in: RGRK, BGB, § 986 Rn. 39; Wieling, Sachenrecht I, § 12 I 3 a aa; vgl. noch BGHZ 64, 122, 127; Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 25.
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Mit § 566 BGB (und § 936 Abs. 3 BGB408) teilt § 986 Abs. 2 BGB weiterhin die Wertung, dass der besitzende Dritte besonderen Schutz genießt, wenn der Vollrechtserwerber nicht die tatsächliche Sachherrschaft oder jedenfalls keine bessere Besitzposition erlangt als der Dritte409. Dem liegt die Annahme zugrunde, der Erwerber müsse damit rechnen, dass die in Besitz eines Dritten befindliche Sache derzeit im Rahmen einer Besitzberechtigung genutzt wird und daher – zumindest vorläufig – nicht herausverlangt werden kann. Auch wenn diese Wertung aus rechtspolitischer Perspektive nicht zwingend erscheint und die systematische Scheidung von obligatorischen und dinglichen Rechten kompliziert410 – wie übrigens sämtliche Tatbestände des Sukzessionsschutzes für obligatorische Rechte –, ist es im Hinblick auf das besondere Interesse des Besitzberechtigten am Fortbestand der tatsächlichen Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit (Affektionsinteresse) durchaus angemessen, dem Besitzerhaltungsinteresse gegenüber dem Besitzerwerbsinteresse des neuen Eigentümers den Vorrang zu gewähren. Das gilt umso mehr, zumal sich die Übereignung gem. § 931 BGB ohne Wechsel des unmittelbaren Besitzes vollzieht, der Erwerber folglich nicht damit rechnen kann, mit dem Eigentumserwerb auch sogleich in den Genuss der Sachnutzung zu gelangen. bb) Präzisierung des sachlichen Anwendungsbereichs Entsprechend seinem Regelungszweck erfasst § 986 Abs. 2 BGB einerseits sämtliche Besitzrechte schuldrechtlicher Art, soweit sie dem obligatorisch Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft am Verfügungsgegenstand vermitteln. Das gilt beispielsweise für den Käufer, der sich – ohne dass bisher die Übereignung stattgefunden hat – im Besitz der Kaufsache befindet411. Andererseits kann die Vorschrift im Wege einer hier ausnahmsweise zulässigen Analogiebildung auf sämtliche Eigentumswechsel erstreckt werden, bei welchen der Erwerber kein besseres Besitzrecht erlangt als der obligatorisch zum Besitz Berechtigte412. Es ist diese Wertung, die § 986 Abs. 2 BGB zugrunde liegt und die Einwendungserstreckung auslöst; und dieser Rechtsgedanke greift nicht nur ein, wenn sich der Mobiliarerwerb nicht durch Abtretung des Herausgabeanspruchs vollzieht413, sondern immer dann, wenn sich der Besitzberechtigte, ohne die tatsächliche Herrschaftsmacht über den Verfügungsgegenstand einzubüßen, nach einem Eigentumswechsel einem neuen Eigentümer gegenübersieht. Durch die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 986 Abs. 2 BGB wird auch nicht gegen berechtigte Interessen des neuen Eigentümers verstoßen, soweit er sich nur auf eine Übereignungsvariante eingelassen hat, die sich ohne Er408
Dazu oben § 11 III. 4. d) aa). Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 25; ähnlich Canaris, FS Flume I, S. 371, 393. 410 So Waltermann, Jura 1993, 521, 530. 411 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 49 a.E. 412 Vgl. auch Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 55: „über den Kopf des Besitzers hinweg“; Heck, Sachenrecht, § 66, 10 c. 413 Dazu und zum Folgenden schon Waltermann, Jura 1993, 521, 529 f. 409
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werb des unmittelbaren Besitzes vollzieht. Denn in diesem Fall kann der neue Eigentümer gerade nicht darauf vertrauen, mit dem Eigentumserwerb auch die tatsächliche Sachherrschaft zu erlangen; stattdessen muss er mit einer fortbestehenden Nutzungsbefugnis des obligatorischen Besitzberechtigten rechnen. Der Fahrniserwerber trägt unter diesen Umständen also das Risiko, dass ein Dritter ein vorrangiges Besitzrecht innehat. Dementsprechend kommt § 986 Abs. 2 BGB auch für den redlichen Eigentumserwerb gem. §§ 931, 934 Alt. 1 BGB414 zur Anwendung, aber auch für die Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB)415 und für die Fälle der konstitutiven Nachfolge in das Eigentumsrecht durch Bestellung eines Nießbrauchs gem. §§ 1032 S. 2, 930, 931 BGB oder eines Pfandrechts gem. § 1205 Abs. 2 BGB416. Für die brevi manu traditio (§ 929 S. 2 BGB) ist danach zu differenzieren, ob der berechtigte Besitzer an der Übereignung beteiligt ist oder nicht. Nur wenn er selbst nicht mitwirkt, ist der Regelungszweck des § 986 Abs. 2 BGB einschlägig. Dies gilt namentlich für den Fall, dass brevi manu an den Besitzmittler des obligatorisch berechtigten – mittelbaren – Besitzers übereignet wird417. In sämtlichen Fallgestaltungen hat der Besitzberechtigte allerdings keinen eigenen Herausgabeanspruch gegen den neuen Eigentümer, sollte jener – auf welche Weise auch immer – die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt haben418. Die Gewährleistung des § 986 Abs. 2 BGB beschränkt sich ausschließlich auf die Rechtsverteidigung gegen den Erwerber; gegen außenstehende Dritte kann sich der Besitzer hingegen nicht verteidigen419. In Ermangelung eines umfassenden Klageschutzes ist die obligatorische Besitzposition demnach auch nicht als dingliches Recht zu qualifizieren420. 414 Brodmann, in: Planck, BGB, § 986 Anm. 2 b; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 52; abweichend Wieling, Sachenrecht I, § 12 I 3 a aa, der zusätzlich die Redlichkeit des Besitzberechtigten verlangt. 415 BGHZ 111, 142, 145 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1986, 2513; Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 26; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 986 Rn. 9; Ebbing, in: Erman, BGB, § 986 Rn. 34; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 55; Joerges, in: AK, BGB, § 985 Rn. 22; Pikart, in: RGRK, BGB, § 986 Rn. 46; Schanbacher, in: AnwKommBGB, § 986 Rn. 20; Stadler, in: Soergel, BGB, § 986 Rn. 24; Gursky, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 29 Rn. 21; Heck, Sachenrecht, § 66, 10 c; Prütting, Sachenrecht, Rn. 515 Fn. 8; Wieling, Sachenrecht I, § 12 I 3 a aa; Waltermann, Jura 1993, 521, 530 f.; Petersen, Jura 2012, 279, 280; Gernhuber, Schuldrecht, § 3 III 5 b; Sosnitza, Besitz, S. 286. 416 Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 986 Rn. 24; Wieling, Sachenrecht I, § 12 I 3 a aa a.E.; Dulckeit, Verdinglichung, S. 19. 417 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 56; Joerges, in: AK, BGB, § 985 Rn. 22; Canaris, FS Flume I, S. 371, 392; zu undifferenziert (generell bejahend) Baldus, in: MünchKommBGB, § 986 Rn. 26 a.E.; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 986 Rn. 24; Petersen, Jura 2012, 279, 280; a.A. (generell verneinend) Mühl, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 986 Rn. 18; Sosnitza, Besitz, S. 286 Fn. 119. 418 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 49; v. Tuhr, AT I, S. 214; Diederichsen, Besitz, S. 53; Sosnitza, Besitz, S. 286; Canaris, FS Flume I, S. 371, 393. 419 Dulckeit, Verdinglichung, S. 19. 420 Vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 986 Rn. 49; v. Tuhr, AT I, S. 214; Diederichsen, Besitz, S. 52; Canaris, FS Flume I, S. 371, 393.
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6. Gemeinschaft nach Bruchteilen Sukzessionsschutz genießen weiterhin die Verwaltungs- und Benutzungsvereinbarungen sowie der vereinbarte Teilungsausschluss in der bürgerlichrechtlichen Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 746, 751 BGB421. Die bisherige Literatur hat von diesen Vorschriften kaum Notiz genommen. Das mag daran liegen, dass sie sich nicht nahtlos in das System des Sukzessionsschutzes für obligatorische Rechte einfügen lassen. Denn in rechtsdogmatischer Hinsicht spricht viel dafür, den genannten Vereinbarungen echten dinglichen Charakter beizumessen. a) Teleologie, Dogmatik und Genese Der Regelungszweck der §§ 746, 751 BGB zielt darauf ab, die von den Teilhabern getroffenen Vereinbarungen auch gegen spätere Veräußerungen des Anteils abzusichern. Ohne die Sondervorschriften wäre der Einzelnachfolger in den Bruchteil nach Maßgabe des schuldrechtlichen Relativitätsdogmas durch die Vereinbarung nicht gebunden. Infolge der Anteilsveräußerung könnten Verwaltungs- und Benutzungsvereinbarungen sowie Vereinbarungen über den Ausschluss der Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft folglich unterminiert werden. Das wollen §§ 746, 751 BGB verhindern, indem sie den „Sondernachfolger“ – gemeint ist der Singularsukzessor – an die Sonderabreden binden422. So können auch dem Bruchteilserwerber die in der Person des Veräußerers begründeten Bindungen entgegengehalten werden. Die rechtsdogmatische Bedeutung des Sukzessionsschutzes in der Bruchteilsgemeinschaft erschließt sich bei einem Blick in die Entstehungsgeschichte der §§ 746, 751, 1010 BGB. Zunächst maß die 1. BGB-Kommission dem Teilungsausschluss beim Miteigentum an Grundstücken (vgl. § 1010 BGB) dinglichen Charakter bei. Im Rahmen der Erörterung über die juristische Konstruktion hatte der historische Gesetzgeber damals sowohl die Möglichkeit einer „Verstärkung des obligatorischen Rechtes durch die ausnahmsweise Zulassung desselben zur Eintragung in das Grundbuch“ abgelehnt als auch die Konstruktion als „vertragsmäßiges Veräußerungsverbot (über) das Antheilsrecht in der Hand des obligatorisch Verpflichteten“ verworfen423. Stattdessen legen die Mo-
421 Bereits im Ansatzpunkt abweichend Schnorr, Gemeinschaft, S. 15 ff., 300 ff., der annimmt, auch in den Fällen der §§ 746, 751, 1010 BGB finde keine Sukzession statt; vielmehr entstünden die Rechte und Pflichten jeweils neu. Diese Position ist – wie sich sogleich im Text zeigen wird – weder mit dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte noch mit der Systematik und Teleologie der Vorschriften in Einklang zu bringen. 422 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 755: „Wenn es auch theoretisch anomal erscheine, einer an sich blos obligatorischen Vereinbarung Wirkung gegen Dritte beizulegen, so nöthige doch hierzu die Erwägung, daß ohne die Wirkung gegen die Sondernachfolger die Vereinbarung über die Dauer der Gemeinschaft ihren Zweck verfehlen und von jedem Theilhaber leicht durch die Veräußerung seines Antheils illusorisch gemacht werden könnte.“ 423 Alle Zitate: Motive zum BGB, Bd. 3, S. 441.
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tive zum BGB der Beschränkung des Teilungsrechts dinglichen Charakter bei und attestierten ihm „Aehnlichkeit mit einer Grunddienstbarkeit“424: „Wie bei dieser (scil.: der Grunddienstbarkeit) das gesetzliche Nachbarrecht durch gewillkürtes Nachbarrecht geändert wird, so wird bei dem dinglichen Theilungsausschlusse das gesetzliche Gemeinschaftsrecht mit dinglicher Wirkung durch gewillkürtes Gemeinschaftsrecht ersetzt. Die Beschränkung der Befugniß, die Theilung zu verlangen, wird somit als eine eigenartige dingliche Belastung zugelassen, welche statt des Grundstückes den Antheil eines Miteigenthümers zum Gegenstande hat und dem Genossen subjektiv dingliche Befugnisse verschafft.“
Auch wenn die 2. BGB-Kommission die Konstruktionsfrage im Ergebnis offen ließ425, sprechen die Textfassung des § 1010 Abs. 1 BGB sowie die Eintragungsfähigkeit der bezeichneten Vereinbarungen iSd. §§ 746, 751 BGB dafür, dass die von der 1. Kommission vertretene Auffassung dem Konzept der lex lata entspricht. Heute erkennt man in der Eintragung gem. § 1010 Abs. 1 BGB deshalb nach zutreffender Auffassung eine dingliche Belastung sui generis, die maßgeblich der Grunddienstbarkeit angenähert ist426. Auch wenn sich die historischen Erwägungen der 1. BGB-Kommission auf das Liegenschaftsrecht beschränkten und Gemeinschaften an anderen Vermögensrechten bewusst ausklammerten427, ist eine differenzierte Behandlung verschiedener Bruchteilsgemeinschaften, was die Rechtsnatur der Vereinbarungen anlangt, mit den einheitlichen Regelungen in §§ 746, 751 BGB durch die 2. Kommission nicht in Einklang zu bringen. Zwar beschränkt sich der spezielle Regelungsgehalt des § 1010 Abs. 1 BGB auf das Liegenschaftsrecht; dies aber nicht deshalb, weil die Vereinbarungen dort einen anderen Rechtscharakter aufwiesen, sondern um die Integrität und Funktionsfähigkeit des Grundbuchs zu sichern428 und zugleich in erhöhtem Maße für Verkehrsschutz zu sorgen. Deshalb spricht das moderne Schrifttum – in Übereinstimmung mit dem historischen Gesetzgeber429 – auch außerhalb des § 1010 Abs. 1 BGB richtigerweise 424
Alle Zitate: Motive zum BGB, Bd. 3, S. 442. Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 279. 426 BayObLGZ 1912, 859; 1973, 84, 88; DNotZ 1976, 744, 745; 1980, 364, 365; MDR 1981, 846; KGJ 33 A, 224; OLG Hamm DNotZ 1973, 546; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1010 Rn. 6; Langhein, in: Staudinger, BGB, § 746 Rn. 27; Pikart, in: RGRK, BGB, § 1010 Rn. 5; K. Schmidt, in: MünchKommBGB, § 1010 Rn. 10; Strecker, in: Planck, BGB, § 1010 Anm. 1 c; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1461; siehe noch die Zusammenstellung der abweichenden Ansätzen bei Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1010 Rn. 6; abweichend und ausf. zum Ganzen Schnorr, Gemeinschaft, S. 301 ff. 427 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 440 f. 428 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 277: „(…) mit dem Grundgedanken des auf der Grundbucheinrichtung beruhenden Liegenschaftsrechts (sei es) unvereinbar, daß der Erwerber eines Grundstücksantheils einer so wesentlichen Beeinträchtigung seines Rechtes, wie sie in dem Ausschlusse der Theilung liege, ausgesetzt sei soll, auch wenn dieselbe aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sei.“ 429 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 755: „(…) durch die Vereinbarung über den Ausschluß der Theilung (entstehe) eine Art dinglicher Belastung des Antheils eines jeden Theilhabers zu Gunsten der anderen Theilhaber (…)“. 425
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von einem dinglichen Charakter der Vereinbarungen und einer Belastung des Bruchteils430. Das deckt sich im Ergebnis mit der Position der 2. BGB-Kommission, die die Sukzessionsschutzbestimmung ebenfalls als „dingliche Belastungen“ des Bruchteils qualifizierte431. Dass hierin ein grundlegender Unterschied zu den bisher behandelten Fällen der „Verdinglichung obligatorischer Rechte“ besteht, liegt auf der Hand. Indem §§ 746, 751, 1010 Abs. 1 BGB bestimmten Vereinbarungen dinglichen Charakter beilegen, wird nicht allein der Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses durchbrochen. Vielmehr werden Sonderabreden einzelne Charakteristika dinglicher Rechte beigelegt. Damit verbunden sind eine besonders hohe Intensität des Sukzessionsschutzniveaus und eine konsequente Verwirklichung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips. b) Bedeutung von Verkehrsinteressen Für Bruchteilsgemeinschaften an beweglichen Sachen und Rechten gilt dies uneingeschränkt. Insbesondere kann sich der Sukzessor nicht unter Hinweis auf die mangelnde Kenntnis der Vereinbarungen der Bindungswirkung entziehen432. Für Bruchteilsgemeinschaften an Grundstücken macht § 1010 Abs. 1 BGB den Sukzessionsschutz von der Eintragung der Sonderabrede in das Grundbuch abhängig. Die Grundbucheintragung ist Wirksamkeitserfordernis des Sukzessionsschutzes und steht weniger in Verbindung mit dem Publizitätsprinzip (im Sinne eines Offenkundigkeitsprinzips), sondern dient vielmehr der Integrität und Funktionsfähigkeit des Grundbuchs, die durch § 1010 Abs. 1 BGB einen besonderen Schutz erfahren. Die Komplexität des Grundbuches erlaubt es dem Rechtsverkehr, sich über bestehende Bindungen an Bruchteilsgrundeigentum zu informieren. Damit in untrennbarem Zusammenhang steht der vorzügliche Beitrag, den die Eintragung in das Grundbuch für den Schutz des überindividuellen Interesses an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs leistet. Darf sich der Erwerber nämlich darauf verlassen, dass keine ihn bindenden Sonderabreden in der Bruchteilsgemeinschaft getroffen worden sind, wenn hierzu im Grundbuch nichts vermerkt ist, dann muss er auch keine kostspieligen Nachforschungsmaßnahmen ergreifen, um sich vor Durchführung der Transaktion über das Bestehen für ihn verbindlicher Abreden zu informieren. Das Eintragungsprinzip bezieht seine rechtsökonomische Sinnhaftigkeit folglich daraus, dass es Informationskosten senkt und das Potenzial für nachvertragliche Rechtsstreitigkeiten (Rechtsbewältigungskosten) vermindert. 430 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1010 Rn. 1; Langhein, in: Staudinger, BGB, § 746 Rn. 8; a.A. Ertl, DNotZ 1988, 4, 22. 431 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 755; dazu auch Langhein, in: Staudinger, BGB, § 746 Rn. 8. 432 Vgl. Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 755; K. Schmidt, in: MünchKommBGB, § 751 Rn. 1; Sprau, in: Palandt, BGB, § 751 Rn. 1; Wieling, Sachenrecht I, § 8 III 3 a; siehe ferner RGZ 78, 273, 275.
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Bemerkenswert ist indes die dogmatische Konstruktion des Verkehrsschutzes, der nicht als redlicher lasten- bzw. „bindungsfreier“ Erwerb konzipiert ist (§ 1010 Abs. 1 BGB ist kein Anwendungsfall des § 892 Abs. 1 S. 2 BGB433), sondern absoluten Verkehrsschutz vermittelt434: Ist die Vereinbarung nicht in das Grundbuch eingetragen, entfaltet sie keine Wirkung, und zwar nicht nur gegenüber dem redlichen, sondern auch gegenüber dem bösgläubigen Bruchteilserwerber435, wenngleich im letzteren Fall Schadensersatzansprüche gem. § 826 BGB nicht ausgeschlossen sein mögen436. Ergänzende Bedeutung gewinnt § 892 BGB nur für den Fall, dass die Eintragung gem. § 1010 BGB versehentlich gelöscht worden ist. Mit der Löschung verlieren Sonderabreden nämlich nicht ipso iure ihre dinglichen Wirkungen, stattdessen kann die Lastenfreiheit des Miteigentumsanteils redlich erworben werden. Ist die Abrede dem Erwerber hingegen positiv bekannt, muss er sie gegen sich gelten lassen437. Dass ein vergleichbarer Verkehrsschutz für den Erwerber eines Bruchteils an einer beweglichen Sache oder einem Recht nicht gewährleistet ist, ist auf den Mangel an einem tauglichen (objektiven) Rechtsscheinträger, der für solche Verfügungsgegenstände als Legitimationsgrundlage für die Anknüpfung von Verkehrsschutz in Betracht käme, zurückzuführen. Die Übertragung von Forderungen und anderen Vermögensrechten iSd. § 413 BGB vollzieht sich auf Grundlage des reinen Konsensualprinzips, deshalb können solche Vermögensrechte – abgesehen von der de lege lata eng begrenzten Ausnahmevorschrift des § 405 BGB – auch nicht redlich erworben werden438. Andererseits kommt ein redlicher Mobiliarerwerb zwar unter Anknüpfung an die verwirklichte Besitzverschaffungsmacht in Betracht439. In Bezug auf Bruchteilsgemeinschaften an beweglichen Sachen mangelt es indes an der nötigen Komplexität der Besitzverschaffungsmacht. Namentlich sagt die Fähigkeit eines Teilhabers, dem Erwerber eine besitzrechtliche Position an dem Bruchteil zu verschaffen, nichts über das Bestehen von Vereinbarungen über die Verwaltung, Nutzung und Teilung 433
Pikart, in: RGRK, BGB, § 1010 Rn. 3; K. Schmidt, in: MünchKommBGB, § 1010 Rn. 1. Zu dieser Kategorie schon oben § 11 II. 5. 435 OLG Frankfurt NJW 1958, 65; OLG München NZG 1999, 395; Aderhold, in: Erman, BGB, § 1010 Rn. 2; Langheid, in: Staudinger, BGB, § 746 Rn. 2, § 751 Rn. 5; Nusser, in: AnwKommBGB, § 1010 Rn. 4; Pikart, in: RGRK, BGB, § 1010 Rn. 3; K. Schmidt, in: MünchKommBGB, § 1010 Rn. 1; Strecker, in: Planck, BGB, § 1010 Anm. 1 c; Stürner, in: Soergel, BGB, § 1010 Rn. 1; Wieling, Sachenrecht I, § 8 III 3 a; (zu § 10 WEG) OLG Zweibrücken ZMR 2001, 734, 735 f. – Rechtspolitische Kritik an dieser Konstruktion üben Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1010 Rn. 2; Huber, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 746 Rn. 2; Fischer, LM Nr. 1 zu § 1010 BGB; verteidigend hingegen Langhein, in: Staudinger, BGB, § 746 Rn. 2. 436 Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1010 Rn. 12; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1010 Rn. 2; Langhein, in: Staudinger, BGB, § 746 Rn. 2, § 751 Rn. 5; K. Schmidt, in: MünchKommBGB, § 1010 Rn. 1. 437 Ganz h.M.: Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1010 Rn. 15; Nusser, in: AnwKommBGB, § 1010 Rn. 14; Strecker, in: Planck, BGB, § 1010 Anm. 1 c; Heck, Sachenrecht, § 71, 5; a.A. Schnorr, Gemeinschaft, S. 345. 438 Zum Ganzen siehe oben § 11 III. 6. 439 Siehe oben § 11 III. 4. 434
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
aus. Und schließlich ist zu bedenken, dass ein redlicher Erwerb nur dort von Bedeutung ist, wo ein ungehinderter Verkehr ermöglicht werden soll; dieses Bedürfnis wird für die Zirkulation von Bruchteilen von der 2. BGB-Kommission verneint440: „Zum Gegenstande des Verkehrs eigne sich aber der Antheil eines Theilhabers an einem gemeinschaftlichen Gegenstande seiner Natur nach nicht; ein solcher Antheil sei ein illiquides Vermögensstück, welches stets eine Auseinandersetzung erforderlich mache.“
Deshalb gewichtet der historische Gesetzgeber das Gemeinschaftsinteresse an einer dauerhaften Beständigkeit der getroffenen Vereinbarungen iSd. §§ 746, 751 BGB höher als das Verkehrsinteresse. In der Konsequenz obliegt es dem Erwerber, sich vor dem Anteilserwerb über die getroffenen Vereinbarungen zu informieren. Hiergegen ist aus rechtspolitischer Perspektive nichts zu erinnern.
7. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einen weiteren, praktisch höchst bedeutsamen Anwendungsbereich findet das Sukzessionsschutzprinzip im Wohnungseigentumsrecht. Dort wirken (Benutzungs-)Vereinbarungen iSd. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG – ähnlich § 1010 Abs. 1 BGB – für und gegen den Einzelnachfolger in das Wohnungseigentum, wenn sie in das Grundbuch eingetragen sind. Die von der Grundbucheintragung ausgehende Publizitätswirkung dient zum einen dem Schutz des Erwerbers gegen ihm unbekannte und womöglich nachteilige Ansprüche und Vereinbarungen441. Zum anderen wird im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer verhindert, dass die Vereinbarungen durch Veräußerung eines Anteils leerlaufen442. Letzteres wäre mit dem auf lange Dauer angelegten Charakter der Wohnungseigentümergemeinschaft schwerlich in Einklang zu bringen. Dementsprechend findet der Sukzessionsschutz des WEG seine rechtspolitische Grundlage in dem nachbarschaftlichen Näheverhältnis, das die Beziehung der Sondereigentümer charakterisiert und ein gesteigertes Konfliktpotenzial mit sich bringt443. Aus diesem Grund eröffnet das Gesetz den Wohnungseigentümern die Möglichkeit, den Inhalt ihrer Berechtigung untereinander durch privatautonome Vereinbarungen näher zu regeln und diese Regelungen – im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft – gegen Anteilsübertragungen besonders abzusichern und so einen Beitrag zur Konfliktvermeidung zu leisten.
440
Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 755. Vgl. BGHZ 88, 302, 305 f. (zu § 10 Abs. 2 WEG a.F.); Klein, in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 112. 442 Klein, in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 112. 443 Dazu und zum Folgenden Rapp, FS Wenzel, S. 271, 278 f. 441
VI. Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte
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a) Dogmatische Grundlagen Sehr umstritten ist allerdings die rechtsdogmatische Konstruktion des Sukzessionsschutzes im Wohnungseigentumsrecht. Während die einen den schuldrechtlichen Charakter der unter den Wohnungseigentümern geschlossenen Vereinbarungen betonen, den jene auch nach Eintragung in das Grundbuch nicht verlören (schuldrechtlicher Ansatz)444, spricht sich die Gegenposition für eine dingliche Wirkung der Vereinbarungen sowie die Anwendung sachenrechtlicher Regeln und Grundsätze aus (sachenrechtlicher Ansatz)445. Eine dritte – gleichsam vermittelnde – Auffassung betrachtet die unter den Wohnungseigentümern geschlossenen Vereinbarungen iSd. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG als inhaltliche Konkretisierung des Sondereigentums446. Orientiert man sich zunächst am Gesetzestext, gelangt man zwanglos zur vermittelnden Position. Während Sonderabreden der Grundstücksteilhaber nach § 1010 BGB „als Belastung des Anteils“ in das Grundbuch eingetragen werden, erfolgt die Eintragung von Sondernutzungsrechten iSd. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG „als Inhalt des Sondereigentums“447. Das spricht für das namentlich von der Rechtsprechung befürwortete Verständnis, wonach Benutzungsvereinbarungen den Inhalt des Sondereigentums ausgestalten; dingliche Wirkungen entfalten die Vereinbarungen nach dieser Deutung, soweit sie den Einzelnachfolger binden. Im Gegensatz dazu ist der schuldrechtliche Ansatz bereits mit der gesetzlichen Konzeption der Inhaltsbestimmung nicht in Einklang zu bringen448 und bleibt auch im Übrigen eine tragfähige dogmatische Begründung für die Drittwirkung der Sonderabreden schuldig. Während die schuldrechtliche Lehre die Bindungswirkung nicht zu erklären vermag und damit im Ergebnis zu kurz greift, schießt der sachenrechtliche Ansatz über das (Regelungs-)Ziel der §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG hinaus, soweit er den Sonderabreden dingliche Wirkungen gegenüber jedermann beimisst. Tatsächlich ist der Sukzessionsschutz nämlich auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihre Einzelnachfolger beschränkt449. Nur insofern entfalten Benutzungsvereinbarungen dingliche Wirkung, ohne selbstständige dingliche Rechte zu sein450. Darin liegt zugleich der maßgebliche rechtskonstruktive Unterschied 444 Ertl, DNotZ 1979, 267, 273, 281; ders., DNotZ 1988, 4, 17 ff.; Schneider, Rpfleger 1998, 9, 10; Weitnauer, DNotZ 1990, 384, 387 f.; Häublein, Sondernutzungsrechte, S. 32 ff., 57 f.; Schnauder, FS Bärmann, S. 567, 576; ders., FS Larenz II, S. 705, 719 f. 445 OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 309, 310; OLG Hamm FGPrax 2009, 57 f.; Bärmann, AcP 155 (1956), 1, 10 f.; Röll, Rpfleger 1980, 90, 91. 446 BGHZ 73, 145, 148; 145, 133, 138; Klein, in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 116 ff.; Ott, Sondernutzungsrecht, S. 18 ff., 30 ff.; Armbrüster/Müller, FS Seuß, S. 3, 10 f.; offen gelassen von OLG Hamm NJW-RR 1993, 1295, 1297. 447 Hervorhebungen hinzugefügt. 448 Weiterführend Klein, in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 116. 449 Biesemeister, in: Weitnauer, WEG, § 5 Rn. 33; Ott, Sondernutzungsrecht, S. 46; Klein, in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 117; Demharter, DNotZ 1991, 28, 29. 450 Vgl. BGHZ 73, 145, 148; 145, 133, 138; BGH NJW 1995, 2950, 2951 f.; Ertl, DNotZ 1979, 267, 270; Röll, Rpfleger 1980, 90.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
zum bürgerlichen Bruchteilsgrundeigentum, das seine Wirkungen nach dem Konzept der lex lata gegenüber jedermann entfaltet, nicht wie die Sonderabreden nach dem WEG nur im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander. Anders als bei §§ 746, 751, 1010 Abs. 1 BGB handelt es sich also nicht um eine eigenartige Belastung dienstbarkeitsähnlicher Art, sondern um die Konkretisierung des Sondereigentumsinhalts selbst – vergleichbar mit der inhaltlichen Konkretisierung des Inhalts von Dienstbarkeiten (Benutzungs-, Unterlassungs- und Ausschlussdienstbarkeit451), nur eben mit dem Unterschied, dass die Vereinbarungen nicht gegenüber jedermann, sondern nur unter den Wohnungseigentümern gelten452. Mit Eintragung der Sonderabreden in das Grundbuch wird aus dem Wohnungseigentum mit gesetzlichem Inhalt ein Wohnungseigentum mit gewillkürtem Inhalt, und zwar für sämtliche beteiligten Wohnungseigentümer453. Dementsprechend handelt es sich bei den Sondernutzungsrechten auch nicht um beschränkte dingliche Rechte. Vielmehr werden nur einzelne obligatorische Positionen der Teilhaber „verdinglicht“454. Nach Eintragung in das Grundbuch gem. § 10 Abs. 3 WEG entfalten sie ihre Wirksamkeit für und gegen den Einzelnachfolger. Die Eintragung in das Grundbuch ändert also nicht die (schuldrechtliche) Qualität der Benutzungsvereinbarung; sie macht sie weder zu einem Sachenrecht sui generis noch zu einer Belastung iSd. §§ 873 ff., 877 BGB455. Deshalb erfolgt die Eintragung auch nicht als Belastung, sondern als Inhalt des Sondereigentums456. b) Bedeutung von Verkehrsinteressen Das individuelle Interesse des Erwerbers an einer Freihaltung nicht eingetragener Sonderabreden, das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und schließlich das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems werden durch die konstitutive Wirkung der Grundbucheintragung geschützt. In Parallele zu § 1010 BGB457 gilt auch für die Vereinbarungen gem. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG das Prinzip des absoluten Verkehrsschutzes458: Die bloße Kenntnis der Vereinbarung allein reicht nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut für die Entfaltung der Bin-
451
Siehe dazu nur Bayer/Lieder, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT III Rn. 301 ff., 314 ff., 350 ff. Klarstellend etwa Lüke, in: Weitnauer, WEG, § 10 Rn. 35. 453 Klein, in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 118 iVm. § 13 Rn. 19. 454 Kreuzer, in: Staudinger, BGB, § 10 WEG Rn. 32; vgl. weiter BGH NJW 1995, 2950, 2952; Commichau, in: MünchKommBGB, § 10 WEG Rn. 71 ff. 455 BGHZ 145, 133, 138; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 10 WEG Rn. 3; Kreuzer, in: Staudinger, BGB, § 10 WEG Rn. 32; Häublein, Sondernutzungsrechte, S. 29 ff. 456 Kreuzer, in: Staudinger, BGB, § 10 WEG Rn. 32; Lüke, in: Weitnauer, WEG, § 10 Rn. 46. 457 Siehe oben § 15 VI. 6. b). 458 Zu dieser Kategorie siehe oben § 11 II. 5. 452
VI. Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte
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dungswirkung nicht aus459. Dementsprechend ist selbst der bösgläubige Erwerber nicht an Sonderabreden gebunden, soweit sie aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sind. Ist die Vereinbarung allerdings durch Eintragung wirksam geworden, verliert sie ihre Bindungswirkung selbst dann nicht wieder, wenn die Eintragung nachträglich (versehentlich) gelöscht wird460. Der Erwerber wird aber – in Übereinstimmung mit dem Regelungszweck des Eintragungserfordernisses – vor unerwarteten Sonderabreden nach den allgemeinen Grundsätzen des redlichen Erwerbs gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB geschützt. Hatte er also keine positive Kenntnis von dem Sondernutzungsrecht, muss er dasselbe auch nicht gegen sich gelten lassen461. Das überindividuelle Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs genießt hier also den Vorrang gegenüber der sukzessionsschützenden Wirkung462.
8. Erbbaurecht Vergleichbare Grundsätze gelten für die privatautonome Ausgestaltung des Erbbaurechts gem. § 2 ErbbauRG463. Der gesteigerte Sukzessionsschutz beim Erbbaurecht resultiert aus der rechtlichen Aufteilung der Eigentumsbefugnisse am Grundstück. Hieraus ergibt sich – in Parallele zum Wohnungseigentumsrecht464 – ein hohes Konfliktpotenzial, das durch die Kontinuität von Inhaltsvereinbarungen erheblich entschärft werden kann. Bemerkenswert ist aus rechtsdogmatischer Perspektive, dass seit jeher die Auffassung vorherrscht, die geschlossenen Sonderabreden bedeuteten eine inhaltliche Konkretisierung des dinglichen, grundstücksgleichen Erbbaurechts465. Durch die Eintragung werden die Sonderabreden „verdinglicht“466, mit der Folge, dass sie gegenüber jedermann wirken. Allerdings handelt es sich auch bei den Sonderabreden im Erbbaurecht nicht um beschränkte dingliche Rechte, die auf dem Erbbaurecht 459 BayObLG WuM 1989, 528, 529; OLG Düsseldorf OLGZ 1978, 349, 353; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1295, 1296; NZM 1998, 873 f.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 10 WEG Rn. 11; Lüke, in: Weitnauer, WEG, § 10 Rn. 31; a.A. Ertl, DNotZ 1989, 267, 271. 460 OLG Hamm NJW-RR 1993, 1295, 1297. 461 OLG Hamm NJW-RR 1993, 1295, 1297; Lüke, in: Weitnauer, WEG, § 10 Rn. 31. 462 Vgl. etwa BayObLG DNotZ 1990, 381, 382 f.; Hess, AcP 198 (1998), 489, 509; a.A. Schnauder, FS Bärmann, S. 567, 571 ff.; Ertl, FS Seuß, S. 151, 152 ff.; vgl. weiter Weitnauer, DNotZ 1990, 385, 389 ff. 463 Zur strukturellen Identität von Erbbaurecht und Wohnungseigentum in diesem Zusammenhang ausf. Rapp, FS Wenzel, S. 271, 277 ff. 464 Siehe oben § 15 VI. 7. 465 BGH NJW 1954, 1443, 1444; Maaß, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2 ErbbauRG Rn. 1; v. Oefele, in: MünchKommBGB, § 2 ErbbauRG Rn. 6; Rapp, in: Staudinger, BGB, § 2 ErbbauRG Rn. 6; a.A. Ertl, DNotZ 1988, 4, 22; vgl. noch Ranft, Verdinglichung, S. 29 ff., der das Fortbestehen der schuldrechtlichen Natur der Vereinbarungen besonders betont. 466 So die h.M. vgl. v. Oefele, in: MünchKommBGB, § 2 ErbbauRG Rn. 1 a.E.; Rapp, in: Staudinger, BGB, § 2 ErbbauRG Rn. 5; Hess, AcP 198 (1998), 489, 498; Weitnauer, DNotZ 1968, 303, 304; a.A. Ranft, Verdinglichung, S. 30; Füller, Sachenrecht, S. 56.
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
lasten, sondern um Inhaltsbestimmungen des Erbbaurechts467, wiederum vergleichbar mit der Art einer Dienstbarkeit (vgl. § 1018 BGB).
VII. Zusammenfassung Das Prinzip des Sukzessionsschutzes steht in untrennbarer Verbindung zum übergeordneten allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip. In der Sache handelt es sich um ein Schutzprinzip zugunsten von Rechtssubjekten, die am Nachfolgegeschäft nicht notwendig selbst als Vertragsparteien beteiligt und daher auch nicht durch das Einigungsprinzip geschützt sind. Weil sich solche Drittbeteiligten infolge des Sukzessionsgeschäfts mit einem Rechtssubjekt konfrontiert sehen, das sie sich nicht selbst ausgesucht haben (Kontrahentenwahlfreiheit), werden ihre berechtigten Interessen durch besondere Rechtsvorschriften und Grundsätze geschützt. In diesem Sinne fungiert das Sukzessionsschutzprinzip sowohl als Struktur- wie auch als Wertungsprinzip der rechtsgeschäftlichen Sukzession. In rechtsökonomischer Hinsicht vermindern die Vorschriften negative externe Effekte, die mit der ungehinderten Durchführung der Sukzessionsfreiheit verbunden wären, und schaffen einen Anreiz für die Parteien des Sukzessionsgeschäfts, berechtigte Interessen von Drittbeteiligten in den Entscheidungsfindungsprozess einzubeziehen. Das Prinzip des Sukzessionsschutzes ist für die einzelnen Verfügungsgegenstände sehr unterschiedlich ausgestaltet. Grundlegend ist zunächst die Unterscheidung zwischen präventivem und postventivem Sukzessionsschutz. Die präventive Spielart des Sukzessionsschutzes bildet die große Ausnahme. Sie ist de lege lata etwa bei der privativen Schuldübernahme nach Maßgabe der §§ 414, 415 BGB verwirklicht, die eine zwingende Mitwirkung des Gläubigers der übernommenen Verbindlichkeit vorsehen. De lege ferenda tritt diese Ausgestaltung in Konflikt mit dem systemprägenden Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Postventiver Sukzessionsschutz ist mustergültig im Zessionsrecht im Interesse des Schuldners gem. §§ 404, 406 ff. BGB verwirklicht. Da der Forderungsschuldner an der Forderungsabtretung nicht notwendig mitwirkt und nicht einmal über einen erfolgten Gläubigerwechsel in Kenntnis gesetzt werden muss, zielt der abtretungsrechtliche Sukzessionsschutz darauf ab, die schuldnerische Rechtsstellung unverändert zu erhalten. Ebenfalls postventiv ausgestaltet ist der Sukzessionsschutz für beschränkte (dingliche und obligatorische) Rechte, die als Belastung des Verfügungsgegenstands auch den Stammrechtserwerber binden. Hinzu kommen die sehr heterogen ausgestalteten Sukzessionstatbestände für obligatorische Rechte: Bedingte Rechtsübertragungen gem. § 161 Abs. 1 S. 1 BGB und Vormerkungen gem. § 883 Abs. 2 BGB sind als Verfügungsbeschrän467
OLG Stuttgart NJW 1958, 2019, 2020; v. Oefele, in: MünchKommBGB, § 2 ErbbauRG Rn. 4; Rapp, in: Staudinger, BGB, § 2 ErbbauRG Rn. 6; ders., FS Wenzel, 2005, S. 271, 277 ff.
VII. Zusammenfassung
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kungen konzipiert. Miet- und Pachtverhältnisse binden den Grundstückserwerber mittels Vertragserstreckung gem. §§ 566, 578, 578a, 581 Abs. 2 BGB. Der Inhaber eines obligatorischen Besitzrechts kann seine tatsächliche Sachherrschaft dem Fahrniserwerber in Form der Einwendungserstreckung gem. § 986 Abs. 2 BGB entgegensetzen. Die dingliche Wirkung von Sonderabreden in der bürgerlichrechtlichen Bruchteilsgemeinschaft ist gem. §§ 746, 751, 1010 Abs. 1 BGB als Belastung des Verfügungsgegenstands konstruiert, während Sondernutzungsrechte im Wohnungseigentumsrecht (§§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG) und die privatautonome Ausgestaltung des Erbbaurechts (§ 2 ErbbauRG) als inhaltliche Konkretisierungen des dinglichen Rechts zu begreifen sind. Der Sukzessionsschutz für beschränkte Rechte fußt zum einen auf dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung und zum anderen auf der Zuweisungs- und Abwehrfunktion der Verfügungsbefugnis und lässt sich rechtskonstruktiv auf Grundlage der Abspaltungslehre erklären. Da alle diese Prinzipien für dingliche und obligatorische Rechte gleichermaßen von Bedeutung sind, genießen auch beschränkte obligatorische Rechte, d.h., Rechte aus Forderungen und anderen Vermögensrechten, Sukzessionsschutz in dem Sinne, dass sie infolge der Übertragung des Stammrechts nicht verloren gehen. Diese Gemeinsamkeit beschränkter Schuld- und Sachenrechte ist Teil eines einheitlichen Konzepts der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Eine maßgebliche Einschränkung erfährt der Sukzessionsschutz beschränkter Rechte durch die Rechtsfigur des redlichen lastenfreien Erwerbs. Sie ist Teil des Gesamtsystems des Gutglaubenserwerbs und beruht dementsprechend auf dem grundsätzlichen Vorrang des überindividuellen Allgemeininteresses an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit) sowie des individuellen Erwerbsinteresses des Redlichen gegenüber dem Beharrungsinteresse des Teilrechtsinhabers. Das folgt für den redlichen Immobiliarerwerb aus § 892 Abs. 1 S. 1 BGB und für den redlichen Mobiliarerwerb aus § 936 BGB. Dass § 16 Abs. 3 GmbHG hingegen den redlichen lastenfreien Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen de lege lata nicht zulässt, bedeutet de lege ferenda ein schwerwiegendes Desiderat der neuen Gutglaubensvorschrift, das bei nächster Gelegenheit durch den Gesetzgeber behoben werden sollte. Zum Schutz der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten sollte eine Gesellschafterliste mit zwei Abteilungen etabliert werden, so dass Belastungen des GmbH-Anteils analog § 12 Abs. 1 S. 1 GBO nur unter Nachweis eines berechtigten Informationsinteresses offenkundig werden können. Der abtretungsrechtliche Sukzessionsschutz zielt in Fortschreibung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips darauf ab, das Interesse an einem unveränderten Fortbestand der schuldnerischen Rechtsstellung zu wahren. Die Position des Schuldners darf sich infolge des Gläubigerwechsels weder in rechtlich relevanter Weise verschlechtern (Verschlechterungsverbot) noch darf der Schuldner aus der Abtretung ungerechtfertigte Vorteile ziehen (Verbesserungsverbot). Dementsprechend bleiben dem Schuldner gem. § 404 BGB die Ein-
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
wendungen und gem. § 406 BGB eine Aufrechnungslage erhalten. Diese Instrumente schaffen einen Ausgleich für die mangelnde (rechtsgeschäftliche) Beteiligung des Schuldners am Zessionsgeschäft. Darüber hinaus wird der Schuldner mittels besonderer Vertrauensschutzregeln von Rechtsnachteilen freigehalten, die aus der Unkenntnis des Gläubigerwechsels herrühren. Mangels Mitteilung der Forderungszession darf er auf den unveränderten Fortbestand der Rechtszuständigkeit des Zedenten vertrauen und gem. § 407 Abs. 1 BGB mit befreiender Wirkung an ihn leisten sowie Rechtsgeschäfte mit dem Zedent abschließen, die gegenüber dem Zessionar wirksam sind. Vertrauen darf er im Fall konkurrierender Abtretungen gem. § 408 BGB außerdem auf die Nichtexistenz vorausgegangener Zessionen. Und schließlich schützt § 409 BGB den Schuldner im Fall einer angezeigten Forderungsabtretung vor der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme. Der Einwendungserhalt zugunsten des Schuldners gem. § 404 BGB fußt auf dem allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip und ist in zeitlicher und sachlicher Hinsicht weit auszulegen. Es ist ausreichend, wenn die Einwendungen im Zeitpunkt des Gläubigerwechsels begründet sind. Bei der Vorausabtretung genügt es, wenn sie in dem Zeitpunkt begründet sind, in dem die Forderung entsteht und die Vorausabtretung wirksam wird. Außerdem umfasst der Begriff der Einwendung iSd. § 404 BGB sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Inanspruchnahme des Gläubigers. Gestaltungsrechte muss der Schuldner grundsätzlich gegenüber dem Zedent ausüben. Ihm steht allerdings die Einrede der Gestaltbarkeit gegenüber dem Zessionar zu, wenn die Abgabe der Gestaltungserklärung gegenüber dem Zedent aus tatsächlichen Gründen scheitert. Hiermit wird indes keinem uneingeschränkten Wahlrecht des Schuldners das Wort geredet. Vielmehr muss der Schuldner zunächst sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die Erklärung gegenüber dem Zedent zur Geltung zu bringen, etwa auch im Wege einer öffentlichen Zustellung gem. § 132 BGB, bevor er sich an den Zessionar wenden darf. Einschränkungen erfährt der abtretungsrechtliche Sukzessionsschutz (1.) durch den redlichen Forderungserwerb gem. § 405 BGB, (2.) den (restriktiv zu interpretierenden) Einwendungsverzicht des Schuldners und (3.) durch die Einschränkung für personenbezogene Einwendungen. Nach dem zessionsrechtlichen Verbesserungsverbot kann der Zessionar dem Schuldner die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB und – entgegen der bisher h.M. – auch das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB entgegenhalten. Der Fortbestand der Abtretungslage gem. § 406 BGB fußt auf dem abtretungsrechtlichen Verschlechterungsverbot, soweit die Aufrechnungsbefugnis des Schuldners bereits vor dem Gläubigerwechsel bestand. Soweit § 406 Hs. 2 BGB den Schuldner auch berechtigt, mit einer erst nach der Abtretung erworbenen Gegenforderung aufzurechnen, ist die Vorschrift als besondere Vertrauensschutzbestimmung zu interpretieren. In rechtsdogmatischer Hinsicht dispensiert § 406 BGB im Interesse effektiven Schuldnerschutzes vom Gegenseitigkeitserfordernis des § 387 BGB. Gemeinsam mit § 404 BGB ist der Vorschrift
VII. Zusammenfassung
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die Wertung zu entnehmen, dass dem Schuldner nach dem Gläubigerwechsel sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten gegen den zedierten Leistungsanspruch erhalten bleiben sollen. Der in § 406 Hs. 2 BGB normierte Vertrauensschutzgedanke greift nicht nur bei rechtsgeschäftlich erworbenen, sondern auch bei gesetzlichen und hoheitlichen Gegenforderungen ein. Der Einschränkung für später fällige Gegenforderungen gem. § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB liegt die zutreffende Wertung zugrunde, dass der Schuldner auf eine Aufrechnung gegen die zedierte Hauptforderung nicht vertrauen konnte. Geschützt wird nach zutreffender Auffassung allerdings das schuldnerische Vertrauen auf die Aufrechnung mit einer nach Abtretung, aber vor Kenntniserlangung fälligen Gegenforderung. Ebenfalls dem Vertrauensschutzgedanken verpflichtet ist der gem. § 407 Abs. 1 BGB angeordnete Schuldnerschutz bei Unkenntnis der Abtretung. Der redliche Schuldner kann danach mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten sowie Rechtsgeschäfte in Ansehung der abgetretenen Forderung abschließen. In rechtsdogmatischer Hinsicht wird die fehlende Rechtszuständigkeit des Zedenten durch Vertrauensschutzerwägungen überspielt. In rechtssystematischer Hinsicht gewährleistet § 407 Abs. 1 BGB dem Schuldner konkret-individuellen Vertrauensschutz. Infolge dieser Schutzrichtung kann der Forderungsschuldner auf die Sukzessionswirkungen auch verzichten. Ihm steht ein Wahlrecht zu, ob er sich auf § 407 Abs. 1 BGB berufen oder nach der wahren Rechtslage vorgehen möchte. Der Vertrauensschutzgedanke liegt auch dem Schuldnerschutz bei der Mehrfachabtretung gem. § 408 BGB zugrunde. Als objektive Rechtsscheingrundlage dient die Zweitabtretung. Ihre Legitimationswirkung kann sie nur entfalten, wenn sie – abgesehen von der vorausgegangenen Erstabtretung – wirksam gewesen ist. Während §§ 407, 408 BGB das negative Vertrauen des Schuldners auf das Nichtvorliegen einer erfolgten bzw. vorausgegangenen Abtretung schützen, gewährleistet § 409 BGB den Schutz des positiven Vertrauens: Der Schuldner wird in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit der vom Zessionar erteilten Abtretungsanzeige geschützt. In rechtsdogmatischer Hinsicht eröffnet § 409 BGB durch Anknüpfung an eine objektive Rechtsscheinbasis (Abtretungsurkunde, Abtretungsanzeige) eine zusätzliche, § 362 Abs. 2 BGB vergleichbare Erfüllungsoption. Da § 409 BGB auf die Redlichkeit des Schuldners verzichtet, gewährleistet die Vorschrift absoluten Verkehrsschutz. Das gilt uneingeschränkt für die Vorlage einer erkannt unrichtigen Abtretungsurkunde, da dem Schuldner andernfalls das Risiko der doppelten Inanspruchnahme auferlegt würde. Im Fall der unrichtigen Abtretungsanzeige kann sich der Schuldner gegen dieses Risiko durch das Leistungsverweigerungsrecht des § 410 BGB effektiv schützen, so dass insofern mangels normzweckrelevanter Gefahrenlage eine teleologische Reduktion des § 409 BGB angezeigt ist. Dem auf den Schuldner bezogenen abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutz steht als rechtssystematisches Pendant der auf den Gläubiger bezogene schuldübernahmerechtliche Sukzessionsschutz gegenüber. Neben den präventiv wir-
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kenden Zustimmungserfordernissen der §§ 414, 415 BGB bildet § 417 Abs. 1 BGB die normative Grundlage des postventiven Sukzessionsschutzsystems. Davon abgesehen gilt auch hier das allgemeine sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip: Die Rechtsstellung des Forderungsgläubigers darf sich durch den Schuldnerwechsel weder in rechtlich relevanter Weise verschlechtern (Verschlechterungsverbot) noch verbessern (Verbesserungsverbot). Dementsprechend steht dem Gläubiger der Leistungsanspruch gegen den Übernehmer zu, wie er bereits gegenüber dem Altschuldner bestand. Umgekehrt stehen dem Übernehmer gem. § 417 Abs. 1 S. 1 BGB sämtliche in der Person des Altschuldners bereits begründeten Einwendungen zu. Das gilt nicht nur für die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 BGB, sondern – entgegen der h.M. – auch für das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB. Die Einrede der Gestaltbarkeit steht dem Übernehmer hingegen nicht zu. Ebenso wenig kann er – mangels Rechtszuständigkeit – gem. § 417 Abs. 1 S. 2 BGB mit einer Gegenforderung des Altschuldners aufrechnen. Grundsätzlich bedarf der Gläubiger keines besonderen Vertrauensschutzes, da er gem. §§ 414, 415 BGB de lege lata an der Schuldübernahme beteiligt ist. Kommt es aber ausnahmsweise zu einem unerkannten Schuldnerwechsel, etwa weil der Gläubiger schon im Vorfeld in die Schuldübernahme eingewilligt hat, ist sein berechtigtes Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Rechtszuständigkeit des Altschuldners analog § 407 Abs. 1 BGB schutzwürdig. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis hat der Gläubiger, wenn sich eine ihm zur Kenntnis gebrachte Schuldübernahme im Nachhinein als unwirksam herausstellt. Vertrauensschutz gewährleistet in diesem Fall die analoge Anwendung des § 409 BGB. Die vertrauensschützende Wirkung tritt aber nur dann ein, wenn der Übernehmer den Schuldnerwechsel anzeigt. Der vertragsübernahmerechtliche Sukzessionsschutz ist in Anlehnung an die Schuldner- und Gläubigerschutzvorschriften des Zessions- und Schuldübernahmerechts zu entwickeln. Dabei ist mit Blick auf die Mitwirkung des verbleibenden Vertragsteils am Sukzessionsgeschäft eine modifizierte Anwendung der §§ 404, 406 ff. BGB angezeigt. Darüber hinaus gelten das allgemeine sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip sowie das sukzessionsrechtliche Verschlechterungs- und Verbesserungsverbot. Das manifestiert sich namentlich in der Aufrechterhaltung und dem identitätswahrenden Übergang von Einwendungen analog §§ 404, 417 Abs. 1 S. 1 BGB. Soweit sich der Vertragsübergang ohne Mitwirkung des Verbleibenden vollzieht, ist sein Vertrauen auf die fortbestehende Rechtszuständigkeit des ausgeschiedenen Teils analog § 407 BGB schutzwürdig. Gleichermaßen darf der Verbleibende analog § 409 BGB auf eine angezeigte, tatsächlich aber nicht erfolgte oder unwirksame Vertragsübernahme vertrauen. Für die Aufrechnung gelten §§ 406, 417 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend. Der Sukzessionsschutz für obligatorische Rechte ist untrennbar mit der Diskussion über die „Verdinglichung obligatorischer Rechte“ verbunden. In rechtssystematischer Hinsicht bilden diese Sukzessionsschutztatbestände eine
VII. Zusammenfassung
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Ausnahme vom Prinzip der Relativität des Schuldverhältnisses, stehen nach zutreffender Auffassung aber in keiner spezifischen Beziehung zum (sachenrechtlichen) Publizitätsprinzip. Da das schuldrechtliche Relativitätsprinzip dem übergeordneten Grundsatz der Sukzessionsfreiheit dient und auch in rechtsökonomischer Hinsicht sinnvoll ist, müssen Sukzessionsschutzbestimmungen auf besonders zu rechtfertigende Ausnahmefälle beschränkt bleiben und bedürfen einer restriktiven Interpretation und Anwendung. Sukzessionsschutz genießen zunächst schuldrechtliche Erwerbsansprüche, die durch eine bedingte Übertragung gem. § 161 Abs. 1 S. 1 BGB oder mittels Auflassung gem. § 883 Abs. 2 BGB gegen vereinbarungswidrige Drittverfügungen geschützt sind. Beide Tatbestände dienen dem Schutz des schuldrechtlichen Erwerbers und basieren als Beschränkungen der Sukzessionsfreiheit des Veräußerers auf dem Prinzip des schonendsten Eingriffs. Der Sukzessionsschutz für obligatorische Besitzrechte ist Mietern und Pächtern von Grundstücken gem. §§ 566, 578, 578a, 581 Abs. 2 BGB in Form einer Vertragserstreckung gewährleistet; das obligatorische Besitzrecht an beweglichen Sachen kann dem Fahrniserwerber gem. § 986 Abs. 2 BGB in Form der Einwendungserstreckung entgegengehalten werden. Die Vertragserstreckung gem. § 566 BGB verfolgt einen mehrdimensionalen Regelungszweck. Geschützt sind nicht nur die berechtigten Mieterinteressen am Erhalt der Mietsache, sondern gleichermaßen die Kontinuitätsinteressen von Veräußerer und Erwerber, die ebenfalls von einer Vertragserstreckung profitieren. In rechtsdogmatischer Hinsicht handelt es sich – entgegen der bisher h.M. – nicht um den gesetzlichen Neuabschluss eines inhaltsgleichen Mietvertrags mit dem Grundstückserwerber (Novationslösung), sondern um einen identitätswahrenden Übergang des Mietvertrages in Form einer gesetzlichen Vertragsübernahme (Sukzessionslösung). Diese Konstruktion entspricht der Interessenlage der Beteiligten und erklärt die – auch von der Gegenauffassung nicht bestrittene – Geltung des Identitätsprinzips. Zudem spricht die Sukzessionslösung für die grundsätzliche analoge Anwendbarkeit der §§ 404, 406 ff. BGB. Die Einwendungserstreckung des § 986 Abs. 2 BGB vermittelt einen schwächeren Sukzessionsschutz als § 566 BGB. Analoge Anwendung finden aber auch hier grundsätzlich §§ 404, 406 ff. BGB. Der Fahrnisbesitzer kann dem Stammrechtserwerber das Besitzrecht entgegenhalten, weil der Erwerber durch die Übereignung gem. § 931 BGB keine bessere Besitzposition erlangt als der Drittberechtigte und deshalb damit rechnen muss, die im Besitz des Dritten befindliche Sache derzeit nicht zu eigenen Zwecken nutzen zu können. Da dieser Regelungsgedanke auch für andere Formen der Übereignung gilt, findet § 986 Abs. 2 BGB analoge Anwendung auf Sukzessionen gem. §§ 931, 934 Alt. 1 BGB, § 930 BGB, §§ 1032 S. 2, 930, 931 BGB, § 1205 Abs. 2 BGB und – soweit der berechtigte Besitzer an der Übereignung nicht beteiligt ist – § 929 S. 2 BGB. Vereinbarungen über die Verwaltung, Benutzung und Teilung der bürgerlichrechtlichen Bruchteilsgemeinschaft genießen gem. §§ 746, 751, 1010 BGB Sukzessionsschutz. Die Genese der Vorschriften zeigt, dass der historische BGB-
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§ 15 Prinzip des Sukzessionsschutzes
Gesetzgeber den Sonderabreden echten dinglichen Charakter beilegen wollte. In rechtsdogmatischer Hinsicht handelt es sich nach zutreffender Auffassung um dingliche Belastungen sui generis, die der Grunddienstbarkeit angenähert sind. Eine Einschränkung erfährt das Sukzessionsschutzprinzip durch den Schutz des Grundstücksverkehrs vor nicht (ordnungsgemäß) eingetragenen Sonderabreden gem. § 1010 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift schützt übergeordnete Verkehrsinteressen sowie die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs. Da selbst der bösgläubige Erwerber nicht an Sonderabreden gebunden ist, verwirklicht § 1010 Abs. 1 BGB absoluten Verkehrsschutz. Mangels tauglichen Rechtsscheinträgers ist ein vergleichbarer Verkehrsschutz für den Erwerb von Bruchteilen an beweglichen Sachen und Forderungen nicht vorgesehen. In das Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrechte der Wohnungseigentümer entfalten gem. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG Bindungswirkung gegenüber dem Einzelnachfolger. In rechtsdogmatischer Hinsicht handelt es sich um inhaltliche Konkretisierungen des Sondereigentums. Nicht eingetragene Sonderabreden binden den Nachfolger selbst im Falle positiver Kenntnis nicht. Vergleichbare Grundsätze gelten für die privatautonome Ausgestaltung des Erbbaurechts gem. § 2 ErbbauRG, die ebenfalls als inhaltliche Konkretisierung des Erbbaurechts aufzufassen ist.
3. Kapitel
Prinzipien der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession Bisher stand die rechtsgeschäftliche Singularsukzession im Mittelpunkt der Untersuchung. Nach Maßgabe des eingangs entwickelten Forschungsprogramms wurden die tragenden Struktur- und Wertungsprinzipien herausgearbeitet, rechtsdogmatisch sowie rechtsökomisch analysiert und zum Teil Vorschläge zur Fortbildung des Sukzessionsrechts de lege lata et ferenda unterbreitet. Eine Untersuchung der rechtsgeschäftlichen Sukzession wäre indes unvollständig, bliebe die (rechtsgeschäftliche) Universalsukzession völlig außer Betracht. Deshalb ist es Anliegen des vorliegenden Kapitels, unter Fokussierung auf den praktisch so bedeutsamen Anwendungsfall des Umwandlungsrechts die systemprägenden Struktur- und Wertungsprinzipien der (rechtsgeschäftlichen) Universalsukzession herauszuarbeiten und eingehend zu untersuchen. Es wird sich zeigen, dass die Unterschiede zwischen der rechtsgeschäftlichen Einzelund Gesamtnachfolge in rechtstechnischer Hinsicht weit weniger gewichtig sind als gemeinhin angenommen. Das gilt namentlich für die Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession (§ 16). Hingegen ergeben sich für die Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession bemerkenswerte Unterschiede zur Singularsukzession (§ 17). Diese Besonderheiten bilden den Ausgangspunkt für weiterführende Überlegungen zur Fortbildung der rechtsgeschäftlichen Einzel- und Gesamtnachfolge (§ 18). Im Mittelpunkt der Überlegungen de lege ferenda steht der Vorschlag, im Recht der privativen Schuldübernahme auf die in §§ 414, 415 BGB vorgesehene Zustimmungspflicht des Forderungsgläubigers zu verzichten und sein berechtigtes Befriedigungsinteresse in Anlehnung an das Gläubigerschutzsystem des umwandlungsrechtlichen Spaltungsrechts zu schützen. Diese Änderung erleichterte nicht nur die Übertragbarkeit von Verbindlichkeiten, sondern entfaltete Ausstrahlungswirkung auch auf die Vertragsübernahme, die unter Gewährleistung eines effektiven Sukzessionsschutzes nicht länger der Zustimmung der verbleibenden Vertragspartei bedürfte.
§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession Die wirtschaftliche Bedeutung des universalsukzessiven Übertragungsmodus erschließt sich leicht mit Blick auf die dogmengeschichtlichen Grundlagen sowie die Phänomenologie der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession (I.). Diese Betrachtungen bilden das Fundament für die anschließende Analyse der Gesamtnachfolge als rechtstechnisches Prinzip (II.) und die Qualifizierung der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession als eine solche kraft Rechtsgeschäfts (III.). Damit in enger Verbindung steht die den beteiligten Rechtsträgern gewährleistete Gestaltungsfreiheit (IV.) und Sukzessionsfreiheit, die deutlich über die für die Singularsukzession geltenden Standards hinausgeht (V.). Davon abgesehen ergeben sich in Bezug auf die Geltung des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips keine signifikanten Abweichungen zur rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge (VI.). Eine Besonderheit der rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge bildet schließlich das Prinzip des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes (VII.).
I. Dogmengeschichtliche Grundlagen und Phänomenologie Ausgangspunkt der Dogmengeschichte der Universalsukzession ist einmal mehr das römische Recht1. Bereits im alten Rom vollzog sich der Übergang des vom pater familias beherrschten Familieneigentums auf seine Erben nicht als Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände. Vielmehr wuchs den Kindern, die schon zu Lebzeiten eine gewisse Mitberechtigung am Familienvermögen innehatten2, mit dem Tod des Vaters das gesamte Familiengut zu. Das Prinzip der Anwachsung vermochte den Vermögensübergang im Rahmen eines Familien- und Verwandtenerbrechts zu legitimieren. Ungeeignet war es hingegen für die Rechtfertigung der testamentarischen Erbfolge nach Anerkennung der Testierfreiheit. Abhilfe schuf die Anerkennung des universalen Übertragungsmodus. Auf seiner Grundlage vollzog sich der Übergang des Erblasservermögens auf außenstehende Dritte, ohne dass es einer Einzelübertragung der Ver1 Zum Folgenden Muscheler, Jura 1999, 234, 235; ders., Universalsukzession, S. 3 f.; ders., Erbrecht, Rn. 737; klassisch Hasse, AcP 5 (1822), 1 ff.; ferner Claussen, Gesamtnachfolge, S. 39 ff.; speziell zur Persönlichkeitsfortsetzung Wacke, ZRG RA 123 (2006), 197, 208 ff. 2 Kaser, Privatrecht I, § 24 II 1.
I. Dogmengeschichtliche Grundlagen und Phänomenologie
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mögensgegenstände bedurfte. Dass es sich hierbei tatsächlich um einen Rechtsübergang handelt, nicht etwa nur die Rechte und Pflichten von Erblasser und Erben gleichen Inhalts waren, wurde allerdings erst in der nachklassischen Zeit ausdrücklich anerkannt3. Heute ist die Geltung des Gesamtnachfolgemodus für den Rechtserwerb des Erben gem. § 1922 Abs. 1 BGB explizit angeordnet. Nach den gleichen Grundsätzen vollzieht sich gem. §§ 46 S. 1, 88 S. 3 BGB auch der Vermögensanfall des Vereins- und Stiftungsvermögens4. Das ältere römische Recht kannte einen weiteren Fall der Gesamtnachfolge im Ehegüterrecht, und zwar bei der conventio in manum, wenn also die Ehefrau durch Verehelichung unter die Hausgewalt des Ehemannes gestellt wurde. In diesem Fall verlor die bisher gewaltfreie Frau (sui iuris) ihre Vermögensfähigkeit und der Ehemann (pater familias) erwarb ihr gesamtes Vermögen5. Auch im modernen Ehegüterrecht findet gem. § 1416 BGB eine Gesamtnachfolge statt, wenn die Ehegatten, was in der Praxis nicht gerade häufig vorkommt, eine eheliche Gütergemeinschaft begründen6. Gegenstände, die nicht als Sondergut (§ 1417 BGB) oder Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB) vom universalsukzessiven Rechtsübergang ausgeschlossen sind, werden mit Vereinbarung der ehelichen Gütergemeinschaft Gesamtgut, das den Ehegatten gesamthänderisch zusteht (§ 1419 BGB). Das jüngste Mitglied in der Familie der Gesamtnachfolgetatbestände ist die im Unternehmensrecht beheimatete Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG). Einen ersten positivrechtlichen Niederschlag fand dieser Übertragungsmodus für die Fusion von Aktiengesellschaften in Art. 215 Abs. 2, 247 der ursprünglichen Fassung des ADHGB von 1861. Freilich wichen die damaligen Vorschriften noch in wesentlichen Punkten von der heute in §§ 2 ff. UmwG zugelassenen Verschmelzung ab7. Das Grundkonzept des Rechtsübergangs durch Universalsukzession war aber schon damals bekannt8. Anwendung 3
Dazu Kaser/Knütel, Privatrecht, § 65 Rn. 1. Siehe nur Reuter, in: MünchKommBGB, § 47 Rn. 3; § 88 Rn. 1, 5; Weick, in: Staudinger, BGB, § 45 Rn. 6. 5 Dazu Kaser/Knütel, Privatrecht, § 59 Rn. 3; siehe dort noch weitere Fälle der Universalsukzession bei § 60 Rn. 27 (Arrogation) und § 85 Rn. 7 (Ersteher des Schuldnervermögens in der Vermögensvollstreckung). 6 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1416 Rn. 3; Gaul/Althammer, in: Soergel, BGB, § 1416 Rn. 3; Heinemann, in: Erman, BGB, § 1416 Rn. 4; Kanzleiter, in: MünchKommBGB, § 1416 Rn. 17 a.E.; Thiele, in: Staudinger, BGB, § 1416 Rn. 17 ff., 27; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 38 Rn. 24 f.; K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 500; Tiedtke, FamRZ 1976, 510, 511 f.; zumindest missverständlich BayObLG Rpfleger 1976, 348: kein Fall der Rechtsnachfolge, sondern Inhaltsänderung. 7 Für Einzelheiten siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 2 a; Veil, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht II, 24. Kap. Rn. 8 ff.; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 70 ff.; Hennrichs, Formwechsel, S. 28. 8 Authentisch RGZ 9, 11, 18 f.: „Es genügt, daß das Gesetz das durch Fusion begründete Verhältnis (…) als das einer Fortsetzung der alten Rechtspersönlichkeit der aufgelösten Gesellschaft durch die neue Gesellschaft, soweit es sich um die Gläubiger der ersteren handelt, auffaßt“; Wiener, ZHR 27 (1882), 333, 372 f.: „(…) die bisherige Person der auflösenden Gesellschaft wird 4
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
fand es nicht allein auf die Fusion, sondern auch auf den übertragenden Formwechsel, wie er in §§ 80, 81 GmbHG 1892 vorgesehen war9. Nach den modernen §§ 190 ff. UmwG vollzieht sich der Formwechsel heute nicht länger als eine Spielart der Gesamtnachfolge; stattdessen bleibt die Identität des formwechselnden Rechtsträgers überhaupt unberührt. Im Übrigen findet sich neben der im Verschmelzungsrecht (§§ 2 ff. UmwG) – und im Erbrecht (§ 1922 Abs. 1 BGB) – verwirklichten totalen Universalsukzession in Gestalt der Spaltung gem. §§ 123 ff. UmwG eine partielle Universalsukzession, die Karsten Schmidt füglich als „Schlußstein des rechtsdogmatischen Umwandlungsgebäudes“10 bezeichnet hat11.
II. Universalsukzession als rechtstechnisches Prinzip 1. Das Proprium der Universalsukzession Das Proprium der Universalsukzession liegt in dem einheitlichen und zeitgleichen12 Übergang einer zum Vermögen gehörenden Gesamtheit von Rechten und Pflichten auf den übernehmenden Rechtsträger13. Durch Universalsukzession übertragen wird allerdings kein (singuläres) Recht am Vermögen als solchem14, das der modernen Privatrechtsdogmatik fremd ist15 und auch mit dem 9 durch Universalsuccession der aufnehmenden Gesellschaft in ihr Vermögen entledigt“; siehe auch schon die Motive zum preußischen Entwurf von 1857, bei Schubert, S. 98: „(…) es kann der anderen Gesellschaft, auf welche das Vermögen übergeht, (…)“; vgl. aus dem modernen Schrifttum noch Veil, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht II, 24. Kap. Rn. 10; K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 504; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 71 f.; Hügel, Verschmelzung, S. 36. 9 Speziell dazu Veil, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht II, 24. Kap. Rn. 18; allgemein zur Entwicklungsgeschichte des Formwechsels K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 1; Hennrichs, Formwechsel, S. 28 f. 10 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 IV 4. 11 Auf die Vermögensübertragung gem. §§ 174 ff. UmwG wird hier nicht eingegangen, weil sie im Vergleich zu Verschmelzung und Spaltung in sukzessionsrechtlicher Hinsicht keine Besonderheiten aufweist. Sie unterscheidet sich von den beiden Umwandlungsformen durch die gewährte Gegenleistung, die gerade nicht in Anteilen, sondern in Geld oder einer anderen Gegenleistung bestehen muss. 12 Muscheler, Erbrecht, Rn. 814 ff. spricht in diesem Zusammenhang von der „Einheitlichkeit des Übergangszeitpunkts“ oder „Unitemporalität“. 13 Vgl. bereits oben § 1 III. 1. und Hasse, AcP 5 (1822), 1, 19; aus der modernen Literatur ausf. Claussen, Gesamtnachfolge, S. 27 ff. mit Kritik auf S. 34 ff. 14 Allgemein v. Tuhr, AT II/1, S. 86; zum Nachlass Boehmer, in: Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 1922 Rn. 137; Leipold, in: MünchKommBGB, § 1922 Rn. 119; Muscheler, Erbrecht, Rn. 835; vgl. noch Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 2; a.A. zum gemeinen Recht noch v. Savigny, System III, S. 13; missverständlich J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 37. 15 Vgl. BGH NJW 1968, 392, 393; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 22; Stresemann, in: MünchKommBGB, § 90 Rn. 42; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 788; Enneccerus/Nipperdey, AT I, § 131 IV; Heck, Sachenrecht, § 26, 6; Köhler, BGB AT, § 22 Rn. 15; Larenz/Wolf, BGB AT, § 21 Rn. 19; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 20.
II. Universalsukzession als rechtstechnisches Prinzip
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hiesigen Spezialitätsverständnis16 konfligiert. Vielmehr gehen die zum Vermögen gehörenden Rechte und Pflichten uno actu als Ganzes auf den Gesamtnachfolger über. Wo bei einer Übertragung aufgrund Singularsukzession eine Vielzahl von Übertragungsakten erforderlich ist, die sich in Abhängigkeit von den konkreten Verfügungsgegenständen nach dem jeweils einschlägigen Einzelnachfolgetatbestand richten, bewerkstelligt der universalsukzessive Übertragungsmodus den ganzheitlichen Rechtsübergang auf der Grundlage eines einheitlichen Transfertatbestands, der eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorcht und insbesondere auf die jeweiligen Übertragungsvoraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession verzichtet17. Entbehrlich ist daher namentlich die Einhaltung der für die unterschiedlichen Vermögenspositionen vorgesehenen Vollzugselemente18. Beispielsweise geht das Eigentum an Grundstücken und Grundstücksrechten auch ohne Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch auf den übernehmenden Rechtsträger über. Die Überleitung von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen ist ohne Zustimmung des Gläubigers gem. §§ 414, 415 BGB bzw. des verbleibenden Vertragsteils wirksam19. Überhaupt brauchen die Beteiligten die das Vermögen konstituierenden Gegenstände nicht einmal zu kennen und sich des stattfindenden Rechtsübergangs auch nicht bewusst zu sein20. Demnach besteht der maßgebliche wirtschaftliche Vorteil der Universalsukzession in einem erleichterten Rechtsübergang komplexer Rechtsverhältnisse. Ebenso gelangt es für das Umwandlungsrecht in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck21: Sämtlichen Umwandlungsformen „ist gemeinsam, daß die einzelnen Vermögensgegenstände und die einzelnen Verbindlichkeiten der übertragenden Rechtsträger nicht – wie sonst im deutschen Recht zwingend vorgesehen – durch Einzelübertragung an die übernehmenden und neuen Rechtsträger übertragen werden, sondern daß eine Gesamtrechtsnachfolge oder eine entsprechende Sonderrechtsnachfolge stattfindet, die den Vermögensübergang erheblich erleichtert, in vielen Fällen einen solchen Vorgang überhaupt erst möglich macht.“
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Siehe oben § 8 I. und unten § 16 VI. 1. Exemplarisch Leipold, in: MünchKommBGB, § 1922 Rn. 124: „Die Erbfolge ist für sämtliche vererblichen Rechte ein selbstständiger und vollständiger Erwerbstatbestand, der mit den Voraussetzungen eines Rechtserwerbs unter Lebenden nichts zu tun hat.“ Kipp/Coing, Erbrecht, § 1 II 1 c: „Die Rechtsnachfolge in das Vermögen des Erblassers vollzieht sich ipso iure; es bedarf keiner Übertragung der einzelnen Rechte, keiner Übernahme der einzelnen Verbindlichkeiten“; Hervorhebung im Original weggelassen. Vgl. weiter Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 142 I; Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 32; Muscheler, Erbrecht, Rn. 800; v. Tuhr, AT II/1, S. 86; K. Mertens, Umwandlung, S. 13; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 19, 45. 18 Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 I 6 c. 19 Dazu ausf. unten § 16 V. 1. 20 Siehe etwa Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 10; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 8; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 4; H. Schmidt, Rechtsnachfolge, S. 19. 21 BT-Drucks. 12/6699, S. 72. 17
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In diesem Sinne gewährleistet das Prinzip der Universalsukzession, dass alle – übertragbaren – Vermögenspositionen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen und nicht einzelne Gegenstände zurückbleiben, herrenlos werden oder erlöschen22. Neben diese rechtstechnische Vereinfachung tritt die zeitliche Konzentrationswirkung des universalsukzessiven Rechtsübergangs23. Sämtliche Vermögenswerte gehen in ein und demselben Zeitpunkt – bei der Umwandlung im Eintragungszeitpunkt (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) – auf den Gesamtnachfolger über. Es war ein maßgebliches Anliegen der modernen Umwandlungsgesetzgebung, durch diese temporäre Konzentrationswirkung Transaktionskosten einzusparen24.
2. Totale und partielle Universalsukzession Entgegen einer namentlich im Erbrecht vertretenen Auffassung25 muss sich die Universalsukzession nicht notwendig auf die Übertragung des gesamten Vermögens beziehen (totale Universalsukzession). Das gilt nicht erst seit Bestehen des modernen Spaltungsrechts (§§ 123 ff. UmwG). Vielmehr können auch Ehegatten, die sich für die Begründung einer ehelichen Gütergemeinschaft entschieden haben, einzelne Gegenstände gem. § 1418 Abs. 2 BGB als Sondergut deklarieren und auf diese Weise vom universalsukzessiven Übergang in das Gesamtgut ausnehmen. Man spricht in diesen Fällen von einer partiellen Universalsukzession. Der tiefere Grund für die Differenzierung zwischen totaler und partieller Universalsukzession liegt in der Subjektbezogenheit von Vermögenspositionen. Verweigert man nämlich subjektlosen Rechten mit der h.M. die Anerkennung26 und will man darüber hinaus eine ungerechtfertigte Schuldnerbegünstigung (durch ersatzlosen Fortfall von Verbindlichkeiten) vermeiden27, muss sichergestellt sein, dass sämtliche Vermögenspositionen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, wenn der übertragende Rechtsträger im Zusammenhang mit dem Rechtstransfer ersatzlos erlischt bzw. die Fähigkeit einbüßt, Träger von Rechten und Pflichten zu sein28. Zudem verhindert die Ausgestaltung 22
Siehe Lange, Erbrecht, § 8 Rn. 24; Meincke, DStJG 10 (1987), 19, 30. Vgl. Voigt, Umwandlung, S. 15. 24 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 71 f. 25 Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 86; Regelsberger, Pandekten I, § 122 II 1; ausf. (zu § 1922 Abs. 1 BGB) Muscheler, Erbrecht, Rn. 741 ff., der in diesem Zusammenhang von der „Gesamtheit des Übergangsobjekts“ oder „Universalität im engeren Sinne“ (Rn. 740 f.) spricht; vgl. weiter Flad, in: Planck, BGB, § 1922 Anm. 2a; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 142. 26 Dazu näher v. Tuhr, AT I, S. 76 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT I, § 75 III, § 84 II 3 Fn. 10; Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 21; Bork, BGB AT, Rn. 309; K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 497; a.A. Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 63 Anm. 5, § 78 Anm. 1; Hübner, BGB AT, Rn. 76; ausf. Hohner, Rechte, S. 63 ff. und passim. 27 Forderungen erlöschen mit dem Wegfall des Gläubigers grundsätzlich ipso iure. 28 Dazu auch Muscheler, Erbrecht, Rn. 742; K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 499; Meincke, DStJG 10 (1987), 19, 30. 23
II. Universalsukzession als rechtstechnisches Prinzip
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des Übertragungsmodus als totale Universalsukzession, dass einzelne Vermögenspositionen übersehen werden und in der Folge erlöschen oder herrenlos werden. In der Unternehmenspraxis erweist sich die totale Spielart der Gesamtnachfolge aber vielfach als zu unflexibel. Soll etwa nur ein Teil eines Unternehmens verkauft und übertragen werden, hilft die totale Universalsukzession typischerweise nicht weiter. Die Parteien wären auf die Singularsukzession verwiesen, müssten in diesem Rahmen sämtliche Vollzugselemente vollständig verwirklichen und, falls nötig, auch etwaige Zustimmungen Dritter einholen. Diese Schwierigkeiten werden durch die Anerkennung des partiellen Übertragungsmodus vermieden. Das Paradigma der partiellen Universalsukzession ist die umwandlungsrechtliche Spaltung (§§ 123 ff. UmwG)29. Im Rahmen des Spaltungsvertrages bzw. Spaltungsplans30 können die beteiligten Rechtsträger gem. § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG die auf die übernehmenden Rechtsträger zu übertragenden Vermögensgegenstände nach freiem Belieben zuordnen (Spaltungsfreiheit)31. Der universalsukzessive Übertragungsmodus findet aber auch im Falle der partiellen Gesamtnachfolge Anwendung32. Die erfassten Vermögensgegenstände fallen dem Nachfolger als Ganzes, uno actu und im gleichen Zeitpunkt an, ohne dass die für die Einzelübertragung vorgesehenen Kautelen einzuhalten wären.
3. Ökonomische Analyse Das Regelungsziel der Universalsukzession ist nach dem bisher Gesagten auf die Vereinfachung und Erleichterung der Übertragung komplexer Vermögensgesamtheiten gerichtet33. Aus ökonomischer Warte ist der universalsukzessive Vermögenstransfer verbunden mit einer signifikanten Senkung der mit solchen Transaktionen einhergehenden Kosten. Einsparungen resultieren in diesem Zusammenhang aus ganz unterschiedlichen Charakteristika der Gesamtnachfolge: Zunächst vollzieht sich der Rechtsübergang an den zu einer Gesamtheit gebündelten Verfügungsgegenständen nicht nach Maßgabe der für die rechtsgeschäftliche Singularsukzession geltenden Rechtsvorschriften. Namentlich die (sachenrechtlichen) Vollzugselemente, wie Grundbucheintragung, Sachübergabe und Verpfändungsanzeige, sind entbehrlich. Das spart Kosten für die 29 Zur Terminologie etwa Claussen, Gesamtnachfolge, S. 24; kritisch etwa Zöllner, FS Claussen, S. 423, 440 f. 30 Der Spaltungsplan tritt gem. § 136 UmwG bei der Spaltung zur Neugründung an die Stelle des Spaltungs- und Übernahmevertrages. Im Folgenden ist nur noch vom Spaltungsplan die Rede. Soweit nicht anders angezeigt, gilt das Gesagte für den Spaltungsplan entsprechend. 31 Dazu im Einzelnen unten § 16 IV. 3. 32 Für die h.M. vgl. nur Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 9; Heidenhain, ZIP 1995, 801; Kleindiek, ZGR 1992, 513, 514; K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 520, 523; Teichmann, ZGR 1993, 396, 403; abweichend Claussen, Gesamtnachfolge, S. 145 ff., 156 ff., 160 f. 33 Vgl. Claussen, Gesamtnachfolge, S. 109; Windel, Modi, S. 14 f.; Klöhn, JuS 2003, 360, 364.
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Durchführung der einzelnen Sukzessionsgeschäfte. Zwar ist auch die Durchführung der Universalsukzession mit Transaktionskosten verbunden34. Soll allerdings eine große Vielzahl von Sukzessionsgegenständen auf einmal übertragen werden, fallen die für die Universalsukzession zu Buche schlagenden Kosten im Vergleich zu den Aufwendungen, die mit der individuellen Rechtsübertragung nach dem Modus der Singularsukzession verbunden wären, kaum ins Gewicht. Zugleich können sich die beteiligten Rechtsträger im Rahmen der Verhandlungen über die Durchführung eines universalsukzessiven Rechtsübergangs auf wenige Regelungen beschränken und dennoch eine Fülle von Vermögenspositionen einheitlich übertragen. Noch deutlicher zeigen sich die praktischen Vorteile der Universalsukzession mit Blick auf die Zustimmungserfordernisse des Forderungsgläubigers bei der privativen Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB und des verbleibenden Vertragsteils bei der Vertragsübernahme. Da die Zustimmung der jeweiligen Gegenpartei im Rahmen der Gesamtnachfolge entbehrlich ist35, entfallen zum einen die mit der Zustimmungserteilung verbundenen Informations-, Sicherungs- und Verhandlungskosten. Weder muss sich der Erwerber über etwaige Zustimmungsrechte Dritter informieren, noch muss er Forderungsgläubigern oder Vertragspartnern für ihre Zustimmung eine Gegenleistung zahlen oder Sicherheitsleistungen erbringen; überhaupt braucht er mit den Gegenparteien nicht in kostenträchtige Verhandlungen einzutreten36. Zum anderen wird die Hold-up-Position des Zustimmungsberechtigten aufgelöst, der es im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession in der Hand hat, die Transaktion aus strategischen Gründen scheitern zu lassen37. Und schließlich überwindet die Universalsukzession regelmäßig auch bestehende Verfügungsbeschränkungen38. Entgegen § 399 Alt. 2 BGB gehen deshalb vinkulierte Forderungen und andere Vermögensrechte ungehindert auf den Gesamtnachfolger über. Die mit rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkungen verbundenen Kostennachteile39 werden hierdurch vermieden. Darüber hinaus reduziert sich die Fehleranfälligkeit des Übertragungsvorgangs, was sich in niedrigeren Reparatur- und Streitbewältigungskosten niederschlägt. Da nicht länger für sämtliche Übertragungsgegenstände die jeweils geltenden, unterschiedlichen Sukzessionstatbestände verwirklicht werden müssen, sich der Rechtsübergang vielmehr als Ganzes nach einem einzigen Gesamtnachfolgetatbestand vollzieht, reduziert sich auch das Fehlerpotenzial auf diesen Übertragungstatbestand. Es liegt auf der Hand, dass ein Fehler notwendig die 34 Man denke etwa an die Kosten für die Einhaltung der Formvorschriften im Umwandlungsrecht; siehe dazu unten § 16 VII. 3. 35 Dazu ausf. unten § 16 V. 1. 36 Zum Problem auch K. Mertens, Umwandlung, S. 69. 37 Rieble, ZIP 1997, 301 spricht in diesem Zusammenhang von „,räuberischen‘ Gläubigern und Vertragspartnern“. 38 Vgl. auch Hennrichs, Formwechsel, S. 144. 39 Dazu ausf. oben § 4 III. 4. b) cc).
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Übertragung sämtlicher Vermögenspositionen in Mitleidenschaft ziehen und die Transaktion als Ganze scheitern lassen kann. Aus diesem Grund verfügen rechtsgeschäftliche Gesamtnachfolgetatbestände aber regelmäßig über besondere Schutzvorschriften, namentlich in Gestalt besonderer Formerfordernisse sowie weitreichender Bestandsschutzregeln, die Rückabwicklungen von Transaktionen praktisch ausschließen40. Zugleich ist Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit des universalsukzessiven Rechtsübergangs von vornherein der Boden entzogen. Und selbst wenn es im Einzelfall gleichwohl zu juristischen Auseinandersetzungen kommen sollte, wird nicht über eine große Vielzahl individueller Rechtsübertragungen gestritten. Streitgegenstand ist ausschließlich die Einhaltung des einzelnen Gesamtnachfolgetatbestands. Diese Erwägungen sprechen im Grundsatz für die ökonomische Sinnhaftigkeit des Übertragungsmodus der Universalsukzession. Allerdings hängt das konkrete Maß der hiermit verbundenen Effizienzgewinne maßgeblich von der Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände ab. Dabei fällt die Senkung der Transaktionskosten umso höher aus, je flexibler das Instrument der Gesamtnachfolge in der Wirtschaftspraxis einsetzbar ist und je umfassender Vermögensgegenstände auf den übernehmenden Rechtsträger übergeleitet werden können. Das spricht aus ökonomischer Perspektive zum einen für eine möglichst weitreichende Verwirklichung von Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Universalsukzession. Die im Umwandlungsrecht niedergelegte Spaltungsautonomie steht hierfür paradigmatisch41. Zum anderen streitet das Transaktionskostenargument für eine möglichst weitgehende und ungehinderte Übertragbarkeit von Rechtspositionen (Sukzessionsfreiheit). Vor diesem Hintergrund sind der Verzicht auf die Zustimmungserfordernisse der Schuld- und Vertragsübernahme sowie die weitgehende Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen zu würdigen42.
III. Universalsukzession kraft Rechtsgeschäfts Dass sich die Erscheinungsformen der erb- und familienrechtlichen Universalsukzession kraft Gesetzes vollziehen, ist heute anerkannt43. Gleiches gilt für den gesetzlich nicht geregelten Fall der Gesamtnachfolge, der durch Vereinigung sämtlicher Anteilsrechte an Personengesellschaften ausgelöst wird44. Dieser 40
Zum Ganzen unten § 16 VII. Siehe dazu § 16 IV. 3. 42 Zu deren Verwirklichung siehe unten § 16 V. 43 Für den Erbfall siehe exemplarisch Weidlich, in: Palandt, BGB, § 1922 Rn. 6; Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 10; Dreyer, JZ 2007, 606; für die eheliche Gütergemeinschaft siehe oben Fn. 6. 44 Dazu näher K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 510. Zum Problemkreis im Allgemeinen Fett/ Brand, NZG 1999, 45 ff.; Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 ff.; Schmölz, FS Beuthien, S. 235 ff.; Köhler, FS Spiegelberger, S. 791 ff.; aus der neueren Rechtsprechung vgl. KG ZIP 2007, 1505; OLG 41
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rechtssystematischen Verortung folgt die tradierte Auffassung auch für die Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG45, während die vordringende Auffassung inzwischen überwiegend davon ausgeht, dass sich die umwandlungsrechtliche Universalsukzession auf rechtsgeschäftlicher Grundlage vollzieht46.
1. Umwandlungsvertrag als rechtsgeschäftliches Element Tatsächlich ist die umwandlungsrechtliche Universalsukzession als Vermögenstransfer kraft Rechtsgeschäfts zu qualifizieren. Denn während im Erbfall der Vermögensübergang auch ohne Vorliegen eines Testaments oder Erbvertrages stattfindet und das Vermögen der Ehegatten auch ohne die Vereinbarung von Sondergut zu Gesamtgut wird, beruhen sämtliche Umwandlungsvorgänge auf der notwendigen rechtsgeschäftlichen Grundlage eines Umwandlungsvertrages. In Verschmelzungs- und Spaltungsverträgen manifestiert sich in jedem einzelnen Fall die rechtsgeschäftliche Initiative der an der Transaktion beteiligten Rechtsträger. Dass sich die Gesamtnachfolge im Todesfall kraft Gesetzes vollzieht, beruht auf den realen Besonderheiten der erbrechtlichen Nachfolge. Mit dem Ableben des Erblassers entfällt nämlich das Zuordnungssubjekt für das Erblasservermögen. Will man die ungeliebte Folge subjektloser Vermögenspositionen vermeiden und sie auch nicht dem ersatzlosen Verfall anheimstellen47, muss das Vermögen rechtssicher auf den Erben übergeleitet werden, und zwar auch dann, wenn der Erblasser keine (rechtsgeschäftlichen) Vorkehrungen in Bezug auf seine Vermögensnachfolge getroffen hat. Eine Universalsukzession kraft Gesetzes wird der Interessenlage der Beteiligten im Erbfall daher am besten ge45 Karlsruhe ZIP 2007, 1908; OLG München DB 2010, 1458; ZIP 2009, 810, 813; BWNotZ 2008, 150; OLG Schleswig ZIP 2006, 615; VGH Kassel ZIP 2010, 880; OVG Sachsen-Anhalt BB 2009, 1322. 45 BFH BB 1994, 1067 (zu § 93e GenG a.F.); Bayer, in: MünchKommAktG, § 68 Rn. 52; Hüffer, AktG, § 68 Rn. 11; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 6; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 4; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 35; Mayer, in: Widmann/ Mayer, UmwG, § 4 Rn. 31; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 6; Stratz, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 4 Rn. 8; Heidenhain, ZIP 1995, 801 ff.; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1754; Oetker, VersR 1992, 7, 8 f.; generell für gesetzlichen Erwerb Claussen, Gesamtnachfolge, S. 110. Ebenso die Stellungnahmen zu § 613a BGB (siehe nur Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 613a Rn. 217) und § 892 BGB (siehe etwa Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 31; Stürner, in: Soergel, BGB, § 892 Rn. 20; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 83). 46 Grundlegend K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495 ff., 510 ff.; zuvor bereits Gilbert, JW 1928, 2597 ff.; ferner Joost, in: Lutter, UmwG, § 324 Rn. 2; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 11; Rieble, ZIP 1997, 301, 303; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 1 ff., 78 f. und passim; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 147 f.; Hahn, Grenzen, S. 71 ff.; Hennrichs, Formwechsel, S. 36; Marx, Spaltung, S. 78; Mertens, Umwandlung, S. 64 ff.; Müntefering, Schranken, S. 34 f.; Petersen, Gläubigerschutz, S. 321 ff., 350; Voigt, Umwandlung, S. 12 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 6 II 1 b; Früh, FS Hopt, S. 1823, 1836. 47 Zum Problem siehe oben § 16 II. 2.
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recht. Das hindert den Erblasser zwar nicht daran zu bestimmen, wer Erbe sein soll, sowie den Erben mit Vermächtnissen und Auflagen zu beschweren. Keinen Einfluss kann er indes auf Modus und Bedingungen der Universalsukzession nehmen. Mit dem Tod des Erblassers als alleinigem Tatbestandsmerkmal geht das Erblasservermögen gem. § 1922 Abs. 1 BGB als Ganzes auf die Erben über. Die umwandlungsrechtliche Universalsukzession ist hingegen nicht notwendig mit einem Wegfall des übertragenden Rechtsträgers verbunden. Namentlich bei der Abspaltung und Ausgliederung gem. § 123 Abs. 2 und 3 UmwG besteht der übertragende Rechtsträger fort. Aber selbst wenn es bei Verschmelzung (§ 2 UmwG) und Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) zum Wegfall des übertragenden Rechtsträgers kommt, tritt diese Rechtsfolge nicht ohne den Willen der beteiligten Rechtsträger ein. Der umwandlungsbedingte Untergang eines Rechtsträgers ist stets auf die privatautonome Willensentscheidung des Rechtsträgers selbst zurückzuführen. Zwar treten die Rechtsfolgen der Umwandlungsvorgänge nach Maßgabe der §§ 20, 131 UmwG und damit auf gesetzlicher Grundlage ein. Dennoch – und das ist für die Differenzierung zwischen rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Sukzessionen letztlich entscheidend48 – findet die umwandlungsrechtliche Universalsukzession statt, weil die beteiligten Rechtsträger diesen Rechtserfolg unmittelbar zielgerichtet angestrebt haben und die Rechtsordnung in Gestalt des Umwandlungsgesetzes dem Parteiwillen mittels Bereitstellung eines rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolgetatbestands zum Durchbruch verhilft49. Da die umwandlungsrechtliche Universalsukzession ausschließlich auf privatautonomer Grundlage, genauer: auf Grundlage des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsvertrages, eintreten kann, die jeweils final auf die Herbeiführung der charakteristischen Rechtswirkungen der Gesamtnachfolge gerichtet sind, handelt es sich um einen Rechtsübergang kraft Rechtsgeschäfts. Demgegenüber handelt es sich bei der erbrechtlichen Universalsukzession um einen Rechtsübergang kraft Gesetzes, weil § 1922 Abs. 1 BGB nicht an einen auf die Herbeiführung der Gesamtnachfolge gerichteten Parteiwillen anknüpft, sondern an eine andere juristisch relevante Tatsache, nämlich das Ableben einer natürlichen Person. Deshalb ist es letztlich auch ohne Belang, dass die Sukzessionswirkungen des Verschmelzungs- und Spaltungsvertrages von der Eintragung in das Handelsregister gem. §§ 20 Abs. 1, 131 Abs. 1 UmwG abhängen50. Der entscheidende Umstand für die Durchführung der Gesamtnachfolge ist und bleibt der im Umwandlungsvertrag manifestierte Wille der Vertragsparteien, während sich die Registereintragung nur als Hilfsakt zur Verwirklichung dieses Partei48
Siehe oben § 2 III. 1. a). In diesem Sinne auch Rieble, ZIP 1997, 301, 304; Teichmann, ZGR 1993, 396, 398; Schöne, Spaltung, S. 32. 50 So aber Oetker, VersR 1992, 7, 8; wie hier dagegen Gilbert, JW 1928, 2597, 2598; K. Mertens, Umwandlung, S. 66; Müntefering, Schranken, S. 34; Voigt, Umwandlung, S. 13. 49
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willens darstellt51. Vergleichbare Vollzugsakte finden sich gleichermaßen bei der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession, beispielsweise in Form der Grundbucheintragung im Immobiliarsachenrecht (§ 873 Abs. 1 BGB). Hier wie dort ist die Registereintragung schlichte Wirksamkeitsvoraussetzung, die weder aus der Grundstücksübereignung eine Legalsukzession macht noch als Anhaltspunkt für die gesetzliche Natur der umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolge herangezogen werden kann. Die Bedeutung der Registereintragung im Umwandlungsrecht liegt vielmehr darin, einen tauglichen Anknüpfungspunkt für das besondere (umwandlungsrechtliche) Bestandsschutzsystem zu schaffen52. Schließlich steht der hiesigen Position auch die Zuordnung vergessener Vermögenswerte gem. § 131 Abs. 3 UmwG nicht entgegen. Die Vorschrift wird von der tradierten Auffassung bemüht, um den rechtsgeschäftlichen Charakter der umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolge in Zweifel zu ziehen53. Der in § 131 Abs. 3 UmwG angeordnete anteilige Übergang nicht ausdrücklich zugewiesener Gegenstände auf alle übernehmenden Rechtsträger soll lediglich verhindern, dass subjektlose Vermögensrechte ersatzlos wegfallen bzw. herrenlos werden. Es greift daher wesentlich zu kurz, wenn die Kritiker argumentieren, da die betreffenden Vermögenswerte vom Spaltungsvertrag nicht erfasst seien, könnten sie auch nicht kraft Rechtsgeschäfts übergehen. Vielmehr verhilft § 131 Abs. 3 UmwG letztlich nur dem rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien zum Durchbruch: Hätten die Vertragsparteien nämlich bedacht, dass einzelne Vermögenspositionen womöglich im Spaltungsvertrag unberücksichtigt bleiben, hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Vorsorge in Form einer vergleichbaren Vertragsklausel getroffen. Fehlt es an einer solchen Regelung, sorgt § 131 Abs. 3 UmwG für Abhilfe.
2. Folgerungen für die Rechtsnatur von Umwandlungsverträgen Anerkennt man den rechtsgeschäftlichen Charakter der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession, hat das unmittelbare Konsequenzen für die Rechtsnatur von Umwandlungsverträgen. Unstreitig anerkannt ist heute – in Parallele zu Unternehmensverträgen54 – der organisationsrechtliche Charakter von Verschmelzungs- und Spaltungsverträgen55 sowie deren schuldrechtliche Wir51
Zutreffend Gilbert, JW 1928, 2597, 2598 unter Hinweis auf v. Tuhr, AT II/1, S. 151 f. Dazu ausf. unten § 16 VII. 1. 53 So etwa Oetker, VersR 1992, 7, 8. 54 BGHZ 105, 324, 331; Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 291 Rn. 25; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 17; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 291 Rn. 23; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, Vor § 291 Rn. 25 f. 55 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 4; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 7; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 4; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1754; Schöne, Spaltung, S. 33. 52
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kung56. Die schuldrechtliche Verpflichtung zur Durchführung der Strukturmaßnahme können die beteiligten Rechtsträger in letzter Konsequenz auch im Klagewege durchsetzen57. Umstritten ist hingegen, ob Umwandlungsverträgen auch dingliche Wirkung zukommt. Das verneint die noch immer h.M. mit der Begründung, der Rechtsübergang als solcher vollziehe sich mit Eintragung der Umwandlungsmaßnahme kraft Gesetzes58. Die Gegenposition legt den Umwandlungsverträgen auch Verfügungswirkung bei59 und bringt sie mit der verfügenden Einigung der rechtsgeschäftlichen Sukzession in Verbindung. Anerkennt man den rechtsgeschäftlichen Charakter von Verschmelzungs- und Spaltungsverträgen, ist es tatsächlich nur konsequent, ihnen auch verfügende Rechtswirkung beizumessen: Ebenso wie sich der Erwerbstatbestand im Immobiliarsachenrecht (§ 873 Abs. 1 BGB) aus einer dinglichen Einigung (Auflassung) und der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch zusammensetzt, konstituiert sich der umwandlungsrechtliche Gesamtnachfolgetatbestand aus einer verfügenden Einigung in Form des Umwandlungsvertrages und der Eintragung der Umwandlungsmaßnahme in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers. In Parallele zu den sachenrechtlichen Einzelnachfolgetatbeständen sind auch die umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestände in dualistischer Weise strukturiert, bestehend aus einer verfügenden Einigung (Willenselement) und einem nach außen gerichteten Publizitätsakt (Vollzugselement). Insofern fügen sich rechtsgeschäftliche Universalsukzessionstatbestände des Umwandlungsrechts nahtlos in das bisher entworfene System des Sukzessionsrechts ein. Die Qualifikation der Umwandlungsverträge als dingliche Rechtsgrundlage für die umwandlungsrechtliche Gesamtnachfolge bildet ein tragfähiges Fundament für die Übertragung einzelner Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Singular- auf die Universalsukzession. Das gilt namentlich für die Wertungen der Sukzessionsfreiheit60, aber auch für die Geltung des Spezialitätsund Bestimmtheitsprinzips61.
56 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 5; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 5; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 4 Rn. 9; Schöne, Spaltung, S. 33 f. 57 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 27; D. Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 4 Rn. 61; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 45 Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 4 Rn. 10. 58 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 6; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 4 Rn. 2; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 7; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 6; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 4 Rn. 8; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1754; Schöne, Spaltung, S. 34 f.; Hahn, Grenzen, S. 46. 59 Gilbert, JW 1928, 2597, 2598; Rottnauer, DB 1992, 1393, 1394; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 81 ff.; Hügel, Verschmelzung, S. 160; Voigt, Umwandlung, S. 52. 60 Siehe unten § 16 V. 61 Siehe unten § 16 VI.
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IV. Gestaltungsfreiheit und Universalsukzession Von eigenständiger Bedeutung für die praktische Anwendbarkeit sowie das dogmatische Verständnis der Gesamtnachfolgetatbestände ist der Aspekt der Gestaltungsfreiheit. Da der universalsukzessive Übertragungsmodus zum Rechtsübergang einer Gesamtheit von Vermögenspositionen führt, stellt sich die Frage, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang die beteiligten (übertragenden und übernehmenden) Rechtsträger auf den Vermögenstransfer einwirken können.
1. Prinzip der Testierfreiheit Die Gestaltungsfreiheit im Erbrecht beschränkt sich nach Maßgabe der Testierfreiheit auf die Festlegung der übernehmenden Rechtsträger (Erben) und die spätere Verteilung (Vermächtnis, Teilungsanordnung) und Verwaltung des Nachlasses (Auflassung, Testamentsvollstreckung). Hingegen kann weder die Geltung des universalsukzessiven Übertragungsmodus gem. § 1922 Abs. 1 BGB abbedungen62 noch können einzelne Vermögensgegenstände oder ein Bruchteil des Vermögens vom Rechtsübergang ausgenommen werden. Der Übergang des gesamten Erblasservermögens auf die Erben ist die zwingende Reaktion des Rechts auf die verlustig gegangene Rechtsfähigkeit des Erblassers63. Höchstpersönliche Rechte erlöschen. Alle übrigen Vermögensrechte müssen einem anderen Rechtsträger zugeordnet werden, will man subjektlose Rechte auf Dauer vermeiden64.
2. Eheliche Gütergemeinschaft Den Partnern einer ehelichen Gütergemeinschaft ist ein größerer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Anders als der Erblasser können die Ehegatten insbesondere einzelne Vermögensgegenstände durch Ehevertrag gem. § 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu Vorbehaltsgut erklären und so vom identitätswahrenden Übergang in das Gemeinschaftsvermögen ausnehmen. Rechtssystematisch erklärt sich das höhere Maß an Gestaltbarkeit aus dem Umstand, dass hier keine subjektlosen Rechte entstehen können. Denn die Ehegatten verlieren jeder für sich 62 Das war in § 1749 Abs. 2 des 1. BGB-Entwurfs noch ausdrücklich festgeschrieben (dazu Motive zum BGB, Bd. 5, S. 3), ist aber als Selbstverständlichkeit von der 2. BGB-Kommission ersatzlos gestrichen worden, ohne indes die Richtigkeit dieser Regel in Frage zu stellen (dazu Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 2). Vgl. auch Muscheler, Erbrecht, Rn. 738, 848 ff.; Kroppenberg, Privatautonomie, S. 255. Siehe noch Leipold, in: MünchKommBGB, § 1922 Rn. 120: „Jeder Erblasser hat (mindestens) einen Erben als Gesamtrechtsnachfolger.“ 63 Wie hier auch K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 497. 64 Zu Letzterem siehe oben die Nachw. in Fn. 26.
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durch den Abschluss des die Gütergemeinschaft begründenden Ehevertrags nicht ihre Rechtssubjektivität. Nicht in das Gesamtgut übergeleitete Vermögensrechte können auch weiterhin den Ehegatten persönlich zugeordnet bleiben. In teleologischer Hinsicht rechtfertigte der historische Gesetzgeber65 den Gestaltungsspielraum unter Hinweis auf die praktischen Bedürfnisse der Ehegatten, bestimmte Gegenstände vom Übergang in das Gesamtgut auszuschließen. Zulässig ist es nach zutreffender h.M. sogar, das gesamte Vermögen eines Ehegatten zu Vorbehaltsgut zu erklären. Erforderlich ist nur, dass ein Gesamtgut überhaupt jemals entstehen kann66.
3. Prinzip der Spaltungsfreiheit a) Rechtssystematik und Teleologie Einen nicht minder weitgehenden Gestaltungsspielraum eröffnet den Vertragsparteien auch das Spaltungsrecht. Das Schrifttum spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von der Spaltungsautonomie oder Spaltungsfreiheit67. Sie ermöglicht den Parteien gem. § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG die privatautonome Entscheidung darüber, welche Gegenstände im Wege partieller Universalsukzession vom übertragenden Rechtsträger auf die übernehmenden Rechtsträger übergehen sollen. Im Grundsatz können die Beteiligten jeden einzelnen Vermögensgegenstand jedem Rechtsträger nach Belieben zuweisen68. Aktiva und Passiva können getrennt oder disproportional zugewiesen werden69, und zwar auch wenn es sich dabei um integrierte Unternehmen oder Unternehmensteile handelt70; eine Ausnahme gilt nur für die Ausgliederung einzelkaufmännischer Unternehmen (§ 152 UmwG; vgl. noch §§ 161, 168 UmwG). Zulässig ist selbst die Übertragung von Einzelgegenständen im Wege der partiellen Universalsukzession71. Nach der Streichung eines entsprechenden Ausnahmetatbestandes im 65
Motive zum BGB, Bd. 4, S. 340 f. Thiele, in: Staudinger, BGB, § 1418 Rn. 12. 67 Vgl. nur Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 1; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 59; Hommelhoff, in: Lutter, Umwandlungstage, S. 117, 119; Berner/Klett, NZG 2008, 601; Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2876 ff.; Müntefering, Schranken, S. 28 ff.; Voigt, Umwandlung, S. 51 ff.; Habersack, FS Bezzenberger, S. 93; kritisch de lege ferenda Claussen, Gesamtnachfolge, S. 184 ff. 68 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 118. 69 Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 1; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 15; Müntefering, Schranken, S. 29; Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 104 f.; einschränkend K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 391, 393 f.; ders., ZGR 1995, 675, 686 f.; dem folgend Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rn. 31; vgl. noch BAGE 126, 120 Tz. 29 ff. 70 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 118; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 59; Schöne, Spaltung, S. 35 f.; Voigt, Umwandlung, S. 52. 71 Vgl. nur Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 12; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 6 II 1 b; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 2; Schöne, Spaltung, S. 35; kritisch Zöllner, FS Kropff, S. 423, 441 f.; a.A. (ohne Begründung) Pickhardt, DB 1999, 729. 66
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Gesetzgebungsverfahren72 können die Beteiligten folglich selbst darüber entscheiden, ob sie einen Gegenstand im Wege der Singularsukzession oder nach Spaltungsrecht im Wege der partiellen Gesamtnachfolge übertragen wollen. Die Gestaltungsfreiheit im Spaltungsrecht ist Ausprägung des systemtragenden Prinzips der Sukzessionsfreiheit73, die sich im Spaltungsvertrag der an der Transaktion beteiligten Rechtsträger manifestiert und als rechtsgeschäftliche Komponente der spaltungsrechtlichen Gesamtnachfolge im Vordergrund steht. Spaltungsautonomie schafft Unternehmen einen sinnvollen wirtschaftlichen Freiraum zur Rekonfiguration ihrer organisatorischen Struktur74. Gesellschaften sollen die umwandlungsrechtlichen Gestaltungsoptionen möglichst flexibel nutzen können, um ihre Unternehmensstruktur an veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausrichten zu können. Dem Einzelkaufmann wird eine Ausgliederung seines Unternehmens auf eine Kapitalgesellschaft erleichtert; eine Unternehmensgruppe kann auf vereinfachte Weise Holdingstrukturen schaffen; in Familiengesellschaften erleichtert die Spaltung die (erbrechtliche) Auseinandersetzung75. Außerdem steigert die Spaltbarkeit von Unternehmen und Unternehmensteilen deren Umlauffähigkeit. Sie können im Vergleich zur Einzelnachfolge unter Aufwendung geringerer Transaktionskosten übertragen werden. Substanzielle Beschränkungen würden die durch die umwandlungsrechtliche Gesamtnachfolge erstrebten Kostenvorteile schmälern. Zudem werden die beteiligten Rechtsträger nach Maßgabe ihrer individuellen Präferenzen selbst am besten einschätzen können, welche Vermögensgegenstände auf welchen Rechtsträger übertragen werden sollen. Und schließlich entbinden der weite Gestaltungsspielraum sowie die Abwesenheit rigider Ausnahmetatbestände den Registerrichter von einer kleinteiligen Prüfung der Spaltungsmaßnahmen76. b) Grenzen der Spaltungsfreiheit Wie jede Freiheit unterliegt auch die Spaltungsfreiheit Bindungen77, die sich aus den Grundsätzen und Wertungen des allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrechts ergeben. So bilden zunächst die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Trennungsverbote eine Grenze der spaltungsrechtlichen Gestaltungsfreiheit (aa). Zudem sind die Grundsätze des institutionellen Kapitalschutzsystems zu beachten (bb). Und schließlich gilt im Umwandlungsrecht auch das allgemeine Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (cc). 72
Siehe dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 116. Die Verbindung zur allgemeinen Privatautonomie betonend Begr. RegE, BT-Drucks. 12/ 6699, S. 118; Bayer, ZHR 163 (1999), 138, 139; Voigt, Umwandlung, S. 52; kritisch Claussen, Gesamtnachfolge, S. 185. 74 Vgl. nur Claussen, Gesamtnachfolge, S. 163. 75 Eingehend Müntefering, Schranken, S. 36 f.; Voigt, Umwandlung, S. 51. 76 Zum letzten Aspekt Kleindiek, ZGR 1992, 513, 517; vgl. noch Begr. RegE, BT-Drucks. 12/ 6699, S. 118; dagegen Claussen, Gesamtnachfolge, S. 184 f. 77 Siehe zur Parallele der Sukzessionsfreiheit oben § 4 III. 73
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aa) Trennungsverbote Sind Rechtspositionen von Gesetzes wegen untrennbar miteinander verbunden, muss auch eine gespaltene Übertragung auf unterschiedliche Rechtsträger ausscheiden. Das gilt zunächst für wesentliche Bestandteile einer Sache, die nach § 93 BGB selbst nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können78. Ausgeschlossen ist es beispielsweise, das auf einem Grundstück errichtete Gebäude einem anderen Rechtsträger zuzuweisen als das Grundstück selbst. Weiterhin können sich die Beteiligten auch nicht über das Akzessorietätsprinzip (vgl. § 401 BGB) hinwegsetzen79. Insbesondere können die Parteien eine Hauptforderung keinem anderen Rechtsträger zuweisen als das akzessorische Sicherungs- oder Nebenrecht, andernfalls erlischt das Nebenrecht. Gleiches gilt für unselbstständige Hilfs- und Folgeansprüche80 sowie für die Überleitung von Arbeitsverhältnissen nach § 613a BGB, deren Wirksamkeit im Interesse der Arbeitnehmer durch Spaltungsvorgänge nicht beeinträchtigt werden darf81. Letzteres ist durch § 324 UmwG nochmals besonders hervorgehoben. Diese Beispiele82 sollen genügen, um die Grenzen der spaltungsrechtlichen Gestaltbarkeit in Bezug auf untrennbare Vermögensrechte zu demonstrieren. Nochmals sei betont, dass es sich bei dieser Fallgruppe nicht um spezifische Beschränkungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession handelt. Vielmehr werden der spaltungsrechtlichen Gestaltungsfreiheit durch allgemeine Vorschriften Grenzen gezogen, die unterschiedslos für die rechtsgeschäftliche Einzel- und Gesamtnachfolge gelten. bb) Geltung des institutionellen Kapitalschutzsystems Darüber hinaus findet die Übertragung von Verbindlichkeiten eine Grenze an den zwingenden Schutzvorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts. Eine im Wege der Spaltung zur Neugründung errichtete Gesellschaft darf nicht mit einem negativen Saldo aus der Differenz des übertragenen Reinvermögens und der Grund- bzw. Stammkapitalziffer ins Leben treten (vgl. § 135 Abs. 2 78 Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 22; Heidenhain, ZIP 1995, 801, 803; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 209. 79 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 23; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rn. 24; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 62; Schröer, in: Semler/ Stengel, UmwG, § 126 Rn. 67, § 131 Rn. 34; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 29. – Zur Bedeutung des Akzessorietätsprinzips für die rechtsgeschäftliche Universalsukzession siehe unten § 17 II. 80 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 118; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 62; Kleindiek, ZGR 1992, 513, 516; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 660 f. 81 Dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 118; näher Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 68 f.; Boecken, ZIP 1994, 1087, 1089 ff.; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 210 ff.; K. Mertens, Umwandlung, S. 166 ff.; Müntefering, Schranken, S. 159 ff. 82 Weitere Beispiele bei Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 661; ders., in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 14; Rieble, ZIP 1997, 301, 310; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 208 ff., 237 ff.; K. Mertens, Umwandlung, S. 166 ff.; Müntefering, Schranken, S. 166 ff.
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
UmwG)83. Diese durch das allgemeine Gesellschaftsrecht gezogene Grenze schiebt „missbräuchlichen“ Gestaltungen, bei denen die Aktiva auf den einen, die Passiva auf den anderen Rechtsträger übergeleitet werden, einen Riegel vor. Davon abgesehen sind die Interessen der Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers durch die gesamtschuldnerische Haftung aller Beteiligten gem. § 133 Abs. 1 UmwG sowie den Anspruch auf Sicherheitsleistung gem. §§ 125 S. 1, 22 UmwG geschützt84. cc) Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens Schließlich zieht das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Spaltungsfreiheit eine allgemeingültige Grenze. Das Missbrauchsverbot ist im Schrifttum ganz überwiegend anerkannt85 und in neuerer Zeit vom LG Hamburg bestätigt worden86. Allerdings ist das LG Hamburg mit seiner Entscheidung in der Sache über das Ziel hinausgeschossen. Denn die Ausgliederung von Pensionsverbindlichkeiten ohne Übertragung gleichwertigen Aktivvermögens ist nicht per se als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die tangierten Gläubigerinteressen werden in diesem Fall nämlich durch die allgemeinen Grundsätze des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes87 sowie das spaltungsrechtliche Haftungs- und Sicherungssystem88 hinreichend gewahrt. Im Übrigen würde die Anerkennung eines Äquivalenzprinzips das Registergericht vor schwierige Prüfaufgaben stellen89, die mit dem weitreichenden Gestaltungsspielraum im Spaltungsrecht schwerlich in Einklang zu bringen sind. Insgesamt ist die Grenze des Rechtsmissbrauchs sehr eng zu ziehen. Dass die praktische Bedeutung des individuellen Missbrauchs des Spaltungsrechts deshalb gering ist90, folgt zwanglos aus dem Ausnahmecharakter des Rechtsmissbrauchseinwands als solchem. Dementsprechend ist es auch nicht per se rechtsmissbräuchlich, wenn einzelne Gegenstände im Wege der partiellen Gesamtnachfolge übertragen werden sollen91. Schließlich hat sich der Umwand83 Für Einzelheiten der Berechnung siehe Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 71; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 71; allgemein Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rn. 29. 84 Zutreffend Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 72; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 28; für die Einbeziehung von Neugläubigern D. Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 126 Rn. 63. – Zum Ganzen siehe ausf. unten § 17 III. 85 Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 15 f.; Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 19; relativierend Rubel/Sandhaus, Konzern 2009, 327, 330; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 664 ff. 86 LG Hamburg ZIP 2005, 2331, 2332. 87 Zu diesem Aspekt Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rn. 29; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 71; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, 126 Rn. 71 sowie soeben § 16 IV. 3. b) bb). 88 Dazu ausf. unten § 17 III. 89 Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 665. 90 Überhaupt zweifelnd etwa Heidenhain, ZHR 168 (2004), 468, 480; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 664 ff.; a.A. aber Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 16. 91 Vgl. die Diskussion bei Bayer/Schmidt, NZG 2006, 841, 845; Heidenhain, ZHR 168 (2004), 468, 480; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 665.
V. Sukzessionsfreiheit: Grundsatz und Grenzen
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lungsgesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens bewusst dagegen entschieden, die Übertragung einzelner Gegenstände von der Gesamtnachfolge auszuschließen92. Zudem sind die schutzwürdigen Interessen der Gegenparteien durch die Spaltungshaftung (§ 133 Abs. 1 UmwG)93 und den Anspruch auf Sicherungsleistung (§§ 125 S. 1, 22 UmwG)94 hinreichend geschützt. Geht es um die Überleitung eines Dauerschuldverhältnisses, kommt ein außerordentliches Kündigungsrecht in Betracht95; in anderen Fällen eine Vertragsanpassung nach der Lehre von der Geschäftsgrundlage96. Außerdem wird sich das Interesse der spaltungswilligen Rechtsträger an solchen Gestaltungen in der Praxis schon deshalb in Grenzen halten, weil die Übertragung einzelner Vermögenspositionen durch Unternehmensspaltung nicht selten höhere Kosten verursachen wird als deren Übertragung im Wege der Singularsukzession97.
V. Sukzessionsfreiheit: Grundsatz und Grenzen Aus dem rechtsgeschäftlichen Charakter der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession folgt die Geltung des übergeordneten Prinzips der Sukzessionsfreiheit. Auch für die Universalsukzession gilt: Vermögensrechte sind in aller Regel übertragbar98 und gehen mit vollständiger Verwirklichung des Gesamtnachfolgetatbestands auf den übernehmenden Rechtsträger über. Es gilt also auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz: In dubio pro libertate. Allerdings geht das Maß der durch den universalsukzessiven Übertagungsmodus gewährleisteten Sukzessionsfreiheit noch über die bekannten Standards der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession hinaus: Zum einen bedarf die Übertragung von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen keiner Mitwirkung der jeweiligen Gegenpartei (1.). Zum anderen können Verfügungsbeschränkungen den Rechtsübergang kraft Gesamtnachfolge typischerweise nicht verhindern (2.).
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Siehe nochmals oben Fn. 72. Siehe unten § 17 III. 1. 94 Siehe unten § 17 III. 2. 95 Siehe unten § 17 IV. 4. 96 Siehe unten § 17 IV. 3. 97 So auch Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 665. 98 Unübertragbar sind nach allgemeinen Grundsätzen höchstpersönliche Rechte, die so eng mit der Person des Inhabers verbunden sind, dass sie von ihm nicht getrennt und auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen werden können. Hier gilt das zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession Gesagte entsprechend; siehe oben § 4 III. 4. d) bb). Exemplarisch für die Geltung entsprechender Grundsätze im Umwandlungsrecht Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 92; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 84; wesentlich großzügiger J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 153 ff. 93
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
1. Übertragung von Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnissen Die zentrale Besonderheit der rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge im Vergleich zur Singularsukzession liegt darin, dass Verbindlichkeiten und ganze Vertragsverhältnisse ohne die nach §§ 414, 415 BGB (analog) gewöhnlich notwendige Mitwirkung des Gläubigers bzw. verbleibenden Vertragspartners auf den Gesamtnachfolger übergehen. In der Befreiung von den Zustimmungserfordernissen liegt zugleich die maßgebliche rechtspolitische und rechtsökonomische Rechtfertigung des universalsukzessiven Vermögensübergangs99, wie sie auch der Umwandlungsgesetzgeber in den Materialien ausdrücklich festgeschrieben hat100: „Da beim Übergang von Verbindlichkeiten für den Wechsel des Schuldners jeweils die Zustimmung des Gläubigers erforderlich ist (vgl. §§ 414 ff. BGB), können wirtschaftlich notwendige Umwandlungen und damit auch Spaltungen scheitern. Dies gilt in verstärktem Maße für Unternehmen mit einer großen Zahl von Gläubigern, insbesondere also für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Hier kann nur die Zulassung der (…) Sonderrechtsnachfolge Abhilfe schaffen.“
Der Dispens von der gläubigerseitigen Zustimmung ist unmittelbarer Ausfluss der rechtstechnischen Ausgestaltung der Umwandlung als Universalsukzession. Der Gesamtnachfolgetatbestand ersetzt nämlich sämtliche Kautelen der einzelnen Tatbestände der Singularsukzession und damit auch etwaige Zustimmungsrechte. Das überzeugt im Hinblick auf die ungehinderte Übertragbarkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit) sowohl in rechtssystematischer Hinsicht im Vergleich zur Forderungsabtretung101 als auch in rechtsökonomischer Hinsicht mit Blick auf ersparte Informations- und Verhandlungskosten sowie die durch Zustimmungsrechte Dritter begründete Hold-up-Situation102. Die Erleichterung der Übertragbarkeit von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen liegt damit sowohl im individuellen Interesse der Parteien des Umwandlungsvertrages als auch im überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Auf der anderen Seite dürfen indes auch die berechtigten Interessen der Gegenparteien (Forderungsgläubiger, verbleibender Vertragsteil) nicht unberücksichtigt bleiben. Kommt es im Zuge der Sukzession zu Beeinträchtigungen, schlagen diese in rechtsökonomischer Hinsicht als negative externe Effekte zu Buche, die in Abhängigkeit ihrer Intensität zu aggregierten Verlusten an gesamtwirtschaftlichem Wohlstand führen können103. Dieses Ergebnis muss durch Installation sukzessionsschützender Vorschriften verhindert werden. Nach dem postventiven Sukzessionsschutzsystem des Umwandlungsrechts wird das be99
Siehe nochmals oben § 16 II. BT-Drucks. 12/6699, S. 74 f. 101 Siehe oben § 4 II. 4. c) und § 4 II. 5. c). 102 Siehe oben § 16 II. 3. 103 Zur rechtsökonomischen Bedeutung von Externalitäten siehe oben allgemein § 3 IV. 4. 100
V. Sukzessionsfreiheit: Grundsatz und Grenzen
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rechtigte Befriedigungsinteresse des Forderungsgläubigers wie auch des verbleibenden Vertragsteils durch Ansprüche auf Sicherheitsleistung gem. § 22 UmwG (iVm. § 125 S. 1 UmwG) sowie im Spaltungsfall durch die in §§ 133, 134 UmwG ausgeformte Transferhaftung geschützt104. Der mit der Überleitung von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen verbundene Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit105 wird außerdem durch das allgemeine Recht zur außerordentlichen Kündigung (§ 314 BGB)106 sowie die Mechanismen der Vertragsanpassung nach der Lehre von der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)107 kompensiert. Ergibt eine Prüfung anhand dieser allgemeinen Rechtsinstitute des Bürgerlichen Rechts, dass die Zumutbarkeitsschwelle für die jeweilige Gegenpartei nicht überschritten ist, hat sie den Eingriff in die negative Vertragsfreiheit nach der zutreffenden Wertung des Umwandlungsrechts im Interesse der unternehmerischen Organisationsfreiheit hinzunehmen. Dass dieses Modell dem modernen Regelungsplan des Umwandlungsgesetzgebers entspricht, manifestiert sich mit großer Klarheit in den Gesetzesmaterialien zur Aufhebung des § 132 UmwG108. Dort heißt es ausdrücklich, dass der verbleibende Vertragspartner – abgesehen von höchstpersönlichen Rechten und Pflichten109 – den Vermögensübergang hinzunehmen habe und ihm als Ausgleich allein die nach Bürgerlichem Recht geltenden allgemeinen Vorschriften zur Seite stünden. Diese legislatorische Richtungsentscheidung ist schon im Hinblick auf die bereits angeführten rechtsökonomischen Vorteile der (rechtsgeschäftlichen) Universalsukzession überzeugend110. Hinzu kommen die besonderen wirtschaftlichen Vorzüge des universalsukzessiven Übertragungsmodus für die Umgestaltung der unternehmerischen Organisationsstruktur: Stünden Unternehmen ausschließlich die Mechanismen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession zur Verfügung, wären solche Transaktionen mit einem ungleich höheren Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Denn für jeden einzelnen Vermögensgegenstand müssten die jeweils notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen, einschließlich der kostenintensiven Vollzugselemente, ordnungsgemäß erfüllt werden, was für Schuld- und Vertragsübernahme voraussetzen würde, mit jedem einzelnen Vertragspartner die Modalitäten seiner Zustimmung auszuhandeln. Nach Maßgabe des ökonomischen Modells werden sich bestimmte Um104 Vgl. BAGE 114, 1, 10 f.; 126, 120 Tz. 19; OLG Dresden BKR 2008, 377, 378; OLG Karlsruhe NZG 2009, 315, 316 f.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 45; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 33; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 39, 43; C. Schäfer, ZHR Beiheft 68 (1999), 114, 120 f., 137; Wiesner, ZHR Beiheft 68 (1999), 168, 179. – Zum spaltungsrechtlichen Haftungs- und Sicherungssystem ausf. unten § 17 III. 105 Diesen Aspekt betonend Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 11; Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 423; Rieble, ZIP 1997, 301, 304; C. Schäfer, ZHR Beiheft 48 (1999), 114, 121, 137 f.; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 73 ff.; Müntefering, Schranken, S. 144 ff. 106 Dazu unten § 17 IV. 4. 107 Dazu unten § 17 IV. 3. 108 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19. 109 Zu diesem Aspekt siehe oben Fn. 98. 110 Siehe nochmals oben § 16 II. 3.
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strukturierungen, selbst wenn sie für sich mit einer Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands verbunden sein würden, schlicht nicht mehr rechnen. Solange nur die berechtigten Interessen der Gegenparteien durch postventive Sukzessionsschutzmaßnahmen hinreichend abgesichert sind, verspricht der Einsatz des universalsukzessiven Übertragungsmodus daher einen signifikanten Effizienzgewinn und eine daraus resultierende Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands.
2. Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen Die Sukzessionsfreiheit bei der Gesamtnachfolge wird weiter gestärkt durch die Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen. Paradigmatisch dafür stehen rechtsgeschäftlich vereinbarte Abtretungshindernisse. Sie entfalten im Fall der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession nach zutreffender h.M.111 keine Rechtswirkungen. Die Unbeachtlichkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen resultiert für Verschmelzung und Aufspaltung – wie der Gesetzgeber des Umwandlungsgesetzes bereits ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien vermerkte112 – zunächst aus dem ersatzlosen Wegfall des übertragenden Rechtsträgers (§§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Entschiede man sich mit der im bürgerlichrechtlichen Schrifttum vertretenen Gegenauffassung, die sich maßgeblich auf die Verweisungsnorm des § 412 BGB stützt113, für die uneingeschränkte Wirksamkeit von Verfügungsbeschränkungen, wäre ein ersatzloses Erlöschen der vinkulierten Vermögensrechte die Folge. Dieses Ergebnis ist im Hinblick auf die Interessenlage der beteiligten Rechtsträger nicht hinnehmbar114; zudem hängt die Argumentation der Gegenauffas111 RGZ 136, 313, 315 f.; Bermel, in: Goutier, UmwG, § 20 Rn. 19; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 31; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 13 f.; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 8; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 196; Westermann, in: Erman, BGB, § 412 Rn. 2; Hennrichs, Formwechsel, S. 46; Früh, FS Hopt, S. 1823, 1836. 112 Siehe bereits BT-Drucks. 12/6699, S. 121: „Da bei der Aufspaltung der übertragende Rechtsträger aufgelöst und voll beendigt wird, kann ein Abtretungsverbot nach § 399 BGB ebensowenig wie bei der Verschmelzung greifen.“ Vgl. weiter die Nachw. in Fn. 117. 113 So etwa Westermann, in: Erman, BGB, § 412 Rn. 2; Zeiss, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 412 Rn. 1; erwägend auch Roth, in: MünchKommBGB, § 412 Rn. 15. 114 Nach einer vereinzelt gebliebenen Auffassung sind Verfügungsbeschränkungen grundsätzlich beachtlich und sollen das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers verhindern (sic!); so Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 19, 21, der aber jedenfalls § 399 Alt. 2 BGB im Ergebnis ebenfalls für unanwendbar hält, soweit es sich um Forderungen handelt, die mit dem dazugehörigen Betrieb oder Betriebsteil übertragen werden; siehe ebenda Rn. 12, 37. Diese Lösung führte indes nicht nur den intendierten Zweck der umwandlungsrechtlichen Vermögensübertragung ad absurdum (zu diesem Aspekt näher Hennrichs, Formwechsel, S. 143 ff.; K. Mertens, Umwandlung, S. 145) und widerspräche der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der §§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, sondern zöge auch kaum überschaubare Folgeprobleme nach sich, die vor allem die Frage der Abwicklung des fortbestehenden Rechtsträgers betreffen (vgl. Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 659).
V. Sukzessionsfreiheit: Grundsatz und Grenzen
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sung aus normativer Warte betrachtet bereits im Ausgangspunkt gleichsam in der Luft. Der herangezogene § 412 BGB gelangt nämlich nur für den Forderungsübergang kraft Gesetzes zur Anwendung. Erkennt man in der umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolge mit der zutreffenden Auffassung indes einen Fall des Vermögensübergangs kraft Rechtsgeschäfts115, scheidet eine direkte Anwendung der Verweisungsnorm von vornherein aus116. In Betracht kommt allenfalls eine analoge Anwendung des § 399 Alt. 2 BGB. Voraussetzung dafür ist indes eine Übereinstimmung der Interessenlage zwischen der Forderungsabtretung und der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession. Trotz der besonderen Schutzwürdigkeit des Forderungsschuldners wird man die Vergleichbarkeit indes verneinen müssen, denn das Interesse an der Übertragbarkeit vinkulierter Vermögensrechte ist im Fall von Verschmelzung und Aufspaltung eingedenk des andernfalls drohenden Totalverlusts des Vermögenswerts ungleich höher als im Regelfall der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession, die den Fortbestand des vinkulierten Forderungsrechts in der Person des Zedenten typischerweise unberührt lässt. Der ersatzlose Fortfall der vinkulierten Forderung bedeutet für die Parteien des Umwandlungsvertrages hingegen einen signifikanten Wertverlust und wird typischerweise auch ihrem Übertragungswillen zuwiderlaufen117. Zudem vermindert die Unübertragbarkeit vinkulierter Rechte von vornherein die Attraktivität eines universalsukzessiven Vermögenstransfers. Gehen unübertragbare Rechte nämlich verloren, vermindert sich der Wert des übertragenen Unternehmens und damit typischerweise auch der aus der Transaktion erstrebte Gewinn118. 115
Siehe oben § 16 III. Im Ergebnis ebenso Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 31; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 14; Hennrichs, Formwechsel, S. 46. 117 Vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 31; im Ergebnis für einen Übergang auch RGZ 136, 313, 315 f.; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 13 f.; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 8; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 196; Hennrichs, Formwechsel, S. 46; Früh, FS Hopt, S. 1823, 1836. 118 Mit Vorsicht zu genießen ist der weitergehende Hinweis der im Ergebnis zutreffenden h.M., dass Verfügungsbeschränkungen primär auf die Verhinderung einer rechtsgeschäftlichen Einzelrechtsnachfolge in die vinkulierte Rechtsposition abzielten und sich Vinkulierungen deshalb nicht ohne weiteres auf Gesamtnachfolgevorgänge erstrecken könnten (vgl. für § 399 Alt. 2 BGB: K. Schmidt, DB 2001, 1019, 1022; Westermann, in: Erman, BGB, § 412 Rn. 2; zu vinkulierten Kapitalgesellschaftsanteilen Lutter/Drygala, in: KK, AktG, § 68 Rn. 109; Rubel/Sandhaus, Konzern 2009, 327, 333; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 659; allgemein Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 14, 169). „Gegenstand der Universalsukzession (sei nämlich) nicht der Einzelgegenstand sondern das Vermögen als solches“ (so Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 27). Diese Formulierung rückt in gefährliche Nähe zu der unter Geltung des gemeinen Rechts vertretenen Auffassung, die den universalsukzessiven Rechtsübergang als Übertragung eines Rechts am Gesamtvermögen konstruierte (siehe oben § 16 II. 1.). Diese Auffassung ist mit dem Spezialitätsprinzip gänzlich unvereinbar und wird daher heute auch nicht mehr vertreten. Deshalb kann sich auch die Universalsukzession immer nur auf den Rechtsübergang an einzelnen Vermögensgegenständen beziehen, freilich ohne dass die für Einzelnachfolgen vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen einzuhalten wären. Der Grund für den Dispens von § 399 Alt. 2 BGB bleibt bei dieser Argumentationslinie im Dunkeln. 116
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
Umgekehrt würde ein ersatzloser Forderungswegfall den Schuldner in unangemessener Weise begünstigen. Zwar hat sich der übertragende Rechtsträger darauf eingelassen, dass der Schuldner keinen anderen Gläubiger akzeptieren muss. Indes bedeutet es ein durchaus unangemessenes Ergebnis, den Schuldner im Fall der Universalsukzession ohne jedwede Kompensation des Leistungsausfalls von seiner Leistungspflicht zu befreien. Eine derart weitreichende Begünstigung des Schuldners war mit der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Abtretungsbeschränkung von den ursprünglichen Vertragsparteien nicht intendiert. Zudem setzte sie sich in deutlichen Widerspruch zum sukzessionsrechtlichen Verbesserungsverbot, wonach sich die Rechtsstellung der Gegenpartei durch die Sukzession nicht in rechtlich relevanter Weise verbessern darf119. Es zeigt sich also: Nur ein Dispens von rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkungen vermag der wirtschaftlichen Zielstellung des universalsukzessiven Vermögenstransfers gerecht zu werden. Insbesondere die intendierte Umwandlungsfreiheit wäre schlechterdings nicht zu verwirklichen, wenn vinkulierte Vermögensrechte mit Wegfall des übertragenden Rechtsträgers unwiederbringlich verlorengingen. Die damit einhergehende Beeinträchtigung der Gegenpartei ist dabei kein Spezifikum der Verfügungshindernisse, sondern zeigt sich noch deutlicher bei der Übertragung von Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnissen, deren Überleitung durch die Gegenparteien ebenso wenig verhindert werden kann120. Es wäre wertungswidersprüchlich, zeitigten vertragliche Verfügungsbeschränkungen weiterreichende Ausschlusswirkungen als das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis der privativen Schuldübernahme121, zumal die bürgerlichrechtlichen Wertungen in die diametral entgegengesetzte Richtung weisen: Während Forderungen gem. § 398 BGB grundsätzlich ohne Mitwirkung (und Kenntnis) des Schuldners übertragen werden können und die Verfügungsbeschränkung gem. § 399 Alt. 2 BGB eine vertragliche Abrede voraussetzt, ist die Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB auch ohne eine besondere Parteiabrede von der gläubigerseitigen Zustimmung abhängig. Vor diesem Hintergrund kann es schwerlich überzeugen, dem vertraglich geschützten Schuldner eine stärkere Stellung einzuräumen als dem gesetzlich geschützten Gläubiger. Diese Überlegung vermag die Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen nicht nur für Verschmelzung und Aufspaltung zu tragen, wenn andernfalls der ersatzlose Fortfall des vinkulierten Vermögensrechts die Folge wäre, sondern auch für Abspaltung und Ausgliederung, wenn die Vermögensposition grundsätzlich beim übertragenden Rechtsträger verbleiben könnte. Abgesehen davon, dass ein solcher Verbleib beim übertragenden Rechtsträger den intendierten Regelungszweck der umwandlungsrechtlichen Vermögensübertragung 119
Siehe oben § 15 III. Siehe oben § 17 V. 1. 121 Dazu und zum Folgenden auch K. J. Müller, BB 2000, 365, 366 f.; Hennrichs, Formwechsel, S. 143. 120
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ad absurdum führte, hätte eine differenzierte Behandlung von Forderungs- und Schuldübergang bei vereinbarten Abtretungsbeschränkungen zur Folge, dass ganze Vertragsverhältnisse dergestalt aufgespalten würden, dass nur die Schuldposition auf den übernehmenden Rechtsträger überginge, während die Forderungsposition beim übertragenden Rechtsträger verbliebe. Dieses Ergebnis widerspricht nicht nur dem mutmaßlichen Interesse der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger, sondern zieht außerdem eine ganze Reihe von Folgeproblemen nach sich, die durch einen einheitlichen Vertragsübergang vermieden werden können. Es ist daher für sämtliche vermögensübertragenden Umwandlungsvarianten nur konsequent, den bei §§ 414, 415 BGB einerseits und § 399 Alt. 2 BGB andererseits gewährleisteten präventiven Sukzessionsschutz durch ein postventives Sukzessionsschutzsystem zu ersetzen: Zum einen werden die berechtigten Interessen des Schuldners durch die Anwendung der abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzvorschriften analog §§ 404, 406 ff. BGB122 geschützt. Hinzu treten die Lehre von der Geschäftsgrundlage123 und das außerordentlichen Kündigungsrecht aus wichtigem Grund124, die im Fall der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession für eine Stärkung des Schuldnerschutzniveaus sorgen. Zudem ist der Forderungsübergang für den Schuldner auch deshalb hinnehmbar, weil die Vinkulierung auch nach der Vermögensübertragung in der Person des übernehmenden Rechtsträgers in Takt bleibt125. Das pactum de non cedendo geht mit dem betreffenden Vermögensrecht identitätswahrend auf den Gesamtnachfolger über und verhindert fortan die – rechtsgeschäftlich-singularsukzessive – Abtretung des übergeleiteten Forderungsrechts. Nochmals bestätigt wurde diese Position durch die ersatzlose Streichung des § 132 UmwG126. Die Vorschrift sah bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 2007 vor, dass Übertragungsverboten nach allgemeinem Recht gegenüber den umwandlungsrechtlichen Spezifika der Vorrang gebührte. In der praktischen Handhabung erwies sich die Vorschrift indes als schwierig, nicht selten wurde sie als „Spaltungsbremse“ gescholten127. Um die hiermit verbundene Rechtsunsicherheit zu beseitigen, entschloss sich der Umwandlungsreformgesetzgeber zur ersatzlosen Streichung der Vorschrift. Zugleich verfolgte er hierbei das Ziel, „die Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung und Spaltung künftig denselben Grundsätzen zu unterwerfen“. Das betrifft ausdrücklich nicht nur die Aufspal122
Dazu unten § 17 IV. 1. Dazu unten § 17 IV. 3.; in diesem Kontext vgl. außerdem Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 14. 124 Dazu unten § 17 IV. 4. 125 Wie hier Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 31; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 8; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 196; K. Mertens, Umwandlung, S. 158, 179. 126 Siehe Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19; vgl. ferner Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG, § 131 Rn. 31; Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 14; Rubel/Sandhaus, Konzern 2009, 327, 329 f., 332; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 659. 127 Siehe namentlich Heidenhain, ZHR 168 (2004), 468 ff. 123
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
tung, sondern gleichermaßen auch Abspaltung und Ausgliederung. Nur höchstpersönliche Rechte und Pflichten sollten ausgenommen bleiben128. Die vom Rechtsübergang betroffenen Dritten seien nach allgemeinen Vorschriften „durch Kündigung, Rücktritt, Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage o. Ä.“ hinreichend geschützt129. Die Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen kann daher auf Grundlage des geltenden Rechts heute nicht mehr zweifelhaft sein, und auch aus rechtspolitischer Warte erweist sich diese Besonderheit im Vergleich zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession als Stärkung des übergeordneten Prinzips der Sukzessionsfreiheit und ist daher nachdrücklich zu begrüßen.
VI. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip Begriffliche Verwirrung herrscht im umwandlungsrechtlichen Schrifttum, sobald vom Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip die Rede ist. Vielfach wird der zentrale Unterschied zwischen Singular- und Universalsukzession sogar darin gesehen, dass das Spezialitätsprinzip zwar für die Einzelnachfolge gelte, nicht jedoch auch für die Gesamtnachfolge130. Dem ist in Fortschreibung des zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession entwickelten Spezialitätskonzepts zu widersprechen (1.). Zudem findet auch der Bestimmtheitsgrundsatz im Rahmen der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession grundsätzliche Anwendung (2.). Es gelten die zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession entwickelten minimalistischen Bestimmtheitsanforderungen. Entgegen der jüngeren BGHRechtsprechung ist hiervon auch für Grundstücke und Grundstücksrechte keine Abweichung angezeigt (3.).
1. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Spezialität Ob das Spezialitätsprinzip auch für die Universalsukzession zur Anwendung gelangt, ist eine primär terminologische Frage. Wer dem Spezialitätsprinzip mit der im Umwandlungsrecht vorherrschenden Auffassung einen weitreichenden Sinngehalt beilegt und es als „das Grundprinzip des Rechts der Verfügung“ versteht, „dass jedes Verfügungsobjekt nach den jeweils einschlägigen Regelungen zu übertragen ist“131, wird die Geltung des Spezialitätsprinzips aufgrund der 128
Siehe zu diesem Aspekt oben Fn. 98. Alle Zitate: Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19. 130 Prominent K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 I 6 c, IV 4; ders., AcP 191 (1991), 495, 501 f.; gleichsinnig Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 3; Claussen, Gesamtnachfolge, S. 31, 34 f.; Müntefering, Schranken, S. 26 f.; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 37. 131 So J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 37. In diesen Sinne auch Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 IV 4; ders., AcP 191 (1991), 495, 501 f.; Claussen, Gesamtnachfolge, S. 31, 34 f.; Müntefering, Schranken, S. 26 f. Nach diesem Verständnis ist es freilich konsequent, einen Dispens vom Spezialitätsprinzip anzunehmen. 129
VI. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip
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dogmatischen Eigenständigkeit der Gesamtnachfolgetatbestände ablehnen. Diese Auffassung ist in sich folgerichtig, allein ihre Deutung des Spezialitätsprinzips reicht zu weit. Denn das Spezialitätsprinzip bezeichnet nach seinem zur Singularsukzession entwickelten Verständnis nichts anderes, als dass sich jede Sukzession stets nur auf einzelne Vermögenspositionen beziehen kann132. Auch wenn daraus für die rechtsgeschäftliche Einzelnachfolge notwendig folgt, dass die für den jeweiligen Verfügungsgegenstand geltenden Sukzessionsvorschriften zur Anwendung gelangen, wird die Geltung des Spezialitätsprinzips nicht in Frage gestellt, wenn eine Sach- oder Rechtsgesamtheit im Wege der Einzelnachfolge auf der Grundlage desselben Sukzessionstatbestands übertragen wird. Auch in diesem Fall bleibt es dabei, dass die Rechtszuordnung jeder einzelnen Vermögensposition geändert wird. Nichts anderes gilt für den universalsukzessiven Übertragungsmodus, nur eben mit dem Unterschied, dass sich der Rechtsübergang auf der Basis eines einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestands uno actu und im gleichen Zeitpunkt vollzieht. Versteht man das Spezialitätsprinzip also in dem hier vorgeschlagenen, restriktiven Sinne, dann kann seine Geltung auch im Rahmen der (rechtsgeschäftlichen) Universalsukzession nicht zweifelhaft sein133. Übertragen wird schließlich kein (singuläres) Recht am Vermögen134, was dem modernen Privatrecht ohnehin fremd wäre135; vielmehr gehen sämtliche zum Vermögen gehörenden (individuellen) Rechte und Pflichten uno actu als Ganzes auf den Gesamtnachfolger über. Diesem heute allseits anerkannten Verständnis136 liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die Zuordnung mit absoluter Wirkung versehener Rechte stets auf einzelne Gegenstände beschränken muss und daher an Sach- oder Rechtsgesamtheiten bestehende, einheitliche Herrschaftsrechte ausgeschlossen sind137. Diese Auffassung lag bereits dem historischen BGB-Gesetzgeber zugrunde und findet einen normativen Anhalt in § 1085 BGB, wonach ein Nießbrauch am Vermögen nur in der Weise bestellt werden kann, dass er an den einzelnen zum Vermögen gehörenden Gegenständen begründet wird. In gleicher Weise bewirkt der universalsukzessive Übertragungsmodus keine Übertragung eines einheitlichen Rechts am Vermögen, sondern einen Rechtsübergang an sämtlichen Vermögenspositionen, der sich nur in rechtstechnischer Hinsicht nach einem einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestand vollzieht und für alle Ver-
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Dazu ausf. oben § 8 I. Siehe namentlich Zöllner, AG 1994, 336, 340: „Was hier stattfindet, ist nur rechtstechnisch eine Universalsukzession im Sinne eines automatischen Vermögensübergangs. In der Sache handelt es sich um den Einzelübergang singulärer Vermögensgegenstände, nur eben unter Einsparung der Einzelübertragungsakte.“ Dazu ferner ders., FS Claussen, S. 423, 440 ff.; offenbar ebenso K. Mertens, Umwandlung, S. 84. 134 Siehe oben Fn. 14. 135 Siehe oben Fn. 15. 136 Abweichend für das gemeine Recht noch v. Savigny, System III, S. 13; missverständlich auch J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 37. 137 Dazu und zum Folgenden ausf. oben § 8 I. 133
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
mögenspositionen zur gleichen Zeit wirksam wird, ohne dass darüber hinaus die besonderen Kautelen der unterschiedlichen Einzelnachfolgetatbestände beachtet werden müssen.
2. Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit Neben dem Spezialitätsprinzip kommt auch das Bestimmtheitsprinzip bei der Universalsukzession zur Anwendung. Auch wenn Sach- oder Rechtsgesamtheiten als Ganzes auf den Gesamtnachfolger übergehen, muss eindeutig bestimmbar sein, welche konkreten Vermögenspositionen zur übertragenen Gesamtheit gehören, an welchen Gegenständen sich folglich die Rechtszuständigkeit verändern soll. Dass über die Identität der übertragenen Positionen keine Zweifel bestehen dürfen, folgt zum einen aus dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung und dient zum anderen dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit)138. Indem sich Zuordnungsänderungen stets nur an einzelnen, konkret bestimmten Vermögenspositionen vollziehen können, vermeidet das Bestimmtheitsprinzip rechtliche Unsicherheiten in Bezug auf die Zuordnung absoluter Vermögensrechte, erhöht deren Zirkulationsfähigkeit und steht somit zugleich im Interesse der an der Transaktion beteiligten Vertragsparteien. Das gilt für die Gesamtnachfolge nicht weniger als für die Singularsukzession. Gleichermaßen finden die aus dem Bereich der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge bekannten Erleichterungen für die Übertragung von Sach- und Rechtsgesamtheiten auch für die umwandlungsrechtliche Universalsukzession Anwendung. Das gilt namentlich für die bekannte All-Formel, wonach sämtliche Gegenstände mit näher spezifizierten Merkmalen übertragen werden, ohne dass jeder einzelne Gegenstand konkret bezeichnet werden muss139. Dementsprechend bereitet die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes keine praktischen Schwierigkeiten, wenn – wie namentlich im Erbfall oder bei der umwandlungsrechtlichen Verschmelzung – das gesamte Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den Gesamtnachfolger übergeht (totale Universalsukzession)140. Da sämtliche Einzelpositionen des Vermögensganzen von der Sukzession erfasst sind, werden rechtliche Zweifel darüber, auf welche Gegenstände sich der Rechtsübergang im Einzelnen bezieht, von vornherein auf ein Minimum reduziert. Probleme mag es im Einzelfall bereiten, die ursprüngliche Zuordnung einzelner Positionen zum Vermögensganzen herzustellen. Dabei handelt es sich indes nicht um ein Spezifikum der Universalsukzession, son-
138
Zur Singularsukzession siehe oben § 8 II. 2. Siehe oben § 8 II. 3. a). 140 Vgl. Doralt, FS Kastner, S. 123, 138; K. Mertens, Umwandlung, S. 79; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 190. 139
VI. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip
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dern um das allgemeine Bestimmtheitsproblem, wie es auch bei der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession anzutreffen ist141. Eröffnet der Gesamtnachfolgetatbestand einen Gestaltungsspielraum, der – wie bei der ehelichen Gütergemeinschaft und den Spaltungsvarianten – auch die gegenständliche Zusammensetzung der Vermögensgesamtheit einbezieht (partielle Universalsukzession), dann müssen die erfassten Vermögensgegenstände nach Maßgabe des zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession entwickelten minimalistischen Bestimmtheitsansatzes aus der Sicht der Vertragsparteien eindeutig bestimmbar sein142. Etwaige Publizitätsinteressen, die den Übertragungsvorgang auch für außenstehende Dritte erkennbar werden lassen, bleiben – entgegen einer abweichenden Literaturauffassung143 – für die Frage der Bestimmbarkeit der Verfügungsgegenstände außer Betracht. Wiederum genügt es, wenn die erfassten Einzelpositionen – auch unter Heranziehung außerhalb des Umwandlungsvertrags liegender Umstände – aus der Perspektive der Parteien des Umwandlungsvertrags konkret bestimmbar sind. Hiervon geht richtigerweise auch der Umwandlungsgesetzgeber aus, wenn er in Bezug auf die Übertragung von Betriebseinheiten und Betriebsteilen ausreichen lässt, dass „bei betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Gegenstand oder eine Verbindlichkeit dem Geschäftsbetrieb eines bestimmten Unternehmensteils zuzurechnen“ sei144. Anwendbar seien auch die zur Übereignung von Warenlagern entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze. In Fortentwicklung dieses Ansatzes hat der BGH145 auch den Einsatz der bekannten All-Klauseln gebilligt, etwa wenn „sämtliche zu dem Teilbetrieb gehörenden Gegenstände“ auf einen übernehmenden Rechtsträger übergehen sollen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass sich sämtliche Gegenstände – zumindest durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB – eindeutig zuordnen lassen. Das alles fügt sich nahtlos in das Bild eines spaltungsrechtlichen Bestimmtheitsprinzips ein, das mit den allgemeinen Grundsätzen der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge im Wesentlichen deckungsgleich ist.
141
Vgl. oben § 8 II. Siehe zusammenfassend oben § 8 III. Bestimmbarkeit lassen ausreichen Begr. RegE, BTDrucks. 12/6699, S. 119; OLG Hamburg AG 2002, 460, 463; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rn. 19; D. Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 126 Rn. 202; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 50; Marx, Spaltung, S. 44. Für eine Parallele zur Einzelnachfolge auch K. Mertens, Umwandlung, S. 83 ff., 85. Vgl. ferner Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 11; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 32; Marx, Spaltung, S. 44 ff.; K. Mertens, Umwandlung, S. 73, 78 f.; Müntefering, Schranken, S. 30 ff.; Peters, Spaltung, S. 235 f.; Petersen, Gläubigerschutz, S. 322. 143 So Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 61; Simon, in: KK, UmwG, § 126 Rn. 57; abweichend und missverständlich Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 55: „die Beteiligten oder ein sachkundiger Dritter“; so auch Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 62. 144 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 119. 145 BGH NZG 2003, 1172, 1174; ebenso BAGE 114, 1, 4; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG, § 126 Rn. 78; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 55; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 61; Simon, in: KK, UmwG, § 126 Rn. 57 f.; Marx, Spaltung, S. 44. 142
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
3. Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten Von diesen Grundsätzen ist – entgegen der Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH vom 25.1.2008146 – auch in Bezug auf die Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten keine Ausnahme zu machen. Zwar gelten die Vorschriften, die im Fall der Singularsukzession „eine besondere Art der Bezeichnung“ verlangen, gem. § 126 Abs. 2 UmwG auch für die Bezeichnung der zu übertragenden Vermögenspositionen im Rahmen des § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG. Selbst unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien, in denen es heißt, „Grundstücke (müssten) in dem notariell zu beurkundenden Vertrag so bezeichnet werden, wie dies der beurkundende Notar auch bei der Einzelübertragung tun würde (vgl. § 28 GBO)“147, kann indes schwerlich angenommen werden, der Umwandlungsgesetzgeber habe die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 28 GBO in den Rang einer Regelung des materiellen Grundstücksrechts erheben wollen. Vielmehr kann sich das betreffende Grundstück durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts gem. §§ 133, 157 BGB mit hinreichender Sicherheit identifizieren lassen, auch wenn der Spaltungsvertrag das Grundstück nicht in Übereinstimmung mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt bezeichnet148. Eines darüber hinausgehenden Schutzes bedürfen weder die individuellen Interessen der am Spaltungsvertrag beteiligten Rechtsträger noch die überindividuellen Interessen der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit. Für den Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs genügt es nämlich, wenn sich die Änderung der Rechtszuordnung nach objektiven Maßstäben eindeutig feststellen lässt, und diese Feststellung ist auch möglich, wenn sich die Verfügungsgegenstände aus Sicht der Vertragsparteien objektiv bestimmen lassen. Davon abgesehen werden berechtigte Drittinteressen, die für eine Beschränkung iSd. § 28 GBO streiten könnten, durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs geschützt149: Weichen Einigung und Eintragung voneinander ab, werden dem redlichen Dritten die umfassenden Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen der §§ 891 ff. BGB zuteil. Damit ist sichergestellt, dass sich der Rechtsverkehr auch dann auf die Richtigkeit des Grundbuchs verlassen kann, wenn der Inhalt der Einigung von der Grundbucheintragung abweicht. Eines 146
BGHZ 175, 123 Tz. 22 ff.; zustimmend OLG Hamm NZG 2011, 393; OLG Schleswig NJW-RR 2010, 592, 593; FGPrax 2012, 106; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 64; Simon, in: KK, UmwG, § 126 Rn. 60; Weiler, MittBayNot 2008, 310, 311; ablehnend Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 126 Rn. 81; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 53; ders., EWiR 2008, 223, 224; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 995b; Limmer, DNotZ 2008, 471, 475 f.; Link, RNotZ 2008, 358 ff.; Wilhelm, LMK 2008, 259885; ohne Wertung, allein zu den Konsequenzen Leitzen, ZNotP 2008, 272 ff. 147 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 119. 148 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 126 Rn. 81; D. Mayer, in: Widmann/ Mayer, UmwG, § 126 Rn. 212; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 53; Volmer, WM 2002, 428, 430. 149 Zur Singularsukzession siehe oben § 8 II. 4. b).
VI. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip
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darüber hinausgehenden Verkehrsschutzes in Form gesteigerter Bestimmtheitsanforderungen bedarf es bei der umwandlungsrechtlichen Spaltung ebenso wenig wie bei der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession. Als unzutreffend erweist sich in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des BGH150, Dritte müssten sich nach Eintragung der Spaltung in das Handelsregister den Eigentumsübergang ab dem 16. Tag nach Bekanntmachung (§§ 125 S. 1, 19 Abs. 3 UmwG) gem. § 15 Abs. 2 HGB entgegenhalten lassen. Diese Auffassung verkennt die Bedeutung des Grundbuchs als primären Rechtsscheinträger für Grundstücke und Grundstücksrechte151. Ebenso wie Rechtsprechung und Schrifttum für die Rechtsscheinhaftung wegen fehlerhafter Firmierung die Anwendung des § 15 Abs. 2 HGB als rechtsmissbräuchlich iSd. § 242 BGB ansehen152 oder die Vorschrift anhand ihres Normzwecks teleologisch reduzieren153, ist auch für das Grundbuch als insofern vorrangigem Rechtsscheinträger eine Ausnahme von § 15 Abs. 2 HGB angezeigt. Wer in das Grundbuch schaut, darf sich auf die Richtigkeit der Eintragungen verlassen, soweit hiergegen kein Widerspruch eingetragen ist. Er braucht nicht zusätzlich auch das Handelsregister zu konsultieren. Davon abgesehen führt die rigide BGH-Rechtsprechung auch dann zu Verwerfungen und Wertungswidersprüchen, wenn neben einer Forderungsmehrheit auch die zugehörigen Grundpfandrechte übertragen werden sollen154. Folgte man nämlich dem V. Zivilsenat, wären an die Bezeichnung der Forderungen weniger strenge Anforderungen zu stellen als an die Bezeichnung der Sicherungsrechte. Der hiermit verbundene Systembruch wird vermieden, wenn man die formalrechtliche Bestimmung des § 28 GBO auf das Grundbuchrecht beschränkt und ihr keinen Eingang in die materiellrechtliche Welt des Spaltungsvertrages gewährt. Durch diese Auslegung wird zugleich vermieden, dass Bezeichnungsdefizite auf die Wirksamkeit des Spaltungsvertrages durchschlagen und die Durchführung der gesamten Transaktionen gefährden155, was auch mit dem in § 131 Abs. 3 UmwG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken schwerlich in Einklang zu bringen wäre156. Hinter diesen Argumenten müssen auch die systematischen Überlegungen des BGH157 zu § 126 Abs. 2 S. 2 UmwG zurücktreten158. Im Ergebnis kommt der Vorschrift nur deklaratorischer Charakter zu. Für Grundstücke und Grundstücksrechte gelten folglich keine stren-
150
BGHZ 175, 123 Tz. 30. Im Ergebnis ebenso Link, RNotZ 2008, 358, 359. 152 BGHZ 62, 216, 222 f.; 71, 354, 357; BGH NJW 1972, 1418, 1419; 1981, 2569. 153 Canaris, Handelsrecht, § 5 Rn. 38 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 I 2. 154 Zum Problem auch Volmer, WM 2002, 428, 430 f.; Limmer, DNotZ 2008, 471, 475; Schorling, AG 2008, 653, 658. 155 Vgl. Limmer, DNotZ 2008, 471, 475. 156 Zu diesem Gedanken auch Volmer, WM 2002, 428, 430; Link, RNotZ 2008, 358, 359; Schorling, AG 2008, 653, 655 f. 157 BGHZ 175, 123 Tz. 27 ff. 158 Siehe die systematischen Überlegungen bei Schorling, AG 2008, 653, 654. 151
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geren Maßstäbe als bei der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession159. Bedeutung erlangt § 28 GBO erst im Rahmen des Grundbuchberichtigungsverfahrens160, nicht aber auf der materiellrechtlichen Ebene des Spaltungsvertrags.
VII. Prinzip des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes 1. Herleitung und Grundlagen Anerkennt man mit der zutreffenden Auffassung den rechtsgeschäftlichen Charakter der umwandungsrechtlichen Universalsukzession161 und misst man den Verschmelzungs- und Spaltungsverträgen in konsequenter Fortschreibung dieses Ansatzes nicht nur Bedeutung für die Organisationsstruktur der beteiligten Rechtsträger sowie die schuldrechtlichen Beziehungen der Vertragsparteien zu, sondern gleichermaßen auch Verfügungswirkung162, dann bestimmt sich die Wirksamkeit der Umwandlungsverträge als verfügende Einigung im Grundsatz nach den Vorschriften der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Anfechtungs- und Unwirksamkeitsgründe müssten ungefiltert auf den Bestand der umwandlungsrechtlichen Unternehmenstransaktion durchschlagen. Da sich Umwandlungsvorgänge auf der Grundlage eines einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestands vollziehen, hätten bereits einfache Rechtsmängel die vollständige Unwirksamkeit und umfassende Rückabwicklung der gesamten Transaktion zur Folge. Die hiermit verbundenen Kosten müssten die mit der Unternehmenstransaktion intendierten Effizienzgewinne, etwa in Form erhoffter Synergien, weit übersteigen. Auch wenn man eine „Reparatur“ fehlerhafter Umwandlungen zuließe, fielen immer noch erhebliche Verhandlungskosten an, um die Zustimmung der Entscheidungsträger zu erlangen. Zudem bestünde die Gefahr, dass Entscheidungsträger die Transaktion durch strategische Ausnutzung der Hold-up-Situation scheitern lassen. Bliebe es also bei der uneingeschränkten Geltung der bürgerlichrechtlichen Grundsätze, wäre die Durchführung einer umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahme mit ganz erheblichen Unsicherheiten und daraus resultierenden Transaktionskosten verbunden. Der wirtschaftliche Anreiz, eine Umwandlung nach dem UmwG durchzuführen, wäre nahezu vollständig beseitigt. Die erkannten Vorteile des universalsukzessiven Übertragungsmodus163 kämen nicht zur Geltung.
159 So auch Bungert/Lange, DB 2009, 103, 104 f.; Link, RNotZ 2008, 358, 360; mit Beschränkung auf All-Klauseln auch OLG Schleswig NJW-RR 2010, 592, 593; Schmidt-Rätsch, ZNotP 2012, 11, 13; vgl. noch OLG Hamm NZG 2011, 393. 160 Dazu näher D. Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 126 Rn. 212; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 995b; Bungert/Lange, DB 2009, 103, 105. 161 Siehe oben § 16 III. 1. 162 Siehe oben § 16 III. 2. 163 Siehe oben § 16 II. 3.
VII. Prinzip des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes
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Aus diesem Grund erklären §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2 UmwG etwaige Rechtsmängel der Verschmelzung und Spaltung für unbeachtlich, soweit die Umwandlungsmaßnahme nur ordnungsgemäß in das Handelsregister eingetragen ist, und gewährleisten auf diese Weise umfassenden umwandlungsrechtlichen Bestandsschutz. Der zentrale Vorteil dieser Regelungen besteht darin, dass die Wirksamkeit von Umwandlungsvorgängen nach deren Eintragung nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann164: Zum einen können die Beteiligten darauf vertrauen, dass die Transaktion Bestand haben wird und nicht im Nachhinein rückabgewickelt werden muss. Hiermit wird sowohl das Risiko einer kostspieligen Rückabwicklung beseitigt als auch ein wirtschaftlicher Anreiz dafür geschaffen, wirtschaftlich sinnvolle Unternehmenstransaktionen unter Verwendung des universalsukzessiven Übertragungsmodus durchzuführen. Zum anderen werden nachvertragliche Reparatur- und Streitbewältigungskosten vermieden. Weder ist es notwendig, dass die Entscheidungsträger der Durchführung der Umwandlungsmaßnahme nochmals zustimmen müssen, noch werden langwierige Rechtsstreitigkeiten die Strukturmaßnahme belasten, weil deren Wirksamkeit nach Eintragung in das Handelsregister nicht mehr zweifelhaft sein kann. Das alles dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs165, die durch eine Einschränkung der Verkehrsleichtigkeit in Form der Registereintragung nebst notarieller Mitwirkung166 erkauft wird. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung von Umwandlungsmaßnahmen steht die rechtspolitische Sinnhaftigkeit der zugunsten des Eintragungserfordernisses vorgenommenen Abwägung indes außer Frage. Der umwandlungsrechtliche Bestandsschutz sorgt dafür, dass den Vertragsparteien die wirtschaftlichen Vorteile der Gesamtnachfolge ungeschmälert erhalten bleiben, und steigert so – nach dem ökonomischen Modell – den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand.
2. Reichweite des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes Während die grundsätzliche Sinnhaftigkeit des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes im Schrifttum nicht in Frage gestellt, ja überhaupt kaum ausdrücklich thematisiert wird, herrscht indes Streit über die konkrete Reichweite der Bestandsschutzvorschriften. Überwiegend wird angenommen, dass eine Rückabwicklung von Umwandlungsmaßnahmen – in Übereinstimmung mit § 16 Abs. 3 S. 10 UmwG – vollumfänglich ausscheidet167. Die noch immer zahl-
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BGH ZIP 1995, 422, 425 (zu § 34 Abs. 3 LwAnpG); Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 123; K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 187; ders., ZGR 1991, 373, 380 f. 165 So auch Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 5. 166 Dazu sogleich unten § 16 VII. 3. 167 OLG Hamburg DNotZ 2009, 227; OLG Frankfurt NZG 2003, 790, 791; BayObLG NZG 2000, 50, 51; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 71 ff.; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 86; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 33, 47; Simon, in: KK, UmwG, § 20
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
reich vertretene Gegenposition plädiert für eine Restitutionsmöglichkeit mit Wirkung ex nunc, wenn sich Umwandlungsmängel als andauernde, analog § 1004 BGB abwehrbare Beeinträchtigungen darstellen168. Das Regelungsziel der §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2 UmwG ist nur erreichbar und vollends verwirklicht, wenn Rückabwicklungsansprüche mit der h.M. vollständig ausgeschlossen sind. Die mit Restitutionsansprüchen verbundenen Effizienzeinbußen treten nicht nur ein, wenn die Umwandlung mit Wirkung ex tunc rückabgewickelt werden muss, sondern auch wenn die Rückabwicklung – unter Heranziehung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft – mit Wirkung ex nunc erfolgt169. In diesem Sinne dient die Anerkennung endgültiger Bestandskraft nicht nur den individuellen Erhaltungsinteressen der an der Transaktion beteiligten Rechtsträger, sondern auch dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Besteht kein Risiko, dass die Umwandlung weder mit Wirkung ex tunc noch mit Wirkung ex nunc rückabgewickelt wird, erhöht dies für die Vertragsparteien ebenso wie für Geschäftspartner und außenstehende Dritte den Anreiz, wirtschaftlich sinnvolle Dispositionen in Ansehung der Transaktion zu tätigen, ohne befürchten zu müssen, im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Umwandlungsvorgangs enttäuscht zu werden. Davon abgesehen fehlt es für die Rückübertragung an einem geeigneten Verfahren. Weder enthält das Umwandlungsrecht für diesen Fall passgenaue Sondervorschriften, noch lassen sich allgemeine Grundsätze zu diesem Zweck fruchtbar machen. Überhaupt müssten zum Zweck einer „Entschmelzung“ Rechtsträger neu gegründet werden, weil die übertragenden Rechtsträger mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erloschen sind. Zuweisungsprobleme resultieren daraus, dass sich die Zusammensetzung der übertragenen Vermögensmassen zwischenzeitlich verändert haben wird. So lässt sich nur schwerlich eine sinnvolle Lösung für Gegenstände finden, die der übernehmende Rechtsträger in der Zwischenzeit erworben hat. Zudem scheidet eine Rückübertragung von Gegenständen aus, die schon nicht mehr vorhanden sind. Man muss sich daher darüber bewusst sein, dass es keinesfalls gelingen wird, den status quo uneingeschränkt wiederherzustellen170.
Rn.16845; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 124 ff.; Vossius, in: Widmann/ Mayer, UmwG, § 20 Rn. 375 f., § 131 Rn. 196 f.; Kort, AG 2010, 230 ff.; ders., Bestandsschutz, S. 266 ff., 273 ff.; Marx, Spaltung, S. 64 f. 168 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 2 c bb; ders., AG 1991, 131 ff.; ders., ZIP 1998, 181, 187 f.; ders., FS Ulmer, S. 557, 572 f.; Henze, BB 1999, 2208, 2209 f.; Martens, AG 1986, 57, 63 ff.; Schmid, ZGR 1997, 493, 514 ff.; noch weitergehend C. Schäfer, Lehre, S. 182 ff., 191, 199, 337 ff. 169 Ebenso Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 71; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 84. 170 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 47; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 52.
VII. Prinzip des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes
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Darüber hinaus fügt sich die hier befürwortete endgültige Bestandskraft nahtlos in das umwandlungsrechtliche Bestandsschutzsystem ein171. Augenfällig ist namentlich die Parallele zu § 16 Abs. 3 S. 10 UmwG, wonach selbst der erfolgreiche Abschluss einer Beschlussmängelklage die Bestandskraft der infolge Freigabeentscheidung vorgenommenen Eintragung der Umwandlungsmaßnahme unberührt lässt. Demgegenüber kommt der feinsinnigen Differenzierung zwischen der Heilung von Formverstößen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 UmwG und der Unbeachtlichkeit anderweitiger Umwandlungsmängel gem. § 20 Abs. 2 UmwG keine maßgebliche Bedeutung zu172. Die Unterscheidung sorgt lediglich dafür, dass an die geheilten Rechtsverstöße von vornherein keine Sanktionen geknüpft werden, und zwar auch keine Sanktionen in Form etwaiger Schadensersatzansprüche, während an gem. § 20 Abs. 2 UmwG unbeachtliche Rechtsverstöße – wiederum in Parallele zu § 16 Abs. 3 S. 10 UmwG – grundsätzlich Ersatzansprüche angeknüpft werden können. Letztere sind nach Maßgabe des bestandsschützenden Normzweckes indes auf Geldleistung beschränkt; Naturalrestitution, d.h. die Beseitigung der Wirkungen der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister, kann als Ersatz des Schadens nicht verlangt werden173. Auf der Grundlage der zutreffenden h.M. sind demnach sämtliche materiellen Fehler des Umwandlungsvertrags unerheblich, und zwar unabhängig von Art und Schwere174. Selbst die Sittenwidrigkeit des Umwandlungsvertrages gem. § 138 BGB oder der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB lassen die Wirksamkeit der Umwandlungsmaßnahme nach deren Eintragung unberührt175. Gleiches muss in Anbetracht der Zielrichtung des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes auch für Irrtümer und die arglistige Täuschung gelten176. Wenn allerdings eine den Umwandlungsvertrag konstituierende Willenserklärung vollständig fehlt177, keine Verschmelzungsbeschlüsse gefasst sind178 oder die gewählte Umwandlungsvariante gesetzlich nicht zulässig ist179,
171
Siehe auch OLG Frankfurt NZG 2003, 790, 791; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 71; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 86; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 47; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 45. 172 A.A. namentlich K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 186 f. 173 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 71 f.; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 86; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 45; ausf. Kort, AG 2010, 230, 235 f. 174 BGH ZIP 1995, 422, 424 f. (zu § 34 Abs. 3 LwAnpG); NZG 1999, 785, 786; OLG Frankfurt NZG 2003, 790, 791; OLG Hamburg DNotZ 2009, 227; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 45; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 122; Kort, AG 2010, 230, 231 f. 175 OLG Hamburg DNotZ 2009, 227; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 90 f.; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 48; Kort, AG 2010, 230, 232. 176 Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 90 f.; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 46; a.A. Kort, Bestandsschutz, S. 276; offen lassend nunmehr ders., AG 2010, 230, 234. 177 So auch Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 74; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 89; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 46, 48. 178 BGH ZIP 1996, 1146. 179 BGH ZIP 2001, 2006; vgl. OLG Frankfurt NZG 2012, 596, 597.
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
wird man im Hinblick auf die dem Einigungsprinzip180 zugrunde liegenden Wertungsgesichtspunkte eine Ausnahme zulassen müssen, was nicht gerade häufig vorkommen wird. Schließlich entfaltet der umwandlungsrechtliche Bestandsschutz noch Ausstrahlungswirkung auf das Löschungsverfahren. Selbst bei schwerwiegenden Mängeln des Umwandlungsvertrages ist demnach eine Löschung von Amts wegen gem. §§ 395, 397 FamFG im Grundsatz ausgeschlossen181. Nur wenn § 20 Abs. 2 UmwG in den genannten Sonderfällen keine bestandssichernde Wirkung zeitigt, kommt ausnahmsweise auch eine Amtslöschung in Betracht182.
3. Formbedürftigkeit der Umwandlungsverträge Flankiert wird der in §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2 UmwG niedergelegte umwandlungsrechtliche Bestandsschutz durch die für Umwandlungsverträge gem. §§ 6, 125 S. 1 UmwG vorgesehene notarielle Beurkundung. Angesichts der immensen wirtschaftlichen Bedeutung von Umwandlungsvorgängen drängt sich eine Parallele zur Formbedürftigkeit von Verträgen über die Übertragung des gesamten Vermögens gem. § 311b Abs. 3 BGB förmlich auf183. In diesem Sinne regen die Formvorschriften die Beteiligten an, sich über die Tragweite der angestrebten Unternehmenstransaktion bewusst zu werden und von unüberlegten und übereilten Umwandlungsmaßnahmen abzusehen (Warnfunktion)184. Zudem wird den beteiligten Rechtsträgern durch die Einschaltung des Notars fachmännischer Rat zuteil, der sich in den besonderen Prüfungs- und Belehrungspflichten gem. §§ 17 ff. BeurkG manifestiert (Belehrungsfunktion). Beide Funktionen beziehen sich primär auf die schuldrechtlichen und organisatorischen Implikationen der Umwandlung. Hinzu kommt mit Blick auf die Verfügungswirkung von Verschmelzungs- und Spaltungsverträgen die Bedeutung der Formvorschrift für Aspekte der Beweissicherung und allgemein der Rechtssicherheit (Beweisfunktion). Zudem sollen Zweifel über den Inhalt des Umwandlungsvertrages, namentlich über die Zuordnung der im Rahmen der Spaltung im Einzelnen übertragenen Vermögensgegenstände, durch die Formvorschriften ausgeschlossen werden. In diesem Sinne zielen §§ 6, 125 S. 1 UmwG auf eine besondere materielle Richtigkeitsgewähr der in den Umwandlungsver180
Siehe oben § 6. BGH NJW 2007, 224 Tz. 23; OLG Frankfurt NZG 2003, 790, 791; OLG Hamburg DNotZ 2009, 227, 229 f.; OLG München ZIP 2010, 927, 928; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 73; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 47; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 52; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 125; Kort, AG 2010, 230, 236. 182 Kort, AG 2010, 230, 236; für ein Beispiel aus der Rechtsprechung vgl. BayObLG NZG 2003, 829, 830; a.A. offenbar OLG Frankfurt NZG 2003, 790, 791; OLG Hamburg DNotZ 2009, 227, 230; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 52, die § 20 Abs. 2 UmwG als lex specialis ansehen. 183 So auch BT-Drucks. 12/6699, S. 83. 184 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 6 Rn. 1. 181
VIII. Zusammenfassung
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trägen niedergelegten Vereinbarungen ab185, die nicht zuletzt durch die Mitwirkung des Notars und seine Verpflichtung zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrens sichergestellt wird. Dass der mit der notariellen Beurkundung verbundene Zeit- und Kostenaufwand im Vergleich zu der überragenden wirtschaftlichen Bedeutung von Umwandlungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis steht, kann aus rechtspolitischer wie rechtsökonomischer Perspektive nicht zweifelhaft sein. Wenn schon die Übertragung eines beliebigen Grundstückes gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB an die notarielle Form geknüpft ist, muss dies erst recht für die Übertragung von Vermögensgesamtheiten gelten, und zwar mit Blick auf das Bestimmtheitsproblem186 gerade auch dann, wenn – wie bei den Spaltungsvarianten – nur ein Teil des Unternehmensganzen übertragen wird. Die Formvorschriften der §§ 6, 125 S. 1 UmwG runden insofern das umwandlungsrechtliche Bestandsschutzsystem in überzeugender Weise ab.
VIII. Zusammenfassung Das Proprium der Universalsukzession liegt in dem einheitlichen und zeitgleichen Übergang einer Gesamtheit von Vermögenspositionen auf den übernehmenden Rechtsträger. Durch Universalsukzession übertragen wird kein (singuläres) Recht am Vermögen. Vielmehr gehen sämtliche zur Gesamtheit gehörenden Rechte und Pflichten uno actu als Ganzes auf den Gesamtnachfolger über. Der universalsukzessive Rechtsübergang vollzieht sich auf der Grundlage einheitlicher Gesamtnachfolgetatbestände, die eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorchen und insbesondere auf die tatbestandlichen Übertragungsvoraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge verzichten. Wird das gesamte Vermögen übertragen, wie im Erbfall oder der Verschmelzung, spricht man von einer totalen Universalsukzession. Soll nur ein Teil der Vermögensgesamtheit übertragen werden, wie bei Begründung einer ehelichen Gütergemeinschaft oder der Spaltung, handelt es sich um eine partielle Universalsukzession. Angesichts seiner transaktionskostensenkenden Wirkung ist der universalsukzessive Übertragungsmodus auch aus ökonomischer Perspektive überzeugend. Während sich die erb- und familienrechtliche Universalsukzession kraft Gesetzes vollzieht, vollziehen sich Verschmelzung und Spaltung kraft Rechtsgeschäfts. Maßgeblicher rechtsdogmatischer Anknüpfungspunkt ist der unverzichtbare Umwandlungsvertrag. Der Umwandlungsvertrag und die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister bilden die beiden Grundkonstituanten der dualistisch strukturierten Gesamtnachfolgetatbestände kraft Rechtsgeschäfts. Entgegen der bisher h.M. entfalten Verschmelzungs- und Spaltungsverträge auch Verfügungswirkung. 185 Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 6 Rn. 4 f.; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 6 Rn. 1; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 6 Rn. 2. 186 Siehe oben § 16 VI. 2.
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§ 16 Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
Der universalsukzessive Übertragungsmodus schließt die Gestaltbarkeit des Rechtsübergangs nicht aus. Im Erbrecht gilt das Prinzip der Testierfreiheit. In der ehelichen Gütergemeinschaft können Vermögensgegenstände als Vorbehaltsgut von der Gesamtnachfolge ausgenommen werden. Und im Spaltungsrecht herrscht Spaltungsfreiheit. Die Parteien können privatautonom darüber bestimmen, welche Vermögenspositionen auf welchen übernehmenden Rechtsträger übergehen sollen. Grenzen sind der Spaltungsfreiheit nur nach dem allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrecht gezogen, und zwar (1.) durch bürgerlichrechtliche Trennungsverbote, (2.) das institutionelle Kapitalschutzsystem und (3.) durch das allgemeine Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Aus dem rechtsgeschäftlichen Charakter der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession folgt die Geltung des übergeordneten Prinzips der Sukzessionsfreiheit. Das Maß der durch den universalsukzessiven Übertragungsmodus gewährleisteten Sukzessionsfreiheit geht allerdings noch über die Standards der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession hinaus: Zum einen bedarf die Übertragung von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen – entgegen §§ 414, 415 BGB – keiner Zustimmung der jeweiligen Gegenpartei (Forderungsgläubiger, verbleibender Vertragsteil). Zum anderen sind Verfügungshindernisse, namentlich rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen, nicht geeignet, den Rechtsübergang kraft Gesamtnachfolge zu verhindern. Die umwandlungsrechtliche Universalsukzession ist insoweit gekennzeichnet durch einen vollständigen Verzicht auf präventiven Sukzessionsschutz. Die berechtigten Interessen der Gegenparteien werden durch postventiv wirkende Sondervorschriften geschützt, namentlich die spaltungsrechtliche Transferhaftung sowie Ansprüche auf Sicherheitsleistung, von denen im nachfolgenden Abschnitt ausführlich die Rede sein wird. Die umwandlungsrechtliche Universalsukzession vollzieht sich unter Geltung des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips. Entgegen der bisher h.M. im umwandlungsrechtlichen Schrifttum bedeutet die Anwendung des Spezialitätsprinzips nur, dass sich jede Sukzession stets auf einzelne Vermögenspositionen beziehen kann. Legt man dieses restriktive Verständnis zugrunde, kann die Geltung des Spezialitätsprinzips im Umwandlungsrecht nicht zweifelhaft sein. Die Geltung des Bestimmtheitsprinzips ist für die rechtsgeschäftliche Universalsukzession im Grundsatz anerkannt. Zur Anwendung gelangt der für die rechtsgeschäftliche Singularsukzession entwickelte minimalistische Bestimmtheitsansatz. Das gilt – entgegen BGH – auch in Bezug auf die Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten. Insbesondere bleiben die Wirkungen des § 28 GBO auf das formelle Grundbuchrecht beschränkt und strahlen nicht auf die Bestimmtheitsanforderungen des Spaltungsvertrages aus. Eine echte Besonderheit der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession ist der umwandlungsrechtliche Bestandsschutz. Er verhindert, dass etwaige Rechtsmängel der Verschmelzung und Spaltung die vollständige Unwirksamkeit des Umwandlungsvertrages zur Folge haben und eine kostspielige und vielfach unmögliche Rückabwicklung auslösen. Sieht man einmal von besonders gravie-
VIII. Zusammenfassung
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renden Rechtsverstößen ab, schließen die umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzvorschriften Restitutionsansprüche endgültig und vollständig aus, und zwar auch solche mit Wirkung ex nunc. Abgerundet wird das umwandlungsrechtliche Bestandsschutzsystem durch die für Umwandlungsverträge vorgesehene notarielle Form. Die Formvorschriften haben Warn-, Belehrungs- und Beweisfunktion und zielen auf eine besondere materielle Richtigkeitsgewähr der in den Umwandlungsverträgen getroffenen Vereinbarungen ab.
§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession Wie bereits die Voraussetzungen der vertraglichen Universalsukzession1 orientieren sich auch deren Rechtsfolgen an den Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession. Als strukturelle Parallelen lassen sich die Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips, des Akzessorietätsprinzips sowie des Sukzessionsschutzprinzips ausmachen. Eine nähere Analyse der inhaltlichen Ausgestaltung offenbart freilich zahlreiche Abweichungen im Detail. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die aus dem Recht der Einzelnachfolge bekannten Prinzipien im Kontext der rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge regelmäßig keine Einschränkungen erfahren. Vielmehr finden sich Struktur- und Wertungsprinzipien hier in Reinform verwirklicht. Das beginnt bereits bei der Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips (I.), das eine Durchbrechung in Form des Gutglaubenserwerbs nicht zulässt, stattdessen das Nemo-plus-iuris-Prinzip einschränkungslos realisiert. Ebenso streng ausgestaltet ist bei der rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge das Akzessorietätsprinzip (II.), und zwar nicht nur in Bezug auf den Übergang akzessorischer Nebenrechte, sondern auch – und in Abweichung zur Einzelnachfolge2 – für den Fortbestand derselben bei der privativen Schuldübernahme. Ein in rechtssystematischer Hinsicht kaum zu überschätzendes Spezifikum der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession bilden das eigenständige System des umwandlungsrechtlichen Gläubigerschutzes (III.), das als notwendiges Gegenstück zur erhöhten Sukzessionsfreiheit3 dem Schutz des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses zu dienen bestimmt ist. Flankiert wird das System des umwandlungsrechtlichen Gläubigerschutzes durch die Geltung der allgemeinen Grundsätze des bürgerlichrechtlichen Sukzessionsschutzes (IV.), deren Geltung im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession sich maßgeblich an das postventive Sukzessionsschutzsystem der Singularsukzession anlehnt.
1 2 3
Siehe oben § 16. Siehe oben § 14 III. 2. a). Siehe oben § 16 V.
I. Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip
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I. Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip Das Prinzip der sukzessionsrechtlichen Identität ist das Proprium der juristischen Nachfolge4 und gilt als solches auch für die Universalsukzession. Auch wenn eine Gesamtheit von Rechten und Pflichten gleichzeitig und uno actu auf den Gesamtnachfolger übertragen wird, findet ein identitätswahrender, unmittelbarer und abhängiger Übergang der einzelnen Vermögenspositionen statt5. Rechte und Pflichten werden durch den universalsukzessiven Rechtsübergang weder in ihrer Gestalt noch in ihrem Charakter verändert. Die juristische Identität der übertragenen Vermögenspositionen ist de lege lata unbestreitbar6.
1. Geltung des Nemo-plus-iuris-Prinzips Aus der derivativen Natur der vom Gesamtnachfolger erworbenen Rechtsstellung folgt, dass die Universalsukzession nur solche Vermögenspositionen erfasst, die dem übertragenden Rechtsträger rechtlich zugeordnet sind7. Der Nachfolger gründet seine Rechtsstellung auf die Rechtszuständigkeit bzw. eine anderweitige Sukzessionsbefugnis des übertragenden Rechtsträgers. Es gilt der bekannte Nemo-plus-iuris-Grundsatz8, und zwar ohne die bekannten Einschränkungen des gutgläubigen bzw. gutgläubig lastenfreien Erwerbs9. Dass der Gutglaubenserwerb im Fall des universalsukzessiven Rechtsübergangs scheitert, ist heute unstreitig. Keine Einigung ließ sich bisher indes über die dogmatische Begründung erzielen. Wer den Gutglaubenserwerb unter Hinweis auf den gesetzlichen Charakter der Universalsukzession scheitern lässt10, setzt sich in Widerspruch zur zutreffenden Auffassung im Umwandlungsrecht, die den universalsukzessiven Übertragungsmodus auf Grundlage von Verschmelzungs- und Spaltungsvertrag als einen solchen kraft Rechtsgeschäfts er-
4
Siehe oben § 13. Zur Einzelnachfolge siehe oben § 13. 6 Zum Identitätsprinzip bei der Singularsukzession näher § 13 I. 1. 7 Zur Einzelnachfolge siehe oben § 13 I. 2. 8 Zu Grundsatz und Durchbrechungen siehe oben ausf. § 11. 9 Im Grundsatz unstreitig; siehe K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 517 ff.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 892 Rn. 3; Bermel, in: Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, § 20 Rn. 8; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 10; Heidinger, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 20 UmwG Rn. 8; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 4; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 9; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 24 f.; Vossius, in: Widmann/ Mayer, UmwG, § 20 Rn. 27 ff., § 131 Rn. 25; Claussen, Gesamtnachfolge, S. 196 ff.; Marx, Spaltung, S. 73 f.; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 150 ff.; geringfügig einschränkend Zöllner, FS Kropff, S. 423, 442 f.; de lege ferenda befürwortend Claussen, Gesamtnachfolge, S. 198 f.; dagegen mit Recht Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 154. 10 So aber Bassenge, in: Palandt, BGB, § 892 Rn. 3; Heidinger, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 20 UmwG Rn. 8; Kohler, in: MünchKommBGB, § 892 Rn. 31; Stratz, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 24 f. 5
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
kennt11. Da das Spezialitätsprinzip nach hiesiger Auffassung auch für die umwandlungsrechtliche Gesamtnachfolge gilt, kann der redliche Erwerb auch nicht an dessen mangelnder Geltung scheitern12. Und schließlich ist es auch zu kurz gegriffen, den Gutglaubenserwerb per se mangels Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts zu verneinen13, denn zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger besteht nicht notwendig wirtschaftliche Identität. Die Gutglaubensvorschriften kommen vielmehr deshalb nicht zum Zuge, weil sie und ihre tatbestandlichen Voraussetzungen auf die Singularsukzession zugeschnitten sind14 und die Gesamtnachfolgetatbestände für einen redlichen Erwerb einzelner Vermögensrechte keine objektive Rechtsscheinbasis schaffen, an die auch nur ein abstrakt-potenzielles Vertrauen des übernehmenden Rechtsträgers anknüpfen könnte. Auch wenn der Einzelnachfolger typischerweise nicht auf die Richtigkeit des Rechtsscheinträgers konkret-individuell vertrauen muss, setzen die Gutglaubenstatbestände doch allesamt zumindest das Vorliegen einer objektiven Legitimationsgrundlage voraus. Die unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen spielen für den universalsukzessiven Rechtsübergang indes keine Rolle. Weder muss sich für den Erwerb von Sachgegenständen die Besitzverschaffungsmacht des übertragenden Rechtsträgers in einer ausschließlichen Besitzposition des übernehmenden Rechtsträgers manifestieren15, noch bedarf es für den Grundstückserwerb der Eintragung in das Grundbuch16. Stattdessen vollzieht sich die umwandlungsrechtliche Universalsukzession ausschließlich auf Grundlage des Umwandlungsvertrages und der Eintragung in das Handelsregister. In diesem Zusammenhang mögen die Publizitätswirkungen des Handelsregisters (§ 15 HGB) zum Zug kommen, nicht indes die Vermutungs- und Gutglaubenswirkung des Grundbuchs. Selbst wenn es gelegentlich des universalsukzessiven Rechtsübergangs oder späterhin zu einer Grundbucheintragung kommt, fehlt es an einer spezifischen Verknüpfung zwischen der Registereintragung und dem Rechtsübergang. Denn die Eintragung in das Grundbuch ist ausschließlich deklaratorischer Natur und ist nicht geeignet einen gescheiterten Erwerb vom Berechtigten im Nachhinein zu heilen.
11
Siehe oben § 16 III. So vor allem Marx, Spaltung, S. 73 f.; dagegen Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 150 f. 13 So aber zum Teil K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 523 ff.; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 131 Rn. 25; dagegen mit Recht Zöllner, FS Kropff, S. 423, 442 f.; Claussen, Gesamtnachfolge, S. 197; vgl. weiter Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 151 ff. 14 Dieser Gedanke klingt an bei Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 9; Claussen, Gesamtnachfolge, S. 198; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 153. 15 Zum redlichen Mobiliarerwerb siehe oben § 11 III. 4. 16 Zum redlichen Immobiliarerwerb siehe oben § 11 III. 2. 12
II. Sukzessionsrechtliches Akzessorietätsprinzip
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2. Ausgestaltung und Charakter der Vermögensposition Umgekehrt gewährleistet der identitätswahrende Charakter der Universalsukzession, dass Inhalt und Umfang, Natur und Charakteristika der übergeleiteten Vermögenspositionen unverändert bleiben17. Der Gesamtnachfolger erwirbt sämtliche Verfügungsgegenstände so, wie sie in der Hand des übertragenden Rechtsträgers bestanden. Aus dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip folgt ferner, dass der übernehmende Rechtsträger durch die Universalsukzession keine andere, auch keine bessere Rechtsstellung erlangt, als sie der Veräußerer innehatte. Ist die Vermögensposition anfechtbar oder unwirksam, ist sie dies auch in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers. Vor dem Rechtsübergang begründete Einwendungen bleiben analog §§ 404, 417 BGB erhalten18. Auf der anderen Seite erwirbt der übernehmende Rechtsträger analog § 401 BGB die mit Vermögensrechten verbundenen Sicherungs-, Vorzugs- und sonstigen Nebenrechte. Es gilt auch in diesem Kontext das aus dem Identitätsprinzip abgeleitete Akzessorietätsprinzip19. Und schließlich finden auch die Vereinigungstatbestände der Konfusion und Konsolidation bei der universalsukzessiven Rechtsübertragung grundsätzliche Anwendung20.
II. Sukzessionsrechtliches Akzessorietätsprinzip Darüber hinaus beanspruchen auch die Grundsätze des Akzessorietätsprinzips für die rechtsgeschäftliche Universalsukzession Geltung, und zwar nicht nur für den Übergang akzessorischer Nebenrechte mit dem Hauptrecht (1.), sondern gleichermaßen – und im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge21 – in Bezug auf den Fortbestand akzessorischer Nebenrechte beim Schuldübergang (2.).
1. Übergang akzessorischer Nebenrechte Der Übergang akzessorischer Sicherungs-, Vorzugs- und Nebenrechte analog § 401 BGB22 bildet eine besondere Ausformung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips, das für die Einzelnachfolge ebenso gilt wie für die Gesamtnachfolge. Die Bedeutung des Akzessorietätsprinzips für die rechtsgeschäftli17
Zur Einzelnachfolge siehe oben § 13 I. 3. Im Einzelnen siehe unten § 17 IV. 1. a). 19 Dazu sogleich unten § 17 II. 20 Die zur rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge entwickelten Grundsätze (siehe oben § 13 II.) gelten für die Universalsukzession entsprechend. 21 Siehe oben § 14 III. 2. 22 Unstreitig: Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 84; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 32; Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 27; Wardenbach, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 131 Rn. 17; Rieble, ZIP 1997, 301, 311. 18
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
che Universalsukzession resultiert indes weniger aus der positiven Anordnung des Rechtsübergangs mit dem führenden Hauptrecht, die namentlich bei der Verschmelzung ganz selbstverständlich eintritt, sondern aus der – reziproken – Geltung bürgerlichrechtlicher Trennungsverbote23. Danach ist die umwandlungsrechtliche Spaltungsfreiheit insofern eingeschränkt, als die beteiligten Rechtsträger die Hauptforderungen keinem anderen Rechtsträger zuweisen können als das akzessorische Nebenrecht, wollen sie Letzteres nicht zum Erlöschen bringen. Im Übrigen gelten für Grundlagen und Reichweite des Akzessorietätsprinzips im Vergleich zur Singularsukzession24 keine Besonderheiten.
2. Fortbestand akzessorischer Nebenrechte beim Schuldübergang Eine zentrale Abweichung von den Grundsätzen der Einzelnachfolge25 manifestiert sich allerdings in dem Fortbestand akzessorischer Nebenrechte beim Schuldübergang. Geht es um die individuelle Übernahme einer einzelnen Verbindlichkeit im Wege privativer Schuldübernahme, ordnet § 418 Abs. 1 BGB mit Blick auf das berechtigte Interesse des Sicherungsgebers das grundsätzliche Erlöschen akzessorischer Nebenrechte an. Da sich infolge der privativen Schuldübernahme das Ausfallrisiko verändert, bindet das Gesetz den Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte an die Zustimmung des Sicherungsgebers. Die im Schutz berechtigter Sicherungsinteressen zum Vorschein kommende Abwägungsentscheidung zulasten des Befriedigungsinteresses des Forderungsgläubigers beruht zum einen auf den Wertungen des Konsensprinzips im Verhältnis zum Sicherungsgeber und ist vom Gläubiger zum anderen auch deshalb hinzunehmen, weil er nach Zustimmungserteilung zur Schuldübernahme nicht verlangen kann, dass ihm das für den früheren Schuldner erteilte Sicherungsrecht auch für den Neugläubiger zugutekomme. Anders liegen indes die Interessen der Beteiligten im Fall der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession. Denn einerseits ist der Schuldübergang vom Willen des Forderungsgläubigers hier unabhängig26. Ihm kann also keineswegs unterstellt werden, er habe durch seine tatsächlich nicht erfolgte Mitwirkung auf das Sicherungsrecht verzichtet. Zum anderen lässt der Schuldübergang das Ausfallrisiko des Sicherungsnehmers – nicht zuletzt aufgrund der besonderen Schutzvorschriften des Umwandlungsrechts27 – grundsätzlich unberührt. Im Verschmelzungsfall führt zunächst die Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten der übertragenden Rechtsträger dazu, dass dem Gläubiger typischerweise keine Haftungsmasse entzogen wird. Vielmehr vereinigt sich das Vermö23 24 25 26 27
Siehe oben § 16 IV. 3. b) aa). Für Einzelheiten siehe oben § 14 III. 1. Siehe oben § 14 III. 2. Siehe oben § 16 V. 1. Dazu ausf. unten § 17 III.
II. Sukzessionsrechtliches Akzessorietätsprinzip
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gen seines bisherigen Schuldners mit der Vermögensmasse des übernehmenden respektive eines anderen übertragenden Rechtsträgers, die ihm nun zusätzlich zur Befriedigung zur Verfügung steht. In der Folge bleibt das Ausfallrisiko regelmäßig stabil. Darüber hinaus ist das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse weiterhin durch die spaltungsrechtliche Transferhaftung gem. §§ 133, 134 UmwG sowie den Anspruch auf Sicherheitsleistung gem. § 22 UmwG (iVm. §§ 133 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1 UmwG) abgesichert. Durch die Umwandlungsmaßnahme wird das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse folglich nicht tangiert. In der Konsequenz bleibt auch das Ausfallrisiko des Sicherungsgebers unverändert, so dass die ratio legis des § 418 BGB für die umwandlungsrechtliche Universalsukzession nicht eingreift; in rechtsmethodischer Hinsicht scheitert die Analogiebildung mangels vergleichbarer Interessenlage28. Soweit § 156 S. 2 UmwG für den Sonderfall der Ausgliederung eines einzelkaufmännischen Unternehmens die Anwendung des § 418 BGB explizit ausschließt, kommt der Vorschrift angesichts der einheitlichen Interessenlage und des konstanten Ausfallrisikos lediglich deklaratorische Bedeutung zu29. Entgegen einer Literaturauffassung30 ist die Sicherungswirkung auch nicht auf die Forthaftung des übertragenden Rechtsträgers beschränkt, sondern erstreckt sich gleichermaßen auf die infolge Spaltung auf den übernehmenden Rechtsträger übergeleitete Schuld31. Beschränkte man die Sicherungswirkung auf den zeitlich begrenzten Nachhaftungsanspruch, würden die berechtigten Gläubigerinteressen nicht hinreichend gewahrt und folglich gegen das sukzessionsrechtliche Verschlechterungsverbot32 verstoßen. Erst die Erstreckung auf die übergegangene Schuld entspricht der Dogmatik des Sukzessionsvorgangs sowie den Wertungen des sukzessionsrechtlichen Identitäts- und des Sukzessi28
Für die h.M. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 83; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 17; D. Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 156 Rn. 8; Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 28, § 133 Rn. 62; Rieble, ZIP 1997, 301, 309; K. Schmidt/Chr. Schneider, BB 2003, 1961, 1967; im Ergebnis auch Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 34; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 131 Rn. 134 iVm. § 20 Rn. 263; Müntefering, Schranken, S. 158; a.A. Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 39; abweichend auch Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 116; Petersen, Gläubigerschutz, S. 361 f., die § 418 BGB nach der Enthaftung gem. § 133 Abs. 3 UmwG anwenden wollen. Diese Ansätze werden allesamt dem Gläubigerinteresse nicht hinreichend gerecht; vgl. die Argumentation im Text. 29 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 156 Rn. 9; Karollus, in: Lutter, UmwG, § 156 Rn. 21; Simon, in: KK, UmwG, § 156 Rn. 13; vgl. aber Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/ Stengel, UmwG, § 156 Rn. 11: „Die Regelung ist nicht selbstverständlich“. Andere betonen, dass der Rechtsgedanke des § 156 S. 2 UmwG für sämtliche Spaltungsfälle zur Anwendung gelange; so Rieble, ZIP 1997, 301, 309; a.A. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 116; Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 61; Petersen, Gläubigerschutz, S. 361 f. 30 Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 116; Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 61; Petersen, Gläubigerschutz, S. 361 f. 31 Karollus, in: Lutter, UmwG, § 156 Rn. 21; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 156 Rn. 11 mit Fn. 19; K. Schmidt/Chr. Schneider, BB 2003, 1961, 1967. 32 Zum Verschlechterungsprinzip als Ausprägung des allgemeinen Sukzessionsschutzprinzips siehe oben § 15 III.
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onsschutzprinzips. Umgekehrt fehlt es für die Beschränkung des Sicherungsinteresses auf die Forthaftung außerdem an einem sachlichen Grund, weil die Interessen des Sicherungsgebers angesichts des umwandlungsrechtlichen Haftungssystems keine Einbußen erleiden, und der Gläubiger an der Spaltung nicht mitgewirkt hat, so dass es auch nicht gerechtfertigt erscheint, ihm das akzessorische Sicherungsrecht zu entziehen33. Da der Sicherungsgeber, dem aus der Sicherheit ein Regressanspruch zusteht, zugleich Altgläubiger ist, kann er sich außerdem – beispielsweise als Bürge nach Befriedigung des Gläubigers gem. § 774 Abs. 1 S. 1 BGB – aus übergegangenem Recht beim Hauptschuldner und den Mithaftenden schadlos halten34.
III. Umwandlungsrechtlicher Gläubigerschutz Der besonders weitgehenden Verwirklichung der Sukzessionsfreiheit bei der rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge35 steht als notwendiges Gegenstück ein verstärkter Sukzessionsschutz gegenüber. Ein höheres Sukzessionsschutzniveau wird notwendig, weil die berechtigten Gläubigerinteressen nicht länger mit präventiver Wirkung durch Zustimmungserfordernisse geschützt werden; Forderungsgläubiger und verbleibende Vertragsteile können den Übergang von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen nicht aus eigener Machtvollkommenheit verhindern. Deshalb hat der Gesetzgeber zur effektiven Gewährleistung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses postventive Schutzmaßnahmen in Form der spaltungsrechtlichen Transferhaftung (1.) sowie des Anspruchs auf Sicherheitsleistung (2.) installiert, die im System der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge keine Entsprechung finden36.
1. Spaltungsrechtliche Transferhaftung a) Teleologie, Rechtssystematik und Rechtspolitik Besondere Schwierigkeiten bereitet der Schutz der Gläubiger im Rahmen des Spaltungsrechts. Die dort vorgesehene partielle Universalsukzession kann nach 33 Ebenso Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 17, 101; Simon, in: KK, UmwG, § 133 Rn. 62. 34 Zum letzten Aspekt Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 17. 35 Siehe oben § 16 V. 1. 36 Daneben erfahren die zukünftigen Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers institutionellen Schutz durch die Vorschriften des Bilanzrechts und durch das allgemeine gesellschaftsrechtliche Kapitalschutzsystem. Dieses umfangreiche Sonderfeld hat indes mit der Universalsukzession als rechtstechnischem Prinzip im Grunde nichts zu tun. Deshalb werden die hiermit verbundenen Rechtsfragen im Rahmen der vorliegenden Bearbeitung ausgespart; dazu ausf. K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 368 ff.; Petersen, Gläubigerschutz, S. 147 ff.; Schöne, Spaltung, S. 60 ff.; K. Mertens, Umwandlung, S. 109 ff.
III. Umwandlungsrechtlicher Gläubigerschutz
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Maßgabe der sehr weitgehend gewährleisteten Spaltungsfreiheit37 zu einer Zersplitterung der Vermögensmasse des übertragenden Rechtsträgers führen, dessen bisherige Gläubiger in der Folge nicht länger auf das ungeteilte Vermögensganze zugreifen können und daher in ihrem Befriedigungsinteresse beeinträchtigt sein können38. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die gegen den übernehmenden Rechtsträger gerichtete Forderung nicht ebenso werthaltig ist wie die bisher gegen den übertragenden Rechtsträger gerichtete39. Hinzu kommt noch, dass die Spaltung nicht selten die Ertragskraft des übertragenden Unternehmens beeinträchtigt40. Dementsprechend liegt das maßgebliche Regelungsziel des spaltungsrechtlichen Gläubigerschutzregimes darin, den individuellen Gläubiger vor einem Werthaltigkeitsverlust seiner Forderung zu bewahren41. Dies geschieht in rechtskonstruktiver Hinsicht durch Anordnung einer spaltungsrechtlichen Transferhaftung gem. § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG. Danach haften für die vor Spaltung begründeten Verbindlichkeiten alle an der Spaltung beteiligten Rechtsträger gemeinschaftlich für mindestens fünf Jahre ohne Enthaftungsmöglichkeit. Der hiermit gewährleistete Gläubigerschutz bildet das wertungsmäßig kohärente Gegenstück zur Spaltungsfreiheit42. Die Spaltungshaftung kompensiert so einerseits den Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit des betreffenden Gläubigers43 und stellt andererseits sicher, dass das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse durch die Aufspaltung des bisherigen Schuldners nicht beeinträchtigt wird, sondern durch die gemeinschaftliche Haftung aller an der Transaktion beteiligten Rechtsträger gewahrt bleibt44. Zugleich verhindert die spaltungsrechtliche Transferhaftung, dass die Gestaltungsfreiheit in missbräuchlicher Weise zur disproportionalen Vermögensaufteilung ausgenutzt wird, etwa durch eine voneinander getrennte Übertragung von Aktiva und Passiva45. Zwar sind die Rechtsträger nach Maßgabe der weitreichenden Spaltungs37
Siehe oben § 16 IV. 3. Vgl. nur Kleindiek, ZGR 1992, 513, 515. 39 Zum Gefährdungspotenzial ausf. Voigt, Umwandlung, S. 62 ff., auch zu rechtlich nicht relevanten Risiken. 40 Vgl. nur Hommelhoff, in: Lutter, Umwandlungstage, S. 117, 118. 41 Mit unterschiedlicher Akzentsetzung Hommelhoff, in: Lutter, Umwandlungstage, S. 117, 119 f.; Kleindiek, ZGR 1992, 513, 515; K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 378; Voigt, Umwandlung, S. 64. 42 So auch Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 133 Rn. 1; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 1; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 12, 15; Simon, in: KK, UmwG, § 133 Rn. 1; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 133 Rn. 1; Hommelhoff, in: Lutter, Umwandlungstage, S. 117, 119; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 183; Schöne, Spaltung, S. 73; vgl. ferner Doralt, FS Kastner, S. 123, 143. 43 Mit Unterschieden im Detail: J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 183; Mertens, Umwandlung, S. 119 ff., 140 f., 160 f.; Petersen, Gläubigerschutz, S. 9 f., 324; Schürnbrand, Schuldbeitritt, S. 44; Habersack, FS Bezzenberger, S. 93 f. 44 Vgl. J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 184; Voigt, Umwandlung, S. 64 f.; Mickel, Rechtsnatur, S. 57. 45 Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 14; K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 389. 38
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freiheit zu einer solchen Separation der Vermögenspositionen des übertragenden Rechtsträgers rechtlich in der Lage46. Die in § 133 UmwG angeordnete Mithaftung der beteiligten Rechtsträger entfaltet indes eine nicht gering zu schätzende präventive Steuerungswirkung, weil die Rechtsträger, um Haftungsansprüche zu vermeiden, daran interessiert sein werden, die übernehmenden Rechtsträger mit hinreichender Haftungsmasse auszustatten, um in Ansehung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse sicherzustellen, dass sie die ihnen durch die Spaltung zugewiesenen Verbindlichkeiten auch restlos erfüllen können47. Dementsprechend ist es auch gerechtfertigt, dass die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger bis zum Ablauf der 5-jährigen Enthaftungsfrist eine Risiko- und Schicksalsgemeinschaft bilden48. Schließlich ziehen typischerweise alle Rechtsträger wirtschaftliche Vorteile aus der Umstrukturierung. Deshalb ist es auch nur konsequent, wenn sie alle, selbst wenn ihnen die Verbindlichkeit nicht ausdrücklich zugewiesen ist, zeitlich begrenzt auf fünf Jahre mit dem Insolvenzrisiko der übrigen Rechtsträger belastet werden. Die Spaltungshaftung verbürgt in diesem Zusammenhang eine gewisse „Seriositätsgewähr“ und wirkt auf diese Weise missbräuchlichen Spaltungsvorhaben entgegen49. Das über die spaltungsrechtliche Transferhaftung zu sprechende rechtspolitische Fazit fällt daher positiv aus50, zumal alternative Regelungsoptionen zur Spaltungshaftung im Hinblick auf die Gläubigerinteressen allesamt defizitär bleiben51. Das gilt für die noch im Diskussionsentwurf zum UmwG von 1988 vorgesehene bloße Ausfallhaftung52 ebenso wie für die im Treuhand-Spaltungsgesetz (TrSpUG) vorgesehene Haftungsbegrenzung auf das übernommene Vermögen53. Zum einen verstößt es gegen das sukzessionsrechtliche Verschlechterungsverbot, wenn Gläubiger vor der Inanspruchnahme der Mithaftenden zunächst Klage erheben und erfolglos in das Vermögen des Hauptschuldners vollstrecken müssen. Dieser Umweg ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch mit ganz erheblichen Prozesskosten verbunden. Die damit einhergehende Be46
Dazu im Einzelnen oben § 16 IV. 3. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 13. 48 Terminologie entlehnt von K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 389; ebenso Schöne, Spaltung, S. 59. 49 Überzeugend K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 389. 50 So auch Veil, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht II, 24. Kap. Rn. 77. 51 Neben den im Folgenden besprochenen Modellen aus dem Gesetzgebungsverfahren siehe noch den Alternativvorschlag von Kleindiek, ZGR 1992, 513, 529 ff., der für eine Stärkung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung eintritt. Dagegen spricht, dass dann Sicherheitsleistungen in einem erheblich größeren Umfang erbracht werden müssten und sich hieraus – in Verbindung mit dem Widerspruchsrecht der Gläubiger – ein maßgebliches Spaltungshindernis ergeben könnte. Darüber hinaus muss Kleindiek, ZGR 1992, 513, 533 selbst einräumen, dass die präventive Stärkung der Gläubigersicherung zu einer „deutlichen Verzögerung des Spaltungsverfahrens“ führt, die angesichts der praktischen Realitäten des M&A-Geschäfts schwerlich hingenommen werden kann und – ebenso wie die Ausweitung der Sicherungsleistungen – mit einer deutlichen Steigerung der Transaktionskosten verbunden ist. 52 Dazu Kleindiek, ZGR 1992, 513, 522; außerdem K. Mertens, Umwandlung, S. 120 ff., 134 f., der dieses Modell für vorzugswürdig hält; vgl. weiter K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 384 f. 53 § 11 Abs. 1 S. 1 TrSpUG; dazu Kleindiek, ZGR 1992, 513, 522 f. 47
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einträchtigung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses lässt den mit der Spaltung verbundenen Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit selbst im Hinblick auf die unternehmerische Organisationsfreiheit schwerlich als gerechtfertigt erscheinen. Zum anderen greift auch eine Haftungsbeschränkung zu kurz, weil sie nur unzureichend berücksichtigt, dass der Gläubiger nach der Spaltung nicht mehr auf eine geschlossene wirtschaftliche Einheit zugreifen kann, deren Ertragskraft ihm als Sicherheit dient, sondern darauf beschränkt ist, auf einzelne Vermögensgegenstände zuzugreifen, die nun auf die übernehmenden Rechtsträger verteilt sind54. b) Differenzierung zwischen Hauptschuldner und Mithaftern Aus rechtsdogmatischer Perspektive betrachtet liegt der umwandlungsrechtlichen Spaltungshaftung nach Maßgabe des § 133 UmwG die grundlegende Differenzierung zwischen dem Hauptschuldner und den Mithaftern zugrunde55. Als Hauptschuldner haftet der Rechtsträger, dem die Verbindlichkeit im Spaltungsvertrag ausdrücklich zugewiesen ist. Er ist der primäre Forderungsschuldner. Schuldgrund ist der universalsukzessive Übergang der Schuldposition vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger. Letzterer muss für die Befriedigung der Forderung einstehen, ohne dass ihm die in § 133 Abs. 3 UmwG vorgesehene Enthaftungsmöglichkeit zugutekommt. Neben dem Hauptschuldner haften die übrigen an der Spaltung beteiligten Rechtsträger nach § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG als Mithafter für die Erfüllung der übergeleiteten Verbindlichkeit. Ihre Haftung ist gem. § 133 Abs. 3 UmwG allerdings auf einen Zeitraum von fünf Jahren seit Wirksamwerden der Spaltung begrenzt. Innerhalb der 5-Jahres-Frist bestehen im Verhältnis zu den Gläubigern im Außenverhältnis keine signifikanten Unterschiede zwischen der unmittelbaren Haftung des Hauptschuldners und der spaltungsrechtlichen Mithaftung nach Maßgabe des § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG. Insbesondere können die mithaftenden Rechtsträger nicht nur subsidiär in Anspruch genommen werden. Sie haften den Gläubigern vielmehr unmittelbar und gleichrangig mit dem Hauptschuldner56. Die Gläubiger können nach freiem Belieben auf den Hauptschuldner oder einen Mithafter zugreifen, ohne zuvor etwa den Hauptschuldner durch Einsichtnahme in das Handelsregister identifizieren zu müssen57 und ohne Infor54
Ebenso Kleindiek, ZGR 1992, 513, 525. Statt aller Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 27; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 16 ff.; Simon, in: KK, UmwG, § 133 Rn. 3; K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 386 f.; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 191; Schöne, Spaltung, S. 78 f.; Maier-Reimer/Gesell, FS Horn, S. 455, 457. 56 Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 40; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 20, 28; vgl. weiter Rieble, ZIP 1997, 301, 312; Petersen, Gläubigerschutz, S. 264 ff.; Schöne, Spaltung, S. 81 f.; Voigt, Umwandlung, S. 67; Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 107 f. 57 Schöne, Spaltung, S. 82. 55
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mationen über die Leistungsfähigkeit der Schuldner einzuholen58. Damit verbunden ist aufseiten des Forderungsgläubigers eine nachhaltige Senkung von Such- und Informationskosten, so dass nur verhältnismäßig geringe externe Effekte zulasten der Gläubiger zu beklagen sind. Bedeutung hat die Differenzierung zwischen Hauptschuldner und Mithafter demnach primär im Innenverhältnis: Werden mithaftende Rechtsträger nämlich von Gläubigern in Anspruch genommen, können sie vom Hauptschuldner Regress verlangen59. Bereits vor der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme ist der Hauptschuldner zur Freistellung der Mithafter verpflichtet60. c) Spaltungshaftung als akzessorische Mithaftung Damit ist allerdings noch nicht geklärt, in welchem Verhältnis die Haftung des Hauptschuldners und der Mithafter zueinander stehen. Die herkömmliche Auffassung geht von einer gesamtschuldnerischen Haftung gem. §§ 421 ff. BGB aus61 und kann sich dafür insbesondere auf den Wortlaut des § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG berufen, der ausdrücklich von einer Haftung der „an der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner“ spricht. Die im Vordringen begriffene Gegenposition plädiert hingegen für eine akzessorische Haftung in Anlehnung an die in §§ 128 ff. HGB niedergelegte Akzessorietät62. Von praktischer Bedeutung ist der Meinungsstreit insbesondere für die Frage, wie sich bestimmte Tatsachen in der Person eines Schuldners auf die übrigen Schuldner auswirken63. Nach dem tradierten Gesamtschuldmodell bleiben die Auswirkungen – abgesehen von Erfüllung, Erlass und Gläubigerverzug (§§ 422 ff. BGB) – grundsätzlich gem. § 425 BGB auf den Schuldner beschränkt, in dessen Person sie eintreten. Die Akzessorietätstheorie stellt hingegen den Hauptschuldner in den Mittelpunkt der rechtlichen Betrachtung. Treten in seiner Person rechtlich relevante Tatsachen ein, entfalten sie nach dem Rechtsgedanken des § 129 HGB Ausstrahlungswirkung auf sämtliche Mithafter. Darin 58
Mickel, Rechtsnatur, S. 189 ff.; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 40. Für Details siehe Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 66 ff. (für das Gesamtschuldmodell); Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 146 ff. (für die Akzessorietätslehre). 60 Ausf. Mickel, Rechtsnatur, S. 229 ff.; ferner Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 147 f.; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 66. 61 Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 31 ff.; Maier-Reimer/Gesell, FS Horn, S. 455 ff.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 133 Rn. 2 ff.; Simon, in: KK, UmwG, § 133 Rn. 19 ff.; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 421 Rn. 103; K. J. Müller, DB 2001, 2637 ff.; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 66 f. 62 Grundlegend Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 96 ff.; dem folgend Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 133 Rn. 3; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 23 ff.; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 133 Rn. 25 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 IV 5 a; Rieble, ZIP 1997, 301, 312; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 196 ff.; Mickel, Rechtsnatur, S. 195 ff., 260 f. und passim; Petersen, Gläubigerschutz, S. 259 f.; Schürnbrand, Schuldbeitritt, S. 123 ff. 63 Anschaulich Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 22; vgl. auch J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 197. 59
III. Umwandlungsrechtlicher Gläubigerschutz
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äußert sich das von dieser Auffassung angenommene einseitige Abhängigkeitsverhältnis der mithaftenden Rechtsträger vom Hauptschuldner. Tatsächlich vermag allein die einseitige Abhängigkeit der Mithaftung von der Hauptschuld dem Regelungszweck der spaltungsrechtlichen Transferhaftung gerecht zu werden. Der Akzessorietätsmechanismus stellt insbesondere sicher, dass die Haftung der übrigen Rechtsträger nicht über das zur Sicherung berechtigter Gläubigerinteressen notwendige Maß hinausgeht. Die Regelungsintention der Transferhaftung geht dahin, mit der Unternehmensspaltung womöglich verbundene Beeinträchtigungen der Gläubigerinteressen abzuwehren und die Durchsetzung des übergeleiteten Haftungsanspruchs abzusichern. Die Spaltungshaftung ist folglich gekennzeichnet durch ihre Sicherungsfunktion in Bezug auf den Hauptanspruch64. Durch den Rechtsübergang sollen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weder verschlechtert (Verschlechterungsverbot) noch ohne sachlichen Grund verbessert werden (Verbesserungsverbot). Es entspricht den Wertungen des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips, wenn sich der Haftungsanspruch gegen die Mithafter nach Umfang und Ausgestaltung fortlaufend an der Hauptschuld orientiert. Dazu passt es, wenn Einwendungen, die in der Person der Hauptschuldnerin bestehen, analog § 129 HGB dem Gläubiger auch von den Mithaftern entgegengehalten werden können. Im Gegensatz dazu erweist sich die dem Gesamtschuldmodell gem. § 425 BGB eigene Einzelwirkung im Hinblick auf die Sicherungsfunktion der Spaltungshaftung als wenig interessengerecht65. Allein das Akzessorietätsmodell, wie es für die Gesellschafterhaftung in der OHG oder die Bürgenhaftung zur Anwendung gelangt66, wird der Sicherungsfunktion des Mithaftungsanspruchs gerecht. Vor diesem teleologisch-normativen Hintergrund kommt dem Wortlaut des § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG („Gesamtschuldner“) nur eingeschränkte Bedeutung zu67. Das gilt umso mehr, richtet man den Blick auf die Vorgaben der Spaltungsrichtlinie68 und ihre Vorgeschichte69: Zwar spricht Art. 12 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie ebenfalls von einer gesamtschuldnerischen Haftung. Doch handelt es sich 64 Eingehend Mickel, Rechtsnatur, S. 249 ff.; dem folgend Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 23; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 198; a.A. Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 32. 65 Vgl. auch Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 103. 66 Zu diesen und anderen Parallelvorschriften eingehend Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 99 ff. 67 A.A. freilich Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 133 Rn. 3; Maier-Reimer/ Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 31 ff.; Simon, in: KK, UmwG, § 133 Rn. 21. 68 Sechste Richtlinie des Rates vom 17.12.1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften (82/891/EWG); abgedruckt bei Lutter/Bayer/Schmidt, Unternehmensrecht, S. 695 ff. 69 Ausf. Mickel, Rechtsnatur, S. 125 ff., 139 ff., 177 ff.; dem folgend Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 24; relativierend Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 31; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 133 Rn. 3; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 196 f.; vgl. noch Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 98 f.
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hierbei lediglich um eine sprachlich ungenaue Verkürzung des aus dem französischen Spaltungsrecht stammenden Konzepts, das dort als solidarité des débiteurs bezeichnet wird und eine wesentlich engere Verbindung der Schuldnermehrheit bezeichnet als das deutsche Konzept der Gesamtschuld. Da sich die einschlägigen Regelungen der Spaltungsrichtlinie an diesem französischen Vorbild orientieren, kommt der konkreten Bezeichnung in Art. 12 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie wie auch in § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG keine maßgebliche Bedeutung zu. Dementsprechend gebührt der Akzessorietätslehre gegenüber dem Gesamtschuldmodell im Ergebnis der Vorrang. d) Enthaftung des übertragenden Rechtsträgers Die haftungsrechtliche Sicherung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses tritt allerdings in einen Zielkonflikt zum Enthaftungsinteresse des mithaftenden Rechtsträgers70. Diesen Zielkonflikt löst § 133 Abs. 3 UmwG in Form einer zeitlichen Beschränkung der spaltungsrechtlichen Transferhaftung. Die mithaftenden Rechtsträger werden von der Spaltungshaftung befreit, wenn die vor Eintragung der Spaltung begründete Verbindlichkeit erst nach fünf Jahren fällig wird oder der Gläubiger es versäumt, die fällige Leistungspflicht innerhalb der 5-Jahres-Frist mittels Leistungsklage durchzusetzen oder zu diesem Zweck eine andere in § 204 BGB genannte Handlung zu ergreifen71. Die zeitliche Begrenzung der akzessorischen Mithaftung beruht auf der zutreffenden Annahme, dass ein individueller Gläubigerschutz gerade in den ersten fünf Jahren nach der Unternehmensspaltung von besonderer Wichtigkeit ist, weil sich innerhalb dieser Zeitspanne regelmäßig herausstellen wird, ob der abgespaltene Teil aus eigener Kraft lebensfähig ist. Über diesen Zeitraum hinaus existiert umgekehrt indes kein allgemeiner Grundsatz, wonach Gläubiger einen Anspruch darauf hätten, dass der Vermögensbestand des Schuldners auf Dauer unverändert bleibt. Weder wird das individuelle Vertrauen des Gläubigers auf eine solche Vermögenskontinuität durch allgemeine Sicherungsmechanismen geschützt noch kann der Gläubiger nachteilige Veränderungen des Schuldnervermögens nach allgemeinen Grundsätzen unterbinden72. Die Gesellschaftsgläubiger sind vielmehr auf institutionelle Weise durch das gesellschaftsrechtliche Kapitalschutzsystem sowie durch die besonderen Anfechtungsvorschriften des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts zu schützen. Darüber hinaus sorgt erst die Nachhaftungsbeschränkung für einen kompletten wirtschaftlichen Übergang der Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnisse und folglich für eine endgültige Trennung der Vermögensmassen und Haftungsrisiken (!) der an der Unternehmensspaltung beteiligten Rechtsträ-
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Vgl. in einem anderen Zusammenhang K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 378. Für die technischen Details siehe Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 106 ff. Vgl. auch Hennrichs, Formwechsel, S. 148.
III. Umwandlungsrechtlicher Gläubigerschutz
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ger73. Nach Ablauf der 5-Jahres-Frist können sich die Mithaftenden darauf verlassen, für etwa noch ausstehende Forderungen endgültig nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das gewährleistet den Mithaftern ein gutes Stück Rechts- und Planungssicherheit und sorgt für einen – auch in rechtspolitischer Hinsicht – angemessenen Ausgleich zwischen Gläubigerschutz und Spaltungsfreiheit.
2. Anspruch auf Sicherheitsleistung Neben die spaltungsrechtliche Transferhaftung tritt – für Verschmelzung (§ 22 UmwG) und Spaltung (§§ 133 Abs. 1 S. 2, 22, 125 S. 1 UmwG) gleichermaßen – ein Anspruch der Gläubiger noch nicht fälliger Forderungen auf Sicherheitsleistung. In der Sache begegnet der Anspruch dem Risiko, dass durch die Umwandlung Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden können, indem sich die Vermögenslage des übernehmenden Rechtsträgers bis zur Fälligkeit des Leistungsanspruchs nachteilig verändert74. Grund dafür ist die Konkurrenzsituation, die zu einer Gefährdung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses führen kann75, und zwar sowohl aufseiten des übertragenden als auch aufseiten des übernehmenden Rechtsträgers76. So müssen Altgläubiger des übertragenden Rechtsträgers hinnehmen, dass sie nicht länger auf das Vermögen des Schuldners zugreifen können, den sie sich ausgesucht haben. Ihre Befriedigungsaussichten bestimmen sich nun nach den Vermögensverhältnissen des übernehmenden Rechtsträgers, auf dessen Haftungsfonds sie aber keinen exklusiven Zugriff haben, sondern mit den bisherigen Gläubigern des übernehmenden Rechtsträgers konkurrieren. Hieraus ergibt sich zugleich eine Gefährdung der Altgläubiger des übernehmenden Rechtsträgers. Nach Wirksamkeit der Verschmelzung konkurrieren sie in gleicher Weise mit den Altgläubigern des übertragenden Rechtsträgers. Insbesondere im Fall einer sanierenden Verschmelzung können sich die Befriedigungsaussichten durch die verschmelzungstechnische Vereinigung der Vermögensmassen deutlich verschlechtern77. Aus diesem Grund gewährt § 22 UmwG den Gläubigern in Form eines Anspruchs auf Sicherheitsleistung individuellen Schutz78, soweit sie nicht Befriedigung 73
Vgl. Voigt, Umwandlung, S. 71. Vgl. etwa Kleindiek, ZGR 1992, 513, 523. 75 K. Schmidt, ZGR 1993, 366, 381; Petersen, Gläubigerschutz, S. 237. 76 Zum Folgenden näher Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 1 ff.; Petersen, Gläubigerschutz, S. 237. 77 Zur sanierenden Verschmelzung siehe Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 21; Keller/Klett, DB 2010, 1220, 1222 f. 78 Zur Differenzierung von institutionellem und individuellem Gläubigerschutz ausf. K. Schmidt, ZGR 1993, 366 ff.; Petersen, Gläubigerschutz, S. 2 f., 16 ff. und passim; Schöne, Spaltung, S. 59 ff.; ferner J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 186; zurückhaltend Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 1. 74
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verlangen können und glaubhaft machen, dass die Verschmelzung die Erfüllung der Forderung gefährdet. Flankiert wird dieser Anspruch durch eine Schadensersatzpflicht der Vertretungsorgane des übertragenden Rechtsträgers nach Maßgabe des § 25 UmwG79. Daneben sichert § 613a BGB, dessen Anwendbarkeit in § 324 UmwG nochmals ausdrücklich hervorgehoben ist, die Interessen der am übertragenden Rechtsträger beteiligten Arbeitnehmer80. Für die Spaltung gelten schließlich noch die handelsrechtlichen Tatbestände der Unternehmensfortführung gem. § 133 Abs. 1 S. 2 UmwG iVm. §§ 25 f., 28 HGB81. Voraussetzung für das Sicherheitsverlangen ist stets, dass die Gläubiger eine konkrete Gefährdung ihres noch nicht fälligen Anspruchs geltend machen können, die über die Tatsachen des bloßen Schuldnerwechsels hinausgeht82. Hierbei kommt der Solvenz des übernehmenden Rechtsträgers entscheidende Bedeutung zu. Entsteht durch die Umwandlung eine Unterbilanz, ist ein Anspruch grundsätzlich zu bejahen, es sei denn, die Forderung ist bereits durch anderweitige Mittel hinreichend besichert83. Genügen kann auch die Beeinträchtigung der Liquidität des übernehmenden Rechtsträgers84. Davon abgesehen ist danach zu fragen, ob der übernehmende Rechtsträger unter Marktverhältnissen in der Lage wäre, auch nach der Umwandlung die fragliche Verbindlichkeit unter vergleichbaren Konditionen zu begründen85. Anspruchsgegner des Sicherungsanspruchs ist nach zutreffender h.M.86 ausschließlich der übernehmende Rechtsträger, dem die betreffende Schuldposition infolge Spaltung zugewiesen worden ist. Der übertragende Rechtsträger wird hingegen schon deshalb vom Sicherheitsanspruch freigehalten werden, um ihn jenseits der 5-Jahres-Frist des § 133 Abs. 3 UmwG von jedweden Belastungen freizuhalten und – damit analog dem Gedanken der Nachhaftungsbeschränkung – für Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen. Art und Weise der Sicherheitsleistung bestimmen sich nach Maßgabe der §§ 232 ff. BGB. Maßgeb79
Zur systematischen Bedeutung eingehend Petersen, Gläubigerschutz, S. 241 ff. Zu weiteren rechtsformspezifischen Gläubigerschutzvorschriften siehe Petersen, Gläubigerschutz, S. 243 ff. 81 Erwägenswert ist darüber hinaus die Anwendung der Rechtsfigur des existenzvernichtenden Eingriffs; zum aktuellen Konzept: BGHZ 173, 246; 176, 204; 179, 344; kritisch Lieder, DZWIR 2008, 145 ff. 82 BGHZ 150, 365, 370; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 12; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 32; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 22 Rn. 7. 83 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 12. 84 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 13; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 21; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 22 Rn. 7; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 22 Rn. 13. 85 Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 32; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 12; Simon, in: KK, UmwG, § 22 Rn. 28 f. 86 Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 90; Petersen, Gläubigerschutz, S. 287 f.; (zum Verschmelzungsrecht) Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 22; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 45; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 22 Rn. 11; Simon, in: KK, UmwG, § 22 Rn. 17; Petersen, Gläubigerschutz, S. 236; a.A. Murawo, GS Grabitz, S. 431, 442; (zur Verschmelzung) Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 22 Rn. 26, 55. 80
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz
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lich für die Höhe der Sicherheitsleistung ist die wirtschaftliche Lage des übernehmenden Rechtsträgers87 sowie die Frage, inwiefern die Umwandlung zur Gefährdung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses führt88.
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz Die umwandlungsrechtlichen Spezialtatbestände werden flankiert durch die ergänzende Anwendung der allgemeinen Sukzessionsschutzmechanismen der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht allein die allgemeinen Vorschriften und Grundsätze des abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzes (1.) sowie des schuld- und vertragsübernahmerechtlichen Gläubigerschutzes (2.), sondern darüber hinaus – namentlich für die Überleitung ganzer Vertragsverhältnisse – auch die Lehre von der Geschäftsgrundlage (3.) sowie das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (4.). Sämtlichen Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie im Interesse einer möglichst umfassenden Verwirklichung der Sukzessionsfreiheit im Allgemeinen wie auch der Umwandlungs-, namentlich der Spaltungsfreiheit, im Besonderen den Übergang von Vermögenspositionen nicht präventiv verhindern, sondern lediglich postventive Konsequenzen aus dem Vermögenstransfer ziehen89. Vor diesem Hintergrund kann es schwerlich überraschen, dass die heute h.M.90 die zur rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge postulierten Grundsätze des Sukzessionsschutzes auch weitgehend auf die rechtsgeschäftliche91 Universalsukzession anwendet. Indes ist hier eine differenzierende Betrachtung am Platz. Eine analoge Anwendung der Sukzessionsschutzbestimmungen ist nämlich nur dort angezeigt, wo sich aufgrund des universalsukzessiven Rechtsübergangs auch tatsächlich der Einzelnachfolge vergleichbare Gefahrenlagen ergeben. Das ist für das Spaltungsrecht typischerweise der Fall (1. – 4.), nicht jedoch gleichermaßen für die Verschmelzung (5.).
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Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 23; Th. Schröer, DB 1999, 317, 321. Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 23; a.A. Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 49. 89 Vgl. zu den schuldrechtlichen Lösungsmöglichkeiten Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 16; ders., FS Maier-Reimer, S. 657, 666; Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 402, 432. 90 Implizit Busche, in: Staudinger, BGB, § 412 Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 412 Rn. 1; Westermann, in: Erman, BGB, § 412 Rn. 2; Weber, in: RGRK, BGB, § 412 Rn. 35, 39; a.A. Roth, in: MünchKommBGB, § 412 Rn. 15. 91 Anderes gilt nach h.M. für die gesetzliche Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB: Busche, in: Staudinger, BGB, § 412 Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 412 Rn. 1; Roth, in: MünchKommBGB, § 412 Rn. 15; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 412 Rn. 1; Westermann, in: Erman, BGB, § 412 Rn. 2. 88
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
1. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz bei der Spaltung Die partielle Universalsukzession weist nicht nur in Bezug auf die Voraussetzungen des Rechtsübergangs, sondern auch in Bezug auf ihre Implikationen bedeutsame Parallelen zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession auf. Angesichts der strukturellen und wertungsmäßigen Übereinstimmungen sind auch die allgemeinen Grundsätze des zivilrechtlichen Sukzessionsschutzes auf die Spaltung dem Grunde nach anwendbar92. a) Einwendungserhalt Das gilt uneingeschränkt für den Erhalt von vor Rechtsübergang begründeten Einwendungen. So können Forderungsschuldner Einwendungen, die im Verhältnis zum übertragenden Rechtsträger bereits begründet waren, analog § 404 BGB auch dem übernehmenden Rechtsträger entgegenhalten. Gleichermaßen kann der übernehmende Rechtsträger dem Forderungsgläubiger analog § 417 Abs. 1 S. 1 BGB die Einwendungen entgegensetzen, die in Bezug auf die übergeleitete Verbindlichkeit bereits vor dem universalsukzessiven Rechtsübergang im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem übertragenden Rechtsträger begründet waren. Der sukzessionsschützende Einwendungserhalt ist unmittelbarer Ausfluss des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips93 und dient in beiden Ausprägungen dem Schutz des Forderungsschuldners. Seine Rechtsstellung soll sich infolge des universalsukzessiven Rechtsübergangs nicht verschlechtern (Verschlechterungsverbot). Der (neue) Gläubiger kann keine bessere Leistung einfordern, als sie zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien vereinbart war, und ihm können daher auch die bereits begründeten Einwendungen entgegengehalten werden. b) Fortbestand der Aufrechnungslage Der grundlegenden Wertung des Identitätsprinzips entspricht außerdem der Fortbestand der Aufrechnungslage analog § 406 BGB94. Hat die Aufrechnungslage bereits vor dem Rechtsübergang bestanden, kann der Forderungsschuldner später auch weiterhin mit einer eigenen Forderung aufrechnen, die sich nicht gegen den Rechtsträger richtet, dem nun die Hauptforderung zugeordnet ist, sondern auch wenn sie sich weiterhin gegen den übertragenden Rechtsträger 92 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 30; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 36; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 131 Rn. 89 ff.; Rieble, ZIP 1997, 301, 309 f.; Claussen, Gesamtnachfolge, S. 171; a.A. offenbar Roth, in: MünchKommBGB, § 412 Rn. 15. 93 So auch Rieble, ZIP 1997, 301, 309; (zu § 417 BGB) Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 39 a.E.; Müntefering, Schranken, S. 157; a.A. offenbar Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7. 94 Im Ergebnis ebenso Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 194; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7; Rieble, ZIP 1997, 301, 309.
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz
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oder einen anderen übernehmenden Rechtsträger richtet. Im Sinne eines effektiven Schuldnerschutzes dispensiert die analoge Anwendung des § 406 BGB auch in Spaltungsfällen vom Gegenseitigkeitserfordernis des § 387 BGB. c) Schuldnerschutz bei Unkenntnis des Gläubigerwechsels Deutlich schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob auch § 407 BGB bei der Unternehmensspaltung zur (analogen) Anwendung gelangt. Im Ausgangspunkt ist schwerlich zu bestreiten, dass die Interessen- und Risikolage des Forderungsschuldners einer unbekannt gebliebenen Spaltung derjenigen einer unbekannt gebliebenen Forderungsabtretung vergleichbar ist. Im Spaltungsrecht besteht allerdings die Besonderheit, dass die Eintragung der Spaltung gem. §§ 125 S. 1, 19 Abs. 3 UmwG nach § 10 HGB von Amts wegen durch das Registergericht bekannt zu machen ist. In der Folge muss die besondere – positive – Publizitätswirkung des Handelsregisters gem. § 15 Abs. 2 HGB im Rahmen des § 407 BGB Berücksichtigung finden. Da sich die Bekanntmachung auf den Spaltungsakt als solchen beschränkt, sie die im Spaltungsvertrag aufgeführten Rechtspositionen indes nicht publik macht95, wird vielfach die analoge Anwendbarkeit des § 407 Abs. 1 BGB befürwortet96. Dieses Ergebnis ist indes fragwürdig, muss die Kenntniserlangung von der Spaltung des Schuldnerunternehmens doch jedenfalls daran zweifeln lassen, ob der übertragende Rechtsträger auch weiterhin Gläubiger der fraglichen Forderung ist. Der Schuldner hat es selbst in der Hand, sich durch Einsichtnahme in die Registerakten positive Kenntnis über den Rechtsübergang der gegen ihn gerichteten Forderung zu verschaffen. Andererseits schadet im Rahmen des § 407 Abs. 1 BGB nur positive Kenntnis vom Gläubigerwechsel. Erforderlich ist entweder die Kenntnis von der erfolgten Abtretung oder die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die mit Sicherheit auf eine Abtretung der konkreten Forderung schließen lassen97. Bloße Anhaltspunkte oder Verdachtsmomente genügen demgegenüber nicht98; es besteht auch keine Nachforschungspflicht99. Diese strenge Interpretation des Kenntnismerkmals iSd. § 407 Abs. 1 BGB ist schon im Hinblick auf die Wer95 Krafka/Kühn, in: Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, Rn. 1195; Teichmann, ZGR 1993, 396, 410 f. 96 So Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 30; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 131 Rn. 91; Rieble, ZIP 1997, 301, 309; im Ergebnis ebenso Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 194; K. Mertens, Umwandlung, S. 86. 97 RGZ 102, 385, 387; BGH LM Nr. 7 zu § 407; OLG Oldenburg WM 1986, 1277, 1278; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 407 Rn. 4; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 14; Müller, in: PWW, BGB, § 407 Rn. 5. 98 Vgl. RGZ 135, 247, 251; BGHZ 135, 39, 42; BGH NJW-RR 2004, 1145, 1147; Müller, in: PWW, BGB, § 407 Rn. 5. 99 OLG Oldenburg VersR 1975, 415; Schreiber, in: Soergel, BGB, § 407 Rn. 4; Müller, in: PWW, BGB, § 407 Rn. 5.
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
tung des sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbots und des abtretungsrechtlichen Vertrauensschutzprinzips angezeigt. Entgegen dieser Wertungen hätte der Forderungsschuldner nämlich nachteilige Wirkungen zu gewärtigen, wäre er verpflichtet, sich durch weitere Nachforschungsmaßnahmen, durch Einsichtnahme im Handelsregister und Durchforsten der regelmäßig sehr umfangreichen Vermögensaufstellungen Kenntnis über den Umstand des Rechtsübergangs zu verschaffen. Diese Verpflichtung ist ihm schwerlich zumutbar, zumal Nachforschungsmaßnahmen nicht notwendig eine sichere Kenntniserlangung zur Folge haben werden100. Stattdessen hat es der übertragende Rechtsträger selbst in der Hand, den Schuldner rechtssicher vom Forderungsübergang in Kenntnis zu setzen und die vertrauensschützenden Wirkungen des § 407 Abs. 1 BGB auszuschalten. Diese Obliegenheit ist schlichte Konsequenz aus der grundsätzlich unbeschränkten Spaltungsautonomie und kompensiert den hiermit verbundenen Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit. Und schließlich spricht gegen die Anwendung des § 15 Abs. 2 HGB in diesem Zusammenhang, dass die Publizitätswirkung der umwandlungsrechtlichen Registereintragung nicht in erster Linie auf den Schutz außenstehender Dritter ausgerichtet ist, sondern den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für den umwandlungsrechtlichen Bestandsschutz bildet101. d) Schuldnerschutz bei angezeigtem Gläubigerwechsel Wertungsgleich ist die Frage nach dem Schuldnerschutz beim angezeigten Rechtsübergang zu entscheiden102. Denn das Vertrauensinteresse des Schuldners ist im Fall der spaltungsrechtlichen Universalsukzession ebenso schutzwürdig wie bei der Forderungsabtretung. Analog § 409 BGB darf sich der Schuldner daher auf die erfolgte Abtretungsanzeige des übertragenden Rechtsträgers verlassen, selbst wenn sich aus der Vermögensaufstellung etwas anderes ergibt. Denn durch die Abtretungsanzeige setzt der übertragende Rechtsträger einen besonderen Vertrauenstatbestand, der es rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, wenn der wahre Gläubiger das berechtigte Vertrauen des Schuldners unter Hinweis auf die abweichende Vermögensstellung entwerten könnte. Das gilt freilich nur unter der Prämisse, dass nach der Spaltung ein übertragender Rechtsträger überhaupt noch existiert, der die Anzeige abgeben kann, also für die Fälle der Abspaltung und Ausgliederung. Mit Blick auf die Aufspaltung, in deren Folge der übertragende Rechtsträger – ebenso wie bei der Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) – ersatzlos erlischt (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 100
Vgl. in einem anderen Zusammenhang Schöne, Spaltung, S. 82. Rottnauer, DB 1992, 1393 ff. vertritt zum früheren SpTrUG die Auffassung, die Publizitätswirkung des Spaltungsplans diene den Anteilseignern, nicht jedoch Gläubigerinteressen. 102 Im Ergebnis ebenso Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 194; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7; Rieble, ZIP 1997, 301, 310; Für den Fall der Firmenfortführung ebenso Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 121; a.A. Zimmer, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 25 Rn. 78. 101
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz
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UmwG), könnte man auf den Gedanken verfallen, dass der Schuldner auch aufgrund der Anzeige eines der übernehmenden Rechtsträger analog § 409 BGB zu schützen sei103. Auf eine solche Anzeige darf sich der Schuldner indes nur dann verlassen, wenn sie von demjenigen Rechtsträger abgegeben wird, der gerade nicht (mehr) Inhaber der Forderung ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist eine Gewähr dafür gegeben, dass sich nicht irgendein beliebiger Dritter der Forderung rühmt. Im Rahmen des § 409 BGB reicht es daher nicht, dass der neue Gläubiger dem Schuldner den Forderungsübergang anzeigt. Im Hinblick auf Schutzzweck und Interessenlage kann nur die Anzeige desjenigen Rechtsträgers ausreichen, der zwar an der Aufspaltung beteiligt war, in deren Folge indes nicht Forderungsinhaber geworden sind.
2. Schuldübernahmerechtlicher Sukzessionsschutz bei der Spaltung a) Gläubigerschutz bei Unkenntnis des Schuldnerwechsels In Parallele zur Abspaltung von Forderungen stellt sich auch bei der Übertragung von Verbindlichkeiten das Problem, dass der Gläubiger vom Übergang der konkreten Verbindlichkeit regelmäßig keine positive Kenntnis erlangt. In diesem Punkt unterscheidet sich die Sachlage bei der Universalsukzession grundsätzlich von der bürgerlichrechtlichen Schuldübernahme. Wird nämlich durch privative Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB eine Schuld übernommen, ist eine Mitwirkung des Gläubigers auf Grundlage der lex lata unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung, so dass der Gläubiger typischerweise vom Schuldnerwechsel erfährt und Rechtshandlungen künftig gegenüber dem Schuldübernehmer vornehmen kann. Da die universalsukzessive Schuldübernahme einer gläubigerseitigen Zustimmung nicht bedarf, bleibt sie dem Gläubiger regelmäßig verborgen. Es besteht daher die nicht gering zu schätzende Gefahr, dass der Gläubiger in Unkenntnis des Schuldnerwechsels nachteilige Dispositionen trifft und ihm hierdurch handfeste wirtschaftliche Einbußen entstehen. Dieses Risiko wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Gläubiger zusätzliche Transferhaftungsansprüche gegen die übrigen an der Spaltung beteiligten Rechtsträger zustehen. Denn die Mithaftung ist ihrer Natur nach eine akzessorische104, so dass negative Dispositionen im Verhältnis zum Hauptschuldner nach dem Regelungsgedanken des § 129 HGB auch die Mithaftungsansprüche und daher das Befriedigungsinteresse des Gläubigers in Mitleidenschaft ziehen. Da die Interessen des Forderungsgläubigers bei einer unerkannt gebliebenen Übertragung der Schuldposition nun nicht weniger schutzwürdig sind als die 103 Vgl. etwa Rieble, ZIP 1997, 301, 310, der außerdem darauf hinweist, dass im Fall der Firmenfortführung gem. §§ 133 Abs. 1 S. 2 UmwG, 25 Abs. 1 S. 2 HGB mit befreiender Wirkung an den neuen Firmeninhaber geleistet werden kann. 104 Dazu ausf. § 17 III. 1. c).
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
Interessen des Forderungsschuldners bei einem unbekannt gebliebenen Gläubigerwechsel, zwingt die vergleichbare Interessenlage für Forderungs- und Schuldübergang zu einer analogen Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB auch auf die universalsukzessive Schuldübernahme. Hiermit wird zum einen sichergestellt, dass sich die Rechtsstellung des Gläubigers durch den Rechtsübergang nicht verschlechtert (Verschlechterungsverbot) und er zudem auf den unveränderten Fortbestand der Leistungspflicht des Altschuldners vertrauen darf. Für die analoge Anwendung der Vertrauensschutzvorschrift spricht auch deren Anwendung auf die privative Schuldübernahme im Fall einer zuvor erteilten Zustimmung des Forderungsgläubigers105. Daher ist die für die umwandlungsrechtliche Spaltung lokalisierte Lücke im Sukzessionsschutzsystem mittels einer Analogie zu § 407 Abs. 1 BGB zu schließen. b) Gläubigerschutz bei angezeigtem Schuldnerwechsel Ein besonderes Schutzbedürfnis des Gläubigers besteht auch dann, wenn dem Forderungsgläubiger der spaltungsbedingte Übergang der Verbindlichkeit angezeigt worden ist, er sich im Nachhinein indes als nicht erfolgt oder unwirksam herausstellt. Zieht man mit der zutreffenden Auffassung eine analoge Anwendung des § 409 BGB bereits bei der angezeigten privativen Schuldübernahme nach Maßgabe des § 415 BGB in Betracht106, dann ist es nur konsequent die entwickelte Argumentation auch auf den Fall der spaltungsrechtlichen Universalsukzession zu übertragen. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ist es für die Schutzwürdigkeit des Forderungsgläubigers nämlich ohne Belang, ob die Verbindlichkeit infolge Einzel- oder Gesamtnachfolge nicht auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen ist. In beiden Fällen ist das Vertrauensinteresse des Gläubigers in gleichem Maße schutzwürdig. Durch die analoge Anwendung des § 409 BGB wird verhindert, dass der Forderungsgläubiger eine zeitnahe Rechtsdurchsetzung gegen den übertragenden Rechtsträger unterlässt und die Forderung allein gegen den (Schein-)Übernehmer durchzusetzen sucht. Die Rechtsstellung des Gläubigers würde ohne Anerkennung eines besonderen Sukzessionsschutzes signifikant und im Vergleich zur Schutzgewährleistung des Zessionsrechts107 und der privativen Schuldübernahme108 in systemwidriger Weise geschwächt, wenn die gegenüber dem (vermeintlichen) Übernehmer vorgenommenen Rechtshandlungen nicht auch für den wahren Schuldner verbindlich wären. An diesem Ergebnis vermögen auch die Gewährleistungen des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes gem. §§ 20 Abs. 1, 131 Abs. 2 UmwG109 nichts zu ändern. Sie sorgen zwar dafür, dass praktisch alle Rechtsmängel die 105 106 107 108 109
Siehe oben § 15 IV. 3. Siehe oben § 15 IV. 4. Siehe zum Spaltungsrecht oben § 17 IV. 1. d). Siehe nochmals § 15 IV. 4. Siehe oben § 16 VII.
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz
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Wirksamkeit der Spaltung unberührt lassen. Indes verhindern sie nicht, dass gegenüber dem Forderungsgläubiger eine unrichtige, weil mit dem Vermögensverzeichnis nicht übereinstimmende, Übernahmeanzeige abgegeben wird. Die durch die Anzeige erzeugten Vertrauenswirkungen setzen sich wie üblich gegen die Publizitätswirkungen des Handelsregisters gem. § 15 Abs. 2 HGB durch110. Nach der Wertung des § 409 BGB ist allerdings erforderlich, dass die Anzeige vom (vermeintlichen) Übernehmer abgegeben wird, weil er aus der Transaktion einen Vermögensnachteil erleidet. Deshalb darf der Gläubiger darauf vertrauen, dass der übernehmende Rechtsträger die Anzeige nur abgeben wird, wenn es tatsächlich zu einer Schuldübernahme gekommen ist. Auf die Anzeige des Altschuldners darf sich der Gläubiger indes nicht verlassen, da seine Mitteilung nicht geeignet ist, ein besonderes Vertrauen für den Schuldnerwechsel auszulösen111. c) Keine Aufrechnungsbefugnis des übernehmenden Rechtsträgers Davon abgesehen steht dem übernehmenden Rechtsträger gegenüber dem Gläubiger analog § 417 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich keine Aufrechnungsbefugnis zu112. Insofern bestehen zwischen Einzel- und Gesamtnachfolge keine signifikanten Unterschiede. Ist die Gegenforderung nämlich auch weiterhin dem übertragenden Rechtsträger oder einem anderen übernehmenden Rechtsträger zugewiesen, fehlt es dem Übernehmer der Hauptschuld an der notwendigen Rechtszuständigkeit und Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Gegenforderung113. Wenn der übernehmende Rechtsträger allerdings im Zuge der Unternehmensspaltung auch die Gegenforderung erhält, steht einer Aufrechnung aufgrund der erfüllten Gegenseitigkeit freilich nichts im Wege.
3. Störung der Geschäftsgrundlage Neben den entsprechend anwendbaren Sukzessionsschutztatbeständen des Zessions- und Schuldübernahmerechts entfalten außerdem die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB sukzessionsschützende Wirkung. Nach ihrer Stoßrichtung zielen die Grundsätze namentlich auf durch Universalsukzession übergeleitete Vertragsverhältnisse. Ihre besondere Bedeutung gewinnen sie aus dem Umstand, dass der verbleibende Vertragsteil –
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Dazu schon oben § 17 IV. 1. d). Dazu näher § 15 IV. 4. 112 So im Ausgangspunkt auch Rieble, ZIP 1997, 301, 309; in der Sache ebenso Müntefering, Schranken, S. 157, der aber auf die Anwendung verzichten will, dieselbe Rechtsfolge aber aus dem Gegenseitigkeitserfordernis des § 387 BGB herleitet; a.A. Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 7. 113 Dazu näher oben § 15 IV. 5. 111
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
anders als bei der Vertragsübernahme de lege lata114 – an der Überleitung des gesamten Rechtsverhältnisses nicht notwendig beteiligt ist. In rechtssystematischer Hinsicht tritt die Lehre von der Geschäftsgrundlage in Konkurrenz zur umwandlungsrechtlichen Spezialvorschrift des § 21 UmwG, wonach eine Anpassung der Leistungspflicht aus noch nicht erfüllten gegenseitigen Verträgen in Betracht kommt, wenn sie infolge der Umwandlung mit anderen Verpflichtungen des übernehmenden Rechtsträgers schlichtweg unvereinbar ist oder ihre Erfüllung eine schwere Unbilligkeit für den übernehmenden Rechtsträger bedeuten würde. Allerdings wird die Lehre von der Geschäftsgrundlage durch § 21 UmwG nicht verdrängt115. Denn der Schutzzweck der umwandlungsrechtlichen Sondervorschrift ist in erster Linie auf die Interessen des übernehmenden Rechtsträgers gerichtet116. Die Interessen der Gegenpartei sind lediglich im Rahmen der „nach Billigkeit“ erfolgenden „Würdigung der vertraglichen Rechte aller Beteiligten“ zu berücksichtigen. Selbst wenn man § 21 UmwG – entgegen der zutreffenden h.M.117 – nicht als begrenzten Sonderfall der Störung der Geschäftsgrundlage auffassen wollte, könnte eine daraus womöglich zu folgernde abschließende Wirkung sich lediglich auf die Interessenlage des übernehmenden Rechtsträgers beziehen, nicht aber zugleich auch die Interessen der an der Transaktion nur mittelbar beteiligten Gegenpartei tangieren. Dafür spricht in der Sache auch, dass die Belange des verbleibenden Vertragsteils auch deshalb eines besonderen Schutzes bedürfen, weil der Verbleibende den Vertragspartnerwechsel widerspruchlos hinnehmen muss118, sich also gegen die Aufdrängung eines neuen Vertragspartners nicht (präventiv) zur Wehr setzen kann. Interessenlage und Konkurrenzverhältnis sprechen in diesem Zusammenhang nicht nur für die Anwendbarkeit des § 313 BGB zugunsten der Gegenpartei, sondern erzwingt auch eine restriktive Handhabung des § 21 UmwG119. Das ist auf Tatbestandsebene etwa bei der Interpretation des Merkmals „schwere Unbilligkeit“ zu berücksichtigen120. Aber auch im Rahmen der abschließenden Gesamtwürdigung der vertraglichen Rechte aller Beteiligten kommt den Interessen der Gegenpartei besonderes Gewicht zu, während aufseiten des übernehmenden Rechtsträgers in Rechnung zu stellen ist, dass er selbst durch den 114
Siehe oben § 4 II. 6. c). Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 21 Rn. 2, 9; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 21 Rn. 1; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 21 Rn. 8; Simon, in: KK, UmwG, § 21 Rn. 1; Berner/Klett, NZG 2008, 601, 604; Petersen, Gläubigerschutz, S. 332 f.; zur Anwendung im Spaltungsrecht ausdrücklich Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19. 116 Zur Zielrichtung auch Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 21 Rn. 1, 8. 117 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 21 Rn. 9; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 21 Rn. 8; Rieble, ZIP 1997, 301, 302; Petersen, Gläubigerschutz, S. 329; abweichend Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 21 Rn. 1. 118 Vgl. Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 21 Rn. 8. 119 Dafür im Ergebnis auch Petersen, Gläubigerschutz, S. 326 ff. 120 Näher Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 21 Rn. 5; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 21 Rn. 6; Petersen, Gläubigerschutz, S. 328. 115
IV. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz
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Abschluss des Umwandlungsvertrags zur sanktionierten Pflichtenkollision beigetragen hat121. In Bezug auf die einzelfallgeleitete Anwendung des § 313 BGB lassen sich schwerlich allgemeingültige Richtlinien formulieren. Stets bedarf es einer Gesamtabwägung unter Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls. Stets ist und bleibt indes auch der hehre Grundsatz pacta sunt servanda Ausgangspunkt der anschließenden Abwägungsentscheidung122. Zudem dürfen die überzeugenden wirtschaftlichen Argumente zugunsten der Umwandlungsautonomie und die rechtspolitisch zutreffende Richtungsentscheidung zugunsten der wirtschaftlichen Organisationsfreiheit nicht dadurch unterminiert werden, dass sich die tangierten Vertragspartner regelmäßig unter Hinweis auf § 313 BGB von ihren vertraglichen Pflichten lossagen oder zumindest Anpassung verlangen können. Auch wenn die Parteien des Umwandlungsvertrages die Veränderung der tatsächlichen Umstände herbeigeführt haben123, muss der Umstand Beachtung finden, dass wer mit einem Verband kontrahiert, nicht auf dessen unveränderten Fortbestand vertrauen darf124. Anderes mag bei fehlerhaften, aber bestandskräftigen Umwandlungsmaßnahmen gelten125. Im Übrigen sind die Spezifika des jeweiligen Vertragsverhältnisses, das geltende dispositive Gesetzesrecht sowie die Interessenlage und Risikoverteilung der Vertragsparteien untereinander in den Blick zu nehmen. Diesbezüglich kann auf die allgemeinen Grundsätze der Geschäftsgrundlagenstörung verwiesen werden126.
4. Kündigung aus wichtigem Grund Die verbleibenden Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses werden weiterhin durch die Zubilligung des allgemeinen bürgerlichrechtlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB geschützt127. In diesem Zusammenhang anerkennt ein beachtlicher Teil des Schrifttums unter Hinweis auf den Verstoß gegen das Prinzip der freien Vertragspartnerwahl selbst dann ein Kündigungsrecht der Gegenpartei, wenn es nach den Maßstäben des Bürgerlichen Rechts an einem wichtigen Grund mangelte128. 121 Vgl. dazu noch Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 21 Rn. 5 einerseits, § 20 Rn. 53, § 21 Rn. 9 f. andererseits sowie Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 21 Rn. 18; Petersen, Gläubigerschutz, S. 327 f. 122 So auch Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 21 Rn. 8. 123 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 21 Rn. 8. 124 Vgl. Berner/Klett, NZG 2008, 601, 604. 125 Ausf. Petersen, Gläubigerschutz, S. 332 f. 126 Siehe etwa die Kommentierungen von Finkenauer, in: MünchKommBGB, § 313 Rn. 1 ff. und Hohloch, in: Erman, BGB, § 313 Rn. 1 ff. 127 Darauf verweist auch ausdrücklich Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19. 128 So LG Hamburg NJW-RR 1989, 995, 996 f.; Rieble, ZIP 1997, 301, 308 f.; für den Fall eines Abtretungsverbots C. Schäfer, ZHR Beiheft 68 (1999), 114, 140; für Bankkunden Simitis, ZHR 165 (2001), 453, 460 f.
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
Der hiermit gewährleistete Sukzessionsschutz schießt indes weit über das zur Sicherung berechtigter Vertragsinteressen notwendige Maß hinaus und ist daher abzulehnen129. Denn auf Grundlage dieser sehr weitgehenden Position könnten sich Vertragsparteien von unliebsamen Bindungen auch lösen, wenn ihre vertragliche Rechtsstellung durch die Gesamtnachfolge faktisch nicht beeinträchtigt wird; und das ist der praktische Regelfall. Vor allem das Befriedigungsinteresse des verbleibenden Vertragspartners ist durch die spaltungsrechtliche Transferhaftung sowie den Anspruch auf Sicherheitsleistung effektiv geschützt130. Zudem sorgt die Anwendung der bürgerlichrechtlichen Sukzessionsschutzvorschriften für einen unveränderten Fortbestand der vertraglichen Rechtsstellung131 und entbindet Gegenparteien zudem von dem Risiko, in Unkenntnis vom Vertragspartnerwechsel mit dem falschen Gläubiger zu interagieren132. Außerdem wird der verbleibende Vertragsteil in seinem Vertrauen auf einen angezeigten Vertragspartnerwechsel geschützt133. Davon abgesehen konterkarierte ein voraussetzungsloses Kündigungsrecht den mit der Umwandlungsmaßnahme angestrebten wirtschaftlichen Erfolg134. Nimmt man alle diese Gesichtspunkte zusammen, ist auch der hiermit verbundene Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit gerechtfertigt. Im Ergebnis gilt demnach nichts anderes als für die Handhabung der Lehre von der Geschäftsgrundlage: Nur durch die Universalsukzession herbeigeführte fundamentale Veränderungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind geeignet, sich gegen den übergeordneten Grundsatz pacta sunt servanda durchzusetzen. Daraus folgt: Nur wenn sich die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls und unter Abwägung sämtlicher tangierten Interessen iSd. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB als unzumutbar erweist, kann die Gegenpartei das Dauerschuldverhältnis durch außerordentliche Kündigung beenden. Ein wichtiger Grund kann insbesondere in der mangelnden Sachkunde oder Vertrauenswürdigkeit135, in der mangelnden Bonität136 129 Im Ergebnis ebenso BGHZ 150, 365, 369 ff.; K. Schmidt, DB 2001, 1019, 1023; ders., FS Ulmer, S. 557, 570; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 175; Hennrichs, Formwechsel, S. 49; Wiesner, ZHR Beiheft 68 (1999), 168, 176 f.; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 667; vermittelnd Müntefering, Schranken, S. 181 ff. 130 Siehe oben § 17 III. 131 Siehe oben § 17 I. 132 Siehe oben § 17 IV. 1. c) und § 17 IV. 2. a). 133 Siehe oben § 17 IV. 1. d) und § 17 IV. 2. b). 134 Ebenso Hennrichs, Formwechsel, S. 120; K. Mertens, Umwandlung, S. 161; Müntefering, Schranken, S. 183. 135 Vgl. Rieble, ZIP 1997, 301, 305; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 668; K. Mertens, Umwandlung, S. 148 f.; Früh, FS Hopt, S. 1823, 1837; großzügig OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 1492; Petersen, Gläubigerschutz, S. 334 f.; strenger Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 50 Fn. 5. 136 Dazu einerseits Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 50; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 23; Früh, FS Hopt, S. 1823, 1837, 1839; andererseits Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 668; vgl. ferner dens., in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 36; Eusani, WM 2004, 866, 871.
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oder Kapitalausstattung137 des neuen Vertragspartners liegen. Aber auch in diesen Fällen muss es dabei bleiben, dass eine außerordentliche Kündigung in Übereinstimmung zu den Wertungen bei § 313 BGB138 stets ultima ratio ist139. Zudem sind im Rahmen der Gesamtabwägung auch die haftungsrechtlichen Sicherungsinstrumente der Gegenpartei einzubeziehen. Das gilt in besonderem Maße für die Spaltungshaftung nach § 133 UmwG und für den Anspruch auf Sicherheitsleistung gem. § 22 UmwG140. Nur wenn diese Schutzmechanismen die Belange der jeweils anderen Vertragspartei nicht hinreichend zu schützen geeignet sind, kommt eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht141. Das kann beispielsweise auch dann der Fall sein, wenn der neue Vertragspartner die Sicherheitsleistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt142. Davon abgesehen wird dem verbleibenden Vertragspartner die Fortsetzung mit dem übernehmenden Rechtsträger regelmäßig nicht unzumutbar sein. Das gilt vor allem, wenn das betreffende Vertragsverhältnis gemeinsam mit der zugehörigen Unternehmenseinheit übertragen wird143. Umkehren lässt sich dieser Zusammenhang allerdings nicht. Verfehlt ist es daher, wenn eine Literaturauffassung meint, dass ein Kündigungsrecht jedenfalls bei einer Trennung des Vertragsverhältnisses vom betreffenden Unternehmensteil gegeben sei144. Auch disproportionale Übertragungen sind von der Spaltungsfreiheit gedeckt; die unternehmerische Gestaltungsfreiheit würde erheblich beschnitten, billigte man der Gegenpartei unter erleichterten Voraussetzungen ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.
5. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz bei der Verschmelzung Im Gegensatz zum Spaltungsfall ist die praktische Bedeutung des abtretungsund schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsschutzes gem. §§ 404, 406 ff., 417 137
Siehe etwa Petersen, Gläubigerschutz, S. 335 ff. Siehe oben § 17 IV. 3. 139 Vgl. dazu Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 50; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 36; dens., FS Maier-Reimer, S. 657, 667 f.; K. Schmidt, DB 2001, 1019, 1023; Fuhrmann/ Simon, AG 2000, 49, 57; Rieble, ZIP 1997, 301, 305; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 176; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 84; K. Mertens, Umwandlung, S. 148 f., 161; Petersen, Gläubigerschutz, S. 333 ff.; Früh, FS Hopt, S. 1823, 1839; siehe aber auch OLG Karlsruhe NJWRR 2001, 1492; kritisch dazu Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 177.16 f.; vgl. weiter Marsch-Barner/Mackenthun, ZHR 165 (2001), 426, 437. 140 Vgl. BGHZ 150, 365, 370; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 50; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 19, 46 f.; Rieble, ZIP 1997, 301, 305; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 85; Müntefering, Schranken, S. 183. 141 Vgl. J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 176. 142 Vgl. Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 69; Petersen, Gläubigerschutz, S. 344. 143 Zutreffend Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 432; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 667. 144 So aber Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 426 f., 433; ders., ZHR 174 (2010), 499, 504 f.; ähnlich Müntefering, Schranken, S. 184; dagegen mit Recht Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 667 f.; ebenso offenbar J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 137 ff., 178 f., 211. 138
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BGB im Fall der Verschmelzung denkbar gering145. Grund dafür ist der ganzheitliche Charakter des durch die Unternehmensverschmelzung bewerkstelligten Vermögenstransfers. Durch die Überleitung des gesamten Vermögens des übertragenden Rechtsträgers bleiben infolge der Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips analog §§ 404, 417 Abs. 1 S. 1 BGB notwendig die vor dem Rechtsübergang begründeten Einwendungen erhalten. Keinen praktischen Anwendungsbereich haben auch §§ 406, 417 Abs. 1 S. 2 BGB, da infolge der Übertragung des gesamten Vermögens Haupt- und Gegenforderungen gleichermaßen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Infolge der hiermit gewährleisteten Gegenseitigkeit der aufrechenbaren Forderungen bedarf es weder analog § 406 BGB des Fortbestands der Aufrechnungslage noch greift der Aufrechnungsausschluss analog § 417 Abs. 1 S. 2 BGB ein. Auch die Vertrauensschutzvorschriften der §§ 407 ff. BGB sind praktisch bedeutungslos, weil eine befreiende Leistung an den mit Wirksamwerden der Verschmelzung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 ersatzlos erloschenen Rechtsträger ebenso ausgeschlossen ist wie die Vornahme von Rechtsgeschäften mit demselben in Ansehung der übergeleiteten Forderung respektive Verbindlichkeit146. Darüber hinaus sorgt der umwandlungsrechtliche Bestandsschutz nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 UmwG dafür, dass der universalsukzessive Rechtsübergang unter (fast) allen Umständen Bestandskraft genießt, so dass es keines besonderen Vertrauensschutzes bei einem angezeigten Gläubiger- respektive Schuldnerwechsel analog § 409 BGB bedarf. Zudem kommt auch eine Divergenz zwischen der erteilten Anzeige und der Übertragung der Vermögensposition nicht in Betracht, weil es – anders als bei der Spaltung – bei der Verschmelzung nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG keinen von der Vermögensaufstellung abweichenden Vermögenstransfer geben kann.
V. Zusammenfassung Die Rechtsfolgen der vertraglichen Universalsukzession weisen maßgebliche Parallelen zu den Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession auf. Das betrifft zunächst das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip, das gleichermaßen für Einzel- und Gesamtnachfolge gilt. Allerdings erfährt das Identitätsprinzip beim universalsukzessiven Übertragungsmodus insofern eine strengere Ausprägung, als der bekannte Nemo-plus-iuris-Grundsatz hier ohne die Einschränkung des redlichen Erwerbs gilt. Die Gutglaubensvorschriften kommen nicht zum Zuge, weil ihre tatbestandlichen Voraussetzungen auf die Singularsukzession zugeschnitten sind. Namentlich die objekti145 Insoweit zutreffend Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 193; Roth, in: MünchKommBGB, § 412 Rn. 15; Rieble, ZIP 1997, 301, 309; Hahn, Grenzen, S. 80 f.; a.A. offenbar Westermann, in: Erman, BGB, § 412 Rn. 2. 146 So auch Busche, in: Staudinger, BGB, Vor § 398 Rn. 193; Roth, in: MünchKommBGB, § 412 Rn. 15; Rieble, ZIP 1997, 301, 309; Hahn, Grenzen, S. 81.
V. Zusammenfassung
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ven Legitimationsgrundlagen für den gutgläubigen Erwerb kommen für die rechtsgeschäftliche Gesamtnachfolge allesamt nicht in Betracht. Weiterhin beansprucht auch das Akzessorietätsprinzip für den universalsukzessiven Rechtsübergang Geltung. Das gilt zum einen für den Übergang akzessorischer Sicherungs-, Vorzugs- und Nebenrechte analog § 401 BGB und zum anderen – im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Singularsukzession – auch für den Fortbestand akzessorischer Nebenrechte beim universalsukzessiven Schuldübergang. Die ratio legis des § 418 BGB greift hier nicht ein, weil sich das Ausfallrisiko des Sicherungsgebers aufgrund des umwandlungsrechtlichen Gläubigerschutzsystems nicht signifikant verändert und der Schuldübergang vom Willen des Gläubigers im Übrigen unabhängig ist. Der umwandlungsrechtliche Gläubigerschutz ist ein Spezifikum des universalsukzessiven Übertragungsmodus. Die gläubigerschützenden Regeln kompensieren den Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit des Gläubigers, der infolge der verstärkten Sukzessionsfreiheit am Schuldübergang nicht mitwirkt. An die Stelle des präventiven Gläubigerschutzsystems treten daraufhin postventiv wirksame Schutzmaßnahmen zur Absicherung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses in Form des Anspruchs auf Sicherheitsleistung und der spaltungsrechtlichen Transferhaftung. Die Spaltungshaftung gem. §§ 133, 134 UmwG zielt darauf ab, den individuellen Gläubiger vor einem Werthaltigkeitsverlust seiner Forderung zu bewahren, indem er Mithaftungsansprüche gegen alle an der Spaltung beteiligten Rechtsträger erhält. Hiermit wird zugleich ein Anreiz geschaffen, die Spaltungsfreiheit nicht in missbräuchlicher Weise zur disproportionalen Vermögensaufteilung auszunutzen. Die spaltungsrechtliche Transferhaftung ist mit Blick auf ihre Sicherungsfunktion akzessorischer Natur. Flankiert werden die umwandlungsrechtlichen Spezialtatbestände durch die ergänzende Anwendung der allgemeinen Sukzessionsschutzmechanismen der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge. Die analoge Anwendung der Sukzessionsschutzvorschriften ist vor allem für das Spaltungsrecht von Bedeutung, nicht jedoch gleichermaßen bei der Verschmelzung. Dort ist die praktische Bedeutung des abtretungs- und schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsschutzes aufgrund des ganzheitlichen Vermögenstransfers denkbar gering. Im Gegensatz dazu bleiben dem Forderungsschuldner im Spaltungsfall analog §§ 404, 417 Abs. 1 S. 1 BGB bereits begründete Einwendungen erhalten. Zudem besteht analog § 406 BGB auch eine bereits begründete Aufrechnungslage fort. Gleichermaßen kann der Schuldner analog § 407 Abs. 1 BGB in Unkenntnis des Gläubigerwechsels mit dem übertragenden Rechtsträger interagieren. Zudem darf er sich analog § 409 BGB auf einen angezeigten Gläubigerwechsel verlassen. Darüber hinaus wird auch der Forderungsgläubiger analog § 407 Abs. 1 BGB in Unkenntnis des Schuldnerwechsels sowie analog § 409 BGB in seinem Vertrauen auf einen angezeigten Schuldnerwechsel geschützt. Schließlich ist die Aufrechnungsbefugnis des übernehmenden Rechtsträgers regelmäßig analog § 417 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen.
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§ 17 Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession
Sukzessionsschützende Wirkung entfaltet weiterhin die Lehre von der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB. Ihre Anwendung steht im Interesse des verbleibenden Vertragspartners und tritt damit neben die – im Interesse des übernehmenden Rechtsträgers bestehende – Sondervorschrift des § 21 UmwG. Im Hinblick auf die Bedeutung der Umwandlungsfreiheit ist eine restriktive Handhabung des § 21 UmwG sowie der Lehre von der Geschäftsgrundlage angezeigt. Davon abgesehen bedarf es bei der einzelfallgeleiteten Anwendung des § 313 BGB stets einer Gesamtabwägung unter Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls. Gleichermaßen restriktiv ist das bürgerlichrechtliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB zu handhaben. Insbesondere rechtfertigt nicht jeder ohne Zustimmung der Gegenpartei erfolgte Vertragsübergang eine außerordentliche Kündigung. Vielmehr bleibt das Kündigungsrecht stets ultima ratio. Im Rahmen der Gesamtabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwiefern die Interessen der Gegenpartei durch die übrigen Sukzessionsschutzmechanismen bereits effektiv geschützt sind.
§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts Die Untersuchung des universalsukzessiven Übertragungsmodus hat zahlreiche Parallelen zur Singularsukzession zum Vorschein gebracht. Für die systematische Durchdringung des gesamten Sukzessionsrechts noch bedeutsamer sind indes die lokalisierten Unterschiede zwischen Einzel- und Gesamtnachfolge, die sich namentlich in einer gesteigerten Sukzessionsfreiheit1 und einem konsequent postventiv wirkenden Sukzessionsschutz2 manifestieren. Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Abschnitt danach gefragt, ob diese strukturellen Besonderheiten der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession für die Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts fruchtbar gemacht werden können. Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist die Erkenntnis, dass der universalsukzessive Übertragungsmodus den Beteiligten nur dann zur Verfügung steht, wenn er im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist. Ebenso wie für die rechtsgeschäftliche Einzelnachfolge3 gilt auch für die rechtsgeschäftliche Gesamtnachfolge das Numerus-clausus-Prinzip (I.). Hiermit schwerlich in Einklang zu bringen ist eine Interpretation der handelsrechtlichen Vorschriften über die Unternehmensfortführung gem. §§ 25, 28 HGB im Sinne einer partiellen Universalsukzession (II.). Angesichts ihres eng beschränkten Anwendungsbereichs eignen sich die Vorschriften auch nicht für eine Rechtsfortbildung de lege ferenda. Namentlich die Beschränkung auf handelsrechtliche Zusammenhänge ist aus hiesiger Sicht verfehlt. Stattdessen ist nach einer genuin bürgerlichrechtlichen Lösung Ausschau zu halten, welche die Grundkonstituanten des allgemeinen Sukzessionsrechts in den Blick nimmt und zugleich den eingangs formulierten Anspruch der vorliegenden Untersuchung einlöst, einen Beitrag zur kohärenten Fortbildung des Sukzessionsrechts, zur Mobilisierung von Vermögenspositionen sowie insgesamt zur Erleichterung des Rechts- und Handelsverkehrs zu leisten4. Erwägenswert erscheint insofern die Schaffung eines genuin bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands (III.). Aber auch diese Regelungsoption ist in Ermangelung eines echten wirtschaftlichen Bedürfnisses und aufgrund der hiermit verbundenen Transaktionskosten zu verwerfen. Vorgeschlagen wird daher eine noch grundlegendere Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts, und zwar im Bereich der privativen Schuld- und 1 2 3 4
Siehe oben § 16 V. Siehe oben § 17 III. Siehe oben § 4 II. 1. Siehe oben § 1 I. 3.
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
Vertragsübernahme (IV.). Die freie Zirkulationsfähigkeit von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen soll durch eine Dispensierung von der obligatorischen Zustimmung des Gläubigers respektive des verbleibenden Vertragsteils gesteigert werden. Im Gegenzug werden die berechtigten Interessen der Gegenparteien durch Erhöhung des postventiv wirkenden Sukzessionsschutzniveaus geschützt. Es wird sich zeigen, dass sich der hier entwickelte Reformvorschlag nahtlos in das allgemeine System des bürgerlichen Sukzessionsrechts einfügt und dasselbe zu einer in sich widerspruchsfreien Gesamtordnung fortbildet.
I. Sukzessionsrechtliches Numerus-clausus-Prinzip 1. Herleitung und Grundlagen Ebenso wie die Freiheit, einzelne Vermögenspositionen im Wege der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession privatautonom von einem Rechtssubjekt auf das andere zu übertragen5, kann die für den universalsukzessiven Rechtsübergang gewährleistete Sukzessionsfreiheit nur im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung gelten. Die Rechtsordnung muss zu diesem Zweck rechtliche Kategorien zur Verfügung stellen, die den Beteiligten eine Betätigung der universalsukzessiven Sukzessionsfreiheit ermöglichen. Diese Aufgabe hat der Gesetzgeber durch Schaffung der behandelten Gesamtnachfolgetatbestände erfüllt. Umgekehrt folgt aus dem Wechselspiel von Sukzessionsfreiheit und Rechtsordnung, dass sich der universalsukzessive Rechtsübergang ausschließlich nach Maßgabe der einfachgesetzlich ausgeformten Gesamtnachfolgetatbestände vollziehen kann. Für die gesetzestechnische Realisierung der Universalsukzession besteht daher ein Typenzwang im Sinne des Numerus-clausus-Prinzips. Dementsprechend vermag nur ein gesetzlicher Spezialtatbestand den Übergang einer Vermögensmehrheit als Ganzes auszulösen. Universalsukzessionen finden also nur statt, wenn sie im Gesetz ausdrücklich zugelassen sind6. Insbesondere ist es den Parteien verwehrt, sich rechtsgeschäftlich auf den Übergang einer Vermögensmehrheit als Ganzes zu verständigen7. Selbst wenn sich die Parteien beispielsweise darauf verständigen, dass am Vermögen ein Nießbrauch bestellt werden soll, erfolgt dies nach Maßgabe des § 1085 S. 1 BGB nur in der Weise, 5
Siehe oben ausf. § 4 II. 1. Ebenso v. Tuhr, AT II/1, S. 87; Regelsberger, Pandekten I, § 122 II 2; Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 32. 7 Statt aller BGH NJW 1968, 392, 393; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 22; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, Vor § 90 Rn. 25; Marly, in: Soergel, BGB, Vor § 90 Rn. 3, 10; Stresemann, in: MünchKommBGB, § 90 Rn. 42; Bork, BGB AT, Rn. 231; Enneccerus/Nipperdey, AT II, § 142 IV; Heck, Sachenrecht, § 26, 6; Larenz/Wolf, BGB AT, § 21 Rn. 19; v. Tuhr, AT II/1, S. 84 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 20; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 11. 6
I. Sukzessionsrechtliches Numerus-clausus-Prinzip
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dass der Nießbrauch an den einzelnen zum Vermögen gehörenden Gegenständen begründet wird. Rechts- und Sachgesamtheiten können vertraglich also nicht uno actu, sondern nur individuell und unter Beachtung der für die jeweiligen Vermögenspositionen geltenden Voraussetzungen der Singularsukzession übertragen werden. Eine rechtsgeschäftliche Gesamtnachfolge nach allgemeinen Grundsätzen ist der deutschen Privatrechtsordnung seit jeher fremd, wie ein Blick in Friedrich Carl von Savignys „System des heutigen römischen Rechts“ belegt8: „In vielen (…) Fällen dagegen kann zwar auch die Absicht auf die Übertragung eines ganzen Vermögens gerichtet seyn; sie geht aber nicht unmittelbar in Erfüllung, weil von der Universalsukzession nicht willkührlich Anwendung gemacht werden kann; vielmehr müssen in solchen Fällen alle Bestandtheile des Vermögens einzeln übertragen werden“.
2. Das Numerus-clausus-Prinzip des Umwandlungsrechts Eine spezielle Ausprägung hat das Numerus-clausus-Prinzip für die umwandlungsrechtliche Gesamtnachfolge erfahren. Hierbei zielt die Beschränkung des § 1 Abs. 2 UmwG auf eine Limitierung der den Beteiligten für eine unternehmerische Umstrukturierung zur Verfügung stehenden Umwandlungstypen (Typenlimitierung), während die Ausschlussvorschrift des § 1 Abs. 3 UmwG auf die unveränderliche Ausgestaltung der konkreten umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestände abzielt (Typenfixierung). a) Typenlimitierung und Analogieverbot Die für eine universalsukzessive Umwandlung von Rechtsträgern in Betracht kommenden Möglichkeiten sind nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 UmwG auf die ausdrücklich im Gesetz niedergelegten Typen beschränkt. Das betrifft zum einen die Umwandlungsarten iSd. § 1 Abs. 1 UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung, Formwechsel) sowie zum anderen – und insbesondere – die umwandlungsfähigen Rechtsträger (vgl. §§ 3, 124, 175, 191 UmwG)9. Rechtspolitischer Hintergrund für die Typenlimitierung sind Erfahrungen aus Zeiten, als DDR-Vermögen durch analoge Anwendung von Umwandlungsvorschriften umverteilt wurde, ohne indes auch gläubiger- und anlegerschützende Vorschriften in gleichem Maße zur Anwendung zu bringen10. Dementsprechend sind die gesetzlich normierten Umwandlungsarten und umwandlungsfähigen Rechtsträger als abschließend zu verstehen. Die Segnungen der durch 8
So v. Savigny, System III, S. 16 unter Hinweis auf Hasse, AcP 5 (1822), 1, 19, 23 ff. Siehe nur Decker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 UmwG Rn. 21; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 1 Rn. 62; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 26. 10 Vgl. Neye, in: Lutter, Umwandlungsrechtstage, S. 1, 6; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 26; Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, S. 176. 9
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
Anwendung des universalsukzessiven Übertragungsmodus gewährleisteten Sukzessionsfreiheit sollen nur dort und in der Weise zur Verfügung stehen, wo es das Gesetz ausdrücklich anordnet11 und zugleich Sorge dafür trifft, dass auch Interessen der zumindest mittelbar Beteiligten, namentlich der tangierten Gegenparteien, durch die Anwendung strenger Sukzessionsschutzbestimmungen hinreichend abgesichert sind. Eine immanente Grenze erfährt die Typenlimitierung nur durch höherrangiges Recht, namentlich den übergeordneten Gleichbehandlungsgrundsatz des nationalen Verfassungsrechts (Art. 3 GG)12 sowie die Niederlassungsfreiheit des europäischen Unionsrechts (Art. 49, 54 AEUV)13. In diesem Rahmen verhindert § 1 Abs. 2 UmwG – verstanden als umwandlungsrechtliches Analogieverbot im engeren Sinne –, „dass wirtschaftliche Umwandlungen (…) mit dem Effekt einer rechtsgeschäftlich veranlassten Gesamtrechtsnachfolge ausgestattet werden“14. Darüber hinaus wird über die Geltung eines umwandlungsrechtlichen Analogieverbots im weiteren Sinne gestritten, wonach auch eine Ausstrahlung des Umwandlungsgesetzes auf wirtschaftliche Umwandlungen durch Einzelnachfolge ausgeschlossen sein soll15. In diesem Zusammenhang wird konkret über die Frage diskutiert, inwiefern die Minderheits-, Informations- und Vermögensschutzrechte in analoger Anwendung des modernen Umwandlungsrechts auf durch Singularsukzession bewirkte wirtschaftliche Umstrukturierungen übertragen werden können. Tatsächlich ist ein Wertungstransfer schon deshalb nicht auszuschließen, weil das Umwandlungsgesetz nicht als autarkes Regelungssystem ausgestaltet ist, sondern auf die tradierten Vorschriften des Handels- und Gesellschaftsrechts aufbaut16 und das Gesamtsystem des deutschen Unternehmensrechts um Sondervorschriften bereichert, die – allgemeiner Rechtsmethodik folgend – nach Maßgabe ihres Regelungszwecks auch der Analogiebildung in einem vergleichbaren Regelungskontext zugänglich sind. Davon abgesehen ist man sich aber jedenfalls darüber einig, dass zumindest der
11
Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 34. Dazu ausf. Wertenbruch, ZIP 1995, 712, 714 ff.; K. Schmidt, FS Kropff, S. 259 ff. 13 Vgl. nur Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, § 1 Rn. 28, 44; Drinhausen, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. C Rn. 34; Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 19; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 26. 14 So dezidiert Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 34; wortgleich Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, S. 175; im Ergebnis ebenso Decker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 UmwG Rn. 23. 15 Dafür etwa Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, § 1 Rn. 48; Decker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 UmwG Rn. 23 f.; Semler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rn. 63 ff.; Bungert, NZG 1998, 367, 368; Heckschen, DB 1998, 1385, 1386; dagegen Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG, § 1 Rn. 69; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 35; Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 20; H. Schmidt, in: Habersack, Spaltung, S. 10, 12 ff.; Reichert, ebenda, S. 25, 36; v. Riegen, Gesellschafterschutz, S. 87 ff.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191; ausf. Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, S. 177 ff. 16 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 35; Lutter, ZGR 1998, 397, 398; v. Riegen, Gesellschafterschutz, S. 88. 12
II. Partielle Universalsukzession durch Unternehmensfortführung?
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universalsukzessive Übertragungsmodus als solcher nicht auf ungeregelte Konstellationen übertragen werden kann17. b) Typenfixierung Der nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 UmwG verwirklichte Grundsatz der Typenfixierung gewährleistet – in Übereinstimmung mit der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge18 – die Einhaltung der einfachgesetzlich ausgeformten Sukzessionsvoraussetzungen sowie insbesondere der festgeschriebenen Sukzessionsschutzstandards. Die Indisponibilität des Gläubiger- und Minderheitenschutzes ist notwendiges Korrelat für die Gewährleistung einer erweiterten Sukzessionsfreiheit, die ebenso wenig durch privatautonome Vereinbarungen beschränkt werden kann. Der Grundsatz der Typenlimitierung schließt andererseits freilich nicht aus, dass erkannte Regelungslücken durch behutsame Fortschreibung des im Umwandlungsgesetz angelegten Regelungssystems geschlossen werden. Deshalb bestehen etwa auch gegen die ergänzende Anwendung der allgemeinen Sukzessionsschutzmechanismen auf die umwandlungsrechtliche Universalsukzession keine durchgreifenden Bedenken19.
II. Partielle Universalsukzession durch Unternehmensfortführung? Was vom Numerus-clausus-Prinzip in diesem Zusammenhang bleibt, ist demnach der Ausschluss des universalsukzessiven Übertragungsmodus für gesetzlich nicht zugelassene Anwendungsfälle. Vor diesem Hintergrund muss es von vornherein bedenklich erscheinen, wenn genau dieses Ergebnis auf der Grundlage der lex lata (nicht etwa nur de lege ferenda20) durch eine grundlegende Neuinterpretation der §§ 25, 28 HGB herbeigeführt werden soll:
1. Grundlegende Neuinterpretation der §§ 25, 28 HGB In neuerer Zeit hat ein innovativer Ansatz von Johannes W. Flume für Aufsehen gesorgt, der für ein revolutionär neues Verständnis der §§ 25, 28 HGB im Sinne einer partiellen Universalsukzession eintritt und auf diese Weise die Übertragung unternehmensbezogener Schuldverhältnisse bewerkstelligen will21. Auf der Grundlage dieser Position könnten Schuldverhältnisse einheitlich und uno 17 Decker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 UmwG Rn. 23; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 35; Semler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rn. 63; Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, S. 172, 176; v. Riegen, Gesellschafterschutz, S. 87. 18 Siehe oben § 4 II. 1. 19 Dazu ausf. oben § 17 IV. 20 Dazu später unten § 18 II. 3. 21 Umfassend J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 1 ff., S. 87 ff., 116 ff. und passim; zuvor bereits ders., ZHR 170 (2006), 737 ff., 742 ff., 758 ff.; ähnlich bereits Voigt, Umwandlung, S. 100 ff.
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
actu auf den Erwerber eines Handelsgeschäfts übertragen werden, ohne dass der verbleibende Vertragsteil zustimmen müsste. Maßgeblich seien allein der zwischen Veräußerer und Erwerber geschlossene Vertrag über den Gesamtübergang und der reale Vollzugsakt der Unternehmensfortführung, nicht aber zugleich auch die Fortführung der Firma. Im Rahmen der vertraglichen Abrede können die Parteien einzelne Forderungen und Verbindlichkeiten nach Maßgabe der §§ 25 Abs. 2, 28 Abs. 2 HGB ausnehmen; andernfalls gehen sämtliche Verbindlichkeiten gem. §§ 25 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 1 S. 1 HGB auf den Unternehmenserwerber über.
2. Stellungnahme de lege lata Im Schrifttum hat dieser Ansatz schon verschiedentlich Gefolgschaft gefunden22, aber auch Kritik erfahren23. Es ist hier nicht der Ort, den breit gefächerten Meinungsstand und Theorienstreit zu §§ 25, 28 HGB auszubreiten und eingehend zu würdigen24. Nachfolgend soll es ausschließlich um die Frage gehen, ob die handelsrechtlichen Vorschriften zur Unternehmensfortführung als eigenständiger Tatbestand der Universalsukzession interpretiert werden können. Die Frage stellen, heißt sie verneinen: Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit Anerkennung einer partiellen Universalsukzession außerhalb des Spaltungsrechts die Übertragung komplexer Rechtsverhältnisse erleichtert werden könnte und damit zugleich ein weiterer Schritt in Richtung frei übertragbarer Schuldverhältnisse gegangen würde. Diese Innovationskraft ist dem progressiven Ansatz nicht abzusprechen. Allerdings erweist sich die Position nach dem Konzept der lex lata als nicht begründbar. Sie verträgt sich weder mit den – freilich sehr umstrittenen – Regelungszielen der §§ 25, 28 HGB25 noch mit dem grundsätzlichen Schutzbedürfnis der am Rechtsübergang beteiligten Gegenparteien. Insbesondere setzt sich ein Schuldübergang ohne Zustimmung des Gläubigers de lege lata zu den Wertungen des bürgerlichen Schuldübernahmerechts sowie zum Prinzip der freien Kontrahentenwahl in Widerspruch26. Solange §§ 414, 415 BGB im Rahmen der privativen Schuldübernahme die Zustimmung des Gläubigers de lege lata zwingend voraussetzen27, muss diese gesetzgeberische Richtungsentscheidung auch im Handelsrecht respektiert werden. Dafür 22 Im Grundsatz zustimmend Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 24 ff., 116 ff., 128 ff.; Bitter, ZHR 174 (2010), 499 ff.; sympathisierend auch Westermann, FS Nobbe, S. 939, 942, 964 f. für Bankgeschäfte. 23 Ablehnend Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 21, 34. 24 Siehe etwa die Darstellungen bei Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 9 ff.; Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 11 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 6 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 I 2. 25 Siehe nochmals oben Fn. 24. 26 Vgl. Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 41; Beuthien, NJW 1993, 1737, 1738; Zöllner, ZGR 1983, 82, 89; Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 658. 27 Für eine Fortbildung des Schuldübernahmerechts siehe unten § 18 IV.
II. Partielle Universalsukzession durch Unternehmensfortführung?
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spricht aus der Perspektive des Umwandlungsrechts im Ergebnis auch die Wertung des § 1 Abs. 2 UmwG28. Darüber hinaus läuft die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolge auf eine unzulässige Fiktion hinaus, wenn den Beteiligten, nur weil sie die Fortführung des Unternehmens unter Lebenden vereinbaren, der Wille zur Übertragung sämtlicher Einzelgegenstände als Ganzes unterstellt wird29. Die Einigung über die Unternehmensfortführung muss nicht notwendig mit dem Willen verbunden sein, auch sämtliche Sachen und Forderungen, Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnisse auf den Erwerber zu übertragen. Überhaupt treffen §§ 25, 28 HGB keine Aussage über das interne Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber, sondern beschränken sich nach Maßgabe ihres auf Gläubiger- und Schuldnerschutz gerichteten Regelungszwecks auf die Anordnung von Rechtsfolgen im Außenverhältnis gegenüber den von der Transaktion nur mittelbar betroffenen Gläubigern und Schuldnern. Darüber hinaus ist der universalsukzessive Ansatz auch schwerlich mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass § 25 HGB seine besonderen Schutzwirkungen nach zutreffender h.M. nicht nur im Fall der Veräußerung des Unternehmens entfaltet, sondern gleichermaßen bei einem wirtschaftlichen Übergang des Handelsgewerbes, beispielsweise auf Grundlage eines Pachtvertrages sowie bei der Nießbrauchbestellung am Handelsgeschäft30. Diesem Problem kann auch nicht durch ein Zurückschneiden des sachlichen Anwendungsbereichs begegnet werden31, weil § 25 HGB seinen Regelungszweck – Rechtsunsicherheiten über die Haftungsverhältnisse bei der Unternehmensfortführung zu vermeiden – nur dann vollständig verwirklichen kann, wenn die berechtigten Interessen der von der Fortführung tangierten Gläubiger und Schuldner auch bei einem zeitlich beschränkten Unternehmenserwerb gewährleistet sind32. Das gilt umso mehr, als die zutreffende h.M. die Vorschrift auch anwendet, wenn das Verpflichtungs- und (oder) Verfügungsgeschäft unwirksam sind33 oder es voll28
Dazu näher oben § 18 I. 2. a). Vgl. Lehmann, FS Cohn, S. 395, 410 f. 30 So bereits Denkschrift zum Entwurf eines HGB, bei Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB II/2, S. 978; ebenso RGZ 133, 318, 322 f.; BGH NJW 1982, 1647; 1984, 1186, 1187; Ammon/Ries, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 25 Rn. 6; Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 52; Emmerich, in: Heymann, HGB, § 25 Rn. 13; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 25 Rn. 4; Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 45; Oetker, Handelsrecht, § 4 Rn. 87; K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 II 1 b; a.A. nur Binz/Rauser, BB 1980, 897, 898 f.; Schricker, ZGR 1972, 121, 153 f. Fn. 128. 31 Dazu J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 129 ff.; ders., ZHR 170 (2006), 737, 753, 761 f.; Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 43, 53 f. 32 Ähnlich Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 52. 33 Für die h.M. siehe RGZ 93, 227 f.; 149, 25, 28; BGHZ 18, 248, 251 f.; 22, 234, 239; 31, 321, 328; BGH NJW 1984, 1186, 1187; 1986, 581; 1992, 911, 912; WM 1985, 1475; Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 55; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 25 Rn. 5; Roth, in: Koller/Roth/ Morck, HGB, § 25 Rn. 4b; Vossler, in: Oetker, HGB, § 25 Rn. 15 ff.; Oetker, Handelsrecht, § 4 Rn. 87; K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 II 1 b; Lieder, JA 2011, 658, 661; a.A. Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 43, 53 f.; Zimmer, in: Ebenroth, HGB, § 25 Rn. 32 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 24. 29
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
ends an einem Erwerbsgeschäft fehlt34. In diesem Zusammenhang genießt wiederum die Rechtssicherheit Vorrang. Durch die Anwendung des § 25 HGB wird sichergestellt, dass kein im Außenverhältnis nicht erkennbarer Rechtsmangel auf den Schutz der Unternehmensgläubiger durchschlägt. Eine Interpretation des § 25 HGB als Tatbestand der partiellen Gesamtnachfolge ist mit alldem schwerlich in Einklang zu bringen und zwingt die Vertreter dieser Auffassung zu einschneidenden Abweichungen von der herrschenden Doktrin35, die im Ergebnis zu einem signifikanten Verlust des gesetzgeberisch intendierten Verkehrs- und Gläubigerschutzniveaus führen muss36. Weiterhin spricht gegen die Neuinterpretation, dass sie in Fortschreibung des von K. Schmidt begründeten Konzepts der Haftungskontinuität37 auf das zentrale Tatbestandsmerkmal der Firmenfortführung in § 25 Abs. 1 S. 1 HGB verzichten muss und allein die Fortführung des Unternehmens auch ohne Fortführung der Firma genügen lässt38. Diese Position ist indes weder mit dem insofern klaren Gesetzeswortlaut noch mit dem Regelungsplan des Gesetzgebers in Einklang zu bringen, und wird daher von der ganz überwiegenden Auffassung mit Recht abgelehnt39. Bereits nach den Gesetzesmaterialien soll die Erwerberhaftung an die Fortführung der bisherigen Firma geknüpft sein. Denn im Verkehr werde die Firma – wenn auch dogmatisch unrichtig – „als Trägerin der durch den Handelsbetrieb begründeten Rechte und Pflichten angesehen“, so dass es gerechtfertigt erscheine, „der Verkehrsauffassung, nach welcher der jeweilige Inhaber der Firma als der Verpflichtete und Berechtigte angesehen wird, in Bezug auf die Frage des Ueberganges der Geschäftsschulden und Geschäftsforderungen entgegenzukommen“40. Demgegenüber könne mit „der bloßen Uebertragung des Handelsgeschäfts oder deren Kundmachung (…) der Eintritt in die 34
Für die h.M. siehe BGHZ 22, 234, 239; BGH NJW 1984, 1186, 1187; WM 1985, 1475; 1992, 55, 56; Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 55; a.A. Ammon/Ries, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 25 Rn. 9; Emmerich, in: Heymann, HGB, § 25 Rn. 19; Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 43. 35 Siehe nochmals in die Nachw. in Fn. 31. 36 Siehe nur Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 54, der ebenso wie Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 24 und Lettl, Handelsrecht, § 5 Rn. 19 für eine Erwerberhaftung nach Rechtsscheingrundsätzen eintritt (näher Thiessen, aaO., § 25 Rn. 122 ff.), aber am Ende gleichwohl verbleibende Haftungsfreiräume hinnehmen will, welche die h.M. mit überzeugenden Gründen vermeidet. 37 K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 I 3, 4; ders., ZHR 145 (1981), 2 ff.; dem folgend Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 28. 38 Wie hier auch Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 21. 39 Statt aller Ammon/Ries, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, Vor § 25 Rn. 5; Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 20; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 25 Rn. 1; Roth, in: Koller/ Roth/Morck, HGB, § 25 Rn. 2; Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 13 ff.; Zöllner, ZGR 1983, 82, 88 f.; Altmeppen, FS Hopt, S. 305, 317. – Auch wenn die Rechtsprechung heute die Kontinuität des Unternehmens betont, verlangt sie stets, dass die Unternehmenskontinuität gerade durch Fortführung der Firma nach außen in Erscheinung tritt: BGHZ 146, 374, 376; NJW 2010, 236 Tz. 15; NJW-RR 2009, 820 Tz. 19. 40 Denkschrift zum Entwurf eines HGB, bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II/2, S. 979.
II. Partielle Universalsukzession durch Unternehmensfortführung?
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Geschäftsschulden und Forderungen nicht verbunden werden; denn es ist zunächst eine Thatfrage, ob die Parteien dies beabsichtigt haben“41. Nun mag man die Überzeugungskraft der Differenzierung zwischen Firmenund Unternehmensfortführung de lege ferenda bezweifeln42. Unzweifelhaft entspricht sie aber jedenfalls dem Willen des historischen Gesetzgebers, sie liegt der bis heute geltenden Gesetzesfassung sowie der Regelungssystematik mit Blick auf §§ 25 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 HGB zugrunde und ist daher – trotz aller Kritik – für die praktische Rechtsanwendung zu respektieren. Hieran müssen alle Versuche scheitern, auf das Tatbestandsmerkmal der Firmenfortführung in § 25 Abs. 1 S. 1 HGB im Wege der teleologischen Reduktion43 oder offener Rechtsfortbildung zu verzichten. Im Übrigen leidet der progressive Ansatz wesentlich daran, dass er eine einheitliche Erklärung für Vorschriften geben will, die sich einer ganzheitlichen Interpretation schon im Hinblick auf den differenzierten Normzweck entziehen. Nach dem Willen des historischen HGB-Gesetzgebers zielt § 25 HGB darauf ab, die Ende des 19. Jahrhunderts bestehende Rechtsunsicherheit über die Haftungsverhältnisse infolge des Erwerbs eines Handelsgeschäfts zu beseitigen44. Zu diesem Zweck greift die bis heute unverändert gebliebene Vorschrift die zur damaligen Zeit in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Erklärungsansätze auf und fügte sie zu einer heterogenen Gesamtregelung zusammen, die ob ihres Charakters als Kompromissvorschrift einer einheitlichen Interpretation von vornherein nicht zugänglich ist. Das ist zugleich der Grund dafür, weshalb sich bis heute kein Erklärungsansatz hat durchsetzen können, weshalb die Vorschrift zum Teil vernichtende Kritik erfahren hat und weshalb sich eine überzeugende, ganzheitliche Theorie de lege lata schwerlich finden lassen wird. Jedenfalls vermag die Lehre von der partiellen Universalsukzession als ganzheitlicher Erklärungsansatz für §§ 25, 28 HGB nicht zu überzeugen.
3. Stellungnahme de lege ferenda Auch wenn dem zu §§ 25, 28 HGB vertretenen Gesamtnachfolgeansatz de lege lata entschieden zu widersprechen ist, so erscheint er doch jedenfalls de lege ferenda bedenkenswert. Ausgehend von dem modernen Interpretationsansatz der §§ 25, 28 HGB könnte eine Forderung lauten, die Vorschriften zu einem handelsrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestand auszubauen. Als Modell könnte 41 Denkschrift zum Entwurf eines HGB, bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II/2, S. 978. 42 Zustimmend aber etwa Altmeppen, FS Hopt, S. 305, 317 mit dem Hinweis, das Publikum müsse bei Erlöschen der Firma „annehmen, dass der neue mit der Haftung des alten Unternehmensträgers nichts zu tun“ habe. 43 Siehe auch die Stellungnahme von Altmeppen, FS Hopt, S. 305, 317, gegen eine analoge Anwendung des § 25 HGB in diesem Zusammenhang. 44 Vgl. Denkschrift zum Entwurf eines HGB, bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II/2, S. 978 f. So auch Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 22.
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
§ 38 des österreichischen Unternehmensgesetzbuchs (UGB) dienen45, der indes selbst nicht unerhebliche Anwendungsschwierigkeiten bereitet und daher allenfalls in modifizierter Form ins deutsche Recht übernommen werden könnte. Aber selbst wenn man diese Anwendungsprobleme für das deutsche Recht in den Griff bekäme, stößt die Reformidee wegen ihres genuin handelsrechtlichen Charakters schnell an Grenzen. Das zeigt bereits ein Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen: Erstens bedingt die Anknüpfung an §§ 25, 28 HGB eine Verengung des personellen Anwendungsbereichs auf kaufmännische Unternehmen46. Natürliche Personen, aber auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder Erbengemeinschaften kämen als Beteiligte nicht in Betracht, obgleich eine praktische Notwendigkeit für die Übertragung von Vermögensgesamtheiten auch bei diesen Rechtsträgern47 bestehen kann, wenn auch womöglich nicht mit der gleichen Häufigkeit und Intensität wie bei kaufmännischen Unternehmen. Gleichwohl greift indes jedes Konzept zu kurz, das nichtkaufmännische Rechtsträger von vornherein außen vorlässt. Noch schwerer wiegt zweitens die Beschränkung des gegenständlichen Anwendungsbereichs. Die tatbestandliche Beschränkung auf unternehmensbezogene Schuldverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten48 klammert nämlich einen substanziellen Teil übertragbarer Rechtspositionen vollkommen aus: die Rechte an körperlichen Gegenständen. Grundstücke und bewegliche Sachen könnten auf Grundlage des handelsrechtlichen Ansatzes ebenso wenig übertragen werden wie Grundschulden, Hypotheken, Pfandrechte und andere beschränkte dingliche Rechte. Zur Schaffung eines einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestands sind §§ 25, 28 HGB daher schwerlich geeignet. Drittens setzt die Anwendbarkeit des § 25 HGB den Erwerb des Unternehmens voraus. Das bedeutet zweierlei: Zum einen muss tatsächlich ein substanzieller Teil des Unternehmens erworben werden. Die Übertragung von einzelnen Gegenständen oder auch nur eines untergeordneten Vermögensteils, wie sie nach Spaltungsrecht im Wege der partiellen Universalsukzession ohne weiteres zulässig ist, genügt nach Maßgabe der handelsrechtlichen Vorschriften nicht. Zum anderen treten die Sukzessionswirkungen auch nur auf der Grundlage eines wirksamen Verfügungsgeschäfts ein49. Rechtsmängel lassen nach den Wertungen des Einigungsprinzips den universalsukzessiven Rechtsübergang scheitern. Das wird man im Hinblick auf das gesteigerte Bestandsinteresse kritisch sehen müssen. Nicht von ungefähr finden sich deshalb im Umwandlungsrecht 45 Ausf. Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 128 ff.; J. W. Flume, ZHR 170 (2006), 737, 741 ff. 46 Gegen eine Erstreckung des Konzepts auf die GbR: J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 128; Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 33; für eine Erweiterung hingegen Bitter, ZHR 174 (2010), 499, 502. 47 Zur mangelnden Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft siehe unten Fn. 72. 48 Zu dieser Beschränkung siehe ausf. J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 143 ff. 49 Siehe J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 129 ff.
III. Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands?
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mit §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2 UmwG besondere Schutzvorschiften, die nach Eintragung der Transaktion in das Handelsregister für eine besondere Bestandskraft der Umwandlungsverträge sorgen. Über ein vergleichbares Sicherungssystem verfügen §§ 25, 28 HGB nicht. Ein solches System der Bestandssicherung ist indes grundlegende Voraussetzung für die rechtspolitische und rechtsökonomische Sinnhaftigkeit von Gesamtnachfolgetatbeständen, denn Rechtsmängel führen aufgrund ihrer universellen Wirkung regelmäßig zur uneingeschränkten Nichtigkeit der gesamten Transaktion. Plädiert man für einen bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestand kommt man daher an tragfähigen Mechanismen der Bestandssicherung (Registereintragung), der Beweissicherung und des Übereilungsschutzes (Formerfordernis) schwerlich vorbei50. Die immanenten Anwendungsgrenzen des handelsrechtlichen Sonderprivatrechts lassen §§ 25, 28 HGB für die Schaffung eines allgemeingültigen Gesamtnachfolgetatbestands als schwerlich geeignet erscheinen. Eine Lösung des Gesamtnachfolgeproblems ist daher nicht im Handelsrecht, sondern im Bereich des Bürgerlichen Rechts zu suchen. Ganz konkret stellt sich die Frage nach der Schaffung eines genuin bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands:
III. Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands? Stellungnahmen zu diesem Themenkreis sind bisher Mangelware51. In jüngster Zeit ist die Möglichkeit eines rechtsgeschäftlichen Gesamtnachfolgetatbestands insbesondere für die übertragende Sanierung im Insolvenzplanverfahren erwogen worden52. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)53, in seinen wesentlichen Teilen am 1.3.2012 in Kraft getreten, hat diese Vorschläge aufgegriffen. Danach können zum einen die Anteilsrechte der an einer insolventen juristischen Person Beteiligten nach § 217 S. 2 InsO in den Insolvenzplan einbezogen werden. Zum anderen ermöglicht § 225a Abs. 3 InsO, dass im gestaltenden Teil des Plans jede Regelung getroffen werden kann, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, und damit auch Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG54. Im Folgenden soll es – der Grundausrichtung der vorliegenden Untersuchung folgend – allerdings ausschließlich um die Frage gehen, ob im Bürgerlichen Recht kraft Gesetzesänderung die universalsukzessive Übertragung von Rechts- und Sachgesamtheiten ermöglicht werden kann und sollte. 50
Dazu näher unten § 18 III. 1. Siehe aus der älteren Literatur aber Lehmann, FS Cohn, S. 395, 414 f. und Wieacker, System, S. 41 f., die sich für einen solchen Tatbestand starkmachen. 52 Dafür Wallner, ZInsO 2010, 1419, 1422 ff.; Brinkmann, WM 2011, 97, 102. 53 Gesetz vom 7.12.2011, BGBl. I, S. 2582; zu Grundlagen und Vorgeschichte s. Lieder, in: Bayer/Koch, GmbH-Recht, S. 142, 170 f. 54 Dazu ausf. Kahlert/Gehrke DStR 2013, 975 ff.; Becker ZInsO 2013, 1885 ff. 51
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
1. Konzeptionelle Grundlagen a) Strukturelle Gemeinsamkeiten Nimmt man das bestehende Gesamtsystem des Sukzessionsrechts in den Blick, stehen der Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Insbesondere hat die Untersuchung der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession ergeben, dass es sich hierbei gerade nicht um einen von der Singularsukzession vollkommen unabhängigen Übertragungsmodus handelt. Vielmehr weisen die Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Einzel- und Gesamtnachfolge zahlreiche Parallelen auf. Strukturelle Gemeinsamkeiten der beiden Sukzessionsformen bilden auf Tatbestandsebene etwa die Geltung des Einigungsprinzips55 sowie des Bestimmtheits- und Spezialitätsprinzips56 sowie auf Rechtsfolgenseite die Geltung des Identitäts-57 und Akzessorietätsprinzips58. Darüber hinaus gelten für beide Sukzessionsarten – wenn auch mit beachtlichen Unterschieden im Detail – die Prinzipien der Sukzessionsfreiheit59 und des Sukzessionsschutzes60. Das spricht dafür, dass der universalsukzessive Übertragungsmodus nicht auf spezialgesetzliche Sonderfälle beschränkt bleiben muss, sondern dem Grunde nach auch Eingang in die Welt des allgemeinen Bürgerlichen Rechts finden kann. b) Erweiterte Sukzessionsfreiheit Der zentrale Unterschied zwischen Singular- und Universalsukzession liegt letztlich darin, dass sich der universalsukzessive Rechtsübergang auf Grundlage eines für sämtliche Verfügungsgegenstände einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestands vollzieht, und auf diese Weise sämtliche Positionen eines bestimmten Vermögens respektive Vermögensteils gleichzeitig und als Ganzes auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen61. Die besonderen Kautelen der für die einzelnen Übertragungsobjekte einschlägigen Vorschriften der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession werden durch den einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestand ersetzt. Die sachenrechtlichen Publizitätsakte (Übergabe, Grundbucheintragung, Verpfändungsanzeige) sind ebenso entbehrlich wie die schuldrechtlichen Zustimmungserfordernisse bei der privativen Schuld- und Vertragsübernahme62; hinzu kommt die Unbeachtlichkeit der meisten Verfügungsbeschränkungen63. Die Entscheidung zugunsten eines bür55 56 57 58 59 60 61 62 63
Siehe oben § 16 III. Siehe oben § 16 VI. Siehe oben § 17 I. Siehe oben § 17 II. Siehe oben § 16 V. Siehe oben § 17 III. und § 17 IV. Dazu näher oben § 16 II. 1. Dazu oben § 16 V. 1. Dazu oben § 16 V. 2.
III. Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands?
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gerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands hängt vor diesem Hintergrund maßgeblich davon ab, ob auf die genannten Übertragungsvoraussetzungen und Übertragungshindernisse aus rechtspolitischer Perspektive verzichtet werden kann und soll. Dass ein solcher Dispens in rechtskonstruktiver Hinsicht dem Grunde nach zulässig ist, belegt bereits die schiere Existenz der umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestände. Gerade für die Übertragung einer großen Menge von Vermögenspositionen erweist sich der universalsukzessive Übertragungsmodus als rechtsökonomisch sinnvoll64. Das gilt für die Übertragung von Sachund Rechtsgesamtheiten im Allgemeinen und für die unternehmerische Umstrukturierung im Besonderen. Da sich die gesamte Transaktion auf der Grundlage eines einheitlichen Gesamtnachfolgetatbestands vollzieht und hierdurch die sachenrechtlichen Vollzugselemente sowie die schuldrechtlichen Zustimmungserfordernisse entbehrlich werden, ist die Durchführung der Universalsukzession tendenziell mit geringeren Kosten verbunden. Umgekehrt besteht indes die Gefahr, dass ein Fehler notwendig die Übertragung sämtlicher Vermögenspositionen in Mitleidenschaft zieht und die Transaktion als Ganzes scheitert. Aus diesem Grund finden sich für die umwandlungsrechtliche Universalsukzession besondere Form- und Bestandsschutzvorschriften65, die sich auch für die Schaffung eines allgemeinen bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands als unentbehrlich erweisen. c) Formbedürftigkeit des Gesamtnachfolgevertrags In Anlehnung an die Regelungsgedanken der § 925 BGB sowie §§ 6, 125 S. 1 UmwG bedarf der Gesamtnachfolgevertrag jedenfalls der notariellen Beurkundung66. Die Mitwirkung des Notars dient zum einen der Beweissicherung. Zum anderen werden hierdurch Zweifel über den Inhalt des Nachfolgevertrages, namentlich über die Zuordnung der im Rahmen einer partiellen Universalsukzession übertragenen Vermögenspositionen, weitgehend ausgeschlossen. Im Ergebnis geht es also um die Gewährleistung der materiellen Richtigkeit des Gesamtnachfolgevertrags und die Vermeidung etwaiger Wirksamkeitsmängel, die eine Gesamtnichtigkeit der Transaktion zur Folge haben könnten. Im Übrigen steht auch der mit der notariellen Beurkundung verbundene Zeit- und Kostenaufwand im Vergleich zu der überragenden wirtschaftlichen Bedeutung der Universalsukzession typischerweise in einem angemessenen Verhältnis. d) Universalsukzessionsrechtlicher Bestandsschutz Neben der Formbedürftigkeit des Gesamtnachfolgevertrags bedarf es außerdem einer Absicherung des universalsukzessiven Rechtsübergangs gegen etwa64 65 66
Siehe oben § 16 II. 3. Siehe oben § 16 VII. Siehe oben § 16 VII. 3.
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
ige Rechtsmängel, will man nicht die Gesamtnichtigkeit der Transaktion riskieren. In Anlehnung an das Prinzip des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes nach Maßgabe der §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2 UmwG sind auch Rechtsmängel des Nachfolgevertrags für unbeachtlich zu erklären, wenn derselbe in einem öffentlichen Register publik gemacht wird. Allerdings existiert zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein bürgerlichrechtliches Register, in das die Gesamtnachfolge eingetragen werden könnte. Insbesondere erscheint das Handelsregister als Publizitätsmedium für genuin bürgerlichrechtliche Transaktionen als denkbar ungeeignet, weil die Gesamtnachfolge ob ihrer bürgerlichrechtlichen Konzeption keinen notwendigen Bezug zum Sonderprivatrecht der Kaufleute aufweist. Folglich müsste ein bürgerlichrechtliches Gesamtnachfolgeregister neu geschaffen werden67. e) Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit Ebenso unverzichtbare Voraussetzung für die Übertragung von Vermögensgesamtheiten ist die Beachtung des sukzessionsrechtlichen Bestimmtheitsprinzips. Die Transaktion kann nur wirksam vollzogen werden, wenn rechtssicher feststellbar ist, auf welche Vermögenspositionen sich der universalsukzessive Übertragungsakt tatsächlich erstreckt. Auch diesbezüglich kann an den Vorgaben des Verschmelzungs- und Spaltungsrechts Maß genommen werden68: Soll das gesamte Vermögen einer Person auf den Erwerber übergehen (totale Universalsukzession), bedarf es – ebenso wie bei der umwandlungsrechtlichen Verschmelzung – keiner besonderen Feststellungen. Bezieht sich die Übertragung allerdings nur auf einen Teil des Gesamtvermögens (partielle Universalsukzession), müssen die erfassten Vermögenspositionen in Anlehnung an § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG dem Gesamtnachfolgevertrag mit hinreichender Bestimmtheit entnommen werden können. Zur Anwendung gelangt wiederum der hier befürwortete minimalistische Bestimmtheitsansatz69. Es genügt also, dass die fraglichen Verfügungsgegenstände aus der Perspektive der Vertragsparteien sowie unter Berücksichtigung auch außerhalb des Gesamtnachfolgevertrags liegender Umstände eindeutig bestimmbar sind.
67 Zur Bedeutung eines Transaktionsregisters für den Schutz berechtigter Schuldnerinteressen siehe J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 188 f. Tatsächlich kann sich der Schuldner rechtssichere Kenntnis über den Forderungsübergang durch Einsichtnahme in das Register verschaffen. Dafür muss der Schuldner freilich zunächst Kenntnis von der Transaktion überhaupt haben. Fehlt es daran, ist auf die Vorschriften des allgemeinen zessionsrechtlichen Schuldnerschutzes zurückzugreifen. Analog § 407 Abs. 1 BGB kann der Schuldner mit befreiender Wirkung an den Altgläubiger leisten und mit demselben Rechtsgeschäfte in Bezug auf die Forderung wirksam abschließen, soweit er vom Rechtsübergang keine Kenntnis hat. Siehe zur analogen Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB auf die umwandlungsrechtliche Universalsukzession oben § 17 IV. 1. c). 68 Dazu im Einzelnen oben § 16 VI. 2. 69 Siehe oben § 8 II. und § 16 VI. 2.
III. Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands?
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2. Rechtspolitische Bewertung Die konzeptionellen Überlegungen haben gezeigt, dass sich ein bürgerlichrechtlicher Gesamtnachfolgetatbestand durchaus in systemkonformer Weise in die deutsche Privatrechtsordnung einbinden ließe. Für die zu normierenden Struktur- und Wertungsprinzipien wäre an der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession Maß zu nehmen. Dass ein Gesamtnachfolgetatbestand geschaffen werden kann, bedeutet indes nicht automatisch, dass er auch geschaffen werden sollte. Grundvoraussetzung dafür ist zunächst ein praktisches Bedürfnis für einen solchen Übertragungstatbestand: a) Praktisches Bedürfnis Für den unternehmerischen Bereich wird man unter Verweis auf das umfassende Instrumentarium des UmwG die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands bzw. anderweitiger Erleichterungen verneinen müssen. Die ausdifferenzierten Gestaltungsmöglichkeiten des Umwandlungsrechts haben sich in der Praxis bis heute bewährt und bisher kein handgreifliches Bedürfnis für einen allgemeinen Vermögensübertragungstatbestand offenbar werden lassen70. Als namhaftes Desiderat darf lediglich der Umgang mit der Erbengemeinschaft gelten71. Sie ist bisher nicht ausdrücklich in den Kreis der umwandlungsfähigen Rechtsträger aufgenommen worden, was im Hinblick auf ihre mangelnde Rechtsfähigkeit72 nicht weiter verwundern kann. Die heute h.M. lässt gleichwohl die Ausgliederung durch Erbengemeinschaften nach Maßgabe des § 152 UmwG zu73, und tatsächlich bestehen selbst im Hinblick auf das Analogieverbot des § 1 Abs. 2 UmwG74 hiergegen keine durchgreifenden Bedenken. Hält man die Ausdehnung des für einzelkaufmännische Unternehmen konzipierten § 152 UmwG im Hinblick auf die Ausschließlichkeitsklausel des § 1 Abs. 2 UmwG dennoch für bedenklich, spricht viel dafür, die Erbengemeinschaft durch Korrektur des UmwG in den Kreis der umwandlungsfähigen Rechtsträger aufzunehmen. Für die Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands besteht im Hinblick 70
In der Tendenz wie hier ablehnend Burgard, in: GroßkommHGB, § 25 Rn. 34. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 3 c; ders., ZGR 1990, 580, 592; Karollus, in: Lutter, Umwandlungsrechtstage, S. 157, 188 f. 72 BGH NJW 1989, 2133 f.; 2002, 3389; 2006, 3715; Gergen, in: MünchKommBGB, § 2032 Rn. 12; Weidlich, in: Palandt, BGB, Vor § 2032 Rn. 1; Werner, in: Staudinger, BGB, § 2032 Rn. 4; a.A. Grunewald, AcP 197 (1997), 305 ff.; Eberl-Borges, Erbauseinandersetzung, S. 30 ff. 73 So Karollus, in: Lutter, UmwG, § 152 Rn. 14; ders., in: Lutter, Umwandlungsrechtstage, S. 157, 188 f.; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 152 Rn. 26; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 152 Rn. 3; Simon, in: KK, UmwG, § 152 Rn. 16; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 37; K. Schmidt, Gesellschaftsrechts, § 13 I 3 c; J. W. Flume, FS MaierReimer, S. 103, 118; a.A. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 152 Rn. 4; D. Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 152 Rn. 30 ff. 74 Siehe oben § 18 I. 71
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
auf die Erbengemeinschaft indes kein dringendes Bedürfnis. Gleiches gilt für die von § 152 UmwG nicht erfassten Rechtsträger, wie BGB-Gesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften und Stiftungen75. Soweit sich für diese Rechtsträger tatsächlich ein praktisches Bedürfnis für den universalsukzessiven Vermögenstransfer ergeben sollte, dann ist eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs des UmwG das Mittel der Wahl. Das kann durch eine Erweiterung der Vermögensübertragung gem. § 175 UmwG geschehen. Der Schaffung eines allgemeinen bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands bedarf es dafür nicht. Dementsprechend liegt der primäre Anwendungsbereich eines solchen Tatbestands ausschließlich im Bereich des allgemeinen Zivilrechts. Originäre Zielgruppen der Gestaltungsoption sind Privatpersonen. Ob sich die Schaffung eines neuartigen Übertragungstatbestandes für diese Zielgruppe lohnt, ist im Wege einer ökonomischen Analyse zu entscheiden: b) Ökonomische Analyse Mit der Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands sind per se nicht unerhebliche, einmalige und laufende Kosten verbunden. Zu den einmalig zu Buche schlagenden Kosten zählen insbesondere die Aufwendungen für die Schaffung eines neuen bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgeregisters. Zudem können weitere Kosten dadurch entstehen, dass ebenso wie für Eintragungen in das Handelsregister oder das Grundbuch ein hoheitliches Verfahren vorgeschaltet wird, das darauf abzielt, die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit der Eintragungen sicherzustellen. Damit wären immense Kosten verbunden, die angesichts des praktischen Bedürfnisses für die bürgerlichrechtliche Gesamtnachfolge die Einrichtung eines Gesamtnachfolgeregisters einschließlich Registerverfahrens aus ökonomischer Perspektive schwerlich rechtfertigen könnten. Wollte man umgekehrt auf die Registereintragung oder zumindest ein amtliches Registerverfahren verzichten, würde die Sicherheit des Rechtsverkehrs wesentlich beeinträchtigt und die rechtspolitische Sinnhaftigkeit eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands aus diesem Grund in Frage gestellt. Denn ein einzelner Rechtsmangel müsste nach den allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts auf die Wirksamkeit der gesamten Transaktion durchschlagen und begründete das Risiko einer vollständigen Rückabwicklung der Transaktion, die ihrerseits – wie bereits im Rahmen der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession ausgeführt76 – mit kaum überwindlichen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Ohne ein besonderes System der Bestandssicherung kommt daher auch ein bürgerlichrechtlicher Gesamtnachfolgetatbestand nicht in Betracht.
75 Vgl. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 152 Rn. 4; Karollus, in: Lutter, UmwG, § 152 Rn. 11, 30; Maier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 152 Rn. 50. 76 Dazu ausf. oben § 16 VII. 1.
III. Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands?
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Davon abgesehen schlagen auch die Kosten für die Eintragung der Transaktion sowie die Durchführung des Registerverfahrens erschwerend zu Buche. Die Registereintragung selbst müsste sich in diesem Zusammenhang auf die Vertragsparteien beziehen und den universalsukzessiven Rechtsübergang publik machen. Außerdem müsste die Eintragung verlautbaren, ob das gesamte Vermögen des übertragenden Rechtssubjekts übergehen soll (totale Universalsukzession) oder nur ein Teil (partielle Universalsukzession). Im Fall der partiellen Gesamtnachfolge muss sich aus dem Register mit Bestimmtheit auch die Zusammensetzung der Vermögensgesamtheit ergeben. Zu diesem Zweck bedarf es der Einreichung des Nachfolgevertrags. Die hiermit im Einzelfall verbundenen Kosten sind jeweils zu den Kosten ins Verhältnis zu setzen, die für die Durchführung einer rechtsgeschäftlichen Singularsukzession samt sachenrechtlichen Publizitätselementen (Sachübergabe, Grundbucheintragung, Verpfändungsanzeige) anfielen. Namentlich bei der partiellen Universalsukzession werden sich die Kostenvorteile einer Gesamtnachfolge in engen Grenzen halten. Denn hier wie dort müssen die Mindestanforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes gewahrt werden. Darüber hinaus bietet die Übertragung von Grundstücken im Wege der Universalsukzession auch deshalb keine besonderen Kostenvorteile, weil die Publizitätswirkungen des Grundbuchs den Publizitätswirkungen anderer öffentlicher Register vorgehen. Will der übernehmende Rechtsträger also verhindern, dass ihm sein neu erworbenes Grundstücksrecht durch Verfügung zugunsten eines redlichen Dritten entzogen wird, muss er ohnehin in Bezug auf jedes einzelne Grundstück die Berichtigung des Grundbuchs herbeiführen. Darüber hinaus wird im Schrifttum überhaupt bezweifelt, dass die Übertragung von Sachenrechten im Wege der (partiellen) Universalsukzession gegenüber der Einzelübertragung unter Sammelbezeichnung einen greifbaren Vorteil mit sich bringt77. Das ist aufs Engste mit dem praktischen Bedeutungsverlust des Traditionsprinzips verbunden78. Namentlich Sicherungsübereignungen vollziehen sich ohne Wechsel des unmittelbaren Besitzes (§ 930 BGB). Aber auch die Übereignung bei Dritten eingelagerter Gegenstände durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) sowie die Abwicklung von Streckengeschäften durch Geheißpersonen ermöglichen kostengünstige Sachübertragungen, ohne dass zusätzliche Aufwendungen in Form von Publizitätsakten signifikant zu Buche schlagen79. Zentrale Vorteile weist der universalsukzessive Übertragungsmodus damit primär in Bezug auf die Übertragung schuldrechtlicher Vermögenspositionen auf, soweit Verbindlichkeiten und ganze Vertragsverhältnisse ohne Zustimmung des Gläubigers respektive des verbleibenden Vertragsteils übertragen werden können und im Übrigen auch Verfügungsbeschränkungen dem Über77 Zum letzten Punkt vgl. Doralt, FS Kastner, S. 123, 142; J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 137. 78 Zum Ganzen siehe oben § 10 III. 79 Zur rechtsökonomischen Sinnhaftigkeit der modernen Tendenzen siehe oben § 10 III. 4.
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gang von Forderungen und anderen Vermögensrechten iSd. § 413 BGB nicht entgegenstehen. Nun scheint es im Hinblick auf die damit verbundenen Aufwendungen indes reichlich überzogen, einen bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestand allein deshalb zu schaffen, um schuldrechtliche Vermögenspositionen ohne Mitwirkung der Gegenparteien übertragen zu können. Zu diesem Zweck erweist sich die Schaffung eines universalsukzessiven Übertragungstatbestands als bloße Behelfslösung. Das eigentliche Problem liegt tiefer, nämlich in der Ausgestaltung des geltenden Schuld- und Vertragsübernahmerechts begründet. Deshalb muss eine nachhaltige Problemlösung auch an diesen Tatbeständen der Singularsukzession ansetzen. Kann man sich zu einer Fortbildung der privativen Schuld- und Vertragsübernahme entschließen, besteht auch kein Bedürfnis für die Schaffung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands.
IV. Fortbildung des bürgerlichen Schuldübernahmerechts Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden ein neuartiger Vorschlag zur gesetzlichen Ergänzung des bürgerlichen Schuld- und Vertragsübernahmerechts unterbreitet80. Neben den bisher in §§ 414, 415 BGB niedergelegten Tatbeständen ist eine dritte Variante der privativen Schuldübernahme zu kodifizieren, die ohne Zustimmung des Gläubigers wirksam ist (1.). Hierdurch sollen die bisherigen Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten nicht beschränkt, sondern lediglich ergänzt werden (2.). Dafür streitet ein erhebliches Bedürfnis der Wirtschaftspraxis (3.). Wird im Interesse einer freien Zirkulationsfähigkeit von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen auf die Mitwirkung der Gegenpartei verzichtet, müssen die berechtigten Interessen von Gläubigern und Vertragspartnern im Gegenzug durch besondere Sukzessionsschutzbestimmungen abgesichert werden. Namentlich das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse wird durch eine akzessorische Mithaftung des Altschuldners (4.) sowie einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen den Neuschuldner geschützt (5.). Flankiert werden diese Mechanismen durch die Anwendung des allgemeinen zivilrechtlichen Sukzessionsschutzes (6.). Der Reformvorschlag gilt gleichermaßen für die privative Schuldübernahme sowie die Vertragsübernahme (7.).
1. Dispensierung vom gläubigerseitigen Zustimmungserfordernis a) Prinzip der Sukzessionsfreiheit Ausgangspunkt des Plädoyers für eine Dispensierung vom gläubigerseitigen Zustimmungserfordernis ist einmal mehr das übergeordnete Prinzip der Suk80
Zur Reform des Zessionsrechts in Bezug auf die Wirkung von Abtretungsbeschränkungen siehe unten § 25 III. 3. b).
IV. Fortbildung des bürgerlichen Schuldübernahmerechts
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zessionsfreiheit. Der Übertragungsfreiheit gebührt aufgrund des hohen Stellenwerts, der ihr im System des deutschen Privatrechts aus rechtshistorischer, verfassungs- und unionsrechtlicher sowie rechtsökonomischer Perspektive zukommt, gegenüber sukzessionsschützenden Beeinträchtigungen der grundsätzliche Vorrang81. Auch wenn die berechtigten (individuellen) Interessen des Forderungsgläubigers, namentlich das Befriedigungsinteresse und das Interesse an einer freien Vertragspartnerwahl, nicht hintangestellt werden dürfen, impliziert die herausragende Bedeutung des überindividuellen Freiheitsgedankens im nationalen Sukzessionsrecht eine möglichst umfassende Verwirklichung der freien Übertragbarkeit von Schuldpositionen. Eingriffe in die Sukzessionsfreiheit bedürfen damit stets der Rechtfertigung. Das gilt insbesondere für Verfügungsbeschränkungen, als welche auch das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis des § 415 BGB zu charakterisieren ist82. Aus demselben Grund gebührt postventiv wirkenden Sukzessionsschutzbestimmungen der grundsätzliche Vorrang gegenüber einem präventiven Sukzessionsschutz, wie er durch die Mitwirkung des Gläubigers gegenwärtig noch zwingend für die privative Schuldübernahme vorgesehen ist. In diesem Sinne bedeutet das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis – vor allem im Vergleich zur Forderungsabtretung – einen ernstzunehmenden Fremdkörper im System des modernen Sukzessionsrechts. Der zentrale rechtssystematische Vorteil des hiesigen Reformvorschlags liegt folglich darin, dass er einen strukturellen Gleichlauf von Schuldübernahmeund Zessionsrecht herstellt und damit einen wertvollen Beitrag zur wertungsund strukturkohärenten Fortbildung des gesamten Sukzessionsrechts leistet. Dass der Verzicht auf die Gläubigerzustimmung eine systemkonforme Rechtsfortbildung bedeutet, bestätigt nicht nur der binnenrechtsvergleichende Blick auf das Zessionsrecht und die umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestände, sondern auch die schwindende Bedeutung des Traditionsprinzips im Mobiliarsachenrecht. Alle diese Entwicklungstendenzen sind getragen von einem Verlangen des modernen Wirtschafts- und Handelsverkehrs nach einem gesteigerten Maß an Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit und führen im Ergebnis zu einer erhöhten Zirkulationsfähigkeit und „Entpersönlichung“ von Vermögenspositionen. Die Mobilisierungsbewegung, die mit dem Abschied vom Gedanken des vinculum iuris im Zessions-83 und Schuldübernahmerecht84 begann, wird durch einen Verzicht auf die obligatorische Mitwirkung des Forderungsgläubigers bei der privativen Schuldübernahme zu einem folgerichtigen (vorläufigen) Abschluss gebracht.
81 82 83 84
Siehe oben § 4 II. 2. Siehe oben § 4 II. 5. b) cc). Siehe oben § 4 II. 4. a). Siehe oben § 4 II. 5. a).
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
b) Gläubigerseitiges Befriedigungsinteresse Allerdings verfolgt der Zustimmungsvorbehalt nach herkömmlicher Auffassung zwei gewichtige Regelungsziele85: Zum einen will er die negative Kontrahentenwahlfreiheit des Gläubigers schützen; dieser soll sich insbesondere keinen neuen Schuldner aufdrängen lassen müssen86. Zum anderen – und darin liegt gewissermaßen das wirtschaftliche Fundament der Gläubigermitwirkung – sichert das Zustimmungserfordernis das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse. Der Gläubiger hat sich den Schuldner typischerweise im Hinblick auf seine Bonität und Zahlungswilligkeit ausgesucht. Die Erfüllung des Leistungsanspruchs ist demnach gefährdet, wenn der Schuldner aus eigener Machtvollkommenheit in der Lage wäre, mit einem anderen Rechtssubjekt, das womöglich weniger solvent und zahlungswillig ist, die Plätze zu tauschen. Mit anderen Worten muss der Schuldnerwechsel ohne Gläubigermitwirkung nicht nur die Rechtsstellung des Forderungsgläubigers unverändert lassen, sondern er darf auch die wirtschaftliche Position des Gläubigers, namentlich die Werthaltigkeit des Leistungsanspruchs, nicht beeinträchtigen. Dieses Postulat folgt letztlich aus den Wertungen des Identitätsprinzips und des sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbots. Der Schutz des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses verlangt indes nicht notwendig nach präventiven Schutzinstrumenten. Auch ein (nur) haftungsrechtlicher Schutz des Erfüllungsinteresses, der nach dem Schuldnerwechsel ansetzt, wird ihm vollauf gerecht, soweit sich nur der ergänzende Haftungsanspruch nicht auf den Übernehmer beschränkt. Andernfalls würde der Gläubiger nämlich gegen seinen Willen mit dem Insolvenzrisiko des Neuschuldners belastet. Der Haftungsanspruch muss sich daher notwendig gegen den Altschuldner richten. Vorgeschlagen wird daher eine Übertragung der beiden zentralen Gläubigerschutzelemente des Spaltungsrechts auf die reformierte Schuldübernahme. Das Befriedigungsinteresse des Gläubigers ist zum einen durch eine akzessorische Mithaftung des Altschuldners in Anlehnung an die spaltungsrechtliche Transferhaftung des § 133 UmwG87 sowie durch einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen den Neuschuldner in Anlehnung an §§ 133 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1, 22 UmwG88 zu schützen. Die Haftungsmechanismen werden flankiert durch die allgemeinen Sukzessionsschutzmechanismen des abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzes89 sowie die Lehre von der Geschäftsgrundlage90 und das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund91. Durch die Etablierung dieses postventiven Gläubigerschutzsystems und den Verzicht auf präventive 85 86 87 88 89 90 91
Siehe oben § 4 II. 5. c). Dazu sogleich unten § 18 IV. 1. c). Dazu unten § 18 IV. 4. Dazu unten § 18 IV. 5. Dazu unten § 18 IV. 6. Dazu unten § 18 IV. 6. e). Dazu unten § 18 IV. 6. f).
IV. Fortbildung des bürgerlichen Schuldübernahmerechts
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Sukzessionshindernisse wird ein angemessener Ausgleich zwischen dem Befriedigungsinteresse des Gläubigers und dem Sukzessionsinteresse des Altschuldners hergestellt. c) Prinzip der freien Kontrahentenwahl Darüber hinaus verlangt auch das Prinzip der freien Kontrahentenwahl keine obligatorische Gläubigerbeteiligung92. Bereits ein flüchtiger Blick auf das geltende Zessionsrecht belegt, wie weit es mit der Wahrung der negativen Vertragsfreiheit im modernen Privatrecht her ist. Die Forderungsabtretung vollzieht sich gem. § 398 S. 1 BGB ohne schuldnerische Mitwirkung, und das aus gutem Grund: Billigte man dem Schuldner nämlich ein Vetorecht zu, wäre die Sukzessionsfreiheit des Zedenten massiv beeinträchtigt93. Darüber hinaus belegen die Gesamtnachfolgetatbestände, dass gegen einen Schuldübergang ohne Gläubigerzustimmung keine ernstlichen rechtsdogmatischen Bedenken geltend gemacht werden können. Gleiches muss auch für die gläubigerseitige Mitwirkung im Rahmen der privativen Schuldübernahme gelten. Das wird besonders deutlich, betrachtet man das Zustimmungserfordernis unter der rechtsökonomischen Lupe94: Nach dem Verhandlungsmodell steht es den Beteiligten frei, über die Zustimmungserteilung zu verhandeln. Ein rational handelnder Gläubiger wird sich sein Veto gegen eine Geldleistung abkaufen lassen, die seinem Interesse an der Beibehaltung des alten Schuldners entspricht. Allerdings sind solche Verhandlungen stets mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden. Die Beteiligten müssen sich zunächst die relevanten Informationen verschaffen und sodann über die Konditionen der Zustimmungserteilung, namentlich die Gegenleistung, verhandeln. Zudem können Besitzeffekte dafür sorgen, dass der Gläubiger den Wert seines Zustimmungsrechts zu hoch bewertet und Verhandlungen aus diesem Grund scheitern. Und schließlich kann der Gläubiger versucht sein, seine Hold-up-Position durch strategisches Verhalten zum eigenen Vorteil auszunutzen und hierdurch die Transaktion scheitern zu lassen. Nimmt man hinzu, dass die berechtigten Interessen des Forderungsgläubigers durch weitreichende postventive Sukzessionsschutzvorschriften geschützt werden können, und zwar nicht nur durch besondere Haftungstatbestände, sondern auch durch die Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlage95 sowie das Kündi92 Dazu schon oben § 4 II. 5. c). – Zur Bedeutung der Kontrahentenwahlfreiheit bei der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession vgl. Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 11; Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 422 f.; Kleindiek, ZGR 1992, 513, 518 f.; Rieble, ZIP 1997, 301, 304; Zöllner, FS Claussen, S. 423, 427 Fn. 10; Schröer, FS Maier-Reimer, S. 657, 666 ff.; siehe noch OLG Karlsruhe WM 2001, 1803 ff. 93 Dazu ausf. oben § 4 II. 4. c). 94 Die Argumentation orientiert sich an den Überlegungen zur potenziellen Mitwirkung des Schuldners an der Forderungszession, wie sie oben § 4 II. 4. c) entwickelt ist. 95 Siehe unten § 18 IV. 6. e).
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gungsrecht aus wichtigem Grund96, bestehen gegen einen Verzicht auf das Zustimmungserfordernis keine durchgreifenden Bedenken. d) Keine konstitutive Übernahmeanzeige Davon abgesehen stellt sich noch die Frage, ob die Wirksamkeit der Schuldübernahme zumindest von einer Anzeige an den Gläubiger abhängig gemacht werden soll, wie es beispielsweise in der Spezialvorschrift des § 41 Abs. 2 AktG vorgesehen ist97. Die Frage stellen, heißt sie verneinen98. Denn es gelten hier dieselben Erwägungen wie für das (historische) Anzeigeerfordernis bei der Forderungszession99. Auch eine bloße Anzeige der Schuldübernahme beeinträchtigt die Sicherheit und Leichtigkeit der privativen Schuldübernahme. Abgesehen von rechtsdogmatischen Schwierigkeiten, die eine Anzeige als Wirksamkeitskriterium in das System der Schuldnachfolge hineintragen würde, gewährt sie dem Gläubiger keinerlei materiellen Schutz gegen Beeinträchtigungen der negativen Kontrahentenwahlfreiheit und des Befriedigungsinteresses. Die wahre Bedeutung der Übernahmeanzeige liegt vielmehr darin, den Gläubiger vom Schuldnerwechsel in Kenntnis zu setzen und zu verhindern, dass er in deren Unkenntnis nachteilige Vermögensdispositionen tätigt, die die Durchsetzung der Forderung beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es indes nicht notwendig einer Anzeige gegenüber dem Gläubiger. Vielmehr erscheint eine Vertrauensschutzregelung nach dem Vorbild des § 407 BGB als angemessene Lösung, das überindividuelle Interesse an der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen mit dem berechtigten Sukzessionsschutzinteresse des Gläubigers in Einklang zu bringen. Darauf ist zurückzukommen100. e) Übernahmebeschränkung für höchstpersönliche Verbindlichkeiten Abschließend ist noch auf eine immanente Grenze des hier entwickelten Ansatzes hinzuweisen. Die Schuldübernahme ist immer dann ausgeschlossen, wenn sie eine höchstpersönliche Verbindlichkeit zum Gegenstand hat. Insbesondere, wenn die Übernahme der Verbindlichkeit den Charakter oder Inhalt der Schuldposition änderte, scheidet ein Schuldnerwechsel in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 399 Alt. 1 BGB101 aus. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr, 96
Siehe unten § 18 IV. 6. f). Zu § 41 Abs. 2 AktG und dessen (weitgehender) Gegenstandlosigkeit nach dem modernen Konzept der Vorgesellschaft ausf. K. Schmidt, FS Kraft, S. 573 ff.; Maurer, Schuldübernahme, S. 263 ff. 98 Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 26 I 3 a.E. will de lege ferenda auf das Mitteilungserfordernis des § 415 Abs. 1 S. 2 BGB verzichten; zu einem Verzicht auf die Zustimmung des Gläubigers äußert er sich nicht. 99 Siehe oben § 4 II. 4. a). 100 Siehe unten § 18 IV. 6. c). 101 Zur Bedeutung siehe oben § 4 III. 4. d). 97
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dass sich infolge der Inhaltsänderung entgegen der grundlegenden Wertung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips die Rechtsstellung des Gläubigers verschlechtert (Verschlechterungsverbot). Für die Geltung dieser Bereichsausnahme ist es letztlich ohne Belang, ob eine § 399 Alt. 1 BGB entsprechende Vorschrift für die reformierte Schuldübernahme ausdrücklich normiert wird. Denn jedenfalls ergibt sich der ihr zugrunde liegende Regelungsgedanke aus dem übergreifenden sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip. Danach scheidet der Übergang einer Verbindlichkeit notwendig aus, wenn mit dem Schuldnerwechsel auch eine Änderung des Leistungsinhalts verbunden wäre.
2. Ergänzungsfunktion des Reformvorschlags Der hier unterbreitete Vorschlag versteht sich als eine Ergänzung des geltenden Schuldübernahmerechts in dem Sinne, dass er als dritte Übernahmevariante neben direkte und indirekte Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB tritt. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, die beiden tradierten Gestaltungsmöglichkeiten zu verbieten. Vielmehr besteht ein praktisches Bedürfnis für die herkömmlichen Übernahmevarianten, wenn die Schuldübernahme vom Gläubiger initiiert ist oder wenn es den Beteiligten in besonderem Maße darauf ankommt, den Altgläubiger mit sofortiger Wirkung von seiner Haftung zu befreien. Letzteres wird durch die hier vorgeschlagene Übernahmevariante nämlich nicht gewährleistet, weil sich der Altschuldner in Anlehnung an die spaltungsrechtliche Transferhaftung auch weiterhin einer akzessorischen Mithaftung für die übergeleitete Verbindlichkeit ausgesetzt sieht102. Soll der Altschuldner mit sofortiger Wirkung aus der Haftung entlassen werden, bedarf es der Zustimmung des Gläubigers, die sowohl auf den beiden gesetzlich vorgesehenen Wegen oder auf Grundlage eines dreiseitigen Vertrags zwischen Alt- und Neuschuldner und Gläubiger103 herbeigeführt werden kann.
3. Praktisches Bedürfnis Gegen den hiesigen Reformvorschlag kann auch nicht eingewendet werden, der freien Übertragbarkeit von Verbindlichkeiten komme – namentlich im Vergleich zur Forderungsabtretung104 – keine besondere praktische Bedeutung zu. Dieser Einwand verkennt einerseits, dass die Schuldübernahme in der Wirtschaftspraxis durchaus eine erhebliche Rolle spielt, man denke nur an die Über102
Dazu im Einzelnen unten § 18 IV. 4. Zur Zulässigkeit de lege lata: Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 415 Rn. 1; Rohe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 415 Rn. 4; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 2, § 415 Rn. 1, 35; Schreiber, in: Soergel, BGB, §§ 414, 415 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 35 I a; vgl. noch Ott, in: AK, BGB, §§ 414, 415 Rn. 1. 104 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Forderungszession siehe oben § 4 II. 4. d). 103
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nahme von Darlehensschulden im Rahmen von Grundstückstransaktionen oder Auseinandersetzungen im Erb- und Gesellschaftsrecht105. Andererseits beschränken sich die Auswirkungen des vorgeschlagenen Übernahmetatbestands nicht auf den Schuldnerwechsel. Vielmehr strahlt der Vorschlag auf die Übertragung ganzer Vertragsverhältnisse aus. Soweit das Befriedigungsinteresse des verbleibenden Vertragsteils nur durch ein besonderes Sukzessionsschutzsystem gewährleistet ist, kann auch auf die Zustimmung der verbleibenden Vertragspartei im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme verzichtet werden. Der Anwendungsbereich für die vorgeschlagene Neuregelung ist vor diesem Hintergrund immens. Man denke nur an die Übertragung von Kreditverträgen106, Leasingverträgen, Mietverträgen oder Energieversorgungsverträgen107. Allein der Regelungsgedanke des § 399 Alt. 1 BGB markiert auch in diesem Zusammenhang für höchstpersönliche Vertragsverhältnisse eine (wenn überhaupt) nur durch Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners überwindliche Sukzessionsgrenze.
4. Akzessorische Mithaftung des Altschuldners Verzichtet man im überindividuellen Interesse der Sukzessionsfreiheit auf die obligatorische Mitwirkung des Gläubigers, dann muss dessen individuelles Befriedigungsinteresse durch Spezialvorschriften uneingeschränkt abgesichert werden. Das gesteigerte Niveau der Sukzessionsfreiheit korreliert in diesem Sinne mit erhöhten Sukzessionsschutzstandards. In der Sache wird der bisher präventiv ausgestaltete Gläubigerschutz gegen postventiv wirkende Sukzessionsbestimmungen ausgetauscht. Das alles erweist sich vor dem Hintergrund der allgemeinen Erkenntnisse über die Sukzessionsfreiheit und ihre Grenzen als rechtspolitisch wie rechtsökonomisch sinnvoll. a) Teleologie und Rechtssystematik Die Sicherung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses geht dabei über die Verwirklichung des allgemeinen sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips hinaus. Es steht vollkommen außer Frage, dass die nunmehr dem Übernehmer zugewiesene Verbindlichkeit nach Inhalt und Umfang, Charakter und Ausgestaltung mit der Verbindlichkeit identisch ist, die auch in der Person des Altschuldners bestand108. Indes gewährleistet die rechtliche Identität der Schuldposition 105
Vgl. nur Maurer, Schuldübernahme, S. 1 f. Speziell hierzu Bergjan, ZIP 2012, 1997, 1998: „Da bei der Übertragung der Darlehensverträge dem Darlehensgeber typischerweise eine Vielzahl an Darlehensnehmers gegenüberstehen, die allesamt der Übertragung ihrer Darlehensverträge zustimmen müssen, stellt die Vertragsübernahme bei Massenverträgen in der Praxis regelmäßig ein nicht unerhebliches Problem dar.“ 107 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Vertragsübernahme siehe oben § 4 II. 6. a). 108 Dazu näher unten § 18 IV. 6. a). 106
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noch nicht die faktische Durchsetzbarkeit der Verbindlichkeit gegenüber dem Neuschuldner. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die gegen den Übernehmer gerichtete Forderung nicht ebenso werthaltig ist wie die gegen den Altschuldner gerichtete. Dementsprechend bedarf es der Schaffung einer schuldübernahmerechtlichen Transferhaftung, um den Gläubiger vor einem Werthaltigkeitsverlust seiner Forderung zu schützen. Zu diesem Zweck ist an der spaltungsrechtlichen Transferhaftung des § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG Maß zu nehmen109. Sie ist dergestalt in das bürgerliche Schuldübernahmerecht zu implementieren, dass nach dem Übergang der Verbindlichkeit auf den Neuschuldner der Altschuldner für die Erfüllung der übergeleiteten Verbindlichkeit in akzessorischer Weise haftet. Dabei verfolgt die Transferhaftung unterschiedliche Ziele: Erstens kompensiert sie den Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit des Gläubigers. Zweitens stellt sie sicher, dass das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse durch den Schuldnerwechsel nicht beeinträchtigt wird. Und drittens verhindert die Mithaftung, dass sich der Altschuldner durch Übertragung von Verbindlichkeiten auf vermögenslose Übernehmer zulasten des Gläubigers von seiner Leistungspflicht befreit, und wirkt damit missbräuchlichen Schuldübertragungen entgegen. b) Differenzierung zwischen Hauptschuld und Mithaftung Aus rechtsdogmatischer Perspektive ist – ebenso wie bei der Spaltungshaftung110 – zwischen dem Hauptschuldner (Schuldübernehmer) und dem Mithaftenden (Altschuldner) zu unterscheiden. Der Übernehmer haftet als primärer Forderungsschuldner. Schuldgrund ist die zwischen dem Alt- und Neuschuldner vereinbarte Schuldübernahme. Er muss für die Erfüllung der Verbindlichkeit einstehen, ohne dass ihm eine Enthaftungsmöglichkeit durch Zeitablauf zugutekäme. Den Altschuldner trifft die gesetzlich neu zu schaffende Transferhaftung, die in Anlehnung an § 133 Abs. 3 UmwG auf einen Zeitraum von fünf Jahren zu begrenzen ist. Innerhalb der 5-Jahres-Frist bestehen im Außenverhältnis zum Gläubiger keine signifikanten Unterschiede zwischen der unmittelbaren Übernehmerhaftung und der akzessorischen Mithaftung des Altschuldners. Insbesondere kann der Gläubiger nach freiem Belieben auf beide Schuldner zugreifen. Die Mithaftung des Altschuldners ist insbesondere nicht subsidiär, sondern unmittelbar und gleichrangig zur Hauptschuld auszugestalten. Wäre nämlich der Gläubiger gezwungen, zunächst (erfolglos) gegen den Hauptschuldner vorzugehen, würde seine Rechtsstellung entgegen der Wertung des Identitätsprinzips durch den Schuldnerwechsel faktisch verschlechtert 109 Dazu und zum Folgenden siehe oben § 17 III. 1. a). – J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 185 bezeichnet die Spaltungshaftung gem. § 133 UmwG pointiert als „eine Parabel für ein allgemeines Modell einer Transferhaftung“ und wendet sie auf die Unternehmensfortführung nach §§ 25, 28 HGB an; ebenda S. 185 ff., 203 ff. und passim; dem folgend Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Rn. 23. 110 Siehe oben § 17 III. 1. b).
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und so gegen das sukzessionsrechtliche Verschlechterungsverbot verstoßen. Durch die akzessorische Mithaftung des Altschuldners wird außerdem vermieden, dass sich der Gläubiger im Vorfeld Informationen über die Person des Neugläubigers verschaffen muss. Sämtliche Such-, Informations- und Rechtsbewältigungskosten, die mit einer (vorrangigen) Haftungsdurchsetzung gegen den Übernehmer verbunden wären, sind auf Grundlage einer unmittelbaren Mithaftung des Altschuldners obsolet. Die Bedeutung der Differenzierung zwischen Hauptschuld und Mithaftung beschränkt sich daher auf das Innenverhältnis. Soweit der Altschuldner nämlich durch den Gläubiger in Anspruch genommen wird, kann er vom Übernehmer – in Ermangelung einer abweichenden Vereinbarung – Regress nehmen. Vor der Inanspruchnahme ist dem Altschuldner ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Neuschuldner zuzubilligen. c) Akzessorischer Charakter der Transferhaftung Für das Spaltungsrecht ist sehr umstritten, ob die Mithaftung zur Hauptschuld in einem Gesamtschuldverhältnis steht oder akzessorischer Natur ist111. Diese Streitfrage ist für die Schaffung einer schuldübernahmerechtlichen Transferhaftung von untergeordneter Bedeutung. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber trifft diese Entscheidung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten; und die Interessenlage spricht vorliegend für die Etablierung eines akzessorischen Mithaftungsanspruchs. Für eine einseitige Abhängigkeit der Mithaftung von der Hauptschuld spricht insbesondere der Regelungszweck der Transferhaftung. Die Mithaftung zielt nämlich ausschließlich darauf ab, die Befriedigung der auf den Neuschuldner übergeleiteten Verbindlichkeit abzusichern. Die Anwendung des Akzessorietätsmechanismus stellt in diesem Zusammenhang sicher, dass die Mithaftung des Altschuldners nicht über das zur Sicherung berechtigter Gläubigerinteressen notwendige Maß hinausgeht. Außerdem entspricht es der Wertung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips, dass sich der Mithaftungsanspruch nach Umfang und Ausgestaltung fortwährend an der übernommenen Schuld orientiert. Deshalb muss der Altschuldner auch in der Lage sein, dem Gläubiger analog dem Rechtsgedanken des § 129 HGB im Verhältnis zum Übernehmer bestehende Einwendungen entgegenzuhalten. Eine die Gesamtschuld kennzeichnende Einzelwirkung nach Maßgabe des § 425 BGB wird der Sicherungsfunktion der Mithaftung des Altschuldners hingegen schwerlich gerecht. d) Enthaftungsmöglichkeit des Altschuldners Und schließlich spricht viel dafür, auch bei der privativen Schuldübernahme das Enthaftungsinteresse des Altschuldners analog § 133 Abs. 3 UmwG durch eine 111
Siehe ausf. oben § 17 III. 1. c).
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zeitliche Begrenzung der Transferhaftung auf fünf Jahre zu wahren112. Der Gedanke der Nachhaftungsbegrenzung greift beispielsweise auch für die Haftung ausgeschiedener BGB-Gesellschafter gem. § 736 Abs. 2 BGB iVm. §§ 159, 160 HGB. Das legt es nahe, die akzessorische Mithaftung auch bei der privativen Schuldübernahme zu begrenzen. Da die Wirksamkeit des Schuldnerwechsels auf Grundlage des Reformvorschlags allerdings keiner Registereintragung, sondern ausschließlich der privatautonomen Vereinbarung zwischen Alt- und Neuschuldner bedarf, ist der Beginn des Fristlaufs im Vergleich zu § 133 Abs. 3 UmwG zu modifizieren. Ebenso wie für die Nachhaftungsbegrenzung der BGB-Gesellschafter113 sollte im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes auf den Zeitpunkt abgestellt werden, indem der Gläubiger vom Schuldnerwechsel positive Kenntnis erlangt. Der Altschuldner wird dementsprechend von der Haftung befreit, wenn die übergeleitete Verbindlichkeit erst fünf Jahre nach Kenntniserlangung fällig wird oder der Gläubiger es versäumt, die fällige Leistungspflicht innerhalb der 5-Jahres-Frist durchzusetzen oder eine andere in § 204 BGB genannte Handlung zu ergreifen. Die hier vorgeschlagene zeitliche Begrenzung der Transferhaftung soll die Interessen von Gläubiger und Altschuldner zu einem angemessenen Ausgleich bringen. Innerhalb von fünf Jahren wird sich regelmäßig Gewissheit darüber erzielen lassen, ob die Forderung gegen den Übernehmer durchsetzbar ist oder nicht. Erst die Nachhaftungsbegrenzung sorgt im Übrigen für einen kompletten wirtschaftlichen Übergang der Schuldposition vom Alt- auf den Neuschuldner. Nach Fristablauf kann sich der Altschuldner darauf verlassen, für die übergeleitete Verbindlichkeit nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das sorgt für Rechts- und Planungssicherheit und sorgt für einen angemessenen Ausgleich zwischen Sukzessionsfreiheit und Gläubigerschutz.
5. Anspruch auf Sicherheitsleistung Ergänzt wird das Gläubigerschutzsystem des reformierten Schuldübernahmerechts durch einen Anspruch auf Sicherheitsleistung in Entsprechung zu § 133 Abs. 1 S. 2 iVm. §§ 125, 22 UmwG. a) Sicherungsanspruch des Forderungsgläubigers Der Gedanke, den Sicherungsanspruch außerhalb des Umwandlungsrechts fruchtbar zu machen, ist nicht neu. So wird beispielsweise eine entsprechende Anwendung des § 22 UmwG zum Schutz von Altgläubigern bei der handels112
Die nachfolgenden Überlegungen orientieren sich an den Ausführungen oben § 17 III. 1. d). BGH NJW 2007, 3784; OLG Dresden NJW-RR 1997, 162, 163; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 736 Rn. 18; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 736 Rn. 23; C. Schäfer, in: MünchKommBGB, § 736 Rn. 27; Sprau, in: Palandt, BGB, § 736 Rn. 14. 113
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rechtlichen Unternehmensfortführung in Ergänzung des § 26 HGB befürwortet114. Angesichts der zeitlichen Begrenztheit der nach dem Modell des § 133 UmwG befürworteten Transferhaftung bedürfen die Interessen des Gläubigers in Anlehnung an § 133 Abs. 1 S. 2 iVm. §§ 125, 22 UmwG eines ergänzenden Schutzes durch Gewährleistung eines Anspruchs auf Sicherheitsleistung, soweit der Schuldnerwechsel die Erfüllung einer noch nicht fälligen Forderung gefährdet115. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung dient demnach der flankierenden Absicherung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses für den Fall, dass der akzessorische Mithaftungsanspruch gegen den Altschuldner berechtigte Gläubigerinteressen nicht in hinreichendem Maße abzusichern geeignet ist. In der Sache begegnet der Sicherungsanspruch dem Risiko, dass durch die Schuldübernahme Gläubigerinteressen dadurch beeinträchtigt werden, dass sich die Vermögenslage des Übernehmers bis zur Fälligkeit des Leistungsanspruchs nachteilig verändert116. Wenn der Gläubiger einer noch nicht fälligen Forderung schon gegen seinen Willen eine Schuldübernahme akzeptieren muss, ist es nur konsequent, sein Befriedigungsinteresse durch einen – ergänzenden – Anspruch auf Sicherheitsleistung zu schützen. Die Voraussetzungen für das Sicherheitsverlangen sollten sich an den Vorgaben des § 22 UmwG orientieren117. Der Forderungsgläubiger muss danach eine konkrete Gefährdung seines noch nicht fälligen Anspruchs geltend machen können, die über die Tatsache des bloßen Schuldnerwechsels hinausgeht. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang namentlich die Solvenz des Übernehmers. Es ist auch der Übernehmer, gegen den sich der Sicherungsanspruch richtet. Art und Weise der Sicherheitsleistung bestimmen sich nach Maßgabe der §§ 232 ff. BGB. Maßgeblich für die Höhe der Sicherheitsleistung ist zum einen die wirtschaftliche Lage des Übernehmers; zum anderen ist danach zu fragen, inwiefern der Schuldnerwechsel zur Gefährdung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses führt. Zu korrigieren ist allerdings wiederum der Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn. Der Fristablauf kann mangels Registereintragung der Schuldübernahme nicht an diesen Umstand anknüpfen. Stattdessen sollte im Interesse effektiven Gläubigerschutzes die 6-Monats-Frist erst mit positiver Kenntnis des Gläubigers vom Schuldnerwechsel zu laufen beginnen. Davon abgesehen erscheint die aus § 22 Abs. 1 S. 1 UmwG bekannte Ausschlussfrist, um die Befriedigungsaussichten der noch nicht fälligen Forderung zu verifizieren, auch in einem bürgerlichrechtlichen Umfeld angemessen. Insgesamt werden durch die modifizierte 114 Auf der Basis unterschiedlicher Ausgangspunkte siehe Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 49 ff. einerseits und J. W. Flume, Vermögenstransfer, S. 204 andererseits; erwägend auch Lieb, in: MünchKommHGB, 2. Aufl., § 26 Rn. 5a; vgl. weiter K. Schmidt/Schneider, BB 2003, 1961, 1966; K. Schmidt, FS Krejci I, S. 325, 332 Fn. 26. 115 Vgl. zur Berücksichtigung dieser Gefahr Maier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 121; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 92. 116 Zur Teleologie des Anspruchs auf Sicherheitsleistung siehe oben § 17 III. 2. 117 Dazu und zum Folgenden siehe nochmals § 17 III. 2.
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Übernahme des Anspruchs auf Sicherheitsleistung das Befriedigungsinteresse des Gläubigers und das Interesse des Schuldübernehmers an einer zügigen Klärung der Rechtsverhältnisse zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. b) Kein Sicherheitsanspruch der Altgläubiger des Übernehmers Der Sicherungsanspruch ist allerdings auf den von der Schuldübernahme betroffenen Gläubiger beschränkt. Eine darüber hinausgehende Sicherheitsleistung für die Altgläubiger des Schuldübernehmers kommt nicht in Betracht. Darin liegt eine signifikante Abweichung zur gegenständlichen Reichweite des § 22 UmwG, dessen Schutzwirkungen auch den Altgläubigern des übernehmenden Rechtsträgers zuteilwerden118. Diese Besonderheit der universalsukzessiven Umwandlung ist auf die privative Schuldübernahme nicht zu übertragen: Das Umwandlungsrecht gewährt auch den Altgläubigern des übernehmenden Rechtsträgers einen Sicherungsanspruch, weil Umwandlungsmaßnahmen typischerweise zu einer nachhaltigen Veränderung der Vermögens- und Haftungssituation des übernehmenden Rechtsträgers führen. Besondere Risiken sind vor allem mit umwandlungsrechtlichen Transaktionen verbunden, die zu Sanierungszwecken durchgeführt werden und hierbei ein überschuldetes Unternehmen auf den Übernehmer übertragen. Dieser besonderen Gefahrenlage, die in systematischer Hinsicht dem spezifischen Charakter der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession geschuldet ist, trägt der erweiterte Anwendungsbereich des Sicherungsanspruchs Rechnung. Eine vergleichbare Gefahr ist mit der privativen Einzelübertragung typischerweise nicht verbunden. Zwar können die Interessen des Altgläubigers durch Übernahme einer einzelnen sehr umfangreichen Verbindlichkeit ebenso tangiert sein wie durch eine umwandlungsrechtliche Gesamtnachfolge. Dieses Szenario bildet indes nicht den praktischen Regelfall und kann daher auch nicht als Leitbild für den Entwurf eines neuen Schuldübernahmerechts dienen. Davon abgesehen sind auch nach bisher geltendem Schuldübernahmerecht die Interessen der Altgläubiger des Schuldübernehmers gem. §§ 414 ff. BGB nicht durch Sicherheitsansprüche geschützt. Die Altgläubiger müssen die Übernahme einer bestimmten Schuld seit jeher hinnehmen, ohne vom Schuldübernehmer Sicherheitsleistung verlangen zu können. Dass es in dieser Beziehung in der Wirtschaftspraxis bis heute zu Missbrauch oder auch nur zu Schwierigkeiten gekommen wäre, ist im Schrifttum nicht nachweisbar. Grund dafür dürfte sein, dass der Übernehmer die Schuld typischerweise nicht unentgeltlich vom Altschuldner übernimmt, sondern sich dafür bezahlen lässt bzw. denselben zumindest im Regresswege auf Ausgleich in Anspruch nehmen kann, so dass sich 118 Vgl. nur Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 22 Rn. 2; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 22 Rn. 4; Maier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 1, 6; Simon, in: KK, UmwG, § 22 Rn. 1 f.
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das Ausfallrisiko für den bisherigen Gläubiger des Schuldübernehmers durchaus in Grenzen halten wird. Überhaupt kennt das allgemeine Bürgerliche Recht keinen besonderen Schutz der Gläubiger gegen die Begründung zusätzlicher Verbindlichkeiten durch den Forderungsschuldner. Geschützt werden die Interessen der Altgläubiger ausschließlich durch die Spezialvorschriften des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts. An der Interessenlage der Beteiligten ändert sich auch nichts durch den Verzicht auf die gläubigerseitige Zustimmung zur Schuldübernahme. Jedenfalls können die Altgläubiger die Schuldübernahme nicht aus eigener Machtvollkommenheit verhindern und dabei sollte es nach den Wertungen der Sukzessionsfreiheit auch bleiben.
6. Zivilrechtlicher Sukzessionsschutz Die Haftungs- und Sicherungsansprüche werden flankiert durch eine ergänzende Anwendung des allgemeinen abtretungs- und schuldübernahmerechtlichen Sukzessionsschutzes119. Entschließt man sich zur gesetzlichen Implementierung des hier entwickelten Regelungsvorschlags, muss der allgemeine zivilrechtliche Sukzessionsschutz nicht notwendig im Schuldübernahmerecht gesondert kodifiziert werden. Auch ohne Änderungen des geschriebenen Rechts kommen namentlich das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip (a), die Lehre von der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB (e) und das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB (f) zur Anwendung. Sinnvoll erscheint eine Kodifikation indes dort, wo das geltende Schuldübernahmerecht bisher abweichende Regelungen trifft, wie etwa beim Fortbestand akzessorischer Nebenrechte gem. § 418 BGB (b), und wo die Anwendung ergänzender Grundsätze in Rechtsprechung und Literatur bisher umstritten ist, wie namentlich für die analoge Anwendung der zessionsrechtlichen Schuldnerschutzvorschriften (c, d). Allen diesen Instrumenten ist gemeinsam, dass sie im Interesse einer möglichst umfassenden Verwirklichung der Sukzessionsfreiheit den Schuldübergang nicht präventiv verhindern, sondern – im Interesse der Gegenpartei – ausschließlich postventiv wirkende Konsequenzen aus dem Schuldtransfer ziehen. a) Identität und Kontinuität der Rechtsposition des Gläubigers Nach Maßgabe des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips lässt die Schuldübernahme, auch und gerade wenn sie ohne die Mitwirkung des Gläubigers erfolgt ist, die Rechtsstellung des Forderungsgläubigers dem Grunde nach unberührt120. Die gläubigerseitige Rechtsposition darf sich durch die Schuldübernahme weder verschlechtern (Verschlechterungsverbot) noch verbessern (Ver119 120
Dazu ausf. oben § 15 IV. und § 17 IV. 2. Dazu und zum Folgenden siehe schon oben § 15 IV. 1.
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besserungsverbot). Dementsprechend gleicht die Forderung nach dem Schuldnerwechsel nach Inhalt und Umfang, Charakter und Ausgestaltung dem bisher gegen den Altschuldner gerichteten Leistungsanspruch. Identisch sind aber nicht allein die Primärleistungspflichten, sondern auch etwaige Annexpflichten und Gestaltungsrechte. Die Wertung des Identitätsprinzips schützt den Forderungsgläubiger folglich effektiv gegen schuldübernahmebedingte Beeinträchtigungen seiner Rechtsstellung. Umgekehrt darf der Gläubiger aber auch keine unberechtigten Vorteile aus dem Schuldnerwechsel ziehen. Deshalb bleiben dem Übernehmer sämtliche Einwendungen und Einreden nach Maßgabe des § 417 Abs. 1 S. 1 BGB erhalten, die in der Person des Altschuldners bereits begründet waren121. Legislatorischer Handlungsbedarf besteht in diesem Zusammenhang nicht. b) Fortbestand akzessorischer Nebenrechte Anderes gilt für die Behandlung akzessorischer Neben-, Vorzugs- und Sicherungsrechte in Parallele zur umwandlungsrechtlichen Universalsukzession122. Im Interesse des Sicherungsgebers ordnet § 418 Abs. 1 BGB für das geltende Recht dem Grunde nach das Erlöschen akzessorischer Nebenrechte an. Da sich durch die Übertragung der Schuld auf einen unbekannten Dritten das Ausfallrisiko des Sicherungsgebers verändern kann und der Gläubiger diese Änderung mittels Zustimmungserteilung gem. §§ 414, 415 BGB willentlich herbeigeführt hat, kann der Gläubiger nicht verlangen, dass ihm das für den Altschuldner eingeräumte Sicherungsrecht auch für den neuen Schuldner zugutekomme. Dieser Regelungszweck erweist sich indes nicht länger als tragfähig, wenn sowohl auf die Zustimmung des Gläubigers verzichtet wird als auch die Risikoexposition des Sicherungsgebers infolge der akzessorischen Mithaftung des Altschuldners grundsätzlich unverändert bleibt. Der Gläubiger wird durch die schuldübernahmerechtliche Transferhaftung des Altschuldners haftungsrechtlich genauso gestellt, als wenn es niemals zu einem Schuldnerwechsel gekommen wäre. Hieran partizipiert auch der Sicherungsgeber, da das Ausfallrisiko grundsätzlich unverändert bleibt. Der Sicherungsgeber trägt auch weiterhin ausschließlich das Nichtleistungsrisiko des bisherigen Schuldners und erlangt aus der Schuldübernahme sogar noch den Vorteil, dass sich das Ausfallrisiko durch die Haftung des Neuschuldners typischerweise minimiert. Aus diesem Grund ist – in Anlehnung an den Regelungsgedanken des § 156 S. 2 UmwG123 – bei der Umsetzung des hier vorgeschlagenen Schuldübernahmekonzepts die Anwendung des § 418 Abs. 1 BGB auszuschließen.
121 122 123
Für Einzelheiten siehe oben § 15 IV. 2. Dazu und zum Folgenden siehe oben § 17 II. 2. Siehe noch Rieble, in: Staudinger, BGB, § 418 Rn. 5.
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c) Gläubigerschutz bei Unkenntnis der Schuldübernahme Verzichtet man auf die obligatorische Beteiligung des Gläubigers an der Schuldübernahme, dann besteht das Risiko, dass der Gläubiger in Unkenntnis der Schuldübernahme nachteilige Dispositionen trifft, beispielsweise eine Fristsetzung (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB) oder Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) an den Altschuldner richtet und hierdurch handfeste Vermögenseinbußen erleidet. Auf Basis der lex lata besteht regelmäßig keine vergleichbare Risikolage, da der Gläubiger infolge des Zustimmungsvorbehalts regelmäßig positive Kenntnis vom Schuldübergang erlangt. Nur wenn der Gläubiger bereits bei Begründung des Schuldverhältnisses seine Einwilligung zur späteren Übernahme erteilt hat, kann ein vergleichbares Risiko auftreten. Für diesen Fall124 und für die – ebenfalls ohne Zustimmung des Gläubigers wirksame – Schuldübernahme kraft Universalsukzession125 ist bereits die analoge Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB befürwortet worden. Das muss im Ergebnis auch für eine zustimmungsfreie privative Schuldübernahme gelten, denn die Interessen des Gläubigers sind beim unerkannt gebliebenen Schuldnerwechsel nicht weniger schutzwürdig als die Interessen des Schuldners bei einem unerkannt gebliebenen Gläubigerwechsel. Die Anwendung der Vorschrift gewährleistet, dass sich die Rechtsstellung des Forderungsgläubigers durch den Schuldnerwechsel nicht verschlechtert (Verschlechterungsverbot) und er in der Folge auf den unveränderten Fortbestand der Leistungspflicht des Altschuldners vertrauen darf. Das alles spricht für die Übertragung des § 407 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedankens auf die Schuldübernahme. Da die Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB im Umwandlungsrecht durchaus umstritten ist126, sollte die Anwendbarkeit des § 407 Abs. 1 BGB im Rahmen des hier entwickelten Reformvorschlags ausdrücklich normiert werden. d) Gläubigerschutz bei angezeigter Schuldübernahme Gleichermaßen sollte bei Umsetzung des Vorschlags auch der Regelungsgedanke des § 409 BGB kodifiziert und der an der Schuldübernahme nicht obligatorisch beteiligte Gläubiger vor einer unrichtigen Übernahmeanzeige geschützt werden. Dieser Regulierungsvorschlag ist allerdings nicht allein durch den hier befürworteten Verzicht auf das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis bedingt. Vielmehr existiert das allgemeine Problem, dass sich eine Schuldübernahme im Nachhinein als unwirksam herausstellen kann. Darüber hinaus ergibt sich für den nicht zustimmungsberechtigten Gläubiger das zusätzliche Risiko, dass eine zu seiner Kenntnis gebrachte Übernahmeanzeige unrichtig ist. Für die Schuldübernahme nach Maßgabe des § 415 BGB127 sowie den Schuldnerwechsel 124 125 126 127
Siehe oben § 15 IV. 3. Siehe oben § 17 IV. 2. a). Siehe oben § 17 IV. Siehe oben § 15 IV. 4.
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infolge Universalsukzession128 ist bereits auf Grundlage des geltenden Rechts die analoge Anwendung des § 409 BGB befürwortet worden. Unter diesen Umständen ist es nur konsequent, die Vorschrift auch auf die ohne Gläubigerbeteiligung durchgeführte Schuldübernahme zu übertragen. Hierfür spricht auch ein Vergleich zur Interessenlage bei der Forderungszession129: Wenn sich der Schuldner bei Anzeige der Abtretung nach Maßgabe des § 409 BGB auf deren Wirksamkeit verlassen darf, dann erscheint es aufgrund der strukturellen Übereinstimmung der beiden Sukzessionsformen, die einander durch den hiesigen Reformvorschlag noch weiter angenähert werden, nur folgerichtig auch dem Gläubiger bei der privativen Schuldübernahme einen vergleichbaren Vertrauensschutz zu gewährleisten. Ebenso wie der Schuldner nach erfolgter Abtretungsanzeige darauf vertrauen darf, dass er mit befreiender Wirkung an den (Schein-)Zessionar leisten kann und ihm hierdurch dessen Insolvenzrisiko abgenommen wird, besteht bei der (unwirksamen) Schuldübernahme das in jeder Hinsicht strukturell vergleichbare Risiko, dass er eine zeitnahe Rechtsdurchsetzung gegen den Altschuldner unterlässt und die Forderung allein gegen den (Schein-)Übernehmer durchzusetzen sucht. Dementsprechend würde die Rechtsstellung des Gläubigers ohne die Anerkennung des § 409 BGB zugrunde liegenden Regelungsgedankens in systemwidriger Weise geschwächt und zugleich gegen die Wertungen des sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbots verstoßen. Da die analoge Anwendung des § 409 BGB auf das geltende Schuldübernahmerecht sowie die umwandlungsrechtliche Universalsukzession indes keineswegs unstreitig ist, sollte der Vertrauensschutz des Gläubigers bei angezeigter Schuldübernahme ausdrücklich kodifiziert werden. Hierbei ist sicherzustellen, dass nur die vom (vermeintlichen) Schuldübernehmer abgegebene Übernahmeanzeige vertrauensschützende Wirkungen auslöst, weil nur der Übernehmer aus der Transaktion einen Vermögensnachteil erleidet. Der Gläubiger darf in diesem Fall darauf vertrauen, dass der Übernehmer die Anzeige nur abgeben wird, wenn es tatsächlich zu einer (wirksamen) Schuldübernahme gekommen ist. Auf die Anzeige des Altschuldners darf sich der Gläubiger hingegen nicht verlassen, weil seine Anzeige gerade nicht geeignet ist, ein besonderes Vertrauen in den Schuldnerwechsel auszulösen. e) Störung der Geschäftsgrundlage Daneben entfaltet weiterhin die Lehre von der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB sukzessionsschützende Wirkung zugunsten des Forderungsgläubigers. In diesem Zusammenhang gilt das zum Schuldnerwechsel aufgrund umwandlungsrechtlicher Universalsukzession Gesagte entsprechend130: Praktische Bedeutung kommt § 313 BGB insbesondere mit Blick auf die Vertragsübernahme 128 129 130
Siehe oben § 17 IV. 2. b). Dazu siehe schon oben § 15 IV. 4. Siehe oben § 17 IV. 3.
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
ohne Mitwirkung des verbleibenden Vertragsteils zu. Ob jener unter Hinweis auf eine Störung der Geschäftsgrundlage die Anpassung des bzw. den Rücktritt vom Vertrag verlangen kann, ist stets im Rahmen einer Gesamtabwägung unter Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu entscheiden. Dabei bildet der Grundsatz pacta sunt servanda den maßgeblichen Ausgangspunkt der einzelfallgeleiteten Abwägungsentscheidung. In die Abwägung einzubeziehen sind namentlich die Spezifika des jeweiligen Vertragsverhältnisses, das geltende dispositive Gesetzesrecht sowie die Interessenlage und Risikoverteilung der Vertragsparteien untereinander. Nur aufgrund der Vertragsübernahme als solcher kann jedenfalls regelmäßig keine Vertragsanpassung bzw. kein Rücktritt verlangt werden; § 313 BGB ist ultima ratio. f) Kündigung aus wichtigem Grund Zur Absicherung des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses ist ein Anspruch gegen den nachhaftenden Altschuldner ein wirksames Mittel. Das gilt insbesondere für den Fall, dass sich die übergeleitete Schuld auf einen einzigen Leistungsakt beschränkt. Sind hingegen Dauerschuldverhältnisse oder Sukzessivlieferverträge ohne Zustimmung des verbleibenden Vertragsteils übertragen worden, kann eine dauerhafte Bindung für die Vertragspartei mit unerträglichen Härten verbunden sein. Zur Lösung dieses Spannungsverhältnisses und insbesondere zur Kompensation des Eingriffs in die Kontrahentenwahlfreiheit eröffnet § 314 BGB bereits nach geltendem Recht die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung von Vertragsverhältnissen. Allerdings kann – ebenso wie beim universalsukzessiven Schuldübergang131 – nicht allein aus dem Umstand des Vertragsübergangs als solchem ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund hergeleitet werden. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich der Vertragspartnerwechsel dergestalt auf die Interessenlage der Gegenpartei auswirkt, dass ihr „unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann“ (§ 314 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Kündigungsrecht ist deshalb – ebenso wie Vertragsanpassung oder Rücktritt nach Maßgabe des § 313 BGB132 – ultima ratio und verlangt insofern einen schwerwiegenden Grund. Dieser kann beispielsweise in der mangelnden Sachkunde oder Bonität, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit oder Kapitalausstattung des Vertragsübernehmers liegen. Zudem sind im Rahmen der einzelfallbezogenen Abwägung die akzessorische Mithaftung des Altschuldners in Anlehnung an § 133 UmwG sowie ein etwaiger Anspruch auf Sicherungsleistung nach dem Modell des § 22 UmwG zu berücksichtigen. Nur wenn sich ein solcher Anspruch als ungenügender Schutz der Gläubigerinteressen erweist, kommt eine außerordentliche 131 132
Siehe oben § 17 IV. 4. Siehe oben § 18 IV. 6. e).
IV. Fortbildung des bürgerlichen Schuldübernahmerechts
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Kündigung in Betracht. Gleichermaßen kann der Gläubiger kündigen, wenn der neue Vertragspartner die Sicherheitsleistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt.
7. Folgerungen für die Vertragsübernahme Der zur privativen Schuldübernahme entwickelte Reformvorschlag – Schuldnerwechsel ohne obligatorische Gläubigerbeteiligung – entfaltet Ausstrahlungswirkung auf die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme. Sie sollte in Anlehnung an die entworfenen Regelungen ebenfalls unter Dispensierung vom Zustimmungserfordernis des verbleibenden Vertragsteils ermöglicht werden. Dafür streitet das Prinzip der Sukzessionsfreiheit, wie es auch auf die Vertragsübernahme zur Anwendung gelangt133. Das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse134 und das Prinzip der freien Kontrahentenwahl135 stehen einem Zustimmungsdispens nicht entgegen, solange nur die für die Schuldübernahme entwickelten Sukzessionsschutzmechanismen auf die Vertragsübernahme übertragen werden. Das gilt namentlich für die akzessorische Mithaftung des ausgeschiedenen Vertragspartners136 und den Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen den Vertragsübernehmer137. Hinzu treten die bekannten zivilrechtlichen Sukzessionsschutzinstrumente, die sich am abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzsystem und am schuldübernahmerechtlichen Gläubigerschutzsystem orientieren, sowie die Lehre von der Geschäftsgrundlage und die Kündigung aus wichtigem Grund138. Die letztgenannten Lösungsrechte sind bei der Vertragsübernahme von besonderer Bedeutung, weil der Vertragspartnerwechsel, namentlich bei Dauerschuldverhältnissen und Sukzessivlieferverträgen, für den verbleibenden Vertragspartner mit unerträglichen Härten verbunden sein kann, die aus der Person des Eintretenden resultieren. Davon abgesehen ist die freie Übertragbarkeit ganzer Vertragsverhältnisse nach dem Regelungsgedanken des § 399 Alt. 1 BGB bei höchstpersönlichen Vertragspositionen von vornherein ausgeschlossen139. Im Übrigen ist der Verzicht auf die Beteiligung des verbleibenden Vertragspartners auch bei der Vertragsübernahme als Ergänzung zum bisherigen System gedacht140. Den Beteiligten steht es auch weiterhin frei, die Vertragsübernahme durch eine qualifiziert-zweiseitige Vereinbarung mit Zustimmung des verbleibenden Vertragsteils oder im Wege eines dreiseitigen Übernahmever133
Siehe oben § 4 II. 6. Siehe oben § 18 IV. 1. b). 135 Siehe oben § 18 IV. 1. c). 136 Siehe oben § 18 IV. 4. 137 Siehe oben § 18 IV. 5. 138 Siehe oben § 18 IV. 6. sowie § 15 V.; dort insbesondere auch zur abtretungsrechtlichen Komponente. 139 Siehe oben § 18 IV. 1. e). 140 Siehe oben § 18 IV. 2. 134
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
trags zu bewerkstelligen141. Das praktische Bedürfnis für eine zustimmungsfreie Vertragsübernahme ist immens142. Die Zulassung einer rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme unter Verzicht auf die Zustimmung des verbleibenden Vertragsteils muss nach hiesiger Auffassung nicht notwendig kodifiziert werden, soweit nur der zur Schuldübernahme entwickelte Vorschlag in gesetzliche Form gegossen wird. Die Wertungen des reformierten Schuldübernahmerechts würden dann auf die Vertragsübernahme mit der hier intendierten Wirkung ausstrahlen. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, erscheint es im Ergebnis dennoch vorzugswürdig, gleichsam als Minimallösung für die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme – idealerweise im derzeit nicht belegten § 419 BGB – eine knappe, inhaltlich nicht zu starre Verweisung auf die Vorschriften und Grundsätze des Zessions- und Schuldübernahmerechts ins Gesetz aufzunehmen. Wie diese Verweisung aussehen könnte, zeigt Art. III.-5:302 DCFR, der eine einheitliche Übertragung von Vertragsverhältnissen nach den Regeln der Forderungsabtretung und Schuldübernahme zulässt143.
V. Zusammenfassung Für die Tatbestände der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession gilt das Numerus-clausus-Prinzip. Nur ein gesetzlicher Spezialtatbestand vermag den Übergang einer Vermögensmehrheit als Ganzes auszulösen. Außerhalb der gesetzlichen Gesamtnachfolgetatbestände ist es den Beteiligten verwehrt, sich rechtsgeschäftlich auf die Anwendung des universalsukzessiven Übertragungsmodus zu verständigen. Eine besondere Ausformung hat das Numerus-clausus-Prinzip für die umwandlungsrechtliche Universalsukzession erfahren. Dort schlägt sich die Typenlimitierung nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 UmwG in der Begrenzung der Umwandlungsarten sowie der umwandlungsfähigen Rechtsträger nieder. Der nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 UmwG gewährleistete Grundsatz der Typenfixierung gewährleistet die Einhaltung der einfachgesetzlich ausgeformten Sukzessionstatbeständen und Sukzessionsschutzbestimmungen. Schon mit Blick auf den Typenzwang muss eine grundlegende Neuinterpretation der §§ 25, 28 HGB im Sinne einer partiellen Gesamtnachfolge zweifelhaft erscheinen. De lege lata ist dieser Ansatz weder mit den Wertungen des bürgerlichen Schuldübernahmerechts noch mit den Regelungszielen der §§ 25, 28 HGB in Einklang zu bringen. De lege ferenda scheitert eine Fortbildung der Vorschriften zu einem allgemeingültigen Gesamtnachfolgetatbestand an den engen personellen und gegenständlichen Grenzen ihres Anwendungsbereichs. 141 142 143
Siehe oben § 4 II. 6. c). Siehe oben § 18 IV. 3. Dazu ausf. unten § 26 II.
V. Zusammenfassung
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Zudem fehlt es an einem tauglichen Bestandssicherungssystem. Eine Lösung des Gesamtnachfolgeproblems ist nicht im Handelsrecht, sondern im Bürgerlichen Recht zu suchen. Die Schaffung eines genuin bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands ist angesichts der strukturellen Gemeinsamkeiten der rechtsgeschäftlichen Einzel- und Gesamtnachfolge rechtskonstruktiv möglich und ließe sich auch in dogmatischer Hinsicht in das Gesamtsystem des materiellen Sukzessionsrechts implementieren. Allerdings gelten für die bürgerlichrechtliche Universalsukzession einige Besonderheiten: Erstens bedarf der Gesamtnachfolgevertrag der notariellen Beurkundung. Zweitens muss für die Absicherung des universalsukzessiven Rechtsübergangs ein besonderes Bestandsschutzsystem in Form eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgeregisters geschaffen werden. Und drittens ist das Prinzip der sukzessionsrechtlichen Bestimmtheit zu wahren. Auch wenn der Gesamtnachfolgetatbestand geschaffen werden könnte, sollte gleichwohl von dieser Regelungsoption abgesehen werden. Denn zum einen mangelt es an einem handfesten praktischen Bedürfnis. Namentlich die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des unternehmerischen Bereichs lassen sich besser durch eine erweiternde Auslegung des Umwandlungsgesetzes oder eine punktuelle Erweiterung dessen Anwendungsbereichs bewerkstelligen. Davon abgesehen wäre die Schaffung des Gesamtnachfolgetatbestands mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Hohe Transaktionskosten gingen insbesondere mit der Etablierung eines bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgeregisters nebst Registerverfahren einher. Im Gegenzug fallen auch die Vorteile des universalsukzessiven Übertragungsmodus aufgrund der strukturellen Gemeinsamkeiten von Einzel- und Gesamtnachfolge nur gering aus. Dafür sorgt etwa die Geltung des sukzessionsrechtlichen Bestimmtheitsprinzips. Echte Vorteile bietet die Gesamtnachfolge lediglich für den Übergang schuldrechtlicher Vermögenspositionen: Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnisse können ohne Zustimmung der Gegenpartei übertragen werden; zudem sind Verfügungsbeschränkungen weitgehend unbeachtlich. Ein tauglicher Reformvorschlag muss daher auf der Ebene der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession ansetzen. Zu diesem Zweck wird ein neuartiger Vorschlag zur gesetzlichen Ergänzung des bürgerlichen Schuld- und Vertragsübernahmerechts unterbreitet. Neben §§ 414, 415 BGB ist eine dritte Variante der privativen Schuldübernahme zu kodifizieren, die ohne Zustimmung des Gläubigers wirksam ist. Hierbei handelt es sich um eine Ergänzung des geltenden Rechts, für die in der Praxis namentlich mit Blick auf die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme ein erhebliches Bedürfnis besteht. Einmal mehr legitimiert das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit den Dispens vom gläubigerseitigen Zustimmungserfordernis. Der Reformvorschlag gewährleistet weiterhin einen strukturellen Gleichlauf von Schuldübernahme- und Zessionsrecht und leistet hiermit einen wertvollen Beitrag zur wertungs- und strukturkohärenten Fortbildung des gesamten Sukzessionsrechts. In der Sache erhöht die vorgeschlagene Übernahmevariante die Zirkulationsfähig-
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§ 18 Fortbildung des materiellen Sukzessionsrechts
keit von Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnissen und dient in diesem Sinne dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse sowie die Kontrahentenwahlfreiheit des Gläubigers werden im Rahmen des Reformkonzepts nicht länger präventiv durch das Zustimmungserfordernis geschützt, sondern durch postventiv wirksame Sukzessionsschutzvorschriften. Eine immanente Grenze des hiesigen Vorschlags ergibt sich für höchstpersönliche Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnisse, deren Übertragbarkeit nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen ist. Zum Schutz des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses ist in Anlehnung an die spaltungsrechtliche Transferhaftung gem. § 133 UmwG eine akzessorische Mithaftung des Altschuldners zu etablieren. Sie wird begrenzt durch eine Enthaftungsmöglichkeit nach fünf Jahren seit Kenntniserlangung vom Schuldnerwechsel. Darüber hinaus sollte dem Gläubiger nach Maßgabe des § 22 UmwG ein Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen den Schuldübernehmer zugebilligt werden. Eines entsprechenden Sicherungsanspruchs der Altgläubiger des Übernehmers bedarf es hingegen nicht. Die Haftungs- und Sicherungsansprüche werden flankiert durch eine ergänzende Anwendung zivilrechtlichen Sukzessionsschutzes. Ohne gesetzliche Änderungen gelangen zur Anwendung (1.) das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip nebst Verschlechterungsverbot, (2.) die Lehre von der Geschäftsgrundlage und (3.) das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Legislatorischer Handlungsbedarf besteht in den folgenden Fällen: Erstens ist der Fortbestand akzessorischer Nebenrechte – entgegen § 418 Abs. 1 BGB – anzuordnen. Zweitens ist der § 407 BGB zugrunde liegende Regelungsgedanke bezogen auf den Gläubigerschutz bei Unkenntnis der Schuldübernahme gesetzlich zu verankern. Und drittens ist in Anlehnung an die Regelungsidee des § 409 BGB der Forderungsgläubiger bei angezeigter Schuldübernahme zu schützen. Schließlich ist dieser Regelungsvorschlag in seiner Gesamtheit noch durch eine inhaltlich nicht zu starr ausgestaltete Verweisung auf die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme zu übertragen.
3. Teil
Zivilprozessuale Implikationen der Sukzession Bisher stand die Sukzession nach materiellem Recht in allen ihren Schattierungen im Mittelpunkt der Untersuchung. Im vorliegenden dritten Teil der Arbeit wird der Forschungsgegenstand auf das Zivilprozessrecht ausgedehnt. Von Interesse sind die maßgeblichen zivilprozessualen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Singular- und Universalsukzession. Bei der Analyse des Sukzessionsprozessrechts werden sich zahlreiche Parallelen zum materiellen Sukzessionsrecht zeigen. So gilt auch im Zivilprozess der Grundsatz der ungehinderten Übertragbarkeit von Vermögenspositionen (Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit). Im Gegenzug werden die berechtigten Interessen der gegnerischen Prozesspartei durch postventiv wirkende Sukzessionsschutzbestimmungen geschützt (Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes). Das Gesamtsystem zivilprozessualen Sukzessionsschutzes besteht im Wesentlichen aus drei Säulen: Erste Säule ist die Fortführung des Zivilprozesses mit dem Rechtsvorgänger als Prozessstandschafter gem. § 265 Abs. 2 ZPO (§ 19). Die zweite Säule bildet die grundsätzliche Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger gem. § 325 ZPO (§ 20). Und gleichsam als dritte Säule kann gem. § 727 ZPO für und gegen den nach § 325 ZPO gebundenen Nachfolger eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt und gegen ihn vollstreckt werden (§ 21).
§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands Mit der Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands verbundene Rechtsfragen waren schon mehrfach Gegenstand grundlegender wissenschaftlicher Untersuchungen1. Dementsprechend sind zahlreiche Grund- und Einzelfragen inzwischen geklärt. Die eher technischen Fragen des prozessualen Anwendungsbereichs2 des § 265 ZPO sowie Einzelheiten zum Begriff der Streitbefangenheit3 können daher getrost auf sich beruhen. Auf der anderen Seite mangelt es bis heute an einer integrierten Theorie des Sukzessionsprozessrechts, welche die für das materielle Sukzessionsrecht entwickelten Struktur- und Wertungsprinzipien an das Zivilprozessrecht heranträgt. Eine solche zivilprozessuale Lehre der rechtsgeschäftlichen Nachfolge steht daher im Mittelpunkt des vorliegenden Abschnitts. Zentrales Anliegen ist es, die maßgeblichen zivilprozessualen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Singular- und Universalsukzession für die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands herauszuarbeiten und einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Den Ausgangspunkt bildet das Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit (I.). Nach Maßgabe des § 265 Abs. 1 ZPO können Vermögenspositionen, auch wenn sie Gegenstand eines Rechtsstreits sind, ungehindert übertragen werden. Im Gegenzug werden die berechtigten Interessen der gegnerischen Prozesspartei auf Grundlage eines Gesamtsystems des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes gewahrt (II.). Insbesondere ordnet § 265 Abs. 2 ZPO die Fortführung des Zivilverfahrens mit dem Veräußerer als gesetzlichem Prozessstandschafter an. Die Zusammenschau von Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz bildet das Fundament für die Entwicklung und Ausformung eines genuin zivilprozessualen Nachfolgebegriffs (III.). Während man sich heute über die Einordnung der meisten Sukzessionstypen einig ist, wird namentlich über die Behandlung der Schuld- und Vertragsübernahme sowie der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession unvermindert gestritten. Die Einordnung der Fall-
1 Monografisch siehe nur Schumann, Streitbefangenheit (1910); Bettermann, Vollstreckung (1948); Grunsky, Veräußerung (1968). 2 Vgl. nur Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 4 ff.; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 8 ff.; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 3. Zur Nachfolge im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes siehe monografisch Dinstühler, Rechtsnachfolge (1995); ferner Loritz, ZZP 106 (1993), 3 ff.; Baur, FS Schiedermair, 1976, S. 19 ff. 3 Siehe die Zusammenstellungen bei Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 35 ff.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 4 ff.; monografisch Schuman, Streitbefangenheit, S. 2 ff.
I. Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit
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gruppen gilt bis heute als „äußerst unklar“4 respektive „weitgehend ungeklärt“5. Es ist ein Grundanliegen der nachfolgenden Überlegungen, sowohl für die Schuld- und Vertragsübernahme (IV.) als auch für die rechtsgeschäftliche Universalsukzession (V.) struktur- und wertungskohärente Lösungen zu entwickeln. Zum Abschluss ist die Reichweite des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes im Einzelnen auszumessen und in seinen wesentlichen Ausformungen kritisch zu würdigen (IV.).
I. Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit Das Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit besagt im Kern, dass über den streitbefangenen Gegenstand gem. § 265 Abs. 1 ZPO auch nach Rechtshängigkeit noch ungehindert verfügt werden kann. Weder besteht ein allgemeines Veräußerungsverbot noch bedarf die Verfügung der Mitwirkung des Prozessgegners. Aus rechtssystematischer Perspektive bedeutet die zivilprozessuale Sukzessionsfreiheit eine konsequente Verlängerung der Übertragungsfreiheit ins Zivilprozessrecht und dient in diesem Sinne der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Der Weg zur zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit war allerdings steinig:
1. Dogmengeschichtliche Grundlagen Die freie Übertragbarkeit des streitbefangenen Gegenstands ist ein Produkt der Prozessrechtsgesetzgebung am Ende des 19. Jahrhunderts. Bis zum Inkrafttreten der Civilprozeßordnung (CPO) am 1. Oktober 1879 galt nach damals vorherrschender Doktrin ab Rechtshängigkeit ein Veräußerungsverbot römischrechtlicher Provenienz6. Das gemeine Recht stand in der Tradition Justinians7 und erklärte die Veräußerung der res litigiosa für nichtig8. Auf diese Weise wurde verhindert, dass der Rechtsstreit infolge des Verlusts der Sachlegitimation des (potenziellen) Veräußerers nicht beendet werden konnte9. Gegen die herkömmliche Doktrin formierte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmender Widerstand, konnte der freie Güterverkehr doch praktisch 4
Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 58 Fn. 186. Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 58; Hervorhebung im Original weggelassen. 6 Zur Entwicklung im römischen Recht ausf. Kiefner, GS Kunkel, S. 117, 119 ff.; Kohler, AcP 192 (1992), 255, 258 ff.; knapp Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 4; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 4; U. Gottwald, JA 1999, 486. 7 Speziell dazu Kiefner, GS Kunkel, S. 117, 138 ff.; Kohler, AcP 192 (1992), 255, 260 f. 8 Authentisch Windscheid, Pandektenrecht I, S. 358 Fn. 2 ff.; dazu ausf. Kiefner, GS Kunkel, S. 117, 147 ff.; Kohler, AcP 192 (1992), 255, 261 f. 9 Zum Ganzen ausf. Zimmermann, AcP 35 (1852), 431 ff.; Schröder, Lehre, S. 45 ff.; ferner Grunsky, Veräußerung, S. 17; Schilken, Veränderungen, S. 5. 5
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
jederzeit und durch jedermann – womöglich mit rechtsmissbräuchlichen Absichten – mittels Klageerhebung beeinträchtigt werden10. Josef Kohler fasste die Desiderata der gemeinrechtlichen Lösung wie folgt zusammen11: Das absolute Veräußerungsverbot greife viel weiter, „als das Bedürfniss ging“; es schneide „in das Civilrecht ein, so dass eine Reihe von civilistischen Funktionen lahmgelegt und die Erreichung einer Reihe civilistischer Interessen unmöglich gemacht wurde. Das Veräusserungsbedürfniss musste schweigen, weil der Prozess die Veräusserung nicht brauchen konnte, und das Bedürfniss des Prozesses führte so zu der Misslichkeit, dass der Rechtsverkehr in Bezug auf die Sache brachgelegt und damit alle Vortheile entzogen wurden, welche der civilistische Verkehr zu bieten vermag“. Das gelte umso mehr, „als es in der Macht eines Jeden steh(e), durch Prozesserhebung das Recht eines Andern in Streit zu ziehen und es mithin in der Hand eines Jeden stünde, den Rechtsverkehr einer Sache zu unterbinden.“
Tatsächlich ließ sich eine aus der Rechtshängigkeit des Gegenstands resultierende – absolut12 wirkende – Verfügungsbeschränkung mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen des beginnenden Industriezeitalters nach einer beschleunigten Güterzirkulation schwerlich in Einklang bringen13. Deshalb erteilte der historische CPO-Gesetzgeber der gemeinrechtlichen Doktrin mittels Schaffung der heute in § 265 Abs. 1 ZPO normierten Vorschrift eine deutliche Absage, ohne allerdings die hierfür maßgeblichen Überlegungen in den Materialien auch nur ansatzweise niederzulegen. So stellten die „Protokolle der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes“ von 1869 lediglich fest, „daß das aus dem römischen Recht stammende Verbot der Veräußerung streitiger Sachen und Rechte (nach der aktiven und passiven Seite hin) aufgehoben sei“14. In der amtlichen Begründung zur CPO heißt es unter Bezugnahme auf diese Äußerung: Da das gemeinrechtliche Veräußerungsverbot „legislativ nicht gerechtfertigt“ sei, habe „der Entwurf kein Bedenken tragen können, das Verbot im Anschlusse an den nordd(eutschen) Entw(urf) aufzuheben“15. Das moderne Prozessrecht löst das Problem der prozessualen Sukzession durch Verzicht auf die früher herrschende „Korrespondenz zwischen der civilistischen und prozessualen Seite“16. Auf diese Weise kann der einmal begonnene Rechtsstreit – ungeachtet der entfallenen Sachlegitimation der über das Prozessobjekt disponierenden Partei – mit den ursprünglichen Parteien fortge10
Vgl. auch Grunsky, Veräußerung, S. 17. Alle Zitate Kohler, ZZP 12 (1888), 97, 99; Fußnoten im Original weggelassen; zum Teil auch wiedergegeben bei Kohler, AcP 192 (1992), 255, 267. 12 Die Idee einer bloß relativen Unwirksamkeit erwägend Grunsky, Veräußerung, S. 17 f., 215 f.; mit Recht ablehnend Kohler, AcP 192 (1992), 255, 268 f.; siehe noch oben § 4 III. 3. c) dd). 13 Zu den Grundlagen der freien Übertragbarkeit siehe oben § 4 I.; vgl. in diesem Zusammenhang, im Ergebnis distanziert Kohler, AcP 192 (1992), 255, 262 ff. 14 Schubert, Protokolle, S. 562 f. 15 Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien, S. 261. 16 Anschaulich Kohler, ZZP 12 (1888), 97, 100. 11
I. Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit
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setzt werden. Das kann indes nur gelingen, wenn man im Zivilprozess die Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen zulässt. Bewerkstelligt wird dies durch die Anerkennung des Rechtsinstituts der Prozessstandschaft17. Die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands und die Prozessstandschaft des Veräußerers bedingen einander.
2. Rechtssystematische Grundlagen Heute ist nach Maßgabe des § 265 Abs. 1 ZPO gewährleistet, dass die Rechtshängigkeit eines Gegenstands die Verfügungsberechtigung des materiellen Rechtsinhabers unberührt lässt. Kläger und Beklagter sind auch nach Rechtshängigkeit in der Lage, den streitbefangenen Gegenstand nach Belieben zu veräußern. Damit sichert das Gesetz die freie Übertragbarkeit von Vermögenspositionen auch im Zivilprozess; § 265 Abs. 1 ZPO erscheint in diesem Zusammenhang weniger als prozessrechtliche denn als materiellrechtliche Vorschrift. Ruft man sich nochmals den überragenden Stellenwert der Sukzessionsfreiheit in Erinnerung18, spricht § 265 Abs. 1 ZPO im Grunde nur eine Selbstverständlichkeit aus, deren Aufnahme in die ZPO sich durch die abweichende Doktrin des gemeinen Rechts19 erklärt. Im Anschluss an das Plädoyer zugunsten einer möglichst weitreichenden Gewährleistung von Sukzessionsfreiheit20 kann auch die rechtspolitische und rechtsökonomische Sinnhaftigkeit der ungehinderten Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen während eines anhängigen Zivilprozesses nicht zweifelhaft sein. Denn § 265 Abs. 1 ZPO schützt den Rechtsinhaber davor, nicht durch schwebende Prozesse in seinen materiellrechtlichen Befugnissen beeinträchtigt zu werden21. In diesem Sinne wird man den Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten im Zivilprozess heute auch im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie die Eigentumsgewährleistung (Art. 14 Abs. 1 GG) als verfassungsrechtlich verbürgt ansehen dürfen22. Im Grundsatz gilt hier nichts anderes als für die materiellrechtliche Gewährleistung der Sukzessionsfreiheit23. Eine immanente Grenze erfährt das Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit allerdings durch die Berechtigung der Vertragsparteien, ihre rechtlichen Angelegenheiten im Wege privatautonomer Selbstbestimmung zu regeln. 17 Zu diesem Zusammenhang grundlegend Kohler, ZZP 12 (1888), 97, 100 ff.; andeutungsweise schon ders., JhJ 24 (1886), 187, 319 ff.; ders., Prozeß, S. 95 ff.; aus heutiger Sicht vgl. außerdem Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 5; U. Gottwald, JA 1999, 486; Henckel, Parteilehre, S. 146; Kiefner, GS Kunkel, S. 117, 170 ff. 18 Siehe oben § 4 I. 19 Siehe nochmals oben § 19 I. 1. 20 Siehe oben § 4 I. 21 So auch Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 2. 22 Zu diesem Aspekt Kohler, AcP 192 (1992), 255, 283 f. 23 Dazu ausf. oben § 4 I. 2.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
Durch Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) haben es die Parteien insbesondere in der Hand, die Wirksamkeit der Sukzession von der Beendigung des Rechtsstreits oder von einem bestimmten Prozessergebnis abhängig zu machen24. Gleichermaßen können sich Vertragsparteien nach geltendem Recht darauf verständigen, Forderungen für die Dauer eines über sie geführten Rechtsstreits gem. § 399 Alt. 2 BGB für unabtretbar zu erklären25.
II. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes Den rechtssystematischen Konterpart zur zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit bildet das Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes26. Zwar kann der Prozessgegner die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands nicht aus eigener Machtvollkommenheit verhindern. Ein präventiv wirksamer Sukzessionsschutz ist ihm demnach versagt. Seine berechtigten Interessen werden allerdings durch postventiv wirkende Sukzessionsschutzmechanismen gewahrt. In struktureller Hinsicht ergeben sich maßgebliche Parallelen zwischen dem materiellrechtlichen und dem zivilprozessualen Sukzessionsschutz. Ihnen ist insbesondere das Regelungsziel gemeinsam, wonach die – materielle wie zivilprozessuale – Rechtsstellung der Gegenpartei von der Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands dem Grunde nach unberührt bleiben muss. Auf Grundlage eines prozessrechtlich verstandenen Identitätsprinzips sollen Bestand und Charakter des Prozessrechtsverhältnisses unverändert fortbestehen. Dem entspricht es, wenn § 265 Abs. 2 ZPO – die gleichsam prominenteste Ausprägung dieses Prinzips im positiven Recht – ungeachtet der Veräußerung des Prozessobjekts die Fortführung des Zivilverfahrens mit dem Veräußerer als gesetzlichem Prozessstandschafter anordnet. Die Vorschrift zielt primär auf die Erhaltung der Kontinuität des Prozessrechtsverhältnisses ab und will auf diese Weise eine Verschlechterung der prozessualen Rechtsstellung der Gegenpartei verhindern27. Dieses zivilprozessuale Verschlechterungsverbot dient primär dem individuellen (Kontinuitäts-)Interesse des Prozessgegners an der unveränderten Fortführung des Rechtsstreits (1.). Von Bedeutung sind daneben aber gleichermaßen das überindividuelle Interesse an einer ökonomischen Prozessführung (2.) sowie die Interessen des Veräußerers und des Erwerbers (3.).
24 25 26
Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 4. Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 4. Siehe allgemein zum Verhältnis von Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz oben § 4
II. 2. 27 Zutreffend spricht Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1068 (beschränkt auf die Rechtsstellung des Schuldners) davon, bei den Wirkungen des § 265 ZPO handele es sich „um eine adäquate prozessrechtliche Transformation des Verschlechterungsverbots“.
II. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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1. Interesse der gegnerischen Prozesspartei Die personenidentische Verfahrensfortführung nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO ist primär den individuellen Interessen der gegnerischen Prozesspartei zu dienen bestimmt28. Ihm sollen die Früchte der bisherigen Prozessführung erhalten bleiben29. In seinem Interesse werden etwaige Nachteile, die ihm aus der Veräußerung während des Zivilverfahrens drohen, vermieden30. Besonders klar kommt dieser Gedanke in der offiziellen Begründung zur historischen CPO zum Ausdruck31: „Bei der Feststellung der Wirkungen einer Veräußerung litigiöser Sachen und Klagen mußte die Erwägung leitend sein, daß durch eine derartige Veräußerung zum Nachtheile des Gegners weder dessen Lage während des Prozesses verändert, noch das Ergebniß des Prozesses unwirksam gemacht werden darf; unbillig wäre es insbesondere im Falle der Veräußerung der litigiösen Sache durch den besitzenden Beklagten, den Kläger zu nöthigen, nach Beendigung des mit Aufwand und Zeit, Mühe und Kosten gegen den Beklagten durchgeführten Prozesses einen neuen Prozeß gegen einen Dritten anzufangen.“
Hätte der mit Veräußerung eintretende Verlust der Sachlegitimation eine Klageabweisung als unbegründet zur Folge – so das Ergebnis nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts –, könnte eine Partei sogar versucht sein, den Prozess durch Veräußerung der streitbefangenen Sache in manipulativer Weise zu beenden und bisher erzielte Prozessergebnisse, namentlich ein für den Gegner günstiges Beweisergebnis, zu vernichten32. Durch die Sukzessionsschutzbestimmung des § 265 Abs. 2 ZPO wird die ungeliebte Konsequenz der Klageab-
28 Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien, S. 261; RGZ 20, 420, 422; RG JW 1927, 3006; BGHZ 29, 329, 331; 61, 140, 142 f.; 169, 221 Tz. 15; BGH NJW 1998, 156, 158; NJW-RR 1998, 1504, 1505; 2001, 181; 2012, 224 Tz. 17; MDR 2002, 1185; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Bork/Jacoby, JZ 2000, 135, 138; dies., ZHR 167 (2003), 440, 446; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 62; Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 334; Jacobi, ZZP 43 (1913), 441, 442; Schink, Jura 1985, 291, 292 f.; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433; de Boor, Parteiwechsel, S. 32; Grunsky, Veräußerung, S. 15 f., 21; Herrmann, Grundstruktur, S. 106; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 103; Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 882; a.A. Goldschmidt, Prozeß, 1925, S. 330 ff. 29 Vgl. BGH NJW 1998, 156, 158; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 1, § 266 Rn. 1; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 2; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 1; Schink, Jura 1985, 291, 293; Grunsky, Veräußerung, S. 16; kritisch Bork/Jacoby, JZ 2000, 135, 138. 30 RGZ 20, 420, 422; 102, 177, 179; BGHZ 29, 329, 331; 61, 140, 142 f.; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Haußmann, Gruchot 57 (1913), 660, 663 f.; Jacobi, ZZP 43 (1913), 441, 442. 31 Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien, S. 261. 32 Vgl. RGZ 102, 177, 179; BGH NJW-RR 2012, 224 Tz. 17; Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 2; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 1; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 1; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 174.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
weisung vermieden. Zugunsten des Prozessgegners wirkt die bisherige Prozesslage fort und die Prozessergebnisse bleiben erhalten33. Darüber hinaus verhindert die Fortführung des Rechtsstreits mit dem Veräußerer, dass der gegnerischen Prozesspartei eine fremde Person als neuer Prozessgegner aufgedrängt wird. Die personenidentische Fortführung des Zivilverfahrens sorgt dafür, dass Änderungen der materiellen Rechtszuordnung den Bestand und Charakter des Prozessrechtsverhältnisses dem Grunde nach unberührt lassen34. Die Gegenpartei wird hierdurch in ihrem Interesse und Vertrauen geschützt, den Prozess mit derjenigen Partei zu beenden, mit der sie das Verfahren auch begonnen hat35. Insbesondere wird der Vorgänger gem. § 265 Abs. 2 ZPO wirksam daran gehindert, sich aus seiner kostenrechtlichen Verantwortung zu stehlen und dem Gegner eine womöglich weniger solvente Partei aufzudrängen36. Zudem wird verhindert, dass der Veräußerer als Zeuge aussagt und das Verfahren ungebührlich verzögert37. Da der von § 265 Abs. 2 ZPO vermittelte Sukzessionsschutz primär im Interesse des Prozessgegners besteht, kann sich dieser auch mit einer Weiterführung des Rechtsstreits durch den Nachfolger einverstanden erklären38. Aufzwingen kann der Gegner dem Nachfolger die Prozessführung aber freilich nicht. Das ist aus seiner Sicht aber nicht weiter problematisch, da das gegen den Vorgänger als Prozessstandschafter erstrittene Urteil gem. § 325 Abs. 1 ZPO regelmäßig auch gegen den Nachfolger wirkt und nach Titelumschreibung gem. § 727 ZPO auch gegen ihn vollstreckt werden kann39. Nur dort, wo es an der Erstreckung der materiellen Rechtskraft fehlt, ist es dem Gegner im Ergebnis nicht zumutbar, den Prozess mit dem Veräußerer fortzuführen. Deshalb gestattet § 265 Abs. 3 ZPO dem Prozessgegner, die fehlende Sachbefugnis des Veräußerers ausnahmsweise im Prozess geltend zu machen40. 33 Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien, S. 261; RGZ 20, 420, 422; BGHZ 29, 329, 331; BGH NJW 1998, 156, 158; NJW-RR 2012, 224 Tz. 17; Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Grunsky, Veräußerung, S. 15 f. 34 Vgl. BGHZ 118, 312, 315; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Schack, FS Gerhardt, S. 859, 868 f. 35 BGH NJW 1998, 156, 158; NJW-RR 2012, 224 Tz. 17; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 2; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 447; U. Gottwald, JA 1999, 486; Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 334. 36 Vgl. BGH NJW-RR 2012, 224 Tz. 17; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 2; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 174; Bork/Jacoby, JZ 2000, 135, 138; dies., ZHR 167 (2003), 440, 447; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 62 f.; Merle, JA 1983, 626, 627; Henckel, FS Walder, S. 193, 208 f. 37 Vgl. RGZ 102, 177, 179; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 62 f.; Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 334; Jacobi, ZZP 43 (1913), 441, 442 f.; relativierend Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 447. 38 Dazu im Einzelnen unten § 19 VI. 6. a). 39 Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 62; K. H. Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 143. 40 Dazu im Einzelnen unten § 19 VI. 5.
II. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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2. Interesse an einer ökonomischen Prozessführung Soweit § 265 Abs. 2 ZPO den Prozessparteien nach Veräußerung des streitbefangenen Gegenstandes die bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Prozessergebnisse erhält, liegt diese Wirkung nicht allein im individuellen Interesse der gegnerischen Prozesspartei, sondern gleichermaßen im überindividuellen Interesse an einer ökonomischen Prozessführung41. Durch die Fortführung des Verfahrens wird sichergestellt, dass die bisherigen Verhandlungen und Beweisaufnahmen nicht durch die Veräußerung des Prozessobjekts verlorengehen, sondern im weiteren Fortgang des Zivilprozesses verwertet werden können. In diesem Sinne zielt § 265 Abs. 2 ZPO anerkanntermaßen darauf ab, unwirtschaftliche Doppelprozesse42 und die damit verbundene Mehrbelastung des Gerichts43 zu vermeiden. Die durch § 265 Abs. 2 ZPO gewährleistete Verfahrenskontinuität bewirkt demnach eine Senkung der Prozesskosten. Davon abgesehen verringern sich durch die Fortführung des einmal begonnenen Rechtsstreits auch die Kosten, die mit der Veräußerung eines streitbefangenen Gegenstands im Allgemeinen verbunden sind. Zöge eine Veräußerung nämlich stets ein neues Verfahren nach sich, würde der Erwerber tendenziell von der Durchführung der Transaktion Abstand nehmen, sei es, weil er die Kosten für die Durchführung eines neuen Zivilverfahrens scheut, sei es, weil ihm die Durchführung des neuen Prozesses – ohne die Verwertbarkeit der bisher erzielten und dann verlorenen Prozessergebnisse – zu riskant erscheint. Kann sich der Erwerber indes darauf verlassen, dass eine ihm günstige Prozesslage erhalten bleibt, wird er auch eher bereit sein, eine wohlfahrtssteigernde Transaktion durchzuführen. Insofern intensiviert die Verfahrenskontinuität zugleich die Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen während des Zivilprozesses und dient damit letztlich ebenfalls dem systemprägenden Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit. Deshalb kann der Prozessgegner infolge der Veräußerung des in Streit befangenen Gegenstands auch nicht aus eigener Machtvollkommenheit auf die durch 41 BGHZ 148, 335, 338; 169, 221 Tz. 17; BGH NJW 1963, 2067; BGH NJW-RR 2012, 224 Tz. 17; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 3; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 1 a.E.; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 1; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 2 (außerdem Gerechtigkeit und Rechtssicherheit); Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 1; U. Gottwald, JA 1999, 486; Schink, Jura 1985, 291, 293; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433; Bettermann, Vollstreckung, S. 67; Calavros, Urteilswirkungen, S. 64; ausf. Grunsky, Veräußerung, S. 22 ff.; kritisch zu diesem Aspekt Bork/Jacoby, JZ 2000, 135, 138; Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 335. 42 BGHZ 28, 153, 157; BGH NJW-RR 1998, 1504, 1505; 2001, 181; Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 3; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 3; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 1 a.E.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; U. Gottwald, JA 1999, 486; Schink, Jura 1985, 291, 292 f.; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433; Bettermann, Vollstreckung, S. 67; de Boor, Parteiwechsel, S. 32; Calavros, Urteilswirkungen, S. 64; Grunsky, Veräußerung, S. 22 ff., 26. 43 Vgl. nur Merle, JA 1983, 626, 627.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
§ 265 Abs. 2 ZPO gewährte Verfahrenskontinuität verzichten und bei Missfallen des bisherigen Prozessverlaufs unter Berufung auf die entfallene Sachlegitimation des Veräußerers im Rahmen eines völlig neuen Verfahrens eine neue Chance zur Rechtsverteidigung suchen44. So wenig sich der Veräußerer im Wege einer Verfügung über das Prozessobjekt dem anhängigen Rechtsstreit einseitig entziehen kann, so verkehrt wäre es, dem Prozessgegner die Entscheidung darüber zu überlassen, ob er an die bisherigen Prozessergebnisse gebunden sein will45. Dieses Wahlrecht würde zum einen deutlich über das für seinen Verschlechterungsschutz notwendige Maß hinausgehen. Zum anderen würde es gegen die grundlegenden Wertungen des zivilprozessualen Identitätsprinzips verstoßen. Danach soll das einmal zwischen den Prozessparteien begründete Prozessrechtsverhältnis trotz Veräußerung des Prozessobjekts in Takt bleiben, sich weder in seinem Bestand noch in seinem Charakter verändern. Eine solche Änderung wäre indes die Folge, wenn dem Prozessgegner ein einseitiges Lösungsrecht zugebilligt würde. Diese Option würde seine Prozessrechtsstellung in unzulässiger Weise verbessern und insofern gegen ein prozessual verstandenes Verbesserungsverbot verstoßen, das – ebenso wie nach materiellem Recht46 – aus den Wertungen des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips abzuleiten ist.
3. Interessen des Veräußerers und des Erwerbers Das zivilprozessuale Verbesserungsverbot dient gleichermaßen den Interessen des Veräußerers und des Erwerbers. Auch in einem prozessualen Setting muss verhindert werden, dass sich die Gegenpartei infolge der Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands ungerechtfertigte Vorteile verschafft und sich ihre (Prozess-)Rechtsstellung verbessert47. In diesem Sinne entspricht die Fortführung des Rechtsstreits mit den bisherigen Prozessparteien typischerweise auch dem Veräußerer- und Erwerberinteresse, weil ihnen eine günstige Prozesslage erhalten bleibt48.
4. Abgrenzung zum obligatorischen Parteiwechsel Dessen ungeachtet wird der Veräußerer nach Verfügung über das Prozessobjekt regelmäßig kein eigenes Interesse daran haben, über ein fremdes Recht zu pro44
Instruktiv Grunsky, Veräußerung, S. 22 f. Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 335 f.; vgl. auch Grunsky, Veräußerung, S. 26. 46 Siehe oben § 15 III. 47 Siehe zum materiellen Recht oben § 15 III. 1. c). 48 Instruktiv Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 335; Herrmann, Grundstruktur, S. 106; ähnlich im Ergebnis auch Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 62; U. Gottwald, JA 1999, 486; zugunsten des Veräußerers ebenso BGHZ 169, 221 Tz. 15; BGH NJW 1998, 156, 158; NJW-RR 2001, 181, 182; 2012, 224 Tz. 17; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; im Ergebnis ebenso, wenn auch kritisch Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 104; a.A. Grunsky, Veräußerung, S. 24 ff. 45
II. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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zessieren, während der Erwerber typischerweise umgekehrt daran interessiert sein wird, in den Rechtsstreit über die erworbene Vermögensposition als neue Prozesspartei einzutreten. Diesen Interessen entspräche am besten ein obligatorischer Parteiwechsel. a) Gemeinsamkeit von Verfahrensfortführung und Parteiwechsel Die gem. § 265 Abs. 2 ZPO angeordnete Verfahrenskontinuität und der obligatorische Parteiwechsel weisen zentrale Gemeinsamkeiten auf. Die wichtigste Parallele besteht darin, dass den Parteien die bisherigen Prozessergebnisse nicht verlustig gehen49. Insbesondere müssen die bisherigen Verhandlungen und Beweisaufnahmen nicht wiederholt werden. Dieses Ergebnis liegt gleichermaßen im Interesse des Prozessgegners wie auch im Interesse einer wirtschaftlichen Prozessführung – unökonomische Doppelprozesse werden vermieden – und schließlich im Interesse von Veräußerer und Erwerber. Eine zweite Parallele zeigt sich bei Parteiwechseln, die mit einer obligatorischen Verfahrensunterbrechung verbunden sind. Auf Grundlage des erbfallbedingten Parteiwechsels tritt der Gesamtnachfolger ipso iure (und damit auch gegen seinen Willen) in das Prozessrechtsverhältnis ein und muss das Verfahren in der Lage aufnehmen, wie es bei Ableben der ursprünglichen Prozesspartei bestand50. Zugleich ordnet § 239 ZPO eine Unterbrechung des Erkenntnisverfahrens an, lässt hierbei das bestehende Prozessrechtsverhältnis indes unberührt. Allein die Prozessführung steht zeitweilig still, um sowohl dem Nachfolger als auch Prozessgegner und Gericht die Möglichkeit zu eröffnen, auf etwaige Veränderungen der Sach- und Rechtslage zu reagieren51. Indem der Schutzzweck des § 239 ZPO nicht auf den Gesamtnachfolger beschränkt ist, sondern auch die Gegenpartei einbezieht, lässt sich die Vorschrift in Parallele zu § 265 ZPO als ein weiteres Mosaikstück im Gesamtsystem des prozessualen Sukzessionsschutzes begreifen: Wenn die Fortführung des Verfahrens aufgrund ersatzlosen Wegfalls der ursprünglichen Prozesspartei schon ausscheiden muss, dann soll die gegnerische Prozesspartei wenigstens mittels Verfahrensunterbrechung Gelegenheit bekommen, sich mit den neuen Rahmenbedingungen vertraut zu machen und die weitere Verfahrensstrategie anzupassen.
49
Vgl. OLG Nürnberg OLGZ 1994, 454, 458; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 7; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 2; Grunsky, Veräußerung, S. 67 f.; Herrmann, Grundstruktur, S. 113 ff.; Wagemeyer, Parteiwechsel, S. 13; Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 880 f. 50 Zum Folgenden Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 2. 51 Zum Zweck des § 239 ZPO in diesem Sinne Gehrlein, in: MünchKommZPO, § 239 Rn. 1 f.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 1; offenbar ebenso Greger, in: Zöller, ZPO, § 239 Rn. 1: „die Parteien“; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 239 Rn. 2: „die Beteiligten“.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
b) Unterschiede und Meinungsstand Dass der Tod einer Prozesspartei regelmäßig52 einen obligatorischen Parteiwechsel zur Folge hat, ergibt sich zwanglos aus dem Erlöschen der Rechts- und Parteifähigkeit des Verstorbenen. Der Vorgänger steht – anders als in den Fällen des § 265 Abs. 2 ZPO – für eine Fortführung des Rechtsstreits nicht (mehr) zur Verfügung. Der daraufhin erfolgende Parteiwechsel erweist sich als gleichsam alternativlos, weil das als Zweiparteienprozess53 konzipierte deutsche Zivilverfahren mit dem Tod einer Prozesspartei ohne gesetzlichen Parteiwechsel ipso iure enden müsste. Deshalb scheidet die Anwendung des § 265 ZPO immer dann aus, wenn eine der ursprünglichen Prozessparteien durch die Sukzession ersatzlos wegfällt54. Davon abgesehen ist bisher nicht abschließend geklärt, nach welchen Kriterien die Abgrenzung zwischen der Verfahrensfortführung nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO und dem obligatorischen Parteiwechsel erfolgt. Während die einen der Parteikontinuität den grundsätzlichen Vorrang einräumen55, wollen andere danach differenzieren, ob der Rechtsübergang auf einer Singular- oder Universalsukzession beruht56 oder ob die Vermögensverwaltung in ihrer Gesamtheit wechselt oder nur ein einzelner Gegenstand übertragen wird57. Schließlich unterscheidet Herbert Roth danach, ob das Interesse des Erwerbers dominiert, den Prozess anstelle der bisherigen Prozesspartei selbst führen zu können – dann finde analog § 239 ZPO ein obligatorischer Parteiwechsel statt, oder ob das Schutzbedürfnis des Prozessgegners im Vordergrund stehe – dann erscheine die personenidentische Fortführung des Verfahrens nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO angemessen58. c) Vorrang der personenidentischen Verfahrensfortführung Angesichts des primär auf die Interessen der gegnerischen Prozesspartei ausgerichteten Regelungsziels des § 265 Abs. 2 ZPO genießt die personenidentische
52 Zur Ausnahme für den Fall, dass eine Prozesspartei den einzigen Prozessgegner alleine beerbt, siehe BGH NJW-RR 1999, 1152; 2011, 488 Tz. 7; OLG Zweibrücken FamRZ 1995, 100; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 50 Rn. 17; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 50 Rn. 1; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 18 Rn. 26; Lieder, Jura 2012, 138, 144 f. 53 Dazu OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 31; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 50 Rn. 17 f.; Lindacher, in: MünchKommZPO, Vor § 50 Rn. 4 ff.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 50 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 40 Rn. 26 ff.; Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 220 f. 54 Zutreffend Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 3. 55 Grunsky, Veräußerung, S. 83 ff. 56 KG OLGE 29, 99; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 434; Henckel, Parteilehre, S. 173; Schuman, Streitbefangenheit, S. 47 f., 58, 63. 57 So de Boor, JZ 1951, 450, 451. 58 Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 3 unter Berufung auf Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 7; differenzierend auch Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 885.
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Fortführung des Verfahrens den grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem obligatorischen Parteiwechsel. Soweit die Gegenpositionen dem Prozessführungsinteresse des Erwerbers einen höheren Stellenwert einräumen, ist dem entschieden zu widersprechen. Da der Prozessgegner gem. § 265 Abs. 1 ZPO die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands nicht (präventiv) verhindern kann und damit letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt wird, zielt § 265 Abs. 2 ZPO durch Anordnung einer Verfahrensfortführung durch den Veräußerer darauf ab, den Prozessgegner von sämtlichen Rechtsnachteilen freizuhalten, die sich aus der Veräußerung ergeben können. Die personenidentische Fortführung des ursprünglichen Rechtsstreits dient in diesem Sinne den schutzwürdigen Interessen des Prozessgegners und entspricht gleichermaßen dem zivilprozessualen Identitätsprinzip und Verschlechterungsverbot, die jeweils nach einer effektiven Ausgestaltung des postventiven Sukzessionsschutzsystems verlangen. Die nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO gewährleistete Verfahrenskontinuität hat in diesem Kontext insbesondere den Vorteil, dass sich die Gegenpartei auf keine andere Partei einstellen muss und ihr auch kein anderer, womöglich weniger solventer Kostenschuldner aufgedrängt wird. Vermieden werden darüber hinaus faktische Erschwernisse und Verzögerungen, die mit einem obligatorischen Parteiwechsel infolge Verfahrensunterbrechung und Wiederaufnahme des Verfahrens typischerweise verbunden sind59. Das Regelungsziel des § 265 Abs. 2 ZPO kann folglich nur effektiv erreicht werden, wenn der personenidentischen Verfahrensfortführung ein möglichst weitgehender Anwendungsbereich eröffnet wird. Darüber hinaus steht die Verfahrensfortführung durch den Vorgänger im Einklang mit dem Prozessrechtsprinzip, dass Verfahrensbeteiligte grundsätzlich nicht ohne ihr Zutun aus dem öffentlichrechtlichen Prozessrechtsverhältnis ausscheiden dürfen60. Außerdem entbindet die Verfahrensfortführung mit dem Veräußerer von sämtlichen Feststellungen darüber, ob es tatsächlich im Verhältnis zum Erwerber zu einer wirksamen Nachfolge gekommen ist. Das ist sinnvoll, kann die Behandlung dieser Rechtsfrage das Verfahren doch enorm verzögern und sich im Ergebnis als überflüssig erweisen, wenn nämlich der Gegner obsiegen sollte61. Hinter dem Kontinuitätsinteresse der gegnerischen Prozesspartei hat das Prozessführungsinteresse des Erwerbers dem Grund nach zurückzustehen. Zum einen weiß der Erwerber regelmäßig, auf was er sich beim Erwerb eines streitbefangenen Gegenstands einlässt. Daneben sind seine berechtigten Belange durch schuldrechtliche Haftungsansprüche gegen den Veräußerer geschützt, die Letz59
Deutlich BGHZ 72, 236, 242: Insgesamt soll „die Durchführung des Rechtsstreits nicht mit einem Parteiwechsel belastet werden“. Dazu näher Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 2 iVm. Vor § 239 Rn. 5 ff.; kritisch Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 446 f. 60 BGHZ 117, 144, 146; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 5; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 2. 61 So schon Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien II, S. 262; dazu auch Henckel, FS Walder, S. 193, 201.
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terem einen nicht gering zu schätzenden Anreiz für eine ordnungsgemäße Prozessführung geben sollten. Im Zweifel ist daher das Verfahren nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO mit dem Veräußerer fortzuführen. Ein obligatorischer Parteiwechsel greift umgekehrt nur dort Platz, wo eine personenidentische Verfahrensfortführung scheitert. Auf diese Abgrenzungsregel ist sogleich62 zurückzukommen, wenn die rechtsgeschäftliche Universalsukzession in den Fokus rückt. d) Rechtsstellung des Nachfolgers Aus den gleichen Gründen ist es auch verfehlt, in der Fortführung des Zivilverfahrens mit dem Veräußerer eine „Entrechtung des Erwerbers“63 zu erblicken. Zwar ist diese Einschätzung aus Sicht des Nachfolgers tatsächlich nicht leicht von der Hand zu weisen, muss der Erwerber doch befürchten, der Veräußerer werde es im Rahmen seiner fortgesetzten Prozessführung an der notwendigen Sorgfalt mangeln lassen. Dem Nachfolger verbleibt allein die prozessuale Möglichkeit, sich gem. § 265 Abs. 2 S. 3 ZPO als einfacher (!) Nebenintervenient am Rechtsstreit zu beteiligen. Als solcher ist er zwar gem. § 67 ZPO berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen; seine Prozesshandlungen sind allerdings nur wirksam, soweit sie sich nicht zu den prozessualen Handlungen und Erklärungen des Veräußerers in Widerspruch setzen. Das beschränkt die Einflussmöglichkeiten des Nachfolgers auf den Ausgang des Rechtsstreits in nicht unerheblichem Umfang, obgleich die im Verfahren gefällte Entscheidung gem. § 325 Abs. 1 ZPO ihm gegenüber Rechtskraft wirkt. Auch durch den nach Maßgabe des § 325 Abs. 2 ZPO gewährleisteten Schutz des redlichen Rechtsnachfolgers wird die Problematik kaum entschärft. Denn zum einen ist der Anwendungsbereich auf Veräußerungsgeschäfte beschränkt, die nach materiellem Recht einen Gutglaubenserwerb zulassen; daher fällt namentlich die praktisch so bedeutsame Forderungsabtretung aus dem Schutzbereich des § 325 Abs. 2 ZPO heraus. Zum anderen interpretiert die zutreffende h.M. § 325 Abs. 2 ZPO insofern streng, als sie neben Redlichkeit in Bezug auf die Rechtshängigkeit auch Redlichkeit hinsichtlich der materiellen Berechtigung des Veräußerers verlangt und Verfügungen des Berechtigten aus dem Anwendungsbereich des § 325 Abs. 2 ZPO überhaupt ausklammert64. Es kann daher nicht verwundern, dass die schwache Stellung des Nachfolgers verfassungsrechtliche Bedenken hat auf den Plan treten lassen. Die Kritik kulminiert in der Forderung, § 265 Abs. 2 S. 3 ZPO we-
62
Siehe unten § 19 V. Die Formulierung stammt von Goldschmidt, Prozeß, S. 330 ff., Zitat S. 333, der die rechtspolitische Sinnhaftigkeit des § 265 ZPO zu Unrecht grundsätzlich in Frage stellt; vgl. auch Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 2 a.E. sowie bereits RGZ 20, 420, 422. 64 Zum Ganzen ausf. unten § 20 IV. 63
II. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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gen Beeinträchtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) schlichtweg zu tilgen65. Diese Lösung nebst zugrunde liegender Fundamentalkritik lässt sich indes mit dem zentralen Regelungsziel des § 265 ZPO nicht in Einklang bringen66. Denn die Zulassung des Nachfolgers als streitgenössischer Nebenintervenient führte dazu, dass sich der Prozessgegner einer neuen (weiteren) Partei gegenübersähe. Dieses Ergebnis verstieße indes gegen die fundamentalen Wertungen des prozessualen Identitäts- und Verschlechterungsverbots. Da der Veräußerer regelmäßig kein eigenes Interesse mehr an der Fortführung des Rechtsstreits hat, ein solches aufseiten des Nachfolgers typischerweise aber umso ausgeprägter in Erscheinung tritt, würde der Erwerber den Prozess faktisch als seinen eigenen führen. Der Gedanke des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes würde hierdurch ad absurdum geführt. Darüber hinaus bedarf es der vorgeschlagenen Gesetzeskorrektur auch deshalb nicht, weil die berechtigten Interessen des Nachfolgers bereits nach geltendem Recht hinreichend geschützt sind. So wird das Risiko einer mangelhaften Prozessführung durch den Veräußerer bereits dadurch signifikant vermindert, dass der Veräußerer dem Erwerber in aller Regel aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung zur einwandfreien Verschaffung des streitbefangenen Gegenstands verpflichtet sein wird. Obsiegt die Gegenpartei, kann sich der durch das Urteil gem. § 325 Abs. 1 ZPO rechtskräftig gebundene Nachfolger beim Veräußerer schadlos halten, sofern sich dessen Prozessführung zulasten des Erwerbers in schuldhafter Weise als nachteilig herausstellt67. Das begründet aufseiten des Veräußerers einen Anreiz, den über das fremde Recht geführten Rechtsstreit mit der nötigen Sorgfalt zu führen. In dem seltenen Ausnahmefall eines kollusiven Zusammenwirkens von Veräußerer und Prozessgegner, ist der Nachfolger außerdem durch einen Haftungsanspruch aus § 826 BGB geschützt68. Was bleibt, ist die Belastung des Nachfolgers mit dem Insolvenzrisiko des Veräußerers. Allerdings hat sich der Erwerber den Veräußerer auf privatautonomer Grundlage typischerweise selbst als Vertragspartner ausgesucht und muss daher das veräußererseitige Ausfallrisiko tragen. Deshalb erscheint es auch in rechtspolitischer Hinsicht zutreffend, dass § 265 Abs. 2 ZPO die Prozessfortführung mit dem Veräußerer und keinen gesetzlichen Parteiwechsel an-
65 Pawlowski, JZ 1975, 681, 684 f.; Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 47 II 1; Braun, Rechtskraft 2, S. 453 ff.; Calavros, Urteilswirkungen, S. 69 f.; vgl. weiter Schlosser, ZZP 93 (1980), 346, 348 f.; Lüke, Beteiligung, S. 233. 66 Ebenso Henckel, FS Walder, S. 193, 196 f.; im Ergebnis wie hier Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 111 f.; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 15; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 8a; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 38; Waldner, Anspruch, Rn. 337 ff.; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 79; Jauernig, ZZP 101 (1988), 361, 373 ff.; Grunsky, Veräußerung, S. 11; vgl. noch RGZ 20, 420, 422; BGHZ 29, 329, 331. 67 Vgl. auch Blume, Grenzen, S. 132. 68 BGH WM 1962, 906, 909; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 112; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 38; Pawlowski, JZ 1975, 681, 683.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
ordnet, wie er namentlich für den Tod einer Prozesspartei gem. § 239 ZPO und für andere Ereignisse69 vorgesehen ist70.
III. Der zivilprozessuale Nachfolgebegriff Die Beschäftigung mit dem Begriff der Sukzession hat ergeben, dass sich ein einheitlicher, die gesamte Rechtsordnung umspannender Nachfolgebegriff nicht ausmachen lässt71. Stattdessen ist der Nachfolgebegriff – wie Rechtsbegriffe im Allgemeinen – durch seine Relativität und Kontextabhängigkeit gekennzeichnet. Schon aus diesem Grund scheidet eine unreflektierte Übertragung des materiellrechtlichen Sukzessionsbegriffs auf das Prozessrecht aus. Das hat das Reichsgericht frühzeitig erkannt und klar ausgesprochen, dass für die Anwendung von Prozessvorschriften der „civilistische“ Begriff des „Rechtsvorgängers“ nicht schlechthin maßgeblich sei72. In Abhängigkeit von den (rechtlichen) Rahmenbedingungen sind daher für das materielle Recht und für das Prozessrecht autonome Nachfolgebegriffe zu entwickeln. Das ist für das materielle Recht bereits geschehen73: In Anlehnung an Vorarbeiten v. Savignys bezeichnet die Sukzession in diesem Sinne den identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition vom Vorgänger auf den Nachfolger. Erfasst sind sämtliche Transaktionen, in deren Folge Vermögenspositionen von einem Rechtsträger auf den anderen übergehen, ohne die Identität und Kontinuität des Rechtsverhältnisses zu verändern. Der materiellrechtliche Nachfolgebegriff umfasste sämtliche Spielarten der Singular- und Universalsukzession in das Aktiv- und Passivvermögen, sei es, dass sie sich kraft Rechtsgeschäfts, kraft Gesetzes oder kraft Hoheitsakts vollziehen, sei es, dass sie eine translative oder konstitutive Nachfolge auslösen74. Nicht umfasst ist hingegen die Akzession, bei der – ohne Entlassung des Vorgängers – ein Beitritt zu einer vorhandenen Rechts- oder Schuldposition stattfindet75. Diese Bandbreite des materiellrechtlichen Nachfolgebegriffs geht weit über den natürlichen Wortsinn der in § 265 ZPO verwendeten Begriffe „Veräuße69 Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 240 ZPO), Nachlassverwaltung (§ 241 Abs. 3 ZPO), Eintritt der Nacherbfolge (§ 242 ZPO) sowie Nachlasspflegschaft und Testamentsvollstreckung (§ 243 ZPO). Im Folgenden dient der Tod einer Partei (§ 239 ZPO) als Paradigma des gesetzlichen Parteiwechsels. 70 Der Parteiwechsel ist nicht ausdrücklich angeordnet, wird aber implizit vorausgesetzt; vgl. nur Grunsky, Veräußerung, S. 68; Henckel, Parteilehre, S. 146; speziell zu § 239 ZPO RGZ 45, 359, 362; BGHZ 104, 1, 4; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 239 Rn. 1; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 2; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 124 Rn. 5; a.A. Henckel, Parteilehre, S. 149. 71 Siehe oben § 2 I. 72 RGZ 47, 66, 71; gleichsinnig RGZ 82, 35, 38. 73 Siehe oben § 2 I. 74 Zur Phänomenologie siehe oben § 2 III. 75 Dazu speziell oben § 2 III. 3.
III. Der zivilprozessuale Nachfolgebegriff
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rung“ und „Abtretung“ hinaus, die speziell auf Fälle der rechtsgeschäftlichen, translativen Singularsukzession in das Aktivvermögen hindeuten76. Bliebe es bei dieser Einschätzung, beschränkte sich der Anwendungsbereich des § 265 ZPO auf die Übertragung von Sacheigentum sowie von Forderungen und anderen Rechten iSd. § 413 BGB. Nicht erfasst wären hingegen sämtliche Fälle der Universalsukzession, der konstitutiven Nachfolge, der Nachfolge in das Passivvermögen sowie Sukzessionen kraft Gesetzes und kraft Hoheitsakts. Ein derart restriktives Verständnis ist mit dem weitreichenden Schutzzweck des § 265 ZPO, Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz gleichermaßen zu gewährleisten, schlichtweg unvereinbar. Sowohl die Interessen der gegnerischen Prozesspartei als auch Gesichtspunkte der Prozessökonomie verlangen nach einer erweiternden Interpretation des Veräußerungs- und Abtretungsbegriffs in § 265 ZPO. Darüber sind sich Rechtsprechung77 und Schrifttum78 heute im Grundsatz einig. Ebenso unstreitig anerkannt ist, dass die Interpretation des § 265 ZPO (sowie der §§ 325, 727 ZPO) von der einheitlichen Zielsetzung getragen sein muss, den Prozessgegner effektiv gegen einen Wechsel der Sachlegitimation79 der anderen Prozesspartei zu schützen und hierdurch zu prozessökonomischen Ergebnissen zu gelangen. Vor diesem Hintergrund ist zunächst ohne Belang, auf welchem Geltungsgrund die prozessuale Nachfolge beruht; erfasst wird der Rechtserwerb kraft Rechtsgeschäfts, kraft Gesetzes80 (z.B. §§ 426 Abs. 281, 77482 BGB) und kraft Hoheitsakts83 (§§ 835, 836 ZPO84, §§ 146, 90 ZVG85). Gleichgültig ist außerdem, ob sich die Nachfolge (translativ) in die gesamte Vermögensposition vollzieht oder (konstitutiv) in ein Teilrecht86. Wann immer sich die Sachlegitimation verändert, kommt § 265 ZPO auch bei der Begründung beschränkter dinglicher
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Vgl. nur Grunsky, Veräußerung, S. 31; Meister, Veräußerung, S. 51. RGZ 40, 333, 340; BGHZ 61, 140, 142; OLG Nürnberg OLGZ 1994, 454, 459; vgl. auch RGZ 82, 35, 38; 102, 177, 179; 121, 379, 381. 78 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 13; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 8; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 6; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 12; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 445; U. Gottwald, JA 1999, 486, 487; Schink, Jura 1985, 291, 293 f.; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 434; Grunsky, Veräußerung, S. 36 f. 79 Vgl. nur Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 6; Schink, Jura 1985, 291, 293; Schwab, ZZP 87 (1974), 97. 80 Vgl. dazu exemplarisch die Zusammenstellungen bei Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 29; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 15. 81 BGH NJW 1963, 2067. 82 Vgl. OLG Hamburg OLGE 18, 44, 45 (zu § 727 ZPO). 83 Für die heute ganz h.M.: RGZ 82, 35, 38; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 14, 30; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 16; Nam, Rechtskrafterstreckung, S. 119 ff.; Schuman, Streitbefangenheit, S. 63 ff.; Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 891 f.; im Grundsatz auch Grunsky, Veräußerung, S. 37 ff., 66; a.A. Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 336 ff., 341. 84 Vgl. RGZ 20, 420, 422 f.; BGHZ 86, 337, 339; BGH NJW 1986, 3206, 3207. 85 BGH NJW 2002, 2101, 2102; vgl. ferner RGZ 56, 243, 244; 82, 35, 38; 89, 77, 80. 86 RGZ 82, 35, 38; 121, 379, 381; BGHZ 61, 140, 142; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 14; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 12, 14; Schumann, Streitbefangenheit, S. 65. 77
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
Rechte zur Anwendung. Das gilt namentlich für Verpfändung und Nießbrauchbestellung87. Darüber hinaus kann angesichts des spezifisch prozessualen Normzwecks des § 265 ZPO auch auf das Merkmal der Unmittelbarkeit des Rechtserwerbs verzichtet werden. Auch wenn sich der Rechtsübergang nur mittelbar auf ein Rechtsgeschäft oder einen anderen rechtserheblichen Vorgang zurückführen lässt, kann es sich um eine Sukzession im zivilprozessualen Sinne handeln88. Dies gilt beispielsweise für den Erwerb der Buchposition von dem auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) in Anspruch Genommenen89 oder den Erwerb der obligatorischen Vermieterrechte bei Veräußerung des vermieteten Grundstücks (§ 566 BGB)90. Zudem werden selbst Fälle des originären Rechtserwerbs erfasst91, solange sie sich im Ergebnis als Wechsel der Sachlegitimation darstellen92. Paradigmatisch ist die Aneignung einer nach § 959 BGB dereligierten Sachen durch eine andere Person (§ 958 BGB). Der Aneignende ist dann Rechtsnachfolger im prozessualen Sinne der §§ 265, 325, 727 ZPO93. Und schließlich zeigt sich die ganze Reichweite des § 265 ZPO beim Erwerb vom Nichtberechtigten, der nach heute einhelliger Auffassung als prozessrechtlicher Nachfolger des Verfügenden angesehen wird94, obgleich in materieller Hinsicht nach zutreffender Auffassung nur eine Nachfolge in die Position des wahren Berechtigten in Betracht kommt95. Eine Ausnahme gilt allerdings für den Nachfolger, der sich nicht nur hinsichtlich der Berechtigung der veräußernden Prozesspartei, sondern auch in Bezug auf die (mangelnde) Rechtshängigkeit in gutem Glauben befindet (§§ 325 Abs. 2, 3, 265 Abs. 3 ZPO)96.
87 Vgl. BGHZ 61, 140, 142; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 18; Schilken, Veränderungen, S. 68 f. 88 RGZ 102, 177, 179; 121, 379, 381; BGH MDR 2002, 1185. 89 RGZ 121, 379, 381. 90 RGZ 55, 293 f.; 59, 177, 187 f.; 68, 10, 11 ff.; 102, 167, 177. – Zur Dogmatik und Bedeutung des § 566 BGB im Rahmen des Sukzessionsschutzes obligatorischer Rechte siehe oben § 15 VI. 5. a) cc). 91 RGZ 40, 333, 340; 82, 35, 38; 102, 177, 179; ausf. Grunsky, Veräußerung, S. 37 ff.; a.A. Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 336 ff., 341. 92 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 14 f. 93 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 19; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 9; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 7; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 14; U. Gottwald, JA 1999, 486, 487; a.A. Spierling, Rechtsnachfolger, S. 17. – Die Zeit der Herrenlosigkeit ist durch Bestellung eines Prozesspflegers (§ 58 ZPO) zu überbrücken; vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 19. 94 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 16; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 36 ff.; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 5; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 5; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 6 f.; v. Tuhr, AT II/1, S. 57; Schumann, Streitbefangenheit, S. 69. 95 Siehe oben § 11 IX. 2. 96 Dazu ausf. unten § 20 IV.
IV. Schuldübernahme
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IV. Schuldübernahme Während die Behandlung der angeführten Fallgruppen inzwischen geklärt ist, wird heute noch immer darüber gestritten, ob § 265 ZPO – direkt oder zumindest analog – auf die Schuldübernahme anzuwenden ist. Die seit jeher vorherrschende Auffassung lehnt dies für die privative Schuldübernahme97 ebenso ab wie für den Schuldbeitritt98. Anderes soll nur gelten für den gesetzlichen Schuldübergang, etwa nach § 566 BGB99 oder § 613a BGB100. Zur Begründung verweist die h.M. in erster Linie auf den Wortlaut des § 265 ZPO: Die Schuldübernahme sei dort nicht erwähnt und sie lasse sich auch nicht unter den Begriff der Rechtsnachfolge subsumieren101. Zudem sei der Forderungsgläubiger im Fall der privativen Schuldübernahme nicht schutzwürdig, da ein Schuldnerwechsel nach Maßgabe der §§ 414, 415 BGB ohne seine Zustimmung ausscheide102. Und
97 BGHZ 61, 140, 142 ff.; BGH MDR 1975, 300, 301; BGH NJW 1998, 1645, 1646; 2001, 1217, 1218; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 33; Büscher, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 325 Rn. 63 f.; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 6; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 55 f.; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 6; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 36; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 5a; Leipold, in: Stein/ Jonas, ZPO, § 325 Rn. 31 f.; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 21; Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 35; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 10; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 88; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 5; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 7; Schreiber, in: Soergel, BGB, Vor § 414 Rn. 2; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 87 Rn. 3; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 10; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 443; U. Gottwald, JA 1999, 486, 487; Merle, JA 1983, 626, 629 f.; Zeiss, JR 1974, 157; Henckel, Parteilehre, S. 166 f.; Maurer, Schuldübernahme, S. 227 ff.; Meister, Veräußerung, S. 64; Schilken, Veränderungen, S. 18 ff., 24 ff.; Schumann, Streitbefangenheit, S. 81; Spierling, Rechtsnachfolger, S. 30 f. 98 RG HRR 1930 Nr. 2021; zu § 419 BGB a.F. RG SeuffA 93 (1939), Nr. 47; BGH NJW 1957, 420; 1984, 793, 794; zu § 133 UmwG BGH NJW 2001, 1217, 1218; aus dem Schrifttum Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 33; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 57; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 6; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 37; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 10; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 99 Rn. 8; U. Gottwald, JA 1999, 486, 487; Schilken, Veränderungen, S. 41 f.; Zeuner, FS Schwab, S. 575, 579 f.; a.A. Oertmann, JR 1932, 193, 194. 99 RGZ 102, 177, 179 ff.; 103, 349, 350 f.; BGH WM 1965, 680; Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 34; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, § 325 Rn. 68; Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 566 Rn. 63; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 39; Schilken, Veränderungen, S. 44 f. 100 BAG NZA 1994, 260, 261; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 34; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, § 325 Rn. 68; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 39; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 33; Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 613a Rn. 215; a.A. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 5; differenzierend Grunsky, ZZP 102 (1989), 125, 127 f.; Schilken, Veränderungen, S. 44; Zeuner, FS Schwab, S. 575, 578 ff. 101 BGHZ 61, 140, 142; BGH MDR 1975, 300, 301; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 33; Merle, JA 1983, 626, 629; Maurer, Schuldübernahme, S. 228; Schilken, Veränderungen, S. 20 ff. 102 BGHZ 61, 140, 142 f.; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 33; Bydlinski, in: MünchKommBGB, Vor § 414 Rn. 3; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 6; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 36; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 5a; Rieble, in: Staudinger,
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
schließlich habe jede andere Position mit kaum lösbaren vollstreckungsrechtlichen Schwierigkeiten zu kämpfen103. Diese Argumentation vermag den Ausschluss des § 265 ZPO im Hinblick auf die privative Schuldübernahme indes nicht zu tragen104. Vielmehr kommt es auch bei der befreienden Schuldübernahme zu einem Wechsel der Sachlegitimation. Sie fällt daher in den Anwendungsbereich des § 265 ZPO (1.). Gleiches gilt in konsequenter Fortentwicklung dieses Ansatzes für die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme (2.), während der Schuldbeitritt die Sachlegitimation der anderen Prozesspartei unberührt lässt (3.).
1. Privative Schuldübernahme Im Ausgangspunkt ist unbestritten, dass die privative Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB zu einem Wechsel der Sachlegitimation des beklagten (Alt-) Schuldners führt; nach dem Schuldnerwechsel ist er nicht länger passivlegitimiert105. Folgt man dem eingangs anhand des Schutzzwecks des § 265 ZPO herausgearbeiteten Abgrenzungskriterium der veränderten Sachlegitimation106, handelte es sich auch bei der befreienden Schuldübernahme um eine Nachfolge im zivilprozessualen Sinne. Durch diese Interpretation wird sichergestellt, dass der Rechtsstreit mit dem Altschuldner fortgeführt werden kann. Das dient wiederum den berechtigten Interessen des Forderungsgläubigers. In seinem Interesse bleiben trotz Schuldnerwechsel die Prozesslage und bereits erzielte Prozessergebnisse erhalten und können im weiteren Verfahrensverlauf verwertet werden. Dadurch wird implizit verhindert, dass der Gläubiger einen zeit- und kostenträchtigen zweiten Rechtsstreit gegen den Schuldübernehmer führen muss, in dem die im Ausgangsverfahren erfolgten Verhandlungen und Beweisaufnahmen wiederholt werden müssen. Eine solche Prozessdopplung zu vermeiden und damit zugleich die Gerichte zu entlasten, liegt nicht nur im Interesse der gegnerischen Prozesspartei, sondern dient gleichermaßen einer pro103 BGB, § 414 Rn. 88; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 7; U. Gottwald, JA 1999, 486, 487; Merle, JA 1983, 626, 629 f.; Maurer, Schuldübernahme, S. 228; Schilken, Veränderungen, S. 26 f., 36; Spierling, Rechtsnachfolger, S. 31. 103 BGHZ 61, 140, 143 f.; Merle, JA 1983, 626, 630; Zeiss, JR 1974, 157; Maurer, Schuldübernahme, S. 228 f.; Schilken, Veränderungen, S. 31 ff. 104 KG JW 1938, 1916; OLG Schleswig JZ 1959, 668 f. (jeweils zu § 727 ZPO); Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 12, § 325 Rn. 37; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 325 Rn. 24 f.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 27 IV; Grunsky, ZZP 102 (1989), 125, 126 f.; Loritz, ZZP 95 (1982), 310, 334 f.; Schwab, ZZP 87 (1974), 97 f.; Oertmann, JR 1932, 193, 195 f.; Bettermann, Vollstreckung, S. 72, 74 ff., 128 ff., 134 f.; Calavros, Urteilswirkungen, S. 62 ff., 81 f.; Hellwig, Wesen, S. 317 ff.; grundsätzlich auch Schink, Jura 1985, 291, 294. 105 Besonders klar Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 5, der selbst der h.M. anhängt; ebenso Merle, JA 1983, 626, 629; Schilken, Veränderungen, S. 21, 26; für die Gegenauffassung Schwab, ZZP 87 (1974), 97; Bettermann, Vollstreckung, S. 72 f., 134; Calavros, Urteilswirkungen, S. 63. 106 Siehe oben § 19 III.; speziell in diesem Kontext Schwab, ZZP 87 (1974), 97.
IV. Schuldübernahme
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zessökonomischen Verfahrensführung. Da die Regelungsziele des § 265 Abs. 2 ZPO hiernach allesamt einschlägig sind, findet nach zutreffender Auffassung auch bei der privativen Schuldübernahme eine personenidentische Fortführung des Rechtsstreits statt. a) Bedeutung des Gesetzeswortlauts Dem steht auch nicht entgegen, dass die Schuldübernahme im Gesetzestext keine Erwähnung findet, hat die Untersuchung von Normzweck und Anwendungsbereich doch ergeben, dass § 265 ZPO grundsätzlich alle Fälle der materiellrechtlichen Sukzession erfasst, solange nur ein Wechsel in der Sachlegitimation stattfindet107. Hiergegen kann auch nicht eingewendet werden, bei den bisher angeführten Fallkonstellationen handele es sich um Rechtsübergänge, während bei der Schuldübernahme eine Nachfolge in die Pflichtenstellung einer Prozesspartei in Rede stehe. Bereits Karl August Bettermann spricht in diesem Zusammenhang zutreffend davon, dass es sich bei der hierauf verweisenden Argumentation der herkömmlichen Auffassung um ein „Musterbeispiel(…) begriffsjuristischer Methode“ handele, und geißelt diese Begründung als „Wortund Begriffsspalterei“108. Dass auch eine Differenzierung danach, ob die Nachfolge in das Aktiv- oder Passivvermögen erfolgt, einer inneren Rechtfertigung entbehrt, belegt außerdem der Umstand, dass die h.M. zumindest in den Fällen der gesetzlichen Schuldübernahme von einer zivilprozessualen Nachfolge iSd. § 265 ZPO ausgeht109. Und schließlich verbürgt § 727 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit der Titelumschreibung für den „Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners“ und impliziert hiermit die rechtliche Zulässigkeit einer Nachfolge in die Verpflichtung des Schuldners nach Maßgabe der §§ 265, 325 ZPO110. Deshalb sind sämtliche Versuche, den prozessualen Nachfolgebegriff auf den Erwerb von Rechtspositionen zu beschränken und den Übergang von Schuldpositionen auszuklammern, von vornherein zum Scheitern verurteilt. b) Zustimmung des Forderungsgläubigers Der Anwendung des § 265 ZPO auf die privative Schuldübernahme steht auch nicht die Mitwirkung des Gläubigers gem. §§ 414, 415 BGB entgegen. Insbesondere entfällt aufgrund der für den Schuldnerwechsel notwendigen Zustimmung nicht per se dessen prozessuales Schutzbedürfnis. Das zeigt sich besonders deutlich in der Konstellation, dass der Gläubiger bereits bei Vertragsabschluss mit dem Schuldner in materiellrechtlich einwandfreier Weise111 seine 107
Siehe nochmals oben § 19 II. Bettermann, Vollstreckung, S. 128. 109 Siehe oben Fn. 99 und 100. 110 So auch Hellwig, Wesen, S. 320; im Ergebnis ebenso Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 88. 111 Zur Zulässigkeit der gläubigerseitigen Einwilligung siehe ausf. oben § 15 IV. 3. 108
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
Einwilligung zur späteren Schuldübertragung erteilt hat112. Auch wenn sich der Gläubiger hier freiwillig für eine gesteigerte Verkehrsfähigkeit der Verbindlichkeit entschieden hat, gibt dies dem Schuldner keinen Freibrief, sich eines unliebsamen Prozesses, in dem seine Verurteilung womöglich kurz bevorsteht, durch privative Schuldübernahme zu entziehen und so die Früchte der bisherigen Prozessführung zu vernichten. Ein dahingehendes Interesse des Schuldners ist nicht als schutzwürdig anzuerkennen und kann auch nicht damit begründet werden, der Gläubiger habe seine Zustimmung zum Schuldnerwechsel zu einem früheren Zeitpunkt erteilt. Dem Gläubiger zu unterstellen, er habe durch die Einwilligung auch auf die in einem etwaigen Prozess gewonnenen, für ihn günstigen Prozessergebnisse verzichten wollen, läuft auf eine unzulässige Fiktion hinaus. Aber auch aus einer erst während des Rechtsstreit erteilten Genehmigung, die nun einmal materiellrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die befreiende Schuldübernahme ist, kann nicht auf den Willen des Gläubigers geschlossen werden, er nehme die Beendigung des Zivilprozesses mit dem Altschuldner billigend in Kauf113. Nach alldem ist es daher nicht gerechtfertigt, den Gläubiger darauf zu verweisen, seine Klage (mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO) zurückzunehmen, die Hauptsache für erledigt zu erklären oder für einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zu sorgen114, was ihm nicht eben leichtfallen dürfte. In jedem Fall kann der Gläubiger eine Verurteilung des Schuldübernehmers nur durch Erhebung einer zweiten Klage erreichen. Das verursacht unnützen zeitlichen und finanziellen Aufwand und beeinträchtigt damit das berechtigte Interesse des Forderungsgläubigers, an einer Freihaltung von sämtlichen mit der Schuldübernahme verbundenen Rechtsnachteilen. Zudem beeinträchtigen solche unnötigen Doppelprozesse das überindividuelle Interesse an einer prozesswirtschaftlichen Verfahrensführung. Selbst wenn man also dem Gläubiger aufgrund seiner Zustimmungserteilung zur Schuldübernahme die Schutzwürdigkeit absprechen wollte, verlangt das Interesse der Prozessökonomie nach einer Fortführung des Rechtsstreits mit dem Altschuldner115. Andernfalls würde ein zentrales Regelungsziel des § 265 Abs. 2 ZPO grandios verfehlt. Denn die bisher erzielten Prozessergebnisse gingen unwiederbringlich verloren: Geständnisse wären wertlos, Beweisaufnahmen müssten wiederholt werden und auch auf verspätetes Vorbringen des Beklagten könnte sich der Gläubiger in dem späteren Prozess nicht mehr berufen116. Die damit verbundene zusätzliche Belastung der forensischen Praxis wird durch die Anwendung des § 265 ZPO leicht vermieden. 112
Zur Vertragsübernahme ähnlich Klimke, Vertragsübernahme, S. 338. In diese Richtung argumentieren auch Oertmann, JR 1932, 193, 195 f.; Bettermann, Vollstreckung, S. 134 f.; a.A. Weiskopf, Rechtsnachfolge, S. 88 f.; dagegen auch Schilken, Veränderungen, S. 28 f. 114 Zu den in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsfragen siehe unten § 19 VI. 6. 115 Im Ergebnis auch KG JW 1938, 1916; Oertmann, JR 1932, 193, 195; Calavros, Urteilswirkungen, S. 63 f.; Schwab, ZZP 87 (1974), 97, 98; a.A. Schilken, Veränderungen, S. 30 f. 116 Vgl. auch Grunsky, ZZP 102 (1989), 125, 127. 113
IV. Schuldübernahme
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Vor diesem Hintergrund kann es letztlich auch nicht überzeugen, wenn ein Teil der h.M. argumentiert, bei der privativen Schuldübernahme fehle es an der Nachfolge in das Haftungsvermögen117. Zunächst ist es für die Einordnung eines Vorgangs als Nachfolge ohne Belang, ob der Nachfolger Haftungsvermögen des Vorgängers übernimmt oder nicht. Auch die privative Schuldübernahme ist durch den historischen BGB-Gesetzgeber als Sukzession und reines Verfügungsgeschäft ausgestaltet worden118. Diese materiellrechtliche Einordnung entfaltet Ausstrahlungswirkung auch auf das Prozessrecht und namentlich die Schutzwürdigkeit des Forderungsgläubigers und eine prozessökonomische Behandlung von Sukzessionsvorgängen. In diesem Sinne vermag die h.M. keinen überzeugenden Zusammenhang zwischen der fehlenden Nachfolge in Haftvermögen und einer niedrigeren Schutzwürdigkeit des Gläubigers herzustellen, von den bereits erwähnten Gesichtspunkten einer wirtschaftlichen Prozessführung ganz zu schweigen. c) Rechtsökonomische Erwägungen Für die hiesige Auffassung sprechen weiterhin rechtsökonomische Erwägungen. Es ist das erklärte Ziel des § 265 ZPO, die Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen auch während anhängiger Rechtsstreitigkeiten zu gewährleisten. Dies geschieht zum einen durch die Aufrechterhaltung der ungehinderten Verfügungsberechtigung von Prozessparteien (§ 265 Abs. 1 ZPO). Zum anderen schafft aber auch § 265 Abs. 2 ZPO einen Anreiz zur Übertragung von Vermögenspositionen, weil die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands zu einer Fortsetzung des einmal begonnenen Rechtsstreits führt und verhindert wird, dass bisher erzielte Prozessergebnisse verlustig gehen und die juristische Auseinandersetzung in einem Folgeprozess nochmals von neuem aufgerollt werden muss. In diesem Sinne bedeutete es eine veritable Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit von Schuldpositionen, führte die während eines Zivilprozesses erteilte Zustimmung des Gläubigers im Regelfall zur Beendigung des Verfahrens. Der Gläubiger würde damit vor die Wahl gestellt, entweder auf eine für ihn – etwa wegen der besseren Solvenz des Übernehmers – wirtschaftlich vorteilhafte Transaktion zu verzichten und damit einen erwarteten Gewinn nicht zu realisieren oder aber zusätzliche Transaktionskosten billigend in Kauf zu nehmen, die sich zum einen aus der Beendigung des Ausgangsverfahrens und der Durchführung eines Folgeprozesses gegen den Neuschuldner oder zum anderen aus der Notwendigkeit ergeben können, den Übernehmer zu einem gewillkürten Parteiwechsel zu bewegen. Bringt man mit der hier befürworteten Auffassung § 265 ZPO auch auf die befreiende Schuldübernahme zur Anwendung, fallen die genannten Zusatzkosten von vornherein nicht an. 117 So insbesondere Henckel, Parteilehre, S. 166 f. iVm. S. 52 ff.; ders., ZZP 88 (1975), 329; dem folgend Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 443; Schilken, Veränderungen, S. 23. 118 Siehe oben § 4 II. 5. b) aa).
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
d) Vergleich zum Schuldbeitritt Auch können aus der Einordnung des Schuldbeitritts, den die h.M. richtigerweise nicht unter § 265 ZPO subsumiert119, keine Rückschlüsse für die befreiende Schuldübernahme gezogen werden. Fehl geht insbesondere der Hinweis, wenn man den Schuldübernehmer als Nachfolger iSd. § 265 ZPO ansähe, müsste auch die kumulative Schuldübernahme eine Verfahrensfortführung mit dem Altschuldner nach sich ziehen120. Der maßgebliche Unterschied zwischen beiden Varianten der Schuldübernahme liegt nämlich darin, dass es sich beim Schuldbeitritt gerade um keine Sukzession handelt, sondern um eine Akzession, die unter Aufrechterhaltung der Verbindlichkeit des Altschuldners eine zusätzliche Verpflichtung des Beitretenden zum Gegenstand hat. Dementsprechend führt eine kumulative Schuldübernahme – anders als die befreiende Variante – auch nicht zu einem Wechsel der Sachlegitimation des Altschuldners121. Weil der Beitretende unstreitig nicht Nachfolger des Altschuldners ist, verbietet es sich, aus der – zutreffenden – Behandlung des Schuldbeitritts durch die h.M. Rückschlüsse für die privative Schuldübernahme zu ziehen. e) Einwendungen des Schuldübernehmers Zudem kann gegen die Anwendung des § 265 ZPO auch nicht eingewendet werden, der im Prozess verbleibende Altschuldner könne die dem Übernehmer nach materiellem Recht zustehenden Einwendungen nach dem hiesigen Ansatz durch Ausübung seiner prozessualen Befugnisse entwerten122. Denn zum einen handelt es sich bei dieser Problematik um ein allgemeines Rechtsproblem der Prozessstandschaft und des hieraus resultierenden Spannungsverhältnisses zwischen materiellem Recht und Prozessrecht123. Da das Problem nicht auf die Schuldnachfolge beschränkt ist, sondern bei allen Nachfolgesachverhalten auftaucht, eignet es sich schwerlich als Argument gegen die Anwendung des § 265 ZPO gerade auf die befreiende Schuldübernahme. Zum anderen sind auf Grundlage der hier – entgegen der herkömmlichen Auffassung – befürworteten Unbeachtlichkeitslehre124 ohnehin alle persönlichen Einwendungen des Nachfolgers aus dem Hauptverfahren auszuklammern und der Erwerber insofern auf das Instrument der Vollstreckungsgegenklage zu verweisen125. Nur auf diese Weise lässt sich der Konflikt zwischen materiellem und Prozessrecht zu einem angemessenen Ausgleich bringen.
119 120 121 122 123 124 125
Siehe oben Fn. 98 und unten § 19 IV. 3. So aber Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 32. Näher unten § 19 IV. 3. So aber Spierling, Rechtsnachfolger, S. 31. Dazu eingehend unten § 19 VI. 1. Siehe unten § 19 VI. 1. b). Dazu unten § 19 VI. 1. b) dd).
IV. Schuldübernahme
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f) Vollstreckung gegen den Schuldübernehmer Als lösbar erweisen sich schließlich auch die von der h.M. postulierten Probleme im Rahmen der Vollstreckbarkeit eines gegen den Altschuldner erstrittenen Urteils. Richtig ist zunächst, dass der Klageantrag des Gläubigers durch den Schuldnerwechsel unberührt bleibt. Das entspricht der hier vertretenen Unbeachtlichkeitslehre126. In der Konsequenz wird der Altschuldner zur Leistung verurteilt, obgleich er nach der befreienden Schuldübernahme nicht länger passivlegitimiert ist. An diesem Ergebnis stößt sich die h.M. und sucht den Altschuldner vor einer ungerechtfertigten Vollstreckung zu schützen, indem sie die befreiende Schuldübernahme insgesamt aus dem Anwendungsbereich des § 265 ZPO ausklammert. Damit schießt die h.M. freilich weit über das zum Schutz berechtigter Altschuldnerinteressen erforderliche Maß hinaus. Denn der Altschuldner braucht auf der Grundlage des hiesigen Lösungsvorschlags keine Vollstreckung gegen sich zu befürchten: Zum einen wird der Gläubiger, der typischerweise aufgrund der besseren Bonität des Übernehmers dem Schuldnerwechsel zugestimmt hat, ohnehin gegen den Neuschuldner vorgehen, indem er das Urteil gem. §§ 727, 325 ZPO auf diesen umschreiben127 und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Altschuldner von vornherein unterbleiben lässt. Zum anderen kann sich der Altschuldner gegen Vollstreckungsversuche im Wege der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO zur Wehr setzen, indem er sich auf den nachträglichen Wegfall der Verbindlichkeit beruft128. Ist die befreiende Schuldübernahme nämlich wirksam erfolgt, kann der Altschuldner einwenden, der im Urteil gegen ihn titulierte Anspruch entbehre nach materiellem Recht eines tragfähigen Fundaments. Obgleich die Einwendung bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand, ist die Vollstreckungsgegenklage nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert129. Die Präklusionsregel soll verhindern, dass Einwendungen, die bereits im Erkenntnisverfahren hätten vorgetragen werden können, später im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden und auf diese Weise die Rechtskraft des erstrittenen Urteils beeinträchtigen130. Auf Grundlage des hiesigen Lösungsansatzes ist es dem Altschuldner indes verwehrt, den Verlust seiner Passivlegitimation im Erkenntnisverfahren geltend zu machen. Daran ist er nach Maßgabe des § 265 ZPO wirksam gehindert, weil das Verfahren zugunsten 126
Siehe unten § 19 VI. 1. b). Zur Bedeutung des § 325 ZPO in diesem Zusammenhang insbesondere Bettermann, Vollstreckung, S. 72 ff., 128 ff., 134 ff.; dagegen Schilken, Veränderungen, S. 32 f. 128 So auch Grunsky, ZZP 102 (1989), 125, 126 f. – Auf den „zweifelhaften Weg des § 826 BGB“ ist der Altschuldner daher nicht angewiesen; so aber Zeiss, JR 1974, 157; Merle, JA 1983, 626, 630; selbst diese Möglichkeit ablehnend Schilken, Veränderungen, S. 34. 129 So aber Zeiss, JR 1974, 157; Schilken, Veränderungen, S. 34; wie hier aber zutreffend Grunsky, ZZP 102 (1989), 125, 127. 130 Zum Normzweck des § 727 Abs. 2 ZPO näher Kindl, in: Hk-ZPO, § 727 Rn. 1; Kroppenberg, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 727 Rn. 1; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 727 Rn. 1; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 727 Rn. 1; Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 1 ff. 127
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
der gegnerischen Prozesspartei und im Interesse einer prozesswirtschaftlichen Verfahrensführung mit ihm fortgesetzt wird. Kann der Altschuldner den Verlust der Passivlegitimation bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung nicht vorbringen, ist die Einwendung des materiellrechtlichen Schuldnerwechsels in teleologischer Reduktion des § 767 Abs. 2 ZPO auch nicht präkludiert und kann dem Forderungsgläubiger im Wege der Vollstreckungsgegenklage wirksam entgegengehalten werden. Dieser Lösungsansatz wird den Interessen der Beteiligten am besten gerecht, weil er dem Gläubiger die Früchte der bisherigen Prozessführung erhält und den Altschuldner im Gegenzug vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme durch den Gläubiger schützt.
2. Vertragsübernahme Zur zivilprozessualen Behandlung der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme fehlt es bisher an einer vertieften Diskussion. Inhaltlich ist das Meinungsspektrum allerdings durchaus breit gefächert131. Wer mit der hier vertretenen Auffassung § 265 ZPO auch auf die befreiende Schuldübernahme anwendet, gelangt in konsequenter Fortschreibung dieses Ansatzes bei der Vertragsübernahme fast zwangsläufig zum gleichen Ergebnis132. Auf Grundlage der ablehnenden h.M. sind die Meinungen geteilt. Zum Teil wird die Argumentation der h.M. zur Schuldübernahme auf die gesamte Vertragsübernahme erstreckt und sowohl für Klagen des ausscheidenden wie auch für Klagen des verbleibenden Teils eine Fortsetzung des Rechtsstreits mit der ursprünglichen Prozesspartei abgelehnt133. Andere übertragen umgekehrt die für die Forderungsabtretung geltenden Wertungen auf die Vertragsübernahme und gelangen zu einer Verfahrenskontinuität134. Vertreten wird schließlich noch ein differenzierender Ansatz, der zwar für Klagen des ausscheidenden Teils die Anwendung des § 265 ZPO annimmt, sie aber für Klagen des verbleibenden Teils unter Hinweis auf die Nähe zur Schuldübernahme ablehnt135. Die mit Blick auf die Vertragsübernahme zum Vorschein kommenden Schwierigkeiten sind ein weiterer Beleg für die mangelnde Überzeugungskraft der zur befreienden Schuldübernahme vertretenen h.M. Die herkömmliche Position sieht sich für die Vertragsübernahme nämlich vor die Schwierigkeit gestellt, dass eine Aufspaltung der einheitlich übertragenen Vertragsposition in einen Forderungs- und einen Schuldteil zu wenig interessengerechten Ergebnissen führt. Die hieraus resultierenden Schwierigkeiten suchen die Vertreter der ablehnenden Auffassung durch vereinheitlichende Ansätze respektive differenzierende Lösungen zu kaschieren. Auf Grundlage der hier befürworteten Auffassung 131 132 133 134 135
Siehe auch Klimke, Vertragsübernahme, S. 336 f. Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 22 VIII. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 139. Schilken, Veränderungen, S. 40. Klimke, Vertragsübernahme, S. 337 ff.
IV. Schuldübernahme
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sind solche Winkelzüge entbehrlich. Anerkennt man die uneingeschränkte Geltung des § 265 ZPO zugrunde liegenden Regelungsgedankens auch für die privative Schuldübernahme, ist es nur systemkonform und wertungskohärent, die nämlichen Grundsätze auch auf die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme anzuwenden. Hierdurch wird nicht nur eine einheitliche Behandlung von vor Übernahme erhobenen Klagen sichergestellt. Stattdessen werden gleichermaßen die berechtigten Interessen des jeweiligen Prozessgegners geschützt. Ihm bleiben die erzielten Prozessergebnisse ebenso erhalten, wie auch den an der Vertragsübernahme beteiligten Parteien. Zudem werden unnötige Doppelprozesse vermieden und hierdurch ein Beitrag zur ökonomischen Verfahrensführung geleistet.
3. Schuldbeitritt Von der privativen Schuld- und Vertragsübernahme ist der Schuldbeitritt streng zu unterscheiden. Schon im materiellrechtlichen Sinne kommt es beim Schuldbeitritt zu keinem Schuldübergang. Vielmehr übernimmt der Beitretende gegenüber dem Gläubiger eine zusätzliche, neben die ursprüngliche Verbindlichkeit tretende Verpflichtung. Es handelt sich um eine Akzession, nicht aber um eine Sukzession nach materiellem Recht136. Da die Verpflichtung des Altschuldners von der kumulativen Schuldübernahme unberührt bleibt, kommt es auch nicht zu dem für die Anwendung des § 265 ZPO nach allgemeinen Grundsätzen notwendigen Wechsel der Sachlegitimation. Für die Anwendung des § 265 ZPO ist im Ergebnis kein Raum, weil der Altschuldner auch weiterhin passivlegitimiert ist137. Dieses Ergebnis wird weiterhin gestützt durch die Wertung des § 325 Abs. 1 ZPO iVm. § 425 Abs. 2 BGB. Da zwischen Altschuldner und Beitretendem ein Gesamtschuldverhältnis besteht, wirkt ein rechtskräftiges Urteil auch nur in der Person des als Prozesspartei agierenden Gesamtschuldners. Wenn nun das in einem Prozess gegen den Altschuldner erstrittene Urteil nur für diesen wirkt; eine Rechtkrafterstreckung auf den Beitretenden nach § 425 Abs. 2 BGB aber ausdrücklich ausscheidet, kommt auch eine Anwendung des § 265 ZPO nicht in Betracht. Das entspricht im Ergebnis auch dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 3 ZPO138. Und schließlich spricht gegen die Anwendung des § 265 ZPO auf den Schuldbeitritt noch § 729 ZPO, der eine vollstreckungsrechtliche Spezi136
Siehe oben § 2 III. 3. Das ist heute im Ergebnis unstreitig; für die h.M. siehe oben Fn. 98; ebenso der – vorzugswürdige – abweichende Ansatz: OLG Schleswig JZ 1959, 668 f.; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 12; Schink, Jura 1985, 291, 294; Calavros, Urteilswirkungen, S. 63; offenbar ebenso Grunsky, ZZP 102 (1989), 125, 127; im Grundsatz auch Bettermann, Vollstreckung, S. 135 ff., der aber für eine erweiterte Rechtskrafterstreckung nach § 325 Abs. 1 ZPO eintritt; a.A. noch Hellwig, Wesen, S. 319 ff., 322. 138 Dazu eingehend unten § 19 VI. 5. 137
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
alvorschrift für die Vermögensübernahme enthält und dem nur dann ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt, wenn solche Fälle vom Begriff der Rechtsnachfolge iSd. § 727 ZPO nicht erfasst sind139.
V. Rechtsgeschäftliche Universalsukzession Den zivilprozessualen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession kann man sich aus verschiedenen Richtungen nähern. Nimmt man das materielle Recht als Ausgangspunkt, stößt man schnell an Grenzen. Denn die Vorschriften des geltenden Umwandlungsrechts, die aufgrund ihrer praktischen und rechtsdogmatischen Bedeutung nachfolgend im Mittelpunkt stehen sollen, treffen weder über das Schicksal anhängiger Zivilverfahren noch über die prozessuale Rechtsstellung der an der Umwandlungsmaßnahme Beteiligten ausdrückliche Regelungen. Stattdessen ordnen §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG lediglich die Nachfolge in bestimmte Vermögenspositionen an. Was mit Prozessrechtsverhältnissen geschieht, ist bis heute weitgehend ungeklärt. Nahezu einig ist man sich lediglich darüber, dass Prozessrechtsverhältnisse dem Vermögensbegriff des UmwG nicht unterfallen140. Damit steht für die Behandlung des Rechtsproblems zumindest fest, dass eine Lösung nicht im materiellen Umwandlungsrecht, sondern im allgemeinen Zivilverfahrensrecht zu suchen ist. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die bereits141 angesprochene Abgrenzung zwischen einer personenidentischen Fortführung des Rechtsstreits nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO und einem obligatorischen Parteiwechsel, wie er in den Fällen des § 239 ZPO erfolgt. Greift man die hierzu entwickelten Grundsätze wieder auf, finden die Sukzessionsschutzmechanismen des § 265 Abs. 2 ZPO auch außerhalb der Singularsukzession Anwendung, soweit nur der übertragende Rechtsträger aufgrund rechtsgeschäftlicher Universalsukzession nicht ersatzlos wegfällt. Nur wenn der übertragende Rechtsträger die Umwandlungsmaßnahme unbeschadet übersteht, kann er auch weiterhin als gesetzlicher Prozessstandschafter den Rechtsstreit mit der Gegenpartei fortführen. Gerät der Übertragende hingegen in Wegfall, fehlt es neben einem obligatorischen Parteiwechsel an einer tauglichen Alternative. Der übernehmende Rechtsträger ist in diesem Fall gezwungen, den begonnenen Rechtsstreit mit der gegnerischen Prozesspartei zu Ende zu führen.
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So auch Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 57. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 88; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 61; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 441 f.; Meyer, JR 2007, 133, 135; Hennrichs, Formwechsel, S. 136; abweichend (für eine Übertragbarkeit von Prozessrechtsverhältnissen) Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 39; ders., Konzern 2003, 373, 377. 141 Siehe oben § 19 II. 4. 140
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1. Verschmelzung und Aufspaltung a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Dementsprechend kommt § 265 ZPO nach heute einhelliger Auffassung nicht zur Anwendung, wenn die rechtsgeschäftliche Gesamtnachfolge – wie in den Fällen der Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG) und Aufspaltung (§§ 123 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG) – zum liquidationslosen Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers führt142. Heftig gestritten wird indes darüber, ob der universalsukzessive Rechtsübergang analog § 239 ZPO143 oder § 241 ZPO144 eine obligatorische Unterbrechung des Verfahrens nach sich zieht, oder aber der übernehmende Rechtsträger den Prozess des übertragenden ohne Unterbrechung übernimmt145. Die zuletzt angeführte Ansicht stellt insbesondere die Unterschiede zwischen der erbrechtlichen Nachfolge und der Universalsukzession nach dem UmwG heraus: Während der Tod einer natürlichen Person typischerweise überraschend eintrete146, der Erbe sich zunächst mit dem Verfahren vertraut machen müsse und deshalb eine Unterbrechung des Verfahrens angezeigt sei, handele es sich bei Verschmelzung und Aufspaltung keineswegs um unerwartete Ereignisse. Sie kämen allesamt auf (umwandlungs-)vertraglicher Grundlage zustande und beruhten daher auf einer bewussten Willensentscheidung der an der Umwandung beteiligten Rechtsträger, so dass es einer Unterbrechung des Verfahrens von vornherein nicht bedürfe. b) Stellungnahme Diese Argumentation greift mit Blick auf das Regelungsziel des § 239 ZPO indes wesentlich zu kurz. Richtig ist zwar, dass der übernehmende Rechtsträger, der als neue Partei in das Prozessrechtsverhältnis eintritt, in die Nachfolgepla142
Vgl. nur Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 25. Vgl. RGZ 56, 331, 332; BGHZ 157, 151, 154 f.; BAGE 121, 168 Tz. 15; OLG München DB 1989, 1918; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 25; Gehrlein, in: MünchKommZPO, § 239 Rn. 15 f.; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 239 Rn. 6; Greger, in: Zöller, ZPO, § 239 Rn. 6; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 239 Rn. 6; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 25; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 64; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 6; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 239 Rn. 5; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 20 Rn. 38; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 258; Wöstermann, in: Saenger, ZPO, § 239 Rn. 2; Stöber, NZG 2006, 574 f. 144 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 46 II 3 a aa; ders., FS Henckel, S. 749, 767; dem folgend Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 239 Rn. 3. 145 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 55; Feiber, in: MünchKommZPO, 2. Aufl., § 239 Rn. 17; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 131 Rn. 90; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 66; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 163; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 32, § 131 Rn. 37; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 63, 64 a.E.; Meyer, JR 2007, 133, 134 f.; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 283 f.; Hahn, Grenzen, S. 192; Hennrichs, Formwechsel, S. 85; Marx, Auswirkungen, S. 75; vgl. bereits Bunsen, ZZP 26 (1899), 197, 309. 146 Feiber, in: MünchKommZPO, 2. Aufl., § 239 Rn. 17 zitiert Schiller: „Rasch tritt der Tod den Menschen an, es ist ihm keine Frist gegeben“. 143
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nung des erloschenen Rechtsträgers typischerweise einbezogen ist. Indes ist keineswegs ausgeschlossen, dass im Zuge der Gesamtnachfolge gleichwohl prozessualer Anpassungsbedarf entsteht, der sich im Vorfeld der Transaktion nicht ausmachen ließ. Ebenso denkbar ist es, dass dem übernehmenden Rechtsträger das fragliche Prozessrechtsverhältnis schlicht unbekannt geblieben ist. Der in Streit befangene Gegenstand geht bekanntlich auch dann auf den übernehmenden Rechtsträger über, wenn ihm dessen Existenz bei Abschluss des Umwandlungsvertrags nicht bewusst war147. Aber selbst wenn der laufende Prozess bekannt war, wird der übernehmende Rechtsträger typischerweise keine umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangen, solange die Verschmelzung noch nicht rechtswirksam vollzogen ist. Das alles gilt umso mehr für Umwandlungen zur Neugründung, da die übernehmenden Rechtsträger vor der Umwandlungsmaßnahme noch gar nicht existieren148. Dies alles spricht dafür, dem übernehmenden Rechtsträger – gleich dem Erben – mittels Verfahrensunterbrechung eine für die Einarbeitung notwendige Karenzzeit zu gewähren. Davon abgesehen fokussiert § 239 ZPO nicht allein auf die Interessen der neuen Prozesspartei, sondern auch auf die Belange des Prozessgegners und des Gerichts149. Beide Interessenträger haben auch in Umwandlungsfällen ein veritables Interesse daran, sich auf die veränderte Sach-, Rechts- und Prozesslage einstellen zu können. Die Unterbrechung des Rechtsstreits dient damit maßgeblich den berechtigten Interessen der gegnerischen Prozesspartei und bedeutet ein weiteres Mosaikstück im Gesamtsystem des prozessualen Sukzessionsschutzes. Wenn infolge des Wegfalls des übertragenden Rechtsträgers das Zivilverfahren schon nicht mit der bisherigen Prozesspartei gem. § 265 Abs. 2 ZPO fortgeführt werden kann, dann muss der Prozessgegner mittels Unterbrechung analog § 239 ZPO zumindest Gelegenheit erhalten, sich auf die neue Prozesspartei sowie die veränderten Rahmenbedingungen des Rechtsstreits einzustellen. Gleiches gilt im Interesse einer prozessökonomischen Verfahrensführung auch für den erkennenden Spruchkörper. Hinzu kommt, dass die unmittelbare Anwendung des § 239 ZPO nicht voraussetzt, dass tatsächlich ein besonderer Prüf- und Anpassungsbedarf besteht. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift für den Fall, dass die Person des Nachfolgers unzweifelhaft ist und auch ansonsten kein Anlass für eine Unterbrechung besteht, wird weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum vertreten. Vielmehr geht es § 239 ZPO um den Schutz vor einer potenziellen Gefahr, die sich aus einem Gesamtnachfolgevorgang ergeben kann und die – möge sie auch graduell weniger gewichtig ausfallen – gleichermaßen beim Tod einer
147
Siehe oben § 16 II. 1. Vgl. Stöber, NZG 2006, 574, 575. 149 Zum Folgenden schon zutreffend Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 5. Allgemein zum hier vertretenen Verständnis des § 239 ZPO nach h.M. oben § 19 II. 4. a). 148
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Partei und bei einer Gesamtnachfolge unter Wegfall des übertragenden Rechtsträgers eintreten kann. Wenn die Gegenauffassung schließlich betont, §§ 239 ff. ZPO seien Ausnahmevorschriften, die einer Analogiebildung nicht ohne weiteres zugänglich seien150, dann wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch Ausnahmevorschriften im Rahmen ihres begrenzten Normzwecks eine Analogiebildung durchaus zulassen, soweit nur eine vergleichbare Interessenlage besteht151. Dass die Interesselage in den Fällen der erbrechtlichen und der umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolge tatsächlich vergleichbar ist, ergibt sich namentlich aus der besonderen Schutzbedürftigkeit der gegnerischen Prozesspartei, so dass sich auch aus rechtsmethodischer Perspektive keine durchgreifenden Bedenken gegen die analoge Anwendung des § 239 ZPO ergeben. Zum Ergebnis einer obligatorischen Verfahrensunterbrechung gelangt auch die Auffassung, die für eine analoge Anwendung des § 241 ZPO plädiert. Allerdings ist § 241 ZPO nach seinem Regelungszweck auf zivilprozessuale Schwierigkeiten bei der Vertretung einer Prozesspartei zugeschnitten. Solche sind im Falle der bezeichneten Umwandlungsmaßnahmen indes typischerweise nicht zu besorgen152. Darüber hinaus spricht gegen die Anwendung der Vorschrift, dass der Prozessgegner – anders als nach Maßgabe des § 239 Abs. 2–4 ZPO – keine Möglichkeit hat, die Unterbrechung aus eigener Machtvollkommenheit zu beenden und die Fortsetzung des Zivilverfahrens zu erzwingen153. Diese Rechtsfolge mag für die in § 241 ZPO geregelten Fälle einer unzureichenden Vertretung angemessen sein. Sie ist es aber nicht, wenn infolge Universalsukzession das gesamte Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht und der Übertragende in der Folge ersatzlos erlischt. c) Zivilprozessuale Implikationen Auf Grundlage der hier vertretenen Position ist das Zivilverfahren nach Wirksamwerden der Verschmelzung und Aufspaltung zunächst analog § 239 Abs. 1 ZPO zu unterbrechen. War der übertragende Rechtsträger anwaltlich vertreten, wird der Prozess analog §§ 246, 86 ZPO nicht unterbrochen. Die Parteien können allerdings die Aussetzung des Verfahrens beantragen. Bei der Verschmelzung wird der Prozess anschließend mit dem übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt. Bei der Aufspaltung richtet sich die Parteirolle 150 So Feiber, in: MünchKommZPO, 2. Aufl., § 239 Rn. 17; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 32; Meyer, JR 2007, 133, 134. 151 Siehe dazu Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn. 120; Canaris, Feststellung, S. 180 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 185 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 355 f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 489a; Bydlinski, Methodenlehre, S. 440; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 298; Würdinger, JuS 2008, 949 ff. 152 So auch Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 55; Meyer, JR 2007, 133, 134. 153 Vgl. Gehrlein, in: MünchKommZPO, § 241 Rn. 16; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 241 Rn. 1.
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nach der Vermögenszuteilung (§§ 126 Abs. 1 Nr. 9, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Neuer Kläger ist derjenige, dem der maßgebliche Teil des streitbefangenen Aktivvermögens im Spaltungsvertrag zugewiesen worden ist. Neuer Beklagter ist der Hauptschuldner, dem eine bestimmte Verbindlichkeit übertragen worden ist154. Schon aufgrund des gesteigerten Prozessrisikos werden die Mithaftenden in den Prozess nicht ipso iure einbezogen155. Ist der Gegenstand hingegen nicht einem Rechtsträger allein zugewiesen oder fehlt es überhaupt an einer Zuweisung (§ 133 UmwG), dann werden alle übernehmenden Rechtsträger als Streitgenossen am Verfahren beteiligt156.
2. Abspaltung und Ausgliederung a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Größere Schwierigkeiten bereitet die zivilprozessuale Behandlung der Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) und Ausgliederung (§ 123 Abs. 2 UmwG). Beide Spaltungsvarianten zeichnen sich dadurch aus, dass der übertragende Rechtsträger infolge des Vermögenstransfers – anders als in den vorgenannten Fällen der Verschmelzung und Aufspaltung – nicht liquidationslos erlischt, sondern auch weiterhin als Prozesspartei zur Verfügung steht. Deshalb gehen nur einzelne Stimmen analog § 239 ZPO von einem obligatorischen Parteiwechsel nebst Verfahrensunterbrechung aus157 oder plädieren für einen gesetzlichen Parteiwechsel ohne Unterbrechung des Verfahrens158. Überwiegend wird für Abspaltung159 und Ausgliederung160 hingegen die Anwendung des § 239 ZPO unter Hinweis auf den unveränderten Fortbestand der Rechts- und Parteifähigkeit des übertragenden Rechtsträgers abgelehnt161. Stattdessen befürwortet die heute herrschende Ansicht die Fortführung des Rechtsstreits nach Maßgabe des
154 So auch Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 90; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 163. 155 Dazu Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 163 iVm. Rn. 162. 156 Näher Meyer, JR 2007, 133, 135; vgl. noch Hennrichs, Formwechsel, S. 138. 157 Dafür Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 131 Rn. 131 iVm. § 20 Rn. 258; Marx, Auswirkungen, S. 75 f. 158 Meyer, JR 2007, 133, 136; Happ, GmbH, § 11 Rn. 27; Henckel, Parteilehre, S. 179 f.; Hennrichs, Formwechsel, S. 138 ff. 159 Gehrlein, in: MünchKommZPO, § 239 Rn. 17; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 7; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 444 ff.; Stöber, NZG 2006, 574, 575; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 283; Happ, GmbH, § 11 Rn. 27. 160 LAG Sachsen NZA-RR 2000, 496; Gehrlein, in: MünchKommZPO, § 239 Rn. 17; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 239 Rn. 5; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 7; Stöber, NZG 2006, 574, 575; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 283; Happ, GmbH, § 11 Rn. 28. 161 Gleiches gilt für die strukturähnlichen Fälle der Vermögensübertragung (§ 174 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UmwG); siehe dazu Gehrlein, in: MünchKommZPO, § 239 Rn. 17; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 239 Rn. 5; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 7; Stöber, NZG 2006, 574, 576.
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§ 265 Abs. 2 ZPO mit dem übertragenden Rechtsträger162. Ein gewichtiger Teil dieser Meinungsgruppe befürwortet dieses Ergebnis allerdings nur für Verfahren über ein (behauptetes) Recht des übertragenden Rechtsträgers (Aktivprozesse) und nimmt umgekehrt Verfahren über (behauptete) Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers (Passivprozesse) – in Parallele zur Argumentation der h.M. zur befreienden Schuldübernahme163 – vom Anwendungsbereich des § 265 ZPO aus164, es sei denn, es komme ausnahmsweise zu einem Wechsel der Sachlegitimation165. Und schließlich wird in Rechtsprechung166 und Schrifttum167 noch die Auffassung vertreten, Abspaltung und Ausgliederung ließen das Prozessrechtsverhältnis vollkommen unberührt, so dass der Prozess unverändert mit dem übertragenden Rechtsträger fortzuführen sei, der dabei jedoch nicht – wie nach h.M. – als gesetzlicher Prozessstandschafter des übernehmenden Rechtsträgers agiere, sondern aus eigenem Recht respektive eigener Schuld168. b) Stellungnahme Im Rahmen der eigenen Stellungnahme ist zunächst die Auffassung abzulehnen, Abspaltung und Ausgliederung führten – mit oder ohne Unterbrechung des Verfahrens – zu einem obligatorischen Parteiwechsel (aa). Im Übrigen ist streng danach zu differenzieren, ob es sich um einen Prozess über das Aktivvermögen (bb) oder einen Prozess über das Passivvermögen handelt (cc). aa) Kein obligatorischer Parteiwechsel Abzulehnen ist zunächst die Annahme eines obligatorischen Parteiwechsels, und zwar unabhängig davon, ob man analog § 239 ZPO zugleich eine obligatorische Unterbrechung des Rechtsstreits annimmt oder von einem unterbrechungslosen Verfahrensfortgang ausgeht. Gegen die Annahme des Parteiwechsels sprechen insbesondere die hiermit für die gegnerische Prozesspartei verbundenen Rechts162 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 131 Rn. 89 f.; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 10; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 63; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 153 f., 161 f.; Simon, in: KK, UmwG, § 131 Rn. 38; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 62, 64; Gutzler, Übertragungshindernisse, S. 287 f.; für Aktivprozesse auch Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 25; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 5; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 444 ff.; Stöber, NZG 2006, 574, 576. 163 Siehe oben § 19 IV. 164 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 25; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 5 f.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 5; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 443 ff.; Stöber, NZG 2006, 574, 575 f. 165 Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 455. 166 BGH NJW 2001, 1217 f.; BFH NJW 2003, 1479, 1480. 167 Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 5a; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 7. 168 K. Schmidt, FS Henckel, S. 749, 770 f. zieht in den vorliegenden Fällen die Parallele zu Firmenfortführung und Betriebsübergang, deren zivilprozessuale Einordnung indes wiederum umstritten ist.
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nachteile, die im Wege einer personenidentischen Prozessfortführung vermieden werden können. Die hiermit erzielte Verfahrenskontinuität hat namentlich den Vorteil, dass sich die Gegenpartei auf keine andere Partei einstellen muss und ihr auch kein anderer, womöglich weniger solventer Kostenschuldner aufgedrängt wird. Die Annahme eines obligatorischen Parteiwechsels kann hingegen mit einer Verschlechterung der zivilprozessualen Rechtsstellung der gegnerischen Prozesspartei verbunden sein, insbesondere was den Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger anlangt169. Die Wertungen des zivilprozessualen Identitätsprinzips und Verschlechterungsverbots sprechen daher in rechtssystematischer Hinsicht für den grundsätzlichen Vorrang einer personenidentischen Verfahrensfortführung170. Davon abgesehen hängt eine Analogiebildung zu §§ 239 ff. ZPO und anderen Fällen171 des gesetzlichen Parteiwechsels in rechtsmethodischer Hinsicht in der Luft, da es für eine analoge Anwendung der Vorschriften an einer vergleichbaren Interessenlage mangelt172. Insbesondere der naheliegende § 239 ZPO kann schwerlich im Wege der Analogiebildung auf die Fälle der Abspaltung und Ausgliederung übertragen werden, da die beiden Spaltungsvarianten – anders als der in § 239 ausdrücklich geregelte Todesfall einer natürlichen Person wie auch Verschmelzung und Aufspaltung173 – gerade nicht zum Wegfall der Rechts- und Parteifähigkeit des übertragenden Rechtsträgers führen. Unzutreffend ist es allerdings, wenn gegen die Anwendung des § 239 ZPO vorgebracht wird, der übernehmende Rechtsträger sei nicht Gesamtnachfolger des übertragenden Rechtsträgers174. Diese These geht sowohl an der materiellen Rechtslage als auch am Regelungszweck des § 239 ZPO vorbei. Zum einen findet auch in den Fällen der Abspaltung und Ausgliederung eine Universalsukzession statt, wenn auch keine totale, sondern lediglich eine partielle, die einen begrenzten Teil des Unternehmensvermögens uno actu auf den übernehmenden Rechtsträger überführt175. Die mangelnde Überzeugungskraft dieser Begründungslinie zeigt sich auch bei einem vergleichenden Blick auf die Aufspaltung. Denn auch in diesem Fall kommt es nach dem Muster der partiellen Gesamtnachfolge zu einer Übertragung von Vermögensteilen auf zwei oder mehr Rechtsträger, so dass eine Anwendung des § 239 ZPO ausscheiden müsste. Diese Konsequenz wird indes – zu Recht – nicht gezogen176.
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Dazu auch Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 447. Dazu ausf. oben § 19 II. 4. c). 171 Siehe den Überblick bei Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 42 Rn. 3 ff. 172 Im Ergebnis ebenso Meyer, JR 2007, 133, 136; Happ, GmbH, § 11 Rn. 27. 173 Siehe nochmals oben § 19 V. 1. b). 174 So Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 239 Rn. 6; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 239 Rn. 7, jeweils unter Hinweis auf BFH NJW 2003, 1479. 175 Für das materielle Recht unstreitig; siehe oben § 16 II. 2. 176 Siehe nochmals oben § 19 V. 1. 170
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bb) Prozesse über das Aktivvermögen Dementsprechend liegt es nahe, bei Prozessen über das Aktivvermögen des übertragenden Rechtsträgers für eine personenidentische Fortführung des Rechtsstreits einzutreten. Die mit einem obligatorischen Parteiwechsel (mit oder ohne Verfahrensunterbrechung) verbundenen Rechtsnachteile werden durch die Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO im Interesse eines effektiven Sukzessionsschutzes zugunsten der gegnerischen Prozesspartei vermieden. Zudem werden die bekannten Wertungen des zivilprozessualen Identitätsprinzips und des Verschlechterungsverbots gewahrt, die nicht nur im Fall der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge, sondern auch bei einer Gesamtnachfolge kraft Rechtsgeschäfts einschlägig sind177. Soweit die Gegenauffassung unter Hinweis auf die Unterschiede zwischen Singular- und Universalsukzession den Anwendungsbereich des § 265 ZPO auf Einzelnachfolgen beschränken will, verkürzt sie in unzulässiger Weise den Regelungszweck des § 265 Abs. 2 ZPO178. Denn es entspricht heute einhelliger Auffassung, dass die Interpretation des § 265 ZPO nicht an den Begriffen „Veräußerung“ und „Abtretung“, sondern am Begriff der „Rechtsnachfolge“ anzusetzen hat. Erfasst sind danach sämtliche Sukzessionstypen und noch darüber hinaus alle weiteren Fälle des (originären) Rechtserwerbs, die einen Wechsel der Sachlegitimation zur Folge haben179. Trägt man dieses Abgrenzungskriterium an die Abspaltung und Ausgliederung heran, unterfallen die Spaltungsvarianten zwanglos dem zivilprozessualen Nachfolgebegriff. Das ist auch in der Sache gerechtfertigt, weil sowohl die individuellen Interessen der gegnerischen Prozesspartei wie auch das überindividuelle Interesse an einer prozessökonomischen Verfahrensführung für Einzel- und Gesamtnachfolge gleichermaßen nach einer personenidentischen Fortführung des Rechtsstreits nach Maßgabe des § 265 ZPO verlangen. Unzutreffend ist weiter die Behauptung, es entspreche den allgemeinen Grundsätzen des Spaltungsrechts, dass sämtliche Rechtsverhältnisse uno actu auf den übernehmenden Rechtsträger übergingen und daher auch das Prozessrechtsverhältnis180. Ein solcher „Übergang“ des Verfahrensverhältnisses scheitert nach heute vorherrschender Auffassung bereits daran, dass es als öffentlichrechtliche Sonderverbindung vom Vermögensbegriff des Umwandlungsrechts nicht erfasst ist181. Stattdessen gehören zu den nach §§ 126 Abs. 1 Nr. 9, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG übertragbaren Vermögensteilen nur werthaltige Rechtspositionen des Aktiv- und Verbindlichkeiten des Passivvermögens182. Das gilt umso mehr, als sich auch die erbrechtliche Gesamtnachfolge auf die aktiven und 177
Siehe zu den maßgeblichen Übereinstimmungen von rechtsgeschäftlicher Einzel- und Gesamtnachfolge zusf. oben § 18 III. 1. a) sowie ausf. §§ 16, 17. 178 Meyer, JR 2007, 133, 136. 179 Siehe oben § 19 III. 180 So Meyer, JR 2007, 133, 136. 181 Siehe oben Fn. 140. 182 Dezidiert Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 441 f.
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passiven Bestandteile des Erblasservermögens beschränkt, deren verfahrensrechtliche Implikationen in § 239 ZPO eine spezialgesetzliche Ausformung erfahren haben183. Dementsprechend gelangt in Prozessen über das Aktivvermögen des übertragenden Rechtsträgers § 265 ZPO zur Anwendung. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch richtet sich primär gegen den übertragenden Rechtsträger184. Allerdings haftet außerdem der übernehmende Rechtsträger gem. § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG für die Erfüllung der Kostenschuld, weil jene schon im Vorfeld der Umwandlungsmaßnahmen begründet war185. Damit erfüllt die Spaltungshaftung auch im prozessualen Kontext ihren maßgeblichen Zweck, das Erfüllungsinteresse der Gegenpartei effektiv zu schützen. cc) Prozesse über das Passivvermögen Auf den ersten Blick spricht wenig dagegen, die für Aktivprozesse entwickelten Grundsätze auch auf Prozesse über das Passivvermögen anzuwenden. Legt man indes die h.M. zur Schuldübernahme zugrunde186, kann es nicht verwundern, dass eine Fortführung des Verfahrens durch den übertragenden Rechtsträger vielfach abgelehnt wird187. Wenn man die singularsukzessive Schuldübernahme nämlich nicht unter § 265 ZPO subsumiert, ist es nur konsequent, die Vorschrift auch bei einem durch (partielle) Universalsukzession vollzogenen Schuldübergang für unanwendbar zu erklären. Plädiert man mit der hiesigen Auffassung indes auch bei der privativen Schuldübernahme für eine personenidentische Verfahrensfortführung, liegt es nahe, § 265 ZPO auch bei der Abspaltung und Ausgliederung von Verbindlichkeiten anzuwenden188. Aber auch Vertreter der h.M. gelangen für die beiden Spaltungsvarianten zur Geltung des § 265 ZPO, und zwar mit der Begründung, der Gläubiger sei bei einem Schuldübergang kraft Spaltung besonders schutzwürdig, weil er dem Schuldnerwechsel nicht notwendig zustimmen müsse und dementsprechend auch die hieraus resultierenden zivilprozessualen Konsequenzen nicht verhindern könne. Diese Argumentationslinie ist in sich schlüssig und mag es auch rechtfertigen, die von der h.M. eingetretenen Pfade zur befreienden Schuldübernahme zu verlassen. Sie übersieht indes einen maßgeblichen Aspekt, der den universalsukzes183 Vgl. nur Leipold, in: MünchKommBGB, § 1922 Rn. 148; Marotzke, in: Staudinger, BGB, § 1922 Rn. 332; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1922 Rn. 102; Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 119; Tschichoflos/Zimmer, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 1922 Rn. 12. 184 Schuldner der Prozesskosten ist der Prozessstandschafter; vgl. nur Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 63. 185 Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 153; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 447. 186 Siehe oben § 19 IV. 187 Auf den Zusammenhang zur privativen Schuldübernahme verweist etwa Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 6; im Ergebnis ebenso die oben in Fn. 164 Genannten sowie Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 451. 188 Dafür Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 62 f.; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 161 f.; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 64.
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siven Schuldübergang bei Abspaltung und Ausgliederung von der privativen Schuldübernahme nach Maßgabe der §§ 414, 415 BGB unterscheidet, und das ist die spaltungsrechtliche Transferhaftung des übertragenden Rechtsträgers gem. § 133 UmwG. Während der singularsukzessive Schuldnerwechsel typischerweise zu einem Wechsel der Sachlegitimation führt189, geht die Sachlegitimation des an einer Abspaltung oder Ausgliederung beteiligten, übertragenden Rechtsträgers nicht verloren190. Allein die materiellrechtliche Grundlage der Klage ändert sich. An die Stelle der nach materiellem Recht nunmehr dem übernehmenden Rechtsträger zugewiesenen Verbindlichkeit tritt die gesetzliche Spaltungshaftung, die sich zum übergeleiteten Leistungsanspruch akzessorisch verhält und daher mit der ursprünglichen Schuldposition grundsätzlich inhaltsgleich ist191. Daran vermag auch die zeitliche Begrenzung der Spaltungshaftung gem. § 133 Abs. 3 UmwG nichts zu ändern, da eine Haftungsbegrenzung hinsichtlich der streitbefangenen Verbindlichkeit typischerweise ausscheidet. Das von § 265 ZPO in Bezug genommene Risiko, die im bisherigen Verfahren erzielten Ergebnisse einzubüßen, kommt mit Blick auf den akzessorischen Charakter der spaltungsrechtlichen Transferhaftung nicht in Betracht. Auch läuft der klagende Gläubiger hier nicht Gefahr, infolge des Schuldnerwechsels mit der Klage abgewiesen zu werden, steht es dem Kläger nach Abspaltung und Ausgliederung doch auch weiterhin frei, in gleicher Weise gegen den übertragenden Rechtsträger vorzugehen. Darin liegt gerade der fundamentale Rechtsgedanke der Spaltungshaftung. Sie sichert dem Gläubiger in materiellrechtlicher Hinsicht sein besonderes Befriedigungsinteresse durch einen akzessorischen Mithaftungsanspruch gegen den Altschuldner. In zivilprozessualer Hinsicht sichert sie dem Gläubiger die Fortführung des gegen den Altschuldner initiierten Klageverfahrens. Vor diesem Hintergrund macht es auch keinen Unterschied, dass sich der Schuldübergang durch Spaltung – anders als bei der privativen Schuldübernahme – ohne den Willen, ja selbst ohne die Kenntnis des Gläubigers vollzieht. Denn das materielle Erfüllungsinteresse des Gläubigers ist durch die Spaltungshaftung ebenso abgesichert wie sein prozessuales Kontinuitätsinteresse. Der Gläubiger kann weiterhin gegen den ursprünglichen Beklagten vorgehen und erleidet daher keine verfahrensrechtlichen Nachteile. Das steht im Einklang mit den grundlegenden Wertungen des zivilprozessualen Identitätsprinzips und des Verschlechterungsverbots. Im Gegenteil verstieße es gegen das ebenfalls aus dem zivilprozessualen Identitätsprinzip abzuleitende Verbesserungsverbot, wenn dem Gläubiger trotz des akzessorischen Haftungsanspruchs gegen den übertragenden Rechtsträger auch die Wirkungen des § 265 Abs. 2 ZPO zugutekämen. Das berechtigte Kontinuitätsinteresse des Klägers verlangt weder nach einer 189
Siehe oben § 19 IV. 1. Im Ergebnis ebenso BGH NJW 2001, 1217, 1218; BFH NJW 2003, 1479, 1480; Stöber, NZG 2006, 574, 575. 191 Dazu ausf. oben § 17 III. 1. c). 190
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Rechtskrafterstreckung gem. § 325 Abs. 1 ZPO noch nach einer zusätzlichen Vollstreckungsmöglichkeit gem. § 727 ZPO gegen den übernehmenden Rechtsträger. Vielmehr würde mit einer auf Grundlage des § 265 ZPO geschaffenen Möglichkeit der Doppelvollstreckung das zum Schutz der gegnerischen Prozesspartei notwendige Maß postventiv-zivilprozessualen Sukzessionsschutzes überschritten. Möchte der Gläubiger seine Interessen auch gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger wahren, kann er die Klage nach Wirksamwerden der Spaltung auf den Übernehmer umstellen (Parteiwechsel) oder sie auf diesen erweitern (Parteierweiterung). Die Rechtsprechung behandelt Parteiwechsel und Parteibeitritt als Klageänderungen entsprechend §§ 263 ff. ZPO192. Von einer Sachdienlichkeit der Klageerweiterung auf den übernehmenden Rechtsträger ist schon im Hinblick auf die Wertung des § 133 UmwG auszugehen, so dass es der Einwilligung des bisherigen Beklagten in der ersten Instanz nicht bedarf193. Allein in der zweiten Instanz bedarf es der Zustimmung des neuen Beklagten, weil ihm sonst ohne seinen Willen eine Tatsacheninstanz verlorenginge. Entbehrlich ist die Zustimmung des Beklagten nur dann, wenn eine Verweigerung rechtsmissbräuchlich erfolgte194. Der verweigernde Beklagte darf zu diesem Zweck kein schutzwürdiges Interesse für sich in Anspruch nehmen können und es muss ihm nach der jeweiligen Sachlage auch zumutbar sein, in den – bereits in zweiter Instanz anhängigen – Rechtsstreit einzutreten195. Das wird beispielsweise bejaht, wenn dem neuen Beklagten bereits im ersten Rechtszug als Vertreter der Partei sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten offenstanden196. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Jedenfalls ist es nicht überzeugend, wenn das Schrifttum die Zustimmungsverweigerung des übernehmenden Rechtsträgers pauschal als rechtsmissbräuchlich einstuft197. Vielmehr ist anhand des konkreten Spaltungssachverhalts festzustellen, ob die Vertreter des übernehmenden Rechtsträgers beispielsweise als Vertreter des übertragenden Rechtsträgers auf den Rechtsstreit in erster Instanz Einfluss nehmen konnten und ihnen auch alle Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Das wird man im Fall einer Totalausgliederung auf einen neu geschaffenen Rechtsträger unter Kontinuität der Unternehmensleitung im übertragenden und übernehmenden Rechtsträger bejahen können. Anderes gilt, wenn ein signifikanter 192 BGHZ 65, 264, 268; 131, 76, 79 f.; BGH NJW 1961, 1066 f.; 1981, 989; 1987, 1946, 1947; 1996, 2799. 193 Ebenso Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rn. 10; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 133 Rn. 61; Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 453; (zu § 613a BGB) Zeuner, FS Schwab, S. 575, 591. 194 BGH NJW 1987, 1946, 1947; 1997, 2885, 2886; NJW-RR 1986, 356. 195 BGHZ 90, 17, 19; BGH NJW 1987, 1946, 1947; NJW-RR 1986, 356. 196 BGHZ 91, 132, 134. 197 So aber Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 453; ähnlich Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 62, 64; (zu § 613a BGB) Zeuner, FS Schwab, S. 575, 591.
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Vermögensteil des übertragenden Rechtsträgers, beispielsweise eine Vielzahl von Grundstücken, abgespalten und auf ein bereits bestehendes Unternehmen übertragen wird, dessen Vertretungsorgan auf den erstinstanzlichen Rechtsstreit des übertragenden Rechtsträgers keinen Einfluss nehmen konnte. Im letzten Fall ist das Interesse des übernehmenden Rechtsträgers höher zu gewichten, sich in einem Rechtsstreit effektiv gegen die Angriffe der Gegenseite verteidigen zu können. Auch in diesem Zusammenhang verlangt die Wertung des § 133 UmwG keine Verbesserung der bisherigen Prozessrechtsstellung des Gläubigers, dessen zivilprozessuales Kontinuitätsinteresse vollauf gewährt ist, wenn er gegen den übertragenden Rechtsträger ein Urteil erwirken und vollstrecken kann. Die obligatorische Einbeziehung des übernehmenden Rechtsträgers kann auch nicht mit dem Argument verlangt werden, sie führe im Zivilprozess zu Ende, was die akzessorische Mithaftung gem. § 133 UmwG im materiellen Recht begonnen habe198. Denn das Umwandlungsgesetz enthält gerade keine Regelungen für die Übertragung von Prozessrechtsverhältnissen; die zivilprozessualen Implikationen der umwandlungsrechtlichen Gesamtnachfolge sind aus genuin verfahrensrechtlichen Regeln und Grundsätzen zu entwickeln. Deshalb führt auch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass dem neuen Beklagten in einem Rechtsstreit nicht ohne seinen Willen eine Tatsacheninstanz genommen werden kann, wenn er sich nicht bereits im ersten Rechtszug gegen die Angriffe des Klägers hat verteidigen können. Andernfalls würde seine prozessuale Stellung ohne hinreichende Rechtfertigung beeinträchtigt, was schon angesichts des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) als unzulässig erscheinen muss. Ebenso wenig ist es gerechtfertigt, eine uneingeschränkte Bindungswirkung der bisher erzielten Prozessergebnisse für alle übrigen an der Spaltung beteiligten Rechtsträger anzunehmen199. Stattdessen gelten auch hier die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozessrechts: Zwar ist die neue Partei grundsätzlich an die bisher erzielten Prozessergebnisse, namentlich Beweisaufnahmen, gebunden. Ist die Partei hierdurch indes in ihrer Rechtsverteidigung beschränkt, kann sie Wiederholung oder zumindest Ergänzung der Beweisaufnahme verlangen200.
3. Exkurs: Privative Schuldübernahme de lege ferenda Angesichts der strukturellen Nähe des oben vorgeschlagenen Reformkonzepts der privativen Schuldübernahme, die von der obligatorischen Mitwirkung des Forderungsgläubigers entlastet werden sollte201, zum universalsukzessiven 198
So aber Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 453. So aber Bork/Jacoby, ZHR 167 (2003), 440, 453 f. 200 BGHZ 131, 76, 79 f.; BGH NJW 1962, 347; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 263 Rn. 71; a.A. Foerste, in: Musielak, ZPO, § 263 Rn. 27. 201 Dazu ausf. oben § 18 IV. 199
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
Schuldübergang infolge Abspaltung und Ausgliederung liegt es nahe, die vorstehend für Passivprozesse entwickelten Grundsätze auf die reformierte Schuldübernahme zu übertragen. Wird das Befriedigungsinteresse des Gläubigers durch eine schuldübernahmerechtliche Transferhaftung nach dem Modell der umwandlungsrechtlichen Spaltungshaftung (§ 133 UmwG) geschützt202, besteht auch die Passivlegitimation des Altschuldners fort, mit der Folge, dass die von § 265 ZPO in Bezug genommene Gefahrenlage hier nicht besteht. Weder bekommt der Gläubiger eine andere Prozesspartei aufgedrängt, noch büßt er bisher erzielte Prozessergebnisse ein, noch wird er mit einem völlig neuen Rechtsstreit belastet. Im Gegenteil eröffnete § 265 ZPO dem Gläubiger die Möglichkeit einer Doppelvollstreckung gegen Alt- und Neuschuldner, was sich zum zivilprozessualen Verbesserungsverbot als Teilgewährleistung des Identitätsprinzips in Widerspruch setzen würde. Dementsprechend scheidet die Anwendung des § 265 ZPO im reformierten Schuldübernahmerecht aus. Für die Details gilt das zu Passivprozessen Gesagte203 entsprechend.
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes Nachdem eingangs bereits die Grundlagen des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes gelegt worden sind und auch der zivilprozessuale Nachfolgebegriff geklärt ist, ist es nun an der Zeit, die Ausformungen des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes im Einzelnen näher zu beleuchten und einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst das umstrittene Verhältnis zwischen materiellem Recht und Prozessrecht (1.), gefolgt von der Rechtsstellung des Veräußerers (2.). Sodann wird ein Blick auf die Widerklagemöglichkeiten (3.) und die Möglichkeit der Klageerweiterung durch die Gegenpartei (4.) geworfen. Zum Abschluss werden der Einwand fehlender Rechtskraftwirkung (5.) und die Voraussetzungen eines gewillkürten Parteiwechsels von Vorgänger und Nachfolger (6.) behandelt.
1. Verhältnis zwischen materiellem und prozessualem Recht Das hier entworfene Konzept eines zivilprozessualen Sukzessionsschutzes, das darauf abzielt, die Verschlechterung der gegnerischen Prozessrechtsstellung zu verhindern, entfaltet Ausstrahlungswirkung auch auf die Grundsatzfrage nach dem Verhältnis zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, wie sie sich namentlich in der traditionsreichen Kontroverse zwischen der Relevanztheorie und der Unbeachtlichkeitslehre manifestiert. Den Ausgangspunkt der folgenden Erörterung bildet die Erkenntnis, dass die materielle Rechtslage vom Pro202 203
Siehe oben § 18 IV. 4. Siehe nochmals § 19 V. 2. b) cc).
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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zessrechtsverhältnis streng zu unterscheiden ist. Das gilt sowohl für die tatbestandlichen Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Sukzession als auch für ihre maßgeblichen Rechtsfolgen. Zivilprozessuale Rechtsprobleme sind daher ausschließlich auf der Grundlage der einschlägigen zivilprozessualen Regeln und Grundsätze zu lösen; das materielle Sukzessionsrecht bleibt dabei weitgehend außer Betracht. a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Seit jeher wird darüber gestritten, ob im Fall der Nachfolge auf Klägerseite die materielle Rechtsänderung insofern relevant wird, dass der Klageantrag auf Leistung an den Nachfolger umzustellen ist204, oder aber der ursprüngliche Antrag unverändert beibehalten werden kann205. Schon frühzeitig hat sich die Rechtsprechung für die Umstellung des Klageantrags ausgesprochen. Indes ist die Kritik daran niemals völlig verstummt. In neuerer Zeit hat die Debatte bemerkenswerterweise wieder an Fahrt gewonnen und hat das herkömmliche Meinungsspektrum ein gutes Stück in Richtung der Irrelevanztheorie206 verschoben. Als herrschende Auffassung haben aber auch die jüngeren Stellungnahmen die Relevanztheorie nicht verdrängen können. Die folgenden Ausführungen mögen dazu beitragen, die unzutreffende h.M. zu überwinden. Mit der Relevanz- und Irrelevanztheorie stehen sich zwei Ansätze gegenüber, die über die Interpretation des § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO unterschiedlicher Auffassung sind. Während die Irrelevanztheorie – nahe am Wortlaut der Vorschrift – der materiellen Rechtsänderung jedweden Einfluss auf den Prozess, auf den Klageantrag und Urteilsinhalt versagt, legt die herrschende Relevanztheorie § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO insofern einschränkend aus, als sie dessen Wirkungen auf 204 St. Rspr.: RGZ 40, 340, 343 f.; 49, 363, 367; 56, 301, 307 f.; 76, 215, 217; 155, 50, 52; 167, 321, 322 f.; RG JW 1912, 870, 871; BGHZ 26, 31, 37; 118, 312, 316; 158, 295, 304; BGH NJW 1986, 3206, 3207; 1997, 735, 736; NJW-RR 1986, 1182; ZIP 1982, 1461, 1462; BayObLG NZM 2000, 1024; OLG Celle NJW 2006, 1356, 1357; ebenso Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 83; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 10; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 6a; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 17; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 13; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 21 ff.; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 14; Hellwig, Wesen, S. 153 f.; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 64 ff.; Haußmann, Gruchot 57 (1913), 660, 665; Jacobi, ZZP 43 (1915), 441, 446; Merle, JA 1983, 626, 630; Peters, ZZP 118 (2005), 47, 52; Schink, Jura 1985, 291, 295; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 436; Grunsky, Veräußerung, S. 103 ff., 121 ff.; Nutzhorn, Vorschrift, S. 68; Quast, Titel, S. 254 ff.; Spierling, Rechtsnachfolger, S 48 f.; Schumann, FS Larenz, S. 571, 598. 205 Siehe die Nachweise in Fn. 206 sowie aus dem älteren Schrifttum Ebbecke, ZZP 47 (1918), 207, 220; Wach, Gruchot 30 (1893), 779 ff.; Meister, Veräußerung, S. 85 ff.; ähnlicher Ansatz bei Weidlich, Gruchot 45 (1901), 271, 299 f. 206 Dafür in jüngerer Zeit: Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1071 f.; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 88 Rn. 11; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 31, 33; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 250; ders., Veränderungen, S. 7 f.; ders., FS Gerhardt, 879, 892; ders., AcP 210 (2010), 913, 916; Brögelmann, Titelumschreibung, S. 168 f.; Kohler, AcP 192 (1992), 255, 274 f.; Brehm, KTS 1985, 1, 13 f.; Backhaus, JA 1983, 408, 411; tendenziell auch Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 104 ff., 118 ff.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
die Fortführung des Verfahrens durch den Vorgänger beschränkt; für Antragstellung und gerichtliche Entscheidung erklärt die h.M. dann aber nicht die Prozessrechtsstellung des Vorgängers, sondern die materielle Rechtsstellung des Nachfolgers für maßgeblich. Deshalb müsse der Klageantrag auf Leistung an den Nachfolger umgestellt werden, andernfalls wird die Klage mangels Aktivlegitimation des als Prozessstandschafter klagenden Vorgängers als unbegründet abgewiesen207. Angesichts der Bindung an den Klageantrag gem. § 308 Abs. 1 BGB sei das Gericht an einer Verurteilung zugunsten des Zessionars gehindert, sofern der Zedent Leistung an sich selbst fordert208. Allerdings gelten die Grundsätze der Relevanztheorie nicht einschränkungslos für sämtliche Fälle der zivilprozessualen Nachfolge iSd. § 265 ZPO. Zum einen wird die materielle Rechtsänderung im Zivilverfahren nur berücksichtigt, wenn sie zur Kenntnis des Gerichts gelangt209. Zum anderen ist die Aussagekraft der Relevanztheorie auf eine Nachfolge auf Klägerseite beschränkt. Für die Passivnachfolge gilt nach einhelliger Auffassung die Irrelevanztheorie, mit dem Ergebnis, dass der ursprüngliche Klageantrag unverändert bleiben kann210. Eine Klageumstellung scheidet in diesem Fall schon deshalb aus, weil die Verurteilung eines am Rechtsstreit unbeteiligten Dritten mangels Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) scheitern müsste211. b) Stellungnahme Das zentrale Argument der Relevanztheorie lautet: § 265 ZPO solle die Gegenpartei zwar vor zivilprozessualen Rechtsnachteilen bewahren; er lasse zu diesem Zweck allerdings keine sachlich unrichtige Verurteilung zu212. Soweit die 207
RGZ 56, 301, 308; BGHZ 158, 295, 304; BGH NJW 1986, 3206, 3207; ZIP 1982, 1461, 1462; BayObLG NZM 2000, 1024; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 91; BeckerEberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 83; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 10; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 21; Haußmann, Gruchot 57 (1913), 660, 666; Jacobi, ZZP 43 (1915), 441, 446; Merle, JA 1983, 626, 630; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 437; a.A. Henckel, JZ 1992, 645, 650; ders., ZZP 82 (1969), 333, 346 f.; ders., FS Walder, S. 193, 202 f.; Grunsky, Veräußerung, S. 126 ff., 136. 208 Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 21. 209 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 83; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 64. 210 BGH ZZP 88 (1975), 324, 328; OLG Hamburg NJW-RR 2002, 1165, 1167; OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 724, 725; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 93; BeckerEberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 91; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 11; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 6b; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 265 Rn. 14; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 82 ff.; Haußmann, Gruchot 57 (1913), 660, 667 f.; Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 355 f.; Merle, JA 1983, 626, 628; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 440; Spierling, Rechtsnachfolger, S. 52; a.A. Sieg, ZZP 66 (1953), 23, 27; (für Klagen auf künftige Leistungen) Grunsky, Veräußerung, S. 188 ff., 210; dagegen wiederum Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 352 ff. 211 Vgl. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 26; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 83; Haußmann, Gruchot 57 (1913), 660, 669; Merle, JA 1983, 626, 628; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 440; a.A. Grunsky, Veräußerung, S. 195 ff. 212 Exemplarisch BayObLG NZM 2000, 1024; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 21; vgl. auch Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 83; Merle, JA 1983, 626, 630.
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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Irrelevanztheorie nun die materielle Rechtsänderung für unbeachtlich erkläre, kollidiere sie mit dem allgemeinen Prozessrechtsgrundsatz, dass für die Streitentscheidung die Sachlage am Schluss der mündlichen Verhandlung entscheidend sei213. aa) Zivilprozessuale Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtsänderung Wenn namhafte Vertreter der Irrelevanztheorie hiergegen einwenden, auch in anderen Fällen könne auf Leistung an den Prozessstandschafter geklagt werden214, kann dem nicht gefolgt werden. Denn auch in anderen Fällen der Prozessstandschaft kann die Leistung auf ein fremdes Recht nur verlangt werden, wenn der Kläger nach materiellem Recht zur Einziehung ermächtigt ist. Andernfalls verbleibt es bei dem Grundsatz, dass der Klageantrag auf Leistung an den wahren Rechtsinhaber umzustellen ist215. Insofern besteht keine Dissonanz zur Relevanztheorie, da auch sie von einer Klageumstellung absehen will, wenn der Veräußerer in Bezug auf den streitbefangenen Gegenstand über eine Einziehungsermächtigung verfügt216. Tatsächlich legt das Prozessgericht seiner Entscheidung im Grundsatz diejenige Sach- und Rechtslage zugrunde, die am Schluss der mündlichen Verhandlung gilt217. Hiermit stimmt die hier vertretene Position überein, soweit sie als maßgeblichen Zeitpunkt unverändert den Schluss der mündlichen Verhandlung ansieht und nicht etwa den Zeitpunkt des Eintritts der Nachfolge218. Unberücksichtigt bleibt am Schluss der mündlichen Verhandlung im Interesse der gegnerischen Prozesspartei allerdings die durch Nachfolge in das Prozessobjekt eingetretene Veränderung der materiellen Rechtslage. Damit wird effektiv verhindert, dass weder Veräußerer noch Erwerber den Anspruch erneut einklagen können219. Überhaupt werden maßgebliche Rechtsnachteile für die gegnerische Prozesspartei nur dann wirksam ausgeschlossen, wenn man der materiellrecht-
213 So dezidiert Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 22; Hellwig, Wesen, S. 153; Grunsky, Veräußerung, S. 113; vgl. ferner Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 85; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 66. 214 So etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 31; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 250; ders., Veränderungen, S. 8. 215 Vgl. BGH NJW-RR 1992, 61; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 51 Rn. 39; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 50 Rn. 53; Weth, in: Musielak, ZPO, § 51 Rn. 30; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 38. 216 RGZ 166, 218, 237 f.; BGHZ 118, 312, 316; ZIP 1982, 1461, 1462; Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 87; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 86. 217 Unstreitig: Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 300 Rn. 19 ff.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 300 Rn. 3; Thole, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 300 Rn. 3; Saenger, in: Hk, ZPO, § 300 Rn. 6. 218 So für die Nachfolge auf Beklagtenseite ein Teil der h.M.: RGZ 56, 243, 244 f.; 121, 379, 381; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 84; Haußmann, Gruchot 57 (1913), 660, 668; Sieg, ZZP 66 (1953), 23, 33; a.A. etwa Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 93; vgl. auch Hellwig, Wesen, S. 153, 161. 219 Die an der Irrelevanztheorie insofern durch Henckel, FS Walder, S. 193, 203 f. geübte Kritik ist folglich gegenstandslos.
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lichen Änderung einen Einfluss weder auf die Antragstellung noch den Urteilsinhalt zubilligt. Dass die hiermit verbundene Abweichung zum allgemeinen Grundsatz von der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage am Schluss der mündlichen Verhandlung letztlich hinnehmbar ist, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass auch die h.M. im Fall der Nachfolge auf Beklagtenseite keine Umstellung des Klageantrags verlangt220. Wird beispielsweise ein in Streit befangener Fahrnisgegenstand nach Rechtshängigkeit vom Beklagten an einen Dritten veräußert oder übergeben, wird nach heute einhelliger Auffassung der Beklagte antragsgemäß221 zur Herausgabe der Sache verurteilt, und zwar ungeachtet des Umstands, dass er mangels Besitz nicht mehr zur Herausgabe verpflichtet respektive in der Lage ist: „Der Prozeß wird so entschieden, als hätte der Beklagte nicht veräußert“222. Wenn man die materiellrechtliche Änderung auf Beklagtenseite ausblenden kann, muss dies für die Nachfolge auf Klägerseite gleichermaßen möglich sein. Überhaupt erweist sich die h.M. in diesem Punkt als wenig konsequent223, wenn sie für die Nachfolge auf Kläger- und Beklagtenseite unterschiedliche Maßstäbe anlegt, während die hier vertretene Gegenposition ein einheitliches, in sich widerspruchsfreies Konzept vorlegt, das ohne Einschränkungen auskommt. Die Inkonsequenz der Relevanztheorie zeigt sich ferner mit Blick auf die Vollstreckung des vom Veräußerer für den Nachfolger erstrittenen Urteils224. Obgleich das Urteil nach Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Nachfolger lautet, macht die h.M. eine Vollstreckung durch den Nachfolger von einer titelumschreibenden Klauselerteilung gem. § 727 ZPO abhängig225. Der von den Vertretern der Relevanztheorie oftmals hervorgehobene (vermeintliche) Vereinfachungseffekt ihrer Position wird hierdurch gleichsam entwertet226.
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Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 27; M. Schwab, Zivilprozessrecht, Rn. 397; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 82; Jacobi, ZZP 43 (1913), 441, 445; Merle, JA 1983, 626, 628; a.A. Hellwig, Wesen, S. 172 ff. 221 Der Kläger kann auch den Antrag gem. § 264 Nr. 3 ZPO auf Ersatzleistung umstellen; vgl. nur OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 724, 725; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 94; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 92; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 28 (dort auch zu weiteren Optionen); Merle, JA 1983, 626, 628; a.A. Grunsky, Veräußerung, S. 209 Fn. 69. 222 So Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 355. 223 Kritisch auch Brehm, KTS 1985, 1, 13; Meister, Veräußerung, S. 90 ff. 224 Vgl. auch Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 121. 225 Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 10, 43; Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 8; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 17.8; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 10 Rn. 70; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 73 ff.; Gerhardt, JR 1984, 288, 289; Grunsky, Veräußerung, S. 201 f., Fn. 48; Heintzmann, ZZP 92 (1979), 61, 65. 226 Zutreffend Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 10.
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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bb) Gebot der materiellrechtsfreundlichen Auslegung Die hier vertretene Position verstößt auch nicht gegen das – ohnehin nicht unumstrittene227 – Gebot der materiellrechtsfreundlichen Auslegung der ZPO228. Dieser Prozessrechtsgrundsatz zielt darauf ab, dem materiellen Recht im Prozess zum Durchbruch zu verhelfen und will verhindern, dass es infolge des Zivilverfahrens zu (materiellen) Rechtsverlusten kommt229. Gerade darauf ist aber auch die hier vertretene Unbeachtlichkeitslehre gerichtet. Die gegnerische Prozesspartei soll durch einen Verzicht auf die Umstellung des Klageantrags möglichst effektiv gegen jedwede Rechtsnachteile geschützt werden, die mit der Nachfolge in den streitbefangenen Gegenstand verbunden sein können, die durch den Prozessgegner nach Maßgabe des § 265 Abs. 1 ZPO aus eigener Machtvollkommenheit nicht verhindert werden kann. Der hiermit gewährleistete Sukzessionsschutz führt im Zivilprozessrecht eine Entwicklung zu Ende, die im materiellen Recht namentlich für den Schuldnerschutz bei der Forderungszession nach Maßgabe der §§ 404, 406 ff. BGB ihren Ausgang nimmt. Ebenso wenig wie sich die materielle Rechtsstellung des Schuldners infolge Abtretung verschlechtern soll, darf sich die Prozessrechtsstellung der Gegenpartei während des Zivilverfahrens durch eine Nachfolge in den streitbefangenen Gegenstand verschlechtern, insbesondere muss verhindert werden, dass die gegnerische Prozesspartei nach einem klageabweisenden Urteil nochmals durch den Nachfolger in Anspruch genommen werden kann. Diesem Ziel wird die hier befürwortete Unbeachtlichkeitslehre besser gerecht als die Relevanztheorie: cc) Gewährleistung zivilprozessualen Sukzessionsschutzes Entscheidend gegen die herrschende Relevanztheorie sprechen ihre Konsequenzen in dem Fall, dass sich der Prozessstandschafter weigert, die Klage auf Leistung an den Nachfolger umzustellen. Denn in dieser Konstellation entfaltet das abweisende Urteil gegenüber dem Nachfolger nach ganz überwiegender Auffassung230 keine Rechtskraft. Der Erwerber ist folglich auch nicht gehindert, nochmals gegen den Gegner vorzugehen und ihn mit einer erneuten – nunmehr auf Leistung an ihn gerichteten – Klage zu überziehen. Das zweite Verfahren ist vollkommen unabhängig von dem ursprünglichen, durch den Vorgänger als Prozessstandschafter geführten Prozess. Der Erwerber ist daher insbesondere 227 Vgl. vor allem Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067 ff., zum hiesigen Problemkreis insb. S. 1071 f.; siehe zur Begründung des Grundsatzes allgemein Schumann, FS Larenz, S. 571 ff. 228 So aber Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 22; Schumann, FS Larenz, S. 571, 597 f.; allgemein zum Grundsatz Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 1 Rn. 92 ff. 229 Exemplarisch Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einl. Rn. 99; vgl. weiter RGZ 105, 422, 427; 150, 357, 363. 230 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 91; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 21; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 69 ff.; Grunsky, Veräußerung, S. 121 ff.; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 106; a.A. Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 90, der eine Rechtskraftwirkung annimmt, eine neue Klage wegen des abweichenden Streitgegenstands aber gleichwohl für zulässig hält; ebenso Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 436.
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an die bisherige Prozessführung des Vorgängers nicht gebunden. Der Prozessgegner geht hierdurch außerdem einer vorteilhaften Prozessposition verlustig; Beweisaufnahmen müssen wiederholt werden und können für den Prozessgegner zu nachteiligen Veränderungen führen. Zulässig wäre selbst ein Doppelprozess, indem der Nachfolger – neben dem Vorgänger – aus eigenem Recht den Beklagten ein weiteres Mal in Anspruch nimmt. Da die Streitgegenstände der beiden Verfahren nicht identisch sind und die Verurteilung im Erstprozess den Nachfolger nicht zu binden vermag, ist der Nachfolger an diesem Vorgehen auch nicht von vornherein gehindert231. Der Veräußerer bestimmt also mit seiner Entscheidung über die Umstellung des Klageantrags darüber, ob der Erwerber die Möglichkeit erhält, in einem neuen Zivilverfahren den Rechtsstreit nochmals aufzurollen und dem Prozessgegner hiermit aller für ihn günstigen Prozessergebnisse zu entheben232. In der Konsequenz wird das Regelungsziel des § 265 Abs. 2 ZPO, den Prozessgegner durch eine personenidentische Fortführung des Zivilverfahrens vor sämtlichen sukzessionsbedingten Nachteilen zu schützen (Verschlechterungsverbot), angesichts der den Prozessgegner beeinträchtigenden Konsequenzen der herrschenden Relevanztheorie grandios verfehlt. Es ist dieser Punkt, den ein Großteil des modernen Schrifttums233 mit vollem Recht in den Mittelpunkt ihrer zutreffenden Kritik stellt und der angesichts des § 265 ZPO zugrunde liegenden prozessualen Sukzessionsschutzprinzips vernünftigerweise nicht hingenommen werden kann. Die h.M. sucht die für den Prozessgegner nachteiligen Konsequenzen unter Hinweis auf die materielle Rechtslage zu rechtfertigen. Dem Gericht sei es untersagt, in Kenntnis der materiellrechtlichen Veränderung den Veräußerer auch weiterhin als Rechtsinhaber zu behandeln. Dieses Argument ist schon deshalb abzulehnen, weil § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO diese Konsequenz gerade erfordert, wenn er klar ausspricht, die Veräußerung der streitbefangenen Sache habe „auf den Prozess keinen Einfluss“. Nimmt man diese legislatorische Entscheidung unter Berücksichtigung des Normzwecks der Vorschrift ernst, kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Änderung der materiellen Rechtslage im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung völlig ausgeblendet werden muss. Ebenso wie der Wechsel der Sachlegitimation dem Veräußerer nicht die Berechtigung zur Fortführung des Rechtsstreits nimmt, kann auch die Beibehaltung des Klageantrags dem Prozessgegner nicht zum Nachteil gereichen. Zudem muss es widersprüchlich erscheinen, wenn die herrschende Relevanztheorie den Wegfall der Aktivle231 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 92; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 70; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 436. 232 Der Einwand, ein vernünftiger Kläger werde den Klageantrag umstellen, um den Rechtsstreit nicht zu verlieren, verfängt nicht, wenn der Kläger die Wirksamkeit der Veräußerung in Zweifel zieht und sein Recht selbst weiterverfolgen will; vgl. Henckel, FS Walder, S. 193, 202. 233 Besonders pointiert Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1071 f.; ferner Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 33; Backhaus, JA 1983, 408, 411; kritisch auch Henckel, JZ 1992, 645, 650; ders., FS Walder, S. 193, 202 f.; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 106; ausf. die h.M. verteidigend Grunsky, Veräußerung, S. 121 ff.
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gitimation zwar im Hinblick auf die Parteistellung des Veräußerers ignoriert, die materielle Rechtsänderung aber gleichwohl auf Antragstellung und Urteilsinhalt durchschlagen lässt. Ein konsequentes, an Wortlaut und Regelungsziel des § 265 ZPO orientiertes Verständnis führt zwangsläufig zu einer homogenen und vorbehaltlosen Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtsänderung. dd) Einwendungen gegen den Nachfolger Die Relevanztheorie kann auch nicht für sich in Anspruch nehmen, die berechtigten Interessen des Prozessgegners mit Blick auf persönliche Einwendungen gegen den Nachfolger besser zu schützen als die hier vertretene Auffassung234. Denn die Behandlung der beachtlichen Einwendungen richtet sich ausschließlich nach materiellem Recht, ungeachtet der jeweiligen Antragstellung. Überhaupt ist der Umstand, dass über eine Vermögensposition ein Rechtsstreit anhängig ist, für die Beachtlichkeit der Einwendungen ohne Belang. Auch wenn der Vorgänger als Prozessstandschafter das Recht des Nachfolgers geltend macht, ist für den Rechtsstreit auf diejenige Rechtslage abzustellen, die ohne den Sukzessionsvorgang bestehen würde. Der Veräußerer wird also so behandelt, als habe er seine Aktivlegitimation durch die Rechtsübertragung nicht an den Erwerber verloren und sei noch immer Inhaber des in Streit befangenen Gegenstands. Persönliche Einwendungen gegen den Zessionar können im Rechtsstreit mit dem Veräußerer deshalb selbst dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nach materiellem Recht im Einzelfall beachtlich wären. Mit der Ausklammerung solcher Einwendungen ist auch keine signifikante Beeinträchtigung der gegenparteilichen Prozessrechtsstellung verbunden. Dem Prozessgegner steht es nämlich ohne weiteres frei, auf einen Parteiwechsel hinzuwirken235, nach dessen Wirksamkeit gegen das vom Erwerber nunmehr geltend gemachte Recht Einwendungen aus seiner Person erhoben werden können. Kommt ein Parteiwechsel nicht zustande, kann die Gegenpartei solche Einwendungen im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO gegen den auf den Erwerber umgeschriebenen Vollstreckungstitel geltend machen236. Mit den Einwendungen ist die Gegenpartei auch nicht nach Maßgabe des § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil sie auf Grundlage des hiesigen Ansatzes aus Rechtsgründen daran gehindert war, die Einwendungen im Erkenntnisverfahren vorzubringen. Dass es sich bei der hier vorgeschlagenen Lösung um keinen außergewöhnlichen Sonderweg handelt, belegt auch der Umstand, dass die h.M. im Fall der Nachfolge auf Beklagtenseite in gleicher Weise entscheidet. Für diese Konstellation ist unstreitig anerkannt, dass Einwendungen des Erwerbers im Rechtsstreit gegen den Veräußerer unberücksichtigt bleiben und 234 So aber Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 65, 75 f.; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 105 f.; dagegen schon Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072. 235 Vgl. Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072. 236 Vgl. Becker-Eberhard, ZZP 104 (1991), 413, 434; Brehm, KTS 1985, 1, 14; Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 118, 120 f.
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erst im Rahmen der Vollstreckung des Urteils gegen den Nachfolger Bedeutung erlangen237. Davon abgesehen können gegen die Verweisung der persönlichen Einwendungen gegen den Nachfolger ins Vollstreckungsverfahren auch keine grundsätzlichen Bedenken in puncto Prozessökonomie erhoben werden238. Freilich ist die Gegenpartei nach der hier vertretenen Auffassung darauf verwiesen, Einwendungen gegen den Nachfolger im Wege der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO geltend zu machen. Hiergegen richtet sich die Kritik der herrschenden Relevanztheorie. Sie meint, § 265 ZPO wolle gerade verhindern, dass mehrere Prozesse notwendig werden und sich die Gegenpartei mit dem Zessionar anstelle des Zedenten auseinandersetzen müsse239. Das ist indes unzutreffend. Zwar ist es richtig, dass § 265 ZPO auch die Interessen einer prozesswirtschaftlichen Verfahrensführung in den Blick nimmt. Dieses Regelungsziel ist aber dem erklärten Hauptzweck der Vorschrift untergeordnet, die berechtigten Interessen der Gegenpartei hinreichend zu schützen. Dieser Normzweck wird auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung besser verwirklicht als auf Basis der herrschenden Relevanztheorie, sei es auch um den Preis eines zusätzlichen Rechtsstreits im Vollstreckungsverfahren. Diese Konsequenz ist aber letztlich hinzunehmen, zumal das Hauptverfahren von solchen Einwendungen entlastet wird und eine Vollstreckungsgegenklage auch nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn nämlich die Gegenpartei tatsächlich persönliche Einwendungen gegen den Nachfolger geltend machen kann, was nicht eben häufig der Fall sein dürfte. Da diese Einwendungen allerdings auch niemals in das ursprüngliche Verfahren gegen den Zedenten hätten eingeführt werden können, ist auch kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, weshalb sie nach Eintritt der Sukzessionswirkungen bereits im Erkenntnisverfahren beachtlich sein sollen. Davon abgesehen verstößt die von der h.M. befürwortete Einbeziehung gegen den Nachfolger gerichteter Einwendungen gegen das zivilprozessuale Verbesserungsverbot240. Die Gegenpartei wird durch die Anerkennung nämlich besser gestellt, als wenn es niemals zu einer Sukzession gekommen wäre, sind doch gegen andere Personen als den Rechtsinhaber gerichtete Einwendungen ohne Abtretung der streitbefangenen Vermögensposition grundsätzlich unbeachtlich. Nur wenn es bei Geltung dieses Grundsatzes auch für persönliche Einwendungen gegen den Nachfolger bleibt, zeitigt die Nachfolge tatsächlich keine Auswirkungen auf das Zivilverfahren – genauso wie es das fundamentale Anliegen des § 265 ZPO ist. Davon abgesehen lässt sich auch in der Sache für eine Besserstellung der Gegenpartei infolge Rechtsübertragung kein sachlicher Grund finden. Vor allem wenn die Besserstellung zuweilen als Ausgleich für das 237 238
Vgl. nur Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 355. So im Ergebnis auch Grunsky, Veräußerung, S. 116 ff.; a.A. Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61,
65. 239 240
So etwa Jacobi, ZZP 43 (1913), 441, 444; vgl. auch Grunsky, Veräußerung, S. 116 ff. Siehe oben § 19 II. 2. sowie allgemein § 15 III.
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mit der Relevanztheorie verbundene Risiko eines Doppelprozesses angesehen wird, handelt es sich hierbei um eine sachwidrige Kopplung von Vor- und Nachteilen, die einer tragfähigen dogmatischen Grundlage entbehrt. ee) Kenntniserlangung von Abtretung nach Erkenntnisverfahren Die hier vertretene Unbeachtlichkeitslehre ermöglicht zugleich eine elegante Lösung für den Fall, dass eine während des Erkenntnisverfahrens erfolgte Forderungszession erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis des Beklagten gelangt und dieser sich nun mit Einwendungen gegen den Zessionar zur Wehr setzen will241. Leistet der Beklagte in Unkenntnis der Abtretung während des anhängigen Erkenntnisverfahrens an den Zedenten, steht ihm nach materiellem Recht § 407 Abs. 1 BGB zur Seite. Die Leistung ist nach allgemeiner Ansicht auch im Prozess beachtlich242. Erfährt nun der Beklagte von der während des Erkenntnisverfahrens erfolgten Abtretung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, sind nach dem auf Grundlage der Relevanztheorie judizierenden IX. Zivilsenat des BGH243 Einwendungen im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen, weil sie bereits im Erkenntnisverfahren hätte vorgebracht werden müssen und deshalb nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert seien. Außerdem entfalte auch die Leistung an den Zedenten gem. § 407 Abs. 1 BGB keine befreiende Wirkung244. Stattdessen sei der beklagte Schuldner darauf verwiesen, bei Zweifeln über die Gläubigerstellung die Leistung mit schuldbefreiender Wirkung zu hinterlegen. So könne er einer doppelten Inanspruchnahme entgegen. Dass diese Lösung wenig interessengerecht ist und unnötig kompliziert daherkommt, ist später im Zusammenhang mit der Rechtskrafterstreckung zu erörtern245. Gegen die vom BGH befürwortete Hinterlegungslösung spricht vor allem, dass sie keinen lückenlosen Schutz des beklagten Schuldners zu gewährleisten vermag. Außerdem ist er nach dieser Auffassung genötigt, Nachforschungen über die Forderungszuständigkeit anzustellen. Es ist nun aber gerade Sinn und Zweck des § 265 ZPO, den Schuldner vor solcherlei Nachteilen zu bewahren. Hinzu kommt, dass sich die Hinterlegung auch nicht für sämtliche Arten von Verbindlichkeiten eignet246. Auch der vom BGH weiterhin ins Spiel gebrachte § 409 BGB kann angesichts seines eingeschränkten Anwendungsbereichs247 keinen hinreichenden Schuldnerschutz vermitteln. Von diesen Rechtsnachteilen wird der beklagte Schuldner auf Grundlage der hier befürworteten Unbeachtlichkeitslehre von vornherein freigehalten: Blen241 242 243 244 245 246 247
Vgl. auch Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 892 f. Vgl. BGHZ 86, 337, 339; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 80. BGHZ 145, 352, 354 ff. BGHZ 86, 337, 340; 145, 352, 355. Siehe unten § 20 III. 4. c) bb). Dazu im Einzelnen unten § 20 III. 4. c) bb). Zu § 409 BGB siehe oben § 15 III. 5.
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det man im Interesse der gegnerischen Prozesspartei die erfolgte Forderungszession vollständig aus, ist es dem Beklagten im Erkenntnisverfahren von Anfang an unmöglich, sowohl die persönlichen Einwendungen gegen den Nachfolger geltend zu machen als auch den durch die Abtretung eingetretenen Mangel der Sachlegitimation zu rügen. Folglich ist der Beklagte mit diesen Einwendungen auch nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert und kann sich im Vollstreckungsverfahren mit einer Vollstreckungsgegenklage erfolgreich gegen den Titelgläubiger zur Wehr setzen248.
2. Rechtsstellung des Veräußerers Die maßgebliche Wirkung des § 265 Abs. 2 ZPO besteht darin, dass der rechtshängige Prozess von der Sukzession unberührt fortgeführt wird. Im Interesse eines effektiven Schutzes der gegnerischen Prozesspartei bleibt der Veräußerer auch selbst Prozesspartei (vgl. § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO). a) Feststellung des Rechtsübergangs Infolge der Veräußerung des Prozessobjekts ist indes zweifelhaft geworden, ob der streitbefangene Gegenstand im materiellrechtlichen Sinne noch dem Veräußerer zugeordnet oder er auf den Nachfolger übergegangen ist. Wenn das Schrifttum nun betont, der Veräußerer mache gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO nunmehr ein fremdes Recht als gesetzlicher Prozessstandschafter249 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend, ist dies nur eine mögliche Folge. Alternativ kann es – vollkommen unbemerkt – an einer im materiellrechtlichen Sinne wirksamen Rechtsübertragung fehlen. Dann machte der Veräußerer weiterhin sein eigenes Recht geltend. In diesem Zusammenhang bedeutet es erneut einen signifikanten Vorteil der hier vertretenen Unbeachtlichkeitslehre, dass diese Frage der materiellrechtlichen Wirksamkeit des Sukzessionsgeschäfts für den weiteren Fortgang des Rechtsstreits unbeachtlich ist und daher auch keiner rechtlichen Prüfung unterzogen werden muss. Hinreichend ist stattdessen die Feststellung, dass die streitbefangene Rechtsposition der Klägerseite überhaupt zugeordnet ist250. Die Frage, ob besagte Rechtsposition noch dem Veräußerer oder bereits dem Erwerber zusteht, ist für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Belang. Relevanz erlangt sie erst auf der Ebene des Vollstreckungsrechts251. 248
Ebenso Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 893; vgl. noch Münzberg, ZZP 114 (2001), 230, 234. Vgl. BGHZ 148, 335, 338; BGH NJW 1997, 735, 736; MDR 2002, 1185; BAG NZA 2007, 328 Tz. 26; OLG Nürnberg NJW-RR 1995, 262, 264; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 69; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 9; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 62; Merle, JA 1983, 626, 627; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435; Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 884. 250 Zutreffend Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1073. 251 Dazu ausf. unten § 21. 249
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b) Bedeutung für Prozessgegner und Erwerber Gleichgültig, ob der Veräußerer sein eigenes Recht geltend macht oder als Prozessstandschafter agiert, er bleibt Partei des fortgeführten Hauptsacheverfahrens252 und damit auch in der Lage, sämtliche Prozesshandlungen vor- und entgegenzunehmen253. Der letztere Aspekt ist für den Prozessgegner von besonderer Bedeutung. Denn er kann auch weiterhin alle Prozesshandlungen an den Veräußerer richten und muss sich auf keine neue Prozesspartei einstellen. Das entspricht dem Kontinuitätsinteresse der gegnerischen Prozesspartei sowie den Wertungen des zivilprozessualen Identitätsprinzips und Verschlechterungsverbots. Folglich kann der Veräußerer einen Anspruch anerkennen oder darauf verzichten, die Klage zurücknehmen oder den Rechtsstreit für erledigt erklären254. Diese weitreichenden Prozessbefugnisse des Veräußerers liegen im Interesse der gegnerischen Prozesspartei und einer prozessökonomischen Verfahrensführung. Sie bedeuten umgekehrt aber auch eine potenzielle Gefahr für den Erwerber. Das ökonomische Modell bildet die Rechtsfigur der Prozessstandschaft insofern als Principal-agent-Beziehung ab. Insbesondere besteht das Risiko, dass der Veräußerer, der vielfach kein gesteigertes Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits haben wird, das Verfahren nicht mit der nötigen Sorgfalt und im besten Interesse des Nachfolgers führen wird. Allerdings ist das bestehende Konfliktpotenzial durch die Annahme von Schadensersatzpflichten erheblich vermindert255. Verwendet der Veräußerer auf die Prozessführung nicht die notwendige Sorgfalt oder wirkt er gar vorsätzlich auf die Rechtsposition des Erwerbers ein, kann er sich nach Maßgabe der zwischen den Vertragsparteien typischerweise bestehenden Schuldrechtsverbindung ersatzpflichtig machen256. c) Beschränkung auf prozessuale Befugnisse Davon abgesehen beschränken sich die Befugnisse des Veräußerers auf den prozessualen Bereich. Zu materiellrechtlichen Verfügungen über den streitbefangenen Gegenstand ist er mangels Rechtsinhaberschaft (und Verfügungsbefugnis) 252 Für die h.M.: RGZ 166, 218, 237; BGHZ 148, 335, 338; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 69; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 12; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 18, 20; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 12; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435. 253 Für die h.M.: BGH NJW-RR 1987, 307; BAG NZA 2007, 328 Tz. 26; OLG Nürnberg NJW-RR 1995, 262, 264; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 74; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 6; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 19; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 12; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 20; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435. 254 Unstreitig; siehe nur OLG Nürnberg NJW-RR 1995, 262, 264 (Klagerücknahme); Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 20; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 12. 255 Dazu schon oben § 19 II. 4. d). 256 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57 a.E.; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435.
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nicht (mehr) in der Lage257. Bedeutung erlangt dieser Umstand namentlich für die – rein verfahrensrechtlich nicht zweifelhafte258 – Befugnis des Veräußerers zum Abschluss eines Prozessvergleichs. Aufgrund seiner Doppelnatur259 bindet der vom Veräußerer mit der Gegenpartei abgeschlossene Vergleich den Erwerber nur insoweit, als er Inhalt eines in dem Verfahren erlassenen Urteils hätte sein können260. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Inanspruchnahme der prozessualen Befugnisse, vor allem Anerkenntnis und Verzicht, das Urteil in vergleichbarer Weise beeinflussen können und sowohl im Interesse einer effektiven Prozessführung als auch im Interesse der Gegenpartei als zulässig angesehen werden. Zudem wird mittels Anerkennung der Vergleichsbefugnis ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch vermieden, der entstünde, wenn man dem Veräußerer diese Befugnis unter dem formalistischen Hinweis auf seine mangelnde Rechtsinhaberschaft abspräche.
3. Widerklagemöglichkeiten Seit langem ist anerkannt, dass es für die Erhebung einer Widerklage durch die Gegenpartei auch nach Veräußerung auf die Person des Veräußerers ankommt261. Bezog sich die Klage beispielsweise nur auf einen Teil des Anspruchs, kann der Gegner auch weiterhin gegen den Veräußerer (der gesamten Forderung) eine negative Feststellungsklage erheben262. Eine Widerklage gegen den als Prozessstandschafter klagenden Veräußerer ist auch möglich, wenn sich der materielle Anspruch gegen diesen richtet263. War die Widerklage aufgrund eines zunächst gegen den Veräußerer und nunmehr gegen den Nachfolger gerichteten Anspruchs bereits vor der Forderungsabtretung erhoben, ist die Gegenpartei 257 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57, 78; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 71; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 6; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 20; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435; Zeuner, FS Schwab, S. 575, 592. 258 BGH NJW-RR 1987, 307; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 19; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 12; Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 47 III 3 sowie die in Fn. 260 Genannten; vgl. noch Klinck, WM 2006, 417 ff.; a.A. RG WarnRspr. 1913 Nr. 259; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 6. 259 Vgl. nur BGHZ 164, 190, 193 f.; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 48 Rn. 4; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130 Rn. 29 ff. 260 LAG Düsseldorf DB 2005, 2696, 2697; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 57; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 75; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 20; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 16; Merle, JA 1983, 626, 631; Zeuner, FS Schwab, S. 575, 592; offen gelassen von BAG NZA 2007, 328 Tz. 27 f.; strenger Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435: Vergleich muss materiellrechtlicher Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber entsprechen; ohne Einschränkung offenbar: Reichold, in: Thomas/ Putzo, ZPO, § 265 Rn. 12; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 12. 261 Besonders klar Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 18. 262 Zutreffend Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 73; vgl. weiter RGZ 90, 350, 354 f.; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 435. 263 Vgl. OLG Köln FamRZ 1995, 1497 (zu § 1629 Abs. 3 BGB); Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 72; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 40.
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mittels § 265 Abs. 2 ZPO auch hinsichtlich der Widerklage hinreichend geschützt264. Der Veräußerer bleibt auch in Bezug auf die Widerklage Prozesspartei und führt das diesbezügliche Verfahren fort. a) Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage Schwierigkeiten bereiten Fallgestaltungen, in denen die Widerklage im Zeitpunkt der Forderungsabtretung noch nicht erhoben war. Insofern sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen kann sich der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch gegen den Erwerber richten, dessen Forderung durch den Veräußerer als Prozessstandschafter im Verhältnis zur Gegenpartei geltend gemacht wird. Zum anderen ist es denkbar und in der Praxis keineswegs selten, dass der Anspruch noch vor Klageerhebung abgetreten wird. Gegen die nun vom Zessionar erhobene Klage setzt sich der Prozessgegner durch Erhebung einer Widerklage gegen den Zedenten zur Wehr. In beiden Gestaltungen richtet sich die von der Gegenpartei erhobene Widerklage gegen einen am Rechtsstreit bisher unbeteiligten Dritten. Es handelt sich also um eine isolierte Drittwiderklage, deren zivilprozessuale Zulässigkeit mit der seit jeher h.M. im Grundsatz abzulehnen ist265. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die mit der Widerklage in Verbindung stehenden Privilegien betreffend Zuständigkeit, Klageerhebung und Kostenfolge266 für eine Widerklage gegen Dritte nicht zu rechtfertigen sind, soweit kein rechtlicher Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage besteht. Bei der isolierten Drittwiderklage ist typischerweise der Regelungszweck der für die Widerklage bestehenden Sondervorschriften nicht einschlägig, die darauf abzielen, durch einheitliche Verhandlung und Entscheidung zusammengehöriger Ansprüche eine Zersplitterung und Vervielfältigung von Prozessen zu vermeiden267 und der Gefahr widersprechender Entscheidungen entgegenzuwirken268. Darüber hinaus zielt die besondere Gerichtsstandbestimmung für Widerklagen – § 33 ZPO – auf die Herstellung verfahrensrechtlicher Waffengleichheit im Interesse des Prozessgegners. Wenn das Prozessrecht dem Kläger die Befugnis einräumt, 264
So offenbar auch Wach, Gruchot 30 (1886), 779, 793. BGHZ 147, 220, 221 f.; BGH NJW 1971, 466; 1975, 1228; 2001, 2094; 2007, 1753 Tz. 9; 2008, 2852 Tz. 26; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33 Rn. 26; Wern, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 33 Rn. 19; Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 249; Koch, JA 2013, 95, 99; Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 511, 517; vgl. weiter Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 352. 266 Dazu näher Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 348 ff. 267 Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien II, S. 158; BGHZ 40, 185, 188; 147, 220, 222; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 348; Scherz, StudZR 2012, 339, 341; Koch, JA 2013, 95; Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 511 f. 268 BGHZ 187, 112 Tz. 7, 13; BGH NJW 1981, 2642, 2643; 2002, 751, 753; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 33 Rn. 1, 3; Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 33 Rn. 1; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33 Rn. 1; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 33 Rn. 2; Patzina, in: MünchKommZPO, § 33 Rn. 1; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 1; Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 249. 265
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über Zeitpunkt und Ort der Klageerhebung nach Maßgabe der allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze zu entscheiden, ist es nur konsequent, dem Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, an dem vom Kläger gewählten Gerichtsstand einen Gegenangriff in Form der Widerklage einzuleiten269. Auch dieser Regelungsgedanke trägt nicht für den Fall, dass der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage einen bisher am Prozess vollkommen Unbeteiligten in den Rechtsstreit hineinziehen will. Orientiert an den Regelungszielen der Widerklage anerkennen Rechtsprechung und Schrifttum indes eine ganze Reihe von Fallgestaltungen, in welchen sie ausnahmsweise die Erhebung isolierter Drittwiderklagen zulassen. Allen Konstellationen ist gemein, dass zwischen Klage und Widerklage ein enger rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang besteht und auch keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten entgegenstehen270. In diesen Fällen erscheint der durch den Kläger vorgetragene Angriff als ein solcher des (später widerbeklagten) Dritten. Ihm muss der klägerische Angriff nach Wertungsgesichtspunkten271 zurechenbar sein. Kläger und Drittwiderbeklagter müssen mit anderen Worten in einem Lager stehen.272 Unter diesen Voraussetzungen sprechen für die Zulassung isolierter Drittwiderklagen nicht allein die allgemeinen Erwägungen der Prozessökonomie, sondern auch die zugunsten der Widerklage im Allgemeinen vorgebrachten Argumente. Besteht nämlich besagter Zusammenhang und sind die berechtigten Interessen des Widerbeklagten nicht tangiert, verhindert die Zulassung einer isolierten Widerklage auch hier einander widersprechende Entscheidungen und die prozessuale Vervielfältigung und Zersplitterung einheitlicher Lebenssachverhalte273. Besonders deutlich wird dies im ersten Beispielsfall, in dem der vom Prozessstandschafter Beklagte eine isolierte Drittwiderklage gegen den materiell Berechtigten erhebt274. Für die Zulassung der Drittwiderklage sprechen hier zunächst Gründe der prozessrechtlichen Waffengleichheit. Wenn sich der Rechtsinhaber zur Durchsetzung seines Anspruchs ausnahmsweise eines Prozess269
Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 33 Rn. 1, gleichsinnig Patzina, in: MünchKommZPO, § 33 Rn. 1; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 33 Rn. 2. 270 BGHZ 187, 112 Tz. 7; BGH NJW 2007, 1753 Tz. 10; 2008, 2852 Tz. 27; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33 Rn. 26; Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 249; Schöler, MDR 2011, 522, 524; enger OLG Zweibrücken VersR 1995, 197; insgesamt ablehnend früher Wach, Gruchot 30 (1886), 779, 793. 271 Dazu im Einzelnen Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 517 ff. 272 Instruktiv Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 517, der zu diesem Zweck das Kriterium der parteibezogenen Konnexität in die Diskussion einführt. 273 BGHZ 187, 112 Tz. 7; Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 249. 274 So die h.M.: OLG Dresden OLG-NL 2003, 65, 66; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 72; Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 33 Rn. 54; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33 Rn. 26; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 44; Beck, wrp 2011, 414, 416; Riehm, JZ 2007, 1001, 1003; Rüßmann, AcP 172 (1972), 520, 550 ff.; Rüßmann/Eckstein-Puhl, JuS 1998, 441, 443; Schumann, FS Musielak, S. 457, 483 ff. vgl. noch LG Bonn NJW-RR 2002, 1399, 1400; a.A. noch Frank, ZZP 92 (1979), 321, 326 f. mit weiteren Nachweisen aus dem älteren Schrifttum.
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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standschafters bedient und den Anspruch nicht selbst durchsetzt, dann muss es dem Beklagten auch erlaubt sein, sich sämtlicher Verteidigungs- und Gegenangriffsmittel zu bedienen, die ihm auch zur Verfügung stünden, wenn der Rechtsinhaber seinen Anspruch in eigener Person geltend machte. Schließlich darf der Beklagte aus der – nur ausnahmsweise zulässigen275 – Einschaltung eines Prozessstandschafters keine Nachteile erleiden. Zuweilen wird dieses Ergebnis noch unter Hinweis auf die verfassungsrechtlich verfügte Gleichheit vor dem Richter (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie das in Art. 6 EMRK verankerte Prinzip der equality of arms untermauert276. Diesen Aspekten kommt freilich im Vergleich zu der für das deutsche Zivilprozessrecht ausschlaggebenden Waffengleichheit keine eigenständige Bedeutung zu. Wichtiger ist vielmehr die Erkenntnis, dass der materiell Berechtigte hier schwerlich als unbeteiligter Dritter angesehen werden kann. Legt der materiell Berechtigte die prozessuale Durchsetzung seiner Vermögensinteressen durch Einschaltung des Prozessstandschafters bewusst in fremde Hand277, muss er damit rechnen, durch Erhebung einer gegen ihn gerichteten (Dritt-)Widerklage auch selbst in den Prozess hineingezogen zu werden. Für die Zulässigkeit konnexer (Dritt-)Widerklagen sprechen zugleich Gründe der Verfahrenskonzentration, weil hierdurch eine einheitliche Verhandlung und Entscheidung über beide Ansprüche sichergestellt und eine Vervielfältigung und Zersplitterung des Verfahrens vermieden wird. Von zentraler Bedeutung für die Verfahrenspraxis ist weiterhin die Konstellation einer vor Rechtshängigkeit erfolgten Forderungsabtretung. Erhebt der Zessionar im Nachgang gegen den Schuldner Klage, stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer gegen den Zedenten gerichteten (isolierten) Drittwiderklage. In der Praxis wird nicht selten aus prozesstaktischen Gründen zum Instrument der vorprozessualen Zession gegriffen, um den Zedent aus dem Verfahren herauszuhalten und ihm die Möglichkeit einer Zeugenaussage zu eröffnen. Freilich ist das Interesse des Zedenten, als Zeuge aussagen zu können, in rechtlicher Hinsicht nicht schützenswert. Vielmehr entspricht es dem zivilprozessualen Verschlechterungsverbot als integralem Bestandteil des verfahrensrechtlichen Sukzessionsschutzes, dass der beklagten Gegenpartei die (vorprozessuale) Abtretung in einem nachfolgenden Zivilprozess nicht zum Nachteil gereichen darf278. Darüber hinaus dient die Zulassung der isolierten Drittwiderklage hier in besonderem Maße der Herstellung prozessualer Waffengleichheit. Dass die Widerklage sich gegen einen Dritten und keine Prozesspartei richtet, 275 Zur Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft siehe Bendtsen, in: Hk, ZPO, § 51 Rn. 18; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 50 Rn. 38 ff.; Weth, in: Musielak, ZPO, § 51 Rn. 25 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 33 ff.; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 259 ff. 276 So Schumann, FS Musielak, S. 457, 483. 277 Vgl. Schumann, FS Musielak, S. 457, 486. 278 Siehe dazu sogleich die Argumentation im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 33 ZPO unten § 19 VI. 3. b).
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
beruht ausschließlich auf der Abtretung der streitigen Hauptforderung. In Ermangelung der Forderungszession richtete sich die Widerklage gegen den klagenden Gläubiger und wäre nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze zulässig. Dieses Verteidigungsmittel darf der gegnerischen Prozesspartei durch eine im Vorfeld der Klageerhebung erfolgte Abtretung nicht kompensationslos aus der Hand geschlagen werden. Dementsprechend ist die Zedentenwiderklage in Form einer isolierten Drittwiderklage dem Grunde nach zulässig279. b) Gerichtsstand der Drittwiderklage Sind die vorstehenden Grundsätze heute anerkannt, ist noch immer nicht abschließend geklärt, ob die Erhebung einer isolierten Drittwiderklage am allgemeinen Gerichtsstand des Widerbeklagten280 oder analog § 33 ZPO am besonderen Gerichtsstand des Hauptsacheverfahrens281 erhoben werden muss. Zumindest für die Zedentenwiderklage hat der BGH mit Beschluss vom 30. September 2010 – in Abkehr von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung282, wenngleich im Einklang mit einer vereinzelt gebliebenen älteren Entscheidung283 – für die Anwendung des § 33 ZPO plädiert284. Inwiefern diese Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden Überlegungen auf andere Fallgestaltungen übertragen werden können, ist noch offen285. Zuzustimmen ist dem BGH zunächst für die entschiedene Konstellation einer isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten der Hauptforderung286. Denn die Zulassung einer am Ort des Hauptprozesses erhobenen Widerklage dient am besten den mit diesem Verteidigungsmittel verbundenen Zwecken. Müsste der bisher unbeteiligte Zedent an seinem allgemeinen Gerichtsstand 279
BGH NJW 2007, 1753; 2008, 2852, 2854 f.; OLG München NJW 2009, 2609, 2610; Bendtsen, in: Hk, ZPO, § 33 Rn. 16; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33 Rn. 27; Hüßtege, in: Thomas/ Putzo, ZPO, § 33 Rn. 11; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 44; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 33 Rn. 21; Wern, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 33 Rn. 19; Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 518 ff. 280 BGHZ 147, 220, 223; BGH NJW 1993, 2120; 2000, 1871 f.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 44; Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 33 Rn. 56; Schröder, AcP 164 (1964), 517, 531 f.; Uhlmannsiek, Drittwiderklage, S. 178 ff. 281 OLG Dresden OLG-NL 2003, 65; Nieder, MDR 1979, 10, 11; Vollkommer/Vollkommer, WRP 2000, 1062, 1068; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 359 f.; für den Fall der Prozessstandschaft ebenso Schumann, FS Musielak, S. 457, 485 f. 282 Siehe die Nachweise in Fn. 280. 283 BGH NJW 1966, 1028. 284 BGHZ 187, 112 Tz. 12 ff.; dem folgend ThürOLG v. 14.3.2012 – 2 U 259/11 (nicht veröffentlicht), Originalabdruck S. 22. 285 Zurückhaltend Vossler, NJW 2011, 462, 463; Scherz, StudZR 2012, 339, 346; zuvor bereits die Besonderheiten der Zedentenwiderklage betonend Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 358 ff.; tendenziell großzügiger Beck, wrp 2011, 414, 417 f.; Hofmann/Uhrich, Jura 2011, 643, 646; insbesondere für die parteierweiternde Drittwiderklage Koch, JA 2013, 95, 100; für eine maßvolle Übertragbarkeit nach Wertungsgesichtspunkten Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 517 ff.; ohne Einschränkung Gsell, ZJS 2012, 117, 118 f.; ebenso ThürOLG v. 14.3.2012 – 2 U 259/11 (nicht veröffentlicht), Originalabdruck S. 22. 286 Ebenso schon Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 251.
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verklagt werden, könnten die mit der Widerklage verbundenen Vorteile (gemeinsame Verhandlung und Entscheidung von Klage und Widerklage, Verhinderung einer Zersplitterung und Vervielfältigung eines einheitlichen Lebenssachverhalts) regelmäßig nicht realisiert werden, weil der allgemeine Gerichtsstand des Dritten nicht selten vom Ort des Hauptprozesses verschieden sein wird. Andererseits muss der Beklagte grundsätzlich nicht damit rechnen, an einem für ihn ungünstigen Gerichtsstand verklagt zu werden287. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der historische Gesetzgeber vermittels der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit bewusst über die Lastenverteilung der Prozessparteien entscheiden hat, die sich nicht in erster Linie an Zweckmäßigkeitserwägungen orientieren, sondern an der Natur der Sache und den Grundsätzen der materiellen Gerechtigkeit288. Der durch §§ 12, 13 ZPO dem Beklagten gewährleistete „Heimspielvorteil“289 beruht auf der Überlegung, dass dem Beklagten der Prozess typischerweise gegen seinen Willen aufgezwungen wird. Wenn der Kläger also grundsätzlich darüber entscheidet, ob und zu welchem Zeitpunkt er die Klage erhebt, soll der Beklagte den Rechtsstreit zumindest am Gerichtsstand seines Wohnsitzes führen dürfen und nicht noch zusätzlich durch eine Prozessführung vor einem auswärtigen, womöglich weit entfernten Gericht belastet werden290. Die damit verbundene Vergünstigung (favor defensionis) dient der prozessualen Waffengleichheit291 und steht im Einklang mit der Rechtsparömie: actor sequitur forum rei – der Angreifer muss den Gegner an dessen Ort aufsuchen292. Nun zeigen aber bereits die übrigen Gerichtsstandvorschriften, dass die Interessen des Beklagten keine absolute Geltung beanspruchen293. Namentlich für die Widerklage ist der Aspekt des Sachzusammenhangs mit der Hauptklage von entscheidender Bedeutung. Davon abgesehen entspricht es umgekehrt dem Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes, dass sich die Rechtsstellung der beklagten Gegenpartei durch die vorprozessuale Abtretung der Klageforderung nicht verschlechtert. Hätte der Zedent die Forderung nicht an den Zessionar übertragen, sondern den Schuldner selbst in Anspruch genommen, hätte Letzterer sich ohne weiteres durch Erhebung einer Widerklage gegen den An287 Zu diesem Gesichtspunkt in einem anderen Zusammenhang bereits Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 250 f. 288 Vgl. BGH NJW 1986, 3209; BayObLG MDR 1996, 850; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 12 Rn. 1; Patzina, in: MünchKommZPO, § 12 Rn. 2; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 12 Rn. 3, 23; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2. 289 OLG Hamm NJW 1987, 138. 290 Vgl. BGHZ 88, 331, 335 f.; BGH NJW 1986, 3209; LG Karlsruhe JZ 1989, 690, 692 f.; AG Köln NJW-RR 1995, 185; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 12 Rn. 1; Patzina, in: MünchKommZPO, § 12 Rn. 2; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2. 291 So etwa Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 12 Rn. 1. 292 Vgl. RGZ 27, 385, 386; BGHZ 115, 90, 92; EuGH NJW 2002, 1407 Tz. 52; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 12 Rn. 1; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2; Wacke, JA 1980, 654 ff. 293 Dazu Fischer/Lieder, ZZPInt 16 (2011), 219, 251.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
griff zur Wehr setzen können, und zwar gem. § 33 ZPO beim Gericht des Hauptprozesses. Diesem Risiko einer Widerklage am Ort der Klage kann sich der Rechtsinhaber durch Abtretung der Klageforderung nicht aus eigener Machtvollkommenheit entziehen. Andernfalls würde die prozessuale Rechtsstellung der Gegenpartei signifikant beeinträchtigt. Insofern lässt die von ihm vorgenommene Abtretung der Klageforderung den Zedent auch schwerlich als einen an dem Rechtsstreit vollkommen Unbeteiligten erscheinen, so dass es auch nicht einleuchtet, ihm das allgemeine Gerichtsstandprivileg des Beklagten zu gewähren. Zugleich sorgt die Verfahrenskonzentration am Ort des Hauptprozesses für Waffengleichheit, denn sie eröffnet dem Beklagten die Möglichkeit, den bisher verdeckt agierenden Dritten in den Prozess einzubeziehen294. Das ist umso mehr gerechtfertigt, als der Zedent nicht selten allein aus prozesstaktischen Gründen über seine Forderung verfügt, namentlich um als Zeuge in dem Verfahren aussagen zu können295. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, wenn ihn der Beklagte mittels Drittwiderklage wieder in den Rechtsstreit einbindet. Überhaupt wird in dieser Fallgestaltung effektiver Sukzessionsschutz, wie er für die Forderungszession in §§ 404, 406 ff. BGB seine materiellrechtliche Ausprägung erfahren hat296, nur gewährleistet, wenn der beklagte Schuldner die gegen den Zedent gerichtete Drittwiderklage beim Gericht des Hauptprozesses erheben kann. Wenn der Schuldner schon – präventiv – keinen Einfluss auf die Übertragung der Forderung nehmen kann, muss seine Rechtsposition zumindest – postventiv – gegen alle mit der Abtretung verbundenen Nachteile geschützt werden. Deshalb muss der beklagte Schuldner dem Zessionar nicht nur die im Verhältnis zum Zedent begründeten Einwendungen entgegenhalten können, sondern es müssen ihm auch alle prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Angriff des Zessionars erhalten bleiben. Mit der Zulassung am Ort der Hauptklage kehrt die Behandlung der Zedentenwiderklage zu ihren historischen Wurzeln zurück. Bemerkenswerterweise ließ nämlich schon die Preußische Allgemeine Gerichtsordnung (AGO) aus dem Jahre 1793 die Zedentenwiderklage an diesem Ort zu297. In Teil I Titel 19 § 8 AGO findet sich die folgende Regelung: „Um jedoch die Vervielfältigung der Prozesse möglichst zu vermeiden, und den Beklagten nicht in die Nothwendigkeit zu versetzen, daß er seine die Forderung des klagenden 294 Vgl. Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 355; Vollkommer/Vollkommer, wrp 2000, 1062, 1068; siehe noch Lüke, Beteiligung, S. 301. 295 Vgl. BGH NJW 2007, 1753 Tz. 15 f.; ferner Baumert, LMK 2010, 311800; Beck, wrp 2011, 414, 417; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 353 f., 359; Schöler, MDR 2011, 522 ff.; insgesamt kritisch zum Problemkreis Dräger, MDR 2008, 1373 f. 296 Die Parallele zum materiellen Recht betonen zutreffend auch Riehm, JZ 2007, 1001, 1002 f.; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 355 f., 358 ff.; Vossler, NJW 2011, 462; Scherz, StudZR 2012, 339, 348; Koch, JA 2013, 95, 100. 297 Darauf weisen auch hin Schröder, AcP 164 (1964), 517, 521; Riehm, JZ 2007, 1001, 1002 Fn. 16; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 354 Fn. 29.
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Cessionarii übersteigende Gegenforderung mit zweifachem Kostenaufwande erst gegen ihn zum Behuf der Kompensation, und hiernächst, wegen des Ueberschusses, auch gegen den Cedenten ausführen müsse; so soll einem solchen Beklagten frei stehen, den Cedenten mit vorladen zu lassen.“
Ein Blick in die Gesetzesmaterialien belegt die enge Verbindung dieser Sonderregel mit dem materiellrechtlich gewährten Schuldnerschutz. Resultierte der mit Widerklage gegen den Zedent geltend gemachte Anspruch aus demselben Geschäft wie die Klageforderung, betrachtete man Zedent und Zessionar zum Zweck der Widerklage kurzerhand als eine Person298. Stammte die Gegenforderung hingegen aus einem anderen Rechtsverhältnis, setzte die Einbeziehung des Drittwiderbeklagten voraus, dass er einen Gerichtsstand am Ort des Hauptprozesses hatte299. Auch wenn mit dem hier gewählten Ansatz nicht für sämtliche Fallgestaltungen der isolierten Drittwiderklage eine einheitliche Lösung vorgelegt werden kann300, sorgen die vorstehenden Überlegungen doch jedenfalls in Bezug auf die Fallgruppe der Zedentenwiderklage für eine tragfähige rechtsdogmatische Untermauerung des vom BGH gefundenen, in jeder Hinsicht zutreffenden Ergebnisses. Erkennt man aber gerade in dieser Fortwirkung des Sukzessionsschutzgedankens die maßgebliche Begründung für die Zulassung der isolierten Drittwiderklage vor dem Gericht des Hauptverfahrens, wird man einer weiteren Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs skeptisch gegenüberstehen müssen. In jedem Fall ist für die Anerkennung weiterer Fallgruppen zu fordern, dass die Widerklage nicht allein zu einer Verfahrenskonzentration führt, die eine einheitliche Verhandlung und Entscheidung des zusammengehörigen Lebenssachverhalts ermöglicht. Vielmehr muss dem Dritten die gegen ihn gerichtete Widerklage im Hinblick auf seine jeweilige Schutzbedürftigkeit auch zumutbar sein. Das ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Dritte zurechenbar ein erhöhtes Risiko für die personelle Aufspaltung des einheitlichen Lebenssachverhalts geschaffen hat, die den Beklagten zur Erhebung der isolierten Drittwiderklage veranlasste301. Diese Voraussetzung ist nicht nur im Fall der Zedentenwiderklage erfüllt, sondern auch im Fall der gegen den materiell Berechtigten gerichteten Widerklage: Nimmt man den zivilprozessualen Sukzessionsschutz nebst Verschlechterungsverbot ernst, ist es nur konsequent, die isolierte Drittwiderklage auch gegen den materiell Berechtigten am Gerichtsstand des Prozessstandschafters ana298 Motive zur revidierten preußischen Prozessordnung I, S. 367: „Die Befugniß, den Cedenten in Anspruch zu nehmen, gründet sich darin, weil dieser in Ansehung der Widerklage eine Person mit dem Cessionarius ausmacht“. Vgl. ferner die in Fn. 297 Genannten. 299 Teil I Titel 19 § 19 AGO; dazu Schröder, AcP 164 (1964), 517, 521 f. 300 Dieses Desiderat bemängelt Beck, wrp 2011, 414, 415 auch noch nach BGHZ 187, 112; vgl. weiter die instruktive Argumentation nach Wertungsgesichtspunkten bei Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 517 ff. 301 Auf die Veranlassung hebt ebenfalls Beck, wrp 2011, 414, 418, ab; vgl. noch Rüßmann, AcP 172 (1972), 520, 551.
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log § 33 ZPO zuzulassen302. Entscheidet sich der Rechtsinhaber dafür, seinen Anspruch nicht in eigener Person, sondern unter Zuhilfenahme eines Prozessstandschafters gerichtlich geltend zu machen, dürfen dem Beklagten aus diesem verfahrenstechnischen Vorgehen des Berechtigten – ebenso wie im Fall der vor Prozessbeginn abgetretenen Klageforderung – keine Nachteile erwachsen. Hätte der Berechtigte den Anspruch nämlich selbst eingeklagt, hätte der Beklagte eine Widerklage auch am Gerichtsstand des Hauptprozesses gegen den materiell Berechtigten geltend machen können. Dem darf sich der Rechtsinhaber durch Einsetzung eines Prozessstandschafters nicht entziehen können. Vielmehr sorgt die Verfahrenskonzentration am Ort des Hauptprozesses für Chancengleichheit, denn sie eröffnet dem Beklagten die Möglichkeit, den bisher verdeckt agierenden Dritten in den Prozess einzubeziehen303, zumal auch der materiell Berechtigte, der dem Prozessstandschafter erst seine Prozessrechtsstellung verschafft hat, schwerlich als an dem Rechtsstreit vollkommen Unbeteiligter erscheint304. Vielmehr war er der Sache nach zumindest mittelbar – wenn auch nicht als formelle Partei – schon zuvor an dem Prozess beteiligt. c) Form der Widerklageerhebung Abschließend bleibt noch zu klären, ob die weiteren Privilegien der Widerklage auf die Zedentenwiderklage und die Widerklage gegen den materiell Berechtigten bei Prozessstandschaft zur Anwendung gelangen. Das ist für die privilegierte Klageerhebung in der mündlichen Verhandlung gem. § 261 Abs. 2 ZPO im Grundsatz abzulehnen305. Der gegenüber § 253 Abs. 1 ZPO vereinfachten Klageerhebung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Prozessparteien von Haupt- und Widerklage übereinstimmen und der ordnungsgemäß geladene Widerbeklagte während der Verhandlung deshalb anwesend oder vertreten ist306. Im Gegensatz dazu ist der Drittwiderbeklagte am Hauptverfahren typischerweise nicht beteiligt und erlangt deshalb auch keine Kenntnis von einer in der mündlichen Verhandlung erhobenen Widerklage. Der Regelungszweck des § 261 Abs. 2 ZPO trifft auf den am Hauptverfahren unbeteiligten Drittwiderbeklagten demnach nicht zu, und zwar unabhängig davon, ob er das Risiko für eine gegen ihn erhobene Widerklage durch zurechenbare Handlungen geschaffen hat oder nicht. Andernfalls würde der Anspruch des Drittwiderbeklagten 302 Ebenso Beck, wrp 2011, 414, 418; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 361; Vossler, NJW 2011, 462, 463; Scherz, StudZR 2012, 339, 347; Leifeld, ZZP 126 (2013), 509, 517 ff.; zuvor bereits ebenso Schumann, FS Musielak, S. 457, 485 f. 303 Vollkommer/Vollkommer, wrp 2000, 1062, 1068; siehe noch Lüke, Beteiligung, S. 301. 304 Vgl. Schumann, FS Musielak, S. 457, 486; Scherz, StudZR 2012, 339, 347. 305 So auch Riehm, JZ 2007, 1001, 1004; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 357 f., 360, jeweils unter Hinweis auf Ausnahmen; ferner Baumstark, Drittwiderklage, S. 194; ebenso für die Drittwiderklage im Allgemeinen Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 33 Rn. 55; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 43; Nieder, MDR 1979, 10, 11; Schröder, AcP 164 (1964), 517, 530; Uhlmannsiek, Drittwiderklage, S. 172 f.; Ackermann, Drittwiderklage, S. 205. 306 Nieder, MDR 1979, 10, 11; Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 357.
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auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und sein Interesse an einer wirksamen Verteidigung unzumutbar beeinträchtigt307. Aus diesem Grund hat die Erhebung der isolierten Drittwiderklage gem. § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten zu erfolgen. d) Kostenrechtliche Behandlung der Drittwiderklage Zur Anwendung gelangen allerdings die kostenrechtlichen Privilegien der Widerklage308. Sowohl die Befreiung vom Gerichtskostenvorschuss gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG als auch der Dispens von der Ausländersicherheitsleistung gem. § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO tragen dem Umstand Rechnung, dass dem Beklagten die Verteidigung im Wege der Widerklage erleichtert werden soll. Wenn der Kläger den Beklagten – regelmäßig gegen seinen Willen – mit einem Rechtsstreit überzieht, dann soll der Kläger auch das Risiko der Uneinbringlichkeit der Prozesskosten für das vom Beklagten in Anspruch genommene Verteidigungsinstrument der Widerklage tragen. Besagter Regelungsgedanke trägt auch für die Zedentenwiderklage. Denn hätte der Zedent die Klageforderung selbst eingeklagt, anstatt die Forderung an den Zessionar zu übertragen, wäre der Zedent auch mit dem Kostenrisiko belastet worden. Der Zedent kann sich dieser kostenrechtlichen Verantwortlichkeit durch die Forderungsabtretung nicht entziehen, weil er sich hierdurch andernfalls gegenüber dem Prozessgegner einen Vorteil verschaffen würde, der als Kehrseite eine unzulässige Benachteiligung der Gegenpartei darstellte. Auch in diesem Zusammenhang verhindert das Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes, dass sich die Prozessrechtsstellung des beklagten Schuldners verschlechtert und er sich einer durch die Abtretung veranlassten zusätzlichen Belastung gegenübersieht.
4. Klageerweiterung durch die Gegenpartei Dem Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes ist auch in Bezug auf eine etwaige Klageerweiterung durch den Prozessgegner zum Durchbruch zu verhelfen. Zur Verdeutlichung dient ein vom V. Zivilsenat des BGH entschiedener Fall aus dem Jahre 1958309: Der Kläger verlangte als Grundstückseigentümer ursprünglich die Herausgabe und Räumung des in Besitz des Beklagten befindlichen Grundstücks. Noch bevor sich herausstellte, dass die auf dem Grundstück errichtete Werk307
Zum Normzweck des § 253 Abs. 1 ZPO siehe nur Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 253 Rn. 4; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 253 Rn. 1 f. 308 Dazu und zum Folgenden ausf. Riehm/Bucher, ZZP 123 (2010), 347, 360 f.; im Ergebnis ebenso Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 33 Rn. 55; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33 Rn. 43; Nieder, MDR 1979, 10, 11; Uhlmannsiek, Drittwiderklage, S. 175; a.A. etwa Schröder, AcP 164 (1964), 517, 530 f. 309 BGHZ 28, 153.
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halle aufgrund ihrer vorübergehenden Zweckbestimmung nicht im Eigentum des Grundstücksinhabers, sondern des Besitzers stand, veräußerte und übergab der Beklagte die Werkhalle an einen Dritten. Daraufhin erweiterte der Kläger seine Klage um einen auf den Abriss der Werkhalle gerichteten Beseitigungsund Wiederherstellungsantrag. Das Berufungsgericht hatte den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Revision des Beklagten war vor dem BGH im Hinblick auf den Beseitigungs- und Wiederherstellungsantrag erfolgreich und führte insofern zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der V. Zivilsenat des BGH argumentierte ganz formal: Zunächst seien die beiden nacheinander gestellten Anträge streng voneinander zu unterscheiden. Der ursprüngliche, auf Herausgabe und Räumung gerichtete Antrag sei vor der Übertragung des Besitzes an dem streitbefangenen Grundstück gestellt worden, so dass § 265 ZPO ohne weiteres Anwendung finde. Demgegenüber komme eine Fortführung des Verfahrens mit dem Beklagten bezüglich des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB nicht in Betracht, weil der hierauf gerichtete Antrag erst nach Veräußerung der insofern streitbefangenen Werkhalle gestellt worden sei. Zudem komme die Erweiterung des Klageantrags auch nicht nach den Grundsätzen der Klageänderung in Frage, „da die ganze Fragestellung, ob Klageänderung gegeben sei oder nicht, neben der Sache liegt“310. Auch die Wertung des § 265 ZPO verlange kein anderes Resultat, da eine Vorverlegung der Rechtswirkungen auf einen Zeitpunkt vor Rechtshängigkeit des Antrags mit dem Regelungsziel der Vorschrift nicht in Einklang zu bringen sei. Diese restriktive Argumentation der Rechtsprechung ist abzulehnen311, setzt sie sich doch in diametralen Widerspruch zum Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes und führt zu einer nicht hinnehmbaren Verschlechterung der Prozessrechtsstellung der Gegenpartei. Zwar ist schwerlich zu bestreiten, dass § 265 ZPO bei wortlautgetreuer Auslegung auf den erst nach Veräußerung der streitbefangenen Sache gestellten Beseitigungs- und Wiederherstellungsantrag nicht zur Anwendung gelangt312. Allerdings handelt es sich bei § 265 ZPO nur um eine spezifische Ausformung des Prinzips zivilprozessualen Sukzessionsschutzes. Das Prinzip selbst geht in seinem sachlichen Gehalt indes weit über die in § 265 ZPO fixierte Gewährleistung hinaus. Dementsprechend ist der Sukzessionsschutzgedanke auch nicht auf den Anwendungsbereich des § 265 ZPO beschränkt, wie schon die vorstehenden Überlegungen zur (Zedenten-) Widerklage gezeigt haben313. Vielmehr müssen dem Prozessgegner auch außerhalb des (unmittelbaren) Anwendungsbereichs des § 265 ZPO diejenigen Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten offenstehen, die ihm ohne Veräußerung des Prozessobjekts zur Verfügung stünden. Im Ergebnis muss die Gegenpartei demnach so behandelt werden, als ob die Veräußerung nicht eingetreten wäre. 310
BGHZ 28, 153, 158. Im Ergebnis ebenso Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 74. 312 Einen erweiternden Streitbefangenheitsbegriff erwägend Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 75. 313 Siehe oben § 19 VI. 3. 311
VI. Ausgestaltung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes
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In diesem Fall stünde außer Zweifel, dass der Kläger im Beispielsfall seine Klage gem. § 264 Nr. 2 ZPO um den Beseitigungs- und Wiederherstellungsantrag hätte erweitern können. Das § 265 ZPO zugrunde liegende Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes verlangt demnach eine erweiternde Interpretation des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO, und zwar dergestalt, dass eine Klageänderung in diesem Sinne nicht daran scheitert, dass der streitbefangene Gegenstand bereits vor Stellung des Änderungsantrags veräußert worden ist.
5. Einwand fehlender Rechtskraftwirkung Die Fortführung des Verfahrens durch den Veräußerer kann den Rechtsstreit nur dann erledigen, wenn die gefällte Entscheidung nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 ZPO auch den Nachfolger bindet. Wirkt die Rechtskraft des Urteils wegen § 325 Abs. 2 ZPO indes nicht auch gegen den Erwerber314, ist dem Beklagten eine zu seinen Gunsten getroffene Entscheidung nicht nützlich315. Sie erzeugt Bindungswirkung allein im Verhältnis zum Vorgänger. Der Nachfolger ist indes nicht daran gehindert, die nach Maßgabe des § 325 Abs. 2 ZPO redlich erworbene Rechtsposition in einem zweiten Verfahren gegen den Beklagten durchzusetzen. Damit macht es aber sowohl im Hinblick auf die berechtigten Interessen des Prozessgegners als auch im Interesse einer wirtschaftlichen Prozessführung keinen Sinn, das Verfahren zwischen den Ausgangsparteien zu Ende zu führen. Aus diesem Grund gewährt § 265 Abs. 3 ZPO dem Prozessgegner die Möglichkeit, dem Kläger einredeweise die entfallene Aktivlegitimation entgegenzuhalten. In der Ausgestaltung als Einrede, deren Erhebung im freien Belieben des Prozessgegners steht, manifestiert sich die Schutzrichtung der Vorschrift, die wiederum auf den Schutz gegenparteiischer Interessen abzielt. Es liegt in der Konsequenz dieser Ausgestaltung des § 265 Abs. 3 ZPO, dass der Kläger nach Erhebung des gegnerischen Einwands die Bösgläubigkeit des Erwerbers hinsichtlich der materiellen Rechtslage und der Rechtshängigkeit nachweisen muss316, und zwar unabhängig davon, inwieweit dem Erwerber sonst die Berufung auf seine Redlichkeit eröffnet ist317. Gelingt es dem Kläger nicht, diesen Nachweis zu führen, wird die Klage als unbegründet abgewiesen318. 314
Zu den Fallgestaltungen im Einzelnen unten § 20 IV. Vgl. auch RGZ 56, 301, 309; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 113; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 9; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 29; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 16; Merle, JA 1983, 626, 632; v. Olshausen, JZ 1988, 584, 593. 316 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 114; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 107; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 30; Hellwig, Wesen, S. 169; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 440. 317 Vgl. RGZ 49, 363, 366 f.; siehe auch Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 3. 318 RGZ 56, 301, 309; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 114; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 108; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 12; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 32; Merle, JA 1983, 626, 632; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 439. 315
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Gleichermaßen entspricht es dem auf den Prozessgegner ausgerichteten Normzweck des § 265 Abs. 3 ZPO, dass sich sein Regelungsgehalt auf die Rechtsnachfolge auf Klägerseite beschränkt. Sieht sich nämlich der Kläger mit einer auf Beklagtenseite erfolgenden Veräußerung konfrontiert, kann er ein Interesse daran haben, das Verfahren mit dem Vorgänger weiterzuführen319, insbesondere wenn zweifelhaft ist, ob es tatsächlich zu einer Nachfolge gekommen ist oder ob eine Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger tatsächlich ausscheidet. Steht demgegenüber sicher fest, dass der Dritte den Streitgegenstand redlich erworben hat, macht es für den Kläger regelmäßig wenig Sinn, an seinem ursprünglichen Leistungsantrag länger festzuhalten. Zwar mag er auf diese Weise eine stattgebende Entscheidung gegen den Veräußerer erstreiten. Auf Grundlage der hier vertretenen Unbeachtlichkeitslehre ist die Nachfolge für die Streitentscheidung auszublenden, so dass die Klage – entgegen einer abweichenden Auffassung320 – nicht etwa mangels Passivlegitimation unbegründet wird321. Allerdings wird eine gegen den Veräußerer gerichtete Vollstreckung aufgrund des Sachverlusts erfolglos verlaufen. Das gleiche Schicksal ist regelmäßig auch einem gegen den Nachfolger gerichteten Vollstreckungsversuch beschieden. Zwar wird nach der Systematik des § 325 ZPO, im Rahmen dessen die fehlende Bindungswirkung infolge redlichen Erwerbs als Ausnahmetatbestand erscheint, die Bindungswirkung zum Zweck der Klauselerteilung gem. § 727 Abs. 1 ZPO zunächst unterstellt, soweit nur die objektiven Umstände der Nachfolge auf Beklagtenseite nachgewiesen werden322. Hiergegen kann sich der Erwerber aber im Verfahren gem. § 768 ZPO zur Wehr setzen und seinen guten Glauben geltend machen323, der im Rahmen des § 325 Abs. 2 ZPO wie sonst auch vermutet wird324. Und schließlich muss auch eine erneute Klage gegen den Nachfolger scheitern, weil er das Prozessobjekt redlich erworben hat und deshalb regelmäßig auch behalten darf325. Steht ein redlicher Erwerb auf Beklagten319 – Tritt der Kläger als Prozessstandschafter auf, ist die Klage mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen; vgl. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 33; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 108; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 176. 319 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 116; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 111 f.; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 12; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 33; Merle, JA 1983, 626, 629; Schink, Jura 1985, 291, 294; Schilken, Veränderungen, S. 55 f.; a.A. Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 47 II 2 b. 320 Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 33; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 176; Wagemeyer, Parteiwechsel, S. 39; vgl. auch Merle, JA 1983, 626, 629: fehlende Aktivlegitimation. 321 Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 20; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 440; Schilken, Veränderungen, S. 55 f. 322 Vgl. RGZ 79, 165, 168 f.; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 26; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 727 Rn. 26; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 17.11; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 16 Rn. 79; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 92. 323 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 117; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 26; Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 34; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 92; a.A. Merle, JA 1983, 626, 629: § 732 ZPO. 324 RGZ 79, 165, 169; 82, 35 ff.; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 26. 325 Zu den Wirkungen des Gutglaubenserwerbs ausf. oben § 11 IX. 1.
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seite fest, bleibt dem Kläger nichts anderes übrig, als zumindest sein finanzielles Interesse durch Umstellung der Klage gem. § 264 Nr. 3 ZPO auf einen etwaigen Ersatzanspruch zu sichern.
6. Gewillkürter Parteiwechsel a) Zustimmung des Prozessgegners Schließlich entspricht es dem zivilprozessualen Sukzessionsschutzprinzip sowie dem Verschlechterungsverbot, dass der gegnerischen Prozesspartei ein Parteiwechsel gem. § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht aufgezwungen werden kann. Ohne Zustimmung der Gegenpartei ist der Nachfolger nicht berechtigt, den Prozess anstelle des Vorgängers als Hauptpartei oder auch nur neben dem Vorgänger326 zu übernehmen oder im Wege einer Hauptintervention gem. § 64 ZPO vorzugehen. Angesichts der auf den Prozessgegner gerichteten Schutzrichtung kann das Zustimmungserfordernis nach zutreffender Auffassung auch nicht durch Erwägungen der Sachdienlichkeit überspielt werden327. Dem Nachfolger bleibt gem. § 265 Abs. 2 S. 3 ZPO nur die Möglichkeit, dem prozessführungsbefugten Veräußerer als Nebeninterventient beizutreten328. b) Zustimmung des Vorgängers Daneben muss auch der Vorgänger einem gewillkürten Parteiwechsel nach zutreffender h.M.329 zustimmen. Denn es ist im Ergebnis kein Grund ersichtlich für die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands von den allgemeinen Grundsätzen des gewillkürten Parteiwechsels abzuweichen, der sowohl nach Auffassung der Rechtsprechung330 als auch des Schrifttums331 analog § 269 326
RGZ 21, 395, 396 f.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 34. BGH NJW 1988, 3209; 1994, 3358, 3359; 1996, 2799; BPatG GRUR 2001, 774, 775; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 96; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 13; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 7; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 23; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 17; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 34; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 18; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 174 a.E.; Stadler/Bensching, Jura 2001, 443, 440; a.A. OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 318 für den Fall, dass der Veräußerer erlischt; dagegen OLG München OLGZ 1994, 87, 90 f. 328 Zur Bedeutung dieser Bewertung siehe oben § 19 II. 4. d). 329 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 103; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 93; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 13; Greger, in: Zöller, ZPO, § 265 Rn. 7; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 265 Rn. 17; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 35; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 265 Rn. 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 20; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 78 f.; Schink, Jura 1985, 291, 295; Sieg, ZZP 66 (1953), 23, 27; Stadler/Bensching, Jura 2001, 443, 440; de Boor, Parteiwechsel, S. 92; a.A. Goldschmidt, Prozeß, S. 334; Henckel, Parteilehre, S. 219 f.; ders., ZZP 82 (1969), 333, 335; kritisch Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 107. 330 BGH NJW 1981, 989; 2006, 1351 Tz. 24. 331 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Vor § 50 Rn. 22; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 263 Rn. 77. 327
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Abs. 1 ZPO der Zustimmung des Ausscheidenden bedarf. In der Sache wäre es nämlich wertungswidersprüchlich, wenn zwar eine (vollständige) Rücknahme der gegen den Beklagten gerichteten Klage an § 269 Abs. 1 ZPO scheitern müsste, der Kläger aber in der Lage wäre, den ursprünglichen Beklagten aus eigener Machtvollkommenheit durch eine andere Person zu ersetzen. Mit dem Beginn der Verhandlung zur Hauptsache erwirbt der Beklagte jeweils einen „Anspruch auf eine Sachentscheidung, der ihm ohne seine Zustimmung nicht mehr entzogen werden kann“332. Könnte der Prozessgegner den Veräußerer aus dem Prozess drängen, würde das zu seinem Schutz erforderliche Maß überschritten und er würde aus der Veräußerung des Prozessobjekts einen ungerechtfertigten Vorteil ziehen, der zum Schutz des gegnerischen Kontinuitätsinteresses nicht notwendig ist (Verbesserungsverbot). Und umgekehrt würde die Prozessrechtsstellung des Veräußerers in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Aus diesem Grund vermag sich der Prozessgegner mit seinem Interesse an einem Parteiwechsel gegen das Kontinuitätsinteresse des Vorgängers nicht durchzusetzen. c) Zustimmung des Nachfolgers Diese Argumentation trägt in ihren Grundzügen auch für das Zustimmungserfordernis des Nachfolgers333. Hinzu kommt noch ein rechtssystematisches Argument aus § 266 Abs. 1 ZPO334. Die Vorschrift lässt den Eintritt des Nachfolgers in den Rechtsstreit zu, wenn „über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, oder einer Verpflichtung, die auf einem Grundstück ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist“. Auf Antrag des Prozessgegners ist er ausnahmsweise gezwungen, den Rechtsstreit als Hauptpartei zu übernehmen. Daraus folgt e contrario, dass der Prozessgegner den Nachfolger nach Maßgabe des allgemeinen § 265 ZPO nicht aus eigener Machtvollkommenheit in den Prozess hineinziehen kann. Allerdings ist der Normzweck des § 266 Abs. 1 ZPO seit jeher umstritten. Zum Teil wird darauf verwiesen, der Vorgänger habe an der Prozessführung kein Interesse335, so dass das Eintrittsrecht den Nachfolger effektiv gegen eine sorgfaltswidrige Verfahrensführung des Vorgängers schützen solle336. Diese Interpretation vermag indes schwerlich zu erklären, weshalb das Nachfolgerinteresse nur in grundstücksbezogenen Verfahren besonders schutzwürdig er332
BGH NJW 1981, 989. Im Ergebnis ebenso BPatG GRUR 2001, 774, 775; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 97; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 93 Fn. 161; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 265 Rn. 23; Henckel, Parteilehre, S. 220; a.A. Roth, NJW 1988, 2977, 2980 f. 334 So auch BPatG GRUR 2001, 774, 775; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 93 Fn. 161; dagegen Roth, NJW 1988, 2977, 2981. 335 Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 266 Rn. 2. 336 Foerste, in: Musielak, ZPO, § 266 Rn. 1. 333
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scheint. Schließlich unterscheidet sich die Interessenlage hier nicht im Geringsten von derjenigen des § 265 ZPO. Hier wie dort erscheint es im Interesse eines wirksamen Sukzessionsschutzes der gegnerischen Prozesspartei allerdings gerechtfertigt, die schwache Prozessrechtsstellung des Nachfolgers337 hinzunehmen338. Deshalb kann auch eine im Vordringen begriffene Auffassung, die § 266 Abs. 1 ZPO mit der (angeblich) geringeren Schutzbedürftigkeit des Prozessgegners zu begründen sucht339, im Ergebnis nicht überzeugen. Zwar lässt sich durchaus hören, dass angesichts der durch Formalien erschwerten Zirkulationsfähigkeit von Grundstücken (vgl. §§ 873, 925 BGB) – anders als namentlich bei der Veräußerung beweglicher Sachen – keine vergleichbare Gefahr mehrfacher Veräußerungen oder anderweitiger Manipulationen zum Nachteil des Prozessgegners bestehe. Indes hat die Fortführung des Rechtsstreits durch den Vorgänger gem. § 265 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Parteiwechsel den Vorrang erhalten, weil sich die prozessuale Stellung der Gegenpartei nicht verschlechtern soll (prozessrechtliches Verschlechterungsverbot). Der Prozessgegner soll nicht mit den Unannehmlichkeiten belastet werden, die sich aus der Konfrontation mit einer anderen Prozesspartei ergeben können. Insbesondere soll ihm kein anderer Kostenschuldner aufgedrängt werden, dessen Bonität womöglich zweifelhaft ist. Dieses Risiko besteht aber im Fall der Veräußerung von Grundstücken in nicht geringerem Maße als bei Verfügungen von beweglichen Sachen und Forderungen. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine dritte Strömung an Gewicht, die § 266 ZPO allein aus historischer Perspektive für erklärbar hält340 und davon ausgeht, dass „nachfolgespezifische Umstände diese ‚Sonderregelung vom System her nicht gebieten‘“341. In den „Protokollen der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes“342 wird § 266 ZPO mit der Erwägung begründet, die Sachbefugnis werde in grundstücksbezogenen Prozessen regelmäßig nicht zweifelhaft sein, da sich der „Prozeß (…) gewissermaßen nur zwischen Grundstücken“ bewege. Die Motive verweisen zur Erklärung auf den römischrechtlichen Grundsatz, nach dem nicht die Prozessparteien, sondern die Grundstücke selbst als das „berech337 Darauf verweisen auch Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 266 Rn. 2; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 266 Rn. 1; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 177. 338 Siehe schon oben § 19 II. 4. d). 339 So Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 266 Rn. 3; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 266 Rn. 1; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 266 Rn. 1; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 177; Looff, Jura 2009, 124, 127 f.; tendenziell auch Greger, in: Zöller, ZPO, § 266 Rn. 1, der aber zusätzlich auf die größere wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsübergangs abhebt, was in Richtung der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Nachfolgers zeigt. 340 Eingehend Henckel, Parteilehre, S. 220 ff.; vgl. noch dens., FS Walder, S. 193, 200. 341 So Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 80 f.; Zitat auf S. 81; für eine Erhebung des § 266 Abs. 1 ZPO zum gesetzlichen Regelfall anstelle des § 265 Abs. 2 ZPO Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 107 f. 342 Schubert, Protokolle, S. 570; vgl. auch Foerste, in: Musielak, ZPO, § 266 Rn. 1.
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tigte oder verpflichtete Subjekt und der Besitzer (Eigentümer, …) als dessen Vertreter anzusehen sei“343. Dass diese Anschauung mit grundlegenden Prämissen moderner Zivilprozessdogmatik bricht, liegt auf der Hand344 und ist auch nicht „für einen Kernbereich nachvollziehbar“345. Die Gesetzesmaterialien belegen indes, dass für die Fälle des § 266 Abs. 1 ZPO durch den historischen Gesetzgeber deshalb eine Sondervorschrift geschaffen werden musste, weil es sich bei den grundstücksbezogenen Prozessen nach dem damaligen Stand der Dogmatik nicht um einen Subjektwechsel am streitbefangenen Grundstück handelte und eine Subsumtion unter § 265 ZPO dementsprechend ausschied346. Dem lag die Annahme zugrunde, dass sich in den Veräußerungstatbeständen des § 266 ZPO der Verlust der Sachlegitimation nicht durch die Verfügung über das streitbefangene Recht vollzog, sondern die Rechtsinhaberschaft an dem streitbefangenen Recht ipso iure mit dem Rechtsübergang an dem nicht in Streit befangenen Grundstück wechselte347. Erst vor diesem Hintergrund wird erklärlich, weshalb es in den Materialen heißt, es sei „in hohem Grade zweifelhaft (…), ob ohne eine solche Vorschrift der anhängige Rechtsstreit zu Ende geführt werde, beziehungsweise zu einem den Veräußerer bindenden Ergebnis gelangen kann“348. Seitdem die von § 266 Abs. 1 ZPO erfassten Gestaltungen indes zwanglos als Veräußerung der streitbefangenen Sache iSd. § 265 ZPO aufgefasst werden können349, was im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift und insbesondere das Prinzip des prozessualen Sukzessionsschutzes alternativlos erscheint, ist die Notwendigkeit für eine Sondervorschrift entfallen. Es reicht daher auch nicht aus, für eine restriktive Interpretation des § 266 Abs. 1 ZPO einzutreten350. Auch wenn dies de lege lata beifallswürdig ist, spricht der offensichtliche Mangel rechtspolitischer Sinnhaftigkeit de lege ferenda vehement dafür, die Vorschrift bei nächster Gelegenheit zu streichen, fehlt es doch an sachlichen Gründen, die eine Sondervorschrift für grundstücksbezogene Rechtsstreitigkeiten notwendig erscheinen ließen. d) Fortführung des Verfahrens nach dem Identitäts- und Kontinuitätsprinzip Findet auf dieser Grundlage ein gewillkürter Parteiwechsel statt, übernimmt der Nachfolger den Rechtsstreit in der Prozesslage, in der er sich zum Zeit343
Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien, S. 262; ebenso RGZ 108, 350, 353 f.; dazu auch authentisch Wetzell, System, S. 44 Fn. 8; aus neuerer Zeit Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 80. 344 Distanziert letztlich schon RGZ 108, 350, 355 f. 345 So aber Foerste, in: Musielak, ZPO, § 266 Rn. 1. 346 Dazu instruktiv Henckel, Parteilehre, S. 221. 347 So Wetzell, System, S. 44 m. Fn. 8; vgl. auch Henckel, Parteilehre, S. 221. 348 So Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien, S. 262; aus dem Kontext gerissen bei RGZ 108, 350, 353. 349 Dazu kritisch Henckel, Parteilehre, S. 222. 350 So aber Foerste, in: Musielak, ZPO, § 266 Rn. 1; a.A. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 266 Rn. 1: kein Anlass für restriktive Auslegung.
VII. Zusammenfassung
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punkt seines Eintritts befand. In Entsprechung zum materiellen Recht gilt auch hier ein zivilprozessuales Identitäts- und Kontinuitätsprinzip: Der Nachfolger ist an die Prozesshandlungen des Vorgängers gebunden, wie z.B. Anerkenntnis, Verzicht und – in begrenztem Umfang – Prozessvergleich. Eine Bindungswirkung besteht außerdem hinsichtlich der Prozesslage, vor allem in Bezug auf etwaige Beweisergebnisse351. Diese Bindungswirkung resultiert schon daraus, dass der Nachfolger auch ohne Übernahme des Rechtsstreits anstelle des Veräußerers gem. § 325 Abs. 1 ZPO an das Prozessergebnis gebunden wäre352.
VII. Zusammenfassung In Parallele zum materiellen Sukzessionsrecht ist das Sukzessionsprozessrecht geprägt durch die beiden systemtragenden Prinzipien der (zivilprozessualen) Sukzessionsfreiheit und des (zivilprozessualen) Sukzessionsschutzes. Seine maßgebliche Ausformung hat die zivilprozessuale Sukzessionsfreiheit nach wechselhafter Geschichte in § 265 Abs. 1 ZPO erfahren. Demzufolge kann auch nach Rechtshängigkeit noch ungehindert über den streitbefangenen Gegenstand verfügt werden. Weder besteht ein allgemeines Veräußerungsverbot noch bedarf die Sukzession der Mitwirkung der gegnerischen Prozesspartei. Ein präventiv wirksamer Sukzessionsschutz ist dem Prozessgegner demnach versagt. Seine berechtigten Interessen werden stattdessen durch postventiv wirkende Sukzessionsschutzmechanismen gewahrt. Auf Grundlage eines prozessrechtlich verstandenen Identitätsprinzips sollen Bestand und Charakter des Prozessrechtsverhältnisses unverändert fortbestehen. Namentlich § 265 Abs. 2 ZPO ordnet – ungeachtet der Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands – die Fortführung des Zivilverfahrens mit dem Veräußerer als gesetzlichem Prozessstandschafter an. Die personenidentische Verfahrensfortführung dient primär dem berechtigten (Kontinuitäts-)Interesse der gegnerischen Prozesspartei. Kann der Prozessgegner die Veräußerung schon nicht aus eigener Machtvollkommenheit verhindern, soll er zumindest keine rechtlich relevanten Nachteile aus der Transaktion erleiden (zivilprozessuales Verschlechterungsverbot). Ihm sollen zum einen die Früchte der bisherigen Prozessführung erhalten bleiben. Zum anderen soll verhindert werden, dass dem Prozessgegner eine fremde Person als neuer Verfahrensgegner aufgedrängt wird und sich der bisherige Gegner aus seiner kostenrechtlichen Verantwortung stiehlt. Daneben liegt die personenidentische Verfahrensfortführung auch im Interesse einer ökonomischen Prozessführung. Insbesondere bleiben die bisheri351 BGH NJW 2006, 1351 Tz. 24 f.; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 99; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 14; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 35; Schink, Jura 1985, 291, 295; Stadler/Bensching, Jura 2001, 443, 440; vgl. weiter Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 265 Rn. 105. 352 Vgl. auch Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 99; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 265 Rn. 14; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 35.
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
gen Verhandlungen und Beweisaufnahmen erhalten; unnötige Doppelprozesse und hiermit verbundene Mehrbelastungen der Gerichte werden vermieden. Und schließlich gewährleistet § 265 Abs. 2 ZPO auch Veräußerer und Erwerber, dass ihnen günstige Prozessergebnisse nicht verlorengehen. Die personenidentische Verfahrensfortführung und der obligatorische Parteiwechsel haben gemeinsam, dass sie beide auf eine Erhaltung der bisher erzielten Prozessergebnisse gerichtet sind. Zudem bildet die nach Maßgabe des § 239 ZPO vorgesehene Verfahrensunterbrechung nach Eintritt des Parteiwechsels einen weiteren Mosaikstein im Gesamtsystem des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes. Da der Gegenpartei mit dem obligatorischen Parteiwechsel indes ein anderer Prozessgegner aufgedrängt wird, ist nach zutreffender Auffassung von einem grundsätzlichen Vorrang der personenidentischen Verfahrensfortführung auszugehen. Ein obligatorischer Parteiwechsel greift nur Platz, wo eine Fortführung des Verfahrens mit dem übertragenden Rechtsträger, namentlich infolge Wegfalls der Rechts- und Parteifähigkeit, von vornherein ausgeschlossen ist. Die schwache Rechtsstellung des Nachfolgers ist im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Gegenpartei hinzunehmen. Der zivilprozessuale Nachfolgebegriff ist mit dem Sukzessionsbegriff des materiellen Rechts nicht vollständig deckungsgleich. Er umfasst nach zutreffender Auffassung sämtliche materiellrechtlichen Sukzessionen, die einen Wechsel der Sachlegitimation zum Gegenstand haben. Kommt es zu einem solchen Legitimationswechsel, unterfallen dem Nachfolgebegriff iSd. § 265 ZPO außerdem Fälle des originären Rechtserwerbs und des Erwerbs vom Nichtberechtigten. Entgegen der bisher h.M. ist auch die privative Schuldübernahme unter § 265 ZPO zu subsumieren. Bei ihr kommt es zu einem Wechsel der Sachlegitimation. Zudem bedürfen die berechtigten Interessen des Gläubigers eines effektiven Sukzessionsschutzes in Form personenidentischer Verfahrensfortführung durch den Altschuldner. Zugleich werden hierdurch Prozessdoppelungen vermieden und die Gerichte entlastet. Gleiches gilt nach zutreffender Auffassung in konsequenter Fortschreibung der nämlichen Argumente für die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme. Beim Schuldbeitritt handelt es sich hingegen um eine Akzession, keine Sukzession im materiellrechtlichen Sinne; auch kommt es zu keinem Wechsel der Sachlegitimation, so dass eine Anwendung des § 265 ZPO ausscheidet. Für die rechtsgeschäftliche Universalsukzession ist danach zu differenzieren, ob der übertragende Rechtsträger die Transaktion unbeschadet übersteht oder liquidationslos erlischt. Im letzteren Fall scheidet eine Verfahrensfortführung nach Maßgabe des § 265 ZPO mangels tauglichen Veräußerers aus, wie in den Fällen der Verschmelzung und Aufspaltung. Stattdessen kommt es zu einem obligatorischen Parteiwechsel, gefolgt von einer Verfahrensunterbrechung analog § 239 ZPO. Besteht der übertragende Rechtsträger fort, wie bei der Abspaltung und Ausgliederung, findet § 239 ZPO nach zutreffender Auffassung keine Anwendung. Im Übrigen ist nochmals danach zu differenzieren, ob es sich um einen Prozess
VII. Zusammenfassung
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über das Aktiv- oder das Passivvermögen handelt. Bei Aktivprozessen gilt im Interesse zivilprozessualen Sukzessionsschutzes der allgemeine Vorrang der personenidentischen Verfahrensfortführung gem. § 265 Abs. 2 ZPO. Bei Passivprozessen findet die Vorschrift nach zutreffender Auffassung keine Anwendung. Der Rechtsstreit wird zwar ebenfalls mit dem übertragenden Rechtsträger fortgeführt; indes agiert die Prozesspartei nicht als Prozessstandschafter des übernehmenden Rechtsträgers, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Infolge der spaltungsrechtlichen Transferhaftung gem. § 133 UmwG kommt es nämlich zu keinem Wechsel der Sachlegitimation; allein die materiellrechtliche Grundlage der Klage ändert sich. Zudem ist das berechtigte Kontinuitätsinteresse des Prozessgegners durch die akzessorische Mithaftung der übergeleiteten Verbindlichkeit hinreichend geschützt. Für die Ausdehnung des Verfahrens auf den übernehmenden Rechtsträger gelten die allgemeinen Grundsätze des Parteiwechsels und der Parteierweiterung, ohne dass substanzielle Modifikationen angezeigt wären. Die für Passivprozesse maßgeblichen Prinzipien gelten gleichermaßen für den hiesigen Reformvorschlag einer um die obligatorische Gläubigerbeteiligung entlasteten Schuldübernahme. Das systemprägende Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes erlangt Einfluss auf eine Reihe von Prozessrechtsnormen und zivilprozessualen Streitfragen. Das gilt zunächst für das Verhältnis zwischen materiellem Recht und Prozessrecht. Während die herrschende Relevanztheorie der materiellen Rechtsänderung für die Stellung des Klageantrags und den Urteilsinhalt Bedeutung beilegt, plädiert die hier befürwortete Unbeachtlichkeitslehre für eine vollständige Entkopplung von materiellem Recht und Prozessrecht. Entscheidend für die Unbeachtlichkeitslehre spricht, dass sie dem Prozessgegner ein höheres Maß zivilprozessualen Sukzessionsschutzes gewährleistet als die Relevanztheorie. Das zeigt sich namentlich für den Fall, dass sich der Prozessstandschafter weigert, die Klage auf Leistung an den Nachfolger umzustellen. Dann droht eine doppelte Inanspruchnahme des Prozessgegners. Zudem entspricht die Unbeachtlichkeitslehre auch dem Gebot einer materiellrechtsfreundlichen Auslegung der ZPO. Das Gericht legt seiner Entscheidung die Rechtslage zugrunde, die ohne den Sukzessionsvorgang bestehen würde. Einwendungen des Prozessgegners gegen den Nachfolger sind demnach im Erkenntnisverfahren unbeachtlich. Sie werden erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens relevant. Das hat maßgebliche Vorteile, wenn der Prozessgegner von der Abtretung erst nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens erfährt. Auswirkungen zeitigt das Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes auch auf die Widerklagemöglichkeit des Prozessgegners. Anerkannt ist insbesondere, dass sich die Gegenpartei ausnahmsweise mit einer isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten zur Wehr setzen kann. Nach zutreffender Auffassung kann die isolierte Widerklage analog § 33 ZPO am besonderen Gerichtsstand des Hauptsacheverfahrens erhoben werden. Das gilt sowohl für die Zedentenwiderklage als auch für isolierte Widerklagen gegen den materiellen Berechtigten am Gerichtsstand des Prozessstandschafters. Zugute kommen
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§ 19 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands
dem Prozessgegner die kostenrechtlichen Privilegien der Widerklage. Zum Schutz des Vorgängers kommt eine privilegierte Klageerhebung in der mündlichen Verhandlung hingegen nicht in Betracht. Die Wertungen des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes verlangen außerdem nach einer großzügigen Handhabung der Grundsätze über Klageerweiterungen zugunsten des Prozessgegners. § 264 Nr. 2 und 3 ZPO ist so auszulegen, dass eine Klageänderung in diesem Sinne nicht daran scheitert, dass der streitbefangene Gegenstand bereits vor Stellung des Änderungsantrags veräußert worden ist. Im Kontinuitätsinteresse der gegnerischen Prozesspartei liegt es, dass ein gewillkürter Parteiwechsel von Veräußerer und Erwerber nicht ohne die Zustimmung der Gegenpartei wirksam ist. Zudem bedarf es nach zutreffender h.M. sowohl einer Zustimmung des Vorgängers als auch des Nachfolgers. Die in § 266 ZPO normierte Sondervorschrift für grundstücksbezogene Prozesse ist nur historisch erklärbar und in diesem Sinne heute obsolet. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, § 266 ZPO ersatzlos zu streichen. Es gelten dann die rechtspolitisch überzeugenden Grundsätze des § 265 ZPO.
§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger Neben der personenidentischen Verfahrensfortführung nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO ist die Rechtskrafterstreckung des gegen den Vorgänger erstrittenen Urteils auf den Nachfolger gem. § 325 ZPO die zweite tragende Säule des zivilprozessualen Sukzessionsschutzprinzips. In diesem Sinne bildet die Rechtskrafterstreckung eine Ausnahme zur grundsätzlich auf die Prozessparteien beschränkten – relativen – Wirkung der materiellen1 Rechtskraft (I.). Diese subjektive2 Grenze der Rechtskraft überwindet § 325 Abs. 1 ZPO bei der Singular- und Universalsukzession nach Rechtshängigkeit im Interesse von Prozessgegner und Prozessökonomie (II.). Darüber hinaus gewährleistet § 407 Abs. 2 BGB dem redlichen Forderungsschuldner noch eine weitere Vorverlagerung des Sukzessionsschutzes bei Abtretungen vor Rechtshängigkeit (III.). Und schließlich schränkt § 325 Abs. 2 ZPO die Rechtskrafterstreckung für redliche Erwerber ein, weil Erwerber- und Verkehrsinteressen nach einer Ergänzung des bürgerlichrechtlichen Gutglaubensprinzips bei streitbefangenen Verfügungsgegenständen verlangen (IV.).
I. Relativität der Rechtskraft Das Prozessrechtsinstitut der materiellen Rechtskraft zielt nach Maßgabe des § 322 Abs. 1 ZPO auf die Gewährleistung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit ab3. Wo eine Entscheidung Rechtskraft wirkt, sind die Gerichte nach heute h.M. bereits an einer erneuten Verhandlung über den in einem anderen Verfahren abgeurteilten Streitgegenstand gehindert (ne bis in idem)4. Hierdurch wer1 Die Bedeutung der formellen Rechtskraft bleibt aufgrund des thematischen Zuschnitts der folgenden Überlegungen außer Betracht; vgl. dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 1 ff.; Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht, Rn. 554 ff. 2 Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft sind ein Thema für sich. Da sie keinen spezifischen Bezug zur vorliegenden Gesamtuntersuchung aufweisen, können sie auf sich beruhen; vgl. dazu etwa Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 360 ff.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 1018 ff.; Schreiber, Jura 2008, 121, 122 f. 3 Vgl. nur Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 1; Schack, NJW 1988, 865. 4 BGHZ 36, 365, 367; 93, 287, 289; 157, 47, 50; BGH NJW 1995, 1757; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, Vor § 322 Rn. 12; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rn. 7; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 322 Rn. 19; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 62 Rn. 6 ff.; Schack, NJW 1988, 865; Schwab, JuS 1976, 69, 73 f.; a.A. (Bindungslehre) Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 88 III 2; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 353.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
den zum einen unökonomische Doppelprozesse und einander widersprechende Entscheidungen verhindert5. Zum anderen ist die materielle Rechtskraftwirkung darauf gerichtet, den streitentscheidenden Funktionen von Gerichtsurteilen vollumfänglich zum Durchbruch zu verhelfen6. Letzteres impliziert zugleich die subjektive Beschränkung der Bindungswirkung auf die an dem konkreten Rechtsstreit beteiligten Personen. Die Rechtskraft wirkt relativ, da vernünftigerweise nur solche Personen an gerichtliche Entscheidungen gebunden sein können, die im Zivilverfahren eine aktive Rolle gespielt haben7 und denen im Rahmen der Verhandlungsführung vor dem erkennenden Gericht auch rechtliches Gehör iSd. Art. 103 Abs. 1 GG geschenkt worden ist8. Auch der Umstand, dass der gerichtlichen Entscheidung nur diejenigen Tatsachen zugrunde gelegt werden, die die Prozessbeteiligten im Rahmen der Verhandlungs- und Dispositionsmaxime in den Prozess einbringen9, zwingt zu einer subjektiven Begrenzung der Rechtskraftwirkung. Sind die Parteien für den zu entscheidenden Sachverhalt nämlich selbst verantwortlich, können unbeteiligte Dritte – zumindest im gesetzlichen Regelfall – an die auf dieser Grundlage gefällten Entscheidungen vernünftigerweise nicht gebunden sein.
II. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession nach Rechtshängigkeit Wie bereits ein flüchtiger Blick auf §§ 325 ff. ZPO erkennen lässt, hat das Prinzip der relativen Rechtskraftwirkung keinen axiomatischen Charakter. Stattdes5
BGHZ 3, 385, 388. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 1. 7 RGZ 71, 199, 202; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 1; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 1; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 2; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 1; Schack, NJW 1988, 865; Bettermann, Vollstreckung, S. 80 f. 8 Vgl. BGH NJW 1996, 395, 396; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 1; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 1; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 1; Schack, NJW 1988, 865; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 169, 189; zum Grundsatz allgemein und ausf. Marotzke, ZZP 100 (1987), 164 ff.; Lüke, Beteiligung, S. 122 ff. 9 Pointiert bereits Motive zum BGB, Bd. 1, S. 377: „Der Verhandlungsmaxime gemäß ist für den Richter nur das von den Parteien in den Prozeß eingeführte Streitmaterial vorhanden, und auch dieses bildet die Grundlage des Urtheiles nur insoweit, als es zugleich durch die Parteien in rechtliche Gewißheit gesetzt ist. Je nach dem Grade der Sorgfalt, mit welcher dieselben bei der Beurtheilung und Beschaffung des zur Verfolgung oder Abwehr des Anspruches Zweckdienlichen verfahren, je nach dem Maße der Thätigkeit, welche sie bei der Geltendmachung prozessualer Rechtszuständigkeiten entfalten, je nach dem, was sie zu erklären oder zu verschweigen, zu bestreiten oder zuzugestehen für gut finden, kann der Ausgang des Prozesses ein verschiedener, das Urtheil ein der wirklichen Sachlage entsprechendes oder nicht entsprechendes sein. Muß das zum Zwecke des endgültigen Austrages unter der Autorität des Staates gefällte Urtheil ohne Rücksicht auf seine materielle Wahrheit Rechtskraft schaffen, so beschränkt sich diese Rechtskraft nothwendig auf die Personen, deren Ermessen und Willkür für die Grundlage des Urtheiles, für die sachliche Richtigkeit oder Unrichtigkeit desselben bestimmend gewesen ist“. – Siehe ferner in Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung Bettermann, Vollstreckung, S. 81 ff., der zugleich eine Parallele von dem nach materiellem Recht unwirksamen Vertrag zulasten Dritter zur Dispositionsmaxime zieht (dort S. 84 f.). 6
II. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession nach Rechtshängigkeit
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sen kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen10 eine Rechtskrafterstreckung auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte erfolgen. Angesichts der normativ-teleologischen Bedeutung der subjektiven Rechtskraftgrenze11 bedarf es für eine solche Rechtskrafterstreckung stets einer besonderen Rechtfertigung, die sowohl in den allgemeinen Prozessrechtsprinzipien der Rechtssicherheit und Prozesswirtschaftlichkeit gefunden werden kann als auch in der besonderen Schutzbedürftigkeit einzelner Prozessbeteiligter. Trägt man diese Erkenntnis an die einzelnen Sukzessionstypen heran, ist zum einen nach ihrem Wirkungszeitpunkt – Sukzession vor oder nach Rechtshängigkeit – und zum anderen nach dem Übertragungsmodus – Singularsukzession (1.) oder Universalsukzession (2.) – zu unterscheiden:
1. Einzelnachfolge nach Rechtshängigkeit Kommt es nach Rechtshängigkeit zu einer Einzelnachfolge, erweisen sich das bekannte Kontinuitätsinteresse der gegnerischen Prozesspartei sowie das Interesse an einer prozesswirtschaftlichen Verfahrensführung als besonders schutzwürdig. Zivilprozessualer Sukzessionsschutz wird zunächst gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO durch die Fortführung des Verfahrens mit dem Vorgänger als gesetzlichem Prozessstandschafter gewährleistet. Allerdings ist die personenidentische Verfahrensfortführung für sich genommen wertlos, wenn der Prozessgegner nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens das ihm zuerkannte Recht nicht gleichermaßen gegen den Nachfolger als materiell Berechtigtem durchsetzen kann. Zu diesem Zweck ordnet § 325 Abs. 1 ZPO die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf den Nachfolger an12. Die erweiterte Bindungswirkung erlaubt es der obsiegenden Gegenpartei, nach Umschreibung des Urteils gem. § 727 ZPO gegen den Nachfolger zu vollstrecken, ohne gegen ihn einen erneuten Rechtsstreit führen zu müssen. Umgekehrt scheitert eine (weitere) Klage gegen den Nachfolger, solange noch das Erstverfahren läuft, am Einwand der Rechtshängigkeit13, nach Verfahrensabschluss am Einwand materieller Rechtskraft. Nach den nämlichen Grundsätzen ist auch eine gemeinsame Klage gegen Veräußerer und Erwerber ausgeschlossen14. Im Ergebnis erweisen sich die Regelungs10 Zum Ausnahmecharakter: BGHZ 3, 385, 388; 52, 150, 151; 124, 86, 95; NJW-RR 2005, 338, 339; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 1; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 2; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 325 Rn. 2; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 3; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 3; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 1; Schack, NJW 1988, 865, 872; a.A. Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 91 II 2, 3; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 403 f.; Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 145 ff. 11 Siehe nochmals oben § 20 I. 12 Vgl. auch Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 2; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 1. 13 OLG Koblenz NJW-RR 1989, 1023; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 17; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 261 Rn. 25. 14 BayObLG NJW-RR 1995, 467; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 1.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
ziele der §§ 265 Abs. 2, 325 Abs. 1 ZPO als weitgehend identisch. Gemeinsam bilden sie in rechtspolitischer Hinsicht ein überzeugendes, in sich geschlossenes Schutzkonzept15. Allerdings reichen die Schutzwirkungen der Rechtskrafterstreckung gem. § 325 Abs. 1 ZPO noch über den Anwendungsbereich des § 265 Abs. 2 ZPO hinaus. Gerichtliche Entscheidungen wirken nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 ZPO nämlich auch bei Veräußerungen nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens gegenüber dem Nachfolger Rechtskraft16. Auch in diesem Fall zielt die Rechtskrafterstreckung darauf ab, dem Prozessgegner die Früchte des Rechtsstreits zu sichern17 und unnötige Doppelprozesse nebst damit verbundenen Mehrbelastungen der Gerichte zu vermeiden. Angesichts der hohen Bedeutung, die dem zivilprozessualen Sukzessionsschutz sowie einer prozessökonomischen Verfahrensführung zukommen, ist auch die hiermit verbundene Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG ausnahmsweise hinzunehmen18. Wegen etwaiger Einbußen muss sich der Nachfolger an den Veräußerer halten19. Im Übrigen erfährt der redliche Nachfolger ergänzenden Gutglaubensschutz nach Maßgabe des § 325 Abs. 2 ZPO20.
2. Gesamtnachfolge nach Rechtshängigkeit Für die Gesamtnachfolge ist mehrfach zu differenzieren21. Zunächst entfalten §§ 265 Abs. 2, 325 Abs. 1 ZPO ihre komplementären Wirkungen nur, wenn (1.) der übertragende Rechtsträger die (umwandlungsrechtliche) Universalsukzession unbeschadet übersteht und es sich (2.) um einen Prozess über das Aktivvermögen handelt. Namentlich in den Fällen der Abspaltung und Ausgliederung kann der übertragende Rechtsträger als Prozessstandschafter für den Übernehmer tätig werden. Nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 ZPO entfaltet eine gegen den Übertragenden ergangene Entscheidung Rechtskraft auch gegenüber dem Gesamtnachfolger. Zu den soeben entwickelten Grundsätzen der Singularsukzession22 ergeben sich für Aktivprozesse keine signifikanten Unterschiede. Bei Passivprozessen kommt § 265 ZPO nach zutreffender Auffassung hingegen nicht zur Anwendung. Angesichts der Spaltungshaftung bleibt der übertragende 15
Vgl. auch v. Olshausen, JZ 1976, 85, 87. Zur Eröffnung des Anwendungsbereichs vgl. nur BGHZ 114, 360, 364; BGH NJW 1981, 1517; 1983, 2032; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 62; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 14; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 6; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 325 Rn. 13, 21; Jauernig, ZZP 101 (1988), 361, 374; Schack, NJW 1988, 865, 867. 17 Vgl. auch Schack, NJW 1988, 865, 867. 18 Im Ergebnis ebenso Jauernig, ZZP 101 (1988), 361, 374 ff. 19 Siehe bereits oben § 19 II. 4. d). 20 Dazu ausf. unten § 20 IV. – Vgl. auch Calavros, Urteilswirkungen, S. 99 ff.; Jauernig, ZZP 101 (1988), 361, 375. 21 Zum Ganzen siehe oben § 19 V. 22 Siehe nochmals § 20 II. 1. 16
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit
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Rechtsträger am Verfahren aus eigener Schuld und auf eigene Rechnung beteiligt. Dementsprechend findet in diesem Fall auch keine Rechtskrafterstreckung gem. § 325 Abs. 1 ZPO statt. Wiederum anders liegt der Fall, wenn die Gesamtnachfolge, wie bei Verschmelzung und Aufspaltung, mit einem liquidationslosen Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers einhergeht. Da der Übertragende dann sukzessionsbedingt seine Rechts- und Parteifähigkeit einbüßt, scheidet er auch als Prozessstandschafter aus. Ein obligatorischer Parteiwechsel ist die notwendige Konsequenz. Anstelle des übertragenden führt der übernehmende Rechtsträger das streitige Verfahren fort. Da der Erwerber aufgrund des Parteiwechsels selbst die Rechtsstellung einer Prozesspartei erwirbt, findet streng genommen keine Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf den Nachfolger statt. Vielmehr resultiert die Bindung an das Prozessergebnis aus der tatsächlichen Parteistellung des Nachfolgers. Bei einer Nachfolge während des Zivilverfahrens erleidet das Prinzip der relativen Rechtskraftwirkung daher keine Durchbrechung. Nur wenn die Nachfolge nach Verfahrensabschluss eintritt, entfaltet § 325 Abs. 1 ZPO seine besondere – über den Anwendungsbereich des § 265 ZPO hinausreichende – Bindungswirkung gegenüber dem Gesamtnachfolger. In diesem Fall schafft die Rechtskrafterstreckung die notwendige Grundlage für die Erteilung einer titelumschreibenden Vollstreckungsklausel gem. § 727 ZPO. Darüber hinaus verhindert § 325 Abs. 1 ZPO, dass die unterlegene Partei noch einmal über denselben Streitgegenstand prozessiert23.
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit 1. Herleitung und Grundlagen Entfaltet der Sukzessionstatbestand seine Wirkung bereits vor Rechtshängigkeit, ist § 325 Abs. 1 ZPO nach seinem insofern eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar. Es bleibt bei der Geltung der relativen Rechtskraftwirkung, die sich auf die am Rechtsstreit unmittelbar Beteiligten beschränkt24. Da der Vorgänger hier über ein fremdes Recht prozessiert und ihm infolgedessen die Sachlegitimation für das Verfahren fehlt, besteht kein vernünftiger Grund, den Nachfolger an das durch den Unbefugten erzielte Prozessergebnis zu binden25. Vielmehr muss grundsätzlich der Nachfolger vor Rechtsnachteilen aus einem Zivilverfahren geschützt werden, das eine sachlich nicht legitimierte Person über seine Vermögensposition führt. Der Berechtigte wird durch die relative Rechtskraftwirkung im Prozessrecht ebenso geschützt wie nach materiellem Recht 23
Vgl. Schack, NJW 1988, 865, 867. Siehe oben § 20 I. 25 RG JW 1906, 203, 204; OLG Hamburg SeuffA 53 (1898), 230; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 18. 24
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
durch die Wertungen des Einigungsprinzips26 und die Abwehrfunktion der Sukzessionsbefugnis27. Nimmt man den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hinzu, muss eine Bindungswirkung gegenüber dem Nachfolger dem Grunde nach ausscheiden, soweit ein Dritter unbefugt über eine fremde Vermögensposition prozessiert. Allerdings dürfen auch in diesem Zusammenhang die berechtigten Schutzinteressen der gegnerischen Prozesspartei nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Das Interesse des Nachfolgers, von einem – durch den Vorgänger erzielten – negativen Prozessergebnis freigehalten zu werden, tritt in das bekannte Spannungsverhältnis zum (zivilprozessualen) Sukzessionsschutzprinzip; insbesondere ist die Gegenpartei daran interessiert, die Früchte der bisherigen Prozessführung zu erhalten28. Besonders gewichtig ist das Erhaltungsinteresse des Forderungsschuldners, da er weder an der Abtretung mitwirkt noch über eine erfolgte Zession in Kenntnis gesetzt werden muss. Deshalb darf der redliche Forderungsschuldner nach Maßgabe des § 407 Abs. 2 BGB auch auf den Fortbestand der Sachlegitimation des Zedenten sowie darauf vertrauen, dass die von ihm in Richtung des Forderungsrechts vorgenommenen Prozesshandlungen auch dem wahren Forderungsinhaber gegenüber wirksam sind. Geschützt wird hiermit vor allem das schuldnerische Interesse daran, nicht nochmals durch den Zessionar in ein zweites Verfahren über das streitbefangene Forderungsrecht verwickelt zu werden, wenn er im Rechtsstreit mit dem Zedent bereits obsiegt hat. Aus prozessrechtssystematischer Sicht handelt es sich bei § 407 Abs. 2 BGB demnach um eine Erweiterung des § 325 Abs. 1 ZPO zugrunde liegenden (zivilprozessualen) Sukzessionsschutzgedankens29. Für die Auflösung des Spannungsverhältnisses zugunsten des redlichen Schuldners spricht indes nicht nur dessen besondere Schutzbedürftigkeit, sondern auch die nur schwach ausgeprägte Schutzwürdigkeit des Zessionars. Letzterem ist es nämlich ein Leichtes, die Vertrauensposition des Schuldners mittels Abtretungsanzeige zu zerstören und auf diese Weise seine Interessen zu wahren. Haben die Parteien des Abtretungsvertrages indes – wie bei Sicherungszessionen üblich – Stillschweigen über den Gläubigerwechsel vereinbart, trägt der Zessionar das Risiko einer nach Maßgabe des § 407 Abs. 2 BGB gegen ihn wirkenden Entscheidung. Davon abgesehen können dem Zessionar wegen sorgfaltswidriger Prozessführung nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht Ersatzansprüche gegen den Zedent zustehen.
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Siehe oben § 6. Siehe oben § 5 I. 2. 28 Siehe die Erwägungen des historischen BGB-Gesetzgebers: Motive zum BGB, Bd. 2, S. 133. 29 BGHZ 52, 150, 152; 64, 122, 127; Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 18; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 30; Siber, in: Planck, BGB, § 407 Anm. 2. 27
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit
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2. Personeller Anwendungsbereich des § 407 Abs. 2 BGB Über die konkrete Reichweite des § 407 Abs. 2 BGB herrscht Streit. Während die Rechtsprechung30 und Teile des Schrifttums31 annehmen, die Vorschrift wirke ausschließlich zugunsten des Schuldners, machen sich andere32 für eine Rechtskrafterstreckung auch zugunsten des Zessionars stark. Richtigerweise ist der durch § 407 Abs. 2 BGB vermittelte Vertrauensschutz auf den Schuldner beschränkt. Dafür spricht zunächst der insofern klare Gesetzeswortlaut, der es dem Schuldner zwar ermöglicht, sich im Verhältnis zum Zessionar auf die Rechtskraftwirkung zu berufen, ihn hierzu aber keineswegs verpflichtet. Zudem entspricht es den Gedanken des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes und des Verschlechterungsverbots, dass der Schuldner – in Übereinstimmung zu den materiellrechtlichen Schuldnerschutzbestimmungen der §§ 407 Abs. 1, 408, 409 BGB33 – selbst darüber entscheiden kann, ob er in den Genuss des von § 407 Abs. 2 BGB vermittelten Vertrauensschutzes gelangen oder darauf verzichten möchte34. Eine Rechtskraftwirkung auch zugunsten des Zessionars ist mit dem Wahlrecht des Schuldners schwerlich in Einklang zu bringen. Darüber hinaus kommt zugunsten des Zessionars auch keine analoge Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB in Betracht. Zwar scheitert die Analogiebildung in rechtsmethodischer Hinsicht nicht bereits an einem etwaigen Ausnahmecharakter der Vorschrift35, sind Ausnahmeregeln doch wenigstens im Rahmen ihres – begrenzten – Normzwecks einer analogen Anwendung durchaus zugänglich36. Eine Übertragung des § 407 Abs. 2 BGB zugrunde liegenden Regelungsgedankens auf das Verhältnis zum Zessionar scheitert indes an der mangelnden
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RG Gruchot 55 (1911), 383, 386; BGHZ 52, 150, 152 ff.; 163, 59, 63. Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 30; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 47; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 325 Rn. 21; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 19; H.-F. Müller, in: PWW, BGB, § 407 Rn. 11; Weber, in: RGRK, BGB, § 407 Rn. 14; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 325 Rn. 2; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 24; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 8; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 80 I 2; Ahcin/Armbrüster, JuS 2000, 658, 662; Blomeyer, NJW 1970, 179, 180; Huber, JuS 2010, 582, 583; Huffer, ZGS 2005, 256; Lüke, JuS 1995, 90 Fn. 1; Henckel, FS Beys, S. 545, 556. 32 Westermann, in: Erman, BGB, § 407 Rn. 8; Hellwig, Wesen, S. 403 f.; Grunsky, JZ 1969, 604; Quast, Titel, S. 289 f.; Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1078; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 103; Schwab, GS Bruns, S. 181, 187 ff.; offen gelassen von Siber, in: Planck, BGB, § 407 Anm. 2. 33 Siehe oben § 15 III. 3. c), § 15 III. 4. und § 15 III. 5. a). 34 Zutreffend BGHZ 52, 150, 154; Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 28; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 30 a.E.; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 47; Brehm, JZ 2005, 956, 957. 35 So aber fälschlich BGHZ 52, 150, 153. 36 Siehe dazu Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn. 120; Canaris, Feststellung, S. 180 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 185 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 355 f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 489a; Bydlinski, Methodenlehre, S. 440; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 298; Würdinger, JuS 2008, 949 ff. 31
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
Vergleichbarkeit der Interessenlage von Schuldner und Zessionar. Denn das Regelungsziel des § 407 Abs. 2 BGB ist ausschließlich darauf ausgerichtet, den in Unkenntnis der Abtretung in einen Rechtsstreit verwickelten Schuldner – wiederum in Parallele zu dem in §§ 406, 407 Abs. 1, 408 BGB gewährleisteten materiellrechtlichen Sukzessionsschutz – in seinem Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Gläubigerstellung und Sachlegitimation des Zedenten zu schützen. Mit diesem Regelungszweck erweist sich eine Verschlechterung der schuldnerischen Rechtsstellung, wie sie mit einer Rechtskrafterstreckung zugunsten des Zessionars typischerweise verbunden ist, als generell unvereinbar. Insbesondere würde es gegen das zivilprozessuale Verschlechterungsverbot verstoßen, wenn eine zwischen Zedent und Schuldner ergangene Entscheidung auch zugunsten des Zessionars wirken und dem Schuldner hierdurch reflexartig Rechtsnachteile auferlegen würde. Gegen die hiesige Auffassung kann auch nicht der „Grundsatz prozessrechtlicher Waffengleichheit“37 in Stellung gebracht werden. Zwar ist es richtig, dass § 407 Abs. 2 BGB – in Übereinstimmung mit §§ 404, 406 ff. BGB sowie §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO – von diesem Grundsatz abweicht. Dies geschieht indes ganz bewusst zur Verwirklichung effektiven Sukzessionsschutzes zugunsten der gegnerischen Prozesspartei. Im Ergebnis lässt sich ein wirksamer Schuldnerschutz gegenüber zessionsbedingten Nachteilen allerdings nur um den Preis einer schwächeren Zessionarsstellung gewährleisten. Davon abgesehen folgt eine Rechtskraftwirkung zugunsten des Zessionars auch nicht aus dem „allgemeinen, in § 185 (Abs. 2) BGB enthaltenen Grundsatz“38. Denn diese Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf die materiellrechtliche Wirksamkeit von Verfügungen und ist daher streng von den zivilprozessualen Wirkungen der Rechtskraft zu unterscheiden. Dieser Punkt leitet über zur zentralen Streitfrage auf Rechtsfolgenseite des § 407 Abs. 2 BGB:
3. Rechtsfolgen des § 407 Abs. 2 BGB Während die heute h.M. der Vertrauensschutznorm ausschließlich zivilprozessuale Wirkungen beimisst und umgekehrt jegliche materiellrechtlichen Wirkungen abspricht39, tritt eine moderne Gegenauffassung – in Tradition der (heute überwundenen) materiellen Rechtskrafttheorie40 – für den (materiellrechtli-
37 So Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1078; im Ergebnis ebenso Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 103. 38 So aber Hellwig, Wesen, S. 404. 39 BGHZ 163, 59, 63; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 36; Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072 f.; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 111. 40 Braun, ZZP 117 (2004), 3, 12 und passim, verweist auf Hellwig, Wesen, S. 403 f. – Vgl. die dahingehenden Deutungen der Braun’schen Lehre durch Brehm, JZ 2005, 956, 957; Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072.
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit
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chen) Verlust der abgetretenen Forderung analog § 407 Abs. 2 BGB nach Erlass eines für den Zedent günstigen Urteils ein41. Abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken gegen die materiellrechtliche Wirkung der Rechtskraft, die mit vollem Recht zugunsten einer rein prozessualen Rechtskraftwirkung aufgegeben worden ist42, überschreitet die Gegenauffassung das zum Schutz berechtigter Schuldnerinteressen notwendige Maß und setzt sich auf diese Weise mit dem zivilprozessualen Verbesserungsverbot als Teilgewährleistung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips in Widerspruch. Zur Verwirklichung eines effektiven Schuldnerschutzes reichen die von der h.M. anerkannten prozessrechtlichen Wirkungen des § 407 Abs. 2 BGB völlig aus. Darüber hinaus ist es weder notwendig, dass dem Zessionar die Forderung analog § 407 Abs. 2 BGB per se abgesprochen wird, noch dass man die vor Rechtshängigkeit vereinbarte Abtretung als unwirksam betrachtet43. Ohne Erfolg macht die Gegenauffassung geltend, der Schuldner sehe sich einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt, wenn die Forderung des Zedenten durch rechtskräftiges Urteil anerkannt werde und daneben außerdem die dem Zessionar auf materiellrechtlicher Grundlage tatsächlich zustehende Forderung ungeachtet der zugunsten des Zedenten ausgefallenen Entscheidung fortbestünde44. Der Schuldner ist gegen eine doppelte Inanspruchnahme nämlich auch nach h.M. hinreichend geschützt: Hat der Schuldner noch immer keine Kenntnis von der Forderungszession, kann er gem. § 407 Abs. 1 BGB mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten; der Zessionar muss sich diese Leistung entgegenhalten lassen. Erfährt der Schuldner nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens von der Abtretung, kann er sich nach hiesiger Auffassung durch Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO gegen die Inanspruchnahme durch den Zedenten zur Wehr setzen45. Darüber hinaus verstieße der nachträgliche Entzug des Forderungsrechts auch gegen die in § 265 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck gelangten Wertungen der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit46: Wenn eine Vermögensposition auch nach Rechtshängigkeit eines über sie eröffneten Zivilverfahrens ungehindert übertragbar ist, bedeutete es einen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch, spräche man einer vor Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgten, dem Schuldner aber unbekannt gebliebene Forderungsabtretung die materielle Wirksamkeit
41 Braun, ZZP 117 (2004), 3, 12 f., 22 ff., insb. 25; ders., JZ 2005, 363, 364; siehe weiter OLG München JZ 2005, 361, 362; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 22; Blomeyer, NJW 1970, 179, 180. 42 Dazu eingehend Gaul, FS Flume I, S. 443, 512 ff.; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 322 Rn. 7 ff. 43 BGHZ 163, 59, 63; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 36; Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072 f.; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 111. 44 So aber Braun, ZZP 117 (2004), 3, 12. 45 Zum Ganzen ausf. unten § 20 III. 4. c). 46 In diese Richtung zutreffend auch Häsemeyer, FS Leipold, S. 1067, 1072 f.; zum § 265 Abs. 1 ZPO siehe ausf. oben § 19 I.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
für den Fall ab, dass der Zedent in dem anschließend mit dem Schuldner geführten Rechtsstreit obsiegt. Und schließlich stellt der nachträgliche Forderungsverlust für den Zessionar eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung dar, die für einen wirksamen Schutz schuldnerischer Interessen nicht erforderlich ist. Das gilt umso mehr, als der Zessionar an dem Rechtsstreit nicht beteiligt ist und er seine Rechtsposition dementsprechend ohne prozessuale Einwirkungsmöglichkeit verlieren würde. Freilich lässt sich hören, dass es dem Zessionar obliege, durch eine Mitteilung an den Schuldner die Wirkung des § 407 Abs. 2 BGB auszuschalten und seine Interessen zu wahren. Allerdings haben die Parteien des Zessionsvertrags zum einen nicht selten gute (wirtschaftliche) Gründe an einer stillen (Sicherungs-)Abtretung. Zum anderen sind die berechtigten Interessen des Schuldners bereits durch Anerkennung rein zivilprozessualer Wirkungen hinreichend geschützt, so dass es für die von der Gegenauffassung vorgeschlagene Beeinträchtigung der zessionarischen Rechtsstellung an einem sachlichen Rechtfertigungsgrund mangelt.
4. Zeitpunkt der Kenntniserlangung a) Kenntniserlangung vor Rechtshängigkeit Die Anwendbarkeit des § 407 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Schuldner bei Eintritt der Rechtshängigkeit keine Kenntnis von der Forderungsabtretung hatte. Ist ihm die Zession schon vor Rechtshängigkeit bekannt, kann er sich unter Hinweis auf die fehlende Sachlegitimation des Zedenten leicht gegen eine Klage verteidigen. Dann steht auch nicht zu befürchten, dass dem Schuldner die bisherigen Früchte seiner Prozessführung verlustig gehen. Er durfte nämlich nicht darauf vertrauen, gegen den wahren Rechtsinhaber zu prozessieren, und zwar nicht nur, wenn er außerhalb des Streitverfahrens von der Abtretung erfuhr, sondern nach einhelliger Auffassung auch, wenn er positive Kenntnis erst aus der Klageschrift des Zedenten erlangte47. Zwar macht erst die Zustellung der Klageschrift an den Schuldner die Klage rechtshängig (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO); die darauffolgende Lektüre geschieht genau genommen erst nach Rechtshängigkeit. Allerdings ist es dem Schuldner ohne weiteres zumutbar, sich noch vor Verhandlungsbeginn auf die neue Rechtslage einzustellen. Zudem sind bis zur Klagezustellung auch noch keine Prozessergebnisse erzielt worden, derer der Schuldner verlustig gehen könnte.
47
Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 17; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 32; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 25.
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit
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b) Kenntniserlangung während des Zivilverfahrens Auch außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 407 Abs. 2 BGB ist die Rechtsposition des Schuldners hinreichend geschützt, soweit er während des Zivilverfahrens und noch vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung von der Abtretung erfährt. Denn in diesem Zeitraum kann der Schuldner auf die Kenntniserlangung angemessen durch Rüge der mangelnden Sachlegitimation des Zedenten reagieren48, woraufhin die Entscheidung typischerweise zu seinen Gunsten ausfällt. Freilich ist der Schuldner nach Klageabweisung nicht gegen einen weiteren Rechtsstreit mit dem Zessionar geschützt. Insbesondere führt der Zedent den Prozess hier nicht als Prozessstandschafter des Zessionars fort. Die im Verfahren gegen den Zedent erzielten Prozessergebnisse büßt der Schuldner also ein. Diese Beschränkung des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes nimmt § 407 Abs. 2 BGB allerdings bewusst in Kauf, um die Rechtsstellung des Zessionars nicht über Gebühr zu beeinträchtigen. Der historische Gesetzgeber hat sich – nach wechselvollen Beratungen in der zweiten Lesung des BGB-Entwurfs49 – ausdrücklich gegen eine Erstreckung des in § 265 ZPO (für Abtretungen nach Rechtshängigkeit) niedergelegten Regelungsgedankens auf Abtretungen vor Rechtshängigkeit entschieden50. Diese Entscheidung war von der Überzeugung getragen, der Zessionar müsse im Fall der vor Rechtshängigkeit erfolgten Abtretung besser geschützt werden als im Fall der bereits eingetretenen Streitbefangenheit. Deshalb sei es angezeigt, dem Zessionar die Möglichkeit der Hauptintervention zu eröffnen51. Die Entscheidung des historischen Gesetzgebers ist in der Sache durchaus nachvollziehbar52. Erwirbt der Zessionar eine rechtshängige Forderung, muss er damit rechnen, dass sich der anhängige Prozess auch auf die streitbefangene Forderung auswirken wird. Der (potenzielle) Zessionar tut daher gut daran, sich vor Abschluss des Zessionsvertrages beim Zedent über die prozessuale Situation zu erkundigen, und muss entscheiden, ob die Transaktion unter Berücksichtigung der erlangten Informationen mit seinen individuellen Präferenzen vereinbar ist. Dabei spielt das mit dem anhängigen Prozess verbundene (Ver48 Vgl. auch Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 32; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 265 Rn. 32; Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht, Rn. 365; Huber, JuS 2010, 582, 583; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 108 f. 49 Siehe vor allem die Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamts, bei Jakobs/Schubert, Beratung, S. 810 f.; dort S. 811: „Ist in einem nach der Uebertragung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger über die Forderung anhängig gewordenen Rechtsstreite ein rechtskräftiges Urtheil ergangen, so muß der neue Gläubiger dasselbe gegen sich gelten lassen, sofern nicht zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit dem Schuldner die Uebertragung bekannt war.“ 50 Dazu auch Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 111 f. 51 So Protokolle zum BGB, Bd. 1, S. 392. 52 A.A. Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 112, der die Differenzierung der vor und nach Rechtshängigkeit erfolgten Abtretung als „heute jedenfalls kaum mehr nachvollziehbare Differenzierung“ abtut.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
lust-)Risiko eine zentrale Rolle. Davon abgesehen ist auch der Zedent verpflichtet, den Zessionar über die Streitbefangenheit des Vertragsobjekts zu informieren. Gegen aufklärungswidriges Verhalten ist der Zessionar durch schuldrechtliche Ersatzansprüche gegen den Zedent geschützt. Grundlegend anders liegt der Fall, wenn über die abgetretene Forderung noch kein Rechtsstreit anhängig ist. Dann darf der Zessionar prinzipiell darauf vertrauen, dass ihn ein später über die Forderung entflammter Rechtsstreit nicht bindet. Aus gutem Grund beschränken sich die Rechtskraftwirkungen in diesem Fall auf die am Rechtsstreit unmittelbar Beteiligten53: Zum einen ist der Zessionar besonders schutzwürdig, weil er am Rechtsstreit nicht beteiligt ist und ihm daher auch kein rechtliches Gehör gewährt wird. Eine Rechtskrafterstreckung zu seinen Ungunsten lässt sich in diesem Zusammenhang schwerlich rechtfertigen. Zum anderen trägt der Schuldner hier nicht anders als sonst das Risiko, von einem Nichtberechtigten mit einer Klage überzogen zu werden, sich hiergegen erfolgreich zu verteidigen und anschließend einer weiteren Klage des wahren Gläubigers gegenüberzustehen. Gleichgültig, ob man diese rechtspolitische Einschätzung teilt, besteht angesichts der insoweit eindeutigen Gesetzesfassung der §§ 407 BGB, 265, 325 ZPO sowie der zugehörigen Äußerungen des historischen Gesetzgebers jedenfalls de lege lata kein interpretatorischer Gestaltungsspielraum für einen über das geschriebene Recht hinausgehenden Sukzessionsschutz. Abzulehnen sind daher sämtliche Versuche, den in § 265 ZPO niedergelegten Regelungsgedanken in den Anwendungsbereich des § 407 Abs. 2 BGB zu verlängern54. Solche Korrekturen erfolgen contra legem und sind daher abzulehnen. c) Kenntniserlangung nach Verhandlungsschluss Schwierigkeiten bereitet nun die Gewährleistung effektiven Sukzessionsschutzes, wenn der Schuldner erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung von der Abtretung erfährt. Soweit noch zulässig, wird der Schuldner Rechtsmittel einlegen. Wo diese Möglichkeit ausscheidet, ist die Lösung des Rechtsproblems noch immer sehr umstritten55. aa) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Seit dem Grundsatzurteil des III. Zivilsenats des Rechtsgerichts vom 13. März 191456 bis zum Grundsatzurteil des IX. Zivilsenats des BGH vom 19. September 200057 entsprach es der „nahezu einhellig vertretenen Auffassung“58, dass es 53 54 55 56 57 58
Siehe nochmals oben § 20 I. Siehe etwa Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 113. Umfassende Nachweise zum Meinungsstand bei Quast, Titel, S. 5 ff. RGZ 84, 286, 292. BGHZ 145, 352. BGHZ 145, 352, 354 mit zahlreichen Nachweisen aus dem vorausgegangenen Schrifttum.
III. Rechtskrafterstreckung bei Sukzession vor Rechtshängigkeit
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sich bei der erst nachträglich erlangten Kenntnis des Schuldners um eine iSd. § 767 Abs. 2 ZPO beachtliche Tatsache handele. Dem trat der BGH im Jahre 2000 entgegen und lehnte die Anwendung der Vollstreckungsgegenklage in den genannten Fällen ausdrücklich ab59. Zur Begründung führte er aus, die bisher h.M. sei mit Wortlaut und Inhalt des § 767 ZPO unvereinbar und auch aus Gründen des Schuldnerschutzes nicht geboten. Die vom Schrifttum lokalisierte Rechtsschutzlücke werde durch die gesetzliche Möglichkeit, die geschuldete Leistung zu hinterlegen, vollständig geschlossen, so dass es eines Rückgriffs auf die Vollstreckungsgegenklage nicht bedürfe. Im Schrifttum ist BGHZ 145, 352 auf ein geteiltes Echo gestoßen. Ein Teil der Standardliteratur hat sich der Entscheidung zumeist unkritisch angeschlossen60, während ein Großteil des Schrifttums dem Urteil nach wie vor die Gefolgschaft verweigert61. Stattdessen wird vielfach auf die früher herrschende Vollstreckungslösung zurückgegriffen; andere plädieren für materiellrechtliche Lösungsansätze. Einer dieser Ansätze, der dem Zessionar die Forderung analog § 407 Abs. 2 BGB nach materiellem Recht aberkennen will, ist oben bereits vorgestellt und ablehnend gewürdigt worden62; darauf muss an dieser Stelle nicht nochmals eingegangen werden. Ein weiterer materiellrechtlicher Ansatz plädiert für einen Vorrang der Wertung des § 407 Abs. 2 BGB vor § 407 Abs. 1 BGB und erlaubt dem Schuldner auch nach erlangter Kenntnis die schuldbefreiende Leistung an den Zedenten63. Im Folgenden werden zunächst die Hinterlegungslösung des BGH (bb) und die materiellrechtlichen Lösungsansätze (cc) abgelehnt, um anschließend unter Fortschreibung der hier befürworteten Unbeachtlichkeitslehre64 für einen Rückgriff auf die Vollstreckungsgegenklage einzutreten, die es dem Schuldner erlaubt, die nachträgliche Kenntnis der Forderungszession als iSd. § 767 Abs. 2 ZPO relevante Tatsache geltend zu machen (dd). 59
BGHZ 145, 352, 354 ff. Busche, in: Staudinger, BGB, § 407 Rn. 23; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 767 Rn. 22; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 767 Rn. 39; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKommZPO, § 767 Rn. 77; Schuschke, in: Schuschke/Walker, ZPO, § 767 Rn. 22 m. Fn. 121; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1342; ferner Brand/Fett, JuS 2000, 637, 638 ff.; Huber, JuS 2010, 582, 583; Henckel, FS Beys, S. 545 ff.; Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 116 f.; zuvor bereits OLG Dresden NJW-RR 1996, 444, 445 f. 61 Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 32; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 47; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 767 Rn. 55; Herget, in: Zöller, ZPO, § 767 Rn. 14; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 407 Rn. 7; Foerste, JZ 2001, 467 f.; zurückhaltend bzw. kritisch auch Braun, ZZP 117 (2004), 3, 20 ff.; Huffer, ZGS 2005, 256, 259; Münzberg, ZZP 114 (2001), 229 ff.; Rensen, MDR 2001, 857 f. 62 Siehe oben § 20 III. 3. 63 Backhaus, JA 1983, 408, 412 ff.: trotz zwischenzeitlicher Kenntnis kann gem. § 407 Abs. 1 BGB analog befreiend an den Zedenten geleistet werden; ebenso unter Rückgriff auf den Gedanken des § 404 BGB Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I 6; von einer „Erfüllungsfiktion“ spricht Huffer, ZGS 2005, 256, 260. Siehe ferner den Ansatz bei Quast, Titel, S. 239 ff. und passim, die für eine grundlegende Neujustierung des Kenntnisbegriffs in § 407 Abs. 1 BGB unter Rückbeziehung auf die Anzeige iSd. § 409 BGB eintritt. 64 Siehe oben § 19 VI. 1. b). 60
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
bb) Ablehnung der Hinterlegungslösung des BGH Abzulehnen ist zunächst die Hinterlegungslösung des BGH. Sie ist unnötig kompliziert und wenig interessengerecht, zwingt sie den Schuldner doch, sich über die materielle Berechtigung des Titelgläubigers zu informieren. Da der Schuldner zur leistungsbefreienden Hinterlegung nur berechtigt ist, wenn es ihm nicht gelingt, die bestehende Unsicherheit über die Gläubigerstellung aus der Welt zu schaffen, muss er zeit- und kostenintensive Nachforschungsmaßnahmen anstellen, um das Bestehen einer dem Zedent erteilten Einziehungsermächtigung zu verifizieren oder eine gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien zu erwirken65. Aber selbst wenn die notwendige Unsicherheit besteht, ist keineswegs ausgemacht, dass der Schuldner stets hinterlegen kann. Denn gerade mit Blick auf das erlassene Urteil muss die „Ungewissheit der Gläubigerschaft“ als zentrale Zulässigkeitsvoraussetzung der Hinterlegung durchaus zweifelhaft erscheinen. Wolfgang Münzberg bemerkt mit Recht66: „Es gibt (…)doch rechtlich gesehen keine größere Gewißheit als ein rechtskräftiges Urteil (…).“
Doch damit nicht genug67: Hinterlegt der Schuldner entgegen dem ergangenen Urteil die geforderte Leistung, so provoziert er womöglich den nächsten Prozess, in dem nun über die Herausgabe des Hinterlegten gestritten wird (vgl. § 13 HinterlO). Zudem wird die Vollstreckung aus dem ursprünglichen Urteil erst dann eingestellt, wenn der Beklagte nach vollständiger Hinterlegung im Rahmen einer hierauf zulässigerweise68 gestützten Vollstreckungsgegenklage den Nachweis erbringt, dass er zur Hinterlegung berechtigt war. In der Zwischenzeit ist er Vollstreckungsmaßnahmen der obsiegenden Partei schutzlos ausgeliefert und kann auch keine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO beantragen69. Davon abgesehen scheidet eine befreiende Hinterlegung insgesamt aus, wenn der Leistungsgegenstand nicht hinterlegungsfähig oder versteigerbar ist (vgl. §§ 372 S. 1, 383 Abs. 1 BGB)70 oder der Schuldner zur Hinterlegung schlichtweg unfähig ist, weil ihm dafür etwa die liquiden Mittel fehlen71. Zugleich fallen nach der BGH-Lösung Hinterlegungskosten an, die eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung und damit letztlich Abtretungen im Allgemeinen verteuern, was einer freien Zirkulation von Rechtspositionen im Interesse einer effektiven Allokation von Ressourcen zuwiderläuft. Und schließlich verstößt die Hinterlegungslösung gegen das zivilprozessuale Verschlechte-
65 66 67 68 69 70 71
Vgl. BGHZ 145, 352, 355 f. Münzberg, ZZP 114 (2001), 229, 231; vgl. auch Braun, ZZP 117 (2004), 3, 20 f. Instruktiv Münzberg, ZZP 114 (2001), 229, 232 f. Vgl. BGHZ 145, 352, 356; Herget, in: Zöller, ZPO, § 767 Rn. 12. Braun, ZZP 117 (2004), 3, 21; Münzberg, ZZP 114 (2001), 229, 234. Vgl. auch Rensen, MDR 2001, 856, 857; Braun, ZZP 117 (2004), 3, 21 f. Braun, ZZP 117 (2004), 3, 22; vgl. noch Oberhammer, FS Leipold, S. 101, 123.
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rungsverbot, weil dem Schuldner sowohl in Form von Hinterlegungskosten als auch in Form von Nachforschungskosten rechtlich relevante Nachteile auferlegt werden, von welchen er nach den Wertungen des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes, wie er namentlich in §§ 265, 325 ZPO sowie § 407 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt, freigehalten werden muss. cc) Ablehnung der materiellrechtlichen Lösungsansätze Abzulehnen sind außerdem die materiellrechtlichen Lösungsansätze. Ihr zentraler Nachteil liegt in der nicht hinnehmbaren Geringschätzung der zessionarischen Rechtsstellung72. Insbesondere geht es weit über das zum Schutz des Forderungsschuldners notwendige Maße hinaus, wenn dem Zessionar die materielle Forderungszuständigkeit analog § 407 Abs. 2 BGB rückwirkend abgesprochen wird73. Mit den Wertungen der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit, wie sie in § 265 Abs. 1 ZPO eine positivrechtliche Ausformung erfahren hat74, ist diese Position schlichtweg unvereinbar. Entsprechendes gilt für die Auffassung, dem Zessionar zwar die Forderung zu belassen, dem Schuldner aber selbst nach Kenntniserlangung noch die Möglichkeit einzuräumen, mit befreiender Wirkung an den Zedent zu leisten. Auch dann ist der Zessionar daran gehindert, die ihm nach materiellem Recht zustehende Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen. Er ist auf Ersatzansprüche gegen den Zedent verwiesen und trägt insofern das Insolvenzrisiko. Diese materiellrechtliche Schlechterstellung des Zessionars entfaltet wiederum verkehrshemmende Wirkung und ist mit dem systemprägenden Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit nicht in Einklang zu bringen. Davon abgesehen führen die materiellrechtlichen Ansätze allesamt zu einer unbefriedigenden Vermischung von materiellem Recht und Prozessrecht. Die Lösungsvorschläge gestatten es zivilprozessualen Wertungen auf die materielle Rechtslage auszustrahlen. Solche Ausstrahlungswirkungen setzen sich indes zu der oben geforderten Trennung der beiden Rechtsmaterien, wie sie namentlich in der Unbeachtlichkeitslehre zum Ausdruck kommt75, in einen unauflöslichen Widerspruch. Aus diesem Grund führt auch an der Wertung des Redlichkeitskriteriums iSd. § 407 Abs. 1 BGB kein Weg vorbei. Sobald der Schuldner von der Forderungszession positive Kenntnis erlangt, ist ihm eine leistungsbefreiende Erfüllung an den Zedent versagt. Es bleibt dabei: Zivilprozessuale Rechtsprobleme sind nicht durch Uminterpretation des materiellen Rechts, sondern durch genuin zivilprozessuale Lösungen zu bewältigen.
72 73 74 75
Vgl. auch Quast, Titel, S. 267 f. So aber der bereits oben § 20 III. 3. skizzierte und ablehnend gewürdigte Vorschlag. Siehe oben § 19 I. Zum Ganzen siehe oben § 19 VI. 1.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
dd) Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage Als vorzugswürdig erweist sich daher ein Schutz des Forderungsschuldners durch Zulassung einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO. Diese Lösung fügt sich nahtlos in das Gesamtsystem zivilprozessualen Sukzessionsschutzes ein. Sie verhindert einerseits eine Schutzlücke zulasten des Forderungsschuldners, wie sie von der Hinterlegungslösung des BGH offen gelassen wird. Andererseits beschränkt sie das Schutzniveau auf ein angemessenes Maß, ohne zugleich die zessionarische Rechtsstellung entgegen den Wertungen der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit über Gebühr zu beeinträchtigen, wie es die materiellrechtlichen Lösungsansätze tun. In rechtsdogmatischer Hinsicht tritt die hier befürwortete Lösung in wertungs- und strukturkohärenter Weise für eine scharfe Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht ein und bewegt sich insofern auf der Grundlage der oben befürworteten Unbeachtlichkeitslehre76: Erfolgte die Forderungszession während des Erkenntnisverfahrens, bildet die Unbeachtlichkeitslehre einen überzeugenden Ansatzpunkt für die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen § 407 BGB und § 767 Abs. 2 ZPO. Auf dieser Grundlage wird die fehlende Sachlegitimation des Klägers ausgeblendet und der Schuldner mit der Rüge des Legitimationsmangels in das Vollstreckungsverfahren verwiesen, so dass die Einwendung auch nicht iSd. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sein kann. Es würde aber nun einen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch bedeuten, wenn dem Schuldner die Vollstreckungsgegenklage zwar für eine während des Prozesses erfolgte Forderungsabtretung eröffnet wäre, nicht aber gleichermaßen für eine vorprozessuale Zession. Eine derartige Differenzierung ist insbesondere mit der Wertung des § 407 Abs. 2 BGB nicht in Einklang zu bringen, der den Schuldner wirksam vor Rechtsnachteilen bewahren will, die sich aus der Unkenntnis der Forderungszession ergeben. Beurteilt man den Fall nämlich ungeachtet der Abtretung, ist es dem Beklagten im Erkenntnisverfahren von Anfang an unmöglich gewesen, sowohl die persönlichen Einwendungen gegen den Nachfolger als auch den durch die Abtretung eingetretenen Mangel der Sachlegitimation geltend zu machen. Diese normativ-teleologischen Überlegungen rechtfertigen eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO, wonach die Kenntniserlangung von der Einwendung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat77. Allerdings entscheidet die Kenntniserlangung des Schuldners bei der Forderungsabtretung gem. § 407 Abs. 1 BGB gerade darüber, ob der Schuldner mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten kann78. 76 77
Siehe oben § 19 VI. 1. b). Vgl. BGHZ 34, 274, 279; 61, 25, 27; 100, 222, 225; 131, 82, 88; 139, 214, 215, 220 ff.; 145, 352,
353 f. 78 Zur Maßgeblichkeit des § 407 Abs. 1 BGB auch im Zusammenhang mit § 407 Abs. 2 BGB: RGZ 84, 286, 289 ff.; BGHZ 86, 337, 338 f.; 145, 352, 355; 163, 59, 64; Büscher, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 325 Rn. 32; Roth, in: MünchKommBGB, § 407 Rn. 26; a.A. Backhaus, JA 1983,
IV. Gutglaubensschutz des redlichen Nachfolgers
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Anerkennt man diese Wertung, muss dem Element der Kenntniserlangung auch für § 767 Abs. 2 ZPO ausschlaggebende Bedeutung zukommen, so dass mit einem Großteil des Schrifttums79 die Präklusionswirkung ausnahmsweise nach dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung zu bestimmen ist. Gegen die Anwendung des § 767 ZPO spricht auch nicht der Umstand, dass § 407 Abs. 1 BGB eine Einwendung gegen den Zessionar darstellt, im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage indes dem Zedent entgegengehalten wird80. Denn die relevante Einwendung liegt weniger darin, dass der Schuldner nicht nochmals an den Zessionar zu leisten braucht, sondern vielmehr mehr in dem Umstand, dass dem Schuldner nach Kenntniserlangung die Möglichkeit genommen ist, mit befreiender Wirkung an den Zedent zu leisten. Insofern bezieht sich § 407 Abs. 1 BGB sehr wohl auf das Verhältnis zum Zedent, wie es § 767 ZPO dem Grunde nach vor Augen hat.
IV. Gutglaubensschutz des redlichen Nachfolgers 1. Herleitung und Grundlagen Die Erstreckung der Rechtskraft einer gegen den Vorgänger ergangenen Entscheidung auf den Nachfolger gem. § 325 Abs. 1 ZPO steht primär im individuellen Kontinuitätsinteresse der gegnerischen Prozesspartei, der die erzielten Prozessergebnisse erhalten bleiben sollen und die aufgrund des erstrittenen Titels gegen den Nachfolger vollstrecken kann, sowie im überindividuellen Interesse an einer ökonomischen Verfahrensführung; unnötige Doppelprozesse werden so vermieden und Gerichte entlastet81. Diese Interessen treten in ein Spannungsverhältnis zum individuellen Erwerbsinteresse des redlichen Nachfolgers sowie dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs82. Der redliche Erwerber ist namentlich daran interessiert, dass ihm der erworbene Gegenstand nicht im Nachhinein durch ein entgegenstehendes Urteil wieder entzogen werden kann, an dessen Verfahren er nicht beteiligt war. Wollte er in Abwesenheit von Sondervorschriften diesen Nachteil verhindern, müsste er zeit- und kostenaufwendige Nachforschungen über die Streitbefangenheit des Verfügungsgegenstands anstellen, wodurch die Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen und zugleich die zivilprozessuale Sukzessionsfreiheit in Mitleidenschaft 79 408, 412 ff.: trotz zwischenzeitlicher Kenntnis kann gem. § 407 Abs. 1 BGB analog befreiend an den Zedenten geleistet werden; ähnlich auch Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I 6. 79 Siehe die Nachweise in Fn. 61 sowie Schilken, FS Gerhardt, S. 879, 893. 80 So aber BGHZ 145, 352, 354; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 767 Rn. 39; Braun, ZZP 117 (2004), 3, 15 f.; dagegen schon mit Recht Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 32. 81 Siehe oben § 20 II. sowie allgemein (zu § 265 ZPO) oben § 19 II. 82 Siehe zum Gutglaubensprinzip des materiellen Sukzessionsrechts oben § 11 II.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
gezogen würden. Im Gegensatz dazu senkt ein prozessrechtlicher Gutglaubenstatbestand die mit dem Erwerbsvorgang verbundenen Transaktionskosten und sorgt außerdem dafür, dass sich die (zukünftigen) Vertragspartner des Nachfolgers – kurz gesagt: der gesamte Rechtsverkehr – auf die Rechtsbeständigkeit des Sukzessionsgeschäfts verlassen können. In Parallele zum Prinzip des Gutglaubenserwerbs des materiellen Rechts83 ist daher auch der in § 325 Abs. 2 ZPO normierte zivilprozessuale Gutglaubenstatbestand dem Grunde nach sowohl in rechtspolitischer als auch in rechtsökonomischer Hinsicht als überzeugend anzusehen. Aus rechtssystematischer Warte bedeutet der Ausschluss der Rechtskrafterstreckung auf den Gutgläubigen nach Maßgabe des § 325 Abs. 2 ZPO eine prozessrechtliche Ergänzung des nach materiellem Recht gewährleisteten Gutglaubensschutzes. In diesem Sinne zielt der Ausnahmetatbestand vorwiegend darauf ab, Widersprüche zwischen den grundlegenden Wertungen des materiellen Rechts und des Prozessrechts zu vermeiden, und zwar indem die maßgeblichen Wirkungen des aus dem materiellen Recht bekannten Gutglaubensschutzes in das Zivilverfahren hinein verlängert werden. Es müsste wertungswidersprüchlich erscheinen, wenn der gute Glaube des Erwerbers zwar über Mängel der materiellen Berechtigung des Veräußerers hinweghelfen könnte, die erwerberseitige Redlichkeit indes nicht geeignet wäre, die gegen den redlichen Nachfolger angeordnete Rechtskrafterstreckung ausnahmsweise zu durchbrechen84. Deshalb schränkt § 325 Abs. 2 ZPO die in § 325 Abs. 1 ZPO angeordnete Erstreckung der Rechtskraftwirkung gegen den redlichen Nachfolger ein. Bei einem zugunsten des Veräußerers ergangenen Titel bleibt es indes bei einer Rechtskrafterstreckung gem. § 325 Abs. 1 ZPO für den Nachfolger85, mag er in Bezug auf die Rechtshängigkeit redlich gewesen sein oder nicht.
2. Meinungsverschiedenheiten über das Verständnis des § 325 Abs. 2 ZPO In rechtstechnischer Hinsicht bewerkstelligt § 325 Abs. 2 ZPO den prozessualen Gutglaubensschutz durch einen Verweis auf die „Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten“. Die konkrete Formulierung dieser Passage eröffnet verschiedene Deutungsmöglichkeiten86. Heute streitet man insbesondere darüber, ob sich die Redlichkeit des Nachfolgers allein auf die Rechtshängigkeit zu erstrecken 83
Siehe ausf. oben § 11. So schon Hellwig, Wesen, S. 197 f. 85 Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 108; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 97; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 34; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 30; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 325 Rn. 44. 86 Umfassend zum Meinungsstand Blume, Grenzen, S. 9 ff.; vgl. auch v. Olshausen, JZ 1988, 584, 585 f., der instruktiv die Schattierungen innerhalb der beiden Meinungsgruppen aufzeigt. 84
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braucht (monistischer Ansatz) oder ob es einer – gleichsam doppelten – Gutgläubigkeit in Bezug auf (1.) die Rechtshängigkeit und (2.) die materielle Berechtigung am streitbefangenen Gegenstand bedarf (dualistischer Ansatz)87. Soweit das Schrifttum im ersten Sinne bereits den guten Glauben des Erwerbers an die mangelnde Rechtshängigkeit ausreichen lässt88, scheidet eine Rechtskrafterstreckung auf den redlichen Nachfolger schon dann aus, wenn der Nachfolger den streitbefangenen Gegenstand bei hypothetischer Betrachtung des materiellen Rechts kraft guten Glaubens hätte erwerben können. Da die materielle Rechtslage nach dieser Auffassung ohne Belang ist, gelangt § 325 Abs. 2 ZPO gleichermaßen beim Erwerb vom Berechtigen und vom Nichtberechtigten zur Anwendung89. Der in Rechtsprechung90 und Schrifttum91 überwiegend vertretene – restriktive – Ansatz interpretiert § 325 Abs. 2 ZPO hingegen als reine Ergänzung der bürgerlichrechtlichen Gutglaubensvorschriften. Erwerbe ein Gutgläubiger vom Nichtberechtigten nach den Grundsätzen des materiellen Rechts eine bestimmte Rechtsposition, dann solle er auch keine Nachteile daraus erleiden, dass über die Rechtsposition im Erwerbszeitpunkt ein Zivilprozess anhängig ist. Der Nachfolger wird nach dieser Auffassung nur geschützt, wenn er in doppeltem Sinne hinsichtlich der materiellen Berechtigung und der Streitbefangenheit des Verfügungsgegenstands gutgläubig ist92. Umgekehrt bindet eine zulasten des Vorgängers ergangene Entscheidung den Nachfolger gem. § 325 Abs. 1 ZPO, wenn er entweder in Bezug auf das materielle Recht oder die Rechtshängigkeit respektive Rechtskraft bösgläubig war93, auch wenn er sich hinsichtlich 87 Heute nicht mehr vertreten wird die Auffassung, der gute Glaube an die materielle Berechtigung des Veräußerers überwinde auch die prozessuale Rechtskraftwirkung. Diese Auffassung muss nicht länger bekämpft werden und bleibt daher im Folgenden unberücksichtigt; vgl. hierzu v. Olshausen, JZ 1988, 584, 586 mit zahlreichen Nachweisen. 88 Dieser Meinungsgruppe sind – mit Unterschieden im Detail – zuzuschlagen: Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 325 Rn. 8; Nikisch, Lehrbuch, § 108 II 3 b; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 438 f.; Grunsky, Veräußerung, S. 261 Fn. 142; wohl auch Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 36. 89 Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 325 Rn. 9; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 325 Rn. 8; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 36; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 438. 90 Grundlegend RGZ 79, 165, 166 ff.; ebenso RGZ 88, 267, 268; BGHZ 4, 283, 285; 114, 305, 309; unklar BGH NJW-RR 2002, 516, 517. 91 Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 109 f.; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 97; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 40 f.; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 23 f.; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 30; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 325 Rn. 45; Völzmann-Stickelbrock, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 325 Rn. 56; Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 92 III 2; Hellwig, Wesen, S. 190 ff., 196 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 156 Rn. 11; Henckel, ZZP 82 (1969), 333, 358 f.; Lickleder, ZZP 114 (2001), 195, 202 ff.; v. Olshausen, JZ 1988, 584, 586 ff.; Schreiber, Jura 2008, 121, 123; Blume, Grenzen, S. 26 ff., 146; Nam, Rechtskrafterstreckung, S. 85 ff., 131 ff. 92 RGZ 79, 165, 167; BGHZ 4, 283, 285; 114, 305, 309; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 109; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 99; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 38, 40; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 24; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 156 Rn. 11; Blume, Grenzen, S. 26 ff., 146. 93 Vgl. BGHZ 114, 305, 309; Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 109.
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
der jeweils anderen Komponente in gutem Glauben befand94. Ein zentraler Unterschied zur Gegenauffassung liegt darin, dass die Anwendung des § 325 Abs. 2 ZPO bei einem Erwerb vom Berechtigten ausgeschlossen ist95.
3. Stellungnahme Richtigerweise ist dem dualistischen Ansatz zu folgen. Der redliche Nachfolger wird nur unter der Voraussetzung von der Rechtskrafterstreckung verschont, dass er sich sowohl hinsichtlich der Rechtshängigkeit als auch hinsichtlich der materiellen Berechtigung des Veräußerers in gutem Glauben befindet. Diese Auffassung ist in Rechtsprechung und Schrifttum schon vielmals ausführlich begründet worden96. Die Argumente müssen an dieser Stelle nicht nochmals im Einzelnen ventiliert werden. Stattdessen beschränkt sich die nachfolgende Stellungnahme darauf, die zutreffende h.M. (a) auf Grundlage der zum bürgerlichrechtlichen Gutglaubensprinzip entwickelten Struktur- und Wertungsprinzipien sowie (b) unter Heranziehung der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des § 325 Abs. 2 ZPO neu zu begründen. a) Mangelnde Rechtsschein- und Legitimationsbasis Für den dualistischen Ansatz spricht entscheidend das vollständige Fehlen einer Rechtsschein- und Legitimationsbasis für den guten Glauben an die (Nicht-) Rechtshängigkeit von Klageforderungen. Der Gutglaubenserwerb dient als Konfliktlösungsinstrument97. Nach materiellem Recht stehen sich die Interessen des wahren Berechtigten auf der einen Seite sowie die Interessen des Erwerbers und des Rechtsverkehrs auf der anderen Seite gegenüber. Erwerber- und Verkehrsinteressen erhalten den Vorzug aber nur, weil das geltende Recht Rechtsscheingrundlagen anerkennt respektive neu geschaffen hat, an die das berechtigte Vertrauen des Erwerbers anknüpfen kann. Als die beiden tragenden Legitimationssäulen des materiellrechtlichen Gutglaubenserwerbs fungieren in diesem Zusammenhang zum einen das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Sukzessionsfreiheit) und zum anderen die Qualität der Rechtsscheingrundlage. Nur wenn der Rechtsscheinträger aufgrund eines hoheitlich abgesicherten Ver94 Für die materiellrechtliche Bösgläubigkeit vgl. Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 109; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 100; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 32; für die verfahrensrechtliche Bösgläubigkeit vgl. Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 24. 95 Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 110; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 99, 103; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 24; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 32; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 325 Rn. 45; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 156 Rn. 11. 96 Siehe nochmals die Nachweise in Fn. 90 und 91. 97 Dazu oben § 11 II. 1.
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fahrens eine besondere Gewähr für die materielle Richtigkeit und Verlässlichkeit der Vertrauensgrundlage verbürgt oder der Rechtsverlust durch den Berechtigten zurechenbar veranlasst wird (Zurechnungsprinzip), ist es gerechtfertigt, das Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten gegenüber dem Erwerbsund Verkehrsinteresse zurücktreten zu lassen. Projiziert man diese Grundsätze auf den Schutz des gutgläubigen Nachfolgers iSd. § 325 Abs. 2 ZPO, dann zeigt sich schnell, dass sich die weitherzige Interpretation des monistischen Ansatzes zwar mit Blick auf die Verkehrsschutzerwägungen der ersten Legitimationssäule stützen lässt98. Schließlich wird der Güterverkehr erleichtert, wenn sich der Erwerber im Vorfeld keine Gedanken darüber zu machen braucht, ob der Verfügungsgegenstand streitbefangen ist. Das senkt Transaktionskosten und trägt grundsätzlich zu einer effektiven Ressourcenallokation bei. Die zweite Legitimationssäule – den tauglichen Rechtsscheinträger – vermag die monistische Position indes nicht abzubilden: Zunächst gilt es zu erkennen, dass auch § 325 Abs. 2 ZPO als Konfliktlösungsinstrument fungiert. Hier stehen sich das Kontinuitäts- und Vollstreckungsinteresse der gegnerischen Prozesspartei und das Interesse an einer ökonomischen Prozessführung auf der einen Seite sowie die bekannten Interessen des Erwerbers und des Rechtsverkehrs auf der anderen Seite gegenüber99. Angesichts des besonderen Stellenwerts, den die Sukzessionsschutzgewährleistungen für den Prozessgegner im Gesamtsystem des Sukzessionsprozessrechts einnehmen, sowie der Bedeutung einer prozesswirtschaftlichen Verfahrensführung100 dürfen diese Interessen unter keinen Umständen leichtfertig, d.h. in Bezug auf den Gutglaubenstatbestand: ohne taugliche Legitimationsgrundlage, übergangen werden. Gerade zu diesem Ergebnis gelangt indes die monistische Position, wenn sie ohne Anknüpfung an einen besonderen zivilprozessualen Vertrauenstatbestand bereits die Redlichkeit in Bezug auf die (mangelnde) Rechtshängigkeit für ausreichend hält. Weil „blindes“ Vertrauen in der Regel nicht schutzwürdig ist101, bedarf es für die Anknüpfung eines berechtigten Erwerbervertrauens eines tauglichen Rechtsscheinträgers, der eine besondere Gewähr dafür verbürgt, dass über eine bestimmte Vermögensposition kein Rechtsstreit anhängig ist102. Nach einem solchen Rechtsscheinträger sucht man indes vergebens. Deshalb kann die Redlichkeit des Erwerbers ausschließlich an die bekannten Gutglaubenstatbestände des materiellen Rechts anknüpfen und diese sind auch nur einschlägig, wenn der Nachfolger von einem Nichtberechtigten erwirbt und sich in Bezug auf dessen materielle Berechtigung in gutem Glauben befindet.
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Schack, NJW 1988, 865, 867 interpretiert § 325 Abs. 2 ZPO im Sinne des Verkehrsinteresses. Siehe nochmals oben § 20 IV. 1. 100 Siehe oben § 19. 101 Siehe oben § 11 III. 102 In diesem Sinne auch Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 40; v. Olshausen, JZ 1988, 584, 586, 591; Paulus, FS Nipperdey I, S. 909, 916 f. 99
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Der bezeichnete Legitimationsmangel erklärt auch, warum der redliche Nachfolger auf Grundlage des dualistischen Ansatzes ausschließlich beim Erwerb vom Nichtberechtigten geschützt wird, nicht aber gleichermaßen beim Erwerb vom Berechtigten103. Schließlich kann der redliche Erwerber rechtshängigkeitsfrei nur dann erwerben, wenn sein guter Glaube auch in Bezug auf die materielle Berechtigung des Veräußerers an die einschlägige Rechtsscheingrundlage anknüpfen kann. Da die materiellrechtliche Legitimationsbasis beim Erwerb vom Berechtigten indes keine Rolle spielt, scheidet ein rechtshängigkeitsfreier Erwerb notwendig aus. Der Schutz des gutgläubigen Rechtsnachfolgers gem. § 325 Abs. 2 ZPO ist daher nur legitim, wenn er als unselbstständiger Annex zum Schutz der individuellen Erwerber sowie der überindividuellen Verkehrsinteressen durch die Gutglaubensvorschriften des materiellen Rechts aufgefasst wird. b) Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des § 325 Abs. 2 ZPO Bestätigt wird die einschränkende Interpretation des § 325 Abs. 2 ZPO durch einen Blick in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Norm104: Bereits in den Protokollen der Kommission zur Ausarbeitung einer Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund heißt es, der Schutz des Prozessgegners müsse dort zurückstehen, wo „der Cessionar, welcher eine (in Grund- und Hypothekenbüchern) eingetragene Forderung in gutem Glauben erworben habe, zu schützen“ sei. Insgesamt „bedürfe es hier eines Vorbehalts für den Erwerb in gutem Glauben überhaupt, da das bürgerliche Recht unter Umständen denjenigen, welcher Mobilien oder Immobilien (…) in gutem Glauben vom Nichteigenthümer erworben (habe), gegen anderweite Ansprüche (…) sichere“105. Deshalb empfahl die Kommission folgende Regelung106: „Die Entscheidung (…) ist (…) auch gegen den Rechtsfolger wirksam und vollstreckbar, so weit nicht die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Rechte Desjenigen, welcher in gutem Glauben, oder welcher auf Grund des Hypothekenbuchs erworben hat, entgegenstehen.“
Diese Fassung stellt die vom dualistischen Ansatz befürwortete Verknüpfung des zivilprozessualen mit dem materiellrechtlichen Gutglaubensschutz noch deutlich klarer heraus als der Verweis des heutigen § 325 Abs. 2 ZPO auf das materielle Recht. Nach dem Willen der Entwurfsverfasser sollte verhindert werden, dass die Vorschriften über den bürgerlichrechtlichen Gutglaubenserwerb durch die Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger unterlaufen werden. Überhaupt zielte die Sondervorschrift einmal mehr darauf ab, einen Widerspruch zwischen 103
So der Einwand von Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 438. Im Ergebnis ebenso Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 41; ausf. zur Entstehungsgeschichte des § 325 Abs. 2 ZPO auch Hellwig, Wesen, S. 191 ff.; ferner v. Olshausen, JZ 1988, 584, 586 f. 105 Beide Zitate: Schubert, Protokolle, S. 563; Hervorhebungen im Original weggelassen. 106 Schubert, Protokolle, S. 564. 104
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materiellem Recht und Prozessrecht zu verhindern107. Indes kann ein solcher Widerspruch nur auftreten, wenn der sachliche Anwendungsbereich der bürgerlichrechtlichen Gutglaubenstatbestände tatsächlich eröffnet ist. Notwendige Voraussetzung ist dafür der Erwerb vom Nichtberechtigten; kann der bezeichnete Widerspruch zu den bürgerlichrechtlichen Gutglaubensvorschriften doch bei einem Erwerb vom Berechtigten von vornherein nicht bestehen. In diesem Sinne sind schließlich auch die Ausführungen in den Materialien zur späteren CPO zu verstehen. Dort werden die Fälle des nach bürgerlichem Recht zulässigen Gutglaubenserwerbs enumerativ aufgezählt und angemerkt108: „Soweit es nach diesen Vorschriften für den rechtsgültigen, wirksamen Erwerb beweglicher oder unbeweglicher Sachen auf einen Mangel in dem Rechte des Auktors nicht ankommt, kann dem Erwerber auch der Umstand nicht entgegenstehen, daß der veräußerte Gegenstand oder der cedirte Anspruch im Streite befangen war.“
An keiner Stelle der Protokolle zum norddeutschen Entwurf, der Materialien zur CPO – auch nicht der Novelle von 1898109 – sowie der Motive zum BGB110 ist eine über die materiellen Vorschriften hinausgehende Schutzrichtung des heute in § 325 Abs. 2 ZPO beheimateten Gutglaubensschutzes zum Ausdruck gelangt. Stets erscheint der redliche Erwerb nach bürgerlichrechtlichen Grundsätzen als unentbehrliche Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit der prozessrechtlichen Gutglaubensvorschrift.
4. Maßstab der Redlichkeit Die Interpretation des § 325 Abs. 2 ZPO als Ergänzung der Gutglaubenstatbestände des materiellen Rechts entfaltet Ausstrahlungswirkungen auch auf den zivilprozessualen Redlichkeitsstandard. So geht die zutreffende h.M. – im Anschluss an die bereits in den Motiven zum BGB111 geäußerten Grundsätze – davon aus, dass dem Nachfolger im Fall des redlichen Immobiliarerwerbs nur positive Kenntnis der mangelnden Berechtigung sowie der Rechtshängigkeit schadet (vgl. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB), während bereits grob fahrlässige Unkenntnis bezüglich beider Punkte den redlichen Mobiliarerwerb scheitern lässt (vgl. § 932 Abs. 2 BGB)112. Die vereinzelt vertretene Gegenauffassung, die zum 107
In diesem Sinne vor allem auch Hellwig, Wesen, S. 197 f.; v. Olshausen, JZ 1988, 584, 587. Begründung zur CPO, bei Hahn/Stegemann, Materialien II, S. 262. 109 Begründung der Novelle zur CPO, bei Hahn, Materialien VIII, S. 104 f. 110 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 379. 111 Motive zum BGB, Bd. 1, S. 380. 112 Vgl. Büscher, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 325 Rn. 109; Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rn. 101; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 325 Rn. 9; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rn. 43; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 325 Rn. 27; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 325 Rn. 8; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 325 Rn. 32; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 325 Rn. 46; Schreiber, Jura 2008, 121, 123; Stadler/Bensching, Jura 2001, 433, 439; Blume, Grenzen, S. 118 ff., 147. 108
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§ 20 Rechtskrafterstreckung auf den Nachfolger
Schutz des Nachfolgers stets positive Kenntnis von der Rechtshängigkeit verlangt113, ist abzulehnen. Sie beruht auf der Überlegung, dass §§ 265 Abs. 2 S. 3, 325 Abs. 2 ZPO dem verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht hinreichend gerecht werden. Dass diese These nicht zutrifft, wurde schon im Rahmen des § 265 ZPO klargestellt114. Eine teleologische Korrektur des § 325 Abs. 2 ZPO muss demnach ausscheiden. Es bleibt folglich bei der materiellrechtsfreundlichen Interpretation115 des Redlichkeitsstandards.
V. Zusammenfassung Nach dem Grundsatz der Relativität der Rechtskraft beschränken sich ihre Wirkungen auf die an dem Rechtsstreit beteiligten Personen. Eine Erweiterung der subjektiv beschränkten Bindungswirkung gewährleistet § 325 Abs. 1 ZPO aus Gründen zivilprozessualen Sukzessionsschutzes. Die Prozessrechtsstellung der Gegenpartei wäre im Fall der personenidentischen Verfahrensfortführung nach Maßgabe des § 265 Abs. 2 ZPO nur unvollständig geschützt, wenn die gegen den Vorgänger erstrittene Entscheidung nicht auch Rechtskraft gegenüber dem Nachfolger wirkte. Der Anwendungsbereich der Rechtskrafterstreckung gem. § 325 Abs. 1 ZPO beschränkt sich in zeitlicher Hinsicht auf nach Rechtshängigkeit erfolgte Sukzessionen. In sachlicher Hinsicht findet sie statt bei der Einzelnachfolge sowie bei der Gesamtnachfolge, soweit der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt (Abspaltung, Ausgliederung) und es sich um einen Prozess über das Aktivvermögen handelt. Gleiches gilt für die Gesamtnachfolge, auch wenn sie zum Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers führt, vorausgesetzt, ihre Sukzession tritt erst nach Verfahrensabschluss ein. Ereignet sich die Sukzession bereits vor Rechtshängigkeit bleibt es grundsätzlich bei der relativen Rechtskraftwirkung. Zum Schutz seiner berechtigten Interessen darf der redliche Forderungsschuldner gem. § 407 Abs. 2 BGB indes auf den unveränderten Fortbestand der Sachlegitimation des Zedenten vertrauen. In personeller Hinsicht beschränkt sich der Anwendungsbereich auf eine Rechtskrafterstreckung zugunsten des Schuldners; zugunsten des Zessionars entfaltet § 407 Abs. 2 BGB keine Wirkungen. Davon abgesehen beschränken sich die sachlichen Wirkungen der Vorschrift auf das Zivilprozessrecht. Auf die materielle Rechtslage wirkt § 407 Abs. 2 BGB nicht ein. Insbesondere verliert der Zessionar nach Erlass eines für den Zedent günstigen Urteils nicht die zedierte Forderung. 113
So Pawlowski, JZ 1975, 681, 685. Siehe oben § 19 II. 4. d). 115 Zum Gebot der materiellrechtsfreundlichen Auslegung der ZPO siehe noch oben § 19 VI. 1. b) bb). 114
V. Zusammenfassung
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In zeitlicher Hinsicht setzt § 407 Abs. 2 BGB voraus, dass der Schuldner bei Eintritt der Rechtshängigkeit von der Forderungszession keine Kenntnis hat. Erfährt der Schuldner von der Abtretung während des Zivilprozesses, entfaltet § 407 Abs. 2 BGB keine Schutzwirkungen. Der Schuldner kann durch Rüge der mangelnden Sachlegitimation des Zedenten reagieren. Erlangt er Kenntnis erst nach Verhandlungsschluss ist die Gewährleistung effektiven Schuldnerschutzes sehr umstritten. Da weder die Hinterlegungslösung des BGH noch die materiellrechtlichen Lösungsansätze des Schrifttums überzeugen können, ist dem Schuldner die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage zu eröffnen, die es dem Schuldner – unter Fortschreibung der hier befürworteten Unbeachtlichkeitslehre – erlaubt, die nachträgliche Kenntnis der Forderungszession als iSd. § 767 Abs. 2 ZPO relevante Tatsache geltend zu machen. Im Interesse des individuellen Erwerbsinteresses des redlichen Nachfolgers und dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Sukzessionsfreiheit) durchbricht § 325 Abs. 2 ZPO die grundsätzlich vorgesehene Rechtskrafterstreckung und schützt den guten Glauben des Nachfolgers an einem rechtshängigkeitsfreien Erwerb. Aus rechtssystematischer sowie rechtsdogmatischer Perspektive ist der zivilprozessuale Gutglaubensschutz als eine Ergänzung des bürgerlichrechtlichen Gutglaubensschutzregimes aufzufassen. In diesem Sinne verlangt § 325 Abs. 2 ZPO – dem zutreffenden dualistischen Ansatz folgend – die gleichsam doppelte Redlichkeit des Nachfolgers in Bezug auf (1.) die Rechtshängigkeit und (2.) die materielle Berechtigung am streitbefangenen Gegenstand. Die monistische Gegenauffassung, die bereits den guten Glauben an die (mangelnde) Rechtshängigkeit ausreichen lässt, scheitert in Ermangelung einer tauglichen Rechtsschein- und Legitimationsgrundlage. Als solche kommen ausschließlich die bürgerlichrechtlichen Gutglaubenstatbestände in Betracht, deren Anwendungsbereich nur bei einem Erwerb vom Nichtberechtigten eröffnet ist. Für den Erwerb vom Berechtigten scheidet § 325 Abs. 2 ZPO nach zutreffender Auffassung aus. Dieser Interpretation entspricht es schließlich, dass sich auch die Redlichkeitsstandards nach den Gutglaubenstatbeständen des materiellen Rechts bestimmen.
§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger Das Zwangsvollstreckungsrecht bewältigt die mit Nachfolgevorgängen verbundenen Rechtsfragen durch das Rechtsinstitut der Titelumschreibung. Im Mittelpunkt des Interesses steht die in § 727 ZPO statuierte Möglichkeit, den gegen den Vorgänger erstrittenen Titel mittels Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung auf den Nachfolger umschreiben zu lassen. In diesem Sinne dient die Titelumschreibung einerseits der ungehinderten Übertragbarkeit titulierter Forderungen; andererseits vervollständigt sie das Gesamtsystem zivilprozessualen Sukzessionsschutzes (I.). Nach diesem Normzweck bestimmt sich auch der (eingeschränkte) zeitliche Anwendungsbereich des § 727 ZPO (II.). Die konkrete Art und Weise der Titelumschreibung ist geprägt von der oben1 befürworteten Unbeachtlichkeitslehre (III.).
I. Normzweck und Grundlagen Rechtstechnischer Ausgangspunkt für die Titelumschreibung ist die strenge Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens, wie sie sich schon in den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gem. § 750 ZPO manifestiert. Dementsprechend bedarf es für die Durchführung der Zwangsvollstreckung insbesondere einer vollstreckbaren Ausfertigung, die die Person, für und gegen welche der Titel vollstreckt werden soll, exakt bezeichnet. Nur die im Titel respektive in der vollstreckbaren Ausfertigung genannten Personen können die Vollstreckung betreiben oder – umgekehrt – von der Zwangsvollstreckung betroffen sein. Für und gegen den Nachfolger wird der auf den Vorgänger lautende Titel demnach erst wirksam, wenn er auf den Nachfolger umgeschrieben ist. Die normative Grundlage für diese Titelumschreibung liefert § 727 ZPO.
1. Sukzessionsfreiheit titulierter Forderungen Das zivilprozessuale Rechtsinstitut der Titelumschreibung verfolgt verschiedene Zwecke: Zunächst erleichtert die Titelumschreibung die Zirkulationsfähigkeit des titulierten Anspruchs2 und sorgt auf diese Weise selbst im Verfahren 1
Dazu § 19 VI. 1. Dazu und zum Folgenden Brögelmann, Titelumschreibung, S. 50 ff.; ferner Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 16 Rn. 67. 2
I. Normzweck und Grundlagen
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der Zwangsvollstreckung für Sukzessionsfreiheit. Könnte der Erwerber den titulierten Anspruch nicht gegen den Prozessgegner vollstrecken, würde sich die Transaktion für ihn vielfach als wirtschaftlich sinnlos erweisen, weil sich der Anspruch nicht ohne neuerlichen Prozess durchsetzen ließe. Der Veräußerer kann den vollen wirtschaftlichen Wert einer titulierten Forderung folglich nur dann realisieren, wenn er rechtlich dazu in der Lage ist, neben dem materiellen Anspruch auch den prozessualen Vorteil der Vollstreckbarkeit auf den Erwerber zu übertragen. In diesem Sinne ermöglicht die Titelumschreibung gem. § 727 ZPO – ungeachtet einer nachfolgenden materiellen Rechtsänderung – die vollstreckungsrechtliche Realisierung des titulierten Anspruchs und dient insofern dem Grundcharakter des Zwangsvollstreckungsrechts, das materielle Recht durchzusetzen3. Nichts anderes gilt für einen Erwerb des streitbefangenen Gegenstands noch während eines anhängigen Zivilverfahrens. Wer in Kenntnis der Rechtshängigkeit das Prozessobjekt erwirbt, hat ein Interesse daran, nach Obsiegen des Vorgängers an seiner statt die Zwangsvollstreckung gegen den Prozessgegner zu betreiben. Es erscheint wenig interessengerecht und auch prozesswirtschaftlich unsinnig, den Nachfolger in dieser Konstellation auf die Durchführung eines neuen Verfahrens zu verweisen. Andernfalls würde der Erwerber mit Wahrscheinlichkeit ohnehin davon absehen, den streitbefangenen Gegenstand zu erwerben. In diesem Sinne erweist sich § 727 Abs. 1 ZPO als eine vollstreckungsrechtliche Ergänzung des § 265 Abs. 1 ZPO zugrunde liegenden Regelungsgedankens, der ein weiteres Verfahren über den streitbefangenen Gegenstand entbehrlich macht4.
2. Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes Auf der anderen Seite komplettiert die Möglichkeit, den erstrittenen Titel auf den Nachfolger umschreiben zulassen, das Gesamtsystem zivilprozessualen Sukzessionsschutzes. Erst die Titelumschreibung ermöglicht der gegnerischen Prozesspartei, die den Rechtsstreit nach Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands gem. § 265 Abs. 2 ZPO mit dem Vorgänger fortführt, die in diesem Verfahren erstrittene und den Nachfolger gem. § 325 ZPO bindende Entscheidung zu exekutieren. Die Titelumschreibung auf den Nachfolger dient demnach – in Fortführung der den §§ 265, 325 ZPO zugrunde liegenden Regelungsgedanken – zugleich dem berechtigten (Kontinuitäts-)Interesse des Prozessgeg3
Brögelmann, Titelumschreibung, S. 179. Vgl. LG Münster ZIP 1980, 1037; Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 727 Rn. 3; Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 2; Bartels, ZZP 116 (2003), 57, 60. – Ist ein rechtskräftiger Titel vorhanden, scheitert eine erneute Klage grundsätzlich am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis; so RGZ 88, 267, 268 ff.; BGH NJW 1957, 1111; 1961, 1116; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 727 Rn. 2; Kindl, in: Saenger, ZPO, § 727 Rn. 1; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 7; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 17.6; ausf. Hüffer, ZZP 85 (1972), 229 ff. 4
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§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger
ners. Wenn er es im Interesse einer ungehinderten Übertragbarkeit von Rechtspositionen schon hinnehmen muss, dass die andere Prozesspartei über den streitbefangenen Gegenstand verfügt, dann muss auch gewährleistet sein, dass er nach einem erfolgreichen Abschluss des Erkenntnisverfahrens mittels Titelumschreibung auch gegen den Nachfolger die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Aus dieser Perspektive sichert § 727 ZPO den durch die rechtskräftige Entscheidung eröffneten Vollstreckungszugriff auf den streitbefangenen Gegenstand gegen dessen Übertragung ab5. Der Vorgänger soll sich nicht durch Veräußerung des Prozessobjekts dem Zugriff des Prozessgegners entziehen können. Und schließlich entlastet die Umschreibung in formaler Hinsicht das Vollstreckungsorgan von der Untersuchung komplexer Haftungs- und Legitimationsfragen6.
II. Zeitlicher Anwendungsbereich der Titelumschreibung Zentrale Voraussetzung für die Titelumschreibung ist eine nach Rechtshängigkeit eingetretene Nachfolge auf Kläger- oder Beklagtenseite. Angesichts der engen rechtssystematischen Verknüpfungen des § 727 ZPO mit §§ 265, 325 ZPO ist zur Bestimmung des zwangsvollstreckungsrechtlichen Nachfolgebegriffs auf die Interpretation des aus dem Erkenntnisverfahren bekannten Sukzessionsbegriffs iSd. § 265 ZPO7 zurückzugreifen8. Davon abgesehen bereitet der zeitliche Geltungsbereich der nach § 727 ZPO zulässigen Titelumschreibung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Aus der Funktion des § 727 ZPO folgt nämlich, dass die Klauselerteilung nur zulässig ist, solange die Vollstreckung aus dem Urteil betrieben werden kann. Tritt die Nachfolge erst nach diesem Zeitpunkt ein, scheidet die Titelumschreibung aus9. Ohne Belang ist außerdem, ob die Sukzession noch während des Erkenntnisverfahrens eingetreten ist oder erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits10. In beiden Fällen sind die eingangs bezeichneten Regelungszwecke des § 727 ZPO einschlägig, und zwar sowohl die freie Übertragbarkeit der streitbefangenen Gegenstände als auch der Schutz der gegnerischen Prozesspartei11. Für die Nachfolge auf Schuldnerseite ist weiterhin unstreitig, dass eine titelumschreibende Klausel nur erteilt werden kann, wenn sich die Sukzession nach 5 Zum Letzeren näher Brögelmann, Titelumschreibung, S. 52 ff.; ferner Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 16 Rn. 67; Nakano, FS Baumgärtel, S. 403, 408 f. 6 Loritz, ZZP 95 (1982), 310, 314. 7 Siehe oben § 19 III. 8 Vgl. nur die Verweisungen bei Hartmann, in: Baumbach, ZPO, § 727 Rn. 3; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 14, 18, 20; Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 7, 32; Baumgärtel, DB 1990, 1905. 9 Wie hier Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 10. 10 Allg. M.: OLG Kiel ZZP 53 (1928), 164; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 12; Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 11. 11 Siehe nochmals oben § 21 I.
II. Zeitlicher Anwendungsbereich der Titelumschreibung
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Eintritt der Rechtshängigkeit vollzogen hat. Das folgt einmal mehr aus den §§ 265, 325 ZPO zugrunde liegenden Wertungen. Insbesondere wirkt die zulasten des Vorgängers ergangene Entscheidung nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 ZPO nur dann Rechtskraft für und gegen den Nachfolger, wenn sich die Sukzession nach Rechtshängigkeit vollzogen hat. Für Nachfolgen auf Gläubigerseite ist die Frage umstritten. Während die überwiegende Auffassung auch in diesem Fall für eine zeitliche Begrenzung des Anwendungsbereichs auf nach Rechtshängigkeit erfolgte Sukzessionen eintritt12, will die Gegenposition auch vor Rechtshängigkeit eingetretene Nachfolgen in den Anwendungsbereich des § 727 ZPO einbeziehen13. Zur Begründung verweist die abweichende Auffassung vor allem auf den Wortlaut des § 727 ZPO. Für den im Urteil bezeichneten Nachfolger des Gläubigers könne danach stets eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden (§ 727 Abs. 1 Alt. 1 ZPO), während für den Nachfolger des Schuldners die Klauselerteilung davon abhängig sei, dass das Urteil auch ihm gegenüber gem. § 325 ZPO Rechtskraft wirke (§ 727 Abs. 1 Alt. 2 ZPO)14. Mit dem eingangs herausgearbeiteten Regelungszweck des § 727 ZPO ist diese weitherzige Interpretation indes schwerlich in Einklang zu bringen. Es entspricht dem Gesamtsystem der §§ 265, 325, 727 ZPO, einerseits die Veräußerung streitbefangener Gegenstände zu ermöglichen und andererseits die prozessuale Rechtsposition der Gegenpartei zu schützen. Unter keinem der beiden Gesichtspunkte ist eine Ausweitung der Titelumschreibung auf eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Nachfolge angezeigt. Ist über den Verfügungsgegenstand ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann der Rechtsinhaber über die Vermögensposition nach Belieben verfügen. Es gilt das Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Hat die Gegenpartei in dem Verfahren mit dem Vorgänger obsiegt, entfaltet die Entscheidung gegen den Erwerber nach dem Grundsatz der Relativität der Rechtskraft15 keine Bindungswirkung. Mittels Beschränkung der Bindungswirkung auf die Verfahrensbeteiligten wird sichergestellt, dass der Nachfolger nicht an eine gegen den Vorgänger ergangene Entscheidung gebunden ist, ohne selbst in dem Zivilverfahren rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gefunden zu haben16. Eine Ausnahme gilt hier allein für die Forderungsabtretung gem.
12 BGHZ 120, 387, 392; OLG Düsseldorf JurBüro 1967, 256; LAG Düsseldorf JurBüro 1999, 273; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 727 Rn. 11; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 727 Rn. 2; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 12; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 727 Rn. 19; Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 7; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 17.8; Heintzmann, ZZP 92 (1979), 61, 67 f. 13 LAG München NJW-RR 1987, 956 (Ls 1); Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 12. 14 Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 6; dagegen Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 6; vgl. noch Loritz, ZZP 95 (1982), 310, 324. 15 Siehe oben § 20 I. 16 Dazu näher oben § 20 III. 1.
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§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger
§ 407 Abs. 2 BGB, dessen Regelungsgehalt indes von der überwiegenden Auffassung mit Recht restriktiv interpretiert wird17. Nun mag der Nachfolger ein Interesse daran haben, dass ein zugunsten des Vorgängers gefälltes Urteil auch für ihn Rechtskraft wirkt. Einen Anspruch darauf hat er indes nicht. Solange nämlich noch kein Rechtsstreit über den Verfügungsgegenstand anhängig ist, fällt die gerichtliche Geltendmachung der Vermögensposition in den Rechts- und Verantwortungsbereich des Nachfolgers als neuem Rechtsinhaber. Nur wenn die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft vorliegen, kann ein Dritter die Rechte des Nachfolgers im Verfahren wahrnehmen. Um Missbräuche zu verhindern, muss der Ermächtigte dafür auch ein eigenes Interesse vorweisen können18. Wenn die Gegenauffassung die angesprochene Problematik dadurch zu lösen sucht, „indem man einen rechtlich anerkennenswerten Grund für das Verschweigen der Rechtsnachfolge verlangt, den der Rechtspfleger (…) zu prüfen hat“19, dann wird hiermit ein Kriterium eingeführt, das dem formalisierten Zwangsvollstreckungsrecht im Allgemeinen fremd ist und daher systemwidrig erscheinen muss. Jedenfalls bleibt die Gegenposition handfeste Gründe dafür schuldig, weshalb eine Umschreibung zugunsten des Gläubigers notwendig ist, wenn dieser doch aus eigenem Recht in der Lage gewesen wäre, den Rechtsstreit zu führen. Es besteht kein sachlicher Grund, den Nachfolger in einem solchen Fall am Obsiegen des Vorgängers in der Zwangsvollstreckung partizipieren zu lassen. Davon abgesehen entspricht es typischerweise auch den berechtigten Interessen der Gegenpartei, dass ein vom (materiell nichtberechtigten) Vorgänger erstrittenes Urteil nicht auf den Nachfolger umgeschrieben werden kann. Dementsprechend gelangt eine an den sachlichen Anforderungen der Zwangsvollstreckungsnachfolge orientierte Interpretation zu einem prinzipiellen Gleichlauf der beiden in § 727 Abs. 1 ZPO verankerten Alternativen. Die im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommenden sprachlichen Unterschiede verstehen sich nach zutreffender Auffassung als eine Klarstellung des Umstands, dass auf Schuldnerseite die Vollstreckungswirkung in Anlehnung an die Rechtskraftwirkung durch einen redlichen Erwerb ausgeschlossen sein kann, was in Bezug auf die Gläubigerseite ausscheidet20. Ein weiteres Argument gegen die Umschreibung zugunsten des Nachfolgers ergibt sich aus dem vorzugswürdigen Verständnis des § 407 Abs. 2 BGB. Richtigerweise ist die Schutzrichtung der Vorschrift auf den redlichen Schuldner beschränkt, während Wirkungen zugunsten des Nachfolgers ausscheiden. Es muss daher wertungswidersprüchlich erscheinen, wenn zwar eine Rechtskraft17
Zum Ganzen siehe oben § 20 III. BGHZ 92, 347, 349; 100, 217, 218; 107, 384, 389; 108, 52, 56; 119, 237, 242; Bendtsen, in: Hk, ZPO, § 51 Rn. 20, 23; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 50 Rn. 42; Hüßtege, in: Thomas/ Putzo, ZPO, § 51 Rn. 34; Lindacher, in: MünchKommZPO, Vor § 50 Rn. 55; Weth, in: Musielak, ZPO, § 51 Rn. 27. 19 So Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 12. 20 Vgl. Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 6. 18
III. Titelumschreibung auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre
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erstreckung zugunsten des Nachfolgers ausgeschlossen ist, auf Vollstreckungsebene aber gleichwohl zu seinen Gunsten eine Titelumschreibung zulässig wäre.
III. Titelumschreibung auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre Die konkrete Art und Weise der Titelumschreibung auf den Nachfolger hängt maßgeblich davon ab, ob man mit der herrschenden Relevanztheorie für eine Änderung des Klageantrags eintritt oder mit der hier vertretenen Unbeachtlichkeitslehre für eine klare Trennung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht. Bemerkenswert ist allerdings, dass selbst die Relevanztheorie für eine wirksame Vollstreckung gegen den Nachfolger die Erteilung einer titelumschreibenden Klausel verlangt21, da über den Sukzessionsvorgang als solchen auch auf Grundlage der h.M. nicht rechtskräftig entschieden wird. Dementsprechend erstreckt sich auch die Rechtskraftwirkung der Entscheidung gem. § 325 ZPO nicht ohne weiteres auf den im Titel als Nachfolger Bezeichneten, sondern ausschließlich auf den wahren Nachfolger22.
1. Nachfolge auf der Aktivseite Folgt man der hier vertretenen Irrelevanztheorie, führt kein Weg an einer Umschreibung des auf den Vorgänger lautenden Titels auf den Nachfolger vorbei23. In dieser Titelumschreibung liegt der originäre Zweck des § 727 ZPO auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre. Für ein auf dieser Grundlage ergangenes Urteil kann sich der Rechtsvorgänger eine einfache Vollstreckungsklausel (§ 724 ZPO) erteilen lassen24. Denn der Umstand, dass während des Verfahrens eine Nachfolge stattgefunden hat, geht mangels Umstellung des Klageantrags aus dem Tenor der Entscheidung nicht hervor. Selbst wenn die Nachfolge in den Entscheidungsgründen ausnahms21 Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 10, 43; Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 8; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 17.8; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 10 Rn. 70; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 73 ff.; Gerhardt, JR 1984, 288, 289; Grunsky, Veräußerung, S. 201 f., Fn. 48; Heintzmann, ZZP 92 (1979), 61, 65. 22 BGH NJW 1984, 806; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 12 Fn. 64; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 10 Rn. 70; Becker-Eberhard, ZZP 104 (1991), 413, 427; Brehm, KTS 1985, 1, 13; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 75; Gerhardt, JR 1984, 288, 289; vgl. auch Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 727 Rn. 10. 23 A.A. freilich einige Vertreter der Relevanztheorie, die eine Titelumschreibung in Ermangelung der Antragsumstellung nicht zulassen: Wolfsteiner, in: MünchKommZPO, § 727 Rn. 8; Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 73; wie hier aber Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 79; ders., ZZP 104 (1991), 413, 438; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 12, 53; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 31; vgl. weiter RGZ 167, 321, 323. 24 Vgl. nur Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 53.
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§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger
weise Erwähnung gefunden haben sollte, darf dieser Umstand im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Allerdings kann eine Klausel nur erteilt werden, solange dem Nachfolger weder nach Maßgabe des § 727 ZPO noch im Klagewege gem. § 731 ZPO eine titelumschreibende Vollstreckungsklausel erteilt worden ist25. Dies alles ändert indes nichts an der Tatsache, dass dem Vorgänger der titulierte Anspruch nach materiellem Recht nicht (mehr) zusteht. Auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre war der Prozessgegner während des Erkenntnisverfahrens auch daran gehindert, den Einwand mangelnder Aktivlegitimation gegen den Vorgänger geltend zu machen26. Zum Zweck der Fortführung des Rechtsstreits war zu unterstellen, dass es zu keiner Nachfolge gekommen sei27. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens kann der Gegner nun gegen die vom Vorgänger betriebene Zwangsvollstreckung wirksam vorgehen und die fehlende Sachbefugnis des Veräußerers mittels Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO geltend machen. Mit diesem Einwand ist die Gegenpartei auch nicht iSd. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil sie die mangelnde Aktivlegitimation während des Erkenntnisverfahrens nach den Grundsätzen der Unbeachtlichkeitslehre gerade nicht einwenden konnte28.
2. Nachfolge auf der Passivseite Ereignet sich der Sukzessionsvorgang auf der Passivseite, ist die Geltung der Unbeachtlichkeitslehre unstreitig. Die Nachfolge wirkt sich dann auch nach h.M. weder auf die Antragstellung noch den Urteilsinhalt aus29. Das Urteil ergeht gegen den ursprünglich beklagten Vorgänger, gegen den daraufhin auch die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Dass ein Vorgehen gegen den ursprünglichen Beklagten nach Übergang der Pflichtenstellung womöglich sinnlos geworden ist, lässt die prozessuale Befugnis zur Titelvollstreckung nicht ohne weiteres entfallen30. Auch in diesem Zusammenhang gilt der das gesamte Zwangsvollstreckungsrecht durchziehende Formalisierungsgedanke. Allerdings kann sich der Vorgänger mittels Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO gegen klägerseitige Vollstreckungsversuche zur Wehr setzen und seine fehlende Passivlegitimation einwenden31. Auch hier scheidet eine Präklusion der Einwendung gem. § 767 Abs. 2 ZPO aus, weil der Umstand, dass sich auf 25
Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 51. Siehe oben § 19 VI. 1. b) dd). 27 Siehe oben § 19 VI. 1. b) aa). 28 Im Ergebnis ebenso Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 727 Rn. 51 Fn. 238; Becker-Eberhard, ZZP 104 (1991), 413, 433 f., 438; Kohler, AcP 192 (1992), 255, 274; Brögelmann, Titelumschreibung, S. 168 f. 29 Siehe oben § 19 VI. 1. 30 So auch Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 84 f. 31 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 81. 26
IV. Zusammenfassung
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Passivseite eine Nachfolge ereignet hat, auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre im Erkenntnisverfahren vollständig ausgeblendet wurde. Dementsprechend ist es nach zutreffender Auffassung auch ohne Belang, ob die mangelnde Passivlegitimation während des Erkenntnisverfahrens hätte vorgebracht werden können oder tatsächlich vorgebracht worden ist32. Selbst wenn die Parteien die Nachfolge zur Kenntnis des Gerichts bringen, ist nämlich der Spruchkörper von Rechts wegen daran gehindert, die Tatsache auf Basis der Irrelevanztheorie seiner Entscheidungsfindung zugrundezulegen. Nach dem Übergang der materiellrechtlichen Pflichtenstellung auf den Nachfolger ist er potenzieller Vollstreckungsadressat. Weil aber das Urteil gegen den Vorgänger ergangen ist und auch in den Entscheidungsgründen keine Feststellungen über die Wirksamkeit der Passivnachfolge getroffen werden, muss der Prozessgegner den Titel vor Vollstreckungsbeginn gem. § 727 ZPO auf den Nachfolger umschreiben lassen33. Dabei ist es auf Grundlage der hier vertretenen Unbeachtlichkeitslehre wiederum ohne Belang, ob die Passivnachfolge in das Erkenntnisverfahren eingeführt worden ist oder nicht34.
IV. Zusammenfassung Die Umschreibung des auf den Vorgänger lautenden Titels auf den Nachfolger gem. § 727 ZPO dient zwei eng miteinander verwobenen Regelungszwecken: Zum einen erleichtert die Titelumschreibung die ungehinderte Zirkulationsfähigkeit streitbefangener Gegenstände sowie titulierter Forderungen und dient auf diese Weise dem systemprägenden Prinzip der (zivilprozessualen) Sukzessionsfreiheit. Zum anderen komplettiert die Titelumschreibung das Gesamtsystem zivilprozessualen Sukzessionsschutzes, indem die Gegenpartei nach Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands die Zwangsvollstreckung auch gegen den Nachfolger betreiben kann. Die Erteilung einer titelumschreibenden Vollstreckungsklausel ist in zeitlicher Hinsicht zulässig, soweit die Nachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten ist und die Vollstreckung aus dem Urteil auch noch betrieben werden kann. Die Titelumschreibung für eine vor Rechtshängigkeit eingetretene Nachfolge scheidet nach den §§ 265, 325 ZPO zugrunde liegenden Wertungen aus, und zwar gleichermaßen bei Sukzessionen auf Kläger- und Beklagtenseite. Die Titelumschreibung gem. § 727 ZPO entfaltet auf Grundlage der Unbeachtlichkeitslehre ihre originäre Regelungswirkung. Der Nachfolger auf Aktivseite kann die Umschreibung des auf den Vorgänger lautenden Titels verlangen. Davon abgesehen kann dem Vorgänger grundsätzlich eine einfache Vollstre32
Für diese Einschränkung Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 85, 86 f. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 265 Rn. 81; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, § 265 Rn. 91; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 100 Rn. 31. 34 Für diese Einschränkung indes Dinstühler, ZZP 112 (1999), 61, 87 f.; a.A. die h.M. in Fn. 33. 33
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§ 21 Umschreibung des Titels auf den Nachfolger
ckungsklausel gem. § 724 ZPO erteilt werden. Gegen die Vollstreckung des Vorgängers kann sich der Prozessgegner mittels Vollstreckungsgegenklage zur Wehr setzen. Gleiches gilt für die vom Gegner betriebene Zwangsvollstreckung gegen den Vorgänger auf Passivseite. Dort ist der Nachfolger potenzieller Vollstreckungsadressat, auf den der Titel gem. § 727 ZPO umgeschrieben werden kann.
4. Teil
Kollisionsrechtliche Implikationen der Sukzession Grenzüberschreitende Sukzessionen sind in der zunehmend internationalisierten und globalisierten Wirtschaftspraxis heute ein ganz alltägliches Phänomen1: Unternehmen importieren Rohstoffe und Ausgangsprodukte aus vielen Teilen der Erde und exportieren ihre Waren umgekehrt in die ganze Welt. Ausländische Unternehmen erwerben Grundstücke in Deutschland. Notleidende Darlehen werden zu Refinanzierungszwecken ins Ausland verkauft. Forderungen aus Warenlieferungs- und Dienstleistungsverträgen dienen im internationalen Wirtschafts- und Handelsverkehr als Kreditsicherheiten. Angesichts der kaum zu überschätzenden, praktischen Bedeutung des internationalen Vermögenstransfers wäre die vorliegende Untersuchung der rechtsgeschäftlichen Sukzession demnach grob unvollständig, würden neben den bürgerlichrechtlichen und zivilprozessualen Grundlagen nicht auch ihre kollisionsrechtlichen Implikationen in die Betrachtung einbezogen. Das gilt umso mehr, als die mit grenzüberschreitenden Sukzessionen in Zusammenhang stehenden kollisionsrechtlichen Fragestellungen zunehmend in den Fokus rechtswissenschaftlicher Forschung treten. Dieser Trend ist durch die jüngste Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts, namentlich die Rom-Verordnungen2, noch verstärkt worden. Für die Forderungsabtretung von zentraler – praktischer wie akademischer – Bedeutung ist die neu geschaffene Kollisionsnorm des Art. 14 Rom I-VO. Die Vorschrift hat den internationalen Wirtschaftsverkehr in vielen Punkten erleichtert. Noch immer harren indes zahlreiche Rechtsprobleme der internationalen Forderungsabtretung einer überzeugenden Lösung. Das gilt namentlich für die Reichweite des nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO gewährleisteten Schuldnerschutzes sowie die in Art. 14 Rom I-VO nicht ausdrücklich geregelten Drittwirkungen der Forderungszession. Es ist daher nur konsequent, die Untersuchung der kollisionsrechtlichen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Sukzession mit einem Blick auf die Forderungsabtretung zu beginnen (§ 22). Zunehmende praktische Bedeutung gewinnt im modernen Wirtschafts- und Handelsverkehr außerdem 1
Siehe bereits oben § 1 I. 2. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang allein die Rom I-VO betreffend vertragliche Schuldverhältnisse v. 17.6.2008, ABl. EU 2008, L177, 6. Der Anwendungsbereich der Rom I-VO, in Kraft seit 17. Dezember 2009, ist allerdings nicht auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschränkt, sondern erfasst auch Verweisungen auf Drittstaaten; Art. 2 Rom I-VO ordnet die universelle Geltung der Verordnung an (loi uniforme); dazu näher Brödermann, NJW 2010, 807, 809 f. 2
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4. Teil: Kollisionsrechtliche Implikationen der Sukzession
die internationale Schuld- und vor allem Vertragsübernahme. Ihre praktische Handhabung wird allerdings durch die anhaltende Unsicherheit der kollisionsrechtlichen Einordnung erschwert. Zahlreiche Grund- und Einzelfragen werden noch immer streitig diskutiert. Zu ihrer Lösung möchte der zweite Abschnitt dieses Kapitels beitragen (§ 23). Abgerundet wird der Blick auf die kollisionsrechtlichen Folgen der rechtsgeschäftlichen Sukzession mit einer Untersuchung der grenzüberschreitenden Übereignung von beweglichen und unbeweglichen Sachen. Die praktische Bedeutung internationaler Übereignungen ist Legion. Die zugehörigen kollisionsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze sind hingegen hoffnungslos veraltet. In diesem Zusammenhang tritt die vorliegende Arbeit für eine grundlegende Rekonfiguration des Internationalen Sachenrechts ein (§ 24).
§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession Generationen von Kollisionsrechtlern haben sich bereits über die kollisionsrechtlichen Implikationen der Forderungszession den Kopf zerbrochen und noch heute gehört die Behandlung der grenzüberschreitenden Abtretung ob ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und juristischen Komplexität zu den Grundfragen des Internationalen Vertragsrechts. Ihre besondere Brisanz erwächst aus der Vielzahl der an der Forderungszession beteiligten Interessenträger (Zedent, Zessionar, Schuldner, Gläubiger der Vertragsparteien)1 und der verschiedenen Rechtsbeziehungen der Beteiligten untereinander. Hinzu kommen die auch im Kollisionsrecht bedeutsamen Wertungen der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes. Um Missverständnisse zu vermeiden: Im Folgenden werden nicht die zum nationalen Recht herausgearbeiteten Prinzipien auf das europäische Kollisionsrecht projiziert oder gar schlichtweg übertragen. Vielmehr wird sich zeigen, dass die beiden Strukturprinzipien in der europäischen Kollisionsregel deutlich angelegt sind. Insofern decken sich die Grundstrukturen des materiellen sowie des internationalprivatrechtlichen Sukzessionsrechts. Allerdings machen die Interessen- und Wertungsdisparitäten eine einheitliche Anknüpfung sämtlicher Rechtsbeziehungen in der Sache unmöglich. Dieser Erkenntnis folgend sieht auch Art. 14 Rom I-VO eine gespaltene Anknüpfung des zwischen Zedent und Zessionar geltenden, frei wählbaren Vertragsstatuts (II.) und dem im Verhältnis zum Schuldner geltenden, nach dem Identitätsprinzip fortgeltenden Forderungsstatuts (III.) vor. Keine ausdrückliche Regelung hat indes die Anknüpfung der von Zessionen ausgehenden Drittwirkungen gegenüber den Gläubigern der Vertragsparteien und zwischen konkurrierenden Zessionaren bei Mehrfachabtretungen erfahren. Das Drittwirkungsstatut ist heftig umstritten (IV.). Bevor die drei Verhältnisse einer näheren Analyse und kritischen Würdigung unterzogen werden, ist zunächst die kollisionsrechtliche Ausgangslage mit groben Strichen zu umreißen (I.).
I. Kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt Durch den anhaltenden Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft ist die Bedeutung von Forderungen als Verfügungsobjekt und Kredit1
Zur Interessenlage der Beteiligten siehe etwa Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 495 in Bezug auf das Drittwirkungsstatut.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
sicherungsmittel stetig angewachsen2. Das gilt in besonderem Maße für die wirtschaftliche Bedeutung grenzüberschreitender Forderungszessionen, für internationale Sicherungsmaßnahmen und Refinanzierungsgeschäfte, wie das Factoring und Forfaitierung, aber auch für Asset-Backed-Securities-Transaktionen und die Verbriefung einer Vielzahl von Einzelforderungen (Securitization)3. Die besondere Bedeutung der zessionsrechtlichen Kollisionsnormen resultiert aus zwei Gründen: Zum einen weichen die sachrechtlichen Normen der nationalen Abtretungsvorschriften zum Teil grundlegend voneinander ab. Das betrifft insbesondere Anzeige- und Formerfordernisse, abstrakte oder kausale Ausgestaltung der Forderungsabtretung sowie die Zulässigkeit der Vorausabtretung und Globalzession4. Zum anderen spielt das in der Vergangenheit geschaffene Einheitsrecht nur eine untergeordnete Rolle. So ist das UNIDROITÜbereinkommen von Ottawa über das internationale Factoring (1988)5 in dreifacher Hinsicht beschränkt: Erstens erstreckt es sich nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte, die eine enge Beziehung zu den Vertragsstaaten des Abkommens aufweisen6. Zweitens sind aus seinem sachlichen Anwendungsbereich sowohl die Verfügungs- als auch die Drittwirkungen der Forderungszession ausgeklammert7. Und drittens enthält das Factoring-Übereinkommen nur sachrechtliche, aber keine kollisionsrechtlichen Vorschriften8. Das sachlich auf Geldforderungen beschränkte UNCITRAL-Übereinkommen über die Forderungsabtretung im internationalen Handel (2001) ist bis heute nicht einmal in Kraft getreten9. Die praktische Bedeutung für eine leistungsfähige Abtretungskollisionsnorm ist daher enorm. Der europäische Gesetzgeber hat dies erkannt und mit Art. 14 Rom I-VO eine Regelung geschaffen, die eine ganze Reihe praktischer Rechts2 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1; Bazinas, Duke J. Comp. Int’l L. 8 (1998), 315 ff.; Bette, WM 1994, 1909; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 458 f.; Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 92. 3 Zur praktischen Bedeutung siehe Flessner/Verhagen, Assignment, S. 4 ff.; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217; Grau, Forderungsabtretungen, S. 26 ff. 4 Siehe dazu vor allem die umfänglichen rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1011 ff.; ferner Kötz, Vertragsrecht I, S. 406 ff.; Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 679, 683 ff.; dies., ERCL 2013, 430, 436; Grau, Forderungsabtretungen, S. 47 ff.; Rudolf, Einheitsrecht, S. 223 ff.; Länderberichte bei Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 135 ff.; zusf. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1; v. Hoffmann, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 4; Horn, FS Wiegand, 2005, S. 373, 375 f. 5 Gesetz zu dem Unidroit-Übereinkommen vom 28.5.1988 über das internationale Factoring vom 25.2.1998, BGBl. II, S. 172. 6 Vgl. Ferrari, in: MünchKommHGB, Einl. Factoring Rn. 10; Freitag, in: Rauscher, Rom IVO, Art. 14 Rn. 16. 7 Zum beschränkten Anwendungsbereich näher Bauer, Forderungsabtretungen, S. 25 f. 8 Vgl. nur Ferrari, in: MünchKommHGB, Einl. Factoring Rn. 31. 9 Übereinkommen und Statusbericht sind abrufbar unter www.uncitral.org (zuletzt abgerufen am 4.9.2014); vgl. dazu nur Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 17. Zum Kollisionsrecht der Abtretungskonvention monografisch Heine, Forderungsabtretung, S. 105 ff.
I. Kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt
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probleme gelöst hat, aber auch eine Vielzahl zum Teil sehr bedeutsamer Grundsatz- und Streitfragen unbeantwortet ließ. Positiv hervorzuheben ist zunächst der weite sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift. Neben den praktisch so wichtigen Geldleistungsansprüchen erfasst Art. 14 Rom I-VO auch Lieferungsund Dienstleistungsforderungen10. Zudem braucht der Rechtsgrund der abgetretenen Forderung nicht in einem Schuldvertrag zu bestehen; auch außervertraglich begründete Forderungen, namentlich solche aus Delikt und ungerechtfertigter Bereicherung, fallen unter den Forderungsbegriff des Art. 14 Rom IVO11. Dieser Interpretation steht es nicht entgegen, dass die Rom I-VO eine Regelung nur für das „auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“ bereitstellt. Denn gleichgültig, ob die übertragene Forderung auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage beruht, stets bildet eine vertragliche Abrede zwischen den Parteien des Zessionsvertrags die für den Rechtsübergang maßgebliche Grundlage12. Der insofern weit gezogene Anwendungsbereich vermeidet im Übrigen eine Regelungslücke, die sich bei einem weniger weitgehenden Verständnis daraus ergeben hätte, dass die Rom II-VO keine besonderen Vorschriften für die rechtsgeschäftliche Forderungszession bereithält13. Darüber hinaus ist auch der in Art. 14 Abs. 3 Rom I-VO normierte Übertragungsbegriff weit zu verstehen. Er umfasst neben der endgültigen Abtretung des Vollrechts im Rahmen von Umsatzgeschäften auch fiduziarische Forderungsübertragungen sowie die Bestellung von Pfandrechten und anderen Sicherungsrechten an Forderungen.14 Zudem entspricht es dem auf umfassende Geltung angelegten Zweck des Art. 14 Abs. 3 Rom I-VO, auch für die Bestellung von Nießbräuchen Art. 14 Abs. 1 und 2 Rom I-VO anzuwenden15.
10 Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 22; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 222 f. 11 H.-F. Müller, in: PWW, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 31; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3a; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 15; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3 a.E.; Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 93 Fn. 9; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 223; Bauer, Forderungsabtretung, S. 103; zum früheren Recht OLG Hamburg NJW-RR 1993, 40 (Deliktsrecht); OLG Düsseldorf VersR 2000, 460 (ungerechtfertigte Bereicherung). 12 Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 31; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3a; zum früheren Recht v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 467. 13 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3a; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 223. – Anders gilt für die cessio legis, die in Art. 15 Rom II-VO geregelt ist. 14 Dazu eingehend Kieninger, ERCL 2013, 430, 432 ff. 15 Ebenso H.-F. Müller, in: PWW, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 20; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 54; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 10; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 18; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 42; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 222.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar Für das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar erklärt Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das Recht für anwendbar, das nach den allgemeinen Kollisionsregeln auf den geschlossenen Zessionsvertrag anwendbar ist (Vertragsstatut). Das sorgt für eine – praktisch so bedeutsame – einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungsund Verfügungsgeschäft an das Vertragsstatut (1.) und eine umfassende Gewährleistung der freien Rechtswahl (2.).
1. Einheitliche Anknüpfung an das Vertragsstatut a) Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut Das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar ist von einem einheitlichen Abtretungsstatut bestimmt16, das an das zwischen den Parteien vereinbarte oder objektiv bestimmte Vertragsstatut (lex contractus) nach Maßgabe der Art. 3 ff. Rom I-VO anknüpft17 und für einen Gleichlauf des anwendbaren Rechts auf das Kausal- und Vollzugsgeschäft sorgt. Für das zwischen den Vertragsparteien geschlossene Kausalgeschäft (Verpflichtungsstatut) entspricht dies langer Tradition. Im Gegensatz dazu ließ das frühere Recht ungeregelt, welches Statut für das zwischen Zedent und Zessionar geschlossene Verfügungsgeschäft maßgeblich sein sollte (Verfügungsstatut)18. Nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 Rom IVO sowie Erwägungsgrund 38 der Verordnung beansprucht das Vertragsstatut heute auch für den verfügenden Forderungsübergang als solchen grundsätzliche Geltung19. Obsolet geworden ist damit die früher überwiegend vertretene selbstständige Anknüpfung des Verfügungsgeschäfts auf Grundlage des Forderungsstatuts20. 16 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 29, 35; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 17, 20; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1, 3; Einsele, WM 2009, 289, 297 f.; Flessner, IPRax 2009, 35, 38; ders., FS Kühne, S. 703, 704; Heine, Forderungszession, S. 85; abweichender Sprachgebrauch bei Bauer, Forderungsabtretung, S. 103, der weiterhin vom „Zessionsgrundstatut“ spricht. 17 Vgl. nur Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 34, 40 f.; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 19 f.; Flessner, IPRax 2009, 33, 38. 18 Zur früheren Rechtslage ausf. Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 686 ff.; Stadler, IPRax 2000, 104, 105 ff.; dies., Gestaltungsfreiheit, S. 699 f. 19 Vgl. H.-F. Müller, in: PWW, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 2; Freitag, in: Rauscher, Rom IVO, Art. 14 Rn. 37; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 35; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1, 4; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 17; Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 2; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3; Einsele, WM 2009, 289, 297 f.; dies., RabelsZ 74 (2010), 91, 96; Flessner, IPRax 2009, 35, 37 f.; Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 540 f.; zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund siehe Heine, Forderungszession, S. 85 f. 20 So etwa BGHZ 87, 19, 21; BGH NJW 1999, 940; RIW 1990, 670, 671; OLG Hamburg IPRspr 2008 Nr. 15; Doehner, in: AnwKommBGB, Art. 33 EGBGB Rn. 2; Hohloch, in: Erman,
II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar
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Dementsprechend bestimmt das Vertragsstatut darüber, ob der Zessionar die Forderung wirksam vom Zedent erworben hat, ob sich die Übertragung (überhaupt) aufgrund eines verfügenden Rechtsgeschäfts vollzieht21, und insbesondere, welche zusätzlichen Voraussetzungen neben der wirksamen (verfügenden) Einigung der Vertragsparteien noch vorliegen müssen, wie z.B. eine Registrierung der Abtretung oder Benachrichtigung des Schuldners22. Das Abtretungsstatut ist ferner maßgeblich für die Auslegung der zwischen Zedent und Zessionar getroffenen Vereinbarungen23 sowie für die Frage, ob auch mit der Forderung verbundene Nebenrechte – wie im deutschen Recht gem. § 401 BGB (Akzessorietätsprinzip)24 – auf den Zessionar übergehen25. Gleiches gilt für die Frage, auf welche Hilfsansprüche der Zessionar zugreifen kann, um seine Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen (vgl. für das deutsche Recht §§ 402, 403 BGB). Nachdem Verpflichtungs- und Verfügungsstatut nun einheitlich angeknüpft sind, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht länger darauf an, welches der beiden Rechtsgeschäfte man als Grundlage solcher Hilfsrechte ansieht26. Die noch immer vertretene Gegenauffassung, die für die Bestimmung des Verfügungsstatuts nicht auf das Vertragsstatut, sondern den Schwerpunkt der Interessen iSd. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO abhebt27, setzt sich zum erklärten Willen des Rom I-Verordnungsgebers, wie er in Erwägungsgrund 38 zum Ausdruck gelangt ist, in einen unauflöslichen Widerspruch. Das gilt umso mehr, als Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO nebst Erwägungsgrund 38 nach ihrer Wirkrichtung gerade für Rechtsordnungen, deren Vermögensrecht durch das Trennungsprinzip gekennzeichnet sind28, auf eine einheitliche Anknüpfung von Verpflich21 BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 1; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 2; Kropholler, IPR, § 52 VIII 1; a.A. Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1 ff., insb. 17 ff.; dies., RabelsZ 60 (1996), 417, 430 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 707 ff.; dies., IPRax 2000, 104, 105. 21 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3. 22 Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 35; Flessner, IPRax 2009, 33, 38; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/ Leible, Rome I, S. 217, 225; ausf. Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 103 ff.; vgl. weiter Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3, 4. 23 So auch v. Hoffmann, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 6 f.; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 225; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom IVO Rn. 36. 24 Dazu ausf. oben § 14 III. 1. 25 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 36; Grau, Forderungsabtretungen, S. 211 f.; v. Hoffmann, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 7. 26 Zum Problem nach früherem Recht Bauer, Forderungsabtretung, S. 67, 83. 27 Bauer, Forderungsabtretung, S. 292 f., 301 ff.; im Ergebnis ebenso oder ähnlich Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 159; Sonnenberger, FS Kropholler, S. 227, 231; ebenfalls gegen die h.M.: Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 21, der Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO anwenden will; vgl. weiter – offenbar ebenfalls abweichend – Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 225 ff. 28 Dazu ausf. oben § 7 I.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
tungs- und Verfügungsgeschäft abzielen29. Und schließlich übergeht die Gegenauffassung auch die inhaltliche Änderung der Kollisionsregel, deren sachlicher Anwendungsbereich nicht länger auf die „Verpflichtung“ zwischen Zedent und Zessionar beschränkt ist (Art. 33 Abs. 1 EGBGB a.F.), sondern sich heute auf deren gesamtes „Verhältnis“ erstreckt (Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO)30. b) Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs Der Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut dient dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und erhöht damit die Zirkulationsfähigkeit der Forderungsrechte (Sukzessionsfreiheit). Anders als noch unter Geltung der gespaltenen Anknüpfung, die ein veritables Hindernis für den Wirtschaftsverkehr markierte, können Forderungen nun deutlich einfacher übertragen und deutlich flexibler zur Kreditsicherung eingesetzt werden31. Das zeigt sich namentlich am Beispiel der Globalzession unter Einbeziehung künftiger Forderungen: Solange kein einheitliches Abtretungsstatut galt, war nicht sichergestellt, dass sich die Übertragung sämtlicher Forderungen auch nach dem gleichen Abtretungsrecht richtete. Deshalb musste jede einzelne Forderung gesondert, nach demjenigen Recht angeknüpft werden, auf dessen Grundlage der Leistungsanspruch begründet worden war32. Dementsprechend mussten für einen wirksamen Forderungsübergang auch die verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen der unterschiedlichen (nationalen) Zessionsrechte beachtet werden, die sich bekanntlich durch eine ganz erhebliche Variationsbreite auszeichnen33. Rechtszersplitterung war die Folge. Die Zuordnungsschwierigkeiten verschärften sich, soweit nicht nur bestehende, sondern auch künftige Forderungen übertragen werden sollten. Denn gerade für erst zukünftige Forderungen ließ sich das nach einer objektiven Anknüpfung geltende Recht, namentlich das Forderungsstatut, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oftmals nicht antizipieren34. Sollten beispielsweise Forderungen aus Kaufverträgen abgetreten werden, die mit Vertragspartnern im Ausland geschlossen worden sind, kamen ganz unterschiedliche Zessionsrechte zur Anwendung, die sich vielfach erst nach Vertragsabschluss eindeutig bestimmen ließen35. 29
Vgl. Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 157. Siehe nur Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 492. – Sprachliche Kritik, die allerdings keine Auswirkung in der Sache zeitigt, bei Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 153. 31 Zum Folgenden Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 6; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; Einsele, WM 2009, 289, 298; zum früheren Recht dies., RabelsZ 60 (1996), 417, 434 f.; Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 693; Stadler, IPRax 2000, 104, 107; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 399 f.; Flessner/Verhagen, Assignment, S. 21 f.; vgl. auch Basedow, ZEuP 1997, 615, 620 f. 32 BGHZ 111, 376, 381 hielt diesen Umstand nicht für ausschlaggebend. 33 Siehe dazu schon oben § 22 I. 34 So auch Stadler, IPRax 2000, 104, 107; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 399; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 552. 35 Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 712 f. 30
II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar
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Mit der nunmehr in Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO festgeschriebenen Einheitsanknüpfung vollzieht sich der Forderungsübergang unterschiedslos nach demjenigen Recht, das die Vertragsparteien auf parteiautonomer Grundlage entweder selbst ausgewählt haben36 oder das sich aus vorhersehbaren objektiven Anknüpfungstatbeständen ergibt37. Indem die Parteien den Übergang einer Gesamtheit von Forderungen einem einheitlichen Rechtsregime unterstellen können, herrscht im Verhältnis der Vertragspartner untereinander Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Zudem werden die Transaktionskosten, die aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfung von Forderungszessionen nach früherem Recht anfielen, signifikant vermindert38. Überhaupt werden sich Vertragsparteien aufgrund der erleichterten Übertragbarkeit von Forderungsrechten tendenziell eher für die Durchführung grenzüberschreitender Transaktionen entscheiden. Das sorgt nach dem ökonomischen Modell für eine höhere Allokationseffizienz und steigert so den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. c) Berechtigte Schuldnerinteressen Gegen die einheitliche Anknüpfung nach dem Vertragsstatut und gleichsam für die Geltung des Forderungsstatuts auf Verfügungsebene können auch keine berechtigten Schuldnerinteressen ins Feld geführt werden. Denn Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO gewährleistet durch eine selektive Anwendung des Forderungsstatuts speziell im Verhältnis zum Schuldner ein hinreichendes Sukzessionsschutzniveau39, das auf diese Weise einmal mehr als Konterpart zur kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit dient: Auf der Primärebene dient die Geltung des Vertragsstatuts gem. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO der ungehinderten, grenzüberschreitenden Übertragbarkeit von Forderungsrechten (Sukzessionsfreiheit). Auf der Sekundärebene sorgt die Geltung des Forderungsstatuts im Verhältnis zum Schuldner gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO für einen angemessenen, spezifisch kollisionsrechtlichen Schuldnerschutz (Sukzessionsschutz). In dieser Form findet das aus dem materiellen Recht40 bekannte Spannungsverhältnis zwischen Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz seine Entsprechung im Abtretungskollisionsrecht. Auf den Schutz berechtigter Schuldnerinteressen sind die Wirkungen des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO aber umgekehrt auch beschränkt. Es besteht keine Notwendigkeit, den auf Sekundärebene in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO verwirk36
Zum Prinzip der freien Rechtswahl ausf. unten § 22 II. 2. Dazu näher unten § 22 II. 2. c). 38 Zur rechtsökonomischen Rechtfertigung der freien Rechtswahl näher unten § 22 II. 2. a) cc). 39 Vgl. auch Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 6; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 31; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 553 f.; dens., FS Kühne, S. 703, 706 f.; zum früheren Recht bereits Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 434; Stadler, IPRax 2000, 104, 106 f.; Rudolf, Einheitsrecht, S. 573 f. 40 Siehe oben § 4. 37
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
lichten Regelungsgedanken auf die Primärebene ausstrahlen zu lassen. Vielmehr bleibt es im (Innen-)Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar bei der ausschließlichen Geltung des Vertragsstatuts, das den Parteien die freie Wahl des anwendbaren Zessionsrechts ermöglicht. Für Schuldnerschutzerwägungen ist in diesem Zusammenhang kein Raum. Auch in dieser Beziehung spiegelt das Abtretungskollisionsrecht das materielle Zessionsrecht: Ebenso wenig wie der Schuldner nach materiellem Recht die Abtretung – vorbehaltlich einer rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkung (§ 399 Alt. 2 BGB) – verhindern kann, kann er auf die freie Wahl des für den Forderungsübergang geltenden Rechts Einfluss nehmen. Muss der Schuldner den Gläubigerwechsel nach materiellem Recht hinnehmen, bedarf es auch keiner weitergehenden kollisionsrechtlichen Schutzvorschriften in Form eines an das Forderungsrecht anknüpfenden Verfügungsstatuts41. Dass dem Forderungsschuldner in beiden Teilrechtsgebieten die Mitwirkung an der Abtretung versagt ist, dient zum einen den Interessen der individuellen Vertragsparteien, die typischerweise am besten wissen, welches Recht für die Regelung ihrer Rechtsverhältnisse am besten geeignet ist, und zum anderen dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Und solange seine Rechtsstellung davon unberührt bleibt, hat der Schuldner von vornherein kein berechtigtes Interesse daran, an der Bestimmung des für die Abtretungswirkung gewählten Kollisionsrechts mitzuwirken42. Seine Interessen sind durch die Geltung des Forderungsstatuts gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO ausreichend geschützt. Insbesondere wird verhindert, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners durch die Forderungszession verschlechtert (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot)43. Gegen dieses Verbot wird durch eine freie Rechtswahl der Vertragsparteien indes nicht verstoßen. Denn Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO bestimmt ausschließlich über die Änderung der Forderungszuständigkeit, lässt berechtigte Interessen des Schuldners aber grundsätzlich unberührt. Nur soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtswirkungen der Forderungsabtretung unmittelbare Implikationen auf den Rechtskreis des Schuldners zeitigen, muss es gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO bei der Geltung des Forderungsstatuts bewenden. Das gilt – wiederum in Parallele zum materiellen Recht – namentlich für die Übertragbarkeit der Forderung, die nach ihrem Inhalt, wegen besonderer Rechtsvorschriften oder aufgrund rechtsgeschäftlicher Abtretungshindernisse unabtretbar sein kann, und ebenso für Einwendungen und Einreden, die dem Schuldner gegen den Zessionar zustehen44.
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Wie hier Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 497; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 554. Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 97; Flessner, FS Kühne, S. 703, 706. Dazu näher unten § 22 III. 1. a). Dazu im Einzelnen unten § 22 III. 1. d).
II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar
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d) Berechtigte Gläubigerinteressen Auch berechtigte Gläubigerinteressen können nicht gegen die Anknüpfung an das frei gewählte Vertragsstatut in Stellung gebracht werden. Zurückzuweisen ist insbesondere das von der früher h.M. vorgebrachte Argument, durch die Anerkennung von Rechtswahlvereinbarungen sei für die Gläubiger der Vertragsparteien nicht objektiv und nach außen erkennbar, welchem Recht der Forderungsübergang unterliege45. Denn zum einen ist das Forderungsstatut – als alternativer Anknüpfungspunkt – für außenstehende Gläubiger typischerweise ebenso wenig offensichtlich wie das Vertragsstatut46. Zum anderen stehen die Unwirksamkeitsgründe des Verfügungsvertrages auch nicht in erster Linie im Interesse der Gläubiger, sondern primär, wenn nicht gar ausschließlich, im Interesse der Vertragsparteien selbst. Es liegt in ihrem ureigenen Interesse, dass der verfügende Zessionsvertrag keinen Willensmangel aufweist und nicht gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstößt. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Anwendung des zwischen Zedent und Zessionar geltenden Rechts als die insgesamt sachnähere Rechtsmaterie47. Freilich spielt der Forderungs- bzw. Vermögensbestand für die Frage eine Rolle, ob Dritte (Gläubiger) dem Zedent (Schuldner) Kredit gewähren oder von ihm zumindest liquide Sicherheiten einfordern48. Indes haben Drittgläubiger keinen Anspruch darauf, dass der aktuelle Vermögensbestand eines Schuldners unverändert bleibt49. Sie müssen also damit rechnen, dass ihr Schuldner Vermögenspositionen veräußert oder erwirbt. Und gerade bei grenzüberschreitenden Transaktionen können Gläubiger auch nicht darauf vertrauen, dass sich solche Forderungsübergänge nach inländischem Recht richten. Jede andere Position liefe zwangsläufig auf eine signifikante Behinderung der rechtsgeschäftlichen Sukzessionsfreiheit im internationalen Wirtschaftsverkehr hinaus und verstieße außerdem gegen das systemprägende Prinzip der freien Rechtswahl. Einen gesteigerten Schutz genießen die Gläubigerinteressen nur, wenn sich ihr Schuldner in einer Krise befindet. Dann greifen Sondervorschriften des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts ein, allen voran die Bestimmungen des Anfechtungsrechts nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) und §§ 129 ff. InsO, sowie das allgemeine deliktsrechtliche Instrumentarium, namentlich die Haftung wegen Gläubigerschädigung aus § 826 BGB. Für diese Tatbestände existieren wiederum eigenständige Kollisionsregeln (§ 19 AnfG, § 339 InsO, 45 Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 693 f., 697 f., 702; dies./Schütze, IPRax 2005, 200, 202; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 103 (2004), 131, 185 f.; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 494 f.; Rudolf, Einheitsrecht, S. 584 ff. 46 Stadler, IPRax 2000, 104, 108; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 31; vgl. auch Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 697 f. 47 Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1, 17 f.; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 31. 48 Vgl. Bauer, Forderungsabtretung, S. 204 f. 49 Zutreffende Wertung auch bei Stadler, IPRax 2000, 104, 108; Freitag, RIW 2005, 25, 29; Flessner/Verhagen, Assignment, S. 23.
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Art. 4 Rom II-VO; Art. 13 EuInsVO), so dass eine objektive Anknüpfung, etwa nach dem Forderungsstatut oder dem Zedentensitz, mit Gläubigerschutzerwägungen allein nicht zu rechtfertigen ist. Soweit das materielle Recht ungesicherten Gläubigern außerhalb von Zwangsvollstreckung und Insolvenz keinen besonderen Schutz zuteilwerden lässt, erscheint es auch verfehlt, darüber hinausgehenden Schutzinteressen im Wege kollisionsrechtlicher Sonderanknüpfung ein Forum zu schaffen50. Dem können auch nicht die in anderen Rechtsordnungen existierenden Publizitäts- und Registrierungserfordernisse entgegengehalten werden. Denn diese Sondervorschriften sind wiederum nicht in erster Linie auf den Schutz der Gläubiger des Zedenten gerichtet, sondern dienen etwaigen Informationsbedürfnissen des Drittschuldners und fixieren die Rangfolge bei konkurrierenden Mehrfachabtretungen51. Informationsadressat ist daher der Drittschuldner, nicht etwa die Gläubiger. Sie können sich die Information zwar durch Einsichtnahme in ein bestehendes Register verschaffen. Der damit einhergehende Gläubigerschutz trägt indes nur reflexive Züge und ist daher nicht geeignet, auf die kollisionsrechtliche Behandlung der Forderungsabtretung durchzuschlagen. e) Trennungs- und Abstraktionsprinzip Die einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut relativiert zugleich die Bedeutung des im deutschen Privatrechtssystem tief verwurzelten Trennungs- und Abstraktionsprinzips52. Da die früher h.M. das Verfügungsgeschäft dem Forderungsstatut unterstellte, kam die Geltung des Abstraktionsprinzips selbst dann in Betracht, wenn es der Rechtsordnung fremd war, nach der sich die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts bestimmte53. Unterstand die Forderung beispielsweise deutschem Recht, konnte die Abtretung auch dann wirksam sein, wenn das – einer anderen Rechtsordnung unterstehende – Kausalgeschäft unwirksam war54. Die rechtsgrundlos erlangte Forderung konnte nach Maßgabe des Verpflichtungsstatuts kondiziert werden55. Diese Rechtslage hat sich durch die einheitliche Geltung des Vertragsstatuts grundlegend geändert56. Findet nach Maßgabe des Verpflichtungsstatuts das Kausalprinzip Anwendung, wonach die Forderung bereits mit Abschluss des 50
Zutreffend Flessner, FS Canaris II, S. 545, 556. Instruktiv Stadler, IPRax 2000, 104, 108. 52 Zum Prinzip eingehend oben § 7. 53 Dazu und zum Folgenden Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 37. 54 Martiny, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 15; Stoll, in: Staudinger, Int. SachenR, Rn. 348. 55 Das war indes nicht in sämtlichen Rechtsordnungen gewährleistet; dazu sogleich im Text. 56 Zum Ganzen Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 38; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 225; vgl. knapp auch Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3; kritisch Bauer, Forderungsabtretung, S. 273 f. 51
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Verpflichtungsgeschäfts auf den Zedent übergeht (kausale Forderungsübertragung), bedarf es zur Perfektionierung des Rechtsübergangs auch dann keines zusätzlichen Verfügungsgeschäfts mehr, wenn die Forderung selbst einem nationalen Recht untersteht, das dem Abstraktionsprinzip verhaftet ist. Es gilt dann ausschließlich das Verpflichtungsstatut, das zu einem kausalen Forderungsübergang führt, soweit sich der hierauf gerichtete Wille der Vertragsparteien nur durch Auslegung der Parteierklärungen eindeutig verifizieren lässt57. Weder muss darüber hinaus ein spezieller Parteiwille feststellbar sein, der neben dem Verpflichtungsgeschäft auf die (verfügende) Übertragung der Forderung gerichtet ist58, noch muss eine verfügende Einigung in das Kausalgeschäft hineingelesen werden59. Stattdessen gelten die Grundsätze des Handelns unter falschem Recht60. Entscheidend ist der zum Ausdruck gelangte Parteiwille in seiner Auslegung auf normativer Grundlage der lex causae. Die alleinige Maßgeblichkeit des Verpflichtungsstatuts in kausalen Rechtsordnungen bedeutet umgekehrt aber auch, dass die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts zugleich ungehindert auf die Änderung der Forderungszuständigkeit durchschlägt und einen Forderungserwerb des Zessionars effektiv verhindert61. Ob sie gewillt sind dieses Risiko zu tragen, entscheiden die Parteien des Abtretungsvertrags im Rahmen der ihnen obliegenden Rechtswahl. Davon abgesehen bedeutet es aber jedenfalls einen rechtsdogmatischen Fortschritt der einheitlichen Anknüpfung, dass der Zedent die erworbene Forderung nicht später in Form eines schuldrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach Maßgabe des Verpflichtungsstatuts an den Zessionar zurückgewähren muss; zumal in Rechtsordnungen mit kausaler Forderungsübertragung entsprechende Kondiktionsvorschriften nicht selten fehlen. Der daraufhin erforderliche Notbehelf der „Anpassung“62, dessen rechtsdogmatische Fundierung zweifelhaft geblieben war, ist damit obsolet geworden. Die einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut trägt auf diese Weise auch zur Lösung von Problemen bei, die sich aus der Kollision von abstrakten oder kausalen Übertragungssystemen ergeben63.
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Ebenso Bauer, Forderungsabtretung, S. 63. So aber Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1, 15. 59 So aber Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 709; Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 708. 60 Dazu näher Bauer, Forderungsabtretung, S. 63; allgemein zu diesem Grundsatz v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 25, § 7 Rn. 247 f.; Kegel/Schurig, IPR, § 1 VIII 2 d; Stoll, IPRax 1997, 411 ff. 61 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 38. 62 Dazu näher Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 708 f.; kritisch aber Bauer, Forderungsabtretung, S. 275 f. 63 So ausf. schon Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 711 ff.; zusf. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 38. 58
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2. Prinzip der freien Rechtswahl a) Parteiautonomie im Internationalen Vertragsrecht Der Gleichlauf des Verpflichtungs- und Verfügungsstatuts – das haben die bisherigen Betrachtungen gezeigt – ist für sich bereits mit bedeutenden Vorteilen verbunden. Von nicht geringerem Nutzen ist es für die Vertragsparteien, dass sie nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO auch selbst darüber entscheiden können, welchem Recht die beiden Rechtsgeschäfte unterstehen sollen. aa) Rückblick und aktueller Stand Die Freiheit der Rechtwahl findet ihre Grundlage im systemprägenden Prinzip der Parteiautonomie, die als kollisionsrechtliches Gegenstück zur materiellrechtlichen Privatautonomie64 einen tragenden Grundpfeiler des Internationalen Vertragsrechts bildet. Unionsrechtlich ist die Rechtswahlfreiheit durch die Grundfreiheiten des freien Warenverkehrs (Art. 28, 29 AEUV), des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV) und des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV) verbürgt65. Es kann daher nicht verwundern, wenn ein wachsender Teil des Schrifttums Beeinträchtigungen der Rechtswahlfreiheit als rechtfertigungsbedürftigen Verstoß gegen die Grundfreiheiten ansieht66.67 Der Weg zur freien Rechtswahl war indes mühsam, und bis heute wird die Parteiautonomie nicht als selbstverständliches Kollisionsrechtsinstitut akzeptiert, sondern muss sich ihren Rang innerhalb der übrigen Struktur- und Wertungsprinzipien des Internationalen Privatrechts stets aufs Neue erkämpfen68. Dem entspricht es, dass der durch freie Rechtswahl vermittelten Parteiautonomie im heutigen Gesamtsystem des Kollisionsrechts noch immer nicht die herausragende Stellung zukommt, die ihr aus rechtssystematischer Perspektive, namentlich im Vergleich zur Privatautonomie des materiellen deutschen Privatrechts an sich zukommen müsste69.
64 Zum Verhältnis der beiden Grundprinzipien instruktiv Spickhoff, in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117 ff.; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 222 ff., 238 ff.; vgl. noch Hoffmann/Stegemann, JuS 2013, 207. 65 Dazu ausf. v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 ff.; ders., Kreditsicherungsrecht, S. 43 ff., 399 f., 409; Paefgen, ZEuP 2003, 266, 270 ff. 66 Grundmann, IPRax 1992, 1, 4; v. Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 609 f.; Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1209; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 564 ff.; relativierend, im Ergebnis aber tendenziell ebenso Leible, FS Jayme I, S. 485, 502 f.; vgl. weiter Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; Stadler, IPRax 2000, 104, 107 f.; distanziert hingegen Bauer, Forderungsabtretung, S. 105 ff., 120 ff. 67 Für eine verfassungsrechtliche Gewährleistung der Parteiautonomie ausf. Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 34 ff.; ferner Sturm/Sturm, in: Staudinger, BGB, 2003, Einl. IPR Rn. 129 f.; Diedrich, RIW 2009, 378, 379; offenlassend Leible, FS Jayme I, S. 485, 488. 68 Instruktive Zusammenfassung bei Flessner, FS Canaris II, S. 545 ff. 69 Klarstellend Rühl, Statut, S. 323 ff.; vgl. weiter Hohloch, FS Thue, S. 257, 263 und die Zusammenstellung der Einzelanknüpfungen bei v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 12 ff.
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Erklären lässt sich die verhältnismäßig schwache Position der Rechtswahlfreiheit in erster Linie mit Blick auf ihre Dogmen- und Entwicklungsgeschichte. Bemerkenswert ist insbesondere, dass sie – anders als die materiellrechtliche Privatautonomie70 – auf keine weit in die Vergangenheit zurückreichende Tradition verweisen kann. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss des politischen und wirtschaftlichen Liberalismus vermochte sich der Gedanke der Parteiherrschaft im Internationalen Privatrecht Bahn zu brechen71. Während er in zahlreichen Teilgebieten des IPR nur zögerlich Boden gutmachte72, ist der Grundsatz der Rechtswahlfreiheit für das deutsche Internationale Schuldrecht seit langem anerkannt73 und für das Internationale Vertragsrecht der EUMitgliedstaaten in Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO nunmehr ausdrücklich festgeschrieben74. Erwägungsgrund 11 der Verordnung bezeichnet die freie Rechtswahl als einen Eckstein des Systems der Kollisionsnormen im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO und Erwägungsgrund 38 ist in Zusammenschau die Wertung zu entnehmen, dass für die kollisionsrechtliche Sukzessionsfreiheit, zumindest was die Übertragung von Forderungsrechten anlangt, nichts anderes gelten kann als in Bezug auf die Sukzessionsfreiheit nach materiellem Recht75: in dubio pro libertate76. bb) Herkömmliche Begründung der Rechtswahlfreiheit Dass sich der Grundgedanke privatautonomer Selbstgestaltung über das materielle (Sach-)Recht hinaus im Kollisionsrecht fortpflanzt77 und als tragendes Struktur- und Wertungsprinzip der rechtsgeschäftlichen Sukzession in beiden Teilrechtsgebieten systemprägende Wirkung entfaltet78, ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen des modernen Wirtschaftsverkehrs nachdrücklich 70
Siehe oben § 4 I. 1. Dazu eingehend für das Internationalen Vertragsrecht Rühl, Statut, S. 429 ff.; allgemein Nishitani, Parteiautonomie (2000). 72 Zum Internationalen Sachenrecht siehe unten § 24 II. 73 RGZ 120, 70, 72 f.; BGHZ 7, 231, 234. 74 Gleiches gilt nahezu für die ganze Welt; dazu ausf. Rühl, Statut, S. 327 ff.; Siehr, FS Keller, S. 485, 487 ff.; zu Ausnahmen speziell Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 34 ff. 75 Siehe oben zum materiellen Recht § 4 I. 2. 76 Vgl. Kropholler, IPR, § 40 III 2; Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 33; Diedrich, RIW 2009, 378, 379; Leible, FS Jayme I, S. 485, 487. 77 Zu den einzelnen Erklärungsansätzen der Rechtswahlfreiheit instruktiv Rühl, Statut, S. 343 ff.; ausf. Wicki, Dogmengeschichte, S. 35 ff.; zu theoretischen Einwänden gegen das Konzept Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 40 ff. mit kritischer Würdigung; zur Wechselwirkung zwischen materiellem Recht und Kollisionsrecht zusf. Kropholler, IPR, § 40 III 2. 78 So schon vor Inkrafttreten der Rom I-VO ein Großteil des Schrifttums; vgl. nur Sturm/ Sturm, in: Staudinger, BGB, 2003, Einl. IPR Rn. 129 ff.; Berger, RIW 1994, 12, 14 f.; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417 ff.; v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 ff.; Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 98 ff.; dens., FS Canaris II, S. 545 ff.; Basedow, FS Stoll, S. 405, 413; Leible, FS Jayme I, S. 485, 487 f., 503; Schack, LA Kegel, S. 179, 195 f.; Siehr, FS Keller, S. 485 ff.; seither – aus ökonomischer Perspektive – eingehend Rühl, Statut, S. 323 ff., 343 ff., 429 ff.; vgl. weiter dies., FS Kropholler, S. 187 ff.; Diedrich, RIW 2009, 378, 379; Hohloch, FS Thue, S. 257 ff. 71
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zu begrüßen, tritt das wirtschaftliche Bedürfnis nach einer selbstbestimmten Regelordnung doch in grenzüberschreitenden Sachverhalten in besonders deutlicher Weise hervor79: Kommen verschiedene Rechtsordnungen zur Regelung eines juristischen Sachverhalts in Betracht, deren Sachrecht – wie insbesondere die nationalen Zessionsrechte80 – substanziell voneinander abweichen, dann sind es typischerweise die Beteiligten, die selbst am besten wissen, welche Rechtsordnung ihren individuellen Präferenzen und Bedürfnissen optimal gerecht zu werden vermag. Deshalb sollen die Vertragsparteien – nicht etwa der Gesetzgeber oder Gerichte – ihre Interessen im Rahmen der vertraglichen Abrede über das anwendbare Sachrecht zu einem angemessenen Ausgleich bringen81. Besonders deutlich tritt das Rechtswahlinteresse hervor, wenn die Vertragsparteien in laufenden Geschäftsbeziehungen stehen, sie also fortwährend gleichartige Rechtsgeschäfte abschließen. Ein einheitliches, selbst gewähltes Rechtsregime kann in diesem Zusammenhang Konfliktpunkte zwischen den Vertragsparteien effektiv ausräumen und für Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und eine Vorhersehbarkeit des anwendbaren Sachrechts sorgen82. Gleiches gilt, wenn die Parteien mit einer bestimmten Rechtsordnung besonders vertraut sind. Umgekehrt wäre der grenzüberschreitende Rechts- und Handelsverkehr erheblich erschwert, bliebe den Vertragsparteien die Möglichkeit einer freien Rechtswahl verschlossen. Rechtswahlfreiheit dient allerdings nicht allein den Interessen der an der Transaktion unmittelbar Beteiligten. Das Prinzip der freien Rechtswahl fördert darüber hinaus auch die internationalen Rechtsbeziehungen83 und trägt zur Gewährleistung internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit bei84. Zugleich werden die Gerichte durch eine eindeutige Rechtswahl von der häufig schwierigen Aufgabe entbunden, das anwendbare Recht nach objektiven Kriterien zu bestimmen85. Die hiermit in Zusammenhang stehenden Vereinfachungen erhöhen die Prozesswirtschaftlichkeit bei der Durchführung grenzüberschreitender Rechtsstreitigkeiten. Darüber hinaus entspricht die Gewährleistung von Rechtswahlfreiheit auch den allgemeinen Zielstellungen von Anknüpfungsregeln86. Denn Anknüpfungsregeln sollen zum einen den konkreten Bedürfnissen der Vertragsparteien (Parteiinteressen) sowie den Eigenheiten der Transaktion gerecht werden und zum 79
Zutreffend Flessner, FS Canaris II, S. 545. Siehe oben § 22 I. 81 So auch v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 5; Mankowski, in: Ott/Schäfer, Vereinheitlichung, S. 118, 125. 82 Zu diesem Aspekt allgemein etwa Pfütze, ZEuS 2011, 35, 39, 45. 83 Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299, 305 ff., 317 f.; Diedrich, RIW 2009, 378, 379; zusf. Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 8. 84 Zutreffend Leible, FS Jayme I, S. 485, 487. 85 Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299, 305. 86 Vgl. Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 8. 80
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anderen für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sorgen, indem sie das anwendbare Recht vorhersehbar machen (Ordnungsinteressen)87. In diesem Zusammenhang erweist sich das von den Parteien selbst gewählte Recht als ein flexibles Instrument der privatautonomen Selbstgestaltung. Objektive Kollisionsregeln, die keinen Spielraum für abweichende Anknüpfungen lassen, können der Vielgestaltigkeit der Parteiinteressen niemals vollauf gerecht werden88. Sie engen die Parteien bei Durchführung internationaler Transaktionen nur ein und verhindern auf diese Weise einen freien und sicheren grenzüberschreitenden Rechts- und Handelsverkehr. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Parteien und des Verkehrs stetem Wandel unterliegen. Eine flexible Anpassung an die sich heute so rasch ändernden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglicht allein die freie Wahl des anwendbaren Sachrechts. Und schließlich entspricht das Prinzip der Rechtswahlfreiheit dem Freiheitsgedanken, der auch der materiellrechtlichen Privatautonomie zugrundeliegt und sich bis zur Philosophie der Aufklärung zurückverfolgen lässt89. Diese rechtstheoretische Begründung der Rechtswahlfreiheit ist in jüngster Zeit wieder aufgegriffen worden. Namentlich Basedow90 und Weller91 begründen die Parteiautonomie aprioristisch und sehen sie nicht ohne Grund in den unveräußerlichen Grund- und Menschenrechten verankert, soweit sie den Schutz der freien Persönlichkeitsentfaltung gewährleisten. Die damit entfaltete Bedeutung der freien Rechtswahl spricht dafür, die kollisionsrechtliche Parteiautonomie nicht als „Anknüpfungsverlegenheit“ oder „Verlegenheitslösung“ zu geißeln92, die ihre Legitimation allein aus den strukturellen Schwächen objektiver Anknüpfungspunkte gewinnt, sondern sie als tragendes Struktur- und Wertungsprinzip zu verstehen, dem im modernen Internationalen Privatrecht systemprägende Bedeutung zukommt93.
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Kropholler, IPR, § 40 III 2; Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 55; Diedrich, RIW 2009, 378, 379; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 418; dies., RabelsZ 74 (2010), 91, 96; v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 4; vgl. weiter v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 76; Püls, Parteiautonomie, S. 157 f.; Schack, LA Kegel, S. 179, 190; siehe noch allgemein zu den internationalprivatrechtlichen Interessen Kegel/Schurig, IPR, § 2, insb. unter II 1 und 2 c. 88 Vgl. auch v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 27 EGBGB Rn. 5; dens., RabelsZ 38 (1974), 396, 397. 89 Siehe oben § 4 I. 1. 90 Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 50 ff. 91 Weller, IPRax 2011, 429, 431. 92 In diesem Sinne aber Kühne, Parteiautonomie, S. 29 ff.; dens., LA Kegel, S. 65 ff.; ebenso Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 c. 93 In diesem Sinne auch Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 98 ff.; ders., FS Canaris II, S. 545 ff.; im Ergebnis auch Sturm/Sturm, in: Staudinger, BGB, 2003, Einl. IPR Rn. 131; v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 77; Hohloch, FS Thue, S. 257, 263 ff.; Leible, FS Jayme I, S. 485, 488, 503; Rühl, FS Kropholler, S. 187 ff.; Schack, LA Kegel, S. 179, 195; Spickhoff, in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117, 118; wohl auch Siehr, FS Keller, S. 485, 498, 509.
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cc) Ökonomische Analyse Davon abgesehen sprechen noch zwei ökonomische Argumente für das Prinzip der freien Rechtswahl94: Zum einen fördert die freie Rechtswahl marktmäßige Lösungen und steigert so den individuellen Nutzen der Marktakteure. Zum anderen bildet die Parteiautonomie die notwendige Grundlage für einen potenziell fruchtbaren Wettbewerb der Rechtsordnungen um die besten rechtlichen Lösungen. Das Prinzip der freien Rechtswahl maximiert den individuellen Nutzen der Vertragsparteien, weil die Beteiligten ihre individuellen Präferenzen am besten kennen und sich auf eine Vereinbarung über das anwendbare Recht – bei Annahme rational-eigennützigen Handelns – mit dem Kontrahenten nur dann einlassen werden, wenn sie die konkrete Rechtswahl als individuell vorteilhaft ansehen95. Legt man diese Annahmen für sämtliche Marktteilnehmer zugrunde, maximieren die Beteiligten durch jede Rechtswahl ihren gemeinsamen Nutzen und fördern hierdurch zugleich den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Die Parteien mögen sich auf ein bestimmtes Recht verständigen, weil sein Inhalt ihren Bedürfnissen am besten gerecht wird, weil es besonders weit verbreitet ist oder sie mit dem Recht bereits gut vertraut sind96. Vielfach werden die Parteien dabei bestrebt sein, die mit der Anwendung des Rechts verbundenen Transaktionskosten zu senken und durch die Rechtswahl für Rechtssicherheit und vorhersehbare Ergebnisse zu sorgen97. Im Ergebnis ist allerdings ohne Belang, aus welchem Grund sich die Akteure für eine bestimmte Rechtsordnung entscheiden. Stets steigern sie nach dem ökonomischen Modell ihren individuellen Nutzen, soweit sie das anwendbare Sachrecht nur freiwillig und hinreichend informiert auswählen98. Unter Senkung der mit grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften verbundenen Transaktionskosten99 leisten sie auf diese Weise auch einen Beitrag zur Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands. Im Gegensatz dazu erweisen sich die bekannten objektiven Anknüpfungspunkte100, namentlich das Herkunftslandprinzip und das Prinzip der engsten 94 Dazu umfassend Rühl, Statut, S. 345 ff., 437 ff.; ferner v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 76; Garcimartín Alférez, Eur. J. L. & Econ. 8 (1999), 251, 255, 261 ff.; Guzman, Geo. L. J. 90 (2002), 883 ff.; O’Hara/Ribstein, U. Chi. L. Rev. 67 (2000), 1151 ff.; Ribstein, J. Corp. L. 18 (1993), 245 ff.; ders., Ga. L. Rev. 37 (2003), 363, 366; Weller, IPRax 2011, 429, 433 f.; Kagami, in: Basedow/Kono, Analysis, S. 15, 26 ff.; Mankowski, in: Ott/Schäfer, Vereinheitlichung, S. 118, 124 ff. 95 Rühl, Statut, S. 347, 437 f.; Garcimartín Alférez, Eur. J. L. & Econ. 8 (1999), 251, 255; Kagami, in: Basedow/Kono, Analysis, S. 15, 26. 96 Siehe die Zusammenstellung der Gründe bei Rühl, Statut, S. 347 f.; ohne rechtsökonomischen Einschlag ebenso v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 5. 97 Garcimartín Alférez, Eur. J. L. & Econ. 8 (1999), 251, 255; Ribstein, J. Corp. L. 18 (1993), 245, 253 f.; ders., Ga. L. Rev. 37 (2003), 363, 366, 403; Mankowski, in: Ott/Schäfer, Vereinheitlichung, S. 118, 124 f. 98 Zutreffend Rühl, Statut, S. 348 m.w.Nachw. in Fn. 174; S. 437 m. Fn. 34. 99 Vgl. Mankowski, in: Ott/Schäfer, Vereinheitlichung, S. 118, 124 f.; Weller, IPRax 2011, 429, 433; Leible, FS Jayme I, S. 485, 502. 100 Zur objektiven Anknüpfung siehe unten § 22 II. 2. c).
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Verbindung, als suboptimal101. Denn hiermit werden die individuellen Präferenzen der Beteiligten übergangen. An die Stelle der freien Willensentscheidung tritt eine Anknüpfung, die auf die Bedürfnislage der Parteien keine besondere Rücksicht nimmt. Das ist nur dort hinnehmbar und ausnahmsweise sogar zwingend erforderlich, wo eine freie Rechtswahl ungeeignet ist, den individuellen Nutzen der Vertragsparteien zu steigern. In solchen Fällen, namentlich bei Marktversagen, sind objektive Anknüpfungen als Rückfalltatbestände von zentraler Bedeutung. Das betrifft vor allem Sachverhalte, in denen zwischen den Akteuren ein eklatantes Informationsgefälle besteht oder in denen eine freie Rechtswahl negative Effekte für an der Rechtswahlentscheidung unbeteiligte Dritte zeitigt. In diesem Sinne ordnet Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO die Geltung des Forderungsstatuts im Verhältnis zum Schuldner an, ohne dass die Vertragsparteien aus eigener Machtvollkommenheit hieran etwas ändern können102. Davon abgesehen wird die Gewährleistung von Rechtswahlfreiheit der Förderung eines institutionellen Wettbewerbs der Rechtsordnungen besser gerecht als objektive Anknüpfungspunkte103. Können die Parteien das anwendbare Recht durch einfache Erklärung schnell, leicht und rechtssicher selbst bestimmen, werden sie typischerweise diejenige Rechtsordnung wählen, von der sie sich die größten individuellen Vorteile versprechen. Das bildet die Grundlage für einen funktionierenden Wettbewerb der Regelsetzer, der seinerseits rechtliche Innovationen befördert, individuelle Bedürfnisse der Rechtsbetroffenen befriedigt und staatliche Akteure einer gewissen Kontrolle unterwirft104. Unter Geltung eines objektiven Anknüpfungsregimes kommen die Akteure hingegen nur durch Manipulation der tatsächlichen (Anknüpfungs-)Umstände in den Genuss der ersehnten Rechtsordnung. Damit verbunden sind zum Teil prohibitiv hohe Transaktionskosten, wie sie beispielsweise bei der Verlegung eines Unternehmens- oder Wohnsitzes ins Ausland auftreten können. Die freie Rechtswahl erweist sich folglich auch im Hinblick auf den Wettbewerb der Rechtsordnungen als vorzugswürdig. b) Zulässigkeit der Teilrechtswahl Die Sinnhaftigkeit einer einheitlichen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zielt primär darauf ab, eine mit mannigfaltigen Abgren101
Näher Rühl, Statut, S. 349 f. Dazu ausf. unten § 22 III. 1. b). 103 Dazu ausf. Rühl, Statut, S. 351 ff., 439 ff.; ferner v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 76; Garcimartín Alférez, Eur. J. L. & Econ. 8 (1999), 251, 255; O’Hara/Ribstein, U. Chi. L. Rev. 67 (2000), 1151, 1186; Ribstein, J. Corp. L. 18 (1993), 245, 249 f. 104 Zu den Funktionen des Wettbewerbs der Rechtsordnungen: Rühl, Statut, S. 224 ff. – Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob ein solcher Wettbewerb im Vertragsrechts realistischerweise in Gang gesetzt werden kann (zutreffend Rühl, Statut, S. 443); kritisch zur Möglichkeit eines solches Wettbewerbs insbesondere Kieninger, Wettbewerb, S. 275 ff.; dies., FS Schäfer, S. 353, 363 f.; zurückhaltend auch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 76; befürwortend indes Rühl, ERCL 2013, 61 ff. 102
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
zungs- und Qualifikationsproblemen beladene Statutenspaltung zu verhindern. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob die Vertragsparteien darüber hinaus de lege lata berechtigt sind (und auch de lege ferenda berechtigt sein sollten), Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nach ihrer Wahl auch unterschiedlichen Regelungsregimen zu unterstellen. Das wird zum Teil unter Hinweis auf die – nicht zu leugnenden105 – Vorteile einer einheitlichen Anknüpfung verneint106, ist mit der zutreffenden Auffassung107 indes zu bejahen. De lege lata ist Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO sedes materiae. Danach ist auch die teilweise Rechtswahl (dépeçage) durch die Vertragsparteien ohne weiteres zulässig. Wenn eine Teilrechtswahl schon für ein und dasselbe Rechtsgeschäft möglich ist, muss sie erst recht für Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zulässig sein, die rechtlich voneinander verselbstständigt sind108. Mit der Teilrechtswahl gewährt die Verordnung den wirtschaftlichen Bedürfnissen und Interessen der Vertragsparteien den klaren Vorrang gegenüber Risiken, die sich aus einer Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen auf ein Rechtsgeschäft ergeben können109. Im Interesse einer effektiv verwirklichten Parteiautonomie werden auch potenzielle Regelungslücken und inhaltliche Widersprüche sowie Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheiten hingenommen110. Damit diese Gefahren nicht überhand nehmen, bestehen für die Zulassung der Teilrechtswahl ungeschriebene Grenzen. Zunächst setzt Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO voraus, dass sich die unterschiedlich angeknüpften Vertragsgegenstände tatsächlich voneinander trennen lassen111. Zudem können potenzielle Lücken und Widersprüche der getroffenen Teilrechtswahl durch Auslegung der Rechtswahlvereinbarung112 sowie des in Bezug genommenen Sachrechts aufgelöst werden; in Betracht kommt außerdem eine kollisionsrechtliche Anpas-
105
Zum Ganzen siehe nochmals oben § 22 II. 1. So dezidiert Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 40 unter Hinweis auf Stadler, IPRax 2000, 104, 108. 107 Im Ergebnis ebenso Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 227, 236; zum früheren Recht ebenso Flessner/Verhagen, Assignment, S. 11 f.; Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1, 16. 108 So auch Flessner/Verhagen, Assignment, S. 11. 109 Zulässig ist es für einen Teil des Vertrages eine Rechtswahl zutreffen, mit der Folge das für den übrigen Vertragsteil das objektive Vertragsstatut gilt; vgl. Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 104. Darüber hinaus können die Parteien aber auch für Teile eines Vertrags ausdrücklich verschiedene Rechte für anwendbar erklären; siehe Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 19; Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 109; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 10; zum bisherigen Recht v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 27 EGBGB Rn. 53; Leible, in: AnwKommBGB, Art. 27 EGBGB Rn. 36; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, § 10 Rn. 38; Kropholler, IPR, § 52 II 3 b; W.-H. Roth, FS Jayme, S. 757, 762. 110 Instruktiv Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 67. 111 Zur Frage der Spaltbarkeit von Rechtsgeschäften im Einzelnen Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 109; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 70 f.; Spickhoff, in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117, 127; zum früheren Recht v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 27 EGBGB Rn. 56 ff. 112 Dazu näher Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 72. 106
II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar
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sung113. Wenn sich Widersprüche in der praktischen Handhabung der getroffenen Rechtswahl aber als unüberwindlich erweisen, d.h., wenn eine Rechtsanwendung sinnvoll nicht mehr möglich ist, dann scheitert die teilweise Rechtswahl114. Trägt man die für die teilweise Rechtswahl im Allgemeinen skizzierten Grundsätze an das Phänomen einer parteiautonom aufgespaltenen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut heran, dann zeigt sich schnell, dass mit dieser Teilrechtswahl im Besonderen keine unüberwindlichen Rechtsprobleme verbunden sind. Vielmehr bildete die gespaltene Anknüpfung doch den Regelfall des früheren Rechts und konnte – ungeachtet ihrer rechtspolitischen Nachteile – in rechtsdogmatischer Hinsicht von Rechtsprechung und Schrifttum ohne weiteres bewältigt werden. Auch im Internationalen Sachenrecht ist es gang und gäbe, dass sich der dingliche Rechtsübergang nach einem anderen Statut vollzieht – regelmäßig nach der lex rei sitae – als das zugrunde liegende Kausalgeschäft, dessen Statut die Vertragsparteien prinzipiell frei wählen können115. Dessen ungeachtet besteht angesichts der rechtspolitischen Vorteile einer einheitlichen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nach heutigem Recht eine tatsächliche Vermutung gegen eine zur Rechtsspaltung führende Teilrechtswahl116. Die Teilverweisung bedarf nach zutreffender Auffassung stets deutlicher Anhaltspunkte117, so dass eine stillschweigende Teilrechtswahl im Zweifel ausscheidet118. De lege ferenda ist gegen eine gespaltene Rechtswahl ebenfalls nichts zu erinnern. Vielmehr ist zu unterstellen, dass die Parteien am besten wissen, welches Recht ihren Präferenzen entspricht und auf welche Art und Weise sie ihre Interessen bei grenzüberschreitenden Transaktionen wahren können. Damit wird im Ergebnis nur den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Vertragsparteien entsprochen, bei komplexen Vertragsverhältnissen im internationalen Rechts- und Handelsverkehr einzelne Rechtsfragen oder ausgewählte Regelungsbereiche einer abweichenden Rechtsordnung zu unterstellen119. Die Erlaubnis der teilweisen Rechtswahl bedeutet in diesem Zusammenhang nur die konsequente Fortschreibung des Prinzips der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit. Der systemprägende Grundsatz der Parteiautonomie wäre ohne die Ermöglichung einer teilweisen Ausübung der Rechtswahlfreiheit nur unvollkommen gewähr113
Dazu schon oben § 22 II. 1. e). Restriktiv wie hier v. Hein, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 3 Rn. 75; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 21; Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 108, 109; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 71; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 28; zum früheren Recht v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 27 EGBGB Rn. 59 ff.; Kropholler, IPR, § 52 II 3 b; W.-H. Roth, FS Jayme, S. 757, 762 f. 115 Dazu unten § 24 I. 1. c). – Vgl. noch Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1, 16. 116 So Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 19; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 27; zum früheren Recht Kropholler, IPR, § 52 II 3 b. 117 Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 110. 118 Vgl. Spickhoff, in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117, 126 f. 119 Vgl. Siehr, FS Keller, S. 485, 499. 114
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
leistet. Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO bringt insofern wenig mehr zum Ausdruck als eine kollisionsrechtliche Selbstverständlichkeit. Davon abgesehen sind die mit einer unsachgemäßen Teilrechtswahl verbundenen Risiken im Interesse der Vertragsparteien an einer parteiautonomen Gestaltung des anwendbaren Sachrechts hinzunehmen. Etwaige Abgrenzungs-, Qualifikations- und Anpassungsprobleme sind mit dem anerkannten rechtsmethodischen Instrumentarium des Kollisionsrechts zu bewältigen. Jedenfalls sind die genannten Probleme, auch soweit sie die forensische Praxis betreffen, schwerlich geeignet, die Teilrechtswahl apriorisch für unzulässig zu erklären. Davon abgesehen halten sich die aus der dépeçage resultierenden Schwierigkeiten ohnehin in engen Grenzen, und zwar zum einen, weil die Vertragsparteien von der Teilrechtswahl in der Praxis kaum jemals Gebrauch machen120 (und auch nicht machen sollten121). Zum anderen werden rational denkende Vertragsparteien eine Teilrechtswahl nur vornehmen, wenn die hiermit verbundenen Vorteile die – aus dem unübersichtlichen Nebeneinander unterschiedlicher Sachrechte resultierenden – Nachteile deutlich überwiegen. Für paternalistische Rechtswahlbeschränkungen ist vor diesem Hintergrund kein Raum. Allerdings ist mit Blick auf die Grundwertungen der Art. 6 und 8 Rom I-VO darauf zu achten122, dass besonders schutzwürdige Personengruppen, namentlich Verbraucher und Arbeitnehmer, durch teilweise Rechtswahlvereinbarungen nicht über das gesetzlich zulässige Maß hinaus belastet werden. c) Objektive Anknüpfung Verzichten die Parteien darauf, das anwendbare Sachrecht privatautonom zu wählen, bestimmen sich Verpflichtungs- und Verfügungsstatut nach Maßgabe des Art. 4 Rom I-VO123. Typischerweise wird auf dieser Grundlage an das Recht desjenigen Staats anzuknüpfen sein, in dem der Zedent – der als Forderungsverkäufer und Veräußerer die vertragstypische Leistung erbringt – seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO)124. Keine Anwendung findet demgegenüber die (an sich vorrangige) Spezialanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO, weil sie nur den Warenkauf erfasst, nicht aber gleichermaßen Kaufverträge über Forderungen oder andere Rechte125. Ebenfalls außer
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Kropholler, IPR, § 52 II 3 b. Zutreffend Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 106. 122 Vgl. auch Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 105. 123 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 41; Flessner, IPRax 2009, 35, 38, 41; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 224; vgl. noch Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 27. 124 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 41; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 224 f.; Flessner, IPRax 2009, 35, 42. 125 A.A. Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 492, Müller, Finanzinstrumente, S. 212 ff.; wie hier aber Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 41; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 224 f.; Flessner, IPRax 2009, 35, 42. 121
II. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar
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Betracht bleibt die auf Rechtsverhältnisse an Grundstücken zugeschnittene Sonderanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO, und zwar auch dann, wenn die Übertragung einer dinglich gesicherten Forderung in Rede steht126. Denn nach ihrem Normzweck setzt die Sondervorschrift voraus, dass sich der Vertrag unmittelbar auf ein dingliches Recht bezieht. Das ist bei einer grundpfandrechtlichen Sicherung indes nicht der Fall, zumal sich das Schicksal des Grundpfandrechts bei Übertragung des Forderungsrechts regelmäßig nach dem Verbleib des Hauptrechts richtet. Außerhalb der objektiven Anknüpfung gem. Art. 4 Rom I-VO erfährt die Rechtswahlfreiheit weitere Einschränkungen, soweit die Übertragung von Forderungen aus den in Art. 5–8 Rom I-VO geregelten Vertragstypen in Rede steht127; dann gelten die dort normierten Sondervorschriften, die einer privatautonomen Abbedingung entzogen sind. Beschränkt wird die Parteiautonomie weiterhin durch die nach Maßgabe des Art. 9 Rom I-VO besonders angeknüpften Eingriffsnormen, die ohne Rücksicht auf das gewählte Vertragsstatut zur Anwendung gelangen. Außer Betracht bleiben zudem solche Vorschriften des gewählten Rechts, die in ihrer Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staats des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar sind (Art. 21 Rom I-VO)128. Und schließlich bildet das Verbot der Rechts- und Gesetzesumgehung für extreme Ausnahmefälle eine – zumindest theoretische – Schranke der freien Rechtswahl129.
126 Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I-VO Rn. 46; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 96, 163; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 16; zum früheren Recht BGH NJW-RR 2005, 206, 209; a.A. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 41; für eine Anknüpfung analog Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, soweit die Übertragung des Grundpfandrechts den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Transaktion bildet, Mankowski, IPRax 2012, 298, 304. 127 Vgl. allgemein Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 10; Heiss, in: Ferrari/Leible, Rom I, S. 1, 3; vgl. Spickhoff, in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117, 128 ff.; zum früheren Recht weiter Junker, IPRax 1993, 3 ff. 128 Zu den beiden vorgenannten „technischen Grenzen“ der Rechtswahlfreiheit näher Rühl, FS Kropholler, S. 187, 205 ff.; Spickhoff, in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117, 131 ff., 136 f.; knapp Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 47. 129 Dazu ausf. Sonnenberger, in: MünchKommBGB, Einl. IPR Rn. 746; Coester-Waltjen, FS W. Lorenz, S. 297, 313 ff.; vgl. weiter Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 34; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 11 ff.; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 37; ders., in: Kieninger/Remien, Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 117, 136. – Die unionsrechtliche Zulässigkeit dieser Beschränkungen aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der tangierten Rechtsgüter und betroffenen Personengruppen ist heute weitgehend anerkannt; dazu näher v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 22 f.; speziell zum Verbraucherschutz etwa Paefgen, ZEuP 2003, 266, 272 ff.
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III. Verhältnis zum Forderungsschuldner Ganz allgemein findet das Prinzip der freien Rechtswahl – wiederum in Parallele zur materiellrechtlichen Sukzessionsfreiheit130 – dort eine Grenze, wo es um den Schutz berechtigter Drittinteressen geht131. Das betrifft bei der Forderungsabtretung einmal mehr die Interessen des Forderungsschuldners, der weder an der (materiellrechtlichen) Übertragung der Forderung noch an der (kollisionsrechtlichen) Wahl des anwendbaren Sachrechts beteiligt ist. Deshalb ist der Schuldner prinzipiell in seinem Vertrauen auf die Anwendbarkeit desjenigen Zessionsrechts zu schützen, dem die Forderung kraft Entstehung unterliegt. Rechtsfragen, die das Verhältnis zum Forderungsschuldner berühren, sind dementsprechend selbstständig angeknüpft und unterliegen gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO dem für die übertragene Forderung geltenden Recht (Forderungsstatut).
1. Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes Die Anknüpfung an das Forderungsstatut verwirklicht als prominentester Anwendungsfall das Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes. Ebenso wie sich der Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit) im materiellen Recht, Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht nachweisen lässt, findet auch das Sukzessionsschutzprinzip im materiellen Recht, Zivilverfahrens- und im Internationalen Privatrecht eine Entsprechung. a) Kollisionsrechtliches Identitätsprinzip Grundlage und primäre Ausprägung des Sukzessionsschutzgedankens ist im Kollisionsrecht wiederum das Identitätsprinzip132. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO liegt die Annahme zugrunde, dass der Gläubigerwechsel den Inhalt und das Wesen der abgetretenen Forderung unberührt lässt. Es ist daher nur konsequent, wenn für die zedierte Forderung unverändert das für sie vor Abtretung geltende Sachrecht Anwendung findet133. Denn entweder hat sich der Schuldner die Geltung dieses Zessionsrechts kraft freier Rechtswahl selbst ausgesucht oder er musste zumindest mit der objektiven Geltung dieser Vorschriften rechnen und 130
Siehe oben § 4 III. 4. Allgemein v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 77; Kropholler, IPR, § 40 IV 2 a; Basedow, FS Stoll, S. 405, 413; Leible, FS Jayme I, S. 485, 503; Rühl, FS Kropholler, S. 187, 201 f.; Schack, LA Kegel, S. 179, 195 f. 132 Vgl. auch Bauer, Forderungsabtretung, S. 132: „Die Forderung bleibt auch kollisionsrechtlich identisch.“ 133 Vgl. Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4, 22; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 227 f. 131
III. Verhältnis zum Forderungsschuldner
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konnte sich darauf einstellen134. Rechtliche Unsicherheiten, die mit der Anwendung des zwischen Zedent und Zessionar geltenden Rechts verbunden sind, sollen im Interesse effektiven Schuldnerschutzes vermieden werden135. Das erfordert auf dem Boden des Kollisionsrechts eine vom Abtretungsstatut verselbstständigte Anknüpfung, die sich auf die unter Mitwirkung des Schuldners selbst begründete Rechtsposition bezieht. Aus diesem Grund bleibt es auch nach der Abtretung bei der unveränderten Fortgeltung des Forderungsstatuts. Zentrales Regelungsziel des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO ist der Schutz berechtigter Schuldnerinteressen136. Da der Schuldner keinen Einfluss auf die Forderungszession nehmen kann, weder – nach deutschem Recht – an ihr mitwirken noch darüber benachrichtigt werden muss, und auch auf die Rechtswahl im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar nicht einwirken kann, ist es nur konsequent, das anwendbare Recht an diejenige Rechtsordnung anzuknüpfen, der die Forderung im Abtretungszeitpunkt unterlag. Hierdurch wird sichergestellt, dass das anwendbare Recht auch nach der Forderungszession unverändert fortwirkt und sich insbesondere die Rechtsstellung des Schuldners infolge der Transaktion, auch was die kollisionsrechtliche Anknüpfung anlangt, nicht verschlechtert (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot)137. Diesem Regelungszweck entspricht es, dass Zedent und Zessionar kraft der ihnen gewährten Rechtswahlfreiheit das Forderungsstatut und damit gleichsam die zedierte Forderung selbst (nachträglich) nicht abändern können138. Das folgt nicht nur aus der klaren Systematik des Art. 14 Abs. 1 und 2 Rom I-VO, sondern findet auch in Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO einen normativen Anhaltspunkt139. Danach ist eine nachträgliche Rechtswahl auf das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien (Zedent und Zessionar) beschränkt. Die Rechte unbetei134
Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 94. Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 42; Bauer, Forderungsabtretung, S. 132, 169; ebenso zum früheren Recht BGH NJW 1991, 1414, 1415. 136 Unstr.: Rosch, in: jurisPK, BGB Art. 14 Rom I-VO Rn. 28; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 228; zum früheren Recht Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 498; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 549. 137 Vgl. auch Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 42; Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 94, 95; relativierend Bauer, Forderungsabtretung, S. 168 f.; zum früheren Recht wie hier BGHZ 125, 196, 205; Kropholler, IPR, § 52 VIII 1; Basedow, ZEuP 1997, 615, 622; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 431; dies., ZVglRWiss 90 (1991), 1, 2; Kieninger/Schütze, IPRax 2005, 200, 206; Rudolf, Einheitsrecht, S. 568; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 698. 138 Vgl. auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 47; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 29; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; Bauer, Forderungsabtretung, S. 167 f.; zum früheren Recht v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 9; v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 468; Rudolf, Einheitsrecht, S. 569. 139 Zum Problemkreis bezogen auf den früheren Art. 27 Abs. 2 S. 2 EGBGB monografisch Möllenhoff, Rechtswahl, S. 100 ff. 135
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ligter Dritter bleiben von einer späteren Rechtswahl unberührt, weil die Rechtswahlentscheidung in diesem Fall zulasten Dritter wirkte und sich daher mit dem Grundsatz der Parteiautonomie nicht in Einklang bringen ließe. Das gilt insbesondere, wenn sich der Eingriff nachteilig auf den Forderungsinhalt bzw. die schuldnerische Rechtsposition auswirkt140. Überhaupt muss der Schuldner eine Rechtswahl nur gegen sich gelten lassen, wenn er an der Rechtswahlentscheidung ordnungsgemäß beteiligt war oder das anwendbare Recht auf einer objektiven (gesetzlichen) Anknüpfung beruht. Diesen Grundsätzen folgend können Schuldner und Zessionar unter Aktivierung ihrer Parteiautonomie eine nachträgliche Neubestimmung des Forderungsstatuts vornehmen, soweit hierdurch nicht in Rechte unbeteiligter Dritter eingegriffen wird (vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO)141. Ein solcher Dritter kann in diesem Fall auch der Zedent sein, dessen Rechtsposition durch die abweichende Rechtswahl durchaus beeinträchtigt werden kann. Deshalb setzt die Wirksamkeit einer zwischen Zessionar und Schuldner getroffenen Rechtswahl im Grundsatz die Zustimmung des Zedenten voraus142. Die zwingende Sonderanknüpfung von Schuldnerschutzvorschriften nach dem Forderungsstatut ist aus unionsrechtlicher Perspektive als Einschränkung der freien Rechtswahl relevant und im Hinblick auf die berechtigten Interessen des Forderungsschuldners nach den allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt143. Denn der Schutz berechtigter Schuldnerinteressen dient der Funktionsfähigkeit von Verträgen im Allgemeinen und dem berechtigten Schutzinteresse des an der Abtretung nicht beteiligten Forderungsschulders im Besonderen. Auf andere Weise als durch die unveränderte Fortgeltung des Forderungsstatuts und den hiermit notwendig verbundenen Eingriff in die unionsrechtlich geschützte144 Rechtswahlfreiheit von Zedent und Zessionar könnten die tangierten Schutzinteressen nicht verwirklicht werden. Allerdings muss der Eingriff auch den Anforderungen des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips gerecht werden. Sie dürfen daher insbesondere nicht weiter reichen, als sie zum Schutz des erstrebten Regelungsziels unbedingt notwendig sind. Die unionsrechtlichen Vorgaben zwingen daher zu einer restriktiven Interpretation des Forderungsstatuts, die sich in einer teleologischen Einschränkung des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO in doppelter Hinsicht manifestiert: Zum einen findet das Forderungsstatut nur insoweit Anwendung, als tatsächlich die Anwendung von Vorschriften in Rede steht, die auf den Schutz be140 Vgl. Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 29; zum früheren Recht BGHZ 108, 353, 362; OLG Köln NJW 1987, 1151. 141 Bauer, Forderungsabtretung, S. 170; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 53; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; zum früheren Recht v. Hoffmann, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 11; Rudolf, Einheitsrecht, S. 568 f. 142 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 53. 143 Wie hier v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 412. 144 Siehe oben § 22 II. 2. a) aa).
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rechtigter Schuldnerinteressen abzielen (limitierter Anwendungsbereich)145. Zum anderen entfaltet das Forderungsstatut seine Wirkung nur im Verhältnis zum Schuldner, nicht aber gleichermaßen im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar oder im Drittverhältnis zu den Gläubigern der Vertragsparteien (limitierter Wirkbereich)146. Trotz dieses zweifach limitierten Anwendungsbereichs steht die Geltung des Forderungsstatuts nicht zur Disposition des Forderungsschuldners147. Insbesondere ist ihm – anders als nach Maßgabe der §§ 407 Abs. 1, 408, 409 BGB148 – kein Wahlrecht zwischen dem Vertragsstatut und dem Forderungsstatut eingeräumt. Das ergibt sich zum einen aus dem insofern klaren Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO, der ohne Einschränkung für die vier im Einzelnen genannten Fallgruppen die Geltung desjenigen Rechts anordnet, dem die zedierte Forderung unterliegt. Anders als nach §§ 407 Abs. 1, 408, 409 BGB müssen nicht einzelne Parteien des Zessionsvertrages bestimmte Wirkungen „gegen sich gelten lassen“. Stattdessen ordnet Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO die Geltung des Forderungsstatuts ausdrücklich und eindeutig an. Zum anderen spricht für die Indisponibilität des Forderungsstatuts, dass sich der Schuldner andernfalls durch die Wahl des Vertragsstatuts ungerechtfertigte Vorteile verschaffen könnte, was gegen das – hier kollisionsrechtlich zu interpretierende – Verbesserungsverbot verstoßen würde, das als Teilgewährleistung des Identitätsprinzips – in Parallele zum materiellen Sukzessionsrecht149 – wiederum das (kollisionsrechtliche) Verschlechterungsverbot ergänzt. Der Schuldner hat ein berechtigtes Interesse daran, dass seine (kollisionsrechtliche) Position durch die Rechtswahl der Vertragsparteien in der Sache unverändert bleibt. Könnte er außerdem verlangen, dass sich seine Rechtsstellung gleichwohl nach dem Vertragsstatut bestimmt, würden seine Interessen über das Maß des nach dem Normzweck des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO Erforderlichen hinaus geschützt. Das gilt umso mehr, als die spätere Berufung des Schuldners auf das Vertragsstatut einer nachträglichen Rechtswahl zulasten der Vertragsparteien gleichkommt, die nach der Wertung des Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Zedent und Zessionar steht150. Und schließlich macht die zwingende Anknüpfung an das Forderungsstatut das anwendbare Recht voraussehbar151 und sorgt so für kollisionsrechtliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
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Dazu ausf. unten § 22 III. 2. Siehe unten § 22 III. 1. d). 147 Für Art. 12 Abs. 2 EVÜ OHG IPRax 2012, 364, 365. 148 Siehe oben § 15 III. 3. c), § 15 III. 4. und § 15 III. 5. a). 149 Siehe oben § 15 III. 150 Vgl. nur Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 53. 151 So auch OGH IPRax 2012, 364, 365. 146
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b) Ökonomische Analyse In dieser Ausformung hält die partielle Anknüpfung an das Forderungsstatut im Ergebnis auch einer rechtsökonomischen Analyse stand. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Gewährleistung von Parteiautonomie ausnahmsweise nicht die effizienteste Lösung darstellt, wenn sich nämlich aus der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl negative Externalitäten für unbeteiligte Dritte ergeben152. Werden diese Drittparteieffekte, die in Form zusätzlicher Kosten die Transaktion verteuern, von den Vertragsparteien nicht ins Kalkül gezogen, weil sie eben nicht von den Parteien, sondern von Dritten oder der Allgemeinheit zu tragen sind, dann können sie den aus der Transaktion erzielten individuellen Gewinn leicht übersteigen und daher wohlstandsschädigende Wirkung zeitigen153. Aufzulösen ist dieser Konflikt entweder durch private Regelungsmechanismen (private ordering) oder durch einen regulativen Eingriff des Gesetzgebers (public ordering)154. Da der Schuldner an der Forderungsabtretung nicht mitwirkt, hiervon – nach deutschem Recht – ja nicht einmal in Kenntnis gesetzt werden muss, ist eine Verhandlungslösung nach den Grundsätzen des CoaseTheorems155 deutlich erschwert156. Selbst wenn die Parteien miteinander in Verhandlung treten würden, ergäben sich hohe Such-, Informations- und Verhandlungskosten und es wäre auch nicht sichergestellt, dass die Verhandlungen tatsächlich zu einer angemessenen Konfliktlösung führen würden. Insgesamt erscheint deshalb ein legislatorischer Eingriff durch Schaffung besonderer Schutzvorschriften zur Absicherung von Schuldnerinteressen im Vergleich zu einer Verhandlungslösung vorzugswürdig. Allerdings gilt in diesem Zusammenhang wiederum der Grundsatz des schonendsten Eingriffs157. Es muss insbesondere ausgeschlossen sein, dass sich der angestrebte Drittschutz durch mildere, d.h. weniger einschneidende Maßnahmen bewerkstelligen lässt158. Ebenso wie die Grundfreiheiten das Primat der freien Rechtswahl verbürgen159, spricht auch eine rechtsökonomische Analyse für die grundsätzliche Überlegenheit marktmäßiger Strukturen und folglich auch für die Geltung von Parteiautonomie160. Die bereits postulierten Beschränkungen des Anwendungsbereichs und der Rechtsfolgen des Forderungsstatuts entsprechen daher auch dem ökonomischen Modell. 152
Siehe dazu schon oben § 22 II. 2. a) cc). Zum Ganzen ausf. Cooter/Ulen, Law, S. 43 ff.; Shavell, Foundations, S. 77 f.; zur Rechtswahl Kagami, in: Basedow/Kono, Analysis, S. 15, 27 f. – Siehe allgemein ferner oben § 3 IV. 4. 154 Eingehend in diesem Kontext Rühl, Statut, S. 464 ff. 155 Dazu ausf. oben § 3 IV. 3. 156 Zum Ganzen Rühl, Statut, S. 466 ff. 157 Zum materiellen Sukzessionsrecht siehe oben § 4 III. 4. c). 158 Ebenso Rühl, Statut, S. 467 f., die nachweist, dass beispielsweise eine Besteuerung der Rechtswahl kein milderes Mittel im Vergleich zu substanziellen Beschränkungen der freien Rechtswahl darstellt. 159 Siehe oben § 22 II. 1. a) aa). 160 Siehe oben § 22 II. 1. a) cc). – Vgl. noch Rühl, Statut, S. 466. 153
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c) Rück- und Weiterverweisung Im Interesse der Rechtsvereinheitlichung erklärt Art. 20 Rom I-VO sämtliche Anknüpfungsregeln der Verordnung zu Sachnormverweisungen. Rück- und Weiterverweisungen sind für das auf Schuldverhältnisse anwendbare Recht und damit auch für die Forderungsabtretung im Anwendungsbereich des Art. 14 Rom I-VO grundsätzlich ausgeschlossen161. Das Renvoi-Verbot flankiert das in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO zum Ausdruck gelangte Schuldner- und Sukzessionsschutzprinzip dergestalt, dass dem Schuldner das Statut der abgetretenen Forderungen durch willkürliche Übertragungsvorgänge nicht ohne seinen Willen entzogen werden kann. Der Schuldner, der sich durch den ursprünglichen Vertragsschluss mit dem Zedent einem bestimmten nationalen Recht unterworfen hat, wird in seinem Vertrauen darauf geschützt, dass sich das Schicksal seiner Rechtsbeziehung auch gegenüber dem neuen Gläubiger nach dem ursprünglichen Sachrecht beurteilt. Damit stünde es in Widerspruch, wenn diese Schutzstandards durch die Beachtung von Rück- und Weiterverweisungen unterlaufen werden könnten162. Davon abgesehen dient der Ausschluss von Rückund Weiterverweisungen dem allgemeinen Bedürfnis nach Kollisionsrechtssicherheit163. Das schuldnerische Vertrauen auf das Forderungsstatut bedingt umgekehrt die Grenzen der durch Art. 20 Rom I-VO vermittelten Schutzgewährleistung. Geht es nämlich um die – vorgelagerte – Bestimmung des originären Forderungsstatuts selbst, ist ein Renvoi auf Grundlage des allgemeinen Kollisionsrechts sehr wohl beachtlich, etwa nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 EGBGB, wenn und soweit eine Forderung übertragen wird, die weder den Rom-Verordnungen noch einem Staatsvertrag unterfällt164. d) Relative Rechtsstellung des Zessionars Entsprechend dem freiheitsbeschränkenden Charakter sind die Rechtswirkungen des Forderungsstatuts auf das Verhältnis zum Schuldner beschränkt165. Aus der Anwendung unterschiedlicher Sachrechte im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar sowie im Verhältnis zum Forderungsschuldner können sich Friktionen ergeben. Das gilt insbesondere für die Rechtsposition des Zessionars, die sich infolge der unterschiedlichen Anknüpfung nach verschiedenen 161 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 2; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 18; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 20 Rom IVO Rn. 1. 162 Wie hier auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; vgl. noch Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45. 163 Allgemein Heinze, FS Kropholler, S. 105, 115. 164 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 4; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45. 165 Siehe schon oben § 22 III. 1. a).
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Sachrechten bestimmt, die ihrerseits zu unterschiedlichen Wirkungen führen können. Im Einzelfall kann die zedierte Forderung dem Zessionar im Verhältnis zum Zedent aufgrund eines wirksamen Abtretungsvertrages zugewiesen sein, während dieselbe Forderung mangels wirksamer Forderungsübertragung im Verhältnis zum Schuldner noch dem Zedent zugewiesen ist. Die gespaltene Anknüpfung kann demnach eine relative Rechtsstellung des Zessionars nach sich ziehen166. Unter Hinweis auf diese dogmatische Problemlage begründete die früher h.M. vielfach die Gleichschaltung von Verfügungs- und Forderungsstatut167. Daran ist der Rechtsanwender unter Geltung des Art. 14 Rom I-VO heute de lege lata gehindert. Aber auch de lege ferenda ist eine gespaltene Anknüpfung des Verfügungs- und Forderungsstatuts als notwendige Konsequenz der Gewährleistung von Rechtswahlfreiheit (und Sukzessionsfreiheit) im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar auf der einen Seite und der Gewährleistung effektiven Sukzessionsschutzes im Verhältnis zum Schuldner auf der anderen Seite im Ergebnis hinzunehmen. Der europäische Gesetzgeber hat sich ausdrücklich für diese Konstruktion entschieden und hiermit verbundene rechtsdogmatische Schwierigkeiten in Kauf genommen, weil Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz auf andere Weise nicht in ebenso effektiver Art und Weise hätten verwirklicht werden können. Im Konfliktfall ist unter Rückgriff auf das bewährte rechtsmethodische Instrumentarium zurückzugreifen sowie unter Berücksichtigung der jeweils tangierten Beteiligteninteressen eine interessengerechte Lösung zu entwickeln. Beispielsweise kann die differenzierte Behandlung der Übertragbarkeit168 gem. Art. 14 Abs. 1 und 2 Rom I-VO im Einzelfall dazu führen, dass die Abtretung im Innenverhältnis wirksam, im Verhältnis zum Schuldner hingegen unwirksam ist (oder umgekehrt)169. Eine solche relative Unwirksamkeit ist dem deutschen Sachrecht in Form der §§ 135 Abs. 1 S. 1, 136, 883 Abs. 2 S. 1 BGB durchaus nicht unbekannt. Zudem existieren ausländische Zessionsrechte, bei welchen der relative Forderungsübergang als reguläres Mittel des Schuldnerschutzes zur Anwendung gelangt170. Allerdings hat sich die moderne Zivil166 Vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 32; Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 97; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 553; zum früheren Recht auch Stadler, IPRax 2000, 104, 107. 167 BGHZ 111, 376, 381 f.; Martiny, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 11; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 7; ders., in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 10; ders./Höpping, IPRax 1993, 302, 303 f.; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 497; Mäsch, in: Leible, Grünbuch, S. 193, 203; vgl. weiter ausf. Bauer, Forderungsabtretung, S. 64 ff.; wägend Kieninger/Schütze, IPRax 2005, 200, 206 f. 168 Siehe dazu näher unten § 22 III. 2. b). 169 Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 38; vgl. zum früheren Recht auch Kieninger/ Schütze, IPRax 2005, 200, 206. 170 Siehe Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 7; tendenziell abweichend Bauer, Forderungsabtretung, S. 77 in Bezug auf den relativen Forderungsübergang nach französischem Recht; vgl. noch BGHZ 45, 95, 97, der die Vorschriften zur Konkretisierung eines Eigentumsvorbehalts italienischen Rechts mit Wirkung inter partes heranzieht.
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rechtsdogmatik inzwischen von der Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit bzw. relativen Gläubigerstellung abgewandt und ist dazu übergegangen, sie durch absolut wirkende Kategorien zu ersetzen171. Das trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die Rechtsfigur der relativen Gläubigerstellung einen Fremdkörper im System des materiellen deutschen Privatrechts darstellt, der zum einen mit erheblichen Rechtsanwendungsproblemen verbunden ist und sich zum anderen mit dem Grundprinzip der absoluten Rechtszuordnung in Widerspruch setzt. Nichts anderes kann im Ergebnis für die Rechtsstellung des Zessionars aufgrund einer – im Verhältnis zum Schuldner relativ unwirksamen – Forderungsabtretung gelten. Überträgt man die Grundsätze des heute herrschenden Konzepts zur relativen Unwirksamkeit auf den vorliegenden Problemkreis, dann ergibt sich folgendes Bild172: Ist die Forderung nach dem Vertragsstatut im Innenverhältnis übertragbar und wird sie wirksam übertragen, dann ist das Forderungsrecht dem Zessionar in absoluter und ausschließlicher Weise zuzuordnen. Ist die Übertragbarkeit indes zugunsten des Schuldners ausgeschlossen, kann der Zessionar trotz absoluter Rechtszuständigkeit die Forderung nicht gegen den Schuldner durchsetzen. Nach den Grundsätzen des Kollisionsrechts entscheidet die absolute Rechtszuweisung nicht unmittelbar darüber, ob die Forderung vom Zessionar auch gegen den Schuldner durchgesetzt werden kann. Vielmehr erfolgt eine Problemlösung durch Realisierung des Forderungsrechts „über’s Eck“173. Da die Forderung im Verhältnis zum Schuldner noch immer dem Zedent zusteht, hat er die rechtliche Befugnis, die Leistung vom Schuldner einzufordern. Aus dem der Abtretung zugrunde liegenden Kausalgeschäft ist der Zedent wiederum verpflichtet, dem Zessionar für die Forderungseinziehung Gewähr zu leisten. Hat der Zedent unter diesen Umständen vom Schuldner die vereinbarte Leistung eingezogen, muss er sie an den Zessionar herausgeben.
2. Reichweite des Schuldnerschutzes Die sachliche Reichweite des kollisionsrechtlichen Schuldnerschutzes ergibt sich aus dem in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO niedergelegten Katalog einzelner Rechtsfragen und Regelungsbereiche. Die Auslegung der Katalogtatbestände hat sich am übergeordneten Regelungszweck der Vorschrift zu orientieren und sicherzustellen, dass die kollisionsrechtliche Position des Schuldners durch die im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar geltende Rechtsordnung nicht beeinträchtigt wird174. Umgekehrt ist der konkrete Anwendungsbereich auch auf 171
Siehe oben etwa § 4 III. 3. c) dd) und § 15 III. 3. a). Zum Folgenden vgl. auch Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 229. 173 So auch Bauer, Forderungsabtretung, S. 200. 174 Vgl. auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 42; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 228 f.; zum früheren Recht ebenso v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 410 ff. 172
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die in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO normierten Fälle beschränkt. Für eine extensive Interpretation, wie sie nach dem bisherigen Recht noch gang und gäbe war, ist nach geltender Rechtslage kein Raum. Stattdessen ergibt sich aus der klaren Systematik des Art. 14 Rom I-VO das Primat der freien Rechtswahl durch die Parteien des Zessionsvertrages. Zedent und Zessionar sollen sich zur Durchführung der Forderungsabtretung derjenigen Rechtsordnung bedienen können, von der sie sich nach Maßgabe ihrer persönlichen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnisse die größten individuellen Vorteile versprechen. Nur dann, wenn durch die anwendbaren materiellrechtlichen Vorschriften berechtigte Schuldnerinteressen tangiert sind, gilt das Forderungsstatut175. Ihm kommt nach der Systematik des Art. 14 Rom I-VO Ausnahmecharakter zu. Anhand dieses limitierten Regelungsziels ist eine restriktive Auslegung der normierten Katalogtatbestände vorzunehmen. Sie gelangen zum einen nur zur Anwendung, wenn für die materiellrechtlichen Vorschriften Schuldnerschutzerwägungen tatsächlich maßgeblich sind. Zum anderen sind die Rechtsfolgen der schuldnerschützenden Vorschriften auf das Verhältnis zum Forderungsschuldner beschränkt. a) Kollisionsrechtliches Identitätsprinzip Dementsprechend lässt sowohl die internationale Abtretung als auch die Rechtswahl im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar im Verhältnis zum Schuldner das für die Forderung anwendbare Recht unberührt (kollisionsrechtliches Identitätsprinzip)176. Das Forderungsstatut entscheidet über den Inhalt und Umfang der Forderung177, über die Fälligkeit der Forderung178 und deren Verjährung sowie etwaige Ausschlussfristen179 und Einwendungen, die der Schuldner in Bezug auf seine Leistungspflicht gegen den Gläubiger geltend machen kann180. Nach dem Forderungsstatut beurteilt sich außerdem, ob der 175 Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 22 ff.; Kieninger, IPRax 2012, 366; Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 493; monografisch Bauer, Forderungsabtretung, S. 131 ff. 176 Siehe oben § 22 III. 1. a). 177 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 47; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 31; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 27; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Bauer, Forderungsabtretung, S. 132, 169, 170; zum früheren Recht vgl. noch BGH NJW-RR 2001, 307; OLG Saarbrücken ZIP 2001, 1318, 1319 f.; Kropholler, IPR, § 52 VIII 1. 178 Vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 48; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; zum früheren Recht v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 471; Basedow, ZEuP 1997, 615, 622; Rudolf, Einheitsrecht, S. 569. 179 Vgl. Basedow, ZEuP 1997, 615, 622; Rudolf, Einheitsrecht, S. 569; für Einzelheiten vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 48 m.w.Nachw. aus der früheren Rechtsprechung. 180 Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 26; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Bauer, Forderungsabtretung, S. 170; vgl. zum früheren Recht noch OLG Hamm RIW 1999, 785; OLG Köln IPRax 1995, 393.
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Schuldner durch Zahlung der Erwerbssumme des Forderungskaufs an den Zessionar Schuldbefreiung erlangen kann – eine Option, die dem französischen Recht als retrait litigieux bekannt ist und ihrerseits auf die lex Anastasiana des römischen Rechts zurückgeht181. Abschließend ist noch klarzustellen, dass der Gläubigerwechsel als solcher vom Inhalt der Forderung streng zu trennen ist182. Die Forderung ist nach dem Forderungsübergang zwar einer anderen Person zugeordnet; die Zuordnungsänderung lässt indes die inhaltliche Ausgestaltung des Forderungsrechts unberührt. Auch die Rechtsstellung des Schuldners wird vom Gläubigerwechsel allein nicht betroffen. Vielmehr liegt den Zessionsrechten durchweg die Annahme zugrunde, dass der Schuldner durch die Zuordnungsänderung keine rechtlichen Nachteile erleidet. Deshalb beurteilt sich die Verfügungswirkung der Zession als solche auch nicht nach dem Forderungsstatut des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO, sondern nach dem Abtretungsstatut des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO183. b) Übertragbarkeit der Forderung Das Statut der zedierten Forderung ist gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO zunächst maßgeblich für die Frage der Übertragbarkeit. Entsprechend dem limitierten Normzweck der Vorschrift beschränkt sich die Aussage des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO allerdings auf das Verhältnis zum Schuldner184. Das Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar beurteilt sich ausschließlich nach Maßgabe des Verfügungsstatuts (Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO), das zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich frei wählbar ist und sich auch auf die Übertragbarkeit der Forderung erstreckt. Allein die Wirksamkeit der Forderungsabtretung für und gegen den Schuldner beurteilt sich nach Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO. Das wird nicht zuletzt mit Blick auf die übrigen Tatbestände des Schuldnerschutzes in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO deutlich, die ihre Aussagen explizit auf die Rechtsbeziehung gegenüber dem Schuldner beschränken185. Zudem spricht der sukzessionsschützende Charakter des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO im Allgemeinen für die restriktive Interpretation des Forderungsstatuts.
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Vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 48; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 28; Bauer, Forderungsabtretung, S. 170; H. Keller, Zessionsstatut, S. 16; v. Hoffmann, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 10 f. 182 Ebenso Bauer, Forderungsabtretung, S. 170. 183 Siehe oben § 22 II. 1. c). – Vgl. noch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 48 a.E.; Flessner, FS Canaris, S. 545, 554. 184 Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 38; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 43; ausf. Bauer, Forderungsabtretung, S. 137 f.; im Ergebnis wohl auch Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 23; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 229. 185 Bauer, Forderungsabtretung, S. 137; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 43 a.E.
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c) Abtretungsbeschränkungen Die differenzierende Behandlung der Übertragbarkeit der Forderung entfaltet Ausstrahlungswirkung auch auf die Anknüpfung von Abtretungsbeschränkungen. Entsprechend dem limitierten Normzweck des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO unterliegen Zessionsverbote dem Forderungsstatut nur dann, wenn sie dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt sind. aa) Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen Vor allem rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen – wie das nach deutschem Recht gem. § 399 Alt. 2 BGB zulässige pactum de non cedendo – zielen im Zweifel auf die Verwirklichung von Schuldnerschutz ab186. Die Abtretbarkeit der Forderung wird zwischen den Vertragsparteien typischerweise ausgeschlossen, um die (negative) Kontrahentenwahlfreiheit des Schuldners zu sichern und zu verhindern, dass der Schuldner ohne seinen Willen mit einem anderen Gläubiger konfrontiert wird187. Anders liegt der Fall nur, wenn das vertragliche Zessionsverbot ausnahmsweise dazu dient, die Forderung einem bestimmten Gläubiger zuzuordnen. Wiederum beschränken sich die Wirkungen des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO auf das Verhältnis zum Schuldner. Die gegen das Abtretungshindernis verstoßende Forderungszession ist für und gegen den Schuldner unwirksam. Im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar beurteilen sich Wirksamkeit und Rechtsfolgen des Verbots188 hingegen nach dem Vertragsstatut189. Im Verhältnis zu unbeteiligten Dritten bestimmen sich die Wirkungen der Abtretungsbeschränkung nach dem unten190 behandelten Drittwirkungsstatut. bb) Gesetzliche Abtretungsbeschränkungen Auch gesetzliche Abtretungsbeschränkungen unterfallen dem Forderungsstatut, soweit sie dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt sind. Das gilt namentlich für Zessionsbeschränkungen, die – wie § 399 Alt. 1 BGB im deutschen Recht – einen Forderungsübergang infolge einer damit ver-
186 Vgl. Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO Rn. 34; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 44; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 24; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; zu undifferenziert Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8. 187 Vgl. auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 44; Flessner, IPRax 2009, 35, 42. 188 Eine rechtsvergleichende Umschau findet sich bei Bauer, Forderungsabtretung, S. 139 ff. 189 Dazu ausf. Bauer, Forderungsabtretung, S. 147 f.; ferner Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 44; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 230. 190 Siehe § 22 IV. – Vgl. noch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 44 a.E.; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 230.
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bundenen Inhaltsveränderung der geschuldeten Leistung ausschließen191. Die Geltung des Forderungsstatuts stellt in diesem Fall sicher, dass sich die vom Schuldner zu erbringende Leistung infolge der Abtretung nicht verändert, insbesondere nicht verschlechtert (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Diese Fallgruppe umfasst namentlich höchstpersönliche Forderungen, die so eng mit der Person des Schuldners verbunden sind, dass für ihn die Person des Leistungsempfängers von besonderer Bedeutung ist192. Aspekte des Schuldnerschutzes sind auch einschlägig, wenn der Schuldner im Einzelfall ein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung eines bestimmten Gläubigers hat und wenn der Leistungsinhalt mit der Person des Gläubigers so eng verknüpft ist, dass die Leistung an den Zessionar als eine andere Leistung erscheint und berechtigte Schuldnerinteressen dadurch beeinträchtig werden193. Hinzu kommen Fälle, in denen es dem Schuldner nicht gleichgültig ist, an wen er die Leistung zu erbringen hat194, wie namentlich bei §§ 613 S. 2, 664 Abs. 2, 717 BGB195. Anders liegt der Fall, wenn das Abtretungshindernis nicht im Interesse des Schuldners besteht, sondern dem Gläubiger zu dienen bestimmt ist und ihm den Vermögenswert der Forderungen erhalten will196. Namentlich der Abtretungsausschluss für Forderungen, die – im deutschen Recht gem. § 400 BGB iVm. §§ 850 ff. ZPO197 – der Pfändung entzogen sind, sollen dem Forderungsinhaber die Existenz- und Lebensgrundlage sichern und stehen daher primär im Interesse des Forderungsgläubigers (Veräußererinteresse)198. Mit dem Grundanliegen des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO hat das nichts zu tun. Deshalb beurteilen sich Wirksamkeit und Rechtsfolgen von gläubigerschützenden Abtretungshindernissen nach zutreffender Auffassung auch nicht nach dem Forderungsstatut, sondern nach dem Vertragsstatut des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO199.
191 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 25; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Bauer, Forderungsabtretung, S. 139. 192 Bauer, Forderungsabtretung, S. 148. 193 Siehe oben § 4 III. 4. d) bb). 194 Siehe oben § 4 III. 4. d) dd). 195 Zu weiteren Fällen vgl. Roth, in: MünchKommBGB, § 399 Rn. 24; Westermann, in: Erman, BGB, § 399 Rn. 6; Busche, in: Staudinger, BGB, § 399 Rn. 5 ff. 196 A.A. Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; wie hier dagegen Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 493; Bauer, Forderungsabtretung, S. 150 f.; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 420. 197 Dazu ausf. oben § 4 III. 2. b) bb). – Zur Rechtslage in Frankreich etwa v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 419 f. 198 Dazu ausf. oben § 4 III. 2. b). – Vgl. noch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom IVO Rn. 45; Bauer, Forderungsabtretung, S. 150 f. 199 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; a.A. (nach früherem Recht) v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 420 f.: Wohnsitzstaat des Forderungsgläubigers.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
Die zum früheren Recht200 zahlreich vertretene Gegenauffassung kritisiert den hiesigen Standpunkt mit dem Hinweis, dass eine Differenzierung nach dem jeweiligen Normzweck der Verbotsregelung erhebliche praktische Unsicherheiten in die Interpretation des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO hineintrage201. Diese Bedenken erscheinen bei Lichte besehen indes weit überzogen. Dass Abtretungsbeschränkungen für unpfändbare Forderungen primär im Gläubigerinteresse bestehen und gerade nicht auf die Verwirklichung von Schuldnerschutz gerichtet sind, lässt sich nach den allgemeinen Auslegungsmethoden unschwer feststellen. Wo neben Gläubigerinteressen auch Schuldnerinteressen tangiert sind, greift Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO nach seinem Regelungszweck ein. Wo indes eine schuldnerschützende Wirkung sicher ausgeschlossen werden kann, besteht für die Anwendung des Forderungsstatuts kein Raum. Stattdessen muss es bei dem – auch unionsrechtlich abgesicherten202 – Prinzip der freien Rechtswahl und der Anknüpfung an das Vertragsstatut bleiben. Damit ist das Rechtsproblem aber noch nicht vollständig gelöst. In Betracht kommt nämlich weiterhin die Einordnung gesetzlicher Zessionsbeschränkungen als Eingriffsnormen iSd. Art. 9 Rom I-VO. Das Verbot muss zu diesem Zweck als eine zwingende Vorschrift zu qualifizieren sein, „deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen“ (Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO). Die Gerichte des Erlassstaates wenden die Vorschrift ungeachtet des ansonsten geltenden Rechts an (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO), und auch für ausländische Gerichte sind solche Eingriffsnormen nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO von Belang. Tatsächlich werden nun Zessionsverbote für unpfändbare Forderungen203 sowie die Abtretungsbeschränkungen gem. § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO204 und gem. § 134 BGB iVm. § 203 StGB205 zum Teil als Eingriffsnormen qualifiziert. Das setzt indes voraus, dass es sich bei den genannten Verbotstatbeständen tatsächlich um international zwingende Normen handelt, die primär staats-, sozial-
200
Vgl. nur Martiny, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 18; Hausmann, in: Staudinger, BGB, 2003, Art. 33 EGBGB Rn. 41. 201 Vgl. Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 229 f., Fn. 21. 202 Siehe oben § 22 II. 2. a) aa). 203 So vor allem Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 35. 204 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 45; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Weyland, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 49b Rn. 1; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Bauer, Forderungsabtretung, S. 152 ff., 157; nur referierend Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 26; nicht einschlägig ist die Entscheidung des OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1367, 1369 (Revision nicht angenommen durch BGH NJW 2003, 3486), bei der es um das frühere Verbot von Erfolgshonoraren ging. 205 Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 35.
III. Verhältnis zum Forderungsschuldner
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oder wirtschaftspolitischen Allgemeininteressen zu dienen bestimmt sind206. Das ist für alle hier angeführten Abtretungshindernisse indes zu verneinen. Abzulehnen ist ein hauptsächliches öffentliches Interesse zunächst für eine Abtretung der Honorarforderungen von Geheimnisträgern iSd. § 203 StGB. Der Normzweck dieser Strafvorschrift zielt in erster Linie auf den Schutz des persönlichen Lebensbereichs, genauer gesagt das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung207. Dieses Individualinteresse wird durch § 203 StGB vor Verletzungen durch solche Personen geschützt, denen Geheimnisse aufgrund ihrer Berufstätigkeit anvertraut sind. Ein etwaiges öffentliches Interesse an dem Schutz von Privatgeheimnissen respektive der Funktionsfähigkeit der erfassten Berufsgruppen ist nur reflexiv geschützt208. Für diese Interpretation spricht bereits, dass die Einwilligung209 bzw. das Einverständnis210 des Geheimnisgeschützten – hier: des Forderungsschuldners – die Strafbarkeit der Offenbarung und in der Folge auch das Abtretungsverbot entfallen lässt. Dementsprechend ist die schuldnerschützende Vorschrift dem Forderungsstatut zu unterstellen, nicht aber als Eingriffsnorm zu interpretieren. Nichts anderes gilt für das berufsrechtliche Abtretungsverbot des § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO. Die Vorschrift zielt nach ihrem Normzweck darauf ab, den Mandanten vor einer Offenbarung vertraulicher Informationen infolge der Gebühreneinziehung durch Dritte zu schützen211. Der auch von den Materialien hervorgehobene Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht212 zielt in materieller Hinsicht darauf ab, die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Mandanten abzusichern. In der Regierungsbegründung heißt es in diesem Zusammenhang ausdrücklich, mit der Vorschrift würde „Vertrauensschutzinteressen des Mandanten“ Rechnung getragen213. Wiederum bildet der Schutz des Forderungsschuldners den teleologischen Grundgedanken der Regelung, nicht etwa der Schutz öffentlicher Interessen, die allenfalls als Rechtsreflex mittelbar geschützt sind. Die Schlüssigkeit dieser Deutung zeigt sich letztlich daran, dass die – nach § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO im Grundsatz ausgeschlossene – Abtretung mit ausdrücklicher, schriftlicher Einwilligung des Mandanten ausnahmsweise 206 Vgl. Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 9 Rom I-VO Rn. 57 ff.; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 9 Rom I-VO Rn. 13; Sonnenberger, FS Kropholler, S. 227, 242. 207 Vgl. BVerfGE 65, 1, 43. 208 BGHZ 115, 123, 125; 122, 115, 117; Fischer, StGB, § 203 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 1; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 3; Kargl, in: NK, StGB, § 203 Rn. 3; a.A. Cierniak/Pohlit, in: MünchKommStGB, § 203 Rn. 4 f. 209 OLG Schleswig NJW 1985, 1090, 1092; Schünemann, in: LK, StGB, § 203 Rn. 93; Kargl, in: NK, StGB, § 203 Rn. 50. 210 Cierniak/Pohlit, in: MünchKommBGB, § 203 Rn. 54 ff.; Fischer, StGB, § 203 Rn. 31. 211 Vgl. Dittmann, in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 49b Rn. 36, 38; Nerlich, in: Hartung/Römermann, BORA/FAO, § 49b BRAO Rn. 21. 212 So Begr. RegE, BT-Drucks. 16/3655, S. 82; Kilian, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 49b Rn. 204; Weyland, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 49b Rn. 107. 213 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/3655, S. 82.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
wirksam vollzogen werden kann. Bestünde das Abtretungsverbot primär im öffentlichen Interesse, käme ein Dispens infolge einer Einwilligung des Schuldners nicht in Betracht. Im Gegensatz dazu steht die Geltung des § 400 BGB nicht zur Disposition der Beteiligten. Die Vorschrift ist vielmehr zwingender Natur214. Das legt die Vermutung nahe, die Abtretungsbeschränkung stehe primär im öffentlichen Interesse und sei daher als Eingriffsnorm iSd. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO zu qualifizieren. Indes zielt § 400 BGB vorrangig darauf ab, dem Gläubiger bestimmte Forderungen auch gegen seinen Willen zu erhalten, soweit er auf deren wirtschaftlichen Wert zur eigenverantwortlichen Führung eines menschenwürdigen Lebens angewiesen ist215. Dieser Schutz des Gläubigers vor selbstschädigenden Verfügungen liegt zwar auch im Interesse der Allgemeinheit. Wiederum hat der vermittelte Schutz fiskalischer Interessen indes lediglich reflexiven Charakter. Im Ergebnis soll stattdessen dem von seinen Gläubigern auf den Forderungsinhaber ausgeübten Druck, gegenwärtige und künftige Einnahmen an sie abzutreten, die Spitze genommen werden. Deshalb ist letztlich auch die Qualifizierung des § 400 BGB als Eingriffsnorm iSd. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO abzulehnen. cc) Künftige und bedingte Forderungen Nach früherem Recht wurde auch die Abtretung künftiger und bedingter Forderungen als eine Frage der Übertragbarkeit iSd. Art. 33 Abs. 2 EGBGB a.F. angesehen216. Diese Position ist unter Geltung des neuen Art. 14 Abs. 2 Rom IVO nicht länger haltbar217. Denn das Forderungsstatut greift nur für solche Vorschriften ein, die im Schuldnerinteresse bestehen. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO ist demnach nur dann von Belang, wenn Vorschriften die Zession künftiger oder bedingter Forderungen aus Schuldnerschutzerwägungen heraus beschränken oder der Forderungsübergang in spezifischer Weise die schuldnerische Rechtsposition berührt218. Gründe des Schuldnerschutzes spielen für die Zulässigkeit von Vorausabtretungen indes weder im deutschen Recht noch im englischen Recht219 eine Rolle. 214
Siehe oben § 4 III. 2. b) bb). Dazu und zum Folgenden siehe nochmals oben § 4 III. 2. b) bb). 216 So z.B. BGH NJW 1999, 940; Doehner, in: AnwKommBGB, Art. 33 EGBGB Rn 9; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 6; v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 470; Basedow, ZEuP 1997, 615, 620 f. 217 A.A. Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 36; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; grundsätzlich auch Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; wie hier aber Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 46, 89; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 25; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 231; Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 159 f.; nicht eindeutig Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 39. 218 Zutreffend Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 46; ausf. Bauer, Forderungsabtretung, S. 158 ff. 219 Näher Bauer, Forderungsabtretung, S. 158 f. 215
III. Verhältnis zum Forderungsschuldner
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Überhaupt fokussieren Regelungen, die auf die Beschränkung von Vorausabtretungen abzielen, eher auf die Schutzinteressen des Zedenten, der vor einer unüberlegten und übereilten Abtretung seines künftigen Forderungsbestandes geschützt werden soll. Reflexartig werden so zugleich seine Gläubiger geschützt, die nicht a priori vom Zugriff auf die künftigen Forderungen ausgeschlossen sein sollen220. Insoweit geht es also um den Ausgleich konkurrierender Gläubigerinteressen und die Lösung eines Prioritätskonflikts221, nicht indes um den Schutz berechtigter Schuldnerinteressen. Entsprechendes gilt umgekehrt für die Zulassung der Vorausabtretung. Sie zielt primär darauf ab, dem Zessionar das Erwerbsinteresse effektiv zu sichern222. Davon abgesehen liegt das praktische Hauptproblem der Vorausabtretung in der Individualisierung der erfassten Forderungen. Aber auch das damit angesprochene Bestimmtheitsprinzip fokussiert nach zutreffender Auffassung ausschließlich auf die Interessen der am Zessionsgeschäft beteiligten Vertragsparteien, nicht indes auf Schuldnerbelange223. Davon abgesehen ist der Schuldner – wie üblich – daran interessiert, seine Leistung nur einmal erbringen zu müssen. Aus der Vorausabtretung resultierende Unsicherheiten über die Person des wahren Gläubigers werden aber jedenfalls durch die Anwendung der Vorschriften über die befreiende Leistung des Schuldners vermieden, die ihrerseits unzweifelhaft nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO dem Forderungsstatut unterfallen224. Im Ergebnis ist es daher nur konsequent, auf die Vorausabtretung bezogene Vorschriften im Zweifel dem Vertragsstatut des Art.14 Abs. 1 Rom IVO zu unterstellen. dd) Sicherungs- und Globalzession Ebenfalls dem Forderungsstatut unterwarf die früher h.M. die Anknüpfung von Global-225 und Sicherungszession226. Gegen diese Verortung spricht auf Grundlage des geltenden Rechts aber schon der weit formulierte Übertragungsbegriff nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 3 Rom I-VO, der ausdrücklich auch Übertragungen „zu Sicherungszwecken“ dem allgemeinen Abtretungskollisionsrecht 220
Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 39; Flessner, IPRax 2009, 35, 42. Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 160. 222 Bauer, Forderungsabtretung, S. 162 f. 223 Dazu ausf. oben § 8 II. 4. c). 224 Näher unten § 22 III. 2. e). – Vgl. noch Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 39; Flessner, IPRax 2009, 35, 42. 225 Für die h.M.: BGH NJW 1999, 940; OLG Hamburg WM 1997, 1773; Doehner, in: AnwKommBGB, Art. 33 EGBGB Rn. 9; Martiny, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 28. 226 Für die h.M.: BGH NJW 1999, 940; Doehner, in: AnwKommBGB, Art. 33 EGBGB Rn. 9; Hohloch, in: Erman, BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 5; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 13; v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 474 f.; a.A. Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 349 ff.; Kaiser, Eigentumsvorbehalt, S. 202 ff., 208 ff.: gewöhnlicher Aufenthaltsort des Zedenten; ebenfalls abweichend Hausmann, in: Staudinger, BGB, 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 62; Stadler, IPRax 2000, 104, 107: Vertragsstatut. 221
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
unterstellt. Da nun die in verschiedenen Rechtsordnungen bestehenden Beschränkungen für Sicherungs-227 und Globalzessionen228 nicht auf den Schutz des Schuldners, sondern in erster Linie auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Zedenten abzielen und – im Fall der Sicherungszession – noch den Sicherungsnehmer vor einer Insolvenz des sicherungsgebenden Zedenten schützen wollen, muss eine Anknüpfung an das Forderungsstatut gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO wiederum dem Grunde nach ausscheiden229, es sei denn, die Beschränkungen sind im Einzelfall dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt. Im Regelfall scheidet ein besonderer Schuldnerbezug indes aus. Denn aus der Perspektive des Schuldners ist es ohne Belang, welcher der konkurrierenden Gläubiger bei bestehender Sicherungs- oder Globalzession zum Zuge kommt230. Inhalt, Umfang und Ausgestaltung seiner Leistungspflicht bleiben nach Maßgabe des (kollisionsrechtlichen) Identitätsprinzips und Verschlechterungsverbots dem Grunde nach unberührt231. Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil der Anknüpfung an das Vertragsstatut besteht darin, dass die Vertragsparteien den Forderungsübergang durch Rechtswahl derjenigen Rechtsordnung unterstellen können, die auch für die rechtliche Behandlung der Sicherungsabrede gilt232. Ein Gleichlauf von Forderungsübergang und Sicherungsabrede vermindert rechtliche Friktionen und senkt mit einer unterschiedlichen Anknüpfung andernfalls verbundene Transaktionskosten. Als untauglich erweist sich auch die nach früherem Recht vertretene Sonderanknüpfung der Sicherungs- und Globalzession an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zedenten233. Für eine solche Sonderanknüpfung fehlt es zunächst an normativen Anhaltspunkten, die eine in der Literatur234 befürwortete teleologische Reduktion des Art. 14 Rom I-VO rechtfertigen könnten. Im Gegenteil ist dem neuen Art. 14 Abs. 3 Rom I-VO die Wertung zu entnehmen, dass sich sämtliche Spielarten und Sonderformen der rechtsgeschäftlichen Forderungszession heute nach den gleichen Prinzipien beurteilen sollen wie die
227 Dazu ausf. Bauer, Forderungsabtretung, S. 164 ff.; vgl. ferner Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 685 f. 228 Vgl. dazu Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 83; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5. 229 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 87 ff.; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 231; Bauer, Forderungsabtretung, S. 164 ff.; wohl auch Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 38, 41. 230 Stoll, IPRax 1991, 223, 225 f.; ebenso Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 87, 90; vgl. noch Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 231 m. Fn. 24. 231 Siehe ausf. oben § 22 III. 1. a). – Vgl. noch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 87. 232 Vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 89. 233 Siehe nochmals Fn. 226. 234 Dafür insbesondere Kaiser, Eigentumsvorbehalt, S. 224 ff. (zu Art. 12 EVÜ und Art. 33 EGBGB).
III. Verhältnis zum Forderungsschuldner
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Abtretung einer Einzelforderung235. Darüber hinaus kann für die Anknüpfung an den Zedentensitz auch nicht länger die Problematik der fiduziarischen Abtretung künftiger Forderungen ins Feld geführt werden. Denn nach modernem Kollisionsrecht bestimmt sich auch die Wirksamkeit von Vorausabtretungen nach dem Vertragsstatut des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO236. Im Ergebnis können die Parteien also frei darüber entscheiden, welchem Zessionsrecht sie die Forderungsübertragung unterstellen möchten. Vor allem können sie eine Rechtsordnung bestimmen, nach der sämtliche Forderungsrechte übergehen sollen, und so verhindern, dass der Sicherungsgeber den Rechtserwerb beim Sicherungsnehmer durch die Vornahme einer abweichenden Rechtswahl mit dem Drittschuldner vereitelt oder zumindest erschwert237. Schließlich spricht gegen eine Sonderanknüpfung an den Zedentensitz das allgemeine Bedenken, dass mit einer differenzierenden Behandlung nicht nur Wertungswidersprüche heraufbeschworen würden, sondern sich auch schwierige Abgrenzungsfragen stellten238, für deren Lösung das Schrifttum tragfähige Abgrenzungskriterien bisher schuldig geblieben ist. Dementsprechend finden nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 3 Rom I-VO die allgemeinen Grundsätze Anwendung, mit der Folge, dass sich die Sicherungsabtretung – für die Globalzession kann insoweit nichts anderes gelten – nach dem zwischen Zedent und Zessionar gem. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO geltenden Recht bestimmt239. d) Wirksamkeit der Abtretung gegenüber dem Schuldner Nach dem Forderungsstatut richtet sich aber jedenfalls die Wirksamkeit der Abtretung gegenüber dem Schuldner. Gemeint sind hiermit Wirksamkeitsvoraussetzungen, ohne deren Erfüllung die Forderungszession dem Schuldner nicht entgegengehalten werden kann. Dem deutschen Recht sind solche – über die bloße Einigung der Vertragsparteien – hinausgehende Anforderungen fremd240. Die Zessionsrechte Frankreichs, Italiens und Spaniens zeichnen sich indes dadurch aus, dass die Abtretung dem Schuldner gegenüber erst nach einer förmlichen Benachrichtigung wirksam wird241. Ob die Benachrichtigung den 235 Vgl. noch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 90; in diese Richtung schon nach altem Recht v. Hoffmann, in: Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, S. 3, 14. 236 Siehe nochmals oben § 22 III. 2. c) cc). 237 Vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 89; vgl. noch Stadler, IPRax 2000, 104, 107. 238 Näher Bauer, Forderungsabtretung, S. 215. 239 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 10; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 87 ff.; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 2; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 16; Flessner, IPRax 2009, 35, 42; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 231; Bauer, Forderungsabtretung, S. 164 ff.; nicht eindeutig Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 38, 41; offenlassend Mankowski, IHR 2008, 133, 150. 240 Dazu ausf. oben § 4 II. 4. 241 Dazu weiterführend Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 49.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
gesetzlichen Erfordernissen entspricht oder ob (und gegebenenfalls gegenüber wem) der Schuldner im Fall sich inhaltlich widersprechender Benachrichtigungen oder einer Zahlungsaufforderung des Zedenten leistungspflichtig ist, bestimmt sich nach dem Forderungsstatut des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO242. Ebenso wie nach materiellem Recht243 sind derlei Publizitätserfordernisse streng von Formerfordernissen zu unterscheiden. Der Regelungszweck der zusätzlichen Publizität zielt primär auf einen Schutz berechtigter Schuldnerinteressen ab, während die Formvorschriften typischerweise unter Anknüpfung an die zwischen den Parteien erzielte Einigung auf Warn-, Beratungs- und Beweissicherung gerichtet sind. Darum geht es bei Schuldneranzeigen indes nicht. Deshalb kommt auch dem in Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO niedergelegten Rechtssatz locus regit actum in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu244. e) Befreiende Wirkung der Leistung des Schuldners Dem Forderungsstatut des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO unterfällt schließlich die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner mit befreiender Wirkung leisten kann245. Das betrifft zunächst den Fall, dass der Schuldner in Unkenntnis der Forderungszession fälschlicherweise noch an den bisherigen Gläubiger leistet. Eine deutschem Recht unterliegende Forderung kann der Schuldner folglich gem. § 407 BGB – bei Handelsgeschäften nach § 354a Abs. 1 S. 2 HGB – durch Leistung an den Altgläubiger tilgen. Es entspricht der Wertung des kollisionsrechtlichen Verschlechterungsverbots zum Schutz berechtigter Schuldnerinteressen § 407 BGB nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 2 Rom IVO auch im Rahmen einer grenzüberschreitenden Forderungstransaktion zum 242
Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 46; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 49, 77; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11, 32; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom IVO Rn. 9; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rn. 5; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 231 f.; vgl. ferner Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; zum früheren Recht ebenso OLG Hamm NJW-RR 1996, 1271; OLG Koblenz RIW 1996, 151; a.A. Koziol, DZWIR 1993, 353, 356: Behandlung als Formerfordernis; ebenfalls abweichend Bauer, Forderungsabtretung, S. 296: Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Zedenten; ebenso nach früherem Recht v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 431 unter Hinweis auf einen Verstoß der (schon damals) h.M. gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit. 243 Dazu oben § 9. 244 Im Ergebnis ebenso Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 46; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 49, 77; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 30; a.A. Koziol, DZWIR 1993, 353, 356. 245 Vgl. auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 51; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 33; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 31; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 9; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 232; Bauer, Forderungsübertragung, S. 172 ff.; nach früherem Recht ebenso OLG Saarbrücken ZIP 2001, 1318, 1320; Grau, Forderungsabtretungen, S. 212.
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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Durchbruch zu verhelfen. Gleiches gilt für eine etwaige Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gegenüber dem Zedent246, wie sie § 406 BGB für das deutsche Recht anordnet. Und schließlich ist auch die Frage, ob der Schuldner nach einer Abtretungsanzeige schuldbefreiend an den Zessionar leisten darf (vgl. § 409 BGB) oder seine Leistung von der Vorlage einer Abtretungsurkunde abhängig machen kann (vgl. § 410 BGB), nach dem Forderungsstatut des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO zu beurteilen247.
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung 1. Problemaufriss und Präzisierung der Fragestellung Während Art. 14 Rom I-VO ausdrückliche Regelungen für die Wirkungen der Forderungszession im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar (Abs. 1) sowie im Verhältnis zum Schuldner (Abs. 2) enthält, konnte während der langwierigen Verhandlungen über das europäische Internationale Vertragsrecht trotz größter Anstrengungen keine konsensfähige Lösung für die Anknüpfung der Drittwirkungen der Forderungsabtretung – das Drittwirkungsstatut – gefunden werden248. Noch im Verordnungsvorschlag vom 15. Dezember 2005249 war eine Anknüpfung der Drittwirkung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zedenten vorgesehen (Art. 13 Abs. 3 VO-E). Am Ende des harten Ringens um eine interessengerechte Lösung konnte sich aber weder dieser Anknüpfungspunkt noch der Vorschlag durchsetzen, die Drittwirkungen der Zession an das Forderungsstatut anzuknüpfen. Stattdessen ist der Kommission gem. Art. 27 Abs. 2 Rom I-VO ein Prüfungsauftrag erteilt worden. Sie sollte bis zum 17. Juni 2010 einen Bericht über die Frage vorlegen, „ob die Übertragung einer Forderung Dritten entgegengehalten werden kann, und über den Rang dieser Forderung gegenüber einem Recht einer anderen Person“. Erst nach Ablauf dieser Frist hat die Kommission dem British Institute of International and Comparative Studies (BIICL) den Auftrag zur Erstellung eines Berichts erteilt, der seit Mitte Dezember 2011 in seiner Endfassung vorliegt250. 246 Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 51; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 3; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 232; nach früherem Recht ebenso Basedow, ZEuP 1997, 615, 622; Rudolf, Einheitsrecht, S. 570. 247 Dazu – vorwiegend in rechtspolitischer Hinsicht – eingehend Bauer, Forderungsabtretung, S. 187 ff.; vgl. (zum früheren Recht) noch Grau, Forderungsabtretungen, S. 212. 248 Zu den Gründen näher Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 246 f.; Perkins, LFMR 2008, 238, 239; zum Ganzen auch Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 11; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 33; Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 149 f. 249 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM(2005), 650 endg. 250 BIICL, Study (2011); dazu Kieninger, IPRax 2012, 289 ff.; Selke, WM 2012, 1467, 1469 ff.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
Im Ergebnis spricht sich die BIICL-Studie für eine eingeschränkte Rechtswahlfreiheit der Parteien des Abtretungsvertrages aus. Sie sollen nach Art. 14(1)(a) Vorschlag A parteiautonom über das anwendbare Recht bestimmen können, vorausgesetzt, (1.) die Parteien haben auch das zwischen ihnen im Innenverhältnis geltende Recht nach Maßgabe des Art. 3 Rom I-VO frei gewählt (objektive Anknüpfungen scheiden aus) und (2.) das gewählte Recht entspricht dem Forderungsstatut oder dem am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zedenten geltenden Recht. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, soll gem. Art. 14(1)(b) Vorschlag A entweder das Forderungsstatut zur Anwendung gelangen oder – soweit dies im Abtretungszeitpunkt nicht bestimmbar ist – das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zedenten (Art. 14(1)(c) Vorschlag A)251. In welcher Weise sich die Kommission die Vorschläge der BIICL-Studie tatsächlich zunutze machen und Art. 14 Rom I-VO reformieren wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar. Klar ist nur, dass die über 400-seitige Studie des BIICL die anhaltende Diskussion über die Drittwirkung der Forderungszession nicht hat verstummen lassen252. Das kann angesichts der Komplexität des vorgelegten Regelungsvorschlags auch nicht verwundern. Im Übrigen entbinden die Regelungsvorschläge auf Grundlage des geltenden Rechts auch nicht davon, für die von Forderungsabtretungen ausgehenden Drittwirkungen eine taugliche Anknüpfung zu finden. Sie ist in drei Fallgestaltungen von praktischer Bedeutung, und zwar (1.) bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung an verschiedene Zessionare (konkurrierende Abtretungen), (2.) bei der Pfändung der zedierten Forderung und (3.) im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zedenten253.
2. Meinungsstand und Verortung der Streitfrage Zum früheren Recht lassen sich insgesamt vier wesentliche Lösungsansätze ausmachen. Vertreten wurde die Anknüpfung an das Forderungsstatut254 und das Zessionsgrundstatut255 sowie die Sonderanknüpfungen an den gewöhnlichen 251
Dazu BIICL, Study, S. 408 ff. Kritisch namentlich Kieninger, IPRax 2012, 289 ff.; Selke, WM 2012, 1467, 1469 ff.; vgl. unmittelbar zuvor noch die – abweichenden – Beschlüsse des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht – Spezialkommission „Drittwirkung der Forderungsabtretung“ vom 11./12. August 2011, bei Sonnenberger, IPRax 2012, 370 f. sowie das einführende Referat von Leible/Müller, IPRax 2012, 491 ff. 253 Vgl. Mann/Nagel, WM 2011, 1499 f.; Kieninger, IPRax 2012, 289; Leible/Müller, IPRax 2012, 491. 254 So die früher h.M.: BGHZ 111, 376, 379 f.; BGH NJW 1999, 940; NJW-RR 2005, 206, 208; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 12; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 33 EGBGB Rn. 25 f.; Basedow, ZEuP 1997, 615, 623. 255 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 26 ff., 33; Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1, 17 ff.; dies., RabelsZ 60 (1998), 417, 431 ff.; Stadler, IPRax 2000, 104, 106; H. Keller, Zessionsstatut, S. 152 ff.; Flessner/Verhagen, Assignment, S. 21 ff. 252
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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Aufenthaltsort des Zedenten256 und des Schuldners257. Keiner dieser Ansätze ist durch die Schaffung des Art. 14 Rom I-VO apriorisch weggefallen oder von vornherein nicht mehr vertretbar. Im Gegenteil ist ein weiterer – gleichsam vorgelagerter – Streit über die Fragen entbrannt, ob die Problematik im Kontext des Art. 14 Rom I-VO eine Regelung erfahren hat258 oder ob die Lösung – auch weiterhin – außerhalb des europäischen Internationalen Privatrechts, d.h., im nationalen Kollisionsrecht, zu suchen ist259. Schaut man auf die Zielsetzung der Rom I-VO, die in ihrer Gesamtheit auf eine Vereinheitlichung des europäischen Internationalen Vertragsrechts gerichtet ist, gebührt einer autonom-unionsrechtlichen Lösung der Vorrang gegenüber einer Lösung nach nationalem Kollisionsrecht. Denn der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung liefe es diametral zuwider, wenn nun bei der praktisch so bedeutsamen Frage des Drittwirkungsstatuts dem nationalen Kollisionsrecht neuerlich ein substanzieller Anwendungsbereich eröffnet und damit sehenden Auges – und entgegen der Intention der Rom I-VO – die Zersplitterung des internationalen Abtretungsrechts in Kauf genommen würde. Im Gegensatz dazu gewährleistet der hier befürwortete verordnungsautonome Ansatz für sämtliche EU-Mitgliedstaaten eine einheitliche Anknüpfung des Drittwirkungsstatuts. Das hat bedeutsame Implikationen für die Anwendung des europäischen Kollisionsrechts in den Unionsstaaten: Zum einen ist der nationale Gesetzgeber auf Grundlage der hiesigen Auffassung daran gehindert, eine verordnungswidrige Regelung zu kodifizieren260. Zum anderen ist auch der nationale Rechtsanwender an die Verordnungsvorgaben gebunden; eine nationale – von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschiedene – Lösung jenseits des Unionsrechts ist ausgeschlossen. Das Entscheidungsmonopol über die praxisrelevanten Facetten der Drittwirkungsfrage liegt beim EuGH. Nationale In256 Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 494 f.; Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 702 ff.; dies./ Schütze, IPRax 2005, 200, 202 ff.; Grau, Forderungsabtretungen, S. 219 ff., 221; Kaiser, Eigentumsvorbehalt, S. 202 ff.; Rudolf, Einheitsrecht, S. 584 ff., 589 f.; Stoll, FS Sonnenberger, S. 695, 710. 257 So vielfach das französische und belgische Schrifttum; siehe die Nachw. bei Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 17 f., 59 f.; Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 105 Fn. 49; aus dem deutschen Schrifttum: Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 653 f. 258 Dafür Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 70; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 16, 32; ders., RIW 2009, 737, 747; Flessner, IPRax 2009, 33, 38 f.; Mann/Nagel, WM 2011, 1499, 1500; im Ergebnis ebenso – zum früheren Recht gegen die in Frankreich vorherrschende Anwendung nationaler Grundsätze – Basedow, ZEuP 1997, 615, 623. 259 Dafür Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 40; Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 39; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 1; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 9, 11; dies., in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 161; Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 494; Selke, WM 2012, 1467; ausf. Bauer, Forderungsabtretung, S. 103 f., 167, 301; implizit auch Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 541; Mankowski, IHR 2008, 133, 150; Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 629; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 234 f.; vgl. weiter Kieninger, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 155; Sonnenberger, FS Kropholler, S. 227, 230 ff. 260 Vgl. auch Martiny, RIW 2009, 737, 747.
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stanzgerichte können, oberste Gerichte müssen dem Gerichtshof Interpretationsfragen nach Maßgabe des Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV zur Entscheidung vorlegen261. Für eine verordnungsautonome Interpretation spricht außerdem der unionsrechtliche Grundgedanke des effet utile. Danach ist sowohl der Rom I-VO als auch der Rom II-VO im Wege einer extensiven Auslegung respektive Analogiebildung größtmögliche Geltung und Wirksamkeit zu verschaffen262. Das entspricht letztlich auch dem aktuellen Trend zu einer zunehmenden Ausweitung des gemeineuropäischen Kollisions- und Verfahrensrechts263 sowie dem Grundsatz der einheitlichen verordnungsautonomen Auslegung, wie er sich schließlich auch in Erwägungsgrund 6 der Rom I-VO manifestiert264. Dessen ungeachtet hat sich seit der Kodifikation des europäischen Internationalen Vertragsrechts das zum Drittwirkungsstatut vertretene Meinungsspektrum kaum verändert. Noch immer werden im modernen Schrifttum als Anknüpfungspunkte (1.) das Abtretungsstatut (Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO)265, (2.) das Forderungsstatut (Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO)266 sowie (3.) die Sonderanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Zedenten267 vertreten. Keine neuen Anhänger hat hingegen die nach früherem Recht ebenfalls vertretene unselbstständige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schuldners gefunden268; sie bleibt daher im Folgenden außer Betracht.
3. Plädoyer für eine Anknüpfung an das Vertragsstatut Angesichts der überreichen Stofffülle, die sich allein in der jüngeren Vergangenheit zum Drittwirkungsstatut angesammelt hat, kann es nicht Ziel der nachfolgenden Überlegungen sein, die Streitfrage in allen ihren Schattierungen und 261 Allgemein zur Vorlagepflicht in Bezug auf die Rom I und II-VO: Brödermann, NJW 2010, 807, 810. 262 Zutreffend Brödermann, NJW 2010, 807, 810, 812; exemplarisch zur teleologischen effetutile-Auslegung EuGH NJW 1991, 2271, 2272; Kropholler, IPR, § 10 III 2 e. 263 Vgl. Heinze, FS Kropholler, S. 105, 110. 264 Dazu näher Heinze, FS Kropholler, S. 105, 108; dort S. 109 f. auch zu den Kriterien der Auslegung; vgl. weiter Leible/Engel, EuZW 2004, 7, 8. 265 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 70 f.; Flessner, IPRax 2009, 35, 39 ff.; ders., FS Kühne, S. 703, 706 ff., 715; ders., FS Koziol, S. 125, 131; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 248 f.; wohl auch Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 102 ff.; de lege ferenda auch Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 499 f. 266 Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 6. 267 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 9; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Art. 14 Rom I-VO Rn. 12; dies., in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 147, 161 ff.; ebenso Bauer, Forderungsabtretung, S. 283 ff., 292 f., der freilich auf S. 303 ff. seine Auffassung dahingehend modifiziert, dass nicht der gewöhnliche Aufenthalt des Zedenten, sondern derjenige des Vollrechtsinhabers der Forderung maßgeblich sein solle, der mit ersterem nicht notwendig zusammenfallen müsse; vgl. noch Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 248; de lege ferenda auch Kieninger, IPRax 2012, 289 ff.; Mankowski, IPRax 2012, 298 ff. 268 Vgl. nur Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 59 ff. Allein de lege ferenda erwägend Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 40.
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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Verästelungen unter Heranziehung des gesamten Materials nochmals grundlegend aufzuarbeiten. Das ist auch nicht notwendig, sind die maßgeblichen Argumente doch heute allgemein bekannt269 und wird zunehmend nur mehr um deren Gewichtung gerungen270. Hauptanliegen der nachfolgenden Erörterungen ist es vielmehr, in Fortschreibung der hier verfochtenen Kernthese auch im Kollisionsrecht dem Prinzip der freien Übertragbarkeit von Vermögenspositionen (Sukzessionsfreiheit) zum Durchbruch zu verhelfen. Deshalb wird im Folgenden für die selbstständige Anknüpfung des Drittwirkungsstatuts nach dem Abtretungsstatut des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO Partei ergriffen. Das geschieht in dem vollen Bewusstsein, dass sich die im Schrifttum vertretenen Anknüpfungen für die Lösung mancher Probleme besser eignen als für die Lösung anderer Fragestellungen und dass sich dementsprechend die eine optimale Einheitslösung nicht finden lässt271. Betrachtet man indes die Argumente für und gegen die einzelnen Lösungsansätze und ihre Implikationen für die verschiedenen Konstellationen, sprechen in der Gesamtheit die besseren Argumente für den Gleichlauf von Vertrags- und Drittwirkungsstatut. a) Ablehnung einer Anknüpfung an das Forderungsstatut Gegen die Geltung des Forderungsstatuts spricht zunächst die klare legislatorische Wertung des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO und des Erwägungsgrundes 38, die Verfügungswirkungen im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar nach dem Verpflichtungsstatut anknüpfen und gerade nicht – wie von der bisher h.M. im deutschen Schrifttum vertreten272 – nach dem Forderungsstatut. Damit hat der europäische Gesetzgeber sich bewusst gegen einen Gleichlauf sämtlicher Verfügungswirkungen nach dem Forderungsstatut entschieden. Das für die Forderung geltende Recht gelangt im Interesse des Forderungsschuldners nur in den enumerativ gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO normierten Fällen zur Anwendung. Und selbst wenn einer der genannten Anwendungsfälle nach seinem Wortlaut dem Grunde nach einschlägig ist, zwingt das – unionsrechtlich sowie rechtsökonomisch abgesicherte – Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit zu einer restriktiven Interpretation des in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO verankerten Prinzips des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes273: Zum einen findet das Forderungsstatut nur insoweit Anwendung, als die in Rede stehenden Vorschriften tatsächlich auf den Schutz berechtigter Schuldnerinteressen abzielen. Zum anderen entfaltet das Forderungsstatut seine Wirkung nur im 269 Aus neuerer Zeit siehe nur Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 55 ff.; Bauer, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 14 Rom I-VO Rn. 41 ff.; ders., Forderungsabtretung, S. 264 ff.; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 233 ff.; Mankowski, IPRax 2012, 298 ff.; Leible/Müller, IPRax 2012, 491 ff. 270 Zutreffend Mankowski, IPRax 2012, 298, 299: „Das Thema scheint ausgeschrieben.“ 271 Instruktiv Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 248 f. 272 Siehe nochmals die Nachw. oben § 22 III. 2. 273 Siehe schon oben § 22 III. 1. a).
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Verhältnis zum Schuldner; nicht aber gleichermaßen im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar. Die auf Schuldnerinteressen beschränkte Zielstellung des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO vermag daher eine Anwendung des Forderungsstatuts auf die Rechtsverhältnisse zwischen mehreren Zessionaren und den Gläubigern der Vertragsparteien ebenfalls nicht zu tragen. Davon abgesehen zeigen sich eklatante praktische Nachteile der Anknüpfung von Drittwirkungen an das Forderungsstatut, wenn eine Gesamtheit von (bestehenden oder künftigen) Forderungen übertragen werden soll274. Denn bei einer Anknüpfung an das Forderungsstatut, lässt sich das auf die Vorauszession anwendbare Sachrecht im Abtretungszeitpunkt nicht bestimmen. In der Folge können sich die Drittbeteiligten, namentlich die Gläubiger der Parteien des Zessionsvertrags, nur schwerlich auf die Geltung eines bestimmten Rechts einstellen. Darüber hinaus sind die Gläubiger bei Sicherungs- und Globalzessionen bei einer Anknüpfung an das Forderungsstatut gezwungen, das Drittwirkungsstatut für jede Einzelforderung separat zu verifizieren. Die Feststellung des geltenden Rechts ist in der Folge mit hohen Transaktionskosten sowie residualen Unsicherheiten verbunden, die im Ergebnis dazu führen können, dass Transaktionen nicht mehr durchgeführt werden, weil sich beispielsweise eine grenzüberschreitende Sicherungsabtretung von Forderungen finanziell für die Beteiligten nicht mehr rechnet275. Zudem bewirkt die Geltung des Forderungsstatuts keine Verbesserung der gläubigerseitigen Rechtsposition. Denn der Gläubiger hat keinen Einblick in das Verhältnis zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner. Verborgen bleiben dem Gläubiger typischerweise die geltenden Wirksamkeitsvoraussetzungen sowie etwaige Publizitätserfordernisse, die für einen Rechtserwerb maßgeblich sind276. Wenn die der Forderung zugrunde liegende Rechtswahl nicht auf einer ausdrücklichen Vereinbarung (Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO) beruht, lässt sich das anzuwendende Sachrecht demnach kaum rechtssicher erfassen. Das gilt namentlich für die Bestimmung stillschweigend gewählten Rechts (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO) oder eine objektive Anknüpfung nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO277.
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Dazu schon ausf. oben § 24 II. 1. b). – Vgl. auch Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 6; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 58; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. Sachenrecht Rn. 351; Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 698 f.; dies./Schütze, IPRax 2005, 200, 202; Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 496 f.; Bauer, Forderungsabtretung, S. 269 f.; Grau, Forderungszessionen, S. 214 f.; Kaiser, Eigentumsvorbehalt, S. 105, 224 ff.; Rudolf, Einheitsrecht, S. 580 f.; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 244 f. 275 Bauer, Forderungsabtretung, S. 270; Mäsch, in: Leible, Grünbuch, S. 193, 202; vgl. weiter Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 698 ff. 276 Bauer, Forderungsabtretung, S. 269; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 58; Rudolf, Einheitsrecht, S. 582. 277 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 58; Bauer, Forderungsabtretung, S. 270; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 552.
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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b) Ablehnung einer Anknüpfung an den Zedentensitz Darüber hinaus ist auch die Anknüpfung an den Zedentensitz im Ergebnis abzulehnen. Gegen die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Zedenten spricht bereits ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO: Noch im Vorschlag der EU-Kommission vom 15. Dezember 2005 war genau diese Anknüpfung für die Bestimmung des Drittwirkungsstatuts vorgesehen278. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist die Regelung indes wieder gestrichen worden. Damit steht fest, dass der europäische Verordnungsgeber die Anknüpfung an den Zedentensitz nicht in seinen Willen aufgenommen hat. Auch dem Umstand, dass dieselbe Anknüpfung im Abtretungsübereinkommen von 2001 angeordnet ist, kommt für die Interpretation des Drittwirkungsstatuts im Anwendungsbereich des Art. 14 Rom I-VO keine maßgebliche Bedeutung zu, zumal die Konvention nicht einmal in Kraft getreten ist279. Das zentrale Sachargument für die Anknüpfung an den Zedentensitz ist der angestrebte Schutz berechtigter Gläubigerinteressen280. Namentlich die Gläubiger des Zedenten sollen erkennen oder zumindest beim Zedent in Erfahrung bringen können, ob vorrangige Rechte Dritter an seinen Forderungen bestehen. Auf diese Weise soll das Interesse der Gläubiger an einem leichten und rechtssicheren Zugriff auf das Haftungsvermögen des Zedenten gesichert werden und zugleich soll verhindert werden, dass ihnen potenzielles Haftvermögen unerkannt entzogen wird. Allerdings haben Gläubiger schon nach materiellem Recht keinen Anspruch auf einen bestimmten Haftungsfonds ihres Schuldners. Ebenso wenig können Gläubiger von ihren Schuldnern außerhalb von Zwangsvollstreckung und Insolvenz verlangen, dass sie bestimmte Verfügungen über Vermögensgegenstände unterlassen, um auch weiterhin in der Lage zu sein, ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern zu befriedigen281. Wenn nun die Drittwirkungen der Forderungszession durch Anknüpfung an das am Zedentensitz geltende Sachrecht bestimmt werden, geht das damit implizierte Schutzniveau deutlich über das zur Sicherung berechtigter Gläubigerinteressen erforderliche Maß hinaus und unterminiert zugleich die materiellrechtliche Wertung, dass Gläubiger eben keinen Anspruch auf einen bestimmten Haftungsfonds der Schuldner erheben können282. Stattdessen verstößt die mit der Anknüpfung an das Drittstatut verbundene Beeinträchtigung der Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten gegen die systemprägenden Wertungen der (kollisionsrechtlichen) Suk278
Siehe oben § 22 IV. 1. Siehe oben § 22 I. 280 Vgl. Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 63; siehe ferner Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 239. 281 Vgl. Stadler, IPRax 2000, 104, 108; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 64; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 248. 282 Siehe bereits oben § 22 II. 1. d). 279
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
zessionsfreiheit. Erst wenn sich der Schuldner im Vorfeld einer finanziellen Krisenlage befindet, sind die Gläubigerinteressen durch besondere Schutzvorschriften des Anfechtungsrechts (§§ 129 ff. InsO, § 1 ff. AnfG) sowie durch deliktische Haftungstatbestände wegen Gläubigerbenachteiligung (§ 826 BGB) besonders geschützt, für die außerdem noch besondere Kollisionsregeln gelten283. Davon abgesehen ist der Gläubiger darauf verwiesen, sein Befriedigungsinteresse durch Einfordern besonderer (dinglicher) Sicherheiten selbst zu sichern284. Für einen weitergehenden kollisionsrechtlichen Gläubigerschutz ist kein Raum. Das gilt umso mehr in Anbetracht der Tatsache, dass ein deutscher Gläubiger womöglich gar nicht auf die Idee kommt, den Forderungsbestand des Zedenten in einem ausländischen Register zu verifizieren285. Kein wesentlicher Vorteil ist mit der Anknüpfung an den Zedentensitz im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zedenten verbunden. Zwar ist es richtig, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Zedenten vielfach mit dem Ort zusammenfallen wird, an dem das Insolvenzverfahren eröffnet würde286. Indes sorgt Art. 5 EuInsVO dafür, dass Sonderrechte der Sicherungsnehmer durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht beeinträchtigt werden287. Sicherungsnehmer haben durch die Verfahrenseröffnung also grundsätzlich nichts zu befürchten. Zudem kann ein Gleichlauf der für das Insolvenzverfahren und für die Drittwirkungen der Forderungszession geltenden Vorschriften auch durch eine autonome Rechtswahlentscheidung der Vertragsparteien herbeigeführt werden, was in der Praxis nicht selten vorkommen dürfte. Davon abgesehen führt die Sonderanknüpfung der Drittwirkung an den Zedentensitz zu einer gespaltenen Anknüpfung der Verfügungswirkungen im Verhältnis zwischen den Parteien einerseits und im Verhältnis zu allen übrigen Dritten andererseits. Hiermit würde die bewusste legislatorische Entscheidung für einen Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft im Innenverhältnis nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO erheblich entwertet. Denn die von den Vertragsparteien getroffene Rechtswahl beschränkte sich dann auf die zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen, erfasste indes nicht zugleich auch die Drittwirkungen im Außenverhältnis. Noch schwerer wiegen die mit der Anknüpfung an den Zedentensitz verbundenen Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zedenten kann schnell dazu führen, dass neben Vertrags- und Forderungsstatut noch ein gesondert nach dem Zedentensitz an283
Siehe oben § 22 II. 1. d). Vgl. Flessner, FS Canaris II, S. 545, 555 f.; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom IVO Rn. 64. 285 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 64; Stadler, IPRax 2000, 104, 108. 286 Dazu näher Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 240 f.; Bauer, Forderungsabtretung, S. 287 f. 287 Stadler, IPRax 2000, 104, 109; Flessner/Verhagen, Assignment, S. 60; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 241. 284
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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geknüpftes Drittwirkungsstatut von Bedeutung ist und damit drei unterschiedliche Zessionsrechte für die Forderungsabtretung Gültigkeit beanspruchen288. Die Folge ist zum einen eine Zersplitterung des anwendbaren Sachrechts, wie sie durch das neugeregelte Abtretungskollisionsrecht nach Maßgabe des Art. 14 Rom I-VO gerade vermieden werden sollte. Zum anderen führt die hiermit in die Behandlung der grenzüberschreitenden Forderungszession hineingetragene zusätzliche Komplexität zu höheren Transaktionskosten289 und residualen Unsicherheiten, die im Ergebnis wiederum dazu führen, dass selbst wohlstandsmaximierende Transaktionen im Zweifel nicht mehr durchgeführt werden. Eine Beeinträchtigung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands ist die unliebsame Konsequenz. Und schließlich sind da noch einige Aspekte, die eine Anknüpfung an den Sitz des Zedenten ebenfalls als denkbar ungeeignet erscheinen lassen. Zum einen kann die Ermittlung des Zedentensitzes mit Schwierigkeiten und hohen Informationskosten verbunden sein, zumal wenn es um die Überprüfung von Kettenabtretungen geht. Zum anderen treten rechtliche Unsicherheiten auf, wenn der Zedent eine natürliche Person ist und Wohnsitze in mehreren Ländern hat290. Bei juristischen Personen sind die Schwierigkeiten der Sitzbestimmung aus dem europäischen Insolvenzrecht bestens bekannt291. Man denke beispielsweise an die Bestimmung des Schwerpunkts der Hauptverwaltung bei Internetfirmen oder Unternehmen mit Doppelsitz292. Hinzu kommt die Gefahr, dass der Zedent nach erfolgter Abtretung seinen Sitz in einen anderen Staat verlegt und die Forderung nochmals an einen Dritten abtritt293. c) Plädoyer für eine Anknüpfung an das Vertragsstatut Die für eine Anknüpfung an das Forderungsstatut sowie den Zedentensitz lokalisierten Nachteile lassen sich durch Anknüpfung an das Vertragsstatut vermeiden. Das gilt insbesondere für die mit den Sonderanknüpfungen verbundenen zusätzlichen Transaktionskosten sowie die infolge gesteigerter Rechtszersplitterung erhöhten Qualifikations- und Angleichungsprobleme. Diese Schwachpunkte der abweichenden Auffassungen werden durch eine Anknüpfung an das Vertragsstatut und den hieraus resultierenden Gleichlauf des Innen288
Bauer, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 14 Rom I-VO Rn. 56; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 35; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 65; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 243; kritisch zu diesem Einwand Rudolf, Einheitsrecht, S. 583 f. 289 Dagegen kritisch Mankowski, IPRax 2012, 299, 302 f. 290 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 65. 291 Flessner, FS Canaris II, S. 545, 551 f.; zum europäischen Insolvenzrecht Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 474 ff.; Paulus, RabelsZ 70 (2006), 458 ff.; vgl. weiter Bauer, Forderungsabtretung, S. 286 ff. 292 Vgl. Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 242. 293 Flessner/Verhagen, Assignment, S. 64; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 242; jeweils mit Beispielen.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
verhältnisses zwischen Zedent und Zessionar auf der einen Seite und des Außenverhältnisses im Verhältnis zu außenstehenden Dritten – mit Ausnahme des Forderungsschuldners (Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO) – auf der anderen Seite vermieden294. Bestimmen sich die Rechtswirkungen der Forderungsabtretung im Verhältnis zwischen Zedent, Zessionar und sämtlichen Gläubigern allesamt nach dem Vertragsstatut, können eine Vielzahl komplexer Abgrenzungs- und Qualifikationsfragen gar nicht erst entstehen. Zudem sind auch – mit einer Statutenspaltung andernfalls verbundene – „unüberwindbare Wertungsdiskrepanzen“295 und „unsinnige Folgen“296 zu befürchten.297 Einer Sonderanknüpfung bedarf es zur Realisierung des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzprinzips ausschließlich im Verhältnis zum Schuldner. Davon abgesehen wird dem Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessions- und Rechtswahlfreiheit aufgrund ihres besonderen Stellenwerts gegenüber den – nicht in gleichem Maße schutzbedürftigen – Gläubigerinteressen der Vorrang eingeräumt. Die praktischen Vorteile des hier vertretenen Standpunkts liegen in der rechtlichen Behandlung von Sicherungs- und Globalzessionen über bestehende und künftige Forderungen298. Durch die Anknüpfung an das Vertragsstatut können die Parteien des Zessionsvertrags im Abtretungszeitpunkt die für das Verhältnis zwischen Zedent, Zessionar und allen außenstehenden Dritten maßgebliche Rechtsordnung auf parteiautonomer Grundlage selbst wählen. Die einheitliche Anknüpfung belebt den grenzüberschreitenden Rechts- und Handelsverkehr und erleichtert die Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten, sei es, dass sie zu Umsatzzwecken veräußert werden, sei es, dass sie zum Zweck der internationalen Kreditsicherung dienen. Für die einheitliche Geltung des Vertragsstatuts spricht weiterhin, dass dieser Anknüpfungspunkt im Vergleich zu den abweichenden Lösungsansätzen besonders rechtssicher handhabbar ist299. Die Parteien können kraft Rechtswahl einfach und schnell über das anwendbare Recht entscheiden und werden dies typischerweise dokumentieren, so dass sich die geltende Rechtsordnung leicht ermitteln lässt. Dass es im Außenverhältnis, namentlich gegenüber den Gläubigern des Zedenten, womöglich an der objektiven Erkennbarkeit fehlt300, spielt 294 So auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 67; Flessner, IPRax 2009, 35, 40; Mann/Nagel, WM 2011, 1499, 1503; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 237; vgl. weiter Bauer, Forderungsabtretung, S. 274 ff.; Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 497. 295 Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 709; vgl. ferner dies./Schütze, IPRax 2005, 200, 206; Basedow, ZEuP 1997, 615, 623. 296 Mäsch, in: Leible, Grundbuch, S. 193, 203. 297 Vgl. Rudolf, Einheitsrecht, S. 578. 298 Siehe schon oben § 22 II. 1. b). – Vgl. weiter Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 499 f.; Rudolf, Einheitsrecht, S. 579; Flessner, FS Canaris II, S. 545, 552; Bauer, Forderungsabtretung, S. 277; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 68. 299 Zum Aspekt der Rechtssicherheit siehe auch Flessner/Verhagen, Assignment, S. 21 f.; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 68, 71. 300 Siehe die Kritik bei Bauer, Forderungsabtretung, S. 277 und Rudolf, Einheitsrecht, S. 579 f.
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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keine entscheidende Rolle. Ebenso wenig wie Gläubiger nach materiellem Recht – außerhalb von Zwangsvollstreckung und Insolvenz – einen Anspruch auf bestimmte Gegenstände des Schuldners (Zedenten) geltend machen können, müssen sie aus kollisionsrechtlicher Perspektive davor geschützt werden, dass ihnen potenzielles Haftvermögen durch schuldnerische Transaktionen verlorengeht. Daher können sie auch nicht verlangen, dass für sie das anwendbare Recht im Außenverhältnis erkennbar ist. Vielmehr müssen Dritte im grenzüberschreitenden Rechts- und Handelsverkehr stets damit rechnen, dass sich Forderungsabtretungen nach einem fremden Recht vollziehen301. Damit sind die Gläubiger auch nicht schutzlos gestellt. Vielmehr werden ihre berechtigten Interessen durch die bekannten, kollisionsrechtlich gesondert angeknüpften Sondervorschriften des Anfechtungsrechts sowie die deliktischen Haftungstatbestände hinreichend abgesichert. Ein höheres Schutzniveau können sie weder nach materiellem Recht noch nach Kollisionsrechts beanspruchen. Deshalb handelt es sich bei der im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar vereinbarten, für den Gläubiger indes nicht erkennbaren und womöglich nachteiligen Rechtswahl auch nicht um einen Vertrag zulasten Dritter. Und schließlich sind noch sukzessionsdogmatische Argumente in die Waagschale zu werfen. Die Sukzession lässt sich als eine Änderung der subjektiven Rechtszuordnung verstehen, wobei dem Rechtsinhaber ein bestimmtes Recht typischerweise mit absoluter und ausschließlicher Wirkung zugeordnet wird302. Das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung impliziert den Ausnahmecharakter relativer Rechtspositionen. Gerade eine solche relative Gläubigerstellung wäre nun aber die Folge, wenn Vertrags- und Drittwirkungsstatut einer unterschiedlichen Anknüpfung unterfielen. Damit aber nicht genug: Eine vom Abtretungsstatut abweichende Sonderanknüpfung des Drittwirkungsstatuts würde zudem die nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO angeknüpfte Sukzessionswirkung auf das Verhältnis zwischen den Parteien des Abtretungsvertrags beschränken und damit die Geltung des Vertragsstatuts einschließlich der Rechtswahlmöglichkeit sowie die von Erwägungsgrund 38 angeordnete dingliche Wirkung der Forderungszession weitgehend sinnentleeren. Das ist mit der grundlegenden Intention des europäischen Verordnungsgebers nach einem weitgehenden Gleichlauf der Anknüpfungspunkte im reformierten Abtretungskollisionsrecht schwerlich vereinbar. Knüpft Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO die Gültigkeit der Verfügungswirkung an das Verpflichtungsstatut, dann liegt es nahe, die Verfügungswirkungen nicht singulär auf das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar zu beschränken, sondern gegenüber allen sonstigen Dritten wirken zu lassen303. Hinzu kommt, dass zwar auch das deutsche Sachrecht rela301
Zutreffend Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 499 f. Siehe oben § 2 II. 2. 303 Wie hier auch Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 41 f.; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 71; besonders pointiert und ausführlich Flessner, IPRax 2009, 35, 40: „Es ist juristisches Naturgesetz, dass das Entstehungs- und das Verfügungsstatut auch 302
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
tive Rechtspositionen kennt304, nicht aber solche, die relativ wirksam nur zugunsten einer einzigen Person sind305. Dies wäre aber bei einer Beschränkung der in Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO angeordneten Verfügungswirkung auf das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar der Fall. Darüber hinaus manifestiert sich die besondere Nähe des Drittwirkungsstatuts zum Vertragsstatut auch darin, dass eine wirksame Verfügung im Innenverhältnis zwischen den Parteien des Abtretungsvertrags unverzichtbare Voraussetzung einer jeden Drittwirkung ist306. Entfaltet die Forderungszession im Innenverhältnis keine Verfügungswirkung, kommt auch eine Wirkung im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern nicht in Betracht; ebenso wenig stellt sich das Problem der sogleich im Anschluss diskutierten Mehrfachzession. d) Sonderfall der konkurrierenden Abtretungen Einen Sonderfall bildet die wiederholte Abtretung derselben Forderung an verschiedene Zessionare. Anders als bei den bisher behandelten Prioritätskonflikten zwischen dem Gläubiger bzw. Insolvenzverwalter des Zedenten und dem Zessionar, geht es im vorliegenden Zusammenhang weniger um den Schutz von Gläubigerinteressen307, sondern vielmehr um den Schutz des konkurrierenden Erwerbsinteresses der betroffenen Zessionare. Aber auch hier vermag nur die Anknüpfung an das Abtretungsstatut308 zu gewährleisten, dass der jeweilige Zessionar darauf vertrauen kann, die Forderung nach Maßgabe des selbst gewählten oder nach objektiven Grundsätzen erkennbaren Rechts zu erwerben. Haben sich die Parteien bewusst für eine bestimmte Rechtsordnung entschieden oder gilt kraft Gesetzes ein bestimmtes Zessionsrecht, ist es nur konsequent, auch die Wirksamkeit konkurrierender Forderungszessionen nach diesem Recht zu beurteilen309. Das Vertrauen der Zessionare würde hingegen enttäuscht, wenn sich die Prioritätsfrage nicht nach dem gewählten Vertragsstatut entscheiden würde, sondern – in Übereinstimmung mit der früher 304 über die Drittwirkungen entscheidet. Dem Sachenrecht ist die Drittwirkung bekanntlich immanent. Sie ist es aber auch bei unkörperlichen Gütern, wenn es um den Erwerb einer Rechtsstellung geht, der sich aus der Inhaberschaft des Rechts ableitet.“ 304 Siehe nochmals oben § 4 III. 2. c) dd). 305 Zutreffend Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 41 f.; diese Kritik nicht überzeugend widerlegend Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 494. 306 Zutreffend Rudolf, Einheitsrecht, S. 578. 307 Vgl. noch Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 45; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 74; Flessner, IPRax 2009, 35, 41. 308 Ebenso Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 43; wohl auch Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 114; im Grundsatz ebenso, aber mit der Ausnahme nicht auflösbarer Konflikte Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 74 f.; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11; zum früheren Recht Stadler, IPRax 2000, 104, 109; a.A. aber Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7, der weiterhin an das Forderungsstatut anknüpfen will; ausführliche Kritik auch bei Selke, WM 2012, 1467, 1470 ff. 309 Stadler, IPRax 2000, 104, 109; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 74.
IV. Drittwirkung der Forderungsabtretung
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h.M.310 – nach Maßgabe des Forderungsstatuts311 oder dem am Zedentensitz geltenden Zessionsrecht312. Gleichwohl wird auch im modernen Schrifttum noch immer vereinzelt eine Anknüpfung an das Forderungsstatut befürwortet313. Damit soll verhindert werden, dass auf die konkurrierenden Abtretungen durch eine differenzierte Rechtswahlentscheidung unterschiedliche Zessionsrechte zur Anwendung gelangen und so das Vertrauen des Erstzessionars auf die Rechtsbeständigkeit seiner wirksam erworbenen Forderungsposition enttäuscht wird314. Tatsächlich bestehen indes keine durchgreifenden Bedenken gegen eine unterschiedliche Anknüpfung konkurrierender Abtretungen315: Zum einen ist die Forderungszuständigkeit auch bei einer unterschiedlichen Rechtswahl zu jedem Zeitpunkt eindeutig bestimmbar. Für die frühere Abtretung gilt das zwischen Zedent und Erstzessionar vereinbarte Recht. Für die spätere Abtretung gilt das zwischen Zedent und Zweitzessionar vereinbarte Recht. Im Rahmen der nachfolgenden Forderungszession ist dabei die Rechtslage anzuerkennen, die durch Rechtswahl im Rahmen der vorausgegangenen Abtretung herbeigeführt worden ist. Ist die Erstabtretung wirksam erfolgt, scheidet ein Forderungserwerb vom Berechtigten nach Maßgabe des Prioritätsprinzips, das (nicht nur) im deutschen Vermögensrecht von grundlegender Bedeutung ist316, sondern namentlich im Internationalen Sachenrecht zum anerkannten Kanon kollisionsrechtlicher Grundprinzipien zählt317, dem Grunde nach aus. Ein Rechtserwerb im Rahmen der Zweitzession kommt nur in Betracht, wenn die gewählte Rechtsordnung ausnahmsweise den redlichen Forderungserwerb vom Nichtberechtigten erlaubt.
310
BGH NJW 1999, 940; Doehner, in: AnwKommBGB, Art. 33 EGBGB Rn. 9; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 12; Hohloch, in: Erman, BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 6; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 6; Kropholler, IPR, § 52 VIII 1; v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 470; Basedow, ZEuP 1997, 615, 623; Einsele, ZVglRWiss 90 (1991), 1, 23; Stadler, IPRax 2000, 104, 109. 311 Flessner, FS Kühne, S. 703, 707 f.; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 74. 312 Dafür nach früherem Recht: Kieninger, RabelsZ 62 (1998), 678, 702 ff.; Kaiser, Eigentumsvorbehalt, S. 208 ff. 313 Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I, S. 217, 248 f.; mit einer engen Begrenzung für Ausnahmefälle auch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 75; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11. 314 Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 495 f.; Kieninger/Schütze, IPRax 2005, 200, 206. 315 Instruktiv dazu Flessner, FS Canaris II, S. 545, 558 f.; nochmals ders., FS Kühne, S. 703, 711, 713; ebenso schon Flessner/Verhagen, Assignment, S. 32 ff.; im Ergebnis ebenso Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 43; Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 114; vgl. noch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 75; dagegen dezidiert Bauer, Forderungsabtretung, S. 224 ff. 316 Siehe ausf. oben § 5 I. 3. 317 Vgl. Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 43 gegen die Kritik von Kieninger/Sigmann, in: Ferrari/Leible, Vertragsrecht, S. 179, 184 f.; kritisch auch Bauer, Forderungsabtretung, S. 224 f.; Selke, WM 2012, 1467, 1472 f.
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Zum anderen besteht kein Grund, das Vertrauen des Erstzessionars auf den Erhalt seiner Rechtsposition per se höher zu gewichten als das Vertrauen des Zweitzessionars auf den (redlichen) Erwerb des Forderungsrechts. Vielmehr sind die Wertungsentscheidungen des jeweils anwendbaren Sachrechts zu akzeptieren, insbesondere soweit nur das von den Vertragsparteien für die Zweitabtretung gewählte Sachrecht einen redlichen Forderungserwerb zulässt. Dass hierdurch im Einzelfall die Interessen des Erstzessionars beeinträchtigt werden können, liegt in der Natur der Sache, ist indes kein spezifisches Problem des Kollisionsrechts, sondern beruht eben auf den Wertungsentscheidungen des gewählten Zessionsrechts und entspricht dem Vertrauensinteresse des Zweitzessionars auf die Gültigkeit des gewählten Vertragsstatuts. Nun mag das individuelle Erwerbsinteresse des Zweitzessionars für sich allein nicht geeignet sein, sich gegen das Beharrungsinteresse des Erstzessionars durchzusetzen. Daneben tritt indes das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Der dem Zweitzessionar gewährleistete Gutglaubensschutz ist gerechtfertigt, weil der Zweiterwerber bei einem redlichen Erwerb als Repräsentant des Rechtsverkehrs in Erscheinung tritt. Nicht nur er allein profitiert von dem redlichen Erwerb des Forderungsrechts, sondern auch alle mit ihm verbundenen Geschäftspartner, die sich ebenfalls auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbsvorgangs verlassen dürfen. Darüber hinaus ist es auch aus rechtsökonomischer Perspektive effizient, die jeweilige Rechtswahlentscheidung zu akzeptieren. Denn andernfalls müsste der Erwerber zeit- und kostenintensive Nachforschungen über das anwendbare Zessionsrecht anstellen. Diese Such- und Informationskosten fallen weg, wenn sich die Vertragsparteien auf die Beständigkeit ihrer Rechtswahl verlassen können und nicht damit rechnen müssen, dass stattdessen eine Anknüpfung nach dem Forderungsstatut erfolgt. Dementsprechend erhöht die uneingeschränkte Zulassung der freien Rechtswahl die grenzüberschreitende Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten und dient so dem übergeordneten Prinzip der (kollisionsrechtlichen) Sukzessionsfreiheit. Die Rechtswahlfreiheit verwirklicht auch in diesem Zusammenhang einmal mehr die Grundwerte des Europäischen Binnenmarkts. Vor diesem Hintergrund sind auch die im Einzelfall enttäuschten Erwartungen des Erstzessionars hinzunehmen. Dass die Vertragsparteien sich bei einer Rechtswahl tendenziell einem möglichst unkomplizierten und publizitätslosen Zessionsrecht zuwenden werden318, bedeutet dabei keinen Nachteil des hiesigen Ansatzes, sondern stärkt im Gegenteil den Wettbewerb der Rechtsordnungen im Abtretungsrecht. Nur wenn sich die Rechtswahl im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich erweist, mag der Vorbehalt des ordre public eingreifen319 oder eine Lösung besonders eklatanter Missbrauchsfälle über unmittelbar anwendbare Eingriffsnor-
318 319
So Selke, WM 2012, 1467, 1473. Vgl. Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 498.
V. Zusammenfassung
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men erfolgen320.321 Endgültige Abhilfe kann an dieser Stelle letztlich aber nur eine weitergehende Angleichung der nationalen Zessionsrechte schaffen322.
V. Zusammenfassung In Parallele zum materiellen Recht und Zivilprozessrecht ist auch das Internationale Privatrecht der Forderungszession geprägt durch die beiden systemtragenden Prinzipien der (kollisionsrechtlichen) Sukzessionsfreiheit und des (kollisionsrechtlichen) Sukzessionsschutzes. Ihre primäre Ausformung hat die kollisionsrechtliche Sukzessionsfreiheit in Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO erfahren. Danach findet auf den zwischen Zedent und Zessionar geschlossenen Zessionsvertrag dasjenige Recht Anwendung, das die Parteien entweder nach Maßgabe des Art. 3 Rom I-VO selbst gewählt haben oder das nach der objektiven Anknüpfung der Art. 4–8 Rom I-VO gilt. Anders als nach früherem Recht beschränkt sich die Rechtswahlfreiheit nicht mehr nur auf das Verpflichtungsgeschäft, sondern erfasst – ausweislich des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 Rom IVO („Verhältnis“) und Erwägungsgrund 38 – auch das Verfügungsgeschäft. Der hiermit bewirkte Gleichlauf von Kausal- und Erfüllungsgeschäft ist aus rechtspolitischer Perspektive uneingeschränkt zu begrüßen. Die einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsstatut im Rahmen eines homogenen Abtretungsstatuts verhindert eine Zersplitterung des auf die Forderungszession anwendbaren Sachrechts, sorgt für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des geltenden Rechts und senkt die mit der Transaktion verbundenen Kosten. Das steigert die Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten und dient dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit). Berechtigte Schuldnerinteressen stehen einer einheitlichen Anknüpfung nach dem Vertragsstatut nicht im Wege. Vielmehr gewährleistet Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO durch eine selektive Anwendung des Forderungsstatuts im Verhältnis zum Schuldner hinreichenden Schuldnerschutz. Auch berechtigte Gläubigerinteressen können nicht gegen die Anknüpfung an das Vertragsstatut geltend gemacht werden. Denn zum einen bestehen die nach dem Vertragsstatut angeknüpften Tatbestandsvoraussetzungen und Unwirksamkeitsgründe primär im Interesse der Vertragsparteien, nicht aber der außenstehenden Gläubiger. Zum anderen können die Gläubiger auch nicht darauf vertrauen, dass sich grenzüberschreitende Transaktionen ausschließlich nach inländischem Recht richten. Besonderen Schutz genießen sie lediglich nach Maßgabe des – wiederum gesondert angeknüpften – Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts. 320 Vgl. Einsele, RabelsZ 74 (2010), 91, 111, 115; dagegen wiederum Mann/Nagel, WM 2011, 1499, 1504; Selke, WM 2012, 1467, 1474. 321 Zu beiden Gesichtspunkten siehe schon oben § 22 II. 2. c). 322 Dazu unten § 25. Vgl. auch Mann/Nagel, WM 2011, 1499, 1503; Leible/Müller, IPRax 2012, 491, 498.
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
Von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung kollisionsrechtlicher Sukzessionsfreiheit ist die Gewährleistung der freien Rechtswahl auf der Verpflichtungsund Verfügungsebene. Die Freiheit der Rechtswahl findet ihre Grundlage im systemprägenden Prinzip der Parteiautonomie, die als kollisionsrechtliches Gegenstück zur materiellrechtlichen Privatautonomie einen tragenden Grundpfeiler des Internationalen Vertragsrechts bildet. Das Prinzip der freien Rechtswahl ist zudem unionsrechtlich und rechtsökonomisch abgesichert und beruht sachlich auf der Annahme, dass die Vertragsparteien selbst am besten wissen, welche Rechtsordnung ihren Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnissen optimal gerecht zu werden vermag. Daneben macht die Rechtswahl das anwendbare Recht vorhersehbar und sorgt auf diese Weise im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rechtswahlfreiheit als ein tragendes Struktur- und Wertungsprinzip, dem im modernen Internationalen Privatrecht systemprägende Bedeutung zukommt. Zulässig ist nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO auch eine teilweise Rechtswahl (dépeçage) in dem Sinne, dass die Vertragsparteien sich für eine gespaltene Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft entscheiden können. Zwar kann es hierdurch zu Abgrenzungs- und Qualifikationsproblemen kommen; aber auch in dieser Beziehung gilt die Annahme, dass die Vertragsparteien selbst am besten einschätzen können, ob sie diese Schwierigkeiten im Gegenzug für eine uneingeschränkte – auch teilweise – Rechtswahl in Kauf nehmen wollen. Das Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes findet seine primäre Ausformung in Form der Anknüpfung des Verhältnisses zum Schuldner an das Forderungsstatut gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO. Da der Schuldner an der Rechtswahl der Vertragsparteien nicht beteiligt ist, wird sein Vertrauen auf die Anwendbarkeit des Zessionsrechts geschützt, dem die Forderung kraft ihrer Entstehung unterliegt. Es gilt das Identitätsprinzip: Das auf die Forderung anwendbare Recht bleibt auch nach einer abweichenden Rechtswahl durch die Vertragsparteien unverändert. So wird der Schuldner insbesondere vor einer kollisionsrechtlichen Verschlechterung seiner Rechtsposition geschützt (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Umgekehrt bedeutet die Sonderanknüpfung von Schuldnerschutzvorschriften nach dem Forderungsstatut eine Einschränkung des übergeordneten Prinzips der Sukzessionsfreiheit, die nicht weiter reichen darf, als sie zum Schutz des erstrebten Regelungsziels unbedingt notwendig ist. Daher erfährt die Anknüpfung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO in teleologischer Interpretation eine zweifache Einschränkung: Zum einen ist das Forderungsstatut nur anwendbar, wenn die materiellrechtliche Vorschrift tatsächlich dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt ist (limitierter Anwendungsbereich). Zum anderen beschränken sich die Wirkungen des Forderungsstatuts ausschließlich auf das Verhältnis zum Schuldner (limitierter Wirkbereich). Trotz dieser Einschränkungen steht die Geltung des Forderungsstatuts indes nicht zur Disposition des Forderungsschuldners.
V. Zusammenfassung
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Aus der Beschränkung auf das Verhältnis zum Schuldner resultiert das Problem der relativen Gläubigerstellung. So kann es vorkommen, dass die Forderung zwar im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien bereits dem Zessionar zugeordnet ist, im Verhältnis zum Schuldner indes auch weiterhin dem Zedent zusteht. Die insofern gespaltene Anknüpfung des Verfügungs- und Forderungsstatuts ist als notwendige Konsequenz der Gewährleistung von Rechtswahl- und Sukzessionsfreiheit auf der einen Seite und der Gewährleistung effektiven Schuldner- und Sukzessionsschutzes auf der anderen Seite im Ergebnis hinzunehmen. In Anlehnung an das materielle Recht sollte der Konflikt dahingehend aufgelöst werden, dass zwar dem Zessionar das Forderungsrecht nach dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung in ausschließlicher Weise zugewiesen, er indes daran gehindert ist, das Leistungsrecht gegen den Schuldner durchzusetzen. Die sachliche Reichweite des kollisionsrechtlichen Schuldnerschutzes ergibt sich aus dem in Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO niedergelegten Katalog einzelner Rechtsfragen und Regelungsbereiche. Von besonderer Bedeutung sind Abtretungsbeschränkungen. Infolge des limitierten Anwendungsbereichs werden sie indes nur dann nach dem Forderungsstatut angeknüpft, wenn sie tatsächlich dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt sind. Das ist bei rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkungen (vgl. § 399 Alt. 2 BGB) typischerweise der Fall. Bei gesetzlichen Abtretungsbeschränkungen ist zu differenzieren. Schließen Abtretungsverbote den Forderungsübergang infolge einer damit verbundenen Inhaltsänderung der geschuldeten Leistung aus (vgl. § 399 Alt. 1 BGB), sind sie nach dem Forderungsstatut anzuknüpfen. Dienen die Verbote indes primär Gläubigerinteressen, sind sie nach dem Vertragsstatut anzuknüpfen. Das gilt namentlich für Abtretungsbeschränkungen, die dem Forderungsinhaber den Vermögenswert erhalten wollen (vgl. § 400 BGB). Abzulehnen ist die Einordnung solcher Zessionshindernisse als Eingriffsnormen iSd. Art. 9 Rom I-VO. Das gilt nicht nur für Beschränkungen bei unpfändbaren Forderungen, sondern auch für Abtretungsverbote gem. § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO und gem. § 134 BGB iVm. § 203 StGB. Vorschriften betreffend künftige und bedingte Forderungen zielen nicht auf den Schutz berechtigter Schuldnerinteressen ab, sondern dienen primär dem Schutz des Zedenten vor unüberlegten und übereilten Abtretungen. Sie sind daher auch nicht nach dem Forderungs-, sondern nach dem Vertragsstatut anzuknüpfen. Auf Sicherungs- und Globalzessionen sind nach Art. 14 Abs. 3 Rom IVO (analog) die allgemeinen Grundsätze anwendbar. Die relevanten Vorschriften zielen auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Zedenten ab, so dass sie ebenfalls nach dem Vertragsstatut anzuknüpfen sind. Sehr umstritten ist die Bestimmung des Drittwirkungsstatuts. Nach zutreffender Auffassung gilt auch im Verhältnis zu den Gläubigern der Vertragsparteien und im Verhältnis konkurrierender Zessionare untereinander das von den Vertragsparteien frei wählbare Abtretungsstatut. Es bestimmt sich auf Grund-
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§ 22 Die grenzüberschreitende Forderungszession
lage einer autonom-unionsrechtlichen Interpretation des Art. 14 Rom I-VO. Zwar lässt sich aufgrund der Komplexität der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse und Interessenlagen der an der Forderungszession Beteiligten keine optimale Einheitslösung finden. Betrachtet man indes die Argumente für und gegen die einzelnen Anknüpfungspunkte, sprechen die besseren Argumente – sowohl de lege lata als auch de lege ferenda – für eine einheitliche Anknüpfung von Abtretungs- und Drittwirkungsstatut. Gegen die Geltung des Forderungsstatuts sprechen die Gesetzessystematik und der beschränkte Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO sowie die praktischen Nachteile bei Global-, Sicherungs- und Vorausabtretungen. Gegen die Anknüpfung an den Zedentensitz spricht die Entstehungsgeschichte des Art. 14 Rom I-VO, die mangelnde Schutzbedürftigkeit von Gläubigerinteressen sowie die mit drei unterschiedlichen Zessionsrechten verbundenen Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme einschließlich der damit verbundenen höheren Transaktionskosten. Die genannten Nachteile werden durch einen Gleichlauf von Abtretungsund Drittwirkungsstatut vermieden. Die einheitliche Anknüpfung sorgt für niedrige Transaktionskosten, erhöht die Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten und dient damit dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Das gilt insbesondere für die Behandlung von Global- und Sicherungszessionen unter Einschluss künftiger Forderungen. Und schließlich sprechen noch sukzessionsdogmatische Argumente für den Gleichlauf, der die Entstehung relativer Rechtspositionen weitgehend vermeidet. Von diesen Grundsätzen ist auch für den Sonderfall konkurrierender Abtretungen keine Ausnahme angezeigt. Die Anknüpfung nach dem Abtretungsstatut gewährleistet, dass der jeweilige Zessionar darauf vertrauen kann, die Forderung nach Maßgabe des selbst gewählten oder nach objektiven Grundsätzen erkennbaren Rechts zu erwerben. Konflikte werden durch die Geltung des Prioritätsprinzips gelöst. Wenn dies zur Folge hat, dass das Vertrauen des Erstzessionars auf die Rechtsbeständigkeit des Forderungserwerbs enttäuscht wird, ist dies kein Nachteil der kollisionsrechtlichen Beurteilung, sondern eine Wertungsentscheidung des gewählten materiellen Rechts. Fälle eklatanten Rechtsmissbrauchs sind unter Rückgriff auf den Vorbehalt des ordre public oder unmittelbar anwendbare Eingriffsnormen zu bewältigen. Eine allseits überzeugende Lösung setzt eine Angleichung der nationalen Zessionsrechte voraus. Darum wird es unter anderem im fünften Teil der Arbeit gehen.
§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme Neben der grenzüberschreitenden Forderungszession erfreuen sich in der Wirtschaftspraxis auch die grenzüberschreitende Schuld- und vor allem Vertragsübernahme zunehmender Beliebtheit. Man denke nur an die grenzüberschreitende Übertragung von Kredit-, Liefer- und Dienstleistungsverträgen. Dazu in schroffem Gegensatz steht die Aufmerksamkeit, die dem Kollisionsrecht der Schuld- und Vertragsübernahme im modernen Schrifttum zuteilwird. Auch nach Schaffung eines europäischen Internationalen Vertragsrechts (Rom I-VO) argumentiert die ganz überwiegende Auffassung noch immer auf Grundlage des nationalen Kollisionsrechts, das seinerseits indes keine einschlägigen Vorschriften enthält. Nachfolgend wird im Gegensatz dazu für eine autonom-unionsrechtliche Anknüpfung der grenzüberschreitenden Schuld- und Vertragsübernahme in Analogie zu Art. 14 Rom I-VO eingetreten (I.). Was das für den privativen Schuldnerwechsel konkret bedeutet, beurteilt sich in differenzierender Weise danach, ob es sich um eine interne Schuldübernahme zwischen Altschuldner und Schuldübernehmer handelt, wie sie das deutsche Recht in § 415 BGB vorsieht (II.), oder ob sich der Gläubiger mit dem Übernehmer – wie in § 414 BGB vorgesehen – auf eine externe Schuldübernahme geeinigt hat (III.). Abschließend sind die für den Schuldnerwechsel entwickelten Grundsätze noch auf die grenzüberschreitende Vertragsübernahme zu übertragen (IV.).
I. Kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt Die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Schuld- und Vertragsübernahme ist gesetzlich nicht geregelt. Anders als das Drittwirkungsstatut der Forderungsabtretung liegt der Grund für diese Regelungslücke allerdings nicht darin begründet, dass sich die interessierten Kreise im Rahmen der über die Rom I-VO geführten Verhandlungen nicht einigen konnten1. Vielmehr hat sich der europäische Gesetzgeber bisher ganz bewusst einer Regelung des Themenkomplexes enthalten. In ihrem Bericht zum EVÜ hatten Mario Giuliano und Paul Lagarde diese legislatorische Zurückhaltung noch damit begründet, bei der kollisionsrechtlichen Behandlung der Schuldübernahme handele sich „um ein neues Pro-
1
Siehe oben § 22 IV. 1.
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
blem“, über dessen „Lösung noch viele Ungewissheiten“ bestünden2. Dieser Einschätzung folgte nicht nur der deutsche IPR-Gesetzgeber bei Umsetzung des EVÜ in nationales Recht im Jahre 1986, sondern auch der europäische Gesetzgeber in 2008, der sich in der Rom I-VO ebenfalls einer Kollisionsregel für die internationale Schuldübernahme enthielt, von der grenzüberschreitenden Vertragsübernahme ganz zu schweigen. Konsequenz der klaffenden Regelungslücke ist nach überwiegender Auffassung die Anwendung des nationalen Kollisionsrechts3. Da der europäische Gesetzgeber die Rechtsmaterie bewusst ungeregelt lassen wollte, müsse auf das autonome IPR der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden. Indes ist ein solcher Rückgriff auf das nationale Recht mit dem Regelungsziel der Rom I-VO schwerlich in Einklang zu bringen, ist die Verordnung doch in ihrer Gesamtheit darauf ausgerichtet, einheitliche Verhältnisse im europäischen Binnenmarkt zu schaffen. In diesem Zusammenhang gelten die für eine verordnungsautonome Anknüpfung des Drittwirkungsstatuts der Forderungszession vorgebrachten Argumente entsprechend4: Die Anknüpfung an das IPR der Mitgliedstaaten läuft dem erklärten Ziel der Rom I-VO, das europäische Internationale Vertragsrecht zu vereinheitlichen, diametral zuwider, und führt in der Folge zu einer Zersplitterung des internationalen Schuld- und Vertragsübernahmerechts. Für die Vertragsübernahme ist dieser Zustand besonders misslich, setzte sich eine nationalstaatliche Anknüpfung doch zu den Wertungen des verordnungsautonom geregelten Abtretungskollisionsrechts in Widerspruch. Daraus können schwerwiegende Friktionen erwachsen, wenn das Rechtsinstitut der Vertragsübernahme der anwendbaren Rechtsordnung nicht bekannt ist und die Transaktion in ihre maßgeblichen Teile, d.h. eine Forderungszession und eine Schuldübernahme, aufzuspalten ist5, die nach herkömmlicher Auffassung einmal verordnungsautonom und einmal nationalstaatlich anzuknüpfen wären. Demgegenüber verhindert die autonom-unionsrechtliche Anknüpfung der grenzüberschreitenden Schuld- und Vertragsübernahme eine Zersplitterung des internationalen Sukzessionsrechts und dient gleichermaßen der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Zudem spricht für eine verordnungsautonome Anknüpfung auch der unionsrechtliche Grundgedanke des effet utile, wonach europäischen Kollisionsnormen im Wege extensiver Auslegung und Analogiebildung größtmögliche Geltung und Wirksamkeit zu verschaffen ist. Deshalb hindert auch der Umstand, dass sich die Rom I-VO der Regelung einzelner Rechtsfragen über vertragliche Schuldverhältnisse enthalten hat, nach einhelliger Auffassung nicht daran, im Wege einer Analogiebildung zur Lückenschließung auf die Bestimmungen der 2
BT-Drucks. 10/503, S. 68; zustimmend Möllenhoff, Rechtswahl, S. 89. Vgl. nur Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 1; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 1. 4 Siehe zur Argumentation und den zugehörigen Fundstellen oben § 22 IV. 2. 5 Zum Problem siehe unten § 23 IV. 1. 3
II. Interne Schuldübernahme
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Verordnung zurückzugreifen6. Das gilt umso mehr, als Schuld- und Vertragsübernahme auch nicht durch eine Bereichsausnahme gem. Art. 1 Abs. 2 Rom IVO aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen worden sind. Und schließlich entspricht die autonom-unionsrechtliche Behandlung auch dem aktuellen Trend einer zunehmenden Ausweitung des gemeineuropäischen Kollisions- und Verfahrensrechts sowie dem Grundsatz der einheitlichen verordnungsautonomen Auslegung, wie er sich auch in Erwägungsgrund 6 der Rom I-VO manifestiert. Es liegt daher nahe, für die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme – ebenso wie für die Anknüpfung des Drittwirkungsstatuts der Forderungszession7 – eine verordnungsautonome Lösung zu entwickeln. Angesichts der im Laufe dieser Untersuchung vielfach herausgestellten, strukturellen Nähe von Forderungsabtretung sowie Schuld- und Vertragsübernahme8 bilden die zu Art. 14 Rom I-VO entwickelten Struktur- und Wertungsprinzipien das tragende Fundament für die kollisionsrechtliche Behandlung der Schuld- und Vertragsübernahme. Im Wege der einzelfallgeleiteten Analogiebildung zu den Regeln des Art. 14 Rom I-VO ist daher im Folgenden ein autonom-unionsrechtliches internationales Schuld- und Vertragsübernahmerecht zu entwerfen.
II. Interne Schuldübernahme Für das Verhältnis zwischen Altschuldner und Übernehmer gilt analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO dasjenige Recht, das nach den allgemeinen Kollisionsregeln auf den geschlossenen Übernahmevertrag zur Anwendung gelangt (Vertragsstatut). Das sorgt für einen Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft und eine umfassende Gewährleistung der freien Rechtswahl (1.). Für das Verhältnis zum Gläubiger gilt analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO das Statut der übernommenen Schuld (Schuldstatut), das in seinem Anwendungs- und Wirkbereich auf Gläubigerschutzbelange limitiert ist (2.). Drittwirkungen der Schuldübernahme, namentlich in Bezug auf Sicherungs- und Nebenrechte der übernommenen Schuld (Nebenrechtestatut), sind mit Blick auf die Interessenlage von Gläubiger und Sicherungsgeber gesondert anzuknüpfen (3.).
6 Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 101; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 18; ders., in: Reithmann/Martiny, Vertragsrecht, Rn. 414; zum früheren Recht bereits Leible, in: AnwKommBGB, Art. 37 EGBGB Rn. 4; speziell zur Anknüpfung der Schuld- und Vertragsübernahme auch Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 48; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11; wohl auch Rosch, in: jurisPK, BGB, Art. 14 Rom IVO Rn. 41. 7 Siehe oben § 22 IV. 2. 8 Siehe exemplarisch oben § 2, § 4 II., § 15 und passim.
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
1. Verhältnis zwischen Altschuldner und Übernehmer a) Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft Während das der Schuldübernahme zugrunde liegende (schuldrechtliche) Verpflichtungsgeschäft nach einer früher vertretenen Auffassung noch dem Schuldstatut unterworfen wurde9, plädiert die heute einhellige Meinung für eine Anknüpfung nach den allgemeinen Grundsätzen der Art. 3 ff. Rom I-VO10. Dementsprechend können die Vertragsparteien das anwendbare Schuldübernahmerecht gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO entweder frei wählen (Vertragsstatut)11 oder es gilt gem. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Übernehmers, der die charakteristische Leistung des Übernahmevertrages erbringt12. Die Anknüpfung der Schuldübernahme als Verfügungsgeschäfts über eine negative Vermögensposition (Verfügungsstatut), ist hingegen noch immer umstritten. Nur vereinzelt plädiert das Schrifttum für die Geltung des Vertragsstatuts13; die ganz überwiegende Auffassung tritt hingegen für die herkömmliche Anknüpfung nach dem Schuldstatut ein14. Dennoch gebührt der Geltung des 9
So etwa Rabel, Conflict III, S. 457 f. Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 51; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 1, 6; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 22, 24; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 13; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; zum früheren Recht Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 38; v. Bar, IPRax 1991, 197, 199 f.; Möllenhoff, Rechtswahl, S. 96; Siedel, Anknüpfung, S. 47; Kegel/Schurig, IPR, § 18 VII 3; Kropholler, IPR, § 52 VIII 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 30. 11 Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 24; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 6; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 13; zum früheren Recht Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 38; v. Bar, IPRax 1991, 197, 199 f.; Möllenhoff, Rechtswahl, S. 96 Fn. 154; Kropholler, IPR, § 52 VIII 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 30. 12 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 6; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom IVO Rn. 24; zum früheren Recht Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 38; v. Bar, IPRax 1991, 197, 199 f.; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 31 a.E.; differenzierend Siedel, Anknüpfung, S. 77 ff., 80 ff. 13 Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 5, die – aus hiesiger Sicht zutreffend – davon spricht, dass für die Verpflichtung sowie die Schuldübernahme selbst das von den Parteien gewählte Recht gelte. Die von ihr dafür als Belege angeführten Fundstellen stützen diese Aussage indes nur im Hinblick auf das Verpflichtungsgeschäft, nicht auch für die verfügenden Wirkungen der Schuldübernahme. Im Ergebnis ebenso zum früheren Recht Siedel, Anknüpfung, S. 47 f.; wohl auch Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 33 f., 40. 14 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 7; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 12; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 23; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 13; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; zum früheren Recht RG JW 1932, 3810, 3811; LG Hamburg IPRax 1991, 400, 402; v. Bar, IPRax 1991, 197, 199 f.; Möllenhoff, Rechtswahl, S. 96 Fn. 154; Kegel/Schurig, IPR, § 18 VII 3; Kropholler, IPR, § 52 VIII 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 37. 10
II. Interne Schuldübernahme
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Vertragsstatuts analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO auch für das Verfügungsgeschäft der Vorzug. Denn die für den Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bei der Forderungszession ins Feld geführten Regelungsgründe lassen sich eins zu eins auf den Schuldwechsel übertragen15: Zum einen werden durch die einheitliche Anknüpfung der beiden Rechtsgeschäfte die mit einer gespaltenen Anknüpfung andernfalls verbundenen Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme vermieden. Zum anderen dient der Gleichlauf dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und erhöht damit die Zirkulationsfähigkeit von Schuldpositionen. Insgesamt dient die analoge Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO demnach dem übergeordneten Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit, das für die Schuldübernahme ebenso gilt wie für die Forderungszession. Demgegenüber bedeutet die gespaltene Anknüpfung auf Grundlage der h.M. ein veritables Hindernis für den Wirtschaftsverkehr. Das zeigt sich besonders deutlich für den Fall, dass eine Gesamtheit von Verbindlichkeiten (oder eine Gesamtheit von Verträgen) im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr nach unterschiedlichen Sachrechten übernommen werden soll. Erneut ist Rechtszersplitterung die ungeliebte Folge. Vollzieht sich die Schuldübernahme indes nach hiesiger Auffassung auf Grundlage einer einheitlichen Anknüpfung analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO, werden die genannten Schwächen durch eine unterschiedslose Geltung des Vertragsstatuts vermieden, zumal die Vertragsparteien das anwendbare Recht selbst wählen können. Und schließlich wird durch den hier befürworteten Gleichlauf in Bezug auf das Verhältnis der Vertragsparteien untereinander für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt. Die Argumente sprechen demnach für die Geltung eines einheitlichen Schuldübernahmestatuts für Kausalund Vollzugsgeschäft, das einen Gleichlauf der beiden Rechtsgeschäfte gewährleistet und durch die Vertragsparteien nach Maßgabe des Art. 3 Rom I-VO frei gewählt werden kann. b) Prinzip der freien Rechtswahl Die hier vorgeschlagene Lösung steht weiterhin im Einklang mit der systemtragenden Bedeutung, die dem Prinzip der Rechtswahlfreiheit im modernen Internationalen Privatrecht, allen voran im Internationalen Vertragsrecht, zukommt16. Für die Gewährleistung einer freien Rechtswahl auch auf Verfügungsebene spricht zunächst der Umstand, dass die Vertragsparteien selbst am besten wissen, welche Rechtsordnung ihren individuellen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnissen optimal gerecht zu werden vermag. Hinzu kommen Gründe der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts sowie der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Darüber hinaus ist die Rechtswahlfreiheit auch unionsrechtlich durch die Grundfreiheiten des freien Waren-, Dienstleistungs- und 15 16
Zu den Argumenten mit Nachweisen siehe oben § 22 II. 1. Dazu und zum Folgenden siehe oben § 22 II. 2. a).
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
Kapitalverkehrs abgesichert. Aus rechtsökonomischer Perspektive fördert die Parteiautonomie marktmäßige Lösungen und steigert so den individuellen Nutzen der Marktakteure. Und schließlich bildet das Prinzip der freien Rechtswahl die Grundlage für einen potenziell fruchtbaren Wettbewerb der Rechtsordnungen um die beste rechtliche Lösung. Sämtliche Aspekte treffen auf die privative Schuldübernahme in gleichem Maße zu wie für die Forderungszession und gelten daher auch im Rahmen einer verordnungsautonomen Anknüpfung der internationalen Schuldübernahme. c) Bedeutung berechtigter Gläubigerinteressen Der herrschenden Gegenauffassung liegt die Prämisse zugrunde, dass Altschuldner und Übernehmer in Vollzug der Schuldübernahme – als Nichtberechtigte – über die Forderung des Gläubigers verfügen. Die Rechtsstellung des Gläubigers dürfe daher nicht durch eine willkürliche Rechtswahl beeinträchtigt werden17. Die Geltung des Schuldstatuts zielt also in der Sache darauf ab, eine durch die Rechtswahl von Alt- und Neuschuldner ausgelöste Verschlechterung der gläubigerseitigen Rechtsstellung zu verhindern. Diese Argumentationslinie ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Bereits in ihrem Ausgangspunkt beruht die h.M. auf einer Fehlinterpretation des materiellen Schuldübernahmerechts. Denn die privative Schuldübernahme ist – entgegen der noch immer vorherrschenden Verfügungstheorie – nicht als eine Verfügung des nichtberechtigten Altschuldners über das ihm fremde, weil dem Gläubiger zustehende Forderungsrecht zu verstehen. Vielmehr verfügt der Altschuldner – nicht anders als der Zedent bei der Forderungsabtretung – als Berechtigter über eine eigene Vermögensposition, und zwar seine Pflichtenstellung gegenüber dem Gläubiger18. Nicht das ihm fremde Gläubigerrecht, sondern die Schuld ist Gegenstand der Verfügung. Und insofern unterscheidet sie sich in struktureller Hinsicht auch nicht vom Forderungsrecht – allein verkörpert sie keinen positiven, sondern einen negativen Vermögenswert, der auf den Übernehmer übertragen wird. Nur dieses Verständnis wird der systematischen Einordnung der Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession in die Schuldnerposition vollauf gerecht und entfaltet Ausstrahlungswirkungen auch auf die kollisionsrechtlichen Implikationen der Übernahme von Verbindlichkeiten. Aber selbst wenn man mit der h.M. davon ausginge, der Altschuldner verfüge als Nichtberechtigter über das Forderungsrecht, sind die von der h.M. hieraus gezogenen Schlüsse für das Kollisionsrecht unzutreffend. Denn mit der undifferenzierten Anwendung des für die übernommene Schuld geltenden Rechts schießt die herkömmliche Auffassung deutlich über das für den Schutz berech17 Vgl. exemplarisch Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 7; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 23. 18 Siehe oben § 4 II. 5. b) bb).
II. Interne Schuldübernahme
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tigter Gläubigerinteressen notwendige Maß hinaus. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass auch berechtigte Gläubigerinteressen im Rahmen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung zu berücksichtigen sind. Noch mehr entspricht es – in Parallele zum Schutz berechtigter Schuldnerinteressen bei der Forderungsabtretung19 – dem allgemeinen Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes, eine Verschlechterung der Gläubigerposition von vornherein auszuschließen (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Die (kollisionsrechtliche) Rechtsstellung des Gläubigers darf sich weder durch den Schuldnerwechsel noch durch die zwischen Alt- und Neuschuldner getroffene Rechtswahl verändern (kollisionsrechtliches Identitätsprinzip). Um dies sicherzustellen, bedarf es indes nicht der uneingeschränkten Anwendung des Schuldstatuts mit allen seinen Nachteilen für die Interessen von Alt- und Neuschuldner. Die berechtigten Gläubigerinteressen können passgenauer – dem Prinzip des schonendsten Eingriffs folgend20 – durch eine nur selektive Anwendung des Schuldstatuts speziell im Verhältnis zum Gläubiger analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO hinreichend geschützt werden. Durch das Nebeneinander von Schuldübernahme- und Schuldstatut wird für das Internationale Privatrecht der Schuldübernahme das bekannte Spannungsverhältnis zwischen Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz aufgelöst21: Auf der Primärebene dient die Geltung des Schuldübernahmestatuts analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO der ungehinderten, grenzüberschreitenden Zirkulation von Forderungsrechten. Auf der Sekundärebene sorgt die Geltung des Schuldstatuts im Verhältnis zum Gläubiger analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO für einen angemessenen, spezifisch kollisionsrechtlichen Gläubigerschutz. Umgekehrt sind die Wirkungen des analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO gewährleisteten Sukzessionsschutzes aber auch beschränkt. Es besteht keine Notwendigkeit, den auf der Sekundärebene verwirklichten Regelungsgedanken auf die Primärebene durchschlagen zu lassen. Für Gläubigerinteressen ist daher im Rahmen des zwischen Alt- und Neuschuldner gewählten Vertragsstatuts kein Raum. Denn solange die gläubigerseitige Rechtsstellung durch die Rechtswahlentscheidung unberührt bleibt, hat der Gläubiger von vornherein kein Interesse daran, an der Bestimmung des für die Übernahmewirkung gewählten Kollisionsrechts mitzuwirken. Und dass seine Rechtsstellung tatsächlich unberührt bleibt, wird durch die Gewährleistung effektiven Gläubigerschutzes analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO sichergestellt22. d) Ausgestaltung des Schuldübernahmestatuts Folgt man dem hier entwickelten Ansatz, entscheidet folgerichtig auch das Vertragsstatut darüber, ob sich die Schuldübernahme kausal oder abstrakt voll19 20 21 22
Siehe oben § 22 II. 1. c) und § 22 III. 1. Siehe oben § 22 III. 1. b). Siehe oben § 22 II. 1. c). Dazu im Einzelnen siehe unten § 23 II. 2.
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
zieht23, nicht etwa das Schuldstatut24. Vereinbaren die Vertragsparteien die Geltung eines kausalen Schuldübernahmerechts, geht die Verbindlichkeit mit der vertraglichen Vereinbarung – vorbehaltlich etwaiger Mitwirkungserfordernisse des Gläubigers25 – auf den Übernehmer über. Es bedarf darüber hinaus keines weiteren Vollzugsgeschäfts, wie es in abstrakten Regelungssystemen notwendig wäre. Umgekehrt werden hierdurch freilich auch die Sicherungsmechanismen des Abstraktionsprinzips außer Kraft gesetzt. Leidet die kausale Schuldübernahme an einem Wirksamkeitsmangel, verhindert der Mangel effektiv die Übernahme der Verbindlichkeit durch den Neuschuldner und vice versa die Schuldbefreiung des Altschuldners. Darüber hinaus wird durch den Gleichlauf in diesem Zusammenhang auch bei der Schuldübernahme das Anpassungsproblem gelöst, wenn sich zwar das Verpflichtungsgeschäft nach einer kausalen Rechtsordnung, das Verfügungsgeschäft indes unter Geltung des Abstraktionsprinzips vollzieht. Im Fall einer einheitlichen Anknüpfung kommt eine Rückabwicklung der Verfügung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung nämlich a priori nicht in Betracht. Trotz maßgeblicher Vorteile eines homogenen Schuldübernahmestatuts ist auf Grundlage des hier vertretenen Ansatzes auch eine Teilrechtswahl nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO in dem Sinne zuzulassen, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft gleichwohl unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstellt werden26. Die Gründe für die Zulassung einer solchen teilweisen Rechtswahl sind bei der privativen Schuldübernahme die gleichen wie bei der Forderungszession27. Im Grunde läuft es darauf hinaus, den Vertragsparteien die autonome Entscheidung zu überlassen, wie sie die mit einer gespaltenen Anknüpfung verbundenen Abgrenzungs- und Qualifikationsschwierigkeiten auf der einen Seite und die aus der teilweisen Rechtswahl erstrebten Vorteile auf der anderen Seite gewichten. Wenn Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO schon zulässt, dass ein einheitliches Rechtsgeschäft einer unterschiedlichen Anknüpfung unterworfen wird, muss eine Teilrechtswahl erst recht für die verselbstständigten Rechtsgeschäfte auf Verpflichtungs- und Verfügungsebene zulässig sein. Da die teilweise Rechtswahl insofern aber regelmäßig nicht den Interessen der Vertragsparteien entspricht28, besteht eine tatsächliche Vermutung gegen eine zur Rechtsspaltung führende Teilrechtswahl29. Im Übrigen bedarf die Teilverweisung stets deutlicher Anhaltspunkte, so dass eine stillschweigende Teilrechtswahl im Zweifel ausscheidet.
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Siehe zum Ganzen zur Forderungszession oben § 22 II. 1. e). So aber – konsequent auf Basis der herrschenden Gegenauffassung – Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 22 a.E.; zum früheren Recht Kegel/Schurig, IPR, § 18 VII 3. 25 Siehe unten § 23 II. 2. c). 26 Erwägend Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 33; Siedel, Anknüpfung, S. 47. 27 Dazu und zum Folgenden ausf. oben § 22 II. 2. b). 28 Insofern zutreffend Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 33; Siedel, Anknüpfung, S. 47. 29 Zur Forderungsabtretung siehe oben § 22 II. 2. b). 24
II. Interne Schuldübernahme
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2. Verhältnis zum Forderungsgläubiger Die den Vertragsparteien gewährleistete Rechtswahlfreiheit findet ihre Grenze, sobald die getroffene Wahl mit schutzwerten Drittinteressen kollidiert. Bei der privativen Schuldübernahme ist der Forderungsgläubiger, der selbst nicht an der zwischen Alt- und Neuschuldner getroffenen Rechtswahl mitwirkt, in seinem Vertrauen auf die Anwendbarkeit desjenigen Übernahmerechts zu schützen, dem die übernommene Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Schuldnerwechsels unterliegt. Die berechtigten Gläubigerinteressen werden daher analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO durch die Anwendung des Schuldstatuts im Verhältnis zum Gläubiger geschützt. Die Anknüpfung von Gläubigerschutzvorschriften nach dem Schuldstatut beruht einmal mehr auf dem Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes. a) Prinzip des kollisionsrechtlichen Gläubigerschutzes Grundlage und primäre Ausprägung des Sukzessionsschutzgedankens ist auch im Kollisionsrecht der privativen Schuldübernahme das Identitätsprinzip. Analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO erfährt die übernommene Schuld infolge ihrer Übernahme durch den Neuschuldner keine materiellrechtliche und auch keine kollisionsrechtliche Änderung30. Insbesondere beschränkt sich die von Alt- und Neuschuldner getroffene Rechtswahl auf das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien und zeitigt keine Wirkungen im Verhältnis zum Gläubiger, soweit die gläubigerseitige Rechtsstellung durch die Rechtswahl verändert, namentlich verschlechtert würde (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Denn entweder hat sich der Gläubiger das für die Verbindlichkeit geltende Sachrecht selbst ausgesucht oder er musste aufgrund objektiver Anknüpfungspunkte zumindest mit dessen Geltung rechnen und konnte sich darauf einstellen. Aus diesem Grund bleibt es auch nach der Schuldübernahme im Verhältnis zum Gläubiger bei der unveränderten Fortgeltung des Schuldstatuts. Zulässig ist eine Einwirkung auf die Schuldposition aber wiederum, wenn sich sämtliche Beteiligte einig sind31. Die zwingende Sonderanknüpfung von Gläubigerschutzvorschriften nach dem Schuldstatut ist als gewichtiger Eingriff in die Rechtswahl- und Sukzessionsfreiheit – nicht zuletzt aus unionsrechtlicher Perspektive – rechtfertigungsbedürftig32. Die berechtigten Gläubigerinteressen, insbesondere das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse, das seinerseits der Funktionsfähigkeit von Verträgen dient, vermag den Eingriff dem Grunde nach zu rechtfertigen. Allerdings dürfen die hiermit verbundenen Einschränkungen der Rechtswahl- und Suk30 Im Ergebnis ebenso Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 22; Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 50; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 13. 31 Zum letzten Aspekt im Ergebnis ebenso Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 40. 32 Zum Problemkreis siehe oben § 22 III. 1. a).
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
zessionsfreiheit nicht weiterreichen, als sie zum Schutz des erstrebten Regelungsziels unbedingt notwendig sind. Deshalb greift auch im Zusammenhang mit dem analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO gewährleisteten Gläubigerschutz eine zweifache Limitierung Platz: Zum einen ist das Schuldstatut nur auf gläubigerschützende Vorschriften anwendbar (limitierter Anwendungsbereich). Zum anderen entfaltet das Schuldstatut seine Wirkungen ausschließlich im Verhältnis zum Gläubiger und lässt umgekehrt das Innenverhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner sowie Drittverhältnisse unberührt (limitierter Wirkbereich). Darüber hinaus wird man in Parallele zur Forderungszession33 annehmen müssen, dass die Geltung des Schuldstatuts trotz der doppelten Limitierung nicht zur Disposition des Gläubigers steht. Er ist folglich daran gehindert, anstelle des Schuldstatuts die Anwendung des Übernahmestatuts zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es deshalb zu undifferenziert, wenn die h.M. die Voraussetzungen „für eine wirksame Schuldübernahme“ oder den Übernahmezeitpunkt unterschiedslos dem für die übernommene Schuld geltenden Recht unterstellen will34. Stattdessen ist nach dem Modell des Art. 14 Abs. 1 und 2 Rom I-VO streng zu unterscheiden, und zwar einerseits das Verhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner und andererseits das Verhältnis zum Gläubiger. Alt- und Neuschuldner können sich analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO auf die Anwendung eines bestimmten Schuldübernahmerechts verständigen, das auch die Wirksamkeit der Schuldübernahme als Verfügungsgeschäft regelt, in seiner Wirkung indes auf das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien beschränkt ist. Das Verhältnis zum Gläubiger beurteilt sich analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO nach dem Schuldstatut. Und schließlich stellt sich auch bei der privativen Schuldübernahme das Problem der relativen Rechtsstellung35, und zwar diesmal in Form einer relativen Schuldnerstellung. Ist die Übernahme nämlich nach dem Übernahmestatut im Verhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner wirksam geworden, nicht aber zugleich im Verhältnis zum Gläubiger, etwa weil die notwendigen Zustimmungsmodalitäten besonders aufwendig und nicht vollständig verwirklicht sind, dann ist die Verbindlichkeit im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander übergangen, nicht aber im Verhältnis zum Gläubiger. Ihm gegenüber ist auch weiterhin der Zedent verhaftet. Um die mit einer relativen Schuldnerstellung verbundenen Rechtsanwendungsprobleme zu vermeiden, liegt es nahe, die Schuldposition zwar ausschließlich dem Neuschuldner zuzuweisen. Dem Gläubiger aber gleichwohl einen akzessorischen Mithaftungsanspruch gegenüber dem Altschuldner einzuräumen36.
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Siehe oben § 22 III. 1. a). So aber Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 7. 35 Siehe oben § 22 III. 1. d). 36 In diesem Zusammenhang mag die spaltungsrechtliche Transferhaftung gem. § 133 UmwG Modell stehe; dazu siehe oben § 17 III. 1. 34
II. Interne Schuldübernahme
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b) Kollisionsrechtliches Identitätsprinzip Die sachliche Reichweite des kollisionsrechtlichen Gläubigerschutzes lässt sich kaum in Analogiebildung zu Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO ermitteln, vielmehr ist er aus dem übergeordneten Prinzip des Sukzessionsschutzes zu entwickeln. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die Implikationen des kollisionsrechtlichen Identitätsprinzips. Danach wird das Statut der übernommenen Schuld weder vom Schuldnerwechsel noch einer zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Rechtswahl berührt, soweit es das Verhältnis zum Gläubiger anlangt. Das bedeutet im Einzelnen: Inhalt und Umfang der übergeleiteten Verbindlichkeit beurteilen sich auch weiterhin nach dem Schuldstatut37. Gleiches gilt – in Anlehnung an das Abtretungskollisionsrecht38 – für die Fälligkeit und Verjährung der Forderung, etwaige Ausschlussfristen und Einwendungen, die der Altschuldner dem Gläubiger schon vor dem Schuldnerwechsel entgegenhalten konnte. Insgesamt bestimmt sich die Leistungspflicht des Übernehmers nach dem Recht der übernommenen Schuld39. c) Modalitäten der Gläubigerbeteiligung Ebenfalls nach dem Schuldstatut bestimmen sich die Modalitäten der Gläubigerbeteiligung an der Schuldübernahme40 sowie die Befreiung des Altschuldners von der Verbindlichkeit41. Das gilt vor allem für die Frage, nach welchen Grundsätzen im Rahmen des Übernahmevertrags die Rechtsstellung des Gläubigers geschützt ist, namentlich die Art und Weise der Mitwirkung des Gläubigers am Übernahmevertrag42. Auf diese Anknüpfung kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil alle Rechtsordnungen, denen die privative (interne) Schuldübernahme bekannt ist, sie von der Zustimmung des Gläubigers abhängig machen43. Zum einen können nämlich die einzelnen Modalitäten der Gläubigerbeteiligung unterschiedlich ausgestaltet sein; und auch das gläubigerseitige Vertrauen auf die konkrete Ausgestaltung seiner Mitwirkung ist schutzwürdig. Zum anderen ist es durchaus denkbar, dass sich die Rechtslage in Zukunft da37
So etwa Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 50. Siehe oben § 22 III. 2. a). 39 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 12; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 5. 40 Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 50; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 7; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 5; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 23. 41 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 7; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 12; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom IVO Rn. 5; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 23; ders., in: Reithmann/Martiny, Vertragsrecht, Rn. 417; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 13; zum früheren Recht Kropholler, IPR, § 52 VIII 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 37; differenzierend Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 39 ff. 42 Im Ergebnis zutreffend Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 7. 43 So aber Siedel, Anknüpfung, S. 59. 38
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
hingehend ändert, dass beispielsweise auf eine besondere Genehmigung des Gläubigers zugunsten einer haftungsrechtlichen Absicherung des Befriedigungsinteresses verzichtet wird, so wie es oben als dritte Variante der Schuldübernahme für das deutsche Recht vorgeschlagen worden ist44.
3. Drittwirkung der Schuldübernahme Das für die Forderungszession so bedeutsame Drittwirkungsproblem stellt sich bei der privativen Schuldübernahme nicht mit der gleichen Prägnanz, da Prioritätskonflikte der Gläubiger des Alt- und Neuschuldners und konkurrierende Schuldübernahmen ohne praktische Bedeutung sind. Der Schwerpunkt des Drittwirkungsstatuts der Schuldübernahme liegt vielmehr auf dem Verhältnis zu Sicherungsgebern des Forderungsgläubigers, deren Interessen durch die Schuldübernahme wesentlich berührt werden. Das rechtliche Schicksal bestehender Sicherungs- und Vorzugsrechte kann in materiellrechtlicher Hinsicht ganz unterschiedlich ausgestaltet sein. Soweit die materiellrechtlichen Vorschriften, wie § 418 BGB nach deutschem Recht45, den automatischen Wegfall des Sicherungsrechts anordnen, sind sie auf den Schutz des Sicherungsgebers gerichtet. Der Sicherungsgeber hat sich in Ansehung des Ausfallrisikos des konkreten Schuldners zur Bestellung einer Sicherheit bereiterklärt. Für ihn würde es eine nicht hinnehmbare Risikoerweiterung bedeuten, müsste er nun auch für die Leistungsfähigkeit des Übernehmers einstehen. Sollen Sicherungs- und Vorzugsrechte den Schuldübergang hingegen unbeschadet überstehen, wie etwa nach dem hier vorgeschlagenen Reformkonzept46, entspricht ihre Fortgeltung dem Prinzip der sukzessionsrechtlichen Identität und Akzessorietät. Die einschlägigen Vorschriften dienen insofern dem berechtigten Sicherungsinteresse des Forderungsgläubigers. Angesichts der besonderen Schutzrichtung von Sicherungs- und Vorzugsrechten bedürfen die jeweils tangierten Interessenträger (Sicherungsgeber, Forderungsgläubiger) neben dem materiellrechtlichen auch eines besonderen kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes. Dieser ist in Form einer Sonderanknüpfung zu gewährleisten, und zwar durch Anknüpfung an das zwischen Gläubiger und Sicherungsgeber geltende Recht, das sich entweder aus einer entsprechenden Rechtswahlentscheidung oder aus objektiven Anknüpfungsmomenten ergeben kann. Dieses hier sog. Nebenrechtestatut erleidet weder infolge der grenzüberschreitenden Schuldübernahme eine Änderung noch wird es durch eine zwischen Alt- und Neuschuldner getroffene Rechtswahlentscheidung berührt. Es gilt der Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO zugrunde liegende Rechtsgedanke, wonach eine nachträgliche Rechtswahl die Rechte außenstehender Dritter nicht tangiert. Stattdessen dürfen sich Gläubiger und Sicherungsgeber dar44 45 46
Siehe oben § 18 IV. Siehe oben § 14 III. 2. Siehe oben § 18 IV. 6. b).
III. Externe Schuldübernahme
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auf verlassen, dass sich der Übergang respektive das Erlöschen von Sicherungs-, Vorzugs- und anderen Nebenrechten, soweit sie unselbstständiger Natur sind, nach dem Statut der übergegangenen Schuld bestimmt; selbstständige Rechte unterliegen dem für sie eigenen Statut47.
III. Externe Schuldübernahme Für den zwischen Gläubiger und Schuldübernehmer geschlossenen – externen – Schuldübernahmevertrag gilt wiederum analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das Vertragsstatut (1.). Im Verhältnis zu dem an der Übernahme nicht unmittelbar beteiligten Altschuldner gilt analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO das Schuldstatut (2.). Für das Drittwirkungsstatut gelten im Vergleich zur internen Schuldübernahme keine Besonderheiten48.
1. Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldübernehmer In Bezug auf das der externen Schuldübernahme zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft ist man sich – ebenso wie bei der internen Schuldübernahme – über die Geltung des Vertragsstatuts einig49. Gläubiger und Neuschuldner können das Verpflichtungsstatut nach dem Prinzip der freien Rechtswahl (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO) autonom bestimmen, und zwar nach zutreffender Auffassung50 ohne dass der Altschuldner hierzu seine Einwilligung erteilen müsste. Die berechtigten Interessen des Altschuldners werden durch eine Sonderanknüpfung analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO geschützt51. Haben die Vertragsparteien keine Rechtswahlvereinbarung getroffen, findet nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO das am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Übernehmers geltende Recht Anwendung, da der Schuldübernehmer die vertragstypische Leistung erbringt52. 47
Zutreffend Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 44. Siehe nochmals oben § 23 II. 3. 49 Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 25; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 8; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 11; zum früheren Recht Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 37; Möllenhoff, Rechtswahl, S. 91 f. 50 Im Ergebnis ebenso Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 8; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; nach früherem Recht ebenso v. Bar, IPRax 1991, 197, 199; Kropholler, IPR, § 52 VIII 4; a.A. Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 39 f.; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 38; zweifelnd Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 25. 51 Dazu unten § 23 III. 2. 52 BGH NJW-RR 2011, 130 Tz. 13 (zum Schuldbeitritt); Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 25; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 8; nach früherem Recht schon ebenso v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 42. 48
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
Ebenso wie bei der internen ist auch für die externe Schuldübernahme umstritten, an welches Recht für die Bestimmung der Verfügungswirkungen der zwischen Gläubiger und Neuschuldner geschlossenen Schuldübernahme anzuknüpfen ist (Verfügungsstatut). Nach herkömmlicher Auffassung soll – in Übereinstimmung mit der h.M. zur internen Schuldübernahme53 – das Recht der übernommenen Schuld (Schuldstatut) maßgeblich sein54. Eine im Vordringen begriffene Auffassung bestimmt das Verfügungsstatut hingegen einheitlich nach dem Vertragsstatut55. Zur Begründung wird vorgetragen, der Altschuldner sei nicht schutzwürdig, da seine Rechtsstellung durch die externe Schuldübernahme nicht verschlechtert, sondern eher verbessert werde. Daher bedürfe es auch nicht der Anwendung des Schuldstatuts, das auf den Schutz von Drittinteressen abziele, die hier nicht berührt seien. In Übereinstimmung mit der zur internen Schuldübernahme entwickelten Position56 vermag allein die einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an das Vertragsstatut analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO der modernen Dogmatik des internationalen Sukzessionsrechts gerecht zu werden. Der durch die einheitliche Anknüpfung gewährleistete Gleichlauf vermeidet schwerwiegende Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme, senkt Transaktionskosten, erhöht die Zirkulationsfähigkeit von Verbindlichkeiten (und ganzen Vertragsverhältnissen) und dient auf diese Weise dem übergeordneten Prinzip der (kollisionsrechtlichen) Sukzessionsfreiheit. Hinzu kommen die bekannten Vorteile der Rechtswahl im Verhältnis zwischen Gläubiger und Neuschuldner. Die beiden Parteien wissen selbst am besten, welche Rechtsordnung ihren individuellen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnissen optimal gerecht wird. Darüber hinaus sorgt die Zulassung einer freien Rechtswahl für Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und ist darüber hinaus auch unionsrechtlich abgesichert und rechtsökonomisch durchweg sinnvoll. Die im Schrifttum zuweilen befürworteten Ausnahmen, für den Fall einer besonders engen Verbindung zur übernommenen Schuld57, sind abzulehnen. Selbst wenn die Einpersonen-GmbH die Verbindlichkeit des alleinigen Gesellschafters übernimmt58, spricht nichts gegen die Gewährleistung einer freien Rechtswahl. Denn der Schutz etwaiger Altschuldnerinteressen ist durch eine Sonderanknüpfung des Verhältnisses zum Altschuldner nach Maßgabe des Schuldstatuts analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO gewährleistet: 53
Siehe nochmals oben § 23 II. 1. a). Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 23; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 7; zum früheren Recht ebenso Kropholler, IPR, § 52 VIII 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 38. 55 Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 9; zum früheren Recht ebenso v. Bar, IPRax 1991, 197, 199; Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 37; Möllenhoff, Rechtswahl, S. 91 f.; Siedel, Anknüpfung, S. 47 f., 57 f. 56 Siehe nochmals oben § 23 II. 1. 57 Dafür etwa Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 37; Möllenhoff, Rechtswahl, S. 92. 58 So das Beispiel von Möllenhoff, Rechtswahl, S. 92. 54
III. Externe Schuldübernahme
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2. Verhältnis zum Altschuldner Schon nach deutschem Recht ist der Altschuldner an der externen Schuldübernahme nicht beteiligt. Es ist daher nur konsequent, ihm auch keinen Einfluss auf die Bestimmung des zwischen den Vertragsparteien geltenden Rechts einzuräumen. Stattdessen ist es ausreichend, aber auch notwendig, seine Rechtsposition durch eine limitierte Anknüpfung an das Statut der übernommenen Schuld insofern zu schützen, als materiellrechtliche Vorschriften in Betracht kommen, die auf den Schutz von Altgläubigerinteressen gerichtet sind. Aus der Perspektive des Altschuldners betrachtet wirkt die externe Schuldübernahme bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise – namentlich nach deutschem Recht59 – wie eine Forderungsabtretung. Dann erlangt der Übernehmer durch die Vereinbarung mit dem Gläubiger gegen den Altschuldner einen Regressanspruch, der inhaltlich mit der übernommenen Verbindlichkeit weitgehend identisch ist. Die berechtigten Interessen des Altschuldners werden durch eine entsprechende Anwendung der abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzvorschriften geschützt. Es liegt daher nahe, das Verhältnis zum Altschuldner, der mit dem Übernehmer in einer dem Forderungsschuldner vergleichbaren Rechtsbeziehung steht, analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO nach Maßgabe des der übernommenen Schuld zugrunde liegenden Statuts anzuknüpfen60. Mittels dieser limitierten Anknüpfung an das Schuldstatut wird dem berechtigten Interesse des Altschuldners entsprochen, nur nach demjenigen Recht vom Übernehmer in Anspruch genommen zu werden, dem die übernommene Schuld auch vor dem Schuldnerwechsel unterstand und auf deren Geltung der Altschuldner vertrauen durfte. Eine Einwirkung durch autonome Rechtswahl zwischen Gläubiger und Übernehmer scheidet nach dem Rechtsgedanken des Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO aus. Im Ergebnis sorgt die Anknüpfung des Verhältnisses zum Altschuldner für die Verwirklichung des kollisionsrechtlichen Identitätsprinzips: Die Rechtsbeziehung des Altschuldners bleibt durch den Schuldübergang und eine abweichende Rechtswahl der Vertragsparteien unverändert, insbesondere wird die altschuldnerische Rechtsstellung nicht verschlechtert (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Allerdings beschränkt sich wiederum der Anwendungsbereich der Analogiebildung zu Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO zum einen auf genuin altgläubigerschützende Bestimmungen (limitierter Anwendungsbereich) und zum anderen beschränken sich die Wirkungen der materiellrechtlichen Vorschriften auf das Verhältnis zum Altschuldner (limitierter Wirkbereich). Davon abgesehen wird man auch in diesem Zusammenhang annehmen müssen, dass die Geltung des 59
Siehe oben § 4 II. 5. d). Ähnlich zum früheren Recht Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 44; v. Bar, IPRax 1991, 197, 199; Siedel, Anknüpfung, S. 58; auf Ausnahmefälle beschränkend Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 8: Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 25. 60
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
Schuldstatuts trotz der doppelten Limitierung nicht zur Disposition des Altschuldners steht. Letzterer ist daher gehindert, anstelle des Schuldstatuts die Anwendung des Übernahmestatuts zu verlangen.
IV. Vertragsübernahme Die sachrechtliche Untersuchung der Vertragsübernahme hat für das deutsche Recht ergeben, dass sie nicht als schlichte Kombination von Forderungsabtretung und Schuldübernahme zu qualifizieren ist, sondern vielmehr als eigenständiges integriertes Rechtsinstitut61. Als solches ist sie auch im Kollisionsrecht zu behandeln62; eine Aufspaltung in ihre einzelnen Bestandteile ist im Grundsatz ausgeschlossen, auch wenn für die internationalprivatrechtliche Anknüpfung auf die zu Zession und Schuldübernahme entwickelten Struktur- und Wertungsprinzipien zurückgegriffen werden kann. Dementsprechend gilt zwischen den Vertragsparteien wiederum analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das Vertragsstatut. Soweit nicht sämtliche Beteiligte an der Vertragsübernahme mitwirken, sind die berechtigten Interessen der jeweiligen Gegenpartei analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO im Wege einer Sonderanknüpfung an das dem übernommenen Vertrag zugrunde liegende Recht zu schützen. Eingangs sind wiederum einige Differenzierungen angezeigt. Zum einen ist bei konsequenter Durchführung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips zwischen der Übernahme des Vertrags mit verfügender Wirkung (Verfügungsgeschäft) und dem der Vertragsübernahme zugrunde liegenden schuldrechtlichen Kausalgeschäft zu unterscheiden. Zum anderen ist danach zu differenzieren, ob entweder alle an der Übernahme beteiligten Rechtssubjekte einen echten dreiseitigen Vertrag schließen (1.) oder die ausscheidende und eintretende Vertragspartei eine Vertragsnachfolge vereinbaren (2.) und der Verbleibende dieser Vereinbarung zustimmt (3.). An der Mitwirkung aller drei Beteiligten führt in sämtlichen Rechtsordnungen, die eine Vertragsübernahme kennen, kein Weg vorbei63.
1. Dreiseitige Vertragsübernahme Nach einhelliger Auffassung ist das der Vertragsübernahme zugrunde liegende (schuldrechtliche) Kausalgeschäfts eigenständig nach den allgemeinen Grund61
Siehe oben § 4 II. 6. b). Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 10; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Vertragsrecht, Rn. 421; zum früheren Recht ebenso Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 652 f., 655; v. Bar, IPRax 1991, 197, 200. 63 Dazu Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 644; Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 41; v. Bar, IPRax 1991, 197, 200; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 11. 62
IV. Vertragsübernahme
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sätzen der Art. 3 ff. Rom I-VO anzuknüpfen64. Es gilt das Prinzip der freien Rechtswahl, soweit sich alle beteiligten Rechtssubjekte entweder im Rahmen einer dreiseitigen Rechtswahlvereinbarung auf die Geltung einer bestimmten Rechtsordnung verständigen oder der verbleibende Vertragsteil der zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger geschlossenen – kollisionsrechtlichen65 (!) – Abrede zustimmt. Dies gilt nach zutreffender h.M. gleichermaßen für das Verpflichtungs- wie für das Verfügungsgeschäft, durch welches die Vertragsstellung vom Alt- auf den Neuvertragspartner übergeht66, und ist in rechtsmethodischer Hinsicht wiederum auf eine analoge Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO zu stützen. Ist keine Rechtswahl erfolgt, bestimmt sich das Vertragsübernahmestatut in Ermangelung einer für den Übernahmevertrag charakteristischen Leistung iSd. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO nach dem Statut des übernommenen Vertrages; hierzu besteht die engste Verbindung iSd. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO67. Nach diesen Grundsätzen bestimmt sich insbesondere, unter welchen Voraussetzungen die Vertragsübernahme wirksam durchgeführt werden kann und welche Rechtsfolgen für die Beteiligten aus der Übernahme erwachsen68. Ist das Rechtsinstitut der Vertragsübernahme der gewählten oder objektiv anwendbaren Rechtsordnung gänzlich unbekannt, kann nicht länger an der kollisionsrechtlichen Einheitstheorie festgehalten werden. Stattdessen erfolgt eine kollisionsrechtliche Behandlung der Vertragsübernahme als Kombination von Forderungsabtretung und Schuldübernahme, die nach den für sie geltenden Vorschriften jeweils gesondert anzuknüpfen sind69. In der praktischen Anwendung dürften sich aus 64 Im Ergebnis ebenso Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 53; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 27; ders., in: Reithmann/Martiny, Vertragsrecht, Rn. 421; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 11; Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 15; zum früheren Recht Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 651, 656; Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 41 f.; v. Bar, IPRax 1991, 197, 200; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 48. 65 Eine allein auf sachrechtlicher Ebene erteilte Zustimmung ist nicht ausreichend; zutreffend Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 12 nach bisherigem Recht ebenso v. Bar, IPRax 1991, 197, 200. 66 Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 27; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 12; zum früheren Recht ebenso Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 655 f.; v. Bar, IPRax 1991, 197, 200; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 45. 67 Im Ergebnis ebenso Freitag, in: Rauscher, Rom I-VO, Art. 14 Rn. 53; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 13; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 13; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 27; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 15; Staudinger, in: Hk, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 6; zum früheren Recht ebenso Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 654 ff.; Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 41; v. Bar, IPRax 1991, 197, 200; Kegel/Schurig, IPR, § 18 VII 4; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 46. 68 Vgl. Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 656. 69 Zum früheren Recht ebenso Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 41; a.A. v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 47; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Vertragsrecht, Rn. 41.
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
dieser kollisionsrechtlichen Anwendung der Zerlegungsthese indes keine signifikanten Abweichungen ergeben.
2. Zweiseitige Vertragsübernahme Die Zulässigkeit der Rechtswahl beschränkt die h.M. auf eine Mitwirkung aller drei Beteiligten. Haben sie nicht alle mitgewirkt, soll es bei der objektiven Anknüpfung nach dem Recht des übernommenen Vertrages bleiben70. Unzulässig ist es nach herkömmlicher Auffassung namentlich, dass sich der übertragende Vertragspartner mit dem Übernehmer auf die Geltung einer abweichenden Rechtsordnung verständigt, soweit der verbleibende Vertragsteil an der Abrede nicht beteiligt ist. Zur Begründung wird angeführt, die Modalitäten der (sachrechtlichen) Mitwirkung des verbleibenden Vertragsteils könnten sich nicht aus dem von Veräußerer und Erwerber gewählten Recht ergeben, wenn der Verbleibende einer autonomen Rechtswahl nicht zugestimmt habe71. Diese Auffassung schießt im Hinblick auf das berechtigte Schutzinteresse des verbleibenden Vertragsteils weit über das zu seinem Schutz erforderliche Maß hinaus. Wiederum ist es völlig ausreichend, die berechtigten Interessen des Verbleibenden – in Parallele zum Schuldner bei der Forderungszession72 und zum Gläubiger bei der privativen Schuldübernahme73 – analog Art. 14 Abs. 2 Rom IVO durch eine limitierte Fortgeltung des Rechts des übernommenen Vertrages speziell im Verhältnis zum Verbleibenden zu schützen. Ein darüber hinausgehender Sukzessionsschutz bedeutete einen – auch aus unionsrechtlicher und rechtsökonomischer Perspektive – nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die systemtragenden Prinzipien der Rechtswahlfreiheit und (kollisionsrechtlichen) Sukzessionsfreiheit. Soweit die berechtigten Interessen des verbleibenden Vertragsteils analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO geschützt sind, gilt für das Verhältnis zwischen den Parteien der Vertragsübernahme analog Art. 14 Abs. 1 Rom IVO das Vertragsstatut. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind gleichermaßen nach Art. 3 ff. Rom I-VO anzuknüpfen. Die Vertragsparteien können die anwendbare Rechtsordnung entweder kraft parteiautonomer Rechtswahlentscheidung selbst bestimmen, oder es bleibt gem. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO bei der Geltung des auf den übernommenen Vertrag anwendbaren Statuts. Der damit hergestellte Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sowie die Gewährleistung einer freien Rechtswahl bewirken auch für die zweiseitige Vertragsübernahme die bekannten Vorteile74. Eine zentrale Folgerung der hier 70
Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 13; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 15; zum früheren Recht ebenso v. Bar, IPRax 1991, 197, 200; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 46. 71 So v. Bar, IPRax 1991, 197, 200 in Auseinandersetzung mit Gutachten IPR 1970 Nr. 5. 72 Siehe oben § 22 III. 73 Siehe oben § 23 II. 2. 74 Siehe nochmals oben § 23 IV. 1.
V. Zusammenfassung und Folgerungen
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vertretenen Position ist wiederum, dass sich die Frage, ob sich die Vertragsübernahme nach dem Abstraktions- oder Kausalprinzip vollzieht, nicht nach dem Recht des übertragenen Vertrags bestimmt75, sondern nach der von den Parteien gewählten Rechtsordnung.
3. Verhältnis zum verbleibenden Vertragsteil Das durch die Anknüpfung an das Vertragsstatut gewährleistete Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit wird beschränkt durch das analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO angeknüpfte Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes, das im Zusammenhang mit der Vertragsübernahme auf den Schutz des verbleibenden Vertragsteils gerichtet ist. Vorschriften und Grundsätze, die auf den Schutz des Verbleibenden abzielen, werden durch eine abweichende Rechtswahl zwischen den an der Übernahme beteiligten Vertragspartei nicht berührt, sondern unterfallen im Verhältnis zum verbleibenden Vertragsteil dem für den übernommenen Vertrag geltenden Recht. Durch die Fortgeltung des vor Vertragsübernahme geltenden Rechts wird insbesondere eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Verbleibenden vermieden (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Es bleibt im Verhältnis zur Gegenpartei bei der unveränderten Fortgeltung des ursprünglichen Statuts des übernommenen Vertrages76. Darüber hinaus bestimmen sich die Modalitäten der (sachrechtlichen) Mitwirkung des verbleibenden Vertragsteils analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO nach dem Statut des übernommenen Vertrags77.
V. Zusammenfassung und Folgerungen Im Interesse der Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts und aufgrund der strukturellen Nähe von Forderungszession sowie Schuld- und Vertragsübernahme ist – entgegen der h.M. – für die grenzüberschreitende Schuldund Vertragsübernahme eine autonom-unionsrechtliche Anknüpfung in Analogiebildung zu Art. 14 Rom I-VO zu entwickeln. Für die interne Schuldübernahme gilt analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO ein Gleichlauf zwischen dem Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auf Grund75 So aber Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 27; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 13; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; zum früheren Recht ebenso Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 652. 76 Vgl. auch Martiny, in: MünchKommBGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 27; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Anh. zu Art. 16 Rom I-VO Rn. 13; Kieninger, in: Ferrari, Vertragsrecht, Anh. zu Art. 14 Rom I-VO Rn. 8; zum früheren Recht ebenso Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 643, 649 ff.; v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 33 EGBGB Rn. 45. 77 So im Ergebnis zutreffend auch v. Bar, IPRax 1991, 197, 200 in Auseinandersetzung mit Gutachten IPR 1970 Nr. 5.
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§ 23 Die grenzüberschreitende Schuld- und Vertragsübernahme
lage eines einheitlichen Schuldübernahmestatuts. Zur Anwendung kommt gem. Art. 3 Rom I-VO entweder das von Alt- und Neuschuldner gewählte Recht oder gem. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schuldübernehmers. Die berechtigten Interessen des Forderungsgläubigers werden durch eine selektive Anwendung des Schuldstatuts speziell im Verhältnis zum Gläubiger analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO hinreichend geschützt. Durch das Nebeneinander von Schuldübernahme- und Schuldstatut wird das bekannte Spannungsverhältnis zwischen Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz für die internationale Schuldübernahme aufgelöst. In der Konsequenz entscheidet das Schuldübernahmestatut grundsätzlich auch darüber, ob sich der Schuldnerwechsel kausal oder abstrakt vollzieht. Zudem können die Vertragsparteien gem. Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO unterschiedliche Rechtsordnungen für das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft wählen. Der Forderungsgläubiger wird analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO in dem Vertrauen auf das Recht der übernommenen Schuld (Schuldstatut) geschützt. Das damit angesprochene Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes umfasst das kollisionsrechtliche Identitätsprinzip und das kollisionsrechtliche Verschlechterungsverbot. Allerdings ist das Schuldstatut wiederum nur auf gläubigerschützende Vorschriften anwendbar (limitierter Anwendungsbereich) und entfaltet seine Wirkungen ausschließlich im Verhältnis zum Gläubiger (limitierter Wirkbereich). In diesem Sinne unterfallen dem Schuldstatut namentlich die Modalitäten der Gläubigerbeteiligung sowie die Befreiung des Altschuldners von der Verbindlichkeit. Die Drittwirkung ist namentlich für das Verhältnis zum Sicherungsgeber und anderen Inhabern von Vorzugs- und Nebenrechten relevant. Dieses Verhältnis wird durch eine abweichende Rechtswahl von Alt- und Neuschuldner nicht berührt. Vielmehr bestimmen sich Drittwirkungen der Schuldübernahme nach dem zwischen Gläubiger und Sicherungsgeber geltenden Recht (Nebenrechtestatut). Für die externe Schuldübernahme gilt im Verhältnis von Gläubiger und Schuldübernehmer analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das Vertragsstatut, und zwar einheitlich für das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft. Im Verhältnis zum Altschuldner gilt analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO das Schuldstatut. Die internationale Vertragsübernahme ist in Parallele zum materiellen Sukzessionsrecht als eigenständiges integriertes Rechtsinstitut anzuknüpfen. In diesem Sinne gilt für Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bei der dreiseitigen Vertragsübernahme entweder das von allen Beteiligten gewählte Recht oder gem. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO das Statut des übernommenen Vertrags. Bei der zweiseitigen Vertragsübernahme gilt für das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft der vertragsschließenden Parteien analog Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das Vertragsstatut. Die berechtigten Interessen des verbleibenden Vertragsteils werden analog Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO durch Anwendung des dem übernommenen Vertrag zugrunde liegenden Rechts im Verhältnis zum Verbleibenden hinreichend geschützt.
V. Zusammenfassung und Folgerungen
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Das hier entworfene Konzept ist in sich stimmig und bringt die Vereinheitlichung des Sukzessionsrechts in einem kollisionsrechtlichen Kontext deutlich voran. Da die herkömmliche h.M. die Anknüpfung der grenzüberschreitenden Schuld- und Vertragsübernahme indes noch immer nach nationalem Kollisionsrecht bestimmen will, ist zugleich der europäische Gesetzgeber aufgerufen, das IPR der Schuld- und Vertragsübernahme in Anlehnung an Art. 14 Rom I-VO bei nächster Gelegenheit zu kodifizieren.
§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung Die grenzüberschreitende Übereignung beweglicher und unbeweglicher Sachen komplettiert die hier behandelten kollisionsrechtlichen Implikationen der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Die wirtschaftliche Bedeutung der grenzüberschreitenden Mobiliar- und Immobiliarübereignung ist Legion. Geradezu berüchtigt ist das Internationale Sachenrecht für die Komplexität seiner Rechtsprobleme und die unnachgiebige Dominanz seiner überkommenen Anknüpfung an den Belegenheitsort, die den Vertragsparteien keinen substanziellen Freiraum für eine autonome Selbstgestaltung ihrer Rechtsverhältnisse aus kollisionsrechtlicher Perspektive gewährt. Vor diesem Hintergrund erfolgt zunächst eine kritische Bestandsaufnahme des geltenden Rechts (I.). Behandelt werden neben der grundlegenden Bedeutung der Situsregel die komplexen Rechtsfragen des Statutenwechsels und der Anerkennung ausländischer Sachenrechte im Rahmen der inländischen Sachenrechtsordnung. Auf dieser Grundlage wird sodann für eine Abkehr von der ausschließlichen Anknüpfung an das Belegenheitsrecht eingetreten und für eine weitgehende Gewährleistung der freien Rechtswahl auch im Internationalen Sachenrecht plädiert (II.).
I. Bestandsaufnahme und Kritik der lex lata 1. Die lex rei sitae als allgemeines Sachstatut Für die internationale Übereignung von beweglichen und unbeweglichen Sachen erklärt Art. 43 Abs. 1 EGBGB das Recht des Belegenheitsorts für maßgeblich (lex rei sitae)1. Die physische Präsenz der Sache entscheidet danach über das für die Transaktion geltende Recht2. Diese Grundregel des Internationalen Sachenrechts blickt auf eine lange Tradition zurück. Sie genoss im deutschen
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Spezielle Sonderregeln, die im Folgenden außer Betracht bleiben, existieren beispielsweise für bestimmte Transportmittel (Art. 45 Abs. 1 EGBGB), die Übertragung bestimmter Wertpapiere (§ 17a DepotG) und rückgeführte Kunstgüter (§§ 5 Abs. 1, 9 KultGüRückG); vgl. nur Hohloch, in: Erman, BGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 5; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 2. 2 BGH NJW 1995, 58, 59; Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 11; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 6; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 257.
I. Bestandsaufnahme und Kritik der lex lata
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Rechtskreis bereits vor ihrer Kodifikation im Jahre 19993 gewohnheitsrechtliche Geltung4 und beherrscht auch den ganz überwiegenden Teil des ausländischen Kollisionsrechts5. a) Untergeordnete Bedeutung der freien Rechtswahl de lege lata Anders als nach Maßgabe des Art. 3 Rom I-VO können die Parteien des Übereignungsvertrages nicht frei über das anwendbare Recht entscheiden. Die unter Geltung des früheren Rechts für bestimmte Fälle vertretene Gegenposition6 ist in Ansehung von Art. 43 EGBGB nicht länger haltbar7. Weil der Gesetzgeber des IPRG 19998 Verkehrsinteressen gefährdet sah, hat er ganz bewusst gegen das Prinzip der freien Rechtswahl votiert9. Die legislatorische Begründung legt den Umkehrschluss nahe, dass der Parteiautonomie ausnahmsweise dann ein – wenn auch sehr eingeschränkter – Anwendungsbereich eröffnet sein kann, wenn Interessen der Sicherheit des Rechtsverkehrs durch die Rechtswahlvereinbarung von vornherein nicht gefährdet werden können. Und tatsächlich findet sich in den Gesetzesmaterialien zur Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB der ausdrückliche Hinweis, eine Sonderanknüpfung komme „ausnahmsweise im Hinblick auf den Willen der Parteien (nur) für ihre Beziehungen zueinander“10 in Betracht. Angesichts des klaren Votums gegen das Prinzip der freien Rechtswahl kann allerdings in einer Rechtswahlvereinbarung allein keine „wesentlich engere Verbindung“ iSd. Ausweichklausel erblickt werden11. Das Schrifttum bezieht die Einlassung des IPR-Gesetzgebers auf den Sonderfall des grenzüberschreitenden Transports von Sachen (res in transitu)12. Für sie existieren im deutschen Internationalen Sachenrecht zwar keine Sonderrege3 Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999, BGBl. I, S. 1026; im Folgenden kurz: IPRG 1999; zur vorausgegangenen Rechtsentwicklung eingehend Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 5 ff.; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 386 ff. 4 Exemplarisch BGHZ 39, 173, 174; 100, 321, 324; BGH NJW 1998, 3205. 5 Dazu ausf. Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 439 ff.; Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 145, 146 ff. 6 Drobnig, FS Kegel, S. 141, 150 f.; Drobnig/Kronke, in: MPI, Beiträge, S. 91, 102; Weber, RabelsZ 44 (1980), 510 ff.; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 282 ff., 292 ff., 304 ff., 337, 368 f.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 281 ff.; dagegen bereits BGH NJW 1997, 461, 462. 7 Vgl. nur BGH NJW 2009, 2824 Tz. 6; Kegel/Schurig, IPR, § 19 I; Thorn, in: Palandt, BGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 2. 8 Siehe nochmals oben Fn. 3. 9 BT-Drucks. 14/343, S. 16; vgl. dazu auch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 11; Junker, RIW 2000, 241, 251 f., 253; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 436; Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 273 f.; Wagner, IPRax 1998, 429, 435; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 21. 10 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 19. 11 So die zutreffende h.M.: Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 46 EGBGB Rn. 18; Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 274; a.A. offenbar Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 332; vermittelnd Stoll, IPRax 2000, 259, 265. 12 Siehe die Nachw. in Fn. 15; vgl. noch die rechtsvergleichende Hinweise bei Rühl, Statut, S. 341.
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
lungen. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich auf die Anwendung desjenigen Rechts verwiesen, zu dem nach Maßgabe des Art. 46 EGBGB eine wesentlich engere Verbindung besteht13. Darüber hinaus forderte der Gesetzgeber die Rechtsprechung auf, auch außerhalb der Bindungen des Art. 46 EGBGB eigenständige Regeln für Transportgut zu entwickeln14. Das Schrifttum nutzt diesen Gestaltungsspielraum und plädiert für die Zulassung der freien Rechtswahl auf Grundlage einer Rechtsfortbildung extra legem15. Für den Sonderfall der res in transitu können die Vertragsparteien demnach selbst darüber entscheiden, welches Recht zur Anwendung gelangen soll. Da schutzwürdige Verkehrsinteressen in diesem Zusammenhang nicht tangiert sind, sollten die Wahlanknüpfungen auch nicht von vornherein – wie im Schrifttum zuweilen vertreten16 – auf Absende- und Bestimmungsort beschränkt werden. Nur wenn es an einer Rechtswahl durch die Parteien überhaupt fehlt, gilt nach Maßgabe des Art. 46 EGBGB das am Bestimmungsort geltende Recht17. b) Geltung des Situsrechts für die Übereignung Das Situsrecht bestimmt über die zentralen Kollisionsfragen des Internationalen Sachenrechts. Das gilt zunächst für die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand als Sache iSd. Art. 43 Abs. 1 EGBGB zu qualifizieren ist und ob es sich bei einem bestimmten Recht nach Art und Typus um ein dingliches Recht handelt. Darüber hinaus gilt das Belegenheitsrecht auch für die Anknüpfung der rechtsgeschäftlichen Sukzession über dingliche Rechte18 und die vorgelagerte Frage der Übertragbarkeit körperlicher Gegenstände19. Die Anknüpfung an 13
Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 14. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 14. 15 So namentlich Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 65; in der Sache ebenso Junker, RIW 2000, 241, 246; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 45 EGBGB Rn. 13; Stoll, IPRax 2000, 259, 264. 16 So etwa Stoll, IPRax 2000, 259, 264; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 65; vgl. weiter Kegel/Schurig, IPR, § 19 IV. 17 Kegel/Schurig, IPR, § 19 IV; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 39; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 65; Junker, RIW 2000, 241, 252; im Grundsatz auch Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 45 EGBGB Rn. 13; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 46 EGBGB Rn. 44, die jeweils aber in Ermangelung überwiegender Anknüpfungspunkte Art. 43 Abs. 1 EGBGB als Rückfallposition ansehen. 18 Vgl. BGH NJW 1996, 2233, 2234; 1997, 461; BGH NJW-RR 2010, 983 Tz. 20; OLG München NJW-RR 2008, 1285, 1286; OLG Koblenz NJOZ 2011, 260, 261; Dörner, in: Hk, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 2; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 11; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 30; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 8; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 295; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 3; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 79; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 22; Kegel/Schurig, IPR, § 19 II; Kropholler, IPR, § 54 I 3. 19 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 10; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 35; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 8; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 295; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 20; Kegel/Schurig, IPR, § 19 II; vgl. speziell zu Kunstgegenständen KG FamRZ 1973, 307, 309 ff. 14
I. Bestandsaufnahme und Kritik der lex lata
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den Belegenheitsort gilt für nahezu sämtliche Modalitäten der Übereignung, namentlich die Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips20, des Bestimmtheitsprinzips21, des Erfordernisses einer dinglichen Einigung22 sowie etwaige Publizitätselemente, wie die Eintragung, Übergabe23 und Anzeigeerfordernisse. Gleiches gilt für die Zulässigkeit von Übergabesurrogaten24 sowie die tatbestandlichen Voraussetzungen der Sicherungsübereignung25, wenngleich die ihnen zugrunde liegenden obligatorischen Rechtsverhältnisse jeweils selbstständig anzuknüpfen sind26. Darüber hinaus bestimmt das Belegenheitsrecht auch über die Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen des Erwerbs vom Eigentümer und anderen Verfügungsberechtigten27, die Zulässigkeit und Modalitäten des Gutglaubenserwerbs28 einschließlich etwaiger Lösungsrechte29, des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs30 und des Abhandenkommens31, der Anforderungen an die Gutgläu-
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OLG Celle IPRax 1991, 115. Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 8; vgl. noch Trendelenburg, MDR 2003, 1329, 1331 (zum Asset Deal). 22 BGH WM 1967, 1198; OLG Koblenz RIW 1989, 384, 386; vgl. noch Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 11, 12. 23 OLG Koblenz RIW 1989, 384, 386; OLG Koblenz NJOZ 2011, 260, 261; vgl. weiter KG NJW 1988, 341, 342. 24 Zum Besitzkonstitut vgl. BGHZ 50, 45, 47; zur Abtretung des Herausgabeanspruchs vgl. OLG Frankfurt ZEV 2011, 478, 479 f.; zur Registereintragung vgl. BGHZ 39, 173; zur Urkundenausfertigung vgl. OLG Köln OLGZ 1977, 201. 25 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 12; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 3. 26 Siehe dazu sogleich unten § 24 I. 1. c). 27 Vgl. BGH NJW-RR 2000, 1583, 1584 (zur Veräußerungsermächtigung); BayObLGZ 1972, 204, 208 ff.; 1982, 348, 352. 28 BGHZ 100, 321, 324 f.; BGH NJW 1960, 774 f.; 2009, 2824 Tz. 10; OLG München NJWRR 2008, 1285, 1286; OLG Koblenz NJOZ 2011, 260, 261; Dörner, in: Hk, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 2; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 12; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 31; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 10; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 300; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 3; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 80; Kropholler, IPR, § 54 I 3 c; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 22 f.; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 364 f. 29 BGHZ 100, 321, 324 ff.; dazu ausf. Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 307 ff.; ders., IPRax 1987, 357 ff.; Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), 100 ff.; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 365, 371 ff. 30 BGH NJW 1991, 1415, 1416; OLG Koblenz IPRax 1994, 302; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 12; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 300; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 364. 31 OLG Düsseldorf IPRspr 1998, Nr. 54; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 364 f., 366 f.; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 10; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 302; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 81 a.E.; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, § 12 Rn. 22; Kropholler, IPR, § 54 I 3 c; a.A. Mansel, IPRax 1988, 268, 271; Hanisch, FS Müller-Freienfels, S. 193, 215; unklar, aber offenbar ebenso OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 597, 598. 21
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
bigkeit32 und Beweislastverteilung33. Gleiches gilt für die Frage, ob der Berechtigte einen Dritten zu wirksamen Verfügungen ermächtigen und ob die Verfügung eines Nichtberechtigten mittels Genehmigung34 oder Konvaleszenz nachträglich wirksam werden kann. Schließlich zeichnet die lex rei sitae auch für den Inhalt dinglicher Rechte35 sowie für deren akzessorischen oder fiduziarischen Charakter36 verantwortlich. c) Gespaltene Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft Es entspricht der einhelligen Auffassung unter Geltung des Art. 43 EGBGB, für die internationale Übereignung streng zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem dinglichen Verfügungsgeschäft zu unterscheiden, und zwar vollkommen unabhängig davon, ob die Prinzipien der Trennung und Abstraktion unter der lex causae Geltung beanspruchen37. Daraus folgt für das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft eine selbstständige Anknüpfung nach den allgemeinen Grundsätzen der Art. 3 ff. Rom I-VO. Selbstständig anzuknüpfen ist gleichermaßen die Frage, ob ein wirksames Kausalgeschäft Voraussetzung für den dinglichen Rechtserwerb ist38. In der Konsequenz beurteilt sich die Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts nur dann allein und sicher nach dem Belegenheitsrecht, wenn die Parteien für das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft keine abweichende Rechtswahl getroffen haben39. Andernfalls entfaltet die von den Vertragsparteien für das Verpflichtungsgeschäft gewählte Rechtsordnung in gewisser Weise Ausstrahlungswirkung auf die Verfügungsebene. Das hat der V. Zivilsenat des BGH jüngst bestätigt, indem er der schuld32 BGH NJW 1991, 1415, 1416; OLG Koblenz NJOZ 2011, 260, 261; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 365 f.; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 301 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 23; a.A. Hanisch, FS Müller-Freienfels, S. 193, 215: Behandlung als Vorfrage mit selbstständiger Anknüpfung. 33 Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 300. 34 BGH NJW-RR 2000, 1583, 1584; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 3; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 80; Kropholler, IPR, § 54 I 3 d. 35 BGHZ 45, 95, 97. 36 LG München I WM 1957, 1378, 1379; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 14; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 149; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 20. 37 Vgl. BGHZ 52, 239, 240 ff.; Dörner, in: Hk, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 1; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 11; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 37; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 18; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 218, 222, 296; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 82; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 64 ff.; Kegel/Schurig, IPR, § 19 II; Kropholler, IPR, § 54 I 3 b; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 21; Junker, RIW 2000, 241, 251; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 662; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 119 ff. 38 Dörner, in: Hk, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 1; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 11; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 37; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 82; a.A. für das Immobiliarsachenrecht Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 223. 39 Zur objektiven Maßgeblichkeit des Belegenheitsrechts für das Verpflichtungsgeschäft vgl. Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 11; a.A. OLG Düsseldorf IPRspr 1970 Nr. 42.
I. Bestandsaufnahme und Kritik der lex lata
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rechtlichen Einigung in kollisionsrechtlicher Hinsicht Bedeutung für die Interpretation der dinglichen Einigung beimaß40: Werde über einen in Deutschland befindlichen Gegenstand ein Vertrag nach ausländischem Recht abgeschlossen und sei zweifelhaft, ob das Eigentum an der Sache übergehen solle, müsse der Vertrag zunächst nach den Regeln des Vertragsstatuts ausgelegt werden. Die mit einer gespaltenen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft verbundenen Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme sind uns aus den Erörterungen zur grenzüberschreitenden Forderungszession41 noch bestens vertraut. Friktionen resultieren aus dem Nebeneinander unterschiedlicher Rechtsordnungen immer dann, wenn sich die Übereignung nach einer kausalen Rechtsordnung vollziehen soll und die Sache anschließend in eine abstrakte Rechtsordnung verbracht wird. Schwierigkeiten bereitet außerdem der Fall, dass eine kausale Übereignung auf der Grundlage eines „abstrakten“ Vertragsstatuts durchgeführt wird42. Dann kann es nämlich dazu kommen, dass dem abstrakten Kaufvertrag aufgrund des kausalen Sachstatuts im Ergebnis eigentumsübertragende Wirkung beigelegt wird, was den Wirkungsmechanismen des abstrakten Verpflichtungsgeschäfts diametral zuwiderläuft43. Unbefriedigende Ergebnisse sind weiterhin die Folge, wenn die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts und die Frage, ob dessen Mängel auf die Verfügung durchschlagen, nach unterschiedlichen Rechtsordnungen zu behandeln sind44. Hinzu kommt schließlich noch eine Reihe hier nicht näher auszubreitender Probleme, die aus der Divergenz von Sach- und Rückabwicklungsstatut resultieren45. Alle diese Problempunkte bereiten nicht nur Schwierigkeiten bei der Lösung kollisionsrechtlicher Probleme, sondern manifestieren sich außerdem in höheren Transaktionskosten, weil die Wirksamkeit der Übereignung von der Einhaltung unterschiedlicher Regelungsregime abhängig ist. Vergleichbare Probleme bereitet die selbstständige Anknüpfung von Übergabesurrogaten, wie z.B. Besitzkonstitut, Abtretung des Herausgabeanspruchs und Registereintragung. Namentlich für das Besitzkonstitut ist im modernen Schrifttum anerkannt, dass sich Zulässigkeit, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen grundsätzlich nach Maßgabe der Art. 3 ff. Rom I-VO richten46. 40
BGH RIW 2012, 804 Tz. 30; a.A. Jaensch, EWiR 2012, 761, 762. Siehe oben § 22 II. 1. 42 Dazu jeweils eingehend Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 666 ff.; vgl. weiter Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 126 ff.; siehe weiter die instruktiven Beispiele bei Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 65. 43 Dazu näher Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 438 f.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 127. 44 Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 697. 45 Eingehend Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 128 ff. 46 Allgemein Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 12; speziell für das Besitzkonstitut RG Recht 1911 Nr. 3497; BGH NJW-RR 2010, 983 Tz. 29; RIW 2012, 804 Tz. 14; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 18; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR, Rn. 148; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Kegel/Schurig, IPR, § 19 II; vgl. weiter offenbar auch BGH NJW 1989, 2542, 2544; speziell zur Abtretung des Herausgabeanspruchs RG Recht 1911 Nr. 3476; OLG Schleswig IPRspr 1989 Nr. 77; Privat, Rechtswahl, S. 100; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 439; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 127 f. 41
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
Entsprechendes gilt für die Anknüpfung schuldrechtlicher Sicherungsverträge bei der Sicherungsübereignung47. Und schließlich fehlt es an einem Gleichlauf auch, wenn das dingliche Recht eine Forderung sichert, da sich deren rechtliches Schicksal ausschließlich nach dem Abtretungsstatut beurteilt, das bekanntlich ebenfalls unter dem Primat der Rechtswahlfreiheit steht48.
2. Statutenwechsel und Anerkennung ausländischer Sachenrechte Die Anknüpfung an das Situsrecht führt notwendig zu einem Statuswechsel, soweit die Sache die Grenze zu einem anderen Staat überquert oder sich das Sachrecht am Belegenheitsort ändert. Zur Anwendung gelangt in diesem Fall das neue Recht des Lageortes. Aufgrund der inhaltlichen Unterschiede der nationalen Sachrechte stellt sich daraufhin die Frage, wie mit dinglichen Rechten zu verfahren ist, die im Ursprungsland wirksam bestellt worden sind, im Zielstaat indes keine Entsprechung finden. Diesen Konflikt löst Art. 43 Abs. 2 EGBGB in differenzierter Art und Weise auf: Einerseits werden die ausländischen Rechte – im Interesse dinglich Berechtigter – grundsätzlich auch unter Geltung der neuen Rechtsordnung anerkannt. Der Belegenheitsstaat hat zu diesem Zweck namentlich solche Vorgänge anzuerkennen, die dem Gegenstand in der Vergangenheit sein sachenrechtliches Gepräge gaben (Prägungslehre)49. Andererseits darf die Ausübung wohlerworbener Rechte indes nicht gegen die Sachenrechtsordnung des neuen Belegenheitsorts verstoßen. Im Interesse der Verkehrssicherheit werden die Verkehrsteilnehmer des Empfangsstaates vor der Ausübung unbekannter Rechte geschützt, die mit dem inländischen Recht schlichtweg unvereinbar sind50; gewährleistet wird hierdurch insbesondere die Geltung des – de lege ferenda indes nicht zweifelsfreien51 – Numerus-claususPrinzips52. Wo die Grenze zwischen Anerkennung und Nichtbeachtung ausländischer Sachenrechte im Einzelnen verläuft, ist in erster Linie nach Maßgabe des inländischen Sachrechts zu ermitteln. Dem Rechtsanwender stellt sich hier ein schwerwiegendes Optimierungsproblem zwischen dem individuellen Be47
Vgl. Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 345. Zum letzten Punkt siehe oben § 22 II. 49 Vgl. BGHZ 39, 173, 175; 45, 95, 97; 100, 321, 326; BGH NJW 1991, 1415, 1416; OLG Schleswig NJW 1989, 3105 f.; OLG Köln IPRax 1990, 46; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 354; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 5; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 120; Kropholler, IPR, § 54 III 1 a; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 657. 50 Vgl. Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 3; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 5, 120. 51 Siehe oben § 2 III. 2. b) cc) mit Nachweisen zur Kritik. 52 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 16. Durch diese klarstellenden Worte des Gesetzgebers dürfte der unter dem früheren Recht herrschende Streit über die Bedeutung des Numerus-clausus-Prinzips erledigt sein; vgl. dazu noch Ferid, IPR, Rn. 7–65; Wenckstern, RabelsZ 56 (1992), 624, 657 f. einerseits und Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 358 andererseits. Zu diesem Aspekt siehe noch unten § 24 II. 3. b). 48
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stands- und Sicherungsinteresse des Rechtsinhabers auf der einen Seite und dem überindividuellen Interesse der Verkehrssicherheit im Empfangsstaat auf der anderen Seite. a) Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes Die in Art. 43 Abs. 2 EGBGB für den Statutenwechsel festgeschriebene Regelung gewährleistet für den Sonderfall der internationalen Eigentumsübertragung mit Grenzübertritt des Sachgegenstandes einen besonderen kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutz. Ebenso wie die Übereignung nach materiellem Sukzessionsrecht beschränkte Sachenrechte Dritter im Grundsatz unberührt lässt53, ist auch bei einer grenzüberschreitenden Übereignung die Fortgeltung der am Verfügungsgegenstand bestehenden dinglichen Rechte gewährleistet, und zwar selbst dann, wenn sich die Rechtsverhältnisse infolge Grenzübertritts nunmehr nach dem Recht des neuen Belegenheitsorts bestimmen. Das für die internationale Übereignung damit hervorgehobene Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes findet insofern eine besondere Ausprägung in dem kollisionsrechtlichen Gebot des Schutzes wohlerworbener Rechte54. Dem Bestandsschutz für dingliche Rechte liegt die Annahme zugrunde, dass die Inhaber beschränkter Sachenrechte auf die Transaktion keinen Einfluss nehmen können. Der Eigentumsübergang wird von den Vertragsparteien initiiert, vereinbart und vollzogen, ohne dass beschränkte Rechtsinhaber auf das Sukzessionsgeschäft einwirken können. Mangels rechtsgeschäftlicher Beteiligung sind sie darauf angewiesen, dass das Gesetz Vorkehrungen dafür trifft, dass ihre wohlerworbene Berechtigung nicht infolge einer grenzüberschreitenden Transaktion unterminiert wird. b) Schutz von Verkehrsinteressen im neuen Belegenheitsrecht Das Gebot des Schutzes wohlerworbener Rechte und das Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes bilden ein belastbares Fundament für die Interpretation des Art. 43 Abs. 2 EGBGB und die hieraus resultierende Spaltung des Sachstatuts, wie sie von der zutreffenden h.M.55 de lege lata vertreten wird. So ist man sich heute darüber einig, dass die an einer Sache bestehenden dinglichen Rechte nicht vollumfänglich nach dem Recht des Empfangsstaates zu interpretieren sind (Lehre vom einheitlichen Sachstatut)56, sondern dass le53
Dazu eingehend oben § 15 II. Dazu pointiert Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 145, 157: „Einmal erworben – immer erworben“; siehe ferner ders., IPR, § 38 II 2, S. 271; v. Caemmerer, FS Zepos II, S. 25, 30; Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 272 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 28; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 46; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 120. 55 Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 48; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 123 ff. 56 Vgl. im Überblick Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 121. 54
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
diglich die Wirkungen des – nach dem Begründungsstatut fortbestehenden – dinglichen Rechts sich nach dem neuen Belegenheitsstatut richten (Lehre vom gespaltenen Sachstatut)57: Das Sachstatut wird in zeitlicher und sachlicher Hinsicht aufgespalten. Das Recht des Empfangsstaates bestimmt nur über solche Vorgänge, die nach dem Statutenwechsel eintreten. Alle davor liegenden Ereignisse sind nach dem Altstatut zu beurteilen. Das gilt für sämtliche Änderungen der dinglichen Verhältnisse an dem Gegenstand, namentlich inhaltliche Veränderungen und Verfügungen über das dingliche Recht. Sind sie vor dem Grenzübertritt abgeschlossen, haben sie als solche auch vor der Rechtsordnung des Empfangsstaates Bestand. In zeitlicher Hinsicht gilt – in Parallele zum materiellen Zivilrecht58 – ein kollisionsrechtliches Koinzidenzprinzip. Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem alle für die Rechtsänderung notwendigen Tatbestandsmerkmale vollständig vorliegen59. Soweit das dingliche Recht unter Geltung des neuen Belegenheitsstatuts nicht erloschen oder verändert worden ist, entfaltet es nach Rückführung der Sache in den Entstehungsstaat die gleichen Wirkungen wie bei Begründung60. Auch wenn mit dem Gedanken des Verkehrsschutzes ein wichtiges Rechtsgut als sachlicher Grund für die Beschränkung wohlerworbener Rechte gegeben ist, sprechen das Bestandsinteresse des individuellen Rechtsinhabers sowie das Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes für eine restriktive Interpretation des Art. 43 Abs. 2 EGBGB. Die Lehre vom einheitlichen Sachstatut schießt vor diesem Hintergrund über das zum Schutz berechtigter Verkehrsinteressen notwendige Maß weit hinaus. Solange die Anerkennung des ausländischen Sachenrechts den inländischen Rechtsverkehr nicht beeinträchtigt, bedarf es keiner umfassenden Überführung des Fremdrechts in ein innerstaatliches Recht. Diesen Gedanken greift die Lehre vom gespaltenen Sachstatut auf und ermöglicht auf diese Weise einen trade-off zwischen Bestands- und Verkehrsinteressen. In der Konsequenz werden beide Wertungsprinzipien nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz durch Aufspaltung des Sachstatuts in ein Rechtsbestands- und ein Rechtswirkungsstatut miteinander zum Ausgleich gebracht61. Als Referenz für besagte Differenzierung kann auf die Äußerungen des IPR-Gesetzgebers verwiesen werden, der in der Regierungsbegründung 57 Dazu und zum Folgenden Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 48; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 5; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 122, 123 ff., 128 ff. 58 Siehe oben § 12. 59 In der Sache ebenso v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 7; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 654; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 442; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 128 a.E.; ungenau („Zeitpunkt der infrage stehenden Rechtsfolge“) BGHZ 39, 173, 174; 45, 95, 99 f.; v. Bar, IPR II, Rn. 746; Wagner, IPRax 1998, 429, 435; vgl. noch Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 161. 60 Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 5. 61 So die Begrifflichkeiten bei Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 128 ff.; übernommen von BGH NJW-RR 2010, 983 Tz. 21; ähnlich Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 48, der von „Entstehungsstatut“ und „Wirkungsstatut“ spricht.
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hervorhebt, „daß Sachenrechte, die vor dem Grenzübertritt entstanden sind, dem Recht des Lageortes zur Zeit der Entstehung unterliegen“ und sich nur die „Wirkungen dieser Rechte nach Grenzübertritt“ nach „dem Recht des neuen Lagestaats“ beurteilen62. In diesem Kontext nimmt der Gesetzgeber auch die vorausgegangene höchstrichterliche Rechtsprechung63 in seinen Willen auf und postuliert thesenhaft64: „Die wirksam begründeten Sachenrechte bestehen bei Statutenwechsel also fort; sie müssen sich aber inhaltlich an verwandte Sachenrechtstypen des neuen Statuts anpassen.“
Darüber hinaus spricht für die hier vertretene Lesart des Art. 43 Abs. 2 EGBGB auch die Bedeutung der Rechtsfrage für die Anwendung fremden Rechts65. Interpretierte man die Vorschrift nämlich als eine Ausnahme von der Geltung des neuen Ortsrechts (und nicht wie hier vorschlagen als Ausnahme der Anwendung des früheren Lagerechts), dann müsste die Vorschrift als kollisionsrechtliche Durchbrechung der Geltung fremden Rechts verstanden werden. Dies würde indes voraussetzen, Art. 43 Abs. 2 EGBGB entweder selbst als Eingriffsnorm zu begreifen, die sich mittels einer besonderen Anknüpfung gegen das fremde Recht durchsetzt, oder ihn als spezialgesetzliche Ausformung des ordre public66 zu verstehen. Beide Deutungsmöglichkeiten wollen sich indes schwerlich in das System des Internationalen Privatrechts einordnen lassen und würden auch dem Regelungsgehalt und der Zielrichtung der Norm nicht gerecht. Auch wenn die Differenzierung zwischen Rechtsbestands- und Rechtswirkungsstatut sich auf Grundlage der lex lata als allein überzeugendes Verständnis des Art. 43 Abs. 2 EGBGB darstellt, führt sie in der praktischen Rechtsanwendung zu großen Schwierigkeiten. Während nämlich der Bestand des dinglichen Rechts durch den Statutenwechsel unberührt bleibt, beurteilen sich sein Inhalt und seine Wirkungen mit Grenzübertritt nach Maßgabe des neuen Belegenheitsrechts. Da sich Bestand, Inhalt und Wirkung als Teilelemente des dinglichen Rechts kaum sauber voneinander trennen lassen, spricht das Schrifttum zuweilen davon, Rechtsbestands- und Rechtswirkungsstatut stünden „in einem nur schwer aufzulösenden Spannungsverhältnis“67 zueinander. Wie diese Ver62 Alle vorstehenden Zitate: Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 16; weiter heißt es dort: „Er (scil.: ,der allgemeine Grundsatz der Lex rei sitae‘) weist bei einem grenzüberschreitenden Lagewechsel den beiden beteiligten Statuten den Anwendungsbereich zu: Jedes Lagerecht gilt für die in seinem Geltungsbereich eingetretenen Tatbestände. Jedoch wird die Rechtsordnung des Empfangsstaats die Rechte, die vor Grenzübertritt nach Maßgabe des Absendelandes begründet wurden, übernehmen und sie mit den Wirkungen entsprechender dinglicher Rechte des Empfangsstaats ausstatten.“ 63 BGHZ 100, 321, 326; BGH NJW 1991, 1415, 1416. 64 BT-Drucks. 14/343, S. 16. 65 Zum Folgenden instruktiv und überzeugend Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 123. 66 In diese Richtung U. Ernst, Mobiliarsicherheiten, S. 281 f.; Schurig, FS Stoll, S. 377, 381. 67 Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 129.
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
werfungen aufzulösen sind, hängt maßgeblich davon ab, ob ein sachenrechtlich relevanter Tatbestand vor dem Grenzübertritt bereits nach dem früheren Sachstatut endgültig eingetreten ist oder ob er (aus Sicht des alten oder neuen Belegenheitsrechts) noch nicht vollständig verwirklicht war. Im ersten Fall spricht man von einem schlichten (c), im zweiten Fall von einem qualifizierten Statutenwechsel (d)68. c) Schlichter Statutenwechsel Ist bei einem schlichten Statutenwechsel ein dingliches Recht nach dem Recht des früheren Belegenheitsortes endgültig nicht entstanden, ändert sich auch nichts dadurch, dass der Gegenstand in eine andere Rechtsordnung verbracht wird, die den früher verwirklichten Teiltatbestand für die Rechtsbegründung ausreichen lässt69. Das gilt beispielsweise für den redlichen Erwerb einer abhanden gekommenen Sache, der nach deutschem Recht grundsätzlich ausscheidet70, aber nach ausländischem Recht zulässig sein kann. Scheitert der redliche Erwerb nach dem Altstatut endgültig, bleibt es bei diesem Ergebnis, auch wenn das neue Situsrecht eine entsprechende Ausnahmevorschrift nicht kennt71. Umgekehrt wird der Bestand des dinglichen Rechts nicht dadurch berührt, dass die tatsächlichen Umstände zwar im früheren Belegenheitsland den Entstehungstatbestand vollständig erfüllten, jener aber hinter den Anforderungen des neuen Sachstatuts zurückbleibt und die Rechtsposition unter Geltung des neuen Lagerechts nicht wirksam entstanden sein würde72. Klassisches Beispiel ist die Ersitzung, deren Frist im Entstehungsstaat bereits abgelaufen war, nicht so indes die – längere – Ersitzungsfrist im Aufnahmestaat73. aa) Anerkennung fremder Sachenrechte im Inland Sehr umstritten ist im Anschluss daran die Frage, welche Wirkung einem nach ausländischem Recht entstandenen Sachenrecht im Inland zukommt74. Vor al68
Zur Terminologie Kropholler, IPR § 54 III; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 656; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 45; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 136 f.; vgl. abweichend etwa Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 352. 69 Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 45, 47; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 6; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 142 f.; Kropholler, IPR, § 54 III 1; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 656 f. 70 Siehe oben § 11 VII. 2. 71 Ebenso etwa Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 21; Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 16; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 354; Kropholler, IPR, § 54 III 1; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 367. 72 Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 46; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 144; vgl. noch BGH RIW 2012, 804 Tz. 14. 73 Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 6; Kropholler, IPR, § 54 III 1. 74 Ausgezeichnete Aufbereitung des Meinungsstands bei Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 147 ff.; ferner Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 50 f.; Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 272 f.; die praktische Bedeutung der Streitfrage relativierend Dörner, Hk, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 5.
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lem im älteren Schrifttum ist hierzu vielfach die Auffassung vertreten worden, das Fremdrecht wandele sich mit dem Statutenwechsel – unumkehrbar – in ein inländisches Recht um, dem die gleiche Funktion wie dem ursprünglich begründeten Recht zukomme (Lehre vom effet de purge)75. Im modernen Schrifttum zahlreicher vertreten findet sich eine Meinungsgruppe, die allein die Wirkungen des fortbestehenden Rechts an ein funktionsäquivalentes inländisches Recht angleicht. Zum Teil wird diese Angleichung vollumfänglich und in jeder Hinsicht befürwortet (vollständige Transposition)76; zum Teil wird angenommen, die Angleichung beziehe sich nur auf einzelne, ganz konkrete Funktionen (selektive Transposition)77. Wieder andere gehen noch einen Schritt weiter, anerkennen das ausländische Recht als ein solches seines Entstehungsstaates und suchen in Ermangelung eines funktionell vergleichbaren Rechts mittels Anpassung und Angleichung nach einzelfallgerechten Lösungen (Anerkennungslehre)78. Im Sinne der Anerkennungslehre hat die deutsche Rechtsprechung bereits eine beachtliche Zahl unterschiedlichster Auslandsrechte anerkannt – dies freilich ohne ein klares Bekenntnis zu dieser Position abzugeben. So behandelte der BGH das französische Automobil-Registerpfandrecht in Deutschland als Sicherungseigentum79. Ein nur relativ wirksamer Eigentumsvorbehalt italienischer Herkunft erstarkt auf deutschem Boden zum allseitig wirksamen Eigentumsvorbehalt80. Zudem wird auch eine besitzlose Auto-Hypothek italienischen Rechts in Deutschland als besitzloses Pfandrecht anerkannt81.82 Diese Judikate bilden den vorläufigen Endpunkt einer wechselvollen Entwicklung der Anerkennungsfähigkeit besitzloser Mobiliarsicherheiten. Während sich Rechtsprechung und Lehre in Ansehung des in Deutschland geltenden Faustpfandprinzips früher mit der Anerkennung besitzloser Pfandrechte schwertaten83, ist der Schwenk der modernen Judikatur84 (und des begleitenden 75 So noch Kegel/Schurig, IPR, § 19 III: „Reinigungseffekt“; Ferid, IPR, Rn. 7–64 f.; vgl. dazu auch Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 147. 76 Drobnig, RabelsZ 38 (1974), 468, 480 ff.; ders., FS Kegel, S. 141, 144; Junker, RIW 2000, 241, 254; Staudinger, DB 1999, 1589, 1593; wohl auch Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 445. 77 Vgl. dazu Kaufhold, Mobiliarsicherungsrecht, S. 278; U. Ernst, Mobiliarsicherheiten, S. 278 f.; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 150 f. 78 Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 21; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 51; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 12; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 356; ders., IPRax 2000, 259, 262; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 152 ff.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 31; Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 273; U. Ernst, Mobiliarsicherheiten, S. 279; vgl. noch OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 597. 79 BGHZ 39, 173, 174 f.; dazu Drobnig, FS Kegel, S. 141, 142 ff.; Hartwieg, RabelsZ 57 (1993), 607, 624 ff. 80 BGHZ 45, 95, 97; dazu Hartwieg, RabelsZ 57 (1993), 607, 627 ff.; Junker, RIW 2000, 241, 254. Dieses Ergebnis hat der Gesetzgeber von 1999 in seinen Willen aufgenommen; vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 16. 81 BGH NJW 1991, 1415, 1416; dazu Kreuzer, IPRax 1993, 157 ff. 82 Siehe ferner die umfassende Zusammenstellung bei Graham-Siegenthaler, Kreditsicherungsrechte, S. 148 ff.; vgl. noch Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 22; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 159.
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Schrifttums85) angesichts der verblassenden Bedeutung des Traditionsprinzips im inländischen Rechtsverkehr86 nur konsequent. Zwar hält das Gesetz auch weiterhin am Faustpfandprinzip fest87 – wenn auch de lege ferenda zu Unrecht88. Die Praxis ist allerdings längst zur publizitätslosen Sicherungsübereignung übergegangen. Davon abgesehen ist die Bedeutung von Besitz- und Übergabeerfordernissen auch durch die massenhafte Verbreitung von Eigentumsvorbehalten sowie den weiträumigen Gebrauch von Übergabesurrogaten wesentlich entwertet. Vor dem Hintergrund dieser rechtstatsächlichen Entwicklung müsste es daher ohnehin wertungswidersprüchlich erscheinen, verweigerte man besitzlosen Mobiliarsicherheiten ausländischer Provenienz die rechtliche Anerkennung im Inland89. Gleiches wird man auch für Gegenstände annehmen müssen, die mit einer floating charge englischer Prägung90 oder einem anderen ausländischen Unternehmenspfandrecht91 belastet sind. Die Anerkennung solcher Pfandrechte widerspricht auch nicht dem deutschen Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip92, denn die (Gesamt-)Belastung des Unternehmens kann nach deutschem Recht in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 1085 BGB zwanglos als Belastung der Einzelgegenstände aufgefasst werden. Und schließlich lässt sich auch ein Lösungsrecht beim Gutglaubenserwerb schweizerischer Herkunft mit den Wirkungen des dinglichen Zurückbehaltungsrechts gem. § 1000 BGB ins deutsche Recht überführen93. Darüber hinaus ist die Anerkennungstheorie auch mit den Wertungen des Sukzessionsschutzprinzips und der hier vertretenen – restriktiven – Interpretation des Art. 43 Abs. 2 EGBGB bestens in Einklang zu bringen. Der zentrale 83 Umfängliche Nachweise bei Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 359; aus neuerer Zeit noch restriktiv Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 687 ff. 84 Insbesondere BGHZ 39, 173, 176; siehe ferner BGH NJW 1991, 1415, 1416. 85 Siehe die Nachw. unten in Fn. 89. 86 Zum Ganzen siehe oben § 10 III. 87 Zum Ganzen siehe oben § 10 V. 88 Siehe oben das Plädoyer für das publizitätslose Pfandrecht: § 10 V. 5. 89 Der großzügigen Rechtsprechung zustimmend etwa Drobnig/Kronke, in: MPI, Beiträge, S. 91, 105 f.; Kreuzer, IPRax 1993, 157, 158 f., 160; ders., RabelsZ 65 (2001), 383, 445; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 130; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 31; kritisch und differenzierend Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 359 ff. 90 Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 195; Hübner, FS Pleyer, S. 41, 48 ff.; Röthel, JZ 2003, 1027, 1031 Fn. 55; großzügig auch Schall, IPRax 2009, 209 ff., 211; differenzierend Wenckstern, RabelsZ 56 (1992), 624 ff.; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 86, 109, 129 ff.; zur floating charge allgemein Enchelmaier, ZVglRWiss 112 (2013), 403 ff.; Lange, WM 1990, 701 ff.; Hirte, FS Hoffmann-Becking, S. 531, 536 f.; monografisch Grädler, Belastung (2012); a.A. v. Bar, IPR II, Rn. 761; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 113 f., 321; offenbar ebenso Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 193. 91 A.A. ohne Begründung Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 22. 92 So aber offenbar Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 130; Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 193. 93 Im Ergebnis offenlassend BGHZ 100, 321, 326; wie hier die h.L.: v. Bar, IPR II, Rn. 761; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 28; Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 374; Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), 100, 110 ff.
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Vorteil dieser Position liegt darin, dass sie das im Ausland entstandene Sachenrecht besonders effektiv gegen das veränderte Umweltrecht absichert. Der Rechtsinhaber kann das hohe durch die Anerkennungslehre gewährleistete Schutzniveau beanspruchen, weil er sich gegen die von den Vertragsparteien initiierte Verbringung des Sachgegenstandes in eine andere Rechtsordnung typischerweise nicht zur Wehr setzen kann. Das verlangt nach einem möglichst schonenden Eingriff in die wohlerworbene Rechtsposition des beschränkten Rechtsinhabers und nach einer möglichst weitgehenden Bestandssicherung des Drittrechts. Nur dort, wo (1.) innerstaatliche Verkehrsinteressen eine Abweichung von den Eigenschaften der ausländischen Rechtsposition unausweichlich erscheinen lassen, sich auch (2.) keine funktionsäquivalente Entsprechung für das fremde Recht im Inland finden lässt und (3.) sämtliche Möglichkeiten der Anpassung und Angleichung ausgeschöpft sind, hat das Fremdrecht ausnahmsweise Einbußen in seinen Rechtswirkungen hinzunehmen. Gleiches gilt, wenn die Ausübung des Rechts aus praktischen Gründen ausscheidet, weil beispielsweise die Eintragung in ein Register notwendig wird, das dem inländischen Recht unbekannt ist, oder die Rechtsausübung den Kreditverkehr oder berechtigte Gläubigerinteressen in unverhältnismäßiger Weise gefährdet oder aber am Ordre-public-Vorbehalt scheitert94. Letztlich geht es in diesem Zusammenhang um den Schutz der innerstaatlichen Gläubigerordnung. Die inländischen Gläubiger sollen vor einer Konkurrenz mit ausländischen Sicherungsrechten geschützt werden, die nach nationalem Recht überhaupt nicht hätten geschaffen werden können95. Der Erwerber und seine Gläubiger – so der IPR-Gesetzgeber von 199996 – hätten ein Interesse daran, dass sich die dinglichen Verhältnisse nach der ihnen vertrauten inländischen Rechtsordnung bestimmten. Drittgläubiger und andere Repräsentanten des Rechtsverkehrs würden mit verstärkten Informationskosten belastet, wenn sie die Zulässigkeit und Wirkungsweise der fremden Sachenrechte in Erfahrung bringen müssten. Diese Einlassungen der Legislative mag man im Hinblick auf die besondere Schutzwürdigkeit wohlerworbener Rechte und das Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes in Zweifel ziehen. Für die Anwendung des geltenden Rechts sind sie hingegen zu respektieren. Und so ist es auch dieser Grundgedanke, der einer Entscheidung des OGH zugrunde lag, die der nach deutschem Recht vollzogenen Sicherungsübereignung gem. § 930 BGB mit Verbringung des Sacheigentums nach Österreich die Anerkennung verweigerte97. Gleichermaßen scheidet die Anerkennung aus, wenn sich die Wirkungen des ausländischen Rechts mit der deutschen Privatrechtsordnung als vollkommen unverträglich erweisen98. In einem solchen Fall ruht das fremde Recht 94 Zum Ganzen Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 152; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 355; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 692; vgl. aus der Rechtsprechung BGHZ 39, 173, 176 f. 95 Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 346, 360. 96 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 16.
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für die Zeit der Geltung des neuen Belegenheitsstatuts; es lebt allerdings mit seiner Rückführung in den Ausgangsstaat wieder vollumfänglich auf und kann auch ausgeübt werden, wenn es in einen Drittstaat gelangt, der das fremde Recht gleichermaßen anerkennt99. bb) Bedeutung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten Neben ihrer Praktikabilität und flexiblen Handhabbarkeit spricht für die Anerkennungslehre im europäischen Kontext weiterhin ihre Konformität mit den unionsrechtlichen Vorgaben des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs100. Das übergeordnete Gebot zur Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarktes101 wird nur dann gewährleistet, wenn ausländische Sachenrechte auch im Inland anerkannt und effektiv durchgesetzt werden können. Zwar kommen Einschränkungen der Grundfreiheiten nach Maßgabe der VierSchranken-Doktrin aus zwingenden Allgemeinwohlgründen in Betracht102. Das setzt allerdings weiterhin voraus, dass die Einschränkungen der Freiheitsrechte nicht diskriminierend wirken, sich auf ein Minimum beschränken und insbesondere das mildeste Mittel zur Verwirklichung des angestrebten Zwecks darstellen103. Diesen Vorgaben vermag allein die Anerkennungslehre gerecht zu werden, die mit ihrem minimalinvasiven Ansatz den übrigen Lösungsvorschlägen, die jeweils einen tiefergehenden Eingriff in wohlerworbene Sachenrechte befürworten, überlegen ist. Umgekehrt schießen aber wiederum Positionen, die – unter Hinweis auf die unionsrechtlichen Vorgaben104 – entweder für die uneingeschränkte Geltung des Herkunftsrechts (lex originis)105 oder die Anerkennung von Rechtswahlfrei97
OGH IPRax 1985, 165; zur Rechtfertigung etwa Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 346; kritisch hingegen Rauscher, RIW 1985, 265 ff.; Martiny, IPRax 1985, 168 ff.; Schwind, FS Kegel, S. 599 ff. 98 Mehr dazu sogleich. 99 Im Ergebnis ebenso v. Caemmerer, FS Zepos II, S. 25, 33 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 35; Kropholler, IPR, § 54 III 1 c; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 356; Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 273; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 54; a.A. Kegel/Schurig, IPR, § 19 III; distanziert Schurig, FS Stoll, S. 577, 581. 100 Instruktiv bereits Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 154 ff.; vgl. weiter Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 122 ff.; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 94 ff.; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 241 ff.; Röthel, JZ 2003, 1027, 1031 f.; Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005), 116, 121 ff. 101 Dazu eingehend für das Internationale Sachenrecht Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 87 ff. und öfter; vgl. noch Wendehorst, in: MünchKommBGB, Vor Art. 43 Rn. 5 a.E. 102 EuGH Slg. 1993, I-1663 Tz. 32; 1995, I-4165 Tz. 37; 1999, I-1459 Tz. 34; 2010, I-2177 Tz. 38 vgl. noch Klinke, LA Schurig, S. 105, 112. 103 Siehe nochmals Fn. 102. 104 Zu dem in diesem Kontext herangezogenen Herkunftslandprinzip vgl. Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 13; Grundmann, Schuldvertragsrecht, Rn. 45; Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 206, 301 ff., 309 ff.; Sonnenberger, in: MünchKommBGB, IPR Einl. Rn. 94, 136, 142. 105 Dafür etwa Furrer, Zivilrecht, S. 308; vgl. auch die Anklänge bei v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 150; F. Zimmermann, Unternehmenshypotheken, S. 214 f., 227 f.
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heit106 eintreten, deutlich über das Ziel hinaus107. Denn sie müssen – von ihrem Standpunkt konsequent – Art. 43 Abs. 2 EGBGB als gleichsam unionsrechtswidrig ansehen respektive im Wege einer unionsrechtskonformen teleologischen Reduktion auf null die Anwendung der Vorschrift komplett ausschließen. Das ist in der Sache alles andere als überzeugend: Erstens zielt die hier befürwortete Anerkennungslehre darauf ab, die Ausübung fremder dinglicher Rechte, namentlich fremder Mobiliarsicherungsrechte, zu gewährleisten. Bisher hat die höchstrichterliche Rechtsprechung solche Fremdrechte noch immer anerkannt und sie mit Rechtswirkungen für die deutsche Sachenrechtsordnung ausgestattet. Für weitergehende Rechtsfolgen fehlt es insofern bereits an einem praktischen Bedürfnis. Zweitens würden infolge der Anwendung des ursprünglichen oder eines frei gewählten Sachstatuts die berechtigten Verkehrsinteressen im Inland, namentlich berechtigte Gläubigerbelange, vollständig missachtet, obgleich sie im Rahmen der Vier-Schranken-Doktrin durchaus als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommen und auch im Hinblick auf die Berührungspunkte mit dem Recht des neuen Belegenheitsorts als angemessen erscheinen müssen108; von damit verbundenen Transpositionsschwierigkeiten ganz zu schweigen. So handelt es sich beispielsweise um ein vollkommen legitimes Anliegen, eine Kollision von Sicherungsrechten dadurch zu verhindern, dass solche Rechte in ein (zentrales) Register eingetragen werden und die Eintragung ihrerseits Voraussetzung für deren Anerkennung und Rangstelle von Bedeutung ist109. Abgesehen davon ist auch ein allgemeines Interesse der Mitgliedstaaten am Schutz ihrer Güter-, Kredit- und Gläubigerordnung anzuerkennen110, die ihrerseits in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Sicherheit und Voraussehbarkeit des anwendbaren Rechts steht. Soweit fremden Sachenrechten im Einzelfall die Anerkennung verweigert wird, geschieht dies letztlich in der Absicht, eine nicht gerechtfertigte Privilegierung ausländischer Sicherungsnehmer gegenüber nationalen Kre-
106 Dafür v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 149 ff., 151 f.; grundsätzlich folgend Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 288 ff.; vgl. weiter die Überlegungen de lege ferenda unten § 24 II. 107 Im Ergebnis ebenso v. Plehwe, in: AnwKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 6; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 136; Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005), 116, 121 ff.; tendenziell auch Röthel, JZ 2003, 1027, 1032. 108 In diesem Sinne auch Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 126 f.; Kaufhold, Mobiliarsicherungsrecht, S. 289 f.; Großerichter, FS Sonnenberger, S. 369, 385 f.; Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 194 f.; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 156; vgl. weitere Einwände gegen die Anwendung des Herkunftsrechts bei Röthel, JZ 2003, 1027, 1033. 109 Vgl. Dorndorf/Frank, ZIP 1985, 65, 80; Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 171; Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005), 116, 124; Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 188. Letztlich befürwortet auch v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 185 ff. eine Sonderanknüpfung für Publizitätsfragen; sympathisierend auch Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 291. 110 Siehe dazu schon oben im Text bei Fn. 95. – Vgl. weiter Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 173 f.; Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 194; Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005), 116, 125.
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ditgebern zu verhindern und zugleich den nationalen Kreditverkehr sowie die inländische Gläubigerordnung zu schützen111. Und drittens wäre mit Anerkennung der Rechtswahlfreiheit – zumindest in diesem Zusammenhang112 – das grundlegende Problem einer angemessenen Berücksichtigung schutzwerter Verkehrsinteressen im nationalen Recht (Anerkennungsproblem) nicht gelöst. Denn auch wenn man die Vertragsparteien das anwendbare Recht frei wählen lässt, bleibt das Spannungsverhältnis zwischen dem gewählten Recht und dem Recht des Empfangsstaates unverändert bestehen113, wollte man nicht die berechtigten Verkehrsinteressen des neuen Lageortes vollständig ausblenden, was wenig interessengerecht erscheinen und zu Transpositionsproblemen führen müsste. Auflösen lässt sich dieses Spannungsverhältnis letztlich nur durch Rechtsangleichung respektive Schaffung europäischen oder gar internationalen Einheitsrechts. Aus unionsrechtlicher Perspektive ist dies zwar nicht zwingend erforderlich114, in jedem Fall aber erwünscht115. Diese Erkenntnis gibt Anlass, sich später noch mit den europäischen Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Mobiliarsachenrechts auseinanderzusetzen116. d) Qualifizierter Statutenwechsel Von einem qualifizierten Statutenwechsel spricht man, wenn im Rahmen eines gestreckten Erwerbsvorgangs zumindest für eine der beteiligten Rechtsordnungen der Erwerbstatbestand noch nicht vollendet ist117. Klassisches Beispiel ist die Ersitzung: Noch vor dem Ablauf der Ersitzungsfrist im Begründungsstaat wird die Sache ins Ausland verbracht. Nach der lex rei sitae ist für die Vollendung des Erwerbstatbestandes ausschließlich das Recht des neuen Bele111 Kreuzer, IPRax 1993, 157, 162; Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 195; Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005), 116, 125. 112 Siehe das Plädoyer für Rechtswahlfreiheit de lege ferenda unten § 24 II. 113 Zutreffend Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 211 f.; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 157; im Ergebnis ebenso Kaufhold, Mobiliarsicherungsrecht, S. 295 ff.; Sonnenberger, in: MünchKommBGB, IPR Einl. Rn. 178; Röthel, JZ 2003, 1027, 1034; zu den Grenzen der freien Rechtswahl in diesem Kontext Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 184 ff. 114 So aber Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 267 ff.; a.A. mit Recht Röthel, JZ 2003, 1027, 1031 ff.; Sonnenberger, in: MünchKommBGB, IPR Einl. Rn. 178 f.; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 158. 115 Speziell zum Mobiliarsicherheitenrecht Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 231 ff.; dies., AcP 208 (2008), 182, 196 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 693 ff.; Kaufhold, Mobiliarsicherungsrecht, S. 216 ff.; Basedow, AcP 200 (2000), 445, 475; Röthel, JZ 2003, 1027, 1034; Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 267 ff.; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 158; Kreuzer, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 31 ff., 52 ff.; zum Immobiliarsicherheitenrecht Stöcker, Eurohypothek, S. 216 und passim; ders., WM 2006, 1941 ff.; Wachter, WM 1999, 49 ff.; Meyer, EuZW 2004, 389, 391; kritisch Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005), 116, 130, 144; v. Erp, in: Schulze, Frame, S. 257, 267 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 150. 116 Siehe unten § 27. 117 Vgl. Kropholler, IPR, § 54 III 2; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 659; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 45; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 160 ff.
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genheitsortes maßgeblich118. Das hat der BGH in einer jüngeren Entscheidung auch für den gestreckten Eigentumserwerb anerkannt119. Darüber hinaus stellt Art. 43 Abs. 3 EGBGB – in Übereinstimmung mit den allgemeinen internationalsachenrechtlichen Grundsätzen120 – klar, dass Vorgänge, die sich bereits im Ausgangsland ereignet haben, im Aufnahmestaat zu berücksichtigen sind, und zwar so, als hätte sich das Geschehen vollumfänglich im Empfangsstaat abgespielt121. Das bedeutet für unser Ersitzungsbeispiel: Die Ersitzungsfrist beginnt mit dem Grenzübertritt nicht von neuem zu laufen; vielmehr wird die verstrichene Zeit im Ursprungsland auf die Ersitzungsfrist des neuen Lageortes angerechnet. Nach den nämlichen Grundsätzen sind auch solche Fallgestaltungen zu behandeln, in denen der Erwerbstatbestand zwar im Ursprungsland noch nicht vollendet ist, wohl aber im Empfangsstaat. Mit dem Statutenwechsel findet das neue Sachstatut Anwendung, das zum Eintritt der dort angeordneten Rechtswirkung führt, mit dem Ergebnis, dass der Erwerbstatbestand in Abhängigkeit von den jeweiligen Voraussetzungen entweder endgültig eintritt oder scheitert. Gilt im Aufnahmeland beispielsweise eine kürzere Ersitzungsfrist, wird der Eigentumserwerb mit Grenzübertritt nach dem neuen Situsrecht endgültig wirksam. Gleiches gilt für den Eigentumserwerb, der im Ausgangsland unter Geltung des Traditionsprinzips mangels Vollzugselement (Übergabe) noch nicht vollendet ist, während der Aufnahmestaat dem Konsensprinzip folgt und die im Ausgangsland bereits wirksam gewordene Einigung der Vertragsparteien über den Eigentumsübergang ausreichen lässt122. Die insofern von Art. 43 Abs. 3 EGBGB angeordnete Geltung des neuen Belegenheitsrechts beschränkt sich allerdings auf die am Erwerbsvorgang beteiligten Vertragsparteien. Die Rechtsstellung unbeteiligter Dritter bleibt hiervon unberührt123. Schließlich kann es vorkommen, dass ein Tatbestand nach dem alten Sachstatut als abgeschlossen gilt, während er sich aus der Perspektive des neuen Belegenheitsrechts noch als offen darstellt. Nimmt man das kollisionsrechtliche Sukzessionsschutzprinzip ernst, kommt eine Einschränkung des im Ausland 118 LG Hamburg IPRspr 1996 Nr. 55; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 6; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 160. 119 BGH NJW 2009, 2824 Tz. 9. 120 Zur systematischen Verortung und praktischen Bedeutung des Art. 43 Abs. 3 EGBGB näher Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 449; ders., FS Bechtold, S. 253, 265 ff.; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 161 f. 121 Vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1563, 1564; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 16; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 11; Junker, RIW 2000, 241, 254 f. 122 Vgl. Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 17; Kropholler, IPR, § 54 III 2 a. 123 Zutreffend Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 170 f.; für eine teleologische Reduktion der Vorschrift auch Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 273; U. Ernst, Mobiliarsicherheiten, S. 285; a.A. Schurig, FS Stoll, S. 577, 589: Anwendung der Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB.
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einmal wirksam begründeten Rechts im Inland kaum mehr in Betracht. Das entspricht nicht nur dem Schutzgebot für wohlerworbene Rechte124 und dem Vertrauensgrundsatz125, sondern – für europäische Sachverhalte – auch den Wertungen der unionsrechtlichen Grundfreiheiten. Beschränkungen können sich aber aufgrund des neuen Situsrechts insofern ergeben, als dem abgeschlossenen Tatbestand unter Geltung des neuen Sachstatuts die Anerkennung ganz oder zumindest teilweise verweigert wird126. Die bisher erarbeiteten Grundsätze sprechen allerdings auch in dieser Konstellation für restriktive Einschränkungen und einen prinzipiellen Schutz der wohlerworbenen Rechtsposition. Gleiches muss umgekehrt auch gelten, wenn ein Sachverhalt nach dem Ursprungsstatut bereits negativ abgeschlossen war127. Dann kann die Verbringung der Sache in den Geltungsbereich einer Rechtsordnung, die an den Rechtserwerb weniger hohe Anforderungen stellt, nicht zu einer – womöglich wesentlich später eintretenden – Rechtsbegründung unter Geltung des Neustatuts führen. Art. 43 Abs. 3 EGBGB ist auch in dieser Hinsicht teleologisch zu reduzieren. Wenn also der Eigentumserwerb im Ausgangsstaat endgültig daran scheitert, dass es an Vorschriften über den redlichen Mobiliarerwerb fehlt, dann kann der Erwerber nach Verbringung der Sache nach Deutschland selbst dann nicht Eigentümer werden, wenn er die Sache hier gutgläubig vom Nichtberechtigten hätte erwerben können. Zieht man ein Zwischenfazit aus den Varianten des qualifizierten Statutenwechsels, dann zeigt sich, dass die lex rei sitae Rechtsordnungen mit geringeren Anforderungen an den Rechtserwerb tendenziell bevorzugt bzw. einen Rechtserwerb überhaupt tendenziell ermöglicht128. Das liegt ganz auf der Linie des im Rahmen dieser Arbeit betonten Prinzips der Sukzessionsfreiheit. Speziell für den Mobiliarerwerb bedeutet die Regel, dass sich der Eigentumserwerb tendenziell nach der Rechtsordnung vollzieht, die dem Konsensprinzip folgt129. Gilt im Ausgangsstaat das Traditionsprinzip und ist es bis zum Grenzübertritt nicht zur notwendigen Übergabe gekommen, geht das Eigentum mit der Verbringung des Verfügungsgegenstandes in den Empfangsstaat, in dem das Konsensprinzip gilt, auf den Erwerber über. Gilt umgekehrt bereits im Ausgangsstaat das Konsensprinzip, erfolgt der Rechtsübergang unter Geltung des Konsensprinzips bereits nach diesem Ortsrecht; nach Verbringung der Sache ins Emp124
So v. Caemmerer, FS Zepos II, S. 25, 30; Ferid, IPR, Rn. 7–59; Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 145, 157; kritisch Neuhaus, Grundbegriffe, S. 170 ff.; ablehnend Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 354. 125 Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 354. 126 Vgl. mit unterschiedlicher Akzentsetzung einerseits Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 166; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 30; andererseits Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 354; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 47. 127 Dazu und zum Folgenden Stoll, IPRax 2000, 259, 263 f.; Schurig, FS Stoll, S. 577, 582. 128 Stoll, RabelsZ 38 (1974), 450, 454; Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 518; v. Caemmerer, FS Zepos II, S. 25, 26 f.; Ritterhoff, Privatautonomie, S. 294. 129 Zur Privilegierung des Konsensprinzips vgl. Stoll, RabelsZ 38 (1974), 450, 454; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 657.
II. Plädoyer für Rechtswahlfreiheit de lege ferenda
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fangsland, das dem Traditionsprinzip folgt, ist der Eigentumsübergang im Grundsatz anzuerkennen. Diese Konsequenz ist in rechtspolitischer Hinsicht angesichts des Bedeutungsverlusts der Publizitätsvorschriften im deutschen Sachenrecht130 nicht zu beanstanden.
II. Plädoyer für Rechtswahlfreiheit de lege ferenda 1. Ausgangspunkt und Problemaufriss Die Untersuchung des deutschen Internationalen Sachenrechts hat die überragende Bedeutung der Situsregel deutlich werden lassen. Sieht man einmal von der Sonderbehandlung der res in transitu ab, führt ausweislich Art. 43 Abs. 1 EGBGB an der Geltung der lex rei sitae kein Weg vorbei131. Alle Bemühungen, dem Gedanken einer freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht zu einem größeren Anwendungsbereich zu verhelfen, sind auf der Grundlage des geltenden Kollisionsrechts von vornherein zum Scheitern verurteilt. Auch wenn die unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der europäischen Grundfreiheiten den Übergang zum Prinzip der Rechtswahlfreiheit nicht ausschließen, ja sogar nahelegen132, wird die Eröffnung einer freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht durch das Unionsrecht aber keineswegs erzwungen133. Umgekehrt hat die Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht zahlreiche Defizite der Anknüpfung an das Belegenheitsrecht offenbart: Abgrenzungs- und Qualifikationsschwierigkeiten resultieren zunächst aus der gespaltenen Anknüpfung von schuldrechtlichem Verpflichtungs- und dinglichem Verfügungsgeschäft134. Zudem bereitet die sachliche und zeitliche Spaltung des Sachstatuts beim Grenzübertritt des Verfügungsgegenstandes erhebliche Probleme135. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob dem systemprägenden Prinzip der Parteiautonomie im Internationalen Sachenrecht ein größerer Anwendungsbereich eröffnet werden sollte. Und tatsächlich plädiert eine im Vordringen begriffene Strömung der kollisionsrechtlichen Literatur zunehmend dafür, den Grundsatz der freien Rechtswahl über das Internationale Vertragsrecht (und andere Teilrechtsgebiete136) hinaus auch in das Internationale 130
Zum Ganzen siehe oben § 10 III. Siehe oben § 24 I. 1. 132 Siehe sogleich unten § 24 II. 2. d). 133 Siehe oben § 24 I. 2. c) bb). 134 Siehe oben § 24 I. 1. c). 135 Siehe oben § 24 I. 2. 136 Dazu ausf. Rühl, Statut, S. 330 ff.; Leible, FS Jayme I, S. 485, 493 ff., 497 ff.; Siehr, FS Keller, S. 485, 488 ff.; zusf. Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 58; speziell zu Art. 5 Rom III-VO Pietsch, NJW 2012, 1768 ff.; zum Familienrecht ferner Coester-Waltjen/Coester, LA Schurig, S. 33, 34 ff.; zum Scheidungsrecht Rösler, RabelsZ 78 (2014), 155 ff. 131
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Sachenrecht zu verlängern137. Für diesen Vorschlag wird hier im Folgenden Partei ergriffen.
2. Vorzüge der freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht Im Vergleich zur zwingenden Anknüpfung an den Belegenheitsort weist die Gewährung der freien Rechtswahl maßgebliche Vorzüge auf. Für das Prinzip der Rechtswahlfreiheit streiten zunächst die bekannten Gesichtspunkte der Parteiautonomie und der Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr (a) sowie die dogmatische Vergleichbarkeit von Forderungszession und Eigentumsübertragung (b). Hinzu kommen die Vorzüge einer einheitlichen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (c) sowie die Vermeidung eines Statutenwechsels (d). Und schließlich sprechen noch eine ganze Reihe allgemeiner Nachteile der Situsregel für die Zulassung einer freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht (e). a) Parteiautonomie und Rechtssicherheit Was die allgemeinen Vorzüge einer freien Rechtswahl anlangt, kann auf die Erörterungen zur internationalen Forderungsabtretung Bezug genommen werden138: Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass das wirtschaftliche Bedürfnis der Vertragsparteien nach einer selbstbestimmten Regelsetzung in grenzüberschreitenden Sachverhalten mit besonderer Deutlichkeit hervortritt. Gerade wenn ein juristischer Sachverhalt mehrere Rechtsordnungen tangiert, die substanziell voneinander abweichen, haben die Beteiligten ein veritables Interesse daran, dasjenige Recht zur Geltung zu bringen, das ihren individuellen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnissen am besten entspricht, etwa weil das gewählte Recht besonders weit verbreitet ist oder die Parteien mit dem Recht besonders gut vertraut sind. Aus ökonomischer Perspektive werden sich die Kontrahenten nur dann auf eine Vereinbarung über das anwendbare Recht einlassen, wenn sie die konkrete Rechtswahl auch für individuell vorteilhaft halten. Legt man diese Annahme für sämtliche Akteure zugrunde, maximieren die Beteiligten durch jede Rechtswahl ihren gemeinsamen Nutzen und fördern so den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Weiterhin trägt die Gewährleistung einer freien Rechtswahl der Erkenntnis Rechnung, dass objektive Kollisionsregeln der Vielgestaltigkeit der Parteiinteressen niemals vollauf gerecht werden können. Zudem beschränken sie die Parteien bei der Durchführung grenzüberschreitender 137 Vgl. zunächst nur Flessner, FS Koziol, S. 125 ff.; Leible, FS Jayme I, S. 485, 495 ff.; zum früheren Recht Weber, RabelsZ 44 (1980), 510 ff.; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 282 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 673 ff.; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 435 ff.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 281 ff. und öfter. 138 Siehe oben § 22 II. 2.; vgl. darüber hinaus noch Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 511 f.; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 415, 447; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 293.
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Transaktionen und verhindern einen freien und sicheren internationalen Rechts- und Handelsverkehr. Demgegenüber gewährleistet eine freie Rechtswahl die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, sorgt für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und fördert den institutionellen Wettbewerb der nationalen Rechtsordnungen. b) Rechtsdogmatische Vergleichbarkeit der Sukzessionsformen Darüber hinaus spricht die einheitliche dogmatische Grundstruktur der rechtsgeschäftlichen Sukzession, die eingangs als ein Problem der rechtlichen Zuordnung erkannt worden ist139, für eine vergleichbare Anknüpfung von Übertragungsvorgängen auf Grundlage des Prinzips der Rechtswahlfreiheit. Rufen wir uns zunächst in Erinnerung, dass aus rechtsdogmatischer Perspektive nicht über einen körperlichen Gegenstand als solchen verfügt wird, sondern über das an ihm bestehende (Sachen-)Recht. Maßgeblich ist also nicht der reale Güterumsatz, sondern die veränderte Rechtszuordnung am Gegenstand. Die Körperlichkeit der Sache rückt in den Hintergrund; sie ist für die Änderungen der rechtlichen Zuordnung des Gegenstands von ganz untergeordneter Bedeutung. Auch wenn sich Sachen im Hinblick auf ihre Körperlichkeit von Forderungsrechten, die selbst nicht körperlich fassbar und daher auch nicht an einem bestimmten Ort in physischer Weise „belegen“ sind, unterscheiden, werden doch die jeweiligen Sachen- und Forderungsrechte durch das Prinzip der absoluten Rechtszuordnung jeweils einem Inhaber mit ausschließlicher Wirkung für und gegen jedermann zugewiesen140. In der Folge vollzieht sich die rechtsgeschäftliche Sukzession als Änderung der rechtlichen Zuordnung eines Gegenstands (Rechtszuständigkeit). Diese Erkenntnis legt es nahe, auch die kollisionsrechtlichen Anknüpfungsregeln für die Übertragung von Forderungsrechten und Sachenrechten einander anzugleichen. Das gilt umso mehr, als es für die Verfügung über bewegliche Sachen – anders im Immobiliarsachenrecht141 – auf deren Körperlichkeit im modernen, grenzüberschreitenden Güterverkehr immer weniger ankommt. Dementsprechend hindert die Körperlichkeit beweglicher Sachen nicht daran, den systemprägenden Grundgedanken der freien Rechtswahl auf die internationale Übereignung zu übertragen. Zu demselben Ergebnis gelangt die – auch im deutschen Schrifttum142 – vielbeachtete französische Dissertation von Louis d’Avout143. Im Rahmen seiner Neukonzeption des Internationalen Sachenrechts misst d’Avout der Frage entscheidendes Gewicht zu, ob die physische Innehabung und der Gebrauch kör139
Dazu oben § 2 II. 1. Dazu oben § 2 II. 2.; vgl. auch Flessner, FS Koziol, S. 125, 130 f. 141 Zu den Besonderheiten unten § 24 II. 4. a). 142 Siehe namentlich die ausführliche Besprechung von Stoll, RabelsZ 73 (2009), 383 ff.; ferner Flessner, FS Koziol, S. 125, 126 f., 130 f. 143 Zum Ganzen: d’Avout, solutions, S. 636 ff., 589 f., 623 ff. Zu undifferenziert hingegen Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 443. 140
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perlicher Sachen oder die rechtliche Innehabung und Übertragung des Sachenrechts im Vordergrund stehen. Soweit es die physische Innehabung der Sache, deren Gebrauch und den realen Zugriff auf den Gegenstand betreffe, könne dies regelmäßig nur am Belegenheitsort erfolgen, was eine Anknüpfung an das Belegenheitsrecht als vorzugswürdig erscheinen lasse144. Soweit indes die rechtliche Übertragung eines an der Sache bestehenden Rechts in Frage stehe, rücke die Körperlichkeit und damit auch der Belegenheitsort des Verfügungsgegenstands in den Hintergrund, was eine vom Situsrecht unabhängige Anknüpfung ermögliche. Da die rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung auf einer Willensübereinkunft der Vertragsparteien beruhe, liege es nahe, ihnen das Recht einzuräumen, selbst über das für die Transaktion geltende Recht zu entscheiden145. Diesen Überlegungen liegt die zutreffende Erkenntnis zugrunde, dass sich die Parteien an einem beliebigen Ort über den Eigentumsübergang verständigen können, ohne dass diese Abrede eine besonders enge Beziehung zur Sache aufweisen muss. Soweit es also möglich ist, dingliche Rechte an Sachen aus weiter Entfernung zum Belegenheitsort und ohne physische Innehabung und Einwirkung auf die Sache zu begründen und zu übertragen, verliert ihre Körperlichkeit an dogmatischer Bedeutung und die Sachübereignung nähert sich der Verfügung über unkörperliche Gegenstände an, bei der das anwendbare Recht nach Maßgabe der Art. 14 Abs. 1, 3 Abs. 1 Rom I-VO frei wählbar ist146. Führt man diesen Gedanken zu einem konsequenten Ende, führt an einem einheitlichen Kollisionsrecht für die Nachfolge in sämtliche Vermögensrechte (Forderungsund Sachenrechte sowie Schuldpositionen) dem Grunde nach kein Weg vorbei147. Nur wenn gewichtige Sachgründe eine Sonderanknüpfung erzwingen, kommen Einschränkungen der freien Rechtswahl in Betracht. Paradigmatisch dafür steht die unangefochtene Anknüpfung an die Situsregel im grenzüberschreitenden Grundstücksverkehr148. c) Einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft Ein weiterer zentraler Vorteil der freien Rechtswahl liegt in der Möglichkeit, einen Gleichlauf der Anknüpfung des schuldrechtlichen Verpflichtungs- und des dinglichen Verfügungsgeschäfts herzustellen149. In diesem Zusammenhang gilt im Grundsatz nichts anderes als für die grenzüberschreitende Forderungszession150: Die einheitliche Anknüpfung der beiden Rechtsgeschäfte dient dem In144
Dazu ausf. d’Avout, solutions, S. 15 ff.; dem folgend Flessner, FS Koziol, S. 125, 132. Näher d’Avout, solutions, S. 589 f., 623 ff. 146 Flessner, FS Koziol, S. 125, 133. 147 So d’Avout, solutions, S. 16. 148 Dazu ausf. unten § 24 II. 4. a). 149 Diesen Aspekt betonen namentlich Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 519; d’Avout, solutions, S. 652; ausf. dazu Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 677 ff.; siehe außerdem schon oben § 24 I. 1. c). 150 Siehe oben § 22 II. 1. b). 145
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teresse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs, erhöht die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen und verwirklicht auf diese Weise einmal mehr das Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit. Von Vorteil ist besagter Gleichlauf namentlich, wenn eine Gesamtheit körperlicher Gegenstände übereignet werden soll, deren Teile sich in unterschiedlichen Staaten befinden. Aber auch wenn alle Sachen einer einzigen Rechtsordnung unterliegen, führt die gespaltene Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu unliebsamen Abgrenzungs- und Qualifikationsproblemen, die sich durch die Gewähr einer freien Rechtswahl leicht vermeiden lassen. Zumindest ebenso bedeutsam wie die einheitliche Anknüpfung des Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfts bei Austauschverträgen ist die Möglichkeit der homogenen Anknüpfung von Darlehensvertrag, Sicherungsabrede und Kreditsicherungsrecht151. Während sich das Austauschgeschäft nämlich in seinem (einmaligen) Vollzug erschöpft, beurteilt sich das rechtliche Schicksal von Kreditsicherungsverhältnissen für einen längeren Zeitraum nach dem jeweils für die einzelnen Vertragsverhältnisse geltenden Recht. Da es schon jetzt nach Maßgabe des Art. 3 Rom I-VO zulässig ist, den Darlehensvertrag und die – gesondert angeknüpfte – Sicherungsabrede nach Belieben einer bestimmten Rechtsordnung zu unterstellen, würde es eine signifikante Erleichterung für die grenzüberschreitende Kreditsicherungspraxis bedeuten, wenn auch das zugrunde liegende dingliche Sicherungsrecht nach dem Willen der Vertragsparteien derselben Rechtsordnung unterstellt werden könnte wie Darlehensvertrag und Sicherungsabrede. Abgrenzungs- und Qualifikationsschwierigkeiten, die mit einer gespaltenen Anknüpfung der einzelnen Rechtsverhältnisse regelmäßig einhergehen, könnten auf diese Weise wirksam vermieden werden. Das Gleichlaufproblem lässt sich auf Grundlage der h.M. schwerlich dadurch lösen, dass man die Beteiligten darauf verweist, eine homogene Anknüpfung selbst im Wege einer verfügungsakzessorischen Wahl des Verpflichtungsstatuts herzustellen152. Denn hiermit würde den Parteien gerade kein rechtlich relevanter Gestaltungsfreiraum eröffnet; vielmehr verkehrte man den Gedanke der Parteiautonomie in sein glattes Gegenteil. Die Vertragsparteien werden dann nämlich vor die Wahl gestellt, entweder sämtliche Rechtsverhältnisse dem am Belegenheitsort geltenden Recht zu unterstellen oder die signifikanten Nachteile einer gespaltenen Anknüpfung in Kauf zu nehmen. Zudem hängt es nicht selten vom Zufall ab, wo sich die Sache gerade befindet153. Womöglich kennen die Parteien den Lageort gar nicht oder sie befinden sich über den Belegenheitsort im Irrtum. In allen diesen Fällen scheidet die Wahl des Situsrechts von vornherein aus.
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Zum Problem siehe bereits oben § 24 I. 1. c); vgl. weiter Flessner, FS Koziol, S. 125, 142 f. So v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 10. Näher unten § 24 II. 2. e).
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d) Vermeidung eines Statutenwechsels und Anerkennung fremder Sachenrechte Darüber hinaus kann durch die Zulassung einer freien Rechtswahl auch die Anwendung verschiedener Sachstatute infolge des Grenzübertritts vermieden werden. Die zwingende Geltung des Ortsrechts und der Statutenwechsel bedeuten eine nicht gering zu schätzende Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Sicherheit des internationalen Rechts- und Handelsverkehrs154. Zudem zerreißt der Statutenwechsel bei grenzüberschreitenden Verkehrsgeschäften einen einheitlichen Lebenssachverhalt, was dem Willen der Vertragsparteien typischerweise zuwiderlaufen dürfte und zu vielerlei Anpassungs- und Auslegungsproblemen führt155. Die Anwendung verschiedener Rechtsordnungen schlägt in Form gesteigerter Informationskosten zu Buche156. Dass die zusätzlichen Kosten durch ein Mehr an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit infolge der Anwendung des jeweiligen Belegenheitsrechts ausgeglichen werden157, muss schon im Hinblick auf die Abgrenzungs- und Qualifikationsschwierigkeiten, die notwendig mit einer gespaltenen Anknüpfung verbunden sind, bezweifelt werden. Sind die Vertragsparteien aber befugt, das anwendbare Recht selbst zu wählen, werden sie sich typischerweise für die einheitliche Geltung derjenigen Rechtsordnung entscheiden, die sie zum Zweck der Transaktion für besonders gut geeignet halten. Der Statutenwechsel an der Territoriumsgrenze gehörte dann der Vergangenheit an; ebenso die Streit- und Zweifelsfragen, die sich in Bezug auf gestreckte Erwerbstatbestände und den qualifizierten Statutenwechsel ergeben. Davon unberührt bleibt indes das Anerkennungsproblem für ausländische Sachenrechte. Axel Flessner hat sich zuletzt eindringlich dafür ausgesprochen, fremde Rechte auch dann anzuerkennen, wenn sie im inländischen Sachenrecht keine Entsprechung finden158. Das ergebe sich zum einen aus den Vorgaben der unionsrechtlichen Grundfreiheiten. Zum anderen sei ein Interesse des Aufnahmestaats am Schutz seiner Gläubiger- und Kreditordnung nicht schutzwürdig. Beide Argumente sind indes zurückzuweisen. Dass die Anerkennung fremder Sachenrechte nicht gegen Unionsrecht verstößt, ist bereits oben159 näher dargelegt worden. Den unionsrechtlichen Anforderungen kann auch auf Grundlage der lex rei sitae durch eine großzügige Anerkennung ausländischer Rechte (Anerkennungslehre) entsprochen werden. Und außerdem taugt auch das Regelungsziel, eine funktionsfähige, nationale Gläubiger- und Kreditordnung zu gewährleisten, in begrenztem Umfang zur Rechtfertigung von Eingriffen in – nach ausländischem Recht – wirksam erworbene Sachenrechte, so dass auch gegen die Nichtanerkennung publikationsloser 154 155 156 157 158 159
Insofern zutreffend auch Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 277. Dazu eingehend Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 283. Vgl. Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 277. So etwa Pfeiffer, IPRax 2000, 270, 277. Dazu und zum Folgenden Flessner, FS Koziol, S. 125, 143 ff. Siehe § 24 I. 2. c) bb).
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Sicherungsrechte im europäischen Ausland – erinnert sei nochmals an die Behandlung deutschen Sicherungseigentums in Österreich160 – de lege lata keine durchgreifenden Bedenken zu erheben sind161. Dementsprechend tritt auch die Mehrheit derjenigen, die für die Zulassung einer freien Rechtswahl Partei ergreifen, im Ergebnis dafür ein, im Rahmen der Rechtswirkung ausländischer Sachenrechte, die Interessen des inländischen Rechtsverkehrs, namentlich der inländischen Gläubiger, durch eine graduelle Berücksichtigung des aktuellen Belegenheitsrechts zu wahren162. In diesem – eng begrenzten – Umfang bleibt es bei der Differenzierung zwischen dem Rechtsänderungsstatut, das für sämtliche Elemente der rechtsgeschäftlichen Sukzession verantwortlich zeichnet und das nach dem hiesigen Reformvorschlag frei wählbar sein sollte, und dem – bekannten163 – Rechtswirkungsstatut, das sich nach dem neuen Belegenheitsrecht richtet und über die Anerkennung der ausländischen Rechte im Inland entscheidet164. Dabei muss es de lege ferenda freilich nicht bleiben. Vielmehr sprechen die den Grundfreiheiten innewohnenden Wertungen prinzipiell für eine uneingeschränkte Anerkennung ausländischer Sachen-, allen voran Kreditsicherungsrechte, in sämtlichen Mitgliedstaaten. Jedoch lässt sich das Anerkennungsproblem allein durch die Verankerung der Rechtswahlbefugnis im deutschen Internationalen Sachenrecht nicht befriedigend lösen. Schließlich entscheidet die ausländische Rechtsordnung darüber, ob ein Fremdrecht mit seinen innerstaatlichen Sachenrechtsgrundsätzen, namentlich der nationalen Kredit- und Gläubigerordnung, vereinbar ist. Als zielführend erweist sich deshalb nur die Verankerung einer einheitlichen Kollisionsregel auf europäischer oder gar internationaler Ebene165. In diesem Sinne könnte eine für das Sachenrecht konzipierte Rom-VO das Prinzip der 160
Siehe oben § 24 I. 2. c) aa). In diesem Kontext ebenso Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 441: „(D)er Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, daß er nicht mit Rechten und Rechtsinhalten konfrontiert wird, die der eigenen Rechtsordnung unbekannt sind“. Im Ergebnis für eine Sonderanknüpfung von Publizitätsfragen etwa auch v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 185 ff. 162 So namentlich Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 450, 469 ff.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 692; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 441 f., 445; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 296 ff.; Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 145, 154; Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 187 ff. 163 Siehe oben § 24 I. 2. b). 164 Zum Ganzen eingehend Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 299 ff. 165 Mit unterschiedlichen Ansätzen vgl. auch Coing, ZfRV 1967, 65, 80 ff.; Drobnig, RabelsZ 38 (1974), 468, 486 f.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 693; kritisch zum Ganzen Wohlgemuth, Vergemeinschaftung, S. 189 ff. unter Hinweis auf Anpassungsbedarf im Vollstreckungs- und Insolvenzrecht; siehe noch den abweichenden Vorschlag von Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 321 ff., die eine nachträgliche Anerkennung ausländischer Sicherungsrechte nach nationalem Recht ins Gespräch bringt. Dagegen spricht freilich, dass sich einheitliche Standards aufgrund autonomer Kollisionsrechtsetzung durch die Mitgliedstaaten schwerlich verwirklichen lassen. Siehe noch Kreuzer, in: Henrich, Vorschläge, S. 37, 76 ff., der den Umstand einer einheitlichen Anerkennungsregelung als Argument gegen die freie Rechtswahl ins Feld führt; ähnlich ders., RabelsZ 65 (2001), 383, 446 ff. 161
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freien Rechtswahl und die Anerkennung ausländischer Sachenrechte unionsrechtlich verankern. Notwendig wäre hierfür freilich ein Konsens sämtlicher Mitgliedstaaten, der aus gegenwärtiger Sicht unwahrscheinlich erscheinen muss. An der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit dieser Lösung und ihrer Unionsrechtskonformität ist aber jedenfalls nicht zu zweifeln166. Denn spezifisch nationale Sicherungsinteressen, die sich im Ergebnis gegen eine effektive Verwirkung des europäischen Binnenmarktes richten, sind nach Maßgabe der unionsrechtlichen Vorgaben nicht schutzwürdig. Solange es an einer solchen Regelung allerdings fehlt, besteht auch wenig Hoffnung für die Lösung des Anerkennungsproblems. Dieser Umstand spricht aber ebenso wenig gegen die Zulassung einer freien Rechtswahl wie für die Fortgeltung der lex rei sitae. Vielmehr handelt es sich bei der Anerkennung ausländischer Sachenrechte um ein allgemeines Problem des Internationalen Sachenrechts167, das sich unabhängig von der Geltung der einen oder anderen Kollisionsregel stellt und dem daher auch im Hinblick auf die Entscheidung für und gegen die Gewährleistung einer freien Rechtswahl keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. e) Allgemeine Nachteile der Situsregel Davon abgesehen können schließlich noch einige allgemeine Nachteile der Situsregel zugunsten einer freien Rechtswahl im Mobiliarsachenrecht in Stellung gebracht werden. Da ist zunächst der Umstand, dass der Rechtsinhaber bereits auf Grundlage der Belegenheitsregel eine faktische Rechtswahl treffen kann, indem er den Fahrnisgegenstand in diejenige Rechtsordnung verbringt, deren Sachrecht auf die beabsichtigte Transaktion zur Geltung gelangen soll168. Kann der Rechtsinhaber das präferierte Recht auf diese Weise zur Anwendung bringen, dann können auch gegen eine parteiautonome Rechtswahlmöglichkeit keine grundsätzlichen Bedenken erhoben werden. Vielmehr erweist sich die juristische Rechtswahl als effizienter, weil bei ihr mangels Verbringung des Gegenstands ins Ausland keine zusätzlichen Transaktionskosten wie bei der faktischen Rechtswahl anfallen. Mit anderen Worten: Wenn der Rechtsinhaber aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeit frei über die Belegenheit der Sache entscheiden kann, dann muss es ihm auch möglich sein, ohne die kostspielige Lageänderung des Verfügungsgegenstandes das anwendbare Sachenrecht kraft parteiautonomer Vereinbarung mit dem Vertragspartner frei wählen zu können. Das sorgt für eine deutliche Senkung der mit grenzüberschreitenden Übereig-
166 Eine letzte Grenze würde sich auch im Fall der Umsetzung dieses Vorschlags aus dem Ordre-public-Vorbehalt und den Eingriffsnormen ergeben; vgl. auch Flessner, FS Koziol, S. 125, 145 f. 167 In diesem Sinne auch Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 441 f., 445; vgl. weiter Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 524; Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 468, 469 ff. 168 Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 441; vgl. weiter Flessner, FS Koziol, S. 125, 127 f.
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nungen verbundenen Transaktionskosten und dient insofern dem übergeordneten Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit169. Weiterhin hängt die Belegenheit der Sache im In- oder Ausland vielfach vom Zufall ab170. Zufällig ist daher vielfach auch das anwendbare Recht. Der Rechtsverkehr kann insbesondere nicht darauf vertrauen, dass die Transaktion stets nach inländischem Recht abläuft, wenn beispielsweise die Sache kurzfristig (und unbemerkt) ins Ausland verschafft worden ist171. Der Lageort erweist sich insofern nicht notwendig als der „klarste und sicherste Anknüpfungspunkt“172. Entgegen der impliziten Unterstellung der h.M. ist es zuweilen gar nicht so einfach, den Lageort einer Sache im maßgeblichen Zeitpunkt zu bestimmen. Das gilt nicht nur für die (außergewöhnliche) Übereignung antiker Gegenstände, sondern auch für den (fast alltäglichen) Fall gestohlener Fahrzeuge und anderer Gegenstände, deren aktueller Aufenthaltsort schlicht unbekannt ist173. Dies alles zeigt, der Rechtsverkehr kann sich schwerlich auf die Anwendung einer bestimmten Sachenrechtsordnung verlassen. Das immer wieder angeführte Interesse der Verkehrssicherheit vermag die Beibehaltung der lex rei sitae als alleinige Anknüpfungsregel des Internationalen Sachenrechts demnach nicht zu tragen.
3. Falsifizierung der maßgeblichen Einwände gegen Rechtswahlfreiheit Angesichts dieser gewichtigen Vorteile, die eine freie Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht zu bieten hat, verwundert es, dass sich weder der europäische noch nationale Gesetzgeber zu einem Übergang von der Situsregel zu mehr Gestaltungsfreiheit haben durchringen können. Dabei hat der Gesetzgeber hierzulande im Rahmen der Kodifizierung des deutschen Internationalen Sachenrechts die Option der Rechtswahlfreiheit zumindest ins Kalkül gezogen174, sprach sich im Ergebnis aber – mit Ausnahme der Sonderbehandlung von res in transitu175 – ausdrücklich gegen ein Mehr an parteiautonomer Selbstgestaltung aus. Zur Begründung heißt es in den Materialien, die vor allem für internationale Verkehrsgeschäfte vorgeschlagene Rechtswahl sei „mittelbar systemwid169
Vgl. auch Flessner, FS Koziol, S. 125, 132. Stoll, RabelsZ 38 (1974), 450, 454; Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), 100, 108 f.; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 674; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 437; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 293; zuvor schon Habicht, FS Heinitz, S. 463, 464 ff.; vgl. noch OLG Hamburg IPRspr 1960/61 Nr. 72. 171 Vgl. Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 522; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 293. 172 So v. Caemmerer, FS Zepos II, S. 25; vgl. noch Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 16: „engste(…) Beziehung“; sachlich ebenso v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 9; Wagner, IPRax 1998, 429, 435. 173 Vgl. dazu die gewitzte Darstellung von Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 145, 154 ff.; ferner Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 59. 174 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 16 verweist auf Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 282 ff., 292. 175 Dazu näher oben § 24 I. 1. a). 170
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rig“, weil sie dem Numerus-clausus-Prinzip widerspreche und „das von den Parteien gewählte Recht für Dritte nicht erkennbar“ sei; „der Status einer Sache hinge von relativ wirkenden und relativ bekannten Tatsachen ab. Dies würde den Verkehrsinteressen zuwiderlaufen“176. Stattdessen wird der hergebrachten lex rei sitae zugutegehalten, dass die „Anknüpfung an den Lageort (…) nicht nur dem für das deutsche Kollisionsrecht allgemein maßgeblichen Leitgedanken der stärksten Beziehung (entspreche), sondern (…) auch am ehesten geeignet (sei), den Rechtsverkehr wirksam zu schützen“. Zudem gewährleiste die Geltung der Situsregel „in nahezu allen Staaten“ „gleichartige Anknüpfungen“ und sei deshalb auch „einfach zu handhaben“177. a) Konflikt mit dem Interesse an der Sicherheit des Rechtsverkehrs In der Diskussion um die rechtspolitische Sinnhaftigkeit der freien Rechtswahl kommt seit jeher dem Einwand zentrale Bedeutung zu, die Rechtswahlfreiheit kollidiere mit dem Interesse an der Sicherheit des Rechtsverkehrs178. Insbesondere sei das geltende Recht bei einer parteiautonomen Rechtswahl – anders als bei Anknüpfung an den Belegenheitsort – für außenstehende Dritte nur schwer feststellbar179. Darüber hinaus wird im Zusammenhang mit dem Verkehrs- und Drittschutz auf die Bedeutung der nationalstaatlichen Publizitätserfordernisse hingewiesen180. Die durch die Publizität sachenrechtlicher Vorgänge gewährleistete Offenkundigkeit mache die Anwendbarkeit des geltenden Rechts unter Zugrundelegung des Situsrechts transparent und leicht erkennbar. Dass die Verwirklichung von Rechtssicherheit und gerade auch Verkehrssicherheit für die kollisionsrechtliche Behandlung der internationalen Übereignung von überragender Wichtigkeit ist, liegt auf der Hand. Indes geht die Kritik der h.M. in diesem Zusammenhang vollkommen an der Problematik vorbei. Zunächst überschätzt die herkömmliche Auffassung die Bedeutung, die der Offenkundigkeit nach dem deutschen Mobiliarsachenrecht in der modernen Wirtschaftspraxis tatsächlich zukommt. Denn infolge der massenhaften Verbreitung von Vorbehalts- und Sicherungseigentum sowie weiterer fiduziarischer Über176 Alle Zitate: Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 16 unter Hinweis auf BGH NJW 1997, 461, 462 sowie Kreuzer, in: Henrich, Vorschläge, S. 37, 75 ff. 177 Alle vorstehenden Zitate seit Fn. 176: Begr. RegE, BT-Drucks. 14/343, S. 15. 178 Darauf verweist – ganz pauschal – ein großer Teil des Schrifttums; siehe etwa Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 6; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 14; Thorn, in: Palandt, BGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 2; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 12, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Kegel/Schurig, IPR, § 19 I; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 9; Kropholler, IPR, § 54 I 1; Wagner, IPRax 1998, 429, 435; Wenckstern, RabelsZ 56 (1992), 624, 657; aus der Rechtsprechung exemplarisch BGH NJW 1997, 461, 462. 179 So z.B. Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 14; Thorn, in: Palandt, BGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 2; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 12, Art. 43 EGBGB Rn. 4; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 9; Kropholler, IPR, § 54 I 1. 180 BGH NJW 1997, 461, 462; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 14; Kropholler, IPR, § 54 II; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 10; v. Bar, IPR II, Rn. 753; vgl. noch Wendehorst, in: MünchKommBGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 12.
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eignungsformen, hat das hergebrachte Traditionsprinzip seine Funktion als Paradigma der Mobiliarübereignung weitgehend eingebüßt181. Diese rechtstatsächliche Entwicklung im deutschen Mobiliarsachenrecht hat weitreichende Auswirkungen auf den kollisionsrechtlichen Kontext182. So müssen publizitätslose Sicherungsrechte nach dem deutschen Sachenrechtssystem anerkannt werden, weil auch das in der nationalen Wirtschaftspraxis verbreitete Sicherungseigentum ebenfalls für außenstehende Dritte nicht erkennbar ist. Überhaupt können Dritte aus der konkreten Besitzlage an einem Gegenstand keine Rückschlüsse auf die dingliche Rechtslage ziehen. Wer die Sache physisch innehat, kann Eigentümer sein, aber ebenso gut Pfandgläubiger oder Mieter. Ohne die Kenntnis der dem Besitzverhältnis zugrunde liegenden Vereinbarung kann der Dritte die dingliche Rechtslage aus eigener Anschauung nicht sicher feststellen. Vor diesem Hintergrund kann es auch schwerlich überzeugen, an offenkundige Umstände, wie den unmittelbaren Besitz respektive die Lage des Fahrnisgegenstands, kollisionsrechtliche Folgerungen zu knüpfen183. Das gilt umso mehr, als bereits nach geltendem Recht auf die Einhaltung jedweder Publizitätserfordernisse des Aufnahmestaats verzichtet wird, wenn nur die Übereignung auf Grundlage des im Ausgangsstaat geltenden Konsensprinzips vollständig verwirklicht worden ist184. Dies herauszufinden, wird dem Dritten kaum leichter fallen, als die Kenntniserlangung über eine etwaige Rechtswahlvereinbarung zwischen den Parteien185. Ein von der h.M. impliziertes kollisionsrechtliches Offenkundigkeitsprinzip wird den Realitäten des deutschen Sachrechts nicht gerecht und kann daher auch nicht gegen die hier befürwortete Freiheit der Rechtswahl in Stellung gebracht werden. b) Numerus-clausus-Prinzip Nicht nur der Gesetzgeber des IPRG186, sondern auch Rechtsprechung187 und Lehre188 haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Einräumung von Rechtswahlfreiheit mit Typenfixierung und Typenzwang im Sachenrecht nicht in Einklang zu bringen sei. Dahinter steht der Gedanke, dass der inländische Rechtsverkehr nur mit solchen Sachenrechten zu rechnen braucht, die das nati-
181
Dazu ausf. oben § 10 III. 2. a). Dazu und zum Folgenden auch Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 676; ausf. Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 283 ff. 183 Im Ergebnis wie hier Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 523; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 289. 184 Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 522; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 673 f. 185 Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 676. 186 Siehe oben Fn. 176. 187 BGH NJW 1997, 461, 462. 188 Vgl. nur Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 14; Sonnenberger, in: MünchKommBGB, Einl. IPR Rn. 178; v. Bar, IPR II, Rn. 753; vgl. auch Siehr, FS Keller, S. 485, 491. 182
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onale Recht kennt, und dass der Sachenrechtsverkehr durch die Anerkennung ausländischer dinglicher Rechte beeinträchtigt werden könnte. Abgesehen von der mangelnden rechtspolitischen Überzeugungskraft des Numerus-clausus-Prinzips im materiellen Sachenrecht189, taugt das Prinzip auch weder als Argument gegen die Zulassung einer freien Rechtswahl bei der grenzüberschreitenden Übereignung noch bei der internationalen Begründung beschränkter Sachenrechte190. Bei einer Übertragung des Vollrechts im Wege translativer Nachfolge spielt es für den Rechtsverkehr des Belegenheitsstaates keine Rolle, nach welchem Sachrecht sich der Eigentumserwerb vollzog. Das Eigentum des Vollrechtsinhabers ist im Inland als umfassendes Herrschaftsrecht über die Sache in jedem Fall anzuerkennen. Berechtigte Schutzinteressen außenstehender Dritter oder öffentliche Schutzinteressen des Staates kommen hier nicht in Betracht. Denn dem Typenkatalog wird kein fremdes Recht hinzugefügt, vielmehr anerkennen sämtliche westlich ausgerichteten Industriestaaten ein dem Grunde nach unumschränktes Herrschaftsrecht (property right) über körperliche Gegenstände. Komplizierter liegt der Fall, wenn im Wege konstitutiver Nachfolge ein Teil der Befugnisse aus dem (umfassenden) Eigentumsrecht an der Sache abgespalten und als qualitatives Teilrecht auf den Erwerber übertragen wird. In diesem Fall kann es tatsächlich zu einer Kollision des Fremdrechts mit der inländischen Sachenrechtsordnung kommen. Allerdings handelt es sich hierbei um keine spezifische Implikation der freien Rechtswahl. Denn auch auf Grundlage der Situsregel können mit dem Grenzübertritt ausländische Rechte in die innerstaatliche Rechtsordnung eingeführt werden. Das zwischen dem Fremdrecht und der innerstaatlichen Gläubigerordnung bestehende Spannungsverhältnis eignet beiden Kollisionsregeln und ist auf Grundlage der Anerkennungslehre für wohlerworbene Rechte nach den zum geltenden Recht entwickelten Grundsätzen durchaus lösbar191. Erstreckt man mit der hier befürworteten Auffassung die Rechtswahl der Beteiligten auch auf die Begründung beschränkter dinglicher Rechte, dann sprechen gute Gründe dafür, auch die Begründung von Sicherungsrechten nach ausländischem Recht zu erlauben. So können beispielsweise in Deutschland lagernde Sachen mit ausländischen Mobiliarsicherungsrechten belastet werden, 189
Siehe oben § 2 III. 2. b) cc). Nicht weiterverfolgt werden hier die Argumente gegen die Geltung des Numerus-claususPrinzips im Kontext eines von den europäischen Grundfreiheiten umrahmten Internationalen Sachenrechts, wie sie namentlich Flessner, FS Koziol, S. 125, 135 mit Verve ausbreitet. Was Flessner vorbringt ist alles in allem durchaus überzeugend, erscheint mir in der Auseinandersetzung mit der alternativen lex rei sitae aber weniger entscheidend als die nachfolgend angesprochenen Punkte. Denn mit seiner Argumentation wendet sich Flessner im Ergebnis auch gegen die heute gängige Handhabung der Anerkennung fremder Sachenrechte im Inland und gelangt so zu einer unumschränkten Geltung von Fremdrechten, und zwar ohne Rücksicht auf die Kredit- und Gläubigerordnung des Empfangsstaates. Dem ist in seiner letzten Konsequenz die Gefolgschaft zu verweigern; vgl. dazu bereits oben § 24 II. 2. d). 191 Dazu ausf. oben § 24 I. 2. c) und § 24 II. 2. d). 190
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die im Bestimmungsstaat anzuerkennen sind. Man denke etwa an die Begründung einer registerpflichtigen Automobil-Hypothek italienischen Rechts, die ein deutscher Händler an seinen zum Export nach Italien bestimmten Fahrzeugen bestellt192. Die Begründung ausländischer Sicherungsrechte setzt freilich die Einhaltung der ausländischen Wirksamkeitsvoraussetzungen voraus; erforderlich ist im Beispielsfall namentlich die Eintragung des Sicherungsrechts in das italienische Register. Solange sich die Fahrzeuge noch im Inland befinden, wirkt die „Hypothek“ wie eine Sicherungsübereignung. Mit Überführung der Fahrzeuge nach Italien entfaltet das Sicherungsrecht seine bestimmungsgemäße Wirkung nach italienischem Sachenrecht. Das bedeutet für Warenexporteure einen nicht gering zu schätzenden Vorteil bei der Absicherung ihrer berechtigten Sicherungsinteressen, sofern nur das inländische Recht ausländische Sicherungsrechte weitgehend anerkennt, was in Deutschland nachweislich193 der Fall ist. Unter Geltung der lex rei sitae sind die Parteien hingegen darauf angewiesen, ihr Sicherungsinteresse in Abhängigkeit von der jeweiligen Belegenheit des Verfügungsgegenstands durch die Bestellung sukzessiver Sicherungsrechte zu wahren194. Die damit verbundenen zusätzlichen Transaktionskosten beeinträchtigen den internationalen Kredit- und Warenverkehr und können mittels Zulassung einer freien Rechtswahl bei der Begründung ausländischer Sicherungsrechte leicht vermieden werden. c) Berechtigte Gläubigerinteressen Gegen eine freie Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht können auch keine vorrangigen Gläubigerinteressen in Stellung gebracht werden195. Zwar lässt sich durchaus hören, dass durch die Anerkennung von Rechtswahlvereinbarungen für Dritte, namentlich für Gläubiger der Vertragsparteien, nicht objektiv und nach außen erkennbar sei, welchem Recht die dingliche Verfügung unterliege196. Allerdings entscheidet der nicht anderweitig in seiner Verfügungsmacht beschränkte Rechtsinhaber autonom darüber, ob er einen bestimmten Gegenstand veräußern oder erwerben möchte (Sukzessionsfreiheit). Gläubiger des Rechtsinhabers haben daher grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihnen bestimmte Gegenstände im Vermögen ihres Schuldners zur Befriedigung zur Verfügung stehen, wenn sie sich hieran kein besonderes Sicherungsrecht haben einräumen lassen197. Besteht ein solches Sicherungsrecht, werden sie regelmäßig 192
Vgl. auch Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 442; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 317. Siehe oben § 24 I. 2. c) aa). 194 Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 318. 195 So aber BGH NJW 1997, 461, 462; Sonnenberger, in: MünchKommBGB, Einl. IPR Rn. 178; Thorn, in: Palandt, BGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 2; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 10; Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 173 f.; dies., RabelsZ 62 (1998), 679, 693 f. 196 Siehe oben § 22 II. 1. d) zum Parallelargument bei der Forderungsabtretung. 197 Instruktiv dazu und zum Folgenden Flessner, FS Koziol, S. 125, 137 f.; vgl. bereits die Parallelüberlegungen zur internationalen Forderungsabtretung oben § 22 II. 1. d). 193
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durch Anerkennung des wohlerworbenen Rechts geschützt. Ist ihr Leistungsanspruch hingegen ungesichert, sind berechtigte Gläubigerinteressen nur durch die allgemeinen Instrumente des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts geschützt, und zwar allen voran durch die Vorschriften über die Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO und des Anfechtungsrechts nach AnfG sowie das allgemeine Deliktsrecht, dort namentlich durch die Haftung wegen Gläubigerschädigung gem. § 826 BGB. Für diese Tatbestände existieren außerdem eigenständige Kollisionsregeln (§ 19 AnfG, § 339 InsO, Art. 4 Rom II-VO; Art. 13 EuInsVO), die in besonderer Weise auf die tangierten Gläubigerinteressen Rücksicht nehmen. Im Übrigen findet im Vollstreckungsverfahren typischerweise das Belegenheitsrecht des Verfügungsgegenstandes bzw. – in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners – das Recht des Staates Anwendung, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus)198. Im Rahmen des Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsverfahrens sind dabei die Rechte sämtlicher Gläubiger anzuerkennen, und zwar gleichgültig, nach welchem Recht sie erworben worden sind. In der Zusammenschau präsentieren sich die Mechanismen zum Schutz berechtigter Gläubigerinteressen im grenzüberschreitenden Kontext demnach als ein geschlossenes System von Sondervorschriften, die eigenständigen Anknüpfungen unterliegen. Soweit das materielle Recht ungesicherten Gläubigern nun außerhalb von Zwangsvollstreckung und Insolvenz keinen besonderen Schutz zuteilwerden lässt, wäre es auch verfehlt, ja geradezu systemwidrig, wollte man solchen Gläubigerinteressen auf dem Umweg einer kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung ein Forum schaffen199. Demnach ist es allein wertungskohärent, an der Parallele zwischen materiellem Recht und Kollisionsrecht festzuhalten und der Sukzessionsfreiheit des Rechtsinhabers in Form einer freien Rechtswahl auch im kollisionsrechtlichen Kontext zum Durchbruch zu verhelfen. d) Durchsetzbarkeit gerichtlicher Entscheidungen Zugunsten der Situsregel und gegen die Rechtswahlbefugnis wird weiterhin geltend gemacht, nur unter Anknüpfung an das Lagerecht könnten gerichtliche Entscheidungen in der Praxis effektiv durchgesetzt werden200. Diese Begründung verkehrt indes das Verhältnis von Kollisionsrecht und gerichtlicher Rechtsdurchsetzung in ihr Gegenteil. Nicht die forensische Durchsetzbarkeit, sondern das Kollisionsrecht bildet den argumentativen Ankerpunkt und bestimmt ihrerseits über die Anerkennung und Durchsetzbarkeit von Entscheidungen ausländischer Gerichte201. Zudem besteht für den Bereich des Mobiliar198
Dazu näher Flessner, FS Koziol, S. 125, 137. Zutreffend Flessner, FS Koziol, S. 125, 138. 200 So etwa v. Caemmerer, FS Zepos II, S. 25; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 9; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 17; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 443. 201 Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 57. 199
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sachenrechts auch keine Gewähr dafür, dass sich die Sache auch noch in der Rechtsordnung befindet, in der sich der Rechtserwerb ereignet hat. Ist der Verfügungsgegenstand zwischenzeitlich ins Ausland verbracht worden, fällt das Gericht sein Urteil auch unter Geltung der lex rei sitae gerade nicht nach demjenigen Recht, auf dessen Grundlage die Entscheidung später durchgesetzt werden soll202. e) Weltweite Geltung der Situsregel Schließlich wird gegen die Zulassung der Rechtswahl noch die enorme internationale Verbreitung der Situsregel ins Feld geführt203. Und tatsächlich existiert kaum ein anderer Bereich im Internationalen Privatrecht, in dem man sich so einig ist über die grundsätzliche Anknüpfung des anwendbaren Rechts wie im Internationalen Sachenrecht204. Rechtsvergleichende Studien haben indes nachgewiesen, dass die einzelfallgeleitete Handhabung der lex rei sitae namentlich im angloamerikanischen Ausland deutlich von der Anwendung der Situsregel nach deutschem Recht abweicht205. Vor allem Abgrenzungs- und Qualifikationsfragen der Kollisionsnorm werden im englischen Recht grundlegend anders gehandhabt als nach deutschem IPR. Ferner müssen das Bestehen und der Inhalt eines ausländischen Rechts im englischen Prozess wie Tatsachen nachgewiesen werden, andernfalls der Richter englisches Sachrecht anwendet und das Recht des Belegenheitsorts unberücksichtigt lässt. Von dem vielfach betonten internationalen Entscheidungseinklang auf europäischer oder gar globaler Ebene kann demnach keine Rede sein. Davon abgesehen sagt der Grad ihrer Verbreitung auch nicht das Geringste über die Qualität der Situsregel aus. Vielmehr müssen die in diesem Abschnitt herausgestellten Schwächen einer Anknüpfung an den Belegenheitsort gerade wegen ihrer weiten Verbreitung bedenklich stimmen, zumal sich die Nachteile der lex rei sitae auch keineswegs reziprok zu ihrem Verbreitungsgrad abschwächen.
4. Grenzen der Rechtswahlfreiheit Die zugunsten einer freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht in die Waagschale geworfenen Argumente beziehen sich primär auf den Mobiliarerwerb vom Berechtigten sowie auf den Erwerb und die Übertragung von Sicherungsrechten an beweglichen Sachen. Davon abgesehen sollte das Prinzip der 202
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547, 571 f.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 57 f. BGH NJW 1997, 461, 462; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 16; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 3 a; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 9; v. Bar, IPR II, Rn. 753; Kreuzer, in: Henrich, Vorschläge, S. 37, 76 f. 204 Siehe – auch zu den maßgeblichen Ausnahmen – die Nachw. in Fn. 5. 205 Eingehend Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 196 ff., insb. S. 274 ff., 278 ff.; vgl. weiter Privat, Rechtswahl, S. 49 ff.; relativierend auch Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 674. 203
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Rechtswahlfreiheit aber für den redlichen Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten zugelassen werden (a). Auch das wählbare Recht unterliegt grundsätzlich keinen Beschränkungen, solange es sich nur um einen grenzüberschreitenden Sukzessionssachverhalt handelt (b). Demgegenüber vermögen die angeführten Sachgründe die Gewährleistung von Rechtswahlfreiheit im Immobiliarsachenrecht nicht zu rechtfertigen; dort sprechen die besseren Argumente für die Beibehaltung der lex rei sitae (c). a) Rechtswahl und Gutglaubenserwerb Sehr umstritten ist die Frage, ob das Prinzip der freien Rechtswahl auch für den redlichen (lastenfreien) Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten gelten sollte. Das Meinungsspektrum reicht von der unumschränkten Anerkennung von Parteiautonomie206 über differenzierende Ansätze207 bis hin zur vollständigen Ablehnung der freien Rechtswahl208. Richtigerweise ist auch für den Gutglaubenserwerb das Prinzip der Rechtswahlfreiheit zu implementieren. Den Ausgangspunkt für die Gewährleistung einer freien Rechtswahl bildet die grundlegende Regelungsidee des Gutglaubenserwerbs. Im überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs, wird der Erwerber als Repräsentant des redlichen Rechtsverkehrs in seinem Vertrauen darauf geschützt, den Gegenstand wirksam erworben zu haben und ihn nicht im Nachhinein wieder an den wahren Berechtigten zu verlieren209. Das spart aus ökonomischer Perspektive Such-, Informations- und Rechtsbewältigungskosten und leistet auf diese Weise einen Beitrag zur effizienten Allokation knapper Ressourcen sowie zur Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands210. Das überindividuelle Verkehrs- und das individuelle Erwerberinteresse, die sich bei Vorliegen eines tauglichen Rechtsscheinträgers gegen das individuelle Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten durchzusetzen vermögen211, entfalten ihre Legitimationswirkung für den Gutglaubenserwerb allerdings nicht nur in inländischen Sachverhalten, sondern auch im Falle grenzüberschreitender Transaktionen. Gerade in einem internationalen Kontext kommt der sicheren und leichten Durchführung von Transaktionen ein hoher 206 Namentlich Flessner, FS Koziol, S. 125, 139 ff.; Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 523 f.; ähnlich Einsele, RabelsZ 60 (1996), 415, 442 f., die allerdings zusätzlich noch einen Bezug des Sachverhalts zum gewählten Recht verlangt; im Grundsatz folgend Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 303 ff.; vgl. weiter v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 355 ff., der die Rechtswahlfreiheit auch in diesem Zusammenhang als unionsrechtlich geboten betrachtet. 207 Stoll, in: Staudinger, Int. SachenR Rn. 305: Setzt sich die Rechtswahl in Widerspruch zum inländischen Recht, findet inländisches Recht Anwendung bis der Gegenstand das Land verlassen hat. 208 Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 145, 154; d’Avout, solutions, S. 604 f., 648 f.; offenbar ebenso Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 674. 209 Dazu näher § 11 II. 2. 210 Dazu ausf. § 11 II. 3. 211 Zum Gutglaubenserwerb als Konfliktlösungsmechanismus siehe oben § 11 II. 1.
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Stellenwert zu. Das schließt auch das berechtigte Erwerberinteresse ein, für die Transaktion dasjenige Regelungsregime zu wählen, das aus Sicht der Vertragsparteien die beste Gewähr für einen wirksamen und beständigen Rechtserwerb bietet212. Dementsprechend erweist sich nicht nur das sachrechtliche Vertrauen des Redlichen auf die Beständigkeit des Rechtserwerbs als schützenswert, sondern auch sein kollisionsrechtliches Vertrauen auf die Beständigkeit der mit dem Nichtberechtigten getroffenen Rechtswahl. Soweit nämlich in der Person des Veräußerers die Voraussetzungen für einen redlichen Erwerb nach dem Sachrecht vorliegen, namentlich ein tauglicher Rechtsscheinträger vorliegt, vermittelt dieser Anknüpfungspunkt nicht nur Vertrauenswirkung hinsichtlich der materiellen Rechtsinhaberschaft, sondern auch in Bezug auf seine Berechtigung, mit dem Erwerber eine wirksame Rechtswahlvereinbarung abzuschließen. Das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs setzt sich auch im vorliegenden kollisionsrechtlichen Kontext gegen das individuelle Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten durch. Das ist auch deshalb hinnehmbar, weil der Berechtigte hierdurch nicht schutzlos gestellt wird. Vielmehr erfolgt ein angemessener Interessenausgleich auf schuldrechtlicher Ebene in Form von kollisionsrechtlich geschützten Rückgriffsansprüchen des Berechtigten gegen den Veräußerer (vgl. § 816 BGB; Art. 10 Rom II-VO)213. Der wahre Berechtigte kann gegen die hier befürwortete Rechtswahl auch nicht einwenden, auf diese Weise könnten die Beteiligten ganz bewusst von einem besonders erwerbsfreundlichen Sachrecht profitieren. Denn zum einen werden echte Missbrauchsfälle bereits durch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gutglaubensvorschriften angemessen gelöst. Stets ist nämlich der gute Glaube des Erwerbers unverzichtbare Voraussetzung für den Erwerb vom Nichtberechtigten, und gerade bei getroffenen Rechtswahlvereinbarungen ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob sich der Erwerber tatsächlich in gutem Glauben befand214. Man wird nicht stutzig werden, wenn die Parteien das dingliche Rechtsgeschäft demselben Recht unterstellen wie das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Auch wenn beide Parteien mit dem gewählten Recht besonders vertraut sind, wird man keine besondere Nachforschungspflicht des Erwerbers in Bezug auf die veräußererseitige Berechtigung annehmen können. Wählen die Beteiligten indes eine Rechtsordnung, die in keinerlei Verbindung mit dem Sitz der Parteien oder der Belegenheit des Verfügungsobjekts steht und zudem als besonders erwerberfreundlich gilt, muss das subjektive Tatbestandsmerkmal in der Person des Erwerbers einer besonderen Prüfung unterzogen werden. Zum anderen können die Vertragsparteien das gleiche wirtschaftliche Ergebnis auch unter Geltung der Situsregel herbeiführen. Zu diesem Zweck müssen sie den Verfügungsgegenstand nur in die bevorzugte Rechtsordnung verbringen 212 213 214
Ähnlich Flessner, FS Koziol, S. 125, 140. Dazu näher Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 305 f. Dazu auch Flessner, FS Koziol, S. 125, 141.
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
und sie partizipieren gleichermaßen von den kraft faktischer Rechtswahl geltenden Gutglaubensvorschriften215. Überhaupt ist das Interesse des wahren Berechtigten an der Anwendung des Belegenheitsrechts im internationalen Mobiliarverkehr von untergeordneter Bedeutung. Denn die Anwendung der lex rei sitae vermag den Berechtigten nicht davor zu schützen, sein Recht aufgrund eines unbekannten Ortsrechts zu verlieren216. Das gilt zunächst für den Fall, dass sich der tatsächliche Lageort des Verfügungsgegenstandes der Kenntnis des Rechtsinhabers entzieht217. Vor allem wenn jemandem in Deutschland ein Fahrzeug gestohlen wird, kann der Eigentümer schwerlich darauf vertrauen, dass sich nachfolgende Verfügungen ausschließlich nach inländischem Sachenrecht vollziehen. Vielmehr muss er de lege lata mit der Anwendung des Belegenheitsrechts rechnen, das sich nach Abhandenkommen des Fahrzeugs – wie die Erfahrung lehrt – nicht selten ändert. Ob der Dieb den Gegenstand nun ins Ausland bringt oder er sich mit dem Erwerber auf die Anwendung einer fremden Rechtsordnung einigt (was ohnehin nur in grenzüberschreitenden Sachverhalten zulässig sein kann218), macht aus der Sicht des wahren Berechtigten im Ergebnis keinen Unterschied. Aber auch wenn der Rechtsinhaber den Verfügungsgegenstand dem Nichtberechtigten freiwillig überlassen hat, wird er in seinem Vertrauen auf die Anwendung eines bestimmten – womöglich mit dem Besitzmittler vertraglich vereinbarten – Rechts nicht geschützt. Denn ebenso wie der Nichtberechtigte das in ihn gesetzte Vertrauen des Rechtsinhabers enttäuscht, wenn er die Sache abredewidrig an einen redlichen Dritten veräußert, hat er aufgrund der physischen Gewalt über die Sache auch die tatsächliche Möglichkeit, den Verfügungsgegenstand ins Ausland zu schaffen und ihn dort zu veräußern. Wiederum bedeutet es für den wahren Berechtigten im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung keinen maßgeblichen Unterschied, ob der Nichtberechtigte die Sache nun ins Ausland verbringt und sie dort veräußert oder ob er im Inland mit dem Erwerber die Geltung ausländischen Rechts vereinbart. Das alles schließt es aber freilich nicht aus, gleichwohl die zwingenden Vorschriften des Belegenheitsrechts analog Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO, Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO zur Anwendung zu bringen, und zwar einerseits mangels hinreichenden Auslandsbezuges219 und andererseits aufgrund eines Verstoßes gegen den Ordre-public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB220.
215
Vgl. näher Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 443. Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 291. 217 Dazu und zum Folgenden auch Flessner, FS Koziol, S. 125, 139. 218 Dazu allgemein unten § 24 II. 4. b); vgl. in diesem Kontext noch Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 442 f.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 304. 219 Vgl. (zum früheren Recht) die Hinweise bei Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 442 f.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 304. 220 Dazu Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417, 442 f.; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 304 f. 216
II. Plädoyer für Rechtswahlfreiheit de lege ferenda
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b) Wählbares Recht Weiterhin ist zu klären, welches Recht die Parteien überhaupt wählen können. Wiederum ist das Meinungsbild durchaus vielgestaltig. Zunächst wurden nur diejenigen Rechtsordnungen für wählbar gehalten, „welche die Sache berührt, also in der Regel (…) das Recht des Abgangs- und des Bestimmungsortes“221. Später kamen Stimmen hinzu, die auch die Wahl des Schuldvertragsstatuts zulassen wollten, um den erstrebten Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu bewerkstelligen222. Heute wird darüber hinaus für eine völlige Freigabe des wählbaren Rechts plädiert223. Tatsächlich sprechen die besseren Argumente dafür, den Vertragsparteien im Hinblick auf die Wählbarkeit des anwendbaren Rechts keine Vorschriften zu machen. Vielmehr sollten die Vertragsparteien in grenzüberschreitenden Sachverhalten in die Lage versetzt werden, das anwendbare Recht nach freiem Belieben zu wählen. Hierbei wird nicht verkannt, dass eine vertragsakzessorische Anknüpfung zu einem Gleichlauf von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft führt und die sich aus einer gespaltenen Anknüpfung resultierenden Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme effektiv beseitigt, was dem Interesse der Vertragsparteien typischerweise am besten entsprechen dürfte. Allerdings können die Parteien nach Maßgabe ihrer Präferenzen und individuellen Bedürfnisse ebenso gut ein Interesse daran haben, die beiden Rechtsgeschäfte unterschiedlich anzuknüpfen und etwaige Friktionen zur Erreichung eines höheren gemeinsamen Ziels bewusst in Kauf zu nehmen. So können die Parteien beispielsweise ein Interesse daran haben, das Kausalgeschäft dem Recht des Absendestaats und das Vollzugsgeschäft dem Recht des Bestimmungsstaates zu unterstellen. In diesem Zusammenhang gilt letztlich nichts anderes als für die Zulassung der Teilrechtswahl im Fall der grenzüberschreitenden Forderungszession nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO224. Es muss daher auch im Fall der teilweisen Rechtswahl bei der Entscheidungshoheit der Vertragsparteien bewenden. Sprechen demnach die besseren Argumente dafür, den Vertragsparteien die autonome Entscheidung zu überlassen, wie sie die mit einer gespaltenen Anknüpfung verbundenen Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme auf der einen Seiten und die aus der abweichenden Rechtswahl erstrebten Vorteile auf der anderen Seite gewichten, muss auch eine Beschränkung der Rechtswahlbefugnis auf die Rechte des Ausgangs- und des Empfangsstaates ausscheiden. Zwar müs221
So Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 450, 461. Namentlich Einsele, RabelsZ 60 (1996), 415, 446; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 677 ff.; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 292; siehe ferner Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 529; vgl. auch noch die vorsichtige Anregung von Kreuzer, in: Henrich, Vorschläge, S. 37, 82: Beschränkung auf eine Wirkung inter partes; siehe nochmals ähnlich ders., RabelsZ 65 (2001), 383, 446 ff. 223 So auch v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 60; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 308 f.; kritisch Kaufhold, Mobiliarsicherungsrecht, S. 295 f. 224 Dazu ausf. oben § 22 II. 2. b). 222
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
sen die Vertragsparteien – vorbehaltlich einer europaweiten oder gar globalen Liberalisierung – bei der Wahl eines abweichenden Rechts damit rechnen, dass ein auf dieser Grundlage geschaffenes Sachenrecht wegen Verstoßes gegen die inländische Kredit- und Gläubigerordnung im Belegenheitsstaat womöglich nicht anerkannt wird und daher nicht durchgesetzt werden kann225. Indes mag es im Einzelfall Gründe geben, dieses Risiko angesichts der übrigen mit der Rechtswahl verbundenen Vorteile in Kauf zu nehmen. Das gilt umso mehr, als eine unglückliche Rechtswahl keine neuartigen Probleme begründet, wird ausländischen Sachenrechten doch auch auf Grundlage der lex rei sitae zuweilen die Anerkennung verweigert226. Davon abgesehen ist es auch nicht die Aufgabe des Kollisionsrechts, die Vertragspartner aus Zweckmäßigkeitsgründen von der Wahl eines bestimmten Rechts abzuhalten. Diese Entscheidung fällt ausschließlich in ihren eigenen Risikobereich. Nur wenn sich die Parteien nicht als gleichberechtigte Verhandlungspartner gegenübertreten, müssen die Interessen der schwächeren Partei gesetzlich besonders geschützt werden. Das gilt namentlich für Verbraucherverträge227. Hier ist in Anlehnung an Art. 6 Rom I-VO im Interesse eines effektiven Verbraucherschutzes eine gesetzliche Sonderregelung angezeigt. Zu diesem Zweck wird man dem Verbraucher zwar die Möglichkeit einer Rechtswahl eröffnen können. Sie darf analog Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO aber nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm unter Geltung des Belegenheitsrechts gewährt würde. Soweit sich der Gesetzgeber also für die Zulassung der freien Rechtswahl entscheidet, ist er aufgefordert, den Parteien keine Einschränkungen im Hinblick auf das wählbare Recht aufzuerlegen. Es ist auch nicht notwendig, zusätzlich noch „irgendeine Beziehung oder ein Interesse“ der Parteien am gewählten Recht zu verlangen228. Denn ein solches Interesse wird sich stets finden lassen, so dass diese Einschränkung keinen praktischen Mehrwert generiert. Sicherzustellen ist allein, dass den Parteien die Rechtswahl in Anlehnung an den Rechtsgedanken der Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1, 3 Abs. 3 Rom I-VO, Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO nur für solche Sachverhalte eröffnet ist, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen229. Notwendig ist also, dass die Parteien entweder beabsichtigen, eine grenzüberschreitende Transaktion durchzuführen, oder dass sich die Sache im Ausland befindet oder das Kausalgeschäft schwerpunktmäßig im Ausland spielt.
225
Vgl. auch Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 309. Siehe oben § 24 I. 2. b) und § 24 I. 2. c) aa). 227 Vgl. auch Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 528; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 312. 228 So Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 529; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 309. 229 Das ist im Ergebnis unstreitig; vgl. zum früheren Recht Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 525; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 310. 226
II. Plädoyer für Rechtswahlfreiheit de lege ferenda
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c) Keine Rechtswahlfreiheit im Immobiliarsachenrecht Eine Ausnahme von der Gewährleistung der freien Rechtswahl sollte schließlich für das Immobiliarsachenrecht gelten. Denn die im Laufe dieses Abschnitts herausgearbeiteten Argumente lassen sich nicht auf die besonderen Verhältnisse des Immobiliarsachenrechts übertragen, so dass es für die Begründung und Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten in internationalen Sachverhalten bei der Geltung der lex rei sitae bleiben muss. Der erste Unterschied zwischen der Übertragung von beweglichen und unbeweglichen Sachen besteht darin, dass die Körperlichkeit von Grundstücken für ihre Übertragung sowie die Begründung von Grundstücksrechten – anders als bei Fahrnisgegenständen230 – eine zentrale Rolle spielt. Zwar bezieht sich auch die Verfügung über das unbewegliche Vermögen auf Eigentumsrechte und andere Grundstücksrechte und gerade nicht auf den Gegenstand als solchen. Anders als bei beweglichen Sachen handelt es sich bei der Belegenheit von Grundstücken indes um einen wertbildenden Faktor ersten Ranges. Deshalb ist seine Lage und Körperlichkeit auch für die Eigentumsübertragung sowie die Bestellung von Sicherungs- oder Nutzungsrechten von zentraler Bedeutung. Das spricht dafür, dem Recht des Belegenheitsortes höhere Bedeutung beizumessen als bei beweglichen Sachen. Damit in engem Zusammenhang steht der Umstand, dass angesichts der stationären Lage von Grundstücken das Problem des Statutenwechsels auf territoriale Veränderungen des geltenden Rechts beschränkt ist, die in der Praxis nur selten vorkommen, primär das intertemporale Kollisionsrecht betreffen231 und daher für die Wahl des regulären Anknüpfungskriteriums außer Betracht bleiben müssen. Da eine Aufspaltung des geltenden Sachstatuts während des Erwerbsvorgangs – anders als bei beweglichen Sachen232 – typischerweise ausscheidet, sorgt die Anknüpfung an den Belegenheitsort tatsächlich für eine Voraussehbarkeit des anwendbaren Rechts und zugleich für einen gesteigerten Verkehrsschutz233. Darüber hinaus spricht die Registergebundenheit von Grundstücksrechten für die Anknüpfung an den Lageort234. Anders als auf die Besitzverhältnisse an beweglichen Sachen kann sich der Rechtsverkehr auf die materielle Richtigkeit von Registereintragungen typischerweise verlassen. Das gilt insbesondere, wenn der Eintragung von Rechtsänderungen im Register, wie nach deutschem Recht (§ 873 BGB)235, konstitutive Wirkung zukommt oder die Eintragung das betreffende Sachenrecht erst mit Drittwirkung ausstattet, die dann ebenfalls aus 230
Dazu oben § 24 II. 2. a). Ebenso Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 25 Fn. 10. 232 Zum Problem siehe oben § 24 I. 2. und § 24 II. 2. d). 233 Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 125; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 680; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 282; a.A. Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547, 571. 234 Dazu Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 25, 281 f., 287 f. 235 Dazu eingehend oben § 10 II. 2. b) bb). 231
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§ 24 Die grenzüberschreitende Übereignung
dem Register ablesbar ist. Umgekehrt sorgt die Geltung der lex rei sitae im Immobiliarsachenrecht – als willkommener Nebeneffekt – für eine einfache und verlässliche Registerführung, weil nur inländische Rechte an Grundstücken begründet werden können236. Anders als bei beweglichen Sachen237 ist es für Immobilien aus naheliegenden Gründen nämlich ausgeschlossen, durch Verbringung des Verfügungsgegenstands ins Ausland die Anwendung des Belegenheitsrechts zu umgehen238. Zudem spielen auch die aus dem internationalen Mobiliarsachenrecht bekannten Schwierigkeiten, bewegliche Sachen zu lokalisieren239, für das Immobiliarsachenrecht keine entscheidende Rolle. Und schließlich spricht für die Geltung des Situsrechts der Umstand, dass gerichtliche Entscheidungen bei Grundstücken sinnvollerweise nur nach dem Belegenheitsrecht durchgesetzt werden können. Damit steht es im Einklang, dass für Klagen, die mit der Berechtigung an unbeweglichen Sachen in Verbindung stehen, gem. Art. 22 Nr. 1 EuGVVO iVm. § 24 ZPO ein ausschließlicher Gerichtsstand bei dem Gericht besteht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist240. Durch die Anwendung des Situsrechts kommt es für Grundstücke folglich zu einem Gleichlauf von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit, die in dieser Form für bewegliche Sachen nicht in Betracht kommt. Zudem haben etwaige Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts ihren rechtlichen Schwerpunkt am Lageort des Grundstücks; ihnen kann typischerweise auch nur durch Inanspruchnahme innerstaatlicher Rechtsschutzmechanismen abgeholfen werden, die sich nach inländischen Gesetzmäßigkeiten richten241. Das alles spricht für die Anknüpfung an das Recht des Belegenheitsorts und gegen die Gewährung einer freien Rechtswahl im grenzüberschreitenden Immobiliarsachenrecht.
III. Zusammenfassung Für die internationale Übereignung von Sachen erklärt Art. 43 Abs. 1 EGBGB das Recht des Belegenheitsortes für maßgeblich (lex rei sitae). Dem Prinzip der Rechtswahlfreiheit kommt hingegen nur sehr eingeschränkte Bedeutung für den Sonderfall des grenzüberschreitenden Transports von Sachen (res in transitu) zu. Alle übrigen Fragestellungen beurteilen sich nach dem Ortsrecht. Das 236 Kropholler, IPR, § 54 I 1; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 125; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 681; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 62, 282. 237 Siehe nochmals oben § 24 II. 2. a). 238 Einsele, RabelsZ 60 (1996), 415, 444. 239 Dazu oben § 24 II. 2. a). 240 Zu diesem Punkt auch Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 521; Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 125; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 9; Stadler, Gestaltungsfreiheit, S. 680; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 415, 444; Ritterhoff, Parteiautonomie, S. 58; Wendehorst, in: MünchKommBGB, Art. 43 EGBGB Rn. 4; Looschelders, IPR, Art. 43 EGBGB Rn. 18. 241 Stoll, in: Staudinger, BGB, Int. SachenR Rn. 124.
III. Zusammenfassung
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gilt namentlich für die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Sukzession in dingliche Rechte, die Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips, des Bestimmtheitsgebots sowie der Einigungs- und Publizitätserfordernisse und schließlich auch für Zulässigkeit und Modalitäten des Gutglaubenserwerbs. Da die Vertragsparteien allerdings das Vertragsstatut frei wählen können, kann es auf Grundlage der lex rei sitae zu einer gespaltenen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft kommen, welche die bekannten Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme nach sich zieht. Die Anknüpfung an das Situsrecht führt weiterhin zu einem Statutenwechsel, wenn der Verfügungsgegenstand die Grenze zu einer anderen Rechtsordnung überquert oder sich das Recht am Belegenheitsort ändert. In diesem Zusammenhang verwirklicht Art. 43 Abs. 2 EGBGB implizit das Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes, indem er die grundsätzliche Fortgeltung der am Verfügungsgegenstand bestehenden beschränkten Sachenrechte Dritter anordnet. Damit gewährleistet die Vorschrift den Schutz wohlerworbener Rechte im grenzüberschreitenden Kontext. Allerdings können ausländische Rechte nach Maßgabe des Art. 43 Abs. 2 EGBGB nicht im Widerspruch zur inländischen Rechts-, insbesondere Gläubigerordnung, ausgeübt werden. Nach der Lehre vom gespaltenen Sachstatut sind die divergierenden Bestandsinteressen der individuellen Rechtsinhaber und die überindividuellen Verkehrsinteressen des inländischen Rechts- und Kreditverkehrs im Wege praktischer Konkordanz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, und zwar durch eine Aufspaltung des Sachstatuts in ein Rechtsbestands- und ein Rechtswirkungsstatut. Was dies im Einzelfall bedeutet, hängt maßgeblich davon ab, ob der relevante Tatbestand bereits vor dem Grenzübertritt nach dem früheren Sachstatut endgültig eingetreten (schlichter Statutenwechsel) oder noch nicht vollständig verwirklicht war (qualifizierter Statutenwechsel). Im Rahmen des schlichten Statutenwechsels geht es primär um die Frage der Anerkennung ausländischer Sachenrechte im Inland. Nach Maßgabe der zutreffenden Anerkennungslehre, der in der Sache auch die moderne Judikatur folgt, ist das ausländische Recht als solches seines Entstehungsstaates anzuerkennen; in Ermangelung eines funktionell vergleichbaren inländischen Rechts ist mittels Anpassung und Angleichung nach einzelfallgerechten Lösungen zu suchen. Danach sind ausländische besitzlose Mobiliarsicherheiten in Deutschland mit den Wirkungen des Sicherungseigentums anzuerkennen. Umgekehrt scheitert die Anerkennung deutschen Sicherungseigentums etwa in Österreich, dessen innerstaatliche Sachenrechtsordnung keine publizitätslosen Mobiliarsicherheiten zulässt. Diese Grundsätze halten auch einer Überprüfung am Maßstab der unionsrechtlichen Grundfreiheiten stand. Für die Fälle des qualifizierten Statutenwechsels stellt Art. 43 Abs. 3 EGBGB in der hiesigen Lesart klar, dass die Vorgänge, die sich bereits im Ausgangsland ereignet haben, im Aufnahmestaat zu berücksichtigen sind, und zwar so, als hätte sich das Geschehen vollumfänglich im Empfangsstaat abgespielt.
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Angesichts der wesentlichen Nachteile einer Anknüpfung an den Belegenheitsort, namentlich die gespaltene Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sowie die Problematik des Statutenwechsels mit Grenzübertritt, wird hier de lege ferenda für die Gewähr einer freien Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht Partei ergriffen. Die maßgeblichen Vorzüge der Rechtswahlfreiheit bestehen in der Gewährleistung von Parteiautonomie und Rechtssicherheit; sie dient im Ergebnis dem Prinzip der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit. Weiterhin streiten für die Zulassung von Rechtswahlfreiheit die dogmatische Vergleichbarkeit von Forderungszession und Eigentumsübertragung sowie die Gewährleistung eines Gleichlaufs von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft und eine Vermeidung des Statutenwechsels. Hinzu kommt noch eine ganze Reihe allgemeiner Nachteile der Situsregel. Umgekehrt können auch die gegen die Rechtswahlfreiheit erhobenen Einwände nicht überzeugen. Namentlich geht das von der h.M. implizierte kollisionsrechtliche Offenkundigkeitsprinzip infolge des Bedeutungsverlusts des Traditionsprinzips an den Realitäten des deutschen Sachenrechts vorbei. Auch das – ohnehin rechtspolitisch streitbare – Numerus-clausus-Prinzip wird durch die Rechtswahlbefugnis nicht beeinträchtigt, da ausländische Sachenrechte auch weiterhin nur im Rahmen der inländischen Rechtsordnung ausgeübt werden können. Davon abgesehen sind die Interessen ungesicherter Gläubiger für die Anknüpfungsregel ohne Relevanz. Gleiches gilt für die Frage der Durchsetzbarkeit gerichtlicher Entscheidungen sowie den Umstand, dass die – sachlich nicht überzeugende – Situsregel, zumindest auf dem Papier, weltweite Geltung genießt. Die zugunsten der freien Rechtswahl vorgebrachten Argumente beanspruchen für den Mobiliarerwerb vom Berechtigten sowie für Erwerb und Übertragung von Mobiliarsicherheiten uneingeschränkte Geltung. Nach zutreffender – wenngleich sehr umstrittener – Auffassung ist eine Rechtswahl auch für den redlichen Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten zuzulassen. Hinsichtlich des wählbaren Rechts sind grundsätzlich keine Einschränkungen (Absendestaat, Aufnahmestaat, Verpflichtungsstatut) angezeigt. Nur für Verbraucherverträge ist eine an Art. 6 Rom I-VO orientierte Ausnahme zu machen. Im Übrigen ist die freie Rechtswahl für Sachverhalte zu eröffnen, die eine Verbindung zu verschiedenen Staaten aufweisen. Eine Ausnahme vom Prinzip der Rechtswahlfreiheit sollte schließlich für das Immobiliarsachenrecht gelten. Aufgrund der besonderen Verhältnisse bei Begründung und Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten muss es bei der Anwendung der lex rei sitae bleiben.
5. Teil
Die Sukzession im Europäischen Privatrecht Die Überlegungen zum Kollisionsrecht haben gezeigt, dass sich die divergierenden Regelungen des materiellen Sukzessionsrechts mit kollisionsrechtlichen Instrumenten nicht vollends befriedigend lösen lassen. Das gilt namentlich für das Drittwirkungsproblem bei der grenzüberschreitenden Forderungszession1 sowie die Anerkennungsproblematik im Internationalen Sachenrecht2. Das sind nur zwei Beispielfälle, die der Forderung nach einer Harmonisierung des Privatrechts auf europäischer Ebene in der Vergangenheit Auftrieb verliehen haben. Mit dem Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens (Draft Common Frame of Reference – DCFR) liegen inzwischen Modellregeln für eine Angleichung des europäischen Privatrechts vor, die inhaltlich auch die hier untersuchten Regelungsbereiche der Forderungsabtretung (§ 25), Schuld- und Vertragsübernahme (§ 26) sowie die Übereignung beweglicher Sachen (§ 27) umfassen. Anliegen dieses fünften und letzten Hauptteils der Arbeit ist eine Analyse dieser Sukzessionstatbestände aus europäischer Perspektive unter Einschluss internationaler Rechtsentwicklungen. Die auf europäischer und internationaler Ebene geschaffenen Modelltexte werden vor dem Hintergrund der für das deutsche Recht herausgearbeiteten Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Sukzession unter die rechtsdogmatische, rechtspolitische sowie rechtsökonomische Lupe genommen. Umgekehrt dienen die Modellregeln auch als Referenzpunkt für das nationale Recht3. Die hier angestrebte wechselseitige Untersuchung beider Regelungsebenen verspricht Ertrag sowohl für die Optimierung des deutschen Sukzessionsrechts wie auch für die gemeineuropäischen und internationalen Modelltexte.
1 2 3
Siehe oben § 22 IV. Siehe oben § 24 I. 2. c) aa) und § 24 II. 2. d). Zu diesen Anliegen siehe schon oben § 1 I. 1.
§ 25 Die europäische Forderungszession I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung Für eine Harmonisierung der Zessionsrechte auf europäischer (und internationaler) Ebene sprechen verschiedene Gründe1, die zum Teil bereits der kollisionsrechtlichen Betrachtung als Ausgangspunkt dienten2: Erstens ist die Forderungszession im grenzüberschreitenden Rechts- und Handelsverkehr von zentraler Bedeutung. Ihre leichte Übertragbarkeit hat Forderungen zu einem begehrten Objekt der internationalen Unternehmensfinanzierung und Kreditsicherung werden lassen. Zweitens zeichnen sich die Zessionsrechte der europäischen Mitgliedstaaten durch ein hohes Maß an Diversität aus. Das betrifft insbesondere die unterschiedlichen Anzeige- und Formerfordernisse sowie die (eingeschränkte) Zulässigkeit von Vorausabtretung und Globalzession. Und drittens erschweren – neben den wirtschaftlichen Risiken der Forderungsabtretung in Zeiten der Finanz- und Schuldenkrise3 – kollisionsrechtliche Unsicherheiten den grenzüberschreitenden Forderungsverkehr. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der heillos umstrittenen Anknüpfung des Drittwirkungsstatuts, d.h. der Behandlung von Prioritätskonflikten zwischen Gläubigern und bei konkurrierenden Abtretungen4, sowie der sachlichen Reichweite des nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO gewährleisteten Schuldnerschutzes5 zu. Trotz dieser prekären Ausgangslage war das Abtretungsrecht bisher niemals Gegenstand gemeineuropäischer Gesetzgebung. Die Zessionsvorschriften waren indes seit jeher fester Bestandteil der wissenschaftlichen Initiativen zur Systematisierung des Privatrechts in Europa6. Entsprechende Referenztexte für das europäische Abtretungsrecht7 finden sich dementsprechend in den vielbeachte-
1
Dazu Kieninger, ZEuP 2010, 724 ff. Siehe oben § 22 I. 3 Vgl. Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 377; Kieninger, ZEuP 2010, 724, 725 f. 4 Dazu ausf. oben § 22 IV. 5 Dazu näher oben § 22 III. 2. 6 Zur Idee des Europäischen Zivilgesetzbuchs und ihrer Entwicklung bis zum DCFR etwa Kieninger, RW 2012, 406, 411 ff. 7 Wenn hier vom „europäischen Abtretungsrecht“ die Rede ist, handelt es sich um eine sprachliche Verkürzung, die freilich nicht in Abrede stellt, dass ein geltendes europäisches Abtretungsrecht derzeit nicht existiert. 2
I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung
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ten Principles of European Contract Law (PECL)8, die von der Commission of European Contract Law unter dem Vorsitz von Ole Lando ausgearbeitet worden sind. Es waren diese langjährigen Vorarbeiten der Lando-Kommission und anderer wissenschaftlicher Initiativen, welche die Grundlage für den Entwurf eines Zessionsrechts im Draft Common Frame of Reference (DCFR) legten9. Dort nehmen die Abtretungsvorschriften als Teil des Vertragsrechts10 breiten Raum ein11. Bis heute ist indes nicht abschließend geklärt, welche Bedeutung dem DCFR für die Entwicklung des Europäischen Privatrechts tatsächlich zukommt12. Die Kommission begreift den Gemeinsamen Referenzrahmen als Werkzeugkiste (toolbox) für weitere Gesetzgebungsvorhaben zum gesamteuropäischen Vertragsrecht13. Die Entwurfsverfasser betrachten den DCFR als wissenschaftlichen Vorschlag, der als Grundlage für eine Harmonisierung des europäischen Privat-, insbesondere Vertragsrechts, fruchtbar gemacht werden könne14. Hier ist nicht der Ort, über das ambitionierte, in rechtsvergleichender Hinsicht hochspannende, rechtspolitisch aber durchaus fragwürdige Unterfangen des (Entwurfs eines) Gemeinsamen Referenzrahmens abschließend Stellung zu beziehen.15 Für die hiesige Untersuchung ist auch ohne Belang, welche politische Bedeutung man dem Gemeinsamen Referenzrahmen beimisst. Als sicher kann aber jedenfalls gelten, dass die entworfenen Vorschriften zukünftigen Diskussionen über die Fortschreibung des Europäischen Privatrechts wertvolle Impulse verleihen werden16. Und genau zu diesem Zweck wird auch im Folgenden auf die Modellregeln des DCFR Bezug genommen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden die Regeln als dasjenige angesehen, was sie ausweislich ihres Namens 8 Art. 11:101 ff.; abgedruckt bei Lando u.a., Principles III, S. 85 ff.; deutsche Übersetzung bei v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 659 ff. 9 So ausdrücklich v. Bar/Clive, DCFR, S. 1. – Kritisch zum Entstehungsprozess des DCFR etwa Doralt, AcP 211 (2011), 1 ff.; ders., RabelsZ 75 (2011), 260, 275 ff.; Eidenmüller u.a., JZ 2012, 269, 270; Riesenhuber, JZ 2011, 537, 538 ff.; Vogenauer, ERCL 2010, 143, 158. 10 Kritisch zur Einordnung, vor allem in Ansehung der Überschneidungen mit dem Kaufrecht: Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 542. 11 Art. III.-5:101 ff.; abgedruckt bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1011 ff. 12 Zum Meinungsstand siehe (kritisch) Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529 ff.; Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401 ff.; Schulze-Nölke, NJW 2009, 2161 ff.; zusf. Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925 f. 13 Dazu näher Beale, ERCL 2007, 257, 259 ff.; aus der Sicht des deutschen Justizministeriums Leutheusser-Schnarrenberger, ZEuP 2011, 451, 454 f.; kritisch zum Konzept der toolbox MPI, RabelsZ 75 (2011), 371, 379 ff. 14 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4. 15 Zur Verteidigung dieses Projekts siehe Schulte-Nölke NJW 2009, 2161 ff.; Leible BB 2008, 1469 ff.; optimistisch auch Pfeiffer AcP 208 (2008), 227 ff.; krit. Jansen/Zimmermann NJW 2009, 3401 ff.; Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann JZ 2008, 529 ff.; Stadler JZ 2010, 380 ff. 16 Relativierend zur rechtspolitischen Bedeutung des DCFR: Mankowski, IHR 2012, 45 ff.; Kieninger, RW 2012, 406, 414 f.
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§ 25 Die europäische Forderungszession
sein sollen: Referenzvorschriften. Die DCFR-Regeln (und andere europäische und internationale Referenztexte) dienen als Maßstab für die zum nationalen Sukzessionsrecht entwickelten Struktur- und Wertungsprinzipien und sind umgekehrt ihrerseits anhand des nationalen Regelungskanons einer rechtsdogmatischen, rechtspolitischen und rechtsökonomischen Analyse zu unterziehen – immer auf der Suche nach einer kohärenten, den Interessen der Beteiligten und des Rechtsverkehrs entsprechenden Gesamtlösung. Dabei gilt es insbesondere zu klären, inwiefern sich die Modellregelungen sowie die zugrunde liegenden Struktur- und Wertungsprinzipien als Vorbild oder zumindest Orientierungshilfe für etwaige Reformvorhaben auf nationaler und europäischer Ebene eignen. Weitgehend außer Betracht bleibt hingegen der auf Grundlage des Gemeinsamen Referenzrahmens geschaffene Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (Common European Sales Law – CESL)17, das – als optionales Instrument18 – die nationalen Kaufrechte nicht verdrängen soll, sondern als zusätzliches (2. respektive 28.) Modell durch die Vertragsparteien frei gewählt werden kann. Da die im Oktober 2011 vorgelegte Verordnung keine Vorschriften über die Forderungsabtretung enthält19, wie Erwägungsgrund 27 des Entwurf explizit ausspricht, bildet der DCFR den maßgeblichen Referenzpunkt der nachfolgenden Erörterungen. Allerdings sollen sich die Betrachtungen hierauf nicht beschränken. Aufschlussreich ist sowohl ein vergleichender Blick auf die Vorläuferregelungen des PECL als auch auf die in ihrer dritten Auflage aus dem Jahr 2010 datierenden Referenzvorschriften für ein internationales Abtretungsrecht der UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (PICC)20 sowie die United Nations Convention on Assignment of Receivables in International Trade (CARIT)21 und die UNIDROIT Convention on International Factoring 17 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011), 635 endg.; für einen Überblick vgl. etwa Staudenmayer, NJW 2011, 3491 ff.; ausf. Eidenmüller u.a., JZ 2012, 269 ff.; Mansel, WM 2012, 1253 ff., 1309 ff. 18 Zu diesem Aspekt vgl. etwa Basedow, FS Säcker, S. 29 ff.; Eidenmüller, CMLR 50 (2013), 69 ff.; Fleischer, RabelsZ 76 (2012), 235 ff.; Heiss, FS Roth, S. 237 ff.; Herresthal, EuZW 2011, 7 ff.; Reding, ZEuP 2011, 1 ff.; speziell zu einem optionalen Abtretungsrecht siehe unten § 25 V. 1. 19 Siehe aber noch unten § 25 III. 3. b) dd). 20 UNIDROIT, UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2010; abrufbar unter http://www.unidroit.org (zuletzt abgerufen am 6.10.2014); eine deutsche Fassung ist dokumentiert in ZEuP 2013, 165 ff.; dazu Vogenauer, ZEuP 2013, 7 ff.; zur Vorauflage aus 2004 siehe etwa Zimmermann, ZEuP 2005, 264 ff.; Bonell, Uniform L. Rev. 9 (2004), 5 ff.; Brödermann, RIW 2004, 721 ff.; insgesamt zur Bedeutung der UNIDROIT-Prinzipien siehe Michaels, RabelsZ 73 (2009), 866 ff. 21 Text ist abrufbar unter http://www.uncitral.org (zuletzt abgerufen am 6.10.2014); dazu etwa Rudolf, Einheitsrecht, passim; Bazinas, ZEuP 2002, 782 ff.; Sigman/Garcimartín/Heredia Cervantes, ZEuP 2006, 236 ff.; Horn, FS Wiegand, S. 373 ff.; Kieninger, FS 600 Jahre Würzburg, S. 297 ff.
II. Strukturprinzipien des Zessionsrechts des DCFR
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(CIF)22. Die UN-Abtretungskonvention ist zwar bisher nicht in Kraft getreten; als Referenzpunkt kommt sie aber gleichwohl in Betracht23.
II. Strukturprinzipien des Zessionsrechts des DCFR In seinen Grundstrukturen weist das Abtretungsrecht des DCFR maßgebliche Parallelen zum deutschen Zessionsrecht auf. So lassen sich die systemtragenden Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes (1.) ebenso nachweisen wie die Geltung des Einigungs- (2.) und Trennungsprinzips (3.) sowie des Prinzips der Sukzessionsbefugnis (4.) und der Formfreiheit (5.).
1. Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz Das Abtretungsrecht des DCFR ist beherrscht von der übergreifenden strukturellen Dichotomie des Sukzessionsrechts: Es gelten die komplementären Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes. In der Begründung stellen die Entwurfsverfasser unmissverständlich klar, dass die zur Forderungszession entworfenen Vorschriften vor allem zwei Regelungsziele verfolgen: Zum einen sollen sie die Abtretung von Vermögensrechten in Form von Individual- und Globalzessionen fördern. Zum anderen sind die Regeln darauf ausgerichtet, die Interessen des Forderungsschuldners angemessen zu sichern24. Die Terminologie deutet darauf hin, dass der DCFR sowohl das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs in Form einer freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit) als auch das Prinzip des abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzes (Sukzessionsschutz) zu verwirklichen sucht. Dass die Entwurfsverfasser die damit selbstgesteckten Ziele in weitgehend überzeugender Art und Weise erreicht haben, wird sich im Laufe der nachfolgenden Untersuchung zeigen.
2. Einigungsprinzip Die zentrale Definitionsnorm des Art. III.-5:102 DCFR unterscheidet ausdrücklich zwischen (1.) assignment und (2.) act of assignment. Dabei bezeichnet die Sentenz act of assignment die zwischen den Parteien geschlossene (verfü22
Text ist abrufbar unter http://www.unidroit.org (zuletzt abgerufen am 6.10.2014); deutsche Fassung: Gesetz zu dem UNIDROIT-Übereinkommen vom 28.5.1988 über das internationale Factoring vom 25.2.1998, BGBl. II, S. 172; dazu etwa Rudolf, Einheitsrecht (2006); Basedow, ZEuP 1997, 615 ff. 23 Zu diesem Aspekt auch Kieninger, ZEuP 2010, 724, 726 f. 24 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1013; ebenso schon die PECL, bei v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 659 f.
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§ 25 Die europäische Forderungszession
gende) Vereinbarung, die auf den unmittelbaren Übergang des Forderungsrechts vom Zedent auf den Zessionar gerichtet ist. Der Begriff assignment bezeichnet hingegen schlicht das Ergebnis einer wirksam zustande gekommenen Abtretungsvereinbarung, mit anderen Worten: den Forderungsübergang als solchen. Für diesen Übergang des Forderungsrechts (assignment) ist ein wirksamer verfügender Abtretungsvertrag (act of assignment) gem. Art. III.5:104(1)(e) DCFR notwendige Voraussetzung. Das Zessionsrecht des DCFR ist demnach – ebenso wie nach deutschem Recht25 – beherrscht vom Einigungsprinzip.
3. Trennungs- und Kausalprinzip Während sich die PECL noch einem ausdrücklichen Votum für oder gegen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip enthielten26, folgt das Abtretungsrecht des DCFR dem Trennungsprinzip, gestaltet den Forderungsübergang aber im Gegensatz zum deutschen Recht kausal aus27. Die vormalige Zurückhaltung der Lando-Kommission beruhte vor allem auf der Überlegung, dass eine Entscheidung für das Kausal- bzw. Abstraktionsprinzip im Kontext des Mobiliarerwerbs zu fällen sei28. Nachdem sich Art. VIII.-2:202 DCFR für die Sachübereignung nun ausdrücklich für das Kausalprinzip entschieden hat, lag es nahe, auch die Forderungszession kausal auszugestalten. a) Trennungsprinzip Nach den zugehörigen Kommentaren ist der verfügende Abtretungsvertrag (act of assignment) – in Überstimmung mit dem deutschen Recht29 – von dem der Abtretung selbst zugrundeliegenden schuldrechtlichen Kausalgeschäft zu unterscheiden30. Es gilt folglich das Trennungsprinzip31. Ausweislich Art. III.5:104(3) DCFR können die beiden Rechtsgeschäfte in der Praxis aber ohne weiteres zusammenfallen. Nach Auffassung der Entwurfsverfasser ist es Interpretationsfrage, ob eine Vereinbarung als verfügendes Sukzessionsgeschäft (act of assignment) oder als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft (underlying contract) anzusehen ist32. 25
Dazu oben § 6. Siehe dazu v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 664. 27 Missverständlich die Deutung bei Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 542: Die Anzeichen, die die Autoren für das Abstraktionsprinzip zu erkennen meinen, beziehen sich in der Sache auf das Trennungsprinzip, während die Geltung des Kausalprinzips in Art. III.-5:118(2), (3) DCFR klar zum Ausdruck gelangt; vgl. sogleich unten § 25 II. 3. b). 28 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1065. 29 Siehe oben § 7 I. 30 v. Bar/Clive, DCFR, S. 1014 f. 31 Ebenso Kieninger, ZEuP 2010, 724, 727 f. 32 v. Bar/Clive, DCFR, S. 1020. 26
II. Strukturprinzipien des Zessionsrechts des DCFR
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b) Kausalprinzip Keine Gefolgschaft findet auf europäischer Ebene hingegen das aus dem deutschen Recht33 bekannte Abstraktionsprinzip. Stattdessen sprechen die Entwurfsverfasser unter Hinweis auf Art. III.-5:104 DCFR deutlich aus, dass die Forderung nur dann auf den Zessionar übergeht, wenn auch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft uneingeschränkt wirksam ist34. Als Kernvorschrift verankert Art. III.-5:118(2), (3) DCFR das Kausalprinzip wie folgt: Ist der obligatorische Verpflichtungsvertrag unwirksam, findet ein Forderungsübergang nicht statt. Das gilt für die ursprüngliche Unwirksamkeit ebenso wie für die rückwirkende Vernichtung des Kausalgeschäfts durch Anfechtung. Eine ausdrückliche Begründung für die Entscheidung gegen das Abstraktionsprinzip bleiben die Materialien allerdings schuldig. Maßgeblich war offenbar zum einen die weite Verbreitung des Kausalprinzips in Europa; im Gegensatz dazu kennen nur eine Handvoll europäischer Rechtsordnungen die abstrakte Abtretung. Zum anderen dürfte auch die Entscheidung für das Kausalprinzip im Mobiliarsachenrecht gem. Art. VIII.-2:202 DCFR von Bedeutung gewesen sein. Auf die im sachenrechtlichen Kontext angeführten Argumente ist im Zusammenhang mit der europäischen Übereignung zurückzukommen35. Darüber hinaus werden hingegen keine Sachgründe vorgebracht, die sich speziell auf die Forderungszession beziehen. Das ist einerseits bedauerlich, weil sie einer konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Regelungsvorschlag im Wege stehen. Andererseits kann das Schweigen der Entwurfsverfasser auch nicht verwundern, sucht man Argumente, die speziell in Bezug auf die Forderungsabtretung für das Kausalprinzip streiten, doch ohnehin vergebens. Stattdessen sprechen gewichtige Sachgründe gerade bei Forderungszessionen für das Abstraktionsprinzip36: Auf Grundlage des Abstraktionsprinzips werden Erwerber- und Verkehrsinteressen bei der Abtretung besonders wirksam geschützt. Denn dem Schuldner ist es gegenüber dem Zessionar versagt, Einwendungen aus dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft herzuleiten. Das Abstraktionsprinzip gewährleistet dem Forderungserwerber folglich einen effektiven Schutz vor Wirksamkeitsmängeln aus vorausgegangenen Kausalverträgen, was vor allem im praktisch so bedeutsamen Fall der Kettenabtretung für eine gesteigerte Sicherheit und Leichtigkeit des Forderungsverkehrs sorgt. Unter Geltung des Kausalprinzips ist es dem Schuldner hingegen sehr wohl möglich, seine Leistung unter Hinweis auf Willensmängel des obligatorischen Verpflichtungsgeschäfts zu verweigern. Diese Beeinträchtigungen der Sukzessionsfreiheit wiegen umso schwerer, als das Abtretungsrecht des DCFR – ebenso wie das deutsche Recht
33 34 35 36
Dazu ausf. oben § 7 II. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1015; vgl. weiter dort S. 1020, 1065 ff. Dazu unten § 27 V. 2. Siehe oben § 7 II. 3. d).
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§ 25 Die europäische Forderungszession
(vgl. § 405 BGB)37 – für den Regelfall38 keinen redlichen Forderungserwerb zulässt. Während dieses strukturelle Verkehrsschutzdefizit in abstrakten Rechtsordnungen durch die Entkopplung der Wirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft kompensiert wird, schlagen unter Geltung des DCFR sämtliche Wirksamkeitsmängel vorausgegangener Verpflichtungsgeschäfte ungehindert auf die Rechtsposition des Zessionars durch und beeinträchtigen auf diese Weise das Prinzip der Sukzessionsfreiheit.
4. Prinzip der Sukzessionsbefugnis Im Einklang mit dem deutschen Sukzessionsrecht39 setzt eine wirksame Abtretung nach Maßgabe des Art. III.-5:104(1)(c) voraus, dass der Verfügende entweder Rechtsinhaber, d.h., Gläubiger des Forderungsrechts ist, oder zumindest die rechtliche Befugnis innehat, eine wirksame Verfügung über den Anspruch zu treffen. Gegen dieses hier so genannte Prinzip der Sukzessionsbefugnis ist weder aus rechtsdogmatischer noch aus rechtspolitischer Perspektive etwas zu erinnern.
5. Prinzip der Formfreiheit Die im Zusammenhang mit der Forderungsabtretung geschlossenen Verträge bedürfen in Ansehung von Art. II.-1:106 DCFR keiner besonderen Form. Daher können Forderungen beispielsweise auch stillschweigend abgetreten werden. Die Entwurfsverfasser verweisen in den Kommentaren darauf, dass Verträge und sonstige Rechtsakte zum Zwecke ihrer Wirksamkeit keiner besonderen Formalitäten bedürfen40. Das betrachten sie mit Recht als vorteilhaft, sind doch mit formalen Anforderungen vielfach Verzögerungen und zusätzliche Unwirksamkeitsrisiken verbunden. Eine rechtsvergleichende Umschau zeigt schließlich, dass die meisten europäischen Privatrechte – ebenso wie das deutsche Zivilrecht41 und der Entwurf für ein Europäisches Kaufrecht (Art. 6 CESL)42 – vom Grundsatz der Formfreiheit dominiert werden43. Dementsprechend ist es auch überzeugend, wenn für die Forderungszession keine besonderen Formerfordernisse postuliert werden.
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Dazu näher oben § 11 III. 6. Siehe aber für den Fall konkurrierender Abtretungen unten § 25 IV. 4. a). Siehe ausf. oben § 5. So v. Bar/Clive, DCFR, S. 149. Zum Ganzen siehe oben § 9. Dazu Looschelders, AcP 212 (2012), 581, 594. Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 151 f.
III. Grundlagen und Grenzen der Sukzessionsfreiheit
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III. Grundlagen und Grenzen der Sukzessionsfreiheit Das Abtretungsrecht des DCFR ist vom Prinzip der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten beherrscht. Nach Art. III.-5:105(1) DCFR sind sämtliche Forderungsrechte frei übertragbar, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (1.). Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit gilt auch für die Vorausabtretung und Globalzession (2.). Seiner Wertung entspricht es auch, dass rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen eine abredewidrige Forderungszession nicht verhindern (3.). Ausnahmen gelten nur für höchstpersönliche Forderungen (4.) und für unselbstständige, akzessorische Nebenrechte (5.).
1. Herleitung und Grundlagen Bekanntermaßen dient die freie Übertragbarkeit von Vermögensrechten dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs44 und basiert auf dem systemprägenden Prinzip der Privatautonomie, zu der sich – neben den PECL (Art. 1:102), PICC (Art. 1.1)45 und dem CESL (Art. 1(1) iVm. Erwägungsgrund 30)46 – auch der DCFR bekennt, wenn er den Parteien gem. Art. II.-1:102 das Recht einräumt, vorbehaltlich zwingender Vorschriften nach freiem Belieben über Abschluss und Inhalt von Verträgen zu entscheiden47. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit manifestiert sich im Abtretungsrecht des DCFR – ebenso wie nach deutschem Recht48 – in erster Linie in dem Umstand, dass sich die Zession ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne eine gegen den Schuldner gerichtete Anzeige vollzieht (Art. III.-5:104(4) DCFR). Der Schuldner muss also weder – präventiv – der Abtretung zustimmen noch von der Zession benachrichtigt werden. Berechtigte Schuldnerinteressen werden vielmehr – postventiv – durch den unveränderten Fortbestand der vertraglichen Rechtsposition geschützt. Die Begründung für den Verzicht auf die schuldnerseitige Zustimmung trägt durchaus eigenwillige Züge. Nach Auffassung der Entwurfsverfasser bedürfe es deshalb keiner Mitwirkung des Schuldners, weil weder der Zedent noch der Schuldner aus ihren ursprünglichen Verpflichtungen entlassen würden49. Diese Begründung geht an der Sache vorbei, erwähnt sie doch mit keiner Silbe das Interesse des Schuldners, nicht gegen seinen Willen mit einer anderen Vertragspar44
Zu diesem Zusammenhang siehe oben § 4 I. 4. Zu diesen beiden Gewährleistungen im Vergleich zum DCFR siehe Alpa, in: Somma, Politics, S. 71, 79 f. 46 Speziell zur Vertragsfreiheit gem. Art. 1 CESL und ihren Einschränkungen vgl. Looschelders, AcP 212 (2012), 581, 589 ff. 47 Dazu im Detail Alpa, in: Somma, Politics, S. 71, 77 ff. 48 Dazu ausf. oben § 4 II. 4. c). 49 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1011; ebenso schon der Kommentar zum PECL, bei v. Bar/ Zimmermann, Grundregeln, S. 660. 45
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§ 25 Die europäische Forderungszession
tei konfrontiert zu werden50. Überzeugend ist hingegen, wenn die Kommentare hinsichtlich des Verzichts auf ein Anzeigeerfordernis darauf hinweisen, dass Sicherungs- und Globalzessionen, gerade wenn künftige Forderungen übertragen werden sollen, durch Anzeigeerfordernisse wesentlich erschwert würden51. Tatsächlich ist der Forderungsschuldner gerade im Fall der Vorausabtretung häufig noch unbekannt; er kann daher im Zeitpunkt der Abtretung nicht benachrichtigt werden, so dass die Forderungsübertragung hieran scheitern müsste. Einmal dient der Verzicht auf die Schuldneranzeige der Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten und liegt zudem im Trend der modernen Finanzierungspraxis, die in der jüngeren Vergangenheit zum non-notification financing übergangen ist52. Davon abgesehen bezweifeln die Materialien überhaupt die Sinnhaftigkeit von Anzeigeerfordernissen53: Zwar möge es geeignet sein, eine Rückdatierung der Forderungsabtretung mit dem Ziel der Gläubigerbenachteiligung zu verhindern. Allerdings sei der genaue Abtretungszeitpunkt nur selten umstritten und könne auch aus anderen Umständen ermittelt werden. In rechtssystematischer Hinsicht kommt in dem Verzicht auf die Mitwirkung des Forderungsschuldners das Bestreben des DCFR nach einer möglichst weitgehenden Verwirklichung des privatrechtlichen Freiheitsgedankens zum Ausdruck. Diesen Freiheitsgedanken zählen die federführenden Verfasser des DCFR zu den übergeordneten Prinzipien der Modellregeln für ein Europäisches Privatrecht54: Da die Gewährleistung von Privatautonomie typischerweise zu vorzugswürdigen Ergebnissen führe, sei der Freiheitsgedanke soweit wie möglich zu gewährleisten und nur bei Vorliegen gewichtiger Sachgründe zu beschränken. Übertragen auf die Forderungsabtretung bedeutet dies, dass Abtretungsbeschränkungen stets eines rechtfertigenden Grundes bedürfen. Dementsprechend ist es ein zentrales Anliegen des DCFR, Vorschriften zur Verfügung zu stellen, auf deren Grundlage Vermögensrechte und Wirtschaftsgüter effizient und flexibel übertragen werden können. In diesem Sinne dient die Gewährleistung rechtsgeschäftlicher Sukzessionsfreiheit noch einem weiteren Grundprinzip der europäischen Modellregeln, und zwar dem allgemeinen Gedanken der rechtlichen Effizienz55. Weil nach diesem Grundgedanken Formalitäten auf ein absolutes Minimum beschränkt werden sollen, ist es auch nur konsequent, dass das Zessionsrecht des DCFR auf belastende Wirksamkeitsvoraussetzungen, namentlich Anzeige- und Formerfordernisse, sowie zusätzliche Übertragungsbeschränkungen, etwa für Vor50
Zum Ganzen ausf. unten § 25 IV. Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 1021. 52 Der Entwurf bezieht sich in diesem Zusammenhang namentlich auf das receivables financing, das er näher umschreibt als „the provision of finance through the purchase of, or loans on the security of, rights of payment and other rights to performance“; siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1027. 53 Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 1020 f. 54 Siehe v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 38. 55 Dazu ausf. v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 59 ff. 51
III. Grundlagen und Grenzen der Sukzessionsfreiheit
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ausabtretung und Globalzession56, verzichtet. Zudem kann der Zedent im Interesse der Sukzessionsfreiheit und in Verwirklichung des Effizienzgedankens57 die Forderung trotz rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkung gem. Art. III.5:108 DCFR an den Zessionar übertragen58. Die berechtigten Schuldnerinteressen werden in diesem Zusammenhang durch besonders weitreichende Schuldnerschutzvorschriften hinreichend gewährleistet.
2. Vorausabtretung und Globalzession Dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit entspricht die ungehinderte Übertragbarkeit von zukünftigen Forderungen und Forderungsmehrheiten nach Maßgabe des Art. III.-5:106 DCFR. a) Bestimmtheit und Schutz von Veräußererinteressen Gerade die Zulassung der Vorausabtretung fällt den Entwurfsverfassern indes alles andere als leicht, bestehen in etlichen Rechtsordnung doch Vorbehalte gegen die Abtretung künftiger Forderungsrechte59: So begebe sich der Zedent durch die Übertragung noch nicht existierender Rechte wesentlicher Bestandteile seines zukünftigen Vermögens und gefährde damit womöglich seine Lebens- und Existenzgrundlage. Zudem komme eine Übertragung nur in Betracht, wenn die Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung auch hinreichend bestimmt seien. Und dennoch gelangen die Entwurfsverfasser unter Hinweis auf die in der Praxis bestehenden überragenden wirtschaftlichen Bedürfnisse nach einer Unternehmensfinanzierung durch Verkauf, Verpfändung oder Sicherheitsabtretung von Forderungen zur Zulassung der Vorauszession. Davon abgesehen sei es impraktikabel, wenn Ansprüche bereits im Zeitpunkt der Abtretung individuell bestimmt sein müssten. Tatsächlich haben diese Sachargumente die rechtlichen Bedenken gegen die Abtretung künftiger Ansprüche in der jüngeren Vergangenheit auch auf internationaler Ebene zunehmend in den Hintergrund treten lassen. Auch nach Art. 5 CIF und Art. 8(1) CARIT genügt es etwa, wenn zukünftige Forderungen entweder im Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder bei ihrer Entstehung bestimmbar sind. Darüber geht Art. III.-5:106 DCFR allerdings noch hinaus, soweit er genügen lässt, dass auch erst nach Entstehung der Forderung die Zuordnung zum konkreten Abtretungsgeschäft hergestellt werden kann60. Und in 56
Dazu sogleich unten § 25 III. 2. Speziell darauf verweisen v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 62. 58 Dazu unten § 25 III. 3. 59 Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 1027; ebenso schon v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 666. 60 Dazu auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 1027; ebenso bereits v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 666. 57
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§ 25 Die europäische Forderungszession
diesem Sinne lässt es auch die zutreffende h.M. im deutschen Recht genügen, wenn die zedierten Forderungen im Zeitpunkt ihrer Entstehung individualisierbar sind61. Aber nicht nur im Hinblick auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot erweist sich das Votum für die ungehinderte Übertragbarkeit künftiger Forderungen als überzeugend. Auch die Zulässigkeit der Vorausabtretung als solche unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere vermögen sich die individuellen Interessen des Zedenten nicht gegen das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Forderungsverkehrs durchzusetzen. Zwar ist das Interesse des Zedenten an einer gesicherten Lebens- und Existenzgrundlage anzuerkennen. Um dieses Interesse angemessen zu schützen, bedarf es indes keines Ausschlusses der Zedierbarkeit künftiger Forderungen. Vielmehr genügt eine graduelle Einschränkung nach Maßgabe der konkreten Lebensverhältnisse des Gläubigers, wie sie beispielsweise für das deutsche Recht in § 400 BGB unter Verweis auf die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO angeordnet ist62. Vergleichbare Vorschriften, die sich in zahlreichen nationalen Abtretungsrechten finden, bleiben ausweislich Art. III.-5:105(1) DCFR63 von den Vorschriften des Gemeinsamen Referenzrahmens unberührt. Ein vollständiger Abtretungsausschluss wäre hingegen mit den Wertungen der Sukzessionsfreiheit und dem hieraus folgenden Gebot des schonendsten Eingriffs nicht in Einklang zu bringen. b) Begriff der künftigen Forderung Unbeantwortet lässt der Wortlaut des Art. III.-5:106(1) DCFR die Frage, was unter einer künftigen Forderung (future right) zu verstehen ist64. Während die Vorläuferregelung des Art. 11:102(2) PECL noch ausdrücklich klarstellte, dass künftige Ansprüche sowohl aus bestehenden als auch aus künftigen Verträgen herrühren können, sucht man nach einer inhaltsgleichen Definition im DCFR vergebens. Dass die Entwurfsverfasser die Linie der PECL aber auch mit dem Gemeinsamen Referenzrahmen fortschreiben wollen, lässt sich aus den angeführten Beispielsfällen ableiten. Sie beschränken sich nämlich nicht auf künftige Forderungen aus bereits bestehenden Verträgen, sondern schließen auch Forderungen ein, die aus zukünftigen Verträgen herrühren. Auch in dieser Beziehung deckt sich die Modellregelung mit der im deutschen Recht vorherrschenden – großzügigen – Position65 und weist aus dem Ausland bekannte – restriktivere –
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Siehe oben § 8 II. 3. c) und § 8 II. 4. c). Zu diesem Aspekt siehe in materiellrechtlicher Hinsicht § 4 III. 2. b) sowie in kollisionsrechtlicher Hinsicht § 22 III. 2. c) bb). 63 Vgl. dazu noch v. Bar/Clive, DCFR, S. 1024. 64 Kritisch bereits Kieninger, ZEuP 2010, 724, 730 f. 65 Roth, in: MünchKommBGB, § 398 Rn. 79; Westermann, in: Erman, BGB, § 398 Rn. 11; vgl. noch BGH NJW 1965, 2197; 1991, 2897. 62
III. Grundlagen und Grenzen der Sukzessionsfreiheit
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Ansätze, die eine gesicherte Rechtsgrundlage für künftige Forderungen verlangen66, mit Recht zurück. c) Kritik der Regelungssystematik Wenn das Schrifttum außerdem die Regelungssystematik des DCFR in Bezug auf künftige Forderungen bemängelt67, ist diese Kritik zumindest überzogen. Zwar ist es richtig, dass die Übertragbarkeit künftiger Forderungen aus Art. 11:101(1) PECL ganz zwanglos hervorgeht, während man bei unbefangener Lektüre des Art. III.-5:104(1)(a) DCFR durchaus auf den Gedanken verfallen kann, zukünftige Forderungen seien nicht zessibel. Das gilt jedoch nur auf den ersten Blick. Denn wenn man die Grundlagenvorschrift genau liest, wird leicht erkennbar, dass Art. III.-5:104 DCFR die Rechtsfolge des Forderungsübergangs (assignment) anordnet, nicht aber zugleich die Wirksamkeit des (verfügenden) Abtretungsvertrags (act of assignment). Dass die Forderung nur auf den Zessionar übergehen kann, wenn sie – was Art. III.-5:104(1)(a) DCFR voraussetzt – auch zur Entstehung gelangt ist, wird niemand bestreiten wollen. Diese Grundanforderung gilt demnach für sämtliche Forderungsübertragungen, gleichgültig, ob die Abtretung eines existierenden Anspruchs in Rede steht oder die Zession einer künftigen Forderung. Dementsprechend erweist es sich einerseits als unschädlich, den Spezialvorschriften des DCFR-Abtretungsrechts eine Grundlagenvorschrift voranzustellen. Andererseits ist es sinnvoll, den Sonderfall der Vorausabtretung in einer eigenständigen Rechtsvorschrift zu verankern und nicht mit den allgemeinen Voraussetzungen der Abtretung zu vermischen. Für den DCFR gilt in diesem Zusammenhang nichts anderes als für unser BGB: Beide Texte sind nicht für den juristischen Laien geschrieben, sondern für Spezialisten. Daran hat sich auch ihre Systematik zu orientieren, die mit Blick auf das Wechselspiel von Art. III.-5:104 und Art. III.-5:106 nicht zu beanstanden ist. d) Globalzession Darüber hinaus stellt Art. III.-5:106(2) DCFR – in Übereinstimmung mit Art. 8 CARIT, Art. 5 CIF und Art. 9.1.6 PICC – ausdrücklich klar, dass sich die Abtretung auch auf eine Mehrheit von Forderungen beziehen kann, bei der die einzelnen Forderungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht individuell bestimmt sein müssen68. Das ermöglicht namentlich die Abtretung großer Forderungsportfolios und andere Globalzessionen. Erforderlich ist nur, dass die erfassten Forderungen im Zeitpunkt des Forderungsübergangs identifiziert 66 So beispielsweise – mit unterschiedlichen Ausnahmen – das französische und italienische Recht; vgl. dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 1029; siehe ferner v. Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 667 f. 67 Kieninger, ZEuP 2010, 724, 730. 68 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1028.
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werden können. Das steht im Einklang mit der deutschen Rechtslage69 und entspricht im Übrigen den praktischen Bedürfnissen des modernen Wirtschaftsund Kreditsicherungsverkehrs auf nationaler und internationaler Ebene70.
3. Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen Die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen ist ein zentraler Prüfstein jedes Abtretungsrechts. Seine besondere Sprengkraft schöpft der Problemkreis aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip der freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit) und dem Prinzip eines effektiven Schuldnerschutzes (Sukzessionsschutz). Das Abtretungsrecht muss prinzipiell darüber entscheiden, ob es das Beharrungsinteresse des Schuldners an einer zwingenden Beibehaltung seines Gläubigers kraft privatautonomer Gestaltungsmacht anerkennen und im Wege eines absolut (oder auch nur relativ) wirkenden Abtretungsausschlusses präventiv schützen will, oder ob es sich selbst im Falle eines vereinbarten Abtretungsverbots im Grundsatz zur freien Übertragbarkeit von Vermögensrechten bekennt und berechtigte Schuldnerinteressen durch postventiv wirkende Schuldnerschutzbestimmungen schützt. Blickt man auf das deutsche Recht, findet sich der erste Lösungsansatz im bürgerlichen Recht (§ 399 Alt. 2 BGB)71, der zweite Ansatz im Handelsrecht (§ 354a HGB)72 verwirklicht. Darüber hinaus lassen sich diese beiden und noch weitere, differenzierende Lösungsmodelle im ausländischen Recht nachweisen73. Vor diesem Hintergrund sind die Regelungen zur Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungshindernisse im DCFR zu würdigen: a) Regelungen des DCFR im Überblick Die Modellregeln entscheiden sich in Übereinstimmung mit § 354a HGB für eine weitgehende Verwirklichung des Prinzips der Sukzessionsfreiheit. Nach Maßgabe des Art. III.-5:108(1) DCFR lassen rechtsgeschäftliche Abtretungs69
Siehe nochmals oben § 8 II. 3. c) und § 8 II. 4. c). Zudem bestimmt Art. III.-5:111 DCFR, dass die Verfügungsbefugnis des Zedenten im Zeitpunkt des Abtretungsvertragsschlusses nicht notwendig vorliegen muss, sondern erst zu dem Zeitpunkt, in dem der Rechtsübergang als solcher stattfindet. Diese Regel steht im Einklang mit dem sukzessionsrechtlichen Koinzidenzprinzip (siehe oben § 12), wonach eine Rechtsposition nur dann vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht, wenn sämtliche Voraussetzungen des Übertragungstatbestandes in einem einheitlichen Zeitpunkt vollständig erfüllt sind (vgl. noch Art. III.-5:114 DCFR). Art. III.-5:111 DCFR ist nur konsequent, wenn man – wie es der Entwurf tut – die Abtretung künftiger Forderungen für zulässig hält. Ob es hierfür tatsächlich einer besonderen Regelung bedarf, mag man indes bezweifeln. 71 Siehe oben § 4 III. 4. b). 72 Siehe oben § 4 III. 4. c). 73 Siehe die rechtsvergleichende Umschau bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1036 ff.; vgl. weiter Armgardt, RabelsZ 73 (2009), 314, 324 ff. 70
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beschränkungen die freie Übertragbarkeit von Forderungsrechten unberührt. Dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit wird gegenüber dem schuldnerischen Beharrungsinteresse der Vorrang also auch dann eingeräumt, wenn sich Schuldner und Zedent zuvor auf einen Abtretungsausschluss verständigt hatten. Sanktioniert ist eine abredewidrige Zession in zweierlei Weise: Zum einen berührt die Wirksamkeit der abredewidrigen Abtretung nicht die zwischen Zedent und Schuldner bestehende schuldrechtliche Verknüpfung (Art. III.5:108(4) DCFR). Erleidet der Schuldner durch die pflichtwidrige Verfügung einen Schaden, macht sich der Zedent nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze des Leistungsstörungsrechts schadensersatzpflichtig. Zum anderen werden die berechtigten Interessen des Schuldners dadurch geschützt, dass er nach Maßgabe des Art. III.-5:108(2) DCFR die geschuldete Leistung mit befreiender Wirkung auch weiterhin an den Zedent erbringen und auch weiterhin mit einer eigenen Forderung gegenüber dem Zedent aufrechnen kann, als sei die Hauptforderung nicht auf den Zessionar übergegangen. Allerdings finden die benannten Schuldnerschutzvorschriften ausweislich Art. III.-5:108(3) DCFR keine Anwendung, – wenn der Schuldner in die Abtretung einwilligt, – wenn er beim Zessionar die Vorstellung hervorruft, dass eine etwaige Abtretungsbeschränkung nicht existiert, oder – wenn die abgetretene Forderung aus einem Warenlieferungs- oder Dienstleistungsvertrag herrührt. b) Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen Bereits die unbefangene Lektüre der in Art. III.-5:108 DCFR niedergelegten Grundsätze macht schnell deutlich, dass der Entwurf hier – den internationalen Strömungen folgend74 – eine progressive Linie verfolgt. Zur Begründung machen die zugehörigen Kommentare75 geltend, Forderungsrechte seien bedeutende Vermögensbestandteile und ihre Marktgängigkeit daher von enormer praktischer und ökonomischer Bedeutung. aa) Wirtschaftliche Bedeutung Dem ist im Hinblick auf die Entwicklungen in der modernen Wirtschaftspraxis und die Bedeutung des Prinzips der Sukzessionsfreiheit uneingeschränkt zu folgen. Die Übertragbarkeit von Forderungsrechten bilden heute sowohl im nati-
74 Instruktiver Überblick bei Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 72, der im Anschluss an Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 471 f. selbst ebenfalls dieser Position zuneigt; ebenso Horn, FS Wiegand, S. 373, 384. Zuvor bereits aus dem deutschen Schrifttum ebenso Kötz, Vertragsrecht I, S. 417; Mummenhoff, JZ 1979, 425 ff.; vgl. weiter Münch, Abtretungsverbote, S. 249 ff. 75 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1034.
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onalen76 als auch im internationalen77 Kontext einen wichtigen Faktor des Kredit- und Wirtschaftsverkehrs. Besonders plastisch wird die Bedeutung der Forderung als Vermögensgegenstand, wenn es um die modernen Mechanismen der Unternehmensfinanzierung geht78. So veräußern Unternehmen zum Zweck der Refinanzierung ihre Forderungen (Factoring)79 oder übertragen Vermögensrechte zur Sicherheit für gewährte Darlehen (Sicherungsabtretung)80. Die Details sind bereits im Grundlagenkapitel zur Forderungszession ausgebreitet worden81 und müssen an dieser Stelle nicht wiederholt werden. bb) Rechtssystematik und Rechtsökonomik Hinzu kommen die dogmatischen und ökonomischen Einwände, die in Auseinandersetzung mit § 399 Alt. 2 BGB entwickelt worden sind82: Den Ausgangspunkt bildet erneut der hohe Stellenwert, der dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit in rechtssystematischer und rechtsökonomischer Hinsicht zukommt. Denn die freie Übertragbarkeit von Forderungen und anderen Vermögensrechten steht nicht nur im individuellen Interesse des Gläubigers, sondern gleichermaßen im überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Deshalb bedürfen Einschränkungen der Sukzessionsfreiheit stets einer besonderen Rechtfertigung, und deshalb ist einem postventiv wirkenden Schuldnerschutz der grundsätzliche Vorrang gegenüber einem präventiven Übertragungsausschluss zu gewähren83. Das gilt für die Übertragung von Forderungen in besonderem Maße, da der Gläubigerwechsel für den Schuldner regelmäßig mit nur geringfügigen Unannehmlichkeiten verbunden ist, während die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger an einer Verwertung des vinkulierten Forderungsrechts zu Veräußerungs- und Sicherungszwecken mit Blick auf ihren Refinanzierungsbedarf von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Darüber hinaus kann sich der Zessionar auf Grundlage des Art. III.-5:108(1) DCFR darauf verlassen, dass der Zedent trotz rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkung das Forderungsrecht dennoch wirksam auf den Zessionar übertragen kann. Der Zessionar muss sich also nicht erst durch kostspielige Nachforschungsmaßnahmen Informationen über bestehende Abtretungsbeschränkungen verschaffen. Das wäre vor allem bei Geldforderungen, die im Wege von Voraus- oder Globalzession übertragen werden, – wenn überhaupt – nur mit großem zeitlichen und finanziellen Aufwand möglich. Eine ungehinderte Um76 77 78 79
Dazu ausf. oben § 4 II. 4. d). Siehe näher oben § 22 I. Siehe dazu bereits oben § 25 III. 2. a). Speziell zur Bedeutung des Factoring in diesem Zusammenhang Basedow, ZEuP 1997, 615,
633 f. 80
Vgl. auch Kieninger, ZEuP 2010, 724, 732. Zum Ganzen bereits ausf. oben § 4 III. 4. c) aa). 82 Siehe oben § 4 III. 4. b). 83 Zum abtretungsrechtlichen Schuldnerschutz in diesem Zusammenhang siehe sogleich unten § 25 III. 3. c). 81
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lauffähigkeit von Vermögensrechten senkt daher Transaktionskosten und leistet so einen Beitrag zur Allokation knapper Ressourcen sowie zur Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands. cc) Keine Beschränkung auf Geldforderungen Diese Überlegungen gelten dem Grunde nach für sämtliche Forderungsrechte. Der DCFR hat gut daran getan, die ungehinderte Übertragbarkeit nicht auf Geldforderungen zu beschränken84, so wie es in anderen Referenztexten bisher der Fall ist. Beispielsweise können nach Maßgabe des Art. 9.1.9 PICC nur auf Geldleistungen gerichtete Ansprüche ohne Einschränkungen übertragen werden, während die vereinbarungswidrige Abtretung anderer Forderungen von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig ist. Noch restriktiver formuliert Art. 11:301 PECL als Grundsatz die Wirksamkeit vertraglicher Abtretungsbeschränkungen; eine Ausnahme ist nur für die Abtretung von künftigen Geldforderungen vorgesehen85. Im Gegensatz dazu hat der DCFR sämtliche Forderungen für uneingeschränkt übertragbar erklärt, und zwar auch solche, die auf die Erbringung von nicht in Geld bestehenden Leistungen gerichtet sind86. Die berechtigten Interessen des Schuldners, eine Leistung nur an einen bestimmten Gläubiger erbringen zu müssen, ist nur geschützt, wenn es sich um eine höchstpersönliche Forderung handelt, deren Übertragbarkeit nach Maßgabe des Art. III.-5:109 DCFR ausgeschlossen ist87. Handelt es sich indes um keine höchstpersönliche Forderung, d.h., kann vom Schuldner vernünftigerweise verlangt werden, die geschuldete Leistungspflicht auch an eine andere Person als den ursprünglichen Gläubiger zu erbringen, sprechen Erwägungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs sowie das Prinzip der Sukzessionsfreiheit dafür, auch die Abtretung von nicht auf Geldleistung gerichteten Forderungen trotz rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkung als wirksam anzusehen. dd) Implikationen für das deutsche und europäische Recht Insgesamt sprechen demnach sowohl die praktischen Bedürfnisse des modernen Wirtschaftsverkehrs als auch rechtssystematische und ökonomische Grundwertungen des Sukzessionsrechts dafür, dass rechtsgeschäftliche Abtre-
84 Tendenziell abweichend Kieninger, ZEuP 2010, 724, 732, die ihre Ausführungen auf Geldforderungen beschränkt wissen will. Die Besonderheiten von Geldforderungen betonen weiterhin Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 471 und Rudolf, Einheitsrecht, S. 298; kritisch auch die Stellungnahme zum DCFR von Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 541 Fn. 105. 85 Siehe ferner Art. 9(3) CARIT, der schließlich noch eine sehr spezifische Beschränkung des Anwendungsbereichs der Unwirksamkeitsfolge enthält. 86 Bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1034 heißt es, die Beschränkung der Unwirksamkeitsnorm auf Geldforderungen räume dem Übertragbarkeitsgrundsatz nicht genügend Gewicht ein; er sei nicht auf (bestimmte) Geldforderungen beschränkt. 87 Dazu näher unten § 25 III. 4.
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tungsbeschränkungen – genauso wie von Art. III.-5:108 DCFR bestimmt – die Übertragbarkeit des betroffenen Forderungsrechts unberührt lassen. Um diesen vorzugswürdigen Rechtszustand auch im deutschen Privatrecht zu verankern, bedarf es keiner ausdrücklichen Anordnung. Völlig ausreichend ist die ersatzlose Streichung des § 399 Alt. 2 BGB. Daraufhin entfaltet § 137 BGB uneingeschränkte Wirkung für sämtliche veräußerlichen Rechte und damit auch für Forderungen und andere Vermögensrechte iSd. § 413 BGB. Allein § 354a HGB wäre entsprechend anzupassen. Auf europäischer Ebene kommt Art. 85(m) CESL zentrale Bedeutung zu. Danach ist die Unfairness einer vom Unternehmer gestellten AGB-Klausel zu vermuten, die es dem Unternehmer erlaubt, vertragliche Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag ohne die Zustimmung des Verbrauchers zu übertragen, es sei denn, es handelt sich um Rechtsgeschäfte innerhalb des Konzerns oder der Forderungsübergang ist Folge einer unternehmerischen Umstrukturierung. Auch wenn nach Erwägungsgrund 27 das Abtretungsrecht aus dem Regelungsgehalt des CESL ausdrücklich ausgenommen werden sollte, lässt das Klauselverbot e contrario keinen anderen Schluss zu, als dass Unternehmer auf Grundlage des optionalen Europäischen Kaufrechts an einer ungehinderten Übertragung kaufvertraglicher Rechte und Pflichten dem Grunde nach gehindert sein sollen88. Dass sich diese Abtretungsbeschränkung mit den vorstehenden Grundwertungen des europäischen Sukzessionsrechts in Widerspruch setzt, liegt auf der Hand. Der europäische Gesetzgeber ist daher gut beraten, Art. 85 (m) CESL im Sinne des im DCFR (Art. II.-9:410(1)(o) DCFR) bzw. der Klauselrichtlinie89 enthaltenen Klauselverbots abzuändern. c) Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz Die mit der freien Übertragbarkeit von Forderungsrechten verbundene Beeinträchtigung von Schuldnerinteressen ist auch in Ansehung des Prinzips der Sukzessionsfreiheit nur dann gerechtfertigt, wenn die Rechtsstellung des Schuldners durch die Forderungszession nicht verändert, insbesondere nicht verschlechtert wird. Im deutschen Recht wird der damit angesprochene Sukzessionsschutzgedanke durch das Identitätsprinzip90 und das Verschlechterungsverbot91 verwirklicht. Vergleichbare Grundsätze lassen sich auch in den Modellregeln des DCFR nachweisen. aa) Leistungs- und Aufrechnungsbefugnis im Verhältnis zum Zedent Das besondere Schuldnerschutzsystem des Art. III.-5:108(2) DCFR sieht vor, dass der Schuldner für den Fall einer abredewidrigen Abtretung zum einen wei88
Ebenso die Interpretation von Stadler, AcP 212 (2012), 473, 498. Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl.EG 1993, Nr. L 95/29, Anhang zu Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 lit. p). 90 Dazu ausf. oben § 13. 91 Dazu ausf. oben § 15 III. 89
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terhin mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten kann und zum anderen mit einer gegen den Zedent gerichteten Forderung aufrechnen kann, als ob die Forderung nicht übertragen worden wäre. Beide Befugnisse stehen dem Forderungsschuldner auch dann zu, wenn er von der Abtretung positive Kenntnis hat, sich also nicht in gutem Glauben an die fortbestehende Gläubigerstellung des Zedenten befindet. Die in den Kommentaren zu Art. III.-5:108 DCFR dokumentierte Diskussion über die berechtigten Interessen des Schuldners dreht sich zunächst um die Frage, ob es dem Schuldner zumutbar ist, sich bei Leistungserbringung mit einem anderen Gläubiger (Zessionar) auseinanderzusetzen, der womöglich auf die Belange des Schuldners nicht ebenso viel Rücksicht nimmt wie der Zedent92. Dieser Einwand vermag indes nicht durchzudringen93, und zwar aus doppeltem Grund: Zum einen muss der Schuldner faktische Verschlechterungen seiner Lage von Rechts wegen hinnehmen, denn er hat weder gegen den ursprünglichen Gläubiger noch gegen den Zessionar einen Rechtsanspruch auf nachsichtigen Umgang. Vor allem hätte sich der Schuldner auch gegen einen Sinneswandel des anfangs nachsichtigen Zedenten nicht zur Wehr setzen können94. Zum anderen weist das Rücksichtnahmeargument keinen spezifischen Bezug zum Problemkreis der rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkung auf. Wäre das Rücksichtnahmeinteresse des Schuldners tatsächlich schützenswert, hätte dies Einfluss auf die allgemeine Übertragbarkeit von Forderungsrechten. Lässt der Gesetzgeber das Rücksichtnahmeargument in diesem Zusammenhang indes nicht gelten, bleibt es auch in Fällen der rechtsgeschäftlich beschränkten Übertragbarkeit wirkungslos. Auch wenn das Interesse des Schuldners an einem möglichst nachgiebigen Umgang keine rechtliche Relevanz aufweist, ist der Schuldner doch gerade im Falle einer bestehenden Abtretungsbeschränkung in besonderem Maße schützenswert. Deshalb kann der Schuldner nach Maßgabe des Art. III.-5:108(2)(a) DCFR auch weiterhin an den Zedent leisten und wird hierdurch von seiner gegenüber dem Zessionar bestehenden Leistungspflicht befreit. Entgegen Art. III.-5:119 DCFR95 und § 407 Abs. 1 BGB96 ist es in diesem Zusammenhang ohne Belang, ob der Schuldner die Forderungsabtretung kannte. Weil der Schuldner selbst bei positiver Kenntnis der Abtretung an den Zedent leisten kann, braucht er sich keine Gedanken darüber zu machen, ob zwischenzeitlich eine Abtretung stattgefunden hat oder ob eine Abtretung womöglich an einem Wirksamkeitsmangel litt. Stets ist ihm nachgelassen, seine Leistung mit befreiender Wirkung an den Zedent zu erbringen. Auf diese Weise wird der Schuldner effektiv davor geschützt, doppelt an den Zedent und den Zessionar leisten zu 92 93 94 95 96
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1033. Ablehnen letztlich auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 1039. Zum Problem: v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 52. Dazu unten § 25 IV. 3. c). Dazu oben § 15 III. 3.
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müssen und mit seinem Regressanspruch gegen den Zedent auszufallen. Mit der Leistung an den Zedent erlischt die Forderung; der Zessionar kann vom Schuldner nicht verlangen, ein zweites Mal an ihn zu leisten97. Das hat den willkommenen Nebeneffekt, dass sich der Schuldner von vornherein auf keinen anderen Gläubiger einstellen muss, was im Ergebnis zudem die Leistungserfüllung, den Abrechnungsverkehr und die Buchhaltung des Schuldners vereinfacht98. Und schließlich trägt die fortbestehende Leistungsbefugnis auch keinen systemwidrigen Fremdkörper in das (europäische) Abtretungsrecht hinein. Denn namentlich das deutsche Recht kennt eine vergleichbare Regelung in § 354a Abs. 1 S. 2 HGB99. Danach kann der Schuldner ebenfalls trotz Kenntnis von der Abtretung mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. In rechtsdogmatischer Hinsicht wird man Art. III.-5:108(2)(a) DCFR dementsprechend wie § 354a Abs. 1 S. 2 HGB dahingehend zu interpretieren haben, dass dem Zedent kein Einziehungsrecht zusteht, sondern dass er zum Schutz berechtigter Schuldnerinteressen ausschließlich für den Empfang der geschuldeten Leistung zuständig ist (Empfangszuständigkeit)100. Dass diese Regelungsidee zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der an der Forderungszession Beteiligten beiträgt, ist oben101 bereits mit Blick auf § 354a Abs. 1 S. 2 HGB dargelegt worden: Wenn der Zedent dem Schuldner schon entgegen des vereinbarten Abtretungsverbots einen anderen Gegner aufdrängen kann, dann muss dieser besonders schwerwiegende Eingriff in die Freiheit der Kontrahentenwahl auch besonders wirksam kompensiert werden. Dies geschieht durch die Erlaubnis, auch dann noch an den Zedent mit befreiender Wirkung leisten zu dürfen, wenn der Schuldner bereits sichere Kenntnis von der Abtretung hat. Für ihn soll sich durch die Abtretung nicht das Geringste ändern (sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip), insbesondere soll sich seine Rechtsstellung nicht verschlechtern (sukzessionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Er soll die Leistungsbeziehung auch weiterhin ausschließlich mit dem Zedent abwickeln können. Denn aufgrund der Zessionsbeschränkung durfte der Schuldner davon ausgehen, sich nur mit demjenigen Vertragspartner auseinandersetzen zu müssen, den er sich im Rahmen eines privatautonomen Vertragsschlusses auch selbst ausgesucht hat. Wenn hiergegen im Schrifttum102 eingewandt wird, die fortbestehende Leistungsbefugnis beeinträchtige die Rechtsstellung des Zessionars und bedeute 97
Zu diesem Argument vgl. noch v. Bar/Clive, DCFR, S. 1033 f. Insgesamt zu den vielfältigen Interessen des Schuldners an der Beibehaltung seines Gläubigers Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 228 ff.; Wagner, Abtretungsverbote, S. 41 ff.; vgl. weiter Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 466. 99 Kritisch aber Münch, Abtretungsverbote, S. 105 ff., 243. 100 Wie hier K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 19; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 11; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 14; Horn, in: Heymann, HGB, § 354a Rn. 8; Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 19. 101 Siehe oben § 4 III. 4. c) aa). 102 Bydlinski, FS Kramer, S. 121, 127. 98
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daher eine reflexive Beschränkung der Zirkulationsfähigkeit von Forderungen, dann wird hiermit die Dichotomie von Sukzessionsfreiheit und Sukzessionsschutz grundlegend verkannt. Sukzessionsfreiheit – die ungehinderte Übertragbarkeit von Vermögensrechten – ist stets nur um den Preis eines hinreichenden Sukzessionsschutzes – des Schutzes der nicht am Sukzessionsgeschäft beteiligten Gegenpartei (Schuldner) – zu erlangen. Die beiden Grundprinzipien sind wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden. Erhöht man das Maß an Sukzessionsfreiheit bedarf es einer komplementären Steigerung des Sukzessionsschutzes. Das haben bereits die Betrachtungen zur umwandlungsrechtlichen Universalsukzession103 und die Überlegungen zur privativen Schuldübernahme de lege ferenda104 hinreichend deutlich werden lassen. Ohne einen gesteigerten Sukzessionsschutz ist demnach eine gesteigerte Sukzessionsfreiheit, die sich über eine zwischen Schuldner und Zedent geschlossene Abtretungsbeschränkung hinwegzusetzen vermag, nicht zu haben. Deshalb ist es aus rechtssystematischer Perspektive letztlich unvermeidbar, es dem Schuldner selbst nach Kenntniserlangung von der Abtretung zu gestatten, das Rechtsverhältnis mit dem Zedent abzuwickeln. Dass Zessionare aufgrund der besonderen Sicherungsmechanismen womöglich von einem Forderungserwerb abgehalten werden, ist im Interesse eines effektiven Schuldnerschutzes hinzunehmen. Schließlich steht es den Vertragsparteien zum einen frei, den Schuldner unter Zahlung einer entsprechenden Gegenleistung zum Verzicht auf den besonderen Sukzessionsschutz zu bewegen (vgl. Art. III.-5:108(3)(a) DCFR)105. Zum anderen bleibt es den Parteien unbenommen, die sich aus der fortbestehenden Leistungsbefugnis ergebenden Schwierigkeiten durch Anpassung des Kaufpreises und (oder) Vereinbarung schuldrechtlicher Garantien zu kompensieren. Aus denselben Gründen ist auch der weitere im Schrifttum106 vorgebrachte Einwand zurückzuweisen, die Leistungsbefugnis des Schuldners belaste den Zessionar (in unzumutbarer Weise) mit dem Insolvenzrisiko des Zedenten. Zwar ist es zutreffend, dass dem Zessionar, der die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedent hinnehmen muss, nach Maßgabe des Art. VII.-4:103 DCFR107 – in Parallele zum deutschen Handelsrecht108 – ein bereicherungsrechtlicher Regressanspruch gegen den Zedent zusteht. Und tatsächlich hat der Zessionar in diesem Zusammenhang auch das Insolvenzrisiko des Zeden103
Zum Ganzen oben § 17 III. Siehe oben § 18 IV. 105 Dazu näher unten § 25 III. 3. c) bb). 106 Kieninger, ZEuP 2010, 724, 734 ff.; im Ergebnis ebenfalls gegen die Gewährleistung besonderer Schuldnerschutzregeln Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 472; Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 541 Fn. 105. 107 Siehe dazu die Erläuterung bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4071. 108 Zu § 354a Abs. 1 S. 2 HGB vgl. K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 19; Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 17; E. Wagner, in: Ebenroth, HGB, § 354a Rn. 12; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 18. 104
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ten zu tragen. Dass der Zessionar das Insolvenzrisiko des Zedenten zu tragen hat, ist ihm allerdings keineswegs unzumutbar109. Vielmehr erscheint die von Art. III.-5:108(2) DCFR angeordnete Risikoverteilung zwischen den an der Forderungsabtretung Beteiligten insgesamt angemessen. Aufgrund seiner besonderen Schutzwürdigkeit muss der Schuldner von jedweden Nachteilen freigehalten werden. Ihn darf insbesondere nicht das Insolvenzrisiko des Zedenten belasten. Im Gegensatz dazu ist es im Hinblick auf das Prinzip der Relativität des Schuldverhältnisses nicht zu beanstanden, den Zessionar das Insolvenzrisiko des Zedenten tragen zu lassen, den er sich zum Zwecke des Forderungserwerbs nun einmal als Vertragspartner ausgesucht hat. Hinzu kommt, dass sich das Problem des Insolvenzrisikos nicht allein im Bereich des Sonderschuldnerschutzes bei rechtsgeschäftlichen Abtretungsbeschränkungen stellt. Vielmehr wird der Zessionar auch im Übrigen mit dem Ausfallrisiko des Zedenten belastet, wenn der Schuldner nach Maßgabe des Art. III.5:119(1) DCFR in Unkenntnis von der Abtretung mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten kann110. Zwar hat es der Zessionar dort – anders als bei Art. III.-5:108(2)(a) DCFR – selbst in der Hand, durch Anzeige der Abtretung gegenüber dem Schuldner die Anwendbarkeit der Schutzbestimmung auszuschließen. Dies vermag indes nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der Schuldner aufgrund der Abredewidrigkeit der zwischen Zedent und Zessionar vereinbarten Abtretung ein tendenziell höheres Maß an Sukzessionsschutz verlangen kann. Wenn schon die Kontrahentenwahlfreiheit des Schuldners durch die im Außenverhältnis wirksame Forderungszession beeinträchtigt werden kann, dann muss er zumindest im Innenverhältnis die Befugnis erhalten, mit befreiender Wirkung an den Zedent, den er sich selbst ausgesucht hat, zu leisten und umgekehrt von einer Inanspruchnahme des Zessionars, der ihm durch die Abtretung als Vertragspartner letztlich aufgedrängt wird, verschont zu bleiben. Nimmt man diese Argumentation ernst, muss es dem Schuldner weiterhin möglich sein, mit eigenen Forderungen gegen den Zedent die Aufrechnung zu erklären, selbst wenn er bei Erwerb der Gegenforderung die Abtretung kannte. Eine solche Aufrechnungsbefugnis sieht Art. III.-5:108(2)(b) DCFR ausdrücklich vor und befindet sich dabei wiederum in Einklang mit der allgemeinen Meinung des deutschen Handelsrechts, die im Rahmen einer normzweckgeleiteten Interpretation des § 354a Abs. 1 S. 2 HGB dem Schuldner ebenfalls eine solche
109 In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass das Regressinteresse des Zessionars im Falle der Insolvenz des Zedenten insofern besonders geschützt ist, als Art. III.-5:122 DCFR dem Kondiktionsanspruch des Zessionars den Vorrang gegenüber allen anderen Leistungsansprüchen einräumt, soweit sich der vom Schuldner gezahlte Geldbetrag noch im Vermögen des Zedenten befindet und von dessen übrigen Vermögensgegenständen unterschieden werden kann. Dass der hiermit gewährleistete Schutz für den Zessionar ein durchaus begrenzter ist, räumen die Entwurfsgründe allerdings selbst ein; vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1077 f. 110 Zum Ganzen unten § 25 IV. 3. c).
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Aufrechnungsbefugnis zugesteht111. Der Schuldner kann auf dieser Grundlage mit Forderungen aufrechnen, ganz gleichgültig, ob er sie vor oder nach Kenntniserlangung von der Abtretung erworben hat und ob sie vor oder nach der Abtretung fällig werden112. Davon unberührt bleibt im Übrigen das Recht des Schuldners, eine Aufrechnung gem. Art. III.-5:116 DCFR gegenüber dem Zessionar zu erklären113, wenn er sich dafür entscheidet, die Leistungsverpflichtung mit jenem und nicht mit dem Zedent abzuwickeln, was ihm ausweislich Art. III.-5:108(2) DCFR freisteht. Abgesehen von den Leistungs- und Aufrechnungsbefugnissen gewährt Art. III.-5:108(4) DCFR dem Schuldner weiterhin einen Schadensersatzanspruch gegen den Zedent, der in vertragsbrüchiger Weise die Forderung an den Zessionar abgetreten hat114. Allerdings – so betonen die Gründe zum DCFR richtigerweise115 – wird sich der vom Schuldner zu gewärtigende Schaden in engen Grenzen halten, weil er aufgrund der besonders weitreichenden Schuldnerschutzbestimmungen des Art. III.-5:108(2) DCFR effektiv gegen den Gläubigerwechsel geschützt ist. Ferner entspricht es dem Interesse des Schuldners, dass Schuldnerschutzbestimmungen – in Parallele zum deutschen Recht116 – als Wahlbefugnisse ausgestaltet sind. Der Schuldner ist also nicht gezwungen, die Leistungsverpflichtung mit dem Zedent abzuwickeln. Er kann ebenso gut an den wahren Gläubiger (Zessionar) leisten und die bestehende Verbindlichkeit mittels Erfüllung zum Erlöschen bringen. Zu diesem Zweck muss er nicht zwingend dem zwischen Zedent und Zessionar geschlossenen Abtretungsvertrag zustimmen, wie es in Art. III.-5:108(3)(a) DCFR vorgesehen ist. In einer Leistung an den Zessionar wird man aber regelmäßig eine konkludente Zustimmung zum Abtretungsvertrag erblicken können.
111 Vgl. BGHZ 178, 315 Tz. 20; BGH NJW-RR 2004, 50, 51 f.; 2005, 624, 626; Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 12; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 2; Roth, in: Koller/ Roth/Morck, HGB, § 354a Rn. 3; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 20; v. Olshausen, ZIP 1995, 1950, 1954; E. Wagner, WM 2010, 202, 204; A. Bauer, § 354a HGB, S. 118 ff. 112 Zu § 354a Abs. 1 S. 2 HGB vgl. BGH NJW-RR 2005, 624, 626; Canaris, in: Staub, HGB, § 354a Rn. 13; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 354a Rn. 2; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 20; v. Olshausen, ZIP 1995, 1950, 1954; siehe auch Kieninger, ZEuP 2010, 724, 733. 113 Darauf verweisen auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 1034. 114 Die Systematik des Art. III.-5:108(1), (4) DCFR entspricht der Behandlung von Verfügungsbeschränkungen im deutschen Recht. Nach Maßgabe des § 137 S. 1 BGB entfalten Verfügungsbeschränkungen ebenfalls keine quasi-dingliche Wirkung. Der Rechtsinhaber wird in seiner Rechtsmacht, über den Gegenstand verfügen zu können, durch die privatautonome Vereinbarung nicht beeinträchtigt. Besteht indes eine schuldrechtliche Verpflichtung, die Verfügung über einen bestimmten Gegenstand zu unterlassen, ist die Vereinbarung gem. § 137 S. 2 BGB wirksam und kann gegen den abredewidrig Verfügenden in Form eines Ersatzverlangens durchgesetzt werden. 115 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1034. 116 Siehe oben § 15 III. 3. c), § 15 III. 4. und § 15 III. 5. a).
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§ 25 Die europäische Forderungszession
bb) Schuldnerische Zustimmung und treuwidriges Verhalten Die bisher besprochenen Mechanismen des abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzes bestehen im ausschließlichen Interesse des Schuldners. Ist der Schuldner indes im Einzelfall nicht schutzwürdig oder schutzbedürftig, kann auf die besonderen Schutzvorschriften verzichtet werden. Das ist gem. Art. III.5:108(3)(a) DCFR insbesondere der Fall, wenn sich der Schuldner mit der abredewidrig zwischen Zedent und Zessionar vereinbarten Abtretung einverstanden erklärt. Mit der Zustimmung des Schuldners, die jener regelmäßig nicht ohne angemessene Gegenleistung erklären wird, entfällt der Legitimationsgrund für die besonderen Schuldnerschutzvorschriften. Nicht länger wird dem Schuldner nämlich der neue Gläubiger „aufgedrängt“; stattdessen beruht der Gläubigerwechsel nach seiner Zustimmung auf seinem Willen. In diesem Punkt weicht der DCFR signifikant vom deutschen Handelsrecht ab, erklärt § 354a Abs. 1 S. 3 HGB doch nicht nur die Unbeschränkbarkeit der Forderungsabtretung gem. § 354a Abs. 1 S. 1 HGB für zwingendes Recht, sondern gleichermaßen den Schuldnerschutz vermittelnden § 354a Abs. 1 S. 2 HGB. Dem liegt offenbar die Annahme zugrunde, der Schuldner solle sich nicht bereits im Vorfeld der Abtretung – namentlich auf Druck des Gläubigers – einer Inanspruchnahme der gesetzlichen Schutzmechanismen begeben können117. Diese Beschränkung schießt indes über das zum Schutz berechtigter Schuldnerinteressen notwendige Maß hinaus118. Will der Zessionar nämlich sicherstellen, dass die Leistung vom Schuldner auch tatsächlich an ihn erbracht wird, dann müssen die Beteiligten auch im Verhandlungswege untereinander vereinbaren können, dass eine Leistung an den Zedent keine befreiende Wirkung haben soll. Dies ist wiederum eine Grundvoraussetzung dafür, dass die berechtigten Interessen des Zessionars – wie vom Schrifttum zum Teil kritisiert119 – aus Schuldnerschutzerwägungen heraus hintangestellt werden. Die Lösung des DCFR erweist sich im Vergleich zu § 354a Abs. 1 S. 2 und 3 HGB als deutlich überlegen und sollte daher – im Rahmen einer Gesamtrevision – auch im deutschen Abtretungsrecht implementiert werden. Zum anderen ist der Schuldner nicht schutzwürdig, wenn er den Zessionar glauben macht, es bestehe tatsächlich keine Abtretungsbeschränkung für die zu übertragende Forderung (Art. III.-5:108(3)(b) DCFR). Hier finden die Schuldnerschutzvorschriften eine Schranke im allgemeinen Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, wie es im Allgemeinen das Vertragsrecht des DCFR beherrscht: Nach Maßgabe des Art. III.-1:103(1) DCFR sind die Verkehrsteilneh117
Vgl. nur K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 2, 30. Kritisch auch Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 23. – Richtigerweise lässt die h.M. zumindest einen nachträglichen Verzicht des Schuldners zu; so BGHZ 178, 315 Tz. 26; Horn, in: Heymann, HGB, § 354a Rn. 12; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 23 a.E.; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 31; B. Schmidt, in: Ensthaler, HGB, § 354a Rn. 15; a.A. noch ThürOLG BeckRS 2008, 3672; E. Wagner, WM 2010, 202, 207; C. Wagner, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 354a Rn. 4. 119 Zum Problem siehe nochmals oben § 25 III. 3. c) aa). 118
III. Grundlagen und Grenzen der Sukzessionsfreiheit
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mer verpflichtet, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (good faith and fair dealing) zu handeln. Sie haben zu diesem Zweck nach Maßgabe des Art. I.-1:103(1) DCFR den Standards der Ehrlichkeit (honesty) und Offenheit (openness) zu genügen und außerdem die Interessen ihrer jeweiligen Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Gem. Art. I.-1:103(2) DCFR verstößt es namentlich gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn sich eine Partei zu ihren früheren Erklärungen oder zu früherem Verhalten in Widerspruch setzt und der andere Teil zu seinem Nachteil auf das frühere Verhalten der Partei vertraute. So liegt der Fall auch bei Art. III.-5:108(3)(b) DCFR: Spiegelt der Schuldner dem Zessionar nämlich vor, die Forderung unterliege keiner Abtretungsbeschränkung und hat der Zessionar keinen Grund an dieser Aussage zu zweifeln, muss sich der Schuldner nach allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben an der früheren Erklärung festhalten lassen und die besonderen Schuldnerschutzvorschriften greifen nicht ein. Rechtsfolge des treuwidrigen Handelns ist – wie es Art. III.-1:103(3) DCFR im Allgemeinen vorsieht – keine positive Sanktion, wie etwa ein Schadensersatzanspruch. Vielmehr ist der Schuldner in diesem Fall daran gehindert, sich auf die in seinem Interesse bestehenden Leistungs- und Aufrechnungsbefugnisse zu berufen. Darin liegt eine weitere bemerkenswerte Übereinstimmung zum deutschen Recht: Nach zutreffender Auffassung zieht das allgemeine Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nämlich auch der Berufung auf § 354a Abs. 1 S. 2 HGB eine teleologische Grenze120. cc) Unternehmerische Forderungen Damit aber nicht genug der Einschränkungen: Art. III.-5:108(3)(c) DCFR erklärt die einschlägigen Schuldnerschutzvorschriften außerdem für unanwendbar, wenn die zedierte Forderung aus einem Warenlieferungs- oder Dienstleistungsvertrag herrührt. Die Entwurfsbegründung rechtfertigt diese (Rück-)Ausnahme für unternehmerische Forderungen (trade receivables) in erster Linie mit dem Argument, sie entspreche dem vorherrschenden Trend in internationalen Konventionen (Art. 6(1) CIF; Art. 9 CARIT), muss aber im selben Atemzug und ein wenig kleinlaut einräumen, dass sich eine vergleichbare Bereichsausnahme in keinem einzigen europäischen Zessionsrecht findet121. In der Sache betonen die Kommentare das Interesse der Wirtschaftsakteure an der Nutzung von Handelsforderungen zur Unternehmensfinanzierung. Namentlich im Fall dauerhafter Factoringbeziehungen müsse sichergestellt werden, dass der Schuldner tatsächlich an den Zessionar zahle und die Leistungsverpflichtung nicht auch weiterhin mit dem Zedent abwickle. Dem Factoringunternehmen sei es schlicht unzumutbar, sich für eine große Vielzahl abgetretener Forderungen 120 Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 25; ders., in: Staub, HGB, § 354a Rn. 14; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, § 354a Rn. 18; Maultzsch, in: Oetker, HGB, § 354a Rn. 22; E. Wagner, in: Ebenroth, HGB, § 354a Rn. 15. 121 Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 1035 f.
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§ 25 Die europäische Forderungszession
jeweils Kenntnis über das Vorhandensein rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen zu verschaffen. Diese Argumentation verstößt gegen das Prinzip eines effektiven Sukzessionsschutzes und ist daher abzulehnen122. Noch einmal ist in diesem Zusammenhang an das komplementäre Verhältnis der Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes zu erinnern123. Wenn zwischen Zedent und Schuldner vereinbarte Abtretungsbeschränkungen schon die vom Zedent abredewidrig mit dem Zessionar vereinbarte Forderungszession nicht verhindern, so dass dem Schuldner entgegen der ursprünglichen Abrede und ohne seinen Willen ein neuer Gläubiger aufgedrängt wird, dann bedarf dieser Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit des Schuldners einer besonderen – über das reguläre Schuldnerschutzniveau hinausgehenden – Kompensation. Deshalb ist es auch uneingeschränkt zu begrüßen, dass Art. III.-5:108(2) DCFR dem Schuldner besonders weitreichende Leistungs- und Aufrechnungsbefugnisse nach einer abredewidrigen Verfügung des Zedenten zuweist und in diesem Sinne dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip und Verschlechterungsverbot entspricht. Sachgründe, die gerade für die praktisch so bedeutsamen Handelsforderungen eine Ausnahme von diesem hohen Sukzessionsschutzniveau rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder sind die Parteien des Abtretungsvertrages (Zedent, Zessionar) hier besonders schutzwürdig noch ist der Forderungsschuldner hier weniger schutzbedürftig. Hat sich der Schuldner mit dem Zedenten auf die Unabtretbarkeit der Forderung verständigt, muss er auch in dem Vertrauen darauf geschützt sein, die Leistungsbeziehung mit dem Zedent abwickeln zu können. Zudem sprechen die Interessen von Zedent und Zessionar nicht von vornherein gegen besondere Schuldnerschutzbestimmungen. Denn die Parteien können dem Schuldner seine Sonderrechte abkaufen124. Deshalb ist die Ausnahme für aus Warenlieferungs- oder Dienstleistungsverträgen stammende Forderungen abzulehnen und auch nicht ins deutsche Zessionsrecht zu übernehmen. dd) Sicherungsabtretung Bemerkenswert ist schließlich die Nichtanwendung des Sonderschuldnerschutzes im Fall der Sicherungszession (Art. IX.-2:301(2) DCFR)125. Zur Begründung heißt es lapidar, seine Anwendung würde dem Zweck des IX. Buches des DCFR zuwiderlaufen, soweit es sämtliche Hürden aus dem Weg räumen will, 122 Anders Kieninger, ZEuP 2010, 724, 735, die sich für eine Erweiterung der Ausnahmevorschrift mittels Einbeziehung von Forderungen aus Gebrauchsüberlassungs- und Lizenzverträgen starkmacht. 123 Siehe dazu schon oben § 25 III. 3. c) aa). 124 Siehe nochmals oben § 25 III. 3. c) bb). 125 Die Sicherungszession nach dem IX. Buch des DCFR ist ein Thema für sich, das im Rahmen dieser ohnehin schon breit angelegten Arbeit nicht eingehend behandelt werden kann, sondern einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben muss. Vgl. dazu ausf. Macdonald, ZEuP 2009, 745 ff.; knapper Kieninger, ZEuP 2010, 724, 740 ff.
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die einer effektiven Begründung von Sicherungsrechten entgegenstehen können126. Mit dieser Argumentation wird wiederum in unvertretbarer Weise gegen das Prinzip eines effektiven Sukzessionsschutzes, namentlich das sukzessionsrechtliche Verschlechterungsverbot verstoßen. Hier gelten einmal mehr die zur Bereichsausnahme für unternehmerische Forderungen in Stellung gebrachten Gegenargumente127. Und wiederum sind keine speziell die Sicherungsabtretung in Bezug nehmenden Argumente ersichtlich, die eine umfassende Abbedingung der Schuldnerschutzregeln rechtfertigen könnten. Vielmehr sprechen die eingangs entwickelten Grundsätze dafür, den Interessenausgleich zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner in sämtlichen Abtretungsfällen einheitlich vorzunehmen, und zwar dergestalt, dass die Übertragung weitestgehend ermöglicht wird, die Rechtsstellung des Schuldners hiervon indes weitestgehend unberührt bleibt.
4. Höchstpersönliche Forderungen Eine echte Abtretungsbeschränkung gilt für höchstpersönliche Forderungen. Nach Maßgabe des Art. III.-5:109 DCFR sind Forderungen – ebenso wie nach deutschem Recht (vgl. § 399 Alt. 1 BGB128) – nicht abtretbar, wenn vom Schuldner aufgrund der Natur der geschuldeten Leistung oder aufgrund der besonderen Beziehung zum Gläubiger vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, seine Leistungspflicht auch gegenüber einem anderen Gläubiger zu erfüllen. Als Beispiel nennt die Entwurfsbegründung129 den Fall, dass der Versicherte beabsichtigt, die Rechte aus einem Versicherungsvertrag an eine andere Person zu übertragen. Da diese Zession den Versicherer einem veränderten Ersatzrisiko aussetzen würde, sei eine gleichwohl vorgenommene Forderungszession „unfair“ und daher unzulässig. Gleiches gelte etwa für die Abtretung von Rechten aus Dienstleistungsverträgen. Der Dienstverpflichtete sei ausschließlich seinem Dienstherrn gegenüber verpflichtet, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Diese Beispiele sind nicht besonders gut gewählt. Zwar ist das Beispiel des Dienstleistungsvertrages durchaus überzeugend und findet eine Entsprechung auch im deutschen Recht (vgl. § 613 BGB). Das Versicherungsbeispiel bezieht sich hingegen nicht unmittelbar auf die Abtretung einer einzelnen Forderung, sondern eher auf eine Vertragsübernahme, für welche Art. III.-5:301 und Art. III.-5:302 DCFR Sondervorschriften vorsehen. Tatsächlich bestehen keine Bedenken, auch Ansprüche aus Versicherungsverträgen, etwa Geldleistungsansprüche nach Eintritt eines Versicherungsfalls, auf einen anderen Gläubiger zu 126 127 128 129
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 5453; zustimmend Kieninger, ZEuP 2010, 724, 736. Siehe nochmals oben § 25 III. 3. c) cc). Dazu oben § 4 III. 4. d). Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1039.
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übertragen. Das folgt für das deutsche Recht aus einem argumentum e contrario zu § 17 VVG130. Auch wenn das in der Begründung genannte Beispiel nicht zu überzeugen vermag, ist Art. III.-5:109 DCFR doch in der Sache nicht zu beanstanden. Höchstpersönliche Forderungen sind – im Interesse eines effektiven Schuldnerschutzes – nicht zessibel, weil der Schuldner infolge der Forderungszession mit einer überobligatorischen Leistungspflicht belastet würde, die sich in Widerspruch zum zessionsrechtlichen Identitätsprinzip und Verschlechterungsverbot setzte. Da der Abtretungsausschluss im alleinigen Interesse des Schuldners besteht, ist es nur konsequent, dass der Schuldner nach Maßgabe des Art. III.5:109(2) DCFR auf diesen Schutz verzichten und zur Abtretung seine Zustimmung erteilen kann.
5. Akzessorische Nebenrechte Nicht individuell abtretbar sind schließlich Vermögensrechte, die aufgrund besonderer Rechtsvorschriften oder Prinzipien in akzessorischer Weise mit selbstständigen (Haupt-)Rechten verbunden sind (Art. III.-5:105(2) DCFR). Das unselbstständige (akzessorische) Nebenrecht kann nur gemeinsam mit dem Hauptrecht übertragen werden. Eine Trennung durch Forderungsabtretung ist unzulässig. Mit dem Abtretungsausschluss für unselbstständige Rechte schafft Art. III.5:105(2) DCFR – in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht (vgl. § 399 Alt. 1 BGB131) – die rechtliche Grundlage für die Geltung des sukzessionsrechtlichen Akzessorietätsprinzips auf europäischer Ebene, von dem nachfolgend noch die Rede sein wird132. Dass sich die Kommentare133 zur Frage, in welchen Fällen solcherlei akzessorische Strukturen bestehen, ausschweigen, ist dabei mehr als verständlich, können sich normative Anknüpfungspunkte für die Geltung des Akzessorietätsprinzips doch aus ganz unterschiedlichen Gründen ergeben.
IV. Rechtsfolgen der Forderungszession Auf Rechtsfolgenseite der Forderungszession liegen den Modellregeln des DCFR weitgehend die aus dem deutschen Abtretungsrecht bekannten Struktur- und Wertungsprinzipien zugrunde. Die Referenzregeln werden einmal mehr dominiert vom sukzessionsrechtlichen Identitäts- (1.) und Akzessorie130 Vgl. Fausten, in: MünchKommVVG, § 17 Rn. 1; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, § 17 Rn. 2; Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, § 17 Rn. 1. 131 Speziell zu dieser Fallgruppe siehe oben § 4 III. 4. d) cc). 132 Dazu sogleich unten § 25 IV. 2. 133 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1024 f.
IV. Rechtsfolgen der Forderungszession
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tätsprinzip (2.) sowie dem Prinzip des abtretungsrechtlichen Sukzessionsschutzes (3.) Eine dem deutschen Recht in dieser Form unbekannte Prioritätsregel sieht der Entwurf für konkurrierende Forderungszessionen vor (4.).
1. Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip Sind die Voraussetzungen des abtretungsrechtlichen Grundtatbestands (vgl. Art. III.-5:104(1) DCFR) vollständig erfüllt (sukzessionsrechtliches Koinzidenzprinzip)134, geht die Forderung vom Zedent unter Wahrung ihrer Identität und Kontinuität auf den Zessionar über (sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip). Der Zessionar erwirbt das Recht so, wie es nach Inhalt und Umfang vor der Abtretung in der Person des Zedenten bestand. In diesem Sinne stellt Art. III.5:113 DCFR klar, dass die gläubigerseitige Berechtigung des Zedenten mit der Abtretung endet und der Zessionar neuer Gläubiger der Forderung wird. Insbesondere verliert der Zedent mit der Forderungsabtretung seine Berechtigung, ein zweites Mal zugunsten einer anderen Person über die Forderung zu verfügen135. Es gilt also auch nach dem Modelltext der Grundsatz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet. Durchbrochen wird dieses Prinzip nur für den Fall der konkurrierenden Mehrfachabtretung (vgl. Art. III.-5:121(1) DCFR)136. Davon abgesehen scheidet ein redlicher Forderungserwerb vom Nichtberechtigten auf europäischer Ebene – wie auch nach deutschem Recht (vgl. § 405 BGB)137 – dem Grunde nach aus. Zudem entspricht es dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip, dass die Rechtsstellung des Schuldners grundsätzlich unverändert fortbesteht. Insbesondere die Gegenrechte bleiben dem Schuldner erhalten (vgl. auch Art. III.-5:116(1) DCFR)138.
2. Sukzessionsrechtliches Akzessorietätsprinzip In untrennbarer Verbindung zum Identitätsprinzip steht das sukzessionsrechtliche Akzessorietätsprinzip, das auch auf Grundlage des DCFR Geltung beansprucht. Nach Maßgabe des Art. III.-5:115(1) DCFR gehen akzessorische Sicherungs- und Nebenrechte mit dem Hauptrecht vom Zedent auf den Zessionar über. Die Entwurfsverfasser meinen zu Recht, dass akzessorische Nebenrechte dem Zedent nicht verbleiben können, hat er doch nach Abtretung des hiermit verbundenen Hauptrechts für solche Nebenrechte keine Verwendung mehr139. Umgekehrt hat der Zessionar ein überragendes Interesse am Er134 135 136 137 138 139
Zum deutschen Recht siehe oben § 12. So ausdrücklich v. Bar/Clive, DCFR, S. 1049. Dazu ausf. unten § 25 IV. 4. a). Dazu ausf. oben § 11 III. 6. Dazu im Einzelnen unten § 25 IV. 3. a). Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1055 f.
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werb der Sicherungsrechte, weil sie der Durchsetzung der erworbenen Hauptforderung zu dienen bestimmt sind. Um die zwischen Haupt- und Nebenrecht bestehende Funktionsverknüpfung zu erhalten, müssen akzessorische Nebenrechte – wie es Art. III.-5:115(1) DCFR im Einklang mit dem deutschen Recht (§ 401 BGB)140 anordnet – ex lege mit Übertragung des Hauptrechts auf den Erwerber übergehen. Die Referenzregel geht allerdings insofern über das deutsche Abtretungsrecht hinaus, als sie auch den automatischen Übergang nichtakzessorischer Sicherungs- und Nebenrechte anordnet, auf deren Übertragung der Zessionar nach deutschem Recht regelmäßig nur einen schuldrechtlichen Anspruch hat. Zur Begründung verweisen die Entwurfsverfasser141 erneut auf die Interessenlage von Zedent und Zessionar. Es sei nämlich kein Grund ersichtlich, weshalb der Zedent ein Sicherungsrecht behalten solle, dessen Ausübung ihm einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffe. Diese Überlegung ist für sich zutreffend; allein vermag sie einen automatischen Übergang nichtakzessorischer Sicherungsrechte nicht zu rechtfertigen. Ist nämlich das rechtliche Schicksal des Nebenrechts funktional nicht so eng mit dem Hauptrecht verknüpft, dass es nur mit dem Sicherungsrecht übertragen werden kann, genügt anstelle eines automatischen Forderungsübergangs auch die Gewährung eines schuldrechtlichen Abtretungsanspruchs gegen den Zedent, so wie es die Lando-Prinzipien in Art. 11:204(c) PECL142 vorsehen und wie es auch der deutschen Rechtslage entspricht143. In der Sache weist diese rechtliche Konstruktion gegenüber einem automatischen Rechtsübergang den Vorteil auf, dass sie flexibler auf die Interessenlage der Beteiligten eingehen kann. So ist es keineswegs immer ausgemacht, dass die Sicherungsrechte jedenfalls auf den Zessionar übergehen sollen. Vielmehr können sich die Parteien des Abtretungsvertrages auch darauf verständigen, das Sicherungsrecht beim Zedent zu belassen144, der es beispielsweise für die Sicherung eines anderen, womöglich zukünftigen Anspruchs verwenden mag. Unter Geltung des Art. III.5:115(1) DCFR würde das Sicherungsrecht auch in diesem Fall automatisch auf den Zessionar übergehen und müsste danach wieder an den Zedent zurückübertragen werden. Dieses unnötige Hin und Her wird durch die Anspruchslösung vermieden.
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Siehe oben § 14 III. 1. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1056. 142 Danach sichert der bisherige Gläubiger dem neuen Gläubiger zu, ihm alle übertragbaren Rechte zu verschaffen, die zur Sicherung der Leistung bestimmt und nicht akzessorisch sind. Diese Regelung kann durch die Parteien abbedungen werden; vgl. v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 682. 143 Siehe oben § 14 III. 1. d). 144 Deshalb ist auch der Anspruch aus Art. 11:204(c) PECL abdingbar. 141
IV. Rechtsfolgen der Forderungszession
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3. Abtretungsrechtlicher Sukzessionsschutz Neben dem Identitäts- und Akzessorietätsprinzip wird die Rechtsfolge der Forderungszession nach DCFR vom Prinzip des Sukzessionsschutzes beherrscht. Der Sukzessionsschutzgedanke bildet das maßgebliche Gegenstück zur Gewährleistung der freien Übertragbarkeit von Forderungsrechten und schützt die Rechtsstellung von Personen, die an der Sukzession selbst nicht als Vertragspartner beteiligt und daher nicht durch das Einigungsprinzip geschützt sind145. In der Sache kompensieren die besonderen Vorschriften und Grundsätze des Sukzessionsschutzes den mit der Sukzessionsfreiheit verbundenen Eingriff in die Kontrahentenwahlfreiheit der Gegenpartei146. Zugleich entspricht der Schutz berechtigter Interessen am Vertragsschluss unbeteiligter Dritter den übergeordneten Prinzipien der Stabilität und Gerechtigkeit147. Das bedeutet für die Forderungsabtretung148: Weil dem Schuldner im Interesse einer ungehinderten Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten die Mitwirkung am Zessionsgeschäft versagt ist, sichern sukzessionsschützende Sondervorschriften sein Interesse an einem unveränderten Fortbestand seiner Rechtsstellung. Ebenso wie nach deutschem Recht ist der abtretungsrechtliche Sukzessions-, genauer: Schuldnerschutz durch postventiv wirkende Vorschriften und Grundsätze verwirklicht. Vor diesem Hintergrund erscheint auch das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip in einem anderen Licht. Es gewährleistet im Interesse effektiven Schuldnerschutzes, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners nicht verändert, insbesondere nicht verschlechtert (sukzessionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Deshalb bleiben dem Forderungsschuldner gegenüber dem Zessionar sämtliche Einwendungen erhalten, die im Abtretungszeitpunkt im Verhältnis zum Zedent begründet waren (a). Weiterhin besteht eine etwaige Aufrechnungslage auch nach Abtretung fort (b). Darüber hinaus schließt der Sukzessionsschutzgedanke solche Rechtsnachteile aus, die aus der Unkenntnis des Gläubigerwechsels herrühren. So wird der Forderungsschuldner vor dem Risiko geschützt, in Unkenntnis der Abtretung (c) respektive im Vertrauen auf die Gültigkeit einer tatsächlich nicht erfolgten bzw. unwirksamen Abtretung (d) an den falschen Forderungsadressaten zu leisten. a) Erhaltung von Einwendungen und Einreden Das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip sorgt für einen unveränderten Fortbestand des zedierten Forderungsrechts und erhält dem Forderungsschuldner in der Folge alle Einwendungen und Einreden, die ihm gegen den Zedent zustanden. Nach der Abtretung kann der Schuldner sämtliche materiellen und 145 146
Zum deutschen Recht siehe oben § 4 II. 2. Vgl. zu diesem Punkt auch v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR,
S. 39. 147 148
Zu Letzterem siehe v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 56. Zum deutschen Recht siehe oben § 15 III.
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prozessualen Verteidigungsmittel auch gegenüber dem Zessionar geltend machen (Art. III.-5:116(1) DCFR). Aus der Perspektive der Vertragsparteien betont die Entwurfsbegründung, der Zessionar könne durch die Abtretung keine bessere Rechtsstellung erwerben als sie der Zedent zuvor innehatte149. Vielmehr erwerbe der Zessionar die Forderung mit denjenigen Einwendungen, die der Schuldner zuvor gegen den Zedent geltend machen konnte, und zwar unabhängig davon, ob deren rechtliche Grundlage vor oder nach der Kenntniserlangung von der Abtretung gelegt worden sei. In diesem Sinne entspricht Art. III.5:116(1) DCFR dem deutschen Recht (vgl. § 404 BGB)150 und ist insofern nicht zu beanstanden. Anders als im deutschen Recht sieht Art. III.-5:116(2) DCFR allerdings zwei Ausnahmetatbestände vor. Danach kann der Forderungsschuldner keine Einwendung geltend machen, wenn er (a) den Zessionar zuvor glauben machte, die bezeichnete Einwendung bestünde nicht, oder wenn (b) die Einwendung aus der Verletzung eines Abtretungsverbots durch den Zedent herrührt. Die erste Ausnahme wegen treuwidrigen Verhaltens ist – in Parallele zu Art. III.-5:108(3)(b) DCFR151 – als besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu begreifen152, die an sich keiner besonderen Regelung bedurft hätte, deren Kodifikation aber im Ergebnis auch nicht schadet. Die zweite Ausnahme flankiert die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen. Danach kann der Schuldner nicht einwenden, der Zedent sei mittels einer abredewidrig erfolgten Forderungszession vertragsbrüchig geworden, weshalb er – der Schuldner – nun die Leistung gegenüber dem Zessionar verweigern könne153. Auch diese Ausnahme ist in der Sache nicht zu beanstanden, ergibt sich aber ebenfalls zwanglos aus dem prinzipiellen Regelungsanliegen des Art. III.-5:108 DCFR und war daher gleichermaßen entbehrlich. Nicht zielführend ist im Übrigen die an Art. III.-5:116(2)(b) DCFR geäußerte Kritik, die Ausnahme setze sich in Widerspruch zu dem nach Maßgabe des Art. III.-5:108(2) DCFR gewährleisteten Schuldnerschutzes154. Denn Art. III.-5:116(2)(b) DCFR bezieht sich offensichtlich nur auf solche Einwendungen, die aus der Abredewidrigkeit der Forderungszession als solche resultieren155. Im Ergebnis sind die Ausnahmetatbestände des Art. III.-5:116(2) DCFR daher in der Sache nicht zu beanstanden, im Ergebnis indes überflüssig. Im Falle einer legislatorischen Umsetzung kann hierauf also getrost verzichtet werden.
149 150 151 152 153 154 155
Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1057. Siehe oben § 15 III. 1. Siehe oben § 25 III. 3. c) bb). Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1058: „special application of good faith and fair dealing“. So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1058. So aber Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 541 Fn. 105. Letztlich ebenso Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 541 Fn. 105.
IV. Rechtsfolgen der Forderungszession
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b) Erhaltung der Aufrechnungslage Die Interessen des Schuldners werden weiterhin gem. Art. III.-5:116(3) DCFR dadurch geschützt, dass ihm gegenüber dem Zessionar das Recht vorbehalten bleibt, sich gegen das Leistungsbegehren durch Aufrechnung mit einer Forderung zur Wehr zu setzen, die ihm gegenüber dem Zedent zustand, vorausgesetzt, (a) sie bestand bereits in dem Zeitpunkt, als der Schuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten konnte, oder (b) sie steht in enger Verbindung zur zedierten Forderung. Diese Grundsätze stimmen im Wesentlichen mit der deutschen Rechtslage (vgl. § 406 BGB)156 und anderen Modellregeln (Art. 18(1) CARIT; Art. 11: 307(2)(b) PECL) überein. Eine Besonderheit besteht auf den ersten Blick darin, dass auch mit einer Gegenforderung aufgerechnet werden kann, die erst nach dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem der Schuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten konnte, vorausgesetzt, sie steht zur abgetretenen Hauptforderung in einer engen Verbindung. Zur Begründung heißt es in den Kommentaren schlicht, dass eine Aufrechnung in dieser Konstellation angemessen sei157. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch gegen den abweichenden Wortlaut des § 406 BGB durchgesetzt. Nach zutreffender h.M. kommt eine Aufrechnung ungeachtet der tatbestandlichen Beschränkungen des § 406 BGB auch dann in Betracht, wenn Haupt- und Gegenforderung aus demselben Rechtsverhältnis stammen, z.B. aus einem Gesellschafts-, Prozessrechts- oder bei Schadensersatzforderungen aus demselben Vertragsverhältnis158. Im Einzelfall ist danach zu fragen, ob zwischen den Forderungen ein hinreichender rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der eine Aufrechnung nach den Wertungen der §§ 404, 406 BGB trotz zwischenzeitlicher Kenntniserlangung und (oder) Fälligkeit als geboten erscheinen lässt. Dass damit der Boden des geltenden Rechts nicht verlassen wird, ergibt sich schon aus dem zentralen Regelungsanliegen des § 406 BGB, für einen billigen Ausgleich der Interessen von Schuldner und Gläubiger zu sorgen159. Stammen die Forderungen aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis, dann wäre ohne die Abtretung einer einzelnen Forderung die Aufrechnung zu einem späteren Zeitpunkt regelmäßig ohne weiteres möglich gewesen. Aufgrund der willentlichen Aufspaltung der Vertragsbeziehung durch den Zedent wird dem Schuldner eine erleichterte Befriedi156
Dazu ausf. oben § 15 III. 2. Ausdrücklich v. Bar/Clive, DCFR, S. 1059: “reasonable”; auch zum sachlich übereinstimmenden Art. 11:307(2)(a) PECL findet sich hierfür keine weiterführende Begründung; vgl. v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 697 f. 158 Vgl. BGHZ 56, 111, 114 f.; 63, 338, 342; Busche, in: Staudinger, BGB, § 406 Rn. 20; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 406 Rn. 8; Coester-Waltjen, Jura 2004, 391, 394; Denck, AcP 176 (1976), 518 ff.; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 268 m. Fn. 59; v. Olshausen, Gläubigerrecht, S. 40 ff.; Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 4 III 2 d; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/ Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 1; dagegen kritisch Kornblum, BB 1981, 1296, 1305 ff. 159 Siehe nochmals oben § 15 III. 2. a). 157
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gungsmöglichkeit genommen und seine Rechtsstellung nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich verschlechtert. Das ist mit dem – den §§ 404, 406 ff. BGB zugrunde liegenden – sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbot schwerlich vereinbar, so dass § 406 BGB im Wege teleologischer Korrektur erweiternd auszulegen ist. Folgt man dieser Auffassung auf Basis des geltenden Rechts, ist für die an der Abtretung Beteiligten eine angemessene Lösung gefunden, die insbesondere den Schuldner vor zessionsbedingten Folgeproblemen schützt. Da indes noch immer Unsicherheiten über die grundsätzliche Berechtigung und die konkrete Reichweite der Gesetzeskorrektur bestehen, sollte der Anwendungsbereich des § 406 BGB in Anlehnung an Art. III.-5:116(3) DCFR um die Aufrechnungsfähigkeit von Gegenforderungen, die zur zedierten Hauptforderung in enger Verbindung stehen, namentlich aus demselben Rechtsverhältnis stammen, erweitert werden160. c) Schuldnerschutz bei Unkenntnis der Abtretung Im Interesse einer leichten und sicheren Zirkulationsfähigkeit von Forderungsrechten verzichtet das Abtretungsrecht des DCFR darauf, den Forderungsübergang von einer Benachrichtigung des Schuldners abhängig zu machen. Für ihn besteht daher das Risiko, in Unkenntnis der Abtretung an den – nicht länger forderungszuständigen – Zedent zu leisten und sich zugleich dem Leistungsanspruch des Zessionars ausgesetzt zu sehen. Nach allgemeinen Grundsätzen hätte der Schuldner daraufhin das Insolvenzrisiko des Zedenten zu tragen, wenn jener mit dem Regressanspruch ausfiele. Dieses Ergebnis ist mit den Wertungen des sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbots indes nicht in Einklang zu bringen. Deshalb erlaubt Art. III.-5:119(1) DCFR dem Schuldner, mit befreiender Wirkung an den Zedent zu leisten, solange der Schuldner vom Zedent oder Zessionar noch keine Abtretungsanzeige erhalten und auch ansonsten keine Kenntnis davon hat, dass der Zedent nicht länger Gläubiger des Leistungsanspruchs ist. Mit Art. III.-5:119(1) statuiert der DCFR ein gemischt subjektiv-objektives Schuldnerschutzsystem161. Der Referenztext folgt insofern der Vorläuferregelung des Art. 11:303 PECL und befindet sich im Einklang mit der Mehrzahl der europäischen Rechtsordnungen162 und auch dem deutschen Recht (vgl. § 407 Abs. 1 BGB). Andererseits unterscheidet sich das Schuldnerschutzsystem des DCFR damit von den internationalen Regeln der Art. 17(1) CARIT und Art. 9.1.10(1) PICC, die auf das subjektive Element der schuldnerischen Kenntnis verzichten und den Sukzessionsschutz allein an die Abtretungsanzeige knüpfen (rein objektives Schuldnerschutzsystem). 160 Im Ergebnis ebenso – wenn auch mit Blick auf andere Modelltexte – Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 73; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 486. 161 Zur Terminologie vgl. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 75. 162 Siehe die Zusammenstellung bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1070.
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Die Entscheidung für das gemischt subjektiv-objektive Regelsystem ist im Schrifttum kritisiert worden163. Und tatsächlich mag es – zumal im internationalen Rechtsverkehr – nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiten, die schuldnerische Kenntnis als innere Tatsache in einem Prozess zu verifizieren. Das rein objektive Regelungssystem hat in diesem Sinne Argumente der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf seiner Seite. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schuldner nach Kenntniserlangung von der Forderungsabtretung im Grundsatz – anderes gilt bei Verstoß gegen eine rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkung164 – nicht länger schutzwürdig erscheint und der Zessionar durch die erweiterte Leistungsbefugnis des Schuldners in unangemessener Weise belastet wird165. Weiß der Schuldner von der Abtretung, kann er sich auf den Gläubigerwechsel einstellen und mit befreiender Wirkung an den Zessionar zahlen. Unsicherheiten über die Gläubigerstellung kann der Schuldner durch Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts gem. Art. III.-5:120(1), (4) DCFR leicht beseitigen. Solange ihm auf seinen Wunsch hin keine Abtretungsurkunde ausgehändigt worden ist, kann der Schuldner die Leistung verweigern. Nach erfolgter Abtretungsanzeige kann er sich auf die Wirksamkeit der Abtretung verlassen und nach Maßgabe des Art. III.-5:119(2) DCFR mit befreiender Wirkung an den Zessionar zahlen166. Könnte der Schuldner hingegen selbst nach Kenntniserlangung weiterhin mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten, führte dies zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Zessionars. Denn der Zessionar hätte das Insolvenzrisiko des Zedenten zu tragen, von dem er die empfangene Leistung herausverlangen müsste. Diese Risikoverteilung zulasten des Zessionars ist im Interesse eines effektiven Schuldnerschutzes zwar gerechtfertigt, wenn zwischen Schuldner und Zedent ein Abtretungsverbot vereinbart war oder der Schuldner von der Abtretung keine Kenntnis hatte, weil der Schuldner in beiden Fällen besonders schutzwürdig und schutzbedürftig ist. Sobald der Schuldner aber sichere Kenntnis von der Abtretung hat, ist es nicht länger überzeugend, dem Zessionar das Insolvenzrisiko des Zedenten aufzubürden. Das gilt umso mehr, als eine Leistungsbefugnis des bösgläubigen Schuldners sich mit den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des Gutglaubenserwerbs in Widerspruch setzte167. Die berechtigten Interessen von Schuldner und Zessionar werden daher auf Grundlage eines gemischt subjektiv-objektiven Regelungssystems zu einem allseits angemessenen Ausgleich gebracht.
163 Deshalb zum Ganzen kritisch Kieninger, ZEuP 2010, 724, 736 ff.; dort auch zur – inhaltlich ebenfalls abweichenden – Parallelregelung des Art. 11:303 PECL; vgl. weiter Bazinas, ZEuP 2002, 782, 793 zu Art. 17(1) CARIT. 164 Siehe oben § 25 III. 3. c). 165 Ablehnend auch Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 75; Eidenmüller, AcP 204 (2004), 457, 489 f. 166 Dazu sogleich unten § 25 IV. 3. d). 167 Zur Kritik mit Erwiderung vgl. Kieninger, FS 600 Jahre Würzburg, S. 297, 311 f.
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d) Schuldnerschutz bei angezeigter Abtretung Besondere Vertrauensschutzbestimmungen sieht Art. III.-5:119(2), (3) DCFR vor, wenn dem Schuldner die Abtretung angezeigt worden ist. Erfolgte die Abtretungsanzeige durch den Zedent, kann der Schuldner mit befreiender Wirkung an den Zessionar leisten, auch wenn dieser nicht Gläubiger der Forderung geworden ist, vorausgesetzt, der Schuldner befindet sich hinsichtlich der angezeigten Abtretung in gutem Glauben. Zudem darf sich der gutgläubige Schuldner auch auf eine Anzeige des vermeintlichen Zessionars verlassen, falls der wahre Gläubiger beim Schuldner die falsche Vorstellung erweckte, der Scheinzessionar sei Rechtsinhaber. aa) Abtretungsanzeige des Zedenten Der Schuldner wird in seinem Vertrauen auf die materielle Richtigkeit der Abtretungsanzeige des Zedenten geschützt, weil er erwarten darf, der Zedent werde ihm den richtigen Zessionar mitteilen, an welchen er mit befreiender Wirkung leisten könne. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der Zedent typischerweise kein Interesse daran hat, dem Schuldner eine andere Person als den wahren Zessionar mitzuteilen, weil er sich andernfalls gegenüber seinem Vertragspartner schadensersatzpflichtig machte. Deshalb wird das Vertrauen des Schuldners in die vom Zedent abgegebene Abtretungsanzeige – in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht (vgl. § 409 BGB)168 – dergestalt geschützt, dass der Schuldner nach Maßgabe des Art. III.-5:119(2) DCFR mit befreiender Wirkung an den (Schein-)Zessionar leisten kann. Ein Unterschied zur vorherrschenden Interpretation des § 409 BGB169 sowie zu den bisherigen Referenztexten (Art. 11:303 PECL und Art. 9.1.10(2) PICC) und der UN-Abtretungskonvention (Art. 17(2) CARIT) besteht allerdings darin, dass Art. III.-5:119(2) DCFR nur zum Zuge kommt, wenn sich der Schuldner hinsichtlich der Gläubigerstellung des angezeigten Zessionars in gutem Glauben befindet. Der Forderungsschuldner ist insbesondere dann nicht mehr gutgläubig, wenn er – so die Entwurfsbegründung170 – annehmen muss, die Abtretungsanzeige stamme nicht vom Zedent, sondern von einem Betrüger. Außerdem sei der Schuldner bösgläubig, wenn er wisse, dass die Abtretung an einem gesetzlichen Abtretungshindernis scheitere. Darüber hinaus wird der Begriff des guten Glaubens nicht näher bestimmt171. Legt man indes die allgemeine Definition zugrunde, die Redlichkeit als eine Geisteshaltung beschreibt, die sich durch Ehrlichkeit auszeichnet, und die Unkenntnis, dass eine vermeintliche Situation nicht der Wahrheit entspricht172, dann deutet dies – eingedenk der in den 168
Siehe oben § 15 III. 5. Siehe in diesem Zusammenhang oben § 15 III. 5. b). 170 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1068. 171 Kritisch zur mangelnden Bestimmtheit des Redlichkeitserfordernisses Kieninger, ZEuP 2010, 724, 737 f. 172 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 72. 169
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Kommentaren erwähnten Beispiele – letztlich darauf hin, dass nicht schon grobfahrlässige Unkenntnis, sondern erst positives Wissen der relevanten Tatsachen schadet. Diese Einschränkung des abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzes ist unter Bezugnahme auf die zu § 409 BGB vorgebrachten Argumente abzulehnen173: Die berechtigten Interessen des Forderungsschuldners werden nur dann hinreichend geschützt, wenn der Schuldner selbst bei positiver Kenntnis der unrichtigen Abtretungsanzeige mit befreiender Wirkung an den Scheinzessionar leisten kann, weil er sonst Gefahr läuft, sowohl an den Altgläubiger als auch (nochmals) an den Scheinzessionar leisten zu müssen. Insbesondere hilft dem Schuldner in diesem Kontext sein Zurückbehaltungsrecht gem. Art. III.-5:120 DCFR nicht weiter, weil er die Leistung nach einer vom Zedent abgegebenen Abtretungsanzeige nicht verweigern kann. Andernfalls würde dem Schuldner eine Nachforschungspflicht über die materiellrechtliche Wirksamkeit der Forderungsabtretung aufgebürdet, wodurch seine Rechtsstellung entgegen des Verschlechterungsverbots signifikant beeinträchtigt würde. Deshalb darf es auf die Kenntnis des Schuldners in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Zutreffend ist es indes, wenn die Begründung solche Fälle von der Anwendung des Art. III.-5:119(2) DCFR ausnimmt, in welchen die Abtretungsanzeige tatsächlich nicht vom Zedent stammt. Gleiches gilt, wenn er die Anzeige nicht willentlich an den Zessionar abgegeben hat. Da die Abtretungsanzeige – ebenso wie gem. § 409 BGB174 – als objektive Legitimationsgrundlage für den Schutz des Forderungsschuldners fungiert, vermag eine gefälschte oder eine dem Zedent mangels willentlicher Begebung nicht zurechenbare Abtretungsanzeige nach der Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger175 bzw. dem Zurechnungsprinzip176 die Schutzwirkungen des Art. III.-5:119(2) DCFR nicht auszulösen. Beide Ausnahmefälle berühren indes nicht das subjektive Element der schuldnerseitigen Kenntnis, sondern die objektive Legitimationsgrundlage der Abtretungsanzeige. Auch aus diesem Grund ist auf das subjektive Elemente zu verzichten und stattdessen eine objektive Korrektur des Regelungstextes angezeigt. bb) Abtretungsanzeige des Zessionars Wird die Abtretungsanzeige nun durch den Zessionar abgegeben, darf sich der Schuldner nicht ohne weiteres auf die Richtigkeit der Anzeige verlassen. Denn der Schuldner stand bisher zum Zessionar typischerweise in keiner spezifischen Beziehung, so dass die Anzeige des Zessionars auch kein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nehmen kann. Der Schuldner, der auf eine vom Zessionar übermittelte Abtretungsanzeige vertraut, vertraut auf bloßes Gerede und ist da173 174 175 176
Dazu oben § 15 III. 5. b). Siehe oben § 15 III. 5. b). Diese Lehre ist entwickelt bei Lieder, AcP 210 (2010), 857 ff. Dazu ausf. oben § 11 VII.
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her nicht schutzwürdig. In diesem Sinne betont auch die Entwurfsbegründung177, dass hier ein substanzielles Betrugsrisiko offen zutage liege. Jedermann sei in der Lage, an den Schuldner eine Abtretungsanzeige zu versenden und die Leistung an sich zu verlangen. Das reiche als Anknüpfungspunkt für ein berechtigtes Vertrauen im Geschäftsverkehr nicht aus. Deshalb verlangt Art. III.5:119(3) DCFR mit Recht eine zusätzliche Äußerung des wahren Gläubigers, aufgrund dessen der Schuldner vernünftigerweise davon ausgehen musste, dass der vermeintliche Zessionar neuer Gläubiger sei. Das Schrifttum hat diese Regelung kritisiert und den Entwurfsverfassern unterstellt, sie trauten dem Schuldner nicht zu, „an den Berechtigten leisten zu wollen und in Zweifelsfällen zum eigenen Schutz Beweis über die Abtretung zu verlangen“178. Das geht gründlich an der Sache vorbei. Denn der Schuldner erhält durch diese Vorschrift keinen alternativen Schutz zum Zurückbehaltungsrecht nach Art. III.-5:120(3) DCFR. Vielmehr tritt die in Art. III.-5:119(3) DCFR niedergelegte Vertrauensschutzbestimmung neben das Zurückbehaltungsrecht, welches von der Befugnis zur befreienden Leistung an den Zessionar unberührt bleibt. Ihre sachliche Berechtigung erfährt die Leistungsbefugnis aus der besonderen Interessenlage der Beteiligten. Die Besonderheit der vorliegenden Situation besteht nämlich darin, dass der wahre Berechtigte den Anschein für die Leistungszuständigkeit des Zessionars selbst gesetzt hat. Insofern beruhen die beiden in Art. III.-5:119(2) und (3) DCFR normierten Konstellationen auf dem gleichen Rechtsgedanken eines durch den wahren Gläubiger zurechenbar veranlassten Vertrauens. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Interessenlage der Beteiligten macht es dem Grunde nach keinen Unterschied, ob der wahre Gläubiger (Zedent) selbst die Abtretungsanzeige abgibt oder die Abgabe durch den Scheinzessionar erfolgt, wenn nur der wahre Gläubiger beim Schuldner in zurechenbarer Weise die Vorstellung hervorgerufen hat, es habe eine Abtretung an den Scheinzessionar stattgefunden. Hat der wahre Gläubiger beim Schuldner in zurechenbarer Weise die Vorstellung erweckt, der anzeigende Scheinzessionar sei neuer Forderungsgläubiger, muss er sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an dem so verursachten Rechtsschein festhalten lassen. Dementsprechend ist der in Art. III.-5:119(3) DCFR verankerte Vertrauensschutz nicht zu beanstanden.
4. Konkurrierende Forderungsabtretungen Auch für das Abtretungsrecht des DCFR gelten gem. Art. III.-5:113 der Nemoplus-iuris-Grundsatz und das Prioritätsprinzip179. Ist die Forderung mit der Abtretung auf den Zessionar übergegangen, fehlt dem – nun nicht mehr rechtszu177 178 179
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1069. Kieninger, ZEuP 2010, 724, 738. Zu Letzerem siehe oben § 5 I. 3.
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ständigen – Zedent die rechtliche Befugnis, die Forderung ein zweites Mal an eine weitere Person zu zedieren. Bei konkurrierenden Forderungszessionen geht die zeitlich frühere Abtretung der zeitlich nachfolgenden Abtretung grundsätzlich vor. Zu diesem Grundsatz statuiert Art. III.-5:121(1) DCFR im Anschluss an die Vorläuferregelung des Art. 11:401(1) PECL eine zentrale Ausnahme. Danach geht die Zweitabtretung der Erstabtretung vor, wenn dem Schuldner die Zweitabtretung zuerst angezeigt wurde und der Zweitzessionar im Erwerbszeitpunkt von der zuvor erfolgten Abtretung weder wusste noch hätte wissen können (a). Der Forderungsschuldner wird gem. Art. III.-5:121(2) DCFR dergestalt geschützt, dass er mit befreiender Wirkung an denjenigen leisten kann, der ihm die Abtretung zuerst angezeigt hat, selbst wenn der Schuldner von den konkurrierenden Abtretungen wusste (b). a) Prioritätsregel In rechtsdogmatischer Hinsicht handelt es sich bei der Prioritätsregel des Art. III.-5:121(1) DCFR um einen Fall des redlichen Forderungserwerbs durch den Zweitzessionar zulasten des Ersterwerbers. Nach Auffassung der Entwurfsverfasser gilt die Prioritätsregel allerdings nur im Verhältnis zwischen den Zessionaren180. Die Gläubiger des Zedenten können sich demnach nicht auf die Regeln berufen. Angenommen, zuerst überträgt der Zedent die Forderung auf den Erstzessionar, der den Schuldner hiervon nicht in Kenntnis setzt, zweitens vollstreckt ein Gläubiger des Zedenten in diese Forderung und drittens überträgt der Zedent dieselbe Forderung nochmals an den Zweitzessionar, der sogleich den Schuldner benachrichtigt, dann geht die Vollstreckung ins Leere, weil die Forderung zuvor bereits wirksam an den Erstzessionar abgetreten worden ist. Der Erstzessionar – nicht etwa der Zedent – war im Vollstreckungszeitpunkt Gläubiger der Forderung bis der Zweitzessionar dem Schuldner die an ihn erfolgte Forderungsabtretung anzeigte. Mit der Anzeige des redlichen Zweiterwerbers geht das Forderungsrecht mit Wirkung ex nunc auf diesen über. Es gelten die Grundsätze des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs. Hat beispielsweise ein Gläubiger des Erstzessionars an der Forderung vor der Abtretungsanzeige ein Sicherungsrecht erworben, erlischt das Recht mit Benachrichtigung des Schuldners181. Der Zweitzessionar erwirbt die Forderung frei von Lasten Dritter. 180
Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 1074 f. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1075 merken an, dass man es in diesem Zusammenhang für überflüssig hielt, die Worte “and any person deriving right from such an earlier assignee” hinter “earlier assignee” in Art. III.-5:121(1) DCFR einzufügen. Kritik an der restriktiven Regelungsstrategie des DCFR findet sich bei Kieninger, ZEuP 2010, 724, 739 f., die sich allerdings zu sehr auf Art. III.-5:113 DCFR konzentriert und den Kommentar zu Art. III.-5:121 DCFR offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat; vgl. weiter die ausdrückliche Regelung dieses Prioritätskonflikts in Art. 11:401(3), (4) PECL. 181
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Zur Begründung machen die Entwurfsverfasser geltend, wegen der strukturellen Parallelen von Abtretungsanzeige und Besitzverschaffung im Mobiliarsachenrecht könne die Anzeige zur Lösung des Prioritätskonflikts herangezogen werden182. In der Sache will man die Interessen des Zweitzessionars schützen. Er soll sich durch Nachfrage beim Schuldner versichern können, dass bisher noch kein anderer Zessionar den Forderungsübergang beim Schuldner angezeigt hat, bevor er die Gegenleistung aus dem der Abtretung zugrunde liegenden Verpflichtungsvertrag an den Zedent erbringt. Darüber hinaus mag es für die Wahl der Prioritätsregel auch eine Rolle gespielt haben, dass eine Mehrzahl der europäischen Zessionsrechte eine im Kern mit Art. III.-5:121(1) DCFR vergleichbare Regelung kennt183. Dieser rechtstatsächliche Befund und die von der Begründung vorgetragenen Sachargumente vermögen die Prioritätsregel im Ergebnis indes nicht zu tragen184. Denn ein Vorrang des anzeigenden Zweitzessionars gegenüber dem Erstzessionar ist mit Blick auf die Grundprinzipien des Gutglaubenserwerbs nicht zu rechtfertigen. Im Ausgangspunkt gilt es zunächst zu erkennen, dass die Prioritätsregel einen verkappten redlichen Forderungserwerb durch den Zweitzessionar anordnet. Weil dem Zedent die Forderung nach der Abtretung an den Erstzessionar nicht mehr zusteht, kann der Zweitzessionar das Vermögensrecht nur kraft guten Glaubens erwerben. Dies setzt indes eine taugliche Rechtsscheingrundlage voraus, an welche das besondere Vertrauen des Zweitzessionars für den Rechtserwerb anknüpfen kann. Daran fehlt es im Fall des redlichen Forderungserwerbs. Insbesondere kommt die Abtretungsanzeige nicht als Vertrauensgrundlage für den redlichen Erwerb des Zessionars in Betracht. Denn es ist der Zessionar selbst, der die Anzeige nach Art. III.-5:121(1) DCFR abgegeben haben muss. Ein redlicher Erwerb käme indes nur in Betracht, wenn sich die Abtretungsanzeige an ihn richten würde. Nur der Schuldner darf sich vernünftigerweise nach Maßgabe des Art. III.-5:121(2) DCFR auf die Richtigkeit der vom Zweitzessionar abgegebenen Anzeige verlassen185, nicht aber der Zessionar. Legte man näm182 Zum Ganzen v. Bar/Clive, DCFR, S. 1076; ebenso bereits die Begründung zu Art. 11:401 PECL; dazu v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 701; zustimmend Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 76. 183 Siehe die Übersicht bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1076 f. 184 Im Ergebnis ebenso Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 150; a.A. Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 76; kritisch zur Regelungssystematik des DCFR im Hinblick auf dessen allgemeine Grundnorm des Art. III.-5:104 aber Eidenmüller u.a., JZ 2008, 529, 542: „überflüssige Gesetzesdogmatik“; Kieninger, ZEuP 2010, 724, 731 f. 185 In den Kommentaren heißt es, der Schuldner dürfe sich in dieser Fallgestaltung nicht nur auf die Anzeige des Zedenten, sondern auch auf jene des Zessionars verlassen; vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1076. Das steht im Widerspruch zu der Wertung des Art. III.-5:119(2), (3) DCFR. Danach darf der Schuldner nur auf die vom Zedent stammende Anzeige vertrauen, während die Leistung auf eine vom Scheinzessionar ausgehende Anzeige den Schuldner nur dann befreit, wenn der Zedent einen Rechtsschein dafür geschaffen hat, dass es sich beim Anzeigenden auch tatsächlich um den wahren Zessionar handelt. Auch aus diesem Grund ist die vorliegende Regelung kritikwürdig.
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lich der Anzeige Rechtsscheinwirkungen auch zugunsten des Zessionars bei, könnte der Zweitzessionar seine eigene Vertrauensgrundlage erzeugen. Das ist mit den Grundprinzipien des Gutglaubenserwerbs von vornherein unvereinbar. Deshalb hilft in diesem Kontext auch das Argument nicht weiter, die Zulassung des redlichen Erwerbs führe zu einer konsequenten „Angleichung von Forderung und Eigentum als heute gleichermaßen bedeutende(…) Vermögensgegenstände(…)“186. Während für den redlichen Mobiliarerwerb mit der manifestierten Besitzverschaffungsmacht noch ein rechtlich relevanter Umstand vorliegt, an welchen das Vertrauen des Erwerber anknüpfen kann187, fehlt es im Falle konkurrierender Abtretungen gänzlich an einer brauchbaren Legitimationsgrundlage. Folglich kann auch die von der Entwurfsbegründung bemühte Parallele zum gutgläubigen Mobiliarerwerb nicht überzeugen. Mangelt es damit an einem tauglichen Rechtsscheinträger als der zentralen Grundvoraussetzung für die Zulassung des Gutglaubenserwerbs, ist es auch ohne Belang, ob der Zweitzessionar womöglich beim Schuldner nachfragt, ob ihm gegenüber die Abtretung bereits durch einen früheren Zessionar angezeigt worden ist. Denn ein „blindes“ Vertrauen auf die – vom Schuldner bestätigte – Abwesenheit vorausgegangener Abtretungsanzeigen des Zedenten oder des Erstzessionars ist nicht schutzwürdig188. Im Ergebnis muss es daher bei einer strengen Durchführung des Prinzips der zeitlichen Priorität189 bleiben. Art. III.-5:121(1) DCFR sollte weder ins deutsche Recht übernommen noch auf europäischer Ebene als Modellregel dienen. b) Schuldnerschutz Nicht den Schutz des redlichen Zweitzessionars, sondern einen wirksamen Schuldnerschutz hat Art. III.-5:121(2) DCFR im Blick. Danach darf der Schuldner im Fall konkurrierender Forderungszessionen mit befreiender Wirkung an denjenigen Zessionar leisten, der ihm die Abtretung zuerst angezeigt hat. Legt man die Prioritätsregel des Art. III.-5:121(1) DCFR zugrunde, bedarf es keiner besonderen Schutzvorschrift, soweit der Zweitzessionar infolge eines redlichen Forderungserwerbs neuer Gläubiger wird. Schließlich leistet der Schuldner in einem solchen Fall an den wahren Rechtsinhaber. Der Sondervorschrift bedarf es auf Grundlage des Entwurfs aber für den Fall, dass der Zweitzessionar bösgläubig war und daher das Forderungsrecht nicht erwerben konnte. Dann ist der Schuldner berechtigt, an den zuerst anzeigenden Zessionar zu leisten. Darin liegt auch der eigentliche Sinn der Vorschrift. Die Reichweite des Art. III.-5:121(2) DCFR ist durchaus bemerkenswert, schützt die Vorschrift doch entgegen Art. III.-5:119(3) DCFR auch das Ver186 187 188
So aber Hattenhauer, in: HKK, BGB, §§ 398–413 Rn. 75. Siehe oben § 11 III. 4. Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491; vgl. weiter Lieder, AcP 210 (2010), 857,
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Dazu oben § 5 I. 3.
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trauen auf eine vom Zessionar abgegebene Abtretungsanzeige. Das erscheint innerhalb des Schuldnerschutzsystems des DCFR wenig stimmig, weil sich der Schuldner nach Maßgabe des Art. III.-5:119(2), (3) DCFR grundsätzlich nur auf eine vom Zedent abgegebene Anzeige verlassen darf. Schwerer wiegt noch der Umstand, dass Art. III.-5:121(2) DCFR auch eingreift, wenn der Schuldner von den konkurrierenden Forderungsabtretungen positive Kenntnis hat. Damit setzt sich die Regelung in einen unauflöslichen Widerspruch zur Leistungsbefugnis des Art. III.-5:119(1) DCFR, dessen Schutzwirkungen nur dem redlichen Forderungsschuldner zugutekommen. Für den Regelfall ist diese Vorschrift überzeugend, weil sich der bösgläubige Schuldner darauf einstellen kann, dass er es nicht mit dem wahren Gläubiger zu tun hat; zudem kann er seine berechtigten Interessen durch Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gem. Art. III.-5:120 DCFR hinreichend wahren. Darin liegt zugleich auch der maßgebliche Unterschied zu der vom Zedent abgegebenen Abtretungsanzeige, auf die sich auch der bösgläubige Schuldner berufen darf. Denn hiergegen steht dem Schuldner kein Zurückbehaltungsrecht zu. Da sich der Schuldner aber nun auch im Falle konkurrierender Abtretungen mittels Zurückbehaltungsrecht gegen unberechtigte Leistungsaufforderungen zur Wehr setzen kann, erscheint es – in Parallele zum deutschen Recht (vgl. § 408 BGB)190 – vorzugswürdig, den Regelungsgehalt des Art. III.-5:121(2) DCFR auf den redlichen Schuldner zu begrenzen.
V. Zukunft des europäischen Abtretungsrechts Abschließend ist noch kurz nach der Zukunft des europäischen Abtretungsrechts zu fragen. Dabei sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, und zwar (1.) die Schaffung eines optionalen Abtretungsrechts neben den nationalen Zessionsrechten, (2.) eine unionsweite Harmonisierung des Zessionsrechts und (3.) eine dezentrale Angleichung der Zessionsrechte durch den nationalen Gesetzgeber.
1. Optionales Abtretungsrecht Die von der EU-Kommission entworfene Verordnung für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (Common European Sales Law – CESL)191 lässt die Forderungsabtretung ungeregelt192. Das mag man im Hinblick auf die Bedeutung des Zessionsrechts für den europäischen Wirtschafts- und Kreditsicherungsverkehr sowie die sachrechtlichen Unterschiede der nationalen Abtre190 191 192
Siehe oben § 15 III. 4. Siehe oben § 25 I. Siehe aber oben § 25 III. 3. b) dd).
V. Zukunft des europäischen Abtretungsrechts
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tungsrechte in Europa193 bedauern. Bei näherem Hinsehen zeigt sich indes, dass die Entscheidung gegen die Einbeziehung des Abtretungsrechts in das geplante optionale Instrument im Ergebnis richtig war. Das Konzept des optionalen Modells sieht vor, dass eine Rechtsmaterie in Form einer unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden Verordnung (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV) als eigenständiges 28. Regelungsregime respektive 2. Modell neben die nationalen Kaufrechte tritt und von den Marktteilnehmern aufgrund einer privatautonomen Rechtswahlentscheidung auf ihre Rechtsverhältnisse zur Anwendung gebracht werden kann194. Ein solches Regelungskonzept mag man im Vertragsrecht in Erwägung ziehen, soweit allein die Vertragsparteien von den abgeschlossenen Vereinbarungen betroffen sind, wie typischerweise beim Abschluss eines Kaufvertrages und seiner Abwicklung195. Die Forderungszession geht indes über das Grundmodell eines bilateralen Rechtsverhältnisses deutlich hinaus. Denn die abtretungsrechtlichen Implikationen beschränken sich nicht auf die Vertragsparteien (Zedent und Zessionar), sondern berühren gleichermaßen die Rechtsstellung des Forderungsschuldners sowie das Verhältnis zu sonstigen Dritten, namentlich zu den Gläubigern der Vertragsparteien. Vor allem mit Blick auf die berechtigten Schuldnerinteressen liefe eine uneingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit der Parteien des Abtretungsvertrages dem Rechtsgedanken des Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO196 sowie dem dahinter stehenden Prinzip des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes197 diametral zuwider198. So müssten sich die Implikationen der zwischen den Parteien des Abtretungsvertrages getroffenen Rechtswahl auch im Rahmen eines optionalen Abtretungsrechts auf das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar (vgl. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO) beschränken und könnten allenfalls nach umstritte193
Siehe nochmals oben § 25 I. Zum CESL vgl. etwa Eidenmüller u.a., JZ 2012, 269, 273 ff.; Staudenmayer, NJW 2011, 3491, 3495 sowie die Beiträge der Sondertagung der Zivilrechtslehrervereinigung zum Vorschlag für ein CESL im April 2012 von Wagner/Zimmermann, Stadler, Grundmann, Zöchling-Jud, Looschelders und Lorenz in AcP 212 (2012), 467 ff.; zur Problematik der Rechtswahl beim optionalen Instrument ferner MPI, RabelsZ 75 (2011), 371, 400 ff.; Basedow, FS v. Hoffmann, S. 50, 55 ff.; Busch, EuZW 2011, 655, 656 ff.; Corneloup, ZEuP 2012, 705, 712 ff.; Gebauer, GPR 2011, 227, 232 ff.; Herresthal, ZIP 2011, 1347, 1349 ff.; Hesselink, ERPL 2012, 195, 198 ff.; Stadler, AcP 212 (2012), 473, 475 ff.; M. Stürner, GPR 2011, 236 ff. 195 Kritisch zur praktischen Notwendigkeit etwa Basedow, FS Säcker, S. 29, 43; Eidenmüller u.a., JZ 2012, 269, 288; Mankowski, IHR 2012, 45, 48 ff.; Stadler, AcP 212 (2012), 473, 500. 196 Ebenso Kieninger, ZEuP 2010, 724, 745; in der Sache ähnlich Basedow, FS v. Hoffmann, S. 50, 58. 197 Dazu ausf. oben § 22 III. 198 Zur Bedeutung der Rechtswahlgrenzen im Zusammenhang mit dem optionalen Instrument auch Heiss, FS Roth, S. 237, 239 f., der indes kaum vergleichbare Schranken für den Fall erkennt, dass eine Verordnung erlassen würde, die er als „2. Regime“ bezeichnet (ebenda S. 240 ff.). Da die Vertragsparteien dann zwischen zwei inländischen Regimen wählen könnten, seien die Rechtswahlbeschränkungen des Kollisionsrechts nicht anwendbar. Das muss im Hinblick auf die berechtigten Schuldnerinteressen für die Wahl des Abtretungsrechts doch sehr bezweifelt werden. Vgl. zum Problem weiter Eidenmüller u.a., JZ 2012, 269, 271 f.; MPI, RabelsZ 75 (2011), 371, 406, 426 f. 194
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§ 25 Die europäische Forderungszession
ner Auffassung199 noch das Verhältnis zu sonstigen Dritten erfassen200. Auf das Verhältnis zum Forderungsschuldner könnte die Rechtswahl indes keine Ausstrahlungswirkung entfalten. Keine Anwendung fänden also die DCFR-Vorschriften über den Einwendungserhalt201 und die Aufrechnungsbefugnis202, die Vertrauensschutzbestimmungen203 sowie die praktisch so bedeutsamen Regeln über die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen204. Der durch die Rechtswahlbefugnis eröffnete Gestaltungsspielraum ist demnach denkbar gering. Der Rechtswahl anheim stehen nur die Geltung des Kausal- anstelle des Abstraktionsprinzips205 sowie – nach umstrittener Auffassung206 – die besonderen Prioritätsregeln207. Die Schuldnerschutzbestimmungen des DCFRAbtretungsrechts wären nur dann anwendbar, wenn sich der Schuldner hiermit entweder ausdrücklich einverstanden erklärte oder wenn bereits das Rechtsverhältnis, dem die abgetretene Forderung entstammte, dem europäischen Abtretungsrecht unterläge208. Hinzu kommen noch einige allgemeine Probleme des optionalen Instruments: Erstens steht das Ziel einer wirksamen Rechtsvereinheitlichung unter dem Vorbehalt der Eigenständigkeit der europäischen Gerichtsstruktur209. Nur europäische Gerichte können eine einheitliche Handhabung der europäischen Rechtsregeln und Grundsätze sicherstellen und verhindern, dass die Rechtsanwendung in den einzelnen Mitgliedstaaten auf Dauer auseinanderdriftet. Zweitens sorgt in der praktischen Rechtsanwendung die Sprachenvielfalt der inzwischen 23 gleichberechtigten Amtssprachen für große Schwierigkeiten. Solange die Rechtstexte in den einzelnen Amtssprachen den gleichen Anspruch auf Verbindlichkeit erheben, ist eine praktische Rechtseinheit nicht zu erwarten210. Das Gesamturteil über ein optionales Abtretungsrecht auf Grundlage des DCFR fällt in der Folge ernüchternd aus. Zwar scheitert die Schaffung eines optionalen Instruments für das Abtretungsrecht nicht bereits daran, dass es hier um die „Zuordnung von Rechten“ geht, die „durch positive Rechtssatzung bestimmt“ wird und daher ein „Instrument des soft law (…) hier wirkungs- und 199
Siehe dazu oben § 22 IV. A.A. Kieninger, ZEuP 2010, 724, 746: konsequent auf der Grundlage ihrer zum Kollisionsrecht der Abtretung vertretenen Gegenauffassung. 201 Siehe oben § 25 IV. 3. a). 202 Siehe oben § 25 IV. 3. b). 203 Siehe oben § 25 IV. 3. c) und § 25 IV. 3. d). 204 Siehe oben § 25 III. 3. – Zur Einordnung dieses Fragenkreises als Schuldnerschutzvorschriften siehe oben § 22 III. 2. c). 205 Siehe oben § 25 II. 3. b). 206 Siehe nochmals oben § 22 IV. 207 Siehe oben § 25 IV. 4. a). A.A. konsequent wiederum Kieninger, ZEuP 2010, 724, 746. 208 Ebenso Kieninger, ZEuP 2010, 724, 746; dies., ERCL 2013, 430, 439 f. 209 Zutreffend Stadler, JZ 2010, 380, 391 f. zum europäischen Sachenrecht; in diesem Sinne auch Martens, RW 2012, 432, 448 f. 210 Dazu Martens, RW 2012, 432, 448; ausf. Koch, JbJZ 2009, 51 ff. 200
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gegenstandslos“ ist211. Schließlich lässt Art. 14 Rom I-VO die Rechtswahl – mit Ausnahme schuldnerrelevanter Vorschriften gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO – zu, was nach der vorstehenden Argumentation dann ebenfalls ausgeschlossen sein müsste. Die Schaffung eines optionalen Zessionsrechts verspricht bei einer Umsetzung aber jedenfalls deshalb wenig Erfolg, weil die praktischen Probleme der internationalen und europäischen Forderungsabtretung hiermit nicht gelöst werden.
2. Europäische Harmonisierung des Abtretungsrechts Als vorteilhafter erweist sich da schon eine unionsweite Harmonisierung der nationalen Abtretungsrechte212. Hiermit könnte insbesondere das Problem unterschiedlicher Schutzstandards für Forderungsschuldner und Drittbeteiligte gelöst werden. Dass eine Angleichung der Zessionsrechte in diesem Sinne für ein level playing field sorgt, ist ein maßgeblicher Vorteil des Harmonisierungsansatzes und ist außerdem geeignet, die aus dem Kollisionsrecht213 bekannten Zweifelsfragen zu bewältigen. Der Preis, den die Nationalstaaten für eine substanzielle Harmonisierung der Abtretungsrechte zahlen müssen, ist allerdings hoch. Gerade weil die Zessionsrechte der EU-Mitgliedstaaten eine große Bandbreite unterschiedlicher Regelungsmodelle und Lösungsansätze aufweisen, wäre eine Harmonisierung mit zum Teil tief greifenden Einschnitten in die einzelnen Rechtsordnungen verbunden. Wozu dies führen kann, zeigt sich mit Blick auf die deutsche Rechtsordnung etwa bei der Geltung des Kausalprinzips und den besonderen Prioritätsregeln. Beide Vorschläge des europäischen Modelltextes vermögen sachlich nicht zu überzeugen und sollten daher auch nicht in deutsches Recht umgesetzt werden. Noch gravierender als die reinen Umsetzungsprobleme erscheinen indes die rechtssystematischen Verwerfungen, die mit einer Abkehr vom Abstraktionsprinzip für die gesamte deutsche Privatrechtsordnung – man denke nur an die Ausstrahlungswirkung auf das Übereignungsrecht – sowie mit der Einführung eines redlichen Forderungserwerbs ohne tauglichen Rechtsscheinträger für das gesamte System des Gutglaubenserwerbs verbunden wären. Auch aus rechtsökonomischer Perspektive trägt eine von der europäischen Ebene ausgehende Harmonisierung der Zessionsrechte ambivalente Züge214. Zwar darf man sich von einheitlichen Vorschriften eine Senkung von Transaktionskosten, insbesondere von Informations- und Verhandlungskosten, Rechts211
Alle Zitate Ernst, AcP 208 (2008), 248, 272; Hervorhebung auch im Original; kritisch auch Heiss, FS Roth, S. 237, 239 f. 212 So etwa Ernst, AcP 208 (2008), 248, 271; noch weitergehend Kieninger, ZEuP 2010, 724, 746: „bindende und umfassende Vereinheitlichung des materiellen Rechts“. 213 Siehe oben § 22 IV. 214 Zur Bedeutung des Wettbewerbsgedankens in diesem Zusammenhang siehe ausf. Grundmann, AcP 212 (2012), 502 ff.
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§ 25 Die europäische Forderungszession
beratungs- und Rechtsbewältigungskosten215, versprechen, die sich tendenziell positiv auf die Zirkulationsfähigkeit von Forderungen, die Allokation von Vermögensrechten und den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand auswirken. Umgekehrt wird indes ein etwaiger Wettbewerb der nationalen Regelungssysteme durch die unionsweite Implementierung eines standardisierten Rechtsprodukts von vornherein unterbunden216. Zudem gehen aus dem dezentralisierten Innovationsprozess resultierende Lerneffekte durch eine unionsweite Harmonisierung verloren217. Weil der einmal auf europäischer Ebene gefundene Kompromiss nicht leicht wieder abgeändert werden kann, droht in letzter Konsequenz eine Versteinerung des Rechts218. Hinzu kommt, dass die Diversität des europäischen Abtretungsrechts nicht notwendig als Verkehrshindernis zu interpretieren ist; man kann sie ebenso gut als angemessene Antwort auf nationale Präferenzen deuten219. Und schließlich sind bei der Gesamtabwägung noch die Kosten zu berücksichtigen, die infolge der Harmonisierungsbemühungen entstehen. Das gilt namentlich für den Rechtsvergleich, den Willensbildungsprozess auf europäischer Ebene sowie die Umsetzung der Neuerungen in der nationalen Rechtspraxis (Anpassungskosten)220.
3. Nationale Angleichung des Abtretungsrechts Daher verdient zum jetzigen Zeitpunkt eine nationale Angleichung des Abtretungsrechts den Vorzug221. Zu diesem Zweck sollte europaweit in einen breitangelegten Dialog über die Ausgestaltung der Forderungsabtretung eingetreten werden, an dessen Ende eine schrittweise Angleichung der Zessionsrechte durch die Nationalstaaten steht. Die EU-Mitgliedstaaten sollten allerdings nicht ohne Not gezwungen werden, identitätsstiftende Besonderheiten aus ihren Rechtskulturen herauszureißen. Unterschiedliche Rechtsvorschriften beruhen nicht immer auf historischen Zufällen, sondern können gleichermaßen Ausdruck nationaler Präferenzen für bestimmte Regelungsziele sein222. Der dezentralisierte Ansatz kann dabei als Katalysator für innovative Lösungen die215 Siehe die Zusammenstellung möglicher Kosten bei Chirico, ERCL 2009, 399, 422 f.; ferner Low, ERPL 2010, 285, 288; zur Vollharmonisierung Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1245; relativierend Doralt, AcP 211 (2011), 1, 20 ff. 216 Vgl. allgemein zum Vertragsrecht Stürner, JZ 1996, 741, 751; Chirico, ERCL 2009, 399, 406; Herresthal, EuZW 2011, 7, 8; Grundmann, AcP 212 (2012), 502, 527 f.; kritisch Hesselink, ERCL 2012, 342, 349 ff. 217 Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1245. 218 Vgl. Kötz, RabelsZ 50 (1986), 1, 11; Stürner, JZ 1996, 741, 751; Möllers, ZEuP 2008, 480, 502; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1246; Doralt, AcP 211 (2011), 1, 31 f. 219 So Chirico, ERCL 2009, 399, 421. 220 Zu diesem Aspekt: Fleischer, RabelsZ 76 (2012), 235, 245; Chirico, ERCL 2009, 399, 424; Doralt, AcP 211 (2011), 1, 21, 22 f.; Herresthal, EuZW 2011, 7, 8. 221 Zur spontanen Rechtsangleichung siehe Martens, RW 2012, 432, 449 ff. 222 Zutreffend Wagner, ZEuP 2012, 455, 456; vgl. auch Braun, JZ 2013, 265, 270.
VI. Zusammenfassung
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nen und dafür sorgen, dass der nationale Gesetzgeber vorzugswürdige Neuerungen ausländischer Rechtsordnungen in das innerstaatliche Recht übernimmt223. Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier wird keineswegs der nationalistischen Strömung in der Debatte um die Europäisierung des Privatrechts das Wort geredet224. Vielmehr sprechen handfeste rechtspraktische und rechtsökonomische Sachargumente gegen eine vorschnelle Vereinheitlichung des europäischen Zessionsrechts. Die Rechtsentwicklung darf nicht durch europäisches Einheitsrecht zum Stillstand kommen. Vorzugswürdig erscheint daher im Ergebnis eine behutsame Fortschreibung der tradierten Grundsätze unter Berücksichtigung des mit dem DCFR nun vorliegenden rechtsvergleichenden Materials. In diesem Sinne sind auch die vorstehenden Erörterungen der Modellregeln zu verstehen und im Rahmen einer gelegentlichen Modernisierung des deutschen Zessionsrechts zu berücksichtigen. Umgekehrt sollten die hiesigen Überlegungen aber gleichermaßen in Betracht gezogen werden, wenn auf europäischer Ebene gleichwohl ein Reformprozess in Gang kommen sollte.
VI. Zusammenfassung Das im DCFR vorgeschlagene europäische Abtretungsrecht ist geprägt von den beiden systemtragenden Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes. Außerdem liegen dem Entwurf das Einigungsprinzip und das Trennungsprinzip sowie die Prinzipien der Sukzessionsbefugnis und der Formfreiheit zugrunde. Im Gegensatz zum deutschen Recht folgt der DCFR allerdings nicht dem Abstraktionsprinzip, sondern gestaltet die Forderungszession in der Weise kausal aus, dass die Forderung nur dann auf den Zessionar übergeht, wenn auch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft uneingeschränkt wirksam ist (Kausalprinzip). Die Entscheidung zugunsten des Kausalprinzips ist im Hinblick auf die Bedeutung des Abstraktionsprinzips für eine leichte und sichere Forderungszession aus hiesiger Sicht verfehlt. Stattdessen sollte das Abstraktionsprinzip im europäischen Abtretungsrecht verankert werden. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit manifestiert sich zum einen in der nach Maßgabe des Art. III.-5:105(1) DCFR gewährleisteten Übertragbarkeit sämtlicher Forderungsrechte sowie in dem Umstand, dass sich die Forderungszession ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne eine gegen den Schuldner gerichtete Anzeige vollzieht. Berechtigte Schuldnerinteressen werden nicht präventiv durch besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen, sondern postventiv durch den unveränderten Fortbestand der schuldnerischen Rechtsposition geschützt. Diese Richtungsentscheidung steht im Einklang mit dem übergeordneten Be223
Chirico, ERCL 2009, 399, 423. Zum Problemkreis: Grundmann, ERCL 2012, 241 ff.; Comparato, ERCL 2012, 245 ff.; Smits, ERCL 2012, 296 ff.; Hesselink, ERCL 2012, 342 ff. 224
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§ 25 Die europäische Forderungszession
streben des DCFR nach einer möglichst weitgehenden Verwirklichung des privatrechtlichen Freiheitsgedankens und dem allgemeinen Gedanken der rechtlichen Effizienz. Dementsprechend sind auch Vorausabtretung und Globalzession ohne wesentliche Einschränkungen zulässig. Darüber hinaus entspricht es dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit, dass rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen die ungehinderte Übertragbarkeit von Forderungsrechten unberührt lassen. Diese Grundregel ist von größter Bedeutung für die europäische Forderungszession und erweist sich aus rechtssystematischer wie auch rechtsökonomischer Perspektive als uneingeschränkt zutreffend. Ebenso überzeugend ist es, dass sich die Unbeschränkbarkeit der Forderungsabtretung nicht auf Geldforderungen beschränkt. Deshalb ist im deutschen Recht § 399 Alt. 2 BGB ersatzlos zu streichen. Art. 85 (m) CESL ist in Anlehnung an Art. II.-9:401(1)(o) DCFR abzuändern. Ausnahmen von der freien Übertragbarkeit gelten nur für höchstpersönliche Forderungen und für die Übertragung akzessorischer Nebenrechte. Die besonders weitgehende Gewährleistung von Sukzessionsfreiheit bedarf einer komplementären Erweiterung des Sukzessionsschutzes. Deshalb kann der Schuldner im Falle einer abredewidrigen Abtretung mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten und mit einer gegen den Zedent gerichteten Forderung aufrechnen, selbst wenn er von der Abtretung positive Kenntnis hat. Diese Regelungen sind mit Blick auf die Interessenlage der an der Forderungszession Beteiligten angemessen. Sie verstoßen insbesondere nicht gegen Interessen des Zessionars, der zu Recht im Hinblick auf seinen Regressanspruch gegen den Zedent mit dem Insolvenzrisiko belastet wird. Entscheidet sich der deutsche Gesetzgeber für eine Streichung des § 399 Alt. 2 BGB, sollten in Anlehnung an Art. III.-5:108(2) DCFR respektive § 354a Abs. 1 S. 2 HGB Sondervorschriften für einen erweiterten Schuldnerschutz geschaffen werden. Der Entwurf sieht von den Sondervorschriften eine überzeugende Ausnahme für den Fall der schuldnerischen Zustimmung vor, die ebenfalls in ein reformiertes deutsches Abtretungsrecht übernommen werden sollte. Als kleine Lösung ist zumindest der Regelungsgehalt des § 354a Abs. 1 S. 3 HGB auf die Unübertragbarkeit der Forderungsabtretung zu beschränken. Außerdem ist der Schuldner nicht schutzwürdig, wenn er den Zessionar glauben machte, es bestehe keine Abtretungsbeschränkung. Dies folgt bereits aus dem allgemeinen Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens und bedarf daher weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene einer ausdrücklichen Kodifikation. Strikt abzulehnen ist schließlich die für Forderungen aus einem Waren- oder Dienstleistungsvertrag vorgesehene Ausnahme. Sie verstößt gegen das Prinzip effektiven Sukzessionsschutzes und sollte weder im deutschen noch im europäischen Recht verankert werden. Gleiches gilt für die Nichtanwendung des Sonderschuldnerschutzes bei der Sicherungszession. Vom erweiterten Schuldnerschutz im Falle rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen ist der reguläre abtretungsrechtliche Schuldnerschutz zu unterschieden, der neben der Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips
VI. Zusammenfassung
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und des sukzessionsrechtlichen Akzessorietätsprinzips die Rechtsfolgenseite der europäischen Forderungszession dominiert. Den einzelnen Tatbeständen des abtretungsrechtlichen Schuldnerschutzes liegen auch im vorgeschlagenen europäischen Abtretungsrecht die beiden zentralen Wertungsprinzipien des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips und des sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbots zugrunde. Das ist im Grundsatz überzeugend, vereinzelte Kritik ist nur an der konkreten Ausgestaltung des Sukzessionsschutzes zu üben. So sind zunächst beim Einwendungserhalt die in Art. III.-5:116(2) DCFR normierten Ausnahmetatbestände entbehrlich. Außerdem sollte der Schuldner bei einer vom Zedent abgegebenen Abtretungsanzeige auch dann an den Scheinzessionar leisten können, wenn er die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. Demgegenüber ist die Entscheidung des Art. III.-5:119(1) DCFR zugunsten eines gemischt subjektiv-objektiven Schuldnerschutzsystems zutreffend. Der Schuldner kann an den Zedent grundsätzlich nur dann mit befreiender Wirkung leisten, wenn er sich hinsichtlich der Abtretung in gutem Glauben befindet. Überzeugend ist auch die erweiterte Aufrechnungsbefugnis nach Maßgabe des Art. III.-5:116(3)(b) DCFR, die ungeachtet der Redlichkeit des Schuldners die Aufrechnung mit einer gegen den Zedent gerichteten Forderung zulässt, soweit diese zur zedierten Hauptforderung in enger Verbindung steht. Die Vorschrift entspricht bereits der h.M. im deutschen Recht, sollte aus Klarstellungsgründen aber gleichwohl in ein reformiertes Abtretungsrecht übernommen werden. Abzulehnen ist hingegen die in Art. III.-5:121(1) DCFR vorgesehene Prioritätsregel, die das Verhältnis zwischen konkurrierenden Forderungszessionen nicht nach dem Prinzip der zeitlichen Priorität, sondern nach der zuerst an den Schuldner erfolgten Abtretungsanzeige lösen will. Denn die Prioritätsregel ermöglicht in der Sache einen redlichen Forderungserwerb, ohne indes zugleich einen tauglichen Rechtsscheinträger zu etablieren, an welchen das berechtigte Vertrauen des Zweitzessionars anknüpfen könnte. Im deutschen wie europäischen Recht muss es ohne hinreichende Legitimationsgrundlage daher beim Prinzip der zeitlichen Priorität sein Bewenden haben. Der zugehörige Schuldnerschutz sollte entgegen Art. III.-5:121(2) DCFR nur bei Redlichkeit des Schuldners eingreifen. Die Umsetzung des DCFR-Zessionsrechts sollte weder in Form eines optionalen Instruments noch im Wege einer unionsweiten Harmonisierung der europäischen Zessionsrechte erfolgen. Den Vorzug verdient zum jetzigen Zeitpunkt stattdessen eine spontan-dezentrale Angleichung der nationalen Abtretungsrechte.
§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme Neben der Forderungszession enthält der Gemeinsame Referenzrahmen auch Modellregeln für verschiedene Varianten der Schuldübernahme (I.) und die Vertragsübernahme (II.). Angesichts der wachsenden Bedeutung der beiden Sukzessionstatbestände in einer zunehmend grenzüberschreitend agierenden Wirtschaftspraxis erscheint es lohnend, sich mit den im DCFR entworfenen Referenzvorschriften kritisch auseinanderzusetzen. Das gilt umso mehr, als es bisher an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der europäischen Regeln nahezu vollständig fehlt.
I. Schuldübernahme Den Ausgangspunkt der nachfolgenden Untersuchung bildet ein kurzer Blick auf das Regelungsbedürfnis und die bisherige europäische und internationale Entwicklung des Schuldübernahmerechts (1.). Im Rahmen der anschließenden Detailanalyse wird sich zeigen, dass die europäische Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession ausgestaltet ist (2.). Im Anschluss daran werden die unterschiedlichen Varianten der Schuldübernahme (3.) sowie die Beteiligung des Gläubigers (4.) und des Altschuldners (5.) näher unter die Lupe genommen. Der letzte Abschnitt widmet sich den maßgeblichen Rechtsfolgen der Schuldübernahme nach DCFR (6.).
1. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung Ein rechtsvergleichender Blick ins Ausland, insbesondere auf das französische und englische Recht, offenbart fundamentale Unterschiede im Recht der Schuldübernahme in Europa1. Während das deutsche Recht die Übernahme einer bestehenden Schuldposition als identitätswahrende Sukzession konzipiert, wonach lediglich die Person des Schuldners wechselt, Wesen und Inhalt der Schuld hingegen unberührt bleiben (Sukzessionsmodell)2, wählen Frankreich und England ein zweiaktiges Konzept der Schuldübernahme, bestehend aus dem Erlass der alten und der Begründung einer neuen (inhaltsgleichen) Schuld 1 Dazu eingehend Maurer, Schuldübernahme, S. 305 ff. und passim; siehe ferner die Zusammenstellung bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1090 f. 2 Dazu ausf. oben § 4 II. 5.
I. Schuldübernahme
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(Novationsmodell)3. Zwar führen beide Modelle gleichermaßen zum erstrebten Erfolg, den Altschuldner von seiner Verbindlichkeit zu befreien und den Übernehmer in die Pflicht zu nehmen. Die rechtstechnische Ausgestaltung könnte indes unterschiedlicher kaum sein. Das Bedürfnis nach einer Konsolidierung des europäischen Schuldübernahmerechts ist demnach mit Händen zu greifen. Das gilt umso mehr, als sich die grenzüberschreitende Übertragung von Verbindlichkeiten sowie ganzen Vertragsverhältnissen, namentlich Kredit-, Lieferund Dienstleistungsverträgen, in der europäisch geprägten Wirtschaftspraxis zunehmender Beliebtheit erfreut. Es kann daher nicht verwundern, dass sich die bisher erarbeiteten Referenztexte zum europäischen und internationalen Vertragsrecht allesamt der Schuldübernahme angenommen und für dieses Rechtsinstitut eigenständige Vorschriften geschaffen haben. Sie fanden sich bisher vor allem in Art. 12:101 ff. PECL und Art. 9.2.1 ff. PICC. Das im DCFR vorgeschlagene Schuldübernahmerecht orientiert sich maßgeblich an den Grundregeln der Lando-Kommission. Allerdings gehen die modernen Vorschriften in puncto Umfang und Regelungsdichte deutlich über die Vorläuferregeln der PECL hinaus. Abschließend ist noch anzumerken, dass auch das Recht der Schuldübernahme keine Aufnahme in den Verordnungsentwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (CESL) gefunden hat. Wiederum bildet daher der Gemeinsame Referenzrahmen – freilich ergänzt um Seitenblicke auf die PECL und PICC – das Fundament für eine kritische Auseinandersetzung mit der europäischen Schuldübernahme.
2. Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession Die eingangs bezeichnete Kontroverse zwischen dem Novations- und dem Sukzessionsmodell entscheidet Art. III-5:202 DCFR – ebenso wie zuvor bereits Art. 12:101 PECL4 und Art. 9.2.1 PICC – klar zugunsten der Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession. Die Vorschriften über das Schuldübernahmerecht sind so konzipiert, dass sich der Schuldnerwechsel unter identitätswahrender Kontinuität der rechtlichen Beziehung vollzieht. Zur Begründung heißt es in den Kommentaren, dieses Regelungskonzept spare im Vergleich zu dem aus Beendigung und Neubegründung des Rechtsverhältnisses bestehenden Novationsmodell5 Zeit und Aufwand und sorge insbesondere dafür, dass die Beteiligten nicht nochmals über einzelne Vertragsfragen verhandeln müssten, 3
Siehe nochmals v. Bar/Clive, DCFR, S. 1090 f.; Maurer, Schuldübernahme, S. 305 ff. Dafür spricht nicht zuletzt die Abgrenzung der Schuldübernahme von der Novation in den zugehörigen Kommentaren, bei v. Bar/Zimmermann, DCFR, S. 706; vgl. zur Interpretation noch Maurer, Schuldübernahme, S. 319 f. 5 Siehe dazu auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 1087, die betonen, dass die Novation – verstanden als die Ersetzung eines Vertrags durch einen neuen Vertrag – unabhängig von den Schuldübernahmebestimmungen auch unter dem DCFR von den Parteien kraft privatautonomer Selbstgestaltung vereinbart werden kann. 4
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
die bereits zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern befriedigend gelöst seien6. Daher zielt das Schuldübernahmerecht des DCFR darauf ab, den Schuldnerwechsel unter Aufrechterhaltung des bestehenden Rechtsverhältnisses so einfach und direkt wie möglich zu gewährleisten7. Tatsächlich ist das Sukzessionsmodell der Novationslösung des römischen8, französischen oder englischen Rechts klar überlegen9. Zwar lässt sich die von den Beteiligten erstrebte Verknüpfung der Befreiung des Altschuldners einerseits mit der Verpflichtung des Übernehmers andererseits in rechtskonstruktiver Hinsicht sowohl durch das Sukzessions- als auch auf Grundlage des Novationsmodells bewerkstelligen. Da es aber – ebenso wie bei der Abtretung – letztlich allein um den Austausch einer der Parteien eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne geht10, die Identität und Kontinuität der Schuldposition indes unberührt bleiben soll, liegt es nahe, anstelle eines mehraktigen, zeit- und kostenintensiven Vollzugs, bestehend aus dem Erlass der alten und der Begründung einer neuen (inhaltsgleichen) Schuld, die einaktige identitätswahrende Übertragung der Verbindlichkeit vorzusehen. Das gilt umso mehr, als typischerweise auch der Parteiwille darauf gerichtet ist, den Altschuldner infolge eines einheitlichen Rechtsakts gegen den Schuldübernehmer auszutauschen11, nicht aber im ersten Akt den Altschuldner von seiner ursprünglichen Leistungspflicht zu befreien und sodann gegenüber dem Schuldübernehmer in einem (selbstständigen) zweiten Akt einen neuen Leistungsanspruch zu begründen. Aus rechtsökonomischer Perspektive spart die Verkürzung des Rechtserwerbs Transaktionskosten, die bei der Vornahme von zwei separaten Geschäften regelmäßig höher ausfallen als auf Grundlage des einaktigen Sukzessionsmodells12. Außerdem entspricht die Ersetzung des Altschuldners durch den Neuschuldner auch deshalb regelmäßig dem Willen der Beteiligten, weil das Sukzessionsmodell notwendig mit einer effektiven Gewährleistung der Identität und Kontinuität der übergeleiteten Verbindlichkeit verbunden ist. Hier gilt einmal mehr das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip13. Das ist auf Grundlage der Novationslösung hingegen nicht notwendig der Fall. Rechtsvergleichende Untersuchungen belegen, dass aus der Novation im französischen Recht nicht sel6
So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1079. Siehe nochmals v. Bar/Clive, DCFR, S. 1080. 8 Zum römischen Recht und insgesamt zur Dogmengeschichte der Schuldübernahme siehe oben § 4 II. 5. a). 9 Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei Maurer, Schuldübernahme, S. 58 f., 154 ff., 305 ff.; dort bezeichnet der Autor die Sukzession als das „dogmatisch fortschrittlichere Modell“ (S. 307). 10 Zum Zusammenhang von Schuld, Forderung und Schuldverhältnis im engeren Sinne siehe etwa Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 I 1 b; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 8 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 7. 11 Instruktiv Maurer, Schuldübernahme, S. 5, 306. 12 Vgl. andeutungsweise Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393. 13 Siehe auch unten § 26 I. 6. 7
I. Schuldübernahme
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ten auf eine Änderung des Schuldinhalts geschlossen wird14, die von den Parteien einer Schuldübernahme typischerweise nicht intendiert sein wird. Zudem besteht im Rahmen der Novationslösung außerdem die Gefahr, dass Einwendungen, die der Altschuldner dem Gläubiger entgegenhalten konnte, infolge der Neubegründung der Schuld verlorengehen. Dieses Problem wird bei einer Ausgestaltung der Schuldübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession sicher vermieden, weil die Schuldposition nach Maßgabe des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips in Wesen und Inhalt unverändert bleibt und sich der Übernehmer deshalb auch auf die Einwendungen berufen kann, die dem ursprünglichen Schuldner zustanden15.
3. Varianten der Schuldübernahme Eine Besonderheit der Modellregeln des DCFR im Vergleich zur Vorläuferregelung des Art. 12:101 PECL, dem deutschen Recht (§§ 414, 415 BGB) und nahezu allen übrigen Rechtsordnungen in Europa16 besteht darin, dass Art. III.5:202(1) DCFR drei Varianten der Schuldübernahme vorgibt. Hierzu zählen (a) die komplette Ersetzung durch den Übernehmer unter vollständiger Befreiung des Altschuldners (complete substitution of new debtor), (b) die Übernahme der Schuld durch den Neuschuldner unter Aufrechterhaltung der Haftpflicht des Altschuldners für den Fall einer Leistungsstörung in der Person des Übernehmers (incomplete substitution of new debtor) und (c) die Übernahme der Schuld unter (kumulativem) Fortbestand der bisherigen Leistungspflicht des Altschuldners (addition of a new debtor)17. a) Privative Schuldübernahme Die Varianten (a) und (c) sind aus dem deutschen Recht und den ausländischen Schuldübernahmerechten bestens bekannt als privative und kumulative Schuldübernahme. Von einer verfügenden Schuldübernahme, also einer rechtsgeschäftlichen Sukzession, lässt sich nur bei der privativen Schuldübernahme sprechen. Sie führt zu einer vollständigen Ersetzung des Altschuldners durch den Übernehmer. Er folgt dem Altschuldner in seine Schuldposition nach; der Altschuldner wird im Gegenzug von seiner Verbindlichkeit befreit. In rechtskonstruktiver Hinsicht bedeutet diese Variante der (privativen) Schuldübernahme das Gegenstück zur Forderungsabtretung18. 14
Zum Problemkreis Maurer, Schuldübernahme, S. 81 f., 306. Zum letzten Aspekt ausf. unten § 26 I. 6. a). 16 Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1081 f. 17 Die in Klammern gesetzte Originalterminologie ist – wie v. Bar/Clive, DCFR, S. 1080 f. betonen – neu und wurde gewählt, um zu vermeiden, dass durch die Verwendung hergebrachter Begrifflichkeiten unwillkommene Assoziationen mit deren konzeptionellen Gehalt ausgelöst werden. 18 Zum deutschen Recht sie oben § 4 II. 5. 15
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
b) Unvollkommene Schuldübernahme Eine echte Besonderheit bildet die in Art. III.-5:202(1)(b) DCFR vorgesehene „unvollkommene“ Schuldübernahme, bei welcher der Altschuldner neben dem Übernehmer für den Fall einer Leistungsstörung weiterhaftet. Diese Variante war in der Vorläuferregelung des Art. 12:101 f. PECL nicht enthalten. Die Entwurfsverfasser waren allerdings der Ansicht, dass die bisherigen Grundsätze ohnehin unvollständig waren, so dass die Study Group on a European Civil Code bei ihrem Treffen in Athen im Juni 2008 die Redaktionskommission beauftragte, die bisherigen Prinzipien unter besonderer Berücksichtigung der Art. 9.2.1 ff. PICC wie auch der verschiedenen Varianten der Schuldübernahme in den nationalen europäischen Rechtsordnungen zu überarbeiten19. Als Vorbild für Art. III.-5:202(1)(b) DCFR lässt sich vor diesem Hintergrund Art. 9.2.5(2) PICC ausmachen. Danach kann vereinbart werden, dass der ursprüngliche Schuldner für den Fall einer Nichtleistung oder nicht ordnungsgemäßen Leistung des Übernehmers weiterhin verhaftet bleiben soll. Auch die übrigen beiden Varianten finden sich bereits in Art. 9.2.5 PICC. Aus rechtsdogmatischer Perspektive lässt sich die Übernahmevariante des Art. III.-5:202(1)(b) DCFR einerseits als rechtsgeschäftliche Sukzession in die Schuldposition unter Begründung einer subsidiären Mithaftung des Altschuldners deuten. Andererseits könnte man den Vorgang auch in Anlehnung an die kumulative Schuldübernahme20 konzipieren, und zwar dergestalt, dass der Übernehmer der ursprünglichen Schuld beitritt und der Altschuldner zwar nicht vollständig von seiner Leistungsverpflichtung frei wird, sie sich aber auf solche Fälle beschränkt, in denen der Übernehmer nicht ordnungsgemäß leistet. Auch wenn die rechtsdogmatische Einordnung für das praktische Ergebnis durchaus belanglos ist, gilt es gleichwohl zu erkennen, dass die Charakterisierung des Vorgangs als verfügende Schuldübernahme unter Begründung einer subsidiären Mithaftung – auch unter Berücksichtigung der für das Sukzessionsmodell sprechenden allgemeinen Erwägungen21 – besser zum Regelungskonzept des Art. III.-5:202 DCFR passt. Zudem ordnet Art. III.-5:207(3) DCFR ausdrücklich an, dass der Altschuldner die Rechtsstellung eines Bürgen (provider of dependent personal security) einnimmt22. Zu diesem Zweck muss der Gläubiger, vorbehaltlich einer abweichenden Regelung durch die Parteien, zunächst erfolgreich gegen den Übernehmer vorgehen, bevor er sich an den Altschuldner halten kann (Art. IV.G.-2:106 DCFR). Zudem steht dem ursprünglichen Schuldner, der den Gläubiger befriedigt, ein Regressanspruch gegen den Übernehmer zu (Art. IV.G.-2:113 DCFR). Das alles spricht gegen eine Konstruktion als Schuldbeitritt, sondern vielmehr für die Sukzessionslösung. 19 Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 1080; vgl. noch die gleichsinnige Einschätzung von Maurer, Schuldübernahme, S. 323. 20 Dazu sogleich unten § 26 I. 3. c). 21 Siehe oben § 26 I. 2. 22 Dazu näher die Kommentare bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1098.
I. Schuldübernahme
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Die unvollkommene Schuldübernahme weist maßgebliche Parallelen zu dem oben entwickelten Vorschlag einer dritten Schuldübernahmevariante auf, die ohne Beteiligung des Gläubigers auskommt23. Gemeinsam ist beiden Übernahmekonzepten die (eingeschränkte) Fortgeltung der altschuldnerischen Haftung. Allerdings ist diese Forthaftung durchaus unterschiedlich ausgestaltet. Während das oben befürwortete Reformmodell eine – uneingeschränkte – akzessorische Mithaftung des Altschuldners vorsieht, die mit Blick auf den intendierten Verzicht auf die Gläubigerbeteiligung strikt ausgestaltet ist, statuiert die unvollkommene Schuldübernahme nach Maßgabe des Art. III.-5:202(1)(b) DCFR lediglich eine subsidiäre Mithaftung. Während also der Forderungsgläubiger nach der Reformvariante auch weiterhin im gleichen Umfang und ohne weitere Anstrengungen und Voraussetzungen auf den Altschuldner zugreifen kann, ist nach der unvollkommenen Schuldübernahme des DCFR eine altschuldnerische Inanspruchnahme nur im Falle einer Nicht- oder Schlechtleistung des Übernehmers vorgesehen. Der Gläubiger wird gem. Art. III.-5:202(1)(b) DCFR zunächst an den Übernehmer verwiesen und insofern mit einer erschwerten Durchsetzung seines Leistungsanspruchs belastet. Diese Beeinträchtigung seines Befriedigungsinteresses muss der Gläubiger nur hinnehmen, wenn er sich mit der Schuldübernahme auch einverstanden erklärt hat. Es ist daher nur konsequent, wenn Art. III.-5:203(1) DCFR die Zustimmung des Gläubigers auch bei unvollkommener Schuldübernahme zur Anwendung bringt24. c) Kumulative Schuldübernahme Die kumulative Übernahme (Schuldbeitritt) ist schließlich als reine Begründung einer weiteren vertraglichen Verpflichtung konzipiert, ohne dass sich an der Rechtsstellung des Altschuldners auch nur das Geringste ändert. Konzeption und Wirkung des Schuldbeitritts beschränken sich folglich ausschließlich auf das schuldrechtliche Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Beitretenden. Altschuldner und Beitretender haften daraufhin für die ursprüngliche Verbindlichkeit als Gesamtschuldner. Wenn die Kommentare nun betonen, auch für die kumulative Schuldübernahme gelte rechtstechnisch das Grundsatzmodell, wonach die Rechtsbeziehung jeweils aufrechterhalten bleibe und es nur zu einem Personenwechsel auf der Schuldnerseite komme25, dann ist dem zwar im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings handelt es sich beim Schuldbeitritt in rechtskonstruktiver Hinsicht gerade nicht um eine rechtsgeschäftliche Sukzession26, sondern eine Akzession27. Der Beitretende folgt gerade nicht dem Altschuldner in seiner Schuldnerposition nach, sondern tritt als zusätzlicher Schuldner in Beziehung zum Gläubiger. 23 24 25 26 27
Dazu ausf. § 18 IV. Dazu näher unten § 26 I. 4. a). Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1080. Deshalb wird der Schuldbeitritt im Folgenden auch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dazu näher oben § 2 III. 3.
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
4. Beteiligung des Gläubigers In Übereinstimmung mit dem deutschen Recht (§§ 414, 415 BGB)28, den vorausgegangenen Referenzregeln (Art. 12:101(1) PECL, Art. 9.2.3 PICC) und sämtlichen anderen Rechtsordnungen in Europa29 verlangt Art. III.-5:203(1) DCFR für die wirksame Übernahme einer Verbindlichkeit die Zustimmung des Forderungsgläubigers, und zwar sowohl wenn es sich um eine privative Schuldübernahme handelt als auch für den Fall der unvollkommenen Schuldübernahme. Diese Zustimmung kann auch im Voraus erteilt werden (Art. III.5:203(2) DCFR). Entbehrlich ist sie – mangels Befreiung des Altschuldners – gem. Art. III.-5:203(3) DCFR im Fall der kumulativen Schuldübernahme. a) Grundlagen der Gläubigerbeteiligung Die Begründung der Gläubigerbeteiligung durch die Kommentare vollzieht sich in den gewohnten Bahnen30: Die Zustimmung des Gläubigers für eine privative Schuldübernahme sei eindeutig unverzichtbar. Solange es an der Zustimmung des Gläubigers fehle, führe der zwischen Altschuldner und Übernehmer geschlossene Übernahmevertrag nicht zu einem Schuldnerwechsel31. Die Gläubigerbeteiligung bei der privativen Schuldübernahme verhindere, dass der bisherige – solvente und zuverlässige – Schuldner gegen einen insolventen und unzuverlässigen neuen Schuldner ausgetauscht werde. Gleiches gelte auch für die unvollkommene Schuldübernahme. Zwar behalte der Gläubiger in diesem Fall den ursprünglichen Schuldner als Leistungsverpflichteten, allerdings hafte dieser nur subsidiär. Der Gläubiger werde deshalb mit Kosten der Rechtsdurchsetzung gegen den neuen Schuldner und weiteren hiermit verbundenen Unannehmlichkeiten belastet32. Es bestehe kein Grund, eine solche Beeinträchtigung der gläubigerseitigen Rechtsstellung ohne Zustimmung des Gläubigers zu ermöglichen. Dass diese Position für die unvollständige Schuldübernahme überzeugt, ist oben bereits ausgesprochen worden33. Wenn nämlich der Gläubiger den Eindruck gewinnt, vom Neuschuldner sei aller Voraussicht nach mit einer zufriedenstellenden Leistung nicht zu rechnen, dann soll der Gläubiger von Anfang an die Möglichkeit haben, die Schuldübernahme zu verhindern und sich auch weiterhin unmittelbar an den Altschuldner zu halten, ohne zuvor den – erfolglosen – Versuch einer gegen den Übernehmer gerichteten Rechtsdurchsetzung
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Näher oben § 4 II. 5. c). Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1083 f. 30 Zum Ganzen: v. Bar/Clive, DCFR, S. 1085; siehe bereits v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 706 f. 31 So ausdrücklich v. Bar/Clive, DCFR, S. 1085. 32 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1097. 33 Siehe schon oben § 26 I. 3. b). 29
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unternehmen zu müssen34. Den Beteiligten steht es in dieser Situation umgekehrt frei, sich auf eine kumulative Schuldübernahme zu verständigen, mit dem Ergebnis der gesamtschuldnerischen Haftung von Alt- und Neuschuldner. An dieser Stelle darf die Innovationsfreude des europäischen Schuldübernahmerechts indes nicht enden. Vielmehr ist der hier entwickelte Reformvorschlag für eine weitere Übernahmevariante, die ohne die obligatorische Zustimmung des Forderungsgläubigers auskommt35, auf europäischer Ebene zu verankern. Mit der unvollkommenen Schuldübernahme ist schon der erste Schritt in diese Richtung gegangen. Hierauf sollte der europäische Regelsetzer bei etwaigen Reformbestrebungen aufbauen und die hier entwickelte Übernahmevariante gleichberechtigt neben der privativen, kumulativen und unvollkommenen Schuldübernahme etablieren. Die maßgeblichen Vorzüge dieser Konzeption sind oben36 ausführlich dargelegt worden und müssen an dieser Stelle nicht nochmals wiederholt werden. Allerdings ist noch darauf hinzuweisen, dass sich die oben beschworenen systematischen Parallelen zur Forderungszession im deutschen Recht gleichermaßen auf europäischer Ebene nachweisen lassen. Ebenso wie die Abtretung keine präventiven Übertragungshindernisse kennt und das Prinzip der Sukzessionsfreiheit in besonderem Maße verwirklicht, darf auch die Schuldübernahme nicht länger von einer Zustimmung des Gläubigers abhängig sein, die als präventive Wirksamkeitsvoraussetzung konzipiert ist. Aufgrund des besonderen Stellenwerts des Prinzips der Sukzessionsfreiheit müssen positive und negative Vermögenspositionen gleichermaßen ungehindert übertragen werden können. Die berechtigten Interessen der jeweiligen Gegenpartei (Forderungsschuldner bei der Abtretung, Forderungsgläubiger bei der Schuldübernahme) werden auf Sekundärebene durch ein wirksames System von Sukzessionsschutzbestimmungen gewährleistet. Ein unmittelbarer akzessorischer Mithaftungsanspruch fügte sich hier zum Schutz des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses passgenau in das von der unvollkommenen Schuldübernahme geprägte Übernahmesystem ein. b) Einwilligung des Gläubigers Die geforderte Zustimmung kann der Gläubiger auch im Voraus erteilen. Allerdings wird die Schuldübernahme gem. Art. III.-5:203(2) DCFR – in Fortschreibung des Art. 12:101(2) PECL und Art. 9.2.4(2) PICC – erst wirksam, wenn der Gläubiger vom Übernehmer über den Abschluss des Übernahmevertrags mit dem Altschuldner informiert worden ist. Die Sonderregel trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gläubiger ohne Kenntnis von der erfolgten Schuldübernahme womöglich Rechtshandlungen mit dem Altschuldner vornehmen und 34 35 36
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1097. Zum Ganzen ausf. oben § 18 IV. Siehe § 18 IV.
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
hieraus einen Rechtsverlust erleiden könnte37. Deshalb ist der Anwendungsbereich der Vorschrift auch nicht auf den Fall beschränkt, dass die Identität des Übernehmers bei Abgabe der Einwilligungserklärung noch nicht feststand. Bemerkenswert ist der von den Kommentaren sogleich mitgelieferte rechtsdogmatische Interpretationsansatz für das Notifikationserfordernis38: Die Einwilligung des Gläubigers sei als Angebot an den (unbekannten) Übernehmer zu verstehen, ihn als neuen Schuldner zu akzeptieren. Die an den Gläubiger gerichtete Übernahmeanzeige bedeute die Annahme dieses Angebots durch den Übernehmer. Eine wirksame Schuldübernahme sei die Folge. Nun ist es bereits ungewöhnlich, ja geradezu bedenklich, dass in der Entwurfsbegründung sogleich ein rechtsdogmatisches Erklärungsmodell für eine Bestimmung mitgeliefert wird. Denn die systematisierende Ordnung ist Aufgabe der Rechtswissenschaft, die sich den Modellregeln ohne vorgegebene Dogmen nähern sollte. Davon abgesehen kann Art. III.-5:203(2) DCFR aber auch in der Sache nicht überzeugen39. Schwierigkeiten bereitet zunächst der Umstand, dass die Einwilligung nicht notwendig gegenüber dem Übernehmer abgegeben wird, sondern ebenso gut an den Altschuldner gerichtet sein kann. Noch schwerer wiegen indes die Bedenken gegen die Vertragskonstruktion als solche. Denn sie läuft im Ergebnis auf eine zwischen Gläubiger und Neuschuldner vereinbarte Schuldübernahme hinaus, obgleich sich die Übernahme nach dem Regelungsmodell des DCFR auch in diesem Fall zwischen Alt- und Neuschuldner vollzieht. Darüber hinaus besteht auch keine Notwendigkeit dafür, die Übernahmewirkung bis zum Zeitpunkt der durch den Neuschuldner erklärten Anzeige hinauszuschieben. Mit Erteilung der Einwilligung hat der Gläubiger vielmehr wertungsmäßig dem Altschuldner die Befugnis erteilt, seine Schuldposition ohne nochmalige Zustimmung des Gläubigers an einen Dritten zu übertragen. Es bedeutet eine schwere Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Sukzessionsfreiheit), wenn die Wirkungen der Übernahme erst mit Anzeige an den Gläubiger eintreten. Außerdem setzt sich das Schuldübernahmerecht mit dem Anzeigeerfordernis in offenen Widerspruch zur überzeugenden Konzeption der Forderungsabtretung nach DCFR, das aus Gründen der Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit mit Recht auf die Mitwirkung und Information des Schuldners verzichtet40. Das Interesse des Gläubigers, keine Rechtshandlungen gegenüber dem falschen Schuldner vorzunehmen und hierdurch rechtliche Nachteile zu erleiden, kann durch postventiv wirksame Sukzessionsschutzmechanismen gewährleistet werden. Vorzugswürdig erscheint daher die Etablierung eines an Art. III.-5:119(1) DCFR respektive 37
Andeutungsweise v. Bar/Clive, DCFR, S. 1085; vgl. bereits v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 707. 38 Eingehend v. Bar/Clive, DCFR, S. 1086. Die Kommentare verzichten aus gutem Grund auf eine rechtsdogmatische Einordnung; vgl. dazu v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 707. 39 Gegen die Mitteilung als Wirksamkeitsvoraussetzung auch Maurer, Schuldübernahme, S. 321 f.; ebenso für die Vertragsübernahme Remien, in: Harke, Drittbeteiligung, S. 97, 107. 40 Dazu ausf. oben § 25 III. 1.
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§ 407 BGB angelehnten Sicherungssystems, das den Gläubiger effektiv von den Risiken einer unbekannt gebliebenen Schuldübernahme schützt. Solange der Gläubiger von der Übernahme keine positive Kenntnis besitzt, muss der Neuschuldner die gegenüber dem Altschuldner vorgenommenen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen. Aufgrund der übergeordneten Wertung des Prinzips der Sukzessionsfreiheit, dem auch im Bereich der Schuldübernahme uneingeschränkte Geltung zukommt, ist dieses postventive Gläubigerschutzsystem einer präventiven Beschränkung der freien Übertragbarkeit von Schuldpositionen einmal mehr vorzuziehen. Es ist dieses Konzept, das nach zutreffender Auffassung bereits für die Schuldübernahme nach deutschem Recht gilt41 und im Fall einer Reform des Übernahmerechts nach den hier entwickelten Vorschlägen zukünftig in den um eine Übernahmevariante ergänzten §§ 414 ff. BGB verankert werden sollte42. Daran sollte sich auch die Konzeption des Schuldübernahmerechts auf europäischer Ebene orientieren. Darüber hinaus ist die vertragliche Konstruktion – entgegen des abschließenden Hinweises in den Kommentaren43 – auch nicht notwendig, um den Gläubiger gegen Wirksamkeitsmängel in dem zwischen Alt- und Neuschuldner geschlossenen Übernahmevertrag zu schützen. Stattdessen sollte das berechtigte Vertrauen des Gläubigers auf die materielle Richtigkeit der vom (vermeintlichen) Übernehmer (!) abgegebenen Übernahmeanzeige in Anlehnung an das Zessionsrecht des DCFR (Art. III.-5:119(2), (3)) geschützt werden, mit der Folge, dass die vom Gläubiger gegenüber dem Scheinübernehmer vorgenommenen Rechtshandlungen auch gegenüber dem wahren Schuldner (Altschuldner) wirksam sind. Diese Lösung überzeugt nach deutschem Recht bereits auf Grundlage der lex lata44 und fügte sich auch in ein reformiertes Schuldübernahmerecht passgenau ein45. Aus Gründen der Systemkohärenz sollte die derzeit in Art. III.-5:203(2) DCFR vorgesehene Vertragslösung bei Gläubigereinwilligung durch eine Erweiterung des postventiv wirksamen Gläubigerschutzsystems ersetzt werden.
5. Beteiligung des Altschuldners Vereinbaren Gläubiger und Übernehmer eine privative oder unvollkommene Schuldübernahme, bedarf es – im Anschluss an Art. 12:101(1) PECL – nach Maßgabe der Art. III.-5:204, III.-5:206 DCFR der Zustimmung des Altschuldners. Diese zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung der externen Schuldüber-
41
Siehe oben § 15 IV. 3. Siehe oben § 18 IV. 6. c). 43 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1086, die insbesondere auf Art. III.-5:205(3) und III.-5:207(1) DCFR verweisen. 44 Siehe oben § 15 IV. 4. 45 Siehe oben § 18 IV. 6. d). 42
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
nahme unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Recht (vgl. § 414 BGB)46 und auch von Art. 9.2.1(b) PICC; allerdings heißt es im zugehörigen Kommentar der UNIDROIT-Prinzipien, dass der Altschuldner den aus der Übernahme resultierenden Vorteil nicht hinnehmen müsse und die intendierte Schuldbefreiung zurückweisen könne47. Die notwendige Beteiligung des Altschuldners begründen die Verfasser des DCFR mit dessen besonderen Schutzinteressen48. Vor allem im Falle einer nicht in Geld bestehenden Leistungspflicht könne der Altschuldner ein unbedingtes Interesse an der Erbringung seiner Verpflichtung haben, weil das Leistungsinteresse im Einzelfall über den bloßen Vorteil der hierfür geschuldeten Gegenleistung hinausreichen könne. In dieser Konstellation stelle sich die Befreiung von der Verbindlichkeit nicht als schlichte Wohltat dar. Vielmehr könne infolge der Nichterbringung der Leistung womöglich das Ansehen des Altschuldners leiden, auch wenn der Gläubiger im Gegenzug die vertraglich geschuldete Gegenleistung ordnungsgemäß erbringe. Das spezifische Leistungsinteresse des Altschuldners könne beispielsweise darin bestehen, seine Arbeitskraft für die Erfüllung des Leistungsanspruchs einzusetzen und damit zugleich zukünftige Aufträge zu akquirieren. Zudem könne der Schuldner Verträge mit Subunternehmern abgeschlossen haben, deren Rückabwicklung mit Schwierigkeiten behaftet sein könne. Deshalb müsse das schuldnerische Interesse an der Sicherheit und Stabilität der vertraglichen Beziehung zum Gläubiger geschützt werden, indem eine Übernahme ohne die Zustimmung des Altschuldners scheitere. Diese Argumentation ist vollumfänglich zurückzuweisen. Zunächst räumen die Kommentare49 selbst ein, dass ein etwaiges Erfüllungsinteresse des Altschuldners sich nur bei nichtmonetären Leistungspflichten ergeben könne. Gleichwohl ist die Zustimmung des Altschuldners nach Maßgabe der Art. III.5:204, III.-5:206 DCFR aber auch für Geldleistungspflichten vorgesehen. In diesem Fall fehlt es indes von vornherein an einer Rechtfertigung für das Zustimmungserfordernis des Altschuldners50. Aber auch was nicht in Geld bestehende Leistungspflichten anlangt, misst die – in einem Zustimmungserfordernis des Altschuldners zum Ausdruck gelangende – Abwägung der Beteiligteninteressen dem individuellen Erfüllungsinteresse des Altschuldners ein zu großes Gewicht zu. Denn das berechtigte Befriedigungsinteresse des Altschuldners ist durch die ordnungsgemäße Erbringung der Gegenleistung durch den Gläubiger regelmäßig hinreichend gewahrt. Für einen weitergehenden Schutz nichtmonetärer Interessen des Altschuldners bedarf es im dreiseitigen System der Schuldübernahme einer besonderen Rechtfertigung, weil das Zustimmungserfordernis mit einer einschneidenden Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des 46 47 48 49 50
Dazu näher oben § 4 II. 5. d). Kommentar 6 zu Art. 9.2.5. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1089. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1089. Siehe bereits zum deutschen Recht oben § 4 II. 5. d).
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Rechtsverkehrs (Sukzessionsfreiheit) verbunden ist. Sachgründe von hinreichendem Gewicht sind in diesem Zusammenhang indes nicht ersichtlich. Zum einen wird es nur sehr selten vorkommen, dass die Reputation des Altschuldners infolge der Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung in Mitleidenschaft gezogen wird. Erleidet der Altschuldner durch die vom Gläubiger initiierte Schuldübernahme tatsächlich einen Schaden, sei es, dass ihm konkrete Erwerbschancen entgehen, sei es, dass er von seinen Subunternehmern in Anspruch genommen wird, ist der Gläubiger aufgrund der zum Altschuldner bis zur Übernahme bestehenden vertraglichen Bindung nach allgemeinen Grundsätzen des Leistungsstörungsrechts zum Ersatz verpflichtet. Zum anderen erlangt der Altschuldner nur dann einen endgültigen Vorteil, wenn ihm der Übernehmer die Befreiung von der Verbindlichkeit schenkweise zuwendet51. Voraussetzung für den Abschluss eines wirksamen Schenkungsvertrages ist allerdings sowohl nach deutschem Recht (§§ 516, 518 BGB) als auch nach dem europäischen Referenztext (Art. IV.H.-1:101(2) iVm. Art. II.1:101(1) DCFR) ein zweiseitiger Schenkungsvertrag, der ohne die Mitwirkung des Beschenkten nicht wirksam zustande kommt. Dementsprechend sind die berechtigten Schutzinteressen des Altschuldners im Rahmen dieses Grundverhältnisses hinreichend gewahrt. Fehlt es umgekehrt an einem wirksamen Schenkungsvertrag bzw. einer anderen unter Mitwirkung des Altschuldners abgeschlossenen Rechtsgrundabrede, dann mangelt es auch an einer endgültigen Zuwendung. Der Übernehmer kann in diesem Fall vom Altschuldner Regress verlangen, weil er die Befreiung von der Verbindlichkeit ohne rechtfertigenden Grund erlangt hat. Da sich der Regressanspruch letztlich auf den Inhalt der übernommenen Schuld beschränkt, sieht sich der Altschuldner einer in jeder Hinsicht vergleichbaren Verbindlichkeit gegenüber52; allein der Forderungsinhaber hat sich durch die Schuldübernahme geändert. Konnte zunächst der Gläubiger die Leistung vom Altschuldner einfordern, ist es jetzt der Übernehmer. Im wirtschaftlichen Ergebnis entsprechen die Implikationen der rechtsgrundlosen externen Schuldübernahme demnach einer Abtretung des Leistungsanspruchs vom Gläubiger an den Übernehmer. Da sich die Forderungszession aber gem. Art. III.-5:104(4) DCFR ohne Mitwirkung des (Alt-) Schuldners vollzieht53, muss es systemwidrig erscheinen, für die Herbeiführung des gleichen wirtschaftlichen Ergebnisses auf Grundlage einer Schuldübernahme die Zustimmung des Altschuldners zu verlangen oder dem Altschuldner auch nur ein Zurückweisungsrecht einzuräumen. Vor den abtretungsspezifischen Nachteilen ist der Altschuldner durch eine entsprechende Anwendung der besonderen Schuldnerschutzvorschriften, namentlich bei Unkenntnis der Übernahme sowie im Fall unrichtiger Übernahmeanzeigen analog Art. III.51
Dazu und zum Folgenden instruktiv Maurer, Schuldübernahme, S. 308 ff. Siehe näher Maurer, Schuldübernahme, S. 309, der die Tragfähigkeit dieses Ansatzes auch für nicht auf Geldleistung gerichtete Forderung skizziert. 53 Dazu oben § 25 III. 1. 52
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
5:119 DCFR zu schützen54. Jede weitergehende Einbindung, insbesondere die Einräumung eines notwendigen Mitwirkungsrechts an der Schuldübernahme selbst, würde über das zum Schutz des Altschuldners notwendige Maß hinausgehen und ist daher als Verstoß gegen das sukzessionsrechtliche Verbesserungsverbot55 abzulehnen.
6. Rechtsfolgen der Schuldübernahme Die Rechtsfolgenseite der privativen Schuldübernahme ist primär durch das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip geprägt. Die Geltung des Identitätsprinzips ist Ausdruck der rechtsdogmatischen Grundsatzentscheidung des DCFR zugunsten des Sukzessionsmodells56. Dementsprechend betonen die Kommentare zu Art. III.-5:205 DCFR, der wesentliche Parallelen zu § 417 BGB und Art. 12:102 PECL aufweist, dass der Inhalt der übergeleiteten Verbindlichkeit durch die Schuldübernahme unverändert bleibe57. Das gelte allen voran für den Leistungsort und den Leistungszeitpunkt. Auf den Neuschuldner gehe die Schuld in der Form über, wie sie vor der Übertragung in der Person des Altschuldners bestand. Die maßgeblichen Implikationen des Identitätsprinzips bestehen in dem Einwendungserhalt zugunsten des Neuschuldners (a). Davon abgesehen gelten altbekannte Besonderheiten für die Aufrechnungsbefugnis des Neuschuldners (b), die Behandlung der aus dem Verhältnis zum Altschuldner stammenden Einwendungen (c) sowie für den Schutz des Sicherungsgebers (d). a) Einwendungserhalt zugunsten des Neuschuldners Es entspricht dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip, sämtliche Einwendungen, die in der Person des Altschuldners gegen den Gläubiger bestanden, auch dem Übernehmer zu erhalten (Art. III.-5:205(1) DCFR)58. Der Neuschuldner kann dem Gläubiger folglich sämtliche materiellen und prozessualen Einwendungen aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis mit dem bisherigen Schuldner entgegenhalten59. Klassisches Beispiel ist die Einrede der Verjährung. Voraussetzung ist ebenso wie nach deutschem Recht60, dass die Einwendungen im Zeitpunkt des Übernahmevertrages bereits bestanden haben oder zumindest ihren Ursprung in Umständen finden müssen, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Einwendungen können vom Neuschuldner nicht anstelle des Altschuldners geltend gemacht werden. 54
Ebenso Maurer, Schuldübernahme, S. 309 f. Zum deutschen Recht siehe oben § 15 III. 56 Siehe nochmals oben § 26 I. 2. 57 Zum Ganzen siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1091. 58 Ebenso Art. 12:102(4) PECL und Art. 9.2.7(1) PICC. 59 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1092; ebenso schon v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 712. 60 Dazu oben § 15 III. 1. b). 55
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b) Keine Aufrechnungsbefugnis des Neuschuldners Mit einer Forderung des Altschuldners kann der Übernehmer indes nicht gegenüber dem Gläubiger aufrechnen (Art. III.-5:205(2) DCFR). Parallelbestimmungen finden sich in § 417 Abs. 1 S. 2 BGB sowie Art. 9.2.7 PICC, und auch die Lando-Kommission stand ausweislich der Kommentare61 zu Art. 12:102 PECL auf diesem Standpunkt. In der Sache bemerkt die Entwurfsbegründung knapp, dass es sich bei der Aufrechnungsbefugnis nicht um eine Einwendung im strengen Sinne, sondern um etwas außerhalb des ursprünglichen Schuldverhältnisses Stehendes handele62. Das trifft indes nicht den Kern der Problematik. Entscheidend ist vielmehr die fehlende Verfügungsbefugnis des Neuschuldners63. Im Rahmen der Schuldübernahme geht allein die Schuldposition auf den Übernehmer über, während die Forderungsrechte des Altschuldners von der Sukzession unberührt bleiben. Daher verbleibt auch die aufrechenbare Forderung beim Altschuldner. Folglich kommt eine Aufrechnung durch den Neuschuldner nur dann in Betracht, wenn die Gegenforderung zuvor ebenfalls vom Alt- auf den Neuschuldner übertragen wird. c) Einwendungen aus dem Verhältnis zum Altschuldner Nimmt man Art. III.-5:205(3) DCFR beim Wort, kann der Übernehmer aus seinem Rechtsverhältnis zum Altschuldner keinerlei Einwendungen gegenüber dem Gläubiger herleiten64. Der Gesetzestext umfasst nicht nur das der Schuldübernahme zugrunde liegende Kausalgeschäft, sondern auch Wirksamkeitsmängel des verfügenden Übernahmevertrages selbst. Dass dieses weite Verständnis nicht gewollt ist, erschließt sich erst nach sorgfältiger Lektüre der zugehörigen Kommentare65. Danach sollen Einwendungen aus dem Verhältnis zum Altschuldner nämlich nur dann ausgeschlossen sein, wenn die Schuldübernahme auf einem zwischen Gläubiger und Übernehmer geschlossenen Vertrag beruht66. Tatsächlich macht es Sinn, dass der Gläubiger in diesem Fall nicht mit Einwendungen behelligt wird, die sich aus der zugrunde liegenden (schuldrechtlichen) Rechtsbeziehung des Übernehmers zum Altschuldner ergeben. Das ist nicht zuletzt Ausdruck der Relativität der Schuldverhältnisse und in ge61
Vgl. v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 712. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1092: “something outside the original relationship”. 63 Zum deutschen Rechte siehe schon oben § 15 IV. 5. 64 Zum Parallelproblem bei Art. 12:102(1) PECL einschließlich der Einlassungen in den Kommentaren, bei v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 711; Maurer, Schuldübernahme, S. 320 f., der die Widersprüche klar herausstellt. Im nachfolgenden Text wird sich zeigen, dass der DCFR die dort angemahnte Klarstellung zwar nicht im Wortlaut der Referenzregel, aber zumindest in den Kommentaren vorgenommen hat. 65 Zum Ganzen v. Bar/Clive, DCFR, S. 1093. 66 Siehe noch die abweichenden Ausführungen in den Kommentaren zu Art. 12:102(1) PECL, die ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Schuldübernahme „abstrakter“ Natur sei; vgl. v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 711. 62
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
wisser Weise auch der Abstraktheit der Schuldübernahme von dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft. Allerdings macht dies die Schuldübernahme zwischen Gläubiger und Übernehmer nicht ohne weiteres zu einem abstrakten Rechtsgeschäft. Ebenso gut ist unter Geltung des Art. III.-5:205(3) DCFR eine kausale Schuldübernahme denkbar, deren Gültigkeit von einem wirksamen Verpflichtungsgeschäft zwischen Gläubiger und Neuschuldner abhängt. Allerdings äußern sich zu dieser Frage weder die Referenzvorschriften der Schuldübernahme nach DCFR noch finden sich einschlägige Hinweise in der Entwurfsbegründung. Die allgemeinen Erörterungen zum Abstraktionsprinzip67 sprechen indes jedenfalls dafür, auf europäischer Ebene nicht nur die Forderungszession, sondern auch die Schuldübernahme abstrakt auszugestalten68. d) Schutz des Sicherungsgebers Schließlich regelt Art. III.-5:205(4), (5) DCFR noch die Auswirkungen der Schuldübernahme auf den Sicherungsgeber. Hat der Altschuldner für die Verbindlichkeit selbst eine Sicherheit bestellt, dann erlischt diese, sobald die Schuldübernahme wirksam wird. Gleichermaßen erlöschen auch die von Dritten bestellten Sicherungsrechte. Diese Regelungen entsprechen der überwiegenden Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen69, den bisherigen Referenztexten (Art. 12:102(2), (3) PECL, Art. 9.2.8(2), (3) PICC)70 und im Wesentlichen auch den in § 418 Abs. 1 BGB kodifizierten Grundsätzen des deutschen Rechts. Dort wird indes nicht danach unterschieden, ob es sich um Sicherungsrechte handelt, die vom Altschuldner oder von Dritten bestellt werden. Vielmehr zielt die deutsche Regelung primär auf Drittsicherheiten ab, ordnet aber ebenso wie der DCFR deren regelmäßiges Erlöschen an, soweit es sich um akzessorische Sicherungsrechte handelt. Fiduziarische Sicherheiten bleiben hingegen nach deutschem Recht zunächst bestehen. Aus der Sicherungsabrede kann der Sicherungsgeber allerdings deren Rückübertragung verlangen bzw. deren Durchsetzung eine Einrede aus dem Sicherungsvertrag entgegenhalten. Im Gegensatz sollen auch nichtakzessorische Sicherheiten gem. Art. III-5:205(4), (5) DCFR erlöschen, wogegen keine durch-
67
Dazu ausf. oben § 7 II. Bemerkenswert sind insofern noch die nachfolgenden Ausführungen der Kommentare, die einen Fall der Fehleridentität beschreiben. Wenn nämlich der Wirksamkeitsmangel des zwischen Alt- und Neuschuldner geschlossenen Rechtsverhältnisses auf die Wirksamkeit des zwischen Neuschuldner und Gläubiger geschlossenen Übernahmevertrages ausstrahle, soll dieser eigenständige Wirksamkeitsmangel des Übernahmegeschäfts sehr wohl beachtlich sein. Als Beispiel nennen die Entwurfsverfasser in Anlehnung an Art. II.-7:201 DCFR den Fall, dass der Gläubiger den maßgeblichen Irrtum verursacht hat, von ihm positiv wusste oder hätte wissen können und er den Neuschuldner unter Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben in dem Irrtum gelassen hat, oder aber, wenn er dem Irrtum selbst unterlag. 69 Siehe die Zusammenstellung bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1095 f. 70 Insofern zustimmend Maurer, Schuldübernahme, S. 323. 68
I. Schuldübernahme
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greifenden Bedenken bestehen71, zumal die Regelungen auch wesentliche Ausnahmen vorsehen. Die wichtigste Ausnahme besteht in einem Fortbestand der Sicherheiten an einer Sache, die im Zuge der zwischen Alt- und Neuschuldner getroffenen Abrede mit der Schuldposition auf den Übernehmer transferiert werden soll. Von praktischer Bedeutung ist diese Sonderregel insbesondere für unter Eigentumsvorbehalt an den Altschuldner gelieferte Sachen, deren Kaufpreisschuld vom Neuschuldner mit samt der Kaufsache übernommen werden soll72. Das macht Sinn. Ist der Übernehmer nämlich Sicherungsgeber, ist er typischerweise nicht daran interessiert, das Sicherungsrecht für seine persönliche Leistungspflicht einfach aufzugeben73. Zudem bleibt auch die von einem Dritten bestellte Sicherheit – in Übereinstimmung mit § 418 Abs. 1 S. 3 BGB – bestehen, wenn er sich damit einverstanden erklärt, dass die Sicherheit nun auch die Verbindlichkeit des Neuschuldners sichern soll. Ist dies nicht der Fall, ist der Sicherungsgeber befreit. Hinter diesen Regelungen stehen die im Zusammenhang mit dem Akzessorietätsprinzip dargelegten Grundgedanken74, die allesamt in der Sache überzeugen und deshalb mit Recht auch für das europäische Schuldübernahmerecht zur Anwendung gelangen. Besonderheiten gelten für die im deutschen Recht nicht geregelte unvollkommene Schuldübernahme. Da der Altschuldner nach dieser Variante von seiner Leistungspflicht nur insofern befreit wird, als der Übernehmer auch tatsächlich die Verbindlichkeit erfüllt, ordnet Art. III.-5:207(2) DCFR den Fortbestand der für die ursprüngliche Leistungsschuld bestellten Sicherungsrechte an, soweit der Altschuldner von einer Verbindlichkeit tatsächlich nicht befreit wird. Fällt der Altschuldner in dieser Konstellation aus, realisiert sich allein das vom Sicherungsgeber ursprünglich übernommene Ausfallrisiko des bisherigen Schuldners. Wenn der Altschuldner infolge des Ausfalls des Neuschuldners gleichwohl zur Leistungserbringung herangezogen werden kann, besteht kein Grund, dem Gläubiger den mit der Sicherheitsleistung verschafften Vorteil zu entziehen75. Eine Risikoerhöhung in der Person des Sicherungsgebers tritt nicht ein. Im Gegenteil verbessert sich seine Risikolage tendenziell durch die Option des Gläubigers, vorrangig auf den Neuschuldner zugreifen zu können, der womöglich in einer noch besseren finanziellen Situation ist als der ursprüngliche Schuldner. Die Sicherheit bleibt indes stets bezogen auf die Person des Altschuldners und sichert nicht zugleich das Ausfallrisiko des Übernehmers ab. Insofern zeigen sich maßgebliche Parallelen im Vergleich zum hier entwickelten Reformmodell für eine Schuldübernahme ohne Gläubigermitwirkung, aber mit akzessorischer Mithaftung des Altschuldners76. Nach diesem Vorschlag bleiben die für die ursprüngliche Schuld bestellten Sicherungsrechte ebenfalls bestehen, 71 72 73 74 75 76
Siehe zur Anwendbarkeit des § 418 Abs. 1 BGB im deutschen Recht oben § 12 III. 2. b). So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1094. Zutreffend Maurer, Schuldübernahme, S. 318. Siehe oben § 12 III. 2. So zutreffend v. Bar/Clive, DCFR, S. 1098. Zum Folgenden siehe oben § 18 IV. 6. b).
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
denn das Risiko für den Sicherungsgeber hat sich durch die unveränderte Forthaftung des Altschuldners nicht verändert. Da der Gläubiger auch weiterhin ohne Einschränkungen auf die Altschuldner zugreifen kann, verwirklicht sich mit dessen Ausfall allein das vom Sicherungsgeber ursprünglich übernommene Risiko. Diese Überlegungen bestätigen sowohl die Sinnhaftigkeit von Art. III.5:207(2) DCFR als auch der nämlichen Regelung im vorgeschlagenen Reformmodell.
II. Vertragsübernahme Im Gegensatz zur Schuldübernahme ist die Vertragsübernahme bis heute in den wenigsten kontinentaleuropäischen Kodifikationen positivrechtlich ausgeformt; als Privatrechtsinstitution ist sie aber in Praxis und Wissenschaft weithin anerkennt77. Als Vertragsübernahme bezeichnet man die Übertragung einer gesamten Vertragsposition, die sich von der Abtretung eines einzelnen Forderungsrechts einerseits und der Übernahme einer einzelnen Verbindlichkeit andererseits qualitativ durch ihre rechtliche Komplexität unterscheidet78. Angesichts ihrer zentralen Bedeutung in der modernen Wirtschaftspraxis – die Entwurfsverfasser verweisen namentlich auf Miet-, Darlehens- und Arbeitsverträge sowie andere Dauerschuldverhältnisse79 – hat die Vertragsübernahme im DCFR eine ausdrückliche Regelung erfahren. Sachlich orientieren sich die knappen Modellregeln an den verwandten Vorschriften über die Forderungsabtretung und die Schuldübernahme.
1. Vertragsübernahme als rechtsgeschäftliche Sukzession Die rechtssystematische Nähe der Vertragsübernahme zur Abtretung und Schuldübernahme legt ihre Qualifikation als rechtsgeschäftliche Sukzession nahe80. Dies kommt auch im Wortlaut des Art. III.-5:302(1) DCFR mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck, wenn es dort heißt, ein Vertragspartner könne auf Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung gegen eine andere Person ausgetauscht werden81. Es geht also letztlich um den Transfer einer (komplexen) Vertragsposition vom bisherigen Vertragsteil auf den Vertragsübernehmer. Damit entscheidet sich das Regelungsmodell des DCFR – ebenso wie die
77
Siehe den rechtsvergleichenden Überblick über die aktuellen Vorschriften sowie Rechtsprechung und Schrifttum bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1104 ff. 78 Zur Dogmatik nach deutschem Recht siehe oben § 4 II. 6. 79 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 1102; ebenso schon v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 715. 80 Ebenso das deutsche Recht; siehe oben § 4 II. 6. b). 81 Noch klarer spricht Art. 9.3.1 PICC von einer Übertragung der Vertragsposition von einer Person auf die andere.
II. Vertragsübernahme
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Modellregeln zur Schuldübernahme82 und Abtretung83 – bewusst gegen eine Novationslösung, aufgrund derer die Vertragsübernahme zweiaktig (1.) durch die Beendigung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses und (2.) durch die Begründung eines neuen – inhaltsgleichen – Vertragsverhältnisses bewerkstelligt werden müsste84. Entscheidet man sich mit dem DCFR in überzeugender Weise für die Sukzessionslösung, sorgt dies auf Rechtsfolgenseite der Vertragsübernahme ohne weiteres für einen identitätswahrenden Übergang der Vertragsposition auf den Nachfolger (sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip)85. Mit anderen Worten besteht das ursprüngliche Vertragsverhältnis fort und erfährt nur eine personelle Änderung. Der Vertragsübernehmer tritt anstelle des ausscheidenden Vertragsteils in das (komplexe) Schuldverhältnis (im weiteren Sinne) ein86 und erwirbt so sämtliche vertraglichen Rechte und Pflichten, und zwar exakt mit dem Inhalt und in dem Umfang wie sie zuvor dem ursprünglichen Vertragspartner zustanden.
2. Beteiligung des verbleibenden Vertragspartners In Übereinstimmung mit der Schuldübernahme gem. Art. III.-5:203(1) DCFR setzt die Vertragsübernahme nach Maßgabe des Art. III.-5:302(1) DCFR – wie schon zuvor Art. 12:201(1) PECL und Art. 9.3.3 PICC – die Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners voraus. Auch wenn die Entwurfsbegründung hierzu keine ausführliche Begründung mitliefert87, dürfte die wertungsmäßige Parallele zur Schuldübernahme für das Zustimmungserfordernis ausschlaggebend gewesen sein. Das ist im Hinblick auf die Kohärenz des DCFR nicht zu beanstanden und entspricht auch der Rechtslage in sämtlichen europäischen Rechtsordnungen88. Allerdings sollte im Rahmen einer Kodifikation der Vertragsübernahme auf nationaler und europäischer Ebene als zusätzliche Variante auch der hier entwickelte Reformvorschlag für eine zustimmungsfreie Schuldund insbesondere auch Vertragsübernahme89 berücksichtigt werden. In Parallele zum Schuldübernahmerecht ist den Vertragspartnern außerdem die Möglichkeit eingeräumt, bereits im Vorfeld in die Vertragsübernahme einzuwilligen (Art. III.-5:302(1) DCFR); und wiederum wird die Vertragsübernahme unter diesen Umständen nur wirksam, wenn dem verbleibenden Ver82
Siehe nochmals oben § 26 I. 2. Siehe oben § 25 III. 84 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 1103; siehe schon v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 715. 85 Dazu eingehend oben § 12. 86 Zum Schuldverhältnis im weiteren Sinne vgl. nur Larenz, Schuldrecht I, § 2 V; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 8; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 8. 87 Siehe dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 1103. 88 Rechtsvergleichende Umschau bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 1104 ff. 89 Speziell zur Vertragsübernahme siehe oben § 18 IV. 7. 83
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
tragsteil die daraufhin vereinbarte Vertragsübernahme mitgeteilt wird90. Diese Notifikationspflicht ist freilich bei der Vertragsübernahme91 ebenso fehl am Platz wie schon bei der Übernahme einer einzelnen Verbindlichkeit92. Berechtigte Interessen des Vertragspartners können auch im vorliegenden Zusammenhang systemkonform durch die Schaffung respektive analoge Anwendung der für den Schuldnerschutz der Forderungszession geschaffenen Vorschriften (Art. III.-5:119 DCFR) gewährleistet werden.
3. Anwendung von Abtretungs- und Schuldübernahmerecht Bemerkenswert ist das Bekenntnis der Entwurfsbegründung zu der – auch im deutschen Recht93 überwiegend vertretenen – Einheitslehre, welche die Vertragsübernahme als einen Sukzessionstatbestand eigener Art betrachtet und nicht lediglich – wie die Zerlegungslehre – als eine Kombination von Abtretung und Schuldübernahme94. Die Vertragsübernahme wird also gedacht als einheitlicher Übertragungstatbestand, der den gesamten vertraglichen Organismus einschließlich sämtlicher Rechte, Pflichten und sonstiger Rechts- und Schuldpositionen erfasst und mehr ist als eine bloße Zusammenfassung der Übertragungsvorgänge, die sich auf einzelne – positive wie auch negative – Vermögenspositionen beziehen. Mit Blick auf das praktische Ergebnis eines Vertragstransfers erkennen die Entwurfsverfasser aber mit Recht, dass die Vertragsübernahme gerade auf diese Kombination aus Abtretung und Schuldübernahme hinausläuft. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Art. III.-5:302(3) DCFR – ebenso wie zuvor Art. 12:201(2) PECL95 – die Anwendung der Abtretungs- und Schuldübernahmeregeln ausdrücklich anordnet, je nachdem, ob die Übertragung eines Forderungsrechts oder einer Verbindlichkeit in Rede steht.
III. Zusammenfassung Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Schuld- und Vertragsübernahme in der Praxis sowie der fundamentalen Unterschiede im Sachrecht der EU-Mitgliedstaaten erscheint eine Befassung mit den beiden Sukzessionstatbeständen auf europäischer Ebene angezeigt. Eine mögliche Rechtsvereinheitli90 Ebenso schon Art. 9.3.4 PICC und – wenn auch ohne ausdrückliche Regelung – die Kommentare zu Art. 12:201 PECL, bei v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 716. 91 Kritisch auch Remien, in: Harke, Drittbeteiligung, S. 97, 107. 92 Siehe zur Kritik oben § 26 I. 4. b). 93 Dazu oben § 4 II. 6. b). 94 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 1103 f.; so bereits v. Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 716. 95 Etwas detailliertere, in der Sache aber übereinstimmende Vorschriften enthalten Art. 9.3.6 und Art. 9.3.7.
III. Zusammenfassung
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chung sollte – ebenso wie beim europäischen Abtretungsrecht96 – in Form einer dezentralen Angleichung der nationalen Schuld- und Vertragsübernahmerechte erfolgen. Die Schuldübernahme nach DCFR ist als rechtsgeschäftliche Sukzession ausgestaltet. Das ist in rechtspolitischer und ökonomischer Hinsicht uneingeschränkt zu begrüßen. Ermöglicht wird hiermit insbesondere die Geltung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips. Die Modellregeln des DCFR geben drei Varianten der Schuldübernahme vor: Die privative Schuldübernahme zeichnet sich durch eine vollständige Ersetzung des Altschuldners durch den Schuldübernehmer aus und bildet das rechtssystematische Gegenstück zur Forderungsabtretung. Die kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) begründet die zusätzliche Haftung des Beitretenden, ohne indes den Altschuldner aus seiner Verpflichtung zu entlassen. In rechtsdogmatischer Hinsicht handelt es sich um keine Sukzession, sondern um eine Akzession. Eine gleichsam vermittelnde Position nimmt die unvollkommene Schuldübernahme ein, bei welcher der Altschuldner neben dem Übernehmer für den Fall einer Leistungsstörung weiterhaftet. Sie ist in rechtsdogmatischer Hinsicht als verfügende Schuldübernahme unter Begründung einer subsidiären Mithaftung des Altschuldners konzipiert und weist insofern maßgebliche Parallelen zum hiesigen Reformvorschlag einer Übernahmevariante ohne Gläubigerbeteiligung auf. Die Besonderheit des Reformmodells besteht indes in der uneingeschränkten, akzessorischen Haftung des Altschuldners, aufgrund derer es keiner Mitwirkung des Gläubigers bedarf. Auch dieses Modell sollte auf nationaler und europäischer Ebene verankert werden. Nach dem Modell des DCFR ist die Wirksamkeit der privativen und unvollkommenen Schuldübernahme von der Zustimmung des Gläubigers abhängig. Diese kann als Einwilligung schon im Vorfeld der Schuldübernahme erteilt werden. Verfehlt ist es in diesem Zusammenhang indes, dass der Gläubiger vom Übernehmer zusätzlich noch über den Abschluss des Übernahmevertrags informiert werden soll. Die hiermit vom DCFR verfolgte Vertragslösung ist systemwidrig; auf eine obligatorische Übernahmeanzeige sollte verzichtet werden. Ebenso sollte – entgegen Art. III.-5:204, III-5:206 DCFR – auf die Zustimmung des Altschuldners verzichtet werden. Die berechtigten Interessen des Altschuldners werden in entsprechender Anwendung der besonderen Schuldnerschutzvorschriften des Art. III.-5:119 DCFR hinreichend geschützt. Die Rechtsfolgenseite der Schuldübernahme ist primär durch das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip geprägt. In diesem Sinne bleiben dem Übernehmer sämtliche Einwendungen erhalten, die dem Altschuldner gegen den Gläubiger zustanden. Indes kann der Übernehmer – mangels Verfügungsbefugnis – nicht mit einer dem Altschuldner zugewiesenen Forderung gegen den Gläubiger aufrechnen. Zudem sind im Interesse effektiven Gläubigerschutzes Einwen96
Die wesentlichen Argumente (siehe oben § 25 V.) können auf die Schuldübernahme ohne weiteres übertragen werden.
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§ 26 Die europäische Schuld- und Vertragsübernahme
dungen aus dem Verhältnis zum Altschuldner ausgeschlossen, wenn die Schuldübernahme auf einem zwischen Gläubiger und Übernehmer geschlossenen Vertrag beruht. Und schließlich erlöschen mit der Schuldübernahme – im Interesse des Sicherungsgebers – die zugunsten der übergeleiteten Verbindlichkeit bestellten Sicherungsrechte. Das gilt gleichermaßen für akzessorische wie auch für fiduziarische Sicherheiten. Die Vertragsübernahme hat in Art. III.-5:301, III.-5:302 DCFR Eingang in den europäischen Referenztext gefunden. Sie ist als rechtsgeschäftliche Sukzession ausgestaltet und bewirkt einen identitätswahrenden Übergang der gesamten Vertragsposition auf den Nachfolger (sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip). Die Wirksamkeit der Vertragsübernahme sieht die obligatorische Beteiligung des verbleibenden Vertragspartners vor. Zusätzlich sollte nach dem hier vorgeschlagenen Reformmodell eine Vertragsübernahmevariante auf nationaler und europäischer Ebene etabliert werden, die ohne die Zustimmung des Verbleibenden wirksam ist, dafür aber eine akzessorische Mithaftung zur Folge hat. In rechtsdogmatischer Hinsicht vollzieht sich die europäische Vertragsübernahme als Sukzessionstatbestand eigener Art (Einheitslehre). Zur entsprechenden Anwendung gelangen aber gleichwohl im Einzelfall die Vorschriften des europäischen Zessions- und Schuldübernahmerechts.
§ 27 Die europäische Übereignung Die Untersuchung des europäischen Sukzessionsrechts wird komplettiert durch die Analyse der Übereignungsvorschriften des DCFR. Nach einem Blick auf das Regelungsbedürfnis für ein gemeineuropäisches Übereignungsrecht und die bisherigen Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene (I.) werden die zentralen Einzelprinzipien der Mobiliarübereignung nach dem Gemeinsamen Referenzrahmen kritisch gewürdigt. Die Untersuchung beginnt mit dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit (II.) und widmet sich sodann dem einheitlichen Übereignungsansatz (III.), Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip (IV.), Einheits- und Kausalprinzip (V.), dem Publizitätsprinzip (VI.) sowie den Prinzipien der Sukzessionsbefugnis (VII.), des Gutglaubenserwerbs (VIII.) und des Sukzessionsschutzes (IX.). Ein Blick in die Zukunft der europäischen Mobiliarübereignung (X.) rundet die Erörterungen ab.
I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung 1. Zentrale Differenzen der nationalen Übereignungsregeln Das Bedürfnis für eine Harmonisierung des europäischen Rechts der Mobiliarübereignung zeigt sich besonders deutlich anhand der Unterschiede der nationalen Sachenrechte1: In der bisherigen Diskussion wenig beachtet, aber gleichwohl von grundlegender Bedeutung ist die Kontroverse zwischen dem einheitlichen und dem funktionalen Übereignungsmodus2. Während die meisten europäischen Rechtsordnungen – und so auch das deutsche Recht3 – einen einheitlichen Ansatz (unitary approach) verfolgen, wonach der Eigentumswechsel im Zeitpunkt seiner Wirksamkeit in (nahezu) jeder Hinsicht für die rechtlichen Beziehungen zum Sachgegenstand von Bedeutung ist, verfolgen die skandinavischen Sachenrechte einen funktionalen Ansatz (functional approach), aufgrund dessen die Wirkungen des Eigentumsübergangs nicht zu einem einheitlichen, alles entscheidenden Zeitpunkt eintreten, sondern eine differenzierende Regelung der einzelnen Rechtswirkungen und rechtlichen Interessenkonflikte Platz
1 2 3
Dazu ausf. die Beiträge in Drobnig, Property Law (2006). Siehe den Überblick bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4379 f. Zum Ganzen oben § 2.
1120
§ 27 Die europäische Übereignung
greift, mit dem Ergebnis, dass der Übertragung des „Eigentumsrechts“ keine selbstständige Bedeutung für den Eigentumstransfer zukommt4. Die europäischen Sachenrechte unterschieden sich weiterhin danach, ob der Eigentumsübergang – wie in den meisten Rechtsordnungen – von einem wirksamen Verpflichtungsgeschäft abhängt (Kausalprinzip) oder – wie namentlich nach deutschem Recht5 – sich ungeachtet der Wirksamkeit des Kausalgeschäfts auf Grundlage eines selbstständigen dinglichen Vertrages vollzieht (Abstraktionsprinzip)6. Das Konzept des dinglichen Vertrags (Trennungsprinzip) ist eine notwendige Voraussetzung der abstrakten Übereignung7; die kausale Übereignung kann sich sowohl aufgrund eines einheitlichen Rechtsgeschäfts (Einheitsprinzip) als auch auf der Basis eines vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft verselbstständigten dinglichen Vertrages vollziehen (Trennungsprinzip)8. Ein weiterer grundlegender Unterschied der europäischen Sachenrechte besteht in der Unterscheidung zwischen dem Traditionsprinzip und dem (reinen) Konsensualprinzip9. Nach dem Traditionsprinzip hängt die Wirksamkeit der Mobiliarübereignung entscheidend von der Übergabe des Verfügungsobjekts an den Erwerber ab, während nach dem Konsensualprinzip die Einigung der Vertragsparteien ausreicht, um den Eigentumswechsel herbeizuführen. In den einzelnen Rechtsordnungen sind die jeweiligen Grundpositionen typischerweise nicht streng durchgehalten, sondern durch zahlreiche Ausnahmen und Durchbrechungen aufgelockert. Insgesamt zeigen sich Konvergenzbewegungen10. Aus deutscher Perspektive von besonderer Bedeutung ist die Zulassung der Mobiliarübereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (constitutum possessorium), das zu einer wesentlichen Annäherung an das Konsensualprinzip führt11. Gleichwohl weisen die nationalen Sachenrechte noch immer erhebliche Differenzen auf, die im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr als Übertragungshindernisse wahrgenommen werden und eine Vereinheitlichung des europäischen Rechts der Mobiliarübereignung nahelegen12.
4
Zum Problem ausf. unten § 27 III. Siehe oben § 7 II. 6 Siehe zur Abtretung nach DCFR bereits oben § 25 II. 3. b) sowie v. Bar/Clive, DCFR, S. 4381 f.; Lurger, FS Ansay, S. 167, 178 f.; die Unterschiede relativierend Bartels, in: Faber/Lurger, Rules, S. 59 ff., 63. 7 Zum Trennungsprinzip nach deutschem Recht siehe oben § 7 I. 8 Siehe zur Abtretung nach DCFR bereits oben § 25 II. 3. a) sowie v. Bar/Clive, DCFR, S. 4382. 9 Siehe bereits ausf. oben § 10 I. sowie v. Bar/Clive, DCFR, S. 4380 f. 10 Deutlich herausgearbeitet auch bei Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9 ff., 35 f.; vgl. weiter Lurger, FS Ansay, S. 167, 178 f. 11 Zum Ganzen siehe oben § 10 IV. 12 Vgl. frühzeitig Drobnig, in: Martiny/Witzleb, Wege, S. 169 ff. 5
I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung
1121
2. Internationales Sachenrecht und internationale Modellregeln Gleiches gilt mit Blick auf den gegenwärtigen Stand des Internationalen Sachenrechts. Das Kollisionsrecht der Übereignung ist de lege lata geprägt von der Anknüpfung an den Belegenheitsort der Sache13. Da die Vertragsparteien zum gegenwärtigen Zeitpunkt daran gehindert sind, das auf grenzüberschreitende Übereignungen anwendbare Recht frei zu wählen, führt die Geltung der lex rei sitae vielfach zu einer gespaltenen Anknüpfung des schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dinglichen Verfügungsgeschäfts14. Zudem findet mit der Verbringung des Sachgegenstands ins Ausland ein Statutenwechsel statt, der zu einer neuerlichen sachlich-zeitlichen Spaltung des Sachstatuts führt15. Die aus der doppelt gespaltenen Anknüpfung resultierenden Rechtsanwendungsprobleme des Internationalen Sachenrechts sind hinlänglich bekannt und könnten durch die Zulassung von Rechtswahlfreiheit16 erheblich abgemildert werden. Unberührt bliebe hiervon allerdings das Anerkennungsproblem für ausländische Sachenrechte im Inland17. In dieser Beziehung kann nur eine Rechtsangleichung für Abhilfe sorgen. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass auf europäischer und internationaler Ebene bisher nur wenig spezifisch sachenrechtliche Vorschriften geschaffen worden sind18. Das gilt auch für das unionsrechtliche Sekundärrecht. Vereinzelte Anhaltspunkte finden sich lediglich in Art. 9 Abs. 1 der im Jahre 2011 neugefassten Zahlungsverzugsrichtlinie19. Die Regelung setzt die rechtliche Zulässigkeit eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts voraus, macht darüber hinaus aber keine konkreten Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung des Kollisions- und Sachrechts; es bleibt insofern bei der Geltung nationalen Rechts20. Daneben finden sich noch einige Sonderregeln in der Finanzsicherhei-
13
Siehe oben § 24 I. 1. Dazu ausf. oben § 24 I. 1. c). 15 Siehe oben § 24 I. 2. 16 Für ein Plädoyer siehe oben § 24 II. 17 Speziell dazu siehe oben § 24 I. 2. c) aa) und § 24 II. 2. d). 18 Siehe im Überblick Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 134 ff.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 12 Rn. 5 ff.; Lurger/Faber, Acquisition, S. 208; Karner, Mobiliarerwerb, S. 41 ff.; Simón Moreno, ERPL 2011, 579, 587 ff.; im Überblick Krimphove, Sachenrecht, S. 5 ff.; vgl. ferner Caramelo-Gomes, in: Faber/Lurger, Rules, S. 239, 241 ff.; speziell zum Mobiliarkreditsicherungsrecht Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 184 ff. 19 Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABlEU L 48/1 vom 23.2.2011; ebenso früher Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. L 200/35 vom 8.8.2000. 20 Siehe zur insofern übereinstimmenden Ursprungsfassung von 2000 (oben Fn. 19) EuGH Slg. 2006, I-10597; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 56 Rn. 9, § 59 Rn. 1, § 64 Rn. 134; Schmidt-Kessel, NJW 2001, 97, 101 f.; Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 184. 14
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§ 27 Die europäische Übereignung
tenrichtlinie21 sowie im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Insolvenzen in Art. 5, 7 EuInsVO22. Hinzu kommen auf internationaler Ebene23 die UNIDROIT Convention on International Interests in Mobile Equipment (Cape Town Convention 2001)24, deren Anwendungsbereich sich allerdings auf Flugzeugausrüstungsgegenstände und rollendes Eisenbahnmaterial beschränkt und sachlich das Genfer Übereinkommen über die internationale Anerkennung von Rechten an Luftfahrzeugen von 194825 ergänzen soll. Letzteres bildet wiederum die Grundlage für die Anerkennung nationaler, registrierter Flugzeugrechte. Dem fügt die KapstadtKonvention ein internationales Registerrecht an Flugzeugausrüstungsgegenständen hinzu26. Die Praxis macht von diesen Sicherungsoptionen umfänglichen Gebrauch27. Aus dem Bereich der Modellgesetze ist schließlich noch der UNCITRAL Legislative Guide on Secured Transactions aus 200728 zu erwähnen, dessen Vorschriften speziell auf die Begründung von Sicherungsrechten an beweglichen Sachen zugeschnitten sind. Allerdings enthält der Leitfaden keine Rechtsnormen, sondern lediglich Empfehlungen für die sach- und kollisionsrechtliche Gesetzgebung der Nationalstaaten29. Das UN-Kaufrecht (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) nimmt die Übereignung beweglicher Sachen gem. Art. 4(b) CISG hingegen explizit aus seinem Anwendungsbereich aus. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass es auf internationaler Ebene an Konventionen und Modellregeln für die Mobiliar- und Immobiliarübereignung weitgehend fehlt. Das hat verschiedene Gründe30: Erstens konzentrierten sich die Bemühungen um eine Vereinheitlichung des europäischen Sachenrechts wesentlich auf das Kreditsicherungsrecht. Eine Frucht dieser Entwicklung ist die erwähnte Finanzsicherheitenrichtlinie31. Da auch die wissenschaftliche Diskus21 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABl. L 168/43 ff. vom 27.6.2002; dazu näher Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 185 f.; zusf. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 134. 22 Vgl. nur Wendehorst, in: MünchKommBGB, Vor Art. 43 EGBGB Rn. 4; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, § 12 Rn. 5. 23 Dazu im Überblick Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 13; Lurger/Faber, Acquisition, S. 209. 24 Text ist abgedruckt bei Schulze/Zimmermann, Privatrecht, Nr. II.40; dazu etwa Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 197 f.; Kreuzer, FS Schlechtriem, S. 869 ff.; Kreuzer, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 31, 36 ff.; Kronke, LA Kegel, 2002, S. 33 ff. 25 Text ist abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Verfahrensrecht, Nr. 110. 26 Im Überblick Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 137. 27 Siehe das Zahlenmaterial bei Kreuzer, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 31, 37. 28 Text ist abrufbar unter http://www.uncitral.org (zuletzt abgerufen am 6.10.2014); dazu die Beitrag von Veneziano, in: Eidenmüller/Kieninger, Future, S. 113 ff., 135 ff.; Lukas, ebenda, S. 135 ff. 29 Vgl. Kreuzer, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 31, 34. 30 Dazu und zum Folgenden: Krimphove, Sachenrecht, S. 8. 31 Siehe nochmals oben Fn. 21.
I. Regelungsbedürfnis und bisherige Entwicklung
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sion auf das Recht der Kreditsicherung fokussierte, blieben andere Bereich des Sachenrechts unterbelichtet. Zweitens ist die Vereinheitlichung des rechtsdogmatisch so anspruchsvollen und rechtspraktisch so bedeutsamen Sachenrechts mit einem ganz erheblichen Aufwand verbunden, dem – je nach inhaltlicher Ausgestaltung eines harmonisierten Sachenrechts – Vorteile nur schwer abschätzbaren Ausmaßes gegenüberstehen. Aus dem gleichen Grund tun sich drittens die nationalen Gesetzgeber mit Eingriffen in den sachenrechtlichen Regelungsbereich schwer. Das bewährte System, das bisher stets als sicheres Fundament für den reibungslosen Güteraustausch in nationalen Sachverhalten sorgte, möchte man nicht leichtfertig einem unbekannten Sachenrechtsregime opfern, das in grenzüberschreitenden Sachverhalten den Vorteil der Einheitlichkeit auf seiner Seite haben mag, dessen Implikationen für die nationale Wirtschaftspraxis indes unübersehbar sein können. Damit verbindet sich ein vierter Gesichtspunkt: Bisher haben sich im Rahmen der gemeineuropäischen Diskussion nämlich noch keine klaren Maßstäbe herausgebildet, anhand derer die inhaltliche Qualität eines europäischen Sachenrechts gemessen werden könnte.
3. Sachenrecht im Gemeinsamen Referenzrahmen Ungeachtet dieser Aspekte sind in dem Gemeinsamen Referenzrahmen Modellregeln für die Übereignung beweglicher Sachen aufgenommen worden32. Die Einbeziehung des Mobiliarsachenrechts ist angesichts der zurückliegenden Entwicklung alles andere als selbstverständlich und war dementsprechend in den beteiligten Kreisen auch lange Zeit heftig umstritten33. Vor allem im Hinblick auf eine etwaige Transformation des wissenschaftlichen Entwurfs in ein konkretes Gesetzgebungsvorhaben, wie es nunmehr mit dem Verordnungsentwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht auf den Weg gebracht worden ist, plädierte eine Position dafür, auf sachenrechtliche Vorschriften zu verzichten34. Glücklicherweise konnte sich der restriktive Regelungsansatz im Ergebnis nicht durchsetzen, verkannte er doch die für zahlreiche Themenkomplexe und Einzelfragen bestehenden Interdependenzen zwischen Vertrags- und Sachenrecht35. Man denke nur an die (kausale oder abstrakte) Ausgestaltung der Übereignung und das hiermit verbundene Problem nichtiger und anfechtbarer Verträge36.
32 Deutsche Fassung ist abgedruckt bei Lurger/Faber, Acquisition, S. 92 ff. Die dort abgedruckten Artikel geben eine zum Teil überarbeitete Version der ursprünglichen sachenrechtlichen Vorschriften des VIII. Buchs des DCFR wieder. 33 Dazu und zum Folgenden v. Erp, in: Schulze, Frame, S. 257 ff. 34 So etwa Schulte-Nölke NJW 2009, 2161; vgl. v. Erp, in: Schulze, Frame, S. 257, 262. 35 Zu den Verbindungslinie zwischen Vertrags- und Sachenrecht siehe Lurger, FS Ansay, S. 167, 174 ff. 36 Näher v. Erp, in: Schulze, Frame, S. 257, 263 f.
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§ 27 Die europäische Übereignung
Der Herausforderung, einheitliche Regeln für ein gemeineuropäisches Sachenrecht zu entwickeln, stellte sich ein Team um die österreichischen Rechtswissenschaftler Brigitta Lurger und Wolfgang Faber37. Sie entwarfen einen Fragenkatalog über den Stand des gegenwärtigen Sachenrechts und baten Vertreter aus den EU-Mitgliedstaaten auf dieser Grundlage um ausführliche Berichte38. Aus den eingegangenen Stellungnahmen schmiedete das Drafting Team die hier mit Fokus auf das Übereignungsrecht behandelten Vorschriften des DCFR-Sachenrechts39. Zentrale Richtungsentscheidungen sowie kontroverse Fragestellungen wurden zumeist in enger Abstimmung mit der für den Referenztext in seiner Gesamtheit verantwortlich zeichnenden Study Group entschieden, die regelungsbedürftigen Details verblieben dem Drafting Team zur selbstständigen Behandlung40. Ebenso wenig wie das Zessions- und Schuldübernahmerecht hat indes die Mobiliarübereignung Aufnahme ins Europäische Kaufrecht gefunden. Ausweislich Erwägungsgrund 27 ist bewusst auf die Schaffung von Übereignungsvorschriften verzichtet worden. Daher stehen die im VIII. Buch des DCFR enthaltenen Modellregeln im Mittelpunkt der nachfolgenden Überlegungen.
4. Besonderheiten der Immobiliarübereignung Die Übereignung von Grundstücken gehört nach Maßgabe des Art. VIII.1:101(1), (2)(f) DCFR nicht zum intendierten Regelungsbereich der Referenzvorschriften41. Stattdessen betonen die Entwurfsverfasser die zentrale Bedeutung der Mobiliarübereignung in Bezug auf die grenzüberschreitende Transaktionspraxis sowie für die Verwirklichung eines europäischen Binnenmarktes42. Die Beschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass für eine gemeineuropäische Regelung der Immobiliarübereignung ein deutlich geringeres praktisches Bedürfnis besteht. Anders als im Mobiliarsachenrecht wirft die Anknüpfung an den Belegenheitsort insbesondere keine größeren Rechtsanwendungsschwierigkeiten auf43. Vor allem hat das Problem des Statutenwechsels angesichts der stationären Lage von Grundstücken keine praktische Relevanz. Für sämtliche grundstücksbezogenen Rechtsgeschäfte gilt das Belegenheitsrecht, das anhand der Lage des Grundstücks unschwer feststellbar ist. Zudem können an Grundstücken aufgrund deren Registergebundenheit nur inländi37 Ausführlich zur Vorgeschichte der sachenrechtlichen Modellvorschriften und den daran beteiligten Institutionen Lurger, in: Faber/Lurger, Rules, S. 1 ff.; ferner Salomons, ERPL 2009, 711, 713 f. 38 Die Berichte sind inzwischen veröffentlicht als Faber/Lurger, Reports, 6 Bände. 39 Zur Bedeutung der Länderberichte siehe Lurger, in: Faber/Lurger, Rules, S. 1, 6 f. 40 Dazu näher v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 293. 41 Siehe dazu noch v. Bar/Clive, DCFR, S. 4206, 4207. 42 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4206. 43 Deshalb sollte sich die für das Internationale Sachenrecht hier befürwortete Rechtswahlfreiheit auch auf das Mobiliarsachenrecht beschränken; vgl. dazu oben § 22 II. 4. c).
II. Prinzip der Sukzessionsfreiheit
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sche Rechte begründet werden, so dass sich Anerkennungsprobleme nur selten stellen. Dementsprechend kann es auch nicht verwundern, dass immobiliarsachenrechtliche Sekundärnormen auf europäischer Ebene absolute Mangelware darstellen44 und das Immobiliarsachenrecht auch im Rahmen der Bestrebungen um die Vereinheitlichung des Europäischen Vertragsrechts bisher außen vor geblieben ist. Alle diese Punkte lassen es nachvollziehbar erscheinen, im Rahmen des VIII. Buchs des DCFR auf Regelungen zum Immobiliarsachenrecht zu verzichten. Folgerichtig steht daher die Übereignung beweglicher Güter45 im Mittelpunkt des letzten Abschnitts.
II. Prinzip der Sukzessionsfreiheit Die Übereignungsvorschriften der Art. VIII.-2:101 ff. DCFR sind einmal mehr Ausdruck des im systemprägenden Prinzip der Privatautonomie verankerten46 Grundsatzes der freien Zirkulationsfähigkeit von Vermögensrechten (Sukzessionsfreiheit). Aus der Perspektive des Eigentümers folgt die ungehinderte Übertragbarkeit des Eigentumsrechts aus seinem umfassenden Herrschaftsrecht an der Sache (ownership), das gem. Art. VIII.-1:202 DCFR neben Nutzung und Zerstörung auch die Übertragung des Gegenstands einschließt. Seine Ausschließlichkeit und grundsätzliche Unbeschränktheit rückt das Eigentumskonzept des DCFR als sachenrechtliches Kernelement in die Nähe des in § 903 BGB kodifizierten Eigentumsbegriffs47. Die aus der Eigentümerstellung folgende Rechtsmacht kann der Inhaber im Wege einer translativen Übertragung des Vollrechts oder einer konstitutiven Abspaltung eines beschränkten dinglichen Rechts realisieren48. Das Verfügungsrecht des Eigentümers wird im Übertragungstatbestand des Art. VIII.-2:101(1)(c) DCFR für eine wirksame Übereignung vorausgesetzt und kann gem. Art. VIII.-1:301(1) DCFR – ebenso wie nach deutschem Recht (vgl. § 137 BGB)49 und bei der europäischen Forderungszession (Art. III.5:108(1) DCFR)50 – kraft privatautonomer Abrede nicht ausgeschlossen werden51. Zentraler Grundgedanke von Art. VIII.-1:301(1) DCFR ist die Sicherung 44
Siehe etwa Remien, FS Ansay, S. 307 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 69. Die Kommentare, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4207, betonen die Limitierung des Anwendungsbereichs des VIII. Buches auf Güter, die nicht mit dem weiter verstandenen Terminus „bewegliche Sachen“ gleichgesetzt werden dürfen, wie er im IX. Buch verwendet werde. Der Güterbegriff des VIII. Buches ist in Art. VIII.-1:201 DCFR definiert; vgl. außerdem die zugehörigen Kommentare, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4247 f. 46 Zur Ableitung aus dem Gedanken der Privatautonomie vgl. auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 4246. 47 So auch Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 927. 48 So ausdrücklich v. Bar/Clive, DCFR, S. 4249. 49 Siehe oben § 4 II. 7., § 4 III. 2. c), § 4 III. 3. d) und § 4 III. 4. e). 50 Dazu oben § 25 III. 3. 51 Zustimmend Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 146. 45
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§ 27 Die europäische Übereignung
der Zirkulationsfähigkeit von Sachenrechten. Übertragungshindernisse, die Rechtsgüter vom Markt fernhalten, verstoßen – so die Kommentare52 mit Recht – gegen das wohlverstandene wirtschaftliche Gemeininteresse. Daher bedürfen Beschränkungen in formeller Hinsicht einer gesetzlichen Grundlage und in materieller Hinsicht einer überzeugenden sachlichen Rechtfertigung. Die Anordnungskompetenz für solche Beschränkungen fällt nach Auffassung der Entwurfsverfasser in den Kompetenzbereich des nationalen Gesetzgebers, der sie durch den Erlass öffentlichrechtlicher Vorschriften ausübe53. Abschließend ist noch kurz darauf hinzuweisen, dass Art. VIII.-1:301 DCFR – im Gegensatz zu Art. III.-5:108(4) DCFR und § 137 S. 2 BGB – keine Regelung in Bezug auf die schuldrechtlichen Wirkungen eines Verfügungsverbots enthält. Die Kommentare verweisen etwas spitzfindig darauf, dass eine entsprechende Vorschrift in rechtssystematischer Hinsicht dem Schuldrecht zuzuordnen sei54. Nichtsdestoweniger erkennen sie aber jedenfalls an, dass ein Verstoß gegen das vereinbarte Verfügungsverbot gegenüber dem Vertragspartner eine Schadensersatzpflicht auslösen kann. Insofern bestehen keine substanziellen Unterschiede zum deutschen Recht und zum europäischen Abtretungsrecht.
III. Einheitlicher Übertragungsansatz Die rechtspolitische Kontroverse zwischen dem in Skandinavien vorherrschenden funktionalen Übereignungsmodell55 und dem einheitlichen Übertragungsansatz kontinentaleuropäischer Provenienz entscheidet der Entwurf gem. Art. VIII.-1:202 DCFR zugunsten des auch im deutschen Recht verankerten einheitlichen Ansatzes, der das Eigentum am Verfügungsgegenstand zum Kernbegriff des europäischen Übereignungsrechts erhebt56. Dementsprechend geht das Sacheigentum mit Verwirklichung des Übertragungstatbestands (Art. VIII.-2:101(1) DCFR) sowohl im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien als auch im Verhältnis zu Dritten auf den Erwerber über (Art. VIII.-2:201(1) DCFR). Nach dem einheitlichen Übereignungsmodell löst die Änderung der Rechtszuständigkeit in einem singulären Moment gleichzeitig ein ganzes Spektrum verschiedenster dinglicher Wirkungen aus. Mit dem Eigentumswechsel verliert der Veräußerer „das umfassendste Recht, das eine Person (…) an einer Sache haben kann“. Dem Erwerber ist ab sofort das Recht gewährt, „die Sache zu nutzen, zu gebrauchen, zu verändern, zu zerstören, darüber zu verfügen und ihre 52 53 54 55 56
So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4376. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4376 mit Beispielen. Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 4376. Siehe das Plädoyer für den funktionalen Ansatz bei Håstad, ERPL 2009, 725 ff. Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4383.
III. Einheitlicher Übertragungsansatz
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Herausgabe zu verlangen“57. Das gilt für das Verhältnis zu Inhabern beschränkter dinglicher Rechte und zu den Gläubigern der Vertragsparteien ebenso wie für das Nutzungs-, Verfügungs- und Sachänderungsrecht sowie für Abwehrund Beseitigungsrechte58. Nur wo sich die aus der Anwendung des unitary approach resultierenden Ergebnisse als sachlich nicht überzeugend darstellen, sorgen limitierte Ausnahmevorschriften für einen angemessenen Ausgleich der Beteiligteninteressen59.
1. Grundsatzwürdigung des einheitlichen Übertragungsansatzes Die Entscheidung für den einheitlichen Übereignungsansatz und damit spiegelbildlich gegen den funktionalen Ansatz, auf dessen Grundlage Einzelvorschriften die unterschiedlichen Wirkungen des Eigentumsübergangs gesondert anordnen, ist nachdrücklich zu begrüßen. Der maßgebliche Sachgrund dafür liegt im notwendigen Umfang von auf Grundlage des funktionalen Ansatzes zu formulierenden Vorschriften60. Ihnen ist immanent, dass sie auf die Lösung konkreter Interessenkonflikte gerichtet sind und nicht wie beim einheitlichen Übertragungsansatz auf die Kodifikation von Grundregeln. Folgte man dem funktionalen Ansatz, wäre der Gesamtregelungsaufwand deutlich höher als auf Grundlage des einheitlichen Modells. Denn für jede Einzelfrage müsste eine separate Regelung getroffen und kodifiziert werden. Das gilt beispielsweise für den Schutz der Gläubiger des Veräußerers und des Erwerbers in Insolvenz und Zwangsvollstreckung, für die Übereignung von Gattungssachen und künftigen Gegenständen nebst deren Auswirkung auf den Insolvenzfall, Vorschriften für die Übereignung aufgrund Kaufvertrags, Schenkung, kraft Gesetzes oder Hoheitsakts, für das dem Eigentum immanente Verfügungs- und Nutzungsrecht sowie für Verteidigungsrechte gegen Dritte. Die skandinavischen Rechtsordnungen bewältigen den hohen Regelungsaufwand, indem sie nur eine begrenzte Anzahl der Rechtsfragen ausdrücklich klären und den Rest der Beantwortung durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft anheimstellen. Mit Blick auf die gerade im Sachenrecht so bedeutenden Grundprinzipien von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist ein Regelungsansatz, der Gesetzeslücken bewusst in Kauf nimmt, nicht zu vereinbaren61. Davon abgesehen spielt die Wahl des Übertragungsansatzes für die Entscheidung der maßgeblichen Sachfragen grundsätzlich keine Rolle. Es ist daher auch 57 Beide Zitate aus der Übersetzung des Art. VIII.-1:202 DCFR, bei Lurger/Faber, Acquisition, S. 92, 93. 58 Aus dem deutschen Recht vgl. Wieling, Sachenrecht I, § 2 II 2; im Kontext der europäischen Debatte siehe Faber, in: Faber/Lurger, Rules, S. 97, 100 f. 59 Dazu sogleich unten § 27 III. 2. 60 Zum Ganzen: v. Bar/Clive, DCFR, S. 4427 ff. 61 Relativierend, letztlich aber gleichwohl ablehnend Faber, in: Faber/Lurger, Rules, S. 97, 116 ff.
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§ 27 Die europäische Übereignung
nicht zu beanstanden, dass sich die Entwurfsverfasser des funktionalen Ansatzes bedienten, als es um die vorgelagerte Analyse der Interessen der an der Mobiliarübereignung Beteiligten ging. Der maßgebliche Vorteil des einheitlichen Übertragungsansatzes bei einer Kodifikation liegt allerdings darin, eine Orientierung für die Entscheidung unbekannter Fragestellungen zu geben62, während sich eine Lückenfüllung auf Grundlage des funktionalen Ansatzes an fragmentarischen Einzelregelungen orientieren muss und damit ein hohes Maß an Unsicherheit in die Rechtsanwendung hineinträgt. Das Problem der Unberechenbarkeit potenziert sich im europäischen Kontext, wenn nationale Gerichte zur Anwendung der versprengten Einzelbestimmungen berufen sind. Erfolgt die Lückenfüllung in ungeregelten Fällen nicht nach einer überschaubaren Zahl von Grundprinzipien, sondern nach differenzierten Detailvorschriften, ist schwerlich vorhersehbar, an welche Regel sich das nationale Gericht zur Entscheidung des konkreten Einzelfalls anlehnen wird63. In diesem Zusammenhang erweist sich das Regel-Ausnahme-Modell des einheitlichen Übereignungsansatzes im Vergleich zum funktionalen Ansatz als deutlich überlegen. Aber auch für die rechtssystematische Verknüpfung des Eigentumsübergangs mit anderen Bereichen des Privatrechts weist der unitary approach Vorteile auf64: Anerkennt man das Eigentumsrecht als Konzept der Rechtszuordnung, kann die Rechtszuständigkeit des Eigentümers als leicht handhabbarer Anknüpfungspunkt für den erlangten Vorteil iSd. Bereicherungsrechts und für das verletzte Rechtsgut iSd. Deliktsrechts dienen. Eine vergleichbare Orientierungshilfe findet sich in funktionalen Übereignungssystemen typischerweise nicht. Und schließlich ist es bemerkenswert, dass der funktionale Ansatz allein bei der Mobiliarübereignung in Erwägung gezogen wird, während sowohl die Forderungsabtretung als auch die Schuldübernahme ausschließlich durch den einheitlichen Übertragungsansatz geprägt sind. Schon im Hinblick auf die notwendige Kohärenz des DCFR liegt es daher nahe, dem unitary approach auch bei der Übereignung beweglicher Sachen zu folgen.
2. Ausnahmen des einheitlichen Übertragungsansatzes Der einheitliche Übertragungsansatz beansprucht auf Grundlage des Gemeinsamen Referenzrahmens keine uneingeschränkte Geltung. Um die maßgeblichen Beteiligteninteressen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, sehen die Modellregeln vereinzelte Ausnahmen vor, die in ihrer Gesamtheit allerdings nicht geeignet sind, die prinzipielle Geltung des einheitlichen Übertragungsansatzes in Frage zu stellen. Im Ergebnis wird man die anerkannten Ausnahmefälle auch als Konzession an die skandinavischen Mitglieder der Study Group 62
Richtig v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 294. So auch Faber, in: Faber/Lurger, Rules, S. 97, 119. 64 Siehe Faber, in: Faber/Lurger, Rules, S. 97, 120 f.; ebenso die Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4576 f. 63
III. Einheitlicher Übertragungsansatz
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begreifen müssen, die sich in den Beratungen energisch gegen das einheitliche Übereignungsmodell zur Wehr gesetzt hatten, sich aber letztlich der kontinentaleuropäischen Mehrheit beugen mussten. Die Bedeutung der im Folgenden zu behandelnden Ausnahmen für das systematische Verständnis des Übertragungsansatzes hält sich allerdings in engen Grenzen. Zum einen handelt es sich bei den meisten Sondertatbeständen um keine echten Durchbrechungen des einheitlichen Übertragungsansatzes, sondern lediglich um Einschränkungen des sachlichen Anwendungsbereichs des in Art. VIII.-2:101(1) DCFR normierten Grundtatbestands. Das gilt namentlich für die Sondervorschriften des Schuld- und Insolvenzrechts (a), die Übereignung unbestellter Sachen (d) und die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts (e). Nur das dingliche Rückfallrecht bei Vertragsaufhebung (b) und die Sondervorschriften für konkurrierende Übereignungen (c) sind als echte Durchbrechungen der einheitlichen Grundregel aufzufassen. Allerdings werden die nachfolgenden Erörterungen zeigen, dass beide Ausnahmetatbestände in der Sache nicht zu überzeugen vermögen und weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene kodifiziert werden sollten. a) Sondervorschriften des Schuld- und Insolvenzrechts Soweit zunächst Art. VIII.-2:201(2), (3) DCFR vorsieht, dass schuldrechtliche Fragestellungen, wie z.B. die Risikoverteilung zwischen den Parteien und Zurückbehaltungs-, Fruchtziehungs- und Nutzungsrechte, sowie Sonderfragen des Insolvenz- und Deliktsrechts von den Wirkungen des (dinglichen) Eigentumsübergangs unberührt bleiben, handelt es sich nach zutreffender Ansicht der Materialien65 um keine (echte) Durchbrechung des einheitlichen Übertragungsansatzes, sondern lediglich um eine Klarstellung zu Art. VIII.-2:201(1) DCFR, die Missverständnisse bezüglich der konkreten Reichweite des Einheitsansatzes zu vermeiden sucht66. Die Sondervorschrift basiert auf der unterschiedlichen Stoßrichtung des schuldrechtlichen Verpflichtungs- und des dinglichen Verfügungsgeschäfts. Während sich das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft dem Grunde nach auf das relative Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber beschränkt, bewirkt das dingliche Verfügungsgeschäft eine Änderung der Rechtszuständigkeit, die in ihrer Absolutheit und Ausschließlichkeit Rechtswirkungen auch gegenüber Dritten entfaltet. Diese Dichotomie schuld- und sachenrechtlicher Wirkungen wird auch nicht dadurch überspielt, dass sich der Entwurf ausdrücklich gegen das aus dem deutschen Recht67 bekannte Trennungsprinzip entschieden hat68. Denn die Frage der (dinglichen) Rechtszuordnung lässt sich 65 66 67 68
So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4575, 4578 f. In diesem Sinne aber – kritisch – Håstad, ERPL 2009, 725, 730 f. Dazu oben § 7 I. Siehe ausf. Kritik unten § 27 V. 1.
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§ 27 Die europäische Übereignung
auch auf dem Boden des Einheits- und Kausalprinzips ohne dogmatische Brüche von der Frage nach der (schuldrechtlichen) Risikoverteilung scheiden. Vorzugswürdiger Regelungsort für die auf das obligatorische Rechtsgeschäft bezogenen Fragestellungen ist – ungeachtet der Kontroverse zwischen Trennungsund Einheitsprinzip – das Schuldrecht. Denn die in Art. VIII.-2:201(2) DCFR kodifizierten Regeln zählen in rechtsdogmatischer Hinsicht nicht zum dinglichen Rechtstransfer, sondern zu den schuldrechtlichen Implikationen des Rechtsgeschäfts69. Dementsprechend finden sich die Regelungen über die Risikoverteilung nach deutschem Recht (vgl. §§ 300, 446 f. BGB) und auch nach den europäischen Modellvorschriften (vgl. Art. IV.A.-5:101 ff., Art. III.-3:401 DCFR) gleichermaßen im Schuldrecht. Ein ganz ähnlicher Gedanke steckt hinter der Sondervorschrift des Art. VIII.-2:201(3) DCFR. Dort ist es die besondere Interessenlage der insolvenz- und zwangsvollstreckungsrechtlichen Anfechtungstatbestände und der – im deutschen Rechtskreis – als Drittschadensliquidation bekannten Rechtsfigur, die zu den dinglichen Übereignungswirkungen ebenfalls nur in mittelbarer Beziehung stehen. Deshalb ist es auch sachlich gerechtfertigt, die bezeichneten Gegenstände aus dem Anwendungsbereich des unitary approach auszuklammern und der Regelung durch Sondervorschriften anheimzustellen. Die rechtspolitische Überzeugungskraft des einheitlichen Übertragungsansatzes bleibt hiervon unberührt. b) Dingliches Rückfallrecht bei Vertragsaufhebung Eine echte Ausnahme vom Einheitsansatz regelt Art. VIII.-2:201(4) DCFR. Ist das Eigentum bereits auf den Erwerber übergegangen, steht dem Veräußerer indes noch ein Zurückbehaltungsrecht am Verfügungsgegenstand zu, dann führt eine Vertragsaufhebung während der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zur Rückübertragung der Sache mit Wirkung ex tunc. Indem der Vorgang im Nachhinein so angesehen wird, als sei das Eigentum niemals auf den Erwerber übergegangen, handelt es sich zugleich um eine Ausnahme von Art. VIII.2:202(3) DCFR, wonach Widerruf und Vertragsaufhebung weder dingliche Rückwirkung entfalten noch zu einem automatischen Rückfall des Eigentums führen sollen. Die Materialien rechtfertigen die Sondervorschrift des Art. VIII.-2:201(4) DCFR mit praktischen Erwägungen70: Wolle der Veräußerer nach einem Zahlungsausfall des Erwerbers den Verfügungsgegenstand anderweitig veräußern, 69
Vgl. auch Faber, in: Faber/Lurger, Rules, S. 97, 102, 105 f. – Gleiches gilt letztlich auch für Ausnahmevorschriften des Insolvenz- oder Steuerrechts, die zwar an den Eigentumsübergang anknüpfen, indes eigene Wertungen in den Themenbereich hineintragen; vgl. zum Insolvenzund Zivilprozessrecht ebenda, S. 106 ff.; siehe ferner die Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4577. 70 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4581; im Ergebnis zustimmend Håstad, ERPL 2009, 725, 740, der indes auf Basis des functional approach argumentiert.
III. Einheitlicher Übertragungsansatz
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fehle ihm die Verfügungsbefugnis über die Sache. Diese erhalte er mit dem Rückfall des Eigentumsrechts automatisch zurück. Dass dieser Rückfall nicht mit Wirkung ex nunc, sondern mit dinglicher Rückwirkung angeordnet werde, beruhe auf dem Vorrang des Veräußerers gegenüber Dritterwerbern und Gläubigern des Erwerbers. Wenn der Erwerber die Gegenleistung nämlich nicht bezahlt habe und sich der Veräußerer noch immer in Besitz des Verfügungsgegenstandes befinde, sei dessen Bestandsinteresse höher zu gewichten als das Interesse eines Dritterwerbers. Zudem schütze die dingliche Rückwirkung den Veräußerer effektiv in der Insolvenz des Erwerbers. Beide Argumente sind zurückzuweisen. Betrachtet man zunächst den Insolvenzfall, dann wird schnell klar, dass es sich wiederum um eine genuin insolvenzrechtliche Fragestellung handelt, die mit dem Eigentumsübergang zwar in Verbindung steht, letztlich aber nicht durch eine Modifikation der Grundregel, sondern durch eine insolvenzrechtliche Sondervorschrift gelöst werden sollte. In der Sache sollte indes von der Anordnung eines dinglichen Rückfallrechts abgesehen und allenfalls ein schuldrechtlicher Anspruch geschaffen werden. Aber auch ein solcher Rückgewähranspruch ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Veräußerer seine Vorleistung nicht auf freiwilliger Basis erbracht hat. Wo sich der Veräußerer hingegen bewusst auf die Vorleistung einlässt, sind seine Interessen als nicht in besonderem Maße schutzwürdig anzusehen. Deshalb sollte in diesem Fall – im Anschluss an die Überlegungen zum Abstraktionsprinzip71 – auf die Gewährung eines besonderen Rückübertragungsanspruches verzichtet werden. Überhaupt lässt sich die gesamte Konstruktion eines dinglichen Rückfallrechts mit den gerade im Sachenrecht so bedeutenden Maximen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht in Einklang bringen. Sie führt dazu, dass zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen in der dinglichen Rechtszuordnung, wie z.B. ein Zwischenerwerb oder die Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts, keinen Bestand haben können. Die berechtigten Interessen von Dritterwerbern werden hierdurch unangemessen beeinträchtigt. Denn auch die Gutglaubensvorschriften der Art. VIII.-3:101 ff. DCFR bieten Dritterwerbern keinen hinreichenden Schutz, weil es aufgrund des beim Veräußerer verbliebenen Sachbesitzes typischerweise an einem tauglichen Rechtsscheinträger fehlt72. Wenn die Modellregeln schon eine dingliche Rückwirkung anordnen, dann sollten sie gleichzeitig sicherstellen, dass Zwischenverfügungen ungeachtet der Rückbeziehung wirksam bleiben, wie es bei der Genehmigung gem. Art. VIII.2:102(2) DCFR der Fall ist73. Davon abgesehen erscheint die gesamte Vorschrift indes entbehrlich.
71 72 73
Zur Risikoverteilung im Insolvenzfall siehe oben § 7 II. 3. e) und unten § 27 V. 2. Für Einzelheiten siehe unten § 27 VIII. 2. Dazu näher unten § 27 VII.
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§ 27 Die europäische Übereignung
c) Konkurrierende Übereignungen Der Entwurf begreift auch die Sonderbestimmung für konkurrierende Übereignungen (Art. VIII.-2:301 DCFR) als Ausnahme vom einheitlichen Übertragungsansatz. In der Sache geht es um folgendes Problem: Veräußert der Eigentümer eine Sache im Rahmen eines gestreckten Erwerbsgeschäfts an den Ersterwerber und ein weiteres Mal an den Zweiterwerber, dann muss entschieden werden, wie der Prioritätskonflikt unter den beiden Erwerbern zu lösen ist, der uns bereits aus dem internationalen74 und europäischen75 Zessionsrecht bekannt ist. aa) Prinzip der zeitlichen Priorität Nach dem Grundsatz der zeitlichen Priorität, dem insbesondere das deutsche Recht folgt76 und dessen Anwendung auch in Ansehung des vom DCFR übernommenen unitary approach nahe gelegen hätte77, wird derjenige Eigentümer der Sachen, in dessen Verhältnis zum Veräußerer die tatbestandlichen Voraussetzungen des Sukzessionstatbestands zuerst vollständig erfüllt sind. Ist der Ersterwerber Eigentümer der Sache geworden, kommt ein Eigentumserwerb des Zweiterwerbers nur noch nach den Grundsätzen des redlichen Erwerbs in Betracht. Ist der Zweiterwerber Eigentümer geworden, geht der Ersterwerber leer aus. Hat der Zweiterwerber den Veräußerer indes vorsätzlich dazu verleitet, seinen mit dem Ersterwerber geschlossenen Vertrag zu brechen, ist der Eigentumserwerb – nach deutschem Recht wegen eines Sittenverstoßes gem. § 138 Abs. 1 BGB78 – nichtig. Der Veräußerer kann die Sache daraufhin vom Zweiterwerber herausverlangen und an den Ersterwerber übertragen. Ausnahmsweise kann der Ersterwerber auch einen unmittelbaren Anspruch gegen den Zweiterwerber auf Herausgabe gem. § 826 BGB haben. Im Übrigen stehen dem Käufer, der am Ende leer ausgeht, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des schuldvertraglichen Kausalgeschäfts zu. Nämliche Grundsätze gelten in der Mehrzahl der vom Traditionsprinzip beherrschten Rechtsordnungen79. bb) Modifikationen des DCFR Nach streitigen Beratungen80 entschieden sich die Entwurfsverfasser ausweislich Art. VIII.-2:301 DCFR für eine Modifikation dieser Grundsätze. Zwar bleibt es dabei, dass Eigentümer grundsätzlich derjenige wird, in dessen Person sämtliche Voraussetzungen des Erwerbstatbestandes zuerst verwirklicht sind. Uneingeschränkt gilt dieser Grundsatz jedoch nur für den Ersterwerber. Der 74 75 76 77 78 79 80
Siehe oben § 22 IV. 3. d). Siehe oben § 25 IV. 4. Siehe oben § 5 I. 3. Im Ergebnis ebenso Stadler, JZ 2010, 380, 389. Siehe exemplarisch BGH NJW 1981, 2184, 2185 ff.; 1988, 1716, 1717. Rechtsvergleichende Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4740 ff. Vgl. Håstad, ERPL 2009, 725, 734.
III. Einheitlicher Übertragungsansatz
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Eigentumserwerb des Zweiterwerbers setzt außerdem voraus, dass er den bestehenden Anspruch des Ersterwerbers weder kannte noch vernünftigerweise kennen musste. War der Zweiterwerber bezüglich des früheren Übereignungsanspruchs hingegen bösgläubig, muss er den Gegenstand an den Veräußerer herausgeben. Der Herausgabeanspruch kann gem. Art. VIII.-2:301(2) DCFR auch vom Ersterwerber geltend gemacht werden und sichert auf diese Weise die Rechtsstellung des Ersterwerbers, wenn der Veräußerer, der sich bereits durch die Zweitverfügung zu seinen vertraglichen Pflichten aus dem früher geschlossenen Schuldvertrag in Widerspruch gesetzt hat, nicht gewillt ist, mit dem Ersterwerber zu kooperieren, oder aber, wenn der Zweiterwerber oder der Veräußerer insolvent sind81. Zur Begründung führen die Materialien im Wesentlichen drei Erwägungen an82: Erstens ermögliche das Gutglaubenserfordernis, dass der Ersterwerber in dem Konflikt mit dem Zweiterwerber häufiger obsiege als auf Grundlage der reinen Lehre, die sich mit deliktischen Ansprüchen behelfen müsse. Zweitens schütze die Sonderregel den Ersterwerber besser im Fall einer Insolvenz des Zweiterwerbers. Da die Sache an sich dem Ersterwerber zustehe, dürfe er auch nicht durch einen unredlichen Akt des Veräußerers um die Sache gebracht werden. Und drittens sei eine sachenrechtliche Lösung des Prioritätskonflikts einem Umweg über das Deliktsrecht vorzuziehen. cc) Stellungnahme zugunsten des reinen Prioritätsprinzips Zunächst ist bemerkenswert, dass die Materialien sämtliche Wertungsgesichtspunkte schuldig bleiben, die hinter den angeführten Argumenten stehen. Der unbefangene Leser kann sich hier des Eindrucks kaum erwehren, dass die Entscheidung vor allem deshalb zugunsten einer Aufwertung der Stellung des Ersterwerbers gefallen ist, weil in zahlreichen dem Konsensualprinzip verhafteten Rechtsordnungen ebenfalls die Gutgläubigkeit des Zweiterwerbers über seinen Vorrang gegenüber dem Ersterwerber entscheidet83. Dessen ungeachtet wäre der Mangel an Sachargumenten hinnehmbar, wenn sich die Bevorzugung des ersten Vertragspartners jedenfalls in der Sache als zutreffend erweisen würde. Dies ist indes nicht der Fall. Denn es besteht kein überzeugender Grund, demjenigen, in dessen Person der Übereignungstatbestand vollumfänglich erfüllt ist, den Rechtserwerb zu verweigern, nur weil er Kenntnis davon hat, dass sich der Veräußerer bereits mit einem anderen Vertragspartner auf eine Übereignung desselben Gegenstands geeinigt hat, die vor dem Rechtserwerb des Zweiterwerbers aber noch nicht vollständig verwirklicht war. Denn den Zweiterwerber müssen die vertraglichen Beziehungen des Veräußerers zu einer anderen Person, auch wenn sie auf dieselbe Sache gerichtet sind, grundsätzlich nicht inte81
Dazu näher v. Bar/Clive, DCFR, S. 4739. Siehe die gesamte Diskussion bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4734 ff. 83 Andeutungsweise v. Bar/Clive, DCFR, S. 4737. – Stadler, JZ 2010, 380, 389 kritisiert die Vorschrift insofern mit Recht als „ein zweifelhaftes Zugeständnis an romanisches Rechtsdenken“. 82
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§ 27 Die europäische Übereignung
ressieren84. Fehlt es demnach an Sachargumenten für die Bevorteilung eines Erwerbsprätendenten, liegt es nahe, beiden Vertragsparteien die gleiche Chance einzuräumen, das Eigentum an der Sache zu erwerben. Eine solche Gleichbehandlung wird indes nur unter Geltung des zeitlichen Prioritätsprinzips in Reinform erreicht. Für die Geltung des reinen Prioritätsprinzips spricht außerdem das Interesse an der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Insbesondere Dritterwerber nach dem zweiten Vertragspartner können sich darauf verlassen, dass ihr Vorgänger nach allgemeinen Grundsätzen Eigentümer werden kann. Auf Grundlage des Art. VIII.-2:301 DCFR müssten sie stattdessen zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen in der Person ihres Vordermannes prüfen, was naturgemäß mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist. Mit dem Redlichkeitserfordernis wird folglich ein Unsicherheitsfaktor in die sachenrechtliche Zuordnung hineingetragen, der die freie Übertragbarkeit beweglicher Sachen nicht erheblich beeinträchtigt. Was für Dritterwerber gilt, gilt gleichermaßen für die Gläubiger des Zweiterwerbers. Deshalb geht auch das Argument fehl, den Interessen des Ersterwerbers gebühre gegenüber den Gläubigern des Zweiterwerbers der grundsätzliche Vorrang. Solange der Ersterwerber nämlich noch nicht vollwirksam erworben hat, ist er mangels gesicherter Erwerbsaussicht auch nicht von vornherein schutzwürdiger als Dritterwerber und die Gläubiger des Zweiterwerbers. Das gilt umso mehr, als der Ersterwerber auf Grundlage des DCFRSachenrechts jede Möglichkeit hat, seine Rechte durch die Vereinbarung eines möglichst frühzeitigen Übereignungszeitpunkts effektiv abzusichern. Wenn er diese Option nicht in Anspruch nimmt, muss er die Konsequenzen tragen und riskiert einen zwischenzeitlichen Zweiterwerb. Die Ungleichbehandlung der beiden Vertragspartner wiegt umso schwerer, als der Zweiterwerber erhebliche Schwierigkeiten haben wird, seine Redlichkeit nachzuweisen, für welche er die Darlegungs- und Beweislast trägt. Das ist besonders misslich, als hier nicht nur positive Kenntnis vom Übereignungsanspruch des Ersterwerbers schadet, sondern – ebenso wie nach den allgemeinen Gutglaubensvorschriften des DCFR85 – bereits einfach (!) fahrlässige Unkenntnis. Da sich letztlich kein Erwerber sicher sein kann, dass der Veräußerer nicht zuvor mit einer anderen Person einen Übereignungsanspruch begründet hat, muss der Erwerber praktisch vor jeder einzelnen Transaktion Nachforschungen über die Berechtigung des Veräußerers anstellen. Tut er dies nicht, läuft er als Zweiterwerber Gefahr sein Eigentum trotz vollständig verwirklichten Übereignungstatbestands aufgrund eines früher begründeten Übereignungsanspruchs zu verlieren. Im Ergebnis muss demnach jeder Erwerber, will er verhindern, dass ihm die Sache im Nachhinein wieder entzogen wird, zeit- und kostenintensive Nachforschungen über die Frage anstellen, ob der Veräußerer den Gegenstand zuvor bereits an einen weiteren potenziellen Erwerber veräußert hat. Die 84 85
Richtig Stadler, JZ 2010, 380, 389. Dazu ausf. unten § 27 VIII. 5. a).
III. Einheitlicher Übertragungsansatz
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damit verbundenen – in der Praxis besonders hohen86 – Transaktionskosten sowie das verbleibende Restrisiko eines nachträglichen Sachentzugs beeinträchtigen die Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen und setzen sich damit zum Prinzip der Sukzessionsfreiheit in Widerspruch. Die Anwendung des reinen Prioritätsprinzips verringert im Gegensatz dazu die anfallenden Transaktionskosten, sorgt für eine effiziente Allokation knapper Ressourcen und steigert so den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Demnach sollte es auch aus rechtsökonomischer Perspektive bei der Geltung des Prinzips der zeitlichen Priorität bleiben und auf Art. VIII.-2:301 DCFR verzichtet werden. Das gilt umso mehr, als die modifizierte Prioritätsregel ausschließlich für die Mobiliarübereignung vorgesehen ist, während Prioritätskonflikte zwischen den nach Buch IX des DCFR begründeten Sicherungsrechten – ebenso wie nach deutschem Recht87 – anhand des reinen Prioritätsprinzips gelöst werden88. Über die Rangfolge mehrerer Sicherungsrechte an ein und derselben Sache entscheidet nach Maßgabe des Art. IX.-4:101(1), (2) DCFR die Reihenfolge ihrer Begründung. Darüber hinaus gebührt wirksam entstandenen Sicherungsrechten, aber auch anderen beschränkten dinglichen Rechten89, gem. Art. IX.-4:101(3) DCFR der ausnahmsweise Vorrang gegenüber nicht wirksam begründeten Sachenrechten. Vor diesem Hintergrund muss es wertungswidersprüchlich erscheinen, wenn der Zweiterwerber nur unter erhöhten Voraussetzungen Sacheigentum erwerben kann. Folglich ist die Sonderregel insgesamt als systemwidrige Benachteiligung des potenziellen Zweiterwerbers abzulehnen. Weder ins europäische noch ins deutsche Mobiliarsachenrecht sollte eine vergleichbare Vorschrift aufgenommen werden. d) Übergabe unbestellter Sachen Eine weitere Ausnahme vom einheitlichen Übertragungsansatz beinhaltet Art. VIII.-2:304(3) DCFR für die Übergabe unbestellter Sachen. In Abweichung von der Grundregel liegt eine Übergabe in diesem Fall nur dann vor, wenn die unbestellte Sache in den körperlichen Herrschaftsbereich des erwerbenden Verbrauchers gelangt. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Verbraucher nur dann darüber entscheiden kann, ob er mit dem Versender einen Kaufvertrag abschließen möchte, wenn er die unbestellt gelieferte Sache unmittelbar selbst in Händen hält und untersuchen kann90. Gegen diese Vorschrift ist sachlich nichts einzuwenden. Allerdings wird man die hiermit verbundene Abweichung vom unitary approach als eher geringfügig einschätzen dürfen. Sie ist dem Verbraucherschutz geschuldet und fällt insofern aus dem sachenrechtsdogmatischen Rahmen. Jedenfalls erscheint es schwerlich 86 87 88 89 90
Zu diesem Aspekt siehe Krimphove, Sachenrecht, S. 172: „extrem hoch“. Siehe nochmals oben § 5 I. 3. Vgl. auch den Hinweis bei Håstad, ERPL 2009, 725, 734. So ausdrücklich die Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 5554. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4791.
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§ 27 Die europäische Übereignung
gerechtfertigt, den einheitlichen Übertragungsansatz unter Hinweis auf Art. VIII.-2:304(3) DCFR in Frage zu stellen. Stattdessen liegt der sachliche Vorteil der Vorschrift darin, überhaupt den Eigentumsübergang auf den Verbraucher anzuordnen. Ob dies mit Blick auf § 241a BGB auch für das deutsche Recht gilt, ist heute noch immer heillos umstritten91. Um ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz zu verhindern, wird man die vom DCFR gewählte Lösung – zumindest de lege ferenda – auch für das deutsche Recht befürworten können. e) Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts Schließlich wird gem. Art. VIII.-2:307 DCFR auch bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts iSd. Art. IX.-1:103 DCFR insofern vom Grundtatbestand des Art. VIII.-2:101 DCFR abgewichen, als der Erwerber bereits vor der vollständigen Übertragung des Eigentums eine gesicherte Rechtsposition gegenüber dem Veräußerer erwirbt, dem nach allgemeinen Grundsätzen an sich auch weiterhin das Vollrecht zugeordnet sein müsste. Der Eigentumsvorbehalt ist nach dem DCFR als Anwartschaftsrecht des Erwerbers konstruiert. Hierdurch wird dem Erwerber das Recht, nach ordnungsgemäßer Entrichtung des Kaufpreises das Vollrecht an der Sache zu erwerben, nicht nur im Verhältnis zum Veräußerer, sondern auch gegenüber den Gläubigern des Veräußerers gesichert. Dahinter steckt der Gedanke, dass ein Erwerber, der seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Veräußerer stets ordnungsgemäß erfüllt, nicht Gefahr laufen soll, den bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises im Eigentum des Veräußerers befindlichen Verfügungsgegenstand am Ende des Zahlungszeitraums doch nicht zu Eigentum zu erwerben. Auch wenn die Materialien die Vorschrift selbst als eine Ausnahme zum einheitlichen Übertragungsansatz ansehen92, darf nicht verkannt werden, dass der Erwerber gerade nicht das Volleigentum am Verfügungsgegenstand erwirbt. Unter entsprechender Anwendung des Art. VIII.-2:101 DCFR erwirbt er allerdings ein Anwartschaftsrecht, das gem. Art. VIII.-1:204(c) DCFR als dingliches Recht zu charakterisieren und auch als solches zu behandeln ist93. Insofern 91 Für den Eigentumsübergang: Finkenauer, in: MünchKommBGB, § 241a Rn. 40; SchmidtKessel, in: PWW, BGB, § 241a Rn. 3; Löhnig, JA 2001, 33, 35; Riehm, Jura 2000, 505, 512; für einen Übereignungsanspruch Dorn, in: HKK, BGB, § 241a Rn. 24; dagegen die wohl h.M.: Krebs, in: AnwKommBGB, § 241a Rn. 28; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 241a Rn. 5; Olzen, in: Staudinger, BGB, § 241a Rn. 35 f.; Saenger, in: Erman, BGB, § 241a Rn. 17; Sosnitza, BB 2000, 2317, 2322; Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193, 212. 92 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4818. 93 Terminologische Kritik an der Bezeichnung des Anwartschaftsrechts als „contingent right“ übt Salomons, ERPL 2009, 711, 723. Die Verwirrung rührt daher, dass der Erwerber das Eigentumsrecht bedingt auf die vollständige Zahlung der Gegenleistung erwirbt, ihm das Anwartschaftsrecht an der Sache indes schon jetzt zusteht, wobei die Innehabung auch dieser Rechtsposition davon abhängt, dass der Erwerber seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Veräußerer nachkommt; vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4818.
IV. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip
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vermag auch Art. VIII.-2:307 DCFR den unitary approach nicht grundsätzlich in Frage zu stellen.
IV. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip Qualifiziert man die Eigentumsübertragung als eine Änderung der Rechtszuständigkeit am Verfügungsgegenstand, dann muss im Erwerbszeitpunkt exakt feststehen, welche Sache von der Rechtsänderung konkret betroffen ist. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip dienen in diesem Zusammenhang wiederum dem allgemeinen Interesse an der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Zumindest in ihren maßgeblichen Grundzügen sind die beiden Prinzipien sämtlichen europäischen Rechtsordnungen bekannt94.
1. Identifizierung von Gattungssachen Dementsprechend bestimmt Art. VIII.-2:101(3) DCFR folgerichtig, dass das Eigentum an einer nur gattungsmäßig bestimmten Sache erst übergehen kann, wenn der Verfügungsgegenstand hinreichend identifiziert ist. Auffallend schwer tun sich die Materialien allerdings mit der Präzisierung des Bestimmtheitserfordernisses. Ganz bewusst verzichten die Entwurfsverfasser auf eine Standardsetzung und betrachten die Konkretisierung des Verfügungsgegenstands stattdessen als Beweisfrage95. Mit der Einordnung des Bestimmtheitsprinzips als Beweisfrage ist das Problem freilich nicht gelöst. Denn Beweis kann nun einmal nur für Tatsachen angetreten werden, die einen hinreichend präzisierten Standard erfüllen. An einer Standardsetzung, die notwendig im materiellen Recht erfolgen muss, führt kein Weg vorbei. Deshalb bemühen sich die Materialien auch, einige Anhaltspunkte für die Bestimmtheitsanforderungen im Einzelfall zu geben96. Dabei fällt auf, dass die Kommentare die Frage der schuldrechtlichen Konkretisierung des Leistungsinhalts, wie sie § 243 Abs. 2 BGB für die Erfüllung des Leistungsanspruchs nach deutschem Recht verlangt, auf der einen Seite und die Frage der dinglichen Identifizierung des Verfügungsgegenstands, die für den Eintritt der Sukzessionswirkungen entscheidend ist, auf der anderen Seite in unzulässiger Weise miteinander vermengen. Auch wenn der DCFR dem Einheits- und Kausalprinzip folgt97, sind die für die konkrete Rechtszuordnung von Gegenständen geltenden Standards gegenüber schuldrechtlichen Bindungen tendenziell erhöht. Der Verfügungsgegenstand muss für die Vertragspar94 95 96 97
Rechtsvergleichende Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4452 ff. So ausdrücklich v. Bar/Clive, DCFR, S. 4436. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4436 f. Dazu unten § 27 V.
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§ 27 Die europäische Übereignung
teien eindeutig bestimmbar sein; auf die Erkennbarkeit für Dritte kommt es nach zutreffender Auffassung hingegen nicht an98. An diesen Grundsätzen sollte sich eine Präzisierung des allzu kursorisch geratenen Art. VIII.-2:101(3) DCFR orientieren.
2. Übertragung von Sachgesamtheiten Eine echte Besonderheit bietet der vom englischen Recht99 inspirierte bulk sale nach Maßgabe des Art. VIII.-2:305 DCFR. Unter einem bulk versteht der Entwurf eine Menge vertretbarer Sachen, denen gemeinsam ist, dass sie sich in einer bestimmten Räumlichkeit befinden. Scheitert die Übereignung einer Teilmenge des bulk daran, dass die betreffenden Sachen entgegen Art. VIII.-2:101(3) DCFR nicht eindeutig bestimmbar sind, erwirbt der Erwerber Miteigentum an der Gesamtmenge. Das heißt im Klartext: Der Erwerber wird nicht etwa Miteigentümer an jeder konkreten Einzelsache, sondern er erwirbt ein dingliches Teilrecht an der Sachgesamtheit als solcher. Insofern markiert Art. VIII.-3:305 DCFR eine Durchbrechung des Spezialitätsgrundsatzes, der in seiner deutschrechtlichen Ausprägung verlangt, dass dingliche Rechte stets nur an Einzelgegenständen begründet werden können100. Man mag die Sondervorschriften als eine Entscheidung für mehr Einzelfallgerechtigkeit auffassen101. Allerdings dürfen bei allem Streben nach individueller Gerechtigkeit nicht die gerade im Sachenrecht so entscheidenden Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit aus den Augen verloren werden. Und tatsächlich sind die Sondervorschriften über den bulk sale im Hinblick auf ihre hohe Komplexität mit deutlichen Worten zu kritisieren. Denn sie werfen im Zusammenhang mit der Schaffung von Miteigentumsanteilen an einer Sachgesamtheit schwierigste Rechtsfragen auf, die weder im Entwurf selbst noch in den zugehörigen Kommentaren überzeugend adressiert worden sind102. Davon abgesehen ist die Abweichung vom Spezialitätsprinzip aber auch für sich schon verfehlt. Zwar sind Rechte an Sachgesamtheiten in juristischer Hinsicht denkbar. Indes werfen Zuordnungsänderungen an solchen „Gesamtrechten“, die gleichsam auf einer Metaebene über den Grundzuordnungsverhältnissen angesiedelt sind, große praktische Schwierigkeiten auf103. Dafür verantwortlich sind Friktionen zwischen den Grundzuordnungsverhältnissen und der zweiten Zuordnungsebene des Gesamtrechts. Sie können nur durch eine umfas98
Es gilt der oben in § 8 II. entwickelte minimalistische Bestimmtheitsansatz. Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4811 ff.; vgl. ferner v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 303 ff. 100 Dazu oben § 8 I. 101 So v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 333; ähnlich Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 51. 102 Dazu ausf. v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 303 ff. 103 Dazu und zum Folgenden bereits oben § 8 I. 3. 99
V. Einheits- und Kausalprinzip
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sende Regelung des Verhältnisses der beiden Zuordnungsebenen zueinander bewältigt werden. Insbesondere muss geregelt werden, wie Einzelgegenstände in die Gesamtmenge aufgenommen und wieder ausgeschieden werden können. Angesichts des zusätzlichen Regelungsaufwands und der verbleibenden Zweifelsfragen lassen mehrstufige Zuordnungsverhältnisse im Vergleich zu einer Gesamtheit von Einzelzuweisungen keine Effizienzvorteile, sondern eher zusätzliche Transaktionskosten erwarten. Aus diesem Grund sollte sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene auf die Begründung von sachenrechtlich schwer abbildbaren Sonderzuordnungsverhältnissen an Sachgesamtheiten und daher auch auf die Anerkennung des bulk sale als systemwidrige Ausnahme vom Spezialitätsprinzip verzichtet werden.
V. Einheits- und Kausalprinzip Die bedeutendste Abweichung vom deutschen Recht liegt darin, dass die europäische Mobiliarübereignung nicht dem aus dem deutschen Recht bekannten Trennungs- und Abstraktionsprinzip folgt, sondern nach Maßgabe der Art. VIII.-2:101(1)(d), (2), VIII.-2:202 DCFR kausal ausgestaltet ist (Kausalprinzip) und sich – unter Verzicht auf ein selbstständiges dingliches Vollzugsgeschäft – auf Grundlage eines einheitlichen Übertragungsgeschäfts vollzieht (Einheitsprinzip). Angesichts der weiten Verbreitung des Kausalprinzips in Europa kann es nicht überraschen, dass sich der Entwurf gegen die von nur wenigen europäischen Staaten gepflegten Besonderheiten des Abstraktionsprinzips entschieden hat104. Diese Grundsatzentscheidung hat auch die Verfasser des Zessionsrechts veranlasst, die Forderungsabtretung kausal auszugestalten105. Sehr bemerkenswert und wenig konsequent ist hingegen der Verzicht auf den selbstständigen dinglichen Vertrag als dogmatische Rechtsfigur des europäischen Mobiliarerwerbs106. Der Verzicht auf das Trennungsprinzip überrascht nicht nur angesichts der für die Dichotomie von Kausal- und Vollzugsgeschäft streitenden Sachgründe, sondern vor allem deshalb, weil der Referenztext an dieser Stelle fundamental von der Forderungszession107 und Schuldübernahme108 abweicht, die sich jeweils auf Grundlage eines vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft verselbstständigten Verfügungsgeschäfts vollziehen.
104 Das betont auch Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 49; vgl. kritisch Stadler, JZ 2010, 380, 385; zuvor noch zuversichtlicher Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 43; Wieling, ZEuP 2001, 301 ff. 105 Dazu ausf. oben § 25 II. 3. b). 106 Ausdrücklich gegen das Konzept eines separaten dinglichen Vertrags v. Bar/Clive, DCFR, S. 4384. 107 Siehe oben § 25 II. 3. a). 108 Siehe oben § 26 I. 6. c).
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§ 27 Die europäische Übereignung
Mit dem Verzicht auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip und weitgehend auch des Traditionsprinzips109 rückt die Mobiliarübereignung nach Maßgabe des Art. VIII.-2:101(1) DCFR in deutliche Nähe zum französischen Recht110. Dass diese Richtungsentscheidung im Folgenden wenig Beifall ernten wird, versteht sich angesichts der affirmativen Würdigung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips deutscher Prägung111 fast von selbst112. Die Analyse der für und gegen beide Strukturprinzipien streitenden Sachargumente hat ihre Bedeutung für das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit und die freie Gestaltbarkeit der individuellen Verhältnisse der Vertragsparteien deutlich vor Augen geführt. Daran können die nachfolgenden Überlegungen anknüpfen und sich auf die in den Materialien sowie im zugehörigen Schrifttum vorgetragenen Gründe beschränken, die für die Entscheidung zugunsten des Kausal- und Einheitsprinzips ausschlaggebend waren113.
1. Einheitsprinzip Eine rechtsvergleichende Umschau ergibt ein klares Übergewicht zugunsten des vom DCFR adaptierten Einheitsprinzips114. Das gegenteilige Trennungsprinzip ist vor allem in kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen verbreitet, die dem Traditionsprinzip verhaftet sind. Rechtsordnungen, die dem Konsensualprinzip folgen, verzichten typischerweise auf ein besonderes dingliches Vollzugsgeschäft, wie namentlich die französische Rechtsfamilie, aber auch die Rechtsordnungen des Common Law und Skandinaviens. Dort wird ein separater dinglicher Vertrag schlicht für überflüssig gehalten. Und in diesem Sinne betonen auch die Kommentare zu Art. VIII.-2:101 DCFR, neben dem Grundgeschäft bestehe kein Bedürfnis für ein weiteres Rechtsgeschäft115. 109
Dazu sogleich unten § 27 VI. So auch Stadler, JZ 2010, 380, 383 f.; vgl. noch pointiert Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 146: „Im Bereich des Übereignungsrechts (…) kann man sich des Eindrucks eines Rückschritts in die konfuse Welt des gemeinen Rechts schwer erwehren.“ 111 Siehe ausf. oben § 7. 112 Für eine Übernahme des Abstraktionsprinzips auf europäischer Ebene z.B. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 146 f.; Stadler, JZ 2010, 380, 388; Drobnig, in: Hartkamp, Code, S. 1003, 1018 f., 1021; Krimphove, Sachenrecht, S. 477 f.; Huber, FS Canaris I, S. 471, 512; Kern, Typizität, S. 523; a.A. Füller, in: Faber/Lurger, Rules, S. 197, 204; Richter, FS Wadle, S. 927, 943; Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 49; gegen die Adaption eines der beiden Prinzipien überhaupt Bartels, in: Faber/Lurger, Rules, S. 59 ff. 113 Nicht noch einmal behandelt wird der Einwand der Kommentare, der dingliche Vertrag, der zumeist konkludent geschlossen wird, sei fiktiv oder jedenfalls künstlich und lebensfremd (so v. Bar/Clive, DCFR, S. 4417). Auf diese Kritik ist oben § 7 I. 3. bereits ausführlich repliziert worden. Hier sei nur mit Stadler, JZ 2010, 380, 386 darauf hingewiesen, dass sich auch ein juristischer Laie sehr wohl des Unterschieds bewusst sei, ob er eine Sache verkaufe und damit eine Verbindlichkeit gegenüber dem Käufer eingehe oder ob er das Eigentum an der Sache tatsächlich übertrage. 114 Eingehendes Material bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4437 ff.; vgl. auch Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 49. 115 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4417 f.; kritisch Drobnig, in: Hartkamp, Code, S. 1003, 1021. 110
V. Einheits- und Kausalprinzip
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Das deutsche Schrifttum vermutet hinter dieser Grundsatzposition die latente Abneigung der Entwurfsverfasser gegen eine übermäßige Dogmatisierung der Mobiliarübereignung, betrachtet sie zugleich als Konzession an das systemarme Rechtsdenken angloamerikanischer Prägung116 und erklärt die Entscheidung für das Einheits- und Kausalprinzip „mit einer Schwäche deutscher Repräsentanz gepaart mit einer zuweilen etwas leichtgeschürzten fehlenden Wertschätzung des eigenen Rechtssystems“117. Das mag richtig sein, bleibt allerdings im Bereich des Spekulativen. Ausgangspunkt einer kritischen Analyse können nur die in den Kommentaren niedergelegten Sachargumente sein. Die Materialien meinen, neben dem Grundgeschäft, wie z.B. einem Kaufvertrag, bestehe kein Bedürfnis für ein weiteres – dingliches – Rechtsgeschäft, um sachenrechtliche Wirkungen herbeizuführen118. Vielmehr folge dieses Ergebnis bereits aus einer Interpretation der Parteierklärungen. Der Verkäufer verpflichte sich durch Kaufvertrag nicht nur, dem Käufer Eigentum und Besitz an der Sache zu verschaffen, sondern wolle zugleich das Eigentum an der Sache übertragen. Der Käufer erkläre sich im Gegenzug zumindest konkludent mit dem Eigentumsübergang einverstanden. Diese Interpretation der kaufvertraglichen Vereinbarung ist mutig. Denn sie läuft im Ergebnis darauf hinaus, dem Verkäufer stets einen Übereignungswillen unterzuschieben, auch wenn er einen solchen tatsächlich gar nicht haben sollte. Das gilt namentlich für den Fall, dass der Verkäufer die vertraglich geschuldete Gegenleistung noch nicht erhalten hat. Dann, aber auch in vielen weiteren Fällen, läuft die Annahme eines auf Übereignung gerichteten Verkäuferwillens auf eine unzulässige Fiktion hinaus. Unter Geltung des DCFR ist das Problem freilich dadurch entschärft, dass die Vertragsparteien sich notwendig über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs einigen, der Verfügungsgegenstand an den Erwerber übergeben oder ein Übergabesurrogat vereinbaren müssen. Der Veräußerer wird in allen diesen Fällen aber sein Einverständnis auch speziell zum dinglichen Rechtsübergang erklären. Überhaupt muss sich der Entwurf fragen lassen, was die bezeichnende Einigung über den Übereignungszeitpunkt anderes sein soll, als ein verkappter dinglicher Übereignungsvertrag. Deshalb sollte der Übereignungszeitabrede auch derjenige rechtsdogmatische Rang zugebilligt werden, der ihr in rechtssystematischer Hinsicht gebührt – der Rang eines selbstständigen dinglichen Vertrages119. Dafür streitet auch der Umstand, dass die Einigung nicht notwendig mit dem Abschluss des Grundgeschäfts zusam-
116
Dazu Stadler, JZ 2010, 380, 385. So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 64 Rn. 147. 118 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4417 f. 119 In diese Richtung wird man auch v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 297 f. verstehen müssen, der außerdem noch terminologische Kritik am Entwurf äußert (S. 299 f.). Anderweitige Kritik äußert Stadler, JZ 2010, 380, 385, die einen Mangel an privatautonomer Ausgestaltung ausmacht, soweit nur über den Zeitpunkt der Übertragung befunden werden könne, nicht aber ein grundsätzlicher Willensakt von Veräußerer und Erwerber anzuerkennen sei. 117
1142
§ 27 Die europäische Übereignung
menfallen muss, sondern noch nachträglich abgeschlossen werden kann120. Die Rechtsfigur des separaten dinglichen Vertrags ist bestens geeignet, die mit der Vereinbarung des Übereignungszeitpunkts verbundenen Konstruktionsschwierigkeiten zu bewältigen. Nichts anderes gilt im Übrigen für die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts: Auch wenn die Materialien zutreffend hervorheben, dass sich der Veräußerer das Eigentum auch unter Geltung des Einheitsprinzips wirksam vorbehalten kann121, so bereitet die juristische Konstruktion des Eigentumsvorbehalts ohne Rückgriff auf die Figur des selbstständigen Verfügungsgeschäfts erhebliche Schwierigkeiten, die mit der Anerkennung eines dinglichen Vertrags leicht behoben werden können122: Steht das Rechtsgeschäft, aus dem sich der Übereignungsanspruch ergibt, unter einer aufschiebenden Bedingung, geht das Eigentum gem. Art. VIII.-2:203(2) DCFR mit Bedingungseintritt auf den Erwerber über123. Nimmt man die Textfassung ernst, bezieht sich die vereinbarte Bedingung auf das Grundgeschäft als solches und damit auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Diese Annahme wird dem Parteiinteresse indes regelmäßig zuwiderlaufen. Zwar soll das Eigentum erst mit Kaufpreiszahlung übergehen; der zugrunde liegende Schuldvertrag soll seine Wirkungen jedoch regelmäßig unbedingt mit seinem Abschluss entfalten. Wie dem Parteiwillen bei der Anerkennung eines einheitlichen Grundgeschäfts entsprochen werden kann, bleibt auch nach sorgfältiger Lektüre der Materialien ein Rätsel. Dort erfährt man nur, dass die Bedingung im Zusammenhang mit der Einigung über den Übereignungszeitpunkt vereinbart werde124. Das hilft indes aus rechtskonstruktiver Perspektive nicht weiter. Denn zum einen wird hiermit die Unterscheidung zwischen Bedingung und Befristung faktisch aufgegeben125. Zum anderen bestätigt die Verknüpfung zwischen Bedingung und Einigungszeitpunkt einmal mehr den dinglichen Charakter der Übergangszeitabrede. Würde sich der Entwurf für die Adaption des Trennungsprinzips und die Anerkennung einer separaten dinglichen Einigung entscheiden, stünde einer interessengerechten Lösung der bezeichneten Konstruktions- und Rechtsanwendungsprobleme nichts im Wege. Für das Trennungsprinzip spricht außerdem die Behandlung der Sicherungsübereignung beweglicher Sachen126. Hier kann der Entwurf auf einen separaten dinglichen Vertrag ebenso wenig verzichten wie bei der Abtretung von Forde120
Dazu siehe unten § 27 VI. 1. b). Zu leicht abgetan von den Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4418 f.; ähnlich reserviert auch Füller, in: Faber/Lurger, Rules, S. 197, 204 ff. 122 So bereits oben § 7 I. 3.; so auch Kritiker des Abstraktionsprinzips, wie z.B. Joost, FS Zöllner, S. 1161 ff.; im Ergebnis auch Harke, GPR 2012, 292, 297 Fn. 42; ders., RabelsZ 72 (2008), 326 ff.; ebenso v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 297 f., der als weiteren Beispielsfall die Stellvertretung beim Mobiliarerwerb anführt. 123 Zum Problem auch Stadler, JZ 2010, 380, 386 f.; v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 298. 124 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4700, 4704. 125 Siehe Stadler, JZ 2010, 380, 387 unter Hinweis auf v. Bar/Clive, DCFR, S. 4704. 126 Vgl. auch den Hinweis von Stadler, JZ 2010, 380, 386; v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 298 f. 121
V. Einheits- und Kausalprinzip
1143
rungsrechten oder der Übernahme von Verbindlichkeiten. Dementsprechend ist Voraussetzung für die Einräumung von Sicherungsrechten gem. Art. IX.2:105(d) DCFR die Einigung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer über die Begründung eines Sicherungsrechts. Die Materialien betonen in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Notwendigkeit einer Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft127. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig einleuchtend, für den praktisch so wichtigen Fall der Sicherungsübereignung (sowie für die Forderungszession und Schuldübernahme) ein besonderes Verfügungsgeschäft zu verlangen, nicht aber gleichermaßen auch für den Grundtatbestand der Mobiliarübereignung. Diese Differenzierung lässt die Übertragungsvorschriften des DCFR wenig kohärent erscheinen, und zwar unabhängig davon, ob man sich zugleich für die Geltung des Abstraktions- und (oder) Publizitätsprinzips entscheidet. Gegen das Trennungsprinzip kann – entgegen der Materialien128 – auch nicht eingewendet werden, der Veräußerer könne dem Erwerber kurz vor Sachübergabe einen vertragswidrigen Eigentumsvorbehalt aufdrängen129. Richtig ist zwar, dass der Erwerber sich auf das Angebot des Veräußerers einlassen muss, will er in den Besitz der Sache gelangen. Allerdings ließe sich das Problem ohne weiteres durch Schaffung einer Regelung lösen, die es dem Veräußerer verbietet, dem Erwerber einseitig einen Eigentumsvorbehalt aufzuzwingen130. Ob diese Regelung indes klug wäre, erscheint andererseits zweifelhaft, handelt es sich bei der vorliegenden Fragestellung doch nicht um ein Sonderproblem des dinglichen Vertrags. Die Gefahr eines abredewidrigen Parteiverhaltens stellt sich durchweg in Austauschsituationen. Der Erwerber ist darauf verwiesen, seinen vertraglichen Leistungsanspruch im Klagewege zu realisieren. Schließlich hat er gegen den Veräußerer einen Anspruch auf unbedingte Übereignung und Übergabe der beweglichen Sache. Auch wenn das Eigentum bereits mit Abschluss des Grundgeschäfts auf den Erwerber übergegangen ist, kann der Veräußerer die Sachübergabe vereinbarungswidrig von der erwerberseitigen Zustimmung zu der (nachträglichen) Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts abhängig machen. Wiederum kann der Erwerber seinen unbedingten Übergabeanspruch klageweise durchsetzen. Weiterhin werfen die Entwurfsverfasser die Frage auf, zu welchem Zeitpunkt ein etwaiger dinglicher Vertrag zustande komme; denkbar ist zum einen der Abschluss gemeinsam mit dem schuldrechtlichen Kausalgeschäft und zum anderen mit Übergabe des Verfügungsgegenstands131. Diese Frage ist durchaus berechtigt und auch von erheblicher rechtspraktischer Bedeutung. Im Hinblick auf die Notwendigkeit eines separaten dinglichen Vertrags besitzt die Frage in127 128 129 130 131
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 5420 f. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4419. Gegen diese Argumentation zutreffend auch Stadler, JZ 2010, 380, 386. So v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 296. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4417.
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§ 27 Die europäische Übereignung
des keine Relevanz; stattdessen ist sie in Abhängigkeit von der Kontroverse zwischen Konsensual- und Traditionsprinzip zu entscheiden. Folgt man dem Entwurf darin, die Vertragsparteien selbst über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs entscheiden zu lassen (Konsensualprinzip), liegt in dieser Willensäußerung zugleich der separate dingliche Vertrag, den der DCFR nicht anerkennen will132. Die Antwort auf die Ausgangsfrage lautet auf Grundlage des Referenztextes also schlicht Privatautonomie. Die Vertragsparteien bestimmen nach freiem Belieben über den Zeitpunkt der dinglichen Einigung. Fehlt es daran, gilt als default rule des Entwurfs das Traditionsprinzip133. Dann ist es nur konsequent, den Abschluss des dinglichen Vertrags mit der Übergabe des Verfügungsgegenstandes zusammenfallen zu lassen. Votiert man – mit den besseren Gründen – für das Konsensualprinzip als Auffangregel, fällt das dingliche Vollzugsgeschäft typischerweise mit dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zusammen.
2. Kausalprinzip Auf der Grundlage des mobiliarsachenrechtlichen Einheitsprinzips begibt sich der Referenztext von vornherein jeder Möglichkeit zur Entfaltung des Abstraktionsprinzips. Denn ohne rechtlich verselbstständigtes Verfügungsgeschäft scheidet die Entkopplung des Eigentumsübergangs vom (schuldrechtlichen) Grundgeschäft a priori aus134. Dementsprechend ist es nur konsequent, die Mobiliarübereignung nach dem DCFR kausal auszugestalten. In der Grundnorm des Art. VIII.-2:101(1)(d) DCFR kommt das Kausalprinzip unmissverständlich zum Ausdruck, wenn für den Eigentumsübergang ein (wirksamer) Anspruch des Erwerbers gegen den Veräußerer auf Übereignung des Verfügungsgegenstands vorausgesetzt wird135. Fehlt es an dem Übereignungsanspruch oder ist er unwirksam, schlägt dieser Mangel des Grundgeschäfts gem. Art. VIII.-2:202(1) DCFR ungehindert auf den Sukzessionsvorgang durch: Ist das Grundgeschäft von Anfang an ungültig, findet demnach kein Eigentumsübergang statt. Wird nach Übertragung des Eigentums das Grundgeschäft angefochten, tritt diejenige Rechtslage ein, die ohne das vernichtete Rechtsgeschäft bestanden hätte (Art. VIII.-2:202(2) DCFR)136. 132
Abweichend Lurger, in: van Erp, Future, S. 47. Dazu ausf. unten § 27 VI. 2. 134 Zum Verhältnis von Trennungs- und Abstraktionsprinzip siehe oben § 7 II. 1. 135 Von der Notwendigkeit eines solchen Übereignungsanspruchs geht auch Art. VIII.2:101(2) DCFR aus. 136 Gleiches soll gelten, wenn die Anfechtung noch vor Übergabe der Sache erfolgt ist, z.B. weil ein Mitarbeiter des veräußernden Unternehmens in Unkenntnis der zuvor zugegangenen Anfechtungserklärung den Gegenstand gleichwohl an den Erwerber ausliefert; vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4658. Außerdem ist auf Art. VIII.-6:102 DCFR hinzuweisen, wonach der Veräußerer die Rückgabe einer Sache verlangen kann, die aufgrund eines ungültigen oder angefochtenen Rechtsgeschäfts übergeben worden ist. 133
V. Einheits- und Kausalprinzip
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Eine rechtsvergleichende Umschau auf die europäischen Mobiliarsachenrechte zeigt, dass die meisten Rechtsordnungen einem vergleichbar strukturierten Kausalsystem folgen; nur im deutschen Recht sowie – in dessen Gefolgschaft und mit Abstrichen – in Griechenland und Estland gelten Abstraktionssysteme137. Nach dem Abstraktionsprinzip zeitigen Rechtsmängel des Verpflichtungsgeschäfts bekanntlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf das (rechtlich verselbstständigte) Verfügungsgeschäft. Mit anderen Worten ist die abstrakte Mobiliarübereignung auch dann wirksam, wenn es an einem (wirksamen) Übereignungsanspruch des Erwerbers fehlt. Die aufgrund des dinglichen Vollzugsgeschäfts entstandene Rechtszuordnung ist allerdings nicht endgültiger Natur. Vielmehr erfolgt die Rückabwicklung der ohne rechtfertigenden Grund geleisteten Sache nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts. Mit den bekannten Argumenten wenden sich die Kommentare gegen das Abstraktionsprinzip138: Den wesentlichen Vorteil des Abstraktionsprinzips erblicken die Verfasser darin, dass es den Rechtsverkehr vor der unentdeckten Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfts schützt. Verkehrsschutz werde aber gleichermaßen durch Zulassung des redlichen Erwerbs gewährleistet139. Sei der Erwerber nicht redlich im Sinne der Gutglaubensvorschriften, verdiene er auch keinen durch das Abstraktionsprinzip verwirklichten, darüber hinausgehenden Schutz. Die rechtspolitische Durchschlagskraft dieser Argumentation hängt maßgeblich von den Anforderungen ab, die das jeweilige Rechtssystem an den Gutglaubenserwerb stellt. Nimmt man vor diesem Hintergrund an Art. VIII.-3:101 DCFR Maß, sind die Voraussetzungen für den redlichen Erwerb vergleichsweise streng: Nicht allein, dass dem Erwerber bereits einfach (!) fahrlässige Unkenntnis der mangelnden Veräußererberechtigung schadet, der Erwerber trägt darüber hinaus auch die Darlegungs- und Beweislast für seine eigene Redlichkeit140. Gemessen an diesen Anforderungen bedeutet es eine erhebliche Beeinträchtigung der ungehinderten Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen und damit zugleich auch des Prinzips der Sukzessionsfreiheit, wenn Wirksamkeitsmängel des Grundgeschäfts den Eigentumsübergang stets und ständig vereiteln. Den Erwerber treffen extensive Nachforschungsobliegenheiten schon dann, wenn er auch nur die leisesten Zweifel an der Unwirksamkeit des Vorerwerbsgeschäfts oder der materiellen Berechtigung seines Veräußerers überhaupt hegt. Die hiermit verbundenen Transaktionskosten verhindern eine effiziente Allokation der knappen Ressourcen und beeinträchtigen den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. 137
Siehe die eingehenden rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4437 ff. Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 4425 ff.; zustimmend etwa Harke, GPR 2012, 292 ff. 139 So auch Bartels, in: Faber/Lurger, Rules, S. 59, 62; Füller, ebenda, S. 197, 202; Harke, GPR 2012, 292 ff. 140 Zu den Voraussetzungen des redlichen Erwerbs ausf. unten § 27 VIII. 138
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§ 27 Die europäische Übereignung
Das genaue Gegenteil gilt für das Abstraktionsprinzip, wie bereits die rechtsökonomische Analyse des deutschen Rechts zeigte141. Besonders deutlich treten die Vorzüge des Abstraktionsprinzips in Veräußerungsketten hervor142. Dort kann sich jeder Erwerber darauf verlassen, dass Wirksamkeitsmängel des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts die abstrakte dingliche Rechtsposition des Veräußerers nicht tangieren. Im Kausalsystem muss – soweit die Regeln des gutgläubigen Erwerbs keine Erleichterung bringen – nicht nur die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts, sondern auch die Wirksamkeit sämtlicher schuldrechtlicher Verpflichtungsgeschäfte verifiziert werden, die ihrerseits deutlich fehleranfälliger sind als Verfügungsgeschäfte. Daher ist das Abstraktionsprinzip für das Mobiliarsachenrecht dem Kausalprinzip überlegen und sollte auf europäischer Ebene etabliert werden. Entscheidet man sich mit diesen143 und den bereits zum deutschen Recht144 angeführten Sachargumenten für das Abstraktionsprinzip, dann führt auch an einer Implementierung des Trennungsprinzips als notwendige Konstruktionsvoraussetzung der abstrakten Übereignung auf europäischer Ebene kein Weg vorbei.
VI. Publizitätsprinzip Der Publizität der Mobiliarübereignung wird auf Grundlage des DCFR eine nur untergeordnete Bedeutung zuteil. Als Grundsatz gilt, dass die Parteien gem. Art. VIII.-2:101(1)(e) DCFR selbst und unabhängig von der physischen Übergabe der Sache über den Zeitpunkt des Eigentumswechsels bestimmen. In der Sache können sie – ebenso wie beispielsweise nach Art. 17(1) UK Sale of Goods Act – frei zwischen der Geltung des Konsensual- und des Traditionsprinzips wählen, so dass der Eigentumsübergang sowohl mit Vertragsabschluss als auch mit Sachübergabe stattfinden kann. Ebenso gut können sie sich auf einen noch später liegenden Übereignungszeitpunkt verständigen, wie z.B. auf einen Eigentumsübergang nach vollständiger Kaufpreiszahlung. Dementsprechend ist das Traditionsprinzip – anders als nach deutschem Recht145 – nicht länger Grundvoraussetzung für den Erwerb beweglicher Sachen. Bedeutung kommt ihm nur noch als default rule zu. In diesem Punkt weicht die Mobiliarübereignung deutlich von der Begründung von Mobiliarsicherheiten ab, die gegenüber 141
Dazu ausf. oben § 7 II. 3. c). Die Kettenveräußerung hat in Art. VIII.-2:303 DCFR eine spezielle Regelung erfahren; dazu mit Recht kritisch Stadler, JZ 2010, 380, 390. 143 Gegen das Abstraktionsprinzip kann auch nicht eingewendet werden, dass die Gläubiger des Erwerbers dem Veräußerer, der kraft Bereicherungsrechts einen Anspruch auf Rückübertragung des Verfügungsgegenstands hat, vorgezogen würden; so aber v. Bar/Clive, DCFR, S. 4426; ebenso Bartels, in: Faber/Lurger, Rules, S. 59, 62; dagegen mit Recht Stadler, JZ 2010, 380, 388 sowie bereits oben § 7 II. 3. e). 144 Dazu oben § 7 II. 3. 145 Dazu oben § 10 III. 142
VI. Publizitätsprinzip
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Dritten nach Maßgabe der Art. IX.-3:102, IX-3:201 ff. DCFR nur nach Besitzübertragung oder Registrierung wirken.
1. Vereinbarung des Übereignungszeitpunkts Mit der Kombination von Parteiabrede und Übergabe ist die Mehrheit der Study Group auf diejenigen Mitglieder zugegangen, die während der Beratungen für eine Übernahme des reinen Konsensprinzips eingetreten waren146. Dieser Umstand ist im DCFR-begleitenden Schrifttum nicht allenthalben zur Kenntnis genommen worden. Vor allem aus deutscher Perspektive ist die Abkehr vom herkömmlichen Traditionsprinzip heftig kritisiert worden147: Der Hauptvorwurf lautet, die in den Materialien dokumentierte Diskussion hätte sich darauf beschränkt, die mit dem – reinen – Konsensprinzip verbundenen Nachteile durch die Gewährleistung von Privatautonomie bezüglich des Übereignungszeitpunkts abzumildern. Eine sorgfältige Analyse der mit einem Publizitätsakt, wie der Übergabe, verbundenen Vorteile sei indes unterblieben. Außerdem sei die Tragweite des klassischen Traditionsprinzips unterschätzt worden. Die geübte Kritik erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht gerechtfertigt148. Stattdessen sprechen die besseren Gründe für die vom DCFR empfohlene, privatautonome Bestimmbarkeit des Übereignungszeitpunkts ungeachtet der physischen Übergabe des Verfügungsgegenstandes. Der damit auch in das Recht des Mobiliarerwerbs hineingetragene Grundsatz der Privatautonomie ermöglicht eine rechtspolitisch überzeugende Fortentwicklung des Übereignungsrechts, die uneingeschränkte Zustimmung verdient (a). Auch die Einigung über den Übereignungszeitpunkt lässt sich ohne größere Schwierigkeiten in die europäische Privatrechtsdogmatik integrieren (b). Als eigentliche Schwierigkeit entpuppt sich – im Anschluss an diese Grundentscheidung für eine privatautonome Bestimmbarkeit des Übereignungszeitpunkts – die Frage nach der Auffangregel für den Fall, dass die Vertragsparteien keine Abrede über den Übereignungszeitpunkt treffen. Bei Abwägung sämtlicher Aspekte sprechen die gewichtigeren Argumente gegen das vom DCFR bevorzugte Traditionsund stattdessen für das Konsensualprinzip als default rule (c). Diese Grundsätze sollten auf europäischer und nationaler Ebene Anwendung finden (d).
146
Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4383. Der nämliche Ansatz findet sich außerdem bei Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 35 ff. 147 So insbesondere Stadler, JZ 2010, 380, 383 ff. 148 Positiv zum Entwurf auch Salomons, ERPL 2009, 711, 715: „This (scil.: a mixed traditioconsensual transfer system) may turn out to be a brilliant solution ….” Zuvor bereits für eine Wahl des Übereignungszeitpunkts Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 46; Kullerkupp, ebenda, S. 47, 51 f.
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§ 27 Die europäische Übereignung
a) Rechtspolitische Würdigung Für die freie Wahl des Übereignungszeitpunkts – ungeachtet der Übergabe des Verfügungsgegenstands – sprechen zahlreiche gute Gründe. Aus rechtssystematischer Perspektive von besonderem Gewicht und deshalb auch an erster Stelle zu nennen ist der hiermit gewährleistete Gleichlauf zur Abtretung von Forderungen und der privativen Übernahme von Verbindlichkeiten149. Bekennt man sich zu den strukturellen Gemeinsamkeiten der Sukzessionsformen, liegt es nahe, auch die Vertragsparteien der Mobiliarübereignung privatautonom über den Übereignungszeitpunkt entscheiden zu lassen. Die Angleichung der Sukzessionsformen leistet in diesem Zusammenhang einmal mehr einen integralen Beitrag zu einem wertungs- und systemkohärenten Recht der rechtsgeschäftlichen Sukzession. Hinzu kommt noch eine ganze Reihe weiterer Argumente, die ebenfalls für die Zulässigkeit einer Übereignungszeitabrede ins Feld geführt werden können. aa) Konvergenz von Konsensual- und Traditionsprinzip Für die freie Wahl des Übereignungszeitpunkts spricht zunächst der Umstand, dass sich die beiden Übereignungsmodelle im Laufe der Zeit einander deutlich angenähert haben. Nahezu sämtliche europäischen Rechtsordnungen gewährleisten den Parteien heute die Freiheit, über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs nach Maßgabe ihrer individuellen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnisse frei zu entscheiden150. Das versteht sich unter Geltung des Konsensualprinzips fast von selbst. Danach kann praktisch jeder nach Abschluss des Grundgeschäfts liegender Zeitpunkt vereinbart werden. Aber auch in zahlreichen Rechtsordnungen, die dem Traditionsprinzip folgen, kann der Rechtsübergang durch die Vereinbarung eines constitutum possessorium unabhängig vom Erfordernis der physischen Übergabe auf einen beliebigen Zeitpunkt festgelegt werden. Ferner ist heute anerkannt, dass sowohl die dem Konsensualprinzip verhafteten Rechtsordnungen zahlreiche Ausnahmen zugunsten des Übergabeerfordernisses kennen, während die dem Traditionsprinzip verhafteten Rechtsordnungen vor allem in der praktischen Anwendung die Übereignung häufig auch ohne physische Übergabe zulassen151. Für beide Übereignungssysteme sind folglich deutliche Konvergenzbewegungen auszumachen. Ob die Unterschiede in der praktischen Anwendung allerdings tatsächlich so gering ausfallen, wie zuweilen behauptet, erscheint zweifelhaft. Zentrale Differenzen zeigen sich insbesondere in der Insolvenz von Veräußerer und Erwerber. 149
Zedent und Zessionar können gem. Art. III.-5:104 iVm. Art. II.-1:102 DCFR nach Belieben über den Zeitpunkt des Rechtsübergangs entscheiden; vgl. auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 4434. Aufgrund der strukturellen Parallelen kann für die Schuldübernahme nichts anderes gelten. 150 Rechtsvergleichende Hinweise finden sich bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4479 ff.; siehe ferner Lurger, FS Ansay, S. 167, 178. 151 Eingehend Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9 ff., 35 ff.
VI. Publizitätsprinzip
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Mehrheitlich wird noch immer die Auffassung vertreten, dass die rechtliche Zuordnung auch über die Zugehörigkeit des Verfügungsgegenstandes zur Insolvenzmasse entscheide. Nach dem Traditionsprinzip gehört der Gegenstand bis zur Übergabe zum Vermögen des Veräußerers und unterliegt insofern auch dem Zugriff der Gläubiger des Veräußerers, nicht indes dem der Gläubiger des Erwerbers. Unter Geltung des Konsensprinzips können die Gläubiger des Erwerbers hingegen bereits mit dem wirksamen Abschluss der Übereignungsabrede auf den Verfügungsgegenstand zugreifen152. bb) Schutz von Gläubigerinteressen Aber auch mit Blick auf berechtigte Gläubigerinteressen sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, weshalb nicht den Vertragsparteien letztlich die Entscheidung darüber überlassen bleiben sollte, nach welchem der beiden Übereignungsmodi sich der Mobiliarerwerb vollziehen soll. Zwar wird noch immer zuweilen argumentiert, die Offenkundigkeit der einzelnen Vermögensgegenstände vermittle dem Gläubiger eine Vertrauensgrundlage für seine potenziellen Befriedigungsaussichten. Allerdings ist im Laufe der Untersuchung immer wieder thematisiert worden, dass die Bedeutung der physischen Innehabung einer Sache für den modernen Rechts- und Wirtschaftsverkehr mit seinen Eigentumsvorbehalten, Sicherungsübereignungen und Leasingverträgen heute weitgehend entwertet ist153. Und auch die Materialien des DCFR können sich den modernen Gegebenheiten nicht verschließen154. Deshalb kamen die Entwurfsverfasser mit Recht überein, dass der Publizitätsgedanke nach seinem klassischen Verständnis als Offenkundigkeitsprinzip in Bezug auf die Entscheidung für ein Konsens- bzw. Traditionsmodell außer Betracht bleiben müsse. Das gelte umso mehr angesichts des Umstands, dass eine etwaige Vertrauensgrundlage überhaupt nur für Neugläubiger angenommen werden könne, während Altgläubiger ein vergleichbares Vertrauen auf eine erst später begründete Herrschaft nicht geltend machen können. Tatsächlich können Altgläubigern die neu erworbenen Gegenstände nur dann als Basis dienen, wenn sie hinsichtlich ihres Engagements neue Entscheidungen treffen, wie z.B. ob sie den Rückzahlungszeitpunkt auf Wunsch des Schuldners hinausschieben wollen. Davon abgesehen haben ungesicherte Gläubiger kein Recht, auf einen bestimmten Gegenstand zur Befriedigung ihrer finanziellen Interessen zurückzugreifen155. Denn die Gläubiger können sich nicht darauf verlassen, dass die Besitzlage an beweglichen Sachen mit der Eigentümerstellung einhergeht. Dieser Umstand ist auch in rechtspolitischer Hinsicht nicht zu beanstanden, sind hoch 152
Dazu ausf. Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 40 ff. unter Hinweis auf etwaige Ausnah-
men. 153
Siehe oben § 10 IV. Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 4404 f.; vorsichtig zustimmend Stadler, JZ 2010, 380, 384. 155 Zum deutschen Recht siehe bereits oben § 10 III. 2. c). 154
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§ 27 Die europäische Übereignung
entwickelte Volkswirtschaften doch darauf angewiesen, dass Eigentum und Besitz zum Zwecke einer arbeitsteiligen Wirtschafts- und Kreditsicherungspraxis auseinanderfallen. In diesem Zusammenhang sei nur auf die ökonomischen Vorzüge der deutschen Sicherungsübereignung verwiesen156. Darüber hinaus hat der ungesicherte Gläubiger keinen Anspruch, zur Befriedigung seiner Forderungen auf einen bestimmten Gegenstand des Schuldners zugreifen zu können. Deshalb ist das Traditionsprinzip auch in rechtssystematischer Hinsicht nicht der richtige Ort, berechtigte Gläubigerinteressen zu verwirklichen. Dazu berufen sind vielmehr Spezialvorschriften des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts, namentlich deren besondere Anfechtungsvorschriften, wie sie sich im deutschen Recht etwa in §§ 129 ff. InsO und dem AnfG finden. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Sondervorschriften nicht erfüllt, bleibt es dem Rechtsinhaber vorbehalten, die ihm zugewiesene Sukzessionsfreiheit nach Belieben zu realisieren. Dahinter müssen die Interessen ungesicherter Gläubiger zurückbleiben. Zudem kann der Schuldner sein Eigentum auf anderem Wege verloren haben, die Sache kann beispielsweise zerstört oder bereits von einem anderen Gläubiger des Schuldners gepfändet worden sein. Kurzum: Die physische Sachherrschaft gewährleistet für sich keinerlei Schutz gegen den zukünftigen Verlust von Vermögensgegenständen. Deshalb kann das Traditionsprinzip auch nicht für Gläubigerinteressen in Anspruch genommen werden. cc) Ökonomische Analyse Weiterhin entspricht die freie Wahl des Übereignungszeitpunkts dem Grundanliegen des DCFR, im Interesse der Vertragsparteien eine möglichst effiziente Lösung, d.h., einen mit möglichst niedrigen Transaktionskosten verbundenen Gütertransfer zu gewährleisten157. In diesem Zusammenhang muss man sich zunächst darüber im Klaren sein, dass mit der Einhaltung der durch das Traditionsprinzip vorgegebenen – zusätzlichen – Voraussetzungen auch zusätzliche Kosten verbunden sind, die aufgrund ihrer sukzessionshemmenden Wirkung nur zu rechtfertigen wären, wenn sie durch einen zusätzlichen Nutzen, namentlich für den Erwerber, aufgewogen würden158. Das wird typischerweise nur dort der Fall sein, wo es dem Erwerber gezielt darauf ankommt, die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Sache zu erlangen und sie ungestört zu seinen individuellen Zwecken physisch nutzen zu können. Steht indes bei der Rechtsübertragung nicht die Nutzung des Sachgegenstands im Vordergrund, sondern die Verwendung der Sache als Kreditsicherungsmittel, wirkt ein obligatorisches Übergabeerfordernis kontraproduktiv. Nicht nur der Sicherungsgeber hat dann ein berechtigtes Interesse daran, die Sache weiter gewinnbringend gebrauchen zu können. Auch der Sicherungsnehmer wird vielfach an einem Gebrauch durch den Sicherungsgeber interessiert sein, möchte er doch an dem mit der 156 157 158
Dazu ausf. oben § 10 IV. 2. b). So v. Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 60. Dazu ausf. bereits oben § 10 III. 4.
VI. Publizitätsprinzip
1151
Sachnutzung generierten Gewinn partizipieren. Für eine moderne Rechtsordnung ist es daher dringend notwendig, den Marktteilnehmern beide Übereignungsmodi zur Verfügung zu stellen. Mittels privatautonomer Vereinbarung des Übereignungszeitpunkts wird diese rechtspolitische Forderung mustergültig durch das Mobiliarübereignungsrecht des DCFR eingelöst. Die Vertragsparteien werden durch die flexible Regelung in die Lage versetzt, die Modalitäten der Eigentumsübertragung entsprechend ihrer individuellen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnisse selbst zu bestimmen. Das können sie etwa in der Weise tun, dass das Eigentum schon im Zeitpunkt des Schuldvertragsabschlusses übergeht oder im Zeitpunkt der Übergabe oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, wie z.B. bei Zahlung des Kaufpreises159. dd) Bestimmtheitsgebot Zugunsten eines obligatorischen Traditionserfordernisses wird von den Kritikern die Bedeutung der Sachübergabe für die Gewährleistung des Bestimmtheitsgrundsatzes ins Feld geführt160. Es gebe Fälle – und darauf verweisen auch die Materialien161 –, in denen komme eine Übereignung vor Übergabe typischerweise nicht in Betracht. Das gelte namentlich für Gattungssachen und zukünftige Gegenstände. Die Konkretisierung bzw. Entstehung des Verfügungsobjekts falle in diesen Fällen typischerweise mit der Übergabe zusammen, so dass die Anforderungen des Bestimmtheitsprinzips auch primär mit der Übergabe erfüllt werden müssten. Dem ist – in Parallele zum deutschen Recht162 – zu widersprechen. Richtig ist zwar, dass die Übergabe bei gattungsmäßig bestimmten und noch nicht existierenden Sachen den einfachsten Weg bedeuten kann, den Anforderungen des allgemeinen Bestimmtheitsgebots zu genügen163. Allerdings ist die Sachübergabe nicht die einzige Möglichkeit, den Verfügungsgegenstand hinreichend zu spezifizieren. Bei Gattungssachen kann der Eigentumsübergang bereits mit der endgültigen Aussonderung aus der Gesamtmenge erfolgen164.165 Zudem kann die Eigentumsübertragung bei künftigen Sachen an deren Fertigstellung anknüpfen166. Zugegeben: Diese Anknüpfungspunkte mögen nicht durchweg dieselbe Deutlichkeit aufweisen wie das Übergabeerfordernis. Allerdings gehen Unsi159
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4383. So Stadler, JZ 2010, 380, 384. 161 Zum Problem siehe oben § 27 IV. 1. 162 Für das Bestimmtheitsprinzip siehe oben § 8 II. 2. b); für das Spezialitätsprinzip siehe oben § 8 I. 2. 163 Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 4386 f. 164 Zu den hiermit in Verbindung stehenden Problemen siehe Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 20 f. 165 Die Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4427, weisen selbst darauf hin, dass die Parteien durch eine geschickte Parteiabrede die zu übertragenden Sachen auch in solchen Fällen noch vor der Übergabe hinreichend individualisieren und übereignen können. 166 Dazu näher Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 22. 160
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§ 27 Die europäische Übereignung
cherheiten ausschließlich zulasten der Vertragsparteien. Es ist daher auch gerechtfertigt, die Parteien nach Maßgabe ihrer Präferenzen und Bedürfnisse privatautonom darüber entscheiden zu lassen, auf welche Art und Weise sie die Bestimmtheitsanforderungen erfüllen möchten. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Konkretisierung mittels Übergabe in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Beteiligten mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden sein kann, während für eine Aussonderung keine vergleichbaren Kosten zu Buche schlagen. Im Ergebnis ist es daher nicht gerechtfertigt, die Übereignungszeitabrede unter Hinweis auf die besonderen Bestimmtheitsbedürfnisse bei Gattungssachen und zukünftigen Gegenständen zu kritisieren. Vorzugswürdig erscheint die Lösung dieses Spezialproblems durch spezielle Bestimmtheitsvorschriften. Diesen Weg ist der Entwurf mit Art. VIII.-2:101(3), VIII.-2:305 DCFR richtigerweise gegangen. ee) Rechtssicherheit und Missbrauchsgefahr Weiter wird kritisiert, dass die privatautonome Bestimmung des Übereignungszeitpunkts zu Unsicherheiten führen müsse, soweit man – wie es der DCFR tatsächlich tut167 – auch konkludente Abreden ausreichen lasse168. Zudem befürchten Kritiker zulasten von Gläubigern und Zweiterwerbern gehende Manipulationen des Übereignungszeitpunkts durch nachträgliche oder zum Schein geschlossene Vereinbarungen (vgl. Art. VIII.-2:301 DCFR). Diese Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Allerdings handelt es sich hierbei um keine spezifisch übereignungsrechtlichen Probleme. Vielmehr betrifft die Problematik das gesamte Sukzessionsrecht (man denke nur an die Forderungszession, Schuld- und Vertragsübernahme, die sich ohne Publizitätsakt vollziehen), ja den gesamten Bereich des Vermögensrechts. Aus rechtssystematischer Perspektive sind die bezeichneten Probleme daher auch nicht im Zusammenhang mit der Mobiliarübereignung durch eine Zementierung des Traditionsprinzips zu lösen, sondern durch Schaffung und Anwendung allgemeingültiger Vorschriften. In diesem Sinne spricht der DCFR (Art. VIII.-1:104 iVm. Art. II.-9:201) simulierten Abreden zunächst generell die Wirksamkeit ab. Richtig ist zwar, dass es nicht immer leicht fallen wird Scheingeschäfte nachzuweisen169. Indes ginge es deutlich zu weit, wollte man nur deshalb am Traditionsprinzip festhalten, weil es in seltenen Ausnahmefällen eine vereinfachte Prozessführung ermöglicht, während das Prinzip umgekehrt in der überwiegenden Mehrzahl von Übereignungsfällen die ungehinderte Zirkulation von Sachgegenständen erheblich beeinträchtigt.
167
Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4394. Stadler, JZ 2010, 380, 384. 169 Siehe nochmals Stadler, JZ 2010, 380, 384 sowie zur Beweissituation nach dem DCFR: v. Bar/Clive, DCFR, S. 4406. 168
VI. Publizitätsprinzip
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ff) Gutglaubensfunktion des Traditionsprinzips Und schließlich ist noch der Einwand zurückzuweisen, verzichte man auf das Traditionserfordernis beim Erwerb vom Berechtigten, komme der Besitz auch als Legitimationsgrundlage für einen redlichen Erwerb nicht länger in Betracht170. Richtig ist zwar, dass die Besitzlage am Verfügungsgegenstand in zahlreichen Rechtsordnungen für die Zulässigkeit des redlichen Mobiliarerwerbs von Bedeutung ist. Wie das deutsche Recht171 indes zeigt, ist das Vertrauen in den Besitz als Rechtsscheinträger in Ermangelung seiner Tauglichkeit als äußeres Rechtszeichen zur Kenntlichmachung der Eigentümerstellung nicht länger berechtigt. Die moderne Gutglaubensdogmatik hat sich fortentwickelt und folgt heute zu Recht überwiegend der Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht, die sich vom Erfordernis der physischen Sachübergabe weitgehend gelöst hat. Dementsprechend bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, auf ein obligatorisches Übergabeerfordernis für den Eigentumserwerb vom Berechtigten zu verzichten. Wie man umgekehrt den redlichen Mobiliarerwerb im Einzelnen ausgestaltet, ob man hier an eine bestimmte Besitzlage anknüpft oder der Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht folgt, steht auf einem anderen Blatt und ist für die rechtspolitische Entscheidung zugunsten einer Übereignungszeitabrede nicht ausschlaggebend. b) Dogmatik der Einigung über den Übereignungszeitpunkt Nach Vorstellung der Entwurfsverfasser handelt es sich bei der Einigung über den Übereignungszeitpunkt um einen (unselbstständigen) Teil des einheitlichen (Verpflichtungs-)Geschäfts172. Indes will sich diese Deutung nur schwerlich in das Übereignungssystem des DCFR einfügen. Denn die Übereignungszeitabrede kann auch unabhängig vom Grundgeschäft173, und zwar zu jedem beliebigen Zeitpunkt vor der Sachübergabe174 abgeschlossen werden. Wie bereits gezeigt175, ist die Rechtsfigur des separaten dinglichen Vertrags bestens geeignet, die mit der Vereinbarung des Übereignungszeitpunkts verbundenen Konstruktionsschwierigkeiten zu bewältigen. Deshalb sollte der Einigung in rechtsdogmatischer Hinsicht der Rang eines dinglichen Vertrages zugebilligt werden176. Schwierigkeiten bereitet darüber hinaus das kritikwürdige regulatorische Vakuum für den Zeitraum zwischen Übereignung und Sachübergabe177. Hier fehlt 170
Siehe dazu die Andeutungen bei Stadler, JZ 2010, 380, 384. Zum Folgenden siehe oben § 10 III. 3. c). 172 Vgl. die Diskussion bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4475 f. 173 Richtig Stadler, JZ 2010, 380, 383 Fn. 53. 174 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4477. 175 Siehe bereits oben § 27 V. 1. 176 A.A. Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 58. 177 Insofern trifft die Kritik von Stadler, JZ 2010, 380, 384 ins Schwarze; vgl. zuvor bereits Salomons, ERPL 2009, 711, 714. 171
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§ 27 Die europäische Übereignung
es an Vorschriften über das Rechtsverhältnis zwischen dem (noch besitzenden) Veräußerer und dem (bereits materiell berechtigten) Erwerber. Zwar anerkennen Art. VIII.-1:205(3), VIII.-1:207 DCFR – in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht (§§ 930, 868 BGB)178 – die Übereignung mittels Begründung eines Besitzkonstituts; zudem ist die Sicherungsübereignung im IX. Buch des DCFR detailliert geregelt. Für den Grundfall der schlichten Einigung über den Übereignungszeitpunkt fehlt es indes an vergleichbaren Vorschriften. Auf Grundlage des DCFR bleiben daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder man betrachtet das Grundgeschäft als dasjenige Rechtsverhältnis, aufgrund dessen der Veräußerer dem Erwerber bis zur Sachübergabe den Besitz mittelt179. Oder man billigt der Übereignungszeitabrede eigenständigen – dinglichen – Charakter zu und betrachtet sie als ein vom Grundgeschäft unabhängiges Verfügungsgeschäft. Vorzugswürdig ist die zweite Lösung. Sie vermeidet eine Überlastung des einheitlichen Grundgeschäfts von der – ausschließlich dinglich wirkenden – Einigung über den Übereignungszeitpunkt und behebt damit den Kardinalfehler der Mobiliarübereignung nach DCFR. Stützt man in diesem Sinne die Verfügung auf ein dingliches Vollzugsgeschäft, taugt das schuldrechtliche Grundgeschäft bestens als rechtlicher Anknüpfungspunkt des Besitzmittlungsverhältnisses. Die Qualifizierung der Übereignungszeitabrede als dingliche Einigung fügt sich demnach auch unter dem Gesichtspunkt der zwischen den Vertragsparteien vor Sachübergabe bestehenden Rechtsverhältnisse bestens ins System des sachenrechtlichen Referenztextes ein. Inhaltlich stellen die Modellregeln keine besonderen Anforderungen an das Zustandekommen der Einigung auf180. Es müssen nur die allgemeinen Beschränkungen des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips eingehalten sein. Das heißt, die Parteien können sich auch im Rahmen der Übereignungszeitabrede nur auf den Eigentumsübergang an bereits existierenden und hinreichend individualisierten Sachen einigen181. Davon abgesehen bedarf die Vereinbarung keiner besonderen Form. Sie kann daher nach Maßgabe des Art. VIII.-1:104 iVm. Art. II.-4:102 DCFR auch konkludent getroffen werden. Gegen die Geltung des Grundsatzes der Formfreiheit (vgl. Art. II.-1:106 DCFR)182 ist in rechtspolitischer Hinsicht nichts zu erinnern. Vielmehr erleichtern niedrige Formstandards den Parteien eine transaktionskostenarme Einigung. Überzogen ist daher auch die Warnung der Entwurfsverfasser, die geringen Formanforderungen nicht als Einladung zu einer Umgehung des als default rule geltenden Traditionsprinzips misszuverstehen183. Zum einen ist die rechtspolitische Entscheidung des Entwurfs zugunsten des Traditionsprinzips als Auffangregel in 178
Dazu oben § 10 IV. 2. c). Zum Problem der Besitzverhältnisse auch Stadler, JZ 2010, 380, 384 f.; vgl. weiter Salomons, ERPL 2009, 711, 714. 180 Dazu näher v. Bar/Clive, DCFR, S. 4477. 181 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4477. 182 Zu dessen Geltung im europäischen Zessionsrecht siehe oben § 25 II. 5. 183 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4477. 179
VI. Publizitätsprinzip
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der Sache verfehlt184. Zum anderen gilt, wo sich die Parteien erkennbar – und darauf kommt es für eine stillschweigende Vereinbarung ausweislich Art. II.4:102 DCFR an – auf einen von der Übergabe abweichenden Zeitpunkt einigen, muss dem maßgeblichen Parteiwillen mit den Mitteln des Rechts auch zum Durchbruch verholfen werden. Verwehrt ist es den Parteien allerdings aus gutem Grund, sich auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt für den Rechtsübergang zu einigen185. Gleiches gilt auch für die Frage, ob die Vertragsparteien sich darauf einigen können, ob die Rückübertragung des Eigentums nach Eintritt einer auflösenden Bedingung mit Wirkung ex nunc oder Wirkung ex tunc erfolgen soll. Mit Recht entzieht Art. VIII-2:203(1) DCFR186 den Vertragsparteien im Interesse einer klaren und sicheren dinglichen Rechtszuordnung die Dispositionsbefugnis über diese Frage und schließt eine dingliche Rückwirkung, die namentlich zulasten außenstehender Dritter (Gläubiger der Vertragsparteien) gehen könnte, kategorisch aus187. Eine solche Übereignungszeitabrede ließe sich mit den gerade im Sachenrecht so bedeutenden Maximen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht in Einklang bringen. Zudem führte eine Rückverlegung des Übereignungszeitpunkts dazu, dass zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen in der dinglichen Rechtszuordnung, wie z.B. ein Zwischenerwerb oder die Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts, keinen Bestand haben könnten. Erwägungen eines effektiven Sukzessionsschutzes sprechen dafür, den berechtigten Bestandsinteressen des Zwischenerwerbers gegenüber dem Interesse der Vertragsparteien an einer privatautonomen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse den grundsätzlichen Vorrang einzuräumen. Davon abgesehen können die Parteien aber jeden beliebigen Zeitpunkt für den Eigentumsübergang wählen, der nach dem Abschluss der Übereignungszeitabrede liegt. Zulässigerweise kann so ein bestimmter Zeitpunkt (Befristung) oder der Eintritt eines bestimmten Umstandes, dessen Eintritt ungewiss ist (Bedingung), vereinbart werden. Demgegenüber können sich die Vertragsparteien nicht darauf verständigen, dass ein Eigentumsübergang auch dann erfolgen soll, wenn der Veräußerer keine materielle Berechtigung oder Verfügungsbefugnis am Verfügungsgegenstand hat (und auch die Grundsätze des Gutglaubenserwerbs nicht einschlägig sind), oder aber, wenn es an einer hinreichenden Individualisierung des Verfügungsgegenstandes fehlt188. Weder die Wertungen des Nemo-plus-iuris-Grundsatzes noch des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips dürfen durch eine privatautonome Parteivereinbarung ausgehebelt werden. Bei ihnen handelt es sich um tragende Grundpfeiler der rechtsgeschäftlichen Sukzession, die allenfalls kraft gesetzlicher Anordnung und auch dann nur zur Verwirklichung eines 184
Dazu ausf. unten § 27 VI. 1. c). So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4477. 186 Siehe die rechtspolitischen Überlegungen bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4702 f. 187 Kritisch zu Art. VIII.-2:203(1) DCFR in anderer Hinsicht Salomons, ERPL 2009, 711, 716 f.; die Regelung gegen diese Kritik verteidigend Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 54 ff. 188 Zutreffend Kullerkupp, in: Faber/Lurger, Rules, S. 47, 53. 185
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übergeordneten Regelungsziels eingeschränkt werden können. Da die Strukturprinzipien nicht ausschließlich im Interesse der Vertragsparteien bestehen, sind sie auch einer Parteidisposition weitgehend entzogen. c) Konsensual- statt Traditionsprinzip als Auffangregel Haben die Vertragsparteien keine Abrede über den Übereignungszeitpunkt getroffen, gilt nach der Auffangregel des Art. VIII.-2:101(1)(e) a.E. DCFR das Traditionsprinzip. Der Mobiliarerwerb setzt dann die Übergabe des Verfügungsgegenstands bzw. die Vereinbarung eines Übergabesurrogats voraus. Diese Entscheidung zugunsten des Traditionsprinzips als default rule189 hält einer vertieften rechtspolitischen Analyse nicht stand. Stattdessen sprechen die besseren Sachargumente dafür, das Konsensprinzip als Auffangregel zu verankern. aa) Rechtsdogmatische Vergleichbarkeit der Sukzessionsformen Für die Hinwendung zum Konsensprinzip spricht an erster Stelle die hiermit erzielbare systematische Kohärenz des (gesamten) Sukzessionsrechts. Verzichtet man auch beim Mobiliarerwerb auf einen besonderen Vollzugsakt, nähert sich die Übereignung beweglicher Sachen in überzeugender Weise an das Zessions- und Schuldübernahmerecht an. Diese Annäherung ist nicht Selbstzweck, sondern entspricht einerseits der strukturellen Gemeinsamkeit der rechtsgeschäftlichen Sukzession in dingliche und obligatorische Rechtspositionen190 und löst andererseits die bereits in der Einleitung erhobene Forderung nach einer erhöhten Mobilisierung von Vermögenspositionen, nach einer Optimierung und Fortbildung des Sukzessionsrechts ein191. Mangels Körperlichkeit von Forderungsrechten und Schulden kommt eine Übergabe im Rahmen der Forderungszession nicht in Betracht. Die Übertragung nichtkörperlicher Vermögenspositionen bedarf ausschließlich der (dinglichen) Einigung zwischen Vorgänger und Nachfolger. Verfügt wird in rechtsdogmatischer Hinsicht über das Forderungsrecht bzw. die Verbindlichkeit. Aber auch die Übertragung beweglicher Sachen vollzieht sich in rechtsdogmatischer Hinsicht als Änderung der rechtlichen Zuordnung des an der Sache bestehenden Rechts. Verfügt wird also nicht über den körperlichen Gegenstand als solchen, sondern über das an dem Gegenstand bestehende Sachenrecht. Forderungs- und Sachenrechte werden nach dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung192 in gleicher Weise bestimmten Rechtssubjekten zugewiesen, und auch die Änderung der Rechtszuordnung vollzieht sich nach vergleichbaren Grundsätzen. Demgegenüber ist die Körperlichkeit beweglicher Sachen für die 189 190 191 192
Zu den Gründen im Einzelnen Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 49 f. Dazu ausf. oben § 2 II. Dazu oben § 1 I. 3. Dazu oben § 2 II. 2.
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rechtliche Änderung der Rechtszuständigkeit ohne Belang. Dieser Befund wird durch die Rechtstatsache bestätigt, dass die Körperlichkeit beweglicher Sachen infolge des massenhaften Einsatzes der Sicherungs- und Vorbehaltsübereignung im modernen Wirtschaftsverkehr ohnehin in den Hintergrund getreten ist. Spielt die Körperlichkeit von Mobilien für die moderne Übereignung eine zunehmend untergeordnete Rolle und lassen auch die Übergabesurrogate des Art. VIII.-2:105 DCFR weitgehende Durchbrechungen des Übergabeerfordernisses zu, dann mangelt es schlichtweg an einem überzeugenden Grund, das Traditionsprinzip mit seinen bekannten Schwächen als Auffangregel zu verankern. In diesem Zusammenhang gilt letztlich nichts anderes als für das deutsche Recht193. Angesichts der wesentlichen Durchbrechungen des Übergabeerfordernisses und seines wirtschaftspraktischen Bedeutungsverlusts ist es nicht länger gerechtfertigt, das Traditionsprinzip als Paradigma des Mobiliarübereignungsrechts zu begreifen. Stattdessen sollte das Konsensualprinzip zur Auffangregel erhoben werden. Das hiesige Votum für das Konsensprinzip als Auffangregel setzt sich auch nicht mit der Tatsache in Widerspruch, dass das Konsensprinzip in zahlreichen Rechtsordnungen mit dem hier abgelehnten Kausalprinzip194 und dem Verzicht auf einen besonderen dinglichen Vertrag195 einhergeht196; unzutreffend ist auch die Feststellung, das Abstraktionsprinzip sei mit dem Konsensprinzip nicht in Einklang zu bringen197. In rechtsdogmatischer Hinsicht ist es nämlich sehr wohl möglich, auf das Übergabeerfordernis zu verzichten und dennoch zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem dinglichen Vollzugsgeschäft eine klare dogmatische Trennlinie zu ziehen. Denn die Prinzipien verfolgen unterschiedliche Ziele und können dementsprechend nach Belieben miteinander kombiniert werden. Dass ein Nebeneinander ohne Schwierigkeiten möglich ist, zeigt auch die Ausgestaltung des deutschen Abtretungsrechts198; dort findet sich eine Kombination von Abstraktions- und Konsensualprinzip par excellence. bb) Ökonomische Analyse Für die Verankerung des Konsensualprinzips sprechen außerdem ökonomische Erwägungen: Durch den Verzicht auf das Übergabeerfordernis werden die Vertragsparteien zunächst von der Einhaltung eines Tatbestandsmerkmals entlastet, das in der Praxis mit erheblichen Transaktionskosten verbunden sein kann199. Vor allem wenn die Übergabe des Verfügungsgegenstands aus tatsächlichen Gründen kompliziert, aufgrund besonderer Nutzungsinteressen wirt193 194 195 196 197 198 199
Zum Ganzen ausf. § 10 III., IV. Siehe oben § 27 V. 2. Siehe oben § 27 V. 1. Vgl. nur Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 14. So aber dezidiert Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 29. Siehe oben § 4 II. 4. Siehe zum deutschen Recht oben § 10 III. 4.
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schaftlich unsinnig oder aus sonstigen Gründen untunlich ist, erweist sich das Konsensprinzip als besonders effiziente Lösung, die Transaktionskosten senkt, die Ressourcenallokation erhöht und so den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand steigert. Weiter sprechen die ökonomischen Mechanismen des Austauschgeschäfts für das Konsensualprinzip. Indem sich der Veräußerer zur Übereignung der Kaufsache verpflichtet, macht er deutlich, dass er ein höheres Interesse an der Gegenleistung hat als am Veräußerungsgegenstand. Für den Erwerber stellt sich die individuelle Präferenzlage genau umgekehrt dar. Er gewichtet den Erwerb des Verfügungsgegenstands grundsätzlich höher als die geschuldete Gegenleistung. Der Transaktion wohnt daher die Vermutung einer effizienzsteigernden Wirkung inne200. Nach dem ökonomischen Modell wird die Sache tendenziell zu demjenigen Marktteilnehmer gelangen, der bereit ist, hierfür den höchsten Preis zu bezahlen. Für ihn besteht die Vermutung, dass er auch in der Lage sein wird, aus der Sache den tendenziell höchsten individuellen Nutzen zu ziehen. Diese ökonomischen Mechanismen werden noch verstärkt, wenn man die aus der verhaltensökonomischen Forschung bekannten Besitzeffekte in die Betrachtung einbezieht201. Denn das Verlustrisiko und der status quo bias führen tendenziell dazu, dass vor der Veräußerung in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Erwerbsgeschäfts eine über die neoklassischen Annahmen hinausgehende Hemmschwelle zu überwinden ist. Aus diesem Grund ist der Erwerber in besonders hohem Maß schutzwürdig. Da der Erwerber unter Geltung des Konsensualprinzips schneller in die rechtlich besonders geschützte Eigentümerstellung eingewiesen wird, gebührt dem Konsensualprinzip auch der prinzipielle Vorrang gegenüber dem Traditionsprinzip als Auffangregel. cc) Berechtigte Schutzinteressen des Erwerbers Dass die Entwurfsverfasser dennoch dem Traditionsprinzip den Vorrang geben, beruht auf einer vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, wie das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Erwerber und den Gläubigern des Veräußerers aufgelöst werden sollte202. Zugunsten des Traditionsprinzips führen die Materialien an, dass der Erwerber in der Insolvenz des Veräußerers danach genauso behandelt werde wie jeder andere Gläubiger203. Auf diese Weise werde der allgemeine Insolvenzrechtsgrundsatz der Gläubigergleichbehandlung durchgehalten, und zwar nicht nur, soweit es um die Übereignung spezifizierter Gegenstände gehe, sondern auch für Sachen, die nur ihrer Gattung nach bestimmt seien oder erst noch hergestellt werden müssen. Gleiches gelte für den Fall, dass der Erwerber in Vorleistung getreten sei. Gerade für den vorleistenden Erwer200
Dazu allgemein siehe oben § 3 IV. 3. Dazu ausf. oben § 3 IV. 7. – Andere Folgerungen aus dem endowment effect ziehend Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 49 f. 202 Zum Folgenden ausf. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4388 ff. 203 Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 4396 ff. 201
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ber bedeute die Anwendung des Traditionsprinzips keine ungerechtfertigte Benachteiligung, weil sämtliche vorleistenden Vertragspartner am Ende das gleiche Ausfallrisiko zu tragen hätten. Darauf könne sich der Vorleistende einstellen. Entweder sei er bereit, dieses Risiko bewusst einzugehen, oder er verlange entweder vom Veräußerer eine Sicherheit oder hält seine Leistung gem. Art. III.-3:401 DCFR bis zur Leistungserbringung des Veräußerers zurück. Die Argumente lassen sich hören; sie zwingen indes keineswegs dazu, das Traditionsprinzip als default rule zu etablieren. Denn auch unter Geltung des Konsensualprinzips würde das berechtigte Befriedigungsinteresse der Gläubiger des Veräußerers hinreichend geschützt. Zum einen steht ihnen das Zurückbehaltungsrecht nach Maßgabe des Art. III.-3:401 DCFR zur Seite. Zum anderen erleiden sie typischerweise auch keinen Nachteil, wenn die Transaktion mit dem Erwerber durchgeführt wird. Entweder der Erwerber zahlt den Kaufpreis, auf den die Gläubiger nach Leistung an den Veräußerer zugreifen können, oder die Kaufsache verbleibt mangels Kaufpreiszahlung beim Veräußerer. Darüber hinaus können die Gläubiger nicht verlangen, dass ihnen bestimmte Vermögensgegenstände des Veräußerers zur Befriedigung erhalten bleiben. Wie gezeigt204, wird ungesicherten Gläubigern ein besonderer Schutz nur aufgrund der Sondervorschriften des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts zuteil. dd) Vindikation, Nutzungen und Drittschadensliquidation Darüber hinaus hängt die Zuweisung des Vindikationsrechts von der Geltung des Konsensual- respektive Traditionsprinzips ab, wenn der Verfügungsgegenstand noch vor Übergabe an den Erwerber in die Hände eines Dritten gelangt205. Für das Konsensprinzip spricht hier erneut das Sachinteresse des Erwerbers, während der Veräußerer vorrangig am Erhalt der Gegenleistung interessiert ist. Die Entwurfsverfasser meinen nun, dass die Geltung des Traditionsprinzips für den Erwerber vorteilhafter sei, da er sich bei einem Sachverlust vor Übergabe vom Vertrag lösen und (oder) vom Veräußerer Schadensersatz verlangen könne und nicht auf einen ungewissen Rechtsstreit mit dem Dritten verwiesen sei. Dieses Ergebnis unterscheidet sich indes nicht von der Rechtslage unter Geltung des Konsensprinzips. Denn dem Käufer stehen die nämlichen Gewährleistungsrechte auch dann zu, wenn er zwar kraft Parteiabrede Eigentümer des Verfügungsgegenstands geworden ist, ihm die Sache aber zunächst physisch vorenthalten bleibt. Denn zu den Pflichten des Verkäufers gehört nicht nur die Übereignung der Kaufsache, sondern auch deren Übergabe an den Käufer (Art. IV.A.-2:101(b), IV.-A.-2:201 DCFR). Verletzt der Veräußerer diese Verpflichtung, findet das schuldrechtliche Leistungsstörungsrecht Anwendung. Im Ergebnis kann der Erwerber unter Geltung des Konsensprinzips demnach sowohl gegen den Veräußerer als auch gegen den Dritten vorgehen; das Sachinteresse des Erwerbers ist auf diese Weise besonders effektiv geschützt. 204 205
Dazu bereits oben § 27 VI. 1. a) bb). Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4411.
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Weiterhin machen die Materialien zugunsten des Traditionsprinzips geltend, dass das mit dem Eigentumsübergang verbundene Nutzungsrecht durch den Erwerber erst nach Übergabe der Sache ausgeübt werden könne, zuvor sei es sinnvoll, das Nutzungsrecht dem Veräußerer zu belassen206. Dass die tatsächliche Nutzung von der physischen Innehabung des Verfügungsgegenstandes abhängt, ist offensichtlich. Allerdings handelt es sich bei der Verteilung der Nutzungen letztlich um einen Regelungsgegenstand, der in rechtssystematischer Hinsicht nicht dem Übereignungsrecht, sondern dem Schuldrecht zuzuschlagen ist und der auch unter Geltung des Konsensprinzips einer angemessenen – schuldrechtlichen – Lösung zugeführt werden kann. Jedenfalls ist es unproblematisch möglich, für die Frage der Nutzungsverteilung eine kaufrechtliche bzw. kaufvertragliche Lösung zu finden. Für die Frage des Rechtstransfers kann der Nutzungsaspekt daher getrost außer Betracht bleiben. Umgekehrt gewährleistet das Konsensualprinzip dem Erwerber klar besseren Schutz, soweit es um die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Dritte geht. Angenommen, ein Dritter beschädigt den Verfügungsgegenstand, nachdem das (kaufvertragliche) Risiko bereits auf den Erwerber übergegangen ist, er also weiterhin zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet, aber aufgrund des Traditionsprinzips noch nicht Eigentümer geworden ist. In dieser Konstellation kann der Erwerber den Schädiger mangels Eigentümerstellung nicht in Anspruch nehmen. Der Veräußerer ist als (Noch-)Eigentümer zwar ersatzberechtigt, hat aufgrund der vertraglichen Risikoverteilung indes keinen Schaden. Diese Konstellation firmiert im deutschen Recht unter der Bezeichnung „Drittschadensliquidation“207 und wird nach Maßgabe des Art. VIII.2:201(3)(b) DCFR auf sehr ähnliche Weise dahingehend gelöst, dass die noch nicht erfolgte, weil von der Übergabe abhängige Übereignung den Erwerber nicht davon abhält, gegen den Drittschädiger vorzugehen. Unter Anwendung der Reparationsvorschriften der Art. VI.-2:101, VI.-2:206(1) DCFR erhält der aus wirtschaftlicher Perspektive geschädigte Erwerber einen eigenen Ersatzanspruch. Dieser Rückgriff auf die besonderen Reparationsvorschriften würde entbehrlich, wenn man den Erwerber durch die Anwendung des Konsensprinzips bereits vor der Übergabe vor drittbegründeten Schädigungen schützte. ee) Geltung des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips Abschließend ist noch kurz auf die wichtige Wechselwirkung des Konsensualprinzips mit dem Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip hinzuweisen. Ebenso wie sich die Übereignungszeitabrede nicht über die grundlegenden Wertungen der beiden Strukturprinzipien hinwegzusetzen vermag, setzen Spezialitäts- und 206
Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 4412. Zum Ganzen Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 249 Rn. 105; Oetker, in: MünchKommBGB, § 249 Rn. 289 ff.; Schiemann, in: Staudinger, BGB, Vor § 249 Rn. 62 ff.; aus der Rechtsprechung siehe etwa BGHZ 181, 12 Tz. 43 ff.; BGH NJW 1996, 2734, 2735 f.; BAG NJW 2007, 1302 Tz. 15. 207
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Bestimmtheitsprinzip auch dem Konsensualprinzip eine systemimmanente Grenze für die Übereignung von gattungsmäßig bestimmten und zukünftigen Sachen208. Die Vorgaben des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips erfordern eine hinreichende Individualisierung und Identifizierung der zur Übertragung bestimmten Gegenstände209. Nur wenn der Verfügungsgegenstand sicher feststeht, kommt auch eine Änderung des rechtlichen Zuordnungsverhältnisses in Betracht. Dementsprechend können Sachenrechte stets nur an konkreten Gegenständen bestehen, niemals an einer unbestimmten Menge oder an noch nicht existierenden Sachen. Der Eigentumsübergang erfolgt demnach mit Wirkung ex nunc in dem Zeitpunkt, in dem die Sache hinreichend individualisiert ist210, beispielsweise durch endgültige Aussonderung aus der Gattung bzw. durch die Herstellung des Verfügungsgegenstandes. Eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Einigung findet nicht statt. Sie wäre mit dem Bedürfnis nach einer klaren und rechtssicheren Zuordnung dinglicher Rechte nicht in Einklang zu bringen und würde im Ergebnis auch die Wertungen des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips unterminieren211. Im Individualisierungszeitpunkt findet zugleich der Gefahrübergang vom Veräußerer auf den Erwerber statt. Zudem endet die rechtliche Befugnis der Gläubiger des Veräußerers, auf die nichtindividualisierten Gegenstände zu Vollstreckungszwecken zugreifen zu können. d) Implikationen für das europäische und deutsche Recht Die vorstehenden Überlegungen sprechen in ihrer Gesamtheit dafür, den Vertragsparteien die Wahl zwischen dem Konsensual- und Traditionsprinzip zu eröffnen. Allerdings muss die Übereignungszeitabrede als dasjenige ausgestaltet werden, was sie nach ihrer rechtssystematischen Stellung auch tatsächlich ist – als ein vom (schuldrechtlichen) Grundgeschäft rechtlich verselbstständigter dinglicher Vertrag. Zu diesem Zweck ist die schwere dogmatische Fehlentscheidung des DCFR, den Mobiliarerwerb nach dem Einheitsprinzip auszugestalten, dringend zugunsten des Trennungsprinzips zu korrigieren. Darüber hinaus sprechen die besseren Argumente dafür, in Ermangelung einer Übereignungszeitabrede als Auffangregel anstelle des Traditionsprinzips das Konsensualprinzip zu verankern. Die angeführten Sachargumente sind sowohl für das europäische als auch für das nationale Recht von Bedeutung. Es ist zutreffend, wenn der DCFR den Vertragsparteien eine Wahlbefugnis zwischen Konsensual- und Traditionsprinzip eröffnet. Daneben sollte richtigerweise noch das Konsensualprinzip als default rule vorgesehen werden. Für das deutsche Recht besteht kein zwingender legislatorischer Handlungsbedarf. Zwar wäre es aus rechtssystematischer Pers208
Siehe dazu auch Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 19 ff. Zum Ganzen bereits ausf. oben § 8. 210 Zur entsprechenden Rechtslage in den dem Konsensprinzip folgenden Rechtsordnungen siehe Sagaert, in: Faber/Lurger, Rules, S. 9, 20. 211 Im Ergebnis ebenso Kullerkupp, in: Faber/Lurger, Rules, S. 47, 53. 209
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pektive zu begrüßen, wenn besagtes Wahlrecht nebst Auffangregel auch im deutschen Mobiliarsachenrecht verankert würde. Allerdings gewährleisten die weitgehenden Durchbrechungen des deutschen Traditionsprinzips212 schon heute, dass die Vertragsparteien über bewegliche Sachen nach Belieben mit und ohne Übergabe verfügen können.
2. Übergabe und Übergabesurrogate Die Ausgestaltung des Traditionsprinzips nach Maßgabe des DCFR weist maßgebliche Parallelen zum geltenden deutschen Recht auf. Treffen die Vertragsparteien keine gesonderte Abrede über den Übereignungszeitpunkt, geht das Eigentum mit Übergabe der Sache auf den Erwerber über. Voraussetzung ist dafür grundsätzlich die tatsächliche, physische Übergabe des Verfügungsgegenstandes in dem Sinne, dass der Veräußerer seine Zugriffsmöglichkeit auf die Sache einbüßt und der Erwerber die unumschränkte Herrschaftsmacht über den Gegenstand erlangt (Art. VIII.-2:104(1) DCFR). Dabei können sich die Parteien gem. Art. VIII-2:104(2) DCFR auch einer Transportperson (carrier) bedienen. Gleichermaßen sind sie berechtigt, den physischen Besitzwechsel durch eines der nach Maßgabe des Art. VIII-2:105 DCFR zugelassenen Übergabesurrogate213 zu ersetzen. Im Übrigen sind sämtliche Varianten der Übergabe und die Übergabesurrogate nach dem Willen der Entwurfsverfasser nebeneinander anwendbar, ohne sich untereinander auszuschließen214. Lässt sich also der Eigentumsübergang auf verschiedene Übergabevarianten oder Übergabesurrogate stützen, vollzieht sich die Nachfolge nach derjenigen Publizitätsvorschrift, deren tatbestandliche Voraussetzungen zum frühesten Zeitpunkt vollständig erfüllt sind. a) Innerer Zusammenhang von Übereignungsanspruch und Übergabe Eine Grundvoraussetzung für den Mobiliarerwerb nach dem Traditionsprinzip ist der innere Zusammenhang zwischen dem schuldrechtlichen Übereignungsanspruch aus dem Grundgeschäft einerseits und der Übergabe bzw. dem Übergabesurrogat andererseits (Art. VIII.-2:101(2) DCFR). Das Vollzugselement muss danach auf dem Grundgeschäft basieren oder zumindest auf dasselbe bezogen sein. Die Entwurfsbegründung misst dem inneren Zusammenhang primär klarstellende Bedeutung bei; nur in wenigen Ausnahmefällen entfalte das zusätzli212
Dazu ausf. oben § 10 IV. Sämtlichen Übergabesurrogaten ist gemein, dass sie ohne eine Veränderung des Lageorts auskommen; im Gegenzug müssen die Vertragsparteien allerdings Handlungen vornehmen, die für außenstehende Dritte aus Perspektive ex post jeweils zweifelsfrei auf einen Übereignungswillen schließen lassen. Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4537. 214 Speziell zu Art. VIII.-2:105(4) DCFR siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4544. 213
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che Tatbestandsmerkmal konstitutive Wirkung215. Als Beispiel verweisen die Materialien auf einen gesetzlichen Übertragungsanspruch, der sich auf eine Sache beziehe, die sich bereits in den Händen des Erwerbers befinde, so dass an sich das Übergabesurrogat des Art. VIII.-2:105(1) DCFR in Betracht käme. Die Anerkennung des inneren Zusammenhangs gewährleiste dem Veräußerer in diesem Fall den effektiven Einsatz seines Zurückbehaltungsrechts. Schon der Hinweis in den Kommentaren, die Übereignung werde nur ausnahmsweise an dem fehlenden Zusammenhang von Übereignungsanspruch und Übergabe scheitern216, macht nachdenklich. Denn es leuchtet schwerlich ein, weshalb es nur in Ausnahmefällen auf den inneren Zusammenhang ankommen sollte. Entweder man nimmt den Zusammenhang ernst und betrachtet das Kriterium als echtes Tatbestandsmerkmal, oder aber man verzichtet auf das Erfordernis gänzlich. Der Hinweis auf einen zurückhaltenden Einsatz ist daher wenig konsistent, vor dem Hintergrund des rechtsvergleichenden Materials217 indes gleichwohl nicht ganz unverständlich. Jedenfalls in der Sache vermag die von Art. VIII.-2:101(2) DCFR geforderte Verknüpfung ebenso wenig zu überzeugen wie im deutschen Recht. Auf diese oben218 stehenden Überlegungen wird an dieser Stelle ausdrücklich Bezug genommen. Zwar besteht ein Unterschied zwischen dem deutschen Recht und dem europäischen Referenztext darin, dass dieses dem Trennungsprinzip, jenes dem Einheitsprinzip folgt. Für beide Systeme gilt indes gleichermaßen, dass sich Zweifelsfälle, wie auch der in den Materialien erwähnte, ohne weiteres durch Auslegung der Parteiabrede nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre lösen lassen. Nur ist für die Ermittlung des Übereignungswillens nach dem Referenztext nicht – wie nach deutschem Recht – an eine dingliche Einigung anzuknüpfen, sondern an das Grundgeschäft. Und so kann aus einem gesetzlichen Übereignungsanspruch allein nicht ohne weiteres auf einen Übereignungswillen der Beteiligten geschlossen werden. Das Tatbestandsmerkmal des inneren Zusammenhangs ist demnach entbehrlich und sollte weder im europäischen noch im nationalen Mobiliarsachenrecht verankert werden. b) Physische Übergabe Nach dem Grundfall der Auffangregel des Art. VIII.-2:101(1)(e) DCFR erfordert die Mobiliarübereignung die physische Übergabe des Verfügungsgegenstands, und zwar gem. Art. VIII.-2:104(1) DCFR in dem Sinne, dass der Veräußerer den Besitz an der beweglichen Sache vollständig aufgibt und der Erwerber den Besitz erwirbt. Nach der grundlegenden Legaldefinition des Art. VIII.1:205 DCFR ist unter „Besitz“ die Ausübung der direkten oder indirekten kör215
So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4435. So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4435. 217 Dazu ausf. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4437 ff. 218 Zum Mobiliarsachenrecht siehe § 10 III. 1. d) und § 12 III. 2; zum Immobiliarsachenrecht siehe § 12 II. 2. 216
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perlichen Herrschaft über eine bewegliche Sache zu verstehen219. Eine direkte ist die körperliche Herrschaft, wenn sie durch den Besitzer selbst ausgeübt wird oder durch einen „Besitzvertreter“, der die Herrschaft für den Besitzer ausübt (possession-agent). Indirekt ist die körperliche Herrschaft, die ein Besitzer beschränkten Rechts (limited-right-possessor) ausübt. Für die Mobiliarübereignung nach Maßgabe des Art. VIII.-2:104(1) DCFR können die Vertragsparteien – ebenso wie im deutschen Recht (§ 929 S. 1 BGB)220 – entweder den unmittelbaren Besitz am Verfügungsgegenstand übertragen oder sich jeweils eines Besitzdieners oder Besitzmittlers bedienen221. Die Kommentare verstehen die Übergabe als einen rein tatsächlichen Akt222. Das kann angesichts der ablehnenden Haltung des DCFR zum dinglichen Vertrag223 nicht weiter verwundern. Allerdings verlangen die Materialien zumindest, dass die Besitzübertragung vom Willen der beteiligten Vertragsparteien getragen ist. Das Schrifttum weist nicht ohne Grund darauf hin, dass Aufgabe und Erlangung der jeweiligen Besitzpositionen typischerweise nicht vollkommen unabhängig nebeneinander stehen224. Vielmehr werden die Vertragsparteien ebenso wie im Rahmen des Grundgeschäfts typischerweise auch bei der Durchführung des Besitzwechsels zusammenwirken. Es reicht daher für die Übergabe iSd. Art. VIII.-2:104(1) DCFR nicht aus, wenn der Erwerber dem Veräußerer nach Abschluss des Grundgeschäfts das Verfügungsobjekt eigenmächtig entzieht oder er dem Veräußerer durch Ausübung von Gewalt (vis absoluta) oder Androhung von Gewalt (vis compulsiva) die Sache entzieht. Umgekehrt sind an den Besitzerwerb keine überzogenen Anforderungen zu stellen225. Unter Berücksichtigung der Verkehrssitte genügt es, wenn die Sache, auf welche der Veräußerer nicht mehr zugreifen kann, in den Herrschaftsbereich des Erwerbers gelangt, so dass er ungehindert auf den Verfügungsgegenstand zugreifen und den Veräußerer von der Einwirkung auf die Sache ausschließen kann. c) Einschaltung einer Transportperson Von der physischen Übergabe zu unterscheiden ist die Übereignung durch Einschaltung einer Transportperson (carrier). Ist nach dem Grundgeschäft die Beförderung der beweglichen Sache notwendig, erfolgt die Übergabe nach Maßgabe des Art. VIII.-2:104(2) DCFR, wenn der Veräußerer seine Lieferverpflichtung erfüllt und die Transportperson bzw. der Erwerber den Besitz an der Sache 219
Vgl. auch die deutsche Fassung, bei Lurger/Faber, Acquisition, S. 92, 94. Siehe Berger, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 9 ff.; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 929 Rn. 23 ff.; Michalski, in: Erman, BGB, § 929 Rn. 9 ff.; Schulte-Nölke, in: Hk, BGB, § 929 Rn. 12 ff. 221 Siehe auch Stadler, JZ 2010, 380, 388. 222 Dazu und zum Folgenden siehe die Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4494. 223 Siehe oben § 27 V. 1. 224 Vgl. Salomons, ERPL 2009, 711, 720 f. 225 Dazu und zum Folgenden siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4495. 220
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erwirbt. Diese Übergabevariante findet im deutschen Recht keine ausdrückliche Entsprechung, weist indes maßgebliche Parallelen zu der anerkannten Rechtsfigur des Geheißerwerbs226 auf. Art. VIII.-2:104(2) DCFR liegt der Gedanke zugrunde, dass die physische Übergabe im modernen Wirtschaftsverkehr für die Übereignung nicht von entscheidender Bedeutung ist227. Gerade bei Einschaltung einer Transportperson hängen die Besitzverhältnisse vielfach davon ab, welche Partei mit dem Transporteur in vertraglichen Beziehungen steht. Die Anknüpfung an die konkrete Besitzlage führt leicht zu zufälligen Ergebnissen. Dementsprechend wollen die Entwurfsverfasser die Übereignung dadurch vereinfachen, dass für die Sachübergabe auf den Zeitpunkt abgestellt wird, zu dem der Veräußerer seine Lieferpflicht erfüllt und entweder der Transporteur oder der Erwerber den Besitz erlangen. Ein weiterer Vorteil der Regelung liege in dem so hergestellten Gleichlauf von Eigentums- und Risikoübergang. Insgesamt könne unterstellt werden, dass sich die Parteien nach ihrer Interessenlage auf eine solche Regelung verständigt hätten, wenn ihnen das Rechtsproblem bei Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre. Wo die gesetzliche Risikoverteilung ausnahmsweise nicht dem Parteiwillen entspreche, stehe den Vertragsparteien der Abschluss einer abweichenden Vereinbarung frei. Gegen die mit Art. VIII.-2:104(2) DCFR angestrebte Vereinfachung und Erleichterung des Güterverkehrs ist nichts einzuwenden. Vertretbar ist außerdem die Konkretisierung des Übereignungszeitpunkts anhand der veräußererseitigen Lieferverpflichtung und des Besitzerwerbs durch den Transporteur bzw. Erwerber. Allerdings will sich die Vorschrift in rechtsdogmatischer Hinsicht nur schwerlich in das vom DCFR entworfene System der Mobiliarübereignung einfügen lassen. Friktionen ergeben sich vor allem daraus, dass die Parallelität von Übergabe und Besitzübergang, wie sie Art. VIII.-2:104(1) DCFR zugrundeliegt, durch Art. VIII.-2:104(2) DCFR eine wesentliche Durchbrechung erleidet. Vor allem ist es wenig überzeugend, auch dann von einer Übergabe zu sprechen, wenn es nicht zum obligatorischen Besitzwechsel kommt. Aus diesem Grund sprechen rechtssystematische Erwägungen dafür, die Übereignung unter Einschaltung einer Transportperson aus der dogmatischen Umklammerung des Übergabeerfordernisses zu lösen und im Zusammenhang mit der Einigung über den Übertragungszeitpunkt zu verorten. Aus dieser Perspektive ließe sich die – inhaltlich durchaus überzeugende – Vorschrift als eine Konkretisierung des Übereignungszeitpunkts begreifen. Rechtstechnisch könnte der Sondertatbestand beispielsweise in Form einer widerleglichen Vermutung ausgestaltet werden, auf deren Grundlage die Übereignung zu dem vorgesehenen Zeitpunkt stattfindet, es sei denn, die Parteien treffen eine abweichende Übereignungszeitabrede.
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Zum deutschen Recht siehe oben § 10 III. 5. Dazu und zum Folgenden näher v. Bar/Clive, DCFR, S. 4497.
1166
§ 27 Die europäische Übereignung
d) Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts In Übereinstimmung mit den meisten europäischen Rechtsordnungen, die dem Traditionsprinzip folgen, lässt der Entwurf die Vereinbarung eines Besitzkonstituts (constitutum possessorium) zu. Auf dessen Grundlage wird das Eigentum in dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt iSd. Art. VIII.-2:101(1)(e), VIII.2:103 DCFR auf den Erwerber übertragen, während der Verfügungsgegenstand unverändert im Besitz des Veräußerers verbleibt. In dogmatischer Hinsicht stuft der Entwurf diese Übereignungsvariante nicht als Übergabesurrogat im technischen Sinne des Art. VIII.-2:105 DCFR ein, sondern sieht sie bereits im Zusammenhang mit der zulässigen Einigung über den Übereignungszeitpunkt geregelt228. Die hieraus resultierenden Probleme sind im Zusammenhang mit dieser Einigung bereits angeklungen229. Insbesondere fehlt es an einer tragfähigen Ausgestaltung des zwischen Veräußerer und Erwerber bestehenden Schuldverhältnisses. Ein Besitzmittlungsverhältnis, das die einzelnen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien (vergleichbar den §§ 930, 868 BGB230) regelt, ist im DCFR nicht vorgesehen. Hieraus folgt auch der zentrale Unterschied zwischen der Übereignungszeitabrede iSd. Art. VIII.2:101(1)(e), VIII.-2:103 DCFR und der Vereinbarung eines Besitzkonstituts nach deutschem Recht. Zwar soll es nach dem Entwurf zu einer Besitzübertragung kommen, der Erwerber wird indes – anders als gem. §§ 930, 868 BGB – kein mittelbarer Besitzer des Verfügungsgegenstandes231. Ungeachtet dieser Bedenken erweist sich die Übereignungsvariante, gerade weil sie letztlich ohne einen Besitzwechsel auskommt, als besonders flexibel bei der Übertragung von Gegenständen, deren Besitzer unbekannt ist232. Auf diese Weise können namentlich gestohlene Gegenstände233, deren Aufenthaltsort nicht zu ermitteln ist, ebenso problemlos übertragen werden, wie der legendäre Ring auf dem Meeresgrund. e) Übereignung kurzer Hand Als echtes Übergabesurrogat stuft Art. VIII.-2:105(1) DCFR die Übereignung kurzer Hand ein. Befindet sich der Verfügungsgegenstand bereits im Besitz des Erwerbers, vollzieht sich die Mobiliarübereignung mit Abschluss des Grundgeschäfts. Die bereits aus dem römischen Recht bekannte Figur der traditio brevi 228 Die Materialien, bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4476, betonen, dass die Vereinbarung des constitutum possessorium ausschließlich im Rahmen des Art. VIII.-2:103 DCFR erfolgt und zur physischen Übergabe iSd. Art. VIII.-2:104 DCFR in keiner Verbindung steht; ebenso Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 51. Siehe dazu noch die abweichenden Überlegungen von Salomons, ERPL 2009, 711, 714 f., dem die Kommentare noch nicht zur Verfügung standen. 229 Siehe nochmals oben § 27 VI. 1. b). 230 Zum deutschen Recht siehe oben § 10 III. 2. c). 231 Zutreffend v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 302. 232 Zur Problematik nach deutschem Recht siehe oben § 10 IV. 4. b). 233 Vgl. v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 302.
VI. Publizitätsprinzip
1167
manu findet sich neben dem deutschen Recht (§ 929 S. 2 BGB)234 auch in allen anderen europäischen Rechtsordnungen, die dem Traditionsprinzip verhaftet sind235. Die abgekürzte Mobiliarübereignung beruht auf dem Gedanken, dass es einen übertriebenen Formalismus bedeutete, würde man bei bestehendem Besitz des Erwerbers einen zusätzlichen Akt der physischen Übergabe verlangen236. Stattdessen bestehen keine Bedenken dagegen, das Eigentum mit Erfüllung aller weiteren Übereignungsvoraussetzungen übergehen zu lassen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Veräußerer keine Möglichkeit hat, von seinem Zurückbehaltungsrecht gem. Art. III.-3:401 DCFR Gebrauch zu machen und so das Ausfallrisiko im Hinblick auf die Gegenleistung auszuschließen237. Denn der Veräußerer kann sich durch die Vereinbarung eines späteren Übereignungszeitpunkts hinreichend schützen. f) Übertragung von Sachen in Drittbesitz Besitzt ein Dritter die bewegliche Sache für den Veräußerer, hängt die Übereignung gem. Art. VIII.-2:105(2) DCFR von der Anzeige des Veräußerers gegenüber dem Dritten ab, dass er das Eigentum an den Erwerber übertragen habe. Vergleichbare Übergabesurrogate finden sich wiederum in vielen dem Traditionsprinzip verhafteten Rechtsordnungen238. Der Entwurf folgt in seiner technischen Ausgestaltung dem vorherrschenden Regelungsansatz, den Eigentumsübergang von einer Anzeige an den Dritten abhängig zu machen, der zunächst dem Veräußerer und später dem Erwerber den Besitz mittelt. Das Gegenmodell, das die Mobiliarübereignung von der Abtretung des gegen den Besitzmittler gerichteten Herausgabeanspruchs abhängig macht, findet sich in einer geringeren Zahl nationaler Traditionssysteme239, darunter auch das deutsche Recht (§ 931 BGB)240. Allerdings entfaltet Art. VIII.-2:105(2) DCFR nach der Grundkonzeption der europäischen Mobiliarübereignung keine Sperrwirkung für andere Übereignungsvarianten, die sich gleichermaßen auf in Besitz von Dritten befindlichen Sachen beziehen241. Vielmehr kann die Übereignung in einem solchen Fall ohne weiteres auch durch Vereinbarung des Eigentumsübergangs gem. Art. VIII.-2:103 DCFR bewerkstelligt werden, ohne dass es zusätzlich einer Abtretung des Herausgabeanspruchs oder eines in Art. VIII.-2:105 DCFR normierten Übergabesurrogats bedürfte. 234
Siehe oben § 10 IV. 1. Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4545 ff. 236 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4537 sowie zum deutschen Recht oben § 10 IV. 1. b). 237 Zur Frage des außervertraglichen Gegenleistungsanspruchs siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4538 f. 238 Dazu ausf. bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4550 ff. 239 Vgl. auch Stadler, JZ 2010, 380, 388. 240 Siehe oben § 10 IV. 3. 241 Vgl. insofern noch v. Bar/Clive, DCFR, S. 4540. 235
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§ 27 Die europäische Übereignung
Vor diesem Hintergrund stellt sich freilich die Frage nach dem Bedürfnis für die Sondervorschrift, wenn die Anzeige ebenso gut durch eine Übereignungszeitabrede ersetzt werden kann. Die Besonderheit des Art. VIII.-2:103 DCFR besteht nun darin, dass es zu einer solchen Vereinbarung nicht zu kommen braucht. Die Sondervorschrift bewirkt insofern eine Vorverlegung des Übereignungszeitpunkts – unabhängig von Parteiabrede und physischer Übergabe – auf die Abgabe der Übereignungsanzeige vom Veräußerer an den Dritten. Die Anzeige in eine rechtsdogmatische Kategorie einzuordnen, fällt nicht eben leicht242. Für die praktische Anwendung ist dieser Aspekt freilich unschädlich, weil der Erwerber nach Abschluss des Grundgeschäfts typischerweise daran interessiert sein dürfte, möglichst schnell Eigentümer der Sache zu werden. Wo dies ausnahmsweise einmal nicht der Fall sein sollte, kann er mit dem Veräußerer eine aufschiebende Bedingung bzw. Befristung im Grundgeschäft vereinbaren. Ebenso unschädlich erscheint der Umstand, dass sich durch die Anzeige an den Besitzmittler die Besitzverhältnisse nicht notwendig verändern243. Die Abkopplung der Übereignung von den Besitzverhältnissen ist die schlichte Konsequenz aus der Abkehr vom reinen Traditionsprinzip sowie der freien Bestimmbarkeit des Übereignungszeitpunkts. Schutzwürdig ist allerdings der Besitzmittler. In seinem Interesse muss insbesondere verhindert werden, dass er nach Übereignung des in seinem Besitz befindlichen Gegenstandes die ihm gegenüber dem Veräußerer zustehenden Einwendungen und Einreden verliert. Der Entwurf kennt nur wenige Sondervorschriften, um den Besitzmittler in dieser Beziehung zu schützen, wie z.B. für den Mieter einer beweglichen Sache den – § 566 BGB entsprechenden – Art. IV.B.-7:101 DCFR und Zurückbehaltungsrechte244. Hält der Entwurf am Traditionsprinzip als default rule fest und lässt auch weiterhin eine Übereignung durch Drittanzeige zu, muss die lokalisierte Schutzlücke dringend geschlossen werden. Aber selbst wenn dies in systematisch einwandfreier Weise geschähe, handelte es sich letztlich nur um die zweitbeste Lösung. Optimal wäre die Implementierung des Konsensualprinzips. Denn auf dessen Grundlage können die bezeichneten dogmatischen Schwierigkeiten, die sich insbesondere aus der besitzrechtlichen Behandlung der einzelnen Übergabemodalitäten und Übergabesurrogate ergeben, sicher vermieden werden. Davon abgesehen besteht kein überzeugender Grund dafür, die Rechtsfigur der Übereignungsanzeige ins deutsche Mobiliarerwerbssystem zu übernehmen. Zum einen bietet sie gegenüber der Übereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 931 BGB245 keinen signifikanten Mehrwert, zumal der besitzende Dritte ohnehin regelmäßig über die Übereignung informiert wird, 242 Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 929 kritisiert die Vorschrift als Abweichung vom Traditionsprinzip. 243 Kritisch dazu aber Stadler, JZ 2010, 380, 389. 244 Dazu näher Stadler, JZ 2010, 380, 388 f. 245 Dazu ausf. oben § 10 IV. 3.
VI. Publizitätsprinzip
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um zu verhindern, dass er den Verfügungsgegenstand mit befreiender Wirkung an den Veräußerer herausgibt246. Zum anderen reicht die Anzeige gegenüber dem Besitzmittler als solche schwerlich aus, um die nach deutschem Recht notwendige Besitzposition des Erwerbers zu konstruieren. Am Ende gilt also: Hält man am Traditionsprinzip als Auffangregel fest, mag die Vorschrift ergänzt um Aspekte des Sukzessionsschutzes Bestandteil des Entwurfs bleiben. Für eine Übernahme ins deutsche Recht eignet sie sich hingegen nicht. g) Übergabe von Hilfsmitteln Eine weitere Sondervorschrift enthält Art. VIII.-2:105(3) DCFR für die Übertragung von Sachen, auf die nur unter Rückgriff auf besondere Hilfsmittel ungehindert zugegriffen werden kann. Als Übergabe gilt danach bereits die Besitzaufgabe und Besitzbegründung an solchen Hilfsmitteln. Als Beispiele nennen die Materialien die Schlüssel zu Safe, Container oder Lagerraum sowie alle weiteren Hilfsmittel, die den Zugriff auf den Verfügungsgegenstand ermöglichen247; aber auch spezielle Zugangscodes und andere Informationen, die dem Erwerber die Sachherrschaft sichern, lassen sich unter die Modellvorschrift subsumieren248. Inhaltlich ist Art. VIII.-2:105(3) DCFR nicht zu beanstanden. Aber schon im Hinblick auf die Grundregel der physischen Übergabe (Art. VIII.-2:104(1) DCFR), die ihrerseits auf der allgemeinen Besitzdefinition des Art. VIII.-1:105 DCFR beruht, erweist sich die Modellvorschrift als überflüssig249 und sollte daher weder Teil des europäischen noch des nationalen Übereignungsrechts werden. Namentlich für das deutsche Recht ist einhellig anerkannt, dass die exemplarisch genannten Hilfsmittel im Rahmen des allgemeinen Übergabebegriffs zu berücksichtigen sind250. Die tatsächliche Sachherrschaft hat auch derjenige, der auf den Verfügungsgegenstand mit Hilfe eines Schlüssels oder Zugangscodes zugreifen kann. Auch der Umstand, dass die Sache erst später in den tatsächlichen Gewahrsam genommen wird, ist kein maßgeblicher Unterschied zur allgemeinen Übergabedefinition251, denn die Verbindung des Hilfsmittels (Schlüssel) zum Verfügungsobjekt (Sache im Safe) ist nach der Verkehrssitte leicht herstellbar. Aber selbst wenn man sich für die Beibehaltung dieser Sondervorschrift entscheidet, wäre sie nicht als Übergabesurrogat einzuordnen, sondern als Sonderfall der physischen Übergabe iSd. Art. VIII.-2:104(1) DCFR.
246
Zum Sukzessionsschutz in diesem Zusammenhang siehe oben § 10 IV. 3. c) und § 15 VI.
5. b). 247 248 249 250 251
Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4542. Mit näherer Diskussion: v. Bar/Clive, DCFR, S. 4542 f. Ähnlich Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 929; Stadler, JZ 2010, 380, 383. Dazu oben § 10 III. 5. So aber v. Bar/Clive, DCFR, S. 4542.
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§ 27 Die europäische Übereignung
h) Übergabe von Traditionspapieren Schließlich kann die physische Übergabe gem. Art. VIII.-2:105(4) DCFR durch eine Übergabe252 eines für den Verfügungsgegenstand ausgestellten (auch elektronischen) Dokuments (document of title) ersetzt werden. Dafür muss der Veräußerer, der die tatsächliche Herrschaft über eine bewegliche Sache ausübt, ein Dokument ausstellen, das eine Verpflichtung zur Übergabe der Sache an den jeweiligen Inhaber des Papiers beinhaltet. Die Regelung verwirklicht das Konzept einer open list und folgt hiermit den Rechtsordnungen, die nicht nur einige gesetzlich besonders ausgeformte Dokumente als Traditionspapiere anerkennen, sondern zulassen, dass die Vertragsparteien ihre Übereignungsdokumente selbst entwerfen253. Zur Begründung verweisen die Materialien254 auf die praktischen Bedürfnisse des Rechts- und Handelsverkehrs sowie die Offenheit der gewählten Regelung mit Blick auf künftige Entwicklungen. Die Modellregelung bedeutet eine wichtige Innovation im Bereich der Mobiliarübereignung und ist im Hinblick auf die hiermit gesteigerte Leichtigkeit des Rechtsverkehrs durchaus zu begrüßen. Zudem steht sie in engem Zusammenhang mit dem Anliegen des DCFR, den Erfordernissen der Privatautonomie im Mobiliarsachenrecht zum Durchbruch zu verhelfen. Auch lässt sich die Regel mit der Einigung hinsichtlich des Übereignungszeitpunkts und des insofern gewählten Regulierungsansatzes ohne weiteres in Einklang bringen. Wenn man es zulässt, dass die Parteien allein auf Grundlage einer privatautonomen Abrede das Eigentum zu jedem beliebigen Zeitpunkt übertragen können, dann wird man es erst recht zulassen können, dass der Veräußerer zu diesem Zweck ein Traditionspapier ausgibt, auf dessen Grundlage der jeweilige Inhaber vom Besitzer die Herausgabe des Verfügungsgegenstandes verlangen kann. Es bestehen dementsprechend keine Bedenken gegen die Adaption dieser Vorschrift auf europäischer Ebene. Das deutsche Recht kennt solche Dokumente primär in Form der handelsrechtlichen Traditionspapiere Ladeschein (§ 448 HGB), (Order-)Lagerschein (§ 475g HGB) und den – auch Konnossement genannten – Seeladeschein (§§ 647, 650 HGB). Im Schrifttum ist sehr umstritten, ob sich eine Übereignung in diesem Fall nach § 929 S. 1 BGB vollzieht255, wie es insbesondere Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschriften nahelegen256, oder eine Übereignung allein aufgrund § 931 BGB erfolgen kann257. Einhellige Auffassung ist jedoch, dass die Übergabe jedenfalls auf § 931 BGB gestützt werden
252
Zum Übergabebegriff s. Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 58. Rechtsvergleichende Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4565 ff. 254 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4543. 255 Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 67 III; Henssler, in: Soergel, BGB, § 931 Rn. 15; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 37. 256 Dazu näher Oechsler, in: MünchKommBGB, § 931 Rn. 24. 257 Vgl. Canaris, in: Staub, HGB, § 363 Rn. 95 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, § 24 II 2 b. 253
VII. Prinzip der Sukzessionsbefugnis
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kann258. Dementsprechend kann auf die Übernahme einer Art. VIII.-2:105(4) DCFR entsprechenden Parallelvorschrift ins deutsche Recht verzichtet werden.
3. Registrierung beweglicher Sachen Davon abgesehen zielt das VIII. Buch des DCFR nicht auf die Schaffung eines Registrierungssystems für bewegliche Sachen ab. In diesem Punkt unterscheidet sich die europäische Mobiliarübereignung von der Begründung und Übertragung von Mobiliarsicherheiten nach Maßgabe des IX. Buches des DCFR, das für die Einführung eines besonderen Registrierungssystems votiert. Ob die Eigentümereigenschaft oder die Übertragung von Gütern in einem öffentlichen Register eingetragen werden kann oder muss, richtet sich gem. Art. VIII.1:102(1) DCFR ausschließlich nach dem jeweils geltenden nationalen Recht. Die aus der Registrierung nach nationalem Recht resultierenden Wirkungen gehen den Modellregeln grundsätzlich vor (Art. VIII.-1:102(2) DCFR). Das betrifft insbesondere die Registrierung von Kraftfahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen und Tieren259. In der Sache können die nationalen Registervorschriften namentlich vom Übergabeerfordernis des Art. VIII.-2:101(1)(e) DCFR dispensieren und die tatbestandlichen Voraussetzungen der Übergabesurrogate (Art. VIII.-2:105 DCFR) modifizieren260. Zudem steht die Vereinbarung des Übereignungszeitpunkts gem. Art. VIII.-2:103 DCFR unter dem Vorbehalt des jeweiligen nationalen Registersystems.
VII. Prinzip der Sukzessionsbefugnis Eine weitere Grundvoraussetzung für den Eigentumsübergang ist die Berechtigung des Veräußerers, das Eigentum an der Sache zu übertragen (Art. VIII.2:101(1)(c) DCFR)261. Das Verfügungsrecht steht zuallererst dem Eigentümer zu. Nach dem ganzheitlichen Eigentumskonzept des Art. VIII.-1:202 DCFR gehört zu den Rechten des Eigentümers auch die Befugnis, über die Sache nach Belieben zu verfügen. Dieses Recht kann der Eigentümer entweder persönlich ausüben oder – in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht (§ 185 Abs. 1
258 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 931 Rn. 37; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 67 III. – Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 929 meint, dass eine Übereignung schon nach § 929 S. 1 BGB möglich sei. 259 Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4219 ff., 4228 ff., 4237 ff., 4243. 260 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4379. 261 Kritisch zur terminologischen Unterscheidung zwischen „right“ und „authority“ in Art. VIII.-2:101(1)(c) DCFR und öfter: Salomons, ERPL 2009, 711, 719. Seine Kritik erscheint unberechtigt, da es durchaus Sinn macht, zwischen dem durch das Eigentum vermittelten „Recht“ und der auf Vereinbarung und Gesetz beruhenden „Ermächtigung“ zu differenzieren.
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§ 27 Die europäische Übereignung
BGB)262 – eine andere Person zur Vornahme von Verfügungen ermächtigen. Als Beispiel verweisen die Materialien263 auf das Kommissionsgeschäft, das einen wichtigen Anwendungsfall der indirekten Stellvertretung gem. Art. VIII.-2:302 DCFR darstellt. Neben der Ermächtigung kennt der Entwurf auch die Genehmigung sowie den Konvaleszenztatbestand des nachträglichen Rechtserwerbs (Art. VIII.2:102(1) DCFR). In beiden Konstellationen fehlt dem Veräußerer im anvisierten Übertragungszeitpunkt, etwa bei Abschluss der Übereignungszeitabrede oder bei Übergabe, die notwendige Verfügungsberechtigung. Im Fall des nachträglichen Rechtserwerbs dient der Konvaleszenztatbestand dem Schutz des Erwerbers. Der Veräußerer bleibt an seine ursprüngliche Übereignungserklärung gebunden und erleidet mit dem nachträglichen Erwerb der materiellen Berechtigung einen unmittelbaren Rechtsverlust an den Erwerber mit Wirkung ex nunc264. Eine vergleichbare Regelung findet sich außer im deutschen Recht (§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB)265 auch in vielen anderen europäischen Rechtsordnungen266. Wird die Verfügung des Nichtberechtigten hingegen gem. Art. VIII.-2:102(2) DCFR durch den Rechtsinhaber oder einen Ermächtigten genehmigt, tritt der Eigentumserwerb mit dinglicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt des ursprünglich beabsichtigten Übereignungszeitpunkts ein (Wirkung ex tunc). Allerdings lässt die angeordnete Rückwirkung solche Rechte unberührt, die Dritte in der Zwischenzeit vom wahren Berechtigten erworben haben. In diesem Fall erlangt der Erwerber mit der Genehmigung ein belastetes Recht. Diese Ausnahme von der dinglichen Rückwirkung ist eine Konzession an das übergeordnete Prinzip des Sukzessionsschutzes. Da der Dritterwerber an der maßgeblichen Verfügung zwischen den Vertragsparteien nicht beteiligt ist, wird er in seinem Vertrauen auf die Beständigkeit des in der Zwischenzeit erworbenen Rechts geschützt. Als zutreffend erweist sich hierbei insbesondere die Entscheidung, den Dritterwerber unbedingt, nicht allein über die Grundsätze des redlichen Erwerbs zu schützen. Zwar erscheint der Zwischenerwerb eingedenk der späteren Rückbeziehung als ein Erwerb vom Nichtberechtigen. Im konkreten Zeitpunkt des Zwischenerwerbs war der Veräußerer aber freilich noch der wahre Berechtigte. Auf ein etwaiges Vertrauen des Dritterwerbers kann es daher vernünftigerweise nicht ankommen. Das gilt umso mehr, als der Gutglaubenserwerb nach Art. VIII.-3:101 ff. DCFR tendenziell restriktiv ausgestaltet ist und insofern weder dem Schutzbedürfnis noch der Schutzwürdigkeit des Dritterwerbers hinreichend gerecht würde.
262 263 264 265 266
Dazu oben § 5 III. Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4431. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4460. Dazu ausf. oben § 5 IV. 2. Eingehende rechtsvergleichende Hinweise finden sich bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4462 ff.
VIII. Gutglaubenserwerb
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VIII. Gutglaubenserwerb Die Mobiliarübereignung nach dem DCFR beschränkt sich – ebenso wie nach deutschem Recht267 und in der Mehrzahl ausländischer Sachenrechte268 – nicht auf den Erwerb vom Berechtigten, sondern ermöglicht unter besonderen Voraussetzungen auch den redlichen Erwerb beweglicher Sachen vom Nichtberechtigten. Der Entwurf schafft ein eigenständiges Regelungsregime für den Gutglaubenserwerb, der in seinen Grundzügen bemerkenswerte Parallelen zum deutschen Recht aufweist. Signifikante Gemeinsamkeiten bestehen darüber hinaus mit dem UNIDROIT-Entwurf zum redlichen Mobiliarerwerb von 1968269.
1. Herleitung und Grundlagen In rechtssystematischer Hinsicht begreifen die Entwurfsverfasser den redlichen Mobiliarerwerb nach DCFR zum einen als Ausnahme vom Nemo-plus-iurisGrundsatz270. Zum anderen betrachten sie den Gutglaubenserwerb als einen Anwendungsfall des originären Eigentumserwerbs, nicht etwa als Rechtsnachfolge des Erwerbers in die Eigentümerstellung des wahren Berechtigten271. Letzteres kommt bereits im Wortlaut des Art. VIII.-3:101(1) DCFR deutlich zum Ausdruck. Dort heißt es, der Redliche erwerbe das Eigentum an der Sache, während der frühere Eigentümer seine Rechtsstellung einbüße. Zudem wird der originäre Charakter in den Materialien272 nochmals explizit bestätigt. In teleologischer Hinsicht rechtfertigen die Materialien die Zulassung des redlichen Mobiliarerwerbs anhand der bekannten Abwägung der Interessen der am Gutglaubenserwerb Beteiligten273. Zunächst bestehe auf individueller Ebene ein Konflikt zwischen dem Erwerbsinteresse des Redlichen und dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten. Gleichgültig, wie man diese Interessen gewichte, bleibe dem jeweils Unterlegenen immer noch ein schuldrechtlicher Regressanspruch gegen den Nichtberechtigten. Zu bedenken sei allerdings, dass 267
Siehe oben § 11. Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4839 ff. 269 Dazu ausf. Karner, Mobiliarerwerb, S. 47 ff. – Der spätere Entwurf eines einheitlichen Gesetzes über den Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an beweglichen Sachen von 1974 wich in einigen Punkten vom 1968er Entwurf und zugleich vom jetzigen DCFR ab; vgl. dazu Karner, ebenda, S. 52 f. 270 Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4824. – Zum deutschen Recht siehe ausf. oben § 11 II. 271 So v. Bar/Clive, DCFR, S. 4825. – Zur hier vertretenen Gegenposition zum deutschen Recht siehe oben § 11 IX. 2. 272 Die Materialien erklären zudem, dass sie sich an die Terminologie der Vorschriften über den derivativen Erwerb im 2. Abschnitt anlehnen; siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4825. Dieser Hinweis wäre überflüssig, wenn die Entwurfsverfasser den redlichen Erwerb ebenfalls als echte Sukzession einstufen würden. 273 Dazu näher v. Bar/Clive, DCFR, S. 4826. 268
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§ 27 Die europäische Übereignung
der Regressberechtigte stets das Risiko der mangelnden Solvenz und (oder) Identifikation des Nichtberechtigten trage. Die Entscheidung zugunsten des redlichen Mobiliarerwerbs fällen die Entwurfsverfasser daraufhin mit Blick auf die überindividuellen Interessen. Hier stünden sich das allgemeine Verlustrisiko eines jeden Eigentümers und das allgemeine Erwerbsinteresse aller Marktteilnehmer gegenüber. Angesichts des allgemeinen Interesses an einer Funktionsfähigkeit des freien Güterverkehrs und der Umlauffähigkeit beweglicher Sachen, gebühre dem Erwerbsinteresse gegenüber dem Bestandsinteresse der grundsätzliche Vorrang274. Die maßgebliche Zielrichtung der Gutglaubensregeln sei es, den redlichen Rechts- und Handelsverkehr zu erleichtern275. Zudem gehe mit der Zulassung des redlichen Erwerbs regelmäßig eine Senkung der Transaktionskosten einher, weil Nachforschungen über die Wirksamkeit des vorausgegangenen Erwerbs des Veräußerers entbehrlich seien. Zudem würden mit der Zulassung des Gutglaubenserwerbs nicht allein die Interessen des konkreten Erwerbers geschützt, sondern gleichermaßen das Vertrauen sämtlicher (potenzieller) Dritterwerber in die Beständigkeit des Rechtserwerbs. Aus diesem Grund sei es letztlich auch gerechtfertigt, dem wahren Berechtigten das Insolvenz- und Identifikationsrisiko des Nichtberechtigten aufzubürden. Die Argumentation der Entwurfsverfasser ist durchweg überzeugend, für eine moderne Legitimation des Gutglaubenserwerbs geradezu mustergültig. Sie deckt sich in ihren maßgeblichen Argumentationssträngen mit den bereits zum deutschen Recht entwickelten Überlegungen276. Zudem spricht in rechtssystematischer Hinsicht für die Zulassung des redlichen Mobiliarerwerbs auch der Mangel an Verkehrsschutz, der sich für die Referenzregeln aus der Geltung des Einheits- und Kausalprinzips ergibt277. Unter Geltung des DCFR kommt dem Gutglaubenserwerb daher für die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs entscheidende Bedeutung zu.
2. Rechtsscheinträger als Legitimationsgrundlage Im Rahmen der teleologischen Grundlegung haben die Materialien den redlichen Erwerb primär anhand seiner Bedeutung für das überindividuelle Verkehrsinteresse gerechtfertigt und sich insofern zumindest stillschweigend von einer Legitimation aufgrund der Besitzverhältnisse am Erwerbsgegenstand distanziert. Außerdem sind die Vorschriften über den Mobiliarerwerb nach DCFR durch eine weitgehende Entkopplung von Eigentums- und Besitzübertragung gekennzeichnet. Das Traditionsprinzip fungiert nur noch als Auffangregel, kann aber in Form einer Parteiabrede ohne weitere Voraussetzungen ausge274 So auch schon in den allgemeinen Prinzipien des DCFR, bei v. Bar/Beale/Clive/SchulteNölke, in: v. Bar/Clive, DCFR, S. 62. 275 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4827. 276 Dazu ausf. oben § 10 II. 277 Siehe nochmals oben § 27 V.
VIII. Gutglaubenserwerb
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schaltet werden. Zudem sind auch die Übergabesurrogate dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht notwendig mit einer Besitzübertragung zwischen Veräußerer und Erwerber einhergehen; typischerweise wird in diesem Zusammenhang auf eine besondere Ausprägung der Besitzposition verzichtet. a) Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht Trotz des praktischen Bedeutungsverlusts des Traditionsprinzips und der am Erwerbsgegenstand bestehenden Besitzverhältnisse kommt der Entwurf gleichwohl nicht umhin, auf die tatsächlichen und rechtlichen Herrschaftsverhältnisse an der beweglichen Sache als potenzielle Rechtsscheingrundlage zurückzugreifen. Nach Maßgabe des Art. VIII.-3:101(1)(b) DCFR kommt es für den redlichen Mobiliarerwerb allerdings nicht auf den Besitz des Nichtberechtigten an, sondern vor allem auf die Besitzerlangung des Erwerbers. Entscheidend ist die Fähigkeit des Nichtberechtigten, dem Erwerber eine hinreichende Zugriffsmöglichkeit auf den Erwerbsgegenstand zu verschaffen. Diese Ausgestaltung wird man als Konzession an die Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht verstehen müssen278. Vor allem die Gegebenheiten des modernen Rechtsverkehrs, namentlich die für den Erwerber nicht erkennbaren Besitzverhältnisse bei Streckengeschäften, haben die Entwurfsverfasser dazu bewogen, auf das veräußererseitige Besitzerfordernis zu verzichten279. Sei der Besitz des Veräußerers für den Erwerber nämlich nicht erkennbar, sei es auch nicht gerechtfertigt, die Besitzposition des Veräußerers als Legitimationsgrundlage des Gutglaubenserwerbs zu betrachten. An die Stelle der offensichtlichen Besitzposition des Veräußerers trete dessen Rechtsmacht, dem Erwerber den Besitz am Verfügungsgegenstand zu verschaffen. Der Erwerber dürfe darauf vertrauen, dass derjenige, der es vermag, die Sache in seinen Herrschaftsbereich zu bringen, auch zur Verfügung über den Erwerbsgegenstand berechtigt sei. Dementsprechend kann es für einen redlichen Mobiliarerwerb nicht ausreichen, dass sich die Vertragsparteien ausschließlich über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs einigen. Stattdessen verlangt Art. VIII.-3:101(1)(b) DCFR die Übergabe der Sache oder das Vorliegen eines tauglichen Übergabesurrogats. Das erscheint wenig problematisch im Hinblick auf die physische Übergabe iSd. Art. VIII.-2:104(1) DCFR, die Übergabe eines Hilfsmittels iSd. Art. VIII.-2:105(3) DCFR und eines Traditionspapiers iSd. Art. VIII.-2:105(4) DCFR. Auch bei der traditio brevi manu, wenn also der Erwerber bereits Besitzer des Gegenstandes ist, lässt sich eine hinreichende Legitimationsbasis erkennen, soweit der Erwerber die Sache vom (nichtberechtigten) Veräußerer erlangt hat. 278
Siehe oben § 11 III. 4. c). Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4828. – Für einen weiteren abweichenden Ansatz siehe Salomons, in: Faber/Lurger, Rules, S. 141, 152 ff. 279
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§ 27 Die europäische Übereignung
Diese Voraussetzung schreibt Art. VIII.-3:101(3) DCFR ausdrücklich fest. Zwar tun sich die Materialien mit der Gewichtung der einzelnen Argumente ein wenig schwer280. Letztlich gelangt man – in Parallele zu § 932 Abs. 1 S. 2 BGB – indes zu der zutreffenden Überlegung, dass ein Gutglaubenserwerb mangels Legitimationsbasis ausscheiden müsse, wenn der Verfügende nicht durch seine Fähigkeit legitimiert sei, die Sache an den Erwerber gelangen zu lassen. b) Redlicher Erwerb bei Besitzkonstitut Umgekehrt ist es im Rahmen einer Übereignung kraft constitutum possessorium, wenn der Veräußerer also auch weiterhin alleiniger Besitzer des Erwerbsgegenstandes bleibt, nur konsequent, den redlichen Erwerb in Ermangelung einer Besitzeinräumung beim Erwerber zu versagen. Es fehlt an einer tauglichen Legitimationsgrundlage, an die das erwerberseitige Vertrauen anknüpfen könnte. Konkret fehlt es an der notwendigen Manifestation der Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers. Ohne Einräumung einer konkreten Besitzposition, kann der Erwerber nicht darauf vertrauen, dass der Veräußerer Eigentümer oder zumindest zur Verfügung befugt sei. Die im Schrifttum an der strengen Haltung des DCFR geäußerte Kritik281 ist daher zurückzuweisen. Sie verkennt die grundlegende Bedeutung einer tauglichen Vertrauensgrundlage, die gerade nicht mit der Besitzposition des Veräußerers gleichgesetzt wird282, sondern allein in der Besitzerlangung des Erwerbers bestehen kann. Ein niedrigeres Legitimationsniveau ist demgegenüber nicht hinnehmbar. Schon die verwirklichte Besitzverschaffungsmacht entfaltet im Vergleich zu einer Registereintragung nur verhältnismäßig schwache Rechtsscheinwirkungen. Dann muss aber zumindest sichergestellt sein, dass sich jedenfalls in der Besitzverschiebung die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers tatsächlich manifestiert. Fehlt es indes an einer tauglichen Manifestation der Besitzverschaffungsmacht, scheidet auch der Schluss auf die veräußererseitige Sachberechtigung aus. Diesen Zusammenhang hat Art. VIII.-3:101 DCFR vollkommen richtig erkannt und umgesetzt. c) Redlicher Erwerb von Sachen in Drittbesitz Schwierigkeiten bereitet hingegen der redliche Erwerb von Sachen in Drittbesitz, der von einer Anzeige des Veräußerers an den Dritten abhängig ist. Die Ei280 Siehe zur Diskussion v. Bar/Clive, DCFR, S. 4839. Die Schwierigkeiten resultieren aus dem Ansatz des DCFR, nicht nur den redlichen Erwerber vom vermeintlichen Eigentümer, sondern auch von einem aus sonstigem Recht Verfügungsberechtigten zu legitimieren. 281 Eingehend v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 311 ff. 282 So aber ausdrücklich v. Vliet, ZEuP 2011, 292, 319: „What really matters is whether or not the transferor is in actual possession of the thing when he sells to the third party, because to innocent outsiders this actual power creates the impression of the transferor being owner.“ Hervorhebungen im Original weggelassen.
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genheit dieser Konstellation besteht darin, dass Art. VIII.-2:105(2) DCFR auf jedwede Besitzposition in der Person des Erwerbers verzichtet. Nach der – reinen – Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht muss ein redlicher Erwerb daher ausscheiden, weil sich die in Anzeigeform ausgeübte Rechtsmacht des Veräußerers nicht in einer Besitzposition des Erwerbers manifestiert283. Wenn der Entwurf in diesen Fällen gleichwohl einen redlichen Mobiliarerwerb zulässt, bricht er mit dem selbst gewählten Grunderfordernis, dass der Veräußerer seine besitzrechtliche Position verlieren und der Redliche eine bessere Besitzposition erwerben muss. Da sich die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers in keiner Besitzposition des Erwerbers manifestiert, fehlt es an einer tauglichen Legitimationsgrundlage für den redlichen Mobiliarerwerb. Im Ergebnis vertraut der Erwerber hier nur auf das Gerede des Verfügenden. Das Übergabesurrogat des Art. VIII.-2:105(2) DCFR sollte deshalb ausdrücklich von der Anwendung des Art. VIII.-3:101(1)(b) DCFR ausgenommen werden.
3. Guter Glaube an die Verfügungsbefugnis Eine zentrale Abweichung von einem Großteil der europäischen Sachenrechte und so auch vom deutschen Mobiliarsachenrecht ist der in Art. VIII.-3:101(1) DCFR angeordnete Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. Die Entwurfsverfasser begreifen diese Erweiterung des Gutglaubensschutzes als eine konsequente Fortschreibung des Grundtatbestands für den Erwerb vom Berechtigten284. Im deutschen Schrifttum wird die Erweiterung mit der Begründung kritisiert, der Besitz begründe keine taugliche Vertrauensgrundlage für die Verfügungsbefugnis des Veräußerers285. Denn sie beruhe auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage, nicht auf der Einräumung einer Besitzposition an den Ermächtigten. Das ist für sich durchaus richtig. Allerdings beruht die Legitimation des Gutglaubenserwerbs nach modernem Verständnis weniger auf dem Besitz des Veräußerers als auf seiner Machtposition, dem Redlichen den Besitz am Erwerbsgegenstand zu verschaffen. Aus der Perspektive des Erwerbers macht es indes keinen signifikanten Unterschied, ob der Veräußerer, der dem Erwerber den Besitz an der Sache verschafft hat, behauptet Eigentümer zu sein oder aus einem anderen Grund zur Verfügung über die Sache berechtigt zu sein.
283 Ähnlich Stadler, JZ 2010, 380, 391; kritisch auch Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 931, die sich fragt, warum man nicht schlicht die physische Übergabe verlangt und sämtliche Übergabesurrogate ausgeschlossen hat. 284 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4831; vgl. weiter Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 932. 285 So Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 932; positiver hingegen Stadler, JZ 2010, 380, 391: „gut vertretbar“.
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4. Entgeltlichkeit des Erwerbs Eine bemerkenswerte Abweichung zum deutschen Recht286 besteht darin, dass sich der Entwurf gem. Art. VIII.-3:101(1)(c) DCFR – wie die Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen287 – gegen den Schutz des unentgeltlichen Erwerbs entscheidet. Zur Begründung verweisen die Materialien288 auf das Erhaltungsinteresse des Berechtigten. Wenn ihm sein Eigentum schon zugunsten eines redlichen Erwerbers entzogen werden könne, dann bedürfe es dafür jedenfalls einer signifikanten Vermögensdisposition, welcher der Erwerber im Fall der Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts verlustig ginge und aufgrund derer er in seinem Vertrauen auf die Beständigkeit des Rechtserwerbs schützenswert sei. An einer solchen Vermögenseinbuße fehle es hingegen, wenn der Erwerber die Sache schenkweise erlangt habe, so dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen in diesem Sonderfall klar zugunsten des Eigentümers ausgehe. Dem Entgelterfordernis ist zuzugeben, dass es die Rechtsstellung des wahren Berechtigten stärkt. Allerdings wird mit der Abhängigkeit des Mobiliarerwerbs von der Ausgestaltung des Grundgeschäfts ein Element der Unsicherheit in das System des Gutglaubenserwerbs nach DCFR hineingetragen, das mit den sachenrechtsspezifischen Erfordernissen an die Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit schwerlich zu vereinbaren ist. Ein Argument, das im deutschen Recht entscheidend gegen die Beschränkung auf den entgeltlichen Erwerb spricht289, zieht für die Referenzregeln indes nicht: die Trennung und Abstraktion von Schuld- und Verfügungsgeschäft290. Und dennoch können auch auf der Grundlage des Einheits- und Kausalprinzips die Probleme nicht vollständig ausgeblendet werden, die sich aus dem Entgelterfordernis ergeben. Das gilt insbesondere für die Frage, wann der Erwerb als entgeltlich einzustufen ist, d.h., wann die vom Erwerber erbrachte Gegenleistung ausreicht, damit seinen Interessen gegenüber dem Erhaltungsinteresse des Eigentümers der Vorrang gebührt. Die Kommentare bieten zur gemischten Schenkung einige Orientierungspunkte, bleiben im Ergebnis aber durchweg vage291. Hinzu kommt, dass die Materialien kein Wort über die überindividuellen Interessen des Rechtsverkehrs verlieren. Das Verkehrsinteresse ist indes geeignet, den Verlust der Eigentümerstellung des wahren Berechtigten aufzuwiegen, zumal diesem stets ein Regressanspruch gegen den unberechtigt Verfügenden zusteht, für welchen der wahre Berechtigte allein das Insolvenz- und Unauffindbarkeitsrisiko zu tragen 286
Vgl. oben § 11 VIII. Rechtsvergleichende Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4855 ff.; siehe ferner v. Bar/ Clive, DCFR, S. 4829; dafür auch Salomons, in: Faber/Lurger, Rules, S. 141, 148; Harke, GPR 2012, 292, 297. 288 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4829. 289 Dazu oben § 11 VIII. 3. 290 Vgl. hierzu oben § 27 V. 291 Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4829 f. 287
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hat. In der Summe sprechen daher die besseren Argumente für die Zulassung des redlichen Mobiliarerwerbs. Ein unentgeltlicher Erwerb vermag zwar die rechtliche Zuordnung des Erwerbsgegenstandes im Interesse des redlichen Rechtsverkehrs sowie der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu legitimieren. Der Erwerber kann indes nicht beanspruchen, den unentgeltlich erworbenen Gegenstand auch dauerhaft zu Eigentum zu erwerben. Für das deutsche Recht billigt § 816 Abs. 1 S. 2 BGB dem wahren Berechtigten daher einen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch gegen den Erwerber zu292. Dieses ausgewogene System aus Gutglaubenserwerb und bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung sollte auch im europäischen Mobiliarsachenrecht etabliert werden293.
5. Redlichkeit des Erwerbers Für die Austarierung der Interessen der am Gutglaubenserwerb Beteiligten kommt den Anforderungen an die erwerberseitige Gutgläubigkeit eine Schlüsselfunktion zu. Das gilt gleichermaßen für den Maßstab der Redlichkeit (a) wie für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (b). a) Maßstab der Redlichkeit Den Maßstab des guten Glaubens setzt Art. VIII.-3:101(1)(d) DCFR verhältnismäßig hoch an. Der Erwerber darf von der Nichtberechtigung des Veräußerers weder positive Kenntnis noch (grob oder auch nur einfach) fahrlässige Unkenntnis haben. Nach dem Verständnis der Materialien ist der Erwerber bösgläubig, wenn ihm substantielle Gründe bekannt sind, die ihn an der Berechtigung des Veräußerers zweifeln lassen müssen. Dafür braucht der Mangel nicht evident zu sein. Es genügt bereits, wenn dem Erwerber im Zuge der Transaktion etwas merkwürdig vorkommt. Die Entwurfsverfasser entschieden sich gegen die in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen – und so auch im deutschen Recht294 – anzutreffende Grenze der grobfahrlässigen Unkenntnis, um das Erhaltungsinteresse des wahren Eigentümers zu sichern295. Das ist mit Blick auf die berechtigten Eigentümerinteressen nicht von vornherein unverständlich. Allerdings konfligiert der hohe Redlichkeitsstandard im Ergebnis mit dem Grundanliegen des Gutglaubenserwerbs, die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Güterverkehrs zu gewährleisten296. Denn auf Grundlage des in Art. VIII.-3:101(1)(d) DCFR nie292 293 294 295 296
Dazu näher § 11 VIII. 2. Anlehnend freilich v. Bar/Clive, DCFR, S. 4830. Siehe oben § 11 VI. 4. b) aa). Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4831. Kritisch auch Stadler, JZ 2010, 380, 391.
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dergelegten Standards ist der Erwerber im Regelfall gezwungen, zeit- und kostenintensive Nachforschungen über die materielle Berechtigung des Veräußerers anzustellen. Sie äußern sich in einer signifikanten Erhöhung der Transaktionskosten. Risikoaverse Marktteilnehmer werden angesichts der Gefahr, dass ihnen der Erwerbsgegenstand im Nachhinein wieder entzogen wird, tendenziell von der Durchführung potenziell nutzensteigernder Transaktionen absehen. Das verhindert eine effiziente Allokation knapper Ressourcen und vermindert den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. Um das Redlichkeitserfordernis flexibel handhabbar zu machen, sahen die Entwurfsverfasser bewusst davon ab, dem Erwerber detaillierte Nachforschungspflichten aufzuerlegen297. Stattdessen sollen die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls über das Vorliegen von Redlichkeit entscheiden. Weiterhin geben die Materialien zu bedenken, dass die geforderten Nachforschungen nur angemessene Maßnahmen (reasonable measures) verlangen, wobei sowohl die Kosten als auch die Informationslage einzubeziehen seien298. Den Gerichten werde in diesem Zusammenhang die Aufgabe zuteil, Leitlinien für den zur Nachforschung notwendigen Aufwand zu entwickeln, woran sich Erwerber später orientieren könnten. Bis es soweit ist, muss man sich offenbar mit der bestehenden Rechtsunsicherheit abfinden. Das ist insgesamt alles andere als befriedigend, liegt aber im Wesen des DCFR-Projekts. Hoffnung machen indes die in den Materialien angeführten Beispielsfälle. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass zwischen dem Standard der einfachen Fahrlässigkeit des DCFR und dem der groben Fahrlässigkeit iSd. § 932 Abs. 2 BGB keine allzu großen inhaltlichen Unterschiede bestehen. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Rechtsprechung und Lehre den Standard im deutschen Recht großzügig interpretieren und auch Fallgestaltungen erfassen, die man nach allgemeinen Grundsätzen eher im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit verorten würde299. Die Grenzen zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit scheinen in der Praxis vielfach fließend. Jedenfalls liegt die Annahme nicht fern, dass die Rechtsprechung auch nach dem Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit zu brauchbaren Ergebnissen gelangen würde. Damit ist umgekehrt aber nicht gesagt, die Entscheidung für diesen hohen Redlichkeitsstandard sei zutreffend. Es steht nur zu erwarten, dass sie in der praktischen Anwendung aller Wahrscheinlichkeit nach keinen allzu großen Schaden anrichten wird. Vorzugswürdig ist und bleibt die Verankerung des Maßstabs der groben Fahrlässigkeit. Das gilt für die nationale ebenso wie für die europäische Ebene.
297 298 299
Dazu v. Bar/Clive, DCFR, S. 4832. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4832. Siehe nochmals oben § 11 VI. 4. b) aa).
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b) Darlegungs- und Beweislastverteilung Die zweite Abweichung betrifft die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Während zahlreiche europäische Rechtsordnungen – darunter auch das deutsche Recht (§ 932 Abs. 2 BGB)300 – dem Veräußerer die Darlegungs- und Beweislast für die Bösgläubigkeit des Erwerbers zuweisen301, obliegt es gem. Art. VIII.-3:101(1)(d) DCFR dem Erwerber, seine Redlichkeit darzulegen und im Ernstfall zu beweisen. Der Erwerber hat danach die Umstände nachzuweisen, aus denen folgt, dass er die mangelnde Berechtigung des Veräußerers nicht kennen konnte. Zur Begründung führen die Materialien ganz unterschiedliche Gesichtspunkte an302: Erstens schütze diese Beweislastverteilung das Erhaltungsinteresse des wahren Eigentümers, was bei Vermutung der Redlichkeit des Erwerbers nicht der Fall sei. Zweitens sei der Erwerber aufgrund seiner persönlichen Nähe zum Erwerbsvorgang eher in der Lage, die subjektiven Voraussetzungen der Gutglaubensvorschrift nachzuweisen, als der wahre Berechtigte. Dem wahren Berechtigten falle dies schwer, weil er am Übertragungsvorgang zwischen dem Nichtberechtigten und dem Erwerber naturgemäß nicht beteiligt sei. Das gelte umso mehr, als das Nichtvorliegen von inneren Umständen kaum nachweisbar sei. Und drittens handele es sich bei der Redlichkeit des Erwerbers um eine für ihn günstige Tatsache, für die er nach allgemeinen Grundsätzen ohnehin darlegungs- und beweispflichtig sei. Unverkennbar beruht die Argumentation der Entwurfsverfasser auf dem Bestreben, den Anwendungsbereich des redlichen Mobiliarerwerbs mittels gesteigerter Redlichkeitsanforderungen einzuschränken. Hierbei wird allerdings übersehen, dass es dem Erwerber vielfach unmöglich sein wird, seine Redlichkeit positiv nachzuweisen. Denn auch für ihn gilt, dass die Abwesenheit innerer Tatsachen nur mit großen Schwierigkeiten beweisbar ist, vor allem wenn schon eine geraume Zeit seit dem (vermeintlichen) Eigentumserwerb verstrichen ist303. Mit der Entscheidung, dem Erwerber die Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen, wird der Erwerber deshalb kaum mehr in der Lage sein, sich auf den Gutglaubenserwerb zu berufen304. Das gilt umso mehr, wenn man zudem den Redlichkeitsmaßstab der leichten Fahrlässigkeit in die Betrachtung einbezieht. Es steht daher zu befürchten, dass die Rechtsfigur des Gutglaubenserwerbs durch die hohen subjektiven Standards für die praktische Anwendung nahezu wertlos wird. Deshalb sollte dem wahren Berechtigten in Anlehnung an das deutsche Recht (§ 932 Abs. 2 BGB) die Darlegungs- und Beweislast auferlegt werden. 300
Siehe oben § 11 VI. 5. Rechtsvergleichende Hinweise finden sich bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4848 ff. 302 Zum Folgenden vgl. v. Bar/Clive, DCFR, S. 4833 f.; s. ferner Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 62. 303 Vgl. dazu noch Salomons, ERPL 2009, 711, 722; Lurger, in: van Erp, Future, S. 47, 63. 304 Ähnlich auch die Einschätzung von Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 932; kritisch und für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast Salomons, ERPL 2009, 711, 721 f.; ders., in: Somma, Politics, S. 199, 211 f., 215 f. 301
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§ 27 Die europäische Übereignung
6. Zurechnungsprinzip Ebenso wie der redliche Mobiliarerwerb deutscher Prägung ruht auch die Legitimation des Gutglaubenserwerbs gem. Art. VIII.-3:101 DCFR auf zwei Säuen: Als erste Legitimationssäule ist oben305 bereits das überindividuelle Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit) identifiziert worden. Darüber hinaus stützt sich die Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen – ebenso wie nach deutschem Recht306 – darauf, dass die Unrichtigkeit des Rechtsscheinträgers dem wahren Berechtigten zuzurechnen ist (Zurechnungsprinzip). Im Umkehrschluss scheidet daher ein redlicher Erwerb von gestohlenen Sachen aus (a). Bemerkenswert ist, dass der Referenztext keine Ausnahme für verlorene Sachen vorsieht (b). Zudem lassen die Modellregeln den Erwerb gestohlener Sachen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zu (c). a) Ausschluss für gestohlene Sachen Der Entwurf folgt der Mehrzahl europäischer Rechtsordnungen307 in der Regel, dass an gestohlenen Sachen grundsätzlich kein redlicher Erwerb stattfindet (Art. VIII.-3:101(2) DCFR). Das gilt für gestohlene Kulturgüter iSd. Art. VIII.4:102 DCFR ohne Einschränkung308, während andere gestohlene Sachen ausnahmsweise redlich erworben werden können, wenn der Erwerber die Sache von einem Veräußerer erwirbt, der im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehandelt hat309. Zur Begründung heißt es in den Materialien, ein redlicher Erwerb gestohlener Sachen müsse grundsätzlich ausscheiden, da der wahre Berechtigte hier zum Verlust des Sachbesitzes nicht beigetragen habe310. Zudem müsse die Rechtsordnung sicherstellen, dass der Schaden des Eigentümers aus ernstlichen Eigentumsdelikten so gering wie möglich gehalten werde. Außerdem könne eine großzügige Gutglaubensregel einen Anreiz für Diebe und Räuber schaffen. Für die Herausnahme gestohlener Sachen spricht außerdem, dass der Eigentümer andernfalls unverhältnismäßig hohe Kosten aufwenden müsste, um einen redlichen Erwerb zu verhindern311. Im Ergebnis ist es daher zutreffend, gestohlene Sachen aus dem Anwendungsbereich des redlichen Mobiliarerwerbs auszuklammern.
305 306 307 308 309 310 311
Siehe § 27 VIII. 1. Dazu ausf. oben § 11 VII. Siehe die rechtsvergleichenden Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4863 ff. Rechtsvergleichendes findet sich für diesen Punkt bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4875 ff. Dazu sogleich unten § 27 VIII. 6. c). Dazu und zum Folgenden siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4835. Füller, in: Faber/Lurger, Rules, S. 197, 213.
VIII. Gutglaubenserwerb
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b) Kein Ausschluss für verlorene und anvertraute Sachen Während nicht wenige europäische Rechtsordnungen, darunter auch das deutsche Recht (vgl. § 935 Abs. 1 S. 1 BGB), den redlichen Erwerb verlorengegangener Sachen ausschließen312, weist der Entwurf das Verlustrisiko dem wahren Berechtigten zu. Ebenso wie bei Sachen, die dem Verfügenden anvertraut worden seien, habe der wahre Berechtigte in diesem Fall einen zurechenbaren Beitrag zur späteren Verfügung des Nichtberechtigten geleistet313. Deshalb sei es gerechtfertigt, den Interessen des Verkehrsschutzes und dem Erwerbsinteresse des Redlichen gegenüber den Eigentümerinteressen den Vorrang einzuräumen. Dem ist für anvertraute Sachen uneingeschränkt beizupflichten314. Schwieriger liegt der Fall bei verlorenen Gegenständen. Hier halten sich die Interessen der am Gutglaubenserwerb Beteiligten nahezu die Waage. Betont man das überindividuelle Verkehrsinteresse, wird man mit dem Entwurf einen redlichen Erwerb zulassen, was auch angesichts der hohen Redlichkeitsstandards nachvollziehbar und im Ergebnis vertretbar ist. Umgekehrt folgt hieraus indes kein zwingender Handlungsbedarf für das deutsche Recht. Denn die verhältnismäßig weitgehenden Gutglaubensregelungen der §§ 932 ff. BGB verlangen umgekehrt nach einem effektiven Schutz des Eigentümerinteresses. Vermag der wahre Berechtigte daher den Nachweis zu führen, dass er den Erwerbsgegenstand tatsächlich verloren hat, sprechen gute Gründe dafür, das Beharrungsinteresse des Eigentümers zu schützen. Daher ist auch § 935 Abs. 1 BGB im Ergebnis nicht zu beanstanden c) Erwerb gestohlener Sachen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb Eine bemerkenswerte Rückausnahme sieht der Entwurf für den Erwerb gestohlener Sachen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (ordinary course of business) vor. Dahinter steckt der Gedanke, dass gestohlene Gegenstände nur selten im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb von Personen veräußert werden, die als professionale Händler über eine Lizenz oder sonstige Erlaubnis zur Veräußerung bestimmter Gegenstände verfügen315. Der Redliche, der von einem Unternehmer im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb erwirbt, soll darauf vertrauen dürfen, dass die Sache dem wahren Berechtigten nicht gestohlen worden ist und er sie kraft guten Glaubens erwerben kann. Nur beim Vorliegen konkreter Verdachtsmomente scheitert ein redlicher Erwerb an der mangelnden Gutgläubigkeit des Erwerbers. Überhaupt begreifen die Materialien die Rückausnahme im Interesse des Verkehrsschutzes angesichts der hohen Redlichkeitsanforderungen als gerechtfertigt. Nur bei Veräußerungen durch private Verkäufer oder auf dem
312 313 314 315
Siehe Fn. 307. Siehe v. Bar/Clive, DCFR, S. 4835. Siehe dazu schon oben § 11 VII. 2. b). Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 4837.
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§ 27 Die europäische Übereignung
Schwarzmarkt kommt der Erwerber nicht in den Genuss dieses besonderen Schutzes. Eine rechtsvergleichende Umschau zeigt, dass Sonderregeln für den gutgläubigen Erwerb im Handelsverkehr in Europa keine Seltenheit darstellen316; das deutsche Recht hat von einer vergleichbaren Rückausnahme indes abgesehen und erlaubt den Gutglaubenserwerb abhanden gekommener Sachen gem. § 935 Abs. 2 BGB nur bei Geld und Inhaberpapieren sowie bei Sachen, die im Wege einer (öffentlichen) Versteigerung erworben werden. Führt man sich nochmals die bereits angeführten rechtspolitischen und rechtsökonomischen Gesichtspunkte vor Augen, die für die grundlegende Ausnahme bei gestohlenen Sachen gelten – mangelnde Zurechenbarkeit, Diebstahlsprävention, Sanktionierung von Eigentumsdelikten und schließlich die für den wahren Berechtigten zum Schutz seines Eigentums zu Buche schlagenden Kontroll- und Schutzkosten317 – können die in den Materialien für die Rückausnahme genannten Gründe nicht überzeugen318. Ein gesteigertes Erwerbervertrauen beim Erwerb vom Händler allein vermag sich nicht gegen die gewichtigen Sachgründe der Ausnahmeregel durchzusetzen. Insbesondere ist dem wahren Berechtigten die Schaffung der Rechtsscheingrundlage wegen des unfreiwilligen Besitzverlustes nicht zurechenbar. Fehlt es mangels Zurechenbarkeit aber nun an einer tragenden Legitimationssäule, muss der redliche Mobiliarerwerb ausscheiden, gleichgültig, in welchem Maße der Erwerber tatsächlich auf die Rechtsbeständigkeit des Mobiliarerwerbs vertraute. Dementsprechend kann die Rückausnahme für im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb erworbene Sachen nicht überzeugen. Sie sollte auf europäischer Ebene ebenso wenig verankert werden wie sie es im deutschen Recht bereits ist.
IX. Prinzip des Sukzessionsschutzes Darüber hinaus lassen sich im Referenztext noch das Prinzip des Sukzessionsschutzes (1.) und seine zentrale Ausnahme in Form des redlichen lastenfreien Erwerbs (2.) nachweisen.
1. Grundlagen Einen einfachgesetzlichen Niederschlag hat das Sukzessionsschutzprinzip in Art. VIII.-2:201(1) DCFR erfahren319. Die Vorschrift beschränkt die Wirkungen des Eigentumsübergangs ausdrücklich auf die Befugnis des Veräußerers, das 316
Dazu eingehend v. Bar/Clive, DCFR, S. 4863 ff.; Krimphove, Sachenrecht, S. 401 ff. Speziell zu diesem Aspekt, aber auch weiterführend zum Problem Krimphove, Sachenrecht, S. 398 ff. 318 Kritisch auch Salomons, in: Somma, Politics, S. 199, 216. 319 Siehe hierzu v. Bar/Clive, DCFR, S. 4576. 317
IX. Prinzip des Sukzessionsschutzes
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betreffende Sachenrecht mit dem Inhalt und Umfang zu transferieren, den es vor dem Sukzessionsvorgang hatte. Ist der Verfügungsgegenstand mit einem beschränkten dinglichen Recht zugunsten eines Dritten belastet, hindert dies die Übertragung des Gegenstandes als solche nicht. Die Belastung wirkt sich nur insofern aus, als der Inhaber nach allgemeinen Grundsätzen daran gehindert ist, dem Erwerber das uneingeschränkte Vollrecht zu verschaffen320. Vorbehaltlich eines redlichen lastenfreien Erwerbs321 muss der Erwerber die bestehenden Rechte Dritter gegen sich gelten lassen. Dementsprechend werden die Inhaber beschränkter dinglicher Rechte auf Grundlage des DCFR durch die grundsätzliche Geltung des Nemo-plus-iuris- und des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips geschützt. Das entspricht exakt dem deutschen Recht322.
2. Redlicher lastenfreier Erwerb Eine weitere Parallele zum deutschen Recht (§ 936 BGB)323 besteht in der maßgeblichen Einschränkung, die das Prinzip des Sukzessionsschutzes aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs durch die Zulassung des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs nach Maßgabe des Art. VIII.-3:102 DCFR erfährt. Die hinter dieser Rechtsfigur stehenden rechtssystematischen und teleologischen Erwägungen sind mit dem Gutglaubenserwerb als solchem deckungsgleich324. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. VIII.-3:102 DCFR erfüllt, erlischt das beschränkte dingliche Recht und der Gutgläubige erwirbt den Verfügungsgegenstand frei von Rechten Dritter. Für die Legitimation des redlichen lastenfreien Erwerbs ist wiederum die Besitzverschaffung durch den Verfügenden von zentraler Bedeutung. Vielfach wird das beschränkte dingliche Recht an der Sache dem Inhaber nämlich ein Recht zum Besitz geben, so dass er eine Übergabe an einen Dritterwerber effektiv verhindern kann. Gelingt es dem Veräußerer daher nicht, dem Erwerber den Besitz an der Sache zu verschaffen oder zumindest die Voraussetzungen eines Übergabesurrogats zu erfüllen, kann der Erwerber vernünftigerweise nicht davon ausgehen, das (lastenfreie) Eigentum an der Sache zu erwerben. Unzureichend für den redlichen lastenfreien Erwerb – und hierbei handelt es sich um eine Abweichung von Art. VIII.-3:101 DCFR – ist die für einen Erwerb vom Berechtigten grundsätzlich ausreichende Anzeige an den Drittbesitzer (Art. VIII.-3:102(3) DCFR). Die Materialien meinen mit Recht, für die Beteiligten sei hier offensichtlich, dass ein besitzender Dritter existiere, dem auch ein beschränktes dingliches Recht an der Sache zustehen könne325, wie beispiels320 321 322 323 324 325
Siehe auch v. Bar/Clive, DCFR, S. 4431. Dazu sogleich unten § 27 IX. 2. Dazu ausf. oben § 15 II. 1. Siehe oben § 15 II. 2. Vgl. die Hinweise bei v. Bar/Clive, DCFR, S. 4878 f. Dazu und zum Folgenden v. Bar/Clive, DCFR, S. 4881.
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§ 27 Die europäische Übereignung
weise ein Anwartschafts- oder Sicherungsrecht. Deshalb müsse der Erwerber in diesem Fall stets mit einer Belastung des Verfügungsgegenstandes rechnen und dürfe auch nicht auf die uneingeschränkte Berechtigung des Veräußerers vertrauen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
X. Zukunft der europäischen Mobiliarübereignung Zum Abschluss ist ungeachtet der konkreten Ausgestaltung eines möglichen europäischen Mobiliarsachenrechts noch danach zu fragen, in welcher Form in diesem Zusammenhang eine Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt werden könnte. Wiederum stehen die drei bereits aus dem europäischen Abtretungsrecht326 bekannten Möglichkeiten zur Wahl: (1.) die Schaffung eines optionalen europäischen Mobiliarsachenrechts, (2.) eine unionsweite Harmonisierung der nationalen Mobiliarsachenrechte und (3.) eine dezentrale Angleichung des Sachenrechts durch den nationalen Gesetzgeber.
1. Optionales Mobiliarsachenrecht In Bezug auf die Etablierung eines optionalen Mobiliarsachenrechts sind die Meinungen geteilt. Während das ausländische Schrifttum das optionale Instrument vereinzelt befürwortet327, lehnt die deutsche Literatur die Umsetzung der Referenzregeln in einem neben dem nationalen Sachenrecht geltenden zweiten Regime hingegen ab328. Zur Begründung verweisen die Kritiker namentlich auf die mangelnde Kohärenz der Modellvorschriften. Aber selbst ungeachtet der inhaltlichen Ausgestaltung des optionalen Sachenrechts bleibt sein praktischer Nutzen fragwürdig. De lege lata ist zunächst zu berücksichtigen, dass ausweislich Art. 43 EGBGB für das deutsche Recht und auch in den meisten ausländischen Rechtsordnungen das Internationale Sachenrecht von der Anknüpfung an den Belegenheitsort der Sache beherrscht ist und eine freie Wahl des anwendbaren Sachenrechts ausscheidet. Vor diesem Hintergrund muss es – ungeachtet der juristischen Konstruktion einer möglichen Rechtswahl – wertungswidersprüchlich erscheinen, den Verkehrsteilnehmern zwar die Wahl jeder ausländischen Sachenrechtsordnung auf der einen Seite zu versagen, ihnen auf der anderen Seite aber die Wahl eines optionalen Mobiliarsachenrechts nach dem Vorbild des DCFR zu eröffnen329. Aber auch wenn man sich de lege ferenda mit der zutreffenden Ansicht330 für die Wählbarkeit des sachenrechtlichen Regimes entscheidet und konsequenter326 327 328 329 330
Siehe oben § 25 V. Dafür dezidiert v. Erp, in: Schulze, Frame, S. 257 ff., 269. So Meller-Hannich, AcP 210 (2010), 925, 939; ähnlich Stadler, JZ 2010, 380, 391 f. Vgl. auch Leible, BB 2008, 1469, 1473. Siehe das Plädoyer für Parteiautonomie im Internationalen Sachenrecht oben § 24 II.
X. Zukunft der europäischen Mobiliarübereignung
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weise auch die Teilrechtswahl zulässt, erscheint ein optionales Instrument verzichtbar, weil es für ein weiteres Regelungsregime neben den dann wählbaren ausländischen Sachenrechten, die zudem auch selektiv aufgerufen werden könnten, schlichtweg an einem praktischen Bedürfnis fehlt. Eine weitere Schwierigkeit des optionalen Instruments besteht darin, dass eine etwaige Rechtswahl nach dem Rechtsgedanken des Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO nicht zulasten unbeteiligter Dritter gehen darf331. Zwar sollte es Veräußerer und Erwerber freistehen, das nach Maßgabe ihrer individuellen Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnisse optimale Recht nach Belieben zu wählen. Unabdingbare Sukzessionsschutzvorschriften dürfen indes nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Deshalb müsste eine Rechtswahl auch die an der Sache bestehenden Sicherungsrechte und sonstigen beschränkten dinglichen Rechte unberührt lassen. Und schließlich ist das optionale Instrument auch nicht in der Lage, das aus dem Sachenkollisionsrecht bekannte Anerkennungsproblem für ausländische Sachenrechte in der nationalen Rechtsordnung332 zu lösen. Denn ausländische Sachenrechte müssen unter allen Umständen mit der nationalen Kredit- und Gläubigerordnung abgeglichen werden.
2. Europäische Harmonisierung des Mobiliarsachenrechts Verneint man damit die Sinnhaftigkeit eines optionalen Übereignungsrechts, stellt sich auf der nächsten Stufe die Frage, ob die sachenrechtlichen Vorschriften vereinheitlicht oder zumindest harmonisiert werden sollten333. Die Rechtsvereinheitlichung ist im Schrifttum bereits als „Königsweg“334 des europäischen Sachenrechts bezeichnet worden und weist in der Sache tatsächlich einige maßgebliche Vorteile gegenüber dem optionalen Modell und auch einer Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf. Denn im Gegensatz zur Eröffnung einer weitgehenden Rechtswahlbefugnis vermeidet die Sachrechtsangleichung das Nebeneinander unterschiedlicher Ordnungssysteme und die sich hieraus ergebenden Anerkennungsprobleme des Internationalen Sachenrechts335. Zudem begrenzte eine Sachenrechtsharmonisierung die einzelnen Typen von Sicherungsrechten, wie sie in den europäischen Rechtsordnungen in großer Vielfalt vorkommen und machte damit auch die Kollisionsregeln nebst Rechtswahlbefugnis weitgehend entbehrlich. Darüber hinaus sprechen die im Laufe dieses Abschnitts angesprochenen inhaltlichen Unterschiede ebenfalls für eine Vereinheitlichung des materiellen 331
Vgl. zum Problem auch MPI, RabelsZ 75 (2011), 371, 430; Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 192 f. Siehe zur Parallelargumentation bei der europäischen Forderungszession oben § 25 V. 1. 332 Zum Anerkennungsproblem siehe oben § 24 I. 2. c) aa) und § 24 II. 2. d). 333 Dafür etwa Caramelo-Gomes, in: Faber/Lurger, Rules, S. 239, 248; Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 196: „sachlich beste Lösung“; Simón Moreno, ERPL 2011, 579, 606 f. 334 So Kreuzer, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 31, 51. 335 Dazu und zum Folgenden Kreuzer, in: Basedow, Kreditsicherungsrecht, S. 31, 51 f.
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Sachenrechts. So könnten bestehende Hindernisse für grenzüberschreitende Transaktionen wesentlich verringert und mit internationalen Übereignungen verbundene Transaktionskosten wesentlich gesenkt werden. Dies alles läge im überindividuellen Interesse an einer ungehinderten Zirkulationsfähigkeit beweglicher Sachen und entspräche letztlich auch dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Umgekehrt sind es die gleichen inhaltlichen Unterschiede der nationalen Sachenrechte, die sich als wesentliches Harmonisierungshindernis erweisen, weil sie eine kohärente Synthese der gesamteuropäischen Vorgaben wesentlich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen336. Das gilt umso mehr, da das Mobiliarsachenrecht zahlreiche Querverbindungen zum Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht aufweist, die im Rahmen einer nationalen Reform ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Insgesamt sind daher Einschnitte in das nationale Recht vielfach mit größeren Kosten für die innerstaatliche Rechtsanwendung verbunden, als sie Vorteile für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr aufweisen. Die zur Harmonisierung des Zessionsrechts angestellte Kosten-Nutzen-Analyse337 lässt sich eins zu eins auch auf die zentralistische Vereinheitlichung des gemeineuropäischen Sachenrechts übertragen. Zudem hat die Analyse des konkreten Inhalts des DCFR-Sachenrechts die möglichen Nachteile einer Rechtsvereinheitlichung deutlich offengelegt. Man denke nur an die Sondervorschriften zur Übertragung von Sachgesamtheiten (bulk sale)338 und die Abkehr vom Trennungs- und Abstraktionsprinzip339. Die möglichen Auswirkungen solcher Änderungen für das deutsche Sachenrechtssystem sind unüberschaubar.
3. Nationale Angleichung des Mobiliarsachenrechts Hält man eine institutionalisierte Harmonisierung des Sachenrechts insofern für wenig zielführend, bleibt nur die Hoffnung auf eine spontane Angleichung der nationalen Rechte340, wie sie für den Fall des Eigentumsvorbehalts zu beobachten ist341. Eine dezentrale Angleichung der Mobiliarsachenrechte verdient zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Vorzug. Zu diesem Zwecke sollte – ebenso wie für das europäische Abtretungsrecht342 – in einem breitangelegten europaweiten Dialog über die inhaltliche Harmonisierung der Sachenrechte eingetre336 Für eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme siehe v. Erp, in: Reimann/Zimmermann, Handbook, S. 1043 ff.; vgl. noch dens., in: Ritaine, S. 105, 106 f. 337 Siehe ausf. oben § 25 V. 2. 338 Dazu oben § 27 IV. 2. 339 Dazu oben § 27 V. 340 Kritisch dazu Caramelo-Gomes, in: Faber/Lurger, Rules, S. 239, 248. 341 Zum Problem: Drobnig, in: Martiny/Witzleb, Wege, S. 169, 175; Karner, Mobiliarerwerb, S. 44 f.; Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 186 f. 342 Dazu oben § 25 V. 3.
XI. Zusammenfassung
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ten werden, die zu einer sukzessiven Angleichung durch den nationalen Gesetzgeber führen sollte. Grundlage für den Angleichungsdialog können die im DCFR niedergelegten Modellregeln sein. Auch wenn kaum zu erwarten ist, dass ein über Jahrhunderte gewachsenes System daraufhin mit der Wurzel ausgerissen und durch eine schlichte Verpflanzung der DCFR-Regeln in nationales Recht ersetzt wird, können die Regeln doch wenigstens Denkanstöße geben und Anreize setzen, das nationale Sachenrecht auf den Prüfstand zu stellen. Entstünde auf diese Weise ein angeglichenes Mobiliarübereignungsrecht, könnten die verbleibenden Differenzen unter Rückgriff auf das Internationale Sachenrecht vermutlich in angemessener Weise aufgelöst werden. Davon abgesehen dürfen die Nationalstaaten indes nicht gezwungen werden, identitätsstiftende Besonderheiten ohne Not aus ihren Rechtskulturen herauszureißen. Aus hiesiger Perspektive sind für das deutsche Recht namentlich das Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip sowie das Trennungs- und Abstraktionsprinzip nicht verhandelbar. Umgekehrt sollte das deutsche Sachenrecht im Anschluss an die europäischen Modellregeln den Übergang vom Traditionszum Konsensualprinzip vollziehen und in diesem Sinne für ein höheres Maß an Sukzessionsfreiheit sorgen.
XI. Zusammenfassung Die im DCFR entworfene europäische Mobiliarübereignung ist geprägt von den beiden systemtragenden Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit wird ergänzt durch die Anordnung, dass sich der Eigentümer des Verfügungsrechts nicht kraft privatautonomer Vereinbarung begeben kann. Der Sukzessionsfreiheit dient auch die maßgebliche Einschränkung des Sukzessionsschutzprinzips durch Zulassung des redlichen lastenfreien Erwerbs. Der Referenztext folgt dem einheitlichen Übereignungsansatz. Danach entscheidet die Änderung der Rechtszuständigkeit am Verfügungsgegenstand über ein ganzes Spektrum verschiedener Implikationen des Sukzessionsvorgangs. Von diesem Grundsatz lässt der Entwurf verschiedene Ausnahmen zu, von denen die meisten nicht als echte Durchbrechungen des Einheitsansatzes zu werten sind, sondern lediglich Beschränkungen seines sachlichen Anwendungsbereichs darstellen. Das gilt namentlich für die Geltung von Sondervorschriften des Schuld- und Insolvenzrechts, die Übereignung unbestellter Sachen und die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts. Nur das dingliche Rückfallrecht bei Vertragsaufhebung und die Sondervorschriften für konkurrierende Übereignungen sind als echte Durchbrechungen einzuordnen, vermögen beide aber inhaltlich nicht zu überzeugen. Auf eine dingliche Rückwirkung sollte im Sachenrecht, das in besonderem Maße auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit angewiesen ist, verzichtet werden. Konkurrierende Übereignungen sind nach dem
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reinen Prinzip der zeitlichen Priorität zu behandeln. Die im Entwurf vorgesehene Bevorzugung des ersten Vertragspartners ist nicht zu rechtfertigen. In Anlehnung an Art. VIII.-2:304(3) DCFR sollte der Eigentumserwerb unbestellter Sachen auch im deutschen Recht angeordnet werden. Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip gelten auch im europäischen Mobiliarsachenrecht. Der allzu kursorisch geratene Art. VIII.-2:101(3) DCFR sollte in Anlehnung an die zum deutschen Recht entwickelten (minimalistischen) Standards präzisiert werden. Die Anerkennung des bulk sale verstößt gegen die Wertungen des Spezialitätsprinzips und sollte daher weder auf europäischer Ebene noch im nationalen Recht verankert werden. Die bedeutendste Abweichung vom deutschen Recht liegt darin, dass der Referenztext nicht dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip, sondern dem Einheits- und Kausalprinzip folgt. Auch wenn sich die Modellregeln hiermit auf Grundlage der quantitativen Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen bewegen, ist der Entwurf in diesem Punkt verfehlt. Besonders schwer wiegt der Verzicht auf einen selbstständigen dinglichen Vertrag. Die Regelung setzt sich in systematischen Widerspruch zum Zessions- und Schuldübernahmerecht, wo Vermögenspositionen auch nach dem DCFR auf Grundlage eines vom Schuldvertrag verselbstständigten Verfügungsgeschäfts übertragen werden. Für das Abstraktionsprinzip sprechen die bekannten Verkehrsschutzerwägungen. Dem Entwurf ist zu folgen, soweit er der Publizität der Mobiliarübereignung nur untergeordnete Bedeutung beimisst. Richtigerweise können sich die Vertragsparteien – ungeachtet einer physischen Übergabe des Verfügungsgegenstands – auf privatautonomer Grundlage über den konkreten Zeitpunkt des Eigentumsübergangs verständigen. Dieses Wahlrecht zwischen Konsensual- und Traditionsprinzip bedeutet eine rechtspolitisch überzeugende Fortentwicklung des Mobiliarübereignungsrechts. Schwierigkeiten bereitet nur die rechtsdogmatische Verortung der Übereignungszeitabrede. Ihr sollte der Rang zugebilligt werden, der ihr aus rechtssystematischer Hinsicht gebührt – der Rang eines selbstständigen dinglichen Vertrags. In Ermangelung einer vertraglichen Abrede sollte anstelle des Traditionsprinzips das Konsensualprinzip als Auffangregel eingreifen. Dies entspräche der rechtsdogmatischen Vergleichbarkeit der Sukzessionsformen, der modernen Übereignungspraxis und den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Mobiliarerwerbs. Für das deutsche Sachenrecht besteht angesichts der weitgehenden Durchbrechungen des Traditionsprinzips kein dringlicher Handlungsbedarf. Im Rahmen einer späteren Reform sollten gleichwohl das im Entwurf vorgesehene Wahlrecht sowie das Konsensualprinzip als default rule in Betracht gezogen werden. Die Übergabevarianten und Übergabesurrogate des DCFR weisen maßgebliche Gemeinsamkeiten mit dem deutschen Mobiliarsachenrecht auf. Das Erfordernis eines inneren Zusammenhangs zwischen dem Grundgeschäft und dem Vollzugselement ist – ebenso wie im deutschen Recht – verfehlt. Die Übergabe unter Einschaltung einer Transportperson ist inhaltlich nicht zu beanstanden, sollte aber im Zusammenhang mit der Übereignungszeitabrede geregelt
XI. Zusammenfassung
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werden. Die Übereignung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts ist ebenfalls sachlich nicht zu beanstanden, bereitet aufgrund der Geltung des Trennungsprinzips indes rechtsdogmatische Schwierigkeiten. Problematisch ist auch die Übertragung von Sachen in Drittbesitz, weil es an einem hinreichenden Sukzessionsschutz für den Besitzmittler fehlt. Die deutsche Lösung – Abtretung des Herausgabeanspruchs – erweist sich als vorzugswürdig. Die Übereignung durch Übergabe von Hilfsmitteln ist nicht zu beanstanden, sachlich aber bereits vom Grundtatbestand erfasst und daher entbehrlich. Die Übereignung durch Übergabe von Traditionspapieren ist durchaus innovativ; für das deutsche Recht angesichts § 931 BGB indes verzichtbar. Der Referenztext verwirklicht weiterhin das Prinzip der Sukzessionsbefugnis. Anerkannt ist die Verfügungsberechtigung (1.) kraft materieller Rechtsinhaberschaft, (2.) rechtsgeschäftlicher Ermächtigung, (3.) Genehmigung und (4.) kraft nachträglichen Rechtserwerbs. Die Genehmigung entfaltet dingliche Rückwirkung, lässt aber zwischenzeitliche Verfügungen unberührt. Zulässig ist nach dem DCFR auch der redliche Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten. Er dient nach zutreffender Auffassung der Entwurfsverfasser dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Verkehrsinteresse). Als Rechtsscheinträger greift der Entwurf sachlich auf die Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht zurück. Deshalb kommt ein redlicher Erwerb beim Besitzkonstitut nicht in Betracht. Auch der redliche Erwerb von Sachen in Drittbesitz sollte ausdrücklich ausgenommen werden. Nicht zu beanstanden ist der ergänzende Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis. Abzulehnen ist hingegen die Beschränkung des Gutglaubenserwerbs auf den entgeltlichen Erwerb. Auf europäischer Ebene sollte in Anlehnung an § 816 Abs. 1 S. 2 BGB das ausgewogene System aus Gutglaubenserwerb und bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung etabliert werden. Den Redlichkeitsmaßstab setzt der Entwurf mit einfach (!) fahrlässiger Unkenntnis zu hoch an, auch wenn die Praxis mit diesem Standard im Ergebnis wohl leben könnte. Verfehlt ist außerdem die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast; hiervon sollte der Erwerber entsprechend § 932 Abs. 2 BGB entlastet werden. Zutreffend ist die Implementierung des Zurechnungsprinzips. Danach scheidet ein redlicher Erwerb gestohlener Sachen aus. Verlorene und anvertraute Sachen können redlich erworben werden. Abzulehnen ist die bemerkenswerte Rückausnahme für den Erwerb gestohlener Sachen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb. Gestohlene Sachen sollten generell nicht gutgläubig erworbene werden können. Die Umsetzung des DCFR-Mobiliarsachenrechts sollte weder in Form eines optionalen Instruments noch im Wege einer unionsweiten Harmonisierung der europäischen Sachenrechte erfolgen. Den Vorzug verdient zum jetzigen Zeitpunkt stattdessen eine dezentrale Angleichung des nationalen Mobiliarsachenrechts.
Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags Vor dem Hintergrund der anhaltenden Harmonisierungsbestrebungen auf europäischer Ebene hat die Arbeit die grundlegenden Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Sukzession im deutschen Zivilrecht und Zivilprozessrecht sowie im Internationalen und Europäischen Privatrecht herausgearbeitet und kritisch gewürdigt1. Dies geschah in dem Bewusstsein der fundamentalen Bedeutung des Sukzessionsrechts, namentlich der Forderungszession, Schuld- und Vertragsübernahme sowie der Übertragung von beweglichen und unbeweglichen Sachen, für den nationalen und grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Handelsverkehr2. Hauptanliegen der vorliegenden Grundlagenarbeit war eine kohärente Analyse der systemtragenden Konstituanten des geltenden Sukzessionsrechts sowie dessen Fortbildung und Reform unter Einbeziehung der Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene3. Dabei verfolgte die Untersuchung einen methodenpluralistischen Ansatz4. Im Vordergrund stand die rechtsdogmatische Durchdringung des Sukzessionsrechts, die auch rechtsgeschichtliche, rechtsvergleichende und rechtstatsächliche Erkenntnisse in die Betrachtung einbezog. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der ökonomischen Theorie des Rechts5 wurden rechtspolitische Vorschläge erarbeitet. In Anlehnung an die Vorarbeiten v. Savignys bezeichnet die Sukzession im materiellrechtlichen Sinne den identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition vom Vorgänger auf den Nachfolger6. Infolge der Sukzession ändert sich allein die subjektive Zuordnung von Rechten und Pflichten7. Dingliche wie obligatorische Rechte sind ihrem Inhaber gleichermaßen in absoluter und ausschließlicher Weise zugeordnet. Dieses Prinzip der absoluten Rechtszuordnung dient der uneingeschränkten Zirkulationsfähigkeit von Vermögenspositionen8. Zugleich bildet es die rechtsdogmatische Grundlage für eine Vielzahl struktureller Gemeinsamkeiten der rechtsgeschäftlichen Nachfolge in Vermögenspositionen jedweder Art, was sich besonders an1 2 3 4 5 6 7 8
§ 1 I 1. § 1 I 2. § 1 I 3. § 1 II. § 3. § 2 I. § 2 II 1. § 2 II 2.
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Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags
schaulich an der translativen und konstitutiven Nachfolge exemplifizieren lässt9. Das deutsche Privatrecht ist beherrscht vom Prinzip der Sukzessionsfreiheit10. Die ungehinderte Übertragbarkeit von Vermögenspositionen dient dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Rechtsvorschriften und Prinzipien sind aufgrund des überragenden Stellenwerts der Sukzessionsfreiheit durch den Gesetzgeber so auszugestalten und durch den Rechtsanwender so auszulegen, dass sie eine möglichst ungestörte Übertragbarkeit gewährleisten. Zugleich bedürfen Rechtsvorschriften, die eine freie Übertragung ausschließen oder behindern, einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Für die positivrechtlich ausgeformten Sukzessionstatbestände gilt das Numerus-clausus-Prinzip einschließlich Typenfixierung und Typenlimitierung, die einer systemkonformen Fortbildung des Sukzessionsrechts allerdings nicht entgegenstehen11. Der Grundsatz der Sukzessionsfreiheit korrespondiert mit dem Prinzip des Sukzessionsschutzes, das zugunsten von Personen besteht, die an der Sukzession selbst nicht (notwendig) als Vertragspartei beteiligt sind, aber durch dieselbe gleichwohl in ihrer Rechtsstellung berührt werden12. Das Sukzessionsschutzprinzip kompensiert mit der Gewährleistung von Sukzessionsfreiheit verbundene Eingriffe in die Kontrahentenwahlfreiheit und ist für die einzelnen Übertragungstatbestände sehr unterschiedlich ausgestaltet. Zentral ist die Differenzierung zwischen präventivem Sukzessionsschutz (vgl. §§ 414, 415; § 399 Alt. 2 BGB) und postventivem Sukzessionsschutz (vgl. §§ 404, 406 ff. BGB). Angesichts des hohen Stellenwerts der Sukzessionsfreiheit ist die postventive Variante des Sukzessionsschutzes der einschneidenderen präventiven Variante im Grundsatz vorzuziehen. Deshalb überzeugt es auch, wenn sich die Forderungsabtretung ohne Mitwirkung und ohne Kenntnis des Forderungsschuldners vollzieht und seine Interessen durch das abtretungsrechtliche Schuldnerschutzsystem im Nachgang der Abtretung geschützt werden13. Im Gegensatz dazu bedeutet das gläubigerseitige Zustimmungserfordernis bei der Schuldübernahme eine tiefgreifende Beeinträchtigung der Sukzessionsfreiheit14. Sie lässt sich schwerlich mit dem dogmatischen Grundverständnis in Einklang bringen, wonach Gegenstand der Schuldübernahme die eigene Vermögensposition des Schuldners – seine Pflichtenstellung – ist, nicht etwa das (für ihn fremde) Gläubigerrecht. Davon abgesehen bildet die Übereignung beweglicher Sachen das Paradigma der rechtsgeschäftlichen Sukzession15. Erst im Laufe der Zeit wurde der Sukzes9
§ 2 III. § 4 I. 11 § 4 II 1. 12 § 4 II 2. 13 § 4 II 4. 14 § 4 II 5. 15 § 4 II 3. 10
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sionscharakter der Forderungsabtretung und der privativen Schuldübernahme anerkannt und gesetzlich verankert. Mit Anerkennung der Vertragsübernahme als einheitlichen Sukzessionstatbestand sui generis und als reines Verfügungsgeschäft wird das im Bürgerlichen Recht angelegte System der Sukzessionstatbestände gleichsam zu Ende gedacht16. Flankiert werden die Grundtatbestände der rechtsgeschäftlichen Sukzession durch die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen17. Die Kernfunktion des § 137 S. 1 BGB liegt in der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs. Die Sukzessionsfreiheit unterliegt Bindungen in Form von Sukzessionsbeschränkungen, die im Interesse des Veräußerers, des Erwerbers und von Dritten bestehen können18. Im Veräußererinteresse bestehende Beschränkungen verfolgen paternalistische Zwecke, deren Zulässigkeitsgrenzen eng gesteckt sind19. Die in § 400 BGB angeordnete Unabtretbarkeit unpfändbarer Forderungen dient der Erhaltung einer zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendigen wirtschaftlichen Grundlage und ist daher in rechtspolitischer Hinsicht nicht zu beanstanden. Die im Erwerberinteresse bestehenden Beschränkungen wollen verhindern, dass eine Transaktion durch nachfolgende Verfügungen des Veräußerers beeinträchtigt wird20. Sie sind gerechtfertigt, soweit die Sukzessionsfreiheit des Veräußerers in Gemäßheit des Prinzips des schonendsten Eingriffs nur insoweit eingeschränkt wird, als es zur Sicherung der Erwerberinteressen unbedingt notwendig erscheint. Im Drittinteresse bestehende Beschränkungen dienen dem präventiven Sukzessionsschutz, indem sie schutzwürdigen Interessen von Drittbetroffenen durch einen Ausschluss bzw. eine Beschränkung der Sukzessionsfreiheit zum Durchbruch verhelfen21. Die Grundwertungen des Sukzessionsrechts, die Möglichkeit postventiven Schuldnerschutzes und rechtsökonomische Überlegungen lassen rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen indes als rechtspolitisch verfehlt erscheinen. Deshalb ist § 399 Alt. 2 BGB ersatzlos zu streichen22. Die Sukzessionsbefugnis weist dem Berechtigten als Teilgewährleistung der Verfügungsbefugnis die Rechtsmacht zu eine Vermögensposition zu übertragen (Zuweisungsfunktion), und versetzt den berechtigten Rechtsinhaber zugleich in die Lage, unbefugte Einwirkungen auf die Vermögensposition abzuwehren (Abwehrfunktion)23. Die Zuweisungsfunktion ergänzt das Prinzip der Sukzessionsfreiheit; die Abwehrfunktion flankiert das Einigungsprinzip. Eine zentrale Implikation des Erfordernisses der Verfügungsbefugnis ist das Prinzip der zeit16 17 18 19 20 21 22 23
§ 4 II 6. § 4 II 7. § 4 III 1. § 4 III 2. § 4 III 3. § 4 III 4. § 25 III 3. § 5.
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lichen Priorität. Es entscheidet über die Wirksamkeit konkurrierender Verfügungen grundsätzlich zugunsten der zeitlich früheren Verfügung. Das Einigungsprinzip dient der Verwirklichung der Sukzessionsfreiheit, soweit die Parteien selbstbestimmt über die Durchführung rechtsgeschäftlicher Sukzessionen entscheiden können (Selbstbestimmungsfunktion). Zugleich schließt die obligatorische Mitwirkung der Vertragsparteien aus, dass außenstehende Dritte unbefugt in fremde Rechtssphären eingreifen (Abwehrfunktion)24. Für die Wirksamkeit und das rechtliche Schicksal verfügender Einigungen gelten prinzipiell die Vorschriften und Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre25. Das gilt – mit Ausnahme des § 873 Abs. 2 BGB – auch für die Bindungswirkung der verfügenden Einigung26. Die Vertragsparteien sind an ihre Erklärungen sowohl bei der Vorausabtretung als auch – entgegen der h.M. – beim Mobiliarerwerb nach § 929 S. 1 BGB gebunden und können sie später nicht nach Belieben widerrufen. Trennungs- und Abstraktionsprinzip sind integrale Bestandteile sämtlicher Spielarten der rechtsgeschäftlichen Sukzession deutscher Prägung27. Beide Prinzipien halten einer kritischen Analyse stand. Namentlich das Abstraktionsprinzip dient dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Verkehrsinteresse) sowie reflexartig zugleich dem individuellen Schutz des Erwerbers sowie dessen Rechtsnachfolgern und Gläubigern (Erwerbsinteresse). Damit flankieren Trennungs- und Abstraktionsprinzip das übergeordnete Prinzip der Sukzessionsfreiheit und stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Gutglaubensprinzip sowie zu der in § 137 S. 1 BGB angeordneten Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen. Auch Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip lassen sich bei sämtlichen Sukzessionstatbeständen nachweisen. Das Spezialitätsprinzip besagt, dass Vermögenspositionen ihrem Inhaber nur einzeln zugeordnet sind und auch nur einzeln übertragen werden können28. Es fußt auf dem Prinzip der absoluten Rechtszuordnung, sorgt für das bei der Übertragung absolut zugewiesener Rechtspositionen unabdingbar notwendige Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und dient im Ergebnis dem übergeordneten Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Das Bestimmtheitsprinzip steht im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und verlangt in der Sache, dass sich rechtsgeschäftliche Sukzessionen auf eindeutig individualisierte Verfügungsgegenstände beziehen29. Die von der Rechtsprechung entwickelten Bestimmtheitsanforderungen30 lassen eine stringente Linie vermissen und machen daher eine Rekon24 25 26 27 28 29 30
§ 6 I. § 6 III. § 6 IV. § 7. § 8 I. § 8 II 1 und 2. § 8 II 3.
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figuration des Bestimmtheitsgebots erforderlich. Angezeigt ist ein für alle Sukzessionstatbestände einheitlicher, minimalistischer Bestimmtheitsansatz, der es ausreichen lässt, wenn die Verfügungsgegenstände aus Sicht der Vertragsparteien hinreichend bestimmbar sind31. Die rechtsgeschäftliche Sukzession ist weiterhin gekennzeichnet durch den Grundsatz der Formfreiheit32. Die Formfreiheit steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit. Spezielle Formvorschriften für besonders bedeutsame Rechtsgeschäfte dienen der Sicherheit des Rechtsverkehrs und können helfen, zwischen den Vertragsparteien bestehende Informationsasymmetrien abzubauen und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu gewährleisten33. Da Formpflichten stets mit einer Erschwerung des Rechts- und Handelsverkehrs verbunden sind, bedürfen sie einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Dieser Umstand ist auch bei der einfachgesetzlichen Anwendung der Formvorschriften zu beachten34. Die Sukzessionstatbestände des Sachenrechts setzen sich aus einem rechtsgeschäftlichen Willenselement (Einigungsprinzip) und einem tatsächlichen Vollzugselement zusammen35. Das konstitutive Vollzugselement dient nach überkommener Auffassung der Offenlegung sachenrechtlicher Verhältnisse (Publizitätsprinzip). Dieses Verständnis ist heute überholt; angezeigt ist stattdessen eine funktionale Interpretation des Publizitätsprinzips. Vor diesem Hintergrund vermag das Eintragungsprinzip und der öffentliche Glaube des Grundbuchs im Immobiliarsachenrecht einen wichtigen Beitrag zur Erkennbarkeit der an Grundstücken bestehenden Rechtsverhältnisse zu leisten36. Im Mobiliarsachenrecht kann die Erfüllung des Publizitätselements im Interesse des Erwerbers liegen (Erwerberschutz), dem vielfach daran gelegen sein wird, mit der Eigentumsübertragung auch die tatsächliche Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit an der Sache zu erlangen (Verschaffungsfunktion)37. Die Übergabesurrogate beim Mobiliarerwerb dienen dem überindividuellen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs (Sukzessionsfreiheit)38. Im Übrigen ist das Faustpfandprinzip des Mobiliarpfandrechts de lege ferenda verfehlt und sollte durch ein publizitätsloses vertragliches Mobiliarpfandrecht ersetzt werden39. Das mit dem Publizitätsprinzip eng verbundene Gutglaubensprinzip dient in erster Linie dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs40. Die einzelnen Gutglaubenstatbestände sind dazu berufen, mit 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
§ 8 II 4. § 9 I. § 9 II und III. § 9 IV – VI. § 10 I. § 10 II. § 10 III. § 10 IV. § 10 V. § 11 II.
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Blick auf die jeweiligen Besonderheiten des Verfügungsgegenstands und die Qualität des Rechtsscheinträgers den grundlegenden Konflikt zwischen dem Beharrungsinteresse des wahren Berechtigten auf der einen Seite und dem Verkehrs- und Erwerberinteresse auf der anderen Seite aufzulösen. Angesichts des hohen Stellenwerts der Sukzessionsfreiheit kommt dem überindividuellen Verkehrsinteresse der grundsätzliche Vorrang zu. Das Verkehrsinteresse bildet zugleich die erste Legitimationssäule des Gutglaubenserwerbs41. Als zweite Legitimationssäule fungiert entweder die besondere Richtigkeitsgewähr des Rechtsscheinträgers, die aus der Einhaltung eines hoheitlichen Verfahrens resultiert (reines Rechtsscheinprinzip bei Grundbuch und Erbschein), oder die Zurechnung des gesetzten Rechtsscheins zur Risikosphäre des wahren Berechtigten (Zurechnungsprinzip beim redlichen Mobiliarerwerb). Der redliche Erwerb von GmbH-Anteilen nach § 16 Abs. 3 GmbHG aufgrund der (defizitären) Gesellschafterliste verbindet Elemente beider Varianten zu einem hybriden Gutglaubenstatbestand. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des redlichen Erwerbs lassen sich anhand dreier subalterner Gutglaubensprinzipien erklären. Das Verkehrsschutzprinzip erklärt sowohl das Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Erwerbs42 als auch die Lehre vom Verkehrsgeschäft, die als teleologische Reduktion der Gutglaubenstatbestände im Grundsatz anzuerkennen ist43. Das Erfordernis der Redlichkeit des Erwerbers sowie die subjektive Beziehung des Erwerbers zum Rechtsscheinträger wird konkretisiert durch die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz44. Danach genügt das Vorliegen eines wirksamen Rechtsscheinträgers, an den das Erwerbervertrauen abstrakt-potenziell anknüpfen kann. Der Maßstab der Redlichkeit ist abhängig von der Intensität, Ausgestaltung und Komplexität des Rechtsscheinträgers. Und schließlich kennzeichnet das Zurechnungsprinzip Gutglaubenstatbestände, die maßgeblich von der zurechenbaren Veranlassung des Rechtsscheins durch den wahren Berechtigten geprägt sind45. Das privatrechtliche Koinzidenzprinzip verklammert die tatbestandlichen Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession in der Weise, dass ihre Wirkung nur eintritt, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale im gleichen Zeitpunkt zusammentreffen46. Das damit korrespondierende Kongruenzprinzip verlangt eine inhaltliche Übereinstimmung der einzelnen Tatbestandsmerkmale47. Die Rechtsfolge eines Sukzessionstatbestands tritt danach nur insoweit ein, als sich die Voraussetzungen im Hinblick auf ihren Inhalt und Umfang quantitativ und qualitativ decken. 41 42 43 44 45 46 47
§ 11 III. § 11 IV. § 11 V. § 11 VI. § 11 VII. § 12 I – IV. § 12 V.
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Das Proprium der juristischen Nachfolge ist das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip, das zu gleich die primäre Wirkung der Sukzession bezeichnet48. Sie besteht in dem identitätswahrenden, unmittelbaren und abhängigen Übergang einer Vermögensposition von einem Rechtsträger auf den anderen. Auf der Grundlage des geltenden deutschen Rechts ist die Identität der Vermögensposition im juristischen Sinne positivrechtlich angeordnet und in der Sache unbestreitbar. Auch die Vereinigungstatbestände der Konfusion und Konsolidation stellen keine Durchbrechung des Identitätsprinzips dar49. Eine zentrale Implikation des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips ist das Akzessorietätsprinzip50. In rechtssystematischer Hinsicht ist zu unterscheiden zwischen der Entstehungsakzessorietät bei Begründung akzessorischer Nebenrechte durch konstitutive Nachfolge51 und der Zuordnungsakzessorietät bei der Übertragung akzessorischer Nebenrechte durch translative Nachfolge52. Der automatische Übergang akzessorischer Nebenrechte gemeinsam mit dem übertragenen Hauptrecht gem. § 401 BGB dient der vollumfänglichen Verwirklichung des Hauptrechts in der Person des Erwerbers (Erwerberschutz) und minimiert die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Sicherungsgebers (Sukzessionsschutz). Darüber hinaus dient der akzessorische Übergang dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs (Verkehrsschutz). Mit dem sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip in untrennbarer Verbindung steht das mit der Sukzessionsfreiheit korrelierende Prinzip des Sukzessionsschutzes53. Es fungiert sowohl als Struktur- wie auch als Wertungsprinzip der rechtsgeschäftlichen Nachfolge und ist für die einzelnen Sukzessionstatbestände sehr unterschiedlich ausgestaltet. So besagt der Sukzessionsschutz für beschränkte (dingliche und obligatorische) Rechte, dass sie infolge der Übertragung des Stammrechts im Grundsatz nicht verlorengehen54. Die maßgebliche Ausnahme des redlichen lastenfreien Erwerbs beruht auf dem grundsätzlichen Vorrang des überindividuellen Verkehrsinteresses (Sukzessionsfreiheit) und des individuellen Erwerbsinteresses des Redlichen gegenüber dem Beharrungsinteresse des Teilrechtsinhabers55. Der abtretungsrechtliche Sukzessionsschutz zielt in Fortschreibung des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips darauf ab, das Interesse an einem unveränderten Fortbestand der schuldnerischen Rechtsstellung zu wahren56. Die Position des Forderungsschuldners darf sich infolge des Gläubigerwechsels weder 48 49 50 51 52 53 54 55 56
§ 13 I. § 13 II. § 14 I. § 14 II. § 14 III. § 15 I. § 15 II 1. § 15 II 2. § 15 III.
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in rechtlich relevanter Weise verschlechtern (Verschlechterungsverbot) noch darf der Schuldner aus der Abtretung ungerechtfertigte Vorteile ziehen (Verbesserungsverbot). In diesem Sinne kompensieren §§ 404, 406 BGB die mangelnde (rechtsgeschäftliche) Beteiligung des Schuldners am Zessionsgeschäft. Der Schuldner darf zudem gem. §§ 407 Abs. 1, 408 BGB auf den unveränderten Fortbestand der Rechtszuständigkeit des Zedenten und die Abwesenheit konkurrierender Abtretungen ebenso vertrauen wie nach § 409 BGB auf eine angezeigte Forderungszession. Auch für die Schuldübernahme gilt, dass sich die Rechtsstellung des Forderungsgläubigers in Gemäßheit des sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzips infolge des Schuldnerwechsels weder in rechtlich relevanter Weise verschlechtern noch verbessern darf57. Angezeigt ist aus diesem Grund eine analoge Anwendung der §§ 407 Abs. 1, 409 BGB bei Unkenntnis des Gläubigers von der wahren Rechtslage. Gleiches gilt für die Vertragsübernahme, deren Sukzessionsschutzsystem ebenfalls durch das Identitätsprinzip sowie das sukzessionsrechtliche Verschlechterungs- und Verbesserungsverbot gekennzeichnet ist58. Die Tatbestände des Sukzessionsschutzes für obligatorische Rechte bilden in rechtssystematischer Hinsicht eine Ausnahme vom Prinzip der Relativität des Schuldverhältnisses und sind im Einzelnen sehr heterogen ausgestaltet59. Anzutreffen sind sie in Form der Sukzessionsbeschränkung (vgl. §§ 161 Abs. 1 S. 1, 883 Abs. 2 BGB), Vertragserstreckung (vgl. § 566 BGB), Einwendungserstreckung (vgl. § 986 Abs. 2 BGB), Belastung (vgl. §§ 746, 751, 1010 Abs. 1 BGB) und der inhaltlichen Konkretisierung eines dinglichen Rechts (vgl. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG; § 2 ErbbauRG). Das Proprium der Universalsukzession liegt in dem einheitlichen und zeitgleichen Übergang einer Gesamtheit von Vermögenspositionen auf den übernehmenden Rechtsträger60. Die zur Gesamtheit gehörenden Rechte und Pflichten gehen uno actu als Ganzes auf den Gesamtnachfolger über. Der universalsukzessive Rechtsübergang vollzieht sich auf der Grundlage einheitlicher Gesamtnachfolgetatbestände, die eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorchen und insbesondere auf die tatbestandlichen Übertragungsvoraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession verzichten. Verschmelzung und Spaltung nach §§ 2, 123 UmwG vollziehen sich kraft Rechtsgeschäfts61. Verschmelzungs- und Spaltungsverträgen kommt Verfügungswirkung zu. Der universalsukzessive Übertragungsmodus eröffnet Gestaltungsspielräume: im Spaltungsrecht beispielsweise herrscht Spaltungsfreiheit62. Zudem folgt aus dem rechtsgeschäftlichen Charakter der Universalsukzession nach UmwG die Geltung von Sukzessionsfreiheit, die noch über das bei der Singular57 58 59 60 61 62
§ 15 IV. § 15 V. § 15 VI. § 16 II. § 16 III. § 16 IV.
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sukzession gewährleistete Maß hinausgeht, soweit auf einen präventiven Sukzessionsschutz (vgl. §§ 414, 415; § 399 Alt. 2 BGB) vollständig verzichtet wird63. Berechtigte Interessen der Gegenparteien werden durch besondere postventiv wirkende Sondervorschriften geschützt, namentlich die spaltungsrechtliche Transferhaftung (§ 133 UmwG) sowie Ansprüche auf Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG). Im Übrigen vollzieht sich die umwandlungsrechtliche Universalsukzession unter Geltung des Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzips64. Zur Anwendung gelangt der für die rechtsgeschäftliche Singularsukzession entwickelte minimalistische Bestimmtheitsansatz. Eine echte Besonderheit der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession ist der umwandlungsrechtliche Bestandsschutz, bestehend aus Formvorschriften und Unbeachtlichkeitsregeln für Rechtsverstöße65. Auf Rechtsfolgenseite weist die vertragliche Universalsukzession maßgebliche Parallelen zu den Struktur- und Wertungsprinzipien der rechtsgeschäftlichen Singularsukzession auf. Das gilt zunächst für das sukzessionsrechtliche Identitätsprinzip, das hier besonders streng durchgeführt ist, da der Nemo-plusiuris-Grundsatz ohne die Einschränkung des redlichen Erwerbs gilt66. Weiterhin beansprucht das Akzessorietätsprinzip Geltung und ordnet den Übergang akzessorischer Nebenrechte an67. Aufgrund des besonders tiefgehenden Eingriffs in die Kontrahentenwahlfreiheit infolge des vollständigen Verzichts auf präventive Sukzessionsbeschränkungen ist der umwandlungsrechtliche Sukzessions-, namentlich Gläubigerschutz besonders umfassend ausgestaltet. Das gläubigerseitige Befriedigungsinteresse wird in Form des Anspruchs auf Sicherheitsleistung und der spaltungsrechtlichen Transferhaftung besonders geschützt68. Flankierend finden im Spaltungsrecht die allgemeinen Sukzessionsschutzmechanismen der rechtsgeschäftlichen Einzelnachfolge (§§ 404, 417 Abs. 1 S. 1; §§ 406 ff. BGB) Anwendung69. Zudem stehen der Gegenpartei noch die Lehre von der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sowie das bürgerlichrechtliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) zur Seite. Für die Tatbestände der rechtsgeschäftlichen Universalsukzession gilt das Numerus-clausus-Prinzip70. Außerhalb der gesetzlichen Gesamtnachfolgetatbestände ist es den Beteiligten de lege lata verwehrt, sich rechtsgeschäftlich auf die Anwendung des universalsukzessiven Übertragungsmodus zu verständigen. De lege ferenda denkbar ist die Schaffung eines genuin bürgerlichrechtlichen Gesamtnachfolgetatbestands71. Indes mangelt es hierfür an einem handfesten prak63 64 65 66 67 68 69 70 71
§ 16 V. § 16 VI. § 16 VII. § 17 I. § 17 II. § 17 III. § 17 IV. § 18 I. § 18 III 1.
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tischen Bedürfnis72. Vorzugswürdig erscheint eine gesetzliche Ergänzung des bürgerlichen Schuld- und Vertragsübernahmerechts73. Neben §§ 414, 415 BGB ist eine dritte Variante der privativen Schuldübernahme zu kodifizieren, die ohne Zustimmung des Gläubigers wirksam ist. Zum Schutz des gläubigerseitigen Befriedigungsinteresses ist in Anlehnung an die spaltungsrechtliche Transferhaftung nach § 133 UmwG eine akzessorische Mithaftung des Altschuldners zu etablieren. Hinzu kommt ein Anspruch auf Sicherheitsleistung nach dem Vorbild des § 22 UmwG sowie ergänzende Anwendung des zivilrechtlichen Sukzessionsschutzinstrumentariums. Das Sukzessionsprozessrecht ist geprägt von den beiden systemtragenden Prinzipien der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit und des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes. Danach kann der Rechtsinhaber auch nach Rechtshängigkeit gem. § 265 Abs. 1 ZPO noch ungehindert über den streitbefangenen Gegenstand verfügen74. Zum Schutz des Prozessgegners wird das Verfahren indes nach § 265 Abs. 2 ZPO mit dem Veräußerer als gesetzlichem Prozessstandschafter fortgeführt und so verhindert, dass sich die Prozessrechtsposition der Gegenpartei verschlechtert (zivilprozessuales Verschlechterungsverbot)75. Der zivilprozessuale Nachfolgebegriff ist mit dem Sukzessionsbegriff des materiellen Rechts nicht vollständig deckungsgleich76. Er umfasst nach zutreffender Auffassung sämtliche materiellrechtlichen Sukzessionen, die einen Wechsel der Sachlegitimation zum Gegenstand haben. Aber auch wenn der originäre Rechtserwerb sowie der Erwerb vom Nichtberechtigen mit einem Legitimationswechsel einhergehen, greift § 265 ZPO ein. Darüber hinaus unterfallen – entgegen der h.M. – auch die privative Schuldübernahme sowie die Vertragsübernahme dem Nachfolgebegriff iSd. § 265 ZPO; nicht hingegen der Schuldbeitritt77. In den Fällen der Verschmelzung und Aufspaltung kommt es zu einem obligatorischen Parteiwechsel analog § 239 ZPO, gefolgt von einer Verfahrensunterbrechung78. Bei der Abspaltung und Ausgliederung gilt für Aktivprozesse § 265 Abs. 2 ZPO79. Bei Passivprozessen findet die Vorschrift keine Anwendung; stattdessen agiert die Prozesspartei infolge der spaltungsrechtlichen Transferhaftung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Das Prinzip des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes spricht für die hier befürwortete Geltung der Unbeachtlichkeitslehre, wonach materielles Recht und Prozessrecht vollständig entkoppelt sind und der Kläger auch seinen Klageantrag nicht umzustellen braucht80. Außerdem kann sich die Gegenpartei aus72 73 74 75 76 77 78 79 80
§ 18 III 2. § 18 IV. § 19 I. § 19 II. § 19 III. § 19 IV. § 19 V 1. § 19 V 2. § 19 VI.
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nahmsweise mit einer isolierten Drittwiderklage gegen den Zedent zur Wehr setzen, und zwar analog § 33 ZPO am besonderen Gerichtsstand des Hauptsacheverfahrens. Zudem sind Klageerweiterungen zugunsten des Prozessgegners großzügig zu handhaben. Darüber hinaus erweitert § 325 Abs. 1 ZPO die nach dem Grundsatz der relativen Rechtskraft81 prinzipiell auf die am Rechtsstreit beteiligten Personen beschränkte Bindungswirkung der Entscheidung aus Gründen des zivilprozessualen Sukzessionsschutzes auf die Gegenpartei, soweit sich die Sukzession nach Rechtshängigkeit ereignet82. Der redliche Schuldner wird in seinem Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Sachlegitimation des Zedenten bei der Sukzession vor Rechtshändigkeit nach § 407 Abs. 2 BGB geschützt83. Erlangt der Schuldner erst nach Verfahrensschluss sichere Kenntnis von der Sukzession, findet § 407 Abs. 2 BGB keine Anwendung; stattdessen ist dem verurteilten Schuldner die Vollstreckungsgegenklage zu eröffnen, die es ihm – unter Fortschreibung der hier befürworteten Unbeachtlichkeitslehre – erlaubt, die nachträgliche Kenntniserlangung als entscheidungserhebliche Tatsache iSd. § 767 Abs. 2 ZPO geltend zu machen. Aus Verkehrsschutzgründen durchbricht § 325 Abs. 2 ZPO die Rechtskrafterstreckung und schützt den guten Glauben des Nachfolgers an einen rechtshängigkeitsfreien Erwerb84. Nach zutreffender Auffassung setzt dies allerdings voraus, dass sich die gleichsam doppelte Redlichkeit des Nachfolgers sowohl auf die Rechtshängigkeit als auch auf die materielle Berechtigung am streitbefangenen Gegenstand erstreckt. Die Umschreibung des auf den Vorgänger lautenden Titels auf den Nachfolger gem. § 727 ZPO erleichtert zum einen die ungehinderte Zirkulationsfähigkeit streitbefangener Gegenstände sowie titulierter Forderungen und dient auf diese Weise dem Prinzip der zivilprozessualen Sukzessionsfreiheit85. Zum anderen komplettiert die Titelumschreibung das Gesamtsystem zivilprozessualen Sukzessionsschutzes, indem die Gegenpartei nach Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands die Zwangsvollstreckung auch gegen den Nachfolger betreiben kann. Das Internationale Privatrecht der Forderungszession ist geprägt durch die beiden systemtragenden Prinzipien der kollisionsrechtlichen Sukzessionsfreiheit und des kollisionsrechtlichen Sukzessionsschutzes. Namentlich können Zedent und Zessionar nach Art. 14 I Rom I-VO das auf das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft anwendbare Recht selbst wählen (Prinzip der Parteiautonomie)86. Der hiermit bewirkte Gleichlauf von Kausal- und Erfüllungsgeschäft ist aus rechtspolitischer Perspektive ebenso zu begrüßen wie die Gewährleistung einer freien Rechtswahl. 81 82 83 84 85 86
§ 20 I. § 20 II. § 20 III. § 20 IV. § 21. § 22 II.
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Sukzessionsschutz wird gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO durch Anknüpfung des Verhältnisses zum Schuldner an das Forderungsstatut gewährleistet87. Das auf die Forderung kraft ihrer Entstehung anwendbare Recht bleibt auch nach einer abweichenden Rechtswahl der Vertragsparteien unverändert (Identitätsprinzip). Auf diese Weise wird der Schuldner vor einer kollisionsrechtlichen Verschlechterung seiner Rechtsposition geschützt (kollisionsrechtliches Verschlechterungsverbot). Angesichts des hohen Stellenwerts der Sukzessionsfreiheit erfährt Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO eine einschränkende Auslegung in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist das Forderungsstatut nur anwendbar, wenn die materiellrechtlichen Vorschriften tatsächlich dem Schutz berechtigter Schuldnerinteressen zu dienen bestimmt sind (limitierter Anwendungsbereich). Zum anderen beschränken sich die Wirkungen des Forderungsstatuts ausschließlich auf das Verhältnis zum Schuldner (limitierter Wirkbereich). Nach zutreffender Auffassung gilt auch im Verhältnis zu den Gläubigern der Vertragsparteien und im Verhältnis konkurrierender Zessionare untereinander (Drittwirkungsstatut) das von den Vertragsparteien frei wählbare Abtretungsstatut88. Es bestimmt sich auf Grundlage einer autonom-unionsrechtlichen Interpretation des Art. 14 Rom I-VO und gewährleistet eine einheitliche Anknüpfung von Abtretungs- und Drittwirkungsstatut. Das gilt auch für den Sonderfall konkurrierender Abtretungen. Das Internationale Privatrecht der Schuld- und Vertragsübernahme bestimmt sich – entgegen der ganz h.M. – auf Grundlage einer autonom-unionsrechtlichen Anknüpfung in Analogiebildung zu Art. 14 Rom I-VO89. Für die grenzüberschreitende Übereignung ist das Recht des Belegenheitsorts maßgeblich. Das führt bei Wahl eines abweichenden Verpflichtungsstatuts vielfach zu einer unliebsamen gespaltenen Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sowie zu einem Statutenwechsel bei Grenzübertritt des Verfügungsgegenstands90. Daraus resultiert eine Vielzahl schwieriger Rechtsfragen hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Sachenrechte. Angesichts der mit der lex rei sitae verbundenen Nachteile sollte de lege ferenda auch im Internationalen Sachenrecht das Prinzip der freien Rechtswahl verankert werden91. Der Anwendungsbereich der Rechtswahlfreiheit sollte auch den Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigen sowie den Erwerb und die Übertragung von Mobiliarsicherheiten einbeziehen. Eine Ausnahme ist in Anlehnung an Art. 6 Rom I-VO für Verbraucherverträge sowie für das Immobiliarsachenrecht zu machen. Das im DCFR vorgeschlagene europäische Abtretungsrecht ist geprägt von den beiden systemtragenden Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzes87 88 89 90 91
§ 22 III. § 22 IV. § 23. § 24 I. § 24 II.
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sionsschutzes.92 Außerdem liegen dem Entwurf das Einigungsprinzip und das Trennungsprinzip sowie die Prinzipien der Sukzessionsbefugnis und der Formfreiheit zugrunde. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit ist konsequenter verwirklicht als im deutschen Recht93. Berechtigte Schuldnerinteressen werden ausschließlich durch postventive Schutzmechanismen verwirklicht. Rechtsgeschäftliche Abtretungsbeschränkungen lassen die Übertragbarkeit von Forderungsrechten in rechtspolitisch überzeugender Weise unberührt. Damit korreliert eine Erweiterung des Sukzessionsschutzes. Danach kann der Schuldner im Falle einer abredewidrigen Abtretung mit befreiender Wirkung an den Zedent leisten, selbst wenn er von der Abtretung positive Kenntnis hat. Die Ausnahme von dieser Sukzessionsschutzbestimmung für Forderungen aus Waren- oder Dienstleistungsverträgen ist abzulehnen. In dieser Form sollte der DCFR dem deutschen Recht als Vorbild dienen: § 399 Alt. 2 BGB ist ersatzlos zu streichen; in Anlehnung an Art. III.-5:108(2) DCFR bzw. § 354a Abs. 1 S. 2 HGB sollten Sondervorschriften für einen erweiterten Schuldnerschutz geschaffen werden. Auf Rechtsfolgenseite ist der Modelltext geprägt vom sukzessionsrechtlichen Identitäts- und Akzessorietätsprinzip sowie vom sukzessionsrechtlichen Verschlechterungsverbot94. Diese Ausgestaltung ist im Grundsatz überzeugend. Gleiches gilt für die Adaption eines gemischt subjektiv-objektiven Schuldnerschutzsystems und die erweiterte Aufrechnungsbefugnis. Abzulehnen ist hingegen die in Art. III.-5:121(1) DCFR vorgesehene Prioritätsregel, die das Verhältnis zwischen konkurrierenden Forderungszessionen nicht nach dem Prioritätsprinzip lösen will, sondern sich an der zuerst an den Schuldner erfolgten Abtretungsanzeige orientiert. Die Umsetzung des DCFR-Zessionsrechts sollte weder in Form eines optionalen Instruments noch im Wege einer unionsweiten Harmonisierung der europäischen Zessionsrechte erfolgen95. Den Vorzug verdient zum jetzigen Zeitpunkt stattdessen eine spontan-dezentrale Angleichung der nationalen Abtretungsrechte. Die Schuldübernahme nach DCFR ist in überzeugender Weise als rechtsgeschäftliche Sukzession ausgestaltet96. Bemerkenswert ist die Anerkennung dreier Varianten der Schuldübernahme97. Neben der aus dem deutschen Recht bekannten privativen und kumulativen Schuldübernahme kennt der DCFR außerdem eine sog. unvollkommene Schuldübernahme, bei welcher der Altschuldner neben dem Übernehmer für den Fall einer Leistungsstörung weiterhaftet. Sie ist in rechtsdogmatischer Hinsicht als verfügende Schuldübernahme unter Begründung einer subsidiären Mithaftung des Altschuldners konzipiert 92 93 94 95 96 97
§ 25 II. § 25 III. § 25 IV. § 25 V. § 26 I 2. § 26 I 3.
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und weist insofern maßgebliche Parallelen zum hiesigen Reformvorschlag einer Übernahmevariante ohne Gläubigerbeteiligung auf. Die Besonderheit des hier befürworteten Reformmodells besteht indes in der uneingeschränkten, akzessorischen Haftung des Altschuldners, aufgrund derer es keiner Mitwirkung des Gläubigers bedarf. Dieses Modell sollte auf nationaler und europäischer Ebene verankert werden. Ein Schwachpunkt der Modellregeln besteht darin, dass der Gläubiger vom Übernehmer zusätzlich noch über den Abschluss des Übernahmevertrags informiert werden muss98. Die hiermit vom DCFR verfolgte Vertragslösung ist systemwidrig; auf eine obligatorische Übernahmeanzeige sollte verzichtet werden. Verzichtbar ist gleichermaßen die Zustimmung des Altschuldners99. Die Rechtsfolgenseite der Schuldübernahme ist beherrscht vom sukzessionsrechtlichen Identitätsprinzip100. Die Vertragsübernahme ist im europäischen Referenztext ausdrücklich geregelt und als rechtsgeschäftliche Sukzession ausgestaltet101. In rechtsdogmatischer Hinsicht vollzieht sich die europäische Vertragsübernahme als Sukzessionstatbestand eigener Art (Einheitslehre). Zur entsprechenden Anwendung gelangen aber gleichwohl im Einzelfall die Vorschriften des europäischen Zessions- und Schuldübernahmerechts. Die im DCFR entworfene europäische Mobiliarübereignung ist geprägt von den beiden systemtragenden Prinzipien der Sukzessionsfreiheit und des Sukzessionsschutzes. Dabei wird das Prinzip der Sukzessionsfreiheit ergänzt durch die Anordnung, dass sich der Eigentümer des Verfügungsrechts nicht kraft privatautonomer Vereinbarung begeben kann102. Der Referenztext folgt einem einheitlichen Übereignungsansatz, wonach die Änderung der Rechtszuständigkeit am Verfügungsgegenstand über ein ganzes Spektrum verschiedener Implikationen des Sukzessionsvorgangs entscheidet103. Die im Entwurf enthaltenen Ausnahmen von diesem Grundsatz sind entweder als Beschränkungen des Anwendungsbereichs zu interpretieren (Sondervorschriften des Schuld- und Insolvenzrechts, Übereignung unbestellter Sachen, Eigentumsvorbehalt) oder vermögen in der Sache nicht zu überzeugen (dingliches Rückfallrecht bei Vertragsaufhebung, konkurrierende Übereignungen). In Anlehnung an Art. VIII.-2:304(3) DCFR sollte der Eigentumserwerb unbestellter Sachen im deutschen Recht verankert werden. Der DCFR anerkennt das Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip; die Zulassung eines bulk sale verstößt indes gegen die Wertung des Spezialitätsprinzips und ist daher abzulehnen104. Ebenso verfehlt ist die Geltung des Einheits- und 98
§ 26 I 4. § 26 I 5. 100 § 26 I 6. 101 § 26 II. 102 § 27 II. 103 § 27 III. 104 § 27 IV. 99
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Kausalprinzips105. Überzeugend ist es hingegen, die Vertragsparteien den Zeitpunkt der Mobiliarübereignung vereinbaren zu lassen und ihnen insofern ein Wahlrecht zwischen Konsensual- und Traditionsprinzip zu eröffnen106. Die Übereignungszeitabrede sollte als selbstständiger dinglicher Vertrag aufgefasst werden. Anstelle des Traditionsprinzips sollte das Konsensualprinzip als Auffangregel dienen. Schließlich verwirklicht der Referenztext weiterhin das Prinzip der Sukzessionsbefugnis107. Zulässig ist nach dem DCFR der redliche Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten108. Als Rechtsscheinträger greift der Entwurf sachlich auf die Lehre von der verwirklichten Besitzverschaffungsmacht zurück. Nicht zu beanstanden ist der ergänzende Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis. Abzulehnen ist hingegen die Beschränkung des Gutglaubenserwerbs auf den entgeltlichen Erwerb. Den Redlichkeitsmaßstab setzt der Entwurf mit einfach (!) fahrlässiger Unkenntnis zu hoch an. Verfehlt ist außerdem die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zulasten des Erwerbers. Abzulehnen ist schließlich die bemerkenswerte Rückausnahme für den Erwerb gestohlener Sachen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb.
105 106 107 108
§ 27 V. § 27 VI. § 27 VII.. § 27 VIII.
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Sachregister Abspaltung – Zivilprozess 850 Abspaltungslehre 41, 623 Abstraktionsprinzip 271 – äußere Abstraktion 272 – Bedingungszusammenhang 288 – europäische Forderungszession 1054 – europäische Übereignung 1139 – Fehleridentität 293 – Forderungszession 279 – Geschäftseinheit 291 – Gestaltungsfreiheit 286 – Grenzen 286 – grenzüberschreitende Forderungszession 936 – Herleitung 273, 274 – innere Abstraktion 272 – Insolvenzfall 281 – Kritik 273 – ökonomische Analyse 278 – Verhältnis zum Gutglaubenserwerb 283 – Verhältnis zum Trennungsprinzip 271 – Verkehrssicherheit 275 Abtretungsanzeige 659, 1084 Abtretungsbeschränkung nach § 399 Alt. 1 BGB 203 – höchstpersönliche Ansprüche 205 – kraft Natur des Rechtsverhältnisses 209 – Rechtssystematik 203 – unselbstständige Ansprüche 206 Abtretungsbeschränkung nach § 399 Alt. 2 BGB 181 – Dogmengeschichte 182 – ökonomische Analyse 188 – Rechtssystematik 184 – Reformvorschläge 1065 – unternehmerische Forderungen nach § 354a HGB 197, 1073
– Unwirksamkeitsfolge 191 – Zustimmung des Schuldners 194 Abtretungsbeschränkung nach DCFR 1063 – Geldforderungen 1065 – ökonomische Analyse 1064 – Rechtssystematik 1064 – Reformvorschläge 1065 – Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Abtretungsbeschränkungen 1063 Aktien 108 Akzession 48 Akzessorietätsprinzip 207, 592 – bedingte Forderungen 597 – Dogmengeschichte 592 – Eigentümergrundschuld 595 – Entstehungsakzessorietät 594 – europäische Forderungszession 1076, 1077 – Forderungszession 599, 755, 811 – grenzüberschreitende Forderungszession 931 – Hypothek 595, 604 – künftige Forderungen 597 – nichtakzessorische Sicherungsrechte 609 – ökonomische Analyse 601 – Pfandrecht 594, 604 – Schuldübernahme 613, 756, 811, 1112 – Terminologie 592 – Universalsukzession 755 – Zuordnungsakzessorietät 599 Allokationseffizienz 53, 57, 60 Anwartschaftsrecht 44 Aufspaltung – Zivilprozess 847 Ausgliederung 850 Bedingung 161, 288, 683 Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung 239
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Sachregister
Behavioral Law & Economics 58, 72, 146 Beschränkte dingliche Rechte 42, 103, 105, 622 Beschränkte obligatorische Rechte 45, 107, 623 Besitz 471 Besitzeffekte 72, 73, 76, 77, 146, 166 Besitzrechte – obligatorische 685 Besitzverschaffungsmacht 472 Bestandsschutz – Universalsukzession 744, 793 Bestimmtheitsprinzip 272, 296, 301 – europäische Forderungszession 1059 – europäische Übereignung 1137, 1151, 1160 – Forderungszession 311, 319 – Herleitung 302 – Immobiliarübereignung 310, 318 – Kritik 312 – Mobiliarübereignung 308, 313 – ökonomische Analyse 305, 321 – Rechtsprechung 307 – Universalsukzession 738, 740, 794 – Verhältnis zum Publizitätsprinzip 304 Bindungswirkung der Einigung 243 – Forderungszession 244 – Liegenschaftsrechts 246 – Mobiliarsachenrecht 251 – ökonomische Analyse 259 Bruchteilsgemeinschaft 698 Bürgschaft 207 Coase-Theorem 63, 75, 76, 93, 146 Dauernutzungsrecht 105 Dauerwohnrecht 43, 105 Dienstbarkeit 42, 106 Draft Common Frame of Reference s. Gemeinsamer Referenzrahmen Drittwiderklage 870 – Form der Widerklageerhebung 878 – Gerichtsstand 874 – isolierte 871 – Kosten 879 Effizienter Vertragsbruch 164, 167 Eheliche Gütergemeinschaft 726 Eigenrechte 233
Eigentümergrundschuld 595 Eigentumskonzepte 39 Eigentumsvorbehalt 1136 Einheitsprinzip – europäische Übereignung 1139, 1140 Einigungsprinzip 217, 231, 272, 373 – europäische Forderungszession 1053 – Geltung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre 238 – Herleitung 231 – Mindestvoraussetzungen 235 – ökonomische Analyse 234 – Terminologie 235 Eintragungsprinzip 370 – Dogmengeschichte 371 – ökonomische Analyse 378 – Rechtspolitik 373 – Rechtsvergleich 373, 374 – Verhältnis zum Einigungsprinzip 373 Einzelnachfolge s. Singularsukzession Endowment effects s. Besitzeffekte Erbbaurecht 42, 105, 705 Erbschein 469, 513 Europäische Forderungszession – Abstraktionsprinzip 1054 – Abtretungsbeschränkungen s. Abtretungsbeschränkung nach DCFR – Akzessorietätsprinzip 1076, 1077 – bedingte Forderungen 1059 – Bestimmtheitsprinzip 1059 – Einigungsprinzip 1053 – Formfreiheit 1056 – Globalzession 1059, 1061 – Harmonisierung des Abtretungsrechts 1093 – höchstpersönliche Forderungen 1075 – Identitätsprinzip 1077 – Kausalprinzip 1055 – künftige Forderungen 1059, 1060 – nationale Rechtsangleichung 1094 – optionales Abtretungsrecht 1090 – Rechtsfolgen 1076 – Rechtsfortbildung 1090 – Sicherungsabtretung 1074 – Sukzessionsbefugnis 1056 – Sukzessionsfreiheit 1053, 1057 – Sukzessionsschutz 1053, 1066, 1079 – Trennungsprinzip 1054
Sachregister
Europäische Schuldübernahme 1098 – Beteiligung des Altschuldners 1107 – Gläubigerschutz 1104 – kumulative Schuldübernahme 1103 – privative Schuldübernahme 1101 – Rechtsfolgen 1110 – Sukzessionsschutz 1110 – unvollkommene Schuldübernahme 1102 Europäische Übereignung 1119 – Abstraktionsprinzip 1139 – Besitzkonstitut 1166 – Bestimmtheitsprinzip 1137, 1151, 1160 – dingliches Rückfallrecht 1130 – Eigentumsvorbehalt 1136 – einheitlicher Übertragungsansatz 1126 – Einheitsprinzip 1139, 1140 – Gattungssachen 1137 – Gutglaubenserwerb 1153, 1173 – gutgläubiger lastenfreier Erwerb 1185 – Harmonisierung des Mobiliarsachenrechts 1187 – Immobiliarerwerb 1124 – Insolvenzrecht 1129 – Kausalprinzip 1139, 1144 – konkurrierende Übereignungen 1132 – Konsensualprinzip 1148, 1156 – nationale Rechtsangleichung 1188 – ökonomische Analyse 1150, 1157 – optionales Mobiliarsachenrecht 1186 – Prioritätsprinzip 1132, 1133 – Publizitätsprinzip 1146 – Rechtspolitik 1161 – Reformvorschläge 1161 – Registrierung 1171 – Sachen in Drittbesitz 1167 – Sachgesamtheit 1138 – Schuldrecht 1129 – Spezialitätsprinzip 1137, 1160 – Sukzessionsbefugnis 1171 – Sukzessionsfreiheit 1125 – Traditionsprinzip 1148, 1156 – Transportperson 1164 – Trennungsprinzip 1139 – Übereignung kurzer Hand 1166 – Übereignungszeitabrede 1147, 1153 – Übergabe 1162, 1163 – Übergabe von Hilfsmitteln 1169
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– Übergabe von Traditionspapieren 1170 – Übergabesurrogate 1162 – Zurechnungsprinzip 1182 Europäische Vertragsübernahme 1114 – Sukzessionsschutz 1115 Europäisches Privatrecht 1, 1049 – Forderungszession s. europäische Forderungszession – Schuldübernahme s. europäische Schuldübernahme – Übereignung beweglicher Sachen s. europäische Übereignung – Übereignung von Grundstücken s. europäische Übereignung – Vertragsübernahme s. europäische Vertragsübernahme Externalitäten 65 Forderung als absolutes Recht 29 Forderungszession 101, 102, 108 – Abstraktionsprinzip 279 – Abtretungsanzeige 659, 1084 – Akzessorietätsprinzip 599, 755, 811 – andere Rechte iSd. § 413 BGB 119 – angezeigte Abtretung 659, 770, 1084 – Beschränkung s. Abtretungsbeschränkung – Bestimmtheitsprinzip 311, 319 – Bindungswirkung der Einigung 244 – Dogmengeschichte 108 – Einwendungserhalt zugunsten des Schuldners 633, 768, 1079 – Europäisches Privatrecht s. europäische Forderungszession – Formfreiheit 341 – Fortbestand der Aufrechnungslage 642, 768, 1066, 1081 – Gutglaubenserwerb nach § 405 BGB 489 – Identitätsproblem 111, 568 – Internationales Privatrecht s. grenzüberschreitende Forderungszession – Koinzidenzprinzip 558 – Mehrfachzession 218, 658, 1086 – Rechtskrafterstreckung 897, 900 – Schuldnerschutz s. Schuldnerschutz, Sukzessionsschutz – Sukzessionsbefugnis 559
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Sachregister
– Sukzessionsschutz 632, 768, 1066, 1079 – Unabtretbarkeit unpfändbarer Forderungen nach § 400 BGB 153 – Unkenntnis der Abtretung 652, 769, 1066, 1082 – wirtschaftliche Bedeutung 117 Forderungszuständigkeit 29 Form 325 – ökonomische Analyse 335, 339 Formfreiheit 325, 326 – europäische Forderungszession 1056 – Forderungszession 341 – Mobiliarübereignung 340 – ökonomische Analyse 336 – Schuldübernahme 343 – Vertragsübernahme 343 Formpflicht 328, 333 – Abtretung des Auflassungsanspruchs 346 – GmbH-Geschäftsanteile 350 – Grundstücksübereignung 344 – Herleitung 328 – ökonomische Analyse 337 – Phänomenologie 330 – Systematik 330 – Übernahme der Übereignungspflicht 348 – Übernahme von Grundstückskaufverträgen 350 – Universalsukzession 748, 793 Geld 528 Gemeinsamer Referenzrahmen 1 Gesamtnachfolge s. Universalsukzession Gläubigerschutz – europäische Forderungszession 1059, 1061 – europäische Schuldübernahme 1104 – grenzüberschreitende Forderungszession 935 – grenzüberschreitende Schuldübernahme 990, 993, 999 – Internationales Privatrecht 963 – Schuldübernahme 102, 125, 126, 800 – Universalsukzession 758 GmbH-Geschäftsanteile 107 – Formpflicht 350 – Gesellschafterliste 483
– Gutglaubenserwerb 481, 515 – Zurechnungsprinzip 530 Grenzüberschreitende Forderungszession – Abstraktionsprinzip 936 – Abtretungsbeschränkungen 958 – Akzessorietätsprinzip 931 – Ausgangspunkt 927 – bedingte Forderungen 962 – Drittwirkung 967 – Gläubigerschutz 935 – Globalzession 963 – Identitätsprinzip 948, 956 – künftige Forderungen 962 – Mehrfachzession 978 – objektive Anknüpfung 946 – Parteiautonomie s. Rechtswahlfreiheit – Rechtswahlfreiheit 938 – Sicherungszession 963 – Sukzessionsfreiheit 932, 933 – Sukzessionsschutz 933, 948, 955 – Trennungsprinzip 936 – Verfügungsstatut 930 – Verpflichtungsstatut 930 – Vertragsstatut 930, 970, 975 Grenzüberschreitende Schuldübernahme 985 – Drittwirkung 996 – externe Schuldübernahme 997 – Gläubigerschutz 990, 993, 999 – Identitätsprinzip 995 – interne Schuldübernahme 987 – kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt 985 – Rechtswahlfreiheit 989 – Verfügungsgeschäft 988, 997 – Verpflichtungsgeschäft 988, 997 Grenzüberschreitende Übereignung 1006, 1121 – Anerkennung ausländischer Sachenrechte 1012, 1016, 1030 – Gutglaubenserwerb 1040 – Immobiliarerwerb 1045 – Koinzidenzprinzip 1014 – lex rei sitae 1006 – qualifizierter Statutenwechsel 1022 – Rechtswahlfreiheit 1007, 1025 – schlichter Statutenwechsel 1016 – Statutenwechsel 1012, 1030
Sachregister
– Sukzessionsschutz 1013 – Verfügungsgeschäft 1010, 1028 – Verkehrsschutz 1013 – Verpflichtungsgeschäft 1010, 1028 Grenzüberschreitende Vertragsübernahme 1000 – dreiseitige Vertragsübernahme 1000 – zweiseitige Vertragsübernahme 1002 Grundbuch 466, 513 Grundschuld 43, 105 Gutglaubenserwerb 177, 283, 401, 442, 1173 – abstrakter Vertrauensschutz 461, 507 – Abtretung des Herausgabeanspruchs 477, 1176 – Besitzkonstitut 475, 1176 – Besitzverschaffungsmacht 472, 1175 – Darlegungs- und Beweislast 521, 1181 – Dogmengeschichte 442 – Erbschein 469, 513 – Erwerb kraft Hoheitsakts 498 – europäische Übereignung 1153, 1173 – Forderungszession nach § 405 BGB 489 – gesetzlicher Erwerb 496 – GmbH-Geschäftsanteile 481, 515 – grenzüberschreitende Übereignung 1040 – Grundbuch 466, 513 – gutgläubiger lastenfreier Erwerb s. Gutgläubiger lastenfreier Erwerb – Mobiliarerwerb 470, 515 – Nachforschungsobliegenheiten 516, 520 – öffentlicher Glaube 466, 469 – ökonomische Analyse 454 – Rechtsfolgen 537 – rechtsgeschäftlicher Erwerb 496 – Rechtskrafterstreckung 907 – Rechtsscheinträger 463, 1174 – Redlichkeit des Erwerbers 504, 1179 – Redlichkeitsmaßstab 513, 1179 – reines Rechtsscheinprinzip 522, 523 – unentgeltlicher Erwerb 533, 1178 – Verfassungsrecht 459 – Verfügungsbefugnis 1177 – Verkehrsgeschäft 499 – Verkehrsschutz 450, 452
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– Zivilprozess 907 – Zurechnungsprinzip s. Zurechnungsprinzip Gutgläubiger lastenfreier Erwerb 625, 1185 – europäische Übereignung 1185 – GmbH-Geschäftsanteile 627 – Immobiliarerwerb 626 – Mobiliarerwerb 626 Höchstpersönliche Ansprüche 205, 1075 Höchstpersönliche Verbindlichkeiten 802 Homo oeconomicus 59 Hypothek 43, 106, 107, 207, 595, 604 Identitätsprinzip 567 – europäische Forderungszession 1077 – Univeralsukzession 753 Inhaberpapiere 528 Internationales Privatrecht 925 – Forderungszession s. grenzüberschreitende Forderungszession – Schuldübernahme s. grenzüberschreitende Schuldübernahme – Übereignung beweglicher Sachen s. grenzüberschreitende Übereignung – Übereignung von Grundstücken s. grenzüberschreitende Übereignung – Vertragsübernahme s. grenzüberschreitende Vertragsübernahme Kaldor/Hicks-Kriterium 64 Kauf bricht nicht Miete 686 Kausalprinzip – europäische Forderungszession 1055 – europäische Übereignung 1139, 1144 Klageerweiterung 879 Koinzidenzprinzip 545 – Ausnahme 553 – Forderungszession 558 – grenzüberschreitende Übereignung 1014 – Herleitung 545 – Immobiliarsachenrecht 547 – Mobiliarsachenrecht 556 Konfusion 572, 574 – Dogmengeschichte 573 Kongruenzprinzip 545, 562
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Sachregister
Konsensualprinzip – europäische Übereignung 1148, 1156 Konsolidation 572, 580 – Dogmengeschichte 573 – Immobiliarsachenrecht 581 – Mobiliarsachenrecht 585 Kündigung aus wichtigem Grund – Schuldübernahme 814 – Universalsukzession 775 Loss aversion s. Besitzeffekte Marktversagen 65 Methoden 6 Methodenpluralismus 54, 78 Nachfolgebegriff s. Sukzessionsbegriff Nießbrauch 42, 46, 106, 107 Numerus-clausus-Prinzip – Sachenrecht 43, 1035 – Sukzessionsrecht 98, 148, 782 – Umwandlungsrecht 783 – Zustimmungstatbestände 196 Offenkundigkeitsprinzip 267, 366, 392, 429 Ökonomische Analyse des Rechts 50 – Entwicklungsgeschichte 51 – Kritik 53 – normativer Ansatz 51 – positiver Ansatz 50 Parteiautonomie s. Rechtswahlfreiheit Parteiwechsel 828, 883 Paternalismus 69, 152 Pfandrecht 43, 46, 106, 207, 428 – Akzessorietätsprinzip 594, 604 – Traditionsprinzip 428 Phänomenologie der Sukzession 33 Präferenzautonomie 69, 95 Prioritätsprinzip 218, 228, 1087, 1132, 1133 Privatautonomie 83, 231 Property rights 39, 61, 65, 79, 93, 147, 305, 1036 Publizitätsprinzip 267, 365, 681, s. auch Eintragungsprinzip und Traditionsprinzip – europäische Übereignung 1146 – Herleitung 365
Rational choice 58, 72 Reallast 43, 106 Rechtsdogmatik 7 Rechtsgeschichte 12 Rechtskraft – Relativität der Rechtskraft 891 Rechtskrafterstreckung 891 – Forderungszession 897, 900 – Gutglaubensschutz 907 – nach Rechtshängigkeit 892 – Singularsukzession 893 – Universalsukzession 894 – Vollstreckungsgegenklage 906 – vor Rechtshängigkeit 895, 900 Rechtskraftwirkung 881 Rechtspolitik 11 Rechtspraxis 10 Rechtsprinzipien 14 Rechtsvergleichung 13 Rechtswahlfreiheit – grenzüberschreitende Forderungszession 938 – grenzüberschreitende Schuldübernahme 989 – grenzüberschreitende Übereignung 1007, 1025 – Herleitung 938, 939 – ökonomische Analyse 942 – Teilrechtswahl 943 Rechtszuordnung 27, 41, 147, 299, 302, 368, 570, 622 Reduktionismus 55 Relativität der Rechtskraft 891 Relativität des Forderungsrechts 31 Relativität des Schuldverhältnisses 277, 678 Relevanztheorie 858 Rentenschuld 43, 105 Schuldbeitritt – Zivilprozess 842, 845 Schuldnerschutz 102, 113 Schuldübernahme 101, 102, 120 – Akzessorietätsprinzip 613, 756, 1112 – als Verfügungsgeschäft 122 – Angebotstheorie 123 – angezeigte Schuldübernahme 668, 772, 812
Sachregister
– Aufrechnungsbefugnis des Schuldübernehmers 672, 773, 1111 – Dogmengeschichte 121 – Einwendungserhalt zugunsten des Übernehmers 665, 1110 – europäische Forderungszession 1074 – Europäisches Privatrecht s. europäische Schuldübernahme – Formfreiheit 343 – Gläubigerschutz s. Gläubigerschutz – Internationales Privatrecht s. grenzüberschreitende Schuldübernahme – Kündigung aus wichtigem Grund 814 – Mithaftung des Altschuldners 804 – Rechtsfortbildung 798 – Rechtspolitik 798 – Reformvorschläge 798 – Schutz des Altschuldners 128 – Sicherheitsleistung 807 – Störung der Geschäftsgrundlage 813 – Sukzessionsschutz 664, 771, 810, 1110 – Universalsukzession 732 – Unkenntnis der Schuldübernahme 667, 771, 812 – Verfügungstheorie 124, 135 – Vertragsfreiheit 343 – Zivilprozess 837, 838, 857 Singularsukzession 33, 34, 82, 112 – Rechtsfolge 566 – Rechtskrafterstreckung 893 Spaltungsfreiheit 727 Spezialitätsprinzip 296, 297 – europäische Übereignung 1137, 1160 – Universalsukzession 738 – Verhältnis zum Traditionsprinzip 298 Status quo bias s. Besitzeffekte Störung der Geschäftsgrundlage – Schuldübernahme 813 – Universalsukzession 773 Sukzession – deduktive 43, 44 – konstitutive 37, 38, 44, 107, 1036 – kraft Gesetzes 35 – kraft Hoheitsakts 35 – kraft Rechtsgeschäfts 34 – translative 37, 38 Sukzessionsbefugnis 215, 622 – Abwehrfunktion 217 – Berechtigung 219
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Ermächtigung 221 europäische Forderungszession 1056 europäische Übereignung 1171 Forderungszession 559 Genehmigung 222 Konvaleszenz durch Beerbung des Verfügenden 226 – Konvaleszenz durch nachträglichen Rechtserwerb 223 – Rechtssystematik 215 – Zuweisungsfunktion 216 Sukzessionsbegriff – im materiellen Recht 20 – im Prozessrecht 834 Sukzessionsfreiheit 83, 100, 624 – Bestimmtheitsprinzip 302 – europäische Forderungszession 1053, 1057 – europäische Übereignung 1125 – Grenzen 148, 152 – grenzüberschreitende Forderungszession 932, 933 – Herleitung 83 – ökonomische Analyse 91 – Publizitätsprinzip 369 – Titelumschreibung 916 – Unionsrecht 90, 151 – Universalsukzession 731 – Verfassungsrecht 87, 151 – Zivilprozessrecht 819, 821 Sukzessionsschutz 100, 179, 618 – beschränkte dingliche Rechte 622 – beschränkte obligatorische Rechte 623 – Bruchteilsgemeinschaft 698 – Erbbaurecht 705 – Erwerbsansprüche 683 – europäische Forderungszession 1053, 1066, 1079 – europäische Schuldübernahme 1110 – europäische Vertragsübernahme 1115 – Forderungszession 632, 768 – grenzüberschreitende Forderungszession 933 – gutgläubiger lastenfreier Erwerb 625 – Herleitung 619 – Miete 686 – obligatorische Besitzrechte 685 – obligatorische Rechte 677 – ökonomische Analyse 621
1294
Sachregister
– postventiver 101, 102, 620 – präventiver 101, 179, 204, 620 – Schuldübernahme 664, 771, 810, 1110 – Terminologie 619 – Titelumschreibung 917 – Universalsukzession 767 – Vertragsübernahme 673 – Vormerkung 683, 684 – Wohnungseigentum 702 – Zivilprozessrecht 819, 824, 858, 863 Summentheorie 39 Testierfreiheit 726 Titelumschreibung 916 – Anwendungsbereich 918 – Sukzession auf Aktivseite 921 – Sukzession auf Passivseite 922 – Sukzessionsfreiheit 916 – Sukzessionsschutz 917 – Unbeachtlichkeitslehre 921 Traditionsprinzip 267, 298, 386 – Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB 419 – Besitzkonstitut nach § 930 BGB 410 – besitzlose Sachen 425 – Dogmatik der Anzeige 434 – Dogmatik der Übergabe 404, 424, 432 – Dogmengeschichte 387 – Durchbrechungen 408 – Einheitstheorie 388 – europäische Übereignung 1148, 1156 – Funktionen 391, 399 – Gläubigerschutz 397, 430 – Gutglaubensfunktion 401, 424 – Offenkundigkeit 392, 429, 434 – ökonomische Analyse 402 – Pfandrecht 428 – Rechtspolitik 436 – Sukzessionsfreiheit 424 – Übereignung kurzer Hand nach § 929 S. 2 BGB 408 – Übereignungswille 395 – Verfügungsschutzfunktion 431 – Vermutungsfunktion 400, 424 – Verschaffungsfunktion 399, 406, 424 Transaktionskostentheorie 66, 75, 95, 144, 165 Trennungsprinzip 265 – europäische Forderungszession 1054
– europäische Übereignung 1139 – grenzüberschreitende Forderungszession 936 – Herleitung 265 – Kritik 268 – Rechtssystematik 266 Typenlimitierung 99, 100 Typenzwang 43, 99 Übereignung beweglicher Sachen 103 – Besitzverschaffungsmacht 472 – Bestimmtheitsprinzip 308, 313 – Bindungswirkung der dinglichen Einigung 251 – Europäisches Privatrecht s. europäische Übereignung – Formfreiheit 340 – Gutglaubenserwerb 470, 515 – Internationales Privatrecht s. grenzüberschreitende Übereignung – Konsolidation 585 – unbestellte Sachen 1135 Übereignung von Grundstücken 104 – Bestimmtheitsprinzip 310, 318 – Bindungswirkung der dinglichen Einigung 246 – europäische Übereignung 1124 – Europäisches Privatrecht s. europäische Übereignung – Formpflicht 344 – Gutglaubenserwerbs 466, 513 – Internationales Privatrecht 1045 – Internationales Privatrecht s. grenzüberschreitende Übereignung – Koinzidenzprinzip 547, 556 – Konsolidation 581 – Universalsukzession 742 Umschreibung des Titels s. Titelumschreibung Umwandlungsvertrag 722, 724 Unbeachtlichkeitslehre 858, 861, 921 Unbestellte Sachen 1135 Universalsukzession 33, 36, 713 – Akzessorietätsprinzip 755 – Bestandsschutz 744, 793 – Bestimmtheitsprinzip 738, 740, 794 – Dogmengeschichte 714 – durch Unternehmensfortführung 785 – eheliche Gütergemeinschaft 726
Sachregister
– Forderungen 734 – Formpflicht 748, 793 – Gestaltungsfreiheit 726 – Gläubigerschutz 758 – Grundstücke 742 – Identitätsprinzip 753 – im Bürgerlichen Recht 791 – kraft Rechtsgeschäfts 721 – Kündigung aus wichtigem Grund 775 – ökonomische Analyse 719, 796 – partielle 718, 785 – Rechtsdogmatik 716 – Rechtsfolgen 752 – Rechtskrafterstreckung 894 – Rechtspolitik 791, 795 – Sicherheitsleistung 765 – Spaltungsfreiheit 727 – spaltungsrechtliche Transferhaftung 758 – Spezialitätsprinzip 738 – Störung der Geschäftsgrundlage 773 – Sukzessionsfreiheit 731, 792 – Sukzessionsschutz 767 – Testierfreiheit 726 – totale 718 – Umwandlungsvertrag 722, 724 – Verfügungsbeschränkungen 734 – Verpflichtungen 732 – Verträge 732 – Voraussetzungen 714 – Zivilprozess 846 Unternehmensfortführung 785 Veräußerung des streitbefangenen Gegenstands 820 Verdinglichung obligatorischer Rechte 32, 677 Vereinigungstatbestände s. Konfusion, Konsolidation Verfügungsbefugnis s. Sukzessionsbefugnis Verfügungsbeschränkung – bei bedingter Rechtsübertragung nach § 161 BGB 161, 683 – Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge 171 – gutgläubiger Zwischenerwerb 177 – nachträgliche 552 – Ökonomische Analyse 142, 163 – rechtsgeschäftliche 137
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– Universalsukzession 734 – Unwirksamkeit nach § 137 S. 1 BGB 137, 158, 178, 209 – Unwirksamkeitsfolge 173 – zur Erwerbssicherung 169 – Zustimmung des Erwerbers 172 Verfügungsfreiheit s. Sukzessionsfreiheit Verhaltensökonomik s. Behavioral Law & Economics Verkehrsleichtigkeit 96 Verkehrssicherheit 96 Verlustaversion s. Besitzeffekte Verschmelzung – Zivilprozess 847 Vertragsfreiheit s. Privatautonomie Vertragsübernahme 130 – angezeigte Vertragsübernahme 676 – Aufrechnungsbefugnis 676 – Einheitstheorie 134 – Europäisches Privatrecht s. europäische Vertragsübernahme – Herleitung 131 – Internationales Privatrecht s. grenzüberschreitende Vertragsübernahme – Rechtsdogmatik 134 – Rechtsfortbildung 815 – Rechtspolitik 815 – Reformvorschläge 815 – Sukzessionsschutz 673 – Universalsukzession 732 – Unkenntnis der Vertragsübernahme 675 – Wirkungsvoraussetzungen 136 – Zerlegungstheorie 134 – Zivilprozess 844 Vollstreckungsgegenklage 906 Vorkaufsrecht 43, 106 Vormerkung 683, 684 Widerklage 870 Wohnrecht 43 Wohnungserbbaurecht 105 Zivilprozess – Abspaltung 850 – Aufspaltung 847 – Ausgliederung 850 – Gutglaubensschutz 907 – Klageerweiterung 879 – Parteiwechsel s. Parteiwechsel
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Sachregister
– Rechtskrafterstreckung s. Rechtskrafterstreckung – Rechtskraftwirkung 881 – Relevanztheorie 858 – Schuldbeitritt 842, 845 – Schuldübernahme 837, 838, 857 – Sukzessionsfreiheit 819, 821 – Sukzessionsschutz 819, 824, 858, 863 – Titelumschreibung s. Titelumschreibung – Unbeachtlichkeitslehre 858, 861 – Universalsukzession 846
– Verschmelzung 847 – Vertragsübernahme 844 – Widerklage 870 Zuordnung von Vermögenspositionen 26 Zurechnungsprinzip 490, 522, 524 – Ausnahmen 528, 1182 – Dogmengeschichte 524 – europäische Übereignung 1182 – GmbH-Geschäftsanteile 530 – ökonomische Analyse 525 – partielles 530 – Rechtspolitik 525