Die rechtliche Natur des Wechsel-Indossaments: Ein Beitrag zur Lehre vom Indossamente [Reprint 2020 ed.] 9783111545646, 9783111177137


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Die rechtliche Natur des Wechsel-Indossaments: Ein Beitrag zur Lehre vom Indossamente [Reprint 2020 ed.]
 9783111545646, 9783111177137

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Me rechMche

IJutiir KZ UeUel-WoDM ein Beitrag zur Lehre vom Indossamente von

Justus Hudde, Amtsrichter.

Gießen.

I. Ricker'sche Buchhandlung. 1884.

Vorwort. Zur Rechtfertigung der Methode dieser Abhandlung nur

wenige Worte. — Es

eine

Darstellung

welche

so

ist

Frage,

innig

mit

an sich mißlich, in einer Einzeldie vorliegende,

wie

dem Systeme

des

zu

erörtern,

ver­

Wechselrechts

wachsen ist, daß sie nicht nur durch die Entscheidung anderer Fragen

bedingt

ist,

sondern ihre Entscheidung

selbst den Erörterungen

hat

weit

so

selten

über die Grundprinzipien der Lehre

vom Wechsel zur Grundlage dient.

rechtliche Natur

nicht

Wer

die Frage über die

des Indossaments vollständig

auszuholen,

eine

solche

vortragen will,

Menge

in

sich

ab­

weichender Lösungen zu entwickeln, daß darüber gar zu leicht

nicht nur die Uebersichtlichkeit verloren geht, sondern auch die eigene

Ansicht

der

fortschreitenden

Entwicklung

gänzlich

mangelt und ihre Begründung der Schärfe entbehrt,

er­

welche

bei der Bestrittenheit der ganzen Lehre ihre wesentliche Stütze

sein muß.

Vielleicht kann es

Vortheil gereichen, nur

die

vornehmste

deshalb einer Darstellung zum

wenn sie von allen abweichenden Ansichten

mit möglichster

Vollständigkeit vorbringt

und an dieser die eigene Ansicht erprobt,

dabei in der Abwehr

die anderen Meinungen zwar nicht erschöpfend, aber doch in ihren wesentlichsten Theilen berücksichtigt, und in der Vertheidi-

gung sich auf gewisse Grundlagen stützt, zwar nur auf solche,

welche

im

geltenden

Rechte

und

in

der

Praxis

anerkannt

worden sind.

Von den verschiedenen Lehren über die rechtliche Natur des Indossaments erschien als die vornehmste diejenige, welche ein

von dem

Reichs-Ober-Handelsgerichte

noch vor Thoresschluß

veröffentlichtes Präjudiz aufstellte, nicht allein weil hierdurch

wegen

der Autorität

des hohen Gerichtshofes

eine für die

Praxis maßgebende Ansicht zur Geltung gebracht wurde, sondern auch weil dieselbe, zum wenigsten im Resultate, in der Doctrin

die Herrschaft zu behaupten scheint.

Beweise zusammengetragen,

Wechsel-Ordnung

von

Zudem fand der Verfasser

diesem Präjudize

in der Begründung zu

welche

seit

die Summe aller

dem

Erscheinen der

den Rechtslehrern vorgebracht worden

sind, um die in dieser Abhandlung vertretene Meinung zu verurtheilen. Hiernach mag die Methode dieser Abhandlung, die Frage nach der rechtlichen Natur des Indossaments im unmittelbaren

Anschlüsse an das Präjudiz und seine Begründung zu erörtern,

nicht nur darin seine Rechtfertigung finden, daß sie der Praxis entstammt. In ähnlicher Weise hat schon Ladenburg in einem im

41. Bande

Busch

des Archivs für Handels-

veröffentlichten

Aufsatze

den

und

Wechselrecht von

Gegenstand

behandelt.

Gerade dieser Aufsatz und die von Ladenburg an den Ent­ scheidungsgründen des Präjudizes geübte Kritik veranlaßten den

Verfasser, alle Bedenken

gegen die Richtigkeit dieser Gründe

und die Haltbarkeit der aus denselben hergeleiteten Theorie zu­

sammenzufassen und in der vorliegenden Abhandlung zu ver­

öffentlichen.

Anhalt. §. 1. §. 2.

Die Abfertigung der Uebertragungstheorie . . . . 15 Indossament und Cession sind dem Wesen nach nicht verschieden 19 Der Ausschluß gewisser Einreden beim Indossament begründet solche Verschiedenheiten nicht..........................................................33 6. Ebensowenig gewisse Besonderheiten beim Indossament . 43 7. Das Gesetz spricht nicht wider die Uebertragungs-Theorie . 46 8. Das Gesetz und seine Entstehung sprechen für die Uebertra­ gungs-Theorie 62 9. Die Uebertragungs-Theorie in der Doktrin . . . 71 10. Die Uebertragungs-Theorie ........................................................... 84

§. 3. §. 4. §. 5.

§. §. §. §. §.

Seite Der praktische Fall............................................................................... 1 Die in den Entscheidungsgründen entwickelte Theorie . . 6

§. 1.

Der praktische Fall. Unter dem 21. Juni 1878') verkündete das Reichs-Ober-

Handelsgericht folgendes für die Frage nach der rechtlichen Natur des Indossaments ausschlaggebende Präjudiz :

„Der Anspruch des Indossanten, welcher den von ihm be­

gebenen Wechsel im Regreßwege wieder eingelöst hat, sowohl gegen die Bormänner wie gegen den Acceptanten ist nicht als

ein erst mit der Einlösung unter dem Gesichtspunkte eines neuen Geschäfts oder eines Erwerbs der Forderung des Nachmannes

entstandener anzusehn, hat vielmehr seinen Rechtsgrund in dem­

jenigen Wechselnexus, in welchen der Indossant selbst beim Um­ lauf des Wechsels als Berechtigter getreten war.

Der hierdurch

einmal für die Person des Indossanten begründete Anspruch ist

durch die Weiterbegebung des Wechsels nicht erloschen, vielmehr an die Wiedereinlösung desselben nur als an eine Voraussetzung

seiner Geltendmachung geknüpft zu erachten." Zur Entscheidung stand die praktische Frage, ob ein Wechsel­

indossant der Konkursmasse

seines Schuldners gegenüber mit

der im Regreßwege eingelvsten Wechselforderung gegen eine vor der Konkurseröffnung entstandene, jetzt der Konkursmasse zu­ stehende und von derselben geltend gemachte Forderung

*) In dem XXIV. Bande der Entsch. S. 1 ff.

auf-

2 rechnen könne *). Nach der Entscheidung des hohen Gerichts­ hofes ist die Aufrechnung zulässig, und zwar wegen der dieselbe bedingenden rechtlichen Natur des Indossaments. Zur Zeit würde die Entscheidung des praktischen Falles gar nicht mehr zweifelhaft sein können. So hat Ladenburg?) bei Besprechung des Präjudizes und seiner Begründung in neuester Zeit durch Bezugnahme auf §. 47 der R. K. O. nachzuweisen ge­ sucht. §. 47 lautet : „Die Aufrechnung wird nicht dadurch aus­ geschlossen, daß zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens die auf­ zurechnenden Forderungen oder die eine von ihnen . . . noch bedingt war ..." Nun heißt es bei Ladenburg : Die Regreß­ pflicht des Gemeinschuldners sei eine bedingte und jedem Nehmer gegenüber übernommene; das dem entsprechende Recht des In­ dossatars gestatte demselben zwar den Rückgriff erst mit dem Eintritt der Bedingung; es werde dann aber das Geschäft an­ gesehen, als sei es unbedingt geschlossen, d. h. der Indossatar leite seinen Rückgriff auf den Indossanten (den Gemeinschuldner) aus dem von diesem gegebenen Indossamente ab. Dieser Argumentation kann unbedenklich nur beipflichten, wer anerkennt, daß auch die einmal in der Person des Indossanten entstandene Gläubigerschaft diesem trotz der weiteren Jndossirung des Wechsels verbleibt. Laden bürg aber, welcher im prin­ zipiellen Widerspruch mit der Ansicht des R. O. H. G. in dem Indossamente einen Akt der Uebertragung behauptet, muß zu­ gleich anerkennen, daß, wenn auch die Verpflichtung des Regreß­ schuldners als mit dem Momente der Uebernahme der bedingten Verbindlichkeit entstandene bei demselben Schuldner beharrt, doch die Gläubigerschaft durch die Indossamente gewechselt hat, und folglich der Indossant, der die Forderung im Regreßwege einge*) Die Frage war im praktischen Falle noch enger gefaßt, nämlich, ob

der Indossant aufrechnen könne,

wenn er zwar noch

vor der Konkurser­

öffnung eingelöst habe, indeß mit Kenntniß von der Zahlungseinstellung des

Schuldners. 2) Im Archiv von Busch B. XU, S. 99 ff.

3 löst hat, zwar eine vor der Konkurseröffnung entstandene Forde­ rung geltend machen wird, indeß immer nur eine solche, die er

nach der Konkurseröffnung wiedererworben hat. Dem Gläubiger, welcher dann gegen eine Forderung der Konkursmasse aufrechnen

wollte, würde §. 48 der R. K. O. entgegenstehen : „Eine Auf­

rechnung im Konkursverfahren ist unzulässig, wenn Jemand dem Gemeinschuldner

vor

der

Eröffnung

des

Verfahrens

etwas

schuldig war und nach derselben eine Forderung an den Gemein­ schuldner erworben hat, auch wenn diese Forderung vor der Eröffnung für einen anderen Gläubiger entstanden war."

Den von Ladenburg eingeschlagenen Weg hatte von Wächter') durch Bezugnahme auf §. 48, Abs. 2 der Zf. 3 R. K. O. richtiger verfolgt : „Die Aufrechnung ist zulässig, wenn

der Erwerber zur Uebernahme der Forderung oder zur Befriedi­ gung des Gläubigers verpflichtet war und zu der Zeit, als er die Verpflichtung einging, weder von der Zahlungseinstellung noch von dem Eröffnungsantrage Kenntniß hatte."

„In Folge dieser Vorschrift", sagt von Wächter, „muß selbst nach der Ansicht, welche erst mit der Einlösung im Regreß­ wege den Anspruch

des Wechselgebers entstehen läßt, bei Ein­

lösung von Seiten eines Wechselgebers, welcher schon vor der Konkurseröffnung Wechselnehmer gewesen, die Aufrechnung statt­ haft erscheinen, allerdings nach dieser Ansicht nur unter der Voraussetzung

seiner

Unkenntniß

von den Verhältnissen des

Gemeinschuldners zur Zeit der Einlösung." Unter dieser Voraussetzung? durchaus nicht.

Das Gesetz

spricht von der Kenntniß zur Zeit, als der Erwerber die Ver­ pflichtung zur Einlösung eingiug, nicht zur Zeit, als er die Ein­ lösung bewirkte.

Und dies allein kann dem Geiste der Gesetz­

gebung entsprechen.

Begreiflicherweise ist dem die Aufrechnung

nicht gestattet, der als Schuldner des Konkursifex nach erlangter Kenntniß

von der Zahlungseinstellung eine Forderung an sich

bringt — eben zu dem Zwecke, um mit derselben aufzurechnen.

*) Encyklopädie des Wcchsclrechts S. 616.

4

Ebenso selbstredend dem nicht, der nach erlangter Kenntniß der Zahlungseinstellung eine Verpflichtung eingeht, welche auf den Erwerb

einer Forderung zwecks der Aufrechnung zielt.

ganz ander Ding aber ist es,

Ein

wenn Jemand vor erlangter

Kenntniß von der Zahlungseinstellung eine Verpflichtung ein­

gegangen ist, welche den Erwerb einer Forderung gegen den

Geineinschuldner nach sich zieht; denn hier ist die Absicht, die Forderung zum Zwecke der Aufrechnung zu erwerben, schlechter­ dings ausgeschlossen. Das positive im Konkursrechte enthaltene Gesetz lautet also

für den Wechsel dahin : Ein Wechsel-Indossant, der vor der Eröffnung des Verfahrens dem Gemeinschuldner etwas schuldig

war und die Wechselforderung gegen diesen als Regreßschuldner durch Befriedigung eines Nachindossatars

erworben hat,

soll

mit dieser Forderung aufrechnen dürfen, wenn er zur Zeit, als er sich durch sein Indossament zur Einlösung des Wechsels ver­

pflichtete, von der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsan­ trage keine Kenntniß hatte. Man wird einen Rückschluß auf die Haltbarkeit einer über die

rechtliche Natur

des

Indossaments

aufgestellten

Theorie

machen dürfen, wenn eine solche wesentlich dasselbe Resultat liefert,

welches der Gesetzgeber als richtig

(wenn

auch aus

Gründen, die in einem anderen Rechtsgebiete wurzeln) anerkannt

hat.

Thatsächlich begegnet man nicht nur bei dem vorgenannten

Rechtslehrer, sondern durchweg der Behauptung, daß Ziffer 3 des §. 48 der R. K. O.

über die Aufrechnungsbefugnisse der

Wechselgläubiger im Konkurse dasselbe bestätige, was aus der in dem Präjudize des R. O. H. G. festgestellten Theorie über die

rechtliche Natur des Indossaments sich von selbst ergebe.

möchten wir als richtig nicht gelten lassen.

Das

Denn die in §. 48

R. K. O. enthaltene Voraussetzung der Aufrechnungsbefugniß,

daß nämlich der Wechselgläubiger bei Weiterbegebung des Wechsels in Unkenntniß von der Zahlungseinstellung des Gemeinschuldners gewesen sein müsse, ergiebt sich nicht als prinzipiell zulässige

Folge aus jener Ansicht.

Hat der Wechselgläubiger den Wechsel

5 seinerseits vor der Konkurseröffnung erhalten, so muß er nach

der Theorie des

Reichsoberhandelsgerichts, weil er Gläubiger

geblieben ist und als solcher wie vom Anfang an so auch später zur Aufrechnung

befugt erscheint,

die Kompensationsbefugnitz

behalten, auch wenn er inzwischen in Kenntniß der Zahlungs­

einstellung den Wechsel weiterbegeben und ihn erst später einge­ löst hätte.

Denn es ist nicht abzusehen, weshalb eine Kenntniß

von der Zahlungseinstellung, die während bestehender Gläubiger­ schaft kommt, das Recht des Gläubigers illusorisch machen könnte.

Es ließe sich also ein praktischer Fall

als möglich denken, in

welchem auf Grund des Präjudizes des R. O. H. G. und unter Anwendung des §. 47 Abs. 1 der R. K. O. die Aufrechnung

im

Konkurse

eines Wechselschuldners

einem

Wechselgläubiger

gestattet wäre, während sie ihm nach §. 48, Ziffer 3 der R. K. O. versagt ist, und wir folgern : Der §. 48 begrenzt nicht nur

die Konsequenzen des Präjudizes, sondern er enthält eine Be­ stimmung, die diesen Konsequenzen geradezu widerspricht.

Des weitern möchte sich aus jener Theorie ergeben, daß ein Wechselgläubiger der „ohne Obligo" indossirt hat, schlechter­

dings zur Aufrechnung befugt sein müßte, wenn er nach der

Konkurseröffnung den Wechsel wieder erworben hätte.

das

ihm

gegebene Indossament berechtigte

Denn

ihn als Wechsel­

gläubiger, und seine Forderung, so sagt das Präjudiz, ist durch die Weiterbegebung des Wechsels nicht erloschen.

Oder ist die

Weiterbegebung des Wechsels durch Indossament „ohne Obligo" wieder grundverschieden von

der Weiterbegebung durch Loll-

Jndossament? Die Theorie lautet: Weil die Gläubigerschaft des Wechsels durch Weiterbegebung nicht erlischt, ist der Wechsel­

gläubiger zur

befugt.

Aufrechnung nach Wiedererwerb

des

Wechsels

Mithin mußte auch zur Kompensation befugt sein, wer

den Wechsel

„ohne Obligo" weiterbegeben hat; denn von der

Thatsache, daß er nicht wie der Voll-Indossant zur Wiederein­ lösung verpflichtet ist, hängt nach jener Theorie gar nichts ab.

Eine

derartige Lösung

der Kompensationsfrage

im

Konkurse

6 widerspricht aber den ausdrücklichen Bestimmungen der Konkurs­

Ordnung und allen Gesetzen des Rechts und der Billigkeit.

§• 2.

Die in den Entscheidungsgründen entwickelte Theorie. Die im Präjudize angedeutete Theorie wird in den Ent­ scheidungsgriinden näher dahin entwickelt:

„Acceptant wie Indossant verpflichten sich allen Nehmern des Wechsels, und zwar Jedem nicht bloß in Voraussetzung, daß er Inhaber zur Zeit der Fälligkeit, sondern überhaupt in der Voraussetzung des Besitzes des Wechsels, also auch in der der Wiedererlangung im Regreßwege bei erfolgter Weiterbegebung, der Acceptant auch dem Trassanten und Remittenten.

Durch

weiteres Indossament wird die Entstehung der gleichen Rechte in der Person des neuen Nehmers vermittelt.

Der Jndossirende

büßt hierdurch die Fähigkeit, Inhaber zur Zeit der Fälligkeit zu sein, als eine ihm auf Grund des für ihn entstandenen Wechsel­

rechts erwachsene, ein.

Dagegen verliert er im Uebrigen das

für ihn als Nehmer entstandene Gläubigerrecht nicht.

Demnach

geht jeder Indossant so viel Obligationen ein, als Personen als Berechtigte in den Wechselverband nach ihm während des Wechsel­

umlaufs eintreten, der Acceptant Obligationen gegen den Tras­ santen, den Remittenten und jeden Indossatar.

Alle diese einem

Zwecke dienenden Obligationen einer und derselben Person stehen

derartig mit einander in Verbindung, daß die Tilgung einer dieser Obligationen seitens des Verpflichteten unter Empfang des Wechsels die übrigen erledigt."

Den Kern dieser Entwickelung haben die Entscheidungs­ gründe der Thöl'schen Lehre entnommen.

Was darüber hin­

ausgeht, ist freilich unweigerliche Konsequenz jener Lehre, aber

bislang noch nicht in dieser Weise zum Ausdruck gelangt.

Das

Indossament ist bei Thöl seiner rechtlichen Natur nach eine

neue Tratte, enthält als solche ein Wechselversprechen und einen

6 widerspricht aber den ausdrücklichen Bestimmungen der Konkurs­

Ordnung und allen Gesetzen des Rechts und der Billigkeit.

§• 2.

Die in den Entscheidungsgründen entwickelte Theorie. Die im Präjudize angedeutete Theorie wird in den Ent­ scheidungsgriinden näher dahin entwickelt:

„Acceptant wie Indossant verpflichten sich allen Nehmern des Wechsels, und zwar Jedem nicht bloß in Voraussetzung, daß er Inhaber zur Zeit der Fälligkeit, sondern überhaupt in der Voraussetzung des Besitzes des Wechsels, also auch in der der Wiedererlangung im Regreßwege bei erfolgter Weiterbegebung, der Acceptant auch dem Trassanten und Remittenten.

Durch

weiteres Indossament wird die Entstehung der gleichen Rechte in der Person des neuen Nehmers vermittelt.

Der Jndossirende

büßt hierdurch die Fähigkeit, Inhaber zur Zeit der Fälligkeit zu sein, als eine ihm auf Grund des für ihn entstandenen Wechsel­

rechts erwachsene, ein.

Dagegen verliert er im Uebrigen das

für ihn als Nehmer entstandene Gläubigerrecht nicht.

Demnach

geht jeder Indossant so viel Obligationen ein, als Personen als Berechtigte in den Wechselverband nach ihm während des Wechsel­

umlaufs eintreten, der Acceptant Obligationen gegen den Tras­ santen, den Remittenten und jeden Indossatar.

Alle diese einem

Zwecke dienenden Obligationen einer und derselben Person stehen

derartig mit einander in Verbindung, daß die Tilgung einer dieser Obligationen seitens des Verpflichteten unter Empfang des Wechsels die übrigen erledigt."

Den Kern dieser Entwickelung haben die Entscheidungs­ gründe der Thöl'schen Lehre entnommen.

Was darüber hin­

ausgeht, ist freilich unweigerliche Konsequenz jener Lehre, aber

bislang noch nicht in dieser Weise zum Ausdruck gelangt.

Das

Indossament ist bei Thöl seiner rechtlichen Natur nach eine

neue Tratte, enthält als solche ein Wechselversprechen und einen

7 Zahlungsauftrag.

Hieraus *) erklärte sich nicht, wie Trassant,

Acceptant und alle die, welche dem Indossanten als Wechsel­

schuldner bereits verhaftet waren, als derselbe den Wechsel begab, dem neuen Wechselgläubiger verpflichtet werden können. rekurrirt auf die Ordre-Klausel?) :

Thöl

„Die Wirkung, daß der

Nehmer des Wechsels Gläubigerrechte gegen den Trassanten ge­ winnt, knüpft sich an das Wort Ordre".

„Wer einer bestimmten Person mit dem Zusatz „„oder deren Ordre"" verspricht, der erklärt, daß er sein Wechselversprechen

nicht nur der einen genannten Person, sondern auch deren Ordre, d. h. auch den von ihr als Gläubiger gewollten Personen geben

wolle . . . Jeder Nehmer hat ein eigenes Recht, sein ur­ sprüngliches, nicht das Recht seines Vormannes.

Es bedarf,

damit sein Versprechen wirklich anderen Personen gegeben ist, noch der Willenserklärung jener Person und dieser Personen.

Die Erklärung jener geschieht vermittelst des Indossaments, die Erklärungen dieser liegen in dem Nehmen des indossirten Ordre­

papieres. Hieraus ergiebt sich, daß der Geber des ihn verpflichtenden

Ordrepapieres jedem Nehmer desselben, dem ursprünglichen

und den Indossataren, verpflichtet ist.

Und zwar

hat jeder

Nehmer ein eigenes Recht, sein Recht, sein ursprüngliches Recht, nicht das Recht seines Bormannes."

So klar in diesen Sätzen die Frage nach der Entstehung der Gläubigerrechte des Indossatars gegenüber

dem Wechsel­

schuldner seines Indossanten gelöst ist, so wenig entschieden ist

andererseits die Frage bei Thöl behandelt, ob während des Wechselumlaufs demselben Schuldner eine Mehrheit von Gläu­

bigern gegenüber steht.

Man sollte sagen, das wäre selbstver-

*) Mehr hatte wohl auch Jolly (im Archiv B. IV, S. 376), welchem Thöl (im Wechselrecht S. 454) wegen desselben Einwurfes die schärfste Abweisung zu Theil werden läßt, nicht sagen wollen. 2) Aus dem „Handelsrecht" B. I, §§. 218, 219. Bergl. „Wechselrecht" S. 450 ff.

8 stündlich, um so mehr als Thöl in Uebereinstimmung mit dem Reichs-Oberhandelsgerichte mit aller Entschiedenheit hervorhebt, daß die

des Indossanten, an welchen

Wechselforderung

der

Wechsel im Regreßwege zurückgelangt ist, gegen den Acceptanten

und Vormann die ursprüngliche und nicht eine neue (selbstredend Bei ihm heißt es : „Der Trassant

auch keine übertragene) sei.

schließt nicht eine, sondern successive mehrere Begebungsverträge

mit mehreren Gläubigern; der Acceptant nicht einen, sondern eine Reihe von Acceptationsverträgen mit mehreren Gläubigern."

Diese

mehreren

Gläubiger

verschwinden

aber im Laufe der

ferneren Darstellung; es wird immer nur gehandelt von einer bestimmten Person als dem Wechselgläubiger.

So liest manT) : „Es ist immer nur demjenigen versprochen,

also

derjenige

Wechsel als solchen

der

Wechselgläubiger,

welchen

der

namentlich bezeichnet, oder, nämlich bei

Wechseln an Inhaber, welcher den Wechsel hat, nicht über­ dies derjenige, welcher ihn gehabt hat, oder haben wird, oder haben kann."

Erst bei der Einlösung tauchen die alten Gläubigerrechte wieder auf.

Wo aber sind sie geblieben während des Wechsel­

umlaufs ? und, wenn sie geblieben sind, wie soll man sich ihr Bestehen neben dem Gläubigerrechte desjenigen, der den Wechsel

hat, als möglich construiren*2) ?

Die Entscheidungsgründe unseres Erkenntnisses beantworten diese Fragen, indem sie folgendermaßen argumentiren :

Es

sei eine von

vornherein als unrichtig abzuweisende

Lehre, daß der Indossant seine Gläubigerrechte durch das In­

dossament auf den Indossatar übertrage.

Diese Rechte könnten

folglich entweder nur untergehen, oder bestehen bleiben.

Nehme

*) Wechselrecht S. 505. 2) v on Wächter lehrt in seiner Encyklopädie : „Indem der Indossant den Wechsel überträgt, hört er auf, aus demselben berechtigt zu sein" . . .

Und gleich folgend : „Doch erlöschen seine Rechte aus dem Wechsel nicht . . denn sie können unter Umständen wieder aufleben."

9 man das Erstere an, so müsse man beim Rückgänge des Wechsels entweder eine Wiedererstehung dieser Rechte kraft gesetzlicher Vorschrift, oder einen Eintritt des einlösenden Indossanten in die Rechte seines Nachmannes behaupten. Eine längere Beweis­ führung soll den Schluß liefern, daß beides unrichtig sei. Folgt also : daß der Indossant Gläubiger geblieben, ob zwar der In­ dossatar gleichfalls Gläubiger vesselben Schuldners geworden sei. Und wie hat man sich nun das Nebeneinanderbestehen der verschiedenen Gläubigerrechte zu denken? Sie bestehen einem und demselben Schuldner gegenüber; sie haben auch nicht nur gleichen, sondern denselben Inhalt; denn nur eine Leistung ist in obligatione. Die Entscheidungs­ gründe sagen nämlich : „Alle diese einem Zwecke dienenden Obligationen ein und derselben Person stehen derartig mit ein­ ander in Verbindung, daß die Tilgung einer dieser Obligationen seitens des Verpflichteten unter Empfang des Wechsels die übrigen erledigt." Die mehreren Gläubiger sind ein jeder wahrer Gläu­ biger. Der einzige Unterschied in ihrer Stellung demselben Schuldner gegenüber soll der sein, daß der Indossant die Fähig­ keit, Inhaber zur Zeit der Fälligkeit zu sein, eingebüßt, ein Anderer die Fähigkeit erlangt habe. Aber dies ist kein wesent­ licher Unterschied. Denn es heißt : „Der Einwand, dasjenige, was bei Weiterbegebung des Wechsels beim Begebenden dem Wechselverpflichteten gegenüber zurückbleibe, sei nur ein Obliga­ tionsverhältniß als Quelle möglicher Ansprüche, welches in wahre Schuld erst durch den Wiedererwerb umgewandelt werde, trifft nicht zu. Wer den Wechsel erworben hatte, war zu dieser Zeit Gläubiger geworden, und indem er durch Weiterbegebung sich des Mittels der Geltendmachung seines Forderungsrechts nur unter dem von seinen Schuldnern im Voraus gebilligten und, wenn bethätigt, unter deren Billigung die weiteren Begebungen erloschen machenden Vorbehalt des Wiedererwerbs entäußerte, hat er nur die Geltendmachung seines Forderungsrechts von einer Voraussetzung — conditio Juris — abhängig gemacht." Wir hätten also bei der Wechselobligation eine Mehrheit

10 subjektiver Beziehungen nicht bloß, wie von jeher anerkannt, auf

der Schuldner-,

sondern

auch auf der Gläubigerseite.

Und

wenn es richtig ist, daß zwischen den auf dieselbe Leistung dem­ selben Schuldner

gegenüber bestehenden Gläubigerrechten nur

der eine Unterschied besteht, daß

ein Gläubiger schlechthin, die

andern aber nur nach Erfüllung einer conditio Juris zu fordern

berechtigt sind, so

würde dem nichts entgegenstehen, das Ver­

hältniß der mehreren Gläubiger als unter den allgemeinen Be­

griff der Korrealität fallend aufzufassen *). Die Entscheidungsgründe behaupten von „dieser Annahme

des trotz der Weiterbegebung bestehen bleibenden, sogenannten bedingten Regreß- bezw. Gläubigerrechts, daß sie die bewährter

Wechselrechtslehrer sei"2).

Durchweg aber ist die Ansicht, daß

bei der Wechselobligation eine Mehrheit von Gläubigern vor­ handen sei, bislang verworfen worden.

Einige Beispiele :

Hoffmann2) ; „Jedes Indossament verändert die Gläu­

bigerschaft."

„Durch die Einlösung

des Wechsels lebt die alte

Gläubigerschaft nicht wieder auf, sondern es wird vielmehr eine

neue Gläubigerschaft begründet." Hartmann

nennt als Verschiedenheit der wechselrecht­

lichen Solidarität von dem civilrechtlichen Gesammtschuldverhältnisse an erster Stelle : „Daß das Wechselrecht nur die passive

Solidarität kenne, während das aktive Wechselrecht dem jedes­ maligen Inhaber für seine Person zustehe."

Knutze2) : „Die Solidarität kommt nur als passive, als

*) Windscheid lehrt (Lehrbuch SB. II, §. 293) : „Die Einheit der Korrealobligation ist kein Hinderniß, daß deren mehrfache subjektive Beziehung für die verschiedenen Subjekte verschieden gestaltet sei. So kann namentlich der eine Gläubiger schlechthin, der andere unter einer Bedingung oder Be­ fristung berechtigt sein."

8) Und führen als solche Heise und Cropp, Thöl und Renaud

auf. ’) Allg. Deutsche Wechsel-Ordnung §. 16, S. 235.

4) Bei Löhr, Centralorgan R. F. B. III, S. 173, 174.

6) Deutsches Wechselrecht III. Exkurs, S. 322.

11 Mehrheit von Schuldnern vor, eine Mehrheit von Gläubigern

kann am Wechsel nur

successive betheiligt sein in Folge des

vorwärts oder rückwärts gewendeten Wechsellaufs."

„Das nomen

geht über, das debitum ist ein einziges." Löwh') konstatirt, daß in den Quellen ein Beispiel dafür,

daß in Rücksicht auf eine Obligation von mehreren Verpflichteten

mehreren Berechtigten versprochen werde, sich nicht finden lasse, es vielmehr nothwendige Bedingung der Korrealität sei,

daß

einem und demselben Gläubiger von sämmtlichen Schuldnern mit Rücksicht auf eine Obligation die Erfüllung versprochen

werde.

Er kommt hier zu dem Resultate, welches später der

Grundstock der Volkmar-Löwy'scheu Theorie geworden ist,

daß in der That das Versprechen von den Mehreren nicht ver­ schiedenen, sondern nur e i n e m Gläubiger gemacht werde, näm­

lich dem Wechsel selbst, welcher Träger der Obligation und

mithin der Gläubiger sei. Schließlich die Leipziger Conferenz*2) : „Bei dem §. 74 kam in Frage, ob nicht auch der Solidarität in Beziehung auf die Wechselgläubiger Erwähnung geschehen müsse.

Man hielt dies jedoch nicht für nöthig, da zufolge der

vom Herrn Referenten gegebenen Erläuterung, wogegen sich kein

Widerspruch erhob, nach Absicht des Entwurfs aktive Solidarität nicht stattfinden solle." Aber die Entscheidungsgründe reden ja nicht von einer

Obligation und von einer Solidarität der Gläubiger bezüglich dieser einen Obligation, sondern von mehreren Obligationen mehrerer Gläubiger gegenüber einem Schuldner.

Die Möglich­

keit einer solchen Konstruktion, wenn diese mehreren Obligationen

eben das

charakteristischste Merkmal

der Solidarität

besitzen,

daß sie nur eine Leistung zum Inhalte haben, möchte den be­ gründetsten Bedenken unterliegen;

dieselbe ist auch schwerlich

') Im Archiv B. XI, S. 8 ff. 2) XXII. Protokoll (Leipziger Ausgabe S. 144).

12 vereinbar mit der Thatsache, daß auf Seiten der Verpflichteten einem Wechselgläubiger gegenüber die Solidarität anerkannt ist.

Indessen hiervon abgesehen, giebt es in der Theorie der Entscheidungsgriinde

des Bedenklichen genug.

Wenn

gesagt

wird, daß der Jndossirende sich des Mittels der Geltendmachung

seiner Forderung unter einer Voraussetzung entäußere, so folgt

hieraus, daß mit dieser Entäußerung der Jndossirende nicht nur

die Fähigkeit, sondern das Recht *) eingebüßt hat, am Verfalltage fordern zu dürfen.

Zu den Wirkungen des Indossaments gehört,

daß der Indossant selbst kein Recht mehr zur Ausübung der Wechselforderüng hat und dem Indossatar ausschließlich Mög­

lichkeit und Recht gegeben ist zu fordern, jenem aber die Aus­ übung der Forderung zu untersagen.

Rur durch einen Willens­

akt des Indossatars kann der Indossant das Recht zur Aus­

übung der Forderung wieder erhalten. Fälligkeit der

Wechselforderung.

So bleibt's auch nach

Freilich kann der Indossant

vom Indossatar gegen Zahlung der Wechselsumme Auslieferung

des rückläufigen Wechsels fordern und hiermit sich die Möglich­ keit zur Ausübung seines Gläubigerrechts

wieder verschaffen.

Das Recht der Einlösung aber steht ihm zu als dem Wechsel­

schuldner und nicht Kraft des ihm gebliebenen Gläubigerrechts*2). So steht's ausdrücklich im Gesetze, und wenn es anders wäre, so müßte ja dieselbe Befugniß auch dem zustehen, der Obligo" indossirt hat.

„ohne

Nachdem also der Indossant „die Gel­

tendmachung seines Forderungsrechts von einer Voraussetzung abhängig gemacht hat," ist ihm das Recht der Geltendmachung

seiner Forderung bis zur Wiedererlangung des Wechsels durch

den Willensakt eines Dritten verloren.

Er nicht,

dagegen ein

Anderer mit Ausschluß seiner kann die Zahlung der Wechsel­ summe vom Schuldner fordern. Forderung ohne

das Recht

Somit hätte der Eine

eine

der Ausübung und der Andere

*) Vergl. Ladenburg im Archiv von Busch B. XLI, S. 111. 2) Art. 48 W. O.

13 eine Forderung mit dem Rechte der Ausübung gegen denselben Schuldner, und das Ausübungsrecht des Letzteren würde das

des Ersteren dergestalt absorbiren, daß, wenn ihm Zahlung vom Schuldner geleistet wird, bei Rückgabe des Wechsels ein Aus­ übungsrecht des Ersteren gar nicht mehr existirt.

Was hat es nun auf sich mit der Forderung des Indossanten,

der das Ausübungsrecht genommen ist?

Die Antwort ist schon in dem Resultate gegeben, daß die Forderung selbst nicht mehr vorhanden ist, wenn der Indossatar

von seinem Ausübungsrechte wirksam Gebrauch gemacht hat: Forderungsrecht und Ausübungsrecht sind identisch.

„Was das Recht an

bei Delbrück') :

Man liest

sich und das Aus­

übungsrecht betrifft, so beruht dieser Unterschied auf einer leeren

Abstraktion.

Beide Begriffe decken sich.

Denn

wenn

zuge­

standen wird, daß dem Gläubiger keinerlei Ausübung des Rechts

mit Erfolg mehr gestattet ist, so fragt man vergeblich, welchen

Inhalt denn dieses Recht an sich habe; es existirt nicht und kann nicht abgesondert von dem Ausübungsrechte existiren, mit dem es auf's engste zusammenhängt, mit dem es identisch ist2)."

Der Kern des dem Indossanten

verbliebenen Gläubiger­

rechts müßte in der Anwartschaft auf das Ausübungsrecht ge­ funden werden, welches nach erfüllter Voraussetzung zum Gläu­ biger zurückkehrt.

Nun fehlt aber nicht nur dem Forderungs­

berechtigten während dieser Zeit das Ausübungsrecht, sondern dasselbe wird thatsächlich von dem Ausübnngsrechte eines Anderen

verzehrt.

Während der Indossant sich dahin beschränkt, daß er

die Forderung während gewisser Zeit, vielleicht auf immer, nicht

ausüben

will, kann

der

Indossatar durch Ausübung seines

Forderungsrechts dem Indossanten die Ausübung der Forderung

unmöglich machen.

Um auf das von den Lehrern des Rechts

*) Die Uebernahme fremder Schulden nach gemeinem und preußischem Recht S. 8.

’) Ladenburg im Archiv B. XI, S. 411 : „Wie kann man sagen:

der Forderungsberechtigte hat kein Recht auf die Forderung!"

14

Gesagte zu rekurriren : Windsch eid x) bemerkt hierüber : „Wo das Ausübungsrecht des Einen von dem Ausübungsrechte des

Andern ganz absorbirt wird, da ist in der That der letztere der Berechtigte und der Erstere der Nichtberechtigte.

Wenn

man dann den ursprünglich Berechtigten noch Berechtigten nennt, so hat man ein Wort festgehalten, aber nicht die Sache.

Wer

im Worte mehr als das Wort zu haben glaubt, der hintergeht sich selbst."

Nach den Entscheidungsgründen möchte es scheinen, als ob die Erfüllung der Voraussetzung, von welcher der Indossant die

Ausübung seines Gläubigerrechts abhängig gemacht haben soll, mit der Thatsache der Wiedererlangung des Wechsels lediglich

und allein zusammenfalle.

Wenn hieraus folgen müßte, daß der Indossant legitimirt sei, vom Acceptanten Zahlung zu fordern, wenn er nur unter

Berufung auf das ihm gegebene Indossament den Wechsel vor­ zeigen kann, so ist doch diese Folge vom Reichsoberhandelsgerichte

selbst wiederholt verneint worden. In dem Erkenntnisse vom 27. Juni 1877 heißt es : „Der

Indossant, welcher den Wechsel mittels undurchstrichenen Voll­ indossaments weiter übertragen und hinterher wieder erworben

hat, ohne daß jedoch urkundlich festgestellt ist, wann (insbesondere

ob nach dem Verfall) und in Folge welchen Rechtsakts er den Besitz des Wechsels wiedererlangt hat, ist nicht zur Klage gegen den Acceptanten legitimirt, vielmehr bedarf er hierzu eines neuen Indossaments des Indossatars des nicht ersichtlich rückläufigen

Wechsels."

Es hängt also nicht nur von einer Erklärung des Indossanten ab, daß er von seinem Rechte Gebrauch machen wolle, in Ver­

bindung mit der Thatsache, daß er den Wechsel, gleichgültig

wie, wiedererlangt hat, sondern die Willenserklärung, welche er im Indossamente abgab, war eine bindende, war von dem In­

dossatar ergriffen worden, der sich in neuer Willenserklärung

*) Die Aktiv des römischen Civilrechts S. 174.

15 seinerseits des Ausübungsrechts wieder entäußern muß, um jenem dasselbe wieder zu verschaffen.

Wenn man nun diese im Indossament enthaltenen Willens­ erklärungen sich näher ansieht, so lauten sie, wie sich aus ihren Folgen ergiebt, dahin : Der Indossant will seine Forderung

nicht ausüben, so lange der Indossatar nicht will, daß er sie wieder ausübe; der Indossatar will seine Forderung ausüben,

bis er will, daß

der Indossant seine Forderung ausübe.

Da

nun das Ausübungsrecht des Einen genau den Inhalt hat wie

das Ausübungsrecht des Andern, liegt es

doch nicht fern zu

sagen : Mit solchen Erklärungen überträgt eben der Indossant

sein Ausübungsrecht auf den Indossatar und er erhält es durch Uebertragung wieder zurück.

Wenn aber Ausübungs- und For­

derungsrecht sich decken, so würde man schließlich zu dem Resultate kommen : daß der Indossant durch Indossament seine Forderung

überträgt. §• 3.

Die Abfertigung der Uebertragungstheorie. Indessen

bildet die Abweisung

der Uebertragungstheorie

geradezu das Fundament, auf welchem die Entscheidungsgründe

ihre neue Theorie über das Indossament aufbanen.

Man kann

eine schärfere Berurtheilung nicht aussprechen, wie diese : „Dar­

über herrscht in Theorie und Praxis Einverständniß, daß beim

Umlauf des Wechsels bis zur Fälligkeit jeder Indossatar durch

das Indossament des legitimirten Vormannes Rechte gegen dessen Vormänner und

den Acceptanten aus eigenem, unmittelbarem

Recht, nicht durch Eintritt in die Rechte des Bormannes erwirbt.

Der Art. 10 der A. W. O. spricht demnach nicht aus, daß

der Indossant durch das Indossament

seine Rechte

aus

dem

Wechsel an den Indossatar übertrage, sondern daß durch das

Indossament alle Rechte aus dem Wechsel auf den In­

dossatar übergehen." Bezöge sich

die Behauptung eines vorhandenen Einver­

ständnisses von Theorie und Praxis lediglich darauf, daß dem

15 seinerseits des Ausübungsrechts wieder entäußern muß, um jenem dasselbe wieder zu verschaffen.

Wenn man nun diese im Indossament enthaltenen Willens­ erklärungen sich näher ansieht, so lauten sie, wie sich aus ihren Folgen ergiebt, dahin : Der Indossant will seine Forderung

nicht ausüben, so lange der Indossatar nicht will, daß er sie wieder ausübe; der Indossatar will seine Forderung ausüben,

bis er will, daß

der Indossant seine Forderung ausübe.

Da

nun das Ausübungsrecht des Einen genau den Inhalt hat wie

das Ausübungsrecht des Andern, liegt es

doch nicht fern zu

sagen : Mit solchen Erklärungen überträgt eben der Indossant

sein Ausübungsrecht auf den Indossatar und er erhält es durch Uebertragung wieder zurück.

Wenn aber Ausübungs- und For­

derungsrecht sich decken, so würde man schließlich zu dem Resultate kommen : daß der Indossant durch Indossament seine Forderung

überträgt. §• 3.

Die Abfertigung der Uebertragungstheorie. Indessen

bildet die Abweisung

der Uebertragungstheorie

geradezu das Fundament, auf welchem die Entscheidungsgründe

ihre neue Theorie über das Indossament aufbanen.

Man kann

eine schärfere Berurtheilung nicht aussprechen, wie diese : „Dar­

über herrscht in Theorie und Praxis Einverständniß, daß beim

Umlauf des Wechsels bis zur Fälligkeit jeder Indossatar durch

das Indossament des legitimirten Vormannes Rechte gegen dessen Vormänner und

den Acceptanten aus eigenem, unmittelbarem

Recht, nicht durch Eintritt in die Rechte des Bormannes erwirbt.

Der Art. 10 der A. W. O. spricht demnach nicht aus, daß

der Indossant durch das Indossament

seine Rechte

aus

dem

Wechsel an den Indossatar übertrage, sondern daß durch das

Indossament alle Rechte aus dem Wechsel auf den In­

dossatar übergehen." Bezöge sich

die Behauptung eines vorhandenen Einver­

ständnisses von Theorie und Praxis lediglich darauf, daß dem

16 Indossatar selbstständige Rechte gegen jeden Wechselverpflichteten

zustehen, so wäre kein Wort darüber zu verlieren.

Man braucht

nur Art. 81 A. W. O. zu lesen, in dem diese Folge klar genug Aber für ein Einverständniß der Theorie über

enthalten ist *).

den mit „demnach" eingeleiteten Schluß möchten nicht einmal

die von den Entscheidungsgründen citirten Rechtslehrer Zeugniß Ladenburg hat?) hierfür einige schlagende

ablegen wollen. Belege gegeben.

Von den Entscheidungsgründen sind citirt Thöl, Renaud, Hartmann und Hoffmann.

Thöl.

Mit gutem Grunde wohl nur

Bei demselben heißt es allerdings fast wörtlich gleich­

lautend mit den Entscheidungsgründen : „Der Indossatar macht aus seinem

Recht

gegen

seinen

Schuldner

seinen Anspruch

geltend."

„Durch das Indossament gehen die Rechte „„aus dem indossirten Papier"" (also nicht die Rechte des Vormannes) auf

den Indossatar über." Dagegen 1) Renaud?) ; „Das eigentliche Indossament ist das wechselrechtliche Ge­

schäft, durch welches der Wechselnehmer die Uebertragung seiner

wechselmäßigen Rechte an einen Andern unter eigner wechsel­

mäßiger Verpflichtung bezweckt."

Ferner: „Das Indossament

begründet keine Novation, da dem Wechselschuldner ohne seine

Mitwirkung ein neuer Gläubiger gegeben wird" und positiv : „Das Indossament

bewirkt

eine Singular-Succession

in die

Wechselforderung." *) Indeß ist der

tragungstheorie.

springende Regreß nicht beweisend gegen die Ueber«

Bei der Solidarität der Wechselverpflichteten ist er ebenso

erklärlich, wie im Civilrcchte bei mehrfacher solidarischer Bürgschaft. regressus per ordinem

bestand

früher, mußte

Der

aber in den springenden

Regreß übergehen, sobald an Stelle der Gewährleistung die selbstschuldnerische

Haftung des Indossanten allgemeine Regel wurde. nommen)

findet

Dies (hier vorweg ge­

sich bei Bi en er (Wechselrechtliche Abhandlungen S. 249)

weiter ausgeführt. 2) In dem citirten Aussatze (B. XLI des Archivs von Busch S. 110).

•) Lehrbuch S. 50.

17 2) Hartmann :

„Die Wirkungen des eigentlichen Indossaments sind zweifach : 1) überträgt dasselbe das formelle Eigenthum an dem Wechsel mit der Befugniß zur Weiterbegebung."

Derselbe an anderer Stelle **) :

„Daß

das Indossament

eine Rechtsübertragung enthält,

dafür sprechen die Geschichte des Wechsels, der Zweck des In­ dossaments, die Ansicht der Wissenschaft, die Motive zum Pr. Entwürfe, endlich die Worte der W. O.

Durch diese Eigen­

schaft der Rechtsübertragung ist das Indossament der civilrecht­ lichen Cession verwandt,

welche gleichfalls dazu bestimmt ist,

obligatorische Rechte auf dritte Personen fortzupflanzen, ja das Indossament ist, entkleidet von den wechselrechtlichen Eigenthüm- '

lichkeiten, nichts anderes als eine Cession."

3) Von Hoffmann ist bereits ein der Ansicht der Ent­

scheidungsgründe

widersprechender

Ausspruch

citirt

worden.

Ladenburg giebt von ihm und Andern3) weitere Beispiele.

Auch in der Praxis war man bislang nicht einmüthig der

Ansicht, daß der Indossant nicht seine Rechte auf den Indossatar

übertrage.

Das Reichs-Oberhandelsgericht hatte vielmehr selbst

wiederholt die verworfene Meinung geäußert.

So heißt es in

der vom III. Senat am 28. Januar 1875 3) gesprochenen Ent­ scheidung :

Aus der richtigen Ansicht, daß die Rechte und Pflichten der Wechselverbundenen auf selbstständigen Obligationen beruhten,

folge nicht, daß von den einzelnen Obligationen nicht die eine aus der andern durch Uebertragung des Rechtsinhalts hervor­ gegangen sei.

Wiederholt habe das R. O. H. G. ausgesprochen,

daß der Girant die Ansprüche, welche in dem Wechsel verkörpert

seien, an ihm hafteten, übereigne, und es besage Art. 10 mit ausdrücklichen Worten :

„durch

das Indossament gehen alle

*) Löhr, Centralorgan B. III, S. 339. *) Brauer und Bluntschli, vergl. a. a. O. S. 110. ’) Band XVII der Entsch. S. 409.

18

Rechte aus dem Wechsel auf den Indossatar über." Unter diesen Rechten könnten nur die Rechte gegen den Acceptanten, Bor-Indossanten und Aussteller verstanden werden. Auch Art. 17 bezeichne das Voll-Indossament als Akt der Uebertragung des Eigenthums an dem Wechsel. In der Verneinung des Rechtsübergangs liege daher eine Verleugnung dieser Gesetzesbestimmungen*). Auch der II. Senat des Reichs-Ober-Handelsgerichts hat in der bereits citirten Entscheidung vom 27. Juni 1877 * 2)3sich dahin ausgesprochen, daß „nach Art. 9, 10, 17 der W. O. durch ein Indossament alle Rechte aus dem Wechsel, das Eigenthum an dem Wechsel, aus den Indossatar übergingen" und hiermit die Folge verbunden, daß „also, so lange ein solches Indossament undurchstrichen auf dem Wechsel stehe, der Indossant kein Wechsel­ recht mehr habe"s). Das Reichs-Oberhandelsgericht hatte ferner in konstanter Judikatur4) daran festgehalten, daß ein vor Verfall des Wechsels gegebenes Blanko-Indossament zur Legitimation des als NachJndossatar auftretenden Klägers genüge. In der Entscheidung vom 15. December 18745)6 heißt es : „Man fand, daß es den *) Hierzu

sei

bemerkt :

Von einer Uebertragung, Uebereignung der

Ansprüche, welche in dem Wechsel verkörpert sind, wird gesprochen, und man wird wohl zugeben müssen, daß nur einem Rechtssubjekte Ansprüche zustehen

können, daß, wenn dies richtig ist, sie nur dem Indossanten vor der Ueber­ eignung zugestanden haben, und daß der Indossant, wenn er sie dem In­

dossatar übereignet, eben seine Ansprüche übereignet. 2) Band XXII der Entsch. S. 326. 3) Wenn man von einem Uebergang der Rechte aus dem Wechsel durch

das Indossament auf den Indossatar spricht und hieraus folgert, daß der

Indossant keine Gläubigerrechte mehr gegen die Wechselverpflichteten habe, dagegen der Indossatar Gläubiger geworden sei, so

der Konsequenz nicht sehr fern gestanden,

hat man doch gewiß

daß durch das Indossament eben

die Gläubigerrechte des Indossanten auf den Indossatar übergegangen sind.

4) Anders jetzt das R. G.

in der Entsch. vom 8. Juli 1880 (B. II,

S. 75 ff.), in welcher übrigens die Theorie der Rechtsübertragung ebenso

scharf abgewiesen wird, wie in unsern Entscheidungsgründeu. 6) Band XV, S. 313.

19 Prinzipien des Wechselrechts nicht widerstreite, wenn ein Blanko-

Indossant, welcher den Wechsel im Regreßwege einlvste, statt

sein Blanko-Indossament und etwaige nachfolgende Indossamente auszustreichen und ein neues Blanko-Indossament auszustellen,

sofort auf Grund des

schon vorhandenen Blanko-Indossaments

den Wechsel weiter begiebt."

Erwägt man nun, daß das Blanko-Indossament vor Ver­ fall unbedingt ein eigentliches Indossament ist, das Blanko-In­ dossament nach Verfall und Protest dagegen anerkanntermaßen

„nur die Befugnisse einer civilrechtlichen Cession enthält" r), so wenn das eigentliche Indossament nicht auch eine

möchte man,

Rechtsübertragung enthalten soll, doch nicht als möglich und

denkbar-gelten lassen, daß zwei so heterogene Willenserklärungen in derselben Urkunde, in denselben Worten gewollt und ausge­

sprochen sein könnten?). §• 4.

Indossament und Cession find dem Wesen nach nicht verschieden. Ein Einverständniß in Theorie und Praxis darüber, daß wegen der Eigenberechtigung des Indossatars eine Uebertragung

der Wechselforderung nicht stattfinden könne, ist in der That nicht vorhanden.

Man kann deshalb kühnlich die Folgerichtig­

keit des Schlusses näher untersuchen.

Diese Untersuchung hat

mit dem Wechselrechte nichts zu thun.

Es handelt sich lediglich

um die Frage, ob es nach allgemeinen Rechtsbegriffen möglich

sei, daß durch einen Vertrag zwischen dem Gläubiger und einem Dritten die Forderung dergestalt auf den Dritten übertragen

werde, daß

dieser Dritte die Forderung als eigene hat und

geltend machen kann.

Ist dies möglich, so gebietet die Thatsache,

daß der Indossatar sein Recht gegen die Wechselschuldner geltend

‘) Hierüber weitläufig weiter unten.

2) Hierauf hat schon Mittermaier im Archiv B. I, S. 22 ff. auf­ merksam gemacht.

19 Prinzipien des Wechselrechts nicht widerstreite, wenn ein Blanko-

Indossant, welcher den Wechsel im Regreßwege einlvste, statt

sein Blanko-Indossament und etwaige nachfolgende Indossamente auszustreichen und ein neues Blanko-Indossament auszustellen,

sofort auf Grund des

schon vorhandenen Blanko-Indossaments

den Wechsel weiter begiebt."

Erwägt man nun, daß das Blanko-Indossament vor Ver­ fall unbedingt ein eigentliches Indossament ist, das Blanko-In­ dossament nach Verfall und Protest dagegen anerkanntermaßen

„nur die Befugnisse einer civilrechtlichen Cession enthält" r), so wenn das eigentliche Indossament nicht auch eine

möchte man,

Rechtsübertragung enthalten soll, doch nicht als möglich und

denkbar-gelten lassen, daß zwei so heterogene Willenserklärungen in derselben Urkunde, in denselben Worten gewollt und ausge­

sprochen sein könnten?). §• 4.

Indossament und Cession find dem Wesen nach nicht verschieden. Ein Einverständniß in Theorie und Praxis darüber, daß wegen der Eigenberechtigung des Indossatars eine Uebertragung

der Wechselforderung nicht stattfinden könne, ist in der That nicht vorhanden.

Man kann deshalb kühnlich die Folgerichtig­

keit des Schlusses näher untersuchen.

Diese Untersuchung hat

mit dem Wechselrechte nichts zu thun.

Es handelt sich lediglich

um die Frage, ob es nach allgemeinen Rechtsbegriffen möglich

sei, daß durch einen Vertrag zwischen dem Gläubiger und einem Dritten die Forderung dergestalt auf den Dritten übertragen

werde, daß

dieser Dritte die Forderung als eigene hat und

geltend machen kann.

Ist dies möglich, so gebietet die Thatsache,

daß der Indossatar sein Recht gegen die Wechselschuldner geltend

‘) Hierüber weitläufig weiter unten.

2) Hierauf hat schon Mittermaier im Archiv B. I, S. 22 ff. auf­ merksam gemacht.

20 macht, nicht den Schluß, daß dies Recht ihm nicht von seinem Indossanten könne übertragen sein, so ist es unrichtig zu folgern, wie die Entscheidungsgründe gefolgert haben.

An dieser Frage hängt in der That die Uebertragungstheorie.

Daß sie früher verneint wurde, führte dazu, die Uebertragungs­ theorie aus dem Wechselrechte zu verbannen, wie von den Ent­ scheidungsgründen letzthin versucht wurde;

daß sie

nach den

Forschungen der neusten Zeit bejaht werden muß, darf den An­

laß geben, eine Untersuchung über die Berechtigung solcher Ab­ weisung auch gegenüber der Autorität des hohen Gerichtshofes

nochmals in Anregung zu bringen.

Freilich ein schwieriges und gewagtes Unternehmen, insofern

man auch bei den Wechselrechtslehrern einer geschlossenen Phalanx gegenüber steht.

Mit dem Grundsätze der Unmöglichkeit einer

Singularsuccession

in Forderungsrechte setzt man der Ueber­

tragungstheorie die merkwürdigsten Argumente entgegen.

So

lehrt Thöl (und mit ihm Andere), daß es ja durchaus nicht

nothwendig sei,

gegenüber

aus

dem

Wechsel der berechtigten Personen

demselben Schuldner zu schließen, daß ein solcher

Wechsel sich durch Cession vollzogen haben müsse.

Auch Delegation,

Assignation, Novation, nicht minder Zahlungsmandat, trassirter

Wechsel, könnten bewirken,

daß die Forderung des Einen dem

Andern zu gute komme. Bedarf es hierauf einer Antwort?

Nur eins von diesen Rechtsinstituten kann hier in Frage

kommen, nämlich die Cession, weil diese allein den Wechsel der

Gläubigerschaft in der Weise vollzieht, wie es die Uebertragungs­ theorie vom Indossamente behauptet, nämlich (ohne Zuziehung des Schuldners) lediglich durch einen Vertrag zwischen dem

früheren und neuen Gläubiger der Forderung.

Wenn Thöl

freilich die Lehre von der Cession mit den Worten in's Handels­

recht einführtl) :

*) Im Handelsrecht B. I, 2. Ablh., §. 324.

21 „Bei

der Session

vermittelt

der Cessionar

die Zahlung

zwischen dem Schuldner und Gläubiger", so fehlt in solcher

Begriffsbestimmung gerade das die Session von der Novation wesentlich unterscheidende Element, daß sie eine Uebertragung

des Forderungsrechts ohne Inhalte hat.

Mitwirkung des Schuldners zum

Streicht man dies aus dem Begriff der Session,

so erscheint allerdings wunderbar, wie man darauf gekommen,

das Indossament gerade mit der Session zusammenzustellen, da es doch so viele

andere Rechtsinstitute giebt, welche bewirken,

daß die Forderung des Einen dem Andern zu gut komme. Aber die Nichtachtung dieses Elements in der Session, das

Dogma von der Unübertragbarkeit der Obligation ohne Zuziehung des Schuldners, bildet die Grundlage, auf welcher man zunächst

die Abweisung der Uebertragungstheorie und dann die jeweilig andere Theorie aufbaut.

Hiervon wird im Folgenden noch oft gehandelt.

Einige

prägnante Beispiele und einzelne Namen mögen neben Ein er t und Thöl hier schon Platz finden. Mittermaier *) :

Das Indossament ist ein rein wechselrechtliches Institut, bei welchem von einem Klagen aus fremdem Rechte (wie bei der

Session) nicht die Rede ist. Volkmar und Löwh2) :

Die Session setzt ein Forderungsrecht voraus. derungsrecht wurzelt

Schuldners.

Das For­

in der Person des Gläubigers und des

Ohne beide kann keine Forderung entstehen.

So

lange sie also besteht, trägt sie die Spuren ihrer Schöpfer rc.

Fick2) : Der neue Creditor ist Substitut des früheren und dies be­ ruht nicht bloß auf specifisch römischer Rechtsanschauung, sondern

gehört zu den Grundlagen des Obligationenrechts.

') Im Archiv B. I, S. 10 ff. -) In Goldschmidt'« Zeitschrift B. III, S. 119 ff. (inSbes. S. 132). 8) In G old schmidt's Zeitschrift B. III, S. 583 ff.

22 Kuntze: Das Giro ist von der römischen Cession sehr verschieden,

namentlich dadurch, daß

der Giratar proprio nomine, der

Cessionar nur ex persona cedentis berechtigt ist*2).* * * * *

Wir stehen nun zur Zeit einer abgeschlossenen Forschung

auf dem Gebiete der Cessionslehre gegenüber, welche ein diesen Ausichten diametral zuwiderlaufendes Resultat liefert.

Man mag

sich hierfür mit besserm Rechte, als die Entscheidungsgründe für

die Abfertigung der Uebertragungstheorie gethan haben, auf ein Einverständniß von Theorie und Praxis berufen. So bezeugt das Reichsgericht8) : „Nach

der Entwicklung

der Lehre von der Cession der

Forderungen im neueren Rechte, nach der im heutigen Verkehrs­

leben herrschenden, auch in der Doctrin und Praxis zur Aner­ kennung

gelangten

und in

den

neueren Gesetzgebungen zur

Geltung gebrachten Rechtsauffassung muß für das heutige Recht

der mit dem Begriff und Wesen des Forderungsrechts wohl verträgliche Satz angenommen werden, daß durch die Cession eine Sondernachfolge in die Forderung herbeigeführt wird, und

daß der Uebergang des abgetretenen Forderungsrechts von dem (siebenten auf den Cessionar mit dem Akte der Cession in der Art sich vollzieht,

daß der bisherige Gläubiger ohne weiteres,

namentlich

den

ohne

Schuldner, aufhört,

Hinzutritt

der

Denuntiation

an

den

Gläubiger zu sein, und Derjenige, auf

welchen die Forderung übertragen wird,

als neuer Gläubiger

an dessen Stelle tritt" ....

1) Deutsches Wechselrecht S. 58 V. 2) Weitere Beispiele liefern Hoffmann (im Archiv B. VI, S. 292), Brauer (im Archiv B. III, S. 310), Rena ud (Lehrbuch des Wechselrechts S. 48) und Alle, die jemals gegen die Cessionstheorie geschrieben haben. Und seit Einert's Zeiten möchte mau unter den Wechselrechtslehrern außer Ladenburg kaum Einen finden, der dies nicht gethan hätte.

. 8) Entsch. vom 8. März 1881 (B. IV, S. 111 ff.). reiche Litteraturangabe.

Hierselbst auch eine

23 Was Renaud *) als das Eigenthümliche des Indossaments

anführt im Gegensatze zu der Session, dasselbe ist der Session

eigenthümlich: Sie bewirkt eine Sondernachfolge in die For­

derung. Dieser Satz gehört an die Spitze der Uebertragungstheorie; denn überall und so auch in den Entscheidungsgründen heißt es:

Weil der Indossatar aus eignem Rechte klage, seinen An­ spruch geltend mache, deshalb könne der Indossant ihm diese Rechte als früher ihm eigene nicht übertragen haben.

Der Schluß ist unrichtig.

Der Cessionar ist ebensowenig wie der Indossatar in die

ihm übertragenen Rechte dergestalt eingetreten, daß er nun gegen

die Schuldner die Rechte seines Rechtsvorgängers geltend machte, sondern er hat durch die Uebertragnng eigne Rechte erworben. Dies behauptete der Vordersatz unserer Entscheidungsgründe von dem Indossamente, und wenn nun ebenso unumstößlich, wie diese Behauptung, die Thatsache ist, daß die Session dieselbe

Folge hat, so mag der Vordersatz als unzweifelhaft richtig be­ stehen bleiben, aber die Folgerung hieraus hat so wenig ein

Einverständniß von Theorie und Praxis für sich, daß ihr viel­ mehr ein solches entgegensteht.

Indeß wird eine andere Folge von den Anhängern der

Uebertragungstheorie prinzipiell anerkannt werden müssen, näm­ lich, daß der Indossant sein Recht nur so übertragen, daß der

Indossatar das Recht nur so erwerben kann, wie der Indossant es hatte.

Denn der Grundsatz, daß Niemand mehr Recht auf

einen Andern übertragen kann, als er selbst hat, gehört aner­

kanntermaßen zum Wesen der Rechtsübertragung,

wie ja der

Satz selbst seine Berechtigung und die Nothwendigkeit ausnahms­

loser Geltung in sich zu tragen scheint.

In der That aber

dürfen dem Indossatar nicht alle die Einreden vom Wechsel-

*) Das Citat oben S. 16.

24

schuldner entgegengestellt werden, welche dieser dem Indossanten gegenüber geltend machen konnte.

Man sollte nun folgern : Wenn der Indossatar ein eigenes unmittelbares Recht in dem Sinne und mit der Kraft gegen

den Wechselschuldner hat, daß er die Beschränkungen seines In­

dossanten nicht gleichfalls zu dulden braucht, so — dies mögen auch die Entscheidungsgründe gemeint haben — ist es unrichtig,

daß der Indossant sein Recht auf den Indossatar übertragen hat. In dem durch Art. 82 der A. W. O. anerkannten Aus­

schluß gewisser, man sagt gemeiniglich der Einreden ex persona indossantis haben wir den Eckstein aller Opposition gegen die Uebertragungstheorie').

Und selbst die Mehrzahl aller Anhänger

der Theorie bekennen aus diesem Grunde, daß in dem Indossa­

ment wohl

eine Übertragung, aber

eine Uebertragung mit

eigenthümlichen Wirkungen zu finden sei.

Hiergegen wird von

den Gegnern der Uebertragungstheorie mit gutem Grunde ge­ eifert.

Ein Beispiel :

Volkmar und Löwy") : „Es liegt im Wesen der Cession, daß dem Cessionar nicht

größere, nicht andere Rechte als die des Cedenten zu übertragen sind, daß alle Einreden ex persona cedentis gegen ihn durch­ greifen ....

Diese Erscheinungen

thümlicher Wirkung.

Indossament

Analogie

Man suchte sich zu helfen

zwischen Cession und Indossament. und definirte das

beseitigen jede

als

eine Cession

mit

eigen­

Wesen und Charakter eines Rechtsinstituts

ist nur aus seinen Wirkungen zu erkennen.

Stehen diese ex

diametro int Widerspruch mit denen der Cession, so ist nur die eine Folgerung gerechtfertigt : Das Indossament ist keine Cession." In der That verwickelt sich jene Theorie, welche das In­

dossament

als Uebertragung

mit

eigenthümlichen Wirkungen

*) Auf einzelne Rechtslehrer Bezug zu nehmen, ist überflüssig, weil man bei Jedem finden kann, was hier behauptet wird. ') In Goldschmidt'« Zeitschrift B. III, S. 121.

25 auffaßt, in die merkwürdigsten Widersprüche.

So sagt Heises

einmal : „Dem Indossamente sind einige besondere Wirkungen beigelegt, die von den gewöhnlichen Regeln der Session ganz

Daher sind beide Arten wesentlich von einander

abweichen.

verschieden."

Dann wieder : „Das eigentliche Indossament ist

an sich nichts als eine Cession.

Denn die Session ist die eigen­

thümliche

Forderung

Uebertragung

einer

an

einen Dritten.

Durch das Indossament geschieht eine eigenthümliche Uebertragung einer Wechselforderung, sie ist also eine Species der Cession."

Dann weiter :

„Das Indossament muß also der Natur der

Sache nach in seinen Erfordernissen und Wirkungen ganz nach

den Grundsätzen der Cession beurtheilt werden, wenn es auch freilich durchgängig nicht darnach beurtheilt wird." 2)

Selbst Ladenburg2) sieht in dem Ausschluß der Einreden

ex persona indossantis eine Eigenthümlichkeit der im Indossa­ ment enthaltenen Uebertragung, welche sich nur durch positiven Rechtssatz und durch das Ueberwiegen praktischer, aus dem Ver­

kehrsleben gewonnener Erwägungen erklären lasse.

Es habe

die Sicherheit des Verkehrs für Mobilien das Aufgeben des Satzes : „Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst

hat", gefordert und an dessen Stelle das andere Prinzip gesetzt: „Hand muß Hand wahren."

Ebenso

habe man für gewisse

Forderungen im Interesse der Verkehrssicherheit freiere Ueber-

tragbarkeit verordnen müssen, und, wie bei den Mobilien, so

überwiege auch hier über jenen Rechtsgrundsatz diese praktische, durch das Bedürfniß des Verkehrslebens zum Rechte gewordene Regel: Hand muß Hand wahren.

*) In seinem „Handelsrecht" (Frankfurt 1858) §. 80 und §. 82.

8) Bei Hardung („das Wechsclrecht der Allg. D. W. O. Köln 1862") findet sich derselbe Widerspruch, weil er das Indossament zwar als eine Uebertragung der Wechselforderung ansieht, aber als eine von der Cession grundverschiedene Uebertragung „in ganz eigenthümlicher Weise und mit ganz eigenthümlichen Wirkungen." 8) An vielen Orten im Archiv, insbes. B. IX, S. 344 ff. und B. XIV, S. 157 ff.

26 Brauer *) äußerte s. Z. :

„Mit dem Satze : „„Der Wechselvertrag ist ein besonderer

Vertrag, auf welchen die allgemeinen Lehren des Vertragsrechts

nicht anwendbar sind, und welcher nur gerade die besonderen Wirkungen hat, welche ihm das Gesetz beilegt"", kann man die Vertragstheorie unanfechtbar machen, aber damit wird nichts

Ersprießliches für das Verständniß der Sache gewonnen.

Wenn

ich eine Bertragstheorie aufstelle, so thue ich es vernünftiger Weise nur in der Absicht, um aus dem gewonnenen Prinzip

vernünftige Konsequenzen abzuleiten." Trifft

diese

Kritik

der

Ladenburg'schen Behauptung

gegenüber 511 ?2) ist es nicht wahr, daß von dem praktischen Verkehrsleben

sehr

vielfach Forderungen

aufgestellt und zum

Gesetze erhoben werden, die mit der strengen Konsequenz juristi­

scher Regeln nicht in Einklang zu bringen sind, die hier und da einschneiden in das Shstem des Rechts und alle Folgerung

aus Rechtsgrundsätzen über den Haufen werfen?

s) Es kommt hinzu, daß wir es im Art. 82 der W. O.

mit einer Bestimmung zu thun haben, die das Gepräge prakti­ schen Bedürfnisses an der Stirne trägt.

Wäre sie Konsequenz

irgend welcher Theorie, so hätte sie nicht so unglücklich gefaßt werden

können.

Im Pr. Entw. stand

Art. 82 ursprünglich

unter den §§., welche das Wechselverfahren regeln sollten und

hatte folgende Fassung:

„Die Einrede der Simulation sowie

diejenige der Kompensation, selbst wenn sie auf der Stelle liquid gemacht werden

könnten, finden im Wechselrecht nicht statt.

Ebenso verhält es sich mit den aus der Person des Indossanten

*) Im Archiv B. III, S. 310. 8) Die Replik desselben ist in dem im Archiv B. IX, S- 340 ff. ent­

haltenen Aufsatze gegeben.

Vergl. auch B. V, S. 122 ff. und anderorts.

s) Znm Folgenden vergl. XXV. Protokoll der Konferenz, Ladeuburg im Archiv B. XIV, S. 146 ff., Thöl, Wechselrecht, §. 181, S. 735 ff., Hartmann : Das deutsche Wechselrecht S. 525, Löwy im Archiv B. XI, S. 48 ff. u. A.

27 dem

Inhaber entgegenzusetzenden Einreden, sofern nicht der

Kläger als Cessionar anzusehen ist."

Den ersten Satz hat

man in

der Konferenz verworfen,

„weil alle aus der Person des Inhabers herzuleitenden Einreden, also auch diejenige der Simulation und Kompensation, sofern sie auf der Stelle liquid zu machen

seien, zugelassen werden

müßten." Indem man damit den für den zweiten Satz maßgebenden Grundsatz aufgestellt hatte, überließ man der Redactions-Com-

mission die Fassung des neuen Artikels und hat ihn endlich als

materielles Recht in einer Gestalt ausgenommen, welche ihn, wo er zur Anwendung kommt, im höchsten Grade auslegungs­

bedürftig erscheinen läßt.

Z. B. Thöl') bezeichnet den ersten

in Art. 82 enthaltenen Satz, daß der Wechselschuldner sich nur solcher Einreden bedienen könne, welche aus dem Wechselrechte

hervorgehen, als zu eng und irreführend, und den zweiten Satz

als sehr auslegungsbedürftig, weil er im Grunde gleichbedeutend

sei mit: „Dem Schuldner stehen nur solche Einreden gegen den Kläger zu, welche unmittelbar gegen den Kläger zustehen."

legt letzteren dann so aus, daß er

Er

etwas nach seiner Theorie

Selbstverständliches sage, und kommt zu dem Resultate : „Man sollte die werthlose Berufung auf die werthlosen Bestimmungen

des Art. 82 als auf entscheidende Rechtssätze gänzlich unterlassen." Dies Resultat wird am besten gerechtfertigt durch die endlosen

Erörterungen von Fall zu Fall, die sich in der Judikatur an

den Art. 82 geknüpft haben.

Hiernach scheint der Art. 82 der

W. O. am allerwenigsten geeignet, um aus ihm eine Theorie

zu begründen oder ihn gegen eine Theorie ins Feld zu führen,

im Gegentheil muß man aus einer grundlegenden Theorie die

Regeln für Auslegung und Anwendung desselben finden. Wenn aber die Gegner der Uebertragungstheorie den Aus­

schluß der Einreden ex persona indossantis — in welchem Um­ fang davon die Rede sein kann, mag vorab dahingestellt bleiben —

*) Wechselrecht §. 181.

28

als den vornehmsten Beweis gegen dieselbe in's Feld führen, so möchte man sich

allerdings insofern auf das positive Gesetz

berufen, als dieses das behauptete unterschiedliche Merkmal völlig

verwischt hat.

Wir zeigen dies an einem Satze, welcher seine

Begründung im Gesetzestexte findet und näherer Ausführung

uicht bedarf, da er oft Gesagtes wiederholt. Der Ausschluß von Einreden

aus der Person des früher

Berechtigten ist

1) nicht dem Indossamente des Wechsels eigenthümlich;

denn nach Art. 303 H. G. Bs. sind beim Indossamente auch anderer Urkunden Einreden zum wenigsten in dem­

selben Umfange ansgeschlossen, wie in Art. 82 der W. O. verordnet ist;

2) nicht jedem Indossamente als solchem eigenthümlich;

denn bei verschiedenen vom Gesetze unter dem Indossa­ mente mitbegriffenen Rechtsgeschäften (dem Nach-Jndossa-

mente des protestirten Wechsels, dem Prokura-Indossa­

mente) sind die Einreden aus der Person des früher Berechtigten nicht ausgeschlossen;

3) auch endlich nicht einem, nämlich dem Voll-Jndossamente oder dem sog. eigentlichen Indossamente eigen­

thümlich ; denn landesgesetzliche Vorschriften (z. B. früher

A. 8. R, jetzt §. 38 des Preußischen EigenthumserwerbsGesetzes vom 5. Mai 1872) haben für die Uebertragung

gewisser Forderungen

gleiche

Grundsätze zum

Gesetze erhoben.

Die Gesetzgebung

scheint hiernach der

Behauptung

der

Theorie geradezu zu widersprechen, daß nämlich der Ausschluß der Einreden ex persona indossantis zum Wesen des wechsel­ rechtlichen Indossaments und

die Zulassung der Einreden ex

persona cedentis zum Wesen der civilrechtlichen Cession gehöre. Wäre es vielleicht doch nicht so unrichtig, den Rechtsgrundsatz :

„Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst hat", für ausschließbar

und im Indossamente

wirklich ohne Aenderung

29 seines Wesens als Rechtsübertragung bei Seite geschoben zu

erachten? Wir stellen nun aber diesen Rechtsgrundsatz als unantastbar

auch für die Uebertragung der Wechselforderung hin, dürfen und müssen dann gleich hinterher fragen : wie viel Recht hat

denn der Indossant? duft1) macht ein einfaches Rechenexempel, indem er von der Wechselforderung des Indossanten Alles, was

der Wechselschuldner an Gegenansprüchen gegen den Indossanten

hat, abgezogen wissen will, und das, was übrig bleibt, als den

Rest bezeichnet, den der Indossant dem Indossatar überliefern könne.

Dies Verfahren ist nicht einmal bei der Session anderer

Forderungen zulässig, geschweige bei der Wechselforderung.

Dies

folgt aus der rechtlichen Natur der Wechselobligation. So viel in der Lehre von der Natur des Wechsels bestritten

sein mag, so steht doch die abstrakte Natur des Wechselversprechens über allem Zweifel2).

Sie hat ihren lebendigen Ausdruck darin

gefunden, daß die Valuta-Clausel als nothwendiger Bestandtheil aus der Wechselurkunde ausgemerzt worden ist.

Thöl bestimmt

die Natur des Wechselversprechens und den Inhalt des Wechsel­ vertrages dahin : Das Wechselversprechen sei ein Summenversprechen ohne

Gegenversprechen;

als dieses.

der Wechselvertrag enthalte

nichts anderes

Das Wechselversprechen sei als Summenversprechen

durchaus unabhängig von dem unterliegenden Vertragsverhält­

nisse, dem Wechselschlusse;

es bleibe immer dasselbe, empfange

*) Im Archiv N. F. B. I, S. 266 f.

2) Die Lieb e-Thöl'sche Theorie über die rechtliche Natur des Wech­ selversprechens ist in jedem Lehrbuche zum Wechselrechte vorgetragen. Eine kurze prägnante Darstellung der unterscheidenden Merkmale von Civil- und Wechselobligation findet sich bei Hartmann in Löhr's Centralorgan N. F. B. III, S. 170 s., eine summarische Zusammenstellung der Erscheinungen, in welchen die abstrakte Natur der Wechselobligation sich kennzeichnet, in von Wächter's Encyklopädie S. 932 ff., darunter auch : „Die Begebung bezw. Uebertragung eines Wechsels bewirkt nicht eine Cession der dem Wechsel unterliegenden Forderung", was wir hier noch besonders vermerken und hervorheben wollen.

30 und behalte seinen Inhalt lediglich von der in ihrem Inhalte durch die Form bestimmten Wechselurkunde, von der es ausge­

nommen sei; es kenne keine Gegenverpflichtung, und wo solche in der Balutaclausel im Wechsel erscheine, sei sie bedeutungslos

und irrelevant: wenn aber der Gegenverpflichtung des Mitkon­

trahenten ein Einfluß auf das Wechselversprechen eingeräumt

sein sollte, so wirke dieser Umstand zerstörend auf die Natur des Wechselversprechens.

Die Wechselforderung hat folgerecht dieselbe Natur wie

das Wechselversprechen : Sie besteht nach dem Willen der Kontrahenten gesondert von dem übrigen Vermögen des In­

dossanten, frei von allen Gegenansprüchen aus den übrigen Be­ ziehungen des Indossanten und seines Wechselschuldners, sei es

aus andern zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnissen, sei

es aus dem der Wechselforderung zu Grunde liegenden materiellen Rechtsverhältnisse;

kein Gegenanspruch

des Wechselschuldners

kann während des Bestehens der Wechselforderung in ihrer ab­ strakten Gestalt etwas an der Substanz der Forderung mindern. Hiernach hat der Indossant als übertragbares Objekt nicht das,

was nach Abzug der dem Wechselschuldner zustehenden Gegen­

ansprüche als Recht verbleibt; sondern er besitzt die Wechsel­

forderung, mag der Wechselschuldner noch so viel Gegenansprüche aus andern oder aus

den dem Wechselvertrage unterliegenden

Beredungen gegen ihn haben, ganz und intakt und als solche

übertragbar. *) Die

Selbstständigkeit

der

Wechselforderung

veranlaßt

Thöl zwischen den Einreden, die der Wechselschuldner dem

Kläger entgegensetzen kann, einen Unterschied zu machen, indem

er Einreden kennt, die der Wechselforderung, und Einreden, die

der Ausübung der Wechselforderung entgegenstehen.

Alle Ein­

reden aus einem dem Wechselvertrage unterliegenden Verhältnisse

rechnet er den Letzteren zu.

Ist es richtig, daß diese und andere

*) Zum Folgenden ist zu Bergt der XXIII. Abschnitt bei Thöl, Wech­ selrecht S. 735 ff.

31 Einreden, die sonst naturgemäß zu den wirklichen Einreden ge­ zählt werden, nicht der Wechselforderung, sondern allein der

Ausübung der Wechselforderung

entgegenstehen, so haben sie

eben der Wechselforderung gegenüber nicht die Natur von Mängeln

Forderung, sondern von Gegenforderungen.

der

einem Rechte erst entgegensteht,

wenn

Denn was

es der Beklagte dem

Kläger, der sein Recht geltend macht, entgegenstellt, das mindert

nicht das Recht des Klägers in seinem Bestände, das mindert vielmehr lediglich den Betrag dessen, was dem Kläger zuerkannt

wird.

Das einredeweise Vorbringen dieser Gegenforderungen

im Prozesse macht sie noch nicht zu materiellen Einreden, welche der Forderung selbst anhaften und sie in ihrem Bestände be­

schränken oder mindern.

Wir finden ja auch bei Thöl, daß

die Wechselsorderung ihre abstrakte Natur so sehr wahrt, daß, wenn von den Kontrahenten den in der Valuta-Clausel enthal­

tenen Abmachungen ein Einfluß auf den Bestand der Wechsel­ sorderung eingeräumt worden sein sollte, hierdurch das Wechsel­ versprechen zerstört wird. Fragt man nun, ob bei der Cession nach dem Rechtsgrund­ satze : „Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst hat",

dem Cessionar auch die Gegenforderungen des Schuldners, welche dieser dem Cedenten gegenüber unbedingt hätte geltend machen können, entgegenstehen, so kann man hieraus mit dem Wortlaut

einer den Gegenstand erschöpfenden Entscheidung des Reichsge­

richts *)

antworten :

„Begründete Einwendungen gegen eine

Forderung, in Folge welcher diese nur scheinbar besteht, oder

unwirksam ist, lassen sich als Mängel derselben bezeichnen.

Eine

mangelhafte Forderung aber kann, da regelmäßig Niemand mehr Rechte zu übertragen im Stande ist, als er besitzt, an sich nur

mit ihren Mängeln an Andere

abgetreten werden.

Hieraus

ergiebt sich die Regel, daß der Schuldner zu Einwendungen aus

der Person des Cedenten befugt erscheint, von selbst.

Anders

verhält es sich mit bloßen Gegenforderungen des Schuldners . . .

*) Lom 28. März 1881 in B. IV, S. 330.

32 Der Grund, auf welchem die Befugniß zu Einwendungen aus

der Person des Cedenten beruht, trifft auf bloße Gegenforderungen nicht zu, da deren Existenz allein noch keinen Mangel der Haupt­

forderung darstellt.

Es sind daher besondere Ausnahmen, wenn

auch diese dem cessus zugelassen werden." Wenn

man nun einen wesentlichen Unterschied zwischen

der Wechselforderung und

anderen Forderungen eben in der

vorher entwickelten abstrakten Natur der Wechselforderung findet, so wird man als Folge desselben betrachten dürfen, daß was bei

der Uebertragung anderer Forderungen Regel ist, bei der Ueber-

tragung der Wechselforderung zur Ausnahme wird, und umge­ kehrt.

Während bei der Cession der Regel nach der Cessus zu

Einwendungen aus der Person des Cedenten befugt erscheint,

weil diese Einwendungen regelmäßig einen Mangel der Forde­ rung enthalten, kann beim Indossament der Schuldner regel­

mäßig zu Einwendungen aus der Person des Indossanten nicht befugt erscheinen, weil dieselben regelmäßig keinen Mangel der

Wechselforderung darstellen.

Würde es beim Indossament anders

sein, so würde dies gegen die Natur der Wechselforderung ver­ stoßen.

Daß es aber so ist, liegt nicht in dem Charakter des

Indossamentes, sondern in dem Charakter der durch das In­ dossament übertragenen Forderung begründet — wie beim Jn-

dossarent

gewisser handelsrechtlicher Forderungen, wie bei der

Cession gewisser im Grundbuch eingetragener Forderungen.

Wer die Einreden unter bestimmte Kategorien bringt, kann unter die nach diesem Grundsätze auszuschließenden zählen : alle Einreden aus anderweiten Rechtsgeschäften zwischen Indossant

und Schuldner, aus der Wechselberedung, aus dem unterliegenden Verhältnisse, aus Verträgen, die den Schuldner nur dem In­ dossanten gegenüber ganz oder theilweise oder auf Zeit von der

Zahlung befreien sollen, Einreden des Irrthums, der mangelnden

Voraussetzung, der Bedingung, des Betrugs, soweit sie von dem unterliegenden Verhältnisse hergenommen sind.

*) a. a. O.

Bei ThöN)

33 kann man finden, wie diese einzelnen Einreden nicht der Wechsel­ forderung, sondern der Ausübung

der Wechselforderung ent­

gegenstehen.

§. 5.

Der Ausschluß gewisser Einreden beim Indossament begründet solche Verschiedenheit nicht. 1) Nach der Theorie unserer Entscheidungsgründe würde

die Einrede, daß der Indossatar nur Procura-Indossatar seines

Indossanten sei, gar nicht passiren können. Vertrag

zwischen dem

Wechselschuldner

und

Denn, wenn der dem Indossatar

unmittelbar zu Stande kommt, der Indossant nur hierbei mit­ wirkt, wie ein Bote oder Brief, so ist nicht einzusehen, wie aus den Beredungen zwischen dem Indossanten uud Indossatar der

Wechselschuldner ein Recht ableiten könnte: Was jene beiden unter einander verhandelt haben, mag zwischen ihnen Recht und Gegenrecht erzeugen, für den Wechselschuldner wäre die Einrede,

die er hieraus entnähme, eine exceptio ex jure tertii1). Früher war dies auch der Standpunkt des R. O. H. G.2). Indessen haben neuere Entscheidungen denselben verlassen.

Vom

völlig entgegengesetzten aus lautet eine Entscheidung sogar dahin,

daß der Kläger, welcher als Vollindossatar geklagt hatte, nur

als Procura-Indossatar anzuerkennen sei, wenn er im Processe

*) Diese Ansicht, nach welcher die Einrede des simulirten Indossaments unbedingt ausgeschlossen ist, hält Koch (im Archiv Band XV, S. 271 ff., der Inkasso-Mandatar unter der Maske des Indossaments) fest. Das In­ dossament übertrage, ohne daß Rechte vorhanden seien; es sei ein Formalakt. Eine exceptio doli in dem Sinne, daß ein Procura-Indossament trotz des formgerechten Indossaments gewollt sei, könne es nicht geben, so lange die Form das Indossament als wirkliches kennzeichne. Das Procura-Indossament sei ein ganz anderes Rechtsgeschäft. 2) Die einschlägigen Entscheidungen des R. O. H G. sind in ihren wesentlichen Theilen bei von Wäcbter : Encyklopädie S. 374 ff. und 513 ff. citirt.

33 kann man finden, wie diese einzelnen Einreden nicht der Wechsel­ forderung, sondern der Ausübung

der Wechselforderung ent­

gegenstehen.

§. 5.

Der Ausschluß gewisser Einreden beim Indossament begründet solche Verschiedenheit nicht. 1) Nach der Theorie unserer Entscheidungsgründe würde

die Einrede, daß der Indossatar nur Procura-Indossatar seines

Indossanten sei, gar nicht passiren können. Vertrag

zwischen dem

Wechselschuldner

und

Denn, wenn der dem Indossatar

unmittelbar zu Stande kommt, der Indossant nur hierbei mit­ wirkt, wie ein Bote oder Brief, so ist nicht einzusehen, wie aus den Beredungen zwischen dem Indossanten uud Indossatar der

Wechselschuldner ein Recht ableiten könnte: Was jene beiden unter einander verhandelt haben, mag zwischen ihnen Recht und Gegenrecht erzeugen, für den Wechselschuldner wäre die Einrede,

die er hieraus entnähme, eine exceptio ex jure tertii1). Früher war dies auch der Standpunkt des R. O. H. G.2). Indessen haben neuere Entscheidungen denselben verlassen.

Vom

völlig entgegengesetzten aus lautet eine Entscheidung sogar dahin,

daß der Kläger, welcher als Vollindossatar geklagt hatte, nur

als Procura-Indossatar anzuerkennen sei, wenn er im Processe

*) Diese Ansicht, nach welcher die Einrede des simulirten Indossaments unbedingt ausgeschlossen ist, hält Koch (im Archiv Band XV, S. 271 ff., der Inkasso-Mandatar unter der Maske des Indossaments) fest. Das In­ dossament übertrage, ohne daß Rechte vorhanden seien; es sei ein Formalakt. Eine exceptio doli in dem Sinne, daß ein Procura-Indossament trotz des formgerechten Indossaments gewollt sei, könne es nicht geben, so lange die Form das Indossament als wirkliches kennzeichne. Das Procura-Indossament sei ein ganz anderes Rechtsgeschäft. 2) Die einschlägigen Entscheidungen des R. O. H G. sind in ihren wesentlichen Theilen bei von Wäcbter : Encyklopädie S. 374 ff. und 513 ff. citirt.

34 die Thatsache zugestanden habe'), daß ein Procura-Indossament von ihm und

seinem Indossanten gewollt sei.

Damit ist nach

Th 'öl konstatirt, daß die Einrede des simulirten Voll-Indossaments

zulässig sei, unabhängig davon, ob der Indossatar von einer Unredlichkeit seines Indossanten gewußt habe oder nicht.

Und

dann sollte der Indossant wirklich nur dem Indossatar als Bote oder Brief bei Vermittlung des Uebergangs der Rechte aus dem Wechsel behülflich sein? Thöl, der in der That die Meinung

vertritt, daß auch dem gutgläubigen Indossatar die Einrede ent­

gegenstehe, beruft sich darauf, daß der Indossatar Mithelfer an

der Widerrechtlichkeit des Indossanten sei, ohne doch zu beweisen, wie ohne Mitwissen und ohne Mithandeln eine Mithülfe ange­

nommen werden könnte.

Hier muß

er in der That praktischen

Gebrauch von seiner Hhpothese machen, daß eigentlich das In­

dossament zugleich eine Rücktratte enthalte, nämlich der Indossant eine vorher bereits acceptirte Zahlungsanweisung auf den Tras­

santen seinem Indossatare gebe — deshalb, sollte man wohl hin­

zusetzen, der Indossant nicht bloß Bote oder Brief, sondern

Mitkontrahent des Indossatars ist und

durch einen Kontrakt

zwischen diesen beiden Personen die Rechte aus dem Wechsel

übertragen werden. Für die Anhänger der Uebertragungs-Theorie stellt sich der

Einwand des simulirten Voll-Indossaments dar als ein Bestreiten

der Legitimation des Klägers. Kläger in Wirklichkeit

Aber die Behauptung, daß der

das Eigenthum der Forderung nicht er­

halten habe, wird nicht an sich genügen, um eine Abweisung

des Klägers herbeizuführen.

Dazu werden Behauptung und

Nachweis erforderlich sein, daß der Beklagte dem Indossanten wegen ihm

zustehender Einwendungen,

nicht habe zu zahlen brauchen.

Gegenforderungen

rc.

Hierin steckt das Interesse des

Beklagten zur Einrede; ohne diese Behauptung würde eine Ver-

urtheilung des Beklagten zur Zahlung an den Kläger, als den Zahlungsempfänger des Berechtigten, unausbleiblich sein.

') Entsch. vom 6. August 1873 (B. X, S. 385).

Es

35

liegt darin auch zugleich die von Th'öl erforderte Behauptung

eines dolus auf Seiten des Indossanten.

Aber einer ausdrück­

lichen Behauptung des Beklagten, daß der Indossant sich in

dolo befinde, wird es zur Begründung der Einrede nicht bedürfen. Denn, wenn ein betrügliches Handeln des Indossanten gewiß

durch den Nachweis jener Behauptungen mit erwiesen wird, so

ist dies doch nicht der Grund der Zulassung der Einrede gegen den Indossatar, dem nichts von den Einreden seines Wechsel­ schuldners gegen das ihm übertragene Recht bekannt war.

Dieser

kann die Verurteilung des Wechselschuldners eben deshalb nicht

erhalten, weil er nicht aus eigenem Rechte klagt unb1) die von

ihm

geltend

gemachte fremde Forderung als rechtsunkräftige

eine Verurteilung des Schuldners nicht herbeiführen kann. Wer sich eines dolosen Handelns nicht bewußt ist, handelt nicht dolos.

Will man die Einrede des simulirten Indossaments

auch bei dem Nichtwissen des Indossatars von der Unredlichkeit

seines Indossanten zulassen,

so wird man eben auf die Ueber-

tragungs-Theorie rekurriren müssen 2).

*) Man denke sich also die praktischen Fälle : 1) Der Wechselschuldner

behauptet, Kläger

sei nicht Voll-Indossatar, sondern Procura-Indossatar.

Der Einwand ist zu verwerfen ; denn der Kläger kann als Procura-Indossatar

ebensowohl Zahlung

erreichen, wie als Voll-Indossatar.

schuldner behauptet dies und zugleich,

zahlen brauche wegen dieser oder jener

Thatsachen. Grunde.

2) Der Wechsel­

daß er an den Indossanten nicht zu seine Zahlungspflicht

aufhebenden

Der Einwand ist zuzulaflen aus dem im Text angegebenen

Der Beklagte muß ganz und allein beweisen; denn dem Verneinen

des Beklagten gegenüber (bezügl. der Klaglegitimation) beruft sich der In­

dossatar (wie der Cessionar)

auf die formgerechte Urkunde.

Der Einwand

müßte durchschlagen, auch wenn dem Indossatar ein Wissen von den das

Recht seines Indossanten aufhebenden (beschränkenden) Thatsachen nicht nach­

gewiesen wird.

Daß in solchem Falle der Indossatar schon dadurch, daß er

sich als Voll-Indossatar statt als Procura-Indossatar in den Proceß einge­ führt hat, dolos gehandelt habe, ist nicht einzusehen; während ein dolus des

Indossanten bei dem

vom Beklagten geführten vollen Beweise immer klar

zu Tage tritt. 2) von Kräwell (im Archiv N. F. B. III, S. 113 ff.) läßt den Ein-,

wand des simulirten Indossaments nicht als Bestreiten der Aktiv-Legitimation

3*

36 2) Indessen hat das R. O. H. G. die aus der einen Ent­ scheidung von Thöl behauptete Folge oft genug verworfen, die

Einrede des simulirten Indossaments unter den generellen Be­ griff der exceptio doli gefaßt *)

und zu deren Begründung

selbstredend die Behauptung gefordert, daß der Indossatar beim Erwerbe des Wechsels von einem dolosen Handeln seines In­

Darüber hinaus verlangt das R. O.

dossanten Kenntniß hatte.

H. G. zur Begründung der exceptio doli noch die Behauptung,

daß der Indossatar von den die Verpflichtung des Wechselschuldners aufhebenden Thatsachen

oder

Abmachungen Kenntniß

gehabt

gelten, hält ihn aber bei dem gleichzeitigen Behaupten von Gründen, welche die Forderung in der Hand des Indossanten entkräften, für zulässig wegen des in dem fälschlichen Vorgeben des Indossatars liegenden dolus.

Worauf

es hier ankommt : Er stellt bei gründlichster Erörterung der ganzen Frage

Indossament und Cession unbedenklich

zusammen und behauptet, daß für

Zulässigkeit und Unzulässigkeit des Einwandes des simulirten Indossaments oder der simulirten Cession dieselben Grundsätze maßgebend sein müssen. —

Die Ansicht von Kräwell's hält auch

Engländer (im Archiv N. F.

B. V, S. 23 ff.) neueren Entscheidungen des R. O. H. G. gegenüber auf­

recht.

„In dem Mißbrauche der Form, des formellen Rechts, liege die

Kollusion des Klägers mit dem Indossanten, und diese Kollusion bilde einen

eigenen dolus des Klägers rc."

Ausführlich

und durchaus vom

Standpunkt der Uebertragungstheorie

aus erörtert Lad en bürg wiederholt (z. B. im Archiv N. F. B. V, S. 337 ff.) die vorliegende Frage. Den Standpunkt von Kräwell's vertritt schließlich noch Neumann

(im Archiv von Busch N. F. B. IX, S. 77 ff.), zwar nur im Resultat. Er meint, „daß sich der Einwand der Simulation bei der Cession wesentlich von dem gleichen Einwande beim Indossament unterscheide, weil bei der

Cession der debitor

cessus dem Cessionar die Einrede, welche ihm gegen

den Cedenten zustehe, regelmäßig auch dann entgegensetzen könne, wenn eine

wirkliche Cession vorliege,

während beim Indossament erst der Beweis er­

forderlich sei, daß der Indossatar kein eigenes Recht habe."

Der Cessionar

hat ein eigenes Recht, und deshalb trifft der Unterschied nicht zu.

Freilich

wird der Einwaud simulirter Cession viel seltener in der Praxis vorkommen,

weil ja die Cession der civilrechtlichcn Forderung

wegen deren anderweiten

Natur nicht die eine solche Manipulation begünstigende Folge hat.

Z. B. in der Entsch. des R. O. H. G. vom 13. Juni 1873 (B. X, S. 322), welche zugleich eine Uebersicht der bisherigen Entscheidungen giebt.

37

hatte und sich beim Erwerbe des Wechsels seines eigenen unred­ lichen Handelns bewußt geworden ist. So heißt es *) : „die bloße Kenntniß des Erwerbers eines Wechsels davon, daß der­ jenige, von welchem er den Wechsel übereignet erhält, sich gegen einen Wechselverpflichteten obligirt hat, das Wechselrecht nicht auszuüben, begründet gegen ersteren noch nicht den Vorwurf der Unredlichkeit. Dazu bedarf es des Hinzutritts besonderer Umstände, in der Regel des Beweises, daß der Wechsel mit Wissen des Erwerbers an denselben zu dem Zwecke gegeben worden ist, um dem verklagten Wechselverpflichteten den Einwand aus dessen Vertrage mit dem Vorbesitzer zu entziehen." An anderer Stelle2) : „die dem Indossatar bekannte Absicht des Indossanten, den Wechsel weiter zu begeben, um Einreden des Schuldners zu vermeiden, könne nicht genügen, weil diese Un­ abhängigkeit ja eben beim Indossamente gewollt sei. Indossant und Indossatar müßten um die Begründetheit dieser Einreden gewußt haben." Es kommt hiernach immer alles darauf an, ob eine Wechsel­ wirkung zwischen dem dolus des Indossanten und Indossatars nachgewiesen werden kann3). Grundsätzlich könnte bei der Offerten« Theorie diese Wechselwirkung des dolus wegen der Natur des in dem Indossamente enthaltenen Rechtsgeschäfts nicht als mög­ lich gedacht werden. Denn die Offerten-Theorie läßt den In*) Entsch. vom 20. Februar 1874, B. XII, S. 430 ff. s) Entsch. vom 17. Januar 1873, B. VIII, S. 387. 8) Entsch. vom 23. October 1872 (58. VII, S. 246 ff.) : Der Indossatar muß wissen, daß er als „Werkzeug" (unredlichen Han­ delns des Indossanten) dienen sollte. — Entsch. vom 8. Januar 1873 (58. VIII, S 357 ff ) : Girant und Giratar müssen „in gemeinsamem Einverständnisse" han­ deln. — Entscheid, vom 15. Mai 1878 (58. XXIII, S. 336 ff.) : Die exe. doli kann begründet sein, weil der Indossatar allein in dolo ist oder im Falle der Kollusion zwischen Indossant und Indossatar. „In den Fällen der Kollusion liegt der dolus bereits in dem Vertrags­ schlüsse; der Indossatar ist particeps doli" u. s. f.

38 dossatar nach abgeschlossenem Geschäfte

mit

dem Indossanten

einen neuen Vertrag mit dem Wechselschuldner eingehen und

dieser bildet den alleinigen Grund der Verpflichtung des Schuldners gegen den Indossatar.

Den Vertragsschluß vermittelt der

Indossant nur, und zwar durch Handlungen, nur den äußeren Anlaß abgeben.

die zum Vertrage

Hiernach fehlt der Zusammen­

hang, welcher den dolus des Indossanten in dem des Indossatars

könnte nachwirken lassen, und ohne solchen Zusammenhang würde der behauptete dolus des Indossatars doch nur mit einem äußer­ lichen Wissen von der Unredlichkeit eines Dritten zusammenfallen1).

Thatsächlich weisen freilich die vorher citirten Entscheidungen darauf hin, daß ko ntraktlich e Beredungen stattgefunden, daß diese, also ein Vertrag, zwischen dem Indossanten und Indossatar

den Uebergang der Rechte aus dem Wechsel vermittelt haben. Wenn dies richtig ist, kann man dann den Inhalt dieses Ver­

trages anders als aus seinem offensichtlichen Inhalte, nämlich den auf Uebertragung der Rechte des Indossanten gerichteten

*) Dieser Mangel tritt insbesondere auch beim Rückläufe des Wechsels hervor bezüglich des dem Schuldner zugestandenen Einwandes der Zahlung. Hierüber sagt die Entsch. vom 17. Januar 1873 (B. VIII, S. 387) : „Ent­ hält der Wechsel selber einen Zahlungsvermerk nicht, bestehen somit formell die Wechselobligationen fort, so kann immer nur dem bezüglichen Wechsel­ gläubiger bezw. dem, der mit Kenntniß der erfolgten Zahlung den Wechsel erworben hat, die Einrede der Zahlung entgegengesetzt werden." Wie wird sich der Schuldner dem Gläubiger gegenüber, der sein ihm verbliebenes Recht geltend macht, darauf berufen können, daß er die Forde­ rung eines Andern getilgt habe? — Den Zusammenhang zwischen dem Forderungsrechte des Einen und des Andern vermißt man schon, wenn man die von unsern Entscheidungsgründen behauptete Folge erklären will, daß „alle diese einem Zwecke dienenden Obligationen einer und derselben Person derartig in Verbindung stehen, daß die Tilgung einer dieser Obligationen seitens des Verpflichteten unter Empfang des Wechsels die übrigen erledigt." Eine nach allgemeinen Rechtsregeln erklärbare Folge könnte dies nicht sein. Denn die Zahlung an sich tilgt ja nur die Obligation des einen Gläubigers, dem sie gemacht wird; die Wechselrückgabe entzieht ja nur dem andern Gläubiger die Möglichkeit der Ausübung des Wechselrechts. Daß beide Folgen addirt die Wirkung einer Tilgung auch der andern Obligation haben, wäre eine Bestimmung positiven Rechts.

39

Beredungen bestimmen? Findet

also nicht eine Uebertragüng

dieser Rechte statt?

Für die Uebertragungs-Theorie bedarf es keines Beweises,

daß eine Betheiligung des Indossatars an einem dolus seines Indossanten,

ein Zusammenwirken

zur Zulässigkeit

zum Zwecke

und durchschlagenden Wirkung

doli gefunden werden.

dolosen

Hierin wird regelmäßig der Grund

Handelns möglich sein kann.

der exceptio

Unrichtig aber ist es, wenn man diesen

Grund darin sucht, daß der Indossatar nicht sein Recht, sondern

das mit Mängeln behaftete Recht des Indossanten geltend mache. Die Uebertragüng bewirkt eine Sondernachfolge in die abstrakte Wechselforderung.

Auch die Anhänger der Uebertragungstheorie

können und dürfen nichts von den Erfordernissen streichen, welche

das R. O. H. G. für die Begründung

der exceptio doli ver­

langt, weil die abstrakte und mit keinen Mängeln aus Beredungen zwischem

dem

Schuldnet

und

früheren

Wechselforderung übertragen wird1).

Gläubiger

behaftete

Mit anderen Worten:

die exceptio doli kann nur gegen den Indossatar geltend ge­

macht werden,

welcher sich selbst eines unredlichen Handelns

bewußt geworden ist; fehlt dies Bewußtsein, so wäre sie eine exceptio ex jure tertii und als solche unstatthaft.

3) Es sei dem Wesen der Cession widersprechend, sagt man,

daß der Indossatar

auch

aus

einem Indossament des Diebes,

des Betrügers — kurz einer Person, die nicht berechtigt ist, an

des Indossanten Statt zu handeln, forderungsberechtigt werden könne.

Das Argument gilt indeß nicht weniger gegen die Ueber­

tragungs-Theorie, als auch gegen die Offerten-Theorie2).

So

*) So sagt auch Entsch. vom 20. Februar 1874 (B. XII, S. 430 ff.) : Nicht schon dann sei die exc. doli begründet, wenn der Indossant den Wechsel weiterbegeben habe, um Einreden des Schuldners zu vermeiden; denn die Unabhängigkeit des Wechselversprechens sei eben

gewollt.

s) Wie u. A. auch Kuntze, Jollh (im Archiv B. IV, S. 390, 391) und Brauer (im Archiv B. III, S. 297 ff., insbes. S. 308) lehren, während Hoffmann (im Archiv B. VI, S. 293) aus dieser Folge gegen

40 lehrt ja Thöl') selbst : „Der Trassat soll laut der Tratte dem

ersten Nehmer der Tratte zahlen. kann ihn zahlen."

durch Indossament

Jeder Anhänger

Dieser, sonst aber Niemand,

beauftragen,

einem Andern zu

einer Vertrags-Theorie

wird

sich

prinzipiell dahin entscheiden müssen, daß nicht jeder beliebige, sondern nur der wirkliche Nehmer des Wechsels denjenigen be­

stimmen könne, an welchem die Offerte zum neuen Vertrage gelangen soll.

Die Grundsätze

der W. O. entwickelt Thöl

lediglich aus dem Grunde kaufmännischer Gewohnheit und der

Zweckmäßigkeit.

Diese Gründe führen ihn dazu, nicht bloß den

gutgläubigen, sondern auch den schlechtgläubigen Indossatar aus

gefälschtem Indossamente für berechtigt zu halten2), „obgleich für die andere Meinung unverkennbar alles Rechtsgefühl spricht" und entgegen der Ansicht der Gerichtshöfe^) und der meisten

Rechtslehrer.

Für die Offerten-Theorie besteht allerdings kein

Unterschied zwischen den Folgen aus dem Erwerbe des Wechsels,

möchte derselbe bona oder mala fide erworben sein.

Der In­

dossatar schließt ja selbstständig einen Vertrag mit dem Wechsel­ schuldner, sein Wissen von der Unredlichkeit des Andern steht

außer Zusammenhang mit seinem Handeln bei dem Vertrags­ schluffe. Gegen die Uebertragungs-Theorie

besonders könnte man

aus der Bestimmung des Art. 76 dann argumentiren, wenn ein Verstoß gegen das Wesen der Cessien als solcher gegeben wäre. Die praktischen Fälle, welche in Betracht kommen, sind die, in

welchen

ein gültiger Vertrag mit dem aus dem Wechsel sich

ergebenden Berechtigten zwar zu Stande gekommen ist, indessen

an Stelle des Berechtigten ein dritter Unberechtigter den Wechsel

die Cessions-Theorie polemisirt und Volkmar und Löwy (Wechsclrecht §. 31) sogar drei Thesen (sub 2), 3), 4)) gegen diese Theorie daraus herleiteu. *) Wechselrecht §. 172. 8) Rückhaltlos von Kuntze anerkannt. ’) U. A. Entsch. d. R. O. H. G. vom 10. November 1875 (B. XIX, S. 33), siehe auch bei Thöl a. a. O. Note „a" und 16.

41 begiebt, obgleich er weiß — denn der Wechsel bezeichnet ja den

Namen des wirklichen Gläubigers —, daß er Gläubiger nicht ist.

Um das Indossament verlorener oder gestohlener Wechsel handelt

sich's und hierfür bestimmt Art. 76 W. O., daß auch das In­ dossament des Unberechtigten Eigenthum an dem Wechsel über­

trage.

Es scheint fast auf der Hand zu liegen, daß hierdurch

wider den Grundsatz : Niemand kann mehr Rechte übertragen,

als er selbst hat, und verstoßen wird.

Wenn

deshalb wider das Wesen der Cession

den in Art. 306

Lad en bürg auf

H. G. B. fürs Handelsrecht acceptirten Grundsatz : Hand muß Hand wahren, rekurrirt, so ist auf Abs. 4 dieses Artikels zu

verweisen, nach welchem gerade für verlorene und gestohlene Gegenstände die Rechtsfolge nicht zugelassen ist.

Art. 307 aber

bestätigt für Jnhaberpapiere eben die auch für Wechsel statuirte Ausnahme.

Ist es nun wirklich richtig, daß die Rechtsregel:

Niemand kann mehr Recht übertragen, als er selbst hat, hier verletzt wird? Thatsächlich ist es hier doch so, daß Jemand etwas von einem Andern erwirbt, der selbst nichts hat, und man sollte

sagen,

daß hiermit

allein

gegen

Menschenverstandes verstoßen wird,

einen

Satz des

welcher

gesunden

sagt : Niemand

kann etwas geben, was er selbst nicht hat. Auch die erstere Regel hat den Klang einer allgemeinen Wahrheit, sie wird aber zur Rechtsregel, indem sie die Bedeutung

annimmt, daß Niemand willkürlich Recht und Pflicht von ein­ ander lösen und das eine ohne das andere übertragen könne.

Als solche entscheidet sie aber keineswegs die für die Anwen­ dung jenes andern Satzes maßgebende Vorfrage, ob Jemand

ein Recht hat oder nicht.

Wenn nun jene Rechtsregel zum

Wesen der Cession gehört, so ist es doch verfehlt, die Sache

hier damit abzumachen, daß ein Verstoß gegen die Rechtsregel

vorliege.

Denn der Fall liegt so, daß ein unberechtigter Dritter

die Rechte des Dritten ausübt, gleich als wenn er der Berechtigte wäre.

Ein Fall, in welchem die Rechtsregel Anwendung

finden könnte, liegt gar nicht vor.

Das Gesetz hat entschieden,

daß Jemand über etwas verfügen dürfe,

ob ihm

gleich aus

42 rechtlichem Grunde eine solche Befugniß nicht zustehen könnte. Hierin liegt die Abnormität.

Welche Gründe den Gesetzgeber

zu dieser positiven Bestimmung bewogen, hat Thöl weitläufig

und

erschöpfend

entwickelt.

Sie sind in

den Motiven zum

Preuß. Entwürfe zwar nicht für die hier fragliche, aber für die

vollständig mit derselben homogene') anomale Bestimmung, daß der Nehmer einer falschen Tratte ein Recht aus dem Accept haben solle, ebenso ausführlich vorgetragen.

Wir heben nur

den Einen hier hervor : „Es kommt darauf an, wer den Schaden

tragen soll."

Denn man muß betonen, daß die Bestimmung

nicht bloß kaufmännischer Gewohnheit, nicht bloß dem auf Um­ lauf gerichteten Zweck des Wechsels, sondern auch dem Berechtig keitsgefühl entspricht, weil der Verlierer, der Bestohlene den Schaden billiger Weise eher tragen müssen, als der getäuschte

Indossatar.

Man sollte unterlassen, die Anomalie allein auf das Konto der Uebertragungs-Theorie zu schreiben.

Das Bemühen, sie als

Konsequenz irgend einer Theorie erklären zu wollen, ist ver­

geblich und führt zu falschen Schlüssen, wie dem, daß auch der schlechtgläubige Indossatar berechtigt sein würde.

Ob eine solche

Konsequenz von der Praxis jemals anerkannt werden würde?

In der Leipziger Konferenz gab's hierauf eine Antwort : „Daß

kein Richter den Beklagten verurtheilen werde, wenn die mala fides des Klägers sofort klar gemacht werden könne."

Man

kann den bösen Glauben im Rechte nirgends schützen^).

Wer nach Beispielen aus dem Civilrechte sucht, sollte da nicht suchen,

wo der Rechtsgrundsatz der Uebertragung, daß

Niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat, seine Stätte findet.

Man muß vielmehr nach Beispielen suchen, wo

Jemand Rechte überträgt, ob er gleich nicht berechtigt ist.

Solche

könnten vielleicht Bestimmungen, wie die des H. G. B. liefern.

') TH8l a. a. O. (©. 692 oben).

s) Diese allgemein gültigen Aussprüche finden fich im XXII. Protokolle bei Berathung der §§. 71 und 72 des Entwurfs.

43

daß ein Prokurist rc.

nach Rücknahme, indeß vor Löschung der

Procura rc., noch Dritte dem Auftraggeber gegenüber berechtigt

Auch hier ist der Dritte geschützt, weil das Gesetz

machen kann.

Jemand als formell berechtigt anerkennt, obgleich der innere

Grund der Berechtigung fehlt. §. 6.

Ebensowenig gewisse Besonderheiten beim Indossament. Eine

von

den

Gegnern der Uebertragnngs-Theorie oft

wiederholte und mannigfach variirte Behauptung ist die, daß in

der verschiedenartigen Haftung des Indossanten und Cedenten ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen beiden Rechtsgeschäften gegeben sei.

Bezeichnend möchte hierbei schon sein, daß z. B.

Volkmar und Löwh r) sagen : „zum Wesen der Cession gehört,

daß der Sebent für die Bonität des nomen in der Regel nicht haftet."

Ein Verstoß gegen die das Wesen eines Rechts­

instituts ausmachenden Regeln, so heißt es dann weiter, bedeute, daß ein Rechtsgeschäft diesem Rechtsinstitute nicht zu subsumiren sei.

Aber es kann doch nur die Wirkung als dem Wesen des

Rechtsinstituts angehörig angesehen werden, die immer und

nicht nur in der Regel mit ihm verbunden ist.

Darum darf

man wohl nur mit Kuntze?) und Hoffmann^) als Eigen­ thümlichkeit des Indossaments bezeichnen, „daß der Girant selbst

als Schuldner verpflichtet ist, während der Sebent regelmäßig nur die Wirklichkeit der cedirten Forderung zu vertreten und

nicht einmal subsidiär für die Solvenz des debitor cessus ein­ zustehen hat," auch mit Thöl

zugeben : „daß aus dem Ge­

sichtspunkt der Session nicht erklärt werde die Haftung des In­

dossanten, im Fall die Zahlung der Wechselsumme ausbleibt.

') -) 3) 4)

In Goldschmidt's Zeitschrift B. III, S. 120. Kuntze, Wechselrecht §. 17 V. Hoffmann, im Archiv B. VI, S. 292. Wechselrecht §. 113 I, 2, auch §. 112 II, 2 und §. 109, 2.

43

daß ein Prokurist rc.

nach Rücknahme, indeß vor Löschung der

Procura rc., noch Dritte dem Auftraggeber gegenüber berechtigt

Auch hier ist der Dritte geschützt, weil das Gesetz

machen kann.

Jemand als formell berechtigt anerkennt, obgleich der innere

Grund der Berechtigung fehlt. §. 6.

Ebensowenig gewisse Besonderheiten beim Indossament. Eine

von

den

Gegnern der Uebertragnngs-Theorie oft

wiederholte und mannigfach variirte Behauptung ist die, daß in

der verschiedenartigen Haftung des Indossanten und Cedenten ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen beiden Rechtsgeschäften gegeben sei.

Bezeichnend möchte hierbei schon sein, daß z. B.

Volkmar und Löwh r) sagen : „zum Wesen der Cession gehört,

daß der Sebent für die Bonität des nomen in der Regel nicht haftet."

Ein Verstoß gegen die das Wesen eines Rechts­

instituts ausmachenden Regeln, so heißt es dann weiter, bedeute, daß ein Rechtsgeschäft diesem Rechtsinstitute nicht zu subsumiren sei.

Aber es kann doch nur die Wirkung als dem Wesen des

Rechtsinstituts angehörig angesehen werden, die immer und

nicht nur in der Regel mit ihm verbunden ist.

Darum darf

man wohl nur mit Kuntze?) und Hoffmann^) als Eigen­ thümlichkeit des Indossaments bezeichnen, „daß der Girant selbst

als Schuldner verpflichtet ist, während der Sebent regelmäßig nur die Wirklichkeit der cedirten Forderung zu vertreten und

nicht einmal subsidiär für die Solvenz des debitor cessus ein­ zustehen hat," auch mit Thöl

zugeben : „daß aus dem Ge­

sichtspunkt der Session nicht erklärt werde die Haftung des In­

dossanten, im Fall die Zahlung der Wechselsumme ausbleibt.

') -) 3) 4)

In Goldschmidt's Zeitschrift B. III, S. 120. Kuntze, Wechselrecht §. 17 V. Hoffmann, im Archiv B. VI, S. 292. Wechselrecht §. 113 I, 2, auch §. 112 II, 2 und §. 109, 2.

44 weil, wer sein Recht aus einem Wechsel cedirt, keinesweges selber

durchweg verhaftet ist."

Müssen aber nun, weil der Indossant

in anderer Weise verhaftet ist, wie in der Regel der Cedent,

Indossament und Cession ihrem Wesen nach verschiedene Rechts­ geschäfte sein? Auch das Indossament hat nur in der Regel

die Folge, daß der Indossant selbst als Schuldner verpflichtet ist; denn das Rechtsgeschäft bleibt Indossament, wenn der In­ dossant auch seine Wechselverpflichtung ausschließt.

Richtig wäre

die Folgerung nur, wenn die Cession nicht eine Verpflichtung

des Cedenten, wie sie der Indossant übernimmt, nämlich eine selbstschuldnerische vertrüge.

daß dadurch

Der Cedent kann sich aber, ohne

das Rechtsgeschäft

seinen Charakter als Cession

verlöre, dem Cessionar in Bezug auf die cedirte Forderung als Selbstschuldner unter Verzicht auf Einreden der Division oder

Excussion anerkanntermaßen verpflichten.

Vorsichtige Gesetzgeber,

welche im Interesse des Volkes dem allzu freien Verkehre glaubten

Schranken auferlegen zu müssen, haben allein die Ausdehnung der Haftbarkeit des Cedenten in das Uebermaß zu hindern gesucht.

Roch

das

A. L. R. enthält

im Paragraph 425 11. Titels

I. Theiles eine Bestimmung, daß, auch wenn der Cedent wegen Betrugs das volle Interesse zu leisten habe, die Summe seiner Verbindlichkeit doch nicht den Betrag dessen, was der Cessionar für die Forderung gegeben habe, übersteigen dürfe.

Daß ein

solches Verbotsgesetz zum Wesen der Cession gehöre, auch wenn

es allgemein und strenge Anwendung finden müßte, ist schwer

einzusehen.

Indeß hat das Reichsgericht in neuester Zeit auch

hierzu die lehrreiche Interpretation gegeben : daß durch Ver­ einbarung der Parteien recht wohl etwas dem §. 425 Entgegen­

gesetztes , insbesondere

eine selbstschuldnerische Bürgschaft des

Cedenten festgesetzt werden könne.

Zum Wesen des Indossaments gehört also nicht, daß der Indossant als Selbstschuldner sich verpflichte; zum Wesen der

Cession nicht, daß der Cedent eine solche Verpflichtung nicht übernehme.

Man kann lediglich sagen : was im praktischen

Leben bei dem

einen Rechtsgeschäfte Regel ist, das ist beim

45 andern Ausnahme,

und umgekehrt.

Aber die Regel beim In­

dossament findet in dem weiten Rahmen der Cession ebensogut Aufnahme, wie die Ausnahme; es liegt hier Nichts vor, was

dem Wesen der Cession widersprechend wäre.

Von weiteren Besonderheiten sei noch des Ausschlusses der Denunciation

beim Indossamente gedacht1).

Freilich braucht

man hier nur mit dem früher bereits citirten Erkenntnisse des

Reichsgerichts 2) fortzufahren : Nach der Entwickelung der Lehre von der Cession, nach der herrschenden, in Doctrin und Praxis

zur Anerkennung gelangten, in den Gesetzgebungen zur Geltung gebrachten Auffassung muß der Satz angenommen werden, daß durch die Cession eine Sondernachfolge in die Forderung herbei­

geführt wird, und der bisherige Gläubiger ohne Weiteres, nament­ lich ohne das Hinzutreten der Denunciation an den Schuldner

aufhort Gläubiger zu sein . . ., und daß die Denunciation nur

von Bedeutung ist für die Befugniß des Schuldners, an den ursprünglichen Gläubiger mit befreiender Wirkung Zahlung zu

leisten."

Hiernach gehört die Denunciation nicht zum Wesen

der Cession.

Welche Bedeutung sie hat, ist klar bezeichnet, und

diese Bedeutung kann sie beim Indossamente nicht haben, weil

der Indossatar in anderer Weise, nämlich durch die formelle

Natur der Wechselobligation, durch deren Verbindung mit der Wechselurkunde geschützt ist.

Giebt es darum keine Denunciation

bei den Wechselgeschäften? Man denke sich das Indossament nicht auf dem Wechsel selbst beurkundet, die Jndossamentsurkunde in Händen des Indossatars, den Wechsel (zufällig) nicht über-

1) Man vergl. z. B. Kuntze, Wechselrecht §. 17 sub V.

Hier ist der

Unterschied zwischen Cession und Indossament in vier Thesen fixirt, von welchen zwei in diesem Abschnitte behandelt werden.

der Indossatar proprio nomine berechtigt sei",

falls stattfindet, und

die vierte,

Die dritte lautet dahin, „daß

was bei der Cession gleich­

„daß der Girant um feiner unbedingten

Haftverbindlichkeit willen gewisse Befugnisse für den Fall der Wechselstörung

hat", ein Unterschied, der, wie Kuntze selbst sagt, eben in der anderweiten Haftverbindlichkeit seinen Grund hat, und deshalb kein wesentlicher ist. 2) Oben Seite 22.

46

geben — nun so würde sich der Indossatar nicht gegen jede betrügliche Handlung des Indossanten, wohl

aber gegen die,

daß derselbe Zahlung vom Schuldner erhält, ebenso wie bei der Cession, nur durch die Anzeige an diesen schützen können. in anderen Fällen kann

Wichtigkeit sein.

Auch

eine Anzeige an den Schuldner von

Das Nähere gehört nicht hierher. §• 7.

Das Gesetz spricht nicht wider die Uebertragnngs-Thcorie. Es wurde bereits erwähnt, daß es unsere Entscheidungs­ gründe an einer Begründung für die Abweisung der Ueber-

tragungs-Theorie nicht haben fehlen lassen, und diese Begründung ist von Ladenburg') bei seinem abfälligen Urtheile über die

Entscheidungsgründe

wenig

beachtet

worden.

Sie

steht in

direktem Zusammenhang mit dem vorliegenden praktischen Falle; es wird nachzuweisen versucht, daß eine Uebertragung bei dem

Rückläufe des Wechsels ausgeschlossen sei, und der Nachweis wird begründet — was für den urtheilenden Richter jedenfalls

von der größten Bedeutung ist — unmittelbar aus dem Gesetze. 1) Auch die These, daß durch den Ausschluß der Einreden

ex persona indossantis die Uebertragungs-Theorie unmöglich gemacht werde, ist in den Gründen für den rückläufigen Wechsel

behauptet nnd näher ausgeführt worden.

Wenn nun aber —

wegen des Weiteren ist auf das oben Gesagte zu verweisen —

behauptet wird : „insbesondere entscheidend stehe entgegen, daß

bei den Ansprüchen des

Einlösenden alle Einwendungen aus

dem beim Wechselumlauf durch das ihm ertheilt gewesene In­

dossament rc. mit ihm bethätigten Wechselbegebungsvertrag rc. bez. den diesen Akten zu Grunde liegenden oder später getroffenen

Abreden in volle Kraft treten,"

so möchte dies auch für die

Uebertragungs-Theorie, welche in der Cession eine Sondernach­

folge in die Forderung findet, nicht nur nicht unerklärlich, son-

*) In dem oben citirten Aussatze, Archiv von Busch B. 41, S. 99 ff.

46

geben — nun so würde sich der Indossatar nicht gegen jede betrügliche Handlung des Indossanten, wohl

aber gegen die,

daß derselbe Zahlung vom Schuldner erhält, ebenso wie bei der Cession, nur durch die Anzeige an diesen schützen können. in anderen Fällen kann

Wichtigkeit sein.

Auch

eine Anzeige an den Schuldner von

Das Nähere gehört nicht hierher. §• 7.

Das Gesetz spricht nicht wider die Uebertragnngs-Thcorie. Es wurde bereits erwähnt, daß es unsere Entscheidungs­ gründe an einer Begründung für die Abweisung der Ueber-

tragungs-Theorie nicht haben fehlen lassen, und diese Begründung ist von Ladenburg') bei seinem abfälligen Urtheile über die

Entscheidungsgründe

wenig

beachtet

worden.

Sie

steht in

direktem Zusammenhang mit dem vorliegenden praktischen Falle; es wird nachzuweisen versucht, daß eine Uebertragung bei dem

Rückläufe des Wechsels ausgeschlossen sei, und der Nachweis wird begründet — was für den urtheilenden Richter jedenfalls

von der größten Bedeutung ist — unmittelbar aus dem Gesetze. 1) Auch die These, daß durch den Ausschluß der Einreden

ex persona indossantis die Uebertragungs-Theorie unmöglich gemacht werde, ist in den Gründen für den rückläufigen Wechsel

behauptet nnd näher ausgeführt worden.

Wenn nun aber —

wegen des Weiteren ist auf das oben Gesagte zu verweisen —

behauptet wird : „insbesondere entscheidend stehe entgegen, daß

bei den Ansprüchen des

Einlösenden alle Einwendungen aus

dem beim Wechselumlauf durch das ihm ertheilt gewesene In­

dossament rc. mit ihm bethätigten Wechselbegebungsvertrag rc. bez. den diesen Akten zu Grunde liegenden oder später getroffenen

Abreden in volle Kraft treten,"

so möchte dies auch für die

Uebertragungs-Theorie, welche in der Cession eine Sondernach­

folge in die Forderung findet, nicht nur nicht unerklärlich, son-

*) In dem oben citirten Aussatze, Archiv von Busch B. 41, S. 99 ff.

47 dern selbstverständlich sein.

Denn wenn der Indossant auch

befugt ist, die abstrakte Wechselforderung unbehindert durch die

dem Wechselschuldner zustehenden Gegenforderungen einem Dritten zu übertragen, so ist doch selbstverständlich, daß er seinem Schuldner

diese Gegenforderungen hierdurch nicht abschneiden kann'), die­

selben vielmehr dann wieder aufleben werden in der Form von Einreden, wenn der Indossant die Wechselforderung wieder er­

halten und geltend gemacht hat, je nach ihrer Natur aber auch,

im Falle, daß der Indossant die Wechselforderung nicht geltend macht, oder nicht geltend machen kann, als selbstständige Interesse­ forderungen des Schuldners zu Tage treten werden. 2) Zu einem weiteren Bedenken führt in den Entscheidungs­

gründen eine Vergleichung der Bestimmungen der Art. 50 und

55 (richtig 53) W. O. mit dem Art. 51.

Es ergebe sich aus

demselben, daß das Recht, welches der beim Inhaber im Regreß­

wege

einl'ösende Indossant

gegen

Vormänner

und

Acceptant

geltend mache, nicht bloß einen vergrößerten Umfang, sondern auch einen anderen Inhalt habe, als das Recht des Inhabers

zur Zeit der Fälligkeit gegen dieselben Personen , und daß eine

gleiche Verschiedenheit auch zwischen den Rechten der nacheinander einlösenden Indossanten bestehe.

Denn der Inhaber zur Zeit

der Fälligkeit erhalte sein Interesse in der Wechselsumme nach

dem Kurse eines Sichtwechsels vom Zahlungsort auf den Wohn­ ort des Indossanten vergütet; dieser selbe Indossant aber vergüte einem Vormanne des Inhabers zur Zeit der Fälligkeit, falls

derselbe den Wechsel eingelöst habe und ihn belange, nicht das­ selbe, sondern dessen Interesse, welches nicht in der Zahlung

der Wechselsumme zur Verfallzeit am Zahlungsorte, sondern in dem Erhalten des Rembours für Alles, was er habe leisten

müssen, an seinem Wohnort bestehe.

Deshalb habe der Jndossant

*) Entsch. vom 8. März 1878 (B. XXIII, S. 218) :

„Der Indossatar tritt bloß

durch Giro keineswegs in die besonderen

Rechtsverhältnisse ein, welche zwischen dem Giranten und Acceptanten per­

sönlich in Bezug auf den Wechsel bestehen."

48 dem Letzteren die gezahlten Beträge zum Sichtkurse von dessen

Wohnort auf seinen Wohnort zu vergüten. Aber in diesem letztgenannten Betrage steckt schon das volle Interesse, welches

der Vormann des Inhabers zur Zeit der

Fälligkeit diesem Letzteren vergütet hatte,

also nicht bloß die

Wechselsumme, sondern auch Zinsen zu 6% und Provision, und zwar dies Alles zum Kurse eines Sichtwechsels zwischen dem

Zahlungsorte des Wechsels und dem Wohnorte des, der den Wechsel eingelöst hat.

Der Wechselschuldner vergütet also dem

Gläubiger zwar sein Interesse, aber in demselben auch das In­

teresse

dieses

des Indossatars

Gläubigers.

So leicht dürfte

nach der Theorie der Entscheidungsgründe nicht zu erklären sein, wie ein Wechselgläubiger

fordern,

berechtigt sein dürfte,

von seinem

das Interesse eines anderen Gläubigers

Wechselschuldner

zu

welches zwar derselbe Schuldner, aber dem anderen

Gläubiger und aus anderem Vertrage verschuldet.

Wenn der

Jnd'ossant Gläubiger geblieben ist und lediglich von der That­ sache der Wiedererlangung des Wechsels die Ausübung seines Gläubigerrechts abhängig gemacht hat, durfte er doch nicht dem

Wechselschuldner aufbürden, ihm zu ersetzen, was er zur Wieder­ erlangung des Wechsels ausgegeben hat.

Oder ist der Indossant

hier etwa Mandatar des Inhabers von dem er eingelöst hat?

oder tritt er bezüglich

dieser Jnteresseforderung in die Rechte

des Inhabers ein? Wie gesagt, in diesem Interesse sind nicht bloß Zinsen von der Wechselsumme enthalten, sondern auch Pro­

vision und Kursgewinn.

Das Argument gegen die Uebertragungs-Theorie soll darin gefunden werden, daß der Indossant gegen den Wechselschuldner

sein Interesse und nicht das Interesse seines Indossatars geltend

mache;

hiernach sei

andere geworden.

die Forderung ihrem Inhalte nach eine

Dies wäre richtig, wenn der Indossant das

Recht dessen, von dem er die Regreßforderung erworben hat, einklagte

und

dieser

Forderung

eigenem Rechte hinzufügen wollte.

eine Jnteresseforderung

aus

Nun klagt aber der Indossant,

welcher die Forderung durch Uebertragung wieder erworben hat,

49 nicht aus fremdem, sondern aus eigenem Recht.

Er kann mithin

schlechterdings nur sein eigenes Interesse geltend machen.

In

diesem eigenen Interesse steckt aller Schaden, den er erlitten hat, und hierin wieder in erster Linie, was er selbst zum Erwerbe

der Forderung dem Anderen als Interesse hat vergüten müssen. Frage : Weshalb muß denn der Vorindossant als Wechsel­

schuldner den Indossanten das volle Interesse vergüten? Antwort : Eben weil er Gewährleistung nicht wie ein Cedent, sondern wie ein Wechsel-Regreßpflichtiger übernommen hat, und

weil das Gesetz die Höhe seiner Verpflichtung auf das volle

Interesse jedem Wechselgläubiger gegenüber bestimmt normirt hat *).

Frage : Widerspricht es nicht den Grundsätzen der Cession,

daß der Cessus dadurch, daß sein Gläubiger die Forderung weiter begiebt und dessen Cessionar sie weiter begiebt, und so, wenn die Forderung in die Hand einer Menge von Personen kommt, ohne sein Wissen, seine Regreßpflicht ihrer Höhe nach sich fort­ während

steigert — widerspricht dies nicht dem Grundsätze:

daß der Schuldner durch willkürliche Handlungen seines Gläubigers nicht in eine schlechtere Lage versetzt werden dürfe? Die Antwort ist bei W i n d s ch e i d 2) für die Cession civil­ rechtlicher Forderungen gegeben : Man solle diesen Satz nicht rücksichtslos ausbeuten; denn er finde seine nothwendige Be­

grenzung darin, daß die Uebertragung der Forderung rechtlich

zulässig sei.

Run ist aber die Uebertragung der Wechselforderung

nicht bloß zulässig, sondern der Wechsel ist zum Umläufe be­ stimmt.

Wer ein Wechselversprechen ausstellt, ist sich dessen,

daß diese Verpflichtung übertragen wird, in weit höheren Grade

*) Grund der Verpflichtung zur Leistung des Interesse kann ebensowohl

wie Verschuldung auch in einem Rechtsgeschäfte und unmittelbar im Gesetze

gegeben sein.

Vergl. Windscheid B. II, §. 257.

Hier normirt das Gesetz

die Höhe der Jnteresseforderung; wie auf anderem Wege 1/3°/0 Provision

für den Kläger selbst und dessen Rechtsvorgänger in dieselbe hineinkommen können, ist schwer erklärbar. ') B. II, §. 332, Note 2.

50

bewußt, wie wer einen Schuldschein unterzeichnet.

Er trägt

lediglich die voraussehbaren nachtheiligen Folgen.

3) Unsere Entscheidungsgründe ziehen ferner den Art. 55

W. O. zum Beweise der Richtigkeit ihrer Theorie an.

Der­

selbe bringe zum Ausdruck, daß diejenigen nachfolgenden Be­ gebungsakte, welche das dem Einlösenden selbst ertheilt gewesene

Indossament in seiner Wirkung für dessen Person eingeschränkt hatten, nunmehr als wieder beseitigt zu erachten seien.

die Uebertragungs-Theorie kann dies acceptiren.

Auch

Wenn aber

hierin zu erkennen gegeben sein soll, daß der einlösende Indossant seine Ansprüche auf Grund des ihm

ertheilten Indossaments,

dessen Rechtswirkungen nach den von den Entscheidungsgründen

verworfenen Ansichten in Folge der Weiterbegebung für beseitigt erachtet sein müßten, geltend mache, so ist diese Folge nicht un­ bedingt einzusehen.

Ist eö richtig, ein Recht als beseitigt zu

bezeichnen, wenn es durch Sondernachfolge von einer Person auf die andere übertragen ist? Der einlösende Indossant erwirbt

dasselbe Recht wieder, welches er übertragen hatte.

Aber freilich,

nachdem er es wieder erworben hatte, sind die weiteren Ueber«

tragungen beseitigt und die Beurkundungen dieser Akte sind

gegenstandslos geworden **);

deshalb

können

sie ausgestrichen

werden.

Die Entscheidungsgründe sagen nun unter Anführung und Berufung

auf

eine Reihe

von früheren Entscheidungen des

R. O. H. G.2) weiter : „Die Einlösung selbst ist kein Akt, der für die Begründung des Anspruchs einer besonderen Darlegung

oder gar des Nachweises bedürfte." Allerdings hat das R. O. H. G. hieran durchweg festge­

halten, indem es den Besitz von Wechsel und Protest für ge­ nügend erachtet hat,

um den Indossanten

zur Regreßnahme

gegen den Vormann zu legitimiren, insbesondere weder Quittung

*) Man Bergt, auch die Entsch. des R. O. H. G. vom 8. December 1876 (B. XXI, S. 231). *) Siehe die Aufzählung in dem Erkenntnisse (B. XXIV, S. 6).

51

des befriedigten Hintermannes von ihm verlangt, noch auch seine Legitimation davon abhängig gemacht hat, daß der Indossant von der ihm in Art. 55 eingeräumten Befugniß auch wirklich Gebrauch gemacht habe. Daraus soll folgen, daß es „das alte Indossament sei, welches in Rücksicht auf den vorhandenen Besitz des Wechsels und des Protestes auf Seiten des Einl'ösenden in die volle Wirksamkeit wieder eintrete, die es vor der Jndossirung hatte." Wie oft auch das R. O. H. G. diesen Schluß gezogen haben mag, so ist er dennoch nicht geboten. Das R. O. H. G. selbst hat von einer aus dem Besitze von Wechsel und Protest folgenden Vermuthung gesprochen des Inhalts, daß der Kläger den regrediendo gegen ihn vorgehenden Hintermann be­ friedigt habe ’). Diese gesetzliche Vermuthung, möchten wir be­ haupten, rechtfertigt, weshalb zulässig erscheinen kann, daß der Indossant ohne weitere Begründung legitimirt ist2). Der Art. 48 giebt dem Indossatar das Recht, von dem befriedigten Inhaber die Aushändigung von Wechsel und Protest zu verlangen; das Civilrecht giebt dem auf Regreß verfolgten zahlenden Cedenten das Recht, von dem befriedigten Gläubiger Schuldurkunde und Quittung zu fordern. Der Protest ist zur Legitimation des Wechselregreßnehmers nothwendig, weil ohne Protest das Recht des Inhabers und die Rechte seiner Rechtsnachfolger gegen den Regreßschuldner versagen würden, der Wechsel (noch mehr wie die Schuldurkunde), weil die Forderung in ihm verkörpert ist.

*) So in der Entsch. vom 16. October 1874 (B. XIV, ©. 374).

*) Wenn lediglich auf Grund des durch das alte Indossament ge­ gebenen Rechts der Indossant legitimirt wäre, so müßte der Indossant gegen

den Acceptanten klagen können, auch wenn er nur im Besitze des Wechsels wäre; denn diesem gegenüber bedurfte es nicht des Protestes zur Erhal­ tung des Rechts auf Zahlung. Wenn aber von dem Indossanten in solchem Falle der Besitz von Wechsel und Quittung des befriedigten Hintermannes gefordert wird, so will dies doch wohl bedeuten, daß man vom Indossanten den Nachweis fordert, daß er den Wechsel durch Einlösung erworben hat; wenn man dies aber fordert, so muß auch wohl die Einlösung für die Legi­ timation des Klägers von Bedeutung sein.

52 Daß eine Quittung außer dieser Urkunde nicht gefordert wird,

um den einlösenden Indossanten die Vermuthung der Einlösung,

des Wiedererwerbs

der Forderung zur Seite zu stellen, beruht

eben auf gesetzlicher Vorschriftx).

Diese wieder ist eine Konse­

quenz der Bestimmung, daß der Indossant selbst Zahlung leisten

mußte, lediglich gegen Aushändigung von Wechsel und Protest. Wenn

nach allgemeinem Rechte nur die Quittung die Ver­

muthung der Einlösung begründen kann, so durfte hier die Thatsache des Besitzes

von Wechsel und Protest genügen, weil

sich der Indossant schlechterdings, falls er nicht unredlich handelt,

nur durch Einlösung des Wechsels in den Besitz dieser Urkunden

gesetzt haben kann.

Der Wechselschuldner aber kann diese Ver­

muthung entkräften dadurch, daß er der Forderung des In­ dossanten die Einrede des unredlichen Erwerbes entgegenstellt.

Wo der Protest zur Erhaltung der Rechte nicht gehört, also dem Acceptanten gegenüber, hat man den Besitz von Wechsel und

Quittung zur Legitimation des Indossanten erfordert und genügen lassen, weil diese Thatsachen die unverkennbare Absicht

des Inhabers, den Vordermann zum Eigenthümer des Wechsels zu machen, enthielten.

Es läßt sich auch nicht wohl annehmen, die Vermuthung

der bewirkten Einlösung sei lediglich zu beziehen auf die That­ sache des Inkrafttretens des alten Forderungsrechts, dieses aber

sei der wirkliche Grund, aus welchem der Indossant klage.

Wozu

bedarf es dann noch jener Vermuthung?

*) Daß die Quittung für die Legitimation beim rückläufigen Wechsel

ihre Bedeutung nicht verliert, lehrt die Entsch.

des R. D. H.

G. vom

9. December 1873 (B. XII, S. 48 ff.) : Unter dem letzten Indossament steht Quittung des Indossatars.

Ein

früherer Indossant hat girirt ohne Durchstreichung der nachstehenden Indossa­

mente, und der so legitimirte Indossatar und Inhaber von Wechsel und

Protest kann gegen den Acceptanten klagen; „denn die Quittung in Ver­

bindung mit dem Protest stellt fest, daß der Wechsel rückläufig geworden ist und alle bis dahin aus den Wechsel gebrachten Giro's ihre Bedeutung ver­

loren haben."

53

Uebrigens möchte man meinen, daß im Gesetze selbst die

richtige Lösung zu finden sei. zahler,

daß

ihm Wechsel

Art. 63 W. O. sagt vom Ehren­

und Protest

ausgehändigt werden

müßten, und er „durch die Ehrenzahlung in die Rechte des In­ habers (Art. 50 und 52)

gegen den Honoraten, dessen Vor­

männer und den Acceptanten trete" ’).

Es steht dem Ehren­

zahler demgemäß dieselbe Forderung wie dem einlösenden In­

dossanten gegen den Wechselschuldner zu : die Forderung auf die Wechselsumme und sein volles Interesse.

Der Ehrenzahler

aber gehört nicht zu den Indossanten, hat also früher kein Recht gehabt; er hat lediglich den Wechsel eingelöst; er ist legitimirt

gleichfalls lediglich durch den Besitz

von Wechsel und Protest.

Hieraus folgt : die Vermuthung der Einlösung des Wechsels ersetzt den Beweis des Erwerbs der Wechselforderung; des­

halb erscheint der Fordernde legitimirt, nicht weil durch die

Einlösung ein altes Forderungsrecht in der Person des Ein­ lösenden wieder in Kraft getreten ist2). — Der einlösende In­ dossant wird,

nachdem er Wechsel und Protest empfangen hat,

nicht nur berechtigt vom Wechselschuldner Zahlung zu fordern,

sondern er kann auch durch neues, durch Nach-Jndossament sein Recht einem Dritten abtreten.

Gesetzt, er hat von diesem Rechte

*) Vergl. von Wächter: Encyklopädie S. 648, N. 7.

8) Man vergl. die Entsch. des R. £). H. G. vom 17. Mai 1872 (B. VI, S. 162). — Thöl sagt (§. 136, S. 545 und Note 19), daß der Ehrenzahler die Klage gegen die Vormänner des Honoraten nicht aus dem Rechte dieses (was ja hier ganz selbstverständlich erscheint), sondern aus eignem Rechte oder aus dem Rechte des letzten Indossatars habe, von Wächter (S. 305, N. 4 in der Encyklopädie) wiederholt dies, klammert aber, ohne jeden Grund anzugeben, die Worte, auf welche sehr viel ankommt, „oder aus dem Rechte des letzten Indossatars" ein und hebt „aus eignem Rechte" gesperrt hervor. Der Ehrenzahler, so wird die Uebertragungstheorie sagen, klagt gewiß aus eignem Rechte, hat aber das Recht durch die Einlösung vom letzten Indossatar erworben. Wie beim Läugnen der Uebertragungstheorie der Intervenient, insbesondere, wenn er vorher noch nicht auf dem Wechsel figurirte, „aus eignem Rechte" berechtigt sein soll, ist Noch zu beweisen.

54

Gebrauch gemacht, später indeß kommen Wechsel und Protest

durch Einlösung vom Nach-Jndossatar in die Hand eines Vor­ mannes des Nach-Jndossanten : Fordert dieser Bor-Indossant,

der nunmehr den Wechselschuldner belangt, gleichfalls auf Grund seines ihm früher gegebenen Indossaments, oder weil er in Folge

der Einlösung die Wechselforderung wieder erworben hat? Das R. O. H. G. trägt in der in demselben Bande publizirten Entscheidung vom 11. October 1878 kein Bedenken, die erste Alternative für die richtige zu erklären *).

Das ist schwer

verträglich mit der konstant ausgesprochenen Ansicht, daß das Nach-Jndossament die Wirkungen einer Cession und nur einer

solchen habe.

Wenn das Nach-Jndossament Cession ist, so ge­

winnt die Forderung nach der Ansicht höchster Gerichtshöfe in dem Nach-Jndossatare einen neuen Eigenthümer, einen aus­

schließlich Berechtigten, welcher aus eigenem Rechte klagt. hierneben noch

Kann

eine auf dieselbe Leistung gerichtete Forderung

eines früheren Indossanten bestehen bleiben? Kann man dies

Scheinrecht als eine Forderung bezeichnen, der nur die Ausübung

mangele? und was wird dann schließlich aus der Forderung des

Nach-Jndossatars, wenn sie nicht von einem Anderen wieder er­ worben wird, sondern dieser nur die alte Forderung geltend macht?

Entweder man wird eine Forderung neben der einen Wechsel-

forderung,

welche

durch

Indossament oder Nach-Jndossament

übertragen worden ist, nicht mehr behaupten dürfen, oder man

wird das Nach-Jndossament nicht als Cession ansehen können.

Was ist das Richtige? 4) Unsere Entscheidungsgründe fahren fort, die Richtigkeit

der behaupteten Theorie zu beweisen aus verschiedenen, die Ent­ stehung der Gläubigerrechte gegen die Regreßschulduer und den

Acceptanten betreffenden Gesetzesbestimmungen.

Um mit den

*) Die einschlägige Frage ist bei von Wächter S. 526 ff. unter An­ führung einer Reihe von Entscheidungen des R. O. H. G. weitläufig er­ örtert.

55 letzteren zu beginnen, so

sagen sie :

„Die Bestimmung des

Art. 23 : „ „Auch dem Aussteller haftet der Bezogene aus dem

Accepte wechselmäßig""

hat die bestrittene Frage, ob auch der

Trassant eines Wechsels mit benanntem Remittenten, wenn er den Wechsel eingelöst hat.

Wechselrechte gegen den Acceptanten

geltend machen könne, im bejahenden Sinne entscheiden sollen."

Zweifellos.

Wenn es aber weiter heißt : „Beruhte das Recht

des einlösenden Vormannes gegen den Acceptanten auf einem Eintritt in die Rechte des Nachmannes, oder auf der Einlösung,

nicht entstehen können und jene

so hätte die Streitfrage gar

Bestimmung wäre überflüssig gewesen", so möchte dies doch be­ denklicher

Gesetzt,

erscheinen.

die Bestimmung des Art. 23

fehlte, würde dann der Trassant — die Möglichkeit einer

Theorie des Erwerbs der Wechselforderung durch Eintritt in die Rechte des Nachmannes vorausgesetzt

— regelmäßig in diese

Rechte wirklich eintreten? Man muß doch bedenken, daß der

Trassant nicht die Schuld des Acceptanten, sondern seine eigene Schuld bezahlt hat. dann regelmäßig

Wenn aber zwei dasselbe

der

zahlende Schuldner die

schulden, wird Rechte

seines

Gläubigers gegen den Mitschuldner erwerben? Das R. O. H. G.

nimmt für das Verhältniß der verschiedenen Wechselschuldner eine Solidarität an.

Man kann unmöglich zugeben, daß der

zahlende Solidarschuldner durch die Zahlung regelmäßig zum Gläubiger des Mitschuldners wird.

Maßgebend dürfte allein

sein, welche rechtlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Ver­ pflichteten bestehen 1).

Fehlte also die Bestimmung des Art. 23,

so würde eine Wechselklage des Trassanten zum wenigsten von

dem liquid zu stellenden Nachweise abhängen, daß der Acceptant sein Schuldner sei oder daß gezogen habe.

er für Rechnung eines Dritten

Nur dadurch, daß man in den Acceptationsver-

trag kraft Gesetzes hinein legte, daß der Acceptant auch dem

Trassanten

wechselmäßig verpflichtet sein wolle,

welche Theorie immer über

konnte man,

das Indossament der Gesetzgeber

*) Weitläufig erörtert von Löwy im Archiv B. XI, S. 157 ff.

56 vertrat, erreichen, daß der Trassant unbedingt wechselmäßig gegen

den Acceptanten auch beim Rückläufe des Wechsels klagen konnte l).

Wenn dies für die Uebertragungs-Theorie noch ausgesprochen werden soll :

Der Trassant rückerwirbt

beim Rückläufe

des

Wechsels das Wechselversprechen des Acceptanten, welches dahin lautet, nicht nur dem Remittenten oder dessen Ordre, sondern

auch dem Trassanten zahlen zu wollen. Auf die Motive zum Pr. Entwurf können sich die Ent­

scheidungsgründe schwerlich berufen.

Dort wird die Frage weit­

läufig erörtert, ob man als die Regel annehmen müsse, daß der Acceptant nach dem unterliegenden Verhältnisse Schuldner des

Trassanten sei, und nachdem dies bejaht und als ein dringendes Verlangen des Verkehrslebens hingestellt ist, daß diesem Ver­

hältnisse durch Gewährung der Wechselklage Rechnung getragen werden müsse, wird erörtert, ob die Natur des Wechsels gestatte,

in das Accept die „Absicht des Acceptanten hineinzulegen,

daß

er auch dem Trassanten" wechselmäßig verpflichtet sein wolle. Ueber die Tragweite der Bestimmung verbreiten sich die Motive

ausführlich dahin, daß nunmehr der Trassant wechselmäßig klagen könne, ohne liquid zum Beweis zu stellen, daß der Acceptant

von ihm Deckung erhalten oder auf Rechnung eines Dritten

gezogen sei.

Durchaus nicht ist hierbei eine Theorie über die

Natur des Indossaments, und daß

aus dieser sich die Noth­

wendigkeit der Gesetzesbestimmung ergebe, erwähnt.

Alles aber,

was über die Uebelstände, welche aus dem Mangel solcher Be-

x) Wie sich ohne die Bestimmung des Art. 23 W. O. die Frage ge­ stalten würde,

ist im A. L. R. Th. II, Tit 8 in §§. 1132 und 1134 an­

gegeben : „Der Aussteller, welcher einen acceptirten Wechsel einlöset, erlangt dadurch

gegen den Acceptanten kein Wechselrecht. . .

steller gegen den Bezogenen, wegen bereits

Dagegen bleibt dem Aus­

erhaltener Deckung oder sonst,

sein Recht im gewöhnlichen Prozesse Vorbehalten."

§. 1133 setzte hinzu :

„Der Aussteller kann sich auch von dem Inhaber, zum Nachtheile des Acceptanten, seine Rechte gegen letzteren nicht abtreten lassen."

57 stimmungen resultiren, gesagt ist, trifft eben sowohl zu, wenn man bezüglich des Indossaments diese oder jene Theorie ver­

folgt.

5) Unsere Entscheidungsgriinde legen ein Hauptgewicht zur

Unterstützung

der neuen Theorie

auf die Bestimmungen der

W. O. über die Verjährung der Regreßansprüche der Indossanten. Durch den Art. 79,

wonach die Klagen-Verjährung für den

Regreßanspruch des einlösenden Indossanten gegen seine Vor­

männer mit Behändigung der gegen ihn vom Nachmann auf Einlösung gerichteten Klage beginnt — vom Fall der Einlösung

durch Zahlung abgesehen — soll die Theorie geradezu anerkannt

sein.

„Denn wenn der Anspruch des Einlösenden Eintritt in

die Rechte des letzten Inhabers wäre, so könnte es gegen eine

und dieselbe regreßpflichtige Person, gleichviel ob der Inhaber zur Zeit der Fälligkeit oder ein Vormann desselben, der vor ihn eingelöst hat, den Anspruch verfolgt, nur eine Verjährung be­ ginnend mit der Fälligkeit des Wechsels geben."

Es sei erlaubt,

den Rückschluß zu ziehen : wenn das Gesetz nur eine Verjährung,

beginnend mit der Fälligkeit des Wechsels, bestimmte, so würde

es auf der Grundlage der Uebertragungs-Theorie beim Indossa­ mente fußen.

Nun findet sich aber in dem Pr. Entwürfe eben

diese Bestimmung im §. 73 : „Jeder wechselmäßige Anspruch verjährt innerhalb

eines Jahres vom Verfalltage des Wechsels

an gerechnet", und also hätte der Pr. Entwurf hier dies und bei der Fassung des Art. 23 das entgegengesetzte Prinzip verfolgt. Wenn aber wirklich den von der gesetzberathenden Kommission

beliebten Abänderungen der Verjährungsbestimmungen ein Ge­ wicht für bie Theorie über das Indossament beigelegt werden

müßte, so hätte doch die Versammlung sich bewußt werden und

aussprechen müssen, daß die Bestimmung im §. 73 des Pr. Ent­ wurfs einer falschen Theorie den Boden unterschiebe, und man

nunmehr eine der richtigen Theorie entsprechende Bestimmung

treffe.

Aber hiervon verlautet nichts bei den Berathungen der

Konferenz: Von dem Indossament und dessen rechtlicher Natur ist bei den Berathungen über die Verjährungen wiederum nicht

58 die Rede.

Und also ist der Schluß wohl gerechtfertigt, daß man

die Aenderungen des §.

73 vollzogen hat —

aus anderen

Gründen, als um eine Verletzung rechtlicher Grundanschauungen über die Natur des Indossaments zu beseitigen.

der Entstehung der Verjährungsgesetze

Bei Prüfung

wird man in der That

zu der Ueberzeugung kommen dürfen, daß auf diese am aller­ wenigsten eine Theorie aufgebaut werden sollte.

Denn es handelte

sich bei ihrer Normirung lediglich um Regelung praktischer Fragen.

Wie sich die verschiedenen Gesetzgebungen verschiedener Länder

bemüht hatten, dem Vordermann des Inhabers trotz der Säu­

migkeit des letzteren

seine Regreßansprüche zu erhalten, oder

vielmehr die Lässigkeit des Inhabers zu verhindern, ist in den

Motiven zum Pr. Entwürfe ausführlich behandelt.

Man griff

in diesem zu dem System der Notifikationspflicht bei Verlust des

Regresses; andere Gesetzgebungen führten eine kurze Verjährung ein; andere eine Verjährung und Ausdehnung der Unterbrechung

der Verjährung auf alle Schuldner gleich als correi debendi und

nicht Solidarschuldner *);

Verjährung

der Regreßklagen

andere führten eine besondere

ein.

Die Leipziger Konferenz

verwarf nach langen Berathungen die Notkfikationspflicht bei Verlust des Regreßrechts.

Man mußte die Lücke ausfiillen und

griff, wieder nach langen Berathungen, zur besonderen Verjäh­ rung der Regreßklagen — wie es bei aufmerksamer Prüfung

scheinen will, eher in dem Bewußtsein, daß man Bestimmungen

treffe, deren rechtliche Konsequenz aus grundlegenden Prinzipien sich nicht ergebe, wie daß man dadurch ein grundlegendes Prinzip unterstütze.

Ist denn in Wirklichkeit der Art. 79 nothwendige Konsequenz,

oder nur übereinstimmend mit der Theorie unserer Entscheidungs-

*) In den Motiven znm Pr. Entwürfe näher ausgesührt. Wie die Bestimmung des Art.iM W. O. mit der grundsätzlichen Auffassung der Natur der Wechselobligatiou (Solidarität und nicht Korrealität auf Seiten

der Verpflichteten) übereilt stimmt, ist in der Entsch. des 9t. O. H. G. vom 16. Mai 1874 (B. XIII, S. 267) entwickelt.

59 gründe? Im Hinblick auf die alte Rechtsregel : Toties praescribitur etc. möchte der Zweifel gegründet sein, ob es nicht für

diese Theorie richtiger wäre, den Beginn der Verjährung von dem Momente an, wo es nur noch „von der Willkür des In­

dossanten abhängt, sein Forderungsrecht zu verwirklichen", also auch von der Fälligkeit des Wechsels an zu datiren.

Wenn dies

aber nicht zutreffend wäre, so ist doch nicht einzusehen, wie das

auf dem Boden der Theorie unserer Entscheidungsgründe stehende Gesetz nicht den Beginn der Verjährung von dem Momente an

rechnen müßte, wo sich durch Bethätigung der Willkür die Vor­

aussetzung des Vollerwerbs der Forderung verwirklicht, sondern gegebenen Falls von Behändigung der Klage auf Einlösung ab. In diesem Akte ist keinerlei auf Wiedererwerb des Ausübungs­

rechts gerichtete Erklärung des Indossanten enthalten; das Gesetz verknüpft hiermit auch nicht die Folge des Wiedererwerbs dieses

Rechts : also wäre die Bestimmung selbst eine völlig willkürliche1), außerhalb des Systems stehende — oder : der Gesetzgeber ist

gar nicht jener Theorie gefolgt. — Dem schwersten Einwande, den man gegen die Argumentation des R. O. H. G. vorbringen

könnte, wird in der Begründung selbst, allerdings ohne Be­ gründung, begegnet : „Aus dem Grunde, daß ähnliche Bestim­

mungen dem Acceptanten gegenüber nicht gelten — Art. 77

W- O. — ist nicht argumento e contrario eine abweichende Behandlung des Verhältnisses des einlösenden Indossanten dem

Acceptanten gegenüber zu folgern."

Man muß dem gegenüber

dennoch diesen Einwand erheben; denn es ist nicht abzusehen, wie der Gesetzgeber, wenn er das Forderungsrecht des Indossanten

dem Acceptanten gegenüber in seinem Entstehen, Bestehen und

Inkrafttreten ebenso beurtheilt,

wie

das Forderungsrecht des

Indossanten dem Vordermann gegenüber, so prinzipiell verschiedene

Regeln bezüglich der Verjährung beider Forderungsrechte auf-

*) Die Entscheidung des R. O. H. G. vom 14. September 1877 (B. XXII, S. 413) erklärt die Bestimmung „nur aus praktischen Rücksichten."

60 stellen könnte.

Es war auf der Leipziger Konferenz'), wiederum

lediglich unter Hinweis auf praktische, aus

dem Vorschläge zu

erzielende Resultate, allerdings beantragt, wegen der Ansprüche

gegen den Acceptanten ähnliche Bestimmungen, der Regreßklagen zu erlassen.

wie bezüglich

Gerade aus prinzipiellen Gründen

wurde dem von wissenschaftlichster Seite widersprochen, die nicht anstand, als verwerfliche Konsequenz zu nennen, „daß man dann

im Wechselrechte gar keine feste allgemeine Verjährungszeit haben würde, sondern diese immer nur zwischen zwei Wechselverbundenen Dabei wurde von anderer Seite bemerkt, „daß

laufen würde."

eine solche Gleichstellung des Acceptanten mit dem Indossanten

rücksichtlich der Verjährungszeit nicht zu rechtfertigen sei, indem im Regreßgange

allerdings

eine Reihe successive entstehender

Klagen vorliege, während in Bezug auf den Acceptanten von einem bestimmten Zeitpunkte an actio nata sei und eine Ver­

änderung in Betreff der zu dieser Klage berechtigten Personen nicht wohl am Fortlaufe der Verjährung etwas ändern könne."

Einen solchen

Unterschied aufzustellen — es scheint

dies die

Ansicht der Mehrheit gewesen zu sein — wäre falsch gewesen,

wenn man der Ansicht unserer Entscheidungsgründe über Ent­

stehung der Rechte der Indossanten und über die Natur des Indossaments

gehuldigt

hätte.

Die gemachte Unterscheidung

zwischen der Wechselklage gegen den Acceptanten und der Regreß­

klage weiset aber auf

das Bestimmteste darauf hin,

welchen

Charakter die für die Regreßklagen vorgeschriebene Verjährung

hat.

Es handelt

sich um eine Bestimmung formalen Rechts,

die an Stelle anderer formaler Vorschriften (Notifikation) ge­ treten ist; es handelte sich für den Gesetzgeber um einen doppelten Schutz des Indossanten : nicht nur gegen die gegen ihn ge­

richtete Klage seines Gläubigers, sondern auch für die ihm zu­ stehende Klage gegen seinen Schuldner.

Der letztere Zweck ist

ein erhaltender, welcher an sich außerhalb des Rahmens dessen liegt, was die Verjährung ihrem Begriffe nach leisten kann.

*) XXX. Protokoll (S. 204 f.).

61 Dadurch ergiebt sich schon die Unmöglichkeit, auf diese Verjährung

die für

die Verjährung im Allgemeinen geltenden rechtlichen

Grundsätze zur Anwendung zu bringen; darum sollte man es umgekehrt unterlassen, aus den positiven Bestimmungen über

diese Verjährung unter Zuhülfenahme allgemeiner Rechtsgrund­ sätze auf die Natur des von ihr betroffenen Rechtsverhältnisses

zu schließen. 6) Endlich berufen sich unsere Entscheidungsgründe noch

auf Art. 26 und 29 W. O. — Auch hier wollen die Ent­ scheidungsgründe die Thatsache, daß gegen den Acceptanten ohne Besitz des Wechsels Sicherheit nicht gefordert werden kann, als

Gegengrund gegen die Richtigkeit der Folgerung, daß der Gesetz­

geber, der gegen den Regreßschuldner die Sicherheitsforderung lediglich unter Vorzeigung des Protestes gestattete, der Offerten-

Theorie über das Indossament gefolgt sei, nicht zulassen.

Auch

hier fehlt es in den Motiven zum Pr. Entwürfe sowie in den

Verhandlungen der Konferenz an einem Ausspruche, welcher den Schlußfolgerungen unserer Entscheidungsgründe zur Stütze dienen könnte.

Mußte der Gesetzgeber, wenn er dem Indossanten die

Forderung auf Sicherheitsleistung gegen seinen Vormann auch

ohne Besitz des Wechsels gestattete, den Indossanten als Wechsel­ gläubiger seines Vormannes ansehen?

Es bestehen doch zwischen den Solidarschuldnern noch eine

Menge rechtlicher Beziehungen, welche der Gesetzgeber (wie auch in der Konferenz ausgesprochen wurde) für genügend ansehen

mochte, um ohne Bestehen einer Wechselforderung und nur im Hinblick auf die Möglichkeit, daß der Eine Wechselgläubiger des

Anderen werden kann, dem Ersteren gegebenen Falls das Recht zuzusprechen, Sicherheit fordern zu dürfen.

Vielleicht wird man

darauf verweisen dürfen, daß allgemeine Rechtsshsteme (so das

A. L. R. in I, 14, §§. 384, 357 ff.) dem Rückbürgen dem Haupt­ bürgen gegenüber ebenfalls ein Recht auf Sicherheitsbestellung

gewähren, ob zwar zwischen ihnen beiden zur Zeit weder ein

Forderungsrecht noch

stehen.

überhaupt kontraktliche Beziehungen be­

62 §. 8.

Das Gesetz und seine Entstehung sprechen für die Ueber« Iragungs-Theorie. Die Entscheidungsgründe haben aus dem Gesetze auf die Richtigkeit ihrer Theorie zu folgern gesucht.

Für keine Theorie

aber sprechen mehr Wortlaut und Sinn des Gesetzes wie für

die Uebertragungs-Theorie. Art. 9 W. O. sagt : „Der Remittent kann den Wechsel an einen Anderen durch Indossament übertragen."

Art. 10 : „Dnrch das Indossament gehen alle Rechte aus

dem Wechsel auf den Indossatar über." Art. 17 : „Das Procura-Indossament überträgt das Eigen­

thum an dem Wechsel nicht," oder positiv : das Voll-Indossament überträgt das Eigenthum an dem Wechsel. Wer überträgt und an wen wird übertragen? Art. 9 sagt

es ja : durch das Indossament überträgt der Remittent an einen

Anderen.

Was? Art. 17 giebt die Antwort : das Eigenthum

an dem Wechsel.

Was hat man hierunter zu verstehen? Nicht

das Eigenthum an dem Wechselpapier; denn die Verhandlungen der Konferenz lassen solche Annahme nicht zu, und sie ist aus­

geschlossen, wenn man Art. 17 mit Art. 10 zusammenstellt. Hier ist die Wirkung des „Indossament"

genannten Rechtsge­

schäfts bestimmt : durch das Indossament gehen alle Rechte aus

dem Wechsel auf den Indossatar über.

Nur diese Wirkung und

nicht eine andere kann der Gesetzgeber gemeint haben, wenn er in Art. 17 verordnet, was für das Procura-Indossament im

Hinblick auf die von ihm bestimmten Wirkungen des Voll-Jndossaments gelten soll, und was nicht.

Der Remittent überträgt

also durch das Indossament an einen Andern das Eigenthum an den Rechten aus dem Wechsel.

Eigenthum ohne Beziehung

auf eilte Person ist undenkbar, und hier kann es auf keinen

anderen bezogen werden, wie auf den Indossanten.

Daher wäre

als Inhalt des Art. 10 gegeben, daß durch das Indossament alle Rechte des Indossanten aus dem Wechsel auf den Indossatar

63 übergehen.

Stellt man aber die drei Artikel zusammen, so wird

man zu folgender Definition gelangen : Das Indossament ist ein Vertrag,

durch welchen der Remittent einem Anderen das

Eigenthum seiner Rechte aus

dem Wechsel überträgt.

Diese

Definition stimmt ihrem Wortlaute nach mit dem §. 376 A. L. R. I,

11 überein, soweit darin der Inhalt des Cessionsvertrages be­ stimmt wird.

Aber man hält lediglich für ein Vergessen T), daß in Art. 17

W. O. das Wort „Eigenthum" stehen geblieben sei und spricht deshalb einer Folgerung dieser Bestimmung

auf die Natur des Indossaments aus

jede Berechtigung ab.

So blieben

noch

Art. 9 und 10*2), und die Grundlage für die Entscheidung, ob

aus diesem eine Schlußfolgerung für die Uebertragungs-Theorie gezogen werden dürfte, ist die auch zu Anfang unserer Entschei­

dungsgründe aufgestellte, aber mit kurzen Worten als klarliegend

0 So bei der Mehrzahl der Theoretiker wiederholt. 2) Auch diese werden freilich für gänzlich bedeutungslos für eine Theorie

gehalten; beispielsweise aus folgenden Gründemvon Volkmar und Löwy (bei Goldschmidt, Zeitschrift B. III, S. 128) : „denn trotz Art. 9 der

W. O. kann der Wechsel auch ohne Giro übertragen werden; trotz Art. 10 aus

dem vom Indossatar nicht

besessenen Wechsel auf diesen übergehen lassen."

Ueber den ersten Satz als

kann das Indossament allein

Beweis

kein Recht

gegen die Uebertragungstheorie sind nicht viel Worte zu verlieren.

Der zweite Satz ist an anderer Stelle (Wechselrecht §. 29, S. 59 und S. 65

sub 8) näher dahin entwickelt : „Ist der Zweck des Indossaments die Rechts­ übertragung, so ist d i e Forderung unwiderleglich, daß das Mittel, das Giro,

diesen Zweck nun auch vollständig deckt und erreicht.

Sache ist just die umgekehrte.

Die wirkliche Lage der

Das Indossament genügt nicht, um die Rechte

aus dem Wechsel zu beanspruchen.

Entscheidend ist der Besitz des Wechsels,

und so entscheidend, daß der Schuldner nicht berechtigt ist, demjenigen Besitzer

die Zahlung vorzuenthalten, von dem er weiß, daß nicht ihm, sondern einem Andern der Wechsel durch Blanko-Giro übertragen wurde."

Dem gegenüber

ist nur auf die Gründe der Entscheidungen des R. O. H. G. vom 28. October 1873 (B. XI, S. 250) und R. G. vom 10. December 1880 (B. III, S. 326) zu verweisen, in denen dargelegt ist, daß und weshalb bei der Session

der Wechselforderung gleichfalls die Cessionserklärung allein ohne Uebergabe der Urkunde den Cessionar zum Forderungsberechtigten nicht machen könne. Und darum ist die Session doch gewiß Session geblieben!

64





zurückgewiesene Frage : ob nach der Meinung des Gesetzgebers der Indossant seine Rechte überträgt (Art. 9), ob die Rechte des Indossanten auf den Indossatar übergehen (Art. 10).

Bleiben wir nunmehr bei dem Gesetze und seiner Entstehung. Der Pr. Entwurf enthielt an Stelle der Art. 9 und 10

W. O., soweit sie hier in Frage kommen, folgende Bestimmungen. §. 10 : „Der Remittent kann seine Rechte aus dem Wechsel

übertragen."

§. 11 : „Durch das Indossament gehen alle Rechte

des Indossanten aus dem Wechsel auf den neuen Eigenthümer über." Die Rechtsanschauung

unserer Entscheidungsgründe

über

die Natur des Indossaments dulden keine dahin lautende Be­ stimmung, daß der Indossant seine Rechte übertrage.

Der

Pr. Entwurf enthält also in seinem Texte das direkte Zeugniß gegen diese und für die Uebertragungs-Theorie.

Wir fragen

weiter, ob die Leipziger Konferenz, als sie den Art. 9 und 10

ihre Gesetzes-Fassung gab, bewußt wurde,

beabsichtigte

oder sich

dessen nur

daß sie die Uebertragungs-Theorie verlasse und

einer anderen Theorie Raum schaffe, welcher die Unmöglichkeit

einer Uebertragung der Rechte des Indossanten auf den Indossatar

als Grundstein dient.

In dem VI. Protokolle der Leipziger

Konferenz *) liest man über die Berathungen, aus welchen diese

vermeintlich wichtige Aenderung des Pr. Entwurfs hervorgegangen

ist, folgendes : „Außerdem ward zum §. 10 noch für die Redac­ tion in Vorschlag gebracht, statt der Worte „„seine Rechte"" die Worte : „„die auf dem Wechsel beruhenden Rechte"" zu setzen,

um auszudrücken, daß der Indossatar dnrch die wechselmäßige Uebertragung alle aus dem Inhalte des Wechsels hervorgehenden Rechte selbstständig und unabhängig von dem persönlichen Rechts­ verhältnisse erwerbe, welches zwischen dem Aussteller und anderen

Vormännern des Indossatars

stattfinde.

Gleichergestalt ward

zum §. 11 in Vorschlag gebracht, die Worte „„des Indossanten""

*) S. 23 a. E. der Leipziger Ausgabe.

65 Es hat keine

und „„neuen Eigenthümer"" fallen zu lassen')."

Abstimmung über diese Aenderung stattgefunden;

es ist keine

Aeußerung in dem Sinne gefallen, daß man mit dieser Aende­ rung einer Auffassung, welche in dem Indossamente eine Ueber-

tragung von Rechten annimmt, entgegentrete.

In seiner Fassung

und in seinem Inhalte und in der stillschweigenden, gleichsam selbstverständlichen Annahme, sollte man vielmehr glauben, eine

direkte Anerkennung dafür finden zu können, daß die Versammlung, wenigstens in ihrer Majorität, nicht meinte, prinzipiell von dein Pr. Entwürfe abweichende Grundsätze über die Natur des In­

dossaments aufzustellen.

Der Vorschlag selbst aber, welcher die

Aenderung einleitete, spricht noch von einer im Indossamente enthaltenen „wechselmäßigen Uebertragung."

der Rechte aus dem Wechsel.

Wessen? Doch eben

„Der Indossatar

Rechte aus dem Wechsel durch Uebertragung."

erwirbt die

Es haben also

die Rechte vorher bestanden, und mithin waren es die Rechte des Indossanten, welche auf den Indossatar übergegangen sind. Man darf deshalb wohl folgern,

daß die Majorität der Ver­

sammlung sich in grundsätzlichen Gegensatz zu dem Pr. Entwürfe

nicht setzen wollte, daß man allein eine schärfere Hervorhebung der Grundsätze beabsichtigte, welche der Pr. Entwurf bezüglich der rechtlichen Natur des Indossaments bereits anerkannt hatte, nämlich betonen wollte, „daß der Indossatar die aus dem Wechsel hervorgehenden Rechte selbstständig und unabhängig von dem

persönlichen Rechtsverhältnisse

erwerbe, welches

Indossanten und seinen Vormännern stattsinde."

zwischen dem

Dasselbe findet

sich in den Motiven zum Pr. Entwürfe bereits bezüglich der Wirkungen des Indossaments anerkannt : „daß der Indossatar

nicht lediglich in das Rechtsverhältniß des Indossanten, sondern in

ein

unmittelbares Verhältniß zu

den Wechselverpflichteten

eintritt, daß demnach die Rechte aus dem Wechsel nicht so, wie

sie durch persönliche, besondere, außerhalb des Wechsels liegende

*) Mit dieser Aeußerung soll nach Volkmar und Löwy (Wechselrecht S. XVII) die Konferenz die Uebertragungstheorie gänzlich verurtheilt haben.

5

66 Rechtsverhältnisse modisicirt waren, sondern als selbstständige,

von den besonderen Verhältnissen des Indossanten unabhängige, lediglich durch den Wechsel bestimmte und unmittelbar gegen

die Wechselverpflichteten gerichtete Rechte

auf den Indossatar

übergehen, und diesem daher auch keine Einreden aus der Person

des Indossanten brachte der

entgegengesetzt

können."

werden

Veränderungs-Vorschlag

im

Eben dies

Gesetze schärfer zum

Ausdruck und wich hiermit von den Grundsätzen des Pr. Ent­ wurfs nicht nur nicht ab, sondern bestätigte dieselben durchaus ’).

Mit gutem Grunde läßt sich sonach annehmen, daß die Konferenz nicht an dem Grundsätze des Entwurfs, daß eine

Uebertragung von Rechten stattfinde, und zwar, daß der Indossant seine Rechte übertrage, gerüttelt hat.

Sie ließ es sich freilich

angelegen sein, den von den Motiven schon scharf hervorgehobenen vermeintlichen Gegensatz zwischen Indossament und Session in einer Weise in den Vordergrund aller Besprechungen zu stellen,

daß sie damit die Subsumirung des Indossaments unter den

allgemeineren Begriff der Cession ihrer Ansicht nach unmöglich gemacht hat.

Man sprach ausdrücklich aus2) : „Indossament

und Cession wären, wie solches in den Motiven des Entwurfs zugegeben werde, in ihrem inneren Wesen von einander ver­

schiedene Dinge.

Es sei eine irrige Theorie, daß der eigentliche

Kern des Indossaments eine Cession sei, und dieser Kern jedes­

mal da hervortrete, wo die besonderen wechselrechtlichen Ver­ stärkungen und Zuthaten, durch welche er verdeckt sei, hinweg-

*) Auch hierauf hat Ladenburg (im Archiv 92. F. B. VI, S. 126 ff.) Thöl und

Fontenay gegenüber bereits aufmerksam

gemacht : „Es fei

nicht richtig, daß die Leipziger Konferenz sich ausdrücklich gegen die Unter­ stellung der Succession in die Rechte des Indossanten verwahrt habe.

Nach

dem Wortlaute der Protokolle habe nur ausgedrückt werden sollen, daß der

Indossatar selbstständig und unabhängig von dem persönlichen Rechtsver­

hältnisse, welches

zwischen dem Aussteller uud den Vormännern des In­

dossatars stattfinde, alle aus dem Inhalte des Wechsels hervvrgehenden Rechte erwerbe."

8) VII. Protokoll, S. 26 a. a. O.

67 fielen."

Man suchte im Voll-Indossament die unterschiedlichen

Merkmale von der Cession aufs Schärfste hervorzuheben und man vermied beim Nach-Jndossamente der

protestirten Tratte

auf das Aengstlichste jede „Bezugnahme auf die Cession", ob

man gleich einstimmig bejaht hatte

„daß der Nach-Jndossatar

gleich einem Cessionar den Regreß ergreifen dürfe" und that­

sächlich die Wirkungen dieses Nach-Jndossaments

so bestimmt

hat, daß in der Theorie fast Uebereinstimmung über die recht­

liche Natur dieses Indossaments

als einer Cession besteht2).

Man hat die Thöl'sche Ansicht, das Indossament enthalte einen neuen Zahlungsauftrag, von der Hand gewiesen2); man hat

die Einert'sche Ansicht, das Indossament enthalte nichts außer einer Bürgschaft, geradezu verworfen4); aber man hat sich gegen

keine Theorie in dem Maße ausdrücklich abwehrend verhalten, wie gegen die C e s s i o n s -Theorie.

Dies aber lag in der Natur

der Sache; denn die damals herrschende Auffassung der recht­ lichen Natur des Cessionsvertrages bedingte nach den Beispielen

von Einert und den Motiven eine solche Frontstellung.

Aner­

kennen, daß Indossament und Cession zusammenfielen, bedeutete sür die Konferenz Verleugnen der wesentlichsten Errungenschaft, nämlich

der Unabhängigkeit des Wechselversprechens von den

unterliegenden Verhältnissen.

Tenn man faßte die civilrechtliche

Cession nicht auf als eine Singular-Succession in die Forderung,

betrachtete vielmehr den Cessionar als den procurator in rem suam, der die Rechte seines Cedenten geltend mache, und konnte in Folge dessen eine Cession des Wechselversprechens unabhängig

*) a. a. O. S. 28.

e) Auch vom R. O. H. G. durchweg anerkannt. Vergl. z. B. Entsch. vom 6. December 1872 (B. VIII, S. 167), vom 18. September 1872 (SB. VII, S. 120) u. a.

’) a. a. O. S. 27. *) Wiederholt

durch Aufnahme

widersprechender Bestimmungen und

Zurückweisung gestellter Anträge. Die gründlichste Widerlegung der Einertschen fund Thöl 'scheu) Theorie aus dem Gesetze findet sich bei Bi euer

in den wechselrechtlichen Abhandlungen III (und II).

68

von den Beziehungen, welche zwischen dem Indossanten und seinem Schuldner bestanden hatten, nicht zugeben, ohne durch solche Auffassung die Valuta-Clausel, welche man eben aus dem

Wechsel beseitigt hatte, durch eine andere Thür wieder hinein zu bringen.

Daß die Motive zum Pr. Entwürfe wegen dieser Auffassung der rechtlichen Natur der Cession Indossament und Cession für grundverschiedene Dinge erklärten, steht an der Spitze der Be­

trachtung derselben über den rechtlichen Charakter des Indossa­ ments.

Es heißt : „Das Indossament sei eine der Arten, den

Wechsel mit

den

daraus

hervorgehenden Rechten

gegen

die

Garanten desselben zu übertragen; hierin sei das Indossament der Cession verwandt; es unterscheide sich aber von dieser wesent­

lich dadurch, daß der Indossatar nicht lediglich in das Rechts­ verhältniß des Indossanten, sondern in ein unmittelbares Ver­

hältniß zu den Wechselverpflichteten eintrete."

An diesem Unter­

schiede, als dem wesentlichen, dessen praktische Konsequenz sein

„daß der

soll, gegen

Cessionar im Unterschied vom Indossatar die

den Cedenten

begründeten Einreden

gegen

sich gelten

lassen müsse", ist von den Motiven festgehalten worden (man vergleiche nur die Motive zu §. 16), aber ebenso konsequent

ist

überall wiederholt

worden, was

von der Verwandtschaft

zwischen Cession und Indossament gesagt worden war, nämlich,

daß durch Beide von einer Person auf die andere Rechte über­ tragen werden.

In den Berathungen der Konferenz ist dieselbe

Auffassung wiederholt zu Tage getreten. des Vorschlags,

So bei Gelegenheit

welcher die Veränderungen der §§. 10 und 11

des Entwurfes zur Folge hatte, so bei Berathung des §. 16 J). Der Referent bemerkte, „daß, wenn in dem Entwürfe dem Giro nach Verfall die Wirkung einer Cession beigelegt werde, damit namentlich gesagt sein würde, daß derjenige, welcher aus

einem ihm nach Verfall girirten Wechsel Ansprüche erhebe, sich dieselben Einreden gefallen lassen müsse, welche gegen den Cedenten

>) VII. Protokoll, a. a. O. S. 26.

69

geltend zu machen gewesen wären."

Vorgeschlagen wurde, dem

§. 16 folgende Fassung zu geben : „Das nach Erhebung des Protestes Mangels Zahlung geschehene Indossament hat keine

andere wechselrechtliche Wirkung, als daß

die Rechte des

Indossanten auf den Indossatar übergehen."

Einen offen­

baren Beweis dafür, daß man auf diesem Standpunkte beharrte:

Verwandtschaft zwischen Cession und Indossament eben in der beiden gemeinsamen Rechtsübertragung, wesentliche Verschieden­ heit in der Abhängigkeit der Rechte auf der einen, in der Selbst­

ständigkeit der Rechtsstellung des Indossatars auf der anderen

Seite, liefert die Aufnahme des Art. 82 in das Gesetz.

In der

That sagt Thöl sehr konsequentl), daß nach seiner Lehre der

Art. 82 vollständig überflüssig gewesen wäre.

Wir sahen, wie

nach der von unseren Entscheidungsgründen vertretenen Ansicht

eher Bestimmungen nothwendig gewesen wären, welche für ge­ wisse Fälle die Zulässigkeit von Einreden aus den rechtlichen

Beziehungen zwischen Indossant und Indossatar statuirten.

9iur

für den, der die Verwandtschaft von Indossament und Cession

zwar anerkennt, aber leugnet, daß die Cession eine Sondernach­

folge in die Forderung bewirken könne, ist eine Bestimmung, wie sie Art. 82 der W. O. trifft, Bedürfniß.

Bei der Meinung der Konferenzmitglieder von der recht­ lichen Natur der Cession sah man mit Recht durch die Unter­

stützung der

Cessions-Theorie

die wesentlichste Errungenschaft

der neuen Gesetzgebung gefährdet : die Gesetze von der Unab­ hängigkeit der Wechselforderung von dem unterliegenden Vertrage.

Ist eine Sonder-Nachfolge in die Forderung undenkbar, reprä-

sentirt der Cessionar nur die Stellung des Cedenten, macht dessen Recht gegen den Schuldner geltend, dann freilich ist eine

Cession der Wechselforderung, der durch die Valuta-Clausel nicht gehemmten Wechselforderung, undenkbar.

Auch nach dieser Rich­

tung hin fehlt es nicht an Aussprüchen der Konferenzmitglieder.

Es wurde einer Aeußerung in diesem Sinne schon erwähnt.

*) S. oben S. 27.

70 welche sich über die irrige Meinung verbreitet, daß beim Wegfall

der besonderen wechselrechtlichen

Verstärkungen und Zuthaten

als Kern des Indossaments eine Cession zurückbleibe — nämlich eine Cession der zwischen dem Indossanten und seinem Schuldner verbliebenen Forderungs- und Schuldverhältnisse.

Eine Cession

der abstrakten Wechselforderung kam nicht in Frage, weil eben nach Ansicht der Konferenz durch die Cession ihrer Natur nach

der Cessionar in das persönliche Nechtsverhältniß, welches zwischen dem Cedenten und dem Schuldner bestand,

eintreten müßte.

So verband man. mit dem Begriff der Cession an sich eine Wirkung, die für die Wirkung des Indossaments keinen Raum

ließ, und konnte von diesem Standpunkte aus die Anhänger der Cessions-Theorie mit dem Vorwurfe treffen ’) : „Nach dem vom Entwurf befolgten richtigen Systeme werde man nicht daran denken, nach erloschener Wechselkrast den Wechsel als Schuld­ schein und die Indossamente als Cessionen zu betrachten."

Man

hatte die Wechselforderung durch Ausstoßung der Valuta-Clausel

als nothwendigen Bestandtheils aus den ihren freien Umlauf hemmenden Fesseln herausgehoben und ihr eine gesonderte Exi­

stenz von dem anderen Vermögen verliehen, eben zu dem Zwecke, sie übertragbar zu machen.

Indem man dann bei der Mühlen-

bruch'schen Theorie über das Wesen der Cession stehen blieb,

mußte man dieselbe zur Übertragung der abstrakten Wechsel­ forderung für unfähig befinden.

Deshalb war das Rechtsge­

schäft, welches nach altem Brauche die Wechselforderung übertrug und durch die Stelle,

wo es beurkundet wurde, sich einen be­

sonderen Namen erworben hatte, insofern es das leisten konnte,

was

die Cession nicht bewirkte,

von

dieser grundverschieden.

Nachdem aber der Wechsel protestirt worden ist und die den

Transport der Wechselforderung als einer abstrakten ermöglichende Eigenthümlichkeit nicht mehr besteht, die Wechselforderung viel­ mehr wie jede andere ein Vermögensstück des jeweiligen Gläubigers

geworden ist, stellt man unbedenklich den Uebertragungsakt in

*) XXVIII. Protokoll, a. a. O. S. 192.

71 seinen Wirkungen und begrifflich als mit der Session gleichbe­ deutend zusammen.

Es hält schwer zu rechtfertigen, wie dasselbe

Rechtsgeschäft in einem Falle unter den Begriff der Cession zu

stellen, im anderen von derselben grundsätzlich zu unterscheiden

sein soll x). §• 9.

Die Uebertragungs-Theorie in der Doktrin. Wenn man den neuesten Theorieen über die rechtliche Natur

des Indossaments folgt, so haben wir in der Wechselordnung

drei ihrem Wesen nach

verschiedene Rechtsgeschäfte, welche sich

unter diesem selben Namen verbergen : das Voll-Indossament, das Nach-Jndossament der protestirten Tratte, das Procura-Indossa­

ment.

Folgt man der Theorie unserer Entscheidungsgründe, so

muß man das Indossament ohne Obligo noch dazu als besonderes

*) Bezüglich des Nachindossaments der Protestirten Tratte bemerkt Thöl (§. 128, S. 488) : „Ein Indossament kann gar nicht Cession sein, aber es

kann bei einer unterliegenden Cession die Form des Indossaments gebraucht werden, damit diese den Zwecken der Cession dienstbar werde."

Man kann

dahingestellt sein lassen, ob es denn eine Form giebt, welche als solche den

Namen Indossament führt, und ob unter der Form, welche Thöl (§. 115) für das Indossament

anerkennt,

— in §. 111, S. 418 vermeidet er, sich

hierüber zu erklären — sich überhaupt Cession verstecken könnte.

Jedenfalls

bezeichnet das Gesetz in Art. 16, Abs. 2 ein Rechtsgeschäft, nennt das­ selbe : „Indossament" und bestimmt seinen Inhalt anerkanntermaßen dahin, daß es mit „Cession" gleichbedeutend ist.

Förmlich im Cirkel bewegt sich Wolff : „Das Indossament nach Ver­

fall" (im "Archiv B. XIII, S.

137 ff.).

Er würde für sehr

bedauerlich

halten, wenn es im Gesetze hieße : das Indossament nach Verfall sei Cession.

Man hätte dann nach

seiner Ansicht (die allerdings konform ist den oben

citirten Aussprüchen der Konferenzmitglieder)

Wechsel nach Verfall nur noch die Kraft

habe.

auch setzen können, daß der

eines gewöhnlichen Schuldscheins

Schließlich indeß erklärt er das Indossament des Art. 16, Abs. 2 als

gleichbedeutend mit der

Cession, und meint nun,

daß diese Bestimmung

höchst inkonsequent und dem Geiste des Wechselrechts zuwider sei, daß sie füglich mit den Konferenzprotokollen nicht in Einklang zu bringen, aber ein­

mal vorhanden und nicht anders deutbar sei.

71 seinen Wirkungen und begrifflich als mit der Session gleichbe­ deutend zusammen.

Es hält schwer zu rechtfertigen, wie dasselbe

Rechtsgeschäft in einem Falle unter den Begriff der Cession zu

stellen, im anderen von derselben grundsätzlich zu unterscheiden

sein soll x). §• 9.

Die Uebertragungs-Theorie in der Doktrin. Wenn man den neuesten Theorieen über die rechtliche Natur

des Indossaments folgt, so haben wir in der Wechselordnung

drei ihrem Wesen nach

verschiedene Rechtsgeschäfte, welche sich

unter diesem selben Namen verbergen : das Voll-Indossament, das Nach-Jndossament der protestirten Tratte, das Procura-Indossa­

ment.

Folgt man der Theorie unserer Entscheidungsgründe, so

muß man das Indossament ohne Obligo noch dazu als besonderes

*) Bezüglich des Nachindossaments der Protestirten Tratte bemerkt Thöl (§. 128, S. 488) : „Ein Indossament kann gar nicht Cession sein, aber es

kann bei einer unterliegenden Cession die Form des Indossaments gebraucht werden, damit diese den Zwecken der Cession dienstbar werde."

Man kann

dahingestellt sein lassen, ob es denn eine Form giebt, welche als solche den

Namen Indossament führt, und ob unter der Form, welche Thöl (§. 115) für das Indossament

anerkennt,

— in §. 111, S. 418 vermeidet er, sich

hierüber zu erklären — sich überhaupt Cession verstecken könnte.

Jedenfalls

bezeichnet das Gesetz in Art. 16, Abs. 2 ein Rechtsgeschäft, nennt das­ selbe : „Indossament" und bestimmt seinen Inhalt anerkanntermaßen dahin, daß es mit „Cession" gleichbedeutend ist.

Förmlich im Cirkel bewegt sich Wolff : „Das Indossament nach Ver­

fall" (im "Archiv B. XIII, S.

137 ff.).

Er würde für sehr

bedauerlich

halten, wenn es im Gesetze hieße : das Indossament nach Verfall sei Cession.

Man hätte dann nach

seiner Ansicht (die allerdings konform ist den oben

citirten Aussprüchen der Konferenzmitglieder)

Wechsel nach Verfall nur noch die Kraft

habe.

auch setzen können, daß der

eines gewöhnlichen Schuldscheins

Schließlich indeß erklärt er das Indossament des Art. 16, Abs. 2 als

gleichbedeutend mit der

Cession, und meint nun,

daß diese Bestimmung

höchst inkonsequent und dem Geiste des Wechselrechts zuwider sei, daß sie füglich mit den Konferenzprotokollen nicht in Einklang zu bringen, aber ein­

mal vorhanden und nicht anders deutbar sei.

72 Rechtsgeschäft rechnen; es fehlt diesem, soweit es sich um ein Rechtsgeschäft zwischen Indossant und Indossatar handelt, eigent­

lich an jedem Inhalte.

Müßte schon merkwürdig erscheinen,

wenn der Gesetzgeber unter derselben Bezeichnung in dem­

selben

Abschnitte

ihrem

Wesen

nach

so

grundverschiedene

Rechtsgeschäfte unter fortwährender Beziehung des einen auf das andere zusammengestellt hätte, so wäre doch noch auffallender,

daß Verkehr und Gewohnheit dieselben unter dem einheitlichen

Namen ausgebildet und zusammengefaßt haben könnten.

Aller­

dings ist ihnen gemeinsam, daß sie sämmtlich von Anfang an

auf dem Rücken (in dorso) des Wechsels beurkundet zu werden pflegten; indessen können auch andere Rechtsgeschäfte hier beur­ kundet werden, das Indossament bleibt Indossament, wenn dies

auch nicht geschieht *), und schließlich ist der Name Giro im

Verkehr ebenso gebräuchlich, wie Indossament, dieser Name aber

hat mit der Stelle, wo das Rechtsgeschäft beurkundet wird, nichts zu thun.

Nicht deshalb also kann man bei diesen Rechts­

geschäften den gemeinsamen Namen erklären.

eine bestimmte Form für Alle gilt.

Auch nicht, weil

Wenn Form die äußere

Erscheinung eines Rechtsgeschäfts ist2), so fragt man vergebens

*) Bergt. Volkmar und Löwy bei Goldschmidt, ZeitschriftB. III, S. 130; von Wä chter, Encyklopädie S. 496 u. a. ’) Aus der formalen Natur des Wechsels und der Wechselinstitute er­

klärt Wolff (in dem

oben citirten Aufsatze und auch in einem weiteren

Aussatze im Archiv B. XII, ®. des Indossaments.

127 ff.) alle eigenthümlichen Wirkungen

Er steht hierin nicht allein und Thöl selbst unterstützt

diese Ansicht, wenn er an die Spitze des Kapitels Uber die Legitimation den

Satz stellt : „Die Form ist es, welche legitimirt; sie genügt." lich kann die Form

— die

Grundsätz­

vollendete oder nicht vollendete — bei den

Wechselgeschäften doch wohl keine andere Bedeutung haben, wie überhaupt im Rechte. nur durch

Sie ist der Ausdruck

eines Willens und empfängt ihre Kraft

den hineingelegten Willen.

Es ist nichts außerordentliches, daß

sich bei vollendeter Form ein Dritter gar nicht, einer der Betheiligten nur

unter bestimmten Voraussetzungen darauf berufen kann : es habe der dieser Form entsprechende Wille gefehlt.

Bei mangelhafter Form aber kann diese

doch nur aus dem einen Grunde ein Recht nicht

geben, weil der nicht ge­

hörige Ausdruck des Willens auf den nicht vorhandenen Willen schließen

73 für das Indossament nach einer bestimmten Form, und wer sie gefunden haben will, der frage sich, ob zwischen Voll-Indossament und Procura-Indossament etwa

noch in einem anderen Stücke

Gleichheit der Form existirt, als darin,

die Namensbezeichnungen

daß

der Kontrahenten

beide regelmäßig enthalten.

Was

eigentlich selbstverständlich ist, lehrt die Entstehung und Aus­

bildung des Indossaments, nämlich daß diese sämmtlichen Rechts­ geschäfte in ihrem inneren Wesen verwandt sind und deshalb

naturgemäß unter einen gemeinsamen Namen gehören.

Das in

ihrem Wesen gemeinsame aber ist eben die durch sie alle bewirkte Uebertragung von Rechten.

Die rechtshistorische Forschung bezeichnet in vollster Ueber­ einstimmung unter sich zwei Elemente als dem Indossamente

vom Urbeginn seiner Entstehung an innewohnend : das Trans­

port-Element und das Garantie-Element.

Man streitet, welches

von beiden der Zeit der Entstehung nach das Erste gewesen sei. Das Bedürfniß des Verkehrs soll sich nach den Einen zuerst auf Vermehrung der Garantie, nach

den Anderen zuerst auf

Transportirung der Forderung gerichtet haben. zu dem Resultate : „Es ist

K u n tz e kommt

nicht abzusehen, wie oder warum

die Entwickelung zuerst an dem einen Punkte begonnen haben

läßt. Die Form an sich kann nirgends etwas bedeuten. So sagte auch das R. O. H. G. allgemein : „Eine Wechselerklärung, welche zwar nach der äußern Form sich als Indossament ankündigt, welcher jedoch der Wille, das Eigenthum des Wechsels zu übertragen, nicht zu Grunde liegen kann, ist als ein Indossament im Sinne der W. O. nicht zu erachten." Und wiederholt wird vom R. O. H. G. betont, daß die Form nur deshalb wirken könne, weil ein Wille sie belebt. — Von diesem Gesichtspunkte aus muß auch eine Begründung, wie sie von Wächter (Encyklopädie S. 635 im Texte — anders in Note 7) giebt, gekünstelt erscheinen. Er legt in das Versprechen des Wechselschuldners, in die nicht nothwendig im Wechsel enthaltenen Worte „an Ordre" hinein — als wenn sich jeder Wechselschuldner der Formvorschriften des Art. 36 auch nur bewußt wäre —, daß derselbe nur dem Wechselinhaber Zahlung verspreche, der genau den Formvorschriften gemäß legitimirt sei. Dreht man sich hier nicht wirklich im Kreise herum : Legitimirt ist, an wen der Wechselschuldner als legitimirten Inhaber zahlen wollte? Siehe übrigens von Wächter S. 653.

74 und von diesem aus zu dem anderen gelangt sein sollte; es läßt sich eben keiner der beiden Punkte aus dem anderen entwickeln

und ableiten, vielmehr stehen sie als selbstständige Keime oder

Krhstallisationspunkte ebenbürtig und gleich ursprünglich neben­ Jedenfalls ist ein Rechtsgeschäft, welches eine Ver­

einander."

mehrung der Garantie anders als gleichzeitig mit der Begebung des

Wechsels bewirkt, kein Indossament.

Somit wäre, wenn

nicht das frühere, so doch das Prinzipale beim und im Indossa­ mente der Transport-Effekt. Als die Gesetzgebung das

aus dem Verkehr überkommene

Institut aufnahm, hat sie ihm seine Stelle im Rechtsshsteme ohne Ausnahme unter dem allgemeineren Begriffe der Cession angewiesen ’).

Man stellte indossamentum und cessio als

gleichbedeutend nebeneinander.

Wer den Wechsel durch Trans

portirung erworben hatte heißt „Cessionarius", wenn er durch „bloßer Mandatarius", wenn er nur durch

Voll-Indossament,

Procura-Indossament

hatte.

erworben

Allgemeine

das

Noch

Landrecht spricht in §. 400, 11. Tit., Th. I von der Cession der Wechsel.

Die Verwandtschaft zwischen Cession und Indossa­

ment kommt in den §§. 826, 827, Tit. 8, Theil II in der Weise zum Ausdruck, daß eine Cession von Rechten als regel­

mäßig im Indossament enthalten anerkannt wird.

Bis in dieses

Jahrhundert hinein blieb die Doctrin?) dabei stehen, daß das Indossament in seinem Kern

nichts anderes sei als Cession.

Hierfür kann man sich auf ein Einverständniß der Theorie be­ rufen.

Zum Beispiel von den Gegnern

der Uebertragungs-

Theorie bekennen :

*) Man Bergs.

Leipziger W. O. von

1682,

§. IV, Braunschweiger

W. O. Art. XLII; Brandenburger W. O. §. III;

Chursächsisches Mandat

Born Jahre 1699 u. s. f.

2) Ein

so

gründlicher Forscher und Sammler,

tote Bon Martens

(im „Ursprung des Wechselrechts" S. 69 ff.), steht ohne jedes Bedenken aus

dem Boden der

Cessionstheorie, und es

Zweifel daran, daß die Uebertragung

Zweck des Indossaments gewesen seien.

entsteht bei ihm

auch nicht ein

der Wechselforderung

Grund

und

75 Hoffmann*) : Das Indossament habe ursprünglich eine

Übertragung der Anweisung unter selbstständiger Verpflichtung des Indossanten enthalten.

In sehr später Entwicklung erst sei

der springende Regreß an Stelle des Ordnungs-Regresses getreten. G e l p k e 2)3 ; Daß für die Vergangenheit die Unterordnung des Wechselganges vor und rückwärts unter die Grundsätze der

Übertragung von Schuldforderungen, und des Rechts auf Ge­ währleistung gegen den Wechselgeber als Cedenten unter die all­

gemeinen Bestimmungen von der Cession nicht zu verkennen sei.

Volkmar und Löwy2) : „Man muß zugeben, daß vom Hause aus das Giro mehr oder weniger als Cession, und somit

die Haft als Folge der Eviction aufgefaßt worden ist."

Den

Nachweis, daß man vom Uranfang an die Grundsätze der Cession für das Indossament habe gelten lassen, und daß erst sehr spät aus mißverständlicher Würdigung der Tragweite des Satzes von dem Ausschlüsse

der Einreden

ex persona

indossantis eine

Opposition gegen die Ansicht von der begrifflichen Verwandtschaft zwischen Indossament und Cession großgezogen worden sei, hat

Ladenburg4)* längst erbracht. Bei Biener°) finden wir, daß die ältesten Zeichen von

Indossamenten auf das Procura-Indossament, als das der Zeit nach Erste hindeuten, und daß in dem Vaterlande des Indossa­

ments, in Frankreich, die Auffassung herrschend gewesen fei6), daß Indossament und Cession zusammenfallen.

Bi en er steht

nicht an, diese Auffassung aus der seiner Ansicht nach grund­

falschen Annahme der französischen Juristen zu erklären, daß die Cession eine Sonder-Nachfolge in die Forderung (ohne Mit-

*) Wechsel-Ordnung S. 52 ff. 3) Beiträge rc. S. 53. 8) Bei Goldschmidt, Zeitschrift B. III, S. 131. 4) Vergl. im Archiv B. XIV, S. 172 und öfter. 6) Wechselrechtl. Abhandlungen §. 13 (S. 121 ff.). 6) Daselbst S. 139 und 132 i. f. ff. Die Theorie des franz. Rechts hält daran noch heute fest. bei Löhr, Centralorgan N. F. B. III, S. 327 ff.

Hartmann

76 Wirkung des Schuldners) zulasse —, was er eine Versündigung

an dem römischen Rechte nennt *).

Hierin und hierin allein

sieht er den grundsätzlichen Gegensatz zwischen Indossament und Cession.

In seiner Theorie des Wechselrechts*2)

hält er allen

Gegnern, insbesondere ©inert, entgegen, daß es unrichtig sei, an der Thatsache des Uebergangs der Regreßrechte des Indossanten

zu zweifeln, und erklärt sich durchaus einverstanden mit dem,

was die Motive zum Preußischen Entwürfe über die Verwandt­ schaft von Indossament und Cession sagen.

Es erfüllt sich somit

an ihm, was vom Anfang hier behauptet wurde, daß die Oppo­ sition gegen die Uebertragungs-Theorie von einer grundirrigen

Auffassung über die Natur der Cession ausgegangen ist. selbe wiederholt

sich

bei Kuntze.

Das­

Weil seiner Ansicht nach

obligatorische Verhältnisse unlöslich sind von den Personen des

ursprünglich Berechtigten und Verpflichteten, deshalb ist er grund­ sätzlicher Gegner der Cessions-Theorie.

Aber die Dogmen der

Kreation und Novation verlieren ihre Bedeutung für das In­

dossament, wenn es richtig ist, was Kuntze grundsätzlich ver­ wirft, daß die Forderung übertragbar ist ohne Mitwirkung des Schuldners3). Im Laufe der Entwicklung der neueren, so überaus inhalts­ reichen Forschung über die rechtliche Natur des Indossaments

sieht man

überall als Quelle der Opposition gegen die Ueber­

tragungs-Theorie jene anderweite Auffassung des Charakters der

Cession auftauchen 4). *) s) 3) B. XI,

©inert hatte seiner Zeit die Cessions-

a. a. O. S. 137. Abhandl. IV, S. 423 ff. Ausführlich über die Gegnerschaft Kuntze's Ladenburg im Archiv S. 405, B. XII, S. 253 ff. (im Grunde genommen fei nur der

Wortunterschied vorhanden „„verpflanzt"" und „überträgt") und Replik und Duplik im Archiv B. XIV, S. 1 ff. und 283 ff. 4) Prägnant tritt dies bei Jolly (im Archiv B. IV, S. 374 ff.) her­

vor. Seine ganze Ausführung fußt auf dem Satze (S. 391 das.) : „In eine Forderung ist eine Singular-Succession unmöglich, nur ein ähnlicher

Erfolg kann . . . herbcigeführt werden." Und nun galt es. für ihn zu er­ klären, wie dieser Erfolg beim Indossament herbeigeführt wird, und hieraus wieder die rechtliche Natur des Indossaments zu bestimmen.

77 Theorie aus dem Felde schlagen können, weil eben damals von der Wissenschaft das Resultat der Mühlenbruch'scheu For­ schung : die Obligation sei untrennbar mit den Personen ver­

bunden, zwischen denen sie entstanden ist, anerkannt war.

Wider­

sprüche, wie die, einerseits bei der Uebertragung den neuen Gläubiger klagen zu lassen aus dem Rechte des früheren und

ihn

als eingetreten

in

vorhandene,

fortbestehende

rechtliche

Beziehungen zu betrachten, deren endliche Aufhebung erst ihm

ein eigenes Recht verleihen würde, und andererseits den In­

dossatar als eigenberechtigten Gläubiger hinzustellen, dessen Recht mit den persönlichen Beziehungen des Schuldners zu dem früheren

Gläubiger gar nichts zu thun habe — solche Widersprüche sind unlöslich.

Was half es zu sagen: das Indossament ist eine

Uebertragung mit eigenthümlichen Wirkungen? Die eigenthüm­

lichen Wirkungen waren solche, daß sie die Verwandtschaft auf­

hoben.

Wenn trotzdem das Gesetz sanctionirte, daß durch das

Indossament eine Uebertragung von Rechten bewirkt werde, so

erklärte doch die Doctrin diesen Effekt aus einem anderen Grunde als einer kontraktlichen Uebertragung.

Sie leugnete dieselbe

und setzte an die Stelle der Rechtsübertragung eine Reihe von

anderen Theorien, welche die Lücke auszufüllen bestimmt waren. Aber bei allen diesen Versuchen findet sich immer wieder, daß

es schwer hält, den Buchstaben des Gesetzes sowohl, wie das

nach der Entwickelung des Rechts-Instituts demselben ureigenste

Element zu streichen und anderweit zu ersetzen.

Ueberall scheint

die Uebertragung hervor, freilich nur die Uebertragung, welche

begrifflich eine Sonder-Nachfolge in die Forderung bedeutet. ') G o l d s ch m i d t*2) hat die Uebertragung von der Forderung

*) Daß der Verfasser

im Folgenden weder eine Uebersicht noch eine

Kritik der abweichenden Theorieen zu geben beabsichtigt, braucht wohl nicht

erst erwähnt zu werden.

Seiten oft geschehen.

Beides ist in Lehrbuch und Aussätzen von berufenen

Es soll an einzelnen hervorragenden Theorieen lediglich

versucht werden zu beweisen, was soeben behauptet wurde. 2) In der Zeitschrift B. VI (der Erwerb dinglicher Rechte an Mobilien

S. 225 ff.), S. 314 ff.

78 Das mag zwar dem Buchstaben des

verlegt in die Sache.

Gesetzes entsprechen; ob aber dem Sinne desselben? der Auf­

fassung der berathenden Konferenz? dem wirklichen Inhalte des zu deutenden Rechtsgeschäfts? Nur des letzteren ist hier noch zu

gedenken. Es heißt

also bei Goldschmidt, daß

allerdings eine

Uebertragung durch das Indossament bewirkt werde, nicht zwar der Wechselforderung, sondern des Wechselpapieres.

Die Tra­

dition der Wechselurkunde mit dem Willen, den Erwerber zum Eigenthümer derselben zu machen, bewirke in dem wechselrecht­

lichen Geschäfte des Indossaments, daß nunmehr der Indossatar die Wechselforderung gegen die Wechselschuldner geltend machen

könne.

„In der Uebertragung des Eigenthums der Urkunde

verkörpert sich der Wille des Gebers und Nehmers, daß in der

Person des Letzteren die Wechselforderung (welche übrigens wäh­ rend des Umlaufs „ihre unveränderliche Gestalt, wie sie einmal

durch Ausstellung des Papieres begründet war", behält) zur Entstehung gelange."

Ist dies nicht gleichbedeutend mit : nach

den Willen der Kontrahenten soll die Wechselforderung auf den

Indossatar übergehen ? Freilich ist die Uebertragung der Urkunde nothwendig, um dies zu bewirken, weil in ihr die Wechselforde­

rung verkörpert ist; aber man wird wohl nicht verneinen dürfen, daß der Wille

der Kontrahenten eben auf Uebertragung der

Forderung durch Besitzübergabe der Urkunde (und nach dem

Inhalte des schriftlich beurkundeten Vertrags) gerichtet ist.

So

lange die Uebertragung einer Forderung möglich ist, möchte man

das Rechtsgeschäft

doch

nicht

anders als aus dem erklärten

Willen der Kontrahenten bestimmen können, nämlich als Ueber­

tragung der Wechselforderung. Volkmar und Löwy') sagen : das Indossament ent-

*) Die Entwicklung der Theorie insbesondere in der „Einleitung" zu „Die deutsche Wechsel-Ordnung" (1862). Gegen Volkmar und Löwy aussllhrlich Hartmann in Löhr's Centralorgan N. F. B. III, S. 336 ff. und Hoffmann im Archiv B. VII, S. 482 f. u. a.

79 halte keine Uebertragung, sondern sei in Bezug auf die Trans­ portwirkung nichts anderes, als ein Zeichen der bewirkten Besitz­ entäußerung.

dossament als

Sie definiren nach positiver Seite hin das In­

eine Bürgschaftsleistung,

also

einen Vertrag.

Negativ soll dann das Indossament eben nur Zeichen einer Be­

sitzentäußerung sein.

Man muß wohl beachten, daß nach der

positiven Seite hin von dem Rechtsgeschäft „Indossament",

nach der negativen Seite hin indeß nur von einem Zeichen,

also von der Form „Indossament" geredet wird.

Ist die sicht­

bare Erscheinung, die Form des Indossaments, ein Zeichen be­ wirkter Besitzentäußerung,

so muß dieser Erklärung ein Willen

dessen entsprochen haben, der sie niedergeschrieben hat.

Der

Indossant giebt also in dem Rechtsgeschäfte Indossament die

Willenserklärung ab, daß er sich eines Besitzes entäußere.

Er

giebt diese Erklärung zu Gunsten eines Anderen, welchen er der Regel nach direkt benennt, dem er den Wechsel in die Hand

giebt.

Der Andere will seinerseits den Besitz ergreifen und

nimmt deshalb den Wechsel an.

Begegnen sich hier nicht zwei

Willenserklärungen, die eine auf Besitzentäußerung, die andere

auf Besitzergreifen gerichtet und liegt hierin nicht ein vertrags­ mäßiges Handeln? Es würde sich also noch darum handeln, ob

wir es mit einer vertragsmäßigen Uebertragung des Papieres oder der Rechte aus dem Wechsel zu thun haben — eine Frage,

bezüglich deren man lediglich auf das Gesetz und den faktischen

Inhalt der beiderseitigen Willenserklärungen *) zu verweisen hat.

*) Es sei hierzu erwähnt, daß in einer Entscheidung des R. O. H. G. vom 23. Februar 1875 (B. XVI, S. 149) in Rücksicht auf einen praktischen Fall gesagt wird : „Es ist eine frivole Ausstellung des Beklagten, daß Gegenstand des Kaufs nur das Papier gewesen wäre ohne Rücksicht auf seine rechtliche Geltung als Wechsel." Man mag hieraus doch wohl das

ersehen können, wie wenig eine Theorie, welche als den Prinzipalen Inhalt des Rechtsgeschäfts die Uebertragung des Papiers annimmt, den faktischen Inhalt des Rechtsgeschäfts berücksichtigt. Es heißt in der Entscheidung weiter : „Der Verkäufer (cedirt nicht ein persönliches Gläubigcrrecht, sondern er) soll und will nur die Ansprüche übertragen, welche in dem Wechsel selbst ver­ körpert sind, an ihm haften" rc. Wenn somit positiv behauptet wird, daß

80 Nach Si ebenhaar l) würde das Indossament als Rechts­ geschäft sogar drei einseitige Willenserklärungen enthalten, aber

ein obligatorisches nicht sein.

Nämlich : der Transport-Effekt

des Indossaments ist die Wirkung eines nicht obligatorischen

Rechtsgeschäfts, vielmehr eines Aktes der Entäußerung durch die Uebergabe des Wechsels von Seiten des Veräußerers und Empfang­

nahme von Seiten des Erwerbers.

Es verhält sich damit gerade

so, wie mit der Uebergabe einer körperlichen Sache in der Ab­

sicht, das Eigenthum daran auf den Empfänger zu übertragen

und mit der Empfangnahme derselben in der Absicht, Eigenthum daran zu erwerben.

Außerdem aber vollzieht sich in dem In­

dossament noch eine Wechsel-Operation, eine einseitige Erklärung des Indossanten, daß er gleichfalls Schuldner sei, welche von

Niemand acceptirt wird,

sondern von dem Objekte Wechsel ent­

gegen genommen und seinem Werthe hinzugefügt wird.

Abge­

sehen von diesem letzteren, merkwürdigen Versuch, ein Abhängigkeitsverhtzltniß zwischen Person und Objekt zu konstruiren — richtiger machen Volkmar und Löwh den Wechsel gleich zum

Gläubiger2) — haben wir in den klarsten Worten statt der cessio die traditio.

Die verkörperte Forderung wird zum Körper

und dann steht man nicht an, eine Uebertragung im Indossa­ mente anzunehmen. Auch bei Thöl und seiner Schule findet sich der Anklang

an die Uebertragung. Jolly2),

der

wie Thöl

anmerkt,

der

Thöl'schen

der Verkäufer Ansprüche und keine Sache übertragen wolle und könne, so versetzt doch die weitere Ausführung wieder mitten in die Theorieen von Volkmar und Löwy und Siebenhaar u. a. *) Im Archiv B. XVI, S. 115 ff. Dagegen Hoffmann a. a. O. S. 484 bis 487 und noch ausführlicher Gareis im Archiv B. XVII, S. 266 ff. *) Vergl. Volkmar und Löwy Wechselordnung S. XII sub 5) und hierzu Kuntze im Archiv B. XII, S. 6. •) Im Archiv B. IV, S. 374 und V, S. 37 ff. Dagegen u. a. Hart­ mann in Löhr a. a. O. S. 335 f., Volkmar und Löwy a. a. O. §. 28, S. 55 und noch ausführlicher Ladenburg im Archiv B. XII, S. 263 ff.

81

Theorie durchaus nicht so fern steht, wie er selbst glaubt und behauptet, giebt in der That der Rolle des Indossanten einen so weiten Inhalt,

daß

er seine Theorie der Uebertragungs-

theorie ihrem Wesen nach sehr nahe bringt.

Er sieht mit Thöl

im Indossament ein Wechselversprechen, erkennt aber als das Prinzipale die früher von einem Transporte abhängig gemachte Wirkung.

Diese hält er freilich nicht für Wirkung des Indossa­

ments, sondern für begründet in dem Inhalte des Wechselver­

sprechens, welches nicht einem bestimmten Gläubiger, sondern

Jedem gegenüber abgegeben sei, der in seiner Person die Eigen­ schaften erfülle, an welche nach dem Willen des Schuldners die Gläubigerschaft geknüpft sein sollte.

Nun fällt dem Indossa­

mente die Aufgabe zu, den Gläubiger zu individualisiren.

Der

Wechselnehmer ist berechtigt, durch Erfüllung der desfallsigen wechselrechtlichen Vorschriften, durch Indossament, einen Anderen

an seiner Statt zum Gläubiger zu machen.

Diese Thätigkeit

übt er aus durch eine Willenserklärung, und die Willenserklärung

ist enthalten im Indossamente.

Wenn nun der Indossant sich

dahin erklärt, daß er sein Recht zu Gunsten der anderen be­

stimmten Person aufgebe, so bedarf es doch wohl zweifellos auch noch

des erklärten Willens

werden.

des Anderen, um Gläubiger zu

Wird dieser schließliche Effekt, daß der Indossatar an

Stelle des Indossanten Gläubiger wird, durch das Indossament

— einen Vertrag — erreicht, so liegt nicht fern, die Wirkung, den Transport des Gläubigerrechts, eben eine Folge des Ver­ trages zu nennen.

Was aber den Inhalt des von dem Wechsel­

schuldner gegebenen Versprechens anlangt, so geht dasselbe dahin, daß der Schuldner sich von vornherein mit der Uebertragung

des Rechts an

den von seinem Gläubiger bestimmten neuen

Gläubiger einverstanden erklärt hatte. Thöl selbst streicht das Transport-Element gänzlich aus dem Indossamente; denn der Effekt, daß der Indossatar neben dem Wechselversprechen des Indossanten

auch Gläubigerrechte

gegen den Acceptanten und die Vor-Jndossanten erhält, wird

82 nicht durch das auf dem Wechsel beurkundete Rechtsgeschäft er­ reicht ; der Vertrag, welcher den Effekt vermittelt, wird nicht

zwischen dem Indossanten und Indossatar als Kontrahenten ge­ schlossen, findet in der Form des Indossaments keinen Ausdruck, und der Indossant steht ihm gegenüber als Zuschauer.

Was

seit der Entstehung des Indossaments als dessen eigenste, Prin­ zipale Wirkung anerkannt wurde, dafür findet sich nun im In­

dossamente selbst kein Inhalt mehr vor.

Man vergegenwärtige

sich dagegen den Verlauf der Verhandlungen zwischen dem In­

dossanten und Indossatar, so wie sich dieselben der Regel nach im Verkehrsleben abspielen.

Mag nun der Titel zum Indossa­

mente, das diesem Akte zu Grunde liegende Geschäft sein, was es wolle : Kauf, Hingabe an Zahlungsstatt, Tausch, Schenkung

oder irgend ein Anderer — der Regel nach wird auf Seiten

des Erwerbers das Interesse an dem Geschäfte nicht in dem Erwerbe des neuen Wechselversprechens seines Mitkontrahenten,

sondern in dem Erwerbe der bereits vorhandenen Wechselver­

sprechen stecken.

Hiervon handeln die Abmachungen zwischen

den Kontrahenten, hierfür zahlt oder verrechnet der Erwerber

regelmäßig einen Preis, die Valuta.

Und dennoch soll der 3«'

dossant dem Rechtsgeschäfte, welches den Erwerb der Wechsel­

versprechen vermittelt, nur gegenüber stehen als Bote oder Brief? In der That ist auch für die Thöl'sche Lehre die Thätigkeit

des Indossanten eine andere wie die eines Boten oder Briefes. „Durch das Indossament wird für die ursprünglich beauftragte Zahlung ein anderer Empfänger bestimmt", durch das Indossa­

ment, also durch die beurkundete Willenserklärung des Indossanten. Ist es unrichtig zu sagen, daß in dem neuen Zahlungsempfänger

von dem Indossanten der Forderung ein neuer Gläubiger be­ stimmt wird? Wenn nun aber, was freilich Thöl leugnet, be­ grifflich möglich ist, daß

ohne Mitwirken des Schuldners sich

die Forderung vom alten Gläubiger loslvsen und aus den neuen übergehen kann, so bedarf es, um den von den Kontrahenten

gewollten Effekt

herbeizuführen, weder der Vermittelung des

83

Uebergangs durch Zahlungsauftrag T), noch eines neuen Vertrages mit dem Schuldner.

Die Wirkung des Transport-Elements sehen Thöl und

unsere Entscheidungsgründe sich verwirklichen durch die Stellung des Wechsels an Ordre.

Mit dem Zusatze „Ordre" sollen der

Trassant, Acceptant, Indossant ihren Willen dahin erklären, daß

sie nicht nur ihrem unmittelbaren Kontrahenten, sondern auch jedem späteren Nehmer des Wechsels, der mit ihnen kontrahiren

In diesen Worten ist die Offerte

wird, sich verpflichten wollen. der Wechselschuldner,

welche der jedesmalige Wechselgläubiger

weiter befördert, enthalten.

Selbstredend, daß sie eine schrift­

liche sein muß: denn dies erfordert schon die formale Natur

der Wechselobligation, und ohne Schriftlichkeit würde die Rolle des Indossanten eine andere sein.

Nun ist aber nach der W. O.

zur Erzeugung der Wirkungen des Indossaments, welche man als Wirkung des Transport-Elements bezeichnet, durchaus nicht

erfordert, daß der Wechsel ausdrücklich „an Ordre" laute, der Wechsel ist vielmehr begebbar ohne Aufnahme der Ordre-Klausel.

Eine solche Bestimmung entspricht durchaus den Grundsätzen der

Uebertragungs-Theorie;

denn die Wechselforderung muß,

wie jede andere, ihrem Wesen nach übertragbar sein, ohne daß

es einer ausdrücklichen Bestimmung des Schuldners bedürfte^).

*) Die Anhänger Th öl's streichen zumeist den Zahlungsauftrag, für welchen sich allerdings z. B. bei acceptirter Tratte im Indossamente gar kein Inhalt mehr vorfindct. Man kommt dann zu der reinen von S o h m (bei Goldschmidt Zeitschrift B. XVII, S. 74 ff.) entwickelten Accept-OffertenTheorie, von welcher im Anschluß an das reichsoberhandelsgerichtliche Prä­ judiz hier ausgegangen ist. Vergl. von Wächter, Encyklopädie S. 1020. Die Offerten-Theorie de Fontenay’s (in Goldschm idt's Zeit­ schrift B. XVIII, S. 4) steht zu fern, als daß sie hier mehr wie genannt werden könnte. Dagegen siehe Ladenburg im Archiv 92. F. B. VI.

*) Wird sie aber hinzugefügt, so bedeutet sie, wie Bi en er sagt, daß vom Wechselschuldner „im Voraus eine Einwilligung zu weiteren Sessionen gegeben wird." Diese Auslegung wird von Fick (bei Goldschmidt, Zeitschrift B. III, S. 683 ff.) lebhaft bekämpft Vergl. indeß auch Laden­

burg im Archiv B. IX, S. 344.

Eine ähnliche Auffassung des R. O.

84 Sie entspricht aber nicht der Thöloschen Grundlehre, wie dieser

selbst gesagt und nachgewiesen

hat.

Er

behauptet

von dem

Rechtssatze, daß er „leider" festgestellt sei und „legislative Weis­

heit sich nicht in ihm offenbare." nicht tadeln will,

Wer den Gesetzgeber deshalb

wird eher die abweichende Theorie verwerfen.

§. 10.

Die Uebertragungs-Theorie. Die Uebertragungs-Theorie kommt zu folgendem Ergebnisse: Im Voll-Indossament überträgt der Indossant seine Rechte

aus dem Wechsel, insbesondere auch die ihm persönlich zustehende

Befugniß l), den Wechsel weiter zu indossiren, und giebt als Gewährleistung ein neues Wechselversprechen.

Mit der Wechselforderung überträgt

der Indossant auch

alle accessorischen Rechte, zum Beispiel diejenigen, welche er aus einer Wechsel- oder einfachen Bürgschaft gegen andere Personen

hatte, auch die zur Sicherung der Wechselforderung gegebenen

Pfandrechte?).

Allerdings werden hiervon betroffen nur die für

die Wechselforderung ausdrücklich bestellten Rechte*3).4 * *Diese *8

H. G.

über die Bedeutung der Klausel „an Ordre" siehe unten S. 90,

N. 1.

4) Das Gesetz (Art. 10) vermertt ausdrücklich, daß auch diese Befugniß mit übertragen werde. Kann man eine Befugniß von einer Person getrennt denken? Der Indossatar erhält also dieselbe Befugniß, welche bis dahin der Indossant hatte, d. h. der Indossant überträgt sein Recht. 2) So sogar Thöl (§. 151, Note 7), indem er zur Erklärung des Uebergangs auch dem Versprechen des Pfandschuldners die Ordreklausel an­ hängt. — Kuntze (D. W. R. §. 17, S. 57) läßt dasselbe als Ausnahme gelten : „Das Indossament wirkt eine translatio obligationis iure novationis mit der einzigen Ausnahme, daß falls dem Wechsel eine Pfandklausel beige­ fügt ist, das Pfandrecht nicht bloß durch die Begebung des Wechsels nicht erlischt, sondern mit seinen Qualitäten auf den jedesmaligen Wechselberechtigten ungeschmälert übergeht."

8) Man vergl. von Wächter Encyklopädie S. 164 und S. 147, N. 1. Bei Besprechung „des Wesens und der Wirkungen des Indossaments" leugnet

84 Sie entspricht aber nicht der Thöloschen Grundlehre, wie dieser

selbst gesagt und nachgewiesen

hat.

Er

behauptet

von dem

Rechtssatze, daß er „leider" festgestellt sei und „legislative Weis­

heit sich nicht in ihm offenbare." nicht tadeln will,

Wer den Gesetzgeber deshalb

wird eher die abweichende Theorie verwerfen.

§. 10.

Die Uebertragungs-Theorie. Die Uebertragungs-Theorie kommt zu folgendem Ergebnisse: Im Voll-Indossament überträgt der Indossant seine Rechte

aus dem Wechsel, insbesondere auch die ihm persönlich zustehende

Befugniß l), den Wechsel weiter zu indossiren, und giebt als Gewährleistung ein neues Wechselversprechen.

Mit der Wechselforderung überträgt

der Indossant auch

alle accessorischen Rechte, zum Beispiel diejenigen, welche er aus einer Wechsel- oder einfachen Bürgschaft gegen andere Personen

hatte, auch die zur Sicherung der Wechselforderung gegebenen

Pfandrechte?).

Allerdings werden hiervon betroffen nur die für

die Wechselforderung ausdrücklich bestellten Rechte*3).4 * *Diese *8

H. G.

über die Bedeutung der Klausel „an Ordre" siehe unten S. 90,

N. 1.

4) Das Gesetz (Art. 10) vermertt ausdrücklich, daß auch diese Befugniß mit übertragen werde. Kann man eine Befugniß von einer Person getrennt denken? Der Indossatar erhält also dieselbe Befugniß, welche bis dahin der Indossant hatte, d. h. der Indossant überträgt sein Recht. 2) So sogar Thöl (§. 151, Note 7), indem er zur Erklärung des Uebergangs auch dem Versprechen des Pfandschuldners die Ordreklausel an­ hängt. — Kuntze (D. W. R. §. 17, S. 57) läßt dasselbe als Ausnahme gelten : „Das Indossament wirkt eine translatio obligationis iure novationis mit der einzigen Ausnahme, daß falls dem Wechsel eine Pfandklausel beige­ fügt ist, das Pfandrecht nicht bloß durch die Begebung des Wechsels nicht erlischt, sondern mit seinen Qualitäten auf den jedesmaligen Wechselberechtigten ungeschmälert übergeht."

8) Man vergl. von Wächter Encyklopädie S. 164 und S. 147, N. 1. Bei Besprechung „des Wesens und der Wirkungen des Indossaments" leugnet

85 aber werden als Nebenrechte folgerecht mitübertragen, falls sie nicht durch Vereinbarungen ausgeschlossen werden, und aus der

Thatsache, daß sie übertragen werden, folgt, daß der Indossant

seine Forderung überträgt.

Das Blanko-Indossament ist Voll-

Indossament und nur in der Form privilegirt.

In dem Falle

des vorhandenen Blanko-Indossaments aber läßt das Gesetz eine

weitere Uebertragung der Wechselrechte lediglich durch mündlichen Vertrag und Uebergabe der Urkunde zu. heißt nicht „Indossament."

Dieses Rechtsgeschäft

Die Verwandtschaft zwischen dem­

selben und dem Indossament geht aber aus der Bestimmung

des Art. 13 W. O. und den Motiven zum Preuß. Entwürfe aufs Klarste hervor.

In den letzteren heißt es : „Die Begebung

durch bloße Uebergabe hat in Bezug auf den Uebergang der

Rechte an und

aus dem Wechsel dieselbe Wirkung, wie

eine Begebung durch Indossament" 1). derselbe den Uebergang der Rechte des Indossanten im Indossamente; ins­ besondere

erlange der Indossatar nicht die Rechte des Indossanten gegen

den Bezogenen in Betreff der diesem gemachten Deckung Versprechen, den Wechsel zu acceptiren und dergleichen.

oder aus einem

Man wird zugeben

müssen, daß dies keine Nebenrechte der Wechselforderung, sondern Rechte aus nebenhergehenden Verträgen sind, denen der Charakter eines accessorischen

Rechts nicht zukommt. *) Bei diesem Rechtsgeschäfte

erkennt Thöl (§. 127, S. 485) an, daß

der Uebertragende möglicherweise hafte

gleich einem Cedenten.

Damit fällt

für ihn die in den Motiven anerkannte Verwandtschaft des Rechtsgeschäfts mit dem Indossamente hinweg.

eine solche nicht zugeben.

Auch unsere Entscheiduugsgründe könnten

Die Rolle des Boten oder Briefs möchte freilich

dem Inhaber des Wechsels, der diesen weiter giebt, ebensowohl zufallen wie dem

Indossanten, und die Offerte des früheren Wechselschuldners könnte

ebensowohl an den durch Indossament wie durch Uebergabe des Wechsels bezeichneten neuen Gläubiger lauten; — oder muß sie es nicht?

— Aber

schwer zu rechtfertigen wäre dann, daß der Inhaber, welcher seinerseits den Wechsel weiterbegiebt,

sein

Gläubigerrecht wieder verliert.

Müßte er es

nicht vielmehr behalten, weil es weder nntergehen, noch nach dieser Theorie

übertragen werden konnte? — Lesse (im Centralorgan N. F. B. III, S. 29 ff.) nennt als das Eigen­ thümliche dieser Uebertragung, daß der Begebende wechselmäßig nicht hastet, weiset aber in ausführlicher Betrachtung nach, daß im Uebrigen dies Rechts­ geschäft und das Indossament im Wesentlichen übereinstimmen. —

86 Ein Voll-Indossament mit seinen Wirkungen wird regel­ mäßig als von den Kontrahenten gewollt angenommen, wenn nicht ein anderer Wille in der äußeren Form, in welcher das

Indossament erscheint, beurkundet ist.

Das Rechtsgeschäft hört nicht

auf Indossament zu sein,

wenn auch der Indossant ein Wechselversprechen gar nicht abgiebt, also

„ohne Obligo" indossirt.

Denn der wesentliche

Inhalt des Rechtsgeschäfts, der Transport von Rechten, bleibt, und nur die Gewährleistung, und zwar jede Gewährleistung 1),

ist ausgeschlossen.

Im Indossament ohne Obligo wie im Voll-

Indossament ist nur die Wechselforderung übertragen, und dar­

aus erklärt sich, daß die Gegenansprüche, welche dem Wechsel­ schuldner gegen solchen Indossanten zustanden, beim Voll-Indossament,

ebensowenig wie

dem Indossatar entgegengesetzt werden

können2). Auch von Wächter will die Grundsätze der Cession auf diese Ueber-

tragung anwenden, „wenn die Hingabe des in blanco girirten Wechsels zum Zwecke der Cession geschehe"

(S. 921),

also daß die Cession (wie sonst

Kauf rc.) wieder den Titel zur Cession abgeben würde. *) Entwickelt in dem Erk. des Ob. Trib. vom 30. November 1865, bei Borchardt Zus. 247, S. 104. 2) von Wächter (a. a. O. S. 1030) erkennt als Wirkungen des In­

dossaments ohne Obligo wie der weiteren Uebertragung bei vorhandenem

Blanko-Indossament, „daß

der Erwerber des Wechsels

in die Rechte des

übertragenden Nehmers gegen die früheren Geber des Wechsels eintrete"

und zwar in der Art, daß sein nunmehriger Wechsel-Anspruch an dieselben

ein selbstständiger sei, so

daß ihm nicht Einreden aus unterliegenden Ver­

hältnissen des Uebertragenden zu den Wechselschuldnern eutgegengesetzt werden

können.

Sonach wäre ihm also diese Uebertragung das, was hier vom In­

dossament behauptet wird : eine Sondernachfolge in die Wechselforderung, und auf dieser Grundlage wäre die begriffliche Verwandtschaft aller dieser Rechtsgeschäfte wieder hergestellt, welche an anderen Stellen geleugnet wird.

So heißt es bei Demselben (S. 505) von dem Indossament „ohne Obligo" :

„Ein solches Indossament behält zwar die Funktion der Uebertragung der Wechselrechte, aber der Indossant haftet nicht aus demselbeu.

Er kann in

der Regel auch nicht civilrechtlich als Cedent einer Forderung von seinem Indossatar in Anspruch genommen werden."

Sollte also doch wohl zuweilen

in dem Indossament eine Cession stecken? Oder ist das Indossament „ohne Obligo" wieder eine besondere Art Rechtsgeschäft?

87 Vom „Indossament" kann nicht gesprochen werden, wenn

keine Begebung des Wechsels stattgefunden hat.

Denn seiner

Natur nach fordert das Indossament eine Uebertragung von

Rechten, und das Wechselversprechen

des Indossanten ist eben

nur eine Garantie, wie eine andere Art der Gewährleistung bei der Session.

Rücken

dem

Deshalb ist ein in einem einzelnen Namen auf des

Wechsels

beurkundetes

Rechtsgeschäft

nicht

immer') Indossament, sondern nur dann, wenn eine Be­

gebung des Wechsels, also eine Uebertragung der Rechte aus

dem Wechsel damit verbunden gewesen ist. Das Indossament ist das Rechtsgeschäft, durch welches die

Wechselforderung und nur diese übertragen wird.

Wechselgläubiger kann auch ein Anderes

Ein

wollen, nämlich die

Wechselforderung mit sammt den aus dem unterliegenden Ver­ trage gegen seinen Schuldner bestehenden Rechten (folglich auch Pflichten) auf einen Anderen übertragen wollen.

Man begreift

unter diesem Rechtsgeschäfte gemeiniglich die „Cession der Wech­

selforderung", während es richtiger heißen sollte: die Cession der Rechte aus dem Wechselschluß, dem Vertrage, der zur Ent­ stehung der Wechselforderung diente.

Eine solche Cession wird

allerdings in ihren Wirkungen von dem Indossamente verschieden sein, weil eine andere Forderung übertragen wird 2).

Schwerlich

müßte man indeß aus dem Gebrauche des Wortes : „ich cedire" auf dem Rücken des Wechsels folgern, daß die Kontrahenten

nicht

Uebertragung der

*) Es kann Aval sein.

Wechselforderung, sondern der

Entsch.

d. R. O. H.

G. vom 21. Januar

1874 (B. XII, S. 255 ff.). *) Man kann durchaus der Ansicht Renaud's (a. a. O- §■ 50, Anm. 1)

fein, daß nämlich „die Wechselcesfion kein wechselmäßiges Geschäft fei", ohne doch die Ansicht theilen zu müssen,

daß die ältere Theorie, welche in

dem Indossamente eine Cession annahm, falsch sei.

Renaud, der in dem

Indossamente eine Sondernachsolge in die Wechselforderung

sieht, würde

eher zu den Anhängern der Cessivnstheorie zu rechnen sein, wenn er bei der Cession eine Sondernachsolge in die Forderung zulassen wollte. oben §. 4, S. 23.

Vergl.

88



anderweiten, zwischen ihnen bestehenden Rechte und Pflichten

gewollt hätten.

Man nehme folgende Beurkundung auf dem

Wechsel : Ich übertrage die Rechte aus dem Wechsel auf den

N. N. und verpflichte mich wechselmäßig zur Zahlung der Wechsel­

summe.

Eine solche Beurkundung würde wörtlich dem in Art. 10

und 14 W. O. angegebenen Inhalte eines richtigen Voll-Jndossaments entsprechen und als solches doch wohl gelten müssen

trotz des Gebrauchs des Wortes: „ich übertrage."

Aendert

nun hieran, daß man das Wort : „ich cedire" gebraucht, welches

doch allgemein und besonders im Verkehrsleben für gleichbedeutend

mit : „ich übertrage" erachtet wirdx) ? Ließen die Kontrahenten freilich durch einen weiteren Zusatz erkennen, daß sie nicht bloß

die Wechselforderung (die Rechte aus dem Wechsel) cedirt wissen

wollten, so würde die Beurkundung „Indossament" nicht heißen, das Rechtsgeschäft „Indossament" nicht sein können.

Es wäre

eine Beurkundung, bezüglich deren der Wechsel nichts wäre als

das Papier, ist,

auf welchem das Rechtsgeschäft niedergeschrieben

das besser außerhalb des Wechsels

hätte.

Der Name „Indossament"

eine Stelle gefunden

ist überliefert für das auf

dem Rücken des Wechsels beurkundete Rechtsgeschäft, durch welches

lediglich die Rechte aus dem Wechsel übertragen werden. Man mag, um den Unterschied hervorzuheben, betonen, daß

unter der regelmäßig außerhalb des Wechsels, nur zufällig auf dem Wechsel beurkundeten Cession ein ganz anderes Rechtsge­

schäft verstanden werden müsse2).

Aber man schlägt damit nicht

*) Fast allgemein (vergl. z. B. von Wach ter a. a. O. S. 497, Note 22) wird nach dem Vorgänge Th öl's gelehrt, daß der Vermerk „ich cedire" („ich trete ab") niemals ein Indossament bedeuten könne. Dies wird indeß allein gefolgert aus der grundsätzlichen Verneinung der UebertragungsTheorie.

!) von Wach ter (a. a. O. S. 920) u. A. nimmt neben dem Indossa­ ment noch eine Cession, 1) der Wechselforderung allein, 2) der Wechselforde­ rung und der außerhalb des Wechsels liegenden Ansprüche des Cedenten als möglich an. Es soll nicht bestritten werden, daß die Kontrahenten einen Pakt vereinbaren könnten, nach welchem nur die Wechselforderung und

89 die Uebertragungs-Theorie.

Daß dies dennoch geschehen konnte,

läßt sich erklären, weil mehrfach Urtheile in Theorie und Praxis in dem Indossamente, da es eine Uebertragung enthalte, für

den Fall der Ungültigkeit oder Unzulässigkeit der Uebertragung der Wechselforderung unter allen Umständen noch eine

Uebertragung der verbleibenden Schuldverhältnisse angenommen

haben.

Das Eine ist nicht das Andere, und ob das Andere

bei der Ungültigkeit des Einen gewollt sei, ist eben eine von

Fall zu Fall zu beantwortende Fragex).

Die Folgen der von den Kontrahenten gewollten Ueber­ tragung der Wechselforderung hängen durchaus davon ab, ob

und welche Rechte vorhanden sind und welchen Inhalt diese Rechte haben.

Beim Indossament „ohne Obligo" ist selbstverständlich, daß

der neue Indossatar keine Wechselforderung gegen seinen In­

dossanten übertragen kann; denn diese ist nicht vorhanden.

Giebt

der Aussteller eine Tratte „nicht an Ordre", so sagt er, daß er die Uebertragung seines Wechselversprechens nicht wolle — seines

Wechselversprechens und nur dieses.

Denn das Verbot steht

auf dem Wechsel und bezieht sich deshalb nur auf die abstrakte, in dem Wechsel verkörperte Forderung, welche ihre selbstständige

Existenz außerhalb der zwischen dem Geber und Nehmer außer-

eben mit der Haftung des Cedenten, wie sie bei der Cession üblich ist, über­

tragen werden soll.

(Man vergl. die

Entsch. des R. O. H. G. vom 28.

October 1873 in Band XII, S. 250 ff.).

Sie könnten (oder müßten zur

Wirksamkeit) diesen Pakt unter den landesgesetzlich für die Cession üblichen Formen, eventuell unter Beglaubigung der Unterschrift abschließen.

Weder

aber wäre die Wirkung solcher Vereinbarung, daß Kraft der Natur der

Cession nunmehr der Cessionar „nur das Recht des Cedenten geltend macht und alle Einreden oder Gegenansprüche, welche der Schuldner gegen den

Cedenten hatte, von ihm nun auch dem Cessionar entgegengehalten werden könnten" (denn dies ist sogar für die Cession civilrechtlicher Forderungen

unrichtig), noch beweiset solche Möglichkeit,

daß in dem Indossamente eine

Cession der Wechselforderung unter eigenthümlicher Gestaltung der Gewähr­ leistung des Cedenten nicht gegeben ist.

*) Siehe hierunter im Text.

90

dem noch bestehenden rechtlichen Verhältnisse führt.

Es mögen

die Kontrahenten möglicherweise mit dem Verbote auch die Un­

übertragbarkeit dieser anderen Rechte und Gegenrechte gemeint

haben 1). daß

Für die wechselrechtlichen Folgen hat nur Bedeutung,

das Verbot jedenfalls für die Wechselforderung als

solche besteht.

Handelt nun der Wechselnehmer gegen das Ver­

bot, begiebt den Wechsel durch Indossament, so wird der In­ dossatar dem Aussteller gegenüber nicht Wechselgläubiger, be­

rechtigt wie ein Singularsuccessor in die Wechselforderung, weil das Schuldversprechen des Ausstellers ausdrücklich dahin lautete,

daß er keinem Rechtsnachfolger des Nehmers aus seinem Wechsel­ Der Indossatar wird auch nicht be­

versprechen haften wolle.

rechtigt dem Indossanten gegenüber, weil dessen Garantieleistung, zu zahlen, wenn der andere nicht zahlt, inhaltlos ist; denn der

Andere, der Bezogene, soll und will zahlen, wie der Auftrag

lautete2), nämlich nur an den Nehmer des Wechsels bezw. den Aussteller.

So sagt die W. O. im Art. 9 : „ein solches Jn-

von Wächter (a. a. O. S. 492) sagt: „Die Rekta-Klausel unter­ sagt aber nur die wechselmäßige Begebung, nicht die civilrechtliche Ueber-

tragung,

nicht

die Cession

einer Wechselforderung."

Sicherlich

will der

Schuldner mit solchem Verbote jede Uebertragung der selbstständigen Wechsel­ forderung verbieten, und wer eine solche neben dem Indossament anerkennt, muß das Verbot auch hierfür gelten lassen.

Man kann sich hier wohl in

umgekehrter Folgerung auf das beziehen, was

das R. O. H. G. in der

Entscheidung vom 3. October 1876 (B. XXI, S. 80) über die Bedeutung

der Stellung „an Ordre" bei an sich nicht indossabeln Papieren ausgeführt hat : „Wer Ordrepapiere ausgebe, erkläre damit, daß er nicht auf die Person

des ersten Gläubigers Gewicht lege, sondern sich gleichsam Gläubiger gefallen lasse.

einen fungibeln

Ohne und gegen diesen Willen erscheine es

verkehrt, selbstständige

Uebertragungen

zu

gestatten."

Auch

kann man schwerlich sagen, daß mit der Rektaklausel niemals jede Cession

verboten sein könnte, also auch die

Cession der Wechselforderung und der

anderweiten Rechte des Nehmers des Wechsels.

wird die weitere Tragweite

Schon in den Protokollen

derselben „unter Umständen" anerkannt (siehe

im Text); auch kann in dem

„gleichbedeutenden Ausdruck", welchen das

Gesetz an Stelle der Worte „nicht an Ordre" zuläßt, recht wohl jenes Ver­ bot einen sichtbaren Ausdruck finden. 2) Entsch. des R. O. H. G. B. XIV, S. 60.

91 dossament hat keine wechselrechtliche Wirkung."

Indem man

dies aber bestimmte, war die Konferenz „darüber einverstanden,

daß die Frage : ob eine solche vom Aussteller verbotene Uebertragung eines Wechsels unter Umständen und nach Maßgabe der gebrauchten Form als Cession gültig sein könne, nach dem Civilrechte eines jeden Staates zu beurtheilen sei" ’).

Voraus­

setzung des Einverständnisses muß doch wohl gewesen sein, daß

begrifflich Indossament und Cession nicht als grundsätzlich ver­ schieden aufgefaßt wurden.

Denn was die Kontrahenten ge­

gebenen Falls gewollt und beurkundet hatten, was aber wegen

von ihrem Willen unabhängiger Verhältnisse nicht wirksam werden konnte, war : „Indossament."

War hierin möglicherweise Cession

gegeben — nun so kann es doch nicht anders sein, als daß beide Rechtsgeschäfte in ihrem Wesen auf demselben Fundamente ruhen. Ein Indossant kann ein Wechselversprechen „nicht an Ordre"

gegeben haben.

Hiermit verhält sich's wie mit dem Versprechen

des Ausstellers „nicht an Ordre."

Das neue Indossament des

Indossatars kann dem neuen Wechselgläubiger eine Forderung

nicht geben, weil dies nach dem Inhalte des von dem In­ dossanten „nicht an Ordre" gegebenen Wechselversprechens aus­

geschlossen ist. Wurde der Wechsel am Verfalltage nicht protestirt, so be­

schränken sich die Rechte des Wechselinhabers aus dem Wechsel auf das Recht aus einem etwa vorhandenen Accept.

Der Wechsel­

gläubiger kann also auch keine Rechte gegen den Indossanten

und den Aussteller, sondern nur sein Recht gegen den Acceptanten übertragen.

Ist der Wechsel dagegen unter Protest ge­

langt, so hat der Wechselinhaber Forderungen nicht nur gegen

den Acceptanten, sondern auch gegen Aussteller und Indossanten

und kann also alle diese Rechte auf einen Anderen übertragen.

So steht im Art. 16 W. O., und dieser Artikel sagt auch, zwar umschreibend aber doch deutlich, daß dem Nachindossament der

*) Protokolle Leipziger Ausgabe S. 23.

92 protestirten Tratte die Wirkung einer Session (nur einer Session,

wie es im Gesetze heißt ’)) beizulegen sei.

Der Nach-Jndossant

cedirt also durch Indossament die Rechte aus dem Wechsel, mit­

hin auch sein Recht gegen den Acceptanten.

Wenn nun der

Wechsel nicht protestirt ist, soll das Rach-Jndossament der acceptirten Tratte keine Session der Forderung gegen den Acceptanten

enthalten.

Aber die Forderung des Wechselinhabers gegen den

Acceptanten ist keine andere; Art. 44 W. O. sagt mit dürren

Worten, daß die Protesterhebung auf diese Forderung keinen Einfluß habe.

Auch ein Indossament ist in beiden Fällen ur­

kundlich vorhanden.

Nach-Jndossanten

Auch die

Verhandlungen

und Rach-Jndossatar

zwischen dem

werden schwerlich

einen Falle einen anderen Inhalt haben wie im anderen.

im

Und

doch sollte nur im einen Falle das Rechtsgeschäft eine Ueber-

tragung enthalten, im anderen aber ganz etwas anderes sein? Man hilft sich, indem man sagt : das eine Rechtsgeschäft ist

ein Indossament, das andere nicht, ohne einen inneren Grund für den Unterschied anzugeben.

Dieser kann nicht darin liegen,

daß beim Rach-Jndossament der Indossant außer dem Rechte gegen den Acceptanten noch weitere Rechte

dieses ist eben nur ein Mehr.

überträgt;

denn

Auch darin ist er nicht zu finden.

*) In diesem Wörtchen „nur" soll, wie mit Andern auch das R. O. H. G. in der Entsch. vom 24. Februar 1871 (B. II, S. 62) behauptet, der

Wille des Gesetzgebers Ausdruck gefunden haben, daß

auch zwischen den

Rechten der Nachindossatare dem Acceptanten gegenüber ein Unterschied be­

stehen soll für den Fall, daß sie eine verfallene nicht Protestirte oder Protestirte Tratte erhalten haben.

Wenn nun aber — wovon im Text gehandelt wird

— ein grundsätzlicher Unterschied nicht bestehen kann, und wenn das R. O.

H. G.

selbst keinen andern Grund dafür angiebt, als „daß die Haftpflicht

des Acceptanten ihrem Rechtsbestande nach keine andere sein könne und solle,

als die der andern Wcchsclverbundenen" — sollte dann nicht anzunehmen sein, daß dieses Wörtchen „nur" lediglich ein Rest aus dem Pr. Entwürfe

ist, welcher

Session" ?

besagte : das Rach-Jndossament hat „nur die Wirkung einer

Statt

diesen Satz

für

das Rach-Jndossament der protestirten

Tratte stehen zu lassen, hat man (vergl. oben) das Wort Cessivn umschrieben, aber das Wörtchen „nur" aus dem Entwürfe mit hcrübergenommen.

93 daß im einen Falle der Indossant nur haftet wie der Cedent

nach Civilrecht, im anderen Falle wechselmäßig; denn das wech­

selmäßige Garantieversprechen kann vollständig fehlen, ohne den Charakter des Rechtsgeschäfts als Indossament zu ändern, und

die Garantie

allein ohne Uebertragung ist kein Indossament.

Ein Moment, aus welchem der begriffliche Unterschied hergeleitet werden könnte, ist eben nicht vorhanden.

Zieht man nun gar

den sowohl aus schiefer Auffassung des Indossaments wie der Session in dieser Folge unrichtigen Schluß , daß der Acceptant beim Nach-Jndossament des protestirten Wechsels sich aller Ein­

reden (materielle Einreden und Gegenansprüche) gegen den NachJndossatar wie gegen den Nach-Jndossanten bedienen könne, daß

er dies aber beim Nach-Jndossament einer nichtprotestirten, ver­

fallenen Tratte nicht dürfe, so vermißt man erst recht den Grund, weshalb dem Schuldner (Acceptanten) im einen Falle eine Be­

günstigung zu Theil werden soll, welche ihm im anderen nicht gewährt wird, weshalb dem Gläubiger durch die Versäumniß

des Protestes der Gewinn erwachsen soll, daß er die Forderung gegen seinen Schuldner unabhängig von seinen Verpflichtungen verwerthen darf, was ihm im anderen Falle verwehrt ist.

Eine Veränderung ist allerdings vorgegangen mit der Forde­ rung gegen den Acceptanten, aber eine Veränderung im einen

Falle so gut wie im anderen.

Der Gläubiger hat anstatt des

abstrakten Schuldversprechens des

Acceptanten

eine bestimmte

klagbare Forderung gegen denselben; „die Spannung, in welcher die Wechselforderung sich befand, ist gelöst"'); die reine zum

circuliren bestimmte Wechselforderung existirt nicht mehr; das

vom

Acceptanten

gegebene

Summenversprechen,

welches

als

solches dem Willen der Kontrahenten gemäß, als losgelöst von

den unterliegenden Abmachungen für übertragbar von der Ge­ setzgebung anerkannt wurde, hat sich verwandelt in eine Summen-

schuld.

Mit der abstrakten Natur des Wechselversprechens und

der Thatsache, daß es nur in und durch die Form existirt, sind *) Protokolle.

94 bestimmte Folgen auch für die Uebertragung verbunden.

Hat

sich das Versprechen in eine feste Schuld verwandelt, so hat damit die bestehende Obligation ihre Starrheit aufgegeben und

ist nicht mehr unfähig, durch die Abmachungen zwischen Gläubiger und Schuldner ihren Inhalt zu verändern 1).

Wird sie über­

tragen, so wird sie eventuell mit dem veränderten Inhalte über­ tragen.

Wohl richtig deshalb, daß die Uebertragung der Wechsel­

forderung nach Verfall häufig eine andere Wirkung haben wird, wie ihre Uebertragung vor Verfall.

Aber prinzipiell zwischen

den Wirkungen des Indossaments nach Verfall, wenn Protest erhoben ist und wenn nicht, bezüglich der Rechte gegen den

Acceptanten fertigen.

einen Unterschied zu machen, ist schwer zu recht­

Das Eine enthält eine Cession wie das Andere; die

Forderung, welche cedirt wird, ist im einen Falle dieselbe wie im anderen.

Positive Gesetzgebung hat freilich, veranlaßt durch das Be-

*) Es ist wohl zu beachten, daß dem Inhaber des protestirten Wechsels

die Wechselschuldner als S o lidar-Verpflichtete gegenüberstehen, von denen jeder

zur Zahlung der Wechselsumme selbstständig

verbunden ist.

Wenn

nun also auch derselbe Schuldner sich dem Rechtsnachfolger seines Gläu­ bigers gegenüber auf die

aus

anderweiten Vereinbarungen zwischen ihm

und dem Gläubiger resultirenden Einreden berufen könnte, so würde doch lediglich nach den für die Solidarität geltenden Grundsätzen die andere Frage

beantwortet werden müssen, ob auch ein anderer Schuldner diese Einreden

geltend machen könnte.

Belangt aber der Rechtsnachfolger des Gläubigers,

der die Abmachungen seines Rechtsinhabers dem einen Schuldner A gegen­

über respekliren muß, den

andern Schuldner B, so hat er diesen B doch

nur auf Grund des von demselben abgegebenen Wechselversprechens belangt und kann, wie derselbe nur verpflichtet ist zur

Einlösung der abstrakten

Wechselforderung, auch nur die abstrakte Wechselforderung frei von Rechten und Verbindlichkeiten auf ihn übertragen.

Der Einlösende B, welcher hier­

mit gegen den anderen Schuldner A ein früher ihm ertheiltes oder erworbenes Garantieversprechen rückerwirbt,

kann dasselbe unbehindert von Einreden,

welche dieser Schuldner etwa dem Nachindossatar hätte entgegensetzen können, geltend machen. Ebensowenig, wie bei von Wächter a. a. O. S. 525 (N. 37 und 38),

würde demnach

hier als richtig anzuerkennen sein, daß die Einlösung dem

Nachindossamente der Protestirten Tratte gleichzustellen sei.

95 dürfniß des Verkehrs, den Unterschied in den Wirkungen des

Nach-Jndossaments nach Verfall, je nachdem die Tratte protestirt

war oder nicht, zu einem eklatanten gemacht, indem sie bestimmte,

daß im letzteren Falle der Indossant wechselmäßig verpflichtet wird.

Ob Protest erhoben ist oder nicht — das Wechselversprechen ist konsumirt.

Der Acceptant hatte versprochen, an dem be­

stimmten Verfalltage zu zahlen, und ist also mit Ablauf dieses Tages zahlungspflichtig.

Die Versprechen des Ausstellers und

der Indossanten sind gleichfalls konsumirt; sie haften als defi­ nitive Schuldner oder haften nicht, je nachdem Protest erhoben

wurde oder nicht.

Wenn nun die Gesetzgebung im letzteren

Falle den Wechsel für fähig bestimmte, neue Wechselversprechen

aufzunehmen, so sind dies Versprechen mit verändertem Inhalte. Aussteller und Indossanten hatten garantirt, zahlen zu wollen,

wenn der Bezogene an dem bestimmten Tage nicht zahle.

Die

Nach-Jndossanten können dies nicht mehr versprechen; denn der

Tag ist verstrichen **).

Das Gesetz muß also annehmen, daß die

Nach-Jndossanten versprechen

überhaupt nicht zahle.

zu

zahlen, wenn der Bezogene

Dieser selbst haftet als Acceptant unbe­

dingt, ob Protest erhoben ist oder nicht.

Aber wegen der Nach-

Jndossanten hat das Gesetz dem Wechsel einen neuen Inhalt

gegeben; er ist zu einem Wechsel nach Sicht geworden2).

Diese

positive Bestimmung der Gesetzgebung, von welcher Tragweite sie auch für die Wirkung des Nach-Jndossaments ist, bedeutet doch nichts für die Frage nach der Natur desselben.

Nimmt

die Gesetzgebung im einen Falle von dem Indossanten als ge­ wollt an, daß er sich wechselmäßig verpflichte, so ist dies eben eine an sich auch bei der Cession durchaus zulässige Art der

Gewährleistung.

Uebertragen wird im einen Falle wie im anderen

*) Sergi. Thöl W. R. §. 128. *) Weitläufig bei von Wächter a. a. O. S. 517 ff. unter Quellen­ angabe. Auch Entsch. des R. O. H. G. B. VI, S. 99 ff.

96 eine bestimmte Forderung, nämlich die Forderung gegen den

Acceptanten. Befindet sich nun kein Accept auf dem Wechsel, so ist bei

versäumtem Proteste keine Forderung vorhanden; es kann keine übertragen werden; das Indossament sollte grundsätzlich ohne

Bedeutung sein. Löwy

Der Wechsel ist todt, wie Volkmar und

sagen; um so

weniger aber sollten sie ihn mit einer

hereditas iacens vergleichen, denn er hat keinen Werth mehr. Gar keinen? Wenn man der Anschauung folgt, welche bei vor­ handenem Accepte ein verändertes Zahlungsversprechen des Nach-

Jndossanten als aus

dem Inhalte des Wechsels herleitbar an­

nimmt, ohne Rücksicht darauf, daß dieser Inhalt ein anderer ist, wie der Inhalt des neuen Versprechens, so spricht freilich

hieraus die Folge, daß der nicht acceptirte Wechsel auch noch einen Inhalt hat, nämlich den ursprünglichen Auftrag des Aus­

stellers

trotz der versäumten Aufforderung noch enthält.

Und

so wird Kraft dieser Annahme in dem Gesetze bestimmt, daß

auch das Nach.Indossament der verfallenen, nicht protestirten, nicht acceptirten Tratte noch ein wirkungsvolles Indossament

enthalte, insofern der Nach-Jndossant den vom Aussteller er­ theilten, ihm durch die Vor-Jndossamente übertragenen Zahlungs­ auftrag seinerseits übertrage und sich wechselmäßig für die auf­

getragene Zahlung verpflichte.

Dies ist bei der berathenden

Konferenz in folgenden Worten zum Ausdruck gebracht worden : „Der Indossant hat einen nochmaligen Versuch zur Einziehung machen wollen und muß selbst regreßpflichtig sein." In solchem Falle also überträgt der Indossant nicht sowohl

eine Forderung, sondern allein einen Zahlungsauftrag.

Falle, daß der Wechsel

In dem

und mit ihm die Wechselforderung noch

nicht vorhanden sind, wenn also Jemand ein seine Unterschrift

tragendes, mehr oder weniger vollständiges Blanket und hier­ mit dem Anderen die Befugniß gegeben hat, den Wechsel aus­

zufüllen, wird durch ein etwa vor der Ausfüllung vom Nehmer des Wechsels gegebenes Indossament diese Befugniß auf den



Indossatar übertragen1).

97

-

Es war dies zweifellos von den Kon­

trahenten gewollt und in dem Indossamente beurkundet.

Wenn

aber das Judossament nicht eine Uebertragung enthielte, so wäre

nicht erklärlich, daß dieses dem Nehmer des Blankets persönlich

zustehende Recht auf den Indossatar gehört diese Befugniß

übergehen sollte.

Oder

auch zu den im Wechsel verkörperten

Rechten? und wo ist in dem bis dahin unausgefüllten Papiere der Körper gegeben, in welchen die Forderung ausgenommen ist? Das Indossament enthält immer und in jedem Falle seiner

Anwendung eine Uebertragung von Rechten. Indossament 2).

Auch das Procura-

Dieses enthält eine Uebertragung, freilich nicht

des Eigenthums der Forderung, sondern der Ausübung derselben. Der Procura-Indossatar hat ein Voll-Indossament zur Geltend­

machung der Forderung; er klagt nicht die eigene, sondern die

Forderung seines Indossanten ein, klagt deshalb nicht aus eigenem, sondern aus fremdem Rechte.

Die begriffliche Verwandtschaft

des Procura-Indossaments mit dem Voll-Indossamente besteht

eben darin, daß beide eine Uebertragung enthalten.

Das Pro­

cura-Indossament ist freilich auch verwandt mit dem Mandate.

‘) Entsch. des R. O. H. G. vom 4. September 1874 (B. XIV, S. 54) : „Das Recht zur Ausfüllung des Wechsel-Blankets haftet keineswegs an der Person des Empfängers, kann vielmehr .... auch auf dritte Personen übertragen (auch vererbt) werden." Auch Entsch. B. XVII, S. 210 ff. ’) von Wächter a. a. O. (S. 514) sagt : „Das Indossament hat zwei Funktionen: die Uebertragung rc. und die Begründung einer neuen Wechselverpflichtung durch Wechselversprechen. Die eine oder andere Funktion kann aber fehlen; so bewirkt das Procura-Indossament keine Uebertragung der Wechselrechte; das Indossament ohne Obligo keine Verpflichtung des In­ dossanten." Wenn das Procura-Indossament keine Uebertragung bewirken soll, so bewirkt es auch sicherlich nicht die Begründung einer neuen Wechsel­ verpflichtung; von Wächter sagt von ihm (S. 509), daß es nur eine Vollmacht gebe, deshalb ein „uneigentliches" (sagte man nicht besser: eigentlich kein?) „Indossament sei." An anderer Stelle (S. 635, N. 7) citirt von Wächter selbst aus den Entscheidungsgründen des R. O. H. G. : „Die accessorische Garantiepflicht des Indossanten kann ohne Uebertragung des Eigenthums am Wechsel nicht übernommen werden." Der Beweis, daß es ein Indossament ohne Uebertragung geben könne, ist eben noch zu führen.

7

98 Nicht auch die Session? Hat sie sich doch aus dem Mandate

Aus der actio mandata wurde die actio utilis,

entwickelt.

wurde actio des Cessionars proprio nomine, aus einem pro-

curator wurde der procurator in rem suam, schließlich der

dominus.

Lehrreich genug ist darum, bei Bien er zu lesen,

daß auch das Indossament zuerst nur in der Form des ProcuraIndossaments ausgetreten ist, und in einer späteren Zeit erst

aus diesem vom Verkehre das Voll-Indossament herausgebildet

wurde, nicht anders wie die Session, welche erst im Laufe einer

langen Entwickelung zur Sondernachfolge

in

die Forderung

führte.

Gesetzgebung und Doctrin haben neuerdings dem Namen

Jndossainent ein größeres Gebiet eingeräumt.

Ein in ähnlicher

Weise wie das Wechsel-Indossament beurkundetes Rechtsgeschäft,

welches die Session einer Forderung zum Inhalt hat und eben wegen der abstrakten Natur der Forderung gleiche oder doch im Wesentlichen

gleiche Wirkungen

wie das Wechsel-Indossament

erzeugt, nennt man in Theorie nnd Praxis *) „Indossament", theils allein, theils willkürlich wechselnd mit dem Namen Session.

Denn der Kern eines jeden Indossaments ist eine Uebertragung

von Rechten.

‘) Beispiele aus der Theorie liefern die Kommentare zu dem Preuß. Gesetze vom 5. Mai 1872 (so Turnau, Grundb. Ordn.). Ein Beispiel aus der Praxis die Entsch. des R. G. vom 11. Mai 1881 (B. IV, S. 175 ff.). Uebrigens möchte wohl kein systematisches Lehrbuch des Privatrechts das Indossament an anderer Stelle wie bei der Session erwähnen; es sei denn, daß es dem Wechselrechte eine gesonderte Darstellung widmet.

Druck von Wilhelm Keller in Gießen.