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German Pages [332] Year 2016
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 344 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Christian Steger
Die Präklusion von Versagungsgründen bei der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Eine Untersuchung im Rahmen des New Yorker Übereinkommens
Mohr Siebeck
Christian Steger, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaft in Hamburg; seit 2012 wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht; seit 2014 Rechtsreferendar am Hanseatischen OLG Hamburg.
e-ISBN PDF 978-3-16-154250-3 ISBN 978-3-16-154249-7 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2015 Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg. Das MPI bot mir einzigartige Rahmenbedingungen für diese Arbeit. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Bettina Heiderhoff, für ihre hervorragende Betreuung, ihre Motivation und insbesondere für ihre kritischen Anmerkungen und die gemeinsamen Diskussionen. Zudem habe ich mich sehr über meine Aufnahme in das Programme in European Private Law for Postgraduates (PEPP) und ebenso über die tolle Zusammenarbeit im Rahmen des Willem C. Vis Moot-Projekts gefreut. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Ulrich Magnus für seine wertvollen Ratschläge und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Albrecht Mendelssohn Bartholdy Graduate School of Law danke ich dafür, dass sie mich finanziell und ideell so großzügig mit einem Stipendium unterstützt und gefördert hat. Weiterhin möchte ich Herrn Prof. Dr. Peter Mankowski dafür danken, dass er während des Studiums meine Begeisterung für das internationale Privatrecht geweckt hat. Zudem danke ich Herrn Dr. Ragnar Harbst, LL.M. für die hilfreichen Diskussionenw über die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit. Den Direktoren des Max-Planck-Instituts, insbesondere Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M., danke ich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe und ebenso für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Von ganzem Herzen richte ich meinen besonderen Dank an Frau Stine von Förster, auch dafür, dass sie das gesamte Manuskript mit kritischem Auge gelesen und Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet hat. Insbesondere danke ich ihr dafür, dass sie mich in jeder Sekunde unterstützt und wir eine so wundervolle Zeit genießen. Meinem guten Freund und wissenschaftlichen Kollegen Herrn Dr. Malte Stübinger danke ich für die wertvollen Gespräche und seine Anregungen; ebenso danke ich ihm dafür, dass er die gesamte Arbeit durchgelesen und mir durch seine konstruktive Kritik ermöglicht hat, die Arbeit noch weiterzuentwickeln.
VIII
Vorwort
Mein Dank gilt auch meinem guten Freund Herrn Fabian Ewald, der mir in unglaublich zügiger Weise mit seinen Hinweisen zum Manuskript eine große Hilfe war. Ferner gilt mein herzlicher Dank meinen Freunden, insbesondere Tobias, Clemens und Jule, Nico und Andrea, Jan-Hendrik, Maciej, Björn und Vivian sowie Regina und Andreas. Zudem bedanke ich mich bei meiner MPI-Kollegin Frau Janina Jentz, LL.M., die mir bereits vor der Abgabe des Manuskripts und bis zur Endredaktion der Veröffentlichung immer wieder mit unersetzlichem Rat zur Seite stand. Meine Eltern, Astrid und Bernhard Steger, haben mir einzigartige Erlebnisse ermöglicht und mich immer unterstützt, ihnen ist diese Arbeit in tiefer Dankbarkeit gewidmet. Das Manuskript der Dissertation wurde im November 2014 fertiggestellt. Danach erschienene Literatur und Rechtsprechung wurden bestmöglich berücksichtigt, die Aktualisierungen befinden sich auf dem Stand von August 2015. Hamburg, im November 2015
Christian Steger
Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI
Einleitung................................................................................................... 1 Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen.................................. 5 Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und im Schiedsverfahren .................................................11 A. B. C. D. E.
Begriffsklärung, Grundlagen und Entwicklung .....................................12 Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren .....................20 Rechtskraft durch Präklusion ................................................................ 30 Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz ............................................................................... 31 Zusammenfassung – Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und Schiedsverfahren ........................................................44
Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs ...................................................................45 A. B. C. D. E.
Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs ..........................................45 Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law ..................................50 Fehlen eines Rechtsbehelfs zur Aufhebung im Ursprungsstaat ..............68 Behandlung von nachträglich bekanntgewordenen Verfahrensfehlern ................................................................................. 69 Zusammenfassung – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs ...................................................................................... 71
X
Inhaltsübersicht
Kapitel 4 – Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Länderberichte und Rechtsvergleich ............................73 A. B. C. D. E. F. G. H.
Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ..........................73 Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen .......................83 Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law....................98 Präklusionsregelungen im Europäischen Übereinkommen .................. 105 Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen ............ 114 Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen................................................................................... 235 Exkurs – Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen ........................................................................... 244 Zusammenfassung – Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Länderberichte und Rechtsvergleich .... 264
Kapitel 5 – Lösungsvorschläge zu Präklusionsmodellen und zur Verzichtsvereinbarung (exclusion agreement) .................................................... 267 A. B. C.
Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne (de lege ferenda) ................................................................................. 267 Definition eines zu präkludierenden treuwidrigen Verhaltens ............. 274 Vorschlag zum Verzichtsmodell im Aufhebungsverfahren.................. 275
Kapitel 6 – Schlussbetrachtung und Thesen zur Präklusion von Versagungsgründen im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren ....................... 277 Literaturverzeichnis .................................................................................... 281 Sachverzeichnis .......................................................................................... 299
Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI
Einleitung.................................................................................... 1 Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen.................................. 5 Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und im Schiedsverfahren .................................................11 A.
Begriffsklärung, Grundlagen und Entwicklung .....................................12
I.
Abgrenzung zu Verjährung, Säumnis und Unbeachtlichkeitsvorschriften ............................................................... 13 II. Rechtstheoretische Grundlage, historische Betrachtung und dogmatische Entwicklung der Präklusion im Zivilprozess ....................14 1. Rechtstheoretische Grundlage...........................................................15 2. Praxisrelevanz der Differenzierung zwischen Lasten und Pflichten ........................................................................................... 17 3. Dogmatische Entwicklung der Präklusionswirkung ..........................18 III. Rechtstechnische Wirkung einer Präklusion..........................................19 B.
Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren .....................20
I.
Prozessgrundsatz von Treu und Glauben ...............................................20 1. Historische Betrachtung von Treu und Glauben im Prozess ..............21 2. Heutiges Verständnis von Treu und Glauben im Zivilprozess und Schiedsverfahren ....................................................................... 23 3. Heutiges Verständnis vom Verbot widersprüchlichen Verhaltens ........................................................................................ 25
XII
II.
Inhaltsverzeichnis
4. Prozessuale Berücksichtigung von Treu und Glauben.......................27 5. Treu und Glauben für die Schiedsparteien während und nach Abschluss des Schiedsverfahrens ......................................................27 Heilung von Form- und Verfahrensfehlern durch rügelose Einlassung und Verzicht der Geltendmachung eines Verfahrensfehlers .................................................................................. 28
C. D.
Rechtskraft durch Präklusion ................................................................ 30 Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz................................................................................ 31
I.
Schutzbereich und Schranken des rechtlichen Gehörs ...........................32 1. Rechtsschutzstandard Art. 6 Abs. 1 EMRK ......................................33 2. Ungeschriebene Präklusionswirkungen .............................................34 3. Verfassungsrechtliche Perspektive der Charakteristik der Durchsetzung eines Schiedsspruchs ..................................................35 a) Gestaltung von Aufhebungsverfahren und Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren ..........................................35 b) Zumutbarkeit eines Verweises auf das Aufhebungsverfahren ................................................................... 36 c) Unterlassenes Aufhebungsverfahren als schuldhafter Verstoß aus verfassungsrechtlicher Sicht......................................37 d) Zusammenfassung zur verfassungsrechtliche Perspektive der Charakteristik bei der Durchsetzung eines Schiedsspruchs ............................................................................. 40 4. Begrenzungsmaßstab einer Präklusionswirkung ...............................41 5. Zusammenfassung – Schutzbereich und Schranken des rechtlichen Gehörs ............................................................................ 42 EuGH zu Präklusionswirkungen ........................................................... 42
II. E.
Zusammenfassung – Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und Schiedsverfahren ........................................................44
Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs ...................................................................45 A. B.
Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs ..........................................45 Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law ....................................50
I. II.
Rügeverzicht in Art. 4 Model Law ........................................................50 Präklusion der Rüge einer fehlerhaften Zusammensetzung des Schiedsgerichts in Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law ...........................52
Inhaltsverzeichnis
III. IV. V. VI. VII. C. D. E.
XIII
1. Grundsystematik der Artt. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law..................52 2. Präklusionswirkung bei nicht erklärter Ablehnung ...........................53 3. Kein zwingender Charakter der Ablehnungsgründe in Art. 12 Abs. 2 Model Law ............................................................................ 54 a) IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration.................................................................................... 55 b) Ablehnungsverzicht im laufenden Verfahren ................................56 c) Kein zwingender Kernbereich ......................................................57 d) Verfahrensrechtlicher ordre public filtert gravierende Verfahrensverstöße über Ergebniskontrolle ..................................59 4. Auswirkung der Präklusion auf das Aufhebungsverfahren ................60 5. Zusammenfassung – Übertragung einer Präklusion auf das Aufhebungsverfahren ....................................................................... 63 Rügepräklusion der fehlenden Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Art. 16 Abs. 2 S. 1 Model Law .........................................................63 Rügepräklusion in Art. 16 Abs. 3 S. 2 Model Law ................................64 Spezielle Aufhebungsversagungspräklusion in Art. 34 Abs. 2 lit. a (i) i. V. m. Art. 16 Abs. 2 Model Law ............................................66 Präklusionswirkung in Art. 34 Abs. 3 Model Law.................................66 Zusammenfassung zur Präklusion im Model Law .................................67 Fehlen eines Rechtsbehelfs zur Aufhebung im Ursprungsstaat ..............68 Behandlung von nachträglich bekanntgewordenen Verfahrensfehlern ................................................................................. 69 Zusammenfassung – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs...................................................................................... 71
Kapitel 4 – Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Länderberichte und Rechtsvergleich ............................73 A.
Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren .........................73
I. Anerkennung (recognition) ................................................................... 76 II. Vollstreckbarerklärung (enforcement) ...................................................78 III. Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung .....................78 1. Die Versagungsgründe ...................................................................... 79 2. Beachtung von im Aufhebungsverfahren erfolglos geltend gemachten Versagungsgründen ........................................................80 IV. Zusammenfassung – Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren .............................................................................. 82
XIV B.
Inhaltsverzeichnis
Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen ........................83
I. II.
Anwendungsbereich des UNÜ .............................................................. 83 Entwicklung von UNÜ und Präklusionsinstituten .................................84 1. Vorläuferübereinkommen zum UNÜ ................................................84 a) Präklusion im Genfer Abkommen von 1927 .................................85 b) ICC Entwurf eines neuen Abkommens für die Anerkennung und Vollstreckung von internationalen Schiedssprüchen ..............87 2. Verhandlungen zum UNÜ bis zur Unterzeichnung am 10. Juni 1958 .............................................................................. 88 a) Beratungen zum Kriterium der Endgültigkeit eines Schiedsspruchs ............................................................................. 88 b) Beratungen zur Präklusionswirkung .............................................90 c) Verhandlungsergebnisse ............................................................... 93 3. Entwicklung des UNÜ und Auslegungsharmonisierung ....................94 III. Zusammenfassung – Präklusionswirkungen im UNÜ ............................97 C.
Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law .....................98
I.
Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren im Rahmen des Model Law........................................................................ 99 II. Präklusionsüberlegungen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungssystem des Art. 36 Model Law ...................... 101 III. Dualer Rechtsschutz im Verhältnis zwischen Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren im Model Law und UNÜ ............................. 102 IV. Zusammenfassung – Präklusionswirkung in Art. 36 Model Law ......... 104 D.
Präklusionsregelungen im Europäischen Übereinkommen .................. 105
I. II.
Anwendungsbereich des EuÜ.............................................................. 106 Präklusionswirkungen in Art. V Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 EuÜ ............. 107 1. Einer Präklusion unterliegende Einredemöglichkeiten .................... 107 2. Präklusion nur bei Einlassung zur Hauptsache ................................ 108 III. Präklusion im Vollstreckungsverfahren unter dem EuÜ ...................... 110 IV. Zusammenfassung zur Präklusion im EuÜ .......................................... 114 E.
Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen ............ 114
I.
Länderbericht Deutschland – Präklusionsmodelle und Fundament der Präklusionsrechtsprechung ......................................... 117 1. Ausgangslage zum deutschen Schiedsverfahrensrecht und historische Aufarbeitung der Präklusionsrechtsprechung ................ 119 a) Rechtslage vor der Schiedsrechtsreform 1998 ............................ 119 aa) Kontext und Entstehungsgeschichte des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. ....................................................... 119
Inhaltsverzeichnis
XV
bb) Das Fehlen einer Schiedsvereinbarung als eigenständiger Versagungsgrund.......................................... 122 cc) Die Entwicklung der sog. Präklusionsrechtsprechung .......... 123 dd) Diskurs der Präklusion und Präklusionsrechtsprechung ....... 128 ee) Weitere Versagungsgründe in § 1044 Abs. 2 Nr. 2–4 ZPO a. F. .............................................................................. 133 ff) Ergänzendes damaliges Meinungsbild zur Präklusion im UNÜ ............................................................................... 134 gg) Zusammenfassung zur Rechtslage in Deutschland vor der Schiedsrechtsreform....................................................... 135 b) Änderung der Rechtslage mit der Schiedsverfahrensrechtsreform von 1998 ................................................................ 135 2. Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur.......................................................................................... 137 a) Präklusionserwägungen in der Rechtsprechung seit der Schiedsrechtsreform 1998 .......................................................... 138 aa) Gerichtsentscheidungen zu Präklusionswirkungen im eigentlichen Sinne ................................................................ 138 bb) Gerichtsentscheidungen zu Präklusionswirkungen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ........................... 147 b) Präklusionsmodelle und deren Diskurs ....................................... 150 aa) Vollständiger Ausschluss einer Präklusion im Rahmen des UNÜ .............................................................................. 151 bb) Fortgeltung des Präklusionsinstituts aus § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. ..................................................................... 153 cc) Entsprechende Anwendung der Präklusionsregelung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO ...... 155 dd) Fortentwicklung der Verweisungswertung einer Präklusionswirkung i. S. d. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. .......... 159 (1) Umfang eines Verweises auf das Schiedsverfahrensstatut bzw. auf das von den Parteien gewählte Recht ................................................. 161 (2) Auslagerung der Fristbestimmung an ausländische Gesetzgeber .................................................................... 163 (3) Überprüfung der Anwendbarkeit eines kollisionsrechtlichen Präklusionsmodells de lege lata ................... 164 c) Zusammenfassung – Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur..................................................... 165 3. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben .......................................................................................... 166 a) Art. V Abs. 1 UNÜ als Grundlage für eine Präklusion bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben ..................................... 167
XVI
II.
Inhaltsverzeichnis
b) Nationalrechtlich geprägter Grundsatz von Treu und Glauben ...................................................................................... 168 aa) Definition von Treuwidrigkeitskriterien in der jüngeren Rechtsprechung ................................................................... 170 bb) Definition von Treuwidrigkeitskriterien in der Literatur ...... 173 c) Kritische Erörterung des BGH-Kriteriums der sog. legitimen Gründe ........................................................................ 176 d) Der Vertrauenstatbestand der anderen Partei .............................. 180 e) Besondere Umstände lassen Rechtsausübung treuwidrig erscheinen .................................................................................. 181 f) Verwirkung als Untergruppe der Treuwidrigkeit ........................ 181 g) Zusammenfassung – Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ............................................ 182 4. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ .................................... 183 5. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus deutscher Sicht ............................................................................................... 184 6. Zusammenfassung – Länderbericht Deutschland ............................ 185 Länderbericht England – Präklusionsmodelle ..................................... 186 1. Ausgangslage English Arbitration Act 1996 – Einführung und Blick auf bestehende Präklusionsregelungen .................................. 186 2. Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur.......................................................................................... 189 a) Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd, 1999.................. 189 b) Yukos Oil Co v. Dardana Ltd, Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania und Kanoria v. Guinness, 2002 und 2005 ................................... 191 c) Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan (Court of Appeal), 2010 ............................................................. 192 d) Weitere Common Law Referenz – Entscheidung des Federal Court of Australia, 2012 ................................................ 194 e) Zusammenfassung – Mögliche Präklusionsmodelle.................... 196 3. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben .......................................................................................... 196 a) Allgemeiner Maßstab von Treu und Glauben eines Parteiverhaltens im Prozess ........................................................ 196 aa) Übertragbarkeit auf Prozessverhalten ................................... 198 bb) Transfer der Yam Seng-Kriterien auf eine Schiedsvereinbarung ............................................................ 199 b) Sanktionsmöglichkeit bei Verstoß gegen Treu und Glauben im Schiedsverfahren ................................................................... 202 c) Zusammenfassung – Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ............................................ 203
Inhaltsverzeichnis
XVII
4. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ .................................... 204 5. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus englischer Sicht ............................................................................................... 206 6. Zusammenfassung – Länderbericht England ................................... 207 III. Länderbericht Belgien – Präklusionsmodelle ...................................... 208 1. Ausgangslage Belgisches Schiedsverfahrensrecht – Einführung und Blick auf bestehende Präklusionsregelungen ......... 208 2. Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur.......................................................................................... 211 a) Präklusionswirkung als Folge der Verzichtbarkeit des Aufhebungsverfahrens i. S. d. Art. 1718 CJB .............................. 211 b) Übertragung der Regelung aus Art. 1717 Abs. 5 CJB auf Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ............... 213 c) Art. 1679 CJB als eigenständige Präklusionsregelung ................ 215 d) Verfahrensaussetzung des belgischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens bei laufendem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat .................................... 216 e) Zusammenfassung – Mögliche Präklusionsmodelle.................... 216 3. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben .......................................................................................... 217 4. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ .................................... 220 5. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus belgischer Sicht ............................................................................................... 221 6. Zusammenfassung – Länderbericht Belgien.................................... 222 IV. Kurzberichte zur Schweiz, Frankreich, Schweden sowie Hong Kong und Singapur ............................................................................. 222 1. Schweiz – Präklusionsmodelle im Fokus ........................................ 223 a) Präklusion im eigentlichen Sinne ............................................... 224 b) Keine Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren durch Rechtsmittelverzicht gem. Art. 192 IPRG .................................. 226 c) Verstoß gegen Treu und Glauben ............................................... 226 2. Frankreich – Präklusionsmodelle im Fokus .................................... 227 a) Generelle Offenheit gegenüber Parteiverzicht (renonciation) und Präklusion im französischen Schiedsverfahrensrecht ............................................................... 227 b) Französisches Auslegungsverständnis des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ................................................................................... 228 c) Präklusionsmodell in Anlehnung an das französische Auslegungsverständnis zu Art. V Abs. 1 UNÜ ........................... 229 d) Verstoß gegen Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage ....... 230 3. Schweden – Präklusionsmodelle im Fokus ..................................... 230 4. Hong Kong – Präklusionsmodelle im Fokus ................................... 231
XVIII V.
F.
Inhaltsverzeichnis
5. Singapur – Präklusionsmodelle im Fokus ....................................... 234 Zusammenfassung – Kurzberichte über Präklusionsmodelle in der Schweiz, Frankreich und Schweden sowie Hong Kong und Singapur ............................................................................................. 235 Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen ................................................................................... 235
I.
Mögliche Präklusionsmodelle im nationalen Diskurs .......................... 236 1. Zusammenfassung der Untersuchung.............................................. 236 2. Synthese ......................................................................................... 238 II. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben .............................................................................................. 240 1. Zusammenfassung der Untersuchung .............................................. 240 2. Synthese ......................................................................................... 241 III. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ ........................................ 242 1. Zusammenfassung der Untersuchung .............................................. 242 2. Synthese ......................................................................................... 242 IV. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus nationaler Sicht ......... 243 1. Zusammenfassung der Untersuchung .............................................. 243 2. Synthese ......................................................................................... 244 G. I.
Exkurs – Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen ........................................................................... 244
Verzicht auf das Aufhebungsverfahren ............................................... 245 1. Kein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren durch eine Finalitätsvereinbarung in der Schiedsabrede bzw. durch eine Vereinbarung institutioneller Schiedsverfahrensregeln ................... 248 2. Verzicht auf das Aufhebungsverfahren in Ermangelung einer positiven Regelung im deutschen Recht de lege lata ...................... 251 II. Verzicht auf die Geltendmachung bestimmter Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren .................. 257 1. Verzichtsvereinbarung bezüglich Art. V Abs. 1 UNÜ..................... 257 a) Verzicht bezüglich Art. V Abs. 1 UNÜ vor Erlass eines Schiedsspruchs ........................................................................... 257 b) Verzicht bezüglich Art. V Abs. 1 UNÜ nach Erlass eines Schiedsspruchs ........................................................................... 262 2. Verzichtsvereinbarung bezüglich Art. V Abs. 2 UNÜ..................... 262 III. Präklusionskonsequenz im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bei wirksamem Verzicht eines Aufhebungsverfahrens ........................................................................ 263 IV. Zusammenfassung – Verzicht der Rechtsbehelfe im Aufhebungsund Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ................. 263
Inhaltsverzeichnis
H.
XIX
Zusammenfassung – Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Länderberichte und Rechtsvergleich ................................................................................... 264
Kapitel 5 – Lösungsvorschläge zu Präklusionsmodellen und zur Verzichtsvereinbarung (exclusion agreement) .................................................... 267 A.
Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne (de lege ferenda) ................................................................................. 267
I. II.
Ausweitung der Präklusionsvorschriften des nationalen Schiedsverfahrensrechts auf ausländische Schiedssprüche .................. 268 Kollisionsrechtliches Präklusionsmodell ............................................. 269 1. Ausnahmen eines kollisionsrechtlichen Präklusionsmodells ........... 271 2. Regelungsvorschläge de lege ferenda ............................................. 272
B. C.
Definition eines zu präkludierenden treuwidrigen Verhaltens ............. 274 Vorschlag zum Verzichtsmodell im Aufhebungsverfahren ................... 275
Kapitel 6 – Schlussbetrachtung und Thesen zur Präklusion von Versagungsgründen im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren ....................... 277 Literaturverzeichnis .................................................................................... 281 Sachverzeichnis .......................................................................................... 299
Abkürzungsverzeichnis
a. A. a. F. AAA AALCC abgedr. Abs. AcP ADRLJ AEUV All E.R. Alt. Am. J. Int’l L. Am. U. Int’l L. Rev. Anm. Annals Fac. L. Belgrade Int’l Art./Artt. ASA ATP Tour Aufl. Ausg. AVR AWD Az.
andere Ansicht alte(r) Fassung American Arbitration Association Asian-African Legal Consultative Committee abgedruckt Absatz Archiv für die civilistische Praxis The Arbitration and Dispute Resolution Law Journal Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union All England Law Reports Alternative American Journal of International Law American University International Law Review Anmerkung Annals of the Faculty of Law in Belgrade – International Edition Artikel/Article Association Suisse de l’Arbitrage Association of Tennis Professionals Tour Auflage Ausgabe Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst Aktenzeichen
B.C.J. B.C.L.R. BayObLG BB Bd. BeckRS Beschl. BG BGB BGBl. BGE BGG
British Columbia Judgements British Columbia Law Reports Bayerisches Oberstes Landesgericht BetriebsBerater Band Beck-Rechtsprechung Beschluss Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtsentscheide Bundesgerichtsgesetz (Schweiz)
XXII
Abkürzungsverzeichnis
BGH BGHZ BR bspw. BT BT-Drs. BundesrechtspflegeG (CH) BVerfG BVerfGE bzw.
Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrat beispielsweise Bundestag Bundestagdrucksachen schweizerisches Bundesrechtspflegegesetz
CA CAS Cass. chZPO CIETAC CISG CJB COGSA CPC
Cour d’Appel Court of Arbitration for Sport Cour de cassation Schweizerische Zivilprozessordnung China International Economic and Trade Arbitration Commission Convention on the International Sale of Goods / UN-Kaufrecht Code Judiciaire Belge Carriage of Goods by Sea Act Codice di Procedura Civile
D.D.C. DIS Doc. Drs. DVBl.
United States District Court for the District of Columbia Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Document Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt
ebd. ECOSOC
ebenda UN Economic and Social Council / Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention endgültig englisch et alii et cetera Europäische Union Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (auch bezeichnet als Brüssel Ia-VO) Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 Verordnung über Insolvenzverfahren, Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000
EG EGMR EMRK endg. engl. et al. etc. EU EuGVVO n. F.
EuGVVO/EuGVO
EuInsVO
Entschiedungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis EuÜ
XXIII
EUV EuZW EWCA Civ EWHC EWiR EWS
Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961 Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht England and Wales Court of Appeal (Civil Division) Decisions England and Wales High Court Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht
f./ff. F.Supp. FCAFC Fn. franz.
folgende Federal Supplement Federal Court of Australia Full Court Fußnote französisch
GesR GG ggf. GKG grds.
Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz grundsätzlich
h. M. HKC HKLR Hrsg.
herrschende Meinung Hong Kong Cases Hong Kong Law Reports Herausgeber/ Herausgeberin
i. S. d. i. V. m. IAI IBA Guidelines
ital.
im Sinne des/der in Verbindung mit International Arbitration Institute Guidelines on Conflicts of Interests in International Arbitration (2004) International Chamber of Commerce International Centre for Settlement of Investment Disputes Incorporation InDret Revista para el Análisis del Derecho insbesondere International Arbitration Law Review Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts italienisch
J. Int. Arb. J.L.M.B. JMLC JR JuS
Journal of International Arbitration Revue de Jurisprudence de Liège, Mons et Bruxelles The Journal of Maritime Law and Commerce Juristische Rundschau Juristische Schulung
ICC ICSID Inc. InDret insbes. Int. A.L.R. IPRax IPRG IPRspr.
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
JZ
Juristenzeitung
Kap. KG KSzW KTS
Kapitel Kammergericht (Berlin Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift)
L.L.C. Law & Pol’y Int’l Bus. LG lit. Lloyd’s Rep. LMK
Limited liability company Law & Policy in International Business Landgericht littera Lloyd’s List Law Reports Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring
MDR Mio.
Monatsschrift für Deutsches Recht Million
n. F. NCPC NJIL NJW NJW-RR No. Nr. NYC NZG
neue Fassung Nouveau Code de Procédure Civile Nordic Journal of International Law Neue Juristische Wochenschrift Neue Juritische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report [engl.] Number Nummer New York Convention Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
oHG OK OLG OLGR öZPO
offene Handelgesellschaft Online Kommentar Oberlandesgericht OLG Report (Hamburg) Zivilprozessordnung Österreich
Para. PWC
Paragraph PricewaterhouseCoopers
QB
Queen’s Bench
RabelsZ RABG RIW Rn. RVG RW
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtspraak Antwerpen Brussel Gent Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Rechtskundig Weekblad
S. s. S.Ct. S.D.N.Y.
Seite, Satz siehe Supreme Court of the United States Southern District of New York
Abkürzungsverzeichnis
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Sàrl. SCC SchiedsVZ Sec. SGCA Slg. SLR SLR(R) SpuRt spZPO
Société à responsabilité limitée Stockholm Chamber of Commerce Die neue Zeitschrift für Schiedsverfahren Section Singapore Court of Appeal Sammlung Singapore Law Reports Singapore Law Reports (Reissue) Zeitschrift für Sport und Recht spanische Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil)
u. u. a. UCLA Law Review UKSC UN UNCITRAL UNCITRAL Arbitration Rules UNCITRAL Model Law UNIDROIT UNIDROIT-Principles UNÜ
und unter anderem University of California Law Review Supreme Court of the United Kingdom United Nations / Vereinte Nationen United Nations Commission on International Trade Law UNCITRAL Arbitration Rules (as revised in 2010)
Urt. USA
UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), with amendments as adopted in 2006 International Institute for the Unification of Private Law UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (New York Convention) Urteil United States of America
Verf. vgl. Vol. VV
Verfasser/Verfasserin vergleiche Volume Vergütungsverzeichnis
WM/WPM
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Wertpapiermitteilungen) Yearbook Commercial Arbitration
YBCA z. B. ZfRV ZGB zit. ZPO ZRP ZVglRWiss ZZP
zum Beispiel Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Schweizerisches Zivilgesetzbuch zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung Einleitung Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Rechtsinstitut der Präklusion von Versagungsgründen in der staatlichen Vollstreckungspraxis ausländischer Schiedssprüche. Untersucht werden soll, ob für das Vollstreckbarerklärungsverfahren eines ausländischen Schiedsspruchs eine präkludierende Wirkung eintritt, wenn eine Schiedspartei im Ursprungsstaat prozessuale Einwendungen gegen den Schiedsspruch nicht im Wege eines Aufhebungsverfahrens geltend gemacht hat. Dabei wird die Arbeit diese Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren rechtsvergleichend für Deutschland, England und Belgien untersuchen und weitere europäische und außereuropäische Rechtsordnungen ebenfalls mit einbeziehen. Soweit vergleichbare Präklusionsinstitute existieren, soll betrachtet werden, inwieweit hieraus Erkenntnisse verallgemeinert werden können, die gegebenenfalls de lege ferenda ein einheitliches Präklusionsregime begründen könnten. Die Arbeit untersucht ergänzend, ob und wenn ja, inwieweit einerseits das Aufhebungsverfahren und andererseits das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Disposition der Parteien stehen und ein Rechtsmittelverzicht in diesen Verfahrensabschnitten wirksam sein kann. Zur Illustration der Fragestellung sollen der weiteren Untersuchung nun zwei Beispielfälle vorangestellt werden. Die Frucht Sàrl ist ein französischer Großhändler, spezialisiert auf den Handel mit heimischen und exotischen Früchten, und liefert in einer regelmäßigen Geschäftsbeziehung Waren an die Obst & Gemüse oHG mit Sitz in Deutschland. 1 Die Obst & Gemüse oHG bestellte über einen Agenten frische Aprikosen aus Südfrankreich. Nach Lieferung der Ware und Begutachtung durch einen Sachverständigen rügte die Obst & Gemüse oHG die Qualität der Aprikosen und überwies nur einen geminderten Teil des Rechnungspreises. Die Frucht Sàrl reichte bezüglich des restlichen Rechnungspreises Schiedsklage beim Schiedsgericht der Internationalen Schiedskammer für Obst und Gemüse ein. Die Obst & Gemüse oHG antwortete schriftlich und rügte dabei vorrangig die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Es mangele hier an einer schriftlichen Schiedsvereinbarung; allein der in den Verkaufsbedin1 Erster Beispielfall, die Parteinamen und Teile des Sachverhalts sind erfunden und (etwas vereinfacht) angelehnt an BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105 (= BGHZ 188, 1; IPRspr. 2010, Nr. 310, 773), vorausgehend OLG München, Beschl. vom 23.11.2009 – 34 Sch 13/09, SchiedsVZ 2010, 50.
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Einleitung
gungen der Frucht Sàrl angeführte Verweis auf „branchenspezifische Bedingungen“2, welche ein Schiedsverfahren vorsähen, reiche nicht. Weiterhin wies die Obst & Gemüse oHG auf die Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware hin und legte dazu ein Sachverständigengutachten vor. Ein Schiedsgericht mit Sitz in Paris, Frankreich, gab der Klage der Frucht Sàrl vollumfänglich statt. Ein mögliches Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch oder ein Aufhebungsverfahren leitete die Obst & Gemüse oHG nicht ein. Der Schiedsspruch wurde von französischen Gerichten für vollstreckbar erklärt. Eine Zahlung auf den Schiedsspruch leistete die Obst & Gemüse oHG indes nicht. Nun betreibt die Frucht Sàrl (Antragsteller) ein Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vor deutschen Gerichten, um sich im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch zu befriedigen. Hiergegen wendet die Obst & Gemüse oHG (Antragsgegner) vor dem zuständigen OLG ein, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sei zu versagen, weil dem Schiedsverfahren keine wirksame Schiedsvereinbarung zugrunde gelegen habe. Weiterhin habe das Schiedsgericht den Vortrag der Mangelhaftigkeit der Ware gänzlich unberücksichtigt gelassen, was zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führe. Damit verstoße der Schiedsspruch u. a. gegen den ordre public. Die Frucht Sàrl entgegnet, die Obst & Gemüse oHG sei mit diesen Einwendungen präkludiert, da diese gegen den Schiedsspruch überhaupt keine Rechtsmittel erhoben habe, im Wege derer diese Einwendungen hätten vorgebracht werden können. Damit stellt sich die Frage, ob das OLG die von der Obst & Gemüse oHG vorgetragenen Versagungsgründe berücksichtigten3 oder dem Antrag der Frucht Sàrl auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sogleich stattgeben wird.4 Ein weiterer Beispielfall verdeutlicht die Problemlage aus einem anderen Blickwinkel: Die Warehouse Corporation5 betreibt in den USA zahlreiche Warenlager.6 Die Lüftungsanlagen der Lagerhäuser wurden von der deutschen SystemAir GmbH geliefert und gewartet. Bestandteil der Lieferverträge ist eine ICC Schiedsvereinbarung, die ein Drei-Personen Schiedsgericht mit Sitz in San Diego, USA, vorsieht. Nachdem die Warehouse Co. mangelnde Lüftungsleistung festgestellt hatte, einige Wartungen nicht wie vereinbart 2 Im konkreten Fall handelte es sich um die COFREUROP, Geschäftsbedingungen für frische essbare Gartenbauerzeugnisse im nationalen und internationalen Verkehr. 3 Stellt das Gericht fest, dass die Versagungsgründe einschlägig sind, wird der Antrag abgelehnt und damit zugleich die Feststellung getroffen, dass der Schiedsspruch in Deutschland nicht anzuerkennen ist, gem. § 1061 Abs. 2 ZPO. 4 Eine Auflösung der Frage findet sich in Kapitel 6. 5 Eine US-amerikanische Gesellschaft nach dem Recht des Staates Kalifornien. 6 Die Parteinamen und der Sachverhalt sind erfunden und (etwas vereinfacht) angelehnt an OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101 (rechtskräftig nach BGH, Beschl. vom 20.12.2012 – III ZB 8/12, BeckRS 2013, 01579, Abweisung Rechtsbeschwerde).
Einleitung
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erfolgt waren und zudem benötigte Geräteteile nicht geliefert wurden, klagte die Warehouse Co. im Schiedsverfahren auf Schadenersatz und Herausgabe von Geräteteilen für eine Vornahme der Wartung. Das Schiedsgericht gab den Forderungen der Warehouse Co. statt und verurteilte die SystemAir GmbH antragsgemäß. Ein Verfahren zur Aufhebung des Schiedsspruchs in den USA betrieb die unterlegene Partei nicht. Die Warehouse Co. (Antragsteller) beantragt nun in Deutschland bei dem zuständigen OLG die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Dem widersetzt sich die SystemAir GmbH (Antragsgegner) und wendet Versagungsgründe gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ein. Das Schiedsgericht habe nicht, wie vereinbart, in San Diego, USA sondern in New York City, USA getagt und einer der Beisitzer des Schiedsgerichts habe die Verhandlungen fast vollständig verpasst, da er während der Verhandlungen eingeschlafen sei. Dies verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Der Schiedsspruch verstoße gegen den internationalen und deutschen ordre public. Der Antragsteller erwidert, diese Einwendungen seien präkludiert, da der Antragsgegner es versäumt habe, den Schiedsspruch mit einem – möglichen und befristeten – Aufhebungsverfahren vor den Gerichten des Ursprungsstaates anzufechten. Zudem verhalte sich der Antragsgegner nun treuwidrig, wenn er sich der Vollstreckung widersetze. Im Schiedsverfahren habe die SystemAir GmbH zum Erlass des Schiedsspruchs zum Ausdruck gebracht, dass sie den Schiedsspruch und die dann titulierte Forderung erfüllen und sich nicht weiter gegen den Schiedsspruch wehren werde. Nun ist abermals zu klären, wie das OLG entscheiden wird.7 Diese beiden Beispielfälle beschreiben die Problemstellung. Im ersten Beispielfall war zwischen den Parteien bereits umstritten, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung vorlag und ob daher ein Schiedsgericht überhaupt zuständig ist. Die unwirksame Schiedsvereinbarung war vom Antragsgegner bereits im Schiedsverfahren gerügt worden. Im zweiten Beispielfall stand die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung fest. Streitgegenständlich waren verschiedene Verfahrensfehler und ein vom Antragsteller als treuwidrig empfundenes Verhalten des Antraggegners. Beide Fälle haben gemeinsam, dass ein zunächst scheinbar beigelegter Streit erneut aufflammt. Im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren wehrt sich die im Schiedsverfahren unterlegene Partei mit allen ihr verbleibenden verfahrenstechnischen Mitteln und trägt Einwendungen gegen die Vollstreckung des Schiedsspruchs vor. Solche Argumente können entkräftet werden, wenn die Erfüllung der jeweiligen Voraussetzung eines Versagungsgrundes geprüft und versagt wird. Es kann jedoch effizienter oder sogar geboten sein, eine Einwendung als präkludiert zurückzuweisen, wenn ein für diese Einwendung vorgesehener Rechtsbehelf wie das Aufhebungsverfahren nicht genutzt wurde. Dabei liegt es in 7
Eine Auflösung der Frage findet sich in Kapitel 6.
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Einleitung
der Natur der Präklusion, unter Umständen gewichtige Argumente abzuschneiden, welche in der Sache hätten erfolgreich sein können, wären sie nicht präkludiert worden. Bei der hier betrachteten Präklusionswirkung handelt es sich um eine grundlegende Frage zum Verhältnis des Aufhebungsverfahrens zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sowie zur Koppelung der Schiedsgerichtsbarkeit an nationale Gerichtssysteme. Einleitend werden nun die Grundlagen der Forschungsfrage und der Gang der Untersuchung vorgestellt (Kapitel 1). Sodann wird die Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und im Schiedsverfahren erarbeitet (Kapitel 2). Hieran schließt sich eine Darstellung der vorhandenen Präklusionsregelungen im Schiedsverfahren und deren Auswirkungen im Aufhebungsverfahren an. Anhand dieser Betrachtung können Grundprinzipien aufgezeigt und deren Wertungen ergründet werden (Kapitel 3). Darauf aufbauend wird die Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines ausländischen Schiedsspruchs rechtsvergleichend untersucht (Kapitel 4). Im Lichte dieser Untersuchung werden Lösungsvorschläge zu Präklusionsmodellen und zu einer Ausweitung der Parteiautonomie zum Verzicht auf das Aufhebungsverfahren unterbreitet (Kapitel 5). Die Schlussbetrachtung bietet Thesen zur Präklusion von Versagungsgründen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren (Kapitel 6).
Kapitel 1
Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen Die hier untersuchte Präklusion wirkt sich als Ausschluss auf Versagungsgründe in der Vollstreckung1 eines ausländischen Schiedsspruchs im Rahmen des New Yorker Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche2 aus. Die Präklusionswirkung knüpft daran an, ob ein zulässiger Rechtsbehelf, beispielsweise ein Aufhebungsverfahren im Sinne des Art. 34 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration3, nach dem Erlass des Schiedsspruchs am Schiedsort eingelegt wurde oder nicht. Für die Untersuchung bietet es sich an, unterschiedliche Unterkategorien4 zu bilden. Eine Kategorie ist die Präklusion im eigentlichen Sinne. Diese Präklusionswirkung umfasst Fälle, in denen sich eine Partei am Schiedsverfahren beteiligt hat, kein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchführte und sich im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren des Vollstreckungsstaates mit Versagungsgründen gegen den Schiedsspruch wendet.5 Eine weitere Kategorie stellt die Präklusion als Reaktion auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Die einzelnen Kategorien sind möglicherweise dogmatisch unterschiedlich verankert und die Präklusion könnte daher auf verschiedenen Wertungen beruhen. In der Praxis kann mitunter beobachtet werden, dass Parteien bzw. deren anwaltliche Vertreter alle Mittel ausnutzen, um einen Schiedsspruch aufheben
1 Soweit hier auf die Vollstreckung Bezug genommen wird, ist davon das nationale Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren (recognition and enforcement proceedings) in seiner jeweiligen Ausgestaltung umfasst. 2 Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, BGBl. 1961 II 121, in Kraft seit 7. Juni 1959, im Folgenden UNÜ. Das UNÜ wurde mittlerweile von 156 Staaten unterzeichnet; zum jeweiligen Status siehe . 3 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration 1985 (with amendments as adopted in 2006), im Folgenden: Model Law. 4 Vgl. insoweit auch Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V UNÜ, Rn. 7, der zur Präklusionsmöglichkeit allgemein vier Kategorien darstellt. 5 Daneben ist eine Präklusion im weiteren Sinn denkbar; hierunter wird beispielsweise eine Ausschlusswirkung im Schiedsverfahren i. S. d. Art. 4 Model Law verstanden, die sich möglicherweise auf das Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren auswirken könnte.
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Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen
zu lassen oder die Vollstreckung zu verzögern.6 Der Gesetzgeber, die Gerichte und Praktiker, die sich mit der Frage auseinander setzen, müssen erörtern, ob ein solches Verhalten hinnehmbar ist oder nicht, und wie gegebenenfalls solchen Verhaltensweisen entgegengewirkt werden kann. Ein Auszug aus einer US-amerikanischen Gerichtsentscheidung dient der pointierten Veranschaulichung dieser Überlegungen in einem praktischen Kontext: „ISEC cannot now seek the refuge of its adversary’s arguments when, during the heat of that engagement, it stood utterly silent on the merits of the matter, lent no voice or encouragement, and by tactics and tone sought to thereby ingratiate itself with the panel. […] Such cleverness is the bane of judges the world over. This is what led Hamlet as he reflected on the scull of Yorick to mock the profession so cruelly. We understand our obligation not to allow a party to impeach on later review a decision of a trial judge, or as here, an arbitral panel, where that party had full opportunity to contest it, and full notice of the vigorous argument of an adversary contesting it, and chose instead not to associate himself with the argument, and not to contest the matter. […] Accordingly, we hold that […] any objections ISEC in fact had were waived, and ISEC will not now be heard to complain about it.“7
Die Klärung einer Präklusion im eigentlichen Sinne und einer Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben involviert Kernaspekte zum Verständnis der Systematik zwischen Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren allgemein. Wenn ein Parteiverhalten im Nachgang eines Schiedsverfahrens mit einer Präklusion sanktioniert wird, drückt dies aus, dass dieses Parteiverhalten im Rahmen des Schiedsverfahrens eine Obliegenheit8 der betreffenden Partei darstellte. Die Diskussion um die Wirkung der Präklusion von Versagungsgründen wird schon seit längerer Zeit geführt, durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen aus verschiedenen Rechtsordnungen immer wieder aufs Neue befeuert und gehört daher zu einer der „brennenden Fragen ohne gültige Antwort“9. Die Problematik tritt nicht national begrenzt auf, sondern wird für die Bspw. Lalive, Revista Internacional de Arbitragem e Conciliaçao-Año I-2008 2009, 109, 114. 7 International Standard Electric Corporation (ISEC) v. Bridas Sociedad Anonima Petrolera Industrial Y Comercial 745 F. Supp. 172, (S.D.N.Y. 1990), YBCA XVII (1992), 639, Zitat (mit Ergänzung) aus Várady, Annals Fac. L. Belgrade Int’l 2009, 6, 8–9; zur Entscheidung siehe daneben Born, International Arbitration, 2011, 1033–1035. 8 Siehe zur Obliegenheit Creifelds/Weber/Cassardt, Rechtswörterbuch, 2014, 918, bei Nichterfüllung einer Obliegenheit drohen Rechtsnachteile; vgl. Otto, Die Präklusion, 1970, 134. 9 Kröll, IPRax 2007, 430. Dieses Zitat zieht Kröll aus einem Beitrag von Geimer, IPRax 2006, 233, 236: „Auf dem Gebiet des (internationalen) Schiedsrechts gibt es viele brennende Fragen, auf die gültige Antworten (noch) nicht gefunden worden sind“. Die Frage zur Beurteilung einer Präklusion stellt sich aus praktischer Sicht unter verschiedenen Gesichtspunkten, u. a. um eine Anwaltshaftung zu vermeiden, siehe Elsing, JR 2012, 117, 118, der von einer anwaltlichen Vorsicht spricht. 6
Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen
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Schiedsgerichtsbarkeit international diskutiert. Einheitliche Lösungen und klare Antworten lassen sich zu dem Problemkreis jedoch nicht erkennen.10 Soll ein Maßstab definiert werden, anhand dessen eine Präklusionswirkung im eigentlichen Sinne zu bestimmen ist, ist es sinnvoll, zunächst in internationalen Abkommen nach einer Antwort zu suchen. Den prominentesten Maßstab für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Schiedssprüche gibt das UNÜ vor. Die Untersuchung einer Präklusionswirkung im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs im Rahmen des UNÜ ist deshalb von besonderem Interesse, weil das UNÜ global als Rückgrat der Durchsetzung ausländischer Schiedssprüche11 gilt und die Schiedsgerichtsbarkeit in wirtschaftlicher Hinsicht einen großen Stellenwert einnimmt.12 Das UNÜ selbst enthält allerdings weder in dessen maßgeblichen Art. V noch an anderer Stelle eine Regelung zur Präklusion.13 Die nationalen Rechtsordnungen kennen allgemeine Präklusionsvorschriften, die zumeist in Orientierung am Model Law und dessen Art. 4, Art. 16 und Art. 34 Abs. 3 implementiert wurden.14 Allerdings enthält auch das Model Law in seinen relevanten Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung, Art. 35 und Art. 36, keine Präklusionsregelung. In Verfahren vor solchen Gerichten, deren nationales Schiedsverfahrensrecht auf dem Model Law basiert, stellt sich daher ebenfalls die Frage zur Präklusionswirkung im Anerkennungs- und 10 So wurde bspw. im Rahmen der Columbia Arbitration Days 2013 (8. März 2013) im Diskussionsforum 3 keine sofortige Lösung auf die Frage gefunden, ob die Nicht-Geltendmachung von Aufhebungsgründen im entsprechenden Aufhebungsverfahren ein Verzicht der Geltendmachung dieser Gründe für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bedeutet. Konkret lautete die Frage: „Does it constitute a waiver of objections if one does not bringing them up in the annulment action but only later during enforcement actions“. 11 Kröll, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 3; Kröll, ZZP 2004, 453, 454; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 693, Rn. 26-20. 12 Schätzungen zufolge enthalten ca. 80–90 % aller internationalen Handelsverträge eine Schiedsvereinbarung, Hesse, in: Briner/Fortier/Berger (Hrsg.), Law of International Business and Dispute Settlement in the 21st Century, 2001, 277, 277, 280; Berger, RIW 1994, 12. Schiedsgerichtsverfahren sind ein anerkanntes Mittel zur Streitbeilegung in zivilrechtlichen Angelegenheiten und werden als der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit angesehen, siehe bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch vor §§ 1025 ff., Rn. 5. 13 Allgemein findet sich in Art. III UNÜ für weitere Vollstreckungsfragen lediglich der Verweis auf das nationale Zwangsvollstreckungsrecht des Vollstreckungsstaates. 14 Bspw. Art. 44 spanisches Schiedsverfahrensrecht (Ley 50/2003 de 23 de diciembre, de Arbitraje) i. V. m. der spanischen Zivilprozessordnung; oder für Deutschland § 1027 ZPO, § 1040 ZPO und § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO, wobei letztere (vorerst) in Deutschland nur auf inländische Schiedssprüche Anwendung finden, näher dazu Kapitel 4 – E.I.2.b)cc).
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Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen
Vollstreckungsverfahren. Dabei unterliegt die Präklusion weder einer einheitlichen Herangehensweise noch wird sie einer einheitlichen Lösung zugeführt.15 Soweit staatliche Gerichte in ihrer Anwendungspraxis des UNÜ und ihrem Verständnis von einer Präklusionswirkung voneinander abweichende Auslegungen praktizieren, widerspricht dies freilich dem Grundinteresse des UNÜ nach einer Ergebnisharmonisierung.16 Die UNCITRAL17 ist sich dieses Umstandes bewusst und betraute 2012 eine Arbeitsgruppe mit der Aufgabe, einen aktualisierten Leitfaden zur Auslegung des UNÜ für die UNCITRAL Kommission vorzubereiten.18 Trotz dieser lobenswerten Bemühung bleibt jedoch unklar, ob allein ein weiterer Auslegungsleitfaden zum UNÜ die Problematik beheben könnte. Zweifel an der Wirkungskraft eines Auslegungsleitfadens wurden schon zuvor aus verschiedenen Perspektiven bestärkt.19 Es ist hier vielmehr eine grundlegende Debatte geboten, zu welcher die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten soll. Die Arbeit wird die Präklusion von Versagungsgründen im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren für verschiedene Rechtsordnungen untersuchen und in Form von Länderberichten darstellen und vergleichen. Die Auswahl der für einen Länderbericht und Rechtsvergleich herangezogenen Rechtsordnungen umfasst Deutschland, England 20 und Belgien, sowie die weiteren europäischen Rechtsordnungen Frankreichs, der Schweiz und Schwedens. Daneben richtet sich ein globaler Blick auf Hong Kong und Singapur. Die Darstellung in Länderberichten folgt der Überlegung, jeweils nur punktuell auf die Präklusionsaspekte einzugehen. Die Untersuchung wird dafür jeweils einleitend in gebotener Knappheit das Schiedsverfahrensrecht der jeweiligen Rechtsordnung darstellen und sich dann auf Präklusionsinstitute konzentrieren. Um die Erkenntnisse im Anschluss miteinander vergleichen zu können, werden vier Kategorien gebildet und die Rechtsordnungen anhand dieser Kategorien untersucht. Diese vier Kategorien umfassen zunächst eine Darstellung von Präklusionsmodellen im nationalen Recht. Dann folgt eine Untersuchung der Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben sowie eines Ermessenspielraums in Art. V Abs. 1 UNÜ als mögli15 Bspw. UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 175, Art. 36, Rn. 12–14. 16 Das UNÜ führte zu einer Modernisierung und Harmonisierung nationaler Schiedsverfahrensrechte, Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Prelims, Rn. 39. 17 United Nations Commission on the International Trade Law. 18 Arbeitsgruppe unter der Leitung von Gailliard und Bermann, die Arbeitsgruppe soll dabei allgemein die Auslegungspraxis untersuchen, siehe (vom 03.07.2012). 19 So bspw. zum 40-jährigen Jubiläum des UNÜ im Sammelband Sanders, Enforcing Arbitration Awards under the New York Convention, Experience and Prospects, 1999. 20 Herausgegriffen aus den Rechtsordnungen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland.
Kapitel 1 – Grundlagen zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen
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chen Anknüpfungspunkt einer Präklusionswirkung. Abschließend wird das jeweilige Präklusionsverständnis im UNÜ aus nationaler Sicht betrachtet. Die Ergebnisse der Länderberichte werden in einem rechtsvergleichenden Teil gegenübergestellt und ausgewertet. Die Untersuchung der Präklusionsmodelle bietet die Grundlage dafür, dort, wo es angezeigt ist, ein Präklusionsmodell zu beschreiben und Lösungen für ein solches Modell zu untersuchen. Zudem wird die Arbeit definieren, wann ein Parteiverhalten im Nachgang eines Schiedsverfahrens als treuwidrig qualifiziert werden kann und unter welchen Voraussetzungen dieses Vorgehen mit einer Präklusion von Versagungsgründen sanktioniert werden kann. Daneben wird sich in einem Exkurs der Frage gewidmet, ob Parteien de lege lata durch Vereinbarung auf Rechtsmittel im Aufhebungsverfahren und im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren verzichten können. Sofern überzeugende Argumente für eine Verzichtsoption sprechen, dies de lege lata jedoch noch nicht normiert ist, werden entsprechende Vorschläge de lege ferenda unterbreitet.
Kapitel 2
Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und im Schiedsverfahren Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut Verschleppungstaktiken wie etwa das ständige Rekurrieren auf alte Fragen durch eine Partei verärgern nicht nur die gegnerische Partei, sondern belasten ebenso das Prozessgericht. Folglich können Prozessordnungen Mittel ergreifen, ein solches Verhalten zu unterbinden oder zu sanktionieren. Zu beachten ist dabei, dass Zivilprozesssysteme in ihrer Ausgestaltung unterschiedliche Prioritäten haben können. So können beispielsweise Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit priorisiert oder aber Effizienz und Rechtsfrieden ein Vorrang gewährt werden.1 Entscheidend ist dabei, wie verschleppendes oder bloß verzögerndes Prozessverhalten behandelt wird. Ein Rechtsinstitut, das hierbei in verschiedener Ausgestaltung zur Anwendung kommen kann, ist die Präklusion. Durch eine Präklusion wird die Einwendung einer Partei für einen Prozessabschnitt oder das gesamte Verfahren ausgeschlossen. Die Partei wird also für ein verzögerndes oder ausgebliebenes Prozessverhalten sanktioniert. Die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Sanktion ausgebliebenen Prozessverhaltens haben ihren Ursprung in der Geschichte des Verfahrensrechts.2 In einem Schiedsverfahren und der gegebenenfalls notwendigen zwangsweisen Durchsetzung des Schiedsspruchs besteht die Herausforderung darin, Dazu bspw. Sandrock, der im Zusammenhang mit der Präklusionswirkung resümierte, dass manchmal Zügigkeit den Vorzug vor Gründlichkeit verdiene, Sandrock, IPRax 2001, 550, 557. 2 Weder eine detaillierte Darstellung der Zivilprozessgeschichte noch eine umfassende Aufarbeitung der Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit sind Gegenstand dieser Arbeit. Für einen Überblick zur Geschichte des Schiedsverfahrens und für weiterführende Überblicke wird bspw. verwiesen auf Born, International Commercial Arbitration, 2014, §1.01, 6–70; Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), 1, m. w. N. und speziell für Deutschland auf Zieren, Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO (1877–1933) unter Berücksichtigung der Genfer Übereinkommen von 1923 und 1927 sowie der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2013. Weitere Überblicke finden sich bei Glossner, in: Eisemann (Hrsg.), Hommage à Frédéric Eisemann, 1978, 19, der sich mit der Geschichte des Schiedsverfahrens seit dem 2. Jahrhundert vor Christus befasst; Lukits, SchiedsVZ 2013, 269, geht auf die private Schiedsgerichtsbarkeit im römischen Recht ein; Rivkin, The Impact of International Arbitration on the Rule of Law, 2012, II.–IV. und Roebuck, Mediation and Arbitration in the Middle Ages, 2013, zu Schiedsverfahren und Mediation im Mittelalter. Zur Frage, warum Schiedsgerichtsbarkeit überhaupt zuzulassen ist siehe Paulsson, The Idea of Arbitration, 2013, 104–108. 1
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
in dem Verfahren zwar einerseits der Wahrheitsfindung hinreichend Raum zu gewähren, aber andererseits ein straffes und effizientes Verfahren zu gewährleisten. Nicht zuletzt wird die Schiedsgerichtsbarkeit mitunter aufgrund einer kürzeren Verfahrensdauer gegenüber der teilweise als langsamer wahrgenommenen staatlichen Gerichtsbarkeit favorisiert.3 In diesem Spannungsfeld zwischen der zeitintensiveren Wahrheitsfindung und der Verfahrenseffizienz liegt die Frage der Reaktion auf das Ausbleiben eines Parteiverhaltens oder der Reaktion auf verzögernde und verschleppende Verhaltensweisen. Besagtes Spannungsfeld erstreckt sich über alle Etappen der Streitigkeit zwischen den Parteien, von der Einleitung des Verfahrens und Konstituierung des Schiedsgerichts über das Schiedsverfahren an sich bis hin zur Aufhebung des Schiedsspruchs oder dessen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung. Dies wird von der Überlegung begleitet, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Präklusionswirkung eintreten kann. Nun wird in einem ersten Schritt, bevor es gilt sich den Besonderheiten des Schiedsverfahrens zu widmen, zunächst als Grundlage das Rechtsinstitut der Präklusion im Zivilprozessrecht vorgestellt. Einleitend werden der Begriff und dessen Ursprung erarbeitet (A.), um dann die verschiedenen Präklusionsgründe und Begriffsgruppen darstellen zu können (B.). Dann soll auf die Frage der Rechtskraft durch eine Präklusion eingegangen werden (C.). Abschließend ist zu klären, ob und in welchem Umfang eine Präklusion im Spannungsfeld mit der Beschneidung des rechtlichen Gehörs möglich ist und wie dieser Konflikt aufgelöst werden kann (D.).
A. Begriffsklärung, Grundlagen und Entwicklung A. Begriffsklärung, Grundlagen und Entwicklung
Unter dem Begriff der Präklusion4 ist die Ausschlusswirkung auf das Vorbringen bestimmter Rechte oder Rechtshandlungen zu verstehen.5 Die Präklusion verbindet dabei meist ein Zeitmoment (Frist) mit einem Handlungsmoment (Einrede bzw. Rüge) und entfaltet ihre Wirkung dann, wenn zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Handlung nicht erfolgt ist. Die Präklusion reagiert auf das verspätete oder nicht gegebene Verhalten einer Partei, sanktioniert wird also die Parteisäumnis. 6 Die Präklusion bewirkt, dass „ein Nachholen der versäumten Handlung ausgeschlossen ist, und der Prozeß ohne 3 Vgl. Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 33, Rn. 1.95; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2008, 45–47, Rn. 155–159. 4 Zur Begriffsbedeutung Otto, Die Präklusion, 1970, 15–18; vom Lateinischen praeclusio (Ausschluss) abgeleitet, Lieberwirth, Latein im Recht, 1996, 233. 5 Creifelds/Weber/Cassardt, Rechtswörterbuch, 2014, 985. 6 Vgl. allerdings ebenso Otto, Die Präklusion, 1970, 15–16, der die Versäumung nicht als notwendiges Merkmal sieht, um auch Fälle erfassen zu können, in denen eine Partei objektiv keine Möglichkeit zur Prozesshandlung hatte.
A. Begriffsklärung, Grundlagen und Entwicklung
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Rücksicht auf diese Handlungen fortgesetzt und beendigt wird“7. Eine Präklusionswirkung kann sich aus dem Gesetz oder einer vertraglichen Vereinbarung ergeben.8 Präklusionsvorschriften verfolgen das Ziel, Verfahren zu beschleunigen, effizient zu gestalten und dabei frühe Rechtssicherheit zu gewährleisten, um so letztlich Rechtsfrieden schaffen zu können.9 Präklusionsinstitute werden nach formeller und materieller Präklusionswirkung unterschieden. Die formelle Präklusion bewirkt, dass ein Vorbringen nach Fristsäumnis lediglich für das laufende Verfahren zurückgewiesen wird. Unter materieller Präklusion ist hingegen zu verstehen, dass die Partei mit dem präkludierten Vorbringen nunmehr dauerhaft, also ebenfalls für spätere Verfahrensabschnitte oder Verfahren, ausgeschlossen ist. Zunächst soll die Präklusion von weiteren Rechtsinstituten wie Verjährung, Säumnis und anderen Unbeachtlichkeitsvorschriften abgegrenzt werden (I.). Daran schließt sich eine Untersuchung der rechtstheoretischen Grundlage und der Entwicklung des Präklusionsinstituts im Zivilprozess an (II.). Abschließend wird die rechtstechnische Wirkung einer Präklusion aufbereitet (III.). I.
Abgrenzung zu Verjährung, Säumnis und Unbeachtlichkeitsvorschriften
Die Präklusion ist abzugrenzen von weiteren Prozessinstituten, die dogmatisch unterschiedlich zu klassifizieren sind, mitunter aber faktisch vergleichbare Ergebnisse wie eine Präklusion haben. Die Verjährung im zivilrechtlichen Sinne steht nach Ablauf einer bestimmten Frist der Durchsetzung eines Anspruchs entgegen.10 Die Rechtsfolge der Verjährung11 ist von jener der Präklusion deutlich zu unterscheiden. Nach heutigem Verständnis beseitigt eine Verjährung den Anspruch nicht, und gestaltet den Anspruch ebenso wenig zu einer bloßen Naturalobligation; mit der Verjährung kann die verpflichtete Partei die Leistung verweigern, wobei die verpflichtete Partei die Verjährung geltend machen muss.12 Im Unterschied zur Präklusion steht die Verjährung einem Anspruch also nur einredehalber entgegen. Ein verjährter Anspruch kann von einer Partei noch erfüllt werden.13
7 Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 20. 8 Es handelt sich bei der Präklusion nicht um ein Sonderinstitut des Zivilprozessrechts; auch das Verwaltungsverfahrensrecht und das Strafprozessrecht enthalten Präklusionsvorschriften. 9 Otto, Die Präklusion, 1970, 149–155. 10 Bspw. § 214 BGB. 11 Die Verjährung war bereits im römischen Recht bekannt, als „longi temporis praescriptio“, siehe bspw. , sie war ursprünglich ein Einwand gegen die Forderung auf Rückgewähr des Besitzes nach Ablauf einer entsprechenden Frist. 12 Creifelds/Weber/Cassardt, Rechtswörterbuch, 2014, 1359.
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
Weiterhin ist die Säumnis (sog. default) einer Partei denkbar.14 Darunter versteht man, dass eine Partei trotz objektiver Möglichkeit nicht verhandelt oder nicht zu einer Verhandlung erscheint.15 Wie die Präklusionsregeln haben die Säumnisvorschriften das Ziel, Verzögerung und treuwidrige Prozesstaktiken zu verhindern.16 Eine säumige Partei kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand erreichen und die versäumte Handlung nachholen.17 Eine solche Wiedereinsetzung und Nachholung ist bei präkludierten Einwendungen nicht möglich. Eine Präklusion kann aber die Konsequenz einer versäumten Handlung sein.18 Von der Präklusion abzugrenzen sind weiterhin eventuelle Unbeachtlichkeitsvorschriften. Ihre Wirkung ist darauf beschränkt, dass ein Fehler für das weitere Verfahren unbeachtlich bleibt; der Fehler wird aber durch die Unbeachtlichkeitsvorschrift nicht beseitigt. Im Unterschied dazu bewirkt eine Heilung, dass ein Fehler beseitigt wird. Dabei ist die Heilung eine mögliche Vorstufe einer Präklusionswirkung. Wenn der Verfahrensfehler auf die eine oder andere Art geheilt wird, greift eine Präklusion hinsichtlich einer erneuten Geltendmachung des Verfahrensfehlers.19 II. Rechtstheoretische Grundlage, historische Betrachtung und dogmatische Entwicklung der Präklusion im Zivilprozess Zivilprozessuale Parteihandlungen können als Lasten und Pflichten kategorisiert werden. Als Last ist eine Handlung zu bezeichnen, die zur Disposition der Partei steht, wohingegen eine Pflicht eine notwendige Parteihandlung mit übergeordnetem Interesse darstellt.20 Um zu klären, wann ein Parteiverhalten zu einer Präklusion führen kann, wird genauer erörtert, welches prozessuale Parteiverhalten als Last und Pflicht ausgestaltet ist. Die Betrachtung soll mit den rechtstheoretischen Grundlagen der Präklusion ergänzt werden. Die historische Entwicklung dieser grundlegenden Verfahrenselemente wird hierfür zunächst im Lichte des Prozessrechts erörtert. Dann soll auf die praktische Relevanz der Differenzierung zwischen Lasten und Pflichten und auf die dogmatische Entwicklung der Präklusionswirkung eingegangen werden. 13 Der verjährte Anspruch erlischt nicht, bspw. Münchener Kommentar BGB, Grothe zu § 214, Rn. 1. 14 Zur Säumnis im Schiedsverfahren siehe bspw. Quinke, SchiedsVZ 2013, 129. 15 Vgl. bspw. Art. 25 Model Law bzw. § 1048 ZPO als Umsetzung der Modellvorschrift. 16 Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 548, Rn. 21-83. 17 Vgl. bspw. § 233 ZPO, § 1048 Abs. 4 S. 1 ZPO. 18 Zur Differenzierung siehe ebenfalls Otto, Die Präklusion, 1970, 15–17. 19 Daher ist die Heilung als solche nicht abzugrenzen. 20 Musielak ZPO-Kommentar, Musielak zur Einführung, Rn. 55–56.
A. Begriffsklärung, Grundlagen und Entwicklung
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1. Rechtstheoretische Grundlage Die Grundlage der Präklusion im Zivilprozessrecht ist historisch betrachtet unterschiedlich zu beurteilen. Der Fokus liegt hierbei auf der Frage, ob Parteien prozessuale Mitwirkungspflichten hatten und ob ein Prozess Lasten mit sich brachte, deren Nichtachtung zu sanktionieren war.21 Dafür widmete sich von Bülow umfassend der Frage, ob es notwendig ist, dass sich eine beklagte Partei zur Sache einlässt, damit das Verfahren und die Entscheidung rechtmäßig erfolgen können.22 In seiner Abhandlung aus dem Jahr 1879 ging von Bülow hierfür auf das mittelalterliche Rechtsinstitut solennis ordo judiciarius ein, welches anknüpfend an die Vorschriften der römischen Rechtsquellen ein solches Erfordernis der Mitwirkung aufstellte.23 Demnach war eine Verhandlung und Entscheidung über Rechtsansprüche ohne die Einlassung des Beklagten nicht möglich.24 Allerdings wurde unmittelbar erkannt, dass der Beklagte auf diese Weise die Möglichkeit erlangte, den Prozessfortschritt zu vereiteln und einer Verurteilung sogar hätte entgehen können.25 Dies wiederum führte dazu, dass das Erfordernis einer sog. zweiseitigen Litiscontestation26 im gemeinen Zivilprozessrecht nicht fortgelten sollte und sich von diesem Erfordernis abgewandt wurde.27 Aus Sicht von Bülows bestand für den Beklagten keine Pflicht, sich an dem Prozess zu beteiligen.28 Zugleich lehnte er damit die Fiktion der Beteiligung trotz Nichtbeteiligung ab und widersprach Degenkolb29, der zuvor argumentiert hatte, dass für den Beklagten ein Einlassungszwang bestünde.30 Die Gedanken von Bülows hat Goldschmidt fortgebildet und sprach statt von „verwirkbaren Handlungsrechten“ von „pro-
21 Mit einem knappen Verweis zum altgermanischen Recht Görres, ZZP 1905, 1, 11, dort Fn. 13; Görres sieht die Einlassung nicht als Pflicht an, sondern als „Voraussetzung, bei deren Fehlen gewisse Rechtsnachteile für den Beklagten eintreten“. 22 Bülow, AcP 1879, 1, 11. Eine Übersicht findet sich bspw. bei Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 19–23. 23 Bülow, AcP 1879, 1, 11. 24 Bülow, AcP 1879, 1, 11. 25 Bülow, AcP 1879, 1, 11. 26 Mit anderen Worten also das beidseitige Vortragen der kontroversen Prozessaspekte. 27 Bülow kritisierte dazu, dass diese Abkehr nicht ausdrücklich erfolgte, Bülow, AcP 1879, 1, 15. 28 Bülow, AcP 1879, 1 und z. B. 26; siehe m. w. N. Klein, Die schuldhafte Parteihandlung, 1885, 43 dort Fn. 46. 29 Bülow, AcP 1879, 1, 27. 30 Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm, 1877, 14. Demnach müsse sich der Beklagte am Verfahren beteiligen, verlangt werde „Erscheinen und Antwort“ Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm, 1877, 14. Für den Beklagten gebe es eine „gesetzliche Verpflichtung zum prozessualen Handeln“, Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 20.
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zessualen Lasten“.31 Folgenlos dürfe die fehlende Beteiligung allerdings nicht bleiben; eine Sanktion müsse abgewogen und am normwidrigen Verhalten des Beklagten gemessen werden, ergänzte Klein.32 Ebenso sprach sich Schwalbach 1880 gegen eine Beteiligungspflicht aus und postulierte stattdessen eine sog. Gebundenheit der Prozesspartei33. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich die Ansicht verfestigt, dass es keinen Zwang gebe, Parteihandlungen rechtzeitig und wirksam vorzunehmen. Nunmehr befasste sich die Literatur mit den Versäumnisfolgen, erörterte wieder detaillierter das Thema der Parteipflichten und forschte nach Differenzierungsmöglichkeiten zwischen Prozesspflichten und Prozesslasten.34 Lent ging umfassend der Frage nach, unter welchen Voraussetzungen einer Partei Nachteile dafür angedroht werden dürfen, wenn eine Partei eine Last nicht beachtet hatte.35 Als maßgebliche Grenze stellte Lent darauf ab, dass nur solche Nachteile angedroht werden dürften, die nur eine Partei treffen und den Prozess nicht gefährden.36 Für die Differenzierung zwischen Pflichten und Lasten müsse darauf abgestellt werden, wie das Gesetz ein Parteiverhalten bewerte.37 Überlasse es das Gesetz der Parteiverantwortung, ob die Partei handelt oder nicht, ist dies als Last zu werten.38 Eine Pflicht könne nur angenommen werden, wenn ein bestimmtes Verhalten verlangt und ein anderes Verhalten untersagt wird.39 Henckel verfolgte einen ähnlichen Ansatz und unterschied nach der „Dispositionsbefugnis der Parteien“40, wobei eine Pflicht dann bestünde, wenn das Gesetz im Verfahrensinteresse ein Verhalten fordere.41 Lent beurteilte die sachgemäße Prozessführung als Pflicht, denn insbesondere ein prozessverschleppendes Verhalten kann für das Gesetz und das Gericht nicht gleichgültig sein.42 Diese Gedanken lassen sich ebenfalls auf eine Präklusion übertragen; wenn die Präklusion eine ProzessverschlepZitiert nach Bülow/Braun, Gemeines deutsches Zivilprozeßrecht, 2003, 30. Klein, Die schuldhafte Parteihandlung, 1885, 43 und 61, aus österreichischer Perspektive. 33 Schwalbach, AcP 1880, 390, 398, die Gebundenheit resultiere daraus, dass der Beklagte unter dem Recht und den Behörden des Staates stehe. Die Gebundenheit könne die Partei zu gewissen Handlungen zwingen, Schwalbach, AcP 1880, 390, 398. 34 So bspw. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 1927, § 75, 202–206. 35 Lent, ZZP 1954, 344, 347–348. 36 Lent, ZZP 1954, 344, 347. 37 Lent, ZZP 1954, 344, 350. 38 Lent, ZZP 1954, 344, 351. 39 Lent, ZZP 1954, 344, 351. 40 Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 22. 41 Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, ab 15, zitiert nach Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 22, dort Fn. 12, 13. 42 Lent, ZZP 1954, 344, 353. 31 32
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pung verhindern soll, muss die Präklusion sich auf das verschleppende Verhalten umfassend auswirken.43 In einem Schiedsverfahren bestehen – schon klargestellt mit einer entsprechenden Entscheidung des Reichsgerichts im Jahre 1897 – für die Parteien ebenfalls Verfahrensförderungspflichten,44 deren Nichtbeachtung sanktioniert werden kann.45 Obgleich die genaueren Umstände und Bedingungen für Lasten und Pflichten im Schiedsverfahren umstritten sind, ist das Bestehen bestimmter Pflichten einer Partei jedenfalls an sich im Schiedsverfahren anerkannt.46 Erheblich ist hier die Feststellung, dass sich die Präklusion im Schiedsverfahren als Reaktion auf Parteiverhalten und Parteisäumnis auswirken kann. Die entsprechenden Grundlagen zum staatlichen Zivilverfahren lassen sich auf die Schiedsgerichtsbarkeit übertragen. Obgleich ein Schiedsverfahren privatrechtlicher Natur ist, bestimmte Verfahrenselemente dispositiv sind und es seine Grundlage aus der Kombination der staatlichen Legitimation solcher Verfahren und der parteigetroffenen Schiedsvereinbarung zieht, ist das Schiedsverfahren insbesondere hinsichtlich der Präklusion mit dem Zivilprozess vergleichbar.47 Gerade die privatrechtliche Natur des Schiedsverfahrens könnte sogar zu verschärften Präklusionswirkungen führen, weil die Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien die gegenseitigen Förderungspflichten stärken könnte. 2. Praxisrelevanz der Differenzierung zwischen Lasten und Pflichten Die begriffliche Abgrenzung zwischen dispositivem Parteiverhalten, einer Parteilast, und notwendigem Parteiverhalten, einer Parteipflicht, erschöpft sich 43 Eine Präklusion ist für andere Parteihandlungen eine wirksame Antwort auf eine Säumnis und ermöglicht es, auf die neue Prozesssituation reagieren zu können und den effizienten Fortgang des Verfahrens gewährleisten zu können. Einen Überblick zur Diskussion über Lasten und Pflichten für die Zeit nach der Vereinfachungsnovelle zur ZPO findet sich bspw. bei Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1984), Einl. IV C, Rn. 233–241. Diese Grundlagen gelten zunächst für das kontinentaleuropäische Zivilprozessverfahren. 44 So das Reichsgericht im Jahr 1897, RG 1897, JW 1898, 50, Nr. 20: „Das gemeine Recht gewährt nun aus dem im Schiedsvertrage liegenden Versprechen beider Theile, alles zur Bildung des Schiedsgerichts und zur Fällung des Spruchs ihrerseits Erforderliche zu thun […]“. 45 Zu den Verfahrensförderungspflichten im Schiedsverfahren siehe bspw. Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1029, Rn. 26. 46 Die Details dieser Diskussion sollen an dieser Stelle dahinstehen. Vertiefend bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1029, Rn. 117–119; ebenso zum Streitstand Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1029, Rn. 26; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2008, 125–129, Rn. 440–463; Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 7, Rn. 20–21. 47 Die Schiedsgerichtsbarkeit nimmt Rechtspflegefunktion wahr und gilt als materielle Rechtsprechung, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch vor §§ 1025 ff., Rn. 4, dort m. w. N., folglich sind prozessuale Grundsätze zu übertragen.
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
nicht lediglich in einer bloßen theoretischen Feststellung, sondern hat praktische Relevanz. Zu klären ist dabei, ob ein Parteiverhalten in der Verantwortung und der Hoheit der Partei liegt oder einem übergeordneten Verfahrensinteresse48 dient.49 Von dieser Differenzierung hängt ab, wie eine Präklusion wirken kann. 50 Handelt es sich bei dem fraglichen Parteiverhalten um eine Last, sollte die Präklusionswirkung weniger streng konstruiert werden als bei einem Verstoß gegen eine Parteipflicht; eine Parteipflicht ist für den Prozessfortgang elementar, weshalb ein Verstoß durch striktere Maßstäbe zu unterbinden ist.51 Dabei ist eine Differenzierung für die Anwendung normierter Präklusionsvorschriften weniger relevant, hier hat das Gesetz eine Entscheidung getroffen und gibt die Konsequenz vor, dass beispielsweise bestimmte Einreden oder Rügen ausgeschlossen werden. Gerade bei nicht ausdrücklich normierten Präklusionswirkungen stellt sich hingegen die Frage, wie ein Präklusionsinstitut anzuwenden ist und auf welches konkrete Verhalten es angewendet werden kann. Im Schiedsverfahren kommt es daneben maßgeblich auch darauf an, ob die fragliche ausgebliebene Handlung zur Disposition der Partei stand und welche Auswirkungen die Sanktion des Ausbleibens einer Handlung mit sich bringt. An dieser Feststellung stellt sich die Weiche, ob und unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls auch ein nicht normiertes Präklusionsinstitut zur Wirkung gebracht werden kann. 3. Dogmatische Entwicklung der Präklusionswirkung Der Sinn und Zweck einer Präklusionswirkung ist die Schaffung von Rechtssicherheit, verbunden mit dem Ziel der Beschleunigung eines Zivilprozesses und der Vermeidung einer potentiellen Prozessverschleppung. 52 Die dogmatische Basis für eine prozessuale Präklusionswirkung im Zivilprozess findet sich im Grundsatz der Prozessförderungspflicht. Als Prozessförderungspflicht wird die Verpflichtung einer Partei bezeichnet, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so früh wie möglich im Verfahren vorzubringen, wie es die Pro48 Bspw. dem Schutz der übrigen Verfahrensbeteiligten vor Prozessverschleppung, Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 23. 49 Zum heutigen Verständnis von prozessualen Pflichten siehe bspw. Stein/Jonas ZPOKommentar (2014), Brehm vor § 1, Rn. 211–218. 50 Vgl. Otto, Die Präklusion, 1970, 129–135, der ebenfalls erörtert, für welches Parteiverhalten Präklusionsnormen wirken. 51 Einen überzeugenden Nachweis der praktischen Relevanz dieser Unterscheidung liefert Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 23. 52 Eine detaillierte rechtsgeschichtliche Darstellung der Präklusion soll hier nicht erfolgen und findet sich mit einem guten Überblick und Erörterungen der jeweiligen Diskussionen bei Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, insbes. 28–36.
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zesslage erfordert.53 In der deutschen ZPO findet sich diese Pflicht beispielsweise in § 282 ZPO.54 Für Schiedsverfahren gilt grundsätzlich ebenso eine solche Förderungspflicht, unabhängig davon, ob es sich um Lasten oder Pflichten handelt.55 Für das staatliche Gerichtsverfahren bringt § 230 ZPO als Grundprinzip zum Ausdruck, dass als Rechtsfolge der nicht erfüllten Prozessförderungspflicht die Prozesshandlung ausgeschlossen wird.56 Eine speziellere Regelung findet sich dann beispielsweise in § 295 ZPO, wonach ein Verfahrensfehler nicht mehr gerügt werden kann, wenn die Partei hierauf verzichtet oder die Rüge nicht rechtzeitig erhebt. Entsprechende Grundsätze finden sich in verschiedenen Rechtsordnungen.57 Zudem enthalten diverse nationale Rechtsordnungen im jeweiligen Abschnitt über Schiedsverfahren als allgemeinen Grundsatz58 eine Regelung zur Rechtsfolge eines verspäteten Parteiverhaltens.59 Viele dieser Vorschriften lassen sich zurückführen auf Art. 4 Model Law, der wiederum Art. 30 UNCITRAL Arbitration Rules60 reflektiert. Zahlreiche institutionelle Schiedsregeln enthalten ebenfalls eine entsprechende Präklusionsregelung.61 Festzuhalten ist insoweit, dass Präklusionsinstitute der Steigerung der Verfahrenseffizienz im Zivilprozess dienen und Rechtssicherheit fördern. Im Vergleich zum Schiedsverfahren sind hier insoweit keine Besonderheiten festzustellen, welche ein abweichendes Verständnis der rechtstheoretischen Grundlagen nahelegen würden. III. Rechtstechnische Wirkung einer Präklusion Eine Präklusion bewirkt, dass eine grundsätzlich gegebene Einredemöglichkeit für das Verfahren ausgeschlossen wird. Eine präkludierte Prozesshandlung ist 53 Münchener Kommentar ZPO, Prütting zu § 282, Rn. 4; Rosenberg/Gottwald/ Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 428, § 81, Rn. 15. 54 Die Vorschrift wurde im Rahmen der Vereinfachungsnovelle in der aktuellen Form erlassen, Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren vom 03.12.1976, BGBl. 1976 I 3281. Zuvor trafen u. a. §§ 279, 279a ZPO a. F. vergleichbare Regelungen, dazu bspw. Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1972), Schuhmann/Leipold zu §§ 279, 279a. 55 Siehe Kapitel 2 – A.II.1; zudem bspw. Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1122. 56 Dazu bereits früher Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 1927, § 75 II 2 a, 203; Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1972), § 230, 900; bzw. aktuell Münchener Kommentar ZPO, Gehrlein zu § 230, Rn. 1–5. 57 Bspw. Art. 147 chZPO, Art. 144 öZPO, Art. 20, spZPO. 58 Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 928, Rn. 1606 mit Bezug auf die ICC Rules of Arbitration und § 1027 ZPO. 59 Bspw. in § 1027 ZPO, Art. 579 öZPO oder Art. 6 spanisches Schiedsverfahrensrecht. 60 UNCITRAL Arbitration Rules 1976. 61 Art. 39 ICC Rules of Arbitration; Art. 10 CIETAC Arbitration Rules (2012); Art. 31 SCC Arbitration Rules (2010); § 30 DIS Schiedsgerichtsordnung (1998); Art. R-41 AAA Commercial Arbitration Rules and Mediation Procedures (2013).
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
vom (Schieds-)Gericht zurückzuweisen und in der Entscheidung nicht mehr zu berücksichtigen. 62 Die Präklusion beseitigt hingegen nicht den Mangel, der die Einrede begründen könnte; die Präklusion hebt ebenso wenig das ursprünglich bestehende Verfahrensrecht als solches auf und vernichtet es nicht.63
B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren
Obgleich die prozessuale Wirkung der Präklusion stets einheitlich ist – die präkludierte Verfahrenshandlung kann nicht mehr wirksam vorgebracht werden und bleibt unberücksichtigt – lassen sich trennscharfe Kategorien verschiedener Präklusionsgründe bilden.64 Anknüpfungspunkt für die Kategorien ist das Parteiverhalten. Dabei gilt es zu beachten, welche Ziele jeweils mit einer Präklusion verfolgt werden sollen. Ein generelles Ziel kann die effiziente Gestaltung des Verfahrensrechts sein, welches Vorteile der Prozessökonomie wahrt, Rechtswirksamkeit erhält, Vertrauen in das Rechtssystem aufbaut und schützt und eine effiziente Ressourcennutzung des Prozessgerichts und damit wirtschaftliche Vorteile für die Parteien bietet.65 Zu den Präklusionsgründen lassen sich folgende Kategorien bilden: Gebot der Handlung nach Treu und Glauben (I.) sowie die Heilung von Verfahrensmängeln insbesondere durch rügelose Einlassung sowie durch Rechtsmittelverzicht (II.). Diese Kategorien ermöglichen es, ein Parteiverhalten zuzuordnen, und erleichtern die Weichenstellung der gebotenen Präklusionsfolge. I.
Prozessgrundsatz von Treu und Glauben
Einer der elementaren Prozessgrundsätze umfasst die Erwartung, dass Parteihandlungen stets nach Treu und Glauben erfolgen müssen, und diesem Einfluss von Treu und Glauben kann sich das Gerichtsverfahren nicht entziehen.66 Verstöße gegen dieses Grundprinzip von Treu und Glauben werden nicht geduldet, ihnen wird beispielsweise mit Ausschlüssen von Prozesshandlungen und Präklusionswirkungen entgegengetreten. Der Prozessgrundsatz von Treu und Glauben umfasst als Oberbegriff unter anderem das Verbot 62 Für staatliche Gerichtsverfahren bspw. § 296 ZPO, 531 ZPO; Geimer/Geimer/ Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 913, Rn. 2643. 63 Zur Abgrenzung zu weiteren Rechtsinstituten vgl. oben Kapitel 2 – A.I. 64 Kröll sieht hier die Notwendigkeit, Fallgruppen zu differenzieren, Kröll, IPRax 2007, 430. 65 Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 17–19. 66 Lüttringhaus, ZZP 2014, 29, 29; Münchener Kommentar ZPO, Rauscher zur Einleitung, Rn. 34–35, m. w. N. dort in Fn. 64. Zu den Anwendungsfeldern von Treu und Glauben siehe bspw. Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/ Olzen zu § 242, Rn. 102–104.
B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren
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widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium non licet)67 und das Verbot missbräuchlichen bzw. treuwidrigen Verhaltens. Ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens liegt vor, wenn eine Partei sich widersprüchlich und gegensätzlich zur ursprünglichen eigenen Handlung oder Position verhält und die Gegenseite schützenswert darauf vertraut hatte, dass die ursprüngliche Handlung oder Position Bestand haben würde. Im angloamerikanischen Rechtsraum ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als estoppel 68-Theorie bekannt.69 Missbräuchlich beziehungsweise treuwidrig ist ein Verhalten beispielsweise dann, wenn eine Partei kein anzuerkennendes Rechtsschutzbedürfnis hat, den Prozess aber dennoch einleitet und durch entsprechende Prozesshandlungen fortführt.70 Auch ein Parteiverhalten, das der gegnerischen Seite einen wissentlichen und intendierten Schaden zufügt, kann als missbräuchlich und treuwidrig beurteilt werden. Im Folgenden sollen nun die historische Entwicklung und das aktuelle Verständnis dieses Prozessprinzips näher betrachtet werden. 1. Historische Betrachtung von Treu und Glauben im Prozess Der Grundsatz, dass Treu und Glauben das Leitbild für eine Parteihandlung darstellen, hat in einer rechtsgeschichtlichen Betrachtung einzelner Rechtsordnungen unterschiedliche Fundamente.71 Bereits das römische Prozessrecht 67 „Gegen die eigenen Tatsachen zu handeln ist nicht erlaubt“, (freie Übersetzung durch den Verfasser). 68 Aus dem Französischen von estopper abgeleitet; mit knappem Hinweis zur Herleitung Riezler, Venire contra factum proprium, 1912, 56. 69 Darunter ist das Hemmnis zu verstehen, sich widersprüchlich zu einer eigenen Erklärung im Prozess zu äußern, Riezler, Venire contra factum proprium, 1912, 55–56 m. w. N. Zur Differenzierung der verschiedenen estoppel-Arten siehe ebendort Riezler, Venire contra factum proprium, 1912, 57–109 und speziell Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, 1900, 199–226. 70 Zur Missbräuchlichkeit Rosenberg/Gottwald/Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 344, § 65 VII 4, Rn. 53–54. Einheitlich war dabei die Intention der Rechtsordnungen, auch hinterlistige Parteihandlungen zu verhindern. 71 Zusammenfassung bei Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 766; daraus: Seinen Ursprung findet Treu und Glauben im römischen Rechtsinstitut „bona fides“. Der Grundsatz „bona fides“ forderte die Parteien im römischen Recht auf, ehrlich und offen zu handeln. Teilweise bekam dieses Rechtsinstitut durch die Göttin Fides, als Göttin der Treue, einen religiösen Einschlag. Im Mittelalter wurden Treu und Glauben aus den christlichen Moralvorstellungen hergeleitet. In der deutschen Rechtsordnung prägten die Lehren Kants das Verständnis von § 242 BGB; siehe ebenso Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 771–777. Weiterhin Schmoeckel/Zimmermann/Dorn, Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2007, Haferkamp zu § 242 BGB, Rn. 26–28; Hesselink, in: Hartkamp/ Bar (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 2011, 619; Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 566–571; vgl. zum römischen Recht auch Riezler, Venire contra factum proprium, 1912, 1–40: zwar kenne das römische Recht keine „allgemeingültige Regel der Gebundenheit an
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
kannte schuldhaftes Parteiverhalten.72 Nach verschiedenen Verschuldensgruppen wurden Differenzierungen getroffen, die ebenfalls die Erschwerung oder Verschleppung des Prozesses umfassten.73 Mitunter diskutierte die Literatur dabei ebenfalls eine Verwirkung für den Fall, dass eine Partei sich für eine Rechtslage entschied, indem die Partei von mehreren zur Wahl stehenden Rechten zunächst eines ausübt.74 Das Gebot von Treu und Glauben im Prozess75 kann historisch betrachtet jedoch nicht unproblematisch als ein durchgängig fest im Zivilprozess verankertes Prinzip bezeichnet werden.76 Anfang des 20. Jahrhunderts zog Görres einen Satz aus einem Antrag der Reichstagskommission zur Einführung eines § 254 Abs. 2 BGB heran.77 Dieser Antrag der Reichstagskommission argumentierte, dass jemand nach Treu und Glauben verpflichtet sei, dem anderen Teil eine Mitteilung zu machen, wenn durch eine Verzögerung einer Handlung ein besonders hoher Schaden veranlasst werde bzw. drohe.78 Görres leugnete, dass eine solche Verpflichtung bestehe.79 Sofern eine Prozesshandlung nicht explizit verboten sei, sei diese erlaubt.80 Dem pflichtete Konrad bei: „Wenn Treu und Glauben Maß für gegenseitige Rechte und Pflichten sind, so ist klar, dass diese Rechtsbegriffe im Prozeßrechte keinen Platz finden.“81 Maßgeblich herangezogen wurde hier der Aspekt, inwieweit zwischen den Parteien eine Pflicht besteht, Handlungen am Grundsatz von Treu und Glauben auszurichten. das eigene Handeln im Rechtsverkehr.“ Der Gedanke, dass eine Partei sich nicht zu eigenen „Handlungen in Widerspruch setzen darf, wenn dadurch Interessen anderer berührt werden“, ist gleichwohl anerkannt. 72 Eine Darstellung findet sich z. B. bei Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 7–13; siehe ebenso Klein, Die schuldhafte Parteihandlung, 1885, 65–106. 73 Klein, Die schuldhafte Parteihandlung, 1885, 103–105. 74 Riezler, Venire contra factum proprium, 1912, 143. Zur historischen Entwicklung des Grundsatzes von Treu und Glauben in Deutschland siehe bspw. Staudinger BGBKommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 14–100. 75 Mit einem Überblick Griesbeck, Venire contra factum proprium, 1978, 108–117 (über venire contra factum proprium). 76 Vgl. mit einem knappen Überblick zu kritischen Elementen Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 766, der dort bspw. eine Referenz liefert, wonach „good faith […] the terrorist of law“ sei, dort in Fn. 28. 77 Görres, ZZP 1905, 1, 3; Antrag der Reichstagskommission hiernach zitiert, dort in Fn. 5, KommB. RT. IX. LP. Sess. 1895/96, Drucks. Nr. 440. 78 Zitiert nach Görres, ZZP 1905, 1, 4. 79 Görres, ZZP 1905, 1, 4, wobei er jedoch differenziert und einen Verstoß gegen Treu und Glauben bei voller Geltendmachung des Schadens in Betracht zieht. 80 Görres, ZZP 1905, 1, 12; zur Behandlung des „Prozeßverschleifs“ siehe dort 5. Kapitel, § 19, ab 89. 81 Schneider, Treu und Glauben im Civilprozesse und der Streit über die Prozessleitung, 1970, 7–8.
B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren
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Beachtlich ist eine Feststellung Rosenbergs aus dem Jahr 1927, wonach ein „Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot […] oder gegen die guten Sitten […] bei Vornahme einer Prozeßhandlung“ nur außerprozessuale Folgen haben kann, die Handlung aber nicht prozessual unzulässig wird.82 Weiter führte er aus, dass „sehr zweifelhaft und bestritten ist, ob und inwieweit Prozeßhandlungen der Parteien unter dem Gebot von Treu und Glauben stehen“83 und verwies damit u. a. auf Görres und Schneider.84 Ein allgemeines Schikaneverbot existiere nicht.85 Eine solche Beurteilung sprach jedenfalls dagegen, ein widersprüchliches oder gar treuwidriges Verhalten zu sanktionieren, unabhängig von der Frage, ob die andere Partei auf eine ursprüngliche Handlung vertraute. Dieser Beurteilung standen allerdings schon von den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts an andere Stimmen entgegen.86 Das Reichsgericht urteilte bereits 1921, dass das Prinzip von Treu und Glauben sowohl den Prozess als auch die materiell-rechtliche Beziehung der Parteien beherrscht.87 Baumgärtel merkte dazu an, dass Literatur und Rechtsprechung gleichzeitig „die Schleusen für die Anwendung des Prinzips von Treu und Glauben im Prozeß geöffnet“ hätten.88 Fortan festigte sich mehr und mehr die herrschende Annahme, dass auch im Prozess der Grundsatz von Treu und Glauben anzuwenden ist.89 2. Heutiges Verständnis von Treu und Glauben im Zivilprozess und Schiedsverfahren Heute ist allgemein anerkannt, dass das Prinzip von Treu und Glauben im Prozess zu berücksichtigen ist und dort das Verhalten der Parteien leitet.90 Geprägt wird dieses Verhalten nicht ausschließlich von einem festgeschriebenen Normenkatalog, sondern ebenso von einer Interessenabwägung zwischen Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 1927, § 60 VI, 169. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 1927, § 60 VI, 169. 84 Siehe zu diesen Fundstellen Fn. 77. 85 Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 1927, § 60 VI, 169. 86 Zum Überblick siehe Fn. 75, dort 108–110; ein Überblick der „gesellschaftsgeschichtlichen Einbettung des Problems“ findet sich bei Baumgärtel, ZZP 1973, 353, 355– 358. 87 RG 01.06.1921, RGZ 102, 217, 222. 88 Baumgärtel, ZZP 1973, 353, 356. 89 Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, 1969, § 2 IV, 8–9, sofern keine explizite Vorschrift der Prozessordnung greife, wäre analog § 242 BGB heranzuziehen; m. w. N. siehe Rosenberg/Gottwald/Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 13, § 2 IV, Rn. 18, dort Fn. 8; dagegen aber Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei, 1967, 19–20, der sich gegen eine entsprechende Anwendung des § 242 BGB auf Prozessverhältnisse ausspricht. 90 Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1102–1104; Rosenberg/Gottwald/Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 343–344, § 65 VII, Rn. 49–54; ebenso Hesselink, in: Hartkamp/Bar (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 2011, 619, 634. 82 83
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
allen am Rechtsverhältnis beteiligten Personen und der sog. Verkehrssitte.91 Nur jene Verhaltensweisen und Verhaltensresonanzen, die dem Werteverständnis der Allgemeinheit folgen, entsprechend der Verkehrssitte und werden geduldet und verleihen dem Handeln nach Treu und Glauben seine Allgemeingültigkeit.92 Ein Zuwiderhandeln gegen Treu und Glauben wirkt nicht nur als bloßer Normenbruch, sondern wird als Verstoß abgelehnt. Eine normative Grundlage verstärkt den Grundsatz von Treu und Glauben als allgemeinen Rechtsgrundsatz.93 Für das zivilprozessuale Verfahren findet sich diese Norm – sofern eine spezielle zivilprozessuale Regelung nicht besteht – je nach Rechtsordnung in der allgemeinen Vorschrift zu Treu und Glauben,94 die dann als ein in allen Rechtsbereichen geltendes Rechtsprinzip entsprechend heranzuziehen ist.95 Eine Ausprägung dieses Grundsatzes ist das Gebot redlicher Prozessführung.96 Unter der redlichen Prozessführung ist zu verstehen, dass den Parteien im Prozess nicht jedes Mittel erlaubt ist sondern vielmehr die Zivilprozessordnung durch verschiedene Vorschriften ein Parteiverhalten vorgibt, dass an Treu und Glauben orientiert ist. Die Prozessordnung untersagt bzw. sanktioniert dann teilweise ein arglistiges oder für die andere Partei nachteiliges Verhalten. Es lässt sich feststellen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben als allgemeingültiges Rechtsprinzip in zahlreichen Rechtssystemen enthalten ist. 97 Umfasst davon ist zum einen die jeweilige Spezialmaterie für Schiedsverfahren wie beispielsweise das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Zum anderen gilt Treu und Glauben bereits in einem laufenden Schiedsverfahren als „Prinzip der Prinzipien“98.99 91 Zur Interessenabwägung siehe Münchener Kommentar BGB, Roth/Schubert zu § 242, Rn. 49–52. Siehe § 242 BGB: „[…] wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“; in anderen Rechtsordnungen könnte eine andere Beziehung zur Allgemeinheit hergestellt werden. Zur Verkehrssitte vgl. Münchener Kommentar BGB, Busche zu § 157, Rn. 52–53. 92 Vgl. Münchener Kommentar BGB, Roth/Schubert zu § 242, Rn. 11. 93 Cremades beurteilt eine normative Grundlage sogar als notwendig, Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 768 zum spanischen Recht. 94 Teils allgemeine Treu und Glaubendvorschriften, teils spezielle prozessrechtliche Vorschriften zu Treu und Glauben: in der Schweiz sogar mit Verfassungsrang in Art. 5 S. 3 Bundesverfassung zudem Art. 2 Abs. 1 ZGB, Art. 52 chZPO, in Italien Art. 88 CPC, in Deutschland § 242 BGB; in Spanien Art. 7 Abs. 1 spZPO. Das Verbot des Missbrauchs prozessualer Befugnisse ist im französischen Zivilprozessrecht verankert, vgl. m. w. N. Lüttringhaus, ZZP 2014, 29, 31 dort in Fn. 11; siehe daneben als allgemeine Prinzipien auch bspw. Art. 7 Abs. 1 CISG, Art. 1.7 UNIDROIT-Principles. 95 Für Deutschland bspw. m. w. N. Münchener Kommentar ZPO, Rauscher zur Einleitung, Rn. 34. 96 Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Vollkommer zur Einl., Rn. 56. 97 Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 770. 98 Mayer, in: Dominicé (Hrsg.), Etudes de droit international en l’honneur de Pierre Lalive, 1993, 543, 554, dort: „principe supérieur de la bonne foi, qui apparaît ainsi comme le principe des principes“; m. w. N. dort in Fn. 16.
B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren
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Ebenso greift im Schiedsverfahren das Gebot redlicher Prozessführung.100 Es widerspricht dem Grundsatz einer redlichen Prozessführung, wenn „der Antragsgegner einerseits seine Beteiligungsmöglichkeiten bei der Zuständigkeitsprüfung im Schiedsverfahren ausschöpft, die ihm nachteilige Entscheidung nicht durch die zuständige staatliche Gerichtsbarkeit überprüfen lässt und sich weiter am Schiedsverfahren in der Hauptsache unter Bestätigung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts beteiligt, dann aber im Stadium der Vollstreckbarerklärung wieder zum Einwand fehlender Schiedsklausel zurückkehrt“101. Folglich gilt der Grundsatz von Treu und Glauben im Zivilprozess und im Schiedsverfahren. 3. Heutiges Verständnis vom Verbot widersprüchlichen Verhaltens Eine weitere Ausprägung des Prinzips von Treu und Glauben ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, venire contra factum proprium.102 Darunter ist eine Abkehr von einem vorherigen Verhalten zu verstehen. Grundsätzlich ist es möglich, dass eine Partei beispielsweise aus taktischen Erwägungen von ihrer ursprünglichen Verhaltensrichtung abweicht.103 Die Vorschriften des Prozessrechts können einer Partei sogar die Möglichkeit bieten, eine Prozesshandlung zu korrigieren.104 Dies nahm Baumgärtel zum Anlass, an der Bedeutung des Prinzips venire contra factum proprium im Zivilprozess insgesamt zu zweifeln;105 das Verbot widersprüchlichen Verhaltens stehe seiner Beurteilung nach nicht mit dem Zivilprozesssystem im Einklang.106 Unabhängig davon, ob dieser These insgesamt gefolgt wird, kann jedenfalls insoweit zugestimmt werden, dass Parteien ihre Prozesshandlungen strategisch in ihrem Interesse ausrichten und mitunter ändern dürfen. Allein der Umstand, 99
1270.
Statt Vieler Born, International Commercial Arbitration, 2014, §§8.01–8.02, 1253–
100 Ebenfalls dazu Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 788–789; ebenso Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 599–601. Zudem kann das Gebot von Treu und Glauben über die vermeintliche formelle Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung hinweghelfen. Wenn zwischen den Parteien beispielsweise eine langjährige Geschäftsbeziehung bestand, die Verträge regelmäßig Schiedsvereinbarungen enthielten und nun eine Schiedsvereinbarung aus einem der zahlreichen Verträge formell unwirksam ist, kann der gute Glaube der Parteien für eine Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung sprechen, vgl. bspw. BG 16.01.1995, YBCA XXI (1996), 690, 698; Zusammenfassung auch bei Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 139, Rn. 7-30. 101 KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112, 118. 102 Ein historischer Überblick findet sich bei Liebs, JZ 1981, 160; detaillierter zum materiellen Recht bspw. Dette, Venire contra factum proprium nulli conceditur, 1985. 103 Saenger/Bendtsen ZPO-Kommentar, Saenger zur Einführung, Rn. 96. 104 Beck’scher OK BGB, Sutschet zu § 242, Rn. 106; Musielak ZPO-Kommentar, Musielak zur Einleitung, Rn. 63–64; bspw. § 269 ZPO. 105 Baumgärtel, ZZP 1973, 353, 363–365. 106 Baumgärtel, ZZP 1973, 353, 365.
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
dass eine Partei sich zur eigenen Handlung gegensätzlich verhält, kann daher nicht bereits einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen. Aus diesem Grund ist zusätzlich zu fordern, dass der Verhaltenswiderspruch das Vertrauen der anderen Partei auf den Fortbestand der ursprünglichen Handlung in schutzwürdiger Weise verletzt.107 Dieser Maßstab wird verschärft, wenn die Parteien zum Prozessverlauf eine zusätzliche Vereinbarung getroffen haben, mit der sie bestimmte Regelungen treffen. Solchen Vereinbarungen kommt eine vertrauensschaffende Wirkung für den Prozess zu.108 Derartige Vereinbarungen finden sich häufig in einem Schiedsverfahren, wie beispielsweise bei der Vereinbarung schiedsinstitutioneller Verfahrensregeln. Sofern eine allgemeine Prozessvorschrift einer Partei die Möglichkeit eröffnet, eine Handlung rückgängig zu machen, konkretisiert aber die individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien etwas anderes, kann ein gegen die individuelle Vereinbarung verstoßendes Parteiverhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben qualifiziert werden. Allerdings wird dies mitunter strittig beurteilt. So liegt aus Sicht von Schwab/Gottwald kein widersprüchliches Verhalten vor, wenn eine Partei gegen eine vertragliche Vereinbarung verstößt, die sich auf ein bestimmtes prozessuales Verhalten bezog.109 Beruft sich die Gegenseite auf einen Verstoß gegen eine solche Vereinbarung, mache sie mit der Einrede allein die Verfügungs- bzw. Verpflichtungswirkung des Prozessvertrages geltend.110 Dem kann jedoch für die Wirkungen aus einer Schiedsvereinbarung, die möglicherweise bestimme Obliegenheiten hinsichtlich eines Aufhebungsverfahrens umfasst, nicht gefolgt werden. Auch nach der Beurteilung von Schwab ist die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag zu qualifizieren.111 Diese Einordnung löst diesen Vertrag aber nicht vom Grundsatz von Treu und Glauben. Dem stimmt Schwab zu, denn aus Prozessverträgen erwachsen aus seiner Sicht für die Parteien Rechte und Pflichten bürgerlich rechtlicher Art.112 Folglich muss ein Verstoß gegen Inhalte der Schiedsvereinbarung ein widersprüchliches Verhalten darstellen können. Vertragsinhalt einer Schiedsvereinbarung ist u. a., dass die Vertragsparteien sich gegenseitig zusichern, aus dem jeweiligen Streitfall heraus nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen. Beruft sich nun eine Partei im Wechsel vor einem staatlichen Gericht auf die Schiedsabrede und vor dem Schiedsgericht auf die Unwirksamkeit dieser Schiedsabrede, Bspw. Münchener Kommentar BGB, 2012, Roth/Schubert zu § 242, Rn. 291. Saenger/Bendtsen ZPO-Kommentar, Saenger zur Einführung, Rn. 133. bspw. BGH, Urt. vom 14.11.1983 – IVb ZR 1/82, NJW 1984, 805. 109 Rosenberg/Gottwald/Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 434, § 65 VII, Rn. 51. 110 Rosenberg/Gottwald/Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 434, § 65 VII, Rn. 51, dort m. w. N. in Fn. 92. 111 Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 7, Rn. 37, m. w. N. dort in Fn. 133. 112 Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 7, Rn. 37. 107 108
B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren
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kann ein Gericht dies jedenfalls als widersprüchliches Verhalten qualifizieren.113 Eine solche Verhaltensweise ist treuwidrig und somit unzulässig. 4. Prozessuale Berücksichtigung von Treu und Glauben Nun stellt sich die Frage, wie das Gebot von Treu und Glauben bzw. das Gebot redlicher Prozessführung aus der Theorie heraus den Einzug in die Praxis des Prozesses findet. Dies erfolgt beispielsweise durch den Antragsteller, der dies als Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung vorträgt. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass sich die Parteien an dieser Stelle bereits im Rahmen eines streitigen Verfahrens gegenüberstehen. Anders als im rein materiellen Rechtsverhältnis wäre es daher unrealistisch, die Parteien im Prozess streng an materiell-rechtliche Verhaltenspflichten zu binden.114 Die Parteien versuchen im Prozess, das für sie günstige Ergebnis zu erstreiten und stellen mitunter Anträge zum Nachteil der anderen Partei.115 Richtigerweise ist anzunehmen, dass im Prozessrecht der Grundsatz von Treu und Glauben rücksichtsvoller und mitunter weniger streng anzuwenden ist, als im materiellen Recht.116 Das Gebot von Treu und Glauben erstreckt sich ebenso auf die Zeit nach Abschluss des Verfahrens und erfasst insbesondere die Erfüllung des Schiedsspruchs bzw. Urteils. Gerade zum Abschluss des Verfahrens, also vor oder mit der Entscheidung des (Schieds)-Gerichts kann ein Parteiverhalten vorliegen, welches bei der anderen Seite ein Vertrauen schafft. Die Erstreckung auf den der Entscheidung nachgelagerten Zeitraum ist gerade unter dem Gesichtspunkt eines Anfechtungs- oder Aufhebungsverfahrens eines Schiedsspruchs von Bedeutung. 5. Treu und Glauben für die Schiedsparteien während und nach Abschluss des Schiedsverfahrens Für das Schiedsverfahren117 bringt der Grundsatz von Treu und Glauben noch eine besondere Komponente mit sich. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts beruht auf der Parteivereinbarung. Diese vertragliche Abrede wird durch das Prinzip von Treu und Glauben maßgeblich beeinflusst.118 Folglich sind die Parteien aus der Schiedsvereinbarung heraus an das Gebot von Treu und
Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1308, Rn. 3829. Stein/Jonas ZPO-Kommentar (2014), Brehm vor § 1, Rn. 222. 115 Vgl. § 308 Abs. 1 ZPO. 116 Stein/Jonas ZPO-Kommentar (2014), Brehm vor § 1, Rn. 222. 117 Siehe dazu bspw. Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1122. 118 Ebenso bspw. Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 788. 113 114
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
Glauben gebunden.119 Dabei ist unerheblich, wie die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung beurteilt wird.120 Eine Partei muss sich in zeitlicher Hinsicht zügig am Verfahren beteiligen und die Verfahrensführung effizient gestalten.121 Die Wirkung von Treu und Glauben erstreckt sich, wie gerade dargestellt, in zeitlicher Hinsicht über das Schiedsverfahren hinaus und erfasst ebenso den Zeitraum der Erfüllung bzw. Durchsetzung des Schiedsspruchs.122 In dieser Phase können Verstöße gegen Treu und Glauben präkludierende Wirkung haben. Obgleich durch den Erlass des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren beendet wird, bleiben die Parteien in ihrem Folgeverhalten an Treu und Glauben gebunden. II. Heilung von Form- und Verfahrensfehlern durch rügelose Einlassung und Verzicht der Geltendmachung eines Verfahrensfehlers Ein weiterer Grund für eine Präklusion kann die Heilung eines Form- oder Verfahrensfehlers durch rügelose Einlassung einer Partei sein.123 Die rügelose Einlassung erfolgt dabei z. B. indem eine Partei zur Hauptsache tatsächliche oder rechtliche Ausführungen macht, wobei unerheblich ist, ob die Partei Anträge stellt oder nicht.124 Allerdings können nicht alle Verfahrensfehler durch eine rügelose Einlassung überwunden werden. Erheblich ist für Zulässigkeit einer rügelosen Einlassung und gleichzeitiger Heilung des Mangels die Differenzierung nach dispositiven Verfahrensfehlern und solchen, die von Amts wegen vom (Schieds-)Gericht zu berücksichtigen sind.125 Verfahrensfehler, die von Amts wegen zu prüfen sind, können nicht durch eine rügelose Einlassung der Parteien geheilt werden. Die Heilung eines Verfahrensmangels durch rügelose Einlassung führt zu einer Präklusion hinsichtlich der 119 Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Roth zum UNCITRAL Model Law, 973, Rn. 14.77; vgl. Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 927, Rn. 1460. 120 Zu diesem Streit zur ZPO bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1029, Rn. 12–14; Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 7, Rn. 37 dort m. w. N. in Fn. 133. 121 Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 600; zur redlichen Prozessführung siehe Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 788. 122 Siehe hierzu Kapitel 2 – B.I.4. 123 Eine rügelose Einlassung bedeutet, dass sich eine Partei in Kenntnis eines Mangels, bspw. in Kenntnis der grundsätzlich zunächst fehlenden Zuständigkeit des (Schieds-) Gerichts, dennoch zur Hauptsache vor dem Schiedsgericht einlässt. Dabei kann die rügelose Einlassung explizit oder stillschweigend erfolgen; für § 39 ZPO siehe Musielak ZPOKommentar, Heinrich zu § 39, Rn. 4; Saenger/Bendtsen ZPO-Kommentar, Bendtsen zu § 39, Rn. 9; vgl. mit einem rechtsvergleichenden Überblick Wackenhuth, KTS 1985, 425, 433–441. 124 Musielak ZPO-Kommentar, Heinrich zu § 39, Rn. 4, dort m. w. N. in Fn. 14. 125 Bspw. § 295 Abs. 2 ZPO; Musielak ZPO-Kommentar, Huber zu § 295, Rn. 3.
B. Präklusionsgründe im Zivilprozess und Schiedsverfahren
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Geltendmachung des Verfahrensmangels. Durch die Heilung wird der Mangel mitunter behoben, weshalb dann gar kein rügefähiger Mangel mehr vorliegt.126 In einer rügelosen Einlassung vor einem zunächst unzuständigen (Schieds-)Gericht kann die Prorogation der Zuständigkeit dieses Gerichts gesehen werden.127 Dann würde die rügelose Einlassung nicht nur die Geltendmachung des Mangels präkludieren, sondern eine neue Vereinbarung der Zuständigkeit schaffen. Allerdings hebt die rügelose Einlassung den Mangel nicht immer auf. In solchen Fällen ist von einer tatsächlichen Präklusionswirkung auf die Geltendmachung des Mangels auszugehen. Ein Verzicht auf die Geltendmachung bestimmter Verfahrensfehler (sog. waiver of rights128) führt ebenfalls zu einer Präklusion und damit einem Ausschluss der späteren Geltendmachung. Eine solche Wirkung schreibt beispielsweise Art. 4 Model Law vor. Hat eine Prozesspartei in Kenntnis der Umstände auf ein dispositives Recht verzichtet, kann dieses Recht später nicht erneut ausgeübt werden.129 Die Partei ist dann mit der Geltendmachung präkludiert. Hier kann ein Verzicht der Geltendmachung eines Mangels explizit oder stillschweigend 130 erfolgen. Insoweit kann von einer „Präklusion im eigentlichen Sinne“ gesprochen werden.131 Denkbar ist dabei ebenso ein Verzicht auf bestimmte Rechtsbehelfe am Ort des Schiedsverfahrens, beispielsweise die Ablehnung eines Schiedsrichters gem. Art. 13 Abs. 2 Model Law. Die Voraussetzungen einer entsprechenden Präklusion müssen jedoch detailliert untersucht werden und sind notwendig mit der Frage verknüpft, ob eine Partei auf die Geltendmachung des Verfahrensfehlers überhaupt verzichten kann.
126 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1031, Rn. 68–70; Musielak ZPOKommentar, Huber zu § 295, Rn. 7. 127 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1031, Rn. 65–67. 128 Knappe Erläuterung zum Begriff waiver aus Perspektive des englischen Rechts Lee/ Lee, Eric Lee’s Dictionary of arbitration law & practice, 2011, 354–355; vgl. auch Várady, Annals Fac. L. Belgrade Int’l 2009, 6, 9, der in dem Rechtsinstitut waiver einen Ausdruck dessen sieht, dass ein Recht eine Möglichkeit darstellt, die Parteien nutzen oder auf die sie verzichten können. 129 Fälle des Irrtums und weitere Sonderkonstellationen sind davon ausgenommen; vgl. zur Voraussetzung der „Kenntnis“ Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, 59, Rn. 1-093–1-094. 130 Zum stillschweigenden Verzicht siehe bspw. Jermini, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht, 1997, 372, Rn. 759. 131 Kröll, IPRax 2007, 430.
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
C. Rechtskraft durch Präklusion C. Rechtskraft durch Präklusion
Eine Präklusion beschleunigt den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung.132 Dabei erwachsen sowohl Schiedssprüche als auch Urteile staatlicher Gerichte in Rechtskraft.133 Das deutsche Prozessverständnis unterscheidet zwischen der formellen und materiellen Rechtskraft. Soweit ein Urteil nicht mehr durch befristete Rechtsmittel angegriffen werden kann, erwächst das Urteil in formelle Rechtskraft.134 Die materielle Rechtskraft erfasst den Inhalt der Entscheidung, also den jeweiligen Streitgegenstand, der zwischen den Parteien und einem eventuell neu angerufenen Spruchkörper maßgeblich ist.135 Die Rechtskraft kann nur durch andere Rechtsmittel unter besonderen Voraussetzungen durchbrochen werden.136 Die Rechtskraftwirkung wird auch als res judicata137 bezeichnet. Regelungsinteresse der Rechtskraft ist es, den Entscheidungsinhalt maßgeblich festzuhalten, ein effizientes Verfahren und damit die Funktionsfähigkeit der Gerichte zu gewährleisten. Damit wird verhindert, dass Parteien immer wieder über einen identischen Gegenstand streiten. Zudem erzeugt die Rechtskraft Vertrauensschutz bzw. hält ein Vertrauen in eine Gerichtsentscheidung beispielsweise über das Bestehen eines 132 Darunter ist zu verstehen, dass die Entscheidung des (Schieds-)Gerichts nicht mehr angefochten werden kann und die damit rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge zwischen den Parteien abschließend gilt, Creifelds/Weber/Cassardt, Rechtswörterbuch, 2014, 1032. 133 Siehe hierzu Gallagher, in: Mistelis (Hrsg.), Pervasive Problems in International Arbitration, 2006, 329, und Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 628, Rn. 23-1. Daher ist die Einrede der entgegenstehenden Rechtskraft bzw. das Berufen auf res judicata eine Verteidigungslinie gegen ein Schiedsverfahren. Zu der Frage, ob die Rechtskraft für das Schiedsverfahren ein Zuständigkeits- oder Zulässigkeitsproblem konstituiert siehe Walters, J. Int. Arb. (29) 2012, 651, 660–665. Speziell zur Rechtskraft von Schiedssprüchen Bosch, Rechtskraft und Rechtshängigkeit im Schiedsverfahren, 1991, 37–62. 134 § 705 S. 1 ZPO; Münchener Kommentar ZPO, Gottwald zu § 322, Rn. 1; Martiny, Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach autonomem Recht, 1984, Kap. I, § 4, 225, Rn. 487–488. 135 Münchener Kommentar ZPO, Gottwald zu § 322, Rn. 1, m. w. N. Vorherrschend ist hierzu die prozessrechtliche Theorie, wonach die materielle Rechtskraft keine Auswirkung auf das materielle Recht hat sondern für den jeweiligen Streitgegenstand jedes neu angerufene Gericht an die bestehende Entscheidung bindet, bspw. Münchener Kommentar ZPO, Gottwald zu § 322, Rn. 9, m. w. N. Siehe auch Bosch, Rechtskraft und Rechtshängigkeit im Schiedsverfahren, 1991, 67–69. Zur formellen und materiellen Rechtskraft schon Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 1927, §§ 153–154, 461–469. 136 Dazu Münchener Kommentar ZPO, Gottwald zu § 322, Rn. 206–212. 137 Hierzu bspw. mit einem umfassenden Überblick Walters, J. Int. Arb. (29) 2012, 651, 652–660; weiterhin Hahn, in: Klausegger/Klein/Kremslehner (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2014, 329, 329–341; Barnett, Res judicata, estoppel, and foreign judgments, 2001, 8–11; Spencer Bower/Turner/Handley, The Doctrine of Res Judicata, 1996, 4–10.
D. Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz
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Anspruchs aufrecht.138 Versucht also eine Partei einen bereits entschiedenen Streit erneut vor ein (Schieds-)Gericht zu bringen, dann steht die Rechtskraft der ersten Entscheidung einem neuen Verfahren entgegen.139 Eine Präklusionswirkung kann von einem Gesetzgeber bewusst dazu genutzt werden, die Entscheidung eines (Schieds-)Gerichts in Rechtskraft erwachsen zu lassen. Dies trifft beispielsweise auf Fälle zu, in denen eine fristgebundene Prozesshandlung oder ein fristgebundenes Rechtsmittel nicht genutzt wurden und ein weiteres Parteiverhalten präkludiert wird.
D. Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz D. Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz
Unter dem Gesichtspunkt des Justizgewährungsanspruchs140 öffnet sich ein Spannungsfeld: Auf der einen Seite steht das rechtliche Gehör der Prozessparteien, die sich beispielsweise als Schuldner im Verfahren gegen die Durchsetzung eines Anspruchs verteidigen. Auf der anderen Seite steht der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch eines Gläubigers auf Durchsetzung seiner Forderung141 als Gegenstück zum Gewaltmonopol des Staates.142 Eine Präklusion wird deshalb als problematisch gesehen, weil sie Prozesshandlungen versperrt und damit einer Partei die Gelegenheit nimmt, verteidigende Prozesshandlungen vorzunehmen. Dies kann zu einer Beschneidung des Anspruchs auf rechtliches Gehör143 führen und ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch.144 Aus diesem Grund steht die Präklusion unter besonderer Beobachtung beispielsweise des Bundesverfassungsgerichts. Zwar vermeidet das BVerfG direkte Kritik, überprüft Präklusionsinstitute jedoch Münchener Kommentar ZPO, Gottwald zu § 322, Rn. 2–5. Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 561– 564, Rn. 9.139–9.148. 140 Dazu Saenger/Bendtsen ZPO-Kommentar, Saenger, Einführung, Rn. 9; der Justizgewährungsanspruch folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), hierzu BVerfG, Beschl. vom 12.02.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337. Zur Verknüpfung mit der Prozessförderungspflicht vgl. BVerfG, Beschl. vom 24.01.2005 – 1 BvR 2653/03, NJW 2005, 1768, 1769. 141 Zum grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz bspw. Lorenz, AöR 1980, 623, 640–643. 142 Bspw. BVerfG, Urt. vom 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39, 41: „In der Gerichtsbarkeit prägen sich innerstaatliches Gewaltverbot und staatliches Gewaltmonopol aus“. 143 Art. 6 EMRK; Art. 103 Abs. 1 GG. Daneben könnte dies möglicherweise gegen das Willkürverbot i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. 144 Eine kurze Zusammenfassung der historischen Dimension dieser Problematik findet sich bei Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 54–56; vgl. ebenfalls Waldner, NJW 1984, 2925, 2925–2928. 138 139
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
mit restriktiver Skepsis.145 Dabei haben Präklusionsvorschriften „strengen Ausnahmecharakter, weil sie einschneidende Folgen für die säumige Partei nach sich ziehen.“146 So kann beispielsweise die Präklusionswirkung des Art. 4 Model Law bei falscher Anwendung eine gefährliche Restriktion der Parteirechte darstellen.147 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gilt nicht nur im staatlichen Gerichtsverfahren, sondern ebenso im Schiedsverfahren.148 Daher sind die Voraussetzungen einer Präklusionswirkung sowohl im Verfahren vor staatlichen Gerichten als auch in einem Schiedsverfahren streng zu prüfen und restriktiv am Maßstab ihrer Wirkung auf das rechtliche Gehör auszurichten. Andererseits ist die Parteihoheit über das Schiedsverfahren und die Verfahrenseffizienz entsprechend zu gewichten. Es ist nun genauer zu untersuchen, wie der Schutzbereich des rechtlichen Gehörs definiert wird und unter welchen Voraussetzungen dieser Schutzbereich für die vorliegende Präklusionsfrage beschränkt werden kann (I.). Zudem wird die Perspektive des EuGH zur Zulässigkeit von Präklusionswirkungen ergänzt (II.). I.
Schutzbereich und Schranken des rechtlichen Gehörs
Der Anspruch auf rechtliches Gehör für jedermann folgt im Grundgesetz aus der Rechtsstaatlichkeit, der Justizstaatlichkeit und der Menschenwürde. 149 Vom Schutzbereich des rechtlichen Gehörs umfasst ist die Möglichkeit, sich vor Erlass einer Gerichtsentscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Sache zu äußern und so auf das Verfahren Einfluss nehmen zu können.150 Gewährleistet wird dieser Schutzbereich durch die drei Verwirklichungsstufen des Anspruchs auf rechtliches Gehör: die Informationspflicht, das Äußerungsrecht und die Beachtungspflicht.151 Dies bedeutet, dass eine Partei grundsätzlich zunächst einmal die Möglichkeit haben muss, das Verfahren zu beeinflussen, und mit ihren Äußerungen beachtet werden muss. Eine Präklusion wirkt sich auf der zweiten bzw. dritten Verwirklichungsstufe aus. Die Präklusion unterbindet entweder, dass der Antragsgegner sich äußern kann oder verhindert, dass die Äußerung vom Gericht beachtet wird.
145 Lenz, NJW 2013, 2551, 2553. Eine Darstellung der Entwicklung der BVerfGRechtsprechung findet sich bei Lenz, NJW 2013, 2551, 2553–2554. 146 BVerfG 09.02.1982, BVerfGE 60, 1; dazu jedoch kritisch Lenz, NJW 2013, 2551, 2556, der diese Aussage als „nicht haltbar“ bezeichnet. 147 Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, 54, Rn. 1-079. 148 Siehe § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO. 149 Bspw. Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 2. 150 Vgl. bspw. Franke, NJW 1986, 3049. So ebenfalls in Art. 18 Model Law verankert. 151 Diese Verwicklichungsstufen wurden durch die Literatur erarbeitet und später vom BVerfG aufgenommen, Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 69 m. w. N. dort in Fn. 1–2.
D. Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz
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Obgleich sowohl der Wortlaut des Art. 103 Abs. 1 GG als auch der Wortlaut des Art. 6 EMRK den Schutzbereich152 des rechtlichen Gehörs als schrankenlos erscheinen lassen, bestehen bei einer Auslegung des Schutzbereichs jedenfalls verfassungsimmanente Schranken.153 Anerkannt ist, dass gesetzliche Regelungen Verfahrenshandlungen ausschließen können und die Ausgestaltung des Schutzes des rechtlichen Gehörs dem Gesetzgeber obliegt.154 Eine Präklusion kann dabei nicht nur an abgelaufene Fristen, sondern ebenso an andere Momente geknüpft werden.155 Präklusionswirkungen sind teilweise geboten und mit dem Anspruch des rechtlichen Gehörs vereinbar, weil sie das Verfahren beschleunigen und so einem „legitimen rechtsstaatlichen Zweck“156 dienen. Damit verbunden ist das Interesse, Verzögerungen zu vermeiden und den Parteien eine effektive Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen.157 Folglich sind Präklusionswirkungen notwendige Prozessinstitute und damit als Schranken des rechtlichen Gehörs nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. Aufgrund ihrer einschneidenden Wirkung auf das rechtliche Gehör hat eine Präklusion allerdings Ausnahmecharakter. 1. Rechtsschutzstandard Art. 6 Abs. 1 EMRK Das Spannungsfeld zwischen Verfahrenseffizienz und Beschneidung des rechtlichen Gehörs wirft die Frage auf, ob und in welchem Rahmen eine Präklusionswirkung im Lichte der EMRK, insbesondere Art. 6 Abs. 1 EMRK, grundsätzlich zulässig und mitunter sogar geboten ist.158 Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK erfasst und garantiert ein faires (Zivil-)Verfahren. Ausfluss des fairen (Zivil-)Verfahrens ist der „Anspruch darauf, sich in gerichtlichen Verfahren zu allen erheblichen Tatsachen und rechtlichen Fragen ausreichend zu äußern und Beweise anzubieten.“159 Zugleich beinhaltet der 152 Die Abgrenzung der Schutzbereiche zueinander ist hier unerheblich; näher dazu Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 25–26. 153 Vgl. ebenso Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 14. 154 Münchener Kommentar ZPO, Prütting zu § 296, Rn. 12; Franke, NJW 1986, 3049; BVerfG, Beschl. vom 09.02.1982 – 1 BvR 1379/80, NJW 1982, 1453, im Beschl. Rn. 16 m. w. N. Zur Vereinbarkeit siehe bspw. BVerfG, Beschl. vom 07.10.1980 – 1 BvL 50, 89/ 79, 1 BvR 240/79, NJW 1981, 271. 155 Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 130. 156 Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 128; zur Verfahrensbeschleunigung als Begründung siehe auch BVerfG, Beschl. vom 30.01.1985 – 1 BvR 99/84, NJW 1985, 1149. 157 Dies wiederum lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK herleiten; siehe dazu zum grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz Lorenz, AöR 1980, 623, insbes. 640–643. 158 Schlosser äußerte sich zu der Problematik von verschuldensunabhängigen Präklusionswirkungen im Lichte des Art. 6 EMRK, Schlosser, NJW 1995, 1404, 1405. 159 Meyer-Ladewig, EMRK, 2011, Meyer-Ladewig zu Art. 6 EMRK, Rn. 101.
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
Schutzbereich „das individuelle Recht auf wirksamen Gerichtszugang“.160 Daneben ist die Verfahrenseffizienz erfasst, indem der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 S. 1 ERMK ein angemessen kurzes Verfahren fordert.161 Dies spricht dafür, im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 EMRK Präklusionswirkungen zuzulassen, um damit eine effektive Rechtsdurchsetzung zu fördern. Dabei muss zugleich gewährleistet bleiben, dass die potentiell präkludierte Partei überhaupt die Möglichkeit hatte, sich am Verfahren zu beteiligen.162 Die EMRK steht im Ergebnis Präklusionswirkungen nicht grundsätzlich entgegen.163 2. Ungeschriebene Präklusionswirkungen Bereits erarbeitet wurde, dass ausdrücklich normierte Präklusionswirkungen zulässig und mitunter sogar geboten sind. Aus dem Fehlen einer gesetzlich normierten Präklusionsvorschrift folgt hingegen nicht, dass weitere Schranken des rechtlichen Gehörs nicht bestehen können. Unter Beachtung verfassungsimmanenter Schranken könnten ebenfalls ungeschriebene Präklusionsinstitute verfassungskonform angewendet werden. In solchen Fällen tritt der Ausnahmecharakter einer Präklusionswirkung stärker in den Fokus. Als verfassungsimmanente Schranken sind beispielsweise die Effektivität der Rechtspflege und das Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu qualifizieren.164 Eine effektive Rechtspflege leistet wiederum der Rechtsdurchsetzung Vorschub und begrenzt eine Prozessverschleppung und Verfahrensverzögerung.165 Damit wird nicht nur die Funktionsfähigkeit der staatlichen Gerichte unterstützt – oder zugespitzt formuliert aufrecht erhalten – sondern es werden die prozessual verankerten Grundrechte eines Gläubigers gewahrt. Eine Präklusion darf an keine Bedingungen geknüpft werden, die unzumutbare Hürden darstellen, wobei die Zumutbarkeit sich grundsätzlich am
160 Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000, 243 dort m. w. N. in Fn. 176. 161 Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass […] innerhalb angemessener Frist verhandelt wird“. 162 Hier ist konkret auf die Verteidigungsmöglichkeit im Aufhebungsverfahren des Ursprungsstaats abzustellen. Vgl. zur Zulässigkeit eines Verzichts i.R.d. Art. 6 EMRK Liebscher, The Healthy Award, 2003, 79–80. 163 Siehe zu einer umfassenden Prüfung der hier fraglichen Präklusionswirkung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sogleich Kapitel 2 – D.I.3.c) und dort Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, insbesondere 707–708. 164 Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 18; Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 59, der dies allerdings für normierte Präklusionswirkungen erarbeitet. 165 BVerfG 05.05.1987, NJW 1987, 2733, 2735.
D. Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz
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Verwirkungsgedanken orientiert.166 Dahinter verbirgt sich die Prüfung, ob der Partei hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gewährt wurde und die Partei diese aus von ihr zu vertretenden Umständen schuldhaft nicht genutzt hat.167 Die Partei, deren Prozesshandlung präkludiert wird, muss also zuvor schuldhaft gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen haben.168 Das Verschulden sollte sich hier nach dem Maßstab richten, ob die Partei die Prozesshandlung in vertretbarer Weise unterlassen hat. Sofern also ein Maßstab angelegt wird, der überprüft, ob eine Partei hinreichend Rechtsschutzgelegenheiten gewährt wurden und die Partei durch eigenes Verschulden diese Gelegenheit ungenutzt gelassen hat, kann eine Präklusion hier greifen. Damit lässt sich festhalten, dass auch ungeschriebene Präklusionswirkungen grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs verfassungskonform sind. 3. Verfassungsrechtliche Perspektive der Charakteristik der Durchsetzung eines Schiedsspruchs Eine Herausforderung für die Verfassungsmäßigkeit einer (ungeschriebenen) Präklusionswirkung ist die Gestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit mit der Charakteristik des Aufhebungsverfahrens169 im Ursprungsstaat des Schiedsspruchs einerseits und des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Vollstreckungsstaat170 andererseits. Diese unterschiedlichen Verfahren finden in mehreren Staaten statt und involvieren verschiedene Rechtsschutzsysteme. Dabei knüpft eine Präklusionswirkung mitunter an Parteiverhalten in einem anderen Staat und einem anderen Rechtsschutzsystem an. Hier wird insoweit zunächst nur die verfassungsrechtliche Implikation der Präklusionswirkung untersucht. a) Gestaltung von Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Mit dem Antrag des Schiedsspruchgläubigers, einen ausländischen Schiedsspruch anerkennen und für vollstreckbar erklären zu lassen, beginnt erstmals ein jeweiliges nationales Gerichtsverfahren im Vollstreckungsstaat.171 Es ist Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 131. Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 131 m. w. N. dort in Fn. 12. 168 Denn nur die „Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen“ rechtfertigt eine Präklusion aus verfassungsrechtlicher Sicht, BVerfG, Beschl. vom 05.05.1987 – 1 BvR 903/85, NJW 1987, 2733, 2735; Münchener Kommentar ZPO, Prütting zu § 296, Rn. 13. 169 Dazu mehr in Kapitel 3 – A. 170 Dazu mehr in Kapitel 4 – A. 171 In Deutschland vor dem jeweils zuständigen OLG. Zuständig ist das OLG, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich Vermögen des Antragsgegners oder der mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder der 166 167
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Schiedssprüche immanent, dass ein Antragsgegner sich erstmals in diesem Verfahren vor den Gerichten des Vollstreckungsstaats äußern kann. Wer eine Präklusionswirkung befürwortet, schneidet bereits diese erste Möglichkeit, also diese erste Prozesshandlung vor den staatlichen Gerichten im Vollstreckungsstaat, ab. Befürworter einer solchen Präklusion greifen dann notwendigerweise für die potentielle Verwirklichung des rechtlichen Gehörs auf das ausländische Verfahren im Ursprungsstaat und die dortigen Rechtsschutzmöglichkeiten zurück. Jenes Verfahren im Ursprungsstaat umfasst die gerichtlichen Interventionsmöglichkeiten während eines laufenden Schiedsverfahrens und das Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs nach Abschluss des Schiedsverfahrens. Die Präklusionswirkung im Vollstreckungsstaat knüpft folglich nicht an eine in vertretbarer Weise ungenutzte Verfahrenshandlung vor den Gerichten im Vollstreckungsstaat, sondern an eine Verfahrenshandlung vor den ausländischen Gerichten des Ursprungsstaats, wie beispielsweise das Aufhebungsverfahren, an. Dort, im Aufhebungsverfahren des Ursprungsstaats, hätte der Antragsgegner seine Rechtsschutzgelegenheit nutzen können. Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, ob ein Aufhebungsverfahren dem Antragsgegner hinreichend Gelegenheit bot, seine Einwendungen im Ursprungsstaat geltend zu machen. Für die Rechtsordnungen, die das nationale Schiedsverfahrensrecht am Model Law orientiert oder einen vergleichbaren Verfahrensrahmen172 geschaffen haben, kann diese Rechtsschutzqualität bejaht werden. Einer Präklusion stehen insoweit isoliert betrachtet keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. b) Zumutbarkeit eines Verweises auf das Aufhebungsverfahren Allerdings steht die Verfassungsmäßigkeit in einem darüber hinausreichenden Aspekt in Frage: Unter dem Gesichtspunkt des Merkmals der sog. unzumutbaren Hürde173 muss das Verfahren im Ursprungsstaat erneut bewertet werden. Selbst wenn das Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat als Verwirklichungsmöglichkeit des rechtlichen Gehörs gesehen wird, ist damit nicht zugleich die Frage geklärt, ob eine Verweisung auf das dortige Verfahren nicht dennoch eine unzumutbare Hürde darstellt.174 Für manche Staaten könnte eine unzumutbare Hürde darin liegen, dass im dortigen Schiedsverfahrensregime Rechtsschutzmöglichkeiten fehlen, rechtsstaatliche Standards nicht gelten oder gravierend negativ von jenen Standards im Vollstreckungsstaat von der Maßnahme betroffene Gegenstand befindet, hilfsweise das Kammergericht; gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4, 2. Var. i. V. m. § 1062 Abs. 2 i. V. m. § 1061 Abs. 1 ZPO. 172 Wobei hier bereits kritisch anmerken ist, dass auch die Konturierung dieses Merkmals der „Vergleichbarkeit“ problematisch ist. 173 Siehe oben Kapitel 2 – D.I.2., Fn. 166. 174 Siehe hierzu die Anforderungen aus Fn. 166.
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abweichen.175 Dann müsste ein Vollstreckungsgericht die Zumutbarkeit prüfen, bevor eine Präklusion angenommen werden könnte. Ein Aufhebungsverfahren in Rechtsordnungen, deren Schiedsverfahrensrecht sich am Model Law orientiert oder die dem Art. 34 Model Law vergleichbare Vorschriften erlassen haben, ist zunächst nicht als unzumutbar zu bezeichnen. Dort sind die Rechtsschutzmöglichkeiten insbesondere deshalb vergleichbar, weil die Aufhebungsgründe über Art. 34 Model Law einheitlich gestaltet sind und der Verweis auf dieses Verfahren wäre insoweit zumutbar. c) Unterlassenes Aufhebungsverfahren als schuldhafter Verstoß aus verfassungsrechtlicher Sicht Doch auch wenn die Hürde der Unzumutbarkeit überwunden wurde, ist nach dem Maßstab des BVerfG als weiteres Kriterium der Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, ob ein schuldhafter Verstoß der Partei vorliegt, deren Prozesshandlung präkludiert werden soll.176 Zu klären ist dabei, ob die Partei vorwerfbar gegen die Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Dieser Maßstab lässt sich schwerlich direkt auf das hiesige Problem übertragen, weil sich die Prozessförderung auf das in sich geschlossene System des nationalen Zivilverfahrens und nicht auf die Mehrschichtigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit bezieht. Damit ist ein solcher Maßstab des Verschuldens zu starr. Deshalb ist zu ergründen, welche konkreten Anknüpfungspunkte der Prozessförderung das BVerfG heranzog und worin ein Verstoß begründet sein könnte. Ein Parteiverhalten darf ausgeschlossen werden, um das Verfahren vor einem Gericht insgesamt zu beschleunigen. 177 Mit der Präklusion erhält das Gericht ein Abwehrmittel gegen die sog. pflichtwidrige VerfahrensverzögeDabei stellt sich auch die Frage, wer die Beweislast für eine „Unzumutbarkeit“ trägt. Die Bandbreite reicht hier vom Antragsteller über den Antragsgegner im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bis hin zu einer Ermittlung durch das Gericht. Wird allein vordergründig auf die Unzumutbarkeit als für den Antragsgegner günstigen Umstand abgestellt, so trüge dieser die Beweislast. Der Antragsgegner müsste im Prozess beweisen, dass das ausländische Aufhebungsverfahren für ihn unzumutbar war, sei es aus rechtsstaatlichen oder tatsächlichen Gründen. Tiefgründiger gelangt eine Abwägung zwischen der Wahrung des rechtlichen Gehörs und einer ungeschriebenen Präklusionswirkung zur Prozesseffizienz. Das spräche für eine andere Verteilung der Beweislast. Es kommt hier nämlich auf die Entscheidung an, ob ein ausländisches Aufhebungsverfahren zumutbar war oder nicht und dabei wird auch die rechtsstaatliche Qualität des dortigen Rechtssystems beurteilt. Wenn nun das Ergebnis dessen darüber entscheidet, ob das rechtliche Gehör des Antragsgegners beschränkt werden kann oder nicht, muss die Unzumutbarkeit von Amts wegen ermittelt werden. So im Ergebnis auch Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 708. 176 BVerfG, Beschl. vom 29.04.1980 – 2 BvR 1441/79, NJW 1980, 1737; Maunz/Dürig GG-Kommentar, Schmidt-Aßmann zu Art. 103 I, Rn. 131. 177 Siehe hierzu BVerfG Beschl. in Fn. 156. 175
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rung.178 Werden diese Kriterien in ihre Grundbestandteile zerlegt, so ist der Anknüpfungspunkt eine Sperr- oder Verzögerungshaltung der Partei, die dieser vorwerfbar ist und dann zur Beschleunigung des Verfahrens durchbrochen und unterbunden werden soll. Hier findet sich aus historischer Sicht der Gedanke wieder, dass der Fortgang des Verfahrens nicht vom Mitwirken der (beklagten) Partei abhängen darf.179 Vorzuwerfen ist einer Partei ein verzögerndes Verhalten dann, wenn es gerade darauf angelegt ist, ein Verfahrensergebnis zu verzögern oder vorerst eine Entscheidung unmöglich zu machen. Ebenso kann es einer Partei vorgeworfen werden, wenn sie ihre Rechte zunächst nicht wahrnimmt und sich später doch auf für sie vorteilhafte Aspekte berufen möchte. Dann kann als Maßstab von einem schuldhaften Verstoß gesprochen werden. Diese Gedanken können zunächst auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines Schiedsspruchs angewendet werden. Dort ist der Prüfungsmaßstab dann so zu definieren, dass geprüft werden muss, ob dem Antragsgegner vorgeworfen werden kann, schuldhaft kein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchgeführt zu haben. Diese Frage zum schuldhaften Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens lässt sich untergliedern. Zunächst ist fraglich, ob ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat in die Prozessförderungspflicht einer Partei für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren fällt. Sofern die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens als Prozessförderungspflicht zu qualifizieren wäre, ist weiterhin zu klären, unter welchen Voraussetzungen das Verhalten des Antragsgegners dann als schuldhaft eingeordent werden kann.180 Die Beurteilung des Unterlassens der Einleitung eines Aufhebungsverfahrens umfasst hier nämlich nicht bloß ein frühes Vorbringen bestimmter Prozessmittel in einem einzigen Verfahrensabschnitt, sondern stellt auf die Einleitung eines komplett neuen Verfahrens ab. Für eine solche Klärung der Schuldhaftigkeit muss die Systematik des gesamten Verfahrens einbezogen werden, von Beginn des Schiedsverfahrens bis zu einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Nur so kann hinsichtlich der Prozessförderungspflicht an das Einleiten eines Aufhebungsverfahrens angeknüpft werden. Der Partei müsste also im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgeworfen werden können, kein Aufhebungsverfahren durchgeführt zu haben. Dabei ist zu beachten, ob ein erfolgreiches Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat überhaupt einen zeitlichen Vorteil im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit sich brächte. Der Umstand, dass die Aufhebung eines Schiedsspruchs einen eigenen Anerkennungsversa-
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Siehe hierzu Fn. 168. Siehe Kapitel 2 – A.II.3. Siehe oben Kapitel 2 – D.I.2., dort Fn. 168.
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gungsgrund aufstellt,181 spricht insoweit für die Vermutung, dass damit die Verfahrensdauer im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren verkürzt wird. Die Prozessförderungspflicht könnte dann so zu verstehen sein, dass von einer Partei gefordert wird, die Verfahrenseffizienz durch Einleitung eines Aufhebungsverfahrens zu steigern.182 Diesbezüglich wird von Bajons ein Prüfungssystem in Erwägung gezogen.183 Dieses Prüfungssystem wirkt allerdings zunächst recht restriktiv, denn eine Präklusionswirkung nach Erlass des Schiedsspruchs, also im Vollstreckungsstaat, sei grundsätzlich kaum mit der EMRK zu vereinbaren.184 Der Zweitstaat müsse immer Rechtsschutz gegen den Schiedsspruch eröffnen und jedenfalls prüfen, ob im Ursprungsstaat wirksamer und zumutbarer Rechtsschutz gegen einen Verfahrensverstoß zur Verfügung stand.185 Dann könne der Vollstreckungsstaat auf seine Kontrolle verzichten und eine Prozesshandlung präkludieren.186 Die Voraussetzung ist, dass die Versagungsgründe dem Antragsgegner bereits mit Erlass des Schiedsspruchs bekannt waren und der Antragsgegner die Versagungsgründe im Ursprungsstaat unter gleichwertigen Bedingungen hätte geltend machen können, er eine Aufhebungsklage aber – gleich aus welchem Grund – nicht durchgeführt hat.187 Diese Lösung hat einen gewissen Charme188, würde auf diese Weise doch ein graduelles System hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten geschaffen und zugleich ein Ausweg aus einer eventuellen Verfassungswidrigkeit eröffnet. Dieses System überträgt dem Gericht im Vollstreckungsstaat eine Entscheidungshoheit zu der Frage der „Gleichwertigkeit des Anfechtungsrechtsschutzes“189. Nicht ganz unberechtigt kritisiert Schütze dies jedoch als nicht praktikabel.190 Er sieht in einer solchen Entscheidungshoheit politisches und diplomatisches Konfliktpotential, denn ein Gericht müsste über die Rechtsschutzqualität
Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ, Art. 36 Abs. 1 lit. a (v) Model Law. Ob ein Unterlassen der Einleitung eines Aufhebungsverfahrens insgesamt als schuldhaft zu qualifizieren ist, wird an dieser Stelle noch nicht geklärt, sondern zunächst nur die verfassungsrechtliche Perspektive untersucht; vgl. später zum möglichen Parteiverhalten bspw. Kapitel 4 – C.III. 183 Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 707–708. 184 Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 707–708. 185 Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 708. 186 Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 708. 187 Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 708. 188 So Schütze über die Ansicht von Bajons, Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO, 2011, § 1061 ZPO, Rn. 105. 189 Im Sinne einer rechtsstaatlichen Gleichwertigkeit des Anfechtungsverfahrens im Ursprungsstaat. 190 Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO, 2011, § 1061 ZPO, Rn. 105. 181 182
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eines Drittstaates entscheiden.191 Damit könnte ein Gericht Unmut anderer Staaten hervorrufen, wenn es zu dem Ergebnis kommt, der Rechtsschutz sei gerade nicht vergleichbar. Allerdings kann dieser politische Aspekt allein kein taugliches Gegenargument sein. Auch in anderen Zusammenhängen muss ein Richter feststellen, ob in einem ausländischen Gerichtsverfahren rechtliches Gehör gewährt wurde192 oder ob eine Gegenseitigkeit in der Anerkennungspraxis besteht193. Hier könnten sich dann ebenfalls entsprechende politische Probleme ergeben. Der Kritik von Schütze194 ist ein weiterer Aspekt entgegenzuhalten. Schütze kritisiert, dass der Vollstreckungsstaat dann seine Kontrolle unterlassen könne, wenn der Erststaat ein effektives Verfahren bereithalte.195 Gerade sein politisches Argument lässt sich hiergegen vortragen. Die von ihm bemühte staatspolitische Diplomatie könnte es doch vielmehr erfordern, den möglichen Rechtsschutz im Ursprungsstaat grundsätzlich als zumindest gleichwertig zu respektieren und den eigenen Gerichten keine schützende Allzuständigkeit zuzuweisen. Im Ergebnis ist folglich danach zu differenzieren, ob am Ort des Aufhebungsverfahrens ein vergleichbarer Rechtsschutzstandard gegeben ist oder nicht. Sofern ein vergleichbarer Rechtsschutzstandard im Ursprungsstaat existiert, spräche aus verfassungsrechtlicher Sicht zunächst nichts gegen einen Verweis einer Partei auf das Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat, eine daraus resultierende Präklusion erscheint insoweit zunächst möglich. d) Zusammenfassung zur verfassungsrechtliche Perspektive der Charakteristik bei der Durchsetzung eines Schiedsspruchs Sofern ein Gericht bei der Anwendung einer Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren darauf abstellt, ob der Antragsgegner im Ursprungsstaat ein Aufhebungsverfahren durchführte, ist zunächst zu prüfen, ob dieser Partei ein Verweis auf das Verfahren im Ursprungsstaat zumutbar ist. Im zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob dem Antragsgegner das Unterlassen des Aufhebungsverfahrens als schuldhafter Verstoß gegen Förderungspflichten vorgeworfen werden kann. Zu beachten ist dabei, dass eine Anknüpfung an das potentiell eröffnete Aufhebungsverfahren dieses Verfahren zugleich als zwingend ausgestalten würde. Ein solches Ergebnis stünde dann möglicherweise im Konflikt zum gesamten Verfahrenskonzept aus Aufhebungsverfahren einerseits und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits. Diese Entscheidung über die zwingende Ausgestaltung des Aufhebungsverfahrens ist Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO, 2011, § 1061 ZPO, Rn. 105. Vgl. bspw. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO (Art. 45 Abs. 1 lit. b EuGVVO n. F.), § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ. 193 So bspw. in § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO und § 109 Abs. 4 FamFG. 194 Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO, 2011, § 1061 ZPO, Rn. 105. 195 Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO, 2011, § 1061 ZPO, Rn. 105. 191 192
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jedoch nicht im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit zu klären.196 Daher wurde an dieser Stelle abgeschichtet und nur die verfassungsrechtliche Implikation geklärt. Eine Präklusion, die im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren das rechtliche Gehör beschneidet und eine Partei deshalb präkludiert, weil sie kein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchgeführt hat, kann dann verfassungsgemäß sein, wenn im Ursprungsstaat des Schiedsverfahrens gleichwertige Rechtsbehelfe bestehen, mit denen eine Partei den Schiedsspruch hätte anfechten oder aufheben lassen können. 4. Begrenzungsmaßstab einer Präklusionswirkung Wie die Erörterung der Beschränkungsmöglichkeit des Rechtsschutzes gezeigt hat, sind Schranken des rechtlichen Gehörs zunächst einmal nicht vorgesehen und nur ausnahmsweise verfassungsgemäß. Diese Feststellung bezieht sich insoweit auf gesetzlich geregelte Präklusionswirkungen. Wenn nun eine ungeschriebene Präklusionswirkung eintreten soll, verschärft sich dieser Ausnahmecharakter, damit die Präklusion weiterhin verfassungsmäßig ist. 197 Die Etablierung eines Maßstabs zur Begrenzung einer Präklusionswirkung ist in diesem Fall geboten. Dieser Maßstab beschränkt eine ungeschriebene Präklusionswirkung aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in dem Umfang, dass sie nicht über eine Präklusionswirkung bei der Anerkennung ausländischer Gerichtsurteile hinausgehen darf.198 Eine ungeschriebene Präklusionswirkung Siehe hierzu unten Kapitel 4 – C.III. Vgl. zum restriktiven Maßstab Kapitel 2 – D.I.2. 198 Als Begrenzungsmaßstab kommt nicht allein ein Bezug zur Präklusionswirkung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Gerichtsurteile in Betracht, weil die Systeme voneinander abweichen. Gänzlich unbekannt ist dem System der Anerkennung ausländischer Urteile ein Abstellen auf Parteiverhalten im Erststaat allerdings auch nicht, wie ein Blick in Art. 34 Nr. 2 2. Hs. EuGVVO bzw. Art. 45 Abs. 1 lit. b EuGVVO n. F. belegt. Es fällt aber auf, dass sich die Systeme voneinander unterscheiden. Je nach anwendbarer Rechtsgrundlage ist der Katalog der potentiellen Anerkennungsversagungsgründe bei Gerichtsurteilen begrenzter ist, als bei Schiedssprüchen, siehe bspw. Art. 34 EuGVVO (bzw. Art. 45 EuGVVO n. F.). Aus dem Umstand, dass eine ausländische Gerichtsentscheidung in ihrem Ursprungsstaat noch mit Rechtsmitteln aufgehoben werden kann, folgt keine Präklusionswirkung für das Verfahren im Vollstreckungsstaat (vgl. BGH, Urt. vom 04.06.1992 – IX ZR 149/91, NJW 1992, 3096). Vielmehr stellt bspw. § 723 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Vollstreckung explizit auf die Rechtskraft ab. Über die Frage, ob ausländische Urteile nur dann anerkannt werden können, wenn diese im Ursprungsstaat formell rechtskräftig wurden und mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden können, besteht zwar keine Einigkeit, der Streit hat für die vorliegende Frage jedoch keine Bedeutung und kann dahinstehen. Für ein solches Rechtskrafterfordernis spricht sich die h. M. aus, bspw. Musielak ZPO-Kommentar, Stadler zu § 328 ZPO, Rn. 5; Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, 430, § 5, Rn. 112 dort m. w. N. in Fn. 596; abweichend dagegen Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 328, Rn. 69; Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, § 60 III 3a, 664. 196 197
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens eines Schiedsspruchs ist am Schutzbereich des rechtlichen Gehörs auszurichten und muss zugleich die Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit und die Rechtsschutz und Verteidigungsoptionen einer Partei im Aufhebungs- und Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren einbeziehen. 5. Zusammenfassung – Schutzbereich und Schranken des rechtlichen Gehörs Festzuhalten bleibt, dass eine Präklusion das rechtliche Gehör sowohl aus verfassungsrechtlicher Sicht als auch im Lichte der EMRK beschränken darf, sofern als Voraussetzungen die Zumutbarkeit des Rechtsschutzes und ein schuldhafter Verstoß der präkludierten Partei geprüft wurden.199 Für die Verfassungsmäßigkeit einer Präklusion ist grundsätzlich unerheblich, ob es sich um eine normierte oder um eine ungeschriebene Präklusionswirkung handelt. Allerdings gelten für ungeschriebene Präklusionswirkungen strengere Anforderungen. Dieses Leitbild prägt jede Präklusionswirkung im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren. II. EuGH zu Präklusionswirkungen Das Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und der Verfahrenseffizienz sowie die Vereinbarkeit einer Präklusionswirkung mit der EMRK, insbesondere mit Art. 6 EMRK, wurde hier bereits untersucht. 200 Dargelegt wird ergänzend als knapper Exkurs, dass die Position des EuGH zu Präklusionswirkungen keine grundsätzlich andere Beurteilung des Spannungsfeldes erfordert. Der EuGH bekräftigt die Bedeutung der Rechtskraft einer Entscheidung.201 Allerdings lassen sich zu Präklusionsinstituten im Kontext der Daneben ist eine Präklusion mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG; ebenso bspw. § 1042 Abs. 1 S. 1 ZPO oder Art. 18 Model Law für das Schiedsverfahren) vereinbar. Der Schutzbereich erfasst die prozessuale Gleichstellung der Parteien. Beide Parteien müssen die gleichen Möglichkeiten haben, dem Gericht gegenüber vorzutragen, damit „prozessuale Waffengleichheit“ gilt; Münchener Kommentar ZPO, Prütting zu § 296, Rn. 32–34, m. w. N. dort in Fn. 71. Eine Präklusion schneidet einer Partei zwar eine Vortragsmöglichkeit ab. Doch muss berücksichtigt werden, dass die „prozessuale Waffengleichheit“ durch die Gewährung rechtlichen Gehörs abgebildet wird und hinsichtlich der Präklusion kein selbstständiger Schutzbereich notwendig ist. Dazu umfassend Stosch, Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht – de lege lata – de lege ferenda, 2000, 62–64, dem ist zuzustimmen. Sofern sich daneben Probleme ergeben, wird auf die Ausführungen zum rechtlichen Gehör verwiesen. Siehe oben Kapitel 2 – D.I. 200 Siehe Kapitel 2 – D.I. 201 Der EuGH hob die Bedeutung hervor, die dem Grundsatz der Rechtkraft sowohl im Unionsrecht als auch im nationalen Recht zukommt. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie zum Zwecke der geordneten Rechtspflege sollten die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der ent199
D. Spannungsfeld zwischen rechtlichem Gehör und Verfahrenseffizienz
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Durchsetzung von Schiedssprüchen bei einer Verbraucherbeteiligungen kritische Ausführungen des EuGH erkennen.202 Im Streit aus einem Mobilfunkvertrag, der eine Schiedsvereinbarung enthielt, leitete ein Unternehmen gegen eine Kundin ein Schiedsverfahren ein.203 Die Verbraucherin trug im Schiedsverfahren nur Argumente zur Sache vor, lehnte aber weder das Schiedsverfahren ab, noch rügte sie die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Nachdem das Unternehmen im Schiedsverfahren obsiegt hatte, griff die Kundin den Schiedsspruch vor den ordentlichen Gerichten an und trug vor, die Schiedsvereinbarung sei unwirksam und aufgrund einer Missbräuchlichkeit nichtig gewesen. Das spanische Gericht hatte keine Zweifel an einem missbräuchlichen Charakter der Klausel und war von deren Unwirksamkeit überzeugt. Da die Verbraucherin aber weder das Schiedsverfahren abgelehnt noch die Unwirksamkeit der Schiedsklausel im Schiedsverfahren gerügt hatte, zog das spanische Gericht eine Präklusion sowohl unter dem Gesichtspunkt der rügelosen Einlassung als auch unter dem Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit in Erwägung. Der EuGH versagte die Möglichkeit einer wirksamen rügelosen Einlassung und lehnte damit ebenso eine wirksame Präklusion ab. Wichtig ist dabei, dass es dem EuGH nur um die Durchsetzung der Richtlinie204 ging, nicht hingegen darum, ob einer Präklusion grundsätzliche Bedenken entgegenstünden.205 In einem vergleichbaren Fall bestätigte der EuGH, dass Präsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordenen Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können, EuGH 01.06.1999 – Rs. C-126/97, Slg. 1999, I3055 – Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV = EuZW 1999, 565; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-224/01, Slg. 2003, I-10239 – Gerhard Köbler/Republik Österreich = NJW 2003, 3539. 202 Im Kontext der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit bleiben diese kritischen Ausführungen hingegen weitgehend folgenlos. 203 EuGH 26.10.2006 – Rs. C-168/05, Slg. 2006, I-10421 – Elisa Maria Mostaza Claro/ Centro Móvil Milenium SL = NJW 2007, 135. 204 Primär ging es um die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. 205 Der Entscheidung ist allerdings eine gewisse Kritik zu entgegnen, zu dieser Kritik vgl. auch Wagner, SchiedsVZ 2007, 46, 50. Die Verbraucherin wurde über ihre Möglichkeiten aufgeklärt, das Schiedsverfahren abzulehnen und ein staatliches Gerichtsverfahren einzuleiten. Die Konsequenz eines Weiterverhandelns zur Sache konnte ihr daher wohl nicht unbewusst sein. Vorschriften wie Art. 24 S. 1 EuGVVO a. F. sahen rügelose Einlassungen auch dann vor, wenn ein Verbraucher Beklagter ist, dazu bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Gottwald zu Art. 24 EuGVO, Rn. 3; Musielak ZPO-Kommentar, Stadler zu Art. 24 EuGVVO a. F., Rn. 1–4; a. A. Mankowski, RIW 2010, 667, 668–669. Zu beachten sind insoweit allerdings Art. 26 Abs. 1, Abs. 2 EuGVVO n. F. (10.01.2015); fortan wird eine vorherige Belehrung des Verbrauchers als Bedingung einer wirksamen rügelosen Einlassung gefordert. Zudem sind Präklusionen regelmäßig auch dann wirksam, wenn keine explizite Aufklärung erfolgte. Eine solche Aufklärung in Verfahren mit Verbrauchern zu fordern, überzeugt, eine rügelose Einlassung bzw. einen impliziten Rügeverzicht zu versagen überzeugt so jedoch nicht.
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Kapitel 2 – Präklusion als Rechtsinstitut
klusionswirkungen angemessen sein können.206 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der EuGH Präklusionswirkungen grundsätzlich befürwortet und Rechtskraftwirkungen regelmäßig nicht in Frage gestellt werden sollen.
E. Zusammenfassung – Präklusion als Rechtsinstitut im Zivilprozess und Schiedsverfahren E. Zusammenfassung
Eine Präklusion bezeichnet den Ausschluss von Prozesshandlungen und knüpft an eine Säumnis einer Partei an. Eine Präklusion kann dabei sowohl in einem Schiedsverfahren als auch im Rahmen der Durchsetzung eines Schiedsspruchs wirken. Schiedsverfahren stehen unter dem Leitbild der unmittelbar anwendbaren Prozessgrundsätze wie Treu und Glauben.207 Ebenso muss den Parteien in einem Schiedsverfahren rechtliches Gehör gewährt werden.208 Wurde einer Partei kein rechtliches Gehör gewährt, widerspräche eine Anerkennung und Vollstreckung eines solchen Schiedsspruchs zweifelsfrei der öffentlichen Ordnung (ordre public).209 Damit gewährleistet ein Zusammenspiel zwischen der Schiedsgerichtsbarkeit und der staatlichen Kontrolle im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Rechtssicherheit und schützt die betroffenen Grundrechte wie beispielsweise den Anspruch auf rechtliches Gehör. Für die hier untersuchte Thematik einer Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ist zu beachten, dass ein solches Verfahren vor staatlichen Gerichten stattfindet. Eine Präklusionswirkung kann dabei nur unter der Abwägung ihrer einschneidenden Wirkung im Rahmen der Schutzbereiche der betroffenen Grundrechte angenommen werden. Das Spannungsfeld zwischen der Verfahrenseffizienz einerseits und dem rechtlichen Gehör andererseits steht einer ungeschriebenen Präklusionswirkung nicht entgegen. Vielmehr erfordern die Interessen der Verfahrenseffizienz mitunter sogar eine Präklusion.
EuGH 06.10.2009 – Rs. C-40/08, Slg. 2009, I-9579 – Asturcom Telecomunicaciones SL/Cristina Rodríguez Nogueira = EuZW 2009, 852. Näher und kritisch zur EuGH Entscheidung bspw. Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 316; ebenso Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74. 207 Auch in Schiedsverfahren gelten fundamentale Prozessprinzipien, die „magna carta of arbitration“ wie Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 95, Rn. 5-68 es bezeichnen. So werden das faire Verfahren und die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter als allgemeingültige Prinzipien für das Schiedsverfahren gesehen, bspw. Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 95–97, Rn. 5-68–5-74. 208 Steiner, SchiedsVZ 2013, 15; Rosenberg/Gottwald/Schwab, Zivilprozessrecht, 2010, 1048, § 179, Rn. 3; vgl. auch § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO. 209 Steiner, SchiedsVZ 2013, 15, 17; gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO; zu Anforderungen an einen Verstoß gegen den ordre public siehe BGH 28.01.2014, SchiedsVZ 2014, 98. 206
Kapitel 3
Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs Am Ende eines Schiedsverfahrens1 steht regelmäßig der Erlass eines Schiedsspruchs. Mit dem Schiedsspruch trifft das Schiedsgericht meist eine materiell-rechtliche Entscheidung. Sofern eine – meist die unterlegene – Partei mit dem Ergebnis in materieller Hinsicht unzufrieden ist, gibt es kaum Möglichkeiten zur Korrektur2. Soweit allerdings prozessuale Fehler des Verfahrens in Frage stehen, hat die Partei die Möglichkeit, im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens im Ursprungsstaat anhand eines engen Katalogs von Gründen gegen den Schiedsspruch vorzugehen und den Schiedsspruch durch ein Gericht3 aufheben zu lassen. Im Folgenden wird zunächst knapp das Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs dargestellt (A.), um dann die gesetzlich normierten Präklusionsinstitute im Aufhebungsverfahren genauer zu untersuchen (B.). Sodann wird die Lage erörtert, in der in einem nationalen Schiedsverfahrensrecht ein Aufhebungsverfahren nicht normiert ist (C.). Abschließend wird untersucht, welche Möglichkeiten einer Partei bleiben, wenn Verfahrensfehler erst nach Ablauf der Aufhebungsfrist bekannt werden (D.).
A. Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs A. Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
Das Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs ist, historisch gesehen, noch nicht immer ein festes Element der privaten Schiedsgerichtsbarkeit gewesen; in den Anfängen der privaten Schiedsgerichtsbarkeit gab es ein solches Verfahren noch nicht.4 Dennoch konnten bereits damals gravierende Mängel Zur Frage, wann ein Schiedsverfahren als ein ausländisches (und damit internationales) Verfahren zu qualifizieren ist, siehe bspw. Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 46–49, Rn. 83–94. 2 Denkbar sind Vereinbarungen über eine zweite Schiedsinstanz oder Berufungen zu einem staatlichen Gericht (sog. appeal mechanism), wobei die Möglichkeit und Wirksamkeit solcher Vereinbarungen mitunter kritisch beurteilt wird. Vgl. Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, Rn. 25-1–25-6. 3 Das zuständige Gericht wird durch das nationale Prozessrecht im Aufhebungsstaat bestimmt. 4 Dazu bspw. Lukits, SchiedsVZ 2013, 269, 273. 1
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
eines Schiedsspruchs im Rahmen eines gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens gegen den Schiedsspruch vorgetragen werden.5 In modernen Schiedsverfahrensrechten kann der Schiedsspruch mit einem Aufhebungsverfahren angegriffen werden.6 Weder die Aufhebung eines Schiedsspruchs7 noch dessen zwangsweise Vollstreckung können im Gesamtvergleich aller Schiedsverfahren als regelmäßige Standardpraxis bezeichnet werden.8 Vielmehr ist das Gegenteil zu beobachten: In zahlreichen Schiedsverfahren vergleichen sich die Parteien noch während des Verfahrens, bevor ein Schiedsspruch erlassen wird.9 Obgleich die Schiedssprüche, die erlassen werden, regelmäßig von der unterlegenen Partei, beispielsweise durch Zahlung, befolgt werden,10 ist dies nicht immer der Fall. Unter bestimmten Umständen kommt eine Partei mitunter zu dem Entschluss, dass sie – sei es aus taktischen Gründen oder aufgrund eines gravierenden Verfahrensverstoßes – den Schiedsspruch nicht befolgen, sondern anfechten bzw. aufheben lassen möchte.11 Die Möglichkeit eines Aufhebungsverfahrens ist dabei „notwendiger Gegenpart der Kontrollabsti-
Lukits, SchiedsVZ 2013, 269, 273. Vgl. zum Verfahren van den Berg, in: Lillich/Brower (Hrsg.), International Arbitration in the 21st Century, 1994, 133. Zu einer Erörterung der Entwicklung des Aufhebungsverfahrens eines Schiedsspruchs in der deutschen ZPO von 1877 siehe Zieren, Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO (1877–1933) unter Berücksichtigung der Genfer Übereinkommen von 1923 und 1927 sowie der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2013, 74; gemäß § 870 S. 1 CPO 1877 gab es bereits eine Notfrist von einem Monat, innerhalb derer die Klage auf Aufhebung zu erheben war. 7 Gegenstand der Aufhebung kann nur der Schiedsspruch sein (i. S. d. Art. 31 Model Law), nicht etwa angeordnete Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, vgl. bspw. OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 28.06.2012 – 26 Sch 5/12, DIS-Datenbank; dazu Kröll, SchiedsVZ 2013, 259. 8 Siehe bspw. zur Häufigkeit einer Aufhebung des Schiedsspruchs in der Schweiz, wo nur 7 % der Aufhebungsanträge erfolgreich sind, Basler Kommentar IPRG, Pfisterer zu Art. 190, Rn. 19; m. w. N. bspw. für England mit 5 % Erfolg eines Aufhebungsantrags, Paulsson, Arbitration International (23) 2007, 477, 489. 9 In 2009 wurden bspw. 44–48 % aller ICC Schiedsverfahren (durch Vergleich) vorzeitig zurückgezogen, ohne, dass ein Schiedsspruch erlassen wurde, ICC 2009 Statistical Report, 21 ICC International Court of Arbitration Bulletin 1, siehe Greenberg/Kee/ Weeramantry, International Commercial Arbitration, 2011, 429–430, Rn. 9.65. 10 Zobel, Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschaftsrecht, 2005 117 m. w. N. wonach ca. 90 % aller ICC Schiedssprüche freiwillig erfüllt werden; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 688, Rn. 26-2 m. w. N. wonach die freiwillige Erfüllung bzw. erfolgreiche Vollstreckung in 98 % der Fälle erfolgt (dort Fn. 4); eine weitere Studie von PWC und der Queen Mary University of London aus 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass nur 11 % der Schiedssprüche vollstreckt werden müssen, dort S. 10. 11 Born, International Commercial Arbitration, 2014, § 25.01, 3164. 5 6
A. Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
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nenz im laufenden Schiedsverfahren“.12 Ein Aufhebungsverfahren dient zur Überprüfung der Einhaltung gewisser Mindestgarantien der Rechtsstaatlichkeit.13 Für die Überprüfung eines Schiedsspruchs im Ursprungsstaat gibt es unterschiedliche Verfahrensmöglichkeiten und entsprechend unterschiedliche Überprüfungsmaßstäbe: In vielen Schiedsverfahrensrechten beschränkt sich der Maßstab der Aufhebung auf eine Überschreitung der Kompetenz des Schiedsgerichts und Verstöße gegen fundamentale Prozessprinzipien, in wenigen anderen Staaten hingegen ist daneben eine materiell-rechtliche Prüfung des Schiedsspruchs in der Sache möglich.14 Für das Aufhebungs- bzw. Anfechtungsverfahren15 ergeben sich die Aufhebungsgründe bzw. Anfechtungsgründe – mangels einer völkervertraglichen Regelung – aus nationalem Recht.16 Allerdings zeigt ein internationaler Vergleich der bestehenden Schiedsverfahrensrechte, dass die Aufhebungsgründe dennoch weitgehend deckungsgleich sind.17 Das hat seinen Grund darin, dass sich das nationalrechtlich verankerte Aufhebungsverfahren in über 65 Staaten18 am UNCITRAL Model Law von 1985 bzw. dessen geänderter Fassung aus 2006 orientiert. Das Model Law war, nach den UNCITRAL Arbitration Rules19 aus dem Jahre 1976, das zweite Harmonisierungsinstrument der UNCITRAL. Es wurde so gestaltet, dass es kulturelle und historische Unterschiede zwischen den Staaten mit ihren zum Teil verschiedenen Rechtstraditionen überbrücken kann.20 Art. 34 Model Law enthält den Katalog mit den 12 Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 885, Rn. 1558. Eine Kontrollabstinenz ist gegeben, weil staatliche Gerichte den Verlauf des Schiedsverfahrens nicht umfassend kontrollieren. 13 Rechberger, in: Geimer/Schütze (Hrsg.), Recht ohne Grenzen, 2012, 801, 807. Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob der Antrag zur Einleitung eines Aufhebungsverfahrens eine rechtliche Beschwer voraussetzt. In Deutschland sprechen sich bspw. gegen das Erfordernis einer rechtlichen Beschwer aus: Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1059, Rn. 32 m. w. N. dort in Fn. 145; a. A.: Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 55; Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 25, Rn. 11. 14 So bspw. in Sec. 67–69 English Arbitration Act 1996; Park, in: Briner/Fortier/ Berger (Hrsg.), Law of International Business and Dispute Settlement in the 21st Century, 2001, 595, 597–598; daneben wird vereinzelt diskutiert, die Überprüfung von Schiedssprüchen insgesamt anders zu gestalten, um die Parteiautonomie zu fördern, dazu bspw. Khan, Lousiana Law Review (74) 2013, 1, 43–45. 15 Die Terminologie wird nicht einheitlich verwendet, dahinter steht jedoch immer das Verfahren zur Aufhebung des Schiedsverfahrens. 16 Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Weigand/Baumann, 60, Rn. 1.164. 17 Born, International Commercial Arbitration, 2014, § 25.01, 3164. 18 Siehe . 19 UNCITRAL Arbitration Rules 1976, General Assembly Resolution 31/98. 20 Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Weigand, 36, Rn. 83; mit Verweis auf Cremades, Arbitration International (14) 1998, 157,
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
Aufhebungsgründen, die inhaltlich mit den Anerkennungsversagungsgründen in Art. V Abs. 1 lit. a–d, Abs. 2 UNÜ übereinstimmen. Die internationale Aufhebungszuständigkeit eines Schiedsspruchs liegt bei den Gerichten am Schiedsort. Diese Exklusivität der Zuständigkeit wurde auch im Rahmen des UNÜ als Grundprinzip bestätigt.21 Das Aufhebungsverfahren als exklusiver Überprüfungsmechanismus hat historisch gesehen seinen Ursprung in einer territorialen Betrachtung,22 bekannt als sog. Monolocal Approach23. Nach dieser Betrachtung liegt es allein im Hoheitsbereich der Gerichte des Ursprungsstaats, einen Schiedsspruch zu prüfen und ggf. aufzuheben. Dieser rein territorialen Betrachtung traten Stimmen in der internationalen Literatur entgegen und es formierten sich zwei weitere Meinungsströmungen:24 einerseits die delokalisierte Betrachtung, bekannt als sog. Multilocal Approach oder Westphalian Vision und andererseits die transnationale Betrachtung, sog. Transnational Approach.25 170–172; daneben sollte es auch konkret gewährleisten, dass Parteien Schiedsverfahren tatsächlich auch nach den von ihnen gewählten Regeln durchführen können, siehe Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Roth zum UNCITRAL Model Law, 1159, Rn. 3. 21 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 20; allerdings gibt es Meinungsströme, die sich für andere Konzepte aussprechen, siehe dazu bspw. die Literaturübersicht bei Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), 112–115; siehe ebenfalls hier die folgenden Fn. 22–25. 22 Mann, in: Sanders/Domke (Hrsg.), International Arbitration, 1967, 157, 161; zur These Manns vertiefend Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 345–351; Park, in: Briner/Fortier/Berger (Hrsg.), Law of International Business and Dispute Settlement in the 21st Century, 2001, 595, 598; zur Vertiefung der rein territorialen oder der prozessualen Anknüpfung siehe Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 657–674. 23 Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 66, 67– 68. 24 Siehe bspw. Dunmore, in: Klausegger/Klein/Kremslehner (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2014, 285, 287–295; Siehr, ZZP 2002, 143, mit Darstellung der Rechtsprechung, insbes. 154–155. Zu den Diskussionen vgl. neben der Literatur ebenfalls juristische Diskussionsplattformen im Internet wie bspw.: (vom 24.07.2007); und (vom 07.01.2013). 25 Für einen Überblick Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 66, 67–70; Kronke NYC Commentary, Darwazeh zu Art. V Abs. 1 lit. e, 324– 342. Dieser Meinungsstreit reicht bis auf das Fundament der Schiedsgerichtsbarkeit, so dass eine umfassende Darstellung den Rahmen der vorliegenden Untersuchung überschreitet. Die knappe Erwähnung vervollständigt aber das Verständnis der Bedeutung des Aufhebungsverfahrens. Die delokalisierte Betrachtung zieht die Legitimation eines Schiedsverfahrens aus der Vielzahl der Rechtsordnungen, die Schiedsverfahren als Ausdruck der Parteiautonomie anerkennen und zulassen. Daraus folgt entsprechend auch die Hoheit zur Überprüfung eines
A. Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
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Aufhebungsverfahren können unterschiedliche Wirkung haben. So kommt dem Aufhebungsverfahren beispielsweise in Deutschland eine gestaltende Wirkung zu.26 Wenn eine Partei die Mangelhaftigkeit des Schiedsspruchs rügen und die Wirksamkeit beseitigen möchte, bleibt ihr nur das Aufhebungsverfahren.27 Das Model Law sieht mit dem Verteidigungssystem in Art. 34 und Art. 36 eine Wahl zwischen zwei verschiedenen Prozessmitteln vor: Möglich ist ein Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch oder aber die Verteidigung gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung.28 Das Schiedsspruchs, jeder Staat kann für sich die Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs festlegen, dazu Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 66, 68; m. w. N. dort in Fn. 5; zur delocalisation-Theorie aus englischer Sicht bspw. Yu, Int. A.L.R. 1999, 83, 84–86. Die transnationale Betrachtung geht noch einen Schritt weiter und zieht das Kollektiv an Rechtsordnungen und das gemeinsame Verständnis der Staatengemeinschaft als Legitimationsquelle heran, siehe bspw. Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 66, 68 und Gaillard, New York Law Journal 2007, 1. Übereinkommen wie das UNÜ brächten exemplarisch diese Kollektivquelle zum Ausdruck. Eine Konsequenz daraus ist die Reichweite der Aufhebung eines Schiedsspruchs, die nach der transnationalen Betrachtung auf den Ursprungsstaat des Schiedsspruchs beschränkt bleibt. Dem steht bspw. die Sicht van den Bergs entgegen, der sich für eine exterritoriale Auswirkung der Aufhebung ausspricht, weil gem. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ mit der Aufhebung die Vollstreckung in einem anderen UNÜ-Vertragsstaat ausgeschlossen wird, van den Berg, in: Blessing (Hrsg.), The New York Convention of 1958, 1996, 25, 89, Rn. 516. Das wird allerdings recht streitig beurteilt, ein Überblick zur Diskussion findet sich bei Gaillard, Legal Theory of International Arbitration, 2010, 135–149, Rn. 124–132; Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 380–381; Dunmore, in: Klausegger/Klein/ Kremslehner (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2014, 285; Gaillard, Enforcement of arbitration agreements and international arbitral awards, 2009, Freyer, 757– 786; vgl. ebenfalls Lastenouse, J. Int. Arb. (16) 1999, 25. Es geht auch um die Frage, wie der Art. V Abs. 1 UNÜ, insbesondere lit. e, zu verstehen ist. Der Wortlaut des Art. V Abs. 1 UNÜ lautet: „Recognition and enforcement of the award may be refused […]“. Dieser Wortlaut wird teilweise so ausgelegt, dass einem Gericht ein Ermessensspielraum eröffnet wird. Die Auswirkung der unterschiedlichen Streitpositionen zeitigt sich aber erst bei der Betrachtung des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens. An dieser Stelle kann und soll soweit dahinstehen, wie dieser Streit abschließend zu beurteilen ist, dazu später in Kapitel 4 – E., jeweils dritte Vergleichskategorie. 26 So z. B. Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1059, Rn. 32; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 359 m. w. N. dort in Fn. 41. Diese Gestaltungswirkung ist jedoch nicht zwingend und nicht allgemeingültig, siehe Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 359. Die Aufhebungsklage im Model Law ist zunächst nicht als Gestaltungsklage vorgesehen, aber darauf gerichtet, umfassend die Unwirksamkeit eines Schiedsspruchs festzustellen, siehe Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 359. 27 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 359. 28 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration 1985 with amendments as adopted in 2006, Explanatory Note by the UNCITRAL Secretariat, 35, Rn. 45.
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
Aufhebungsverfahren soll einer Partei also die Möglichkeit bieten, den Schiedsspruch zu vernichten, wenn Verfahrensfehler vorliegen; die Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren dienen einer Partei zur Verteidigung auf der Ebene der Durchsetzung eines Schiedsspruchs. Hervorzuheben ist, dass das Schutzsystem des Aufhebungsverfahrens unter dem Vorbehalt steht, von einer Partei eingeleitet zu werden. Zwar erfolgt die Berücksichtigung des Aufhebungsgrundes zum ordre publicVerstoß dann von Amts wegen, das Aufhebungsverfahren selbst kann jedoch nicht von Amts wegen eingeleitet werden.29
B. Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law B. Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law
Präklusionsregelungen sind häufig in die Vorschriften der nationalen Rechtsordnungen über das Aufhebungsverfahren implementiert. Das Model Law enthält ebenfalls einige Präklusionsregelungen. Diese Vorschriften zu Präklusionsinstituten finden sich dabei nicht nur im Allgemeinen Teil in Art. 4 Model Law, sondern beispielsweise auch in Art. 13, Art. 16 und Art. 34 Abs. 3 Model Law. Dabei ist zwischen einer Präklusionswirkung im Schiedsverfahren und ihrer Auswirkung auf ein mögliches Aufhebungsverfahren zu differenzieren. Es wird daher anhand verschiedener Anknüpfungspunkte im Model Law der Frage nachgegangen, inwieweit Parteiverhalten zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und Wahrung der Parteihoheit bereits während eines Schiedsverfahrens zu einer Präklusion bestimmter Verfahrensrügen führen kann. I.
Rügeverzicht in Art. 4 Model Law
Art. 4 Model Law postuliert den Rügeverzicht eines Verfahrensfehlers, sog. waiver of right to object.30 Damit verhindert Art. 4 Model Law, dass eine Partei sich trotz Kenntnis des Verfahrensfehlers erst später auf diesen Fehler beruft, wenn beispielsweise das Verfahren einen ungünstigen Verlauf nimmt.31 Damit folgt Art. 4 Model Law den allgemeinen Prozessgrundsätzen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) und der estoppel-
29 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 53, dort m. w. N. in Fn. 242; Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Kröll/Kraft zu § 1059, 387, Rn. 9. 30 Dieses Prinzip etablierte die UNCITRAL schon in Art. 30 der UNCITRAL Arbitration Rules von 1976. 31 UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, Art. 4, 18, Rn. 1, wobei Art. 4 Model Law die Präklusionswirkung nicht an bestimmte Motive knüpft, sondern eine Präklusion allgemein wirken lässt.
B. Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law
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Theorie32 und soll so eine Verfahrensdurchführung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ermöglichen.33 Art. 4 Model Law erfasst dabei jedoch nur jene Verfahrensfehler, die zur Disposition der Parteien stehen, also nur solche Verfahrensvorschriften, die keinen zwingenden Charakter haben.34 Dabei können sich diese Verfahrensvorschriften sowohl aus dem Model Law in seinem jeweiligen nationalen Gewand als auch aus der Parteivereinbarung, beispielsweise aus der Schiedsvereinbarung, ergeben.35 Zudem werden die Vorschriften der ggf. anwendbaren Schiedsregeln erfasst, von denen viele – zur Klarstellung – ebenfalls eine Vorschrift wie Art. 4 Model Law enthalten.36 Rechtstechnisch wirkt sich Art. 4 Model Law für den Fortgang des Schiedsverfahrens präkludierend auf eine Rüge aus. Die allgemeine Regelung des Art. 4 Model Law ist offen gestaltet und erfasst den gesamten Verlauf eines Schiedsverfahrens.37 Die Präklusionswirkung des Art. 4 Model Law kann sich auch im Rahmen des Art. 34 Model Law im Aufhebungsverfahren auswirken.38 Beachtet werden muss zudem, dass ein Gericht weder im Aufhebungs- noch im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren an die Feststellung eines Schiedsgerichts zur Präklusion einer Partei gebunden ist.39 Regelmäßig wird aber ein Gericht die Entscheidung eines Schiedsgerichts respektieren, weil das Schiedsgericht sich zuvor umfassend mit den Umständen des Falles auseinandergesetzt hat.40 32 UN-Doc. A/CN.9/264, 17, Rn. 1; zur Herleitung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens vgl. Kapitel 2 – B. 33 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 4, 196. 34 Zu den nicht dispositiven Vorschriften siehe Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, 56–59, Rn. 1-085– 1-092; UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, Art. 4, 18, Rn. 1. 35 UN-Doc. A/CN.9/264, 17, Rn. 2. 36 Vgl. z. B. Art. 39 ICC Rules of Arbitration; Art. 10 CIETAC Arbitration Rules (2012); Art. 31 SCC Arbitration Rules (2010); § 30 DIS Schiedsgerichtsordnung (1998); Art. R-41 AAA Commercial Arbitration Rules and Mediation Procedures (2013), siehe Kapitel 2, Fn. 61. 37 Gem. Art. 4 greift die Präklusion bzw. der Verzicht dann, wenn die Partei im Schiedsverfahren trotz Kenntnis des Fehlers weiter verhandelt; „[…] and yet proceeds with the arbitration […]“. 38 UN-Doc. A/40/17, 11, Rn. 57; Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 36, 1058. Allerdings ist der Anwendungsbereich des Art. 4 Model Law nach Erlass des Schiedsspruchs nicht mehr eröffnet. Das Schiedsverfahren wird gemäß Art. 32 Abs. 1 Model Law mit Erlass des Schiedsspruchs beendet, womit dann auch das Amt des Schiedsgerichts endet, gem. Art. 32 Abs. 3 Model Law. 39 UN-Doc. A/40/17, 11, Rn. 57. 40 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 4, 200.
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
II. Präklusion der Rüge einer fehlerhaften Zusammensetzung des Schiedsgerichts in Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law Neben Art. 4 Model Law findet sich auch in Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law eine Vorschrift mit präkludierender Wirkung. Gemäß Art. 13 Abs. 2 Model Law41 hat eine Partei 15 Tage Zeit, die Zusammensetzung des Schiedsgerichts anzugreifen.42 Für den Angriff gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Wirksamkeit dessen Zusammensetzung ergibt sich aus Art. 13 Abs. 3 Model Law ein Zeitfenster von 30 Tagen ab Erfolglosigkeit der Maßnahme aus Art. 13 Abs. 2 Model Law.43 1. Grundsystematik der Artt. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law Zunächst lässt sich aus der Konstruktion des Verfahrens i. S. d. Art. 13 Abs. 2 Model Law44 erkennen, dass allein eine Einlassung zur Sache ohne sofortige Rüge45 der Zusammensetzung des Schiedsgerichts keine präkludierende Wirkung haben kann. Wenn die Frist ernsthaft als Entscheidungszeitraum gewährt werden soll, muss es dem Wortlaut nach innerhalb dieser Frist von 15 Tagen, unerheblich sein, ob die Partei sich anderweitig im Verfahren zur Sache äußert, ohne dabei die Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu rügen.46 Das könnte unter dem Gesichtspunkt der Interessengerechtigkeit in Frage gestellt werden. Wenn eine Partei Kenntnis von Umständen erlangt, die eine Rüge begründen, dann könnte es interessengerecht sein, eine sofortige Geltendmachung der Ablehnung ab Kenntnis zu fordern. Eine solche Forderung ließe allerdings den Gedanken der Fristregelung gänzlich unberücksichtigt. Die Partei soll eine gewisse Zeit haben, sich mit einer möglichen Maßnahme auseinanderzusetzen. Das Ziel der Präklusion ist es, für die BeteiligDer ausweislich des Art. 13 Abs. 1 Model Law dann greift, wenn die Parteien keine spezifische Vereinbarung getroffen haben. 42 Die Frist beginnt ab Kenntnis von der Zusammensetzung des Schiedsgerichts bzw. der Umstände i. S. d. Art. 12 Abs. 2 Model Law, die Wirksamkeit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts in Frage zu stellen. 43 Innerhalb dieser Zeit hat sich die Partei an das gem. Art. 6 Model Law zuständige Gericht zu wenden. Eine explizite Rechtsfolge sieht der Wortlaut des Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law allerdings nicht vor. 44 Art. 13 Abs. 2 Model Law: „Failing such agreement, a party who intends to challenge an arbitrator shall, within fifteen days after becoming aware of the constitution of the arbitral tribunal or after becoming aware of any circumstance referred to in article 12Abs. 2, send a written statement of the reasons for the challenge to the arbitral tribunal. Unless the challenged arbitrator withdraws from his office or the other party agrees to the challenge, the arbitral tribunal shall decide on the challenge“. 45 Konkret: die Ablehnung des Schiedsrichters. 46 Ob die Frist von 15 Tagen angemessen ist, soll hier unbeachtet bleiben, dazu knapp Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, 196, Rn. 3-075. 41
B. Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law
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ten, insbesondere die gegnerische Partei, zu einem bestimmten Zeitpunkt Rechtssicherheit zu erreichen.47 Die Interessen der Beteiligten sind aber so lange nicht gefährdet, wie die Frist noch läuft. Innerhalb dieser Frist besteht kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass eine solche Ablehnung der Zusammensetzung nicht vorgebracht wird.48 Die Rechtssicherheit tritt dann mit Ablauf der Frist ein. 2. Präklusionswirkung bei nicht erklärter Ablehnung Die Auswirkung einer unterlassenen Ablehnung für das Schiedsverfahren ist aus den Artt. 12 und 13 Model Law zu ermitteln.49 Von Interesse ist insbesondere, ob die Präklusion sich auch über das Schiedsverfahren hinaus auf ein mögliches Aufhebungsverfahren erstrecken könnte, ob also automatisch auch ein späteres Vorbringen im Rahmen des Art. 34 Model Law präkludiert wird. Ein Element des Ablehnungsverfahrens ist, dass die Ablehnungsgründe nur innerhalb der in Art. 13 Abs. 2 Model Law näher bezeichneten Frist vorgebracht werden können.50 Konsequenterweise steht einer Partei das Verfahren i. S. d. Artt. 12, 13 Model Law nach Fristablauf nicht mehr zur Verfügung.51 Gründe wie Effizienz, Parteihoheit über das Verfahren und Rechtssicherheit sprechen dafür, die Präklusion auch auf das Verfahren im Rahmen des Art. 34 Model Law wirken zu lassen. Es entspricht nicht dem Regelungsinteresse des Model Laws, dass eine Partei ihre Rüge hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichts (trotz vorheriger Kenntnis) erstmals im Aufhebungsverfahren geltend macht, mit der identischen Rüge im Schiedsverfahren aber bereits präkludiert war.52 Dies widerspräche gerade einem effizienten Verfahren, mit dem Rechtssicherheit geschaffen werden soll.53 In einem Dazu Kapitel 2 – B. und Kapitel 2 – C. Daneben soll die Präklusion eine Verfahrensverzögerung durch taktische Ablehnung des Schiedsgerichts bzw. eines Schiedsrichters verhindern und das Verfahren so beschleunigen. Das Ablehnungsverfahren wird „mehr und mehr von Parteien genutzt, um eine schiedsrichterliche Streiterledigung zu verzögern“, Kröll, ZZP 2003, 195, 196. Auch können die Ablehnungen anderweitig missbräuchlich verwendet werden, Böckstiegel, in: van den Berg (Hrsg.), I Preventing Delay and Disruption of Arbitration, 1991, 131, 132. 49 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 408. 50 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 408. 51 So ebenfalls Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 408; auch Mankowski, SchiedsVZ 2004, 304, 312; Kröll, ZZP 2003, 195, 210–211; zur Präklusionswirkung bspw. OLG München, Beschl. vom 28.06.2013 – 34 SchH 5/13, SchiedsVZ 2013, 291, 293, zur deutschen ZPO. 52 Dazu siehe Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 409. 53 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 409. 47 48
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
solchen Parteiverhalten, mit dem eine Rüge der Besetzung des Schiedsgerichts erst später im Aufhebungsverfahren vorgetragen wird, kann zudem ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten liegen.54 Dieser Gedanke findet zunächst mit Blick auf Art. 4 Model Law Unterstützung. Argumentiert werden könnte, dass die Präklusionswirkung im Rahmen des Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law mit jener des Art. 4 Model Law identisch sein soll. Die Konstruktion des Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 Model Law unterstützt dieses Argument. Die Präklusionswirkung i. S. d. Art. 4 Model Law greift für solche Vorschriften, die zur Disposition der Parteien stehen. Aus Art. 13 Abs. 1 Model Law ergibt sich, dass die Parteien eine Vereinbarung über das Verfahren treffen können. Das Verfahren i. S. d. Art. 13 Model Law steht damit zur Disposition der Parteien. Allerdings sind für diese Einordnung einer umfänglichen Disposition der Ablehnung neben dem Verfahren auch die Rügegründe selbst zu berücksichtigen, die sich wiederum aus Art. 12 Abs. 1 Model Law ergeben. In diesem Zusammenhang weisen Holtzmann und Neuhaus auf den zwingenden Charakter des Art. 12 Abs. 2 Model Law als zentralen Gegeneinwand hin. 55 Dies spräche dann dafür, dass die Präklusion der Ablehnungsgründe zwar für das Schiedsverfahren wirken, aber nicht auf ein Aufhebungsverfahren übertragen werden könnte. Maßgeblich ist also die Qualifikation der Ablehnungsgründe entweder als dispositiver Regelungskatalog oder als Vorschriften mit zwingendem Charakter. 3. Kein zwingender Charakter der Ablehnungsgründe in Art. 12 Abs. 2 Model Law Zu untersuchen ist, ob die Gründe in Art. 12 Abs. 2 Model Law zwingenden Charakter haben. In Art. 12 Abs. 2 S. 1 Model Law werden der berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Schiedsrichter sowie das Fehlen der vereinbarten Qualifikation als Gründe der Ablehnung eines Schiedsrichters angeführt.56 Der Fokus liegt zunächst auf der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit gem. Art. 12 Abs. 2 S. 1 1. und 2. Var. Model Law. Das Verbot der Parteilichkeit und Abhängigkeit dient dazu, das Gebot der sog. überparteilichen Rechtspflege57 zu gewährleisten. Dies stellt sicher, dass sich keine Partei durch einen Verzicht (vor Verfahrensbeginn) dem Verfahrensgegner ausliefert.58 Dieser Gedanke spricht zunächst dafür, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsgerichts als zwingende Voraussetzung
Mit diesem Gedanken zu § 1036 Abs. 2 S. 2 ZPO auch Kröll, ZZP 2003, 195, 210. Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 409. 56 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1037, Rn. 5; näher dazu bspw. Kröll, ZZP 2003, 195, 204–210. 57 Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1036, Rn. 10–11. 54 55
B. Präklusionsinstitute im UNCITRAL Model Law
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zu qualifizieren. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts gewährleisten für die Parteien meist eine gerechte Entscheidung. Im Folgenden soll untersucht werden, ob und wenn ja welche Aspekte gegen einen zwingenden Charakter der Ablehnungsgründe in Art. 12 Abs. 2 Model Law angeführt werden können, weil die Einordnung der Ablehnungsgründe als zwingend einer Präklusionswirkung entgegenstehen könnte. a) IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration Die Bedeutung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter wird dadurch unterstrichen, dass mit den IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration59 der Gefahr einer Parteilichkeit oder eines Interessenkonflikts ein eigenes (optionales) Regelwerk gewidmet wurde.60 Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Schiedsrichter wird in dessen erster Vorschrift als Grundprinzip manifestiert.61 Zwar finden die IBA Guidelines nicht automatisch oder zwingend Anwendung im Schiedsverfahren, denn es obliegt den Parteien, sich auf die Anwendbarkeit zu einigen. Allerdings repräsentieren die Regelungen der IBA Guidelines einen breiten Konsens in der internationalen Schiedsgerichtspraxis.62 Daher werden die IBA Guidelines immer wieder auch dann von Schiedsgerichten und Gerichten herangezogen, wenn die Parteien die Anwendbarkeit nicht unmittelbar vereinbart haben.63 Dieser breite Konsens über die Verhinderung von Interessenkonflikten könnte dafür sprechen, Art. 12 Model Law und die dort verankerten Ablehnungsgründe als zwingend zu qualifizieren. Dabei ist aber ebenso zu beachten, dass die IBA Guidelines nicht darauf abzielen, einer Partei jegliche Entscheidungsfreiheit über die Besetzung des Schiedsgerichts zu entziehen, sondern gewisse Standards für Interessenkonflikte definieren sollen. Mit den IBA Guidelines wird nicht jegliche Art eines Interessenkonflikts unterbunden, wie beispielsweise die Interessenkonfliktgründe der Green List, Orange List und waivable Red List belegen.64 Die IBA Guidelines sprechen folglich nicht dafür, eine Parteilichkeit eines Schiedsrichters absolut zu unterbinden. 58 Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1036, Rn. 11. Jedenfalls vorab kann ein Verzicht der (späteren) Rüge nicht wirksam erklärt werden, auch Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2007, Nacimiento/Abt zu § 1036 ZPO, 223, Rn. 53. 59 Abrufbar: , im Folgenden: IBA Guidelines. 60 Siehe dazu z. B. Voser, SchiedsVZ 2003, 59. 61 Siehe Regelung Abs. 1 General Principle, IBA Guidelines. 62 Voser, SchiedsVZ 2005, 113, 116; vgl. ebenfalls Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Nacimiento/Abt/Stein zu § 1036, 183, Rn. 17. 63 Bspw. BG 20.03.2008, 4A 506/2007, 11; ICC Schiedsspruch 13225, Auszug in Decisions on ICC arbitration procedure, 2011, 97. 64 Dazu sogleich unter Kapitel 3 – B.II.3.c).
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
b) Ablehnungsverzicht im laufenden Verfahren Die Regelung des Art. 13 Abs. 2 i. V. m. 12 Abs. 2 Model Law kommt dann zur Anwendung, wenn das Schiedsgericht bereits ernannt wurde und die Zusammensetzung den Parteien mitgeteilt wurde. Dies ergibt sich auch aus der systematischen Trennung des Art. 12 Model Law in Abs. 1 und Abs. 2. Ob eine Partei dann in Kenntnis eines konkreten Ablehnungsgrundes65 auf eine Ablehnung verzichten könnte, muss daher aus einem anderen Blickwinkel beurteilt werden als die Frage, ob ein Verzicht vor Verfahrensbeginn möglich wäre. Soweit eine Partei von den Umständen Kenntnis66 hat, die eine Ablehnung eines Schiedsrichters begründen könnten, ist ihr grundsätzlich zuzugestehen, auf eine Ablehnung zu verzichten.67 Der Schutzgedanke des Ablehnungssystems in Artt. 12, 13 Model Law, ein Ausgeliefertsein dem Verfahrensgegner gegenüber zu verhindern, greift hier nicht und steht dem Verzicht der Ablehnung nicht entgegen. Eine Pflicht, das Ablehnungsverfahren durchzuführen, gibt es nicht. Eine Partei könnte sich bewusst dafür entscheiden, die Frist des Art. 13 Abs. 2 Model Law ungenutzt verstreichen zu lassen. In diesem Fall muss die Partei zwar die Konsequenzen der unterlassenen Ablehnung tragen, dieser Umstand hindert jedoch nicht die Freiheit der Partei, eine Ablehnung des Schiedsrichters bzw. Schiedsgerichts geltend zu machen oder nicht. Dies spricht gegen einen zwingenden Charakter der Ablehnungsgründe in Art. 12 Abs. 2 S. 1 Model Law. Ein weiterer Aspekt spricht gegen einen zwingenden Charakter: Neben der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit eines Schiedsrichters findet sich als dritte Variante der Ablehnungsgründe, dass der Schiedsrichter nicht die Voraussetzungen erfüllt, die von den Parteien vereinbart wurden. 68 Explizit bringt das Model Law damit zum Ausdruck, dass sich die Ablehnungsgründe aus einem Verstoß gegen eine Parteivereinbarung ergeben können. Wenn allerdings die Parteien hier die Voraussetzungen (z. B. zur beruflichen Qualifikation) benennen können, muss auch eine spätere Anpassung des Vereinbarungsinhalts durch einen Verzicht möglich sein. So kann eine Partei beispielsweise in Kenntnis der tatsächlichen und von der ursprünglichen Vereinbarung abweichenden beruflichen Qualifikation des Schiedsrichters, diese Bspw. eine zurückliegende Mandatsbeziehung zwischen einem Schiedsrichter und einer Partei. 66 Im Sinne einer positiven Kenntnis. 67 Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1036, Rn. 11, der dies aber nur in Randbereichen wie z. B. der ehemaligen Sozietätszugehörigkeit zulassen will, mit Verweis auf Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 217, (226); Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1036, Rn. 43. Allgemein zur Selbstbestimmung im Zivilprozess Münchener Kommentar ZPO, Rauscher zur Einleitung, Rn. 290. 68 Art. 12 Abs. 2 S. 1, 3. Var. Model Law in der Übersetzung so auch in § 1036 Abs. 2 S. 1, 3. Var. ZPO. 65
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neuen Umstände einfach hinnehmen. Dann kann jedoch dieser Ablehnungsgrund nicht zwingend sein.69 Der Gesetzeswortlaut des Art. 12 Abs. 2 S. 1 Model Law differenziert nicht zwischen einzelnen Ablehnungsgründen und drückt damit deren Gleichwertigkeit aus. Der Dreiklang an Ablehnungsgründen in Art. 12 Abs. 2 S. 1 Model Law, verbunden mit dem zentralen Verweis des Art. 13 Abs. 2 Model Law, spricht damit gegen einen zwingenden Charakter der Ablehnungsgründe. c) Kein zwingender Kernbereich Möglicherweise muss die Verzichtsmöglichkeit aber beschränkt und bestimmte Parteilichkeits- und Abhängigkeitsgründe von einem Verzicht ausgenommen werden, damit ein zwingender Kernbereich gewahrt wird, der überragende staatliche Interessen schützen soll. Hier wirkt sich gegebenenfalls doch wieder der Schutzgedanke des Systems aus Artt. 12, 13 Model Law aus, welches neben der Parteihoheit ebenso die Rechtsstaatlichkeit gewährleisten soll, dass keine Partei Richter in eigener Sache ist. 70 Auch in der Literatur wird eine solche Differenzierung eines Kernbereichs teilweise befürwortet.71 Hilfreich ist wieder ein Blick in die IBA Guidelines. Diese geben den Unterscheidungsmaßstab zwischen Ablehnungsgründen in Paragraph 2 (d) (conflicts of interests) vor. Hiernach liegt „notwendigerweise ein berechtigter Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters vor, wenn der Schiedsrichter zugleich Verfahrenspartei ist, wenn der Schiedsrichter zugleich Parteivertreter einer der beteiligten Parteien ist oder wenn der Schiedsrichter signifikante finanzielle oder persönliche Interessen an dem Verfahrensgegenstand hat“.72
Das System der IBA Guidelines differenziert zwischen Ablehnungsgründen, die weniger gravierend sind (Orange List), solchen, die gravierend sind und auf die eine Partei nicht verzichten kann (Non-Waivable Red List) und einer Zwischenstufe mit Gründen, die zwar erheblich sind, auf die aber dennoch verzichSo wohl zustimmend Kröll, ZZP 2003, 195, 197 zur Verzichtbarkeit der Regelungen aus deutscher Perspektive. 70 Siehe Rn. 2 IBA Guidelines; dies wäre ein klassisches Beispiel von Abhängigkeit. Die Unabhängigkeit ist mitunter auch verfassungsrechtlich verankert, so bspw. in Art. 97 Abs. 1 GG (und reicht historisch für die staatliche Gerichtsbarkeit bis in das 16. Jahrhundert zurück und ist teilweise sogar in der Magna Charta verankert, Maunz/Dürig GGKommentar, Hillgruber zu Art. 97 GG, Rn. 6–10). 71 Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1036, Rn. 11 möchte dies nur in Randbereichen wie z. B. der ehemaligen Sozietätszugehörigkeit zulassen, mit Verweis auf Hanefeld/ Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 217, (226), siehe Fn. 67; mehr Freiheit eröffnen Nacimiento/Abt/Stein in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Nacimiento/Abt/Stein zu § 1036 ZPO, 181, Rn. 4–5. 72 Paragraph 2 (d) IBA Guidelines. 69
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
tet werden kann (Waivable Red List).73 Ergänzend wird die letzte Kategorie (Waivable Red List) an die Voraussetzung geknüpft, dass (1.) alle Verfahrensbeteiligten, inklusive der Schiedsinstitution, Kenntnis von dem Grund haben und (2.) alle Parteien in Kenntnis des Grundes der Benennung des Schiedsrichters zustimmen. 74 Dieses System gewährleistet eine gewisse Flexibilität der Parteien, wahrt aber in einem Kernbereich die Grundprinzipien des rechtsstaatlichen Prozesses. Dies ist dann wiederum vergleichbar mit der Präklusionsregelung in Art. 4 Model Law, der ebenfalls ein rügeloses Weiterverhandeln in Kenntnis der rügeberechtigenden Umstände behandelt. Es liegt nahe, dass Binder deshalb darauf hinweist, dass die Situation des Art. 12 Abs. 2 Model Law bereits von der Regelung des Art. 4 Model Law erfasst werde und daher überflüssig sei.75 Über den Vergleich zu Art. 4 Model Law wäre ein Verzicht auf bestimmte Gründe der Schiedsrichterablehnung möglich. Ob daneben aber gegebenenfalls ein Kernbereich zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit besteht, welcher der Parteidisposition entzogen wird, bleibt zu klären. Der Rechtsgedanke des Art. 12 Abs. 2 S. 2 Model Law spricht gegen das Bestehen eines solchen Kernbereichs. Nach Art. 12 Abs. 2 S. 2 Model Law ist eine Ablehnung des eigenen, parteibenannten Schiedsrichters nur dann möglich, wenn neue Gründe auftreten, die zur Zeit der Benennung nicht bekannt waren.76 Dahinter steht der Gedanke, dass eine Partei die Interessenkonflikte und die Parteilichkeit des selbstbenannten Schiedsrichters vorab kennen und einschätzen kann und deshalb an ihre Benennung gebunden wird. Wenn es aber möglich ist, bereits einen eventuell parteiischen Schiedsrichter zu benennen, dann muss es den Parteien konsequenterweise ebenso freistehen, später im Verfahren unabhängig von den Ablehnungsgründen auf dessen Ablehnung zu verzichten. Eine solche Beurteilung bewegt sich vollständig im Rahmen des dargestellten Schutzinteresses der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, denn keine Partei liefert sich vor Verfahrensbeginn dem Verfahrensgegner aus.77 Schließlich lässt sich dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 Model Law nicht entnehmen, dass diese Regelung – wenigstens im Daneben gibt es noch die Green List. Rn. 4 (c) (i), (ii) IBA Guidelines. 75 Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, Art. 12, 190, Rn. 3-061. 76 Zur Veranschaulichung soll ein Beispiel dienen: Partei A benennt in einem Schiedsverfahren gegen Partei B den Schiedsrichter X. Der X war bis vor wenigen Monaten noch bei einer Kanzlei beschäftigt und beriet Partei B bei einigen (anderen) Mandaten. Obgleich aus objektiver Sicht berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit bestehen und ein Interessenkonflikt drohen könnte, mögen gute Gründe wie bspw. die Expertise und Erfahrung auf dem Sachgebiet für eine Benennung des Schiedsrichters X sprechen, gem. Rn. 3.1.1, 1. Var. Orange List, IBA Guidelines i. V. m. Teil II, Rn. 3, 18 IBA Guidelines. Das Model Law würde Partei A hier zugestehen, den Schiedsrichter X zu benennen. Die Ablehnung aufgrund der Verbindung zu Partei B ist für Partei A dann hingegen – bei Kenntnis der Gründe – versperrt. 73 74
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Kernbereich – zwingend ist.78 Abzulehnen ist damit ein enges Verständnis des Wortlauts, der eine solche Verzichtbarkeit nicht andeutet. Die Ablehnungsgründe des Art. 12 Abs. 2 Model Law sind somit nicht als zwingend zu qualifizieren. d) Verfahrensrechtlicher ordre public filtert gravierende Verfahrensverstöße über Ergebniskontrolle Ein Grund zur Befürchtung, dass durch das eben dargestellte Verständnis der Verzichtbarkeit auf die Ablehnungsgründe des Art. 12 Abs. 2 Model Law eine Lücke für den Schutz der betroffenen Parteien entstünde, besteht nicht. Gravierende Verfahrensverstöße werden über die allgemeine Kontrolle des verfahrensrechtlichen ordre public79 gefiltert.80 Im Rahmen des Aufhebungsverfahrens wird mit Hilfe des Art. 34 Abs. 2 lit. b (ii) Model Law entschieden, ob der Schiedsspruch, also das Ergebnis des Schiedsverfahrens, gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstößt. Folglich bleiben gravierende Verfahrensverstöße hinsichtlich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts unverzichtbar, soweit sie im Ergebnis zur ordre public-Widrigkeit des Schiedsspruchs führen würden. Diese Ergebniskontrolle bringt praktische Vorteile mit sich. Die Frage, ob auf die Rüge der Abhängigkeit eines Schiedsrichters verzichtet werden konnte, entscheidet sich danach, wie sich die Abhängigkeit auf das Verfahrensergebnis ausgewirkt hat. Somit kann festgehalten werden, dass unter bestimmten Umständen Verfahrensverstöße dazu führen können, dass der Schiedsspruch gegen den ordre public verstößt;81 das steht allerdings nicht der Verzichtbarkeit der Ablehnungsgründe insgesamt entgegen. 77 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit Art. 4 (a) der IBA Guidelines. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass eine Partei innerhalb einer bestimmten Frist die Benennung des Schiedsrichters rügen muss. Trägt eine Partei Ablehnungsgründe nicht fristgemäß vor, wird sie so behandelt, als hätte sie auf die Ablehnung verzichtet. 78 Selbst diejenigen, die einen unverzichtbaren Kern annehmen, stimmen grundsätzlich wohl zu, dass der Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 Model Law soweit keine Einschränkung vorsieht. 79 Zum verfahrensrechtlichen ordre public-Verstoß bspw. OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 16.01.2014 – 26 Sch 2/13, SchiedsVZ 2014, 206, 207; Schütze/Wieczorek ZPOKommentar, Schütze zu § 1061, Rn. 66–78; Stein/Jonas ZPO-Kommentar (2014), Schlosser Anhang zu § 1061, Rn. 320; Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1061, Rn. 40–42; Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Haas zu Art. V UNÜ, 522–523, Rn. 109; Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, Rn. 1652–1660. 80 Zur Aufhebung wegen eines ordre public-Verstoßes in diesem Zusammenhang aus deutscher Perspektive siehe Kröll, ZZP 2003, 195, 214. 81 Bspw. wenn Schiedsrichter bestochen wurden und so eine Abhängigkeit erzeugt wurde, Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 34, 913.
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
4. Auswirkung der Präklusion auf das Aufhebungsverfahren Nun ist die Frage zu klären, ob sich eine Präklusion der Ablehnungsgründe während des Schiedsverfahrens auf das Aufhebungsverfahren im Rahmen des Art. 34 Model Law auswirken kann. Einer Auswirkung auf das Aufhebungsverfahren könnte entgegenstehen, dass die Ablehnungsgründe des Art. 12 Abs. 2 Model Law vielleicht zwar im Rahmen des Schiedsverfahrens, nicht aber insgesamt zur Disposition der Parteien stehen könnten. Unterstützt wird diese Überlegung durch die Betrachtung der potentiellen Entscheidung eines staatlichen Gerichts im Aufhebungsverfahren. Dort trägt eine Partei dem zuständigen Gericht erstmals die Gründe zur Aufhebung des Schiedsspruchs vor und ist – wird eine Auswirkung der Präklusion angenommen –mit diesen Einreden präkludiert.82 Das staatliche Gericht müsste nun, trotz des Wissens über die Parteilichkeit oder Abhängigkeit eines Schiedsrichters83, den streitgegenständlichen Schiedsspruch aufrechterhalten bzw. später mitunter für vollstreckbar erklären, weil die Partei mit ihren Einreden präkludiert ist. Dies könnte die Einhaltung gewisser Verfahrensgrundsätze gefährden, die gerade Art. 12 Model Law gewährleisten soll.84 Nun ist aber wiederum zu berücksichtigen, dass das System des Model Laws gerade den Grundsatz umfasst, wonach ein Gericht im Aufhebungsverfahren alle denkbaren Aufhebungsgründe von Amts wegen berücksichtigen oder gar ein Aufhebungsverfahren von Amts wegen einleiten würde. Dies spricht für eine Auswirkung der Präklusion im Aufhebungsverfahren. Daneben muss beachtet werden, dass Art. 34 Abs. 3 Model Law eine eigene Präklusionsvorschrift enthält und nicht etwa auf die Präklusionswirkung des Art. 13 Model Law zurückgreift. Dazu könnte argumentiert werden, dass das Präklusionssystem des Art. 34 Model Law isoliert bestehe, eine Präklusion nur unter den Voraussetzungen des Art. 34 Abs. 3 Model Law zur Anwendung komme und eine Auswirkung einer Präklusionswirkung aus dem Schiedsverfahren nicht gegeben ist. Dieses Argument ist jedoch mindestens insofern zu kritisieren, als dass dort ebenso wenig die Präklusionswirkung des Art. 4 Model Law einbezogen wird, welche sich aber unstrittig auf das Aufhebungsverfahren auswirkt.85 Allein der Umstand, dass Art. 34 Abs. 3 Model Law eine eigene Präklusionsvorschrift enthält, gibt keinen Aufschluss über eine Auswirkung der Präklusion anderer Normen.86 82 Ausgehend davon, dass die Partei die Ablehnung i. S. d. Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law nicht vorgetragen hat. 83 Oder der fehlenden Übereinstimmung mit der Parteivereinbarung, gem. Art. 12 Abs. 2 S. 1, 3. Var. Model Law. 84 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 409, der diesen Gedanken aufgreift, sich sachlich aber für eine Präklusion ausspricht, vgl. ebd. 409. 85 Siehe Fn. 38.
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Vor dem Hintergrund dieser Feststellung soll die Frage aufgegriffen werden, ob die Ablehnungsgründe im Aufhebungsverfahren zwingend sind. Die Systematik und der Schutzgedanke des Art. 12 Model Law bringen zum Ausdruck, dass eine Partei nicht vorab auf die Ablehnungsmechanismen verzichten kann, sie aber in Kenntnis der Gründe eine Dispositionsbefugnis darüber hat, ob sie die Gründe geltend macht oder darauf verzichtet.87 Dies spricht für eine Auswirkung der Präklusion im Aufhebungsverfahren. Für eine solche Auswirkung kann dann weiter der Gedanke der Rechtssicherheit angeführt werden. Die Parteien erwarten mit Abschluss einer Verfahrensetappe Rechtssicherheit der getroffenen Entscheidung. Diesem Gedanken würde es zuwiderlaufen, wenn ein Gericht eine Rüge zulassen würde, die auf Gründen beruht, welche bereits im Verfahren bekannt waren und hätten geltend gemacht werden können bzw. müssen.88 Zudem droht die Gefahr, dass ein Gericht bei einem erneuten Zulassen der Rüge der Schiedsrichterbenennung basierend auf Gründen, die im Schiedsverfahren bereits bekannt waren, die Systematik des Ablehnungsverfahrens unterlaufen würde.89 Dies gilt es zu vermeiden. Ebenso kann das Argument, ein staatliches Gericht würde im Wissen der tatsächlichen Parteilichkeit und Abhängigkeit den Schiedsspruch dennoch aufrecht halten müssen, nicht überzeugen. Das Aufhebungsverfahren dient nicht dazu, den Schiedsspruch erneut vollständig zu prüfen.90 Die Beschränkung auf einen engen Prüfungsrahmen soll gewährleisten, dass die Endgültigkeit des Schiedsspruchs fortbesteht und nur noch bei gravierenden Verstößen durchbrochen werden kann; dies spricht dafür, eine Auswirkung der Präklusion im Aufhebungsverfahren anzunehmen. Neben den systematischen und teleologischen Argumenten drängt sich hier abermals der Prozessgrundsatz von Treu und Glauben auf. Es wäre treuwidSo sprach sich Strohbach dafür aus, die Rüge der fehlerhaften Zusammensetzung des Schiedsgerichts nicht im Schiedsverfahren sondern allein im Aufhebungsverfahren zuzulassen, Strohbach, in: Sanders (Hrsg.), UNCITRAL’s Project for a Model Law on International Commercial Arbitration, 1984, 103, 111. Strohbach verknüpfte mit diesem Argument nicht die Präklusion, sondern vielmehr die Effizienz des Verfahrens und eventuell auch die Wahrung der Ehre des Schiedsgerichts, Strohbach, in: Sanders (Hrsg.), UNCITRAL’s Project for a Model Law on International Commercial Arbitration, 1984, 103, 111. Seine Gedanken können aber nicht als Stimme gegen eine Präklusion im Aufhebungsverfahren gewertet werden, denn Strohbach argumentierte für Effizienz und eine einmalige Entscheidung. 87 Für das Schiedsverfahren ist Art. 12 Abs. 2 Model Law, wie dargestellt, nicht zwingend, Kapitel 3 – B.II.3. 88 Dem Ergebnis zustimmend UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 159, Rn. 125. 89 Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Nacimiento/ Abt/Stein zu § 1037 ZPO, 199, Rn. 21. 90 Das gilt sowohl hinsichtlich des Verbots einer révision au fond als auch hinsichtlich einer erneuten Prüfung bestimmter geltend gemachter Verfahrensfehler. 86
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
rig, wenn eine Partei in Kenntnis eines Ablehnungsgrundes den Verlauf des Schiedsverfahrens abwartet und sich bei einem ungünstigen Ausgang nun im Rahmen des Aufhebungsverfahrens auf diesen Grund beruft. Ein treuwidriges Verhalten muss dann auch eine Präklusion begründen können.91 Möglicherweise muss aber die Übertragung einer Präklusionswirkung auf das Aufhebungsverfahren beschränkt und differenziert beurteilt werden. Zuvor wurde bereits auf ein Differenzierungsmodell hingewiesen und ein möglicherweise zwingender Kernbereich angedeutet.92 Zur Differenzierung der Auswirkung einer Präklusion in Art. 34 Model Law schlägt Münch ein Beschränkungsmodell vor.93 Nach diesem Modell sollen gravierende Mängel später dennoch geltend gemacht werden können, wenn beispielsweise gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache verstoßen wurde.94 Die Notwendigkeit eines derartigen Beschränkungsmodells drängt sich allerdings nicht auf. Die Differenzierung, die Münch vorschlägt, verkompliziert die Beurteilung mehr, als dass sie Rechtssicherheit fördert, weil so eine Zersplitterung erzeugt werden würde. Ebenso wenig gibt das Gesetz vor, nach bestimmten Verstößen zu differenzieren. Vielmehr werden ohne eine Differenzierung klare und vorhersehbare Ergebnisse erreicht. Dabei ist allerdings die Voraussetzung zu unterstreichen, dass die Partei positive Kenntnis von dem Umstand gehabt haben muss, auf dessen Geltendmachung sie verzichtet bzw. mit der sie präkludiert wurde. Eine solch klare nicht begrenzende Lösung der Präklusionswirkung ist nicht dadurch gefährdet, dass die Geltendmachung gravierender Verstöße von einer Präklusion bedroht wäre. Gravierende Verstöße, die als ordre public-widrig zu qualifizieren sind, werden von Amts wegen berücksichtigt und können nicht präkludiert sein.95 Dies umfasst den Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache.96 Ein solcher schwerer Verfahrensverstoß steht dann einer Aufrechterhaltung des Schiedsspruchs entgegen. Eine zusätzliche Unterscheidung der Ablehnungsgründe in Art. 12 Model 91 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 13, 410. 92 Dazu Kapitel 3 – B.II.3.c). 93 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1037, Rn. 39. 94 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1037, Rn. 39, m. w. N. dort in Fn. 108. Die Untergliederung erfolgt nach dem Modell von Münch, zum einen zeitpunktdifferenziert mit vier Untergruppen und zum anderen qualitäts-differenziert. Kritisch dazu Kornblum, ZRP 1995, 331, 332, 333; für eine umfassende Präklusion und gegen eine Begrenzung Baumbach ZPO Kommentar, zu § 1037, Rn. 7. Zustimmend aber Böckstiegel/ Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2007, Nacimiento/Abt zu § 1036 ZPO, 222, Rn. 51. 95 Diesen Gedanken befürwortet Münch aber wohl auch, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1037, Rn. 40. 96 Ahrendt, Der Zuständigkeitsstreit im Schiedsverfahren, 1996, 99; vgl. BGH, Urt. vom 03.07.1975 – III ZR 78/73, NJW 1976, 109, 111; BGH, Urt. vom 19.12.1968 – VII ZR 83, 84/66, NJW 1969, 750, dort m. w. N.
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Law ist dafür nicht notwendig. Deshalb ist ebenso eine Kategorisierung innerhalb der Gründe nach Qualität des Verstoßes ist nicht geboten. Es lässt sich ebenfalls nicht entgegen halten, dass dadurch einige ordre public-Verstöße möglicherweise nicht verhindert werden können, weil die Ablehnungsgründe im Aufhebungsverfahren präkludiert sind. Ein Defizit, nicht jegliche ordre public-Widrigkeit unterbinden zu können, kann nämlich ein Differenzierungsmodell, z. B. von Münch, ebenso wenig ausgleichen. Damit überhaupt ein Verfahrensverstoß geprüft werden kann, muss eine der Parteien ein Aufhebungsverfahren einleiten. Das gilt für die weniger gewichtigen und die gravierenden Verfahrensverstöße gleichermaßen.97 Daneben ermöglicht diese klare Auswirkung der Präklusion ohne Differenzierung nur dann über den verfahrensrechtlichen ordre public-Verstoß einzugreifen, wenn der Schiedsspruch, also das Ergebnis des Verfahrens, mit dem ordre public unvereinbar ist.98 Die Parteiautonomie kann ohne eine Differenzierung und ohne Schaffung irgendeines Kernbereichs besser gewährleistet werden. Korrigierende Eingriffe sollen nur erfolgen, wenn die Grenze der Verletzung der öffentlichen Ordnung überschritten ist. Eine Differenzierung der Präklusionswirkung ist daher abzulehnen. Damit kann eine Partei für das Aufhebungsverfahren mit der Ablehnung eines Schiedsrichters bzw. Besetzung des Schiedsgerichts präkludiert sein, wenn sie in Kenntnis der Ablehnungsgründe auf deren Geltendmachung im Schiedsverfahren verzichtete. 5. Zusammenfassung – Übertragung einer Präklusion auf das Aufhebungsverfahren Aus Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law lässt sich eine Präklusion sowohl für das Schiedsverfahren als auch für ein Aufhebungsverfahren begründen. Eine Korrektur der Präklusionswirkung für schwerwiegende Verstöße gegen die Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und die vereinbarten Voraussetzungen eines Schiedsrichters sind in diesem Rahmen nicht vorgesehen. Ein ordre public-widriges Ergebnis in einem Schiedsspruch kann über die Regelung in Art. 34 Abs. 2 lit. b (ii) Model Law verhindert werden. III. Rügepräklusion der fehlenden Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Art. 16 Abs. 2 S. 1 Model Law Eine weitere Präklusionswirkung enthält Art. 16 Abs. 2 S. 1 Model Law. Hiernach ist eine Partei mit ihrer Rüge der fehlenden Zuständigkeit des 97 Zur deutschen Umsetzung in § 1059 ZPO siehe beispielsweise Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 53, dort m. w. N. in Fn. 242. 98 Vgl. BGH, Urt. vom 15.05.1986 – III ZR 192/84, NJW 1986, 3027, 3028; dazu kritisch Kornblum, NJW 1987, 1105.
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
Schiedsgerichts präkludiert, wenn diese Rüge nicht spätestens mit der Klageerwiderung vorgebracht wird. Zwar gibt die Vorschrift diese Rechtswirkung nicht explizit vor und zudem ist Art. 4 Model Law nicht anzuwenden, da Art. 16 Abs. 2 Model Law keine dispositive Vorschrift ist. Allerdings lässt sich die Wirkung der Präklusion aus dem Regelungsziel des Art. 16 Abs. 2 Model Law entnehmen. Art. 16 Abs. 2 Model Law soll eine taktische Verzögerung des Verfahrens verhindern und früh Gewissheit über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gewährleisten.99 Unterstützt wird diese Beurteilung der präkludierenden Wirkung durch den Kommentar zum Entwurf des Model Laws100 sowie verschiedene Gerichtsentscheidungen101. Rechtstechnisch führt der entsprechende Verzicht zu einer Heilung der fehlenden Zuständigkeit. Die Wirkung der Präklusion greift danach für den weiteren Verlauf des Schiedsverfahrens und ebenso für ein späteres Aufhebungsverfahren im Rahmen des Art. 34 Model Law. IV. Rügepräklusion in Art. 16 Abs. 3 S. 2 Model Law Eine weitere Präklusionsvorschrift enthält das Model Law in Art. 16 Abs. 3 S. 2 Model Law. Dieser besagt, dass nachdem ein Schiedsgericht eine (Zwischen-)Entscheidung über seine eigene Zuständigkeit getroffen hat, eine Partei gegen diese Entscheidung nur innerhalb von 30 Tagen102 bei einem staatlichen Gericht103 vorgehen kann. Dahinter liegt das Regelungsinteresse, Zeit- und Geldverschwendung zu verhindern.104 Im Model Law selbst findet sich keine explizite Regelung zur Frage, ob das Verstreichenlassen der Frist einen Rügeverzicht darstellt. Hierzu werden unterschiedliche Meinungen vertreten. Die deutsche Rechtsprechung qualifiziert das Parteiverhalten, auf den Antrag gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO zu verzichten, als impliziten Rügeverzicht.105 99 Vgl. UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 78, Rn. 12, 1. 100 UN Doc. A/CN.9/264, Art. 16, 39, Rn. 8. 101 UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 79, Rn. 13 m. w. N. dort in Fn. 403, z. B.: OLG Celle, Beschl. vom 04.09.2003 – 8 Sch 11/02, SchiedsVZ 2004, 165, 168; vgl. LG München I, Urt. vom 26.02.2014 – 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100, insbes. 109, dort im Rahmen eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren entschieden, zur Entscheidung siehe Schulze, SpuRt 2014, 139, 141; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, insbes. 220–221. 102 Nach Zustellung der Entscheidung. 103 I.S.d. Art. 6 Model Law. 104 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration 1985 with amendments as adopted in 2006, Explanatory Note by the UNCITRAL Secretariat, 30, Rn. 26. 105 BGH, Beschl. vom 27.03.2003 – III ZB 83/02, SchiedsVZ 2003, 133, 134; OLG Oldenburg, Beschl. vom 15.11.2002 – 9 SchH 09/02, DIS-Datenbank.
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Ausweislich der Gesetzesbegründung soll dies gewährleisten, dass Zuständigkeitsfragen in einem frühzeitigen Verfahrensabschnitt geklärt werden.106 Wurde ein Antrag gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht gestellt, dann kann die Entscheidung des Schiedsgerichts weder im Aufhebungs- noch im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren überprüft werden.107 Noch bis 2004 sprachen sich Thomas und Reichold gegen diese Wirkung aus. Sie bewerteten den Einwand aus § 1040 ZPO lediglich für das schiedsgerichtliche, nicht aber für spätere staatliche Gerichtsverfahren als präkludiert.108 Später hat allerdings auch Reichold sich der vorherrschenden Meinung angeschlossen.109 Insbesondere dem Regelungsinteresse des Art. 16 Model Law folgend und mit Blick auf die Gefahr, dass eine Partei das Schiedsverfahren bzw. den Schiedsspruch durch die späte taktische Zuständigkeitsrüge angreift, ist die Präklusionswirkung gerade für das staatliche Gerichtsverfahren vorzugswürdig. Diese Meinung findet daher auch in der übrigen deutschen Literatur breite Unterstützung.110 Dagegen lassen sich andere Beurteilungen beispielsweise in der Rechtsprechung in Ungarn und Singapur anführen. Nach Ansicht des ungarischen Obersten Gerichtshofs sei gerade die fehlende explizite Präklusionsvorschrift ein Grund gegen eine Präklusionswirkung.111 Zudem eröffne Art. 16 Model Law den Parteien keine Möglichkeit, diese Vorschrift zu derogieren. Dieser Umstand stünde dann einem Rügeverzicht entgegen.112 Ähnlich urteilte der High Court in Singapur. Demnach sei der Antrag des Art. 16 Abs. 3 Model Law optional und dessen Nichtausübung solle gerade keine präkludierende Wirkung haben.113 Allerdings wurde das Urteil des High Court vom Berufungsgericht aufgehoben.114
Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf SchiedsVfG, BT-Drs. 13/ 5274, 44. 107 BGH, Beschl. vom 27.03.2003 – III ZB 83/02, SchiedsVZ 2003, 133, 134; OLG Köln, Beschl. vom 21.11.2008 – 19 Sch 12/08, GesR 2009, 157, 159. 108 Thomas/Putzo ZPO-Kommentar (25. Aufl.), Thomas/Reichold zu § 1040, Rn. 5. 109 Ab der 26. Auflage, Thomas/Putzo ZPO-Kommentar (26. Aufl.), Reichold zu § 1040, Rn. 5. 110 Nur beispielsweise Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1040, Rn. 13; Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1040, Rn. 42 (m. w. N.), 50; Hausmann, in: Hohloch/ Frank/Schlechtriem (Hrsg.), Festschrift für Hans Stoll, op. 2001, 593, 597; Borges, ZZP 1998, 487, 490. 111 Supreme Court of Hungary, BH 2007, 193, zitiert nach UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 143, dort Fn. 684. 112 UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 144, Rn. 45. 113 Singapore High Court 30.11.2000, [2001] 1 SLR 624. 114 Singapore Court of Appeal 22.06.2001, [2001] 3 SLR 237. 106
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
Andere Gerichte urteilen in dieser Frage auf einer Linie mit dem BGH.115 Überzeugend ist es mit Blick auf die Verfahrenseffizienz insgesamt, im Rahmen des Art. 16 Abs. 3 Model Law bzw. seiner jeweiligen nationalgesetzlichen Umsetzung, eine Präklusion durch Rügeverzicht anzunehmen. V. Spezielle Aufhebungsversagungspräklusion in Art. 34 Abs. 2 lit. a (i) i. V. m. Art. 16 Abs. 2 Model Law Daneben findet sich eine weitere Präklusionsregelung in Art. 34 Abs. 2 lit. a (i) i. V. m. Art. 16 Abs. 2 Model Law, wonach sich aus der fehlenden Schiedsvereinbarung ein Aufhebungsgrund ergibt. Hierbei ist anerkannt, dass sich eine Partei dann nicht mehr auf Art. 34 Abs. 2 lit. a (i) Model Law berufen kann, wenn diese die fehlende Schiedsvereinbarung nicht bereits zuvor im Schiedsverfahren gerügt hat. Ein Unterlassen dieser Rüge wird als Verzicht auf den Aufhebungsgrund des Art. 34 Abs. 2 lit. a (i) Model Law gesehen.116 Das Regelungsinteresse entspricht dem Art. 4 Model Law, wird hier allerdings als speziellere Regelung im Rahmen des Art. 34 Abs. 2 Model Law verarbeitet. VI. Präklusionswirkung in Art. 34 Abs. 3 Model Law Mit Erlass des Schiedsspruchs gilt Art. 34 Abs. 3 Model Law, der an das Parteiverhalten nach Abschluss des Verfahrens und die Zustellung des Schiedsspruchs anknüpft. Aus Art. 34 Abs. 3 Model Law ergibt sich, dass ein Aufhebungsverfahren nur innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Zustellung des Schiedsspruchs durchgeführt werden kann.117 Diese Frist steht ihrer 115 So bspw. in Imprimerie Régionale ARL Ltée v. Ghanotakis, Superior Court of Quebec, Canada, 13.09.2004, [2004], CanLII 23270 (QC CS); UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 82, Rn. 27. 116 OLG Köln, Beschl. vom 21.11.2008 – 19 Sch 12/08, GesR 2009, 157, 159; OLG Stuttgart, Beschl. vom 20.12.2001 – 1 Sch 13/01, OLGR Stuttgart 2002, 166; UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 144, Rn. 44; Moscow City Court 10.02.1995, CLOUT Case Nr. 148, Zusammenfassung siehe UN Doc. A/CN.9/SER.C/ABSTRACTS/10, 14. 117 Die Präklusionsvorschrift des Art. 34 Abs. 3 Model Law, die für ein Aufhebungsverfahren eine Frist von drei Monaten vorsieht, wurde als Reaktion auf die sehr langen oder zeitlich gar nicht beschränkten Rechtsmittelfristen verschiedener Rechtsordnungen in das Model Law integriert, UN Doc. A/CN.9/264, Analytischer Kommentar Model Law zum Entwurf des Model Law, Art. 34, 71, Rn. 1; eine knappe Zusammenfassung der Entstehung des Model Laws findet sich bei Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch vor §§ 1025 ff., Rn. 137. Neben den Präklusionsvorschriften, die erfolgreich Einzug in die Regelungen des Model Laws gefunden haben, ist auch ein knapper Blick auf einen Regelungsvorschlag hilfreich, der diskutiert, aber nicht in die endgültige Fassung des Model Laws übernommen wurde. Norwegen schlug eine explizite Ausgestaltung der Präklusions-
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Länge nach nicht zur Disposition der Parteien.118 Nach Ablauf der Frist ist jegliches Vorbringen von Aufhebungsgründen präkludiert. Mit Blick auf die oben aufgeführten Präklusionsvorschriften ist Art. 34 Abs. 3 Model Law nicht etwa eine bloße Klarstellungsnorm, sondern hat eine eigenständige Wirkung.119 Ein Fall, in dem sich diese eigenständige Wirkung verdeutlicht, ergibt sich etwa wenn eine Partei erst nach Erlass eines Schiedsspruchs Kenntnis von Umständen erlangt, die eine Anfechtung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts, eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung oder eine fehlerhafte Besetzung bzw. Benennung des Schiedsgerichts begründen könnten, prozessuale Mittel der Partei im Schiedsverfahren aber nicht mehr zur Verfügung stehen. Dann kann sich eine Partei mit diesen Gründen im Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch wehren.120 Zur Ergänzung bzw. zur Verstärkung des Schutzsystems in Art. 34 Model Law haben einige Gesetzgeber noch eigene Regelungen hinzugefügt. So findet beispielsweise in Neuseeland Art. 34 Abs. 3 Model Law dann keine Anwendung, wenn der Schiedsspruch durch Betrug oder Bestechung beeinflusst wurde.121 VII. Zusammenfassung zur Präklusion im Model Law Es wurde festgestellt, dass das Model Law Präklusionswirkungen bereithält, die sich auf das Aufhebungsverfahren auswirken können. Hat eine Partei eine Rüge im Schiedsverfahren trotz Möglichkeit nicht geltend gemacht, droht bereits im Aufhebungsverfahren die Präklusion.122 Die Staaten, in denen das wirkung in Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Model Law für das Aufhebungsverfahren vor, UN Doc. A/CN.9/263, Art. 13, Rn. 4. Der Vorschlag Norwegens sollte eine explizite Präklusionsvorschrift entweder in Art. 13 Model Law oder in Artt. 34, 36 Model Law integrieren. Allerdings fand diese Idee nicht einmal Einzug in einen schriftlichen Regelungsvorschlag und wurde nicht weiter diskutiert. Dies drückt aus, dass kein Bedarf für eine solche explizite Regelung gesehen wurde. 118 UN Doc. A/40/17, Art. 34, 37, Rn. 304; ob die Parteien gänzlich auf ein Aufhebungsverfahren verzichten können, wird an anderer Stelle im Kapitel 4 – G.I. erörtert. 119 Dazu Kapitel 3 – B.II.4. 120 Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Nacimiento/ Abt/Stein zu § 1036 ZPO, 192, Rn. 53. Diskutiert wird im Zusammenhang mit Art. 34 Abs. 3 Model Law, wie die Frist zu qualifizieren ist und wann genau die Frist zu laufen beginnt. Vgl. hierzu UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 164–165, Rn. 154–160; Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, 403, Rn. 7-040. Die Wirkung der Präklusion unterliegt keiner Debatte. 121 Siehe Art. 34 Abs. 3 2 First Schedule of the Arbitration Act 1996, Neuseeland, Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Roth zu Art. 34 Model Law, 1283, Rn. 25. Vgl. daneben zum alten bulgarischen Schiedsverfahrensrecht Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Roth zu Art. 34 Model Law, 1283, Rn. 25. 122 Vgl. Rubino-Sammartano, International arbitration law and practice, 2001, 876–877.
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
Model Law die Grundlage des Schiedsverfahrensrechts bildet, haben diese Präklusionsvorschriften des Model Laws – teilweise unter Ergänzung der Fristen – in ihr nationales Schiedsverfahrensrecht implementiert. Daher kann hinsichtlich der nationalen Rechtssysteme auf Argumente zum Model Law zurückgegriffen werden. Eine unterlegene Partei muss, wenn sie das Interesse hat, den Schiedsspruch aufheben zu lassen und wenn sie einer Präklusion entgehen möchte, fristgemäß und bereits im Schiedsverfahren reagieren. Die Reaktionsobliegenheit greift hier mit Kenntnis der entsprechenden Gründe bereits vor Beginn oder im Laufe des Schiedsverfahrens. Unterlässt eine Partei die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, kann eine Präklusion eintreten. Schwerwiegende Verstöße sind stets von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung dieser Gründe kann nicht durch eine Präklusion verhindert werden. Wurde gegen einen ordre public-widrigen Schiedsspruch nicht fristgemäß ein Aufhebungsverfahren eingeleitet, so bleibt für dessen Prüfung lediglich ein eventuell folgendes Vollstreckungsverfahren.
C. Fehlen eines Rechtsbehelfs zur Aufhebung im Ursprungsstaat C. Fehlen eines Rechtsbehelfs zur Aufhebung im Ursprungsstaat
Neue Fragen ergeben sich, wenn das nationale Verfahrensrecht des Ursprungstaats überhaupt keinen ordentlichen Rechtsbehelf bereitstellt, mit dem der Schiedsspruch nach Erlass angefochten oder aufgehoben werden kann.123 Allerdings dürfte dies nunmehr weitgehend eine eher theoretische Fragestellung sein.124 Sowohl die Staaten, die das Model Law umgesetzt haben, als auch Staaten mit einem eigenen Schiedsverfahrensrecht bieten regelmäßig Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch an. Auch die Besonderheit des belgischen Rechts in Art. 1717 Abs. 4 CJB, wonach ein Aufhebungsverfahren ausgeschlossen war, wurde mit der Gesetzesänderung 1998 aufheboben.125 Die schweizerischen Regelungen zum Schiedsverfahrensrecht halten zwar nur eine eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit des Schiedsspruchs für die Fälle vor, in denen ein Verstoß gegen die Parteivereinbarung erfolgte.126 Damit ist das schweizerische Schiedsverfahrensrecht jedoch noch nicht in die Kategorie der Rechtsordnungen ohne normierten Rechtsbehelf zur Anfechtung einzu123 Davon sind nicht jene Fälle erfasst, in denen die Parteien durch Vereinbarung versuchen, das Aufhebungsverfahren auszuschließen. Ob derartige Vereinbarungen wirksam sind, soll an anderer Stelle untersucht werden, Kapitel 4 – G.I. 124 Umfassender hierzu auch Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 694–697. 125 Die Nachfolgeregelung des Art. 1717 Abs. 4 CJB trat mit der Änderung des Code Judiciare Belge zum 19. Mai 1998 in Kraft; zu dieser Regelung und dem belgischen Schiedsverfahrensrecht siehe auch Kapitel 4 – G.I. 126 Siehe näher zum schweizerischen Schiedsverfahrensrecht Kapitel 4 – E.IV.1.
D. Behandlung von nachträglich bekanntgewordenen Verfahrensfehlern
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gliedern. Läge eine Situation vor, in der ein Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht anfechtbar sein sollte, entsteht bereits gar kein Anknüpfungsmoment für eine Präklusion, da diese nur an ein grundsätzlich mögliches Parteiverhalten angeknüpft werden kann. Wenn eine Partei gar keine Gelegenheit hatte, ein Aufhebungsverfahren durchzuführen, kann darin rechtstechnisch bereits kein vorwerfbares Unterlassen liegen. Die unterlegene Partei muss dann in jedem Fall im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren jene Gründe vortragen können, die sie im Aufhebungsverfahren unter anderen Prozessumständen hätte vorbringen können. 127 Der Antragsgegner kann daher mit keinem Versagungsgrund präkludiert sein.
D. Behandlung von nachträglich bekanntgewordenen Verfahrensfehlern D. Behandlung von nachträglich bekanntgewordenen Verfahrensfehlern
Mit einem knappen Exkurs soll zur Vervollständigung einer Darstellung der Präklusionsfrage noch beantwortet werden, wie es zu behandeln ist, wenn Gründe der unterlegenen Partei erst nach Ablauf einer Aufhebungsfrist bekannt werden.128 Hinsichtlich der Kenntnis ist zu fordern, dass der Partei hinsichtlich der Gründe weder vorsätzliche noch grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen ist. Einen entsprechenden Fall, in dem eine Partei erst nach Niederlegung des Schiedsspruchs Kenntnis einer möglichen Befangenheit eines Schiedsrichters erlangt hatte und diesen Ablehnungsgrund dann im Aufhebungsverfahren geltend machen wollte, hatte der BGH zu entscheiden.129 Zunächst stellte der BGH fest, dass das Ablehnungsverfahren des Schiedsrichters verfristet war. Diese Fristen gewährleisten Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. In diesem Zusammenhang sei keine allgemeine Überprüfbarkeit von nachträglich bekanntgewordenen Versagungsgründen anzuerkennen.130 Allerdings sah der BGH ausnahmsweise für besonders schwerwiegende und eindeutige Fälle eine Möglichkeit, eine solche Überprüfung vorzunehmen, wenn das Schiedsverfahren als unzulässig bewertet werden könne.131 Der Unzulässigkeitsmaß127 Dies wurde unter Geltung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. strittig beurteilt, näher dazu Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 694. 128 Verschließt die Partei hier vor entsprechenden Informationen und Fakten „die Augen“, kann ein solcher Grund nicht mehr als neu bezeichnet werden. Als Maßstab ist ein „Wissen“ oder „hätte wissen können“ zugrunde zu legen. 129 BGH, Urt. vom 04.03.1999 – III ZR 72-98, NJW 1999, 2370; vgl. dazu Weigel, MDR 1999, 1360; Kröll, EWiR 1999, 1087. Bestätigend später OLG München, Beschl. vom 16.06.2014 – 34 Sch 15/13, BeckRS 2014, 13643. 130 BGH, Urt. vom 04.03.1999 – III ZR 72-98, NJW 1999, 2370, 2371. 131 BGH, Urt. vom 04.03.1999 – III ZR 72-98, NJW 1999, 2370, 2371.
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Kapitel 3 – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs
stab war am § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a. F. auszurichten, der das Aufhebungsverfahren regelte. Daneben bestünde für die unterlegene Partei unter den entsprechenden restriktiven Voraussetzungen die Möglichkeit, den Schiedsspruch mit dem Argument einer sittenwidrig vorsätzlichen Schädigung i. S. d. § 826 BGB aufheben zu lassen;132 alternativ könnte mit einem Anspruch i. S. d. § 826 BGB die Durchsetzung des titulierten Anspruchs verhindert werden.133 In den Rechtsordnungen134 Englands, der Schweiz und Frankreichs wird diese Möglichkeit der Geltendmachung nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründe an geringere Voraussetzungen geknüpft, dort könnte eine Nachprüfbarkeit also möglich sein, obgleich noch kein besonders schwerer und eindeutiger Fall vorläge.135 Die Konstellation der nachträglich entstandenen Versagungsgründe kann zudem aber auch innerhalb der Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gelöst werden. Dort muss der Partei dann weiterhin die Möglichkeit gewährt werden, sich mit den neu bekanntgewordenen Gründen gegen den Schiedsspruch zu verteidigen. Daher kann dann im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eine Präklusion dieser erst nachträglich bekanntgewordenen Versagungsgründe nicht greifen.
132 BGH, Beschl. vom 02.11.2000 – III ZB 55/99, NJW 2001, 373. Vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. vom 16.07.2002 – 1 Sch 8/02, SchiedsVZ 2003, 84; dort zur analogen Anwendung des § 1059 Abs. 2 ZPO: „Danach ist ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches – über den Wortlaut des § 1059 Abs. 2 ZPO hinaus – und nach Ablauf der in § 1059 Abs. 3 bestimmten Fristen in besonderen Ausnahmefällen zulässig, in denen die Urteilserschleichung oder das Gebrauchmachen von dem rechtskräftigen Urteil eines staatlichen Gerichts als sittenwidrige Schädigung des Gegners im Sinne des § 826 BGB zu werten wäre“. Das stellt für Extremfälle eine überzeugende Lösung dar; allerdings wird diese Lösung mitunter kritisch gesehen, weil § 1059 ZPO abschließend sei, bspw. Burianski/Ray/Secomb, SchiedsVZ 2013, 20, 23. 133 Vgl. bspw. Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/ Olzen zu § 242, Rn. 1127–1129; ebenso dazu Boris/Schmidt, SchiedsVZ 2004, 273, 276. 134 Zu diesen Rechtsordnungen und fraglichen Präklusionsmodellen im Detail in Kapitel 4 – E. 135 Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 314, Rn. 13-38; dort m. w. N. in Fn. 43–45; bspw. für Frankreich: CA de Paris, 09.04.1992, Revue de l’Arbitrage 1996, 483; für England: AT&T Corporation and another v. Saudi Cable Co [2000] 2 Lloyd’s Rep. 127; für die Schweiz: BG 14.03.1985, BGE 111 Ia 72, 74–78; BG 18.08.1992, BGE 118 II 359, 361–362.
E. Zusammenfassung
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E. Zusammenfassung – Präklusion im Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs E. Zusammenfassung
Eine Partei muss bereits während eines laufenden Schiedsverfahrens Verfahrensfehler rügen, wenn sie eine Präklusion dieser Gründe im Schiedsverfahren oder einem späteren Aufhebungsverfahren vermeiden möchte. Bestimmte Verfahrensfehler, die nicht gegen zwingende Vorschriften verstoßen, können Parteien hinnehmen und nicht rügen. Diese Verfahrensfehler können dann ebenfalls präkludiert sein. Das Aufhebungsverfahren bietet für eine Partei die Möglichkeit, den Schiedsspruch am Ort des Schiedsverfahrens anzugreifen und aufheben zu lassen. Auf diese Weise kann eine Partei zudem einen Versagungsgrund i. S. d. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ für ein eventuell drohendes Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens erzeugen. Hat eine Partei Verfahrensfehler nicht schon im Schiedsverfahren gerügt, dann sind diese Verfahrensfehler im Aufhebungsverfahren präkludiert. Ordre publicVerstöße unterliegen unter keinen Umständen einer Präklusion wegen Parteiverhaltens, weder in einem Schiedsverfahren noch im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens.
Kapitel 4
Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Länderberichte und Rechtsvergleich Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion In Kapitel 3 wurde dargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Präklusion im Aufhebungsverfahren angenommen werden kann. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse soll nun das Kernstück der Arbeit betrachtet werden: Die Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Hierzu wird zunächst kurz das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit seinen Besonderheiten dargestellt (A.). Im Anschluss wird erarbeitet, ob das UNÜ Präklusionsinstitute enthält (B.). Daran knüpft eine Untersuchung der Präklusionswirkung in Art. 36 Model Law an (C.). Zudem sollen Präklusionsinstitute im EuÜ1 für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren betrachtet werden (D.). Anhand dieser Erkenntnisse wird im Rahmen von Länderberichten die Präklusion von Versagungsgründen in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen analysiert (E.). Sodann werden diese rechtsvergleichenden Ergebnisse der Länderberichte zusammengetragen, einander gegenübergestellt und in Synthesen ausgewertet (F.). Abschließend folgt ein Exkurs zu der Frage, ob das faktische Ergebnis einer Präklusionswirkung de lege lata bereits durch parteiautonomen Verzicht auf Rechtsmittel im Aufhebungsverfahren und im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren erreicht werden kann (G.).
A. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren A. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
Bereits festgestellt wurde, dass Schiedssprüche häufig freiwillig befolgt werden.2 Dennoch kommt es vor, dass sich eine Partei aus rechtlichen, taktischen oder wirtschaftlichen Gründen der Anspruchsdurchsetzung widersetzt. Als privatautonomes System kann die Schiedsgerichtsbarkeit keine hoheitliche Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, BGBl. 1964 II 425; es trat am 7. Januar 1964 in Kraft; im Folgenden EuÜ; Text des EuÜ bspw. bei in Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zum EuÜ; oder Musielak ZPO-Kommentar, zu § 1061, Rn. 32, Anhang: Text des EuÜ. 2 Siehe Kapitel 3, Fn. 10. 1
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Gewalt ausüben, deshalb kann beispielsweise eine Zwangsvollstreckung nur mit staatlicher Unterstützung erfolgen. Im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren stellt sich der Schiedsspruch, der bis dahin noch ein privatautonomer Akt als Ergebnis einer vertraglichen Verpflichtung ist, dem staatlichen Rechtssystem und wird dann durch die staatliche Gerichtsbarkeit verwertet. Durch die jeweilige nationale Rechtsordnung des Staates, in dem das Schiedsverfahren stattgefunden hat, dem Ursprungsstaats, entfaltet ein Schiedsspruch3 dort gewisse prozessuale Wirkungen. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs im Ursprungsstaat4 muss allerdings von der Situation unterschieden werden, in der ein Schiedsspruch in einem anderen Staat, dem Vollstreckungsstaat, anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden soll.5 In einem vom Ursprungsstaat abweichenden Staat kann beispielsweise nicht unmittelbar aus einem Schiedsspruch eine Zwangsvollstreckung erfolgen.6 Die Souveränität des Vollstreckungsstaates bildet zunächst eine Hürde für die Eingliederung des Schiedsspruchs in dessen Rechtsordnung7 und schaltet der Zulässigkeit etwa einer Zwangsvollstreckung einen Kontrollmechanismus vor.8 Die Ausgestaltung der Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren variiert zwischen den Staaten. 3 Abgestellt wird hier auf eine endgültige und prozessbeendende (Teil-)Entscheidung über einen oder alle Ansprüche durch das Schiedsgericht, nicht hingegen auf rein prozessuale Entscheidungen oder z. B. Beweisbeschlüsse. Für diese Unterscheidung siehe z. B. Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 794–795, Rn. 852–854. 4 Siehe für einen Überblick Rubino-Sammartano, International arbitration law and practice, 2001, 905–912, Rn. 32.1–32.4; Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 798–809, Rn. 858–876. 5 Kronke NYC Commentary, Kronke, The New York Convention Fifty Years on: Overview and Assessment, 7; dann wird der Schiedsspruch als „ausländisch“ oder „international“ bezeichnet, bspw. Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 626, Rn. 11.19, wobei die Begriffsdefinitionen zum Teil umstritten sind; Solomon sieht keine Grundlage für eine unterschiedliche Behandlung, Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 326–327; umfasst seien auch jene Schiedssprüche, die das Recht des Staates, in dem eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung begehrt wird, nicht als national („domestic“) qualifiziert, Art. I Abs. 1 S. 2 UNÜ. Abzugrenzen ist ebenfalls von Schiedssprüchen, die im Ursprungsstaat als internationale Schiedssprüche qualifiziert werden: so bspw. möglich im französischen Recht (Art. 1492 NCPC) und schweizerischen Recht (Art. 176 IPRG). 6 Vgl. auch Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 1, der hierzu auf eine „territorial begrenzte Staatsmacht“ verweist. 7 Von der Zuständigkeit der Gerichte des jeweiligen Staats – meist begründet durch dortige Vermögensmassen – wird ausgegangen, hierzu z. B. Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 703–706, Rn. 26-56–26-64. 8 Siehe dazu Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991, 128.
A. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
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Mit ihren Verfahren kontrollieren die Staaten die Einhaltung elementarer Prozessprinzipien und die Einhaltung gewisser Wertungsentscheidungen der öffentlichen Ordnung. Höchst fraglich ist, ob ein Staat heutzutage auf ein System der Handelsschiedsgerichtsbarkeit setzen könnte, das ohne Ausübung jeglicher staatlicher Kontrolle auskommt.9 Die Missbrauchsgefahren wären jedenfalls groß.10 Weiterhin gilt das staatliche Gewaltmonopol.11 Der Justizgewährungsanspruch umfasst nicht bloß die Bereitstellung eines Systems zur Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs, sondern ebenso den Rahmen zur zwangsweisen Durchsetzungsmöglichkeit jener privaten Rechte.12 Insoweit überträgt der Staat die Feststellung über das Bestehen eines Anspruchs der Schiedsgerichtsbarkeit als materielle Rechtsprechung,13 kontrolliert und gewährleistet die zwangsweise Durchsetzung jedoch im vorgesehenen Vollstreckungssystem der jeweiligen Rechtsordnung. Für den Kontrollmechanismus im betreffenden Vollstreckungsstaat ist, abhängig von den prozessualen Zielen, zwischen der Anerkennung und der Vollstreckbarerklärung zu differenzieren.14 Obgleich sowohl das UNÜ als auch das Model Law hier von „recognition and enforcement“ sprechen, handelt es sich dabei um zwei zu differenzierende und zu trennende15 Begrifflichkeiten.16 Häufig sind die Parteien daran interessiert, einen Schiedsspruch sowohl anerkennen zu lassen, als auch für vollstreckbar erklären zu lassen. 9 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 6, Rn. 1.12; mit dieser Tendenz ebenfalls Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 18; eine direkte Erwiderung zu Reisman bei Di Radicati Brozolo, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 74. 10 Vgl. Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 6, Rn. 1.12, dort m. w. N. in Fn. 17. 11 Dazu z. B. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, 56–66; zudem in Kapitel 2 – D. 12 Der Zivilprozess zur Anspruchsprüfung und die Mechanismen der Vollstreckung sind der Ausgleich zum grds. Verbot der Selbsthilfe, Saenger/Bendtsen ZPO-Kommentar, Saenger, Einführung, Rn. 9. 13 Siehe Kapitel 2, Fn. 47. 14 Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991, 128. 15 UN-Doc. A/CN.9/246, Rn. 146, Bericht der Arbeitsgruppe „Internationale Vertragspraxis“ zur 7. Sitzung 6.–17.02.1984, siehe unter: ; Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, 1287, Rn. 2. 16 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 243; Blackaby/ Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 627, Rn. 11.20; Rubino-Sammartano, International arbitration law and practice, 2001, 918, Rn. 33.1 leitet dies aus dem UNÜ, dem Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (1927), RGBl. II 1930, 1068 und dem UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985) her.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Hinsichtlich der Begrifflichkeit und Wirkung ist die Anerkennung einer Schiedsvereinbarung grundsätzlich von der Entscheidung über die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung abzugrenzen.17 Zunächst sollen die Institute der Anerkennung (I.) und Vollstreckbarerklärung (II.) erarbeitet werden, um dann auf die Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einzugehen (III.). I.
Anerkennung (recognition)
Ein Schiedsspruch, der nicht im Vollstreckungsstaat erlassen wurde, muss zunächst anerkannt werden, damit er im Inland des Vollstreckungsstaats Wirkung entfalten kann. Dieser Schritt schlägt eine Brücke vom Ausland in das Inland.18 Das bedeutet, dass die Rechtskraft des Schiedsspruchs und seine Rechtswirkung anerkannt werden.19 Dabei ist die Anerkennung für sich betrachtet ein defensives Mittel,20 obgleich sie in manchen Ländern ein notwendiges Element des Vollstreckungsverfahrens ist.21 Mitunter wird streitig beurteilt, welche Wirkung dem Schiedsspruch mit der Anerkennung zukommt.22
17 Einleitend wird auf Rubino-Sammartano, International arbitration law and practice, 2001, 948, Rn. 34.2.1 verwiesen. 18 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 1. 19 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 628, Rn. 11.23. 20 Defensiv ist die Anerkennung, wenn sie nur begehrt wird, um z. B. die Rechtskraft eines Schiedsspruchs einem (neuen) staatlichen Gerichtsverfahren in gleicher Sache als Verteidigungsmittel entgegenhalten zu können, offensiv ist die Anerkennung, wenn dies bspw. im Rahmen der zwangsweisen Durchsetzung eines Schiedsspruchs erfolgt. 21 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 627, Rn. 11.21. 22 Das Streitthema sei knapp und exemplarisch anhand der ZPO dargestellt, einleitend dazu Kröll, in: Wagner/Schlosser (Hrsg.), Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 105, 111. Zwei Meinungsströme werden hier vertreten: Nach einer Ansicht soll eine Gleichstellung zwischen ausländischen und inländischen Schiedssprüchen erfolgen und dem Schiedsspruch werde die Wirkung verliehen, die auch ein inländischer Schiedsspruch haben würde, sog. Gleichstellungstheorie, Kröll, in: Wagner/Schlosser (Hrsg.), Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 105, 111; Martiny, Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach autonomem Recht, 1984, Kap. I § 3, 169, Rn. 365; Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991, 128– 130. Die Anerkennung soll dem Schiedsspruch die gleiche Wirkung verleihen, die ein Gerichtsurteil entfaltet, vgl. Rubino-Sammartano, International arbitration law and practice, 2001, 918, Rn. 33.1. Mit einem anderen Ansatz werden die räumlichen prozessualen Wirkungen des Schiedsspruchs aus dem Ursprungsstaat auf den Anerkennungsstaat erstreckt, sog. Wirkungserstreckung, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 3; Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991, 129; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 529, m. w. N. in Fn. 73. Der Unter-
A. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
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Mit Beurteilung der Wirkung einer Anerkennung ergibt sich für die hier fragliche Präklusion eine differenzierte Betrachtung. Kann ein Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht mehr angegriffen werden und wird diese Wirkung auf den Vollstreckungsstaat erstreckt, sind im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren möglicherweise inhaltsgleiche Versagungsgründe präkludiert.23 Eine isolierte und dann rein defensive Anerkennung eines Schiedsspruchs ist beispielsweise in einem staatlichen Gerichtsverfahren möglich, wenn Partei A gegen Partei B einen Anspruch geltend macht, der nach dem Verständnis von Partei B bereits Gegenstand eines für B positiven Schiedsspruchs ist.24 Hier hat Partei B ein Interesse, den Schiedsspruch bezüglich des neu geltend gemachten Anspruchs als res judicata25 anerkennen zu lassen. Die res judicata-Wirkung bedeutet, dass zum Beispiel ein Anspruch, über den ein zuständiges (Schieds-)Gericht bereits entschieden hat, von den beteiligten Parteien nicht mehr vor einem anderen (Schieds-)Gericht in Frage gestellt werden kann.26 Partei B möchte so mit der Anerkennung des Schiedsspruchs als res judicata verhindern, dass Partei A vor staatlichen Gerichten versucht, ein zum Schiedsspruch widersprüchliches Ergebnis anzustoßen.27 Hat Partei B Erfolg, wird das staatliche Gericht die Klage von Partei A abweisen. Damit schied zwischen den beiden Ansichten ist, ob der Schiedsspruch mit seinen ausländischen Wirkungen oder aber wie ein inländischer Schiedsspruch behandelt wird. 23 Für eine Wirkungserstreckung Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1323, Rn. 3879; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 529. Davon ist die Situation abzugrenzen, dass der Schiedsspruch im Ursprungsstaat bereits für vollstreckbar erklärt wurde, denn dieser Umstand wird nicht als Wirkung des Schiedsspruchs erstreckt, Geimer/ Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1323, Rn. 3880, dort m. w. N. in Fn. 289. 24 Bspw. in Deutschland ist insoweit eine Inzidentanerkennung in Betracht zu ziehen, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 3; zu beachten allerdings auch Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1061, Rn. 18–19. 25 Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 780, Rn. 1419; zum res judicata Partei-Vortrag Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 794 Rn. 850. 26 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 561, Rn. 9.139; Spencer Bower/Turner/Handley, The Doctrine of Res Judicata, 1996, 8–9, Rn. 16. Die res judicata-Wirkung variiert zwischen einzelnen Rechtsordnungen, siehe zur Übersicht Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 561–565, Rn. 9.140–9.152. 27 Vgl. auch van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981S. 244. Teilweise spricht nationales Recht einem Schiedsspruch einen res judicata Effekt zu, so beispielsweise in den Niederlanden (Art. 1059 NL-ZPO), Deutschland (§ 1055 ZPO), Frankreich (Art. 1500 NCPC i. V. m. Art. 1476 NCPC) oder Belgien (Art. 1703 Abs. 1 Gerichtsgesetzbuch (judicial code); für diese Wirkung ist der Schiedsspruch ggf. anzuerkennen.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
erkennt das staatliche Gericht die Rechtskraft des Schiedsspruches an, der Schiedsspruch selbst wird jedoch nicht für vollstreckbar erklärt.28 Der Anerkennungsmaßstab richtet sich vorrangig nach internationalen Übereinkommen und Staatsverträgen.29 II. Vollstreckbarerklärung (enforcement) Im Gegensatz zur isolierten Anerkennung wird vom Gericht bei der Vollstreckbarerklärung verlangt, nicht nur die Wirkung des Schiedsspruchs anzuerkennen, sondern vielmehr das Anspruchsziel durchzusetzen, dies regelmäßig auch unter Rückgriff auf die zur Verfügung stehenden Zwangsmaßnahmen.30 In diesem Zusammenhang prüft das zuständige Gericht des Vollstreckungsstaates, ob ein Schiedsspruch gültig und verbindlich ist und ob aus ihm vollstreckt werden kann.31 Hierbei gehen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung also notwendigerweise Hand in Hand32, sozusagen als Schild (Anerkennung) und Schwert (Vollstreckbarerklärung).33 Im Unterschied zur (isolierten) Anerkennung wird die Vollstreckbarerklärung regelmäßig nur in dem Land begehrt, in welchem eine Vollstreckung wirtschaftlich interessant und erfolgversprechend ist. Meist befinden sich im Vollstreckungsstaat also verwertbare Vermögensgegenstände und Immobilieneigentum. Am Ende eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens steht also ein hoheitlicher und vollstreckbarer Titel mit dem Inhalt des Schiedsspruchs. Ein dann folgendes Zwangsvollstreckungsverfahren richtet sich nach dem nationalen Prozessrecht des Vollstreckungsstaats. III. Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung Unter bestimmten Voraussetzungen wird dem Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung versagt. Die Rechtsfolge der Versagung ist (fast)34 immer auf den Vollstreckungsstaat begrenzt; die Anerkennung und Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 628, Rn. 11.22. 29 Wie beispielsweise nach dem UNÜ oder dem EuÜ. 30 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 628, Rn. 11.23. 31 In Deutschland ist dies gem. § 1062 Abs. 2 1. Var. ZPO regelmäßig das OLG, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz hat. 32 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 628, Rn. 11.23. 33 Kronke NYC Commentary, Kronke, The New York Convention Fifty Years on: Overview and Assessment, 7; Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 628, Rn. 11.24. 34 Obgleich es kuriose Ausnahmefälle gibt: Ein venezolanisches Gericht hat etwa dem Schiedsspruch im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nur die Anerkennung versagt sondern den Schiedsspruch gleich aufgehoben, siehe dazu Alba 28
A. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
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Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in einem anderen Staat kommt weiterhin in Betracht. 1. Die Versagungsgründe Die Versagungsgründe der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sind sowohl im UNÜ als auch in den prominenten Schiedsverfahrensrechten ähnlich oder gar deckungsgleich35 und zudem sehr begrenzt.36 Die Versagungsgründe lassen sich dabei in zwei Gruppen unterteilen. Zunächst werden in einer ersten Gruppe die Gründe aufgeführt, welche nur auf Vortrag der sich der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung widersetzenden Partei37 berücksichtigt werden.38 In der zweiten Gruppe finden sich die Gründe, die von Amts wegen vom Gericht berücksichtigt werden. Eine inhaltliche Prüfung des Schiedsspruchs dahingehend, ob beispielsweise der Anspruch begründet ist oder mangelhafte Ware geliefert wurde, die révision au fond, 39 ist ausgeschlossen.40 Den Prüfungsmaßstab der Gründe, die zu einer Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung führen, fasste ein Gericht wie folgt zusammen: “The control by the [enforcement] court essentially concerns the question whether the award has been rendered in proceedings which respected due process and, further, whether the law applied to the merits of the award is compatible with [the court’s] international public policy“.41 Uribe, (vom 27.06.2013). 35 Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 638, Rn. 11.55. 36 Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 794, Rn. 850. 37 Antragsgegner im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. 38 Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 794, Rn. 851. 39 Siehe hierzu bspw. Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V, Rn. 19; Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1337, Rn. 3909. 40 Damit wird die Parteiautonomie gewahrt, in der Sache selbst kein staatliches Gericht entscheiden zu lassen. Die Frage, ob Parteien eine materielle Überprüfungsinstanz vereinbaren und den Überprüfungskatalog der lex arbitri erweitern können, wird von der h. M. verneint, vgl. bspw. Hall Street Associates, L.L.C. v. Mattel, Inc., 128 S.Ct. 1396 (2008), YBCA XXXIII (2008), 258; dazu bspw. Becker, SchiedsVZ 2009, 205, insbes. 209; Murphy, Virginia Law Review (96) 2010, 887; Zell, Loyola University Chicago Law Journal (40) 2009, 959. 41 Im Original: „[…] the control by the [enforcement] court essentially concerns the question whether the award has been rendered in proceedings which respected due process and, further, whether the law applied to the merits of the award is compatible with [the court’s] international public policy […].“ Luxembourg Court of Appeal 28.01.1999, YBCA XXIVa (1999) 714, 719.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Auf internationaler Ebene wird dies zumeist im Rahmen des UNÜ zu bestimmen sein. Dessen Art. V enthält den Katalog mit Versagungsgründen. Das Regime des Art. V UNÜ sei dabei zugleich Vollstreckungsmechanismus und politisches Statement zur Reichweite der gerichtlichen Kontrolle über die Schiedsgerichtsbarkeit.42 Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Artt. III– VII UNÜ, insbesondere der Versagungsgründe des Art. V UNÜ, ist ein Vollstreckungsgericht nach einhelliger Ansicht nicht an die rechtliche oder tatsächliche Beurteilung eines Schiedsgerichts gebunden.43 2. Beachtung von im Aufhebungsverfahren erfolglos geltend gemachten Versagungsgründen Ungeklärt ist, wie vorgetragene Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren behandelt werden, die zuvor erfolglos in einem Aufhebungsverfahren geltend gemacht wurden, also ein Gericht im Ursprungsstaat eine Aufhebungsklage als unbegründet abwies. Eine Regelung zur Behandlung dessen enthält das UNÜ nicht.44 Denkbar ist, dass die in Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 23. 43 OLG Koblenz, Beschl. vom 27.11.2012 – 2 Sch 2/12, IPRspr. 2012, Nr. 297, 699; zur ordre public-Prüfung siehe BGH, Urt. vom 12.05.1958 – VII ZR 436/56, BGHZ 27, 249, 254; Harbst, SchiedsVZ 2007, 22, 24; Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1061, Rn. 20 m. w. N. Wird ein Schiedsspruch antragsgemäß anerkannt und für vollstreckbar erklärt und später von einem Gericht im Ursprungsstaat aufgehoben, hat dies zunächst keine Auswirkungen auf die Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat. Der Schuldner hat aber nach nationalem Recht des Vollstreckungsstaats, beispielsweise in Deutschland gem. § 1061 Abs. 3 ZPO, die Möglichkeit, die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung zu beantragen. Erfolgte die Aufhebung im Ursprungsstaat allerdings vor Beendigung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens, „so muß der Schuldner dies im Exequaturverfahren geltend machen“. Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 572; macht er dies nicht, dann ist er mit diesem Vorbringen präkludiert. Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1323, Rn. 3881; Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 30, Rn. 33; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 572. Die Regelung des § 1061 Abs. 3 ZPO stellt einen Sonderfall dar, obgleich § 1061 ZPO weitgehend den Artt. 35, 36 Model Law entspricht. Der deutsche Gesetzgeber ist bei Implementierung des Gesetzes über den Regelungsgehalt des Model Laws hinausgegangen. Dies lässt sich mit der Gesetzesgeschichte des § 1061 ZPO erklären. Die Regelung basiert auf § 1044 ZPO a. F. und wurde inhaltlich überarbeitet und dabei an Artt. 35, 36 Model Law ausgerichtet, Stein/Jonas ZPO-Kommentar (2014), Schlosser zu § 1061, Rn. 1. Allerdings blieb § 1044 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F. teilweise erhalten und wurde in den § 1061 Abs. 3 ZPO eingefügt. Der § 1044 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F. regelte: „Wird der Schiedsspruch, nachdem er für vollstreckbar erklärt worden ist, im Ausland aufgehoben, so kann im Wege der Klage die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung beantragt werden.“ 44 Ausführlich dazu Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 517–521. Gemäß Art. V Abs. 1 lit. e 2. 42
A. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
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einem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat vorgetragenen Gründe für ein späteres Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren im Vollstreckungsstaat ausgeschlossen sind, wenn das Vollstreckungsgericht die im Aufhebungsverfahren erfolglos geltend gemachten Versagungsgründe nicht mehr berücksichtigen muss. Zwei Positionen lassen sich zu dieser Frage vertreten. Einerseits könnte die Gerichtsentscheidung, mit der die Aufhebungsklage als unbegründet abgewiesen wurde, unter den Voraussetzungen der Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Urteile, in Deutschland gem. § 328 ZPO, anzuerkennen sein.45 Andererseits könnte eine solche Anerkennung gänzlich versagt werden, weil die Verfahren einen anderen Streitgegenstand haben könnten46 beziehungsweise die Entscheidung zur Aufhebung ein nicht anerkennungsfähiges Prozessurteil darstellt.47 Kritisiert wird vornehmlich, dass dem Vollstreckungsgericht automatisch eine Entscheidung eines ausländischen Gerichts vorgegeben werden würde, wenn die Entscheidung der abgewiesenen Aufhebungsklage anzuerkennen wäre.48 Var. UNÜ kann die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung versagt werden, wenn der Schiedsspruch aufgehoben wurde, eine weitergehende Regelung für erfolglos vorgetragene Versagungsgründe enthält die Vorschrift jedoch nicht. 45 Bspw. Samtleben, ZZPInt 2011, 425, 455; vgl. bspw. zur Überprüfungskompetenz des Vollstreckungsgerichts nach erfolglosem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat: OLG Jena 08.08.2007, SchiedsvZ 2008, 44, 45, dazu Kasolowsky/Steup, SchiedsVZ 2008, 72, 74; vgl. weiterhin OLG Schleswig 16.06.2008, IPrspr. 2008, Nr. 200, 640, 641. 46 Stein/Jonas ZPO-Kommentar (2014), Schlosser Anhang zu § 1061, Rn. 152; Haas sieht darin völlig unterschiedliche Gegenstände („completly different issues“), Weigand/ Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Haas zu Art. V UNÜ, Rn. 11, 85. 47 Geimer erwähnt dies unter dem Gedanken einer „Rechtsmittelentscheidung im weiteren Sinn“, Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, Rn. 3950 mit Verweis auf Rn. 2791. Geimer weist in Rn. 3950 auf eine Entscheidung des OLG München, Urt. vom 10.10.2002 – U (K) 1651/02, IPRspr. 2002, Nr. 223, 564 hin. Dort entschied das OLG, dass ein Urteil eines Gerichts, mit dem allein die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts festgestellt wird, ein Prozessurteil darstellt, welches nach § 328 ZPO nicht anzuerkennen sei (OLG München, Urt. vom 10.10.2002 – U (K) 1651/02, IPRspr. 2002, Nr. 223, 564, 566). Diese Entscheidung lässt sich allerdings nur sehr begrenzt auf den Fall übertragen, dass ein Gericht über die Aufhebung eines Schiedsspruchs entschieden und den Aufhebungsantrag als unbegründet abgewiesen hat. Allein wenn ein Schiedsspruch erlassen wurde, der ausschließlich die Zuständigkeit des Schiedsspruchs annimmt, könnten die Gedanken übertragen werden, im Übrigen, wenn der Schiedsspruch auch materielle Ansprüche entscheidet, nicht. Sieh zudem Petrochilos, The International and Comparative Law Quarterly (48) 1999, 868, der dies aus Perspektive französischer Gerichte zur Annahme der Wirksamkeit eines Schiedsspruchs durch Gerichte im Ursprungsstaat darstellt; Fouchard, Revue de l’Arbitrage 1997, 329, 345. 48 Vgl. ebenso Fouchard, in: van den Berg (Hrsg.), Improving the Efficiency of Arbitration Agreements and Awards, 1999, 609, Übersetzung aus dem Französischen Oliver Purcell (siehe dort 601).
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Sowohl theoretische als auch praktische Gründe sprechen hingegen dafür, die Aufhebungsentscheidung auch dann zu berücksichtigen, wenn die Aufhebungsklage als unbegründet abgewiesen wurde. Die Entscheidungen eines Ursprungsstaats in einem Aufhebungsverfahren sollten unabhängig von ihrem Ergebnis, ob einer Aufhebungsklage also stattgegeben oder diese als unbegründet abgewiesen wurde, im Vollstreckungsstaat nach den gleichen Kriterien behandelt werden.49 Daneben sprechen praktische Gründe wie die Verfahrenseffizienz dafür, die Erkenntnisse eines Aufhebungsverfahrens ebenfalls zu berücksichtigen, wenn das Aufhebungsverfahren erfolglos blieb.50 Ein Vollstreckungsgericht kann in kürzerer Zeit und unter geringerem (Kosten-)Aufwand entscheiden, wenn es für bestimmte vorgetragene Versagungsgründe auf ein Ergebnis einer Aufhebungsklage im Ursprungsstaat abstellen kann. Die Bedenken, es erfolge eine ungeprüfte und automatische Bindung des Vollstreckungsgerichts, sind damit zu entkräften, dass so der gleiche Maßstab anzulegen ist, der allgemein für die Anerkennung ausländischer Urteile gilt. Daher ist es überzeugend, die Entscheidung eines Gerichts über das Vorliegen von Aufhebungsgründen unter den gleichen Voraussetzungen zu berücksichtigen, mit denen nach nationalem Recht ausländische Urteile anerkannt werden.51 IV. Zusammenfassung – Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Mit dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren begehrt der Antragsteller, dass aus einem Schiedsspruch, der nicht im Vollstreckungsstaat erlassen wurde, in das Vermögen des Schuldners vollstreckt werden kann. Hier tritt in bestimmten Fällen eine Präklusionswirkung ein, so beispielswei49 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 524, zusammenfassend 532, mit umfassender Erörterung 521–526. Für die Anwendung der Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Urteile spricht sich ebenfalls Harbst aus, Harbst, SchiedsVZ 2007, 22, 30. Vgl. auch Zöller/ Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1061, Rn. 25; Geimer schlägt aber vor, § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht anzuwenden, dazu Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 328, Rn. 267; Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, Rn. 3949. 50 Harbst, SchiedsVZ 2007, 22, 30: Der „zahlungsunwillige Schiedsbeklagte gewinnt dadurch eine weitere Instanz, um das Verfahren zu verzögern, zu verteuern, und den Vergleichsdruck zu erhöhen“. 51 Für die Versagungsgründe des Art. V Abs. 2 UNÜ greift dies hingegen so nicht, da diese vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Weist ein Gericht im Ursprungsstaat die Aufhebung des Schiedsspruchs als unzulässig ab, liegt keine Sachentscheidung vor; folglich wäre eine solche Entscheidung wohl nicht anzuerkennen, vgl. zur Sachentscheidung Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, Rn. 2788. Darin läge auch kein Bruch der zuvor befürworteten Systematik.
B. Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen
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se, wenn der Schuldner die vorherige Aufhebung des Schiedsspruchs im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht vorgetragen hat. Das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren dient als Kontrollinstanz des Vollstreckungsstaats. Die Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern ist an einen strengen und abschließenden Katalog (zumeist im Rahmen des UNÜ) gebunden. Wenn Versagungsgründe bereits erfolglos mit einer Aufhebungsklage geltend gemacht wurden, hängt die erneute Geltendmachung dieser Versagungsgründe davon ab, ob die Gerichtsentscheidung aus dem Ursprungsstaat über die Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Urteile im Vollstreckungsstaat zu berücksichtigen ist.
B. Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen B. Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen
Im Folgenden wird untersucht, ob sich aus dem UNÜ Präklusionsregelungen herleiten lassen. Voraussetzung für eine Präklusion ist zunächst einmal die Eröffnung des Anwendungsbereichs des UNÜ (I.). Die Bedeutung des UNÜ und eventuelle Präklusionslücken sollen vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Übereinkommens und der staatlichen Anwendungspraxis im Lichte der intendierten einheitlichen Auslegung zur Ergebnisharmonisierung eingeordnet werden (II.). I.
Anwendungsbereich des UNÜ
Am 7. Juni 1959 trat das UNÜ in Kraft.52 Der Anwendungsbereich ist gem. Art. I Abs. 1 S. 1 UNÜ eröffnet, wenn die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs in einem anderen Land als dem Ursprungsstaat begehrt wird, der Vollstreckungsstaat Vertragsstaat des UNÜ ist und dem Schiedsspruch eine Streitigkeit zwischen Personen53 zugrunde liegt.54 Es ist dabei gem. Art. I Abs. 1 1 UNÜ keine Voraussetzung, dass der Schiedsspruch in einem Vertragsstaat erlassen wurde.55 Wie Art. VII Abs. 1 UNÜ festlegt, Gem. Art. XII UNÜ. Natürlichen und juristischen Personen. 54 Art. I Abs. 1 S. 1 UNÜ; auf die einzelnen Differenzierungen wird hier nicht eingegangen, dazu siehe bspw. Kronke NYC Commentary, Bagner zu Art. I, 20–29. 55 Unerheblich ist zudem, ob der Schiedsspruch, dessen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung begehrt wird, einem nationalen oder internationalen Schiedsverfahren entstammt, Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 126, Rn. 256; auch der Schiedsspruch, der in einem nationalen Verfahren erlassen wurde, wird zu einem ausländischen („foreign“) Schiedsspruch, wenn dessen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung in einem anderen Land begehrt wird. Der weite Anwendungsbereich erfährt durch Art. I Abs. 3 S. 1 UNÜ eine Einschränkung. Daraus ergibt sich ein Gegenseitigkeitserfordernis, welches Staaten als Vorbehalt mit der Ratifika52 53
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
wird innerhalb des Anwendungsbereichs des UNÜ die Anwendung von multi- oder bilateralen Abkommen nicht beeinflusst und jede Partei kann sich auf vollstreckungsfreundlicheres nationales Recht berufen; diese Regelung wird daher als Meistbegünstigungsklausel bezeichnet.56 II. Entwicklung von UNÜ und Präklusionsinstituten Die Entwicklung des UNÜ belegt das Bestreben der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nach einer harmonischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungspraxis von Schiedssprüchen. Als das UNÜ 1959 in Kraft trat, war es nicht das erste Abkommen seiner Art, sondern eine Weiterentwicklung einiger Vorläuferübereinkommen und zudem das Ergebnis umfangreicher Verhandlungen. Bereits vor Inkrafttreten des UNÜ strebten über 50 Staaten nach einer Vereinheitlichung der Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungspraxis für ausländische Schiedssprüche. Diese Vorläuferübereinkommen57 zum UNÜ enthielten bereits Präklusionsregelungen (1.). Auf die Entstehungsgeschichte des UNÜ und dessen Vorläuferübereinkommen wird eingegangen, um die jeweils zuvor in den Vorläuferübereinkommen bestehenden Präklusionsinstitute identifizieren und die Verhandlungen der Staaten zu solchen Präklusionsinstituten im UNÜ genauer beleuchten zu können. Im Verlauf des Jahres 1953 begannen dann die Verhandlungen zum UNÜ, die in dessen Unterzeichnung im Jahre 1958 gipfelten (2.). Seither haben sich die Auslegung des UNÜ und dessen Anwendungspraxis fortentwickelt (3.). 1. Vorläuferübereinkommen zum UNÜ Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Regelungen der Schiedsgerichtsbarkeit international nicht vereinheitlicht, sondern ausschließlich nationalgesetzlich ausgestaltet. Die Schiedsgerichtsbarkeit wurde zu dieser Zeit mitunter als Rivale zur staatlichen Gerichtsbarkeit58 bezeichnet.59 Der Umstand, dass sich die ICC nach dem zweiten Weltkrieg aktiv darum bemühte, einheitliche Rahmenbedingungen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu tion des UNÜ erklären können. Von dieser Möglichkeit hat die Hälfte (75) der Vertragsstaaten Gebrauch gemacht; die Bundesrepublik Deutschland hat bspw. den ursprünglich erklärten Vorbehalt (BGBl. 1962 II 102) im Jahr 1998 wieder zurückgenommen (BGBl. 1999 II 7). Das UNÜ knüpft, anders als das EuÜ, nicht an die Herkunft der Parteien an. 56 Zur sog. Meistbegünstigungsklausel bzw. more-favorable-right-provision in Art. VII Abs. 1 2. Alt. UNÜ siehe bspw. Wolff NYC Commentary, Quinke zu Art. VII, Rn. 35–36. 57 Detailliert dazu sogleich unter Kapitel 4 – B.II.1. 58 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 6. 59 Die Schiedsgerichtsbarkeit reicht in ihrem modernen Gewand und in nationalen Prozessrechten bis in das 17. Jahrhundert zurück. Das erste englische Schiedsverfahrensgesetz stammt aus dem Jahre 1698; hierzu und allgemein siehe Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 6, Rn. 1.13–1.14.
B. Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen
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schaffen, drückt das Bestreben der internationalen Gemeinschaft aus, in der Nachkriegszeit einen gemeinsamen Weg zu beschreiten.60 Aus dieser Zeit stammen die Vorgängerübereinkommen des UNÜ, die bereits den Ansatz einer Vereinheitlichung von Standards verfolgten. Zunächst wurde mit dem Genfer Protokoll über Schiedsvereinbarungen von 192361 die internationale Gültigkeit und Durchsetzbarkeit von Schiedsvereinbarungen etabliert.62 Wenig später wurde dann mit dem Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 192763 die internationale Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen vorangebracht.64 a) Präklusion im Genfer Abkommen von 1927 Für die vorliegende Präklusionsfrage ist Art. IV Abs. 1 Nr. 2 des Genfer Abkommens von 192765 hervorzuheben. Aus dieser Regelung ergab sich für eine Partei, die aus einem Schiedsspruch vollstrecken wollte, eine Pflicht, darzulegen, dass der Schiedsspruch im Ursprungsstaat endgültig i. S. d. Art. I Abs. 2 lit. d dieses Abkommens war.66 Danach war ein Schiedsspruch solange nicht endgültig, wie dieser noch mit Rechtsmitteln wie einer Aufhebungsklage angegriffen werden konnte. Die fehlende Endgültigkeit stand der VollstreVgl. Kronke NYC Commentary, 2. Geneva Protocol on Arbitration Clauses, 24. September 1923, siehe unter: ; RGBl. 1925 II 47. 62 Ein Entwurf, die Vollstreckung von Schiedssprüchen wie die Vollstreckung von staatlichen Gerichtsurteilen zu regeln, scheiterte, siehe Volkmar, in: Nussbaum (Hrsg.), Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen, 1928, 125, 129. 63 Geneva Convention on the Execution of Foreign Arbitral Awards, 26. September 1927, RGBl. II 1930 1068. 64 Einen Überblick über die Entwicklung der Handelsschiedsgerichtsbarkeit findet sich bei Eisemann/Mezger/Schottelius, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen, 1958, Eisemann, 7–17; Nußbaum hatte die Genfer Abkommen als nicht erfolgreich bezeichnet, Nussbaum, AVR (4) 1953/1954, 385, 400; zur Entwicklung des Genfer Abkommens von 1927 siehe Volkmar, in: Nussbaum (Hrsg.), Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen, 1928, 125, 127–129. Die beiden Vorgängerübereinkommen, das Genfer Protokoll über Schiedsvereinbarungen von 1923 und das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1927, haben gem. Art. VII Abs. 2 UNÜ zwischen den Vertragsstaaten des UNÜ keine Geltungskraft mehr. 65 Für die hier verwendete Übersetzung des Übereinkommens siehe Münchener Kommentar ZPO (2013) Anhang zu § 1061 ZPO, 4. Abschnitt. 66 Gem. Art. I Abs. 2 lit. d des Abkommens bestimmt sich die Endgültigkeit danach, ob der Schiedsspruch den Rechtsmitteln Einspruch, Berufung oder Richtigkeitsbeschwerde unterworfen ist oder ob bereits ein Verfahren anhängig ist, mit welchem die Gültigkeit des Schiedsspruchs angefochten wird. Im Original, Art. I Abs. 2 lit. d: „[…] if it is open to opposition, appel or pourvoi en cassation (in the countries where such forms of procedure exist) or if it is proved that any proceedings for the purpose of contesting the validity of the award are pending“. 60 61
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
ckung eines Schiedsspruchs entgegen. Dieses Regelungssystem der Endgültigkeit, das an Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen anknüpft, wurde aber als problematisch gesehen, weil die Rechtsmittel und ihre Fristen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gestaltet waren.67 Unter dem Genfer Abkommen von 1927 galt, dass nur aus Schiedssprüchen, die nicht mit Rechtsmitteln angegriffen wurden und nicht mehr angegriffen werden können, eine Vollstreckung erfolgen konnte. Damit wurde sichergestellt, dass im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Rechtssicherheit über die Endgültigkeit gewährleistet war. Dies bedeutete allerdings noch nicht, dass Gründe, die eine Aufhebung gerechtfertigt hätten, im späteren Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert wären. Zu diesem Aspekt gibt Art. III des Abkommens Aufschluss.68 Danach konnte der Richter im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach seinem Ermessen versagen oder aussetzen und für den Antragsgegner eine Frist bestimmen, um den Schiedsspruch vor den Gerichten des Ursprungsstaates anzugreifen. Dies war an die Voraussetzung geknüpft, dass der Antragsgegner darlegte, berechtigt zu sein, den Schiedsspruch aus den in Art. I Abs. 2 lit. a 69 und lit. c70 sowie Art. II Abs. 1 lit. b71 und lit. c72 genannten Gründen anzufechten. Soweit Art. III des Abkommens darauf abstellte, dass der Antragsgegner im Ursprungsstaat den Schiedsspruch für nichtig erklären lassen würde, erforderte dies die fortbestehende Möglichkeit eines Rechtsmittelverfahrens im Ursprungsstaat. Sofern dieses Verfahren nicht mehr zur Verfügung stand, weil eventuelle Fristen verstrichen waren, bestand keine Möglichkeit mehr, diese Gründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend zu machen. Abzustellen war dann allein auf den Prüfungskatalog des Art. II i. V. m. Art. I Genfer Abkommen von 1927. Damit wurden im Rahmen des Genfer Abkommen von 1927 die Versagungsgründe präkludiert, die eine 67 Eisemann/Mezger/Schottelius, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen, 1958, Mezger, 47. 68 Art. III Genfer Abkommen von 1927: „Wenn die Partei, zu deren Ungunsten der Schiedsspruch ergangen ist, dartut, daß sie nach den auf das Schiedsverfahren anwendbaren Rechtsvorschriften die Gültigkeit des Schiedsspruchs aus einem anderen Grunde als den im Artikel 1 lit. a und c und Artikel 2 lit. b und c erwähnten Gründen gerichtlich anzufechten berechtigt ist, kann der Richter nach seinem Ermessen die Anerkennung oder Vollstreckung versagen oder sie aussetzen und der Partei eine angemessene Frist bestimmen, um vor dem zuständigen Gericht den Ausspruch der Nichtigkeit herbeizuführen“. 69 Art. I Abs. 2 lit. a Genfer Abkommen von 1927: Unwirksame Schiedsvereinbarung. 70 Art. I Abs. 2 lit. c Genfer Abkommen von 1927: Zuständigkeit des vereinbarten Schiedsgerichts. 71 Art. II Abs. 1 lit. b Genfer Abkommen von 1927: Keine Kenntnis vom Verfahren oder fehlerhafte Prozessvertretung. 72 Art. II Abs. 1 lit. c Genfer Abkommen von 1927: Grenzen der Schiedsvereinbarung wurden überschritten.
B. Präklusionswirkungen im New Yorker Übereinkommen
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Partei im Verfahren zum Ausspruch der Nichtigkeit des Schiedsspruchs hätte geltend machen können, dies aber nicht getan hatte.73 b) ICC Entwurf eines neuen Abkommens für die Anerkennung und Vollstreckung von internationalen Schiedssprüchen Bereits während eines Kongresses im Jahre 1951 festigte die ICC die Meinung, dass das System des Genfer Abkommens von 1927 nicht mehr den Bedürfnissen des internationalen Handelsverkehrs entspräche.74 Vorrangig beurteilte die ICC es als Schwäche, dass keine internationalen Schiedssprüche75 existieren würden.76 Die ICC erkannte dabei zwar an, dass die (Handels-)Vertragsbeziehung zwischen den Parteien eines Schiedsverfahrens jeweils einem bestimmen nationalen Recht unterliege; allerdings müsse sichergestellt werden, dass die streitbeilegenden Schiedssprüche überall dort, wo sie Wirkung entfalten sollen, einheitlich anerkannt und vollstreckt würden.77 Im September 1953 legte die ICC dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen78 einen Entwurf eines Übereinkommens zur Vollstreckung internationaler Schiedssprüche79 vor. Die ICC verfolgte damit das Interesse, Schiedsverfahren von nationalen Verfahrensrechten zu entkoppeln. Die Erläuterungen zu diesem Entwurf kritisierten zwei Aspekte: Einerseits wurde als problematisch erachtet, dass der Text des Genfer Abkommens von 1927 auf drei Rechtsmittel zugespitzt sei, nämlich Einspruch, Berufung oder Richtigkeitsbeschwerde80 oder ein Verfahren zur Anfechtung des Schiedsspruchs anhängig sei. Damit bleibe ungeklärt, wie Fälle bewertet werden müssten, in denen diese Rechtsmittel nicht existieren oder wie in einer Rechtsordnung darüber hinaus vorgesehene Rechtsmittel zu behandeln wären.81 Andererseits wurde geltend gemacht, dass unklar bleibe, wie Fälle zu 73 Davon blieben allerdings jene Versagungsgründe unbeeinflusst, die das Gericht gem. Art. II Abs. 1 Genfer Abkommen von 1927 von Amts wegen zu prüfen hatte. 74 ICC Broschüre Nr. 174 (Paris 1953), Verweis aus UN Doc. E/C.2/373, hieraus auch im Folgenden zitiert. 75 Nach diesem Verständnis liegt ein internationaler Schiedsspruch dann vor, wenn er völlig unabhängig von nationalen Gesetzen besteht; UN Doc. E/C.2/373, 7. 76 UN Doc. E/C.2/373. 77 UN Doc. E/C.2/373, 8. 78 UN Economic and Social Council. 79 Enforcement of International Arbitral Awards – Report and Preliminary Draft Convention; wiedergegeben in UN Doc. E/C.2/373, vom ICC Komitee für Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit am 13.03.1953 beraten, Originalquelle der ICC nicht verfügbar; im Weiteren in Bezug genommen als ICC Entwurf von 1953. 80 Art. I Abs. 2 lit. d Genfer Abkommen von 1927, Übersetzung Münchener Kommentar ZPO (2013), Anhang zu § 1061, 4. Abschnitt, im Original: opposition, appel or purvoi en cassation. 81 UN Doc. E/C.2/373, 11.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
handhaben sind, in denen eine Frist überhaupt nicht zu laufen beginne,82 das Rechtsmittel im Ursprungsstaat also dauerhaft geltend gemacht werden konnte.83 Zudem beabsichtigte die ICC, dass die Schiedssprüche von nationalen Rechtsordnungen entkoppelt würden und eine international einheitliche Durchsetzbarkeit erreicht würde.84 Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass eine Notwendigkeit gesehen wurde, die Verfahren für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von ausländischen Schiedssprüchen weiter zu vereinheitlichen bzw. zu verbessern. 2. Verhandlungen zum UNÜ bis zur Unterzeichnung am 10. Juni 1958 Angestoßen durch einen Vorschlag der ICC begannen im Jahre 1953 die Verhandlungen zum UNÜ. Diese Verhandlungen wurden mit der Gründung des Komitees für Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche85 am 6. April 1954 intensiviert86 und gipfelten in der Unterzeichnung des UNÜ am 10. Juni 1958. Das Komitee für Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nahm den Textentwurf der ICC trotz inhaltlicher Kritik als Ausgangspunkt seiner weiteren Beratungen auf.87 Auf diese Verhandlungen und die travaux préparatoires 88 soll hier in Hinblick auf das diskutierte Kriterium der Endgültigkeit eines Schiedsspruchs (a) und einer möglicherweise damit verbundenen Präklusionswirkung eingegangen werden (b). a) Beratungen zum Kriterium der Endgültigkeit eines Schiedsspruchs Das Kriterium der Endgültigkeit89 bestimmt, wann ein Schiedsspruch die Qualität einer verbindlichen abschließenden Entscheidung erlangt hat. Ziel der Beratungen war es, im UNÜ Voraussetzungen zu verankern, wonach nur jene Schiedssprüche anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären sein sollten, deren rechtliche Wirkung fortbestehen würde.90 Eine Auswertung der So bspw. das französische opposition en nullité Verfahren. UN Doc. E/C.2/373, 10–11. 84 UN Doc. E/C.2/373, 7–8. 85 Committee on the Enforcement of Foreign Arbitral Awards. 86 UN Doc. E/2704, E/AC.42/4/Rev.1. 87 UN Doc. E/2704, E/AC.42/4/Rev.1, 5, Rn. 15. 88 Im Einklang mit Art. 32 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (1969), dazu Peters, Völkerrecht, 2012, 111, Rn. 23; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 3. Die Unterlagen zu den Verhandlungen des UNÜ, die travaux préparatoires, können umfänglich abgerufen werden unter: und sind historisch geordnet auch abrufbar unter: . 89 Die englischen Textentwürfe bezeichnen „endgültig“ als „final“ (operative/binding) und die französischen Textfassungen als force de chose jugée. 90 Dazu waren zuvor weitergehende Lösungsansätze diskutiert worden, konnten aber nicht überzeugen; darunter u. a. vereinheitlichte Vollstreckungsverfahrensregeln, ein sum82 83
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Verhandlungen zu diesem Kriterium ist hilfreich, um festzustellen, welche Argumente zum Kriterium der Endgültigkeit ausgetauscht und welche Rechtsmittel zur Beseitigung der Endgültigkeit diskutiert wurden. Untersucht wird, ob auch das Anfechtungs- bzw. Aufhebungsverfahren zu den diskutierten Rechtsmitteln zählte. Der ICC Entwurf von 1953 sah in Abkehr von Art. I Abs. 2 lit. d des Genfer Übereinkommens von 1927 das Merkmal der Endgültigkeit nicht vor;91 abgestellt werden solle allein auf die Frage, ob ein Schiedsspruch aufgehoben worden ist oder nicht.92 Stimmen in der Literatur unterstützen die Kritik am Kriterium der Endgültigkeit im Genfer Übereinkommen von 1927.93 Das Kriterium der Endgültigkeit wurde von der Kommission, trotz Gegenstimmen der Verhandlungsteilnehmer,94 dennoch in einen Entwurf zu Art. III lit. b UNÜ eingefügt.95
marisches Prüfungsverfahren (im Original summary procedure) oder ein Verweis auf die Regelungen zur Vollstreckung nationaler Schiedssprüche. Gerade letztgenannter Vorschlag wurde auch von der Bundesrepublik Deutschland befürwortet, ECOSOC 31.01.1956, Agenda Gegenstand 8, UN Doc. E/2822, 14. Gegen einen Verweis auf das Verfahren für nationale Schiedssprüche sprachen beispielsweise Schwierigkeiten hinsichtlich unterschiedlicher Eigenschaften von nationalen und internationalen Schiedssprüchen, vgl. ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 4. Aufgezeigt wurden zudem praktische Probleme einer uneinheitlichen Anwendung dieser Vorschriften, ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 4. 91 Dieses Merkmal bezeichnete der Entwurf für viele Fälle als „mühsam und unpassend“, ICC Entwurf von 1953, 10. 92 ICC Entwurf von 1953, 11. 93 Eisemann/Mezger/Schottelius, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen, 1958, Mezger, 47. Gerichte interpretierten zumeist, dass ein Schiedsspruch dann „final“ sei, wenn dieser für vollstreckbar erklärt wurde (exequatur), woraus sich später in der Praxis der Begriff double-exequatur herausbildete, van den Berg, in: Blessing (Hrsg.), The New York Convention of 1958, 1996, 25, 87, Rn. 514. 94 Problematisch wurde beurteilt, dass ein Nachweis der Nichtanhängigkeit eines Anfechtungsverfahrens praktisch kaum möglich sei, ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/ CONF.26/2, 7. Diese Kritik übersah aber, dass das Kriterium ja auch als Einrede des Vollstreckungsschuldners hätte ausgestaltet werden können, wie später auch vorgeschlagen wurde; ebenso vermutlich der Vorschlag der Schweiz, siehe 21. Treffen ECOSOC 31.01.1956, Agenda Gegenstand 8, UN Doc. E/2822, 19; und auch Niederlande, siehe ECOSOC 08.04.1958 UN Doc. E/CONF.26/3/Add.1, 4, Rn. 7; später zur Aussetzungsmöglichkeit entwickelt, Art. V bis im Entwurf ECOSOC 02.06.1958 UN Doc. E/CONF.26/ L.40. Auch Organisationen wie die ICC und beispielsweise die Society of Comparative Legislation sprachen sich gegen ein Endgültigkeitskriterium aus. ECOSOC 24.04.1958, UN Doc. E/CONF.26/4, 24 und 27. Zu dem Kriterium der Endgültigkeit sprach sich Belgien dafür aus, die Regelung zu konkretisieren und die Regelung dennoch wortgleich an der Regelung im Genfer Abkommen von 1927 zu orientieren, 21. Treffen ECOSOC 31.01.1956, Agenda Gegenstand 8, UN Doc. E/2822, 16. Deutschland sah in der Endgültigkeit keine praktische Relevanz, der Schiedsspruch müsse nur res judicata Effekt haben, ECOSOC 31.01.1956, Agenda Gegenstand 8, UN Doc. E/2822, 18.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Vielversprechend ist ein Blick auf die daraufhin alternativ zum Kriterium der Endgültigkeit von den Verhandlungsteilnehmern unterbreiteten Vorschläge. Diese umfassten den Ansatz, fortan den Gerichten im Vollstreckungsstaat volle rechtliche Kontrolle über einen Schiedsspruch zuzusprechen.96 Dabei seien einige Versagungsgründe, die ebenso eine Aufhebung des Schiedsspruchs gerechtfertigt hätten, unter bestimmten Umständen ausgeschlossen.97 Dieser Ausschluss sollte wirken, wenn der Antragsgegner versäumt hatte, diese Gründe fristgemäß im Ursprungsstaat vorzubringen.98 Mit diesem Ansatz wäre ein Präklusionsinstitut in das System des UNÜ integriert worden. Andere Stimmen favorisierten eine vollständige Konzentration der rechtlichen Überprüfung eines Schiedsspruchs im Vollstreckungsstaat.99 So wären keine zwei Verfahren im Ursprungs- und Vollstreckungsstaat notwendig. Zudem könnten so Unsicherheiten und Verzögerungen vermieden werden, die dann entstünden, wenn zunächst abgewartet werden müsste, ob die unterlegene Partei alle Rechtsmittel ausschöpfen würde oder nicht.100 Eine solche Lösung hätte allerdings ebenfalls bedeutet, dass die Gerichte des Ursprungsstaats völlig auf eine Kontrolle des Schiedsspruchs hätten verzichten müssen.101 Aus diesem Grund wurde ein solcher Ansatz von zahlreichen Delegationen kritisiert.102 Der Überblick zur Diskussion um das Kriterium der Endgültigkeit zeigt verschiedene Ansätze auf, die mitunter eine Präklusion umfassten; aus diesen Diskussionen allein lässt sich noch nicht abschließend herleiten, ob und wie eine Präklusion in das System des UNÜ implementiert werden sollte und ob eine Präklusion mit dem UNÜ zu vereinbaren war. b) Beratungen zur Präklusionswirkung In den Beratungen diskutierten die Verhandlungsteilnehmer ebenfalls die explizite Verankerung von Präklusionsinstituten. 103 Verknüpft waren die Überlegungen zu Präklusionsinstituten mit den oben angesprochenen Varianten Siehe Erklärung im Bericht der Kommission 28.03.1955, Agenda Gegenstand 14, UN Doc. E/2704: E/AC.42/4/Rev. l, 19. 96 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 8. 97 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 8; im Original: „[…] but that under some circumstances some of the grounds for voiding the award may be presumed not to be applicable unless they had been invoked within a set time-limit before the courts of the country where the award was rendered.“ 98 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 8. 99 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 9–10. 100 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 10. 101 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 10; es sei denn der Gläubiger betreibt auch im Ursprungsstaat die Vollstreckung. 102 ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 10. Die Schiedsorganisationen gingen nicht auf die Vorschläge zur Einführung dieser (Präklusions)-Regelung ein. 103 Zusammengefasst in UN Doc. E/CONF.26/2, 11, Rn. 22. 95
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zum Kriterium der Endgültigkeit bzgl. Art. III lit. b des Kommissionsentwurfs zum UNÜ. Ein Modell sah eine Trennung der rechtlichen Kontrolle zwischen Ursprungsstaat und Vollstreckungsstaat vor und differenzierte nach solchen Gründen, die einerseits eine Aufhebung und andererseits eine Versagung der Vollstreckung begründen würden.104 In den Verhandlungen diskutierten die Delegationen zu diesem Modell eine Präklusionsregel. Demnach müsste ein Schiedsspruch innerhalb einer Frist im Ursprungsstaat aufgehoben worden sein und könnte nach Ablauf dieser Frist in den Vertragsstaaten vollstreckt werden, wobei die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nur noch unter dem Vorbehalt des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung stünde.105 Damit hätte ein umfassendes Präklusionsregime im UNÜ geschaffen werden können. Bemerkenswert sind die Motive für ein Präklusionsinstitut: Verzögerungstaktiken und Taktieren einer Partei beurteilten die Teilnehmer als ein Problem, dem sie entgegentreten wollte, um die Verfahrenseffizienz sicherzustellen. Als Lösung kam dafür eine Präklusionsregelung in Betracht. Verhindern wollte beispielsweise die Delegation des Vereinigten Königreichs, dass eine Partei die Vollstreckung auf unbestimmte Zeit verzögert, indem sie ausschließlich verschleppende Rechtsmittel einlegt. 106 Demnach sollte ein Schiedsspruch vollstreckbar werden, wenn die Anfechtungsfrist nach nationalem Recht verstrichen war oder seit der Zustellung des Schiedsspruchs an die Parteien zwei Monate vergangen waren, wobei auf das frühere Ereignis abgestellt werden sollte.107 Der Ansatz des Vereinigten Königreichs wurde vorübergehend aufgegriffen und mit als Entwurf diskutiert. Dieser Regelungsentwurf begann recht allgemein,108 griff dann aber die Präklusionsidee auf. Sofern ein Schiedsspruch aus einem anderen Vertragsstaat des Übereinkommens Gegenstand des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 8. Im Original: „[…] on the expiring of this time-limit an award which was not set aside by the competent judge would become final and could be enforced in all Contracting State, except where the award had the effect of compelling the Parties to act contrary to the public policy of the country of enforcement“. 106 ECOSOC 03.04.1956, Agenda Gegenstand 8, UN Doc. E/2822/Add.4, 6, Rn. 8. 107 ECOSOC 03.04.1956, Agenda Gegenstand 8, UN Doc. E/2822/Add.4, 6, Rn. 8. Unklar blieb dabei allerdings, ob sich dieser Verweis auf „inländisches/nationales Recht“ nun auf das Recht im Ursprungs- oder Vollstreckungsstaat bezog. Im Original lautet die Anmerkung: „time fixed for appeals by the domestic law“. Denkbar ist, dass damit die Frist im Ursprungsstaat gemeint war, weil dort ein Aufhebungsverfahren durchzuführen wäre; ebenso gut könnte aber auch die Aufhebungsfrist aus dem Vollstreckungsstaat übertragen werden, um nicht auf ausländische Fristen angewiesen zu sein und diese Regelung allein in die Zuständigkeit des Vollstreckungsstaates zu legen. 108 Demnach sollten die Gerichte im Vollstreckungsstaat die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung versagen, wenn einer der fünf Versagungsgründe vorliegt. Zu den fünf Versagungsgründen siehe ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/ CONF.26/2, 8–9, Rn. 17; weiterhin ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, S. 11/12, Rn. 23. 104 105
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
wäre, sollten die ersten drei Versagungsgründe109 ausgeschlossen sein, wenn der Schiedsspruch nicht aus diesen Gründen vom jeweils zuständigen Gericht im Ursprungsland aufgehoben wurde oder der Vollstreckungsgegner innerhalb der im Übereinkommen genannten Frist keine Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingeleitet hat.110 Diese drei Versagungsgründe, die präkludiert werden sollten, erfassten folgende Verfahrensfehler:111 Zunächst das Fehlen einer gültigen schriftliche Schiedsvereinbarung (a). Ein weiterer Verfahrensfehler bestand in der fehlerhaften Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder einem Verstoß gegen die Parteivereinbarung bzw. anwendbare Prozessrecht (b). Der dritte Grund umfasste die fehlende Information über die Benennung des Schiedsgerichts oder den Verfahrensverlauf, eine unangemessen kurze Zeit zur Verteidigung oder die Rechtsunfähigkeit oder unwirksame Vertretung der Partei (c). Dieser Regelungsvorschlag gliederte sich problemlos in das System der Berücksichtigung von Versagungsgründen des Art. V Abs. 1, Abs. 2 UNÜ ein. Die Gründe lit. a-c betrafen allein privatautonome Interessen und sollten auf Vorbringen der Partei berücksichtigt werden, die Gründe lit. d „fehlende Schiedsfähigkeit“ und lit. e „public policy-Verstoß“ betrafen staatliche Regelungsinteressen und waren von Amts wegen zu berücksichtigen.112 Diese Gründe lit. d und lit. e wären von der Präklusionsregelung ausgeschlossen gewesen. Eine Umsetzung dieses Vorschlags wurde vorteilhaft gesehen, weil damit das Vollstreckungsverfahren erheblich vereinfacht und verkürzt worden wäre ohne aber den Rechtsschutz der unterlegenen Partei bzw. die Kontrolle eines Schiedsspruchs zu schmälern.113 Später wurde die Präklusionsvorschrift in Art. IV der Entwurfsversion noch dahingehend konkretisiert, dass „ein Schiedsspruch als anerkennbar und vollstreckbar […] gilt, wenn seit Erlass 60 Tage verstrichen sind oder […] keine weiteren Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt wurden“.114 Zu diesem Verhandlungszeitpunkt, Ende Mai 1958, betrafen die Diskussionen im Schwerpunkt allerdings andere Aspekte, darunter die Versagungsgründe und das Kriterium der Endgültigkeit. Der Vorschlag des Vereinigten Königreichs wurde daher nicht weiter entwickelt.115 Ein anderer Vorschlag zum Kriterium der Endgültigkeit fand größere Beachtung. Demnach sollte die Vollstreckung mangels Endgültigkeit solange versagt werden können, wie der Schiedsspruch im Ursprungsstaat noch mit 109 110 111 112 113 114
fasser.
ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 8–9, Rn. 17(a)–(c). ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 12, Rn. 23. ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 8–9, Rn. 17(a)–(c). So angedeutet in ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 12, Rn. 24. ECOSOC 06.03.1958, UN Doc. E/CONF.26/2, 12, Rn. 24. ECOSOC 27.05.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.24; freie Übersetzung durch den Ver-
Eine Zusammenfassung der jeweiligen Änderungsvorschläge und zum Stand des Entwurfs findet sich in ECOSOC 29.05.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.33/Rev.1. 115
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ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden konnte.116 Umgesetzt wurde diese Regelung hingegen nicht. Stattdessen wurde in den Entwurf zu Art. V bis Abs. 1 eine Formulierung aufgenommen, wonach das Verfahren im Vollstreckungsstaat ausgesetzt werden könnte, wenn die unterlegene Partei den Nachweis erbringt, dass ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat angestrengt wurde.117 Die Arbeitsgruppe griff diesen Vorschlag auf und stimmte zu, dass aus einem Schiedsspruch noch nicht vollstreckt werden solle, solange dieser Gegenstand eines suspensiven Aufhebungsverfahrens ist. 118 Allerdings sei es unrealistisch, die Vollstreckung zu verzögern, bis alle Rechtsmittelfristen verstrichen oder alle Rechtsmittel ausgeschöpft wurden und der Schiedsspruch endgültig („final“) würde.119 Diese Beurteilung drückt eine Tendenz zur Bevorzugung einer effizienten und schnellen Durchsetzung des Schiedsspruchs aus, eine Präklusionswirkung findet sich darin jedoch nicht. c) Verhandlungsergebnisse Große Einigkeit fand sich hinsichtlich des grundlegenden Interesses, die Vorgängerübereinkommen weiterzuentwickeln und für den Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit in Zukunft eine verbesserte Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu erreichen. 120 Die Endgültigkeit des Schiedsspruches wird nun in einer Fortentwicklung des entsprechenden Kriteriums der Endgültigkeit121 unter dem Genfer Abkommen von 1927 als „binding (on the parties)“ bezeichnet.122 Präklusionsvorschläge haben aber weder Einzug in die konsolidierte Fassung des Vorschlags der Arbeitsgruppe von Anfang Juni 1958123 noch in die finale Fassung des UNÜ124 gefunden.125 Die Verhandlun116 ECOSOC 26.05.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.17, 2. Dieser Vorschlag der Niederlande wurde von verschiedenen Seiten gelobt, so bspw. von Frankreich, Italien und der ICC, allerdings bezieht sich das Lob nicht konkret auf die Regelung, ob der Schiedsspruch noch mit ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann, siehe ECOSOC UN Doc. E/ CONF.26/SR.11, 7. 117 ECOSOC 02.06.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.40, 2. Ob allerdings ein Verfahren dort noch fristgemäß angestrengt werden kann, wird von dieser Regelung nicht berücksichtigt. Vielleicht auch deshalb richteten sich hiergegen einige Delegationen. Japan hielt eine Regelung ohne ein Zeitlimit für schwer durchsetzbar, siehe ECOSOC 29.05.1958 UN Doc. E/CONF.26/SR.14, 8. Auch die Delegation aus Italien sprach sich gegen den Vorschlag aus, siehe ECOSOC 29.05.1958 UN Doc. E/CONF.26/SR.14, 8. 118 Art. IV und V in ECOSOC 03.07.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.43, 3. 119 ECOSOC 03.06.1958 UN Doc. E/CONF.26/SR.17, 3. 120 So beispielsweise während der Verhandlungstreffen zwischen dem 20. Mai und 10. Juni 1958 immer wieder zum Ausdruck gebracht, vgl. UN Doc. E/CONF.26/SR.1 und Folgende. 121 Siehe Kapitel 4 – B.II.1.a). 122 Gem. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ. 123 ECOSOC 03.07.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.43, 2. 124 UN Konferenz 20.05.–10.06.1958 UN Doc. E/CONF.26/8/Rev.1.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
gen führten nicht dazu, dass eine Präklusionswirkung in Art. V UNÜ oder in eine andere Vorschrift des UNÜ implementiert wurde.126 Vielmehr einigten die Verhandlungsteilnehmer sich nur auf eine Regelung, wonach es bei einem anhängigen Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat im Ermessen des Gerichts im Vollstreckungsstaat liegt, das Vollstreckungsverfahren auszusetzen und die Hinterlegung einer Sicherheit einzufordern, bis über die Aufhebung entschieden wurde.127 Somit bleibt festzuhalten, dass die Präklusionswirkung zwar Gegenstand aber kein zentrales Thema der Verhandlungen darstellte. Allerdings findet sich in den Verhandlungen zur Präklusion ebenso wenig ein klares Votum gegen eine Präklusionswirkung im Rahmen des UNÜ. 3. Entwicklung des UNÜ und Auslegungsharmonisierung Nicht nur aufgrund der steigenden Zahl an Vertragsstaaten128 wurde und wird das UNÜ allerorts als großes Erfolgsprojekt gesehen,129 das nicht nur rechtliche, sondern ebenso globalpolitische Aussagekraft hat.130 Möchte ein Anwender Regelungsinhalte des UNÜ in ihrem Kontext interpretieren und Entwicklungen nachzeichnen, liegt ein Blick in die travaux préparatoires 131und 125 Art. V UNÜ wurde in seiner endgültigen Fassung mit 31 zu zwei Stimmen bei vier Enthaltungen angenommen, siehe ECOSOC 10.06.1958 UN Doc. E/CONF.26/SR.24, 10. 126 Pauschal und ggf. etwas unvollständig äußerte Bülow, dass bei den Verhandlungen (über die zwei von ihm erwähnten Vollstreckungsabkommen) nie jemand gefordert hat, Präklusionsfristen eines Aufhebungsverfahrens irgendwie bei der Durchsetzung eines Schiedsspruchs in einem Drittstaat zu respektieren, Bülow, NJW 1971, 486, 489. 127 Siehe Art. V in ECOSOC 04.07.1958 UN Doc. E/CONF.26/L.48, 2; bzw. später Art. VI in der finalen Fassung des UNÜ. 128 Kurz nach Inkrafttreten hatte das UNÜ bis Ende 1959 sechs Vertragsstaaten, Anfang der 60er Jahre und in den Folgejahren bis 1979 kamen 48 Staaten hinzu. Bis zum Ende der 90er Jahre kamen dann nochmal weitere 66 Staaten hinzu, sodass das UNÜ zur Jahrtausendwende 120 Vertragsstaaten hatte, . 129 So bspw. Lord Mustill, der 1989 das UNÜ als die effektivste internationale Gesetzgebung in der Geschichte des Handelsrechts bezeichnete, Mustill, J. Int. Arb. (43) 1989, 43, 47 (freie Übersetzung des Verfassers); oder Kronke NYC Commentary, Kronke, The New York Convention Fifty Years on: Overview and Assessment, 2, der das UNÜ als „true success story“ lobte. 130 Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte die Staatengemeinschaft mit dem UNÜ ihre Bereitschaft, durch harmonisiertes Handelsrecht (wieder) einen gemeinsamen Weg einzuschlagen bzw. diesen fortzusetzen, siehe dazu Kronke NYC Commentary, Kronke, The New York Convention Fifty Years on: Overview and Assessment, 2. 131 Deren Aussagekraft und Qualität wird allerdings nicht nur positiv bewertet. Drastisch fällt beispielsweise die Bewertung von Veeder aus. Seiner Meinung nach sind die Materialien unbrauchbar, irrelevant oder falsch und man hätte diese besser in den East River werfen sollen, Veeder, in: Gaillard (Hrsg.), The Review of International Arbitral Awards, 183, 187, siehe ebenso Veeders Vergleich, dort 186. Das hingegen ist eine zu
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die Auswertung von zum UNÜ ergangenen Gerichtsentscheidungen nahe. Hierbei zeigen sich eine unterschiedliche Anwendungspraxis des UNÜ vor staatlichen Gerichten und eine teilweise wahrgenommenen Schwäche einzelner Regelungen des UNÜ, die Anlass für Kritik des ÜNU boten.132 Die weite Verbreitung des UNÜ führt dazu, dass eine einheitliche Interpretation durch die Gerichte der Vertragsstaaten besonders wichtig ist. 133 Dabei ist dem UNÜ ein autonomes Auslegungsverständnis zugrunde zu legen.134 Im Ergebnis bedeuten unterschiedliche Auslegungen, dass der Belegenheitsort des Vollstreckungsgegenstandes über den Erfolg eines Vollstreckungsversuchs entscheiden kann. Diesbezüglich besteht für die Parteien eines Schiedsverfahrens eine Rechtsunsicherheit. Eine unterschiedliche Auslegung wirkt sich auch auf die Beurteilung von Präklusionsinstituten aus. Hier kann ein unterschiedliches Auslegungsverständnis beispielsweise des Art. V UNÜ zu einer Annahme einer Präklusionswirkung oder aber zu dessen Ablehnung führen. Das Resultat wäre, dass eine Partei je nach Vollstreckungsstaat mit ein und denselben vorgetragenen Versagungsgründen in einem Fall präkludiert wäre und im anderen nicht. Knapp 20 Jahre nach Inkrafttreten des UNÜ schlug das AALCC135 zur Diskussion um das sog. Fehlen einheitlicher gerichtlicher Auslegung136 ein Annexprotokoll zur Klarstellung des UNÜ vor.137 Allein die Sammlung von einschlägigen Gerichtsentscheidungen wird die Herausforderung unterschiedlicher Anwendung schwerlich überwinden.138 Aus diesem Grund wurde in der globale Kritik dieses Texterbes, dennoch sollte man sich bei der Auslegung und Interpreation des UNÜ nicht allein auf diese Materialien stützen. 132 Nur beispielhaft sei verwiesen auf Blessing und van den Berg, siehe Materialien der ASA Konferenz 1996 in Zürich, Blessing (Hrsg.): The New York Convention of 1958, 1996; van den Berg (Hrsg.): Improving the Efficiency of Arbitration Agreements and Awards, 1999. Das derzeitige Auslegungsverständnis kann es mit sich bringen, dass ein Schiedsspruch aus Land A in Anwendung des UNÜ in Land B nicht anerkannt wird. Der Schiedskläger kann dann aber möglicherweise aus dem identischen Schiedsspruch in Land C erfolgreich die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung bewirken, obgleich die Ausgangslage durch das UNÜ einheitlich sein sollte. 133 So schon van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 1. 134 UN-Resolution 2205 (XXI) vom 17.12.1966, Para. 40; sowie bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 17. 135 Asian-African Legal Consultative Committee. 136 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 2. 137 UN Doc. A/Cn.9/127, siehe unter: . Es sei angemerkt, dass dieser Vorschlag des AALCC zugleich als Geburtsstunde des UNCITRAL Model Law gesehen wird, siehe Herrmann, Pace Law Review (4) 1984, 537, 539. 138 Aus den Diskussionen um die unterschiedliche Auslegung entwickelte sich der Ansatz, Gerichtsentscheidungen zu vergleichen und damit einen einheitlichen Interpretationsmaßstab zu etablieren. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 3. Siehe dazu ebenso mit einer Zusammenstellung der Rechtsprechung aus zahlrei-
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
mehr als 50-jährigen Geschichte des UNÜ häufiger die Ansicht vertreten, nur eine neue und stark modernisierte Konvention könne die Divergenzen ausräumen.139 Die unterschiedliche Anwendungspraxis und den Wunsch nach Harmonisierung griff Sanders zum 40-jährigen Jubiläum des UNÜ140 auf und schlug vor, die prozessualen Fragen der Vollstreckung uniform zu regeln und damit nationales Schiedsverfahrensrecht zu vereinheitlichen.141 Mit dem Model Law wurde ein Schritt in diese Richtung angestoßen und es haben mittlerweile über 65 Staaten ihr nationales Recht an diesem Modellgesetz ausgerichtet.142 Ebenfalls befürwortete Sanders, die Harmonisierung der Staatenpraxis durch die weitere Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen zu fördern.143 Ebenfalls zum 40-jährigen Jubiläum des UNÜ wies van den Berg noch darauf hin, dass die Gerichte gut mit dem UNÜ klarkämen und eine Überarbeitung nicht notwendig wäre.144 Zum 50-jährigen Jubiläum schlug van den Berg dann aber,145 befeuert durch die zuvor geführten Diskussionen und Streitgespräche, eine überarbeitete Fassung des UNÜ vor.146 Bereits in den Jahren zuvor hatte van den Berg sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Zusatzprotokoll zum UNÜ notwendig wäre und befasste sich in dem Zusammenhang auch mit den rechtstechnischen und politischen Problemen auf dem Weg zu einem neuen Konsens.147 Im Jahre 2008 traf sein Vorschlag für eine überarbeite Fassung nicht auf allseitige Zustimmung. So entgegnete Gaillard auf derselben Konferenz, es bestünde gerade eine Dringlichkeit, das UNÜ chen Ländern und Leitfaden zentraler Probleme ICC International Court of Arbitration (Hrsg.): ICC Guide to National Procedures for Recognition and Enforcement of Awards under the New York Convention, 2012. 139 So bspw. van den Berg, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 649, 667–669, mit Erklärung, 649–666. 140 Anlässlich des 40 jährigen Jubiläums des UNÜ am 10. Juni 1998, vgl. Sanders, Enforcing Arbitration Awards under the New York Convention, Experience and Prospects, 1999. 141 Sanders, Enforcing Arbitration Awards under the New York Convention, Experience and Prospects, 1999, 4. 142 Siehe: . 143 Sanders, Enforcing Arbitration Awards under the New York Convention, Experience and Prospects, 1999, 5. Es lässt einen großen Optimismus erkennen, dass die bloße Veröffentlichung von Entscheidungen mit unterschiedlichen Interpretationsergebnissen bereits zu einer Selbstharmonisierung führen würde. 144 „Don’t change a winning team“, richtete er an die Konferenzteilnehmer, van den Berg, in: van den Berg (Hrsg.), Improving the Efficiency of Arbitration Agreements and Awards, 1999, 25, 34. 145 Anlässlich der International Arbitration Conference in Dublin, 8.–10. Juni 2008. 146 van den Berg, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 649, 667–669, mit Erklärung, 649–666. 147 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 2.
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nicht zu überarbeiten.148 Daneben wurde vorgeschlagen, eine einheitliche Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsinstanz zu etablieren.149 Die einzelnen Streitfragen im Zusammenhang mit der Modernisierung des UNÜ sollen hier nicht im Einzelnen besprochen werden.150 Die Frage zur Präklusion findet, soweit ersichtlich, auch in diesem Rahmen keinen großen Diskussionsraum. Jedenfalls sind aber ebenso wenig Aussagen zu erkennen, die sich klar gegen Präklusionsinstitute richten. Insgesamt lässt sich feststellen, dass zum UNÜ zwar Präklusionswirkungen diskutiert, aber keine entsprechende Regelung beschlossen wurde. Das Fehlen einer solchen Präklusionswirkung gehörte in den Jahren seit Bestehen des UNÜ nicht zu den zentralen Diskussionsthemen, vielmehr wurde schwerpunktmäßig die unterschiedliche Anwendungspraxis vor staatlichen Gerichten diskutiert und kritisiert. III. Zusammenfassung – Präklusionswirkungen im UNÜ Ein einheitliches Bild zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen lässt sich dem UNÜ nicht entnehmen. Dabei handelt es sich bei dem Thema nicht um eine Neuerscheinung, sondern um eine ungelöste Dauerfrage.151 Die Schaffung einer Präklusionswirkung war zwar, wie oben dargestellt,152 Gegenstand der Beratungen und Diskussionen, die zum UNÜ führten. Die unterschiedliche Anwendungspraxis der staatlichen Gerichte leistet ihren eigenen Beitrag dazu, dass kein klares Meinungsbild zu einer Präklusion im eigentlichen Sinne besteht. Die individuelle Anwendungspraxis der staatlichen Gerichte eröffnet Gelegenheiten, rein nationale (Präklusions-)Maßstäbe anzulegen.153 Eine Frage, die sich stellt, ist ob eine Präklusion bei ei148 Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 689, 689–693. Zusammenfassend begründet Gaillard seine Ablehnung damit, dass kein Bedarf bestünde, dass UNÜ zu bearbeiten, keine Gefahr aus der aktuellen Fassung resultiere und letzten Endes keine realistische Chance für eine Überarbeitung existiere, „It can be summarized by what I call the ‘three NOs’: there is no need, no hope and no danger“, dort S. 690. 149 Mangan, Int. A.L.R. 2008, 133, 137. 150 Eine Zusammenfassung findet sich u. a. bei van den Berg, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 649, 649–666; vgl. direkt dazu bspw. auch Lamm, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 697, die van den Berg unterstützt; skeptischer dagegen Brady, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 708, 711; weiterhin mit einer Übersicht bei Kronke NYC Commentary, Kronke, The New York Convention Fifty Years on: Overview and Assessment, 3–6; Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 61–63. 151 So ebenfalls Kröll, IPRax 2007, 430. 152 Siehe hierzu oben Kapitel 4 – B.II.2. 153 Vgl. Alfons, Recognition and Enforcement of Annulled Foreign Arbitral Awards, 2010, 161.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
nem Verstoß gegen Treu und Glauben wirken kann. Das Rechtsprinzip von Treu und Glauben in der Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, venire contra factum proprium, gilt als im UNÜ verankert.154 Es kann also unter näher zu bestimmenden Voraussetzungen zu einer Präklusion bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben kommen. Festzuhalten bleibt, dass das UNÜ keine explizite Regelung zur Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen enthält. Möglicherweise sind dem UNÜ ungeschriebene Präklusionswirkungen zu entnehmen. Der Wirkungsgehalt solcher Präklusionsinstitute ist wiederum durch Auslegung und Anwendung des UNÜ zu bestimmen. Grundsätzlich ist das UNÜ für Präklusionswirkungen offen.
C. Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law C. Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law
Das Model Law enthält ebenfalls Vorschriften, die das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren von Schiedssprüchen regeln. Diese Regelungen finden sich in den Artt. 35 und 36 Model Law. In Ergänzung zum Art. 34 Model Law, der das Aufhebungsverfahren mit den dortigen Präklusionen regelt,155 eröffnet das System der Artt. 35, 36 Model Law dem Schuldner eine zweite Verteidigungslinie gegen den Schiedsspruch. Der Anwendungsbereich der Artt. 35, 36 Model Law ist nicht nur für ausländische, sondern für alle Schiedssprüche im Anwendungsbereich des Model Laws in seinem nationalen Gewand eröffnet.156 Somit hat Art. 36 Model Law einen eigenen Stellenwert gegenüber Art. 34 Model Law und teilweise auch gegenüber dem UNÜ und EuÜ. Einleitend wird das System des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Rahmen des Model Laws dargestellt (I.) um daran anknüpfend Überlegungen zu einer Präklusionswirkung im Rahmen des Art. 36 Model Law zu erörtern (II.). Abschließend wird darauf eingegangen, dass das Verhältnis zwischen einem Aufhebungsverfahren und einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren als dualer Rechtsschutz ausgestaltet ist (III.).
154 Bspw. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 185; Kröll, ZZP 2004, 453, 483; Wolff NYC Commentary, Wolff zu Art. II, Rn. 53, der dies im Rahmen des Art. II UNÜ diskutiert, diese Überlegungen können verallgemeinert werden. 155 Dazu Kapitel 3. 156 UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, Art. 36, 173, Rn. 1.
C. Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law
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I. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren im Rahmen des Model Law Art. 36 Abs. 1 Model Law enthält einen Katalog mit Versagungsgründen, der die Aufhebungsgründe in Art. 34 Abs. 2 Model Law spiegelt und – mit einigen kleinen Korrekturen – inhaltlich dem Katalog in Art. V UNÜ entspricht.157 Anders als Art. 34 Abs. 3 Model Law enthält Art. 36 Model Law jedoch keine explizite Präklusionsvorschrift. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass Art. 36 Abs. 2 Model Law eine Vorschrift zur Aussetzung des Verfahrens enthält.158 Diese Vorschrift wurde als Reaktion auf das Problemszenario einer Doppelkontrolle159 in das Model Law integriert.160 Die Aussetzungsvor157 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 36, 1107, Rn. 4. Der historischen Hintergrund des Art. 36 Model Law soll um folgenden Aspekt ergänzt werden: Zahlreiche Staaten, darunter das Vereinigte Königreich, Indien, Finnland, Österreich, sprachen sich während der Verhandlungen zum Model Law dafür aus, die Artt. 35 und 36 Model Law jedenfalls für ausländische Schiedssprüche zu streichen, siehe 320. Treffen, 12.06.1985 in Yearbook UNCITRAL 1985, Vol. XVI, 459, 460, Rn. 30, 35, 36, 40, siehe unter: . Damit wollten diese Verhandlungsteilnehmer allein dem UNÜ Vorrang gewähren. Allerdings befürchteten andere Staaten, dass das Model Law lückenhaft sein könnte, würden die Vorschriften der Artt. 35 und 36 Model Law ersatzlos gestrichen werden, darunter Schweden, die USA und Frankreich, siehe 320. Treffen, 12. Juni.1985 in Yearbook UNCITRAL 1985, Vol. XVI, 460, Rn. 42, 43, 44, siehe unter: . Die Mehrheit der Staaten sprach sich folglich im Verhandlungsverlauf dafür aus, die Artt. 35 und 36 für das Modellgesetz beizubehalten; diese wurden später in die endgültige Fassung übernommen, siehe Yearbook UNCITRAL 1985, Vol. XVI, dort 461, Rn. 56, 57. 158 Zuvor wurde ein Art. 36 Abs. 2 Model Law diskutiert, mit dem der Antragsgegner im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit seinen Einwendungen während einer laufenden Aufhebungsfrist verpflichtend auf das Aufhebungsverfahren im Sitzstaat verwiesen werden sollte, UN Doc. A/CN.9/246, 37, Art. 36, Rn. 152. Das sollte eine doppelte Überprüfung der identischen Versagungsgründe vermeiden. 159 Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1989, Art. 36, 1062, 1107, Rn. 3–4. 160 Später wurde ein Vorschlag zur Verfahrensaussetzung in Art. 36 Abs. 2 Model Law übernommen, der auf Art. VI UNÜ basierte, UN Doc. A/CN.9/264, 79, Art. 36, Rn. 5. Es kann angenommen werden, dass ein Aufhebungsverfahren in den meisten Rechtssystemen automatisch die Vollstreckung sperrt, ohne dass darüber noch eine Entscheidung getroffen werden müsste, siehe Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 2010, Art. 36, 423, Rn. 8-026. Statt einer verbindlichen Aussetzungswirkung wurde dem Gericht ein Ermessensspielraum eröffnet, Weigand/ Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Roth, 1293, Rn. 14. Durch die Aussetzung wird eine zeitliche Verfahrenshierarchie geschaffen. Dem Schuldner wird auferlegt, erst ein Aufhebungsverfahren durchzuführen, um sich später im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu widersetzen. Auch kann ein Aufhebungsverfahren bereits einen Anerkennungsversagungsgrund i. S. d. Art. 36 Abs. 1 lit. a (v) Mod-
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
schrift kann innerhalb der Frist des Art. 34 Abs. 3 Model Law vermeiden, dass zwei parallele Verfahren laufen. Hier kann keine Präklusionswirkung in Betracht gezogen werden, wenn die Partei ihre Gründe sowohl im Aufhebungsverfahren als auch zugleich im ausgesetzten Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vorbringt. Der praktisch wohl häufigere Fall wird es sein, dass ein Aufhebungsverfahren entweder bereits (erfolglos) abgeschlossen ist oder gar nicht initiiert wurde. Die Diskussion zur Präklusion im Model Law wurde bereits für das Aufhebungsverfahren erörtert.161 Im Folgenden wird geklärt, welche Auswirkungen es im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach dem Model Law hat, wenn eine Partei keine Rechtsmittel wie beispielsweise das Aufhebungsverfahren einlegt. Möglich ist, dass aus dem Unterlassen, ein Aufhebungsverfahren fristgemäß einzuleiten, eine Präklusionswirkung begründet wird. Anknüpfungsmoment für eine solche Präklusion könnte auch hier ein implizit erklärter Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch sein. Eine alternative Anknüpfungsmöglichkeit wäre die Qualifikation als treuwidriges und widersprüchliches Verhalten. Die Frage, ob eine solche Präklusionswirkung angenommen werden kann, war Gegenstand kontroverser Gerichtsentscheidungen. 162 Die Untersuchung, ob eine Präklusion möglich ist, ist nach Art. 36 Abs. 1 lit. a und lit. b Model Law differenziert zu gestalten. In Art. 36 Abs. 1 lit. b Model Law finden sich die Versagungsgründe der Schiedsfähigkeit und des ordre public-Verstoßes. Diese Gründe sind stets von Amts wegen zu prüfen, wie sich sowohl aus ihrem Schutzgehalt als auch aus dem Wortlaut163 erkennen lässt. Damit sind diese Verstöße der Dispositionsbefugnis der Parteien entzogen und eine Präklusion ist ausgeschlossen.
el Law erzeugen. Auf die Frage, ob dem Gericht im Rahmen des Art. 36 Abs. 1 mit dem Wortlaut „[…] may be refused only if“ ein Ermessen eröffnet wird, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, hierzu bspw. Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Roth zu Art. 36 Model Law, 1116, Rn. 14.570. Als einen weiteren Grund, die Aussetzung zu befürworten und trotzdem eine allgemeine Präklusionswirkung zu versagen, kann die Entscheidungsfreiheit der Parteien angeführt werden. Diese Freiheit sollte durch Artt. 34 und 36 Model Law gewahrt werden. Einer Partei sollten gerade mehrere Möglichkeiten offengehalten werden, UN Doc. A/CN.9/246, 38, Rn. 154; vgl. dazu bspw. Erörterungen in PT First Media TBK (formerly known as PT Broadband Multimedia TBK) v. Astro Nusantara International BV and others and another appeal, Supreme Court of Singapore, Court of Appeal, 31.10.2013, [2013] SGCA 57, Rn. 70–74. 161 Siehe Kapitel 3 – B. 162 UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, Art. 36, 177, Rn. 12; bspw. High Court Singapore 10.05.2006, [2006] 3 SLR 174, 206, CLOUT Case 740, Rn. 53. 163 Der Wortlaut des Art. 36 Abs. 1 lit. b Model Law lautet: „[…] if the court finds that: […]“.
C. Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law
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Damit verbleibt die Möglichkeit, jene Gründe in Art. 36 Abs. 1 lit. a Model Law unter bestimmten Voraussetzungen zu präkludieren. II. Präklusionsüberlegungen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungssystem des Art. 36 Model Law Der Präklusionsgedanke wird in den Beratungsunterlagen und Textverhandlungen zum Model Law (1985) an verschiedenen Stellen reflektiert und umfasst ebenfalls einen Vorschlag einer Präklusionsregelung. Dieser Vorschlag bezog sich auf einen als Art. 36 (2bis) Model Law einzufügenden Absatz und hatte folgenden Regelungsansatz: Wenn nicht innerhalb der Frist des Art. 34 Abs. 3 Model Law ein Aufhebungsverfahren betrieben würde, dann sollte sich die Partei, gegen die vollstreckt werden würde, auf keine anderen Versagungsgründe als die in Artt. 36 Abs. 1 lit. a (i)164, (v)165 oder Art. 36 Abs. 1 lit. b166 Model Law beziehen dürfen.167 Es war der Leitgedanke dieses Vorschlags,168 eine Partei dazu zu bewegen, sich schon im Rahmen des Aufhebungsverfahrens mit Gründen gegen den Schiedsspruch zu wehren, um auf diese Weise die gegenläufigen Parteiinteressen zu wahren. Einige Staaten hielten eine solche Präklusionsregelung für notwendig, um die Versagungsgründe für den Fall zu minimieren, dass der Vollstreckungsgegner kein Aufhebungsverfahren durchgeführt hatte.169 Zudem wurde geltend gemacht, dass eine solche Regelung gewährleisten könne, dass eine Partei ihre Versagungsgründe innerhalb der drei monatigen Frist des Art. 34 Abs. 3 Model Law vorbringen würde. Uneinig waren sich die Befürworter dieser Regelung allerdings darüber, ob die Regelung nur für nationale oder auch für internationale Schiedssprüche angewendet werden sollte.170 Die Mehrheit sprach sich gegen einen solchen Art. 36 (2bis) Model Law aus. Diese Kritik wies darauf hin, dass eine entsprechende Präklusion eine Partei auf unverhältnismäßige Weise beschränken würde, wenn sie nicht auswählen könnte, ob und wie sie eine
164 Die Partei war zum Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht fähig bzw. die Schiedsvereinbarung ist ungültig. 165 Der Schiedsspruch ist noch nicht endgültig oder wurde aufgehoben. 166 Der Gegenstand des Streits ist nicht schiedsfähig bzw. das Ergebnis der Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung widerspräche dem ordre public. 167 UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 153; UN Doc. A/CN.9/263, Art. 36, 55. Damit wären die Versagungsgründe, die sich auf folgende Fehler beziehen, ausgeschlossen: Bestellung des Schiedsgerichts bzw. Kenntnis über Beginn des Schiedsverfahrens, der Schiedsspruch ist nicht von Schiedsabrede erfasst oder überschreitet die Schiedsvereinbarung und die Bildung des Schiedsgerichts oder das Schiedsverfahren war nicht im Einklang mit der Parteivereinbarung. 168 Der Vorschlag wurde von Norwegen eingebracht. 169 UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 153. 170 UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 153.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Einrede vortragen will.171 Zudem seien die Aufhebungs- und Anerkennungsund die Vollstreckbarerklärungsverfahren in ihren Wirkungen zu differenzieren.172 Aus diesem Grund müsse eine Partei frei darüber entscheiden können, welches dieser beiden Verfahren sie wählt und ob sie den Schiedsspruch aufheben lassen oder sich gegen dessen Durchsetzung verteidigen wolle. Diese Differenzierung, so die Kritiker, sei ebenfalls im UNÜ angelegt und müsse daher im Model Law entsprechend berücksichtigt werden.173 Eine Beschränkung einer solchen Präklusionsvorschrift auf nationale Schiedssprüche sei zudem keine akzeptable Regelung, weil dies gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Schiedssprüchen unabhängig vom Ursprungsstaat verstieße.174 Dieser Präklusionsvorschlag wurde nicht in die finale Textfassung übernommen. Festzuhalten bleibt, dass Art. 36 Model Law keine explizite Präklusionsvorschrift bereithält, es aber Stimmen gab, die eine entsprechende Regelung forderten. III. Dualer Rechtsschutz im Verhältnis zwischen Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren im Model Law und UNÜ Hinter der Kontroverse zur Präklusionswirkung steht die Frage, in welchem Verhältnis das Aufhebungsverfahren und das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zueinander stehen bzw. wie das Verhältnis im Model Law konzipiert wurde. Wenn die Verfahren in der Art aufeinander aufbauen würden und in einem Rangverhältnis stünden, dass zuerst immer das Aufhebungsverfahren durchzuführen wäre, dann könnte man einer Partei ein Unterlassen des Aufhebungsverfahrens vorwerfen und sie insoweit präkludieren. Dieses Verständnis vermag jedoch nicht zu überzeugen. Das Verhältnis zwischen Art. 34 Model Law und Art. 36175 Model Law war im Zusammenhang mit der Präklusionsfrage in den Jahren nach Verabschiedung des Model Laws zwar Gegenstand kontroverser Gerichtsentscheidungen.176 Oben wurde jedoch bereits auf die mehrheitliche Meinung hingewiesen, dass die Parteien im Anwendungsbereich des Model Laws zwei Verteidigungsmöglichkeiten haben sollen.177 Für das Verhältnis der Verfahren zueinander bedeutet dies, dass sie kumulativ eröffnet sind.178 Eine Partei soll UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 154. UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 154. 173 UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 154. 174 UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 154. 175 Damit zugleich im Sinne eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens unter Art. V UNÜ. 176 Vgl. UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, Art. 36, 175, Rn. 12–14. 177 Siehe Fn. 171. 178 Dies wird durch die in Art. 36 Abs. 2 Model Law eröffnete Aussetzungsmöglichkeit ergänzt. 171 172
C. Präklusionswirkungen in Art. 36 UNCITRAL Model Law
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gerade wählen können, welches Verfahren sie für ihre Verteidigung nutzt. Beide Verfahren sollten unterschiedliche Zwecke haben und auch unterschiedliche Wirkungen zeitigen.179 Die travaux préparatoires drücken das Verständnis aus, wonach das System in seiner endgültigen Ausgestaltung insbesondere das Problem der doppelten Überprüfung hinreichend vermeiden konnte.180 Ebenfalls sind das Aufhebungsverfahren des Model Laws und das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren des UNÜ kumulativ zueinander ausgestaltet.181 Bereits Bülow zeigte allgemein auf, dass keine unmittelbare Verflechtung zwischen Aufhebungsverfahren und Vollstreckungsverfahren besteht, die gegen einen dualen Rechtsschutz späche.182 Aus dem Verhältnis der Verfahren zueinander erwächst ein sog. dualer Rechtsschutz183 und die Parteien können wählen, ob und in welchem Verfahren sie sich gegen einen Schiedsspruch wenden.184 Dabei können sich Parteien für die Verteidigung am Ort des Schiedsverfahrens entscheiden, sog. local remedies, und ihre Verteidigungsstrategie frei gestalten.185 Nicht zu überzeugen vermag die Kritik, dass der Rechtsschutz zweistufig aufgebaut sei und dabei keine Wahl des Rechtsschutzes bestünde.186 Es ist gerade das Konzep des dualen Rechtsschutzes, es der Parteientscheidung zu überlassen, wie sie sich gegen einen Schiedsspruch verteidigt. Der Rechtsschutz im Aufhebungsverfahren und im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ist aktuell nicht als zweistufig, sondern als nebeneinander aufgebaut zu verstehen ist. Eine Partei kann also überlegen, ob sie beide Verfahren oder nur eines der Verfahren wählt, um sich gegen den Schiedsspruch zu verteidigen. UN Doc. A/CN.9/246, 38, Art. 36, Rn. 154. UN Doc. A/CN.9/264, 79, Art. 36, Rn. 5. 181 Vgl. dazu bspw. auch Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 380, der die Verteidigung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren als Ergänzung oder Alternative des Aufhebungsverfahren bezeichnet. 182 Bülow, NJW 1971, 486, 489. 183 Horvath, J. Int. Arb. (26) 2009, 249, 250; Kröll, IPRax 2007, 430, 434. 184 Kröll, IPRax 2007, 430, 434. 185 Sandrock, IPRax 2001, 550, 552, der von der „kleinen und großen Verteidigungsstrategie“ spricht, zwischen denen Parteien wählen können und auf „local remedies“ eingeht; zu Grenzen der „local remedies“ Wagner, in: Wagner/Schlosser (Hrsg.), Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 1, 64–65; zur Doppelkontrolle Bernuth, Die Doppelkontrolle von Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte, 1995, 33. 186 Merkt argumentiert, dass „Dualität nicht zwingend gleichbedeutend mit Alternativität“ sei, Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1316. Der zweistufige Rechtsschutz im Aufhebungsverfahren des Ursprungsstaats und im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren des Vollstreckungsstaats untersage es einem Gesetzgeber nicht, eine Präklusion von Versagungsgründen im Vollstreckungsstaat am Recht des Ursprungsstaats auszurichten, Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1316; dazu auch umfassend in Kapitel 4 – E.I.2.b). 179 180
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Wer die überzeugende Feststellung der kumulativen Verfahrensausgestaltung (dualer Rechtschutz)187 mit den oben genannten kritikwürdigen Überlegungen zum sog. transnational approach188 kombiniert, stößt auf die Frage, welchen Stellenwert ein Aufhebungsverfahren überhaupt noch hätte. Nach dem transnational approach ist die Reichweite der Aufhebung eines Schiedsspruchs auf den Ursprungsstaat beschränkt.189 Der transnational approach vermag hingegen nicht zu überzeugen.190 Die Hoheit über die Aufhebung eines Schiedsspruchs, also dessen endgültige Beseitigung, liegt am Ort des Schiedsverfahrens. Unter dessen Verfahrensrecht hat das Verfahren stattgefunden und in diesem Rechtssystem ist der Schiedsspruch entstanden.191 Damit ist auch das Aufhebungsverfahren als solches nicht gefährdet und hat weiterhin eine elementare Rolle.192 Eine Partei soll sich entscheiden können, ob sie im Ursprungsstaat ein Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch einleitet, den Schiedsspruch somit beseitigt und sich damit auch einen Versagungsgrund i. S. d. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ schafft oder ob sie sich isoliert im Vollstreckungsstaat gegen den Schiedsspruch verteidigt. Weder das System zwischen Art. 34 und Art. 36 Model Law, noch allgemein zwischen dem Aufhebungsverfahren und dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren determinieren eine Verteidigungslinie der Parteien. Überzeugend ist es, mit der überwiegenden Ansicht anzunehmen, dass das Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren aus interner Beurteilung des Model Laws und im Verhältnis zum UNÜ zur Wahl einer Partei steht und in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ein dualer Rechtsschutz gewährt wird. IV. Zusammenfassung – Präklusionswirkung in Art. 36 Model Law Im Unterschied zu Art. 34 Model Law enthält Art. 36 Model Law keine explizite Präklusionsvorschrift. Allerdings lässt sich aus den travaux préparatoires zum Art. 36 Model Law entnehmen, dass einige Staaten eine entsprechende Präklusionsvorschrift für notwendig hielten; eine solche VorHorvath, J. Int. Arb. (26) 2009, 249, 250; Kröll, IPRax 2007, 430, 434. Dazu Kapitel 3 – A., dort Fn. 25. 189 Vgl. van den Berg, ICSID Review 2014, 1. Ausführungen wie jene von Gaillard, der eine internationale Auswirkung der Aufhebung gänzlich ausschließt, befeuern solche Gedanken zum Stellenwert des Aufhebungsverfahrens: „In other words, the position taken by the courts of the seat of arbitration with respect to the validity of the award have no absolute effect in other legal systems“, Gaillard, New York Law Journal 2007, 1, 2. 190 Auch van den Berg kritisierte das Vorgehen französischer Gerichte: „France cannot be the example as it operates outside the New York Convention […]“, siehe van den Berg, ICSID Review 2014, 24. 191 An dieser Stelle als knappe Stellungnahme, vgl. zur Übersicht der Diskussion die Darstellung in Kapitel 3 – A., insbesondere dort Fn. 22–25. 192 van den Berg, ICSID Review 2014, 26. 187 188
D. Präklusionsregelungen im Europäischen Übereinkommen
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schrift konnte sich jedoch nicht in die endgültige Textfassung durchsetzen. Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren stehen in der Beurteilung des Model Laws zur Wahl der Parteien, um einen dualen Rechtsschutz zu ermöglichen.
D. Präklusionsregelungen im Europäischen Übereinkommen D. Präklusionsregelungen im Europäischen Übereinkommen
Neben dem UNÜ und dem Model Law ist bei der Durchsetzung ausländischer Schiedssprüche das EuÜ zu berücksichtigen und daher auf eventuelle Präklusionsinstitute hin zu untersuchen. Das EuÜ hat in Teilen einen weitergreifenden Regelungsgehalt als das UNÜ.193 Mit Blick auf die Entwicklung des EuÜ ist die Vertragsstaatenliste194 im historischen Kontext zu sehen. In den 1960er und Folgejahren war die Schiedsgerichtsbarkeit häufig die einzige akzeptierte Möglichkeit, Streitigkeiten in Handelsbeziehungen zwischen sowjetischen und westlichen Parteien beizulegen.195 Das EuÜ zielte vor diesem Hintergrund darauf ab, ein neutrales Regelwerk für Handelsstreitigkeiten zwischen
193 Zugleich wird auch das EuÜ als erfolgreich beurteilt, Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 138, Rn. 274. Die Entstehungsgeschichte des EuÜ reicht zeitlich sogar weiter zurück als die des UNÜ, näher dazu Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 139, Rn. 275. 194 Vertragsstaaten sind: Albanien, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Burkina Faso, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Kasachstan, Kroatien, Kuba, Lettland, Luxemburg, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Weißrussland; mit Anpassung und Korrektur aus Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen vor Art. I EuÜ, Stand: 31.08.2015; vgl. auch Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 93, dort in Fn. 3. Der Betrachter der Vertragsstaatenliste stellt fest, dass zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten nicht dabei sind: Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Litauen, Malta, Niederlande, Portugal, Schweden, Vereinigtes Königreich und Zypern. Fast ebenso lang ist die Liste der geographisch europäischen Staaten, die das EuÜ nicht ratifiziert haben: Andorra, Island, Kosovo, Liechtenstein, Monaco, Norwegen, San Marino, Schweiz und der Staat Vatikanstadt. Die Schnittmenge jener europäischen Staaten, die weder Vertragsstaaten des EuÜ noch des UNÜ sind, ist überschaubar, nur Andorra und Kosovo finden sich in dieser Gruppe. Es mag verwundern, dass einige der europäischen Staaten und EU-Mitgliedsstaaten dem EuÜ nicht beigetreten sind, obgleich das EuÜ als europäisches Übereinkommen ausgerichtet wurde. Hierfür lassen sich allerdings keine zentralen und einheitlichen Gründe finden; jeder Staat entschloss sich aus individuellen Beweggründen, dem EuÜ nicht beizutreten; auch Kröll umschreibt sie nur als „verschiedene Gründe“, Kröll, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 3, 5. 195 Vgl. Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 93, 95.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Parteien aus west- und osteuropäischen Ländern bereitzustellen.196 Das EuÜ gilt als Ergänzung zum UNÜ und soll einige Fragen klären, die das UNÜ nicht regelt.197 Wie Art. X EuÜ klarstellt, soll es den Anwendungsbereich anderer Übereinkommen nicht überlagern.198 Ein staatliches Gericht prüft im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sowohl die Anwendbarkeit des UNÜ als auch des EuÜ.199 Einleitend wird der Anwendungsbereich des EuÜ vorgestellt (I.). Daran anknüpfend werden Präklusionswirkungen in Art. V Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 EuÜ (II.) sowie eine Präklusion im Vollstreckungsverfahrensverfahren unter dem EuÜ erörtert (III.). I.
Anwendungsbereich des EuÜ
Aus Art. I Abs. 1 lit. a EuÜ ergibt sich, dass das EuÜ unabhängig davon Anwendung findet, ob der Ort des Schiedsverfahrens in einem Vertragsstaat liegt oder nicht.200 Der sachliche Anwendungsbereich201 ist gem. Art. I Abs. 1 lit. a 196 Kröll, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 3, 4; Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 93. 197 Kronke NYC Commentary, Otto zu Art. VII, 451. 198 Das EuÜ enthält keine Regelungen zur Vollstreckung der Schiedsvereinbarung und des Schiedsspruches und kann insoweit nicht ohne das UNÜ angewendet werden, van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 96. Die praktische Relevanz des EuÜ steht danach weit hinter jener des UNÜ. Pitkowitz alarmiert gar, dass das EuÜ in der Praxis häufig unbeachtet bleibe, Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 93, 94 und weist darauf hin, dass aktuell eine Arbeitsgruppe eine Überarbeitung des EuÜ prüft, Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 93, 109, dort in Fn. 77 mit Verweis auf . 199 Bspw. gilt der Vorrang des EuÜ für Deutschland gem. § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO. 200 Vertiefend zum Anwendungsbereich siehe bspw. Kröll, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 2013, 3, 4–6; Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 2013, 93, 99–107. Damit propagiert das EuÜ ein weites Verständnis und einen neuen Ansatz, Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 141, Rn. 280. 201 Im Nachgang zur Unterzeichnung und Ratifikation wurde der Anwendungsbereich des EuÜ durch zwei Übereinkommen beschränkt, die jeweils wiederum nur von einem kleinen Anteil der EuÜ-Vertragsstaaten ratifiziert wurden. Zunächst durch die „Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit“, unterzeichnet in Paris am 17. Dezember 1962; mit Übersicht zur Ratifikation, amtl. Übersetzung unter: ; später dann durch die Konvention zu Schiedsverfahren in Zivilstreitigkeiten aus wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen (Übersetzung durch den Verfasser), unterzeichnet in Moskau 26. Mai 1972. Letzteres hat heute keine Bedeutung mehr, wie Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 23, Rn. 2-26 feststellen. Nur Russland ist demnach (ebendort Fn. 15) noch Vertragsstaat.
D. Präklusionsregelungen im Europäischen Übereinkommen
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1. Hs. EuÜ für alle Schiedsvereinbarungen eröffnet, die sich auf ein internationales Handelsgeschäft beziehen.202 Das EuÜ stellt ein neutrales Verfahrensrecht zur Verfügung.203 Anders als der missverständliche Titel des Art. IX EuÜ (Aufhebung des Schiedsspruches) erwarten lassen könnte,204 regelt diese Vorschrift nicht die Gründe für die Aufhebung eines Schiedsspruches, sondern vielmehr die Wirkung der Aufhebung eines Schiedsspruchs in anderen Vertragsstaaten. Der Anwendungsfall des Art. IX EuÜ liegt also nicht im Aufhebungs-, sondern im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren des Schiedsspruchs. Hat ein Vertragsstaat des EuÜ auch das UNÜ ratifiziert, führt Art. IX Abs. 2 EuÜ dazu, dass die Wirkung einer Aufhebungsentscheidung gem. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ auf die in Art. IX Abs. 1 lit. a-d genannten Aufhebungsgründe beschränkt wird.205 Nun soll an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden, welche konkrete Wirkung Art. IX EuÜ entfaltet. Von Interesse ist vielmehr, die Darstellung dessen, ob und wie eine Präklusionswirkung im Zusammenspiel der Art. V EuÜ und Art. IX EuÜ eintritt. II. Präklusionswirkungen in Art. V Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 EuÜ Das EuÜ sieht in Art. V die Möglichkeit einer Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts vor und knüpft diese Einrede an Fristen, innerhalb derer die Einrede vorzubringen ist. Wird die Einrede nicht fristgemäß erhoben, ist diese für das weitere Verhältnis zwischen den Parteien präkludiert. 1. Einer Präklusion unterliegende Einredemöglichkeiten Sofern eine Partei sich nicht an die zeitlichen Grenzen206 hält,207 können die Einreden gem. Art. V Abs. 2 S. 1 EuÜ sowohl im schiedsrichterlichen VerVertiefend hierzu Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. I EuÜ, Rn. 3–8; Pitkowitz, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 93, 103–105. 203 Kröll, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 3, 7. Das EuÜ soll Fragen im Schiedsverfahren regeln, von der Schiedsvereinbarung (Art. II EuÜ) über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Artt. III, IV und Annex EuÜ) bis zum Schiedsspruch (Artt. VII, VIII und IX EuÜ). 204 Kröll, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 3, 17. 205 Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. IX EuÜ, Rn. 2. 206 Zunächst kann eine Partei die Einrede erheben, wenn die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts damit begründet wird, „die Schiedsvereinbarung bestehe nicht, sei nichtig oder sei hinfällig geworden“ gem. Art. V Abs. 1 S. 1, 1. Hs. EuÜ. Weiterhin kann die Einrede erhoben werden, wenn sie „damit begründet (wird), der Streitpunkt überschreite die Befugnisse des Schiedsgerichts“ gem. Art. V Abs. 1 S. 1, 2. Hs. EuÜ. Im ersten Fall ist die Einrede „im schiedsrichterlichen Verfahren spätestens gleichzeitig mit Einlassung zur Hauptsache vorzubringen“; im zweiten Fall ist die Einrede vorzubringen, „sobald der Streitpunkt, der die Befugnisse des Schiedsgerichts überschreiten soll, in dem schiedsrich202
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fahren als auch in einem späteren staatlichen Gerichtsverfahren „in der Hauptsache oder über die Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht mehr geltend gemacht werden“. Die Präklusion greift allerdings gem. Art. V Abs. 2 S. 1, 1. Hs. EuÜ nur, „sofern es sich um Einreden handelt, die zu erheben den Parteien nach dem Recht überlassen ist, welches das mit der Hauptsache oder mit der Vollstreckung des Schiedsspruches befasste staatliche Gericht nach seinen Kollisionsnormen anzuwenden hat“. Damit wird eine Unterscheidung danach getroffen, ob die Einrede zur Disposition der Partei steht oder von Amts wegen zu berücksichtigen ist.208 Die Präklusion erstreckt sich nicht nur auf das Schiedsverfahren, sondern ausweislich des Wortlauts auch auf ein späteres Vollstreckungsverfahren vor einem staatlichen Gericht.209 Beachtlich ist daneben die Feststellung des beschränkten Umfangs der Einreden in Art. V Abs. 1 EuÜ. Obgleich sich der Anwendungsbereich des EuÜ insgesamt auf schiedsrichterliche Verfahren erstreckt, umfasst Art. V Abs. 1 EuÜ nur die Wirkung der Schiedsvereinbarung und die Überschreitung der Kompetenz des Schiedsgerichts. Diese zwei Anknüpfungsmomente sind vergleichsweise begrenzt, wenn dies mit Aufhebungsgründen aus Art. 34 Abs. 2 Model Law einerseits und den Anerkennungsversagungsgründen des Art. V UNÜ andererseits verglichen wird.210 Der Wortlaut des EuÜ spricht daher dafür, keine Ausweitung dieser Präklusion auf andere Gründe zuzulassen. Wird zudem berücksichtigt, dass das EuÜ dem UNÜ nachfolgte, kann aus dem Auslassen bestimmter Gründe, wie der Präklusion, geschlossen werden, dass diese nicht geregelt werden sollten. 2. Präklusion nur bei Einlassung zur Hauptsache Ob die Präklusion dann Einschränkungen erfährt, wenn eine Partei sich gar nicht zur Hauptsache äußert, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht ist es für eine Präklusionswirkung unschädlich, wenn die Schiedsbeklagte terlichen Verfahren zur Erörterung kommt“, Wortlaut des EuÜ nach Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zum EuÜ. 207 Und zudem das Schiedsgericht die Einrede nicht aus einem gerechtfertigten Grund gem. Art. V Abs. 1 S. 2 EuÜ dennoch zulässt. 208 Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ, Rn. 9; dieser Gedanke wurde auch im Rahmen der Präklusionsregelungen des Model Laws entsprechend reflektiert. 209 Art. V Abs. 2 S. 1 EuÜ. 210 Nicht umfasst ist beispielsweise, dass eine Partei von der Bestellung des Schiedsrichters oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder aus einem andern Grund ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können, Art. IX Abs. 1 lit. b EuÜ, Art. 34 Abs. 2 lit. a (ii) Model Law, Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ. Ebenso wenig umfasst ist ein Abweichen von der Parteivereinbarung bei Bildung des Schiedsgerichts oder des schiedsgerichtlichen Verfahrens, Art. IX Abs. 1 lit. d EuÜ, Art. 34 Abs. 2 lit. a (iv) Model Law, Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ.
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überhaupt nicht am Verfahren teilnimmt.211 Zu begründen sei dies damit, dass sonst eine böswillige Partei, die sich ungerechtfertigter Weise vom Verfahren fernhält, bevorteilt würde.212 Dies sei zu vermeiden, die redliche Partei könne sich über das Sicherheitsventil213 der entschuldigten Verspätung schützen. Bekräftigt wurde diese Sicht früher durch die Rechtsprechung. 214 Bülow war anfangs ebenfalls noch Befürworter dieser Ansicht.215 Der Wortlaut des Art. V EuÜ wurde dafür angeführt, dass eine Präklusion dann anzunehmen sei, wenn eine Partei die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nicht gerügt hatte – unabhängig von einer Einlassung zur Hauptsache.216 Dagegen wendet sich die nun weit überwiegende Meinung und beschränkt die Präklusionswirkung auf solche Fälle, in denen die Beklagte im Schiedsverfahren sich zur Hauptsache eingelassen hat und damit die Möglichkeit der Einrede im Verfahren tatsächlich bestand.217 Erst dann, wenn eine Partei sich zur Hauptsache eingelassen habe, werde sie durch Art. V EuÜ verpflichtet. Nach einem intensiven Diskurs mit Mezger schloss sich Bülow ebenfalls der Ansicht an und gab seine alte Meinung explizit auf.218 Vertreter dieser Ansicht verweisen auf den Wortlaut des Art. V EuÜ, der so zu verstehen sei, dass die Rügeobliegenheit nur im Falle der Einlassung zur Hauptsache greift.219 Zudem wird die Entstehungsgeschichte des EuÜ angeführt. Ursprünglich enthielt der Entwurfstext eine Regelung, wonach ebenfalls die Säumnis, also das Nichtverhandeln, zur Präklusion hätte führen können.220 Dieser Regelungsansatz wurde nach diversen Diskussionen dann allerdings aufgegeben.221 Damit sollte Art. V EuÜ nur dann Wirkung entfalten, wenn 211 Mezger, AWD 1971, 322, 324, hält eine Entscheidung offen, hat aber eine gewisse Tendenz (dort Fn. 21) für die Sicht von Kaiser, Kaiser, Das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, 1967, 116–117. 212 Kaiser, Das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, 1967, 116–117. 213 Kaiser, Das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, 1967, 116–117. 214 BGH, Urt. vom 12.02.1976 – III ZR 42/74, AWD 1976, 449, 451; das OLG Frankfurt/Main hatte als Vorinstanz eine Präklusion gem. Art. V EuÜ abgelehnt, weil die beklagte Partei sich nicht zur Hauptsache eingelassen hatte. 215 Bülow, NJW 1971, 486, 491. 216 So im Ergebnis ebenfalls Kaiser, Das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, 1967 117; dort soll auf die Verspätungsentschuldigung ausgewichen werden. 217 Bülow, NJW 1972, 415, 419; Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ, Rn. 6; Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 159; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, Rn. 814. 218 Bülow, NJW 1972, 415, 419. 219 Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 159. 220 Bülow, NJW 1972, 415, 419, dort Fn. 35 mit Verweis auf ECE-Doc. Trade 80 – Trade/WP 1/33, 22.05.1959 Annexe II, p 4, No 20; ECE-Doc. zitiert nach Bülow. 221 Siehe Fn. 220.
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eine Partei auch zur Hauptsache verhandelt hat. Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte und deren Erörterungen ist es hier vorzugswürdig, eine Präklusion unter dem EuÜ nur dann anzunehmen, wenn sich eine Partei auf das Verfahren zur Hauptsache eingelassen hat. Der Wortlaut der Vorschrift unterstützt diese Sicht. In Art. V EuÜ wird konkret an „die“ Schiedsvereinbarung angeknüpft. Hätte der Gesetzgeber eine grundsätzliche Rügepflicht im Schiedsverfahren begründen wollen, hätte der Wortlaut unspezifischer als „eine“ Schiedsvereinbarung gestaltet werden müssen. Zudem gibt die Regelung vor, dass die Einrede „spätestens gleichzeitig mit ihrer Einlassung zur Hauptsache vorzubringen“222 ist. Dieses Regelungssystem in Art. V Abs. 1 1, 1. Hs. EuÜ deutet darauf hin, dass eine Einlassung zur Hauptsache erfolgt, indem allein eine zeitliche Voraussetzung („spätestens gleichzeitig“) geschaffen wird. Andernfalls hätte der Gesetzgeber die Regelung explizit auf eine isolierte Einrede ausrichten müssen. In Ermangelung einer solchen Regelung lässt sich eine Pflicht, die fehlende Zuständigkeit immer im schiedsgerichtlichen Verfahren zu rügen, hier nicht entnehmen. Denkbar wäre hingegen, dass eine rügelose Einlassung die fehlende Schiedsvereinbarung substituiert. Die rügelose Einlassung kann dann als Schiedsvereinbarung gewertet werden. Dann wäre insoweit eine Heilung denkbar und somit ausgeschlossen, dass eine Partei sich auf den Mangel beruft. Damit das System des Art. V Abs. 1 EuÜ nicht unterlaufen wird muss hier aber gefordert werden, dass die Partei, die sich rügelos einlässt, Kenntnis von den Umständen der zunächst fehlenden Zuständigkeit hat. Denn nur dann kann der rügelosen Einlassung der Erklärungsgehalt zugemessen werden, das Schiedsverfahren fortzuführen. III. Präklusion im Vollstreckungsverfahren unter dem EuÜ Die Formvorschrift in Art. I Abs. 2 lit. a EuÜ,223 die die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung definiert, wird als Einrede über Art. V Abs. 2 S. 1 EuÜ224 Wortlaut zitiert nach Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ. Art. I Abs. 2 lit. a EuÜ „Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet ‚Schiedsvereinbarung’ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen, Telegrammen oder Fernschreiben, die sie gewechselt haben, enthalten ist und, im Verhältnis zwischen Staaten, die in ihrem Recht für Schiedsvereinbarungen nicht die Schriftform fordern, jede Vereinbarung, die in den nach diesen Rechtsordnungen zulässigen Formen geschlossen ist“. 224 Art. V Abs. 2 S. 1: „Werden die in Absatz 1 bezeichneten Einreden der Unzuständigkeit nicht in den dort bestimmten zeitlichen Grenzen erhoben, so können sie, sofern es sich um Einreden handelt, die zu erheben den Parteien nach dem von dem Schiedsgericht anzuwendenden Recht überlassen ist, im weiteren Verlauf des schiedsrichterlichen Verfahrens nicht mehr erhoben werden; sie können auch später vor einem staatlichen Gericht in einem Verfahren in der Hauptsache oder über die Vollstreckung des Schiedsspruches nicht 222 223
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i. V. m. Art. V Abs. 1 EuÜ erfasst. Geklärt werden soll nun aber, ob und wie sich diese oben genannten Anknüpfungsmomente mit der Präklusionsregelung in Art. V Abs. 2 S. 1 EuÜ in Verbindung bringen lassen. Insoweit stellt sich die Frage, ob nur jene zwei Gründe in Art. V Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. V Abs. 2 S. 1 EuÜ225 von einer Präklusion erfasst sind oder ob sich eine Präklusion auch auf die Gründe des Art. IX EuÜ226 erstreckt beziehungsweise erstrecken lässt. Sofern Art. V Abs. 1 S. 1 EuÜ eine abschließende Regelung darstellt, kann darüber hinaus keine Präklusion angenommen werden, weder hinsichtlich der Bildung und Besetzung des Schiedsgerichts und hinsichtlich der Einhaltung der Parteivereinbarung zum Verlauf des Schiedsverfahrens noch hinsichtlich versäumter Aufhebung.227 Zunächst ist zu untersuchen, ob Art. V Abs. 1 S. 1 EuÜ abschließend formuliert ist oder ob mit einem weiten Verständnis andere vergleichbare Gründe in Art. V Abs. 1 S. 1 EuÜ hineingelesen werden könnten. Entscheidend ist hierfür, ob eine Analogiebildung im Rahmen einer Verwirkungsvorschrift wie Art. V Abs. 1 S. 1 EuÜ zugelassen werden kann. Schon wenige Jahre nach Inkrafttreten des EuÜ vertrat Mezger die These, dass die Beschränkung auf jene in Art. V Abs. 1 und Abs. 2 EuÜ genannten Einreden nicht überzeuge.228 Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Einrede des Verstoßes gegen die Parteivereinbarung anders beurteilt werden solle.229 Hingegen hielten andere es für ausgeschlossen, im Rahmen
mehr geltend gemacht werden, sofern es sich um Einreden handelt, die zu erheben den Parteien nach dem Recht überlassen ist, welches das mit der Hauptsache oder mit der Vollstreckung des Schiedspruches befasste staatliche Gericht nach seinen Kollisionsnormen anzuwenden hat.“ Wortlaut zitiert nach Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ. 225 Also erstens die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts mangels wirksamer Schiedsvereinbarung und zweitens die Einrede, der Streitpunkt überschreite die Befugnisse des Schiedsgerichts. 226 Es könnte zunächst überraschen, dass Art. IX EuÜ weder die mangelnde objektive Schiedsfähigkeit noch den ordre public-Verstoß aufgreift; van den Berg hält Art. IX EuÜ für eine intelligente Lösung, denn so könne der nationale ordre public des Ursprungsstaats ausgeklammert werden, van den Berg, ICSID Review 2014, 1, 12. Der BGH entschied, dass Art. IX Abs. 1 EuÜ den nationalen ordre public-Verstoß nicht erfasst, siehe BGH, Beschl. vom 23.04.2013 – III ZB 59/12, SchiedsVZ 2013, 229. Dies bedeutet allerdings nicht, dass solche Verstöße unter dem EuÜ hinzunehmen wären. Hintergrund der Regelung ist, dass es der nationalen Rechtsordnung überlassen ist, über die objektive Schiedsfähigkeit und eine eventuellen ordre public-Verstoß zu entscheiden, Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. IX EuÜ, Rn. 11. 227 Konkret stellt sich die Frage, wie es zu bewerten ist, wenn der Schuldner ein – unterstellt aussichtsreiches – Aufhebungsverfahren nicht durchführt und sich dann auf Art. IX Abs. 1 lit. a–d EuÜ berufen möchte. 228 Mezger, RabelsZ 1965, 231, 266, Nr. 9. 229 Mezger, RabelsZ 1965, 231, 266, Nr. 9.
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des Art. V Abs. 1 EuÜ eine Analogie zuzulassen.230 Dies wurde mit dem Ausnahmecharakter der Verwirkungsvorschrift begründet. Gerade diese stünde einer Analogie grundsätzlich im Wege.231 Diese Argumente und Kaisers Verweis232 auf die Vorarbeiten zum EuÜ überzeugen, hier von einem restriktiven Anwendungsbereich auszugehen. Eine andere Bewertung ließe sich möglicherweise aus dem Regelungsinteresse des Präklusionsinstituts im EuÜ herleiten. Das Regelungsinteresse in Art. V EuÜ ist es, mit der Präklusion die Zuständigkeitsrügen innerhalb einer bestimmten Frist zu konzentrieren, um so den Verlauf eines Schiedsverfahrens zu beschleunigen.233 Allerdings zielt dies nur auf die Zuständigkeitsrügen und nicht auf andere Gründe wie beispielsweise die Benennung oder Besetzung des Schiedsgerichts ab. Aber ebenso hinsichtlich jener nicht erfassten Gründe ließe sich eine Beschleunigung des Schiedsverfahrens dadurch bewirken, dass die Partei mit bestimmten Einreden ausgeschlossen wäre. Dies könnte dafür sprechen, hinsichtlich der Gründe in Art. IX Abs. 1 EuÜ eine Präklusion im Sinne des Art. V Abs. 2 1 EuÜ vorzusehen. Damit würde der Anwendungsbereich des Art. V Abs. 2 EuÜ jedoch entgegen seines Wortlauts ausgeweitet werden. Das überzeugt jedoch nicht, weil hier das Ziel einer Verfahrensbeschleunigung nicht den restriktiven Anwendungsbereich und den Ausnahmecharakter der Vorschrift überwinden kann. Zudem steht auch der Wortlaut des Art. IX EuÜ einer Analogie entgegen. Art. IX Abs. 1 EuÜ stellt klar, dass die Vollstreckung dann versagt wird, wenn die Aufhebung eines Schiedsspruchs, der unter das EuÜ fällt, „ausgesprochen worden ist“.234 Der Schuldner kann sich im Rahmen des EuÜ nicht auf weitere Gründe berufen.235 Im Rahmen des Art. IX EuÜ ist es nicht von Bedeutung, ob der Schuldner den Aufhebungsantrag beim zuständigen Gericht fristgerecht erhoben hat oder nicht, sofern eine Aufhebung vorliegt, ist allein diese Entscheidung maßgeblich.236 230 Kaiser, Das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, 1967, 115, der sich auf die Vorarbeiten zum EuÜ bezieht, hierzu liefert Kaiser weitere Nachweise dort in Fn. 27; Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ, Rn. 7; Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl. (2004), Hausmann, Rn. 3365. 231 Im Ergebnis so z. B. BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 106. 232 Siehe Kaiser in Fn. 230. 233 Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ, Rn. 1. 234 Siehe Art. IX Abs. 1 EuÜ und wenn die Aufhebung auf einem der Gründe der lit. a–d beruht. 235 Daneben ist zu zu beachten, dass ein anhängiges Aufhebungsverfahren unbeachtlich ist; die Aufhebung muss bereits ausgesprochen sein, wenn der Schuldner dies im Vollstreckungsverfahren vorbringen möchte. 236 Siehe dazu OLG München, Beschl. vom 30.07.2012 – 34 Sch 18/10, SchiedsVZ 2012, 339, 341.
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Bisher blieb unberücksichtigt, dass der Wortlaut des Art. IX Abs. 1 EuÜ eine Präklusion vorhalten könnte. Betrachtet der Anwender den Wortlaut detailliert, könnte dieser so interpretiert werden, dass eine Aufhebung eben nur dann berücksichtigt wird, wenn der Schuldner ein Aufhebungsverfahren basierend auf den in Art. IX EuÜ genannten Gründen mit Erfolg durchgeführt hat. Unterlässt der Schuldner es, ein Aufhebungsverfahren durchzuführen, wären in der Konsequenz die möglichen Angriffspunkte im Rahmen des EuÜ auch ausgeschlossen, sofern diese nicht unter Art. V Abs. 1 EuÜ fallen. Dies hingegen würde den Anwendungsbereich des Art. IX EuÜ überstrecken. Hiernach soll nicht die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs geregelt werden, sondern für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren festgelegt werden, auf welchen Gründen die Aufhebung basieren muss.237 Im Kontext einer Präklusion im Rahmen des EuÜ soll noch auf eine kritikwürdige Entscheidung des KG vom 4. Juni 2012 eingegangen werden.238 Das Gericht brachte das EuÜ über die Meistbegünstigungsklausel239 des Art. VII UNÜ zur Anwendung und nahm über Art. V Abs. 2 EuÜ eine Präklusion an. Die unterlegene Partei wurde mit dem Versagungsgrund der unwirksamen Schiedsvereinbarung präkludiert, weil sie sich im Schiedsverfahren nicht hinreichend auf diese Rüge berufen, sondern die Schiedsvereinbarung hingenommen und auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit verzichtet habe. Das KG stellt über Art. VII Abs. 1 UNÜ darauf ab, dass keiner Partei das Recht genommen werde, sich auf innerstaatliches Recht oder Verträge des Landes, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, zu berufen.240 Weiter führt das Gericht aus, das Präklusionswirkungen dieses Rechts bzw. dieser Verträge die Verteidigungsmöglichkeiten eines Antragsgegners im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren beschränken können.241 Interessant ist an diesen Ausführungen, dass das KG das EuÜ heranzieht, ohne dessen Anwendungsbereich i. S. d. Art. I EuÜ zu prüfen. Dieser Umstand ist von Bedeutung, da der Antragsgegner des Verfahrens das König237 Denn anders als Art. V EuÜ, der den Art. V Abs. 1 UNÜ überlagern könnte, wie Adolphsen vorschlägt, ist dies im Zusammenhang mit Art. IX EuÜ nicht geboten; siehe zur Überlagerung Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V EuÜ, Rn. 10. 238 KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112. 239 Zwar sieht das EuÜ explizit keine dem Art. VII UNÜ vergleichbare Meistbegünstigungsklausel vor. Art. X Abs. 7 EuÜ berührt jedoch andere zwei- oder mehrseitige Verträge, welche die Vertragsstaaten auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit geschlossen haben, nicht. Damit folgt in Verbindung mit Art. VII UNÜ eine Meistbegünstigung und die Parteien können sich auf das für sie günstigere Abkommen berufen, so z. B. in OLG München, Beschl. vom 23.11.2009 – 34 Sch 13/09, SchiedsVZ 2010, 50, 51; Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. X EuÜ, Rn. 1 mit Verweis auf Hascher, in: van den Berg (Hrsg.), YBCA XVII (1992), 711, 743–744, Rn. 85. 240 KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112, 117. 241 KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112, 117.
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reich Thailand war und Thailand kein Vertragsstaat242 des EuÜ war bzw. ist. Das Gericht stellte trotz eines grundsätzlich nicht eröffneten Anwendungsbereichs auf die Präklusionswirkung des Art. V EuÜ ab. Diesem Schritt des KG kann nicht zugestimmt werden, denn das Gericht hätte den Anwendungsbereich prüfen und dessen Eröffnung ablehnen müssen. 243 Eine Präklusion wäre auf dieser dogmatischen Grundlage nicht möglich gewesen. IV. Zusammenfassung zur Präklusion im EuÜ Das EuÜ enthält, anders als das UNÜ, explizite Präklusionsvorschriften, die aber nicht umfassend alle denkbaren Anknüpfungspunkte einbeziehen. Weitere Einreden, beispielsweise gegen die Besetzung des Schiedsgerichts und Benennung der Schiedsrichter oder der Verstoß gegen eine Vereinbarung der Parteien zum Schiedsverfahren, sind von der Präklusion im EuÜ nicht erfasst. Damit ist festzuhalten, dass durch das EuÜ in dessen Anwendungsbereich bereits im Aufhebungsverfahren eine Präklusionswirkung erzeugt werden kann. Elementares Erfordernis ist aber, dass die Partei, deren Versagungsgrund präkludiert werden soll, sich im Schiedsverfahren zur Hauptsache eingelassen hat. Besteht zwischen den Parteien gar keine Schiedsvereinbarung, dann kann sich keine Präklusion auswirken.
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
Die Umsetzung und Ausgestaltung eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens ist den nationalen Rechtsordnungen überlassen und vorbehalten.244 Dabei gilt für alle UNÜ-Vertragsstaaten der Maßstab aus dem UNÜ. Eine umfassende Betrachtung der Präklusion kann sich nicht auf die Frage beschränken, ob das UNÜ als völkervertragliches Übereinkommen eine Präklusionsregel enthält. Vielmehr ist die Antwort in einer Analyse nationaler Rechtsordnungen zu deren Verständnis und Anwendung des Maßstabs aus dem UNÜ zu erarbeiten. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass der Sitz des Schiedsverfahrens (sog. place of arbitration 245) – jedenfalls nach verbreiteter Ansicht – eine Verbindung zu der Rechtsordnung des Staates erzeugt, in dem Siehe Vertragsstaatenliste in Fn. 194. So ebenfalls BGH, Beschl. vom 30.01.2013 – III ZB 40/12, SchiedsVZ 2013, 110, 112. 244 Art. III S. 1 UNÜ. 245 Für den Sitz des Schiedsverfahrens werden teils die Begriffe „place of arbitration“ und teils „arbitral seat“ verwendet, bspw. Art. 20 Model Law; abzugrenzen ist von der faktischen Örtlichkeit, an welcher eine Verhandlung stattfindet (sog. venue oder place of hearing); vgl. zur Bedeutung des Sitzes umfassend Born, International Commercial Arbitration, 2014, §11.03, 1536–1592; bzw. Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 111–119, Rn. 143–148. 242 243
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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das Verfahren stattfindet.246 Dieses Verfahrensrecht (sog. lex loci arbitri ) prägt das Schiedsverfahren und stellt das Prozessrecht, welches neben dem materiellen Sachrecht anzuwenden ist.247 Aus der lex loci arbitri können sich in Anwendung des Maßstabs aus dem UNÜ entsprechende Präklusionsvorschriften ergeben bzw. herleiten lassen, worauf die Länderberichte eingehen werden. Die Vorteile einer Präklusionswirkung werden vornehmlich mit einer vermeintlichen Effizienzsteigerung und Förderung von Rechtssicherheit begründet.248 Im Rahmen einer Präklusion im eigentlichen Sinne könnte von den Parteien gefordert werden, dass sie eine vermeintlich effektive Form des Rechtsschutzes wählen müsste und den Schiedsspruch im Ursprungsstaat mit allen ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln anzugreifen hätte.249 Der Präklusionswirkung im eigentlichen Sinne wird die fehlende Regelung einer Präklusion im UNÜ entgegengehalten. 250 Kritisch wird es gesehen, eine Born, International Arbitration and Forum Selection Agreements, 66–67; Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1043, Rn. 12; Markert/Leisinger, KSzW 2013, 119, 122. 247 Elsing, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 45, 57. 248 Dazu bspw. Kraayvanger, SchiedsVZ 2008, 301, 302; Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285. 249 Vgl. Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V UNÜ, Rn. 12, der von einem Zwang zum Auswärtsspiel spricht; Martiny/Reithmann, Internationales Vertragsrecht, 2010, Hausmann, 2122, Rn. 6782, der sich ohne weitere dogmatische Begründung für eine Präklusion ausspricht; Kraayvanger, SchiedsVZ 2008, 301, 302; vgl. auch Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285–286. Auch Münch spricht sich allgemein für eine Präklusionswirkung im eigentlichen Sinne aus, die die Gründe des Art. V Abs. 1, Abs. 2 lit. a UNÜ erfassen könne, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 12. Vgl. zur Effizienz auch Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285. 250 So bspw. Stein/Jonas ZPO-Kommentar (2014), Schlosser Anhang zu § 1061, Rn. 153; Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 159; Schütze, RIW 2011, 417, 418, m. w. N. dort in Fn. 14; Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 30, Rn. 19; vgl. auch Wiebecke (Hrsg.): Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation in Brasilien und Deutschland, 2013, 182, 183; vgl. weiterhin Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 157, mit der Abgrenzung zum Sonderfall in denen eine Partei den sog. Terms of Reference zugestimmt hat, Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 158. Die Terms of Reference (Schiedsauftrag) sind ein Element der ICC Rules of Arbitration (Art. 23); ein jeweiliges Schiedsgericht erstellt diese Terms of Reference zu Beginn eines Schiedsverfahrens und fasst wichtige Informationen bspw. zu den beteiligten Parteien, ihren Vertretern sowie den geltend gemachten Ansprüchen und Einzelheiten zum Prozessrecht zusammen; hierzu Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, 528–529, Rn. 21-23; ausführlich Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 665–674, Rn. 1228–1237; Webster/ Bühler, Handbook of ICC Arbitration, 2014, 347–368, Rn. 23-1–23-82. Das Unterzeichnen der Terms of Reference kann als eigenständige Vereinbarung gesehen werden, siehe ebenso 246
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Partei auf Rechtsmittel im Ursprungsstaat zu verweisen, denn fraglich bleibe dabei, ob dieser Verweis ein hinreichendes Schutzniveau aufstelle.251 Im Kontext einer Präklusion im eigentlichen Sinne ist zudem das Konzept des dualen Rechtsschutzes252 zu beachten, was gegen eine Präklusion im eigentlichen Sinne sprechen kann. Zudem könnten praktische Aspekte gegen eine Präklusion angeführt werden, darunter die Überlegung, dass sich ein Antragsgegner letztlich nicht darauf verlassen kann, dass die Aufhebungsentscheidung eines Ursprungsstaats in jedem Vollstreckungsstaat berücksichtig werden würde.253 Eine Präklusion anknüpfend an das Unterlassen des Aufhebungsverfahrens im Ursprungsstaat könnte zudem die Situation der Parteien verkomplizieren, wenn grundsätzlich die ausländische Rechtslage, also beispielsweise dortige Rechtsmittel im Aufhebungsverfahren und deren Fristen, erforscht werden müssten.254 Beachtlich ist zudem die Regelung des Art. VI UNÜ, der die Aussetzungsmöglichkeit des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens für den Fall regelt, dass im Ursprungsstaat ein Aufhebungsverfahren anhängig ist.255 Gemäß Art. VI UNÜ hat das Vollstreckungsgericht ein Ermessen, das Verfahren auszusetzen.256 Allerdings folgt allein aus dem Umstand, dass Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 672, Rn. 1236. 251 Schütze, RIW 2011, 417, 418. Dabei bezog Schütze die Meinung Bajons (siehe Kapitel 2, Fn. 187) mit ein, die er allerdings nicht für praktikabel hielt. Aus Sicht Schützes ist die Entscheidung über Rechtsschutzqualität eines drittstaatlichen Rechtssystems höchst politisch und würde – so seine Vermutung – im Ernstfall von keinem Gericht gewagt werden, Schütze, RIW 2011, 417, 418; Schütze, in: Wiegand (Hrsg.), Tradition mit Weitsicht, 2009, 699, 708–709. 252 Kapitel 4 – C.III. 253 Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 381–390; Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 159. Dies unterstützt Feldmann mit einem Verweis auf die französische Rechtsprechung zu Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ; zur von Feldmann in Bezug genommenen französischen Rechtsprechung siehe ebendort, 153–154. 254 Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285. 255 Art. VI UNÜ: „Ist bei der Behörde, die im Sinne des Artikels V Absatz 1 Buchstabe e zuständig ist, ein Antrag gestellt worden, den Schiedsspruch aufzuheben oder ihn in seinen Wirkungen einstweilen zu hemmen, so kann die Behörde, vor welcher der Schiedsspruch geltend gemacht wird, sofern sie es für angebracht hält, die Entscheidung über den Antrag, die Vollstreckung zuzulassen, aussetzen; sie kann aber auch auf Antrag der Partei, welche die Vollstreckung des Schiedsspruches begehrt, der anderen Partei auferlegen, angemessene Sicherheit zu leisten.“ (Übersetzung siehe Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. VI UNÜ). Siehe zum Aussetzungsverfahren auch ICC International Court of Arbitration (Hrsg.): ICC Guide to National Procedures for Recognition and Enforcement of Awards under the New York Convention, 2012, 17–18, Sec. F. 256 Art. VI UNÜ nennt keine klaren Kriterien für die Aussetzung. Es könnten Aspekte herangezogen werden wie bspw. die Erfolgsaussichten des Aufhebungsverfahrens, der
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ein Aufhebungs- oder Anfechtungsverfahren im Ursprungsstaat initiiert wurde, noch keine notwendige Aussetzung des Verfahrens.257 In den folgenden Länderberichten werden im Lichte der Präklusionsfrage vier Vergleichskategorien untersucht. In der ersten Kategorie werden mögliche Präklusionsmodelle im Kontext des nationalen Schiedsverfahrensrechts gesammelt und vorgestellt, in einer zweiten Kategorie wird die Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben erörtert. Die dritte Kategorie befasst sich mit einem Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ als mögliche Grundlage einer Präklusionswirkung und die vierte Kategorie klärt, ob das UNÜ aus Sicht der jeweiligen Rechtsordnung einer Präklusion offen gegenüber steht. Untersucht werden zunächst umfassend Deutschland (I.), England (II.) und Belgien (III.). Dann wird der Fokus kursorisch und liefert Kurzberichte zur Schweiz, zu Frankreich und Schweden sowie Hong Kong und Singapur (IV.). I. Länderbericht Deutschland – Präklusionsmodelle und Fundament der Präklusionsrechtsprechung Für Deutschland sind eine Darstellung der Entwicklung von Präklusionsinstituten und eine Erörterung der verschiedenen Lösungsmodelle von besonderem Interesse.258 Die Frage, ob Versagungsgründe präkludiert sein können, gilt seit langem als eine der „brennenden Fragen“259 des Schiedsverfahrensrechts.260 aktuelle Stand des Aufhebungsverfahrens und die erwartete Verfahrensdauer sowie die Frage, ob die Verteidigungshandlungen in Treu und Glauben vorgebracht wurden oder treuwidrig zur Verzögerung genutzt werden sollten, siehe Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. VI, Rn. 6, sowie im Detail zu den einzelnen Abwägungsaspekten Rn. 7–12. Ausweislich Krölls Beobachtung besteht bei Gerichten eine Tendenz, nur auszusetzen, wenn das anhängige Aufhebungsverfahren erfolgversprechend ist, Kröll, SchiedsVZ 2005, 139, 148. 257 Bspw. van den Berg, in: Blessing (Hrsg.), The New York Convention of 1958, 1996, 25, 32 (bzw. S. 8 des Beitrags). 258 In seiner historischen Ausprägung reicht das Vollstreckbarerklärungsverfahren im deutschen Schiedsverfahrensrecht zurück bis zur Kodifikation der Zivilprozessordnung im Jahre 1877. Ein Regelungsinteresse der ZPO von 1877 war es, für die Durchsetzung von Schiedssprüchen einen einheitlichen Rahmen für ganz Deutschland zu schaffen, siehe Zieren, Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO (1877–1933) unter Berücksichtigung der Genfer Übereinkommen von 1923 und 1927 sowie der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2013, 50. Zwar enthielt die ZPO damals bereits Vorschriften zur Durchsetzung ausländischer Urteile (in den §§ 660 f. CPO a. F.), nicht hingegen Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche. Die entsprechende Lücke wurde zunächst durch die Rechtsprechung gefüllt, später dann mit der Gesetzesnovelle von 1930 normiert, dazu Fn. 61, RGBl. 1925 II 47. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sammelten sich bereits Stimmen, die auch für ausländische Schiedssprüche eine Durchsetzung erwogen. Beleghaft dafür sind die Diskussionen und Vorbereitungen zum Genfer Protokoll von 1923 (siehe Fn. 61, RGBl. 1925 II 47) und dem Genfer Abkommen von 1927 (siehe Fn. 63,
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Ihren Ursprung haben die intensiven Diskussionen in der gefestigten Rechtsprechung des BGH, die sich vor der Schiedsrechtsreform 1998261 entwickelt hatte. Vor dieser Reform existierte mit § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. eine Regelung, die hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs auf dessen Wirksamkeit abstellte.262 Nach der Rechtsprechung des BGH bestand die Wirksamkeit dann, wenn der Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen angefochten werden konnte.263 Dies erfasste die Einrede der unwirksamen oder fehlenden Schiedsvereinbarung, welche nicht als eigener Versagungsgrund in § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. vorgesehen war. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung konnten Versagungsgründe präkludiert sein, wenn eine Partei es unterlassen hatte, den Schiedsspruch mit einem Aufhebungsverfahren anzugreifen. Mit der Reform des Schiedsverfahrensrechts 1998 wurde der § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. ersatzlos gestrichen.264 Fortan war in der Rechtsprechung und Literatur ein Diskurs zur Handhabung einer Präklusionswirkung zu beobachten. Dieser Diskurs wird hier für einen Lösungsvorschlag fruchtbar gemacht werden. Zunächst wird die Ausgangslage zum deutschen Schiedsverfahrensrecht erörtert und die Präklusionsrechtsprechung aufgearbeitet (1.). Dann werden mögliche Präklusionsmodelle dargestellt und diskutiert (2.). Daran anschließend wird eine Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben betrachtet (3.). Zudem wird zusammengefasst, wie ein möglicher Ermessensmaßstab in Art. V Abs. 1 UNÜ aus deutscher Sicht beurteilt wird (4.) und ob das UNÜ aus deutscher Sicht einer Präklusion offen gegenüber steht (5.). RGBl. 1930 II 1068). Mit dem Genfer Protokoll von 1923 wurde auf internationaler Ebene in der neueren Zeit das erste vereinheitlichte Regelwerk zur Anerkennung von Schiedsvereinbarungen verabschiedet. Die Präklusion zeitigte ihren Ursprung zwar nicht im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren von Schiedssprüchen, dennoch finden sich auch hier jene Prozessmomente, die eine Präklusion erfordern. 259 Siehe Kapitel 1, Fn. 9. 260 Zur Aktualität Kröll, IPRax 2007, 430; Kröll, SchiedsVZ 2013, 259, 264. 261 SchiedsVfG, BT-Drs. 13/5274, 3, BGBl. 1997 I 3224; Beschlussempfehlung und Bericht in BT-Drs. 13/9124, 24. November 1997; eine Übersicht zum Gesetzgebungsverfahren ist verfügbar unter: . 262 § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.: „Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen: wenn der Schiedsspruch rechtsunwirksam ist; für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs ist, soweit nicht Staatsverträge ein anderes bestimmen, das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgebend“. 263 Nur bspw. BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094; BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988; ausgenommen waren aber sog. extreme Fälle willkürlicher Annahme der Zuständigkeit durch ein Schiedsgericht. Zur Präklusionsrechtsprechung sogleich im Detail. 264 Das deutsche Zivilprozessrecht enthält in Orientierung am Model Law auch nach der Schiedsverfahrensrechtsreform Präklusionsvorschriften: bspw. § 1027 ZPO als Umsetzung der Regelung des Art. 4 Model Law (waiver of rights), § 1040 Abs. 2 S. 1 ZPO und § 1060 Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO.
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1. Ausgangslage zum deutschen Schiedsverfahrensrecht und historische Aufarbeitung der Präklusionsrechtsprechung Einleitend wird die Rechtslage zur Präklusion in Deutschland vor der Schiedsrechtsreform 1998 zusammengefasst (a), um dann die Änderungen der Reform benennen und erörtern zu können (b). a) Rechtslage vor der Schiedsrechtsreform 1998 Die Regelung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.265 sah vor, dass der Antrag auf eine Vollstreckbarerklärung abzulehnen war, wenn der Schiedsspruch nach dem für das Schiedsverfahren maßgeblichen Recht unwirksam ist. Eine explizite Präklusionswirkung lässt sich dieser Regelung zunächst nicht entnehmen, allerdings hielt die Literatur eine Präklusionswirkung über diesen Versagungsgrund (§ 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.) für möglich.266 Eine entsprechende Präklusionslösung entwickelte sich dann aus der Rechtsprechung, die hinsichtlich § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. über den Verweis des für das Schiedsverfahren maßgeblichen Rechts das Verfahrensrecht des Ursprungsstaates mit einbezog. Die Entwicklung dieser Rechtsprechung wird hier nun nachgezeichnet. aa) Kontext und Entstehungsgeschichte des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. Bevor § 1044 Abs. 2 ZPO a. F.267 mit der Gesetzesnovelle im Jahr 1930268 erlassen wurde, herrschte die Überzeugung vor, dass deutsche Gerichte die Aufhebung eines ausländischen Schiedsspruchs, beispielsweise durch Gestaltungsurteil, nicht erklären könnten.269 Daraus wurde vereinzelt gefolgert, dass ebenso für ein Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Schiedssprüche kein Raum bestünde.270 Weit überwiegend wurde jedoch angenommen, dass für ausländische Schiedssprüche in Deutschland eine Anerkennung und Siehe § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.: „Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen: wenn der Schiedsspruch rechtsunwirksam ist; für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs ist, soweit nicht Staatsverträge ein anderes bestimmen, das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgebend“. Eingefügt wurde § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. durch Gesetz vom 25. Juli 1930 (RGBl. I 361, Drucksache Nr. 2298). In der Fassung in Kraft bis 31. Dezember 1997, durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen, insbes. zum 1. September 1986, wurde dieser Abschnitt nicht verändert. 266 Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 9; BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093; detaillierter hierzu auf den folgenden Seiten. 267 Bzw. früher § 1044 S. 3 ZPO. 268 Detaillierter hierzu Zieren, Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO (1877–1933) unter Berücksichtigung der Genfer Übereinkommen von 1923 und 1927 sowie der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2013, 155–158 und 172–176. 269 RGBl. I 361, Drucksache Nr. 2298, 4. 270 RGBl. I 361, Drucksache Nr. 2298, 4. 265
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Vollstreckung möglich sei.271 Das Schiedsverfahrensrecht der deutschen Zivilprozessordnung kannte bereits um 1930 die Differenzierung zwischen Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren.272 Es stellte sich die Frage, ob im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung das Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung vorauszusetzen war. In den Gesetzesfassungen aus der Zeit vor 1930 finden sich Anhaltspunkte dazu, dass eine Schiedsvereinbarung als Voraussetzung der Vollstreckung gesehen wurde. Aus der Zeit vor der Novelle 1930 ist der Wortlaut des § 1041 ZPO a. F. (1929) hervorzuheben. Diese Regelung führte die Gründe auf, nach denen ein Schiedsspruch aufgehoben werden konnte. So konnte die Aufhebung beispielsweise beantragt werden, „wenn das Verfahren unzulässig war“. 273 Ein expliziter Aufhebungsgrund für das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung findet sich hingegen nicht. Allerdings konnte aus dem unzulässigen Verfahren i. S. d. § 1041 Nr. 1 ZPO a. F. (1929) das Erfordernis einer wirksamen Schiedsvereinbarung herausgelesen werden. Denn erst die Schiedsvereinbarung schafft die Grundlage eines zulässigen Schiedsverfahrens. Die Schiedsvereinbarung ist die Legitimation der Schiedsrichter und ein unzulässiges Verfahren konnte nur bedeuten, dass das Schiedsverfahren nicht durch eine Schiedsvereinbarung legitimiert war.274 Es überzeugt also, dass das Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung – gekoppelt an den Prüfungsschritt der Verfahrenszulässigkeit – in der Gesetzesfassung vor 1930 vorausgesetzt wurde, um einen Schiedsspruch durchzusetzen. Mit der Gesetzesnovelle im Jahr 1930 richtete sich das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren fortan nach § 1044 ZPO a. F. Diese Regelung fand ihren Einzug in die ZPO in Anlehnung275 an Art. I des Genfer Abkommens zur Voll271 Dazu auch Volkmar, in: Nussbaum (Hrsg.), Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen, 1928, 125. Wie ein solches Verfahren konkret ausgestaltet sein sollte und welche Prüfungsschritte zur Vollstreckbarerklärung führten, war unklar, Gaupp/Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1929), zu § 1042 ZPO, IX 2; Gaupp/ Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1934), zu § 1044, I. 272 Auch um 1930 war das Aufhebungsverfahren allerdings nur für inländische Schiedssprüche zulässig, Gaupp/Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1934), zu § 1041, V. Das Aufhebungsverfahren war hinsichtlich des Aufhebungsgrundes der fehlenden Begründung gem. § 1041 S. 1 Nr. 5 i. V. m. S. 2 ZPO a. F. dispositiv. Es fällt auf, dass das Aufhebungsverfahren nach damaliger Regelung keiner Frist unterlag. Die Systematik war bereits damals so ausgestaltet, dass die Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Schiedsspruch nur nach dessen Vollstreckbarerklärung gem. § 1044 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F. erfolgen konnte. 273 § 1041 Nr. 1 ZPO a. F. 274 Gaupp/Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1929), zu § 1041 ZPO, II 1. 275 Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf wurde hier die Gestaltung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens in Aussicht auf die bevorstehende Ratifikation des Genfer Abkommens vorweggenommen und klargestellt, RGBl. I 361, Drucksache Nr. 2298, 3; siehe hierzu Kapitel 4 – B.II.1.a).
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streckung ausländischer Schiedssprüche von 1927276. Dieses Abkommen stellte in Art. I Abs. 2 lit. d auf die Endgültigkeit des Schiedsspruchs ab. Danach war ein Schiedsspruch nicht endgültig, wenn er noch einem Rechtsmittel mit gestaltender und den Schiedsspruch aufhebender Wirkung unterworfen war oder nachgewiesen werden konnte, dass ein entsprechendes Rechtsmittelverfahren anhängig war.277 Damit lässt sich festhalten, dass unter dem Genfer Abkommen von 1927 ein zeitlich noch mögliches, also nicht verfristetes, Anfechtungsverfahren der Endgültigkeit entgegenstand, der Schiedsspruch mit Ablauf einer entsprechenden Frist aber endgültig wurde. Die Prüfung der Durchsetzbarkeit eines Schiedsspruches, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung, war für den deutschen Richter als zweistufiges Verfahren ausgestaltet. Zunächst war festzustellen, ob der Schiedsspruch verbindlich und mangelfrei war, in einem zweiten Schritt war dann zu prüfen, ob die Anerkennung im Rahmen des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. dennoch zu versagen war, beispielsweise aufgrund der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs. In diesem Verfahren hatte die unterlegene Partei die Möglichkeit, sich mit den nach dem ausländischen Recht vorgesehenen Nichtigkeits- und Aufhebungsgründen der Vollstreckung zu widersetzen.278 Entgegen der Regelung in Art. V des Genfer Abkommens musste der deutsche Richter hierüber entscheiden und konnte die Partei nicht auf ein Rechtsmittelverfahren vor ausländischen Gerichten verweisen.279 Die Regelung des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. wies das Gericht an, zur Beurteilung der Rechtswirksamkeit all die Aufhebungsgründe auf Vortrag der Partei zu berücksichtigen, welche im entsprechenden ausländischen Recht vorgesehen wurden.280 Bereits kurz nach der Gesetzesnovelle zur Einführung des § 1044 ZPO a. F. finden sich mit den Kommentierungen von Jonas und Volkmar zu § 1044 ZPO a. F. Literaturquellen, die insbesondere deshalb aufschlussreich sind,281 276 Geneva Convention on the Execution of Foreign Arbitral Awards, 26. September 1927, RGBl. II 1930, 1068; im Folgenden: Genfer Abkommen. 277 Aus der englischen Sprachfassung des Genfer Abkommens von 1927, ist in Art. I eine Feinheit hervorzuheben: „The award has become final […] in the sense that it will not be considered as such if it is open to legal remedies […]“. 278 Gaupp/Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1934), zu § 1044, III B 1. 279 Gaupp/Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1934), zu § 1044, III B 1. 280 Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 11. Die Rechtswirksamkeit war nicht im reinen Wortsinn der „Nichtigkeit“ zu verstehen; das Merkmal sollte darauf abstellen, ob der Schiedsspruch nach dem Recht im Ursprungsstaat aufhebbar war, Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 12. Sofern das Recht des Ursprungsstaats – wie beispielsweise später von 1985 bis 1998 das belgische Schiedsverfahrensrecht, hierzu im Detail Kapitel 4 – G.I. – kein Aufhebungsverfahren vorsah, war § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. nicht anwendbar. 281 Bülow bewertete diese als gewichtig, weil es zeitgenössische Quellen sind, sie die amtliche Begründung näher erläutern und die Autoren Jonas und Volkmar ein besonders nahes Verhältnis zum Gesetzesvorhaben hatten, Bülow, NJW 1971, 486, 488.
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weil Jonas und Volkmar in das Novellierungsvorhaben eingebunden waren.282 Aus Sicht von Volkmar sollte die Gesetzesnovelle von 1930 die Schlechterstellung des Schuldners im Rahmen der Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs beheben. Das zuvor notwendige Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat beurteilte er als „schwierigen und kostspieligen Weg“.283 Noch entscheidender ist die Beobachtung, dass die Unterschiede zwischen dem Genfer Abkommen von 1927 und dem § 1044 ZPO a. F. letztlich geringfügig waren und in der Praxis für ausländische Schiedssprüche keine Relevanz hatten.284 Als Beispiel beschrieb Volkmar den Fall, in dem die Schiedsvereinbarung ungültig war. Dann sei der Schiedsspruch ebenfalls rechtsunwirksam.285 Ein weiterer Grund, der zur Rechtsunwirksamkeit des Schiedsspruchs führen sollte, war die Aufhebung des Schiedsspruchs im Ursprungsstaat.286 Diese Beobachtungen prägen den Kontext und die Entstehungsgeschichte des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. bb) Das Fehlen einer Schiedsvereinbarung als eigenständiger Versagungsgrund Gerade im Vergleich zum später in Kraft getretenen Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ ist auffällig, dass § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. keinen eigenen Versagungsgrund für den Fall einer möglichen Unwirksamkeit bzw. für ein Nichtvorliegen einer Schiedsvereinbarung vorhielt. Es war damals soweit anerkannt, dass jede Rechtsordnung im Ursprungsstaat eines Schiedsspruchs287 das Fehlen einer (wirksamen) Schiedsvereinbarung als Grund für eine Aufhebung des Martin Jonas war zur damaligen Zeit Referent im Reichsjustizministerium (Referat 8 der Abteilung IV, Bürgerliches Recht und Rechtspflege). Jonas war Nationalsozialist und wirkte zu Zeiten des Nationalsozialismus bspw. am Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung mit (vgl. dazu Müller, Furchtbare Juristen, 1987, 67– 75). Von einer nationalsozialistischen Gesinnug von Jonas distanziert sich der Verfasser ausdrücklich. Aufgrund der fachlichen Mitwirkung von Jonas und Volkmar am Novellierungsvorhaben sind ihre Aussagen zum Genfer Abkommen jedoch zu berücksichtigen. Erich Volkmar war Ministerialrat, Leiter der Abteilung des Reichsjustizministeriums, die dieses Gesetzesvorhaben vorbereitete. Zugleich war Volkmar als Delegierter des Deutschen Reichs Mitglied der Kommissionen, aus deren Beratungen das Genfer Abkommen von 1927 hervorging, Volkmar, in: Nussbaum (Hrsg.), Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen, 1928, 125; Bülow, NJW 1971, 486, 488. 283 Volkmar, in: Nussbaum (Hrsg.), Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen, 1931, 3, 4. 284 Volkmar, in: Nussbaum (Hrsg.), Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen, 1931, 3, 14. 285 Volkmar, JW (59) 1930, 2745, 2751. 286 Volkmar, JW (59) 1930, 2745, 2751; vgl. Jonas, Die Novelle zum schiedsrichterlichen Verfahren, das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das deutsch-schweizerische Vollstreckungsabkommen und weitere Nachträge, 1930. 287 Gemeint ist der Staat, in dem das Schiedsverfahren stattgefunden hat. 282
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Schiedsspruchs qualifizierte.288 Damit hätte der Schuldner in jedem Fall die Möglichkeit gehabt, die Aufhebung des Schiedsspruchs zu erreichen. Der § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. sollte die bevorstehende Ratifikation des Genfer Abkommens von 1927 vorbereiten.289 Im dortigen Art. I Abs. 2 lit. a war jedoch die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung notwendige Voraussetzung für die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs.290 Damit eröffnete sich in diesem Kontext ein Argumentationsstrang, wonach auch für den § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung zu prüfen war. Unterstützung findet diese Annahme in der Beurteilung von Volkmar und Jonas, nach welcher der § 1044 ZPO a. F. letztlich als fast identisch mit dem Genfer Abkommen von 1927 zu verstehen war.291 Folglich war das Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung als Anerkennungsvoraussetzung zu qualifizieren. cc) Die Entwicklung der sog. Präklusionsrechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung hatte sich in zahlreichen Fällen mit der Frage einer Präklusion von Versagungsgründen auseinanderzusetzten. Im Fokus steht dabei die Entwicklung der Rechtsprechung zu § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.292 In einem konkreten Fall verweigerte das OLG Hamburg einem ausländischen Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung, weil diesem keine gültige Schiedsabrede zugrunde lag.293 In der Entscheidung stellte das Gericht darauf ab, dass die Vollstreckbarerklärung bei fehlender Schiedsvereinbarung unabhängig davon abzulehnen sei, ob der Schiedsspruch nach dem ausländischen Recht nicht oder nicht mehr angegriffen werden kann. Insoweit gelte hier hinsichtlich der Gültigkeit dasselbe wie in § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a. F.294 Völlig anders beurteilte dies der Bundesgerichtshof in der nachgehenden Revisionsentscheidung.295 Aus Sicht des BGH sei die vom OLG Hamburg und Teilen der Literatur vertretene Ansicht nicht mit § 1044 ZPO a. F. vereinStein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 14. Siehe Kapitel 4 – B.II.1. 290 Pfaff, AWD 1970, 55, 56; Kapitel 4 – B.II.1.a). 291 Siehe Fn. 284, vgl. Jonas, Die Novelle zum schiedsrichterlichen Verfahren, das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das deutsch-schweizerische Vollstreckungsabkommen und weitere Nachträge, 1930. 292 Eine Präklusion von Versagungsgründen trat neben der Einrede der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung mitunter auch bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben ein. Zu der Entwicklung und den entsprechenden Urteilen siehe Kapitel 4 – E.I.3.b). 293 OLG Hamburg, Urt. vom 12.01.1967 – 6 U 58/1966; zitiert nach Pfaff, AWD 1970, 55, 56. 294 Damit befand sich das Gericht im Einklang mit den diesbezüglich in der Literatur vertretenen Ansichten, bspw. Pfaff, AWD 1970, 55, 56 m. w. N. in Fn. 9; Habscheid, KTS 1964, 146, 150–155. 295 BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093. 288 289
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bar. Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung sei kein eigenes Tatbestandsmerkmal bei der Prüfung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung; vielmehr müsse die Rechtswirksamkeit eines Schiedsspruchs geprüft und diesbezüglich auf das für das Schiedsverfahren geltende Recht abgestellt werden.296 Unter dem für das Schiedsverfahren geltenden Recht war ebenfalls das ausländische Verfahrensrecht im Ursprungsstaat zu verstehen.297 Bestand für eine Partei nach dem ausländischen Recht die Möglichkeit einen Schiedsspruch mit dem Argument der fehlenden Schiedsvereinbarung zu vernichten und nutze die Partei diese Möglichkeit nicht, so wurde der Schiedsspruch wirksam.298 Die Partei konnte sich dann im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr auf die Versagungsgründe des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. berufen. Der VII. Zivilsenat des BGH bezog sich in der Urteilsbegründung maßgeblich auf die Ausführungen von Mezger.299 Es fällt dabei allerdings auf, dass der BGH anscheinend recht schnell von den Argumenten Mezgers überzeugt war und dazu vornehmlich auf den Wortlaut des § 1044 ZPO a. F. abstellte, ohne das Problem kritischer zu erörtern. Lediglich für extreme Fälle, in denen beispielsweise das Schiedsgericht willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hatte, erwog der BGH eine Ausnahme von dieser Präklusionswirkung.300 Für die anderen Fallkonstellationen galt, dass die unterlegene Partei sich stets im Ursprungsstaat gegen eine unwirksame oder fehlende Schiedsvereinbarung wenden musste, um die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs zu vernichten. In einem späteren Urteil hatte der Bundesgerichtshof 1971 erneut die Möglichkeit, Stellung zu beziehen, nachdem zwei Jahre zuvor das OLG Hamburg seine eigene Rechtsprechung301 bestätigt hatte.302 Die vom BGH ergangene Entscheidung widersprach dem OLG Hamburg erneut. Der Bundesgerichtshof erwähnte dabei zwar die Gegenansichten in der Literatur insbesondere von Pfaff und Habscheid. Der BGH verpasste es jedoch sich mit ihren Ansichten BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094. Bspw. Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 9, m. w. N. dort in Fn. 31; Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 16. Eine Ausnahme war für jene Fälle anerkannt, in denen das Schiedsverfahrensrecht im Ursprungsstaat nur eingeschränkte (Frankreich) oder gar keine (Belgien) Rechtsmittel gegen einen internationalen Schiedsspruch vorsah; auf die Regelungen in Belgien und Frankreich wird in Kapitel 4 – G.I. noch detaillierter eingegangen. Der § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. fand hier keine Anwendung, Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 12. 298 BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094. 299 Mezger, NJW 1962, 278, 278–282; Mezger, RabelsZ 1965, 231, 296; zur Urteilsbegründung siehe Fn. 298. 300 BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094. 301 Siehe Fn. 293. 302 OLG Hamburg 08.05.1969, WPM 1969, 709; zeitlich gesehen hatte das OLG hier jedoch keine Möglichkeit, die BGH-Rechtsprechung – vgl. Fn. 295 – einzubeziehen, da das Urteil erst ca. sechs Wochen später verkündet wurde. 296 297
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differenziert auseinanderzusetzen und stellte lediglich fest, dass die Argumente keinen Anlass gäben, von der früheren Entscheidung abzuweichen.303 Wie bereits in seiner älteren Entscheidung304 bekräftigte der BGH erneut, dass lediglich für sog. extreme Fälle eine Ausnahme von der Präklusionswirkung denkbar sei.305 Maßgeblich stellte der BGH in der Entscheidung darauf ab, ob der Verweis in § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. sich allein auf das materielle Recht oder ebenso auf das Verfahrensrecht der ausländischen Rechtsordnung bezog. Der Wortlaut des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. stellte auf „das für das Schiedsverfahren geltende Recht“ ab. Dies könnte man als primär prozessualen Verweis verstehen,306 wonach das für das Schiedsverfahren geltende Recht die Verfahrensregeln des Schiedsverfahrens stellt bzw. ergänzt. Folglich war unter dem Verweis des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. auch das Verfahrensrecht des Ursprungsstaats zu verstehen. Eine weitere Erwägung der BGH-Entscheidung war die Klärung der Frage, ob ein Verweis der Geltendmachung einer unwirksamen Schiedsvereinbarung auf das ausländische Verfahren des Ursprungsstaats überhaupt sinnvoll und praktikabel wäre. Die Berücksichtigung der Praktikabilität war deshalb geboten, um die Rechtsschutzqualität des ausländischen Verfahrens im Ursprungsstaat einzubeziehen. Wäre im Ursprungsstaat eine gewisse Rechtsschutzqualität nicht gewährleistet, wäre auch ein Verweis auf das dortige Verfahren nicht praktikabel. Zunächst müsse man beachten, so der BGH, dass das deutsche Gericht im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach ausländischem Recht entscheiden müsse und dieses ausländische Recht mitunter nicht immer einfach ermittelt werden könne.307 Daher sei es sachgemäß, die entsprechende Feststellung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung dem ausländischen Rechtsystem und dessen Gerichten zu überlassen und lediglich das dort gefundene Ergebnis in die eigenen Erwägungen einzubeziehen. Ein Verweis auf das ausländische Verfahren im Ursprungsstaat sei daher praktikabel. Allerdings obliegt den deutschen Gerichten im Rahmen einer kollisionsrechtlichen Prüfung regelmäßig die Anwendung ausländischen Rechts auf die Frage der Wirksamkeit eines Rechtsverhältnisses. 308 Die Erwägung des BGH ist daher nicht vollkommen schlüssig. 303 BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 987, „Die von Habscheid und Pfaff vorgebrachten Gründe geben dem Senat jedoch keinen Anlaß, von seiner früheren Entscheidung […] abzuweichen“. 304 BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094. 305 BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 987. 306 Der deutsche Gesetzgeber konnte mit Erlass des § 1044 ZPO a. F. aus Sicht des BGH über die Regelung des Genfer Abkommens von 1927 hinausgehen, siehe BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 987. 307 BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988. 308 Zur kollisionsrechtlichen Prüfung, insbes. zur Vorfrage Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, § 32, 221–230.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Zudem fehlten in der Debatte die Aspekte zum Rechtsschutzstandard und dazu, ob es für die unterlegene Partei praktikabel ist, neben einem drohenden Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ein zweites ressourcenintensives Verfahren zur Aufhebung im Ursprungsstaat durchzuführen. Wenn die erfolgreiche Aufhebung eines Schiedsspruchs für die unterlegene Partei bereits eine eigenständige Verteidigungslinie im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren hervorbrächte, wäre damit eine gewisse Praktikabilität gegeben. Zu dieser Überlegung gab es eine klare Antwort: Ein aufgehobener Schiedsspruch konnte nicht Gegenstand eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sein, wenn die ausländische Aufhebungsentscheidung über § 328 ZPO anzuerkennen war.309 Letztlich blieb zu überlegen, die Argumentation des BGH auf die übrigen Versagungsgründe in § 1044 Abs. 2 Nr. 2, 4 ZPO a. F. zu übertragen und ebenso auf diese Versagungsgründe das für das Schiedsverfahren geltende Recht anwenden. Diesem Ansatz erklärte der BGH allerdings sogleich eine Absage, denn die Versagungsgründe Nr. 2 und Nr. 4 seien immer nach deutschem Recht zu entscheiden.310 Dies war nur konsequent und stand im Einklang mit dem Regelungsinteresse des Gesetzgebers.311 Allerdings darf diese Feststellung bei kritischer Würdigung der Rechtsprechung nicht als pauschale Absage dahingehend verstanden werden, dass der BGH jene Versagungsgründe der Nr. 2 und Nr. 4 vollständig von einer Präklusionswirkung ausschließen wollte. Eine Präklusion dieser Versagungsgründe schien mit einer anderen dogmatischen Begründung durchaus möglich. Im weiteren Zusammenhang mit einem Verzicht auf die staatliche Gerichtsbarkeit hatte sich der BGH mit den von Parteien vorgetragenen Argumenten zu befassen, dass eine solche Präklusionspraxis gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoße, denn dieser Artikel gewähre gerade den Schutz, sich unbefristet gegen einen Schiedsspruch verteidigen zu können. 312 Dem Gedanken setzte der BGH klare Grenzen und stellt fest, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, wenn eine Rechtsschutzmöglichkeit bei Fristsäumnis verloren ginge.313 Damit konnte ein solches Argument des Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG die Präklusion nicht erfolgreich entkräften.314 In einem Urteil des BGH aus dem Jahre 1976 setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, wie eine vom Antragsgegner vorgetragene ZuständigkeitsBspw. Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 13, Rn. 70. BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988. 311 Indiz dafür bei Volkmar, JW (59) 1930, 2745, 2751. 312 Bspw. Parteivortrag der Antragsgegnerin im Verfahren BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988. 313 BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988. 314 Zur Verfassungsmäßigkeit der alten BGH-Rechtsprechung siehe Geimer, in: Schlosser (Hrsg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 167; Zitat nach Zöller/ Geimer ZPO-Kommentar (2002), Geimer zu § 1061, Rn. 29. 309 310
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überschreitung durch das Schiedsgericht zu behandeln sei. Die Zuständigkeitsüberschreitung war im § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. nicht als eigener Versagungsgrund aufgeführt315 und wurde unter die Wirksamkeit des Schiedsspruches subsumiert. Der BGH erörtere, ob sich aus einer eventuellen Zuständigkeitsüberschreitung ein Aufhebungsgrund i. S. d. anwendbaren Rechtsordnung ergeben könnte.316 Zwar nahm der BGH in der konkreten Entscheidung dazu nicht abschließend Stellung, doch sei nach Auffassung des BGH darauf abzustellen, ob die Zuständigkeitsüberschreitung nach dem Recht am Schiedsort mit einem fristgebundenen Aufhebungsverfahren angegriffen werden konnte.317 Ein nicht genutztes Aufhebungsverfahren konnte also möglicherweise im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsüberschreitung die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruches begründen und zu einer Präklusion führen. Später wurde diese Überlegung dann wiederum eingeschränkt. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Verletzung des rechtlichen Gehörs als Versagungsgrund deshalb ausgeschlossen, also präkludiert, war, weil der Antragsgegner den Verfahrensfehler nicht mit einem Aufhebungsverfahren geltend gemacht hatte.318 Hierzu stellte der BGH fest, dass die Präklusionsrechtsprechung319 zu § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. nur auf solche Verfahrensfehler im Laufe des Schiedsverfahrens übertragen werden konnte, die nur aus Sicht des Rechts am Ort des Schiedsverfahrens als Fehler zu beurteilen waren.320 Sobald diese Verfahrensfehler aber unter § 1044 Abs. 2 Nr. 2–4 ZPO a. F. zu subsumieren waren, sollte die Präklusionsrechtsprechung nicht übertragen werden. In der Anwendungspraxis des BGH festigte sich die Ansicht, dass hinsichtlich jener Verfahrensfehler des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. für Parteien eine Obliegenheit bestünde, ein Aufhebungsverfahren durchzuführen. Wenn eine Partei die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs mit dem Argument der fehlenden Schiedsvereinbarung zu verhindern beabsichtigte, müsse sie ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchführen.321 Lediglich das vollständige Fehlen und nicht bereits die bloße Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung Dies wäre nun wohl ein Fall des Art. 34 Abs. 2 lit. a (iii) 3. Var. Model Law bzw. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c 3. Var. ZPO. 316 BGH, Urteil vom 12.02.1976 – III ZR 42/74, WM 1976, 435, 437. 317 Der BGH (siehe Fn. 316) führte nur aus: „Im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht in der gebotenen Weise geklärt, ob ein Zuständigkeitsmangel der von ihm angenommenen Art die Aufhebungsklage rechtfertigen könnte und ob eine Frist für die Erhebung der Aufhebungsklage besteht, die die Antragsgegnerin hätte nutzen müssen.“ 318 BGH, Beschl. vom 26.04.1990 – III ZR 56/89, IPRspr. 1990, Nr. 236b, 508, 512. 319 Bspw. bestätigt durch BGH, Urt. vom 10.05.1984 – III ZR 206/82, RIW 1984, 644. 320 BGH, Beschl. vom 26.04.1990 – III ZR 56/89, IPRspr. 1990, Nr. 236b, 508, 512. 321 BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094; BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988; ausgenommen waren aber sog. extreme Fälle willkürlicher Annahme der Zuständigkeit durch ein Schiedsgericht. 315
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wurde als Verstoß gegen das deutsche ordre public-Verständnis gesehen und war von einer Präklusion ausgenommen.322 dd) Diskurs der Präklusion und Präklusionsrechtsprechung In der Literatur stieß die BGH-Rechtsprechung sowohl auf Zustimmung,323 als auch auf harsche Kritik324.325 Insbesondere Pfaff 326 und Bülow327 lieferten sich mit Mezger328, auf den sich der BGH maßgeblich stützte,329 einen literarischen Schlagabtausch. Pfaff kritisierte die durch die BGH-Rechtsprechung geschaffene Obliegenheit, im Ursprungsstaat ein Aufhebungsverfahren zu betreiben und bezeichnete eine solche Obliegenheit als „groteske Situation“330. Eine Asymmetrie habe man darin zu sehen, dass zwar ein Urteil, mit welchem der Schiedsspruch aufgehoben wurde, für die unterlegene Partei vorteilhaft wäre, hingegen eine Bestätigung des Schiedsspruchs (also Zurückweisung der Aufhebungsklage) für deutsche Vollstreckungsgerichte keine Bindung erzeugen sollte.331 Dagegen wandte sich Mezger, brach mit seiner 322 Niemand könne sich ohne entsprechende Vereinbarung einem Schiedsgericht unterwerfen und die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließen, siehe Gottwald, in: Habscheid (Hrsg.), Beiträge zum internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, 1987, 54, 67. 323 Zustimmend auszugsweise: Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 9, m. w. N. dort in Fn. 36; Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 14, m. w. N. dort in Fn. 47; Gottwald, in: Habscheid (Hrsg.), Beiträge zum internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, 1987, 54, 67–68; Mezger, NJW 1962, 278; Mezger, AWD 1970, 258, 260; Mezger, AWD 1971, 322. Gottwald beurteilte es beispielsweise als „sachgerecht, zumutbare Rechtsbehelfsmöglichkeiten des ausländischen Rechts“ einzubeziehen, Gottwald, in: Habscheid (Hrsg.), Beiträge zum internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, 1987, 54, 68, m. w. N. dort in Fn. 86 zu Maier, Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, 1979, Rn. 474. Nagel konkretisierte dies und forderte eine Präklusion, wenn die Partei sich nicht rechtzeitig im Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch gewandt hatte, Nagel, Internationales Zivilprozeßrecht, 1991, 435–436, Rn. 1093. 324 Ablehnend bspw. Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 1985, Rn. 638, m. w. N. dort in Fn. 307; Habscheid, KTS 1972, 209, 213–217; Pfaff, AWD 1970, 55, 58; Bülow, NJW 1971, 486, 488, Bülow, NJW 1972, 415, 416. 325 Eine Übersicht zum Meinungsstand nach damaliger Beurteilung findet sich bei Ernemann, Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO, 1978, 110–114; für eine weitere Zusammenfassung dieser kontroversen Diskussion siehe Schütze, RIW 2011, 417, 417 dort Fn. 2. 326 Pfaff, AWD 1970, 55. 327 Bülow, NJW 1971, 486, 488–491; Bülow, NJW 1972, 415, 415–416. 328 Siehe Mezger in Fn. 323. 329 Mezger hatte mit seinen Ausführungen zuvor die dogmatischen Grundlagen erörtert, auf die sich der BGH bezog siehe Fn. 299. 330 Pfaff, AWD 1970, 55. 331 Pfaff, AWD 1970, 55. Wenn Pfaff dann aber das geringe Maß an Sachkenntnis und notwendiger Neutralität des staatlichen Gerichts im Vollstreckungsstaat anführt (Pfaff,
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früheren Sicht332 und entgegnete, dass es der Partei, die eine Aufhebung und Nichtdurchsetzung des Schiedsspruchs erreichen wolle, nicht schade, im Ursprungsstaat ein Aufhebungsverfahren durchzuführen.333 Damit gab Mezger den Anstoß zu einer breiten Diskussion Voraussetzungen und Ausgestaltung einer Präklusionswirkung. Die dogmatische Grundlage sah Mezger in § 1044 ZPO a. F. Hierzu verdient – gerade für die Gesamtentwicklung der Präklusion – die Abgrenzung Beachtung, die Mezger zwischen dem deutschen Recht in Gestalt des § 1044 ZPO a. F. einerseits und den internationalen Abkommen andererseits feststellte: Nach § 1044 ZPO a. F. war es, anders als in internationalen Abkommen, nicht mehr möglich, die Ordnungsmäßigkeit des Schiedsspruchs zu prüfen, wenn eine solche Überprüfung nach dem für das Schiedsverfahren maßgeblichen Recht nicht mehr zulässig war.334 Zur Ordnungsmäßigkeit des Schiedsspruches zählten gerade auch die Zusammensetzung und Benennung des Schiedsgerichts sowie die Einhaltung der vereinbarten Schiedsordnung.335 Ein Gedankenspiel strickte Mezger in Richtung des UNÜ fort: Er beurteilte die Vollstreckungsfreundlichkeit des UNÜ hier sogar so weitgehend, dass „inhaltliche Mängel des Schiedsvertrages, insbesondere ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Ursprungslandes, im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat nur noch berücksichtigt werden dürfen, wenn sie im Ursprungsland bereits zur Aufhebung geführt haben“.336
Diese recht weitgehende Auslegung beschränkte Mezger jedoch dadurch, dass er für die Formwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, ein Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ, im Rahmen des UNÜ keine Heilungsmöglichkeit sah. Dies gelte selbst dann, wenn die Parteien durch Einlassung dem Verfahren zustimmten.337 Die Grundlage für eine Präklusion war darin zu AWD 1970, 55, 57), ist dem entgegenzuhalten, dass dies auch – abstrakt betrachtet – im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in einem Drittstaat so gesehen werden müsste und somit letztlich nichts gewonnen wäre. 332 Mezger, AWD 1970, 258, 260. 333 Mezger, AWD 1970, 258, 260. 334 Mezger, NJW 1962, 278, 281. 335 Mezger, NJW 1962, 278, 281. Zu den internationalen Abkommen, die Mezger hier in Bezug nahm, zählt insbesondere das Genfer Abkommen von 1927, siehe Fn. 63. Dessen Art. I Abs. 2 lit. a und lit. c. führen als Prüfungspunkte für die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung gerade die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung sowie die Benennung und Zusammensetzung des Schiedsgerichts auf Über Art. V des Genfer Abkommens von 1927 kam dann jedoch wieder das deutsche Recht zur Anwendung. 336 Mezger, NJW 1962, 278, 282. 337 Mezger, NJW 1962, 278, 282. In diesem Zusammenhang steht auch die Auseinandersetzung Mezgers mit dem damals frisch in Kraft getretenen EuÜ, siehe Mezger, RabelsZ 1965, 231. Hier erörterte er den Abstand vom Genfer Abkommen von 1927 zu § 1044 ZPO a. F., dem UNÜ und dem EuÜ. Als Fortentwicklung des Genfer Abkommens von 1927 wäre im Rahmen des UNÜ die bloße Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs nicht mehr als Versagungsgrund zu qualifizieren, wirklich neuen Boden betrat hingegen erst das EuÜ,
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sehen, dass sich die Rechtswirksamkeit – auf die im Rahmen der Anerkennung oder Versagung allein abzustellen sei – nach dem ausländischen Verfahrensrecht richte und eine Rechtsunwirksamkeit nur solange geltend gemacht werden könne, wie dies nach dem ausländischen Recht möglich sei.338 Gänzlich entgegengesetzt äußerte sich Bülow,339 der insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und damit implizit auch Mezger kritisierte. Dabei richtet sich die Kritik vornehmlich dagegen, dass sich der BGH in der Anwendung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. allein auf ein Wortlautargument gestützt habe. In der rein grammatikalischen Auslegung sah Bülow eine unzureichende und nicht weiterführende Betrachtung.340 Historische, systematische und teleologische Auslegungen seien geboten gewesen,341 gerade die historische Auslegung legte nahe, dass der § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. eng verbunden mit dem Genfer Abkommen von 1927 und insbesondere dessen Art. I Abs. 2 lit. a zu verstehen war.342 Bülow erkannte an, dass die These Mezgers etwas „Bestechendes für sich“ hat, denn die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung wurde in § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. nicht als eigener Grund aufgeführt.343 Dies hingegen bedeute aber nicht, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs unabhängig von einer wirksamen Schiedsvereinbarung erfolgen sollte. Es sei vielmehr zu berücksichtigen, dass der § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. und das Genfer Abkommen letzten Endes lediglich unterschiedliche Gesetzgebungstechniken verwendeten.344 Für eine Beurteilung der Versagungsgründe würden die Sachverhalte von dem Ursprungsstaat entkoppelt und im Vollstreckungsstaat losgelöst bewertet.345 In dieser Konsequenz kommt Bülow zu dem Ergebnis, dass es unerheblich ist, ob diese Versagungsgründe im Ursprungsstaat noch mit einem Aufhebungsverfahren geltend gemacht werden könnten oder nicht.346 Bülow ergänzte, dass insbesondere zum UNÜ keine entsprechende Verknüpfung zwischen Aufhebungsverfahren einerseits und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits diskutiert oder gar umgesetzt wurde.347 Diese Betrachtung stand einer Präklukonkret hinsichtlich des Verstoßes der schiedsrichterlichen Entscheidung gegen zwingende Vorschriften, siehe Mezger, RabelsZ 1965, 231, 297. 338 Vgl. Mezger, NJW 1962, 278, 281. 339 Bülow, NJW 1971, 486, m. w. N. zum Meinungsstand dort in Fn. 4 und 5; Bülow, NJW 1972, 415. 340 Bülow, NJW 1971, 486, 488. 341 Bülow, NJW 1971, 486, 488; bekräftigt von Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 1985, 352, Rn. 638. 342 Überzeugend auch Bülow, NJW 1971, 486, 488. 343 Bülow, NJW 1971, 486, 488–489. 344 Eine aufzählende Klausel im Genfer Abkommen von 1927 und eine Generalklausel in § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F., vgl. dazu ebenfalls Bülow, NJW 1971, 486, 490. 345 Bülow, NJW 1971, 486, 489. 346 Bülow, NJW 1971, 486, 489. 347 Bülow, NJW 1971, 486, 489.
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sion im Sinne der BGH-Rechtsprechung diametral entgegen. Weiterhin stellte Bülow auf ausländische Prozesshandlungen als mögliche Beweismittel im deutschen Vollstreckungsverfahren ab. Aus seiner Sicht könne ein Gericht an sich mögliche ausländische Prozessmittel, die nicht wahrgenommen wurden, später nicht für die Beurteilung einer Präklusion heranziehen.348 Mit Blick auf die Aufhebungsklage ist aber grundsätzlich zu beachten, dass ein Verzicht auf ein solches Verfahren ein aussagekräftiges Verhalten der Partei darstellt. Dieser Umstand ist zudem einem Beweis zugänglich und kann entsprechend vom Antragsteller vorgetragen werden. Wie bereits in seiner ersten kritischen Stellungnahme349 sah Bülow auch später ein großes Problem darin, dass Schiedssprüche aus Staaten, die eine Frist für das Ausschlussverfahren vorsahen, gewissermaßen privilegiert würden.350 Darin lag aus seiner Sicht sogar eine „Diskriminierung ‚deutscher’ Schiedssprüche“, weil das deutsche Recht mit § 1041 ZPO a. F. keine Aufhebungsfrist vorsah. Eine solche Diskriminierung sei nicht vertretbar.351 Aus damaliger Sicht mag dies hinsichtlich der Fristen eine überzeugende Beobachtung gewesen sein. Für die weitere Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit mit einer Rechtsvereinheitlichung beispielsweise durch Art. 34 Abs. 3 Model Law muss allerdings festgehalten werden, dass damit eine Aufhebungsfrist von drei Monaten weit verbreitet etabliert wurde und eine Diskriminierung insoweit nicht gegeben ist.352 Die Kritik an seiner Position konnte Mezger – obgleich er die Substanz als beachtlich bezeichnete353 – nicht hinnehmen und erörterte die aus seiner Sicht bestehenden Vorteile des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. gegenüber internationalen Übereinkommen. Nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F., argumentierte Mezger, brauche der deutsche Anerkennungsrichter sich „nur die Frage zu stellen, wie der Richter, d. h. wie das Gesetzes- und Gewohnheitsrecht, des Heimatlandes des Schiedsspruch[s]“354 die Wirksamkeit beurteilt.355 Uneinigkeit herrschte weiterhin über die Ausnahme der BGH-Rechtsprechung für Extremfälle.356 Pfaff hielt solche Extremfälle für reine Theorie und riet daher für die Praxis, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geBülow, NJW 1971, 486, 487. Bülow, NJW 1971, 486, 489. 350 Bülow, NJW 1972, 415, 416. 351 Bülow, NJW 1972, 415, 416. 352 Jedenfalls in den Staaten, die ihr nationales Recht am Model Law orientierten, darunter auch Deutschland. 353 Mezger, AWD 1970, 258. 354 Mezger, AWD 1970, 258, 259. 355 Damit richtete sich Mezger insbesondere gegen Pfaff, Mezger, AWD 1970, 258, 258–261; Mezger, AWD 1971, 322, 322–328. 356 BGH, Urt. vom 26.06.1969 – VII ZR 32/67, NJW 1969, 2093, 2094, wenn bspw. das Schiedsgericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen hatte. 348 349
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gen den Schiedsspruch vorzugehen; ein solcher Extremfall „erscheint nach der beispielhaften Skizzierung dieses Falles durch den Bundesgerichtshof nur vor Revolutionstribunalen denkbar – und die vollstrecken in der Regel selbst.“357 Allerdings hatte ebenso Mezger den sog. Extremfall nicht als Regelzustand bezeichnet; er hielt einen solchen Fall aber für realistisch, denn solche Situationen seien zwar sehr selten, aber eben nicht ganz so undenkbar, wie Pfaff es beschrieb.358 Zu diesen Überlegungen ist der zeitliche Kontext zu beachten, in dem sich die Diskussion in der Literatur in den 1960er Jahren entfaltete, denn der rege Ost-West-Handel, zwischen Unternehmen mit Sitz in westlichen Ländern und Unternehmen mit Sitz in östlichen Ländern, brachte entsprechende Handelsstreitigkeiten mit sich.359 Mezger sah die Parteiinteressen nicht dadurch geschädigt, dass zusätzlich ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchgeführt werden musste, wenn eine Partei die Versagungsgründe vor einer Präklusion bewahren wollte.360 Zudem könnten Praktische Gründe für eine Überprüfung der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung im Vollstreckungsverfahren sprechen.361 Hat eine Partei das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung vollständig bestritten, dann sei es nicht praktikabel, würde das Gesetz dieser Partei die Last auferlegen, sich über eventuelle Anfechtungsverfahren und Fristen im Ursprungsstaat zu Pfaff, AWD 1971, 235, 236. Mezger, AWD 1971, 322, 328. 359 Es ist zu vermuten, dass Handelspartner die Schiedsgerichtsbarkeit vorzugswürdig vereinbarten, weil sie gegenseitig dem Gerichtssystem eines anderen Staates misstrauten, Pfaff, AWD 1970, 55, 57. Eine übliche Vereinbarung berief beispielsweise im Handel mit jugoslawischen Unternehmen die Außenhandelsarbitrage der Handelskammer Jugoslawiens als Schiedsgericht. Zitiert nach Mezger, NJW 1962, 278, 279. Ein Misstrauen in die staatliche Gerichtsbarkeit wurde jedoch nicht mit der Durchführung eines Schiedsverfahrens aufgelöst, sondern bestand vielmehr fort. Daher war es folglich auch nicht verwunderlich, dass sich die unterlegenen (bspw. deutschen) Parteien immer wieder auf typische Versagungsgründe beriefen, siehe Mezger, NJW 1962, 278, 279. Zur Gruppe dieser typischen Einwendungen zählten die Formgültigkeit der Schiedsvereinbarung, die Besetzung des Schiedsgerichts mit Schiedsrichtern, die ausschließlich aus dem Staat des Schiedsverfahrens stammten und letztlich auch der – mitunter daraus resultierende – Verstoß gegen den (deutschen) ordre public, hierzu knapp Pfaff, AWD 1970, 55, 59. Dabei wurde besonders häufig die mangelnde Qualität der Rechtspflege in den östlichen Ländern vorgetragen, besonders zu einem Schiedsspruch über einen israelisch-sowjetischen Öl-Export-Streit im Jahre 1958 Domke, Am. J. Int’l L. (53) 1959, 787; Mezger, NJW 1962, 278, 281 m. w. N. dort in Fn. 22; Berman, RabelsZ 1959, 449, insbes. 463–467; zu den Risiken Robert, AWD 1961, 152, 153–154. Aber das, so beurteilten einige, „gehört zu den Risiken des Ost-WestHandels“, siehe Mezger, NJW 1962, 278, 281. Die Zweifel an dem jeweils fremden Rechtssystem und der historische Kontext sprachen also nicht gegen eine Präklusion. 360 Mezger, AWD 1970, 258, 260. So sprach sich bspw. Maier für ein Präklusionsmodell nach Mezger aus, Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 9; Stein/ Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 14 m. w. N. dort in Fn. 48. 361 Vgl. Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 1985, 352, Rn. 638. 357 358
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informieren und dort im Ursprungsstaat ein Verfahren durchzuführen.362 Diese Betrachtung sollte allerdings differenziert werden. Soweit jegliches Vorliegen einer Schiedsvereinbarung in Frage steht, der Antragsgegner also nie eine Schiedsvereinbarung unterzeichnete, besprochen oder erwähnt hatte, kann der Gedanke von Schütze befürwortet werden. Dann ist kein Raum für Restzweifel, denn die Partei hat nicht einmal die Grundlage dafür gegeben, dass ein Schiedsverfahren in einem anderen Land durchgeführt wurde. Dieser Fall ist hingegen nach vorherrschender Ansicht sowieso vom Schutzbereich des ordre public erfasst und von Amts wegen zu prüfen. Eine ergänzende Prüfung im Vollstreckungsverfahren, wie von Schütze vorgeschlagen, würde die Praktikabilität nicht verbessern. Ist hingegen allein das wirksame Zustandekommen fraglich, beispielsweise weil die Form nicht gewahrt wurde oder die unterzeichnende Person ohne Vertretungsmacht handelte, sprechen auch die Praktikabilitätserwägungen dafür, die Unwirksamkeitsgründe bereits im Ursprungsverfahren als Einwand vorzutragen. ee) Weitere Versagungsgründe in § 1044 Abs. 2 Nr. 2–4 ZPO a. F. Neben der Rechtsunwirksamkeit des Schiedsspruchs in § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. enthält die Vorschrift weitere Versagungsgründe. Die § 1044 Abs. 2 Nr. 2–4 ZPO a. F. regelten die Versagung der Wirksamkeit, wenn „die Anerkennung des Schiedsspruchs im Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist“ (Nr. 2), „die Partei nicht ordnungsgemäß vertreten war“ (Nr. 3) oder, wenn „der Partei in dem Verfahren das rechtliche Gehör nicht gewährt“ wurde (Nr. 4). Für eine Einordnung möglicher Verfahrensfehler ist zunächst zu entscheiden, unter welchen Versagungsgrund ein jeweiliger Verfahrensfehler zu subsumieren war. Im Fokus stand die Entscheidung, wie die Verfahrensfehler der Überschreitung der Schiedsvereinbarung, die fehlerhafte Zusammensetzung des Schiedsgerichts bzw. der Verstoß gegen eine Parteivereinbarung zur Durchführung des Schiedsverfahrens zu qualifizieren waren. Für diese Verfahrensfehler wurden später mit Art. V Abs. 1 lit. c und d UNÜ eigenständige Versagungsgründe geschaffen, in § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. wurden diese Verfahrensfehler hingegen nicht als eigenständige Versagungsgründe aufgeführt. Das Überschreiten der Schiedsvereinbarung ist als ein Unterfall der Nr. 1 zu qualifizieren, wie Maier andeutet.363 Dies erscheint schlüssig, denn die Frage, ob ein weiterer Streitaspekt in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fällt, unterliegt der Parteivereinbarung.364 Die Besetzung des Schiedsgerichts war aus damaliger Sicht differenziert zu beurteilen. Ein Verstoß gegen die Besetzung des Schiedsgerichts konnte unter § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. 362 363 364
Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 1985, 352, Rn. 638. Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 9. Selbstverständlich in den Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit der Streitfrage.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
subsumiert werden, ebenso wie weitere Verstöße gegen das vereinbarte Verfahren, soweit diese nicht unter die § 1044 Abs. 2 Nr. 2–4 ZPO a. F. fielen.365 Sofern allerdings ein Schiedsrichter in das Schiedsgericht berufen wurde, der befangen war, wurde dies als ein Verstoß gegen den ordre public qualifiziert.366 Nr. 3 erfasste die nicht ordnungsgemäße Vertretung der Partei im Schiedsverfahren;367 einen Mangel konnte in diesem Zusammenhang die Unwirksamkeit des Schiedsspruches im Sinne der Nr. 1 bewirken.368 Die Präklusionsrechtsprechung des BGH fand insoweit keine Anwendung und sollte nicht transferiert werden; lag einer der Fälle aus Nr. 2 und Nr. 4 vor, musste der Versagungsgrund entsprechend berücksichtigt werden.369 ff) Ergänzendes damaliges Meinungsbild zur Präklusion im UNÜ Entgegen der international wohl vorherrschenden Meinung ging die Literatur in Deutschland vor 1998 davon aus, dass Art. V UNÜ abschließend sei und dieser Artikel eine Präklusion aus dem UNÜ heraus nicht ermöglichen würde.370 Im Kontext der Präklusionsdebatte wurde angemerkt, dass für das UNÜ keine Anstrengungen unternommen wurden, eventuell existierenden Präklusionsfristen des Aufhebungsverfahrens irgendeine Bedeutung für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zuzusprechen.371 Dieser Gedanke wird ebenfalls durch einen Blick auf die Verhandlungen zum UNÜ unterstützt.372 Allerdings wird diese Überlegung zum Fehlen einer Präklusionsvorschrift im UNÜ gerade aus der deutschen Perspektive geschwächt: Ein Rückschluss aus dem Fehlen einer Präklusionsregelung im UNÜ war, dass sich die Verhandlungsteilnehmer zum UNÜ nicht auf eine Präklusionsregelung einigen konnten und eine solche konkrete Bestimmung dem jeweiligen nationalen Recht überließen. Wenn nun aber aus nationaler Sicht davon ausSo auch Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 11. Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 12. 367 Eine solche nicht ordnungsgemäße Vertretung kann im Verfahren sogar stillschweigend von der anderen Partei genehmigt werden Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 14. 368 Münchener Kommentar ZPO (1992), Maier zu § 1044, Rn. 14. 369 BGH, Urt. vom 07.01.1971 – VII ZR 160/69, NJW 1971, 986, 988; dies entsprach der Intention des Gesetzgebers, Hinweis dafür bei Volkmar, JW (59) 1930, 2745, 2751; Stein/Jonas ZPO-Kommentar (1994), Schlosser zu § 1044, Rn. 16. Die Kategorisierung soll an dieser Stelle wertungsfrei bleiben, obgleich die Gewährung des rechtlichen Gehörs (Nr. 4) mit einem kritischen Blick aufgrund eines eventuell dispositiven Charakters dennoch in den Präklusionszirkel einbezogen werden könnte. 370 Münchener Kommentar ZPO (1992), Gottwald zu Art. V UNÜ, Rn. 4, der allgemein feststellt, dass Art. V UNÜ abschließend ist. An dem Katalog der Versagungsgründe sollte wohl auch nicht gezweifelt werden, vielmehr stellte sich die Frage, ob eine Präklusion mangels expliziter Normierung dennoch möglich ist. 371 Bülow, NJW 1971, 486, 490. 372 Dazu Kapitel 4 – B. 365 366
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gegangen wird, dass eine Präklusion deshalb ausscheidet, weil das UNÜ sie nicht regele,373 ergibt sich als Konsequenz ein rechtlicher Leerlauf und eine Präklusion wäre im Endeffekt ausgeschlossen. Das vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr spricht allgemeine Überlegungen wie beispielsweise die gewünschte Effizienz im Schiedsverfahren374 für eine Präklusion, um etwa auf Verzögerungstaktiken und treuwidriges Parteiverhalten reagieren zu können. Das Model Law enthielt bereits in seiner Ursprungsfassung von 1985 in Art. 34 Abs. 3 Model Law eine Präklusionsvorschrift. Diese Regelung vermochte einen internationalen Trend einzuleiten, dem sich in der Folge zahlreiche Länder, darunter auch Deutschland, anschlossen, indem nationale Schiedsverfahrensrechte entsprechend angepasst und modernisiert wurden. Zusammenfassen lässt sich, dass weder die Haltung zur Berücksichtigung von Präklusionsfristen des Aufhebungsverfahrens375 noch eine fehlende Präklusionsvorschrift im UNÜ einer Präklusionswirkung im eigentlichen Sinne grundsätzlich entgegen sprechen. gg) Zusammenfassung zur Rechtslage in Deutschland vor der Schiedsrechtsreform Mit der Gesetzesnovelle vom 25. Juli 1930 wurde in Form des § 1044 ZPO a. F. eine Vorschrift in die ZPO eingeführt, auf Grundlage derer die Rechtsprechung in den folgenden Jahrzehnten eine Obliegenheit für die unterlegene Partei zur Durchführung eines Aufhebungsverfahrens entwickelte. Nur, wenn eine verfügbare Aufhebungs- oder Nichtigkeitsklage durchgeführt wurde, konnte sich die unterlegene Partei die Rechtsunwirksamkeit des Schiedsspruchs als Versagungsgrund im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bewahren. Eine solche Obliegenheit wurde zwischen Literatur und Rechtsprechung umfassend diskutiert und etablierte sich trotz deutlicher Kritik als ständige Rechtsprechung des BGH. Insgesamt darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die gesamte Diskussion zur Präklusion aus dem Umstand resultierte, dass § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. auf die Fälle angewendet wurde, in denen keine wirksame Schiedsvereinbarung bestand. Die übrigen Gründe, also insbesondere ein nicht durch Aufhebungsklage gerügter Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.), waren hiervon aus Sicht der BGH-Rechtsprechung nicht erfasst. b) Änderung der Rechtslage mit der Schiedsverfahrensrechtsreform von 1998 Mit der Schiedsrechtsreform 1998 fiel der § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. weg. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche 373 374 375
Bülow, NJW 1971, 486, 489. Vgl. auch Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285. Siehe Fn. 371.
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richtet sich von nun an nach dem UNÜ, wie § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO klarstellt. Zudem wurden die Vorschriften des Model Laws weitgehend deckungsgleich in das neue Gesetz übernommen.376 Dies ergab insbesondere für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren weitreichende Änderungen. Mit der Reform sollte das deutsche Schiedsverfahrensrecht modernisiert und bestehende Rückstände zum internationalen Wettbewerb der Rechtsordnungen ausgeglichen werden.377 Die Reform umfasste vornehmlich die Anpassung an Besonderheiten internationaler Schiedsverfahren, eine Angleichung an die modernere Rechtswirklichkeit und die Verbesserung einer zügigen Verfahrensdurchführung und den Abschluss der Schiedsverfahren.378 Das neu gestaltete Schiedsverfahrensrecht sollte einen Weg zu einer globalen Rechtsvereinheitlichung379 beschreiten, es ist daher zu untersuchen, wie diese Rechtsvereinheitlichung ausgestaltet wurde. Hinsichtlich der Präklusionsfrage ist ein beachtlicher Aspekt zunächst, dass der Gesetzgeber mit § 1060 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 ZPO eine Regelung schaffen wollte, die das Berufen auf jene Versagungsgründe, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, nach Fristablauf ausschließen sollte.380 Diese Präklusionswirkung reichte im Regelungsumfang weiter als die Modellklausel des Art. 34 Model Law, die eine solche Klarstellung einer Präklusionswirkung nicht enthält.381 Die deutsche Gesetzesbegründung beurteilte es als notwendig, die Fristbindung der Aufhebungsklage mit einer Präklusion für das Vollstreckbarerklärungsverfahren zu kombinieren.382 Die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass ein fristgebundenes Aufhebungsverfahren generell nur dann als effizient und praktikabel betrachtet wurde, wenn die Aufhebungsgründe nach Fristablauf im Rahmen der Durchsetzung des Schiedsspruchs nicht mehr geltend gemacht werden können.383 In diesem Zusammenhang findet sich in der Gesetzesbegründung der 376 Dazu bspw. Beschlussempfehlung und Bericht in BT-Drs. 13/9124, 24. November 1997, 1. 377 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 23. Seit der Novelle von 1930 – mit der auch § 1044 ZPO a. F. eingeführt wurde, dazu Kapitel 4 – E.I.1.a) – wurde das deutsche Schiedsverfahrensrecht kaum einer nennenswerten Änderung, insbesondere keiner Modernisierung, unterzogen und galt in seinem normativen Bestand als veraltet, siehe Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 23. 378 Dazu Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 22. 379 Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer vor § 1025, Rn. 9. 380 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 27. 381 Ob die Rechtsfolge des Fristablaufs aus Art. 34 Abs. 3 Model Law letztlich identisch ist, kann dahinstehen. 382 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 61; dazu auch Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c). 383 Dies kann als abstrakte Intention unabhängig davon Geltung beanspruchen, ob der Schiedsspruch als inländisch oder ausländisch zu qualifizieren ist. Ein Anliegen des Gesetzes war gerade die Schaffung einheitlicher Regelungen, unabhängig davon, ob ein Schieds-
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für internationale Fälle entscheidende Hinweis, dass eine entsprechende Präklusionswirkung für ausländische Schiedssprüche nicht in die ZPO implementiert werden konnte, weil das UNÜ aus Sicht der Gesetzesbegründung vorrangig zur Anwendung komme.384 Es bestand jedoch ein allgemeiner Wille, jedenfalls für inländische Schiedssprüche eine Präklusionswirkung im Gesetz vorzusehen. Mit einem solchen Präklusionsinstitut sollte verhindert werden, dass der Schuldner mit Rechtsmitteln abwarten kann, ob der Gläubiger eine Vollstreckbarerklärung beantragt. Ohne eine solche Präklusionswirkung würde das Ziel einer schnellen und abschließenden Entscheidung über die Bestandskraft eines Schiedsspruchs verfehlt. 385 Werden die Interessen mit einbezogen, das Schiedsverfahren an die modernere Rechtswirklichkeit anzupassen und zügige Verfahren und Entscheidungen zu ermöglichen,386 verstärkt dies eine generell präklusionsbefürwortende Haltung der Gesetzesbegründung. Ergänzt wurde die Gesetzesbegründung um den systematischen Hinweis, dass jene Versagungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bzw. Art. 34 Abs. 2 lit. b Model Law keiner derartigen Präklusion unterliegen würden.387 Daneben fällt auf, dass hinsichtlich des § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. in der Gesetzesbegründung keine Ausführungen zu finden sind. Entsprechende Ausführungen hätten möglicherweise Rückschlüsse darauf zugelassen, wie die Diskussion um die Präklusion von Versagungsgründen aus Sicht des Gesetzentwurfs beurteilt wurde. 2. Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur Die moderne Beurteilung der Präklusionsfrage sollte zunächst terminologisch trennscharfe Kategorien einer Präklusion bilden um die neue Rechtslage entsprechend einzuordnen.388 Dabei können drei Fallkategorien unterschieden werden:389 zunächst jene Präklusionsfälle, in denen der Mangel geheilt oder ein gesetzlicher Rügeverzicht390 festgelegt wird;391 dann die Präklusion im eigentlichen Sinne, also der Ausschluss von Versagungsgründen als Folge eines unterlassenen Aufhebungsverfahren am Schiedsort, und als drittes die Situationen, in denen sich eine Partei treuwidrig bzw. widersprüchlich ververfahren national oder international ist, vgl. Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 25. 384 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 61. 385 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 61. 386 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 22. 387 Gesetzesentwurf in BT-Drs. 13/5274, 12. Juli 1996, 61. 388 Kröll stellte bereits fest, dass die Terminologie bisher „häufig wenig trennscharf“ ist, Kröll, IPRax 2007, 430. 389 Kröll, IPRax 2007, 430. 390 Gem. § 1027 ZPO. 391 Diese Kategorie wird für die folgende Untersuchung ausgeklammert.
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hält.392 Ein erheblicher Anteil der Begründung einer entsprechenden Präklusion ist, unabhängig vom konkreten Präklusionsmodell, über das UNÜ zu erarbeiten sein.393 Als einleitende Überlegung werden nun die Entwicklung der Rechtsprechung seit der Schiedsrechtsreform 1998 sowie Rechtssprechungserwägungen zu Präklusionswirkungen untersucht (a). Diese Untersuchung liefert dann die Grundlage für die wertende Diskussion der verschiedenen Präklusionsmodelle (b). a) Präklusionserwägungen in der Rechtsprechung seit der Schiedsrechtsreform 1998 Im Folgenden werden die Gerichtsentscheidungen zur Präklusion seit 1998 aufgearbeitet. Sie verschaffen einen Überblick über die Entwicklung der Beurteilung von Präklusionswirkungen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Zugleich erlaubt diese Betrachtung eine Einordnung davon, welche Entscheidungen einander beeinflussten. aa) Gerichtsentscheidungen zu Präklusionswirkungen im eigentlichen Sinne Soweit ersichtlich hatte das OLG München als erstes Gericht im konkreten Kontext über einen Antrag im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu entscheiden, der sich nach neuem Recht richtete und in dessen Verfahrensverlauf sich die Frage stellte, ob eine Präklusion angenommen werden konnte.394 Konkret ging es darum, ob u. a. der Versagungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs gem. Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ vorlag. Das OLG München stellte zunächst fest, dass mit der Reform des Schiedsverfahrensrechts und dem neu eingeführten § 1061 ZPO allein das UNÜ maßgeblich sei.395 Das Gericht entschied dann aber, dass sich in Art. V UNÜ keine dogmatische Anknüpfungsmöglichkeit für eine Präklusion finden lasse und nahm keine Präklusion an.396 Erfreulich wäre es gewesen, wenn das Gericht hier Die Geltung von Treu und Glauben und dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Prozessgrundsätze im UNÜ wurde verschiedentlich klargestellt, bpsw. BayOblG, Beschl. vom 23.09.2004 – 4 Z Sch 05/04, YBCA XXX (2005), 568, 571; OLG Schleswig, Beschl. vom 30.03.2000 – 16 SchH 5/99, RIW 2000, 706, 708. Weiterhin Kröll, ZZP 2004, 453, 483; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 185. 393 Dabei gilt es, die verschiedenen möglichen Geltungsmöglichkeiten des UNÜ zu berücksichtigen. In Betracht käme eine rein binnenrechtliche Geltung durch konstitutive Verweisung des § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO oder aber eine völkerrechtliche Geltung des Übereinkommens, siehe nur bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 6, 16, 17. 394 BayObLG, Beschl. vom 16.03.2000 – 4 Z Sch 50/99, NJW-RR 2001, 431. 395 BayObLG, Beschl. vom 16.03.2000 – 4 Z Sch 50/99, NJW-RR 2001, 431, 432. 396 BayObLG, Beschl. vom 16.03.2000 – 4 Z Sch 50/99, NJW-RR 2001, 431, 432. Das Gericht bejahte allerdings einen Versagungsgrund und lehnte die Anerkennung des Schiedsspruchs ab. 392
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umfassender untersucht hätte, wie das Präklusionsverständnis im UNÜ ausgestaltet ist. Der BGH bekam 2001 Gelegenheit, sich mit einem entsprechend gelagerten Fall zu befassen.397 Im streitgegenständlichen Fall ging es u. a. um den Versagungsgrund der Befangenheit eines Schiedsrichters i. S. d. Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ. Dazu stellte der BGH fest, dass im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren für eine Berücksichtigung des Versagungsgrundes der Befangenheit zumindest gefordert werde, dass die Partei die Befangenheit zuvor am Ort des Schiedsverfahrens geltend gemacht hat.398 Nur wenn ein Verfahrensfehler im Ursprungsstaat nicht vorgebracht werden konnte, könne dieser in einem deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren weiterhin geprüft werden.399 Die zeitliche Beschränkung des Ablehnungsrechts400 und die befristete Möglichkeit eines damit begründeten Aufhebungsverfahrens401 führten bei Nichtgeltendmachung dazu, dass dieser Versagungsgrund im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Berücksichtigung fand. Es war aus Sicht des BGH dabei unproblematisch, die Partei auf jene Rechtsbehelfe am Ort des Schiedsverfahrens zu verweisen, mit denen die Schiedsrichterablehnung hätte geltend gemacht werden können. 402 Das Ergebnis ist konsequent, denn ein im Schiedsverfahren unterlassenes Rechtsmittel kann später nicht im Aufhebungsverfahren oder im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren wieder aufleben.403 Das OLG Celle entschied 2003 einen Fall, bei dem sich eine Partei dem Schiedsgericht gegenüber zwar auf die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung berufen hatte, sich dann aber nicht weiter am Schiedsverfahren beteiligte.404 Ein Aufhebungsverfahren leitete die Partei, soweit ersichtlich, nicht ein. Eine rügelose Einlassung oder ein widersprüchliches Verhalten verneinte das BGH, Urt. vom 01.02.2001 – III ZR 332/99, RIW 2001, 458. Die Entscheidung erging noch zum alten Recht, aufgrund der Beschlussgründe zum UNÜ und der späteren Inbezugnahme durch oberlandesgerichtliche Beschlüsse ist diese Entscheidung allerdings für die moderne Betrachtung aufschlussreich. 398 BGH, Urt. vom 01.02.2001 – III ZR 332/99, RIW 2001, 458, 459. 399 BGH, Urt. vom 01.02.2001 – III ZR 332/99, RIW 2001, 458, 459. 400 Im konkreten Fall des englischen Rechts über Section 24 Abs. 1 lit. a English Arbitration Act 1996. 401 Im konkreten Fall des englischen Rechts über Section 68 Abs. 1 i. V. m. Section 70 Abs. 3 English Arbitration Act 1996. 402 Als Ausnahme erkennt der BGH hier an, wenn es der Partei nicht möglich oder zumutbar war, ein solches Verfahren durchzuführen, vgl. BGH, Urt. vom 01.02.2001 – III ZR 332/99, RIW 2001, 458, 460. Nicht überzeugen konnte der Parteivortrag, die richterliche Unabhängigkeit wäre hier als Bestandteil des ordre public „unabhängig von einer Verfristung erststaatlicher Rechtsbehelfe“ zu berücksichtigen, BGH, Urt. vom 01.02.2001 – III ZR 332/99, RIW 2001, 458, 460. 403 Vgl. dazu insoweit auch Kapitel 3 – B.II.4. 404 OLG Celle, Beschl. vom 04.09.2003 – 8 Sch 11/02, SchiedsVZ 2004, 165. 397
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OLG, denn die Antragsgegnerin hatte ausdrücklich geltend gemacht, dass es aus ihrer Sicht keine wirksame Schiedsvereinbarung gebe. Sofern allerdings das nationale Schiedsverfahrensrecht – im konkreten Fall das chinesische Recht – eine dem § 1040 ZPO vergleichbare Regelung enthalten hätte, hätte das Schiedsgericht über die eigene Zuständigkeit entscheiden können. Dann hätte die Partei sich entsprechend mit dem vorgesehenen Rechtsbehelf am Ort des Schiedsverfahrens an das staatliche Gericht wenden müssen. Die Säumnis der Geltendmachung eines Verfahrensfehlers durch ein solches Verfahren führe aus Sicht des OLG Celle dazu, dass die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden könne.405 Mit einem Beschluss des OLG Stuttgart Ende 2003 wurde das Spektrum der Rechtsprechung kontroverser.406 Dort entschied das Gericht anlässlich eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens eines schweizerischen Schiedsspruchs, dass Einwendungen, die im Ursprungsstaat nicht mit einem fristgebundenen Rechtsbehelf geltend gemacht worden sind, im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert seien.407 Konkret ging es u. a. um die vorgetragenen Versagungsgründe der fehlenden Schiedsvereinbarung gem. Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ sowie um die Abweichung von den vereinbarten Verfahrensregeln gem. Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ. Hinsichtlich der fehlenden Schiedsvereinbarung kam hier ohne direkte Referenz der Gedanke des OLG Celle408 zum Tragen, wonach die Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts zur Feststellung der eigenen Zuständigkeit mit einem Rechtsbehelf409 bei den Gerichten am Ort des Schiedsverfahrens hätte angegriffen werden müssen. Explizit bezog sich das Oberlandesgericht Stuttgart auf die Rechtsprechung des BGH aus 2001410 und schloss sich dessen ständiger Rechtsprechung an.411 Wenig überzeugend löste das OLG Stuttgart allerdings den Aspekt, dass der BGH Entscheidung aus 2001412 ein Schiedsspruch aus der Zeit vor der Schiedsrechtsreform 1998 zugrunde lag und der BGH somit zum neuen Recht letztlich keine Stellung be405 406
18189. 407
18189.
OLG Celle, Beschl. vom 04.09.2003 – 8 Sch 11/02, SchiedsVZ 2004, 165, 168. OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003,
Vgl. Fn. 405. Im konkreten Fall des schweizerischen Rechts Art. 190 Abs. 2 lit. b, Art. 190 Abs. 3, Art. 191 Abs. 1 S. 2 IPRG i. V. m. Art. 85 lit. c, Art. 87 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 BundesrechtspflegeG (CH). 410 Vgl. Fn. 399. 411 OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, 18189, dort Rn. 69. 412 Vgl. Fn. 399. 408 409
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zog.413 Insoweit kann es daher auch nicht überzeugen, wie sich das OLG Stuttgart mit den Entscheidungen des OLG München und des OLG Schleswig aus dem Jahr 2000 auseinander gesetzt hat.414 Diese Entscheidungen, wonach die Rechtsprechung des BGH zum § 1044 ZPO a. F. nicht fortgelte, überzeugten das OLG Stuttgart nicht.415 Das Gericht bekräftigte einen grundsätzlichen Verweis auf die Rechtsschutzmöglichkeiten im Ursprungsstaat. Zudem bestärke eine Präklusion von Versagungsgründen gerade den Grundgedanken des UNÜ, wonach die Anerkennung die Regel und die Versagung die Ausnahme sein solle.416 Allerdings kann insoweit nicht überzeugen, wieso das OLG Stuttgart sich nicht umfassender mit dem Konzept des dualen Rechtsschutzes auseinandergesetzt hat. Anzumerken ist zudem, dass das OLG Stuttgart die Präklusion hier zusätzlich auf den Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. V Abs. 2 lit. b, UNÜ) anwandte.417 Mit zwei Entscheidungen des OLG Karlsruhe in 2006, die erstmals eine Präklusion im eigentlichen Sinne annahmen,418 spitzte sich die Diskussion um eine Präklusionswirkung zu. Der ersten Entscheidung aus dem März 2006 lag ein Schiedsspruch aus der Ukraine zugrunde.419 Die Antragsgegnerin hatte es versäumt, die Einwendungen im fristgebundenen ukrainischen Aufhebungsverfahren geltend zu machen und war aufgrund dessen im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren mit diesen Versagungsgründen präkludiert. Das OLG erörterte, dass die alte BGH-Rechtsprechung unter Geltung des neuen Rechts umstritten sei, da Art. V UNÜ keine Regelung zu einem Rügeverlust vorsieht.420 In diesem Zusammenhang stellte das OLG Karlsruhe darauf ab, dass Anerkennungsversagungsgründe restriktiv angewendet werden können und vollstreckungsfreundlicheres nationales Recht zur Anwen413 OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, 18189, dort Rn. 72. 414 Diese beiden Entscheidungen ergingen zum neuen Schiedsverfahrensrecht; dazu führte das OLG Stuttgart lediglich aus, dass die Oberlandesgerichte München und Schleswig die „Ausführungen des BGH zu einem Rügeverlust nicht berücksichtigen“ konnten, OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, 18189, dort Rn. 71. 415 OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, 18189, dort Rn. 70. 416 OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, 18189, dort Rn. 73. 417 OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003, 1 Sch 16/02, 1 Sch 6/03, BeckRS 2003, 18189, dort Rn. 164. 418 Kröll, IPRax 2007, 430. 419 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 27.03.2006 – 9 Sch 2/05, SchiedsVZ 2006, 335. Der Entscheidung stimmte in der Tendenz bspw. Gruber zu, Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 284. 420 Zustimmend zu einer diesbezüglichen Regelungslücke im UNÜ bpsw. Kröll, IPRax 2007, 430, 432.
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dung kommen sollte. Dabei nahm das OLG Karlsruhe eine teleologische Reduktion des nationalen Rechts vor und befürwortete für das neue Recht eine Fortgeltung der Gründe, die nach altem Recht eine Präklusion begründen konnten.421 Die seit 1998 neue Regelung zur Präklusion bei nationalen Schiedssprüchen (§ 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO) spreche dafür, einer ausländischen Präklusionsregelung ebenso anzuwenden, um die Rechtssicherheit zu stärken. 422 Dabei könne allerdings die Begründung des OLG Karlsruhe zur Ausfüllung einer Regelungslücke im UNÜ kritisch hinterfragt werden.423 Weder der Verweis auf die alte Rechtsprechung des BGH von vor 1998 noch die Inbezugnahme der Präklusionsregelungen für inländische Schiedssprüche seien – jedenfalls nicht so, wie vom OLG Karlsruhe begründet – tragfähig.424 Das OLG Karlsruhe bekräftigte seine Beurteilung mit einer zweiten Entscheidung im Juli 2006.425 Dort lag ein schweizerischer Schiedsspruch zugrunde. Wieder hatte die Schuldnerin und spätere Antragsgegnerin in der Schweiz kein fristgebundenes Aufhebungsverfahren durchgeführt. „Anerkennungsversagungsgründe [können] im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruches nicht verfristet ist“.426 In der Folge nahm das OLG Karlsruhe eine Präklusion an und erklärte den Schiedsspruch für vollstreckbar.427 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 27.03.2006 – 9 Sch 2/05, SchiedsVZ 2006, 335, 336. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 27.03.2006 – 9 Sch 2/05, SchiedsVZ 2006, 335, 336. 423 Kröll, IPRax 2007, 430, 432. 424 Kröll, IPRax 2007, 430, 432. Ungeachtet seiner Kritik sieht Kröll die Entscheidungen des OLG Karlsruhe dennoch in die richtige Richtung weisend, Kröll, IPRax 2007, 430, 434. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass Kröll dies einige Jahre vor der Entscheidung des BGH (BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105) diskutierte. 425 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 03.07.2006 – 9 Sch 1/06, IHR 2006, 263. Zu dieser Entscheidung merkte Kraft an, dass die Anwendung einer Präklusion der Parteientscheidung bezüglich des Schiedsortes größeres Gewicht verleihe, Kraft, Int. A.L.R. 2006, N6870, N70. 426 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 03.07.2006 – 9 Sch 1/06, IHR 2006, 263, 264. Zeitlich zwischen den beiden Entscheidungen des OLG Karlsruhe entschied das OLG Frankfurt/ Main über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines niederländischen Schiedsspruchs, OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 26.06.2006 – 26 Sch 28/05, IPRspr. 2006, Nr. 212, 477. Streitgegenständlich war der Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch sich kreuzende AGB. Das OLG stellte fest, dass eine Partei das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung im ausländischen Schiedsverfahren rügen muss und andernfalls mit diesem Einwand präkludiert sein kann. Interessant war dann aber die Feststellung des Oberlandesgerichts, dass die Präklusion nicht die Schriftform des Art. II UNÜ erfassen kann, OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 26.06.2006 – 26 Sch 28/05, IPRspr. 2006, Nr. 212, 477, 478. 427 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 03.07.2006 – 9 Sch 1/06, IHR 2006, 263. Das OLG Karlsruhe bekräftigte den eigenen Standpunkt erneut in 2007, OLG Karlsruhe, Beschl. vom 421 422
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Im selben Lichte erscheint der Beschluss des OLG Frankfurt/Main aus 2007 über die Vollstreckbarerklärung eines italienischen Schiedsspruchs.428 In Frage stand, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung deshalb zu versagen, weil die Bildung des Schiedsgerichts nicht der Parteivereinbarung entsprochen haben könnte, gem. Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ. Nachdem die Antragsgegnerin die Aufhebungsfrist hat verstreichen lassen,429 sah das Oberlandesgericht diese Einwendungen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren als präkludiert an.430 Die Präklusion begründete das Gericht damit, dass eine Präklusion des Ursprungsstaates zur Sicherung einer einheitlichen Beurteilung in einem anderen Staat ebenso anerkannt werden sollte.431 Zu dem Gedanken, dass eine Partei lediglich im Ursprungsstaat mit einer Einwendung ausgeschlossen wäre, wohingegen sie diesen Versagungsgrund in jedem anderen UNÜ-Vertragsstaat weiterhin vortragen könne äußerte das Gericht Unverständnis.432 Mit der Abkehr von der bisherigen Präklusionsrechtsprechung markiert die Entscheidung des BGH aus Ende 2010433 einen Höhepunkt der Entwicklung.434 Im Schiedsverfahren hatte sich die Beklagte auf die Unzuständigkeit 14.09.2007 – 9 Sch 2/07, SchiedsVZ 2008, 47. Dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren lag ein Schiedsspruch zugrunde, den die Schuldnerin in Taiwan nicht mit einem fristgebundenen Aufhebungsverfahren angegriffen hatte. Hier nahm das OLG Karlsruhe wieder eine Präklusion an und begründete dies mit deckungsgleichen Argumenten wie bereits in 2006 (siehe Fn. 419 und Fn. 425). 428 OLG Frankfurt, Beschl. vom 18.10.2007 – 26 Sch 1/07, BeckRS 2011, 25398. 429 Im konkreten Fall gem. Art. 828, 829 CPC i. V. m. Art. 809 CPC. 430 OLG Frankfurt, Beschl. vom 18.10.2007 – 26 Sch 1/07, BeckRS 2011, 25398. 431 OLG Frankfurt, Beschl. vom 18.10.2007 – 26 Sch 1/07, BeckRS 2011, 25398. 432 OLG Frankfurt, Beschl. vom 18.10.2007 – 26 Sch 1/07, BeckRS 2011, 25398; im nachgehenden Verfahren vor dem BGH beurteilte der Bundesgerichtshof die Frage, ob die sogenannte Präklusionsrechtsprechung fortgesetzt werden könnte, als „wohl grundsätzlich“, allerdings stellte sich diese Frage hier nicht und musste daher nicht entschieden werden, BGH, Beschl. vom 15.01.2009 – III ZB 83/07, IPRspr. 2009, Nr. 269, 696. 433 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105. Der Beschluss des BGH erging, nachdem Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des OLG München eingelegt wurde, OLG München, Beschl. vom 23.11.2009 – 34 Sch 13/09, SchiedsVZ 2010, 50. Hier entschied das OLG München über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines französischen Schiedsspruchs. Bereits im Schiedsverfahren hatte sich die Antragsgegnerin auf die fehlende Schiedsvereinbarung berufen. Daher sah das OLG keinen Grund dafür, dass die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben Anlass hatte, darauf zu vertrauen, die Antragsgegnerin würde sich einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht widersetzen, OLG München, Beschl. vom 23.11.2009 – 34 Sch 13/09, SchiedsVZ 2010, 50, 51. Das OLG stellte dennoch fest, dass die Antragsgegnerin Partei des Schiedsverfahrens war, dort S. 51. 434 Die BGH Entscheidung wurde umfangreich befürwortet, auszugsweise: Prütting/ Gehrlein ZPO-Kommentar, Raeschke-Kessler zu § 1061, Rn. 32–33; Otto, IPRax 2012, 223, 225; Burianski und Skibelski, sehen „keine rechtssystematischen Ansatzpunkte mehr
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des Schiedsgerichts berufen, da es bereits an einer schriftlichen Schiedsvereinbarung gefehlt habe. Zudem hatte sie die Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware gerügt. Ein Aufhebungsverfahren des Schiedsspruchs vor französischen Gerichten hatte die Antragsgegnerin nicht durchgeführt, berief sich nun aber im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vor deutschen Gerichten u. a. auf die unwirksame Schiedsvereinbarung, gem. Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ. Nun musste der BGH entscheiden, ob die alte sog. Präklusionsrechtsprechung fortgelten sollte, eine Präklusion auf anderem Wege begründet werden konnte oder eine Präklusion ausscheide. Zunächst stellte der BGH hierzu klar, dass seine bisherige Rechtsprechung mitunter missverstanden wurde und der Bundesgerichtshof keinen allgemeinen Grundsatz der Präklusion aufgestellt habe. Daran anknüpfend verneinte der BGH eine Präklusion, soweit die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt werden.435 Diese Entscheidung war notwendig und grundsätzlich zu begrüßen. Wie der BGH weiter ausführte, enthalten weder § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO noch Art. V UNÜ einen Vorbehalt zur Geltendmachung von Versagungsgründen.436 Allerdings wies der BGH darauf hin, dass sich der Antragsteller auf den Meistbegünstigungsgrundsatz in Art. VII UNÜ berufen kann, wenn nationale Präklusionsvorschriften eine Vollstreckung erleichtern würden.437 Einer entsprechenden Anwendung der Präklusionsvorschriften für nationale Schiedssprüche in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 ZPO lehnte der BGH ab. Dazu fällt auf, dass der BGH den Verweisungskreis zwischen § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO, dem UNÜ und über den Art. VII UNÜ i. V. m. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO zurück in das UNÜ nicht als problematisch beurteilte. Eine Rückverweisung des nationalen Rechts würde durchbrochen werden und national rechtliche Vorschriften könnten zur Anwendung kommen, auch wenn diese insoweit nur für innerstaatliche Schiedssprüche gelten.438 Problematisch sah der BGH aber die Übertragbarkeit des für eine Rügepräklusion in Folge von Fristversäumnis“, Burianski/Skibelski, BB 2011, 338, 339; dagegen mit ablehnender Kritik bspw. Wolff, LMK 2011, 318374. 435 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 106. 436 Insoweit noch zustimmend bspw. Wolff, LMK 2011, 318374. Otto bekräftigt, dass das UNÜ keine entsprechende Vorschrift enthalte, die dem Vollstreckungsgegner vorgibt, dass er zunächst im Ursprungsstaat mit Rechtsmitteln gegen den Schiedsspruch vorgehen müsse, Otto, IPRax 2012, 223, 225. Allerdings hält Otto eine Präklusion von Versagungsgründen teilweise dann für möglich, wenn der Beklagte ein Aufhebungsverfahren anstrengt, dort allerdings nicht alle Aufhebungsgründe vorträgt, Otto, IPRax 2012, 223, 226; dies differenziert er dann allerdings und sieht eine Ausnahme bei Art. V Abs. 2 UNÜ und dem ordre public-Verstoß. 437 Mit diesem Verweis prüfte der BGH nun Art. V Abs. 1 S. 1 EuÜ. Hiernach trete eine Präklusion nur dann ein, wenn eine Partei es versäumt, die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts mit Einlassung zur Hauptsache im Schiedsverfahren geltend zu machen. Eine weiterreichende Präklusionsregelung enthalte das EuÜ demnach nicht. 438 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107.
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über § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO in Bezug genommenen Rechtsbehelfsverfahrens in § 1059 ZPO. Die Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsspruch im Ausland aufgehoben wurde und mit welcher Frist ein solches Rechtsmittel geltend gemacht werden könnte, liege nicht im Zuständigkeitsbereich des deutschen Gesetzgebers.439 Unklar blieb hier hingegen, ob der BGH allein auf die Frage der Zuständigkeit abstellte und warum der Senat sich nicht umfassend mit der Frage auseinandersetzte, ob das Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat nicht dennoch mit einem solchen Aufhebungsverfahren im Vollstreckungsstaat vergleichbar ist. Der Aspekt der Rechtssicherheit, mehrfach von den Oberlandesgerichten als Begründung einer Präklusion angesprochen, findet im BGH-Beschluss keine Erwähnung. Ebenso erörterte der BGH nicht umfassend das Rechtsschutzkonzept der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Zu der BGH-Entscheidung ist abschließend festzuhalten, dass die Präklusionsrechtsprechung des BGH nach dem 1. Januar 1998 jedenfalls hinsichtlich des Versagungsgrundes der unwirksamen Schiedsvereinbarung nicht fortgesetzt werden kann. 440 Zudem sah der BGH keinen Raum dafür, eine Präklusion über Art. VII UNÜ und § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 ZPO herbeizuführen. Die Voraussetzungen für eine Präklusion aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben sind nicht bereits mit einem widersprüchlichen Verhalten erfüllt. Vielmehr muss ein besonderes Vertrauen bei der anderen Partei erzeugt worden sein. In ihrer Grundtendenz ist diese Entscheidung zu begrüßen, wünschenswert bleibt hingegen eine allgemeine Klarstellung zur Präklusion der übrigen Versagungsgründe in Art. V Abs. 1 UNÜ. Ein US-amerikanischer Schiedsspruch war Grundlage dafür, dass sich das OLG Karlsruhe Anfang 2012 erneut zur Präklusionsfrage äußerte.441 Der Antragsgegner hatte den Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen. Als Versagungsgründe wurden ein Verstoß gegen den ordre public sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und der ordnungsgemäßen Besetzung des Schiedsgerichts442 vorgetragen. Diese Versagungsgründe waren aus Sicht des OLG Karlsruhe präkludiert, weil die unterlegene Partei im Ursprungsstaat kein Aufhebungsverfahren durchgeführt hatte und sich erstmals vor dem Anerkennungs- und Vollstreckungsgericht auf jene Versagungsgründe berief.443 Dem OLG lag jedoch ein Sachverhalt BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. Diese Wendung der Rechtsprechung wurde in der Literatur teilweise als das Ende einer „unendliche[n] Geschichte“ bezeichnet, Schütze, RIW 2011, 417. 441 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101. 442 Ein Schiedsrichter soll während des Schiedsverfahrens geschlafen haben, siehe OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101, 102. Diesen Einwand beurteilte das Gericht später hingegen als unsubstantiiert (dort S. 103). 443 Das OLG setzte sich auch mit der BGH-Entscheidung aus 2010 (siehe Fn. 434) auseinander. 439 440
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vor, der in zwei erheblichen Aspekten von der BGH-Entscheidung aus 2010 zu differenzieren ist: Einerseits stellte sich dem OLG nicht die Frage, wie der Versagungsgrund der wirksamen Schiedsvereinbarung zu behandeln ist,444 andererseits berief sich die unterlegene Partei nicht schon vor dem Schiedsgericht, sondern erst im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auf die Versagungsgründe. Hinsichtlich des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör hatte der Antragsgegner bewusst im Schiedsverfahren von einem Rechtsmittel abgesehen, um einen „Totalkonflikt mit dem Schiedsgericht“445 zu vermeiden. Dies allerdings konnte aus Sicht des OLG nicht überzeugen. Würde dieses Gefahrpotential eines Konflikts mit dem Schiedsgericht akzeptiert und verallgemeinert werden, müssten die Parteien konsequenterweise jeden Verfahrensfehler – und damit Versagungsgrund – erst im nachgelagerten Verfahren vortragen dürfen. Das Verhalten des Antragsgegners bot aus Sicht des OLG – anders als im jüngsten Fall des BGH – dem Antragsteller keinen Anlass, an der Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs zu zweifeln.446 Festzuhalten bleibt, dass aus Sicht des OLG jedenfalls dann weiterhin Raum für eine Präklusion neben der BGH-Entscheidung bestehe, wenn ein anderer Versagungsgrund als die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung vorgetragen wird. Diese präklusionsfreundliche Sicht erstreckte das OLG – nicht überzeugend – auf einen ordre public-Verstoß.447 Im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines schweizerischen Schiedsspruchs hatte das KG über eine Präklusionswirkung zu entscheiden.448 Hier stand der Versagungsgrund der unwirksamen Schiedsvereinbarung, gem. Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ, im Vordergrund. Die unterlegene Partei hatte kein entsprechendes Aufhebungsverfahren durchgeführt. Das KG schloss sich der jüngsten BGH-Rechtsprechung449 an, prüfte dann aber über Art. VII UNÜ die Anwendung günstigerer Vorschriften. Das KG zog hierfür Art. V Abs. 1 EuÜ heran, der insoweit Art. V UNÜ überlagere.450 Die unterlegene Partei hatte hier zwar zu Beginn des Schiedsverfahrens die Rüge der unwirksamen Schiedsvereinbarung erhoben, einen Teilschiedsspruch zur 444 Dahinter steht die Frage, ob eine Partei wirksam auf den gesetzlichen Richter verzichtet und sich damit einem Schiedsgericht unterworfen hat. 445 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101, 104. 446 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101, 104. 447 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101, 103. Der BGH hat Ende 2012 die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Karlsruhe als unzulässig verworfen BGH, Beschl. vom 20.12.2012 – III ZB 8/12, BeckRS 2013, 01579. Der BGH wies die Rechtsbeschwerde mit der Begründung ab, dass „[…] weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert“. Wünschenswert wäre hingegen eine umfassende Klarstellung gewesen. 448 KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112. 449 Siehe Fn. 434. 450 KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112, 117.
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Feststellung der Zuständigkeit hingegen explizit akzeptiert. Demnach war der Antragsgegner mit der Zuständigkeitsrüge gem. Art. V Abs. 1 1, Abs. 2 1 2. Hs. EuÜ auch im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert.451 Kurz, knapp und überzeugend ging das OLG München auf die Präklusionsfrage ein.452 In Rede stand ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Aus Sicht des OLG München hing die Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nicht davon ab, ob die Antragsgegnerin einen im Ursprungsstaat möglichen Rechtsbehelf gegen den Schiedsspruch ergriffen hatte oder nicht.453 bb) Gerichtsentscheidungen zu Präklusionswirkungen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben In 2005 hatte das OLG Hamm Gelegenheit, die Konturen widersprüchlichen und unredlichen Prozessverhaltens zu schärfen.454 Dort hatte die Antragsgegnerin zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts vorgetragen, eine für sie nachteilige Entscheidung dann hingegen nicht bei den Gerichten am Schiedsort angegriffen, sondern sich weiter am Schiedsverfahren beteiligt und später im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren den Einwand der fehlenden Schiedsvereinbarung vorgetragen.455 Das streitgegenständliche Parteiverhalten beurteilte das Gericht als Verstoß gegen das Gebot redlicher Prozessführung.456 451 Zudem bejahte das Gericht einen Verstoß gegen Treu und Glauben, der auch nach insoweit überzeugender Beurteilung des KG dem UNÜ innewohnt, KG, Beschl. vom 04.06.2012 – 20 Sch 10/11, SchiedsVZ 2013, 112, 117. Einen Verstoß sah das Gericht darin, dass die unterlegene Partei die ihr eröffneten Beteiligungsmöglichkeiten bei der Zuständigkeitsprüfung ausgeschöpft hatte, gegen eine Entscheidung des Schiedsgerichts zur Feststellung der Zuständigkeit keine Rechtsmittel erhob und sich im Rahmen der Vollstreckbarerklärung wieder auf die fehlende Schiedsvereinbarung berief. Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des KG war zwar erfolgreich. Dabei widersprach der BGH allerdings den Grundsätzen einer Präklusion wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht, BGH, Beschl. vom 30.01.2013 – III ZB 40/12, SchiedsVZ 2013, 110. Es ging vielmehr um die Frage, ob die Antragsgegnerin wirksam auf ihre Immunität verzichtet hatte, indem sie auf ein Aufhebungsverfahren verzichtete, BGH, Beschl. vom 30.01.2013 – III ZB 40/12, SchiedsVZ 2013, 110, 111. 452 OLG München, Beschl. vom 30.07.2012 – 34 Sch 18/10, SchiedsVZ 2012, 339. 453 OLG München, Beschl. vom 30.07.2012 – 34 Sch 18/10, SchiedsVZ 2012, 339, 342. In der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG München äußerte sich der BGH zur Präklusionsfrage leider nicht, da die Rechtsbeschwerde bereits mangels grundsätzlicher Bedeutung als unzulässig verworfen wurde, BGH, Beschl. vom 23.04.2013 – III ZB 59/12, SchiedsVZ 2013, 229. 454 OLG Hamm, Beschl. vom 27.09.2005 – 29 Sch 1/05, SchiedsVZ 2006, 107. 455 OLG Hamm, Beschl. vom 27.09.2005 – 29 Sch 1/05, SchiedsVZ 2006, 107, 108. 456 OLG Hamm, Beschl. vom 27.09.2005 – 29 Sch 1/05, SchiedsVZ 2006, 107, 108.
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Das KG hatte in 2006 über einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines dänischen Schiedsspruchs zu entscheiden.457 Das Schiedsgericht hatte mit einem Zwischenschiedsspruch seine Zuständigkeit angenommen. Nach Erlass des endgültigen Schiedsspruchs hatte eine Antragsgegnerin458 für sich entschieden, dass eine Aufhebung des Schiedsspruchs nicht zweckdienlich sei und in Dänemark die Vollstreckung des Schiedsspruchs hingenommen. Im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vor dem KG widersetzte sich diese Antragsgegnerin dann allerdings mit Einwendungen dem Verfahren. Dies beurteilte das KG als widersprüchliches Verhalten und schloss die Antragsgegnerin mit diesen Einwendungen aus.459 Dogmatische Grundlage für eine solche Präklusion war der Grundsatz von Treu und Glauben, der, wie das KG klarstellte, für das Verfahrensrecht gelte und den das Gericht aus § 242 BGB herleitete.460 Dieser Grundsatz sei allen Rechtsordnungen immanent.461 Die Widersprüchlichkeit verortete das Gericht darin, dass die Antragsgegnerin bewusst vorbehaltlos und nicht nur vorläufig auf die Anfechtung im Ursprungsstaat Dänemark verzichtete,462 dort die Vollstreckung hinnahm, sich später aber im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren dem Schiedsspruch widersetzte. Das KG stellt hierbei auch auf die Allgemeingültigkeit des Aufhebungsverfahrens als Versagungsgrund gem. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ ab. Zwar sah das KG keine Notwendigkeit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Präklusionsrechtsprechung des BGH fortzusetzen sei. Allerdings äußerte sich das KG dennoch obiter dictum zur Präklusionsfrage und verwies auf den Wegfall des rechtlichen Ansatzes der (alten) Präklusionsrechtsprechung.463 Vornehmlich kritisierte das KG die Entscheidungen des BGH aus 2001464 und des OLG Stuttgart aus 2003465. Es reiche demnach nicht, sich von dieser Präklusionsrechtsprechung bloß mit dem Verweis auf die Geltung des UNÜ abzuwenden; das sei etwas zu leicht.466 Jedenfalls sei zu überlegen, die Präklusionsrechtsprechung auf Grundlage der Treuwidrigkeit bzw. des widersprüchlichen VerKG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108. Das Verfahren richtete sich gegen zwei Antragsgegner. 458 Die Antragsgegnerin war ein Staat; die Regierung beschloss mit einer Resolution, dass eine Aufhebung des Schiedsspruchs „nicht zweckdienlich“ sei (aus KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 109). 459 KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 111. 460 Zur Geltung des § 242 BGB bei prozessualen Fragen vgl. bspw. Palandt, Grüneberg zu § 242, Rn. 4, 21. 461 KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 111. 462 Dem Verzicht lag eine per Resolution gefasste Entscheidung der Regierung zugrunde; siehe dazu Fn. 458. 463 KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 112. 464 Vgl. in Fn. 397. 465 Vgl. in Fn. 407. 466 KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 112. 457
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haltens fortzuführen.467 Das ist in der Tendenz eine begrüßenswerte Überlegung, allerdings vermag diese Überlegung nicht zu überzeugen, soweit eine Präklusion im eigentlichen Sinne nun über einen Verstoß gegen Treu und Glauben angenommen werden soll. In 2008 bestätigte das KG seine Rechtsprechung erneut.468 Die Antragsgegnerin hatte im Ursprungsstaat, der Ukraine, das Aufhebungsverfahren versäumt und wurde im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren deshalb mit ihren auf Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ gestützten Einwendungen präkludiert. Das KG setzte sich mit dem Meinungsstreit zur Präklusion differenzierter auseinander. Dem Argument, dass so ein ausländischer Gesetzgeber durch den Erlass befristeter Rechtsmittel die Überprüfung eines Versagungsgrundes im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren beschränken kann, trat das KG entgegen.469 Zu beachten sei, dass das deutsche Schiedsverfahrensrecht über § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mitunter ebenso wenig berücksichtigt und damit ein vergleichbares System vorsieht.470 Deshalb solle eine Präklusion jener Gründe nach ausländischem Recht mit dem Ziel einer einheitlichen Beurteilung anerkannt werden.471 Der BGH äußerte sich im April 2008 zur Präklusionsfrage.472 Vorausgegangen war die Entscheidung des KG aus 2006473. Das KG hatte eine Präklusion mit einem treuwidrigen Verhalten begründet, weil sich die spätere Antragsgegnerin bewusst gegen ein Aufhebungsverfahren in Dänemark entschieden hatte, sich im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren aber mit Versagungsgründen widersetzte. Der BGH erkannte in Übereinstimmung mit dem KG an, dass der Grundsatz von Treu und Glauben, auch in Form des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, dem internationalen Schiedsverfahrensrecht bekannt ist.474 Allerdings führte der BGH überzeugend aus, dass nicht jedes widersprüchliche Verhalten als ein Verstoß gegen Treu und Glauben qualifiziert werden kann. Die Anforderungen, die das KG zugrunde legte, waren nach Beurteilung des BGH zu gering.475 Zweifel äußerte der BGH daran, ob überhaupt widersprüchliches Verhalten vorlag. 467 KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 112. Hierzu im Nachgang BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196; auf diese BGH-Entscheidung wird sogleich noch eingegangen. 468 KG, Beschl. vom 17.04.2008 – 20 Sch 2/08, IPRspr. 2008, Nr. 199, 638. 469 KG, Beschl. vom 17.04.2008 – 20 Sch 2/08, IPRspr. 2008, Nr. 199, 638, 639. 470 Vgl. KG, Beschl. vom 17.04.2008 – 20 Sch 2/08, IPRspr. 2008, Nr. 199, 638, 639. 471 KG, Beschl. vom 17.04.2008 – 20 Sch 2/08, IPRspr. 2008, Nr. 199, 638, 639. 472 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196. Zustimmend bspw. Pfeiffer, LMK 2008, 264038. 473 Siehe Fn. 457. 474 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196. 475 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Dann schlug der BGH den Bogen zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Ursprungsstaat kein Aufhebungsverfahren durchgeführt hatte, könne – ohne weitere besondere Umstände, die hier fehlten – keinen Rückschluss begründen, sie verzichte damit auf die Geltendmachung von Versagungsgründen in einem anderen Staat. Der BGH sah legitime Gründe dafür, sich in verschiedenen Staaten verfahrenstechnisch unterschiedlich zu verhalten.476 Soweit eine Partei im Ursprungsstaat keine Vollstreckung fürchten muss, weil dort beispielsweise kein Vermögen belegen ist, wäre nicht ersichtlich, wieso diese Partei dort ein kostenverursachendes Aufhebungsverfahren durchführen muss.477 Ein besonderes Vertrauen würde bei der anderen Partei auch dann nicht geschaffen, wenn auf ein Aufhebungsverfahren verzichtet wurde.478 Zu der vom KG aufgeworfenen Frage, ob in Anwendung der Präklusionsrechtsprechung hier eine Präklusion herbeizuführen war, bezog der BGH keine Stellung, denn das OLG hatte die Voraussetzungen dafür bereits verneint.479 b) Präklusionsmodelle und deren Diskurs Die Präklusionsfrage kann, wie die Erwägungen der Rechtsprechung und darauf bezugnehmende Anmerkungen aufzeigen, für das deutsche Recht de lege lata in verschiedene Richtungen gelöst werden, wobei Präklusionswirkungen auf unterschiedlichen dogmatischen Grundlagen basierend diskutiert werden. Zunächst könnten das Fehlen einer Präklusionsregelung im UNÜ bzw. der abgeschlossene Charakter der Versagungsgründe in Art. V UNÜ einen impliziten Ausschluss der Präklusion bedeuten (aa). Mit einem anderen Ansatz könnte eine Fortgeltung des Präklusionsinstituts nach altem Recht (§ 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.) bzw. eine entsprechende Fortgeltung der 476 Vgl. zustimmend Otto, IPRax 2012, 223, 225, der legitime Gründe dafür sieht, im Ursprungsstaat keine Rechtsmittel zu ergreifen; als Beispiel führt Otto die Verfahrenskosten an. Zur detaillierteren Erörterung solcher legitimen Gründe siehe Kapitel 4 – E.I.3.c). 477 Diesen Gedanken unterstützte der BGH damit, dass die Aufhebung des Schiedsspruches ja keine Garantie dafür brächte, dass die Vollstreckung in anderen Staaten damit blockiert ist, BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196. Dieser Differenzierung stimmt bspw. Pfeiffer zu und beurteilt es als notwendig, dass Parteien hier flexibel entscheiden können, welche Verteidigungslinie sie wählen, Pfeiffer, LMK 2008, 264038. 478 Zustimmend bspw. Pfeiffer, LMK 2008, 264038. Allein der Umstand, dass die Partei „eine einfach mögliche Verteidigung gegen den Schiedsspruch im Ursprungsstaat unterlässt und eine aufwendigere Verteidigung in einem oder mehreren Vollstreckungsstaaten wählt“, begründe kein fehlendes Verteidigungsinteresse des Schuldners und führe nicht zu einem widersprüchlichen Verhalten, Pfeiffer, LMK 2008, 264038. Vgl. insoweit auch Wolff, LMK 2011, 318374, 2.a), allerdings im Kontext der Entscheidung BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105. 479 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196.
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BGH-Rechtsprechung aus der Zeit vor der Schiedsrechtsreform von 1998 befürwortet werden (bb). Ebenfalls ist zu überlegen, ob ein Vergleich zu inländischen Schiedssprüchen und der dort verankerten Präklusionsregel in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 2, 3 S. 1 ZPO eine entsprechende Anwendung begründen könnte (cc). Zudem wäre denkbar, ein Präklusionsinstitut im Kontext der Schiedsrechtsreform fortzuentwickeln und über ein kollisionsrechtliches Modell eine Präklusion zu er- und begründen (dd). aa) Vollständiger Ausschluss einer Präklusion im Rahmen des UNÜ Eine der beiden Extremlösungen der Präklusionsfrage wäre es, eine Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen vollständig auszuschließen. Dies ließe sich zunächst einmal unter strenger Beachtung des Wortlauts des UNÜ argumentieren. Das UNÜ enthält weder eine explizite Präklusionsvorschrift noch findet sich eine Regelung, die sich als Verzichtsmöglichkeit oder Heilungsvorschrift auslegen und anwenden ließe.480 Der Umstand, dass im Rahmen der Verhandlungen zum UNÜ eine Präklusionsregelung angesprochen und vorgeschlagen wurde,481 eine solche sich letztlich aber weder in den finalen Entwurfsfassungen noch in dem endgültigen Konventionstext wiederfindet, lässt sich gegen eine Präklusion im Rahmen des UNÜ anführen. Im Detail betrachtet könnte der konkrete Wortlaut des Art. V UNÜ gegen eine Präklusionsmöglichkeit sprechen. In Art. V UNÜ findet sich für den Antragsgegner die uneingeschränkte Möglichkeit, sich auf die dort genannten Anerkennungsversagungsgründe zu berufen.482 Es wäre gesetzestechnisch ein Leichtes gewesen, den Wortlaut für die Wirkung einer Präklusion einschränkend zu gestalten. Gegen einen solchen generellen Ausschluss der Präklusion sprechen jedoch verschiedene Aspekte. Bereits erarbeitet wurde hier,483 dass das UNÜ eine effiziente und vereinfachte Verfahrensgestaltung ermöglichen soll, was sich nicht zuletzt auch im abgeschlossenen Katalog der Versagungsgründe in Art. V UNÜ zeigt. Eine Präklusion fördert die Verfahrenseffizienz.484 Ein Gericht kann sogleich auf ein Versäumen der Aufhebungsfrist abstellen und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dem Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung stattgeben. Zudem belegt die Meistbegünstigungsregelung in Art. VII UNÜ, dass eine innerhalb des UNÜ fehlende Präklusionsregelung über vollstreckungsfreundlicheres nationales Recht zur Anwendung kommen kann. Vgl. auch Kapitel 4 – B.II. Siehe Kapitel 4 – B.II.2.b). 482 Vgl. Kröll, IPRax 2007, 430, 431. 483 Vgl. Kapitel 4 – B.II. 484 Vgl. bspw. Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285; vgl. zur Effizienz zudem Sanders, Law & Pol’y Int’l Bus. (24) 1992–1993, 101, 110–111. 480 481
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Der Umstand, dass die Präklusion Verfahrensrechte des Antragsgegners beschneidet, könnte die Präklusion ausschließen. Denn dies führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen der Beschneidung von Verfahrensrechten zur Effizienzsteigerung einerseits und der Wahrung des rechtlichen Gehörs andererseits. Kröll äußert in diesem Kontext, dass das Fehlen einer expliziten Präklusionsvorschrift „zunächst einmal für eine bewusste Entscheidung gegen jede Form der Präklusion“485 sprechen könnte. Allerdings könne ein nationalrechtliches wertendes Verständnis des Fehlens einer solchen Regelung nicht direkt auf völkerrechtliche Verträge übertragen werden.486 Die Verhandlungsumstände, insbesondere die Kompromissorientierung der Verhandlungsstaaten, bringen es auf völkervertraglicher Ebene mit sich, dass bestimmte Thematiken mangels Konsens – möglicherweise nur vorübergehend – nicht geregelt werden.487 Im Umkehrschluss lässt sich ein Schweigen nicht als Absage gegenüber einer Präklusion verstehen.488 Zudem belegt die Untersuchung der Verhandlungen zum UNÜ, dass sich die Staaten zwar nicht auf eine Regelung einigen konnten, dies jedoch nicht daran scheiterte, dass eine Präklusion von den Teilnehmern grundsätzlich abgelehnt wurde.489 Damit kann das Fehlen einer Präklusionsregelung nicht überzeugend als Argument für einen generellen Ausschluss der Präklusion herangezogen werden.490 In einem Folgeschritt stellt sich die Frage, welche Auswirkung die Regelungslücke des UNÜ hat, dass eine Präklusionswirkung zwar nicht ausgeschlossen, aber ebenso wenig im UNÜ geregelt ist. Zunächst könnte eine Präklusionswirkung durch das systematische Verständnis des UNÜ begründet und die Regelungslücke so geschlossen werden.491 Weiterhin kann eine Lückenfüllung in Anwendung nationalrechtlicher Vorschriften des Vollstreckungsstaates erfolgen, also beispielsweise über ein nationalrechtliches Präklusionsregime.492 Auf diese Weise würde zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass die Staaten sich nicht auf ein Präklusionsmodell einigen konnten. Mit Blick auf den intendierten Einklang der
Kröll, IPRax 2007, 430, 431. Kröll, IPRax 2007, 430, 431. 487 Kröll, IPRax 2007, 430, 431. 488 So auch zustimmend im Kontext des UNÜ und einer Präklusionswirkung Kröll, IPRax 2007, 430, 431. 489 Dazu Kapitel 4 – B.II. 490 Ebenso hält Voit eine Präklusion für möglich. Das UNÜ enthalte zwar keine entsprechende Regelung, allerdings ermögliche dies dem nationalen Gesetzgeber, einen Gestaltungsspielraum zu nutzen, Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1061, Rn. 20. Siehe auch Kröll, IPRax 2007, 430, 431. 491 Siehe zu diesem Auslegungsverständnis bspw. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 185. 492 Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V, Rn. 49. 485 486
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Auslegung des UNÜ ist es dabei vorzugswürdig, die Ausfüllung dieser Regelungslücke des UNÜ einheitlich zu gestalten. Vergegenwärtigt man sich die Folge eines vollständigen Ausschlusses der Präklusion, so zeigt sich ein unüberwindbarer Widerspruch: Wird nämlich in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung angenommen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben im UNÜ verankert ist,493 darf eine Präklusion als Maßnahme gegen ein solches treuwidriges Verhalten nicht ausgeschlossen werden. Ein vollständiger Ausschluss der Präklusion im UNÜ vermag nicht zu überzeugen. Eine wichtige Einschränkung bzw. ein Ausschluss einer Präklusionswirkung ist allerdings festzustellen. Über Art. V Abs. 2 UNÜ kann die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs bei einem Verstoß gegen den ordre public 494 versagt werden. Das allgemeine deutsche ordre public-Verständnis erfasst die „Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens in zwingender, dem Parteibelieben entzogener Weise“.495 Wird ein Verfahrensfehler als ordre public-widrig qualifiziert bzw. ein ordre public-Verstoß festgestellt und sind somit die staatlichen Interessen betroffen, dann kann ein Parteiverhalten dies nicht überwinden.496 Damit scheidet in diesem Kontext eine Präklusion der Versagungsgründe des Art. V Abs. 2 UNÜ aus. bb) Fortgeltung des Präklusionsinstituts aus § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. Es ist denkbar, dass das Präklusionsinstitut aus der Zeit von vor 1998 möglicherweise übernommen und entsprechend weiterhin zur Anwendung kommen könnte. Eine solche Lösung hätte den Vorteil, dass die bisherigen Erfahrungen übertragen und fruchtbar gemacht werden könnten. Dieses Lösungsmodell bedarf allerdings erheblichen Begründungsaufwands. Dazu Kapitel 4 – B.III. insbes. Fn. 154. Die Termini public policy und ordre public werden zumeist austauschbar verwendet, Wolff NYC Commentary, Wolff zu Art. V, Rn. 489 mit Verweis auf van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 359; der Maßstab ist dabei dem nationalen Standard im Vollstreckungsstaat zu entnehmen, Wolff NYC Commentary, Wolff zu Art. V, Rn. 494. 495 BGH, Urt. vom 12.07.1990 – III ZR 174/89, NJW 1990, 3210, 3211; BGH, Beschl. vom 30.10.2008 – III ZB 17/08, SchiedsVZ 2009, 66, 67; OLG Celle, Beschl. vom 01.11.1957 – 11 U 78/57, BB 1958, 1107; OLG Hamburg, Urt. vom 01.10.1954 – 1 U 66/54, NJW 1955, 390, 390; zur Anwendung ausländischen Rechts schon RG 27.05.1910, RGZ 73, 366, 369. Allerdings führt nicht jeder Widerspruch zu einer zwingenden Vorschrift deutschen Rechts zu einem ordre public-Verstoß, hierfür muss gegen eine unabdingbare Norm verstoßen werden, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist, BGH 30.10.2008, SchiedsVZ 2009, 66, 67. Siehe zu einer Übersicht der Anwendung des ordre public-Vorbehalts in der deutschen Rechtsprechung bspw. Alvarez Pfeifle, Der Ordre Public-Vorbehalt als Versagungsgrund der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung internationaler Schiedssprüche, 2009, 281–293. 496 Wolff NYC Commentary, Wolff zu Art. V, Rn. 518. 493 494
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Nach der Schiedsverfahrensrechtsreform 1998 wurde erwogen, ein Präklusionsinstitut im Sinne der BGH-Rechtsprechung auch nach der Reform fortgelten zu lassen.497 Dies sei damit zu begründen, dass diese Rechtsprechung zwar zum § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. erging, später aber weitgehend losgelöst vom Wortlaut des § 1044 ZPO a. F. begründet wurde.498 Diese Loslösung vom Wortlaut verknüpfte Kröll mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus 2001.499 An der Entscheidung ließe sich die Schaffung einer neuen dogmatischen Grundlage der Präklusion ergründen.500 Zudem könne so ein internationaler Entscheidungseinklang gefördert werden.501 In jedem Fall müsste allerdings ein daraus resultierender Verweis auf ein Aufhebungsverfahren, also auf die sog. local remedies502, unter dem Vorbehalt der dortigen Rechtsschutzqualität stehen.503
497 Kröll, IPRax 2002, 384, 387; Kröll, in: Paulsson (Hrsg.), International Handbook on Commercial Arbitration, 2007, 1, 65. Ebenso sprach sich Münch – vor der BGHEntscheidung 2010 (siehe Fn. 434) – für eine Fortgeltung der Präklusion aus, Münchener Kommentar ZPO (2008), Münch zu § 1061, Rn. 12. Als dogmatischen Ausgangspunkt sah er die Fortgeltung der Rechtsprechung des BGH von vor 1998, die er als sog. tradierte Praxis bezeichnet, Münchener Kommentar ZPO (2008), Münch zu § 1061, Rn. 12; aufrechterhalten in Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 12. Daneben sprach sich Geimer früher vollständig für eine Präklusion unter Fortgeltung der BGHRechtsprechung von vor 1998 aus, Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2002), Geimer zu § 1061, Rn. 28. Nunmehr setzt sich Geimer etwas differenzierter mit dem Meinungsstand auseinander und hält weiterhin an einer Fortgeltung der Rechtsprechung fest, die sich aus seiner Sicht in der BGH-Entscheidung 2001 festigte, Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1061, Rn. 26–27. 498 Kröll, IPRax 2002, 384, 387. 499 Siehe Fn. 397. 500 Kröll, IPRax 2002, 384, 387. Später diskutierte Kröll, wie dargelegt, die Präklusion dann mit einer anderen dogmatischen Begründung, vgl. bspw. Fn. 424. Auch Wagner hält eine Präklusion basierend auf der Fortführung der zu § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. etablierten Grundsätze für geboten, Wagner, in: Wagner/Schlosser (Hrsg.), Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 1, 62–65. 501 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 12. 502 Hierzu Fn. 185. 503 Wagner, in: Wagner/Schlosser (Hrsg.), Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 1, 64–65. Ebenso Kröll, der den Verweis auf die Rechtsmittel im Ursprungsstaat insoweit an die Voraussetzung knüpft, dass die Qualität des Rechtsschutzes im Ursprungsstaat mit jener in Deutschland vergleichbar sein müsse, Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Kröll zu § 1061, 461, Rn. 56, „[…] if the remedies at the place of arbitration provide for an equal standard of protection as that afforded by German provisions“ m. w. N. zu Rn. 56, in Fn. 115. Die dogmatische Grundlage liege hier im Wortlaut „may“ des Art. V UNÜ und in Art. VII UNÜ, Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Kröll zu § 1061 ZPO, Rn. 56. Differenzierungsbedarf liege dann vor, wenn die Partei bereits daran gehindert war, am Schiedsverfahren teilzunehmen, Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Kröll
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Als Befürwortung einer Präklusion in der Grundtendenz der alten Präklusionsrechtsprechung des BGH kann es verstanden werden, die Frage, innerhalb welcher zeitlichen Frist Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Schiedsverfahrens vorgetragen werden konnten, Solomon folgend, dem Schiedsverfahrensstatut zu unterstellen.504 Der Bundesgerichtshof hatte die Präklusionsrechtsprechung vornehmlich mit dem Wortlaut begründet.505 Durch die Reform des Schiedsverfahrensrechts wurde die ursprüngliche dogmatische Verankerung am Wortlaut des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. und konkret dort die Formulierung „[…] für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs ist […] das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgebend“506 ersatzlos entfernt. Die deutliche Wortlautfixierung auf § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. und der Wegfall der Regelung sprechen daher gegen eine Übertragung der Rechtsprechung.507 Zudem hat der Gesetzgeber mit der Reform des Schiedsverfahrensrechts die Gelegenheit ungenutzt gelassen, eine vergleichbare Regelung in das neue Recht zu implementieren. Letztlich leidet diese Lösungsoption unter dem Hindernis, dass die dogmatische Grundlage entzogen wurde und vermag deshalb letztendlich nicht zu überzeugen. cc) Entsprechende Anwendung der Präklusionsregelung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO In Betracht gezogen wird weiterhin ein Modell, bei dem die Präklusionsregelung für inländische Schiedssprüche in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO analog angewendet wird.508 Der § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO gibt für das Aufhebungsverfahren inländischer Schiedssprüche vor, dass der Antragsgegner mit dem Vorbringen von Aufhebungsgründen gem. § 1059 zu § 1061, 461, Rn. 56, vgl. auch Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, in: Böckstiegel/Kröll/ Nacimiento (Hrsg.), Arbitration in Germany, 2015, 48, Rn. 156. 504 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 688. Die gegen die Rechtsprechung des BGH zum alten Recht vorgebrachte Kritik hält Solomon für unberechtigt. 505 Siehe hierzu Fn. 295 und Fn. 296; den BGH überzeugten zudem die Ausführungen Mezgers (siehe Mezger Fn. 299). 506 § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.: „Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen: wenn der Schiedsspruch rechtsunwirksam ist; für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs ist, soweit nicht Staatsverträge ein anderes bestimmen, das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgebend.“ 507 Bspw. auch Kraayvanger, SchiedsVZ 2008, 301, 302, der sich aber grundsätzlich für eine Präklusionswirkung ausspricht. 508 So bspw. Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c); ebenso Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1319–1320; Kühn, SchiedsVZ 2009, 53, 60; vgl. auch Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1061, Rn. 20; dort m. w. N. in Fn. 97.
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Abs. 2 Nr. 1 ZPO dann präkludiert ist, wenn die Fristen des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO509 abgelaufen sind und der Antragsgegner keinen Antrag zur Aufhebung des Schiedsspruchs510 gestellt hat. Der Verweis und zugleich die Beschränkung auf § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO stellen sicher, dass ein ordre public-Verstoß511 nicht präkludiert wird. Mit diesen Überlegungen könne nun § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines ausländischen Schiedsspruchs angewendet werden.512 Dies ergäbe sich daraus, dass Art. VII Abs. 1 UNÜ auf § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 ZPO verweise und so diese Präklusionsfrist im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Anwendung komme.513 Mit dem Verweis aus Art. VII Abs. 1 UNÜ ist allerdings zu klären, ob sich dieser „ausschließlich auf die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zur Vollstreckbarerklärung innerstaatlicher Schiedssprüche oder aber als Verweis auch auf die Vorschriften zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche“514 bezieht. Befürworter einer solchen entsprechenden Anwendung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO könnten einwenden, dass nicht nachvollziehbar sei, warum § 1060 ZPO teilweise zur Anwendung gebracht werden solle, die Anwendung anderer Teile der Vorschrift aber mit dem Verweis abgelehnt werden müsse, diese seien „formal nur für inländische Schiedssprüche gedacht“515. Die Parallelregelungen in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 ZPO und auch die Einbeziehung des UNÜ über § 1061 ZPO sprächen gerade dafür, auch innerhalb des deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens eine Präklusionswirkung des ausländischen Rechts weiterhin anzuwenden.516 Ein Vorteil einer entsprechenden Anwendung der inländischen Regelung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO könnte die uniforme Überprüfung aller Schiedssprüche im nationalen Entscheidungseinklang sein. Dies fördere eine Vereinheitlichung und Übersichtlichkeit.517 ZuDie Frist gem. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO beträgt drei Monate und wurde auf Grundlage des Art. 34 Abs. 3 Model Law in die ZPO eingeführt, dazu Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 3. 510 Gem. § 1059 Abs. 1 ZPO. 511 Gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO. 512 Wolff, LMK 2011, 318374. 513 Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1319–1320. 514 Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1314. 515 Wolff, LMK 2011, 318374, 2.b). 516 Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1061, Rn. 20; dort m. w. N. in Fn. 97; Kühn, SchiedsVZ 2009, 53, 60. 517 Darauf weist auch Voit hin, der die Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung gerade darin sieht, dass einerseits mit der Einbeziehung des UNÜ in das deutsche Recht 509
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dem diene eine Übertragung der inländischen Präklusionswirkung auf ausländische Schiedssprüche der Rechtssicherheit.518 Insoweit war für Kröll nicht nachvollziehbar, wieso ausländische Schiedssprüche anders behandelt werden sollten als deutsche Schiedssprüche,519 für die eine Präklusionsregelung in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO vorgesehen ist. Eine Anwendung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO auf ausländische Schiedssprüche könnte mit Blick auf den Sinn und Zweck der Befristung eines Aufhebungsverfahrens befürwortet werden.520 Eine Befristung des Aufhebungsverfahrens dient der Sicherung eines schnellen und endgültigen Verfahrensergebnisses und kann nur effektiv sein kann, wenn nach Ablauf der Frist entsprechende Versagungsgründe nicht mehr vorgebracht werden können. Diese Gedanken seien auch auf ausländische Schiedssprüche zu übertragen.521 Einer Übertragung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO auf ausländische Schiedssprüche würde möglicherweise bereits daran scheitern, dass der Verfahrensgegner in ein mitunter kostenintensives Aufhebungsverfahren gedrängt wird.522 Zu diesem Gesichtspunkt ist zwar zu ergänzen, dass Parteien gerade aus wirtschaftlichen Erwägungen kein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat einzuleiten bräuchten und daher die § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht auf ausländische Schiedssprüche anzuwenden seien.523 Den Parteien wäre insoweit allerdings wiederum zu entgegnen, dass sie sich mit der Wahl des Schiedsortes bewusst für das Schiedsverfahrensrecht inklusive der dortigen Rechtsbehelfe entschieden haben.524 Eine entsprechende Übertragung der § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO muss hingegen ausscheiden. Überzeugend ist bereits die Feststellung, dass die Vorschrift des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO ausdrücklich nur das inländische Aufhebungsverfahren i. S. d. § 1059 Abs. 3 ZPO in Bezug nimmt. Weitere Aspekte sprechen gegen eine Analogie der Vorschrift für nationale Schiedssprüche. Einige Rechtsordnungen trennen bewusst zwischen nationalen und internationalen Schiedssprüchen; das deutsche Schiedsverfahrensdurch § 1061 ZPO und andererseits mit der Regelung des § 1059 ZPO parallele Vorschriften erlassen wurden, Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1061, Rn. 20. 518 Kühn, SchiedsVZ 2009, 53, 60; vgl. Kröll, IPRax 2007, 430, 434; Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 281, 285; losgelöst zur Fortgeltung der Präklusionsdoktrin siehe Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, Rn. 3906a. 519 Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.): Arbitration in Germany, 2015, Kröll zu § 1061, 461, Rn. 56. 520 Vgl. auch Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c.aa). 521 Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c.aa). 522 Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c.bb). 523 Prütting/Gehrlein ZPO-Kommentar, Raeschke-Kessler zu § 1061, Rn. 33. 524 Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c.bb). Vgl. auch Gruber, der für die Parteien keine Nachteile sieht, weil es in ihrer Hand liegt, durch die Auswahl des Schiedsortes Einfluss auf mögliche Rechtsmittel und Fristen zu nehmen und sich entsprechend zu informieren, Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285.
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recht differenziert525 ebenfalls. Ein inländischer Schiedsspruch hat gem. § 1055 ZPO in Deutschland „unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils“,526 wohingegen ein ausländischer Schiedsspruch zunächst anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden muss. Diese gesetzlich verankerte Differenzierung spricht gegen eine Analogie zu Vorschriften inländischer Schiedssprüche. Dem könnte entgegengehalten werden, dass das deutsche Schiedsverfahrensrecht einheitlich für nationale und internationale Verfahren gelten soll.527 Gelten also die gleichen Verfahrensmaßstäbe, könnten den Parteien ebenso die gleichen Obliegenheiten auferlegt werden. Dagegen spricht erneut die fehlende Öffnung der Regelung in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO für ausländische Schiedssprüche, der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung somit hier eine Differenzierung zwischen ausländischen und inländischen Schiedssprüchen angelegt. Daher überzeugt auch der Verweis auf eine einheitliche Verfahrensgestaltung nicht davon, § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO auf ausländische Schiedssprüche anzuwenden. Weiterhin kann dieses Modell nicht begründen, wie beispielsweise § 1025 Abs. 4 ZPO, der für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Schiedssprüche ausschließlich auf §§ 1061–1065 ZPO verweist, überwunden werden soll. Zudem muss berücksichtigt werden, dass § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO eine konkretisierte Meistbegünstigungsregel528 enthält und der Verweis aus Art. VII Abs. 1 UNÜ folglich nicht § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO erfassen kann.529 Die Hauptkritik des BGH an einer Übertragung der Präklusionswirkung aus § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO auf die Frist des ausländischen Aufhebungsverfahrens war, dass das von § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO in Bezug genommene Aufhebungsverfahren (gem. § 1059 ZPO) nicht auf ausländische Schiedssprüche zu übertragen ist.530 Es falle nicht in die Zuständigkeit des deutschen Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, wie die Voraussetzungen definiert werden, unter denen ein im Ausland ergangener Schiedsspruch aufgehoben werden kann und wie die Fristen eines solchen Verfahrens ausgestaltet sind.531
BT-Drs. 13/5274, 27. Siehe ebenfalls § 1025 Abs. 4 ZPO. 527 BT-Drs. 13/5274, 25. 528 Vgl. Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 16. 529 Münch argumentiert, dass es sich in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO nur um eine sog. beschränkte Verweisung handele, von der Art. VII Abs. 1 UNÜ nicht erfasst ist, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 16. 530 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. 531 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. Dieses Argument des historischen Gesetzgebers, dass die Einführung einer Präklusionsvorschrift an einer vorrangigen Geltung des UNÜ gescheitert war, überzeugte Wolff nicht, Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c.cc), siehe dazu BT-Drs. 13/5274, 61. 525 526
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Einer Übertragung der inländischen Vorschriften zur Präklusion aus § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 ZPO auf ausländische Verfahren könnte weiterhin das in sich abgeschlossene inländische System zur Durchsetzung eines Schiedsspruchs entgegen gehalten werden.532 In diesem System sind die Aufhebungsgründe identische mit den Gründen zur Versagung einer Vollstreckbarerklärung und zudem entscheidet sowohl über die Aufhebung als auch über die Vollstreckbarerklärung häufig dasselbe Gericht.533 Daraus entstehe ein gewisses Vertrauen in die Effektivität und Qualität des inländischen Rechtssystems, was im ausländischen Aufhebungsverfahren so nicht zutrifft.534 De lege lata sprechen die überzeugenden Argumente dafür, eine Übertragung der Fristen nicht anzunehmen. Eine Öffnung wäre aus hiesiger Sicht nur über eine Klarstellung in § 1061 ZPO i. V. m. § 1060 ZPO535 zu erreichen. dd) Fortentwicklung der Verweisungswertung einer Präklusionswirkung i. S. d. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. Mit einem weiteren Ansatz könnten die Grundgedanken und Wertungen der damaligen Regelung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. extrahiert und als ein kollisionsrechtliches Verweisungssystem fortentwickelt werden.536 Damit ließe sich das Ziel verfolgen, dass unter dem neuen Schiedsverfahrensrecht an das Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat angeknüpft wird. Es wurde zu § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. mehrheitlich davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit des Schiedsspruchs dem Schiedsverfahrensstatut unterstand und dieser Verweis auch verfahrensrechtliche Fragen, Rechtsmittel und die jeweiligen Rechtsmittelfristen umfasste.537 Unter diesen Voraussetzungen waren Präklusionsregelungen des Ursprungsstaats dann anwendbar, wenn sie durch das Recht des Vollstreckungsstaates kollisionsrechtlich zur Anwendung beKröll, IPRax 2007, 430, 433. Kröll, IPRax 2007, 430, 433. 534 Kröll, IPRax 2007, 430, 433. 535 Vgl. dazu die Kritik zur Änderung de lege ferenda Kapitel 5 – A.I. 536 Vgl. auch die Überlegung von Solomon, die hier bereits unter dem Aspekt der Fortgeltung des Präklusionsinstituts in Bezug genommen wurde, Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 688, siehe Kapitel 4 – E.I.2.b)bb). 537 Siehe Kapitel 4 – E.I.1.a); hierzu Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 681, dort m. w. N. Fn. 12. Gegen eine solche Beurteilung wurde Kritik geäußert. Wie Solomon treffend zusammenfasste, ist nämlich nicht die Beurteilung des Schiedsspruchs in einem Ursprungsstaat entscheidend, sondern die Beurteilung „im Vollstreckungsstaat durch dessen Gerichte, die nur auf der Grundlage des Schiedsverfahrensstatuts zu erfolgen hat“, Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 682. 532 533
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stimmt sind.538 Hier lässt sich nun die Brücke der Fortentwicklung schlagen und eine kollisionsrechtliche Verweisung aus dem nationalen Präklusionsregime auf die Anwendung der Präklusionsfrist des Ursprungsstaats prüfen.539 Eine kollisionsrechtliche Beurteilung könnte dem Bezug zu mehreren Rechtsordnungen Rechnung tragen, denn Gegenstand des betrachteten Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens ist ein ausländischer Schiedsspruch, der nach dem Recht des Ursprungsstaats ergangen ist und in das Regime des Vollstreckungsstaats übertragen werden soll. Möglicherweise ließe sich dieses Präklusionsmodell neben Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ auch auf weitere Versagungsgründe in Art. V Abs. 1 UNÜ übertragen. Mit einem solchen Modell würde ein Gericht im Vollstreckungsstaat einen Schiedsspruch nach nationalem Recht des Vollstreckungsstaates (bzw. i. V. m. dem UNÜ) auf dessen Endgültigkeit und daraus resultierende Unaufhebbarkeit hin prüfen und dieses Tatbestandsmerkmal dem Schiedsverfahrensstatut unterstellen.540 Eine Verweisung der Endgültigkeit und Unaufhebbarkeit auf das Schiedsverfahrensstatut stünde ebenfalls im Einklang mit der Ermittlung der Verbindlichkeit eines Schiedsspruchs, für welche auf das Heimatrecht des Schiedsspruchs verwiesen wird.541 Für einen kollisionsrechtlichen Verweis könnten, wenn man soweit kein kollisionsrechtliches Anknüpfungsmerkmal identifiziert hat, alternativ die Regelungen der Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ heranzuziehen sein. Die Regelungen des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ verweisen zur Bestimmung des Rechts, das auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung (lit. a) und die ordentliche Bildung des Schiedsgerichts und Schiedsverfahrensverlaufs (lit. d) anwendbar ist, auf das Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist (lit. a) bzw. in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand (lit. d). So stellt also beispielsweise Art. V Ebenso Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 682. 539 Dogmatisch wäre eine solche Lösung wohl im nationalen Schiedsverfahrensrecht des Vollstreckungsstaats verankert. Dabei sind, wie der Vorschlag von Kröll aufzeigt, insgesamt drei Modelle denkbar, Kröll, IPRax 2007, 430, 434. Als erstes könnte für eine Präklusion ausschließlich das Recht des Ursprungsstaats herangezogen werden. Dies würde im Vollstreckungsstaat bedeuten, dass über die Anerkennung der ausländischen Präklusionswirkung zu entscheiden wäre. Die gegensätzliche Position wäre die „Schaffung eines völlig autonomen deutschen Präklusionsmodells“ Kröll, IPRax 2007, 430, 434. Hier würden sich dann die Präklusionsfristen aus dem deutschen Recht ergeben, Kröll, IPRax 2007, 430, 434. Zwischen diesen beiden Modellen lässt sich eine vermittelnde Lösung begründen. Dieser vermittelnde Ansatz knüpft an die Fristen des Ursprungsstaats an, etabliert generell jedoch ein eigenständiges Präklusionsregime im Vollstreckungsstaat, Kröll, IPRax 2007, 430, 434. 540 Die Qualifikation eines Schiedsspruchs hingegen hat übereinkommensautonom zu erfolgen, dazu Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. I UNÜ, Rn. 3. 541 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 10 m. w. N. dort in Fn. 21 ebenso zu Gegenmeinungen. 538
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Abs. 1 lit. d UNÜ darauf ab, ob das Schiedsgericht ordentlich gebildet wurde und der Verfahrensverlauf der Parteivereinbarung entsprach. Haben die Parteien weder explizit noch implizit eine entsprechende Wahl getroffen, wird auf das Recht am Ort des Schiedsverfahrens abgestellt.542 Von diesem Verweis könnten dann nach diesem Präklusionsmodell ebenfalls die Rechtsmittel und Fristen eines Aufhebungsverfahrens543 erfasst sein. Klärungsbedürftig ist zunächst der Umfang eines solchen Verweises auf das Schiedsverfahrensstatut (1), um sich dann mit der Kritik an einer Fristenauslagerung auseinanderzusetzen (2) und die Anwendbarkeit eines solchen Präklusionsmodells de lege lata zu überprüfen (3). (1) Umfang eines Verweises auf das Schiedsverfahrensstatut bzw. auf das von den Parteien gewählte Recht Für das Tatbestandsmerkmal der Wirksamkeit und Endgültigkeit ist der Verweisungsumfang auf das Schiedsverfahrensstatut zu klären. In diesem Kontext ist zunächst zu entscheiden, ob eine Fristenregelung eines Rechtsmittelverfahrens nur verfahrensrechtliche oder darüber hinaus materiell-rechtliche Interessen der Parteien sichert.544 Diese Qualifikationsfrage ist im Lichte einer funktionellen Qualifikation zu ergründen.545 Die Aufhebungsgründe selbst betreffen die Existenz des Schiedsspruchs und daher das materielle Interesse der Bestandskraft, was im primären Interesse der Parteien liegt. Die Parteien entscheiden sich für ein Schiedsverfahren, um dort eine endgültige Streitentscheidung zu erhalten. Die Fristenregelungen und Präklusionen sichern dieses Interesse an formeller Rechtssicherheit und haben damit eine starke materiell-rechtliche Ausprägung. Mit Ablauf einer Frist soll Rechtssicherheit eintreten.546 Dies vergleicht Solomon mit der materiell-rechtlichen Qualifikation der Verjährung.547 Dieser Vergleich überzeugt, dabei muss aber beachtet werden, dass eine solche funktionelle Qualifikation der Präklusionsfristen eine Abweichung von dem ursprünglichen Grundsatz des Internationalen Zivilverfahrensrechts bedeutet, wonach verfahrensrechtliche Fragen der
Näher dazu bspw. Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V, Rn. 275–278. Bzw. die Frist des jeweiligen Verfahrens, mit dem der Schiedsspruch beseitigt werden kann. 544 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 685. 545 Zur kollisionsrechtlichen Frage des anwendbaren Verfahrensrechts und der funktionellen Qualifikation siehe instruktiv Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, § 56 IV, 595–596. 546 Vgl. Kapitel 2 – B. 547 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 686. 542 543
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lex fori, also hier dem Vollstreckungsstaat, unterstünden.548 Rechtsinstitute wie Verwirkung und Verjährung gewährleisten ebenfalls die materiellen Interessen der Partei und unterstehen dem Recht, welches den geltend gemachten Anspruch beherrscht.549 Daher sprechen diese Aspekte im Rahmen einer funktionellen Qualifikation für eine Zuordnung der Fristen zum Schiedsverfahrensstatut. Favorisiert man einen vermittelnden Ansatz550 und stellt auf die Fristen im Ursprungsstaat ab, hat dies den Vorteil, dass über die Anknüpfung an die Fristen im Ursprungsstaat ebenso die Entscheidung der Parteien für einen Schiedsort berücksichtigt werden kann. Dabei könnte ein rein nationales Regime nicht aushelfen.551 Soweit sich die Präklusionsfristen einzig aus den nationalen Präklusionsregimen der Vollstreckungsstaaten ergeben würden, müsste der Schuldner für das Aufhebungsverfahren alle Fristen potentieller Vollstreckungsstaaten prüfen und einhalten. Das würde den Pflichtenkreis der Schiedsparteien erheblich ausweiten und ist nicht praktikabel. Deshalb wird nur ein vermittelndes Modell „den Besonderheiten der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche“ gerecht.552 Diese Feststellung knüpft dann wieder an den Umstand an, dass der Ursprungsstaat des Schiedsverfahrens das Zentrum des Verfahrens bleibt und dort die exklusive Zuständigkeit für die Aufhebung und Beseitigung eines Schiedsspruches liegt. Weiterhin bleibt zu bedenken, ob neben der Frage nach der Aufhebungsfrist darauf abzustellen ist, ob die unterlegene Partei sich im Ursprungsstaat insgesamt noch gegen eine Vollstreckung zur Wehr setzen kann. Zu beachten ist hier, dass nicht auf jene Fristen und Verfahrensmöglichkeiten abgestellt werden sollte, nach denen sich die Partei im Ursprungsstaat gegen ein Vollstreckungsverfahren zur Wehr setzen kann.553 Erheblich sei einzig das Aufhebungsverfahren bzw. das entsprechende Verfahren zur Beseitigung des Schiedsspruchs. Dagegen fordert Solomon, dass der Ablauf der Aufhebungsfrist unerheblich sein muss, solange die unterlegene Partei berechtigt ist, sich gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Ursprungsstaat zu wehren.554 Das wiederum ist mangels eines zeitlich konkreten Anknüpfungs-
548 Dem hielt Kropholler überzeugende Punkte entgegen, siehe Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, § 56 IV, 595; siehe ebenso Nagel/Nagel-Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 2007, 17–21, § 1 Rn. 41–53. 549 Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, 309, § 41 II. 550 Hierzu Kröll, IPRax 2007, 430, 434–435. 551 Ein rein nationales Regime würde den Ort des Schiedsverfahrens unberücksichtigt lassen. 552 Kröll, IPRax 2007, 430, 434. 553 So ebenfalls Kröll, IPRax 2007, 430, 434. 554 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 694–695, dort Verweis auf 690; allerdings diskutiert Solo-
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punktes zu unpräzise und gewährleistet keine Rechtssicherheit. Eine Präklusion würde wohl kaum noch in Frage kommen, denn die Berechtigung, sich mit Versagungsgründen gegen die Vollstreckung im Ursprungsstaat zu wenden, ist – soweit ersichtlich – an keine zeitlichen Grenzen geknüpft. Es liegt in der Hand der obsiegenden Partei, wann sie im Ursprungsstaat aus dem Schiedsspruch vollstrecken möchte.555 Erst dann hat die unterlegene Partei überhaupt die Möglichkeit, Versagungsgründe vorzutragen. Sofern die Partei dann im Vollstreckungsverfahren des Ursprungsstaats nicht innerhalb der dort gewährten Verfahrensfrist die Versagungsgründe vorträgt, sind diese dort verfristet und die Versagungsgründe präkludiert. Allein auf diesen Umstand kann jedoch im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines Vollstreckungsstaats nicht abgestellt werden. Vorzugswürdig ist es daher, hinsichtlich der Präklusionsfrage insoweit nur an Fristen für ein Aufhebungsverfahren anzuknüpfen. (2) Auslagerung der Fristbestimmung an ausländische Gesetzgeber Kritiker einer Anknüpfung an Aufhebungsfristen im Ursprungsstaat halten entgegen, dass mit einer solchen Anknüpfung dem Gesetzgeber des Ursprungsstaates eine derartige Gestaltungsmacht des inländischen Vollstreckungsverfahrens zugesprochen werden würde, die nicht vertretbar sei.556 Zum Ursprungszeitpunkt dieser Kritik war das Schiedsverfahrensrecht der einzelnen Staaten noch nicht weiter aufeinander abgestimmt und einzelne Regelungen, wie beispielsweise die Frist zur Aufhebung des Schiedsspruchs, wichen mitunter erheblich voneinander ab.557 Dies hat sich über die Jahre geändert. Mit dem mon dies im Zusammenhang mit den Folgen eines vollständigen Ausschlusses der Aufhebung bzw. Anfechtung. Daher ist sein Gedanke in diesem Zusammenhang zu sehen. 555 Vgl. insoweit für Deutschland zur dreißigjährigen Verjährungsfrist § 197 Abs. 1 Nr. 3, dazu bspw. Münchener Kommentar BGB, Grothe zu § 197, Rn. 18. Kürzer können diese Fristen in anderen Ländern ausfallen, bspw. in England, gem. Sec. 66 Arbitration Act 1996 (je nach Anwendungsfall sechs oder zwölf Jahre, i. V. m. Sec. 7 Limitation Act 1980, siehe Lew/Bor/Fullelove, Arbitration in England, 2013, Tevendale/Cannon, 593, Rn. 26130; vgl. ebenfalls National Ability SA v. Tinna Oils & Chemicals Limited [2009] EWCA Civ 1330; Sec. 66 Arbitration Act 1996 findet auch auf ausländische Schiedssprüche Anwendung, Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Karali/Ballantyne zum Bericht über England, 405, Rn. 5.276); in Belgien sind es nunmehr zehn Jahre, gem. Art. 1722 CJB. 556 Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 30, Rn. 19; vgl. Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1061, Rn. 20; Kröll, IPRax 2007, 430, der diese Wirkung hingegen auch „in der Natur der Sache“ belegen sieht; ebenso zeigte sich Kühn von dem Argument, ein ausländischer Gesetzgeber könne das inländische Verfahren gestalten, nicht überzeugt, Kühn, SchiedsVZ 2009, 53, 60. 557 Bülow, NJW 1972, 415, 416; vgl. ebenfalls Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, Rn. 849, der darauf hinweist, dass somit französische Schiedssprüche faktisch fast unbefristet anfechtbar sind; Schwab/Walter/Baumbach,
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Model Law und der dortigen Frist von drei Monaten gelten einheitlichere Maßstäbe. Soweit immer mehr Staaten sich mit ihrem nationalen Schiedsverfahrensrecht am Model Law orientieren, werden gravierende Fristabweichungen seltener zu finden sein. Allerdings zeigen gerade Rechtsordnungen wie die der Schweiz mit einer Anfechtungsfrist von 30 Tagen558 oder Englands mit einer Anfechtungsfrist von 28 Tagen559, dass Abweichungen weiterhin bestehen. Das Argument, eine Präklusion gewähre einem ausländischen Gesetzgeber Einfluss auf das nationale Recht, vermag allerdings auch im Übrigen nicht überzeugen. Es ist eine gewollte und notwendige Folge des Kollisionsrechts, dass die Verwirklichung einer inländischen Tatbestandsvoraussetzung sich mitunter nach einem ausländischen Recht richtet, so auch in diesem Falle. Zudem ist in der konkreten Situation vielmehr der Blick darauf zu richten, dass die Parteien mit der Wahl des Schiedsortes auch insoweit ihre eigene Gestaltungsmöglichkeit nutzten und sich die Frist letztlich aus der Schiedsortwahl der Parteien ergibt. Mithin steht der Aspekt, dass Gestaltungen ausländischer Gesetzgeber eine indirekte Auswirkung auf das inländische Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren haben, dem Modell nicht entgegen. (3) Überprüfung der Anwendbarkeit eines kollisionsrechtlichen Präklusionsmodells de lege lata Der kollisionsrechtliche Gedanke, generell auf die Wirksamkeit und Endgültigkeit des Schiedsspruchs abzustellen, scheitert de lege lata zunächst an einer fehlenden Verankerung im Wortlaut des UNÜ bzw. in § 1061 ZPO. Alternativ dazu könnte eine Herleitung des erforderlichen kollisionsrechtlichen Verweises aus Art. V Abs. 1 lit. a560 und lit. d561 UNÜ folgen.562 Im Wortlaut dieser Vorschriften können entsprechende Anknüpfungspunkte identifiziert werden. Zugleich kann aber festgestellt werden, dass für die übrigen Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. b, c, e und Abs. 2 UNÜ auch über diese alternative Überlegung keine Präklusion begründet werden kann, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 30, Rn. 19; Die Regelung des Art. 34 Abs. 3 Model Law gab es zu dieser Zeit noch nicht. 558 Gem. Art. 191 S. 2 IPRG i. V. m. Art. 100 Abs. 1 BGG; die Frist beginnt mit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung. 559 Gem. Sec. 70 Abs. 3 Arbitration Act 1996. 560 Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ: „[…] or the said agreement is not valid under the law to which the parties have subjected it or, failing any indication thereon, under the law of the country where the award was made“. 561 Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ: „[…] The composition of the arbitral authority or the arbitral procedure was not in accordance with the agreement of the parties, or, failing such agreement, was not in accordance with the law of the country where the arbitration took place“. 562 Zum kollisionsrechtlichen Gehalt des Art. V Abs. 1 UNÜ vgl. Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 2010, 1, 27.
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weil im Wortlaut der Art. V Abs. 1 lit. b, c, e und Abs. 2 UNÜ keine entsprechenden kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkte zu identifizieren sind. Eine Zersplitterung der Versagungsgründe in eine präklusionsbeständige Gruppe der Gründe Art. V Abs. 1 lit. b, c, e, Abs. 2 UNÜ einerseits und eine präklusionsoffene Gruppe der Gründe Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ andererseits lässt sich der Systematik des Art. V UNÜ nicht entnehmen und würde für die Praxis erhebliche Verwirrung stiften. Es entstünde eine Situation, in der bestimmte Verfahrensfehler (beispielsweise Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ) präkludiert sein könnten und andere nicht; zudem würde diese Zersplitterung auch stark von dem jeweiligen Auslegungsverständnis des Gerichts im Vollstreckungsstaat abhängen. Letztere Tatsache würde dann wiederum zu einer erneuten Zersplitterung zwischen verschiedenen Vollstreckungsstaaten führen. Eine Partei könnte in dem einen Vollstreckungsstaat mit einem Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ präkludiert sein, mit einem Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ durchdringen, in einem anderen Vollstreckungsstaat hingegen könnte die Partei mit Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ Erfolg haben, im Übrigen hingegen nicht oder es wird überhaupt kein Versagungsgrund berücksichtigt. Eine solche Situation würde ebenso für die obsiegende Partei, den Antragsteller, keine Rechtssicherheit schaffen. Dieser Aspekt der Praktikabilität darf nicht unberücksichtigt bleiben. Ein Ausweg aus dieser mehrdimensionalen Zersplitterung zwischen Versagungsgründen und Vollstreckungsstaaten könnte de lege ferenda über eine Änderung des Art. V UNÜ oder des nationalen Schiedsverfahrensrechts in dem gewünschten Umfang erreicht werden. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne muss de lege lata über dieses Präklusionsmodell jedoch abgelehnt werden. c) Zusammenfassung – Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur Der Diskurs zu Präklusionswirkungen – insbesondere derer im eigentlichen Sinne – liefert verschiedene Präklusionsmodelle. In der Rechtsprechung fallen zunächst die Entscheidungen des OLG Karlsruhe aus 2006563 auf, die erstmals seit der Schiedsrechtsreform 1998 eine Präklusion im eigentlichen Sinne annahmen. Diese Beurteilung drückte eine Fortgeltung der Präklusionswertungen aus der Zeit vor 1998 aus. Der BGH ließ aber bereits mit einer Entscheidung im Jahre 2008564 die spätere Kehrtwende zur eigenen Rechtsprechung erkennen. In 2010 gab der Bundesgerichtshof seine alte Rechtsprechung auf und schlug hinsichtlich des Versagungsgrundes der un-
563 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 27.03.2006 – 9 Sch 2/05, SchiedsVZ 2006, 335; OLG Karlsruhe, Beschl. vom 03.07.2006 – 9 Sch 1/06, IHR 2006, 263, 264. 564 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 197.
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wirksamen Schiedsvereinbarung einen neuen Weg, contra Präklusion, ein.565 Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Präklusionswirkungen werden anhand verschiedener Lösungsmodelle begründet. Den größten Zuspruch erfährt unter den Präklusionsbefürwortern die entsprechende Anwendung der Präklusionsregelung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO auf ausländische Schiedssprüche. Allerdings sprechen die besseren Argumente hier de lege lata gegen eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften. Ein neuerer Ansatz entwickelt die Grundgedanken und Wertungen der damaligen Regelung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F. als ein kollisionsrechtliches Verweisungssystem fort. Allerdings überzeugt auch hier eine Anwendung de lege lata nicht. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne wirkt somit im Rahmen des deutschen Schiedsverfahrensrechts nicht. 3. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Ein Präklusionsmodell als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ist in seinem Ursprung von der Präklusion im eigentlichen Sinne, also von einer rein rechtstechnisch wirkenden Präklusion,566 zu unterscheiden und könnte neben den Präklusionswirkungen im eigentlichen Sinne bestehen. Ursprung des Präklusionsgedankens ist die Erwartung, dass die Parteien sich in ihrer schiedsverfahrensrechtlichen Auseinandersetzung redlich zu verhalten haben. Dazu könnte die These aufgestellt werden, dass eine Partei unter der Prämisse der Schiedsverfahrensförderungspflicht567 darauf vertrauen darf, dass die andere Partei den effektivsten Weg des eigenen Rechtsschutzes wählt, der in einem Aufhebungsverfahren liegen soll.568 Diese entsprechende Erwartungshaltung der Parteien ließe sich aus der Schiedsvereinbarung herleiten.569 Als Sanktion eines treuwidrigen Verhaltens kommt dabei auch eine Präklusionswirkung in Betracht.570 Anknüpfungspunkt ist hierbei konkret die Frage, ob das Verstreichenlassen möglicher Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch im Ursprungsstaat als treuwidrig bzw. widersprüchlich qualifiziert 565 Diese Entscheidung des BGH sollte daher nicht als Verallgemeinerung auf alle Versagungsgründe missverstanden werden, Otto, IPRax 2012, 223, 223, 226. So auch OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.01.2012 – 9 Sch 02/09, SchiedsVZ 2012, 101, 104. 566 Gemeint ist die Präklusion, die an das bloße Unterlassen der Durchführung eines Aufhebungsverfahrens anknüpft, dazu Kapitel 4 – E.I.2.b). 567 Siehe bspw. Fn. 45, Kapitel 2 – A.II.1. 568 Die Effektivität betont auch Gruber, siehe Gruber, SchiedsVZ 2006, 281, 285. 569 Kröll, IPRax 2007, 430, 435. Vgl. auch Shell, der den Vertrag als die eigentliche Grundlage einer Präklusionswirkung beschrieb, Shell, UCLA Law Review (35) 1987– 1988, 623, 673, „[…] the most principled ground for permitting arbitral preclusion is the contractual intent of the parties to the arbitration agreement“. 570 Vgl. Kindler, in: Geimer/Schütze (Hrsg.), Recht ohne Grenzen, 2012, 481, 488–489.
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werden kann, wenn diese Partei sich später in einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit Versagungsgründen gegen den Schiedsspruch wendet. Der BGH geht überzeugend davon aus, dass nicht bereits in jedem widersprüchlichen Verhalten auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen kann.571 Vielmehr müsste ein weiterer Vertrauenstatbestand hinzutreten oder andere besondere Umstände müssten die Rechtsausübung treuwidrig erscheinen lassen.572 Diese Mindestvoraussetzungen beanspruchen auch im internationalen Schiedsverfahrensrecht Geltung.573 Dabei stellen sich im Zusammenhang mit der Treuwidrigkeit aber gerade die Tatbestandsvoraussetzungen und der Maßstab der Treuwidrigkeit als problematisch dar. Die Kritiker einer Präklusion im eigentlichen Sinne lösen eine Präklusion ausschließlich über den Verstoß gegen Treu und Glauben und erarbeiten hierfür entsprechende spezielle Kriterien.574 Damit stehen die Vertreter dieser Variante allerdings vor einer Herausforderung, denn die Definition dieser Kriterien erfordert eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Kern der Treuwidrigkeit im Kontext der Durchsetzung eines Schiedsspruchs. Nur so können Kriterien etabliert werden, die sachgerechte Ergebnisse liefern.575 a) Art. V Abs. 1 UNÜ als Grundlage für eine Präklusion bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben Die Vorschrift des Art. V Abs. 1 UNÜ ist ein möglicher Anknüpfungspunkt für den Ausschluss eines treuwidrigen576 Parteiverhaltens.577 Für die Definition BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. Siehe Fn. 571. 573 Dazu Fn. 571; verwiesen wird auf BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, NJW-RR 2008, 1083 in Rn. 12; dort wird die internationale Perspektive lediglich dahingestellt und nicht begründet. 574 So bspw. Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 160, allerdings reiche dafür „allein der Verzicht auf die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens im Herkunftsland aber nicht aus“; ebenso Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 157. 575 Die allgemein zu § 242 BGB bzw. Treu und Glauben im Prozess entwickelten Kriterien sollten hier lediglich die Richtung weisen; es besteht eine Notwendigkeit, dies zu konkretisieren, vgl. Palandt, Grüneberg zu § 242, Rn. 2–3. 576 Das Geltung von Treu und Glauben im UNÜ ist, wie dargelegt, allgemein anerkannt, dazu bspw. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 185; Cheng, General Principles of Law, 1987, 105–111 und 141–149; Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts, 1996, 230– 231, dort m. w. N.; Paulsson, Revue de l’Arbitrage 1990, 55, 90. Das gilt ebenso aus deutscher Sicht dazu bspw. BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196; dies umfasst ebenso den Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium), dort 197; Kröll, ZZP 2004, 453, 483. 577 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 185; konkret diskutierte van den Berg dies im Zusammenhang mit den Voraussetzungen des Art. II 571 572
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eines Maßstabs der Treuwidrigkeit ist die Geltung das UNÜ beachtlich.578 Der völkerrechtliche Charakter des UNÜ bringt es mit sich, dass das UNÜ für Deutschland aus sich heraus Wirkung entfaltet.579 Nachdem Deutschland 1998 den zuvor erklärten Vertragsstaatenvorbehalt gem. Art. I Abs. 3 S. 1 UNÜ zurückgenommen hat,580 kann § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO nunmehr als rein deklaratorischer Verweis gesehen werden.581 Es würde nicht überzeugen, über § 1025 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO die Vorschriften des UNÜ in einfachgesetzlicher Geltung zur Anwendung zu bringen. Der Maßstab einer Treuwidrigkeit ist folglich übereinkommensautonom582 aus dem UNÜ herzuleiten. Überzeugend ist es dabei, über Art. V Abs. 1 UNÜ eine Verankerung des Grundsatzes von Treu und Glauben anzunehmen.583 Art. V UNÜ eröffnet einem Gericht die Entscheidungshoheit, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zu versagen. Diese Vorschrift bildet daher die dogmatische Grundlage für eine entsprechende Präklusionswirkung. b) Nationalrechtlich geprägter Grundsatz von Treu und Glauben Die Rechtsprechung zur Präklusion aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben im schiedsverfahrensrechtlichen Zusammenhang beginnt in Deutschland mit Entscheidungen des Reichsgerichts. Einen Fall zur Treuwidrigkeit, in dem sich die Beklagte zunächst im Schiedsverfahren beteiligte und später im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren die Einrede der Un-
Abs. 2 UNÜ, übertrug dies aber auf die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ. Münch sieht das Verstreichenlassen der Aufhebungsfrist als Anknüpfungspunkt eines widersprüchlichen Verhaltens, das gegen Treu und Glauben verstoßen könne, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 13. 578 Denkbar wäre zunächst eine rein binnenrechtliche Geltung durch konstitutive Verweisung des § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO und eine nationalrechtliche Transformation des Übereinkommens oder aber eine völkerrechtliche Geltung des Übereinkommens, siehe hierzu Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 6 und Rn. 16–17. 579 Vgl. Münch, der feststellt, dass „das UNÜ inzwischen proprio vigore anzuwenden“ ist, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 6, Rn. 15–17. 580 Durch BGBl. 1999 II 7; zuvor war der Vorbehalt mit Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erklärt worden, BGBl. 1961 II 121. Vgl. in diesem Zusammenhang zuvor aber mit a. A. Moller, NZG 1999, 143, 144. 581 Ebenso Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 6. Richtigerweise weist Münch allerdings auch auf die unklare Formulierung in BGH 21.05.2008, SchiedsVZ 2008, 195, 196 hin. Demnach richtet sich die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche „kraft unmittelbarer Geltung als (transformiertes) Völkerrecht und kraft Verweisung des nationalen Rechts“ (gem. §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO) nach dem UNÜ. 582 So auch Beck’scher OK ZPO, Wilske/Markert zu § 1061, Rn. 2; Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 17. 583 Vgl. van den Berg in Fn. 577.
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zuständigkeit erhob, hatte das RG 1897 zu entscheiden.584 Nachdem die Partei selbst auf die Schiedsvereinbarung Bezug nahm und sich später auch auf das Schiedsverfahren einließ, handele die Partei „arglistig, wenn sie, nachdem das Schiedsgericht zu ihren Ungunsten entschieden habe, die Vollstreckung des Schiedsspruchs damit abwehren wolle, daß sie die Unzulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens einwende.“585 Hierin sah das RG einen Verstoß gegen Treu und Glauben und schloss die später vorgetragene Einrede der Partei aus. Einen vergleichbaren Fall – wenn auch nicht im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren – entschied der BGH im Jahre 1968.586 Hier hatte die Beklagte im Schiedsverfahren zunächst vorgetragen, das Schiedsgericht sei mangels eines Schiedsvertrages nicht zuständig und der Streit sei von einem staatlichen Gericht zu entscheiden. Im Prozess vor dem staatlichen Gericht erhob die Beklagte dann jedoch die Schiedseinrede und trug die Unzuständigkeit des staatlichen Gerichts vor. Im Ergebnis sah der BGH einen unlösbaren Widerspruch in diesem Verhalten und nahm einen Verstoß gegen Treu und Glauben an.587 Beachtlich hieran ist, dass der BGH die Widersprüchlichkeit des Verhaltens der Beklagten isoliert davon beurteilte, ob dieses Verhalten gerade ursächlich für das weitere Prozessverhalten der Klägerin war.588 Aus dogmatischer Sicht fällt auf, dass die Treuwidrigkeit als ein Verstoß gegen den zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB hergeleitet wurde. Die Gerichte prüften das Parteiverhalten am Maßstab dieses zivilrechtlichen Gebots. Zu klären bleibt, welche Schlussfolgerungen aus den Entscheidungen hinsichtlich der Kriterien der Treuwidrigkeit gezogen werden. Soweit ist zunächst festzuhalten, das ein Parteiverhalten, welches sich in direktem Widerspruch zu früherem Verhalten setzt, dann treuwidrig ist, wenn es die andere Partei zu grundlegenden Entscheidungen verleitet. Eine solche grundlegende Entscheidung ist beispielsweise gegeben, wenn eine Partei eine PingpongUnzuständigkeitseinrede589 zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit erhebt und die andere Partei durch die erste UnzuständigRG, Urt. vom 08.12.1897 – I 272/97, RGZ 40, 401, 403. RG, Urt. vom 08.12.1897 – I 272/97, RGZ 40, 401, 403. 586 BGH, Urt. vom 20.05.1968 – VII ZR 80/67, NJW 1968, 1928. 587 BGH, Urt. vom 20.05.1968 – VII ZR 80/67, NJW 1968, 1928, 1929. 588 In einem weiteren Verfahren nahm der BGH ein treuwidriges Verhalten der Beklagten an, BGH, Urt. vom 02.04.1987 – III ZR 76/86, NJW-RR 1987, 1194. Die (spätere) Beklagte brachte im vorprozessualen Schriftverkehr eindeutig zum Ausdruck, einem staatlichen Gerichtsverfahren die Schiedseinrede entgegenzuhalten, um daraufhin dann im Schiedsverfahren die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung vorzutragen. Im konkreten Fall hatte die (spätere) Beklagte allerdings an der Benennung des Schiedsgerichts mitgewirkt. Darin lag ein widersprüchliches Verhalten. 589 Vgl. BGH, Beschl. vom 30.04.2009 – III ZB 91/07, NJW-RR 2009, 1582. 584 585
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keitseinrede veranlasst wird, statt vor staatlichen Gerichten vor einem Schiedsgericht zu klagen und umgekehrt. aa) Definition von Treuwidrigkeitskriterien in der jüngeren Rechtsprechung In der jüngeren Rechtsprechung fallen weitere Differenzierungen der Treuwidrigkeit auf. Hierzu lassen sich aus dem Beschluss des KG aus 2006590 Treuwidrigkeitskriterien destillieren. Treuwidrig sei ein Parteiverhalten, wenn die Schuldnerin bewusst591 auf ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat verzichtet, sich aber später bei unveränderter Sachlage einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in einem anderen Staat widersetzt.592 Mit dieser Feststellung ließe sich dem Merkmal der Treuwidrigkeit jedenfalls partiell weitere Kontur verleihen. Abstrakt formuliert wäre ein Verhalten dann treuwidrig, wenn eine Partei für sich eine bewusste Selektion der Verteidigung nach Vollstreckungsstaaten trifft, den Schiedsspruch im Ursprungsstaat hinnimmt und sich dann nur in einigen Staaten der Vollstreckung widersetzt Bei der Bestimmung der Kriterien ist allerdings im Zusammenhang mit dieser Entscheidung des KG notwendigerweise die nachgehende Entscheidung des BGH aus 2008594 zu beachten. Nach überzeugender Beurteilung des BGH hatte das KG die Treuwidrigkeit unter zu niedrigen Voraussetzungen angenommen.595 Zudem zog der BGH unter Verweis auf den Sachverhalt in Zweifel, ob dort überhaupt ein widersprüchliches Verhalten vorlag. Dies begründete der BGH damit, dass das unterlassene Aufhebungsverfahren vor dänischen Gerichten einen anderen Streitgegenstand gehabt habe, als das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vor den deutschen Gerichten.596 Ob diese rechtstechnische Definition des Streitgegenstands allerKG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108. Die Frage der Nachweisbarkeit eines Entscheidungsbewusstseins darf bei der Bestimmung dieses abstrakten Kriteriums keine Berücksichtigung finden. Vielmehr könnte fortgedacht gar gefordert werden, dass ein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren grundsätzlich bewusst erfolgt und die Partei die Beweislast dafür trüge, nachzuweisen, dass gerade ihre Entscheidung versehentlich und unbewusst erfolgte. 592 KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 111, 112. 593 Das KG regte die Erwägung an, eine Präklusion im eigentlichen Sinne über den konkreten Einzelfall hinaus auf dieses Lösungsmodell nach Treu und Glauben zu stützen und damit fortzuführen, KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108, 112. Unterstützung erhielt dieser Ansatz bspw. von Lachmann, der konkret Position für eine Präklusion wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben bezog und explizit dem Urteil des KG zustimmte, Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2008, Rn. 2549. 594 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198. 595 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198. 596 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198. 590 591
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dings dazu taugt, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob ein Parteiverhalten von der anderen Partei als widersprüchlich wahrgenommen wird, kann bezweifelt werden. Mit dieser Weichenstellung könnte zugespitzt gedacht jegliches Verhalten bezüglich des Aufhebungsverfahrens im Ursprungsstaat als nicht widersprüchlich qualifiziert werden, wenn der Streitgegenstand der Aufhebung sich vom Streitgegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung unterscheidet.597 Allerdings ist die Tendenz der BGH-Entscheidung zu befürworten. Wird nämlich die Entscheidung des KG verallgemeinert, wäre jedes unterlassene Aufhebungsverfahren als treuwidriges Verhalten zu qualifizieren. Ein duales Verteidigungssystem wäre in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit dann nicht mehr gewährleistet.598 Weiterhin korrigierte der BGH mit seiner Entscheidung die Kriterien der Treuwidrigkeit, die das KG zuvor gebildet hatte. Demnach könne es gar legitime Gründe für ein Unterlassen des Aufhebungsverfahrens geben.599 Wenn der unterlegenen Partei nämlich im Ursprungsstaat keine Nachteile aus dem Schiedsspruch drohen, weil ihr Vermögen beispielsweise in anderen Staaten belegen ist, dann überzeuge es nicht, diese Partei nur deshalb auf ein Aufhebungsverfahren zu verweisen, „um dem Verdikt der Treuwidrigkeit zu entgehen“.600 Zwar erkannte der BGH an, dass die Aufhebung des Schiedsspruchs nicht bloß ein Verfahren im Ursprungsstaat ist, sondern die Aufhebung einen eigenständigen Versagungsgrund gem. Art. V Abs. 1 lit. e 2. Alt UNÜ hervorbringt.601 Der BGH verwarf diesen gewichtigen Grund hingegen mit einem knappen Hinweis, dass „anerkennungsfreundlicheres (autonom-) nationales oder sich aus zwei- oder mehrseitigen Verträgen ergebendes Recht […] nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII Abs. 1 UNÜ unberührt“602 bliebe. Damit relativierte der BGH die Bedeutung des Versagungsgrundes in Art. V Abs. 1 lit. e 2. Alt. UNÜ. Zuzustimmen ist dem BGH insoweit, dass sich eine unterlegene Partei nach derzeitiger Rechtsauffassung nicht in allen Staaten603 sicher sein kann, dass die Aufhebung im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren erfolgreich über Art. V 597 Pfeiffer unterstützte diese Sicht des BGH und sprach sich dafür aus, dass allein das Unterlassen der Durchführung eines Aufhebungsverfahrens noch kein widersprüchliches Verhalten darstelle, Pfeiffer, LMK 2008, 264038. 598 Siehe hierzu nochmals Kapitel 4 – C.III. 599 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198. 600 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198, dort Rn. 16. 601 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198. 602 BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198, dort Rn. 16. 603 Mit Liebscher würde in den USA, in Frankreich und den Niederlanden eine andere Beurteilung folgen, Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 388–390. Dabei weist Liebscher aber sogar darauf hin, dass die Missachtung der Aufhebung in den USA und den Niederlanden lediglich die Ausnahme sei; dort Rn. 390.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Abs. 1 lit. e 2. Alt. UNÜ berücksichtigt wird.604 Allerdings wird mit Art. V Abs. 1 lit. e 2. Alt. UNÜ – nach jedenfalls in Deutschland vorherrschender Ansicht605 – zunächst einmal ein beachtlicher Anerkennungsversagungsgrund erzeugt. Insbesondere deutsche Gerichte haben hier, wie sich aus der eigenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst ergibt, im Rahmen des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ kein Ermessen.606 Die Sicht des BGH könnte sogar dahingehend missverstanden werden, dass die Erfolgschancen, sich im Vollstreckungsstaat auf Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ und damit auf die Aufhebung des Schiedsspruchs zu berufen, eher den Gewinnchancen eines Glückspiels glichen; dem ist hingegen nicht so. Der Blick in die einschlägige Literatur607 lässt erkennen, wie der jeweilige Vollstreckungsstaat diese Frage in der Rechtsprechung beurteilt hat. Es gibt ein recht klares Spektrum jener Staaten, die eine Aufhebung des Schiedsspruchs beachten, und einige wenige und daher über die Ländergrenzen hinaus bekannte Staaten, die eine Aufhebung eher missachten.608 Zumindest hätte der BGH hier also anerkennen sollen, dass die Aufhebung des Schiedsspruchs jedenfalls in der konkret streitgegenständlichen Lage zwischen Dänemark und Deutschland für den Schuldner einen eigenständigen Versagungsgrund hervorgebracht hätte. Dann wäre es aber wünschenswert gewesen, hätte das Gericht umfassender zum Verteidigungssystem der Schiedsparteien Stellung bezogen. Eine der wichtigsten Entscheidungen zur Präklusion und zugleich zur Treuwidrigkeit ist der Beschluss des BGH von Ende 2010.609 In der Entscheidung setzte sich der BGH erneut mit dem Argument eines Verstoßes gegen Treu und Glauben auseinander und stellte überzeugend fest, dass „nicht in jedem widersprüchlichen Verhalten ein Verstoß gegen Treu und Glauben geZu dieser Diskussion siehe Kapitel 3 – A. Eine Übersicht, in welchen Ländern die Aufhebung welchen Effekt haben kann, findet sich bspw. bei Kronke NYC Commentary, Darwazeh zu Art. V Abs. 1 lit. e, 324–342; Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 380, 382–386; Diskussion ebenso bei Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 66, 67–70; ICC International Court of Arbitration (Hrsg.): ICC Guide to National Procedures for Recognition and Enforcement of Awards under the New York Convention, 2012, 20, Sec. F. 605 So stellt es der BGH selber fest, BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198, dort Rn. 15. 606 Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V UNÜ, Rn. 60 m. w. N. dort in Fn. 169; Kronke NYC Commentary, Darwazeh zu Art. V Abs. 1 lit. e, 329–330; dazu ebenfalls Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 162. 607 Siehe bspw. Fn. 603 und Fn. 604. 608 Siehe bspw. Fn. 603 und Fn. 604. 609 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105; dem ging die Entscheidung OLG München, Beschl. vom 23.11.2009 – 34 Sch 13/09, SchiedsVZ 2010, 50 voraus. 604
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sehen werden“610 kann. Ein solches Verhalten ist nach deutschem Recht erst rechtsmissbräuchlich, wenn für die andere Partei „ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen“.611 Aus dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt sich, dass die unterlegene Partei bereits im Schiedsverfahren die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gerügt hatte. Insoweit konnte die andere (obsiegende) Partei also kein besonderes Vertrauen aufbauen, weil ihr bereits im Schiedsverfahren bewusst war, dass die andere Partei die Schiedsvereinbarung für unwirksam hielt. Zu erörtern ist allerdings die weitere Feststellung des BGH, dass ein widersprüchliches Verhalten nicht allein deshalb angenommen werden kann, weil eine Partei den Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht mit einem Aufhebungsverfahren angegriffen hatte und sich nun im Inland gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs wendet.612 Obgleich die Entscheidung im Ergebnis zu begrüßen ist, wäre es hier wünschenswert gewesen, wenn der BGH tiefgründiger darauf eingegangen wäre, dass eine Partei nicht gehalten ist, grundsätzlich die Rechtsmittel am Ort des Schiedsverfahrens auszunutzen.613 Als Ausnahmekategorie von der Treuwidrigkeit stellt der BGH auf legitime Gründe614 dafür ab, dass eine Partei kein Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch einleitet. Zumindest umfassender hätte klargestellt werden sollen, dass das Konzept des Rechtsschutzes der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ebenfalls für die Entscheidungshoheit einer Partei spricht, ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchzuführen oder nicht. Daraus sollen für eine Partei gerade keine Nachteile im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren erwachsen. bb) Definition von Treuwidrigkeitskriterien in der Literatur Überzeugende Zustimmung erhielt der BGH im Kontext der Entscheidung aus 2008615 hinsichtlich der Feststellung, dass Treuwidrigkeit im ProzesskonBGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107; ebenso in Bezug genommen von LG München I, Urt. vom 26.02.2014 – 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100, 108. 612 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. Damit bezieht sich der BGH auf seine eigene Entscheidung aus 2008, BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 198 dort Rn. 15. 613 Zudem wären die Sachverhalte der Entscheidungen aus 2008 und 2010 zu differenzieren gewesen. Hatte eine Partei sich in der Entscheidung aus 2008 noch explizit dahingehend geäußert, den Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht anzugreifen, hatte die unterlegene Partei in dem Fall aus 2010 bereits im Schiedsverfahren die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gerügt. 614 Dazu sogleich Kapitel 4 – E.I.3.c). 615 Siehe Fn. 472. 610 611
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text nur dann vorliegen kann, wenn durch das widersprüchlichen Verhalten ein Vertrauen der anderen Partei geschaffen worden ist.616 Bei der Definition dieses Vertrauensmerkmals müsse allerdings im internationalen Vergleich beachtet werden, dass andere Rechtsordnungen Treu und Glauben mitunter restriktiver verstehen.617 Zudem müsse die intendierte Harmonisierung des UNÜ im Fokus stehen.618 Allein die Auslegung im Lichte des deutschen Verständnisses von Treu und Glauben wird dem jedenfalls nicht gerecht.619 Dieses Vertrauensmerkmal kann dann begründet sein, wenn eine Partei bei der Benennung des Schiedsgerichts zunächst mitwirkt bzw. rügelos vor dem Schiedsgericht verhandelte, sich später aber beispielsweise auf eine unwirksame Schiedsvereinbarung beruft.620 Eine umfangreichere Begründung wäre notwendig, um ein solches Vertrauen allein dadurch entstehen zu lassen, dass die andere Partei es unterlässt, ein Aufhebungsverfahren durchzuführen. Kröll verweist an dieser Stelle auf die streng begrenzten Versagungsgründe.621 Da einer dieser Versagungsgründe gem. Art. V Abs. 1 lit. e 2. Var. UNÜ gerade die Aufhebung des Schiedsspruchs ist, ließe sich daran das Vertrauen knüpfen, dass alle Gründe und Mängel, die mit dem Schiedsverfahren verbunden sind, sofern zulässig, im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens vorgebracht werden.622 Eine Partei, die einen fristgebundenen Rechtsbehelf zur Aufhebung verstreichen lässt, schafft dann bei der anderen Partei das Vertrauen, dass der Schiedsspruch insoweit rechtlich hingenommen wird. Zu prüfen bliebe dann noch, ob sich die andere Partei widersprüchlich verhalten hat. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Parteien sich vertraglich durch die Schiedsvereinbarung einem Schiedsverfahren in dem bestimmten Land unterworfen haben. Daraus könnte wiederum die vertragliche Verpflichtung resultieren, eventuelle Einwände gegen den Schiedsspruch innerhalb der im Ursprungsstaat vorgesehenen Fristen vorzutragen. Ein Verstreichenlassen dieser Anfechtungsfrist würde bei der anderen Partei ein Vertrauen erzeugen, die unterlegene Partei werde sich dem Schiedsspruch fügen, denn sie hatte den Schiedsspruch trotz Möglichkeit nicht mehr angegriffen.623 Kröll, IPRax 2009, 145, 147. Kröll, IPRax 2009, 145, 147. 618 Kröll, IPRax 2009, 145, 147. 619 In diesem Kontext ist darauf zu verweisen, dass sich gem. Art. III UNÜ die Ausgestaltung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nach dem Recht des Vollstreckungsstaats richtet. Folglich obliegt damit ebenfalls die Bestimmung und Definition von Treu und Glauben und dessen prozessualer Geltung dem Recht des Vollstreckungsstaats, Kröll, IPRax 2009, 145, 147; siehe hierzu OLG Hamm, Beschl. vom 27.09.2005 – 29 Sch 1/05, SchiedsVZ 2006, 106, 108 sowie die Anmerkung von Kröll, Int. A.L.R. 2006, N5-7, N6-7. 620 Kröll, IPRax 2009, 145, 148. 621 Kröll, IPRax 2009, 145, 148. 622 Vgl. hierzu auch Kraayvanger in Fn. 248 und 249, der den Verstoß gegen Treu und Glauben als dogmatischen Ausgangspunkt sieht. 616 617
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Ein anderer Aspekt spricht gegen die Bildung eines besonderen Vertrauens, wenn die andere Partei kein Aufhebungsverfahren eingeleitet hat. Allein das Unterlassen einer Partei, ein Aufhebungsverfahren einzuleiten, entscheidet für die andere Partei nicht darüber, ob diese den Schiedsspruch (ggf. zwangsweise) durchsetzen wird oder nicht.624 Die Entscheidung für eine zwangsweise Durchsetzung wird eine Partei an verschiedenen, mitunter wirtschaftlichen, Aspekten in Folge der nicht freiwilligen Erfüllung des Schiedsspruchs ausrichten.625 Diese wirtschaftlichen Erwägungen umfassen beispielsweise die gesamten Gerichtsgebühren626 und Anwaltsgebühren627 eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Ein solches Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines ausländischen Schiedsspruchs – mit einem unterstellten Streitwert von 30 Mio. Euro – hat für eine Partei ein Kostenrisiko von ca. 680.000 Euro628. Widersetzt sich die andere Partei dann dem Verfahren, steht zu erwarten, dass das Verfahren nicht nur in zeitlicher sondern auch in finanzieller Hinsicht629 deutlich intensiviert wird. Zudem ist erneut das Konzept des dualen Rechtsschutzes630 anzuführen. Dieses Konzept steht der Bildung eines Vertrauens insoweit entgegen, dass eine Partei gerade entscheiden kann, ob und wie sie sich gegen einen Schiedsspruch verteidigt. Ein Vertrauensmerkmal entsteht nicht, wenn der Antragsgegner es lediglich unterlassen hat, den Schiedsspruch im Ursprungsstaat anzugreifen.631 623 Hierzu umfasst ein weiterführender Gedanke die Differenzierung nach prozessrechtlichem Gebot von Treu und Glauben und dem entsprechenden Verständnis des materiellen Rechts, Kröll, IPRax 2009, 145, 147. Kröll nutzt diese Differenzierung, um die prozessuale Besonderheit, dass die Parteien sich streiten und weniger ein gemeinschaftliches Ziel verfolgen, als Argument dafür anzuführen, restriktivere Voraussetzungen des Prinzips von Treu und Glauben zu anzuwenden, Kröll, IPRax 2009, 145, 147. 624 Ebenso Kröll, IPRax 2009, 145, 148. 625 Dies kann die Erfolgsaussichten der zwangsweisen Durchsetzung in Abwägung zum titulierten Anspruch betreffen, die Bedeutung der Geschäftsbeziehung oder auch die tatsächlichen Kosten der zwangsweisen Durchsetzung. 626 Die Gerichtsgebühren belaufen sich, wenn ein beispielhafter Streitwert von 30 Mio. Euro zugrunde gelegt wird, auf ca. 220.000 Euro, gemäß § 34 GKG i. V. m. Anlage 1 zu § 3 Abs. GKG, Nr. 1620, 2,0-fache Gebühr; präzise sind es 219.472 Euro. 627 Dazu kämen ca. 230.000 Euro eigene Anwaltskosten jeder Partei, wenn für diese Beispielsrechnung der Einfachheit halber von einer Abrechnung nach RVG ausgegangen wird; gemäß § 13 RVG i. V. m. VV Nr. 3100 f. RVG, also eine 1,3-fache Verfahrensgebühr (VV Nr. 3100 RVG) und eine 1,2-fache Terminsgebühr (VV Nr. 3104 RVG), vgl. Steinert/ Theede/Knop, Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (1) 2013, Rn. 449; präzise sind es 229.282,50 Euro. 628 Siehe Fn. 626 und Fn. 627. 629 Anwalts- und Beratungskosten, ggf. Kosten für Beweismittel, mögliche Zinsverluste und nicht zuletzt auch gebundene Arbeitskraft im Unternehmen des Antragstellers. 630 Siehe Kapitel 4 – C.III. 631 Kröll, IPRax 2009, 145, 148.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
c) Kritische Erörterung des BGH-Kriteriums der sog. legitimen Gründe Berechtigt ist der Hinweis des BGH, dass eine Partei legitime Gründe haben kann, den Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht anzufechten.632 Klärungsbedürftig ist, ob diese legitimen Gründe darin liegen, dass eine Partei im Ursprungsstaat „keine Nachteile aus dem Schiedsspruch“633 fürchten muss. Welche weiteren Aspekte einen legitimen Grund darstellen können, ist ebenfalls Gegenstand der folgenden Betrachtung. Die Ausgestaltung des Kriteriums des legitimen Grundes ist verknüpft mit dem Verteidigungssystem gegen einen Schiedsspruch und der Wahlmöglichkeit zwischen dem Aufhebungsverfahren einerseits und dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits. Zunächst wird geklärt, dass ein legitimer Grund zum Verzicht auf ein Aufhebungsverfahren nicht bereits in einem denkbaren Argument liegt, wonach der Ort eines Schiedsverfahrens rein zufällig sei: Eine bestimmte nationalrechtliche Prägung wollten die Parteien dem Schiedsverfahren mit der Wahl des Schiedsverfahrensortes nicht verleihen, deshalb wäre es nun auch unerwartet und unerwünscht, würde sich das Unterlassen der Rechtsmittel am Ort des Schiedsverfahrens anderweitig auswirken.634 Eine solche Argumentation überzeugt nicht: Wenn im Schiedsverfahren verfahrenstechnische Probleme auftreten, deren Lösung weder durch das Schiedsgericht noch die Schiedsinstitution möglich ist, werden die Beteiligten die Unterstützung der staatlichen Gerichte, beispielsweise bei der Beweiserhebung oder Ablehnung eines Schiedsrichters, in Anspruch nehmen.635 Plötzlich, so könnte behauptet werden, hat ein im Verfahren aufgetretenes Problem das Schiedsverfahren doch lokalisiert. Würden die staatlichen Gerichte am Ort des Schiedsverfahrens nun beispielsweise die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zur Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Befangenheit mit dem Verweis auf eine fehlende Zuständigkeit dieser Gerichte ablehnen, stieße dies bei den Parteien nachvollziehbar auf erhebliche Überraschung. Diese Betrachtung bekräftigt den Gedanken, dass das Schiedsverfahren eine Bindung an die Rechtsordnung am Ort des Schiedsverfahrens aufweist.636 Überzeugend ist der Gedanke, dass die Parteien sich mit Wahl des Schiedsortes bewusst für das jeweilige Schiedsverfahrensrecht inklusive der dortigen BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, NJW-RR 2008, 1083, 1084. BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, NJW-RR 2008, 1083, 1084. 634 Vgl. zur Wahl des Schiedsortes Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 383, der dort erörtert, dass die Wahl des Schiedsorts oft nicht durchdacht wird. 635 Siehe insoweit eine Studie der Queen Mary University of London, School of Arbitration (zusammen mit White & Case LLP) aus 2010 zur Wahl eines Schiedsverfahrensortes aufgrund der verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen, dort S. 17–18, siehe , näher dazu sogleich in Fn. 639. 636 Vgl. Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1318. 632 633
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Rechtsbehelfe entschieden haben.637 Verschiedene Gründe sprechen für bestimmte Orte, darunter (rechts-)politische Neutralität mit Blick auf die beteiligten Parteien, eine bekannt schiedsfreundliche Einstellung nationaler staatlicher Gerichte zur Verfahrensbegleitung oder eine bestimmte Expertise der staatlichen Gerichte.638 Dabei sollte hinsichtlich der Wahl des Schiedsverfahrensortes ergänzend beachtet werden, dass diese Wahl nicht nur wegen einer bestimmten Neutralität, sondern beispielsweise ebenso aufgrund eines lokal schiedsfreundlichen Prozesssystems im Ganzen gewählt wird.639 Eine Bindung zum Ort des Schiedsverfahrens ist regelmäßig notwendig640 und mitunter aus Sicht der nationalen Rechtsordnung am Ort des Verfahrens zwingend, damit nationales Prozessrecht ergänzend beziehungsweise überlagernd zur Anwendung kommen kann.641 Zudem gilt es zu beachten, dass auch das UNÜ in Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ642, Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ643 und Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ644 jeweils hilfsweise die Rechtsordnung des Ursprungsstaates zur Anwendung beruft. Das UNÜ nimmt von sich aus an, dass ein Schiedsverfahren mit einer Rechtsordnung verbunden ist.645 Die Wahl des Schiedsortes kann zufällig sein, weit Wolff, LMK 2011, 318374, 2.c.bb). Vgl. bspw. Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 32, Rn. 1.90; vgl. Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 119, Rn. 148, und zu weiteren Gründen für die Wahl des Forums. 639 Queen Mary University of London, School of Arbitration (zusammen mit White & Case LLP), 2010, 17–18, wonach für 62 % der dort Befragten die verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen am Ort des Schiedsverfahrens den Ausschlag für die Wahl des Schiedsverfahrensortes gab, siehe ; vgl. ebenso Nueber, ZfRV 2013, 73, 74; dazu weiterhin Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 119, Rn. 148 (ebenfalls zu weiteren Gründen für die Wahl des Forums). 640 Vgl. Elsing, in: Klausegger (Hrsg.), Austrian Yearbook on International Arbitration 2013, 45, 57. 641 Wie bspw. Art. 4 Model Law belegt, geben die Verfahrensrechte regelmäßig zwingende und damit nicht dispositive Vorschriften vor, die ein eventuell zwischen den Parteien vereinbartes Regelwerk einer Schiedsinstitution überlagern, Art. 4 S. 1 Model Law: „any provision of this Law from which the parties may derogate […]“. Ein Geltungsanspruch nationaler Vorschriften kann nicht dadurch entkräftet werden, dass die Parteien eine nationale Verankerung des Verfahrens gar nicht beabsichtigt haben. 642 Knüpft an das Recht des Landes an, in dem der Schiedsspruch ergangen ist: „or, failing any indication thereon, under the law of the country where the award was made“. 643 Knüpft an das Recht des Landes an, in dem das Schiedsverfahren stattgefunden hat: „was not in accordance with the law of the country where the arbitration took place […]“. 644 Knüpft an das Recht des Landes an, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist: „ by a competent authority of the country in which, or under the law of which, that award was made“. 645 Mitunter wird auch ein Auseinanderfallen von realem und fiktivem Schiedsort von Gerichten nicht geduldet. Haben weder der Sachverhalt, noch die Schiedsregeln oder die 637 638
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häufiger stehen dahinter hingegen Parteiinteressen. Folglich spricht allein die Wahl des Schiedsverfahrensortes nicht für eine Qualifikation als legitimer Grund, auf ein Aufhebungsverfahren zu verzichten. Legitime Gründe resultieren aus einer anderen Perspektive. Wird nämlich der duale Rechtsschutz, die Wahl zwischen Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren akzeptiert, sind den Parteien zugleich legitime Gründe zuzugestehen, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten. Das Aufhebungsverfahren verliert dadurch auch nicht grundsätzlich an Bedeutung.646 Es liegt in der Entscheidung der Partei, ob sie ein Aufhebungsverfahren gegen einen Schiedsspruch einleitet, sich damit bereits einen autonomen Aufhebungsgrund i. S. d. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ schafft und dabei ebenso ein Kostenrisiko hinnimmt.647 Eine Entscheidung für ein Aufhebungsverfahren kann aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll sein, wenn die Vollstreckung in mehreren Staaten droht. Argumentiert wird darüber hinaus noch, dass weitere wirtschaftliche Aspekte die Entscheidung einer Partei beeinflussen. Zu beachten ist zunächst, dass internationale Schiedsverfahren häufig nicht in Heimatstaaten der Parteien, sondern in einem neutralen Staat648 stattfinden.649 So bewegen wirtschaftliche Erwägungen eine Partei dazu, eine Aufhebung im Ursprungsstaat gerade zu unterlassen, weil die mit dem Aufhebungsverfahren verbundenen Kosten zu hoch ausfallen. In diesem Kontext sei auch zu beachten, dass die Honorare für die betrauten Anwälte hoch ausfallen könnten.650 Mitunter koste nämlich ein „in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit erfahrener barrister nicht unter 800,– € die Stunde und ist damit ungefähr doppelt so teuer wie ein vergleichbarer deutscher spezialisierter Anwalt“.651 Allein anhand unterschiedlicher Honorarsätze für Anwälte kann diese dogmatische Frage der Präklusionswirkung jedoch nicht entschieden werden. Kritisch bewertet werden sollte vielmehr die Grundtendenz, überhaupt das Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens an sich als treuwidrige VerhaltensParteien einen Bezug zu dem fiktiven Schiedsort (hier Schweden) und hat das Schiedsverfahren dann in Paris und London stattgefunden, dann könnten die Gerichte dieses Landes (hier schwedische Gerichte) den Zugang zu ihren Gerichten versagen, vgl. The Titan Corporation v. Alcatel CIT SA, Svea Court of Appeal, 28.02.2005, YBCA XXX (2005), 139. 646 Vgl. im Zusammenhang mit der Bedeutung des Aufhebungsverfahrens van den Berg, ICSID Review 2014, 1. 647 Die Gerichts- und Anwaltsgebühren summieren sich für ein Aufhebungsverfahren eines Schiedsspruchs mit einem Wert von 30 Mio. Euro in Deutschland auf ca. 700.000 Euro, siehe hierzu Fn. 626 und Fn. 627. 648 Gemeint ist ein Staat, der weder zu den Parteien noch zum Streitgegenstand eine Verbindung hat, dazu bspw. Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, 2009, 32, 1.90–1.91. 649 Prütting/Gehrlein ZPO-Kommentar, Raeschke-Kessler zu § 1061, Rn. 33. 650 Prütting/Gehrlein ZPO-Kommentar, Raeschke-Kessler zu § 1061, Rn. 33. 651 Prütting/Gehrlein ZPO-Kommentar, Raeschke-Kessler zu § 1061, Rn. 33.
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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weise anzusehen. Von entscheidender Bedeutung ist es, ob die obsiegende Partei auf ein bestimmtes Verhalten vertraut hat. Wird nun der Fall betrachtet, dass die unterlegene Partei sich nicht mit einem Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch gewendet hat, ist nicht ersichtlich, worauf die andere Partei allein aus dieser Tatsache heraus vertraute. Primär geht eine obsiegende Partei von der Erfüllung des Schiedsspruchs aus. Diese Erwartung wird aber bereits durch dessen Nichterfüllung frustriert. Hat eine unterlegene Partei den Schiedsspruch nicht erfüllt, ist es realistisch, davon auszugehen, dass im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit weiterem Widerstand dieser Partei zu rechnen sein wird.652 Folglich kann keine direkte Kausalität zwischen dem Unterlassen einer Aufhebung oder Anfechtung und einem späteren Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gesehen werden. Allein aufgrund der Tatsache, dass Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch nicht eingelegt wurden, wird eine vernünftige obsiegende Partei noch keine Vermögensdisposition vornehmen.653 Kausal für die Notwendigkeit eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens ist die Nichterfüllung des Schiedsspruchs. Hat die unterlegene Partei trotz Frist zur Zahlung nicht geleistet, sollte dieser Umstand eher Anlass zur Skepsis an einem widerstandsfreien Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren geben, als das damit ein Vertrauen aufgebaut wird. Wenn das Kriterium der legitimen Gründe daran gemessen wird, ob im Ursprungsstaat ein Nachteil aus dem Schiedsspruch droht, könnte im Umkehrschluss folgende Konsequenz zu ziehen sein: Wenn der unterlegenen Partei im Ursprungsstaat Nachteile aus einem Vollstreckungsverfahren drohen und sie dort eine Frist des Aufhebungsverfahrens ungenutzt verstreichen lässt, rückt die Schaffung eines Vertrauenstatbestands bei der anderen Partei näher. Wie diese Tatsache hingegen mit dem allgemeinen Argument der Wahlfreiheit zwischen Aufhebungs- und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vereinbar sein soll, ist nicht überzeugend zu begründen. Es bleibt ungeklärt, warum ein Unterlassen von Rechtsmitteln bei drohender Vollstreckung als treuwidrig zu qualifizieren wäre, im Fall, dass keine Nachteile im Ursprungsstaat drohen, hingegen ein solches Verhalten ordnungsgemäß und gerade nicht treuwidrig wäre. Konsequenterweise müsste der unterlegenen Partei die Wahl zugestanden werden, ebenso Nachteile aus der Vollstreckung im Ursprungsstaat in Kauf zu nehmen. Nur so wird die Wahlmöglichkeit zwischen Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren effektiv gewährt. Für diese konsequente Abgrenzung der Verfahren lassen sich ebenfalls legitime Gründe finden. So kann beispielsweise die im Ursprungsstaat verfügbare Vermögensmasse nur einen Bruchteil 652 Jedenfalls liegt diese Erwartung näher, als ein Vertrauen darauf, dass sich die andere Partei dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren unkompliziert fügt. 653 Vgl. zu den möglichen Erwägungen Fn. 625.
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des titulierten Anspruchs des Schiedsspruchs befriedigen und das Kostenrisiko des Aufhebungsverfahrens mag mitunter sogar größer sein als die Hinnahme einer nachteiligen Vollstreckung im Ursprungsstaat. Dann kann eine Partei legitime Gründe haben, eine solche nachteilige Vollstreckung im Ursprungsstaat hinzunehmen. Daher kann das Abstellen auf legitime Gründe nur überzeugen, wenn ebenso die Inkaufnahme von eigenen Nachteilen für die Abgrenzung herangezogen werden würde. Insoweit ist es von Nöten, die Kriterien des BGH teilweise ergänzend zuzuschneiden. d) Der Vertrauenstatbestand der anderen Partei Eine Konkretisierung der Kriterien unternahm der BGH, indem das Gericht hinsichtlich der Präklusion wegen eines treuwidrigen Verhaltens darauf abgestellte, ob die andere Partei bereits ein Vertrauen aufgebaut hat; dann sei eine widersprüchliche Rechtsausübung missbräuchlich.654 Als Präzisierung findet sich in der Rechtsprechung beispielsweise, dass der Vertrauenstatbestand dann erfüllt sein kann, wenn die eine Partei sich auf ein bisheriges Verhalten verlassen durfte.655 Als treuwidrig wurde etwa ein Verhalten beurteilt, in dem sich die Partei im Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Verhalten befindet.656 Diese Kriterien lassen sich derart auf das Aufhebungsverfahren übertragen, dass jedenfalls die der anderen Partei gegenüber mitgeteilte Haltung, 654 RG, Urt. vom 04.12.1942 – VII 94/42, RGZ 170, 203; BGH, Urt. vom 09.05.1960 – III ZR 32/59, BGHZ 32, 273; BGH, Urt. vom 07.04.1983 – IX ZR 24/82, NJW 1983, 2073, 2075; BGH, Urt. vom 06.03.1985 – IV b ZR 7/84, NJW 1985, 2589, 2590; BGH, Urt. vom 05.06.1997 – X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3380; BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 197 dort in Rn. 12; BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107 dort Rn. 17. Die zitierte Entscheidung des BGH aus 1983 bezog sich hingegen auf eine fragliche Verwirkung eines Anfechtungsrechts. Betrachtet man die Entscheidungsverweise des BGH genauer, lassen sich kaum konkretere Elemente dieses Vertrauenstatbestands erkennen. Der Verweis führt zu einem Urteil des BGH aus dem Jahr 1983 zur Verwirkung des Anfechtungsrechts des Ehemannes bei heterologer Insemination, BGH, Urt. vom 07.04.1983 – IX ZR 24/82, NJW 1983, 2073, und einem Urteil des RG von 1942 zum arglistigen Verhalten im Zusammenhang mit Formfragen eines Grundstückskaufvertrags. Große Aufmerksamkeit haben weniger die Fallgruppen verdient; vielmehr sollten die Kriterien, auf die sich der BGH durch Verweise auf die ständige Rechtsprechung bezog, verallgemeinert werden. 655 BGH, Urt. vom 06.03.1985 – IV b ZR 7/84, NJW 1985, 2589, 2590. 656 BGH, Urt. vom 09.05.1960 – III ZR 32/59, BGHZ 32, 273. Hier bezog sich der BGH auf ein Urteil des RG, RG, Urt. vom 04.12.1942 – VII 94/42, RGZ 170, 203. In der Entscheidung des RG war ein im Widerspruch zu früherem Verhalten stehendes Parteiverhalten als treuwidrig beurteilt worden, wenn die Partei durch ihr Verhalten, wenn auch unabsichtlich, bei der gegnerische Partei den Irrtum erzeugt oder aufrecht erhalten hatte, ein Vertrag sei formlos gültig, RG, Urt. vom 04.12.1942 – VII 94/42, RGZ 170, 203, 205. Als Bergündung stellte das Gericht auf die vertragliche Beziehung der Parteien ab. Nur gegenüber diesem Vertragspartner dürfe sich die Partei auf einen Mangel nicht berufen.
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sich der Vollstreckung insgesamt nicht zu widersetzen, grundsätzlich nicht umgekehrt werden kann, ohne das Vertrauen der anderen Partei zu brechen. e) Besondere Umstände lassen Rechtsausübung treuwidrig erscheinen Ein Verhalten kann auch dann treuwidrig sein, wenn besonderen Umstände vorliegen, welche die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.657 In den bereits genannten Entscheidungen658 findet sich keine genauere Definition, wann tatbestandsgemäße besondere Umstände vorliegen. Gerade für das in Frage stehende Verhalten einer Partei im Zusammenhang mit einem Aufhebungsverfahren einerseits und einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits, sind diese besonderen Umstände an der Schiedsgerichtsbarkeit auszurichten.659 f)
Verwirkung als Untergruppe der Treuwidrigkeit
Denkbar ist zudem, die Geltendmachung von Versagungsgründen über die Verwirkung660 zu präkludieren. Für eine Verwirkung setzte der BGH voraus, dass ein Recht vom Berechtigten länger nicht geltend gemacht wurde und der Verpflichtete darauf vertrauen durfte, dass dieses Recht nicht mehr geltend gemacht werden würde.661 Dabei kommt es beim Rechtsgedanken der Verwirkung vorrangig auf das Verhalten des Berechtigten an. Die Verwirkung soll ausschließen, dass ein Recht unredlich verspätet geltend gemacht wird.662 Werden diese Voraussetzungen auf die Geltendmachung von Versagungsgründen im Rahmen eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen, kommt regelmäßig keine Verwirkung in Betracht. Die unterlegene Partei müsste ihr Recht, also die Geltendmachung von Versagungsgründen, längere Zeit nicht ausüben. Das wird schwerlich passieren, denn wenn das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eingeleitet wird, hat die Partei nur für den Verlauf dieses Verfahrens die Möglich-
BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107, dort. Rn. 17. 658 Zur Verweisungskette BGH, Urt. vom 20.05.1968 – VII ZR 80/67, NJW 1968, 1928; BGH, Urt. vom 05.12.1991 – IX ZR 271/90, NJW 1992, 834; BGH, Urt. vom 05.06.1997 – X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3380; BGH, Beschl. vom 17.04.2008 – III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196, 197 dort in Rn. 12. 659 Ein Blick auf Beispiele in der Rechtsprechung (dazu bspw. Palandt, Grüneberg zu § 242, Rn. 59, 81–83) liefert keine weiterführenden Erkenntnisse. 660 Zur Verwirkung und zu Abgrenzungsfragen siehe Palandt, Grüneberg zu § 242, Rn. 87–95. 661 BGH, Urt. vom 07.04.1983 – IX ZR 24/82, NJW 1983, 2073, 2075. 662 RG, Urt. vom 04.06.1937 – VII 321/36, RGZ 155, 148, 152; BGH, Urt. vom 27.06.1957 – II ZR 15/56, NJW 1957, 1358. 657
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keit, Versagungsgründe geltend zu machen. Eine Präklusionswirkung über die Verwirkung ist mithin insoweit wenig praxisrelevant. g) Zusammenfassung – Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Das Verhalten einer Partei im Nachgang eines Schiedsverfahrens kann gegen Treu und Glauben verstoßen, eine Verwirkung tritt hingegen regelmäßig nicht ein. Die Kriterien der Treuwidrigkeit sind dabei bisher kaum für die spezielle Situation des Verhaltens einer unterlegenen Partei zwischen Aufhebungs- und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren konkretisiert. Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt ein treuwidriges Verhalten dann an, wenn das Verstreichenlassen der Aufhebungsfrist und die spätere Geltendmachung von Versagungsgründen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren einerseits widersprüchlich ist und die andere Partei andererseits darauf vertraut hat, dass im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Versagungsgründe mehr vorgetragen werden. Zu einem aktiven widersprüchlichen Verhalten muss also ein Vertrauen der anderen Partei hinzutreten. Wäre das bloße Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens in diesem Sinne als widersprüchliches Verhalten zu qualifizieren, dann läge regelmäßig ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor. Das hingegen überzeugt nicht. Über die Voraussetzungen einer Treuwidrigkeit muss gewährleistet bleiben, dass diese Präklusion nicht zum Grundsatz wird. Andernfalls würde mit dem Rechtsprinzip von Treu und Glauben der duale Rechtsschutz zwischen Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vollständig entgleisen. Der Verstoß gegen Treu und Glauben muss eine Einzelfalllösung bleiben. Alternativ zum Vertrauenstatbestand könnten besondere Umstände vorliegen, durch die ein Verhalten treuwidrig wird. Diese Voraussetzungen werden hingegen schwerlich erfüllt sein, weil bereits das Unterlassen der Einleitung eines Aufhebungsverfahrens nicht als widersprüchliches Verhalten qualifiziert werden kann. Zudem liefert die Treuwidrigkeit dabei nur dann überzeugende Ergebnisse, wenn dieses Merkmal an der Besonderheit zwischen einerseits dem Aufhebungsverfahren und andererseits dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausgerichtet wird. Dies hingegen hätte in der Rechtsprechung umfassender erörtert werden müssen. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne kann nicht über einen Verstoß gegen Treu und Glauben erreicht werden. Grundsätzlich ist es allerdings möglich, dass eine Partei aufgrund eines treuwidrigen Verhaltens mit Versagungsgründen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert wird.
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4. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ Eine Präklusionswirkung ließe sich möglicherweise dogmatisch über den Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ begründen. Der Wortlaut der Norm könnte – jedenfalls in einigen Sprachfassungen – einen Ermessensspielraum für den staatlichen Richter eröffnen. In der englischen Textfassung lautet die entscheidende Stelle der Norm: „Recognition and enforcement of the award may be refused, […]“.663 Der Fokus liegt hier auf der Formulierung „may be refused“.664 Das UNÜ gilt in verschiedenen offiziellen Sprachfassungen.665 Diese Sprachfassungen variieren mitunter gerade in diesem erheblichen Aspekt der Formulierung des Art. V Abs. 1 UNÜ.666 Hierzu lieferte Paulsson eine knappe, aber präzise syntaktische und linguistische Analyse.667 Demnach sind die Formulierungen der Fassungen auf Chinesisch668 und Russisch669 mit der Englischen identisch;670 die spanische Sprachfassung671 ist ebenfalls mit der Englischen vergleichbar.672 Einzig der französische Text 673 bietet Raum für ein abweichendes Textverständnis.674 Dies sei aus Sicht Paulssons hingegen kein Grund, an einem Ermessensspielraum zu zweifeln.675 Art. V Abs. 1 UNÜ. Eine knappe Zusammenfassung zum Ermessen findet sich bspw. bei Liebscher, The Healthy Award, 2003, 387–388; ebenfalls mit einer kritischen Erörterung Park, Am. J. Int’l L. 1999, 805, 810–812; Rubino-Sammartano, International arbitration law and practice, 2001, 956 spricht sich grds. gegen ein Ermessen aus. 665 Vgl. Kapitel 4 – B. Das UNÜ umfasst verbindliche Sprachfassungen in Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch. Zur Auslegung siehe bspw. Petrochilos, The International and Comparative Law Quarterly (48) 1999, 858. 666 Siehe Art. XVI UNÜ, wonach alle Sprachfassungen gleichbedeutend sind. 667 Paulsson, Arbitration International (14) 1998, 227; Paulsson untersuchte die sprachlichen Aspekte nur für fünf Sprachen exklusive der arabischen Sprachfassung; vgl. zu seiner Übersetzungsunterstützung dort Fn. 8–10. 668 Vgl. Paulsson, der dort die Formulierung „ke yi“ hervorhebt, Paulsson, Arbitration International (14) 1998, 227, 229. 669 Vgl. Paulsson, der dort die Formulierung „mozhet byt“ herausstellt, Paulsson, Arbitration International (14) 1998, 227, 229. 670 Paulsson, Arbitration International (14) 1998, 227, 229. 671 Die spanische Sprachfassung des Art. V Abs. 1 UNÜ lautet: „Solo se podrá denegar el reconocimiento y la ejecución de la sentencia, a instancia de la parte contra la cual es invocada, si esta parte prueba ante la autoridad competente del país en que se pide el reconcimiento y la ejecución“. Allgemein zur Anwendung des UNÜ im spanischen Schiedsverfahrensrecht vgl. Allard, Spain Arbitration Review 2009, 5. 672 Paulsson, Arbitration International (14) 1998, 227, 229. 673 Im Französischen lautet die Textpassage des Art. V Abs. 1 UNÜ: „La reconnaissance et l’exécution de la sentence ne seront refuses, sur requête de la partie contre laquelle elle est invoquée, que si cette partie fournit à l’autorité compétente du pays où la reconnaissance et l’exécution sont demandées la prevue“. 674 Paulsson, Arbitration International (14) 1998, 227, 229. 663 664
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Aus Sicht der ZPO hat ein deutsches Gericht im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren kein Ermessen aus Art. V Abs. 1 UNÜ.676 Zwar könnte der Wortlaut der Norm in seiner englischen Sprachfassung ein Ermessen eröffnen und auch die deutsche Übersetzung des Art. V Abs. 1 UNÜ böte Anlasse für Überlegungen zu einem Ermessensspielraum. In dieser Vorschrift heißt es: „Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches darf […] nur versagt werden, wenn […]“. Das Verständnis dieser Formulierung wird allerdings kontrovers beurteilt677 und der Wortlaut teilweise als irreleitend678 bezeichnet. Der deutsche Gesetzgeber hat zudem über § 1061 ZPO und die Inkorporation des UNÜ zum Ausdruck gebracht, dass der deutsche staatliche Richter die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu versagen hat, wenn die Voraussetzungen des Übereinkommens erfüllt sind.679 Dies spricht aus deutscher Sicht verstärkt gegen ein Ermessen im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ. 5. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus deutscher Sicht Aus dem oben Erarbeiteten lässt sich die Erkenntnis ziehen, dass das UNÜ aus deutscher Sicht einer Präklusion grundsätzlich offen gegenüber steht.680 Zudem deutet das systematische Verständnis zwischen Aufhebungs- und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren darauf hin, dass das UNÜ derzeit einer Präklusion im eigentlichen Sinne entgegensteht. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne wäre nur über eine entsprechende explizite Regelung umzusetzen, an der es zurzeit jedoch fehlt. Aus deutscher Sicht ist der Prozessgrundsatz von Treu und Glauben im UNÜ verankert, weshalb auf diesem Wege eine Präklusion begründet werden kann.681
Paulsson, Arbitration International (1“4) 1998, 227, 230, „[…] it seems obvious that when four other languages leave room for judicial discretion, and the French text is not in explicit contradiction, the French version must be given the same meaning“. 676 So bspw. Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V UNÜ, Rn. 60 m. w. N. dort in Fn. 169; Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V UNÜ, Rn. 79; Kronke NYC Commentary, Darwazeh zu Art. V Abs. 1 lit. e, 329–330; dazu ebenfalls Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 162. 677 Nur beispielhaft Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V UNÜ, Rn. 4 dort m. w. N. in Fn. 5. Dagegen bejaht Schlosser einen Ermessenspielraum Stein/ Jonas ZPO-Kommentar (2014), Schlosser Anhang zu § 1061, Rn. 311. Dort nimmt Schlosser an, dass dies nur anzunehmen sei, wenn die Aufhebungsentscheidung in Deutschland gem. § 328 Nr. 2 od. Nr. 4 ZPO anzuerkennen ist und verweist auf eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift. 678 Münchener Kommentar ZPO (2013), Adolphsen zu Art. V UNÜ, Rn. 4. 679 Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1061, Rn. 28. 680 Nur bspw. OLG Hamm, Beschl. vom 27.09.2005 – 29 Sch 1/05, SchiedsVZ 2006, 107, 108. 681 Siehe nur bspw. Fn. 392. 675
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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6. Zusammenfassung – Länderbericht Deutschland Die Darstellung der Präklusion aus Sicht des deutschen Rechtssystems in ihrer Entwicklung der Rechtslage von 1930 über die Reform von 1998 bis hin zur modernen Betrachtung zeigt auf, wie facettenreich die Herausforderungen eines Präklusionsmodells sind. Dabei existiert ein breites Feld dogmatischer Ansatzpunkte für die Begründung und Annahme einer Präklusion. Festhalten lässt sich in der Gesamtschau zunächst, dass eine vollständige Verneinung jeglicher Präklusionsmöglichkeiten nicht zu befürworten ist. Eine solche Position müsste treuwidriges Verhalten bzw. sog. guerrilla tactics682 frei von Konsequenzen dulden. Zudem würde damit der parteiautonome Ursprung des Schiedsverfahrens nicht berücksichtigt werden. Nachdem einer Fortsetzung der Präklusionsrechtsprechung von vor 1998 eine Absage erteilt wurde, bewegen sich im Kreise der diskutierten Modelle nun vornehmlich zwei Ansätze. Mit einem Modell wird die entsprechende Anwendung der nationalgesetzlichen Präklusionsregelungen aus § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO vorgeschlagen. Mangels der expliziten Ausgestaltung dieser Vorschriften und einer fehlenden Öffnung zur Anwendung auf ausländische Schiedssprüche scheidet eine solche Anwendung hingegen aus. Ein weiterer Vorschlag basiert auf der ursprünglichen Wertung des Präklusionsmodells aus der Zeit vor der Schiedsrechtsreform und knüpft im Rahmen eines nationalen Präklusionsregimes an die Aufhebungsfrist im Ursprungsstaat an. Allerdings überzeugt auch dieses Modell de lege lata nicht davon, eine Präklusion im eigentlichen Sinne anzunehmen. Hinsichtlich der für den Rechtsvergleich heranzuziehenden Kategorien kann für Deutschland zusammengefasst werden: Eine Präklusion im eigentlichen Sinne ist mit den besseren Argumenten abzulehnen. Einige Stimmen befürworten die Begründung einer neuen Dogmatik, die mit kollisionsrechtlichen Überlegungen an die Fristen und Rechtsmittel im Ursprungsstaat anknüpft. Dies kann hingegen de lege lata nicht überzeugen. Viele Stimmen sprechen sich dafür aus, ein Verstoß gegen Treu und Glauben mit einer Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu sanktionieren. Die Voraussetzungen für einen solchen Verstoß sind dann erfüllt, wenn die eine Partei durch aktives Verhalten bei der anderen Partei ein konkretes Vertrauen dahingehend hervorgerufen oder unterhalten hat, dass in einem Staat keine Gegenwehr zum Schiedsspruch erfolgt, sich später aber dazu widersprüchlich verhält. Im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ haben Gerichte aus deutscher Beurteilung keinen Ermessensspielraum. Zudem steht das UNÜ aus deutscher Beurteilung einer Präklusion offen gegenüber, die genaueren Voraussetzungen sind allerdings durch Auslegung und das nationale Recht zu bestimmen. 682
Dazu allgemein Horvath/Wilske, Guerrilla Tactics in International Arbitration, 2013.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
II. Länderbericht England – Präklusionsmodelle Die Konstellation des unterlassenen Aufhebungsverfahrens im Ursprungsstaat und die damit verknüpfte Präklusionswirkung warf auch in Großbritannien Fragen zu den Konsequenzen für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auf. Dieser Diskurs zu Präklusionsmodellen wird im Kontext der Rechtsprechung und des englischen Rechtssystems dargestellt.683 Einleitend wird der Arbitration Act 1996 im Hinblick auf Präklusionsregelungen untersucht (1.). Im Anschluss werden die vier Vergleichskategorien zu möglichen Präklusionsmodellen (2.), der Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (3.), der Ermessenspielraum des Art. V Abs. 1 UNÜ (4.) sowie das Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus englischer Sicht (5.) erarbeitet. 1. Ausgangslage English Arbitration Act 1996 – Einführung und Blick auf bestehende Präklusionsregelungen Das englische Schiedsverfahrensrecht684 war in jüngerer Zeit in mehreren Rechtsakten kodifiziert,685 den Arbitration Acts 1950, 1975 und 1979 und wurde bzw. wird durch das Common Law geprägt.686 Mit dem Blick auf Modernisierungs- und Verbesserungswünsche wurde in den 1980er Jahren über eine entsprechende Reform des Schiedsverfahrensrechts diskutiert.687 Dabei war insbesondere Diskussionsgegenstand, ob und inwieweit das neue Gesetz sich an den Regelungen des Model Laws orientieren sollte.688 Der neue Arbitration Act 1996 trat am 31. Januar 1997 in Kraft und sollte soweit wie mögli-
683 Dabei wird der Fokus bewusst auf das „englische Recht“ als Teil des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland gelegt. In Schottland gilt der Arbitration (Scotland) Act 2010, detailliert hierzu Davidson/Dundas/Bartos, Arbitration (Scotland) Act 2010, 2010. 684 Zur Geschichte des englischen Schiedsverfahrensrechts bspw. Lew/Bor/Fullelove, Arbitration in England, 2013, 2–8, Rn. 1-3–1-27. 685 Merkin/Flannery, Arbitration Law, 2004, 5. Die Schiedsverfahrenstradition reicht in England mehrere Jahrhunderte zurück, Merkin/Flannery, Arbitration Law, 2004, 3–6. 686 Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Karali/Ballantyne zum Bericht über England, 351, Rn. 5.02–5.10. 687 Das (alte) englische Schiedsverfahrensrecht galt als beschwerlich und wenig attraktiv, vgl. Lew/Bor/Fullelove, Arbitration in England, 2013, 7, Rn. 1-21. 688 Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Maxwell zum Bericht über England, 593, Rn. 2; siehe zum Arbitration Act 1996 zudem Bernstein/Tackaberry/Marriott, Bernstein’s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practice, 2003, Tackaberry/Marriot, Rn. 2-058–2-104; Harris/Planterose/Tecks, The Arbitration Act 1996, 1996, Einführung 1–11 und Kommentierung 43–345; Merkin/ Flannery, Arbitration Law, 2004, 8–14; sowie Anselm, Der englische Arbitration Act 1996, 2004, 1–2 und 3–7.
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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che die Regelungen des Model Laws widerspiegeln.689 Bei der Betrachtung der Regelungen zum Aufhebungsverfahren, zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines ausländischen Schiedsspruchs und zu eventuell weiteren Rechtsmitteln fallen einige besondere Regelungen auf.690 Ab Sec. 66 Arbitration Act 1996691 werden die Vollstreckung aus dem Schiedsspruch und die Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch geregelt. In Sec. 66 Abs. 3 Arbitration Act 1996 findet sich ein Verweis auf Sec. 73 Arbitration Act 1996. Danach kann der Antragsgegner auf die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts verweisen und sich damit der Vollstreckung widersetzen. Allerdings ist ihm dies nur möglich, wenn er zuvor diese Einwendungen im Schiedsverfahren vorgebracht hat.692 Ebenfalls unter dem Vorbehalt des Sec. 73 Abs. 1 Arbitration Act 1996 steht die Aufhebung des Schiedsspruchs gem. Sec. 67, 68 Arbitration Act 1996.693 Die Rechtsmittel sind innerhalb einer Frist von 28 Tagen nach Erlass des Schiedsspruchs694 gem. Sec. 70 Abs. 3 Arbitration Act 1996 zu erheben. Eine verfahrenstechnische Besonderheit 689 Cato, ADRLJ 1997, 158 ff 1997, 158; zitiert nach Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Maxwell zum Bericht über England, 593, Rn. 5, dort Fn. 7. Eine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Schiedsverfahren ist nicht von praktischer Relevanz, vgl. Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Karali/Ballantyne zum Bericht über England, 353, Rn. 5.11. Die Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Schiedsverfahren wird nicht generell, sondern durch bestimmte Ergänzungen getroffen, siehe hierzu ab Art. 85 Arbitration Act 1996; Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Maxwell zum Bericht über England, 594, Rn. 12. 690 Zunächst bspw. Sec. 57 Arbitration Act 1996; hiernach können die Parteien vereinbaren, dass der Schiedsspruch beispielsweise hinsichtlich versehentlicher Fehler oder Ungenauigkeiten vom Schiedsgericht korrigiert werden kann bzw. in Ermangelung einer solchen Vereinbarung kann dies vom Schiedsgericht oder auf Antrag einer Partei erfolgen, Vgl. Art. 57 Abs. 3 lit. a Arbitration Act 1996: „The tribunal may on its own initiative or on the application of a party correct an award so as to remove any clerical mistake or error arising from an accidental slip or omission or clarify or remove any ambiguity in the award […]“. Eine solche Maßnahme ist gem. Sec. 57 Abs. 4 Arbitration Act 1996 an eine Frist von 28 Tagen geknüpft. 691 Vgl. dazu St. Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, 2007, ab 474, Rn. 8-051. 692 Gem. Sec. 73 Abs. 1 Arbitration Act 1996. Der Art. 73 Abs. 2 erfasst dann den Fall, dass das Schiedsgericht die eigene Zuständigkeit bereits angenommen hat. Auch dann kann sich der Antragsgegner nur auf sein Argument berufen, wenn er sich gegen diese Entscheidung bereits versucht hat, zu verteidigen. Die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ist gem. Sec. 31 Abs. 1 bzw. 32 Abs. 1 Arbitration Act. 1996 beim staatlichen Gericht anzufechten. 693 Diese beiden Regelungen finden Anwendung, wenn das Schiedsverfahren in England stattgefunden hat; vgl. auch Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Karali/Ballantyne zum Bericht über England, 402, Rn. 5-257. Detaillierter hierzu Anselm, Der englische Arbitration Act 1996, 2004, 184–186. 694 Bzw. seit Mitteilung der Entscheidung an die Partei.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
findet sich in Sec. 69 Arbitration Act 1996, sog. appeal on point of law.695 Somit finden sich im englischen Schiedsverfahrensrecht Präklusionsvorschriften, die daran anknüpfen, ob sich eine Partei im Schiedsverfahren mit allen ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gewendet hat. Es fällt zudem auf, dass das englische Recht die Fristen zur Geltendmachung auf 28 Tage festgelegt und damit die Regelung des Model Laws in Art. 34 Abs. 3 mit einer Frist von drei Monaten verkürzt hat.696 Für England trat das UNÜ am 23. Dezember 1975 in Kraft.697 Für die Durchsetzung eines ausländischen Schiedsspruchs ergänzen die Artt. 100 bis 104 Arbitration Act 1996 das UNÜ.698 In Art. 103 Arbitration Act 1996 werden die Versagungsgründe aufgeführt. Eine explizite Präklusionsvorschrift findet sich dort jedoch nicht. Das englische Recht bietet folglich für die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche zwei Systeme an, einmal Sec. 66 Arbitration Act 1996699 und einmal nach dem UNÜ. Dabei fällt besonders auf, dass die englische Regelung in Sec. 66 Arbitration Act 1996 die Versagungsgründe des UNÜ bzw. Model Law nicht wiederspiegelt.700 Hier werden nun die vier Vergleichsaspekte untersucht: Zunächst die Betrachtung möglicher Präklusionsmodelle im Lichte der Rechtsprechung und Literatur (2.), sodann die Prüfung einer Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (3.) und schließlich die Frage eines Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ (4.) und der Beurteilung einer Präklusion im UNÜ aus englischer Sicht (5.).
Auf die Diskussionen zur dieser prozessualen Besonderheit soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Siehe hierzu mit weiteren Erörterungen zur historischen Dimension der Regelung Anselm, Der englische Arbitration Act 1996, 2004, 199–205; (vom 01.11.2010). Dieses Rechtsmittel ist gem. Sec. 69 Abs. 2 S. 2 der auf Sec. 70 Abs. 3 Arbitration Act 1996 verweist, ebenfalls auf 28 Tage befristet. 696 Allerdings kann das Gericht die Fristen unter bestimmten Voraussetzungen gem. Sec. 79, 80 Abs. 5 Arbitration Act 1996 verlängern, dazu St. Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, 2007, Rn. 8-063, 481. 697 Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat das UNÜ zuvor am 24. September 1975 ratifiziert. 698 Das englische Recht inkorporiert die Regelungen des UNÜ, siehe St. Sutton/Gill/ Gearing, Russell on Arbitration, 2007, Rn. 8-021, 459. 699 Zum summarischen Verfahren für ausländische Schiedssprüche nach Sec. 66 Arbitration Act 1996 St. Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, 2007, Rn. 8-003, 451. 700 Im Unterschied bspw. zur deutschen Regelung des § 1060 ZPO. Die Zuständigkeit für Rechtsmittel und Anträge liegt beim High Court of Justice of England and Wales, gem. Sec. 105 Arbitration Act 1996. 695
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2. Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur a) Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd, 1999 Eine maßgebliche Entscheidung des High Court findet sich mit Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd.701 Dort hatte die unterlegene Partei, Ferco Steel Ltd, u. a. die Gelegenheit ungenutzt gelassen, sich gegen einige Entscheidungen des Schiedsgerichts vor den chinesischen Gerichten zu verteidigen, obgleich ihr die prozessualen Fehler bekannt gewesen sein mussten. Dieses Verhalten beurteilte das Gericht als Verzicht (waiver) und präkludierte damit den Einwand dieser Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren.702 Unterstrichen werden muss dabei, dass das Gericht die Verfahrensfehler erkannte, einen Verstoß gegen das „principle of fairness and reasonableness“ 703 ansprach, die Versagungsgründe aber dennoch präkludierte und eine Vollstreckung zuließ. Darin kann ein wegweisendes Verständnis zum Verhältnis zwischen den Rechtsmitteln im Ursprungsstaat und dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren im Vollstreckungsstaat gesehen werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine weitere Feststellung des Gerichts:704 Eine Partei, die sich im internationalen Kontext für ein Schiedsverfahren entscheide, binde sich nicht nur an das Schiedsverfahrensrecht (lex loci arbitri), sondern sogleich auch an die Aufsichtszuständigkeit der staatlichen Gerichte am Sitz des Schiedsverfahrens. Wenn eine Partei gegen einen Verfahrensfehler vorgehen möchte, so müsse sie sich in erster Linie an die staatlichen Rechtsmittel im Ursprungsstaat halten. 705 Als vorliegend wohl interessanteste Aussage dieser Entscheidung stellte das Gericht fest:
Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739. Weitere Anmerkung zur Entscheidung bei Yu, Int. A.L.R. 1999, 83, 83–84. 702 Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739. 703 „I am in no doubt that […] they did not act in accordance with ‘international practices and the principle of fairness and reasonableness’.“ Dabei zitiert die Referenz der „international practices and the principle of fairness and reasonableness“ Art. 53 CIETAC Arbitration Rules. 704 Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739, 748. 705 „In international commerce a party who contracts into an agreement to arbitrate in a foreign jurisdiction is bound not only by the local arbitration procedure but also by the supervisory jurisdiction of the courts of the seat of the arbitration. If the award is defective or the arbitration is defectively conducted the party who complains of the defect must in the first instance pursue such remedies as exist under that supervisory jurisdiction.“ In Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739, 748. 701
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
„That is because by his agreement to the […] seat of the arbitration he has agreed not only to refer all disputes to arbitration but that the conduct of the arbitration should be subject to that particular supervisory jurisdiction. Adherence to that part of the agreement must […] be a cardinal policy consideration by an English court considering enforcement of a foreign award.“706
Das englische Gericht erkannte damit eine primäre Bindung707 an die Rechtsmittel im Ursprungsstaat an.708 Hierzu hat das Gericht einen Katalog mit fünf Kriterien für das Vollstreckungsverfahren aufgestellt.709 Davon ist besonders der fünfte Aspekt interessant. Demnach hat ein Gericht darauf abzustellen, ob der Antragsgegner es unterlassen hat, im Ursprungsstaat Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch zu erheben, und ob das Unterlassen der Partei unbillig war.710 Wie genau das Kriterium dieses unbilligen Verhaltens (unreasonably) zu verstehen ist, definierte das Gericht nicht. In einer Gesamtschau der Entscheidung ist allerdings eine Unbilligkeit dann anzunehmen, wenn die Partei es trotz verfahrenstechnischer Möglichkeit schlicht unterlassen hat, den Schiedsspruch anzugreifen, ohne dass besondere Umstände dazu treten. Ob hier prozesstaktische Überlegungen, wonach eine Partei bewusst auf Rechtsmittel im Ursprungsstaat verzichtete, beispielsweise wenn im Ursprungsstaat keine Vollstreckung drohte, und die Partei sich vornehmlich auf die Verteidigung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren konzentrieren wollte, die Unbilligkeit begründen könnten, darf bezweifelt werden.711 Immerhin postulierte das Gericht die primäre Bindung an die Rechtsmittel im Ursprungsstaat. Folglich könnte erst eine Ausschöpfung 706 Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739, 748. 707 Harbst, SchiedsVZ 2007, 22, 29. 708 Einen weiteren Anhaltspunkt zu dieser Beurteilung liefert die Entscheidung China Agribusiness Development Corporation v. Balli Trading aus 1998, China Agribusiness Development Corporation v. Balli Trading [1998] 2 Lloyd’s Law Reports 76–80 = YBCA XXIV (1999), 732. Die relevanten Regelungen zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren im Arbitration Act waren bereits während der Entscheidungfindung in das englische Recht inkorporiert, daher lassen sich die Argumente auf das aktuelle Recht übertragen, obgleich die Entscheidung noch unter Anwendung des Arbitration Act 1975 erging. Hier urteilte das Gericht u. a., dass es nicht überzeugen kann, wenn sich eine Partei erst im Rahmen der Vollstreckung auf Versagungsgründe beruft, die die Partei sich nun ausgedacht zu haben schien, China Agribusiness Development Corporation v. Balli Trading [1998] 2 Lloyd’s Law Reports 76–80 = YBCA XXIV (1999), 732, 737. 709 Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739, 749; hierzu ebenfalls Harbst, SchiedsVZ 2007, 22, 29. 710 „[…] (v) if the enforcee has failed to invoke that remedial jurisdiction, for what reason, and in particular whether he was acting unreasonably in failing to do so.“ Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739, 749. 711 Dieser Gedanke lässt sich mit Blick auf eine deutsche Entscheidung des KG (Fn. 457) heranziehen.
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jener Rechtsmittel den Weg zu der Verteidigung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ebnen. Hinter dieser Maxime stünde dann wohl das Interesse, Verfahrensverzögerungen und Verschleppungstaktiken zu verhindern.712 Unterstützung findet die Beurteilung in der Literatur.713 b) Yukos Oil Co v. Dardana Ltd, Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania und Kanoria v. Guinness, 2002 und 2005 In der Entscheidung Yukos Oil Co v. Dardana Ltd 714 stellte der High Court 2002 darauf ab, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, eine Partei mit ihrem Versagungsgrund auszuschließen, wenn die Parteien beispielsweise vorher eine anderslautende Vereinbarung getroffen haben oder eine Partei sich trotz Möglichkeit nicht gegen eine Entscheidung des Schiedsgerichts gewendet hat. Hierzu findet sich eine weitere Entscheidung in der Rechtssache Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania aus dem Jahr 2005.715 Konkret ging es um die Möglichkeit, ob eine Partei sich trotz Zwischenentscheid des Schiedsgerichts weiterhin auf einen Versagungsgrund berufen konnte, obgleich sie diese Entscheidung nicht angegriffen hatte.716 Abstrakt stellte das Gericht fest, dass eine Partei gehindert sein kann, Versagungsgründe vorzubringen, wenn sie eine entsprechende endgültige717 Entscheidung des Schiedsgerichts zuvor nicht angegriffen hat. Hierbei bezog sich das Gericht maßgeblich auf die Entscheidung in Sachen Yukos Oil Co v. Dardana Ltd.718 Beachtlich ist hierzu die spätere Feststellung des Court of Appeal Ende 2006 in Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of
Ebenso Harbst, SchiedsVZ 2007, 22, 29. Der Entscheidung stimmte bspw. Merkin zu, Merkin/Flannery, Arbitration Law, 2004, 822–823, Rn. 19.53, 824, Rn. 19.55; siehe ebenfalls St. Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, 2007, 468, Rn. 8-038–8-039. Eine andere Beurteilung findet sich bei Poudret/Besson; diese wollen den Fall, dass sich eine Partei nicht mit einem Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch wehrt, nicht als Verzicht auf dieses Verfahren werten, Poudret/Besson/Berti, Comparative Law of International Arbitration, 2007, 90, Rn. 119. 714 Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570. 715 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2005] EWHC 9 (Comm) = YBCA XXX (2005), 701. 716 Dabei war im Streitfall die Bindung eines Staates (Republik Litauen) an die Schiedsvereinbarung fraglich. 717 Im konkreten Fall lag soweit ersichtlich keine endgültige Entscheidung des Schiedsgerichts darüber vor, ob die Republik Litauen Partei der Schiedsvereinbarung war. 718 Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570; hierzu ebenfalls St. Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, 2007, 462– 463, Rn. 8-028. 712 713
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
the Republic of Lithuania.719 Demnach bestünde nämlich gerade keine allgemeine Regel, dass das bloße Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens eine Auswirkung auf die Geltendmachung von Versagungsgründen im englischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren haben kann.720 Dem Antragsgegner stehe die Möglichkeit, sich auf Versagungsgründe gem. Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996 zu berufen, grundsätzlich zu. Dieser Verteidigungsmechanismus, der sich aus dem UNÜ herleite, sei erst einmal zwingend. Diese Rechtsauffassung steht einer Präklusion im eigentlichen Sinne entgegen. Einen vergleichbaren Einschlag nimmt die Entscheidung in Sachen Kanoria v. Guinness aus 2006.721 Hier hatte die beklagte Partei den Schiedsspruch vor den Gerichten des Ursprungsstaats (Indien) zwar angegriffen, das Aufhebungsverfahren wurde dennoch deshalb verworfen, weil die Frist nicht gewahrt wurde.722 Trotz des Umstandes, dass die beklagte Partei bzw. Antragsgegnerin das Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat nicht fristgemäß einleitete, griff der Court of Appeal hier nicht auf eine Präklusion zurück.723 Darin liegt eine Stellungnahme gegen eine Präklusion im eigentlichen Sinne. c) Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan (Court of Appeal), 2010 Die Entscheidung in Sachen Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan724 umfasst aufschlussreiche Ausführungen zur Präklusion und zum Ermessen im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens.725 Das Schiedsge719 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2006] EWCA Civ 1529. 720 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2006] EWCA Civ 1529, Rn. 104. 721 Kanoria v. Guinness [2006] EWCA Civ 222, [2006] 1 Lloyd’s Rep. 701. 722 Kanoria v. Guinness [2006] EWCA Civ 222, [2006] 1 Lloyd’s Rep. 701, Rn. 24. Das Gericht hatte bereits in erster Instanz die ursprüngliche Vollstreckbarerklärung aufgehoben, wogegen sich das Rechtsmittel vor dem Court of Appel richtete. 723 Vielmehr stimmte das Gericht der Entscheidung der ersten Instanz zu und argumentierte auch gegen eine Vollstreckbarerklärung, Kanoria v. Guinness [2006] EWCA Civ 222, [2006] 1 Lloyd’s Rep. 701, Rn. 26. 724 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2010] UKSC 46, [2011] 1 AC 763; die Entscheidung des Supreme Court of the United Kingdom bestätigte die Entscheidung des Court of Appeal of England and Wales Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755; hierzu Grierson/Taok, J. Int. Arb. (28) 2011, 407. 725 Diese Entscheidung fand im Zusammenhang mit einer Entscheidung des CA de Paris (Gouvernement du Pakistan v. Societe Dallah Real Estate & Tourism Holding Co, CA de Paris 17.02.2011, 09/28533) in Literatur und Praxis erhebliche Beachtung, siehe bspw.
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richt hatte mit einem Zwischenentscheid über die eigene Zuständigkeit und die Bindung Pakistans an die Schiedsvereinbarung entschieden. Hiergegen hatte Pakistan kein Rechtsmittel erhoben, zuvor lediglich die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt, unter Protest einige schriftliche Anträge gestellt und sich im Übrigen aber nicht am Schiedsverfahren beteiligt. Zudem hatte ein Parteivertreter Pakistans sich dahingehend geäußert, dass Pakistan den Schiedsspruch in Frankreich nicht angreifen würde. In der Entscheidung des Court of Appeal ging es nun um die Frage, ob der Antragsgegner im Vollstreckungsverfahren mit den Einwendungen bezüglich der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung ausgeschlossen (estopped) sei. Das Gericht erörterte sein Verständnis des estoppel-Prinzips726. Konkret ergab sich die Frage, ob die Bindung Pakistans an die Schiedsvereinbarung endgültig festgestellt wurde. Dabei wurde bereits in der Eingangsinstanz die Entscheidung Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania727 in Bezug genommen.728 In diesem Zusammenhang war für den vorliegenden Fall in Sachen Dallah Real Estate eine wichtige Differenzierung vorzunehmen. Im Fall Dallah Real Estate stellte das Gericht fest, dass Pakistan der Schiedsvereinbarung ursprünglich nicht zustimmte und die Vollstreckung später nur deshalb in Betracht kommen konnte, weil die unterlegene Partei den Schiedsspruch nicht angegriffen hatte. Der Unterschied lag also darin, dass in Sachen Svenska Petroleum eine Bindung der anderen Partei an die Schiedsvereinbarung materiell-rechtlich bejaht wurde, im Fall Dallah Real Estate eine Zustimmung zur Schiedsvereinbarung aber gerade nicht gegeben war.729 Als einziger Anknüpfungspunkt für eine Präklusion verbliebe in Sachen Dallah Real Estate das Verhalten nach Erlass des Schiedsspruchs.
Grierson/Taok, J. Int. Arb. (28) 2011, 407, und (vom 19.12.2011). Hier wird allerdings nicht auf die kritikwürdigen unterschiedlichen Ergebnisse der französischen und englischen Gerichte eingegangen. 726 Konkret stellte das Gericht auf estoppel by record ab. Das estoppel-Prinzip ist allseits anerkannt und sichert die Endgültigkeit eines Rechtsstreits, Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, Rn. 48, 17. 727 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2005] EWHC 9 (Comm), YBCA XXX (2005), 701. 728 Dort ergab sich für das Schiedsgericht auch die Frage nach der Bindung eines Staates an die Schiedsvereinbarung. Nach Auswertung des Beweismaterials stellte das Gericht dort fest, dass die staatliche Partei der Schiedsvereinbarung zugestimmt hatte. 729 Vgl. hierzu Ausführungen des Court of Appeals in Rn. 52, Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, 18, Rn. 52; siehe ebenfalls Grierson/Taok, J. Int. Arb. (28) 2011, 407, 413.
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Hinsichtlich der Aussage des Vertreters Pakistans, dass dessen Partei den Schiedsspruch in Frankreich nicht angreifen würde, ist auf die genaueren verfahrenstechnischen Ausgestaltungen des französischen Rechts abzustellen. Da Dallah Real Estate die Vollstreckung zum damaligen Zeitpunkt in Frankreich nicht beantragt hatte, konnte mangels Fristablaufs der Schiedsspruch grundsätzlich noch angegriffen werden730. Mit diesen Gedanken argumentierte der Court of Appeal dann gegen einen Ausschluss i. S. d. estoppel-Prinzips.731 Ein anderer Ansatz, eine Präklusion dogmatisch herzuleiten, wurde in Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan732 erwähnt. Dort findet sich, wenn auch nur knapp, der Gedanke zu einer Analogie der Sec. 67 Abs. 1, 70 Abs. 3 Arbitration Act 1996733. Die herangezogene Sec. 70 Abs. 3 Arbitration Act 1996 gibt für die Geltendmachung eines Rechtsmittels eine Frist von 28 Tagen vor. Damit wird die Überlegung fruchtbar gemacht, andere Präklusionsregelungen bei vergleichbaren Interessenlagen analog zu übertragen. Im konkreten Fall kam die Analogie zwar nicht in Betracht, da sich Pakistan nicht am Verfahren beteiligte. Läge hingegen ein Fall vor, in dem die Bindung einer Partei an die Schiedsvereinbarung unstrittig gegeben ist und die Partei sich am Verfahren beteiligte, ließe sich der Gegenschluss ziehen, dass eine Analogie der Frist doch in Betracht gezogen werden und eine Präklusion auf diese Weise wirken könnte.734 d) Weitere Common Law Referenz – Entscheidung des Federal Court of Australia, 2012 In einem Verfahren vor dem australischen Federal Court ging es um die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, der zuvor in London erlassen worden war.735 Im Streitfall Dampskibsselskabet Norden A/S v. Beach Building & Civil Group Pty Ltd 736 hatte ein Schiedsgericht einen Nach französischem Verfahrensrecht beginnt eine solche Frist erst mit dem Antrag der Vollstreckung. 731 Insoweit stimmten die Richter des Supreme Courts den Erörterungen des Court of Appeals zu, Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2010] UKSC 46, [2011] 1 AC 763. 732 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755. 733 Sec. 67 Abs. 1 Arbitration Act 1996 regelt die Möglichkeit, den Schiedsspruch mit dem Argument der „substantive jurisdiction“ anzugreifen. Sec. 67 Abs. 1 S. 2 Arbitration Act 1996 verweist für eine Präklusion dieses Rechts auf die Voraussetzungen des Sec. 70 Abs. 3 Arbitration Act 1996, der wiederum eine Frist von 28 Tagen vorsieht. 734 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, 22–23, Rn. 71. 735 Zwar handelt es sich somit nicht um eine Entscheidung eines englischen Gerichts, allerdings ist ein Vergleich aufgrund der Rechtskreisnähe hilfreich. 730
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Zwischenschiedsspruch und einen finalen Schiedsspruch erlassen.737 Die belastete Partei hatte sich gegen keinen dieser Schiedssprüche vor den englischen Gerichten am Ort des Schiedsverfahrens gewehrt. Nun stellte sich die Frage, ob der finale Schiedsspruch in Australien anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden konnte. Von Interesse ist hier insbesondere, dass sich die unterlegene Partei zwar auf die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung berief, dies hingegen nicht in dem dafür vorgesehenen Verfahren vor englischen Gerichten geltend gemacht hatte und ebenso wenig den Schiedsspruch selbst angriff. Das australische Gericht stellte zu der Frage, ob hier möglicherweise eine Präklusion vorlag, auf das anwendbare Schiedsverfahrensrecht ab und knüpfte an den Verfahrensort London, England, an. Damit bezog sich das australische Gericht auf Sec. 67, 73 Abs. 2 Arbitration Act 1996, wonach die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nur innerhalb von 28 Tagen nach der Entscheidung des Schiedsgerichts über die eigene Zuständigkeit vorgetragen werden konnte. Weil die unterlegene Partei dies unterlassen hatte, schlug die darauf gestützte Rüge im Sinne des Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ738 fehl. Das australische Gericht präkludierte die Rüge, indem es auf das Recht am Ort des Schiedsverfahrens abstellte.739 Obgleich das Gericht nicht explizit feststellte, dass das unterlassene Aufhebungsverfahren zu einer Präklusion führte, ist die Entscheidung immerhin hinsichtlich der Anknüpfung an das englische Recht und des Rückgriffs auf eine Präklusionswirkung des englischen Rechts beachtlich.740 Damit lässt sich mit der australischen Entscheidung repräsentativ für eine weitere common law RechtsordDampskibsselskabet Norden A/S v. Beach Building & Civil Group Pty Ltd [2012] FCA 696; File No. NSD 1019 of 2012; die Bezeichnung der Beklagten wurde später korrigiert in Gladstone Civil Pty Ltd. 737 Mit dem Zwischenschiedsspruch hielt das Schiedsgericht fest, dass die richtige Partei verklagt wurde, mit dem finalen Schiedsspruch wurde dem klageweise geltend gemachten Anspruch insoweit stattgegeben. 738 Konkret hier in Gestalt der australischen Regelung des Art. 8 Abs. 5 lit. b International Arbitration Act 1974. 739 Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung versagte das Gericht dann allerdings aus anderen Gründen. Dies betraf Sec. 11 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. b Carriage of Goods by Sea Act 1991 (COGSA 1991), wonach Streitigkeiten, die Seefrachtpapiere mit Transport ab Australien betreffen, weder der Zuständigkeit australischer Gerichte noch der Anwendbarkeit des Rechts am Verschiffungsort entzogen werden dürfen, vgl. ebenfalls Vogl, EWiR 2013, 273, 273. 740 Die Entscheidung wurde mit Rechtsmitteln angegriffen, sodass es Ende 2013 zu einer weiteren Entscheidung kam, Dampskibsselskabet Norden A/S v. Gladstone Civil Pty Ltd [2013] FCAFC 107. Hier entschieden zwei von drei Richtern, dass der Schiedsspruch anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden sollte. Damit überwand die Mehrheitsentscheidung die potentielle Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach australischem Recht, Sec. 11 COGSA 1991. Eine differenzierte Erörterung der Präklusionsfrage erfolgte nicht, allerdings wurde dieser Aspekt auch nicht umgestimmt. 736
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nung festhalten, dass Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auch mit kollisionsrechtlichem Verweis und Rückgriff auf Präklusionswirkungen im Ursprungsstaat ausgeschlossen werden können. e) Zusammenfassung – Mögliche Präklusionsmodelle Es kann festgestellt werden, dass das englische Recht einer Präklusion offen gegenüber steht und eine solche dogmatisch aus einem Ermessensspielraum in Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996741 hergeleitet wird. Dabei entwickelten sich in der Vergangenheit Maßstäbe, die dazu bestimmt sind das Ermessen in der Präklusionsbeurteilung zu leiten. Vornehmlich hat ein Gericht darauf abzustellen, ob das Unterlassen der Partei, sich gegen den Schiedsspruch am Schiedsort zu verteidigen, unbillig war. Zudem erkennen die englischen Gerichte eine primäre Bindung an die Rechtsmittel im Ursprungsstaat an. Allerdings ist hier zu differenzieren. Einerseits können Fälle vorliegen, in denen eine Partei gar nicht an die Schiedsvereinbarung gebunden war und diese Rüge der Unzuständigkeit im Schiedsverfahren stets erhoben hat. Andererseits gibt es die Fallkonstellation, in der die Bindung einer Partei an die Schiedsvereinbarung unstreitig ist bzw. festgestellt wird. In letztgenannten Fällen kommt der Präklusionskatalog im zuvor erarbeiteten Maße in Betracht. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne, als Reaktion auf die bloße fehlende Geltendmachung eines Aufhebungsverfahrens, ist auch für jene Fälle, in denen die Partei an die Schiedsvereinbarung gebunden war, nicht möglich. Ein Blick auf die australische Entscheidung als Hinweis aus einer weiteren common law-Rechtsordnung kann die Erwartungshaltung fördern, dass für eine Präklusionswirkung mitunter über eine kollisionsrechtliche Verweisung auf das Schiedsverfahrensstatut und die dortigen Präklusionsinstitute abgestellt werden könnte; für England ist dies bisher hingegen offen. 3. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Wie sich in verschiedenen Entscheidungen zeigte, wird der Verstoß gegen Treu und Glauben häufig als Präklusionsgrundlage herangezogen.742 Daher wird nun untersucht, wie der allgemeine Maßstab von Treu und Glauben im Prozess für das englische Recht zu beurteilen ist (a), um dann zu klären, welche Auswirkungen dies für einen möglichen Sanktionsmechanismus hat (b). a) Allgemeiner Maßstab von Treu und Glauben eines Parteiverhaltens im Prozess Der Hinweis, dass das englische Vertragsrecht keine allgemeingültige und implizit geltende Pflicht zu Treu und Glauben (good faith) anerkennt, findet 741 742
Der insoweit dem Wortlaut des Art. V Abs. 1 UNÜ gleicht. Vgl. bisher Kapitel 4 – E.I.2.a)bb).
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sich nicht nur in älteren, sondern ebenfalls in jüngeren Texten zum englischen Vertragsrecht.743 Die Gerichte kritisierten dieses Prinzip mitunter als unpräzise, da nicht genau zu erkennen sei, welchen Inhalt das Verbot des treuwidrigen Verhaltens hat.744 Diese Kritik ist aber einzugrenzen. Der Rechtsgedanke von Treu und Glauben an sich ist dem englischen Recht nicht fremd, es existiert lediglich für Handelsverträge kein allgemeiner Grundsatz des Prinzips der Leistungserfüllung nach Treu und Glauben.745 Jüngst deutet sich ein Wechsel dieser Beurteilung an, wobei dazu ein Urteil für Aufsehen sorgte.746 Dort regte das Gericht die Überlegung an, dass die traditionelle englische Zurückhaltung gegenüber Treu und Glauben mittlerweile unangebracht sei.747 Für die vorliegende Untersuchung ist allerdings nicht nur interessant, ob ein Prinzip von Treu und Glauben existiert, sondern insbesondere, wie der Maßstab dieses Prinzips im Prozessrecht zu verstehen ist, ob also im Zivilprozess ebenfalls eine Einzelfalllösung (piecemeal solution748) greifen kann. Kurz betrachtet werden soll, ob sich eine Pflicht zum treugemäßen Verhalten im Prozess durch ergänzenden Vertragsauslegung749 ergeben kann. Für den streitgegenständlichen Vertrag in Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd 750 hatte das Gericht über die ergänzende Vertragsaus743 Landbrecht, RIW 2013, 592, 592, m. w. N. dort in Fn. 1; Farnsworth, Tulane Journal of International and Comparative Law (47) 1995, 47, 51; Interfoto Picture Library Ltd v. Stiletto Visual Programmes Ltd [1989] QB 433 (CA) 439; Walford v. Miles [1992] 2 AC 128 (HL); Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 120 („[…] good faith is one [subject] on which a large body of academic literature exists“). Allerdings hat das englische Recht immer individuelle Lösungen gegen treuwidriges Verhalten gefunden, siehe ebenfalls Landbrecht, RIW 2013, 592, 592; bzw. zu den einzelnen Lösungselementen („piecemeal solution“) ebenfalls Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 571–582; sowie Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 774; ebenso in Siehe Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1204. 744 Bspw. (aus Juli 2013). 745 Landbrecht, RIW 2013, 592; für Verbraucherverträge gilt Treu und Glauben hingegen (S. 593, m. w. N. dort in Fn. 12). 746 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB); hierzu Landbrecht, RIW 2013, 592, 593–597. 747 „I respectfully suggest that the traditional English hostility towards a doctrine of good faith in the performance of contracts, to the extent it still persists, is misplaced.“ In Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB) Rn. 153. 748 Siehe Fn. 743; vgl. auch Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 13. 749 Zur ergänzenden Vertragsauslegung im englischen Recht Landbrecht, RIW 2013, 592, 595, dort Fn. 40; Triebel/Huber/Micheler, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, Vogenauer, 44–51, Kap. III, Rn. 41–51. 750 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB).
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legung eine Pflicht zu Treu und Glauben hergeleitet.751 Das Gericht führte aus, wie das entwickelte Tatbestandsmerkmal der Ehrlichkeit zu verstehen sei. Unehrlich sei es, die andere Partei durch eine Aussage mit der Absicht zu täuschen, dass die Partei sich auf diese Aussage verlässt, obgleich einem selber die Unrichtigkeit der Aussage bewusst ist.752 In jüngster Zeit, so das Gericht, griffen die Voraussetzungen sogar noch weiter. Wenn Partei A Informationen an Partei B in der Erwartung gibt, das B sich auf diese Informationen verlassen werde und A zu dem Zeitpunkt von der Richtigkeit der Informationen ausgeht, später aber herausfindet, dass die Informationen falsch waren oder zwischenzeitlich falsch geworden sind, kann es für A einen Verstoß gegen das Prinzip der Ehrlichkeit darstellen, dies zu verschweigen und gegenüber B nicht zu offenbaren.753 aa) Übertragbarkeit auf Prozessverhalten Wenn das Prozessverhalten einer Partei seinen Ursprung in dem Bestehen einer Schiedsvereinbarung hat, dann müssen die zuvor gewonnenen Erkenntnisse auf ein entsprechendes Verhalten der Partei im Schiedsverfahren übertragen werden können. Die Schiedsvereinbarung hat vertraglichen Charakter. Wie bereits erarbeitet, fordert die Schiedsvereinbarung die Parteien auf, sich am Verfahren zu beteiligen und die Verfahrensführung effizient zu gestalten.754 Nicht ersichtlich ist, dass nach Beurteilung englischen Rechts allgeDafür leitete das Gericht einige Kriterien her: Zunächst basiert die Vertragsbeziehung zweier Parteien auf der Grunderwartung eines ehrlichen Miteinanders, sog. „expectation of honesty“, Yam Seng Pte Limited v. International Trade Corporation Limited [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 136 mit Verweis auf HIH Casualty v. Chase Manhattan Bank [2003] 2 Lloyd’s Rep 61. Dies wird ergänzt durch übliche kaufmännische Geschäftspraktiken sog. standards of commercial dealing, siehe Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 138. Diese Erwartungen sind selbstverständlich und gelten daher in einer vertraglichen Beziehung ohne explizite Regelung. Daneben tritt der Aspekt der Vertragstreue, sog. fidelity to the parties’ bargain, siehe Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 139; Übersetzung nach Landbrecht, RIW 2013, 592, 596. Hier kommt zum Tragen, dass die Parteien mit ihrem Vertrag nicht jeden Aspekt regeln können. Im Falle einer Regelungslücke im Vertrag ist dieser dann so auszulegen, dass der Vertragszweck und die dem Vertrag zugrunde liegende Wertvorstellung gefördert wird, siehe Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 139, dort m. w. N.; Übersetzung nach Landbrecht, RIW 2013, 592, 596. Bei dieser Auslegung ist maßgeblich auf den Zusammenhang der vertragsgemäßen Leistung abzustellen, Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 154. 752 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 141. 753 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 141. 754 Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 600. 751
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mein etwas anderes gilt. Cremades zieht ebenso die Konsequenz, dass die Durchführung der Schiedsvereinbarung gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben zu erfolgen hat.755 Folglich greift das Prinzip von Treu und Glauben auch im Schiedsverfahren und erfasst zugleich ein Parteiverhalten im Nachgang des Verfahrens. bb) Transfer der Yam Seng-Kriterien auf eine Schiedsvereinbarung Für eine weitere Untersuchung wird nun als letzter Aspekt begründet, dass die Kriterien aus Yam Seng756 nicht direkt auf eine Schiedsvereinbarung und das bloße passive Verstreichenlassen einer Aufhebungsfrist übertragen werden können. Mit den Kriterien aus Yam Seng757 könnte bestimmt werden, dass ein Unterlassen des Aufhebungsverfahrens treuwidrig, also against good faith, ist. Das erste Kriterium, expectation of honesty,758 kann direkt auf eine Schiedsvereinbarung übertragen werden. Die Parteien treten einander gerade mit der Erwartung gegenüber, einen Streitfall beizulegen, dies zumindest zum Teil mit dem Interesse, die Geschäftsbeziehung im Ganzen aufrechtzuerhalten.759 Dabei kann es schon im Ansatz nicht überzeugen, die Erwartung an eine gegenseitige Ehrlichkeit im Verfahren zu versagen. Vielmehr ist es die Grundlage eines Schiedsverfahrens, das sich die Parteien nach Treu und Glauben verhalten.760 Die sog. standards of commercial dealing761 können – auf die Besonderheit des Schiedsverfahrens konkretisiert – ebenfalls übertragen werden. Damit bleibt noch der Aspekt der sog. fidelity to the parties’ bargain762 zu untersuchen. Regelmäßig werden Parteien keine explizite Regelung zu dem Aspekt des Aufhebungsverfahrens und einer daraus resultierenden Präklusion getroffen haben. In Anbetracht einer solchen Regelungslücke ist durch Auslegung des Vertrags mit Blick auf „die Vertragszwecke und die dem Vertrag zugrun-
Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 786–787. Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB). 757 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB). 758 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 136 mit Verweis auf HIH Casualty v. Chase Manhattan Bank [2003] 2 Lloyd’s Rep 61. 759 Vgl. bspw. zu größeren Vergleichschancen als im staatlichen Gerichtsprozess Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2008, 48–50, Rn. 165–169, insbes. Rn. 167. 760 So bspw. auch Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 48–50. 761 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 138. 762 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 139. 755 756
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de liegenden Wertvorstellungen“763 dabei maßgeblich auf den Zusammenhang der vertragsgemäßen Leistung abzustellen.764 Bei der Ermittlung des relevanten Maßstabs ist auf die vertragsgemäße Leistung der Schiedsvereinbarung abzustellen und dabei für die vorliegende Forschungsfrage zunächst die redliche Prozessführung zu nennen.765 All jene Handlungen, die gegen eine redliche Prozessführung verstoßen, könnten gegen das Rechtsprinzip good faith verstoßen, auch, wenn dies nicht explizit von der Schiedsvereinbarung erfasst ist. Für die Entscheidung, ob ein Verstreichenlassen der Frist eines Aufhebungsverfahrens gegen eine redliche Prozessführung verstößt, hilft ein Abstellen auf klassische Beispiele eines Verstoßes gegen eine redliche Prozessführung wie Betrug des (Schieds-) Gerichts und bedrohende Einflussnahme auf Zeugen nicht weiter. Aufschluss vermag eine Auslegung des üblichen Wortlauts einer Schiedsvereinbarung zu geben, denn auf diesen objektiven Vertragswortlaut stellt ein Gericht ab. In der Schiedsabrede vereinbaren die Parteien üblicherweise,766 dass die Streitigkeit durch das Schiedsgericht „endgültig entschieden“ wird. Dies könnte nun Anknüpfungspunkt für eine Auslegung dahingehend sein, dass die Endgültigkeit der Entscheidung von einer Partei zu akzeptieren ist, wenn diese Partei die Entscheidung nicht in der dafür vorgesehenen Form, also mit einem Aufhebungsverfahren767, angreift. Das würde im Gegenzug allerdings zugleich eine Pflicht mit sich bringen, Schiedssprüche immer mit einem Anfechtungsverfahren anzugreifen. Eine solche Pflicht wäre dann, zumindest implizit, Vertragsbestandteil der Schiedsvereinbarung. Es hätte dann keinen Ausnahmecharakter mehr einen Verstoß gegen good faith anzunehmen. Dies spricht wiederum dagegen eine solche Pflicht zur Durchführung eines Aufhebungsverfahrens als Vertragsbestandteil anzunehmen. Die Voraussetzung einer Interaktion zwischen den Parteien unterstützt dieses Zwischenergebnis. Dafür wird erneut das vom Gericht genannte Beispiel768 herangezogen, wonach die eine Partei der anderen Partei gegenüber eine Aussage getroffen haben muss, auf die sich die andere Partei verlässt. 763 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 139, dort m. w. N.; Übersetzung nach Landbrecht, RIW 2013, 592, 596. 764 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 154. 765 Allgemein dazu Cremades, Am. U. Int’l L. Rev. (27) 2012, 761, 788. Der Arbitration Act 1996 soll bspw. verhindern, dass Rechtsmittel als bloße Verzögerungstaktik eingesetzt werden, Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Maxwell zum Bericht über England, 603, Rn. 38. Dies unterstützt die Erwartung des Arbitration Act 1996, dass sich die Parteien einander gegenüber redlich verhalten. 766 Vgl. dazu Modellklauseln in Fn. 1006. 767 Bzw. dem entsprechenden Verfahren zur materiellen Beseitigung des Schiedsspruchs. 768 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 141.
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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Hieraus wird deutlich, dass eine gewisse Interaktion zwischen den Parteien erfolgen muss, mit der die eine Partei durch ein Verhalten bei der anderen Partei eine bestimmte Erwartung hervorruft. Diese Voraussetzung erfordert ein aktives Verhalten, wenn das Gericht ausführt „[…] if A gives information to B knowing that B is likely to rely on the information“769. In dem bloßen Verstreichenlassen der Aufhebungsfrist liegt hingegen kein aktives Verhalten einer Partei. Dann könnte nur auf solche Fälle abgestellt werden, in denen eine Partei der anderen gegenüber aktiv äußert, gegen den Schiedsspruch kein Aufhebungsverfahren durchzuführen und sich in einigen Staaten der Vollstreckung nicht zu wiedersetzen.770 Gegen eine derart restriktive Interpretation könnte wiederum sprechen, dass auch ein Unterlassen einen Informationsgehalt haben kann. Das Unterlassen übermittelt die Information, dass die Partei den Schiedsspruch nicht anfechten wird. Jedenfalls ist der anderen Partei mit verstrichener Frist bewusst, dass ein Verfahren beispielsweise zur Aufhebung nicht mehr erfolgen kann. Allerdings läge darin nicht sogleich ein treuwidriges Verhalten, dessen Kern es gerade ist, auf die andere Partei einzuwirken. Vielmehr nimmt eine Partei, die es bloß unterlässt, ein Aufhebungsverfahren einzuleiten, lediglich ihre Verteidigungsrechte wahr. Allerdings könnte die Aussage des Gerichts gar zu restriktiv verstanden werden, wenn nur auf den grammatikalischen Aspekt abgestellt werden würde, dass das Gericht mit seiner Aussage „gives information“ von einer aktiven Informationsvermittlung ausgeht. Die Formulierung könnte vielmehr so zu verstehen sein, dass ebenfalls ein Aufrechterhalten einer Erwartung bei der anderen Partei ausreichen könnte. Um hier Klarheit zu schaffen, ist auf den Kontext des streitgegenständlichen Sachverhalts der Entscheidung Yam Seng771 abzustellen. Dort wurde einer Partei vorgeworfen, der anderen Partei falsche Informationen über die Verfügbarkeit bzw. Lieferbarkeit bestimmter Produkte übermittelt zu haben und die andere Partei im Vertrauen darauf Werbemaßnahmen einleitete.772 Werden die diesbezüglichen Äußerungen des Gerichts zusammengefasst, dann war aus dem Vertrag eine implizite Pflicht herauszulesen, keine wissentlich falschen Informationen (zur Verfügbarkeit/Lieferbarkeit der Produkte) an die andere Partei zu übermitteln. Dies Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 141. 770 Dass solche Fallkonstellationen nicht völlig abwegig sind, belegt zum Teil bereits die oben bereits angesprochene deutsche Entscheidung des KG aus 2006, KG, Beschl. vom 10.08.2006 – 20 Sch 7/04, SchiedsVZ 2007, 108. Hier hatte die unterlegene Partei erklärt, dass sie den Schiedsspruch im Ursprungsstaat so hinnehmen werde, siehe Kapitel 4 – E.I.2.a)bb). 771 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB). 772 Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB), Rn. 155–156. 769
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
bedeutet eine aktive Übermittlung von Informationen, was im vorliegenden Vergleichsfall des unterlassenen Aufhebungsverfahrens beispielsweise erst darin liegen würde, wenn eine Partei der anderen mitteilt, dass sie auf ein Aufhebungsverfahren verzichten wird. Zudem ist aus der Schiedsvereinbarung gerade nicht die grundsätzliche Obliegenheit zur Wahrnehmung des Aufhebungsverfahrens herzuleiten. Die vorgetragene Kritik zur Übertragbarkeit der Kriterien spricht dagegen, die Kriterien aus Yam Seng773 direkt auf das Verhalten einer Partei im Zusammenhang mit dem bloßen (passiven) Verstreichenlassen einer Aufhebungsfrist zu übertragen. b) Sanktionsmöglichkeit bei Verstoß gegen Treu und Glauben im Schiedsverfahren Ein Verstoß gegen Treu und Glauben, also gegen good faith, kann in einem Verhalten der Partei im Verlauf des Schiedsverfahrens bzw. im Nachgang des Verfahrens begründet sein.774 Es stellt sich die Frage, wann ein solches Parteiverhalten treuwidrig ist und ob ein solches Verhalten mit einer Präklusion sanktioniert werden kann. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das englische Recht mitunter der Wahrheitsfindung einen höheren Stellenwert zuspricht als der Verfahrenseffizienz im Schiedsverfahren.775 Anhand der bereits angesprochenen Entscheidung Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd 776 kann untersucht werden, ob die dort diskutierte Präklusion aufgrund der Nichtgeltendmachung der Verfahrensfehler auf einen Verstoß gegen good faith übertragen werden kann. Dann müsste es in dem entsprechenden Parteiverhalten einen Verstoß gegen die Parteierwartung der Ehrlichkeit gegeben haben. Dies hat das Gericht hingegen nicht festgestellt. Das Gericht hat das Parteiverhalten als Verzicht bewertet. Damit kann aus der Entscheidung keine weitere Erkenntnis gewonnen werden. Allerdings finden sich auch Hinweise darauf, dass die im englischen Recht entwickelten Prinzipien waiver und estoppel dazu dienen, die Erwartungen der Vertragsparteien zu sichern und zu gewährleisten.777 Tetley befürwortet, dass diese Prinzipien sogar zu einer gewissen Verstärkung des Prinzips good faith beitragen würden.778 In diesem Kontext lässt sich das estoppel-Prinzip mit dem Rechtsgedanken von good faith vergleichen. Nach dem „promissory estoppel“ kann eine Partei ihr Verhalten dann nicht mehr ändern, wenn sie eindeutig zum Ausdruck gebracht Yam Seng Pte Ltd v. International Trade Corporation Ltd [2013] EWHC 111 (QB). Vgl. Kapitel 4 – E.II.3.a)aa). 775 Allgemein hierzu Park, Journal of International Dispute Settlement (2) 2011, 287, 308–312. 776 Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd [1999] 1 All E.R. (Comm.) 315 = YBCA XXIV (1999), 739. 777 Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 577–578. 778 Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 578. 773 774
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hat, ihr Recht nicht geltend zu machen, sich die andere Partei darauf verlassen hat und eine Verhaltensänderung nun ungerecht wäre.779 Es stellt sich ebenfalls die Frage, ob die gegenständliche Handlung der Partei dadurch erfüllt sein kann, dass die Partei das Aufhebungsverfahren unterlässt. Die oben bereits vorgetragenen Aspekte780 sprechen dagegen, das bloße Verstreichenlassen der Frist über das Instrument der promissory estoppel zu präkludieren. Für die bereits angesprochene Fallkonstellation, dass Partei A einer Partei B gegenüber explizit zum Ausdruck bringt, dass sie auf ein Aufhebungsverfahren verzichtet und sich dann im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit Versagungsgründen gegen den Schiedsspruch wehrt, ist im englischen Recht ein Rückgriff auf good faith möglich. Die Voraussetzungen dafür sind zumindest, dass Partei A bereits wusste, dass sie sich einer Vollstreckung widersetzen würde, oder sich aber später entschied, sich der Vollstreckung zu widersetzen, ohne Partei B, die sich auf die Aussage verlassen hat, zu informieren. Sofern eine solche Parteihandlung vorliegt, sind weitere Versagungsgründe aufgrund eines Verstoßes gegen good faith auszuschließen, also zu präkludieren. c) Zusammenfassung – Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Es hat sich gezeigt, dass das englische Recht die Parteien auffordert, sich in Vertragsbeziehungen ehrlich zu verhalten und dieser Maßstab anhand einer piecemeal solution781 zu prüfen ist. Dies lässt sich eingeschränkt auf die Schiedsvereinbarung und auf das Verhalten im Nachgang zu einem Schiedsverfahren übertragen. Lässt eine Partei lediglich passiv die Frist eines Aufhebungsverfahrens verstreichen, führt dieser Umstand allein aus englischer Sicht noch nicht zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben, also gegen good faith. Das bedeutet nicht unmittelbar, dass ein solches passives Verstreichenlassen nicht dennoch zu einer Präklusion führen könnte, das Prinzip good faith kann jedenfalls aber nicht als Grundlage dienen. Hat eine Partei sich allerdings der anderen Partei gegenüber dahingehend geäußert, dass sie sich der Vollstreckung nicht widersetzen würde, trägt dann allerdings dennoch Versagungsgründe vor, kommt auch eine Präklusion als Verstoß gegen good faith in Betracht.
779 Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 578; dort Bezug auf Panchaud Frères S.A. v. Etablissements General Grain Co [1970] 1 Lloyd’s Rep. 53. 780 Hierzu Kapitel 4 – E.II.3.a)bb). 781 Siehe Fn. 743; vgl. auch Tetley, JMLC (35) 2004, 561, 13.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
4. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ Im englischen Recht stellt sich die Frage, wie der Maßstab von Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996, der dem Art. V Abs. 1 UNÜ entspricht, hinsichtlich des Wortlauts „may be refused“ zu verstehen ist.782 Die Aufhebung eines Schiedsspruchs wird von englischen Gerichten regelmäßig beachtet.783 Allerdings haben Gerichte hierbei einen Ermessensspielraum.784 Unterstützung findet diese Beurteilung in der oben bereits erwähnten Entscheidung im Fall China Agribusiness Development Corporation v. Balli Trading785 aus dem Jahr 1998. Wie dargestellt erging diese Entscheidung zwar noch unter Anwendung des Arbitration Act 1975, die relevante Norm in Sec. 5 Abs. 2 Arbitration Act 1975 entsprach aber damals schon dem Art. V UNÜ. Dort entschied das Gericht, dass es einen Ermessensspielraum in der Beurteilung eines Versagungsgrundes habe. Das Gericht führte aus, dass aus dem Wortlaut des Sec. 5 Abs. 2 Arbitration Act 1975 klar hervorgehe, dass die Versagung der Vollstreckung eines Schiedsspruchs unter dem UNÜ im Ermessen des Gerichts liege.786 Eine gewisse Präzisierung erfährt dieser Gedanke durch die Entscheidung Yukos Oil Co v. Dardana Ltd aus dem Jahr 2002.787 Dort stellte das Gericht fest, dass das Ermessen nicht grenzenlos sei, es vielmehr nur dazu diene, darauf zu reagieren, dass eine Partei mit einem Versagungsgrund ausgeschlossen, also präkludiert, werden soll.788 Ermessensleitend solle auf anerkennenswerte Rechtsprinzipen abgestellt werden.789 Ein solches Rechtsprin-
Das englische Recht inkorporiert das UNÜ, siehe Fn.698. St. Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, 2007, 469, Rn. 8-041; dazu knapp Sheppard, der es als mögliche Konsequenz der Minmetals-Entscheidung (siehe Fn. 701) sah, einen Schiedsspruch nicht zu vollstrecken, wenn dieser im Ursprungsstaat aufgehoben wurde, Sheppard, Int. A.L.R. 1999, 17, 19. 784 Dazu bspw. Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 2014, Sec. 103, 402. 785 China Agribusiness Development Corporation v. Balli Trading [1998] 2 Lloyd’s Law Reports 76–80 = YBCA XXIV (1999), 732. 786 „It is clear from the terms of the statute that refusal to enforce a Convention award is a matter for the discretion of the court.“ China Agribusiness Development Corporation v. Balli Trading [1998] 2 Lloyd’s Law Reports 76–80 = YBCA XXIV (1999), 732, 736. 787 Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570. 788 „[…] the right to rely on them had been lost, by for example another agreement or estoppel.“ Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2000] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570, 574–575. 789 Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570, 580; „[…] Sect. 103Abs. 2 is designed […] to enable the court to consider other circumstances, which might on some recognisable legal principle affect the prima facie right to have an award set aside arising in the cases listed in Sect. 103Abs. 2“. 782 783
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zip sei mit der estoppel-Theorie gegeben.790 In der Entscheidung Kanoria v. Guinness nahm das Gericht einen Ermessenspielraum im Rahmen des Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996791 an.792 Aus Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania793 lässt sich eine weitere Erkenntnis ziehen. Dort entschied das Gericht, dass der von ihm verfolgte Ansatz, den Antragsgegner mit seinem Vorbringen auszuschließen, gerade deshalb nicht gegen das UNÜ verstoße, weil das UNÜ den Gerichten das Ermessen eröffne, Schiedssprüche auch dann zu vollstrecken, wenn eigentlich Versagungsgründe vorliegen.794 In der bereits erörterten Entscheidung Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan795 hatte das Gericht einen Ermessensspielraum in Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996 zu diskutieren. Dazu stand der Court of Appeals einem Ermessensspielraum grundsätzlich offen gegenüber,796 wies allerdings darauf hin, dass ein Ermessen nicht grenzenlos gewährt werden könne. Damit verwies das Gericht explizit auf die Yukos Oil Co v. Dardana Ltd 797-Entscheidung.798 Bestätigung erfuhr die Beurteilung des Ermessens durch die Entscheidung des Supreme Courts in dem Fall Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan.799
Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570, 580. 791 Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996 regelt die Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. 792 Kanoria v. Guinness [2006] EWCA Civ 222, [2006] 1 Lloyd’s Rep. 701, Rn. 30. 793 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2005] EWHC 9 (Comm), YBCA XXX (2005), 701. 794 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2005] EWHC 9 (Comm), YBCA XXX (2005), 701, 702. 795 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755. 796 In der Sache entschied sich das Gericht dafür, im konkreten Falle kein Ermessen auszuüben. 797 Yukos Oil Co v. Dardana Ltd [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 326 = YBCA XXVII (2002), 570. 798 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, 19, Rn. 58–59. 799 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2010] UKSC 46, [2011] 1 AC 763, 32–33, Rn. 67–69. Der Supreme Court hielt ebenfalls ein Ermessen generell für möglich, griff im konkreten Fall aber nicht auf den Ermessensspielraum zurück, Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2010] UKSC 46, [2011] 1 AC 763, 33 Rn. 69. 790
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
5. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus englischer Sicht Zur Klärung des englischen Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ soll erneut die Entscheidung Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan800 herangezogen werden. Nicht weniger interessant als die Ausführungen zum estoppel sind die weiteren Ausführungen des Court of Appeal zum Verhältnis zwischen dem Verfahren gegen den Schiedsspruch im Ursprungsstaat und der Verteidigung gegen die Vollstreckung im Vollstreckungsstaat. Aus Sicht des Gerichts ist der Sinn und Zweck des Art. V Abs. 1 UNÜ gerade, einer Partei die Möglichkeit zu erhalten, den Schiedsspruch im Vollstreckungsstaat mit jenen Gründen anzugreifen, die einer grundsätzlichen Gültigkeit des Schiedsspruchs entgegenstehen.801 Dieses Ziel des Art. V Abs. 1 UNÜ sei nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht angegriffen wurde. Zudem spricht diese Überlegung dafür, aus dem UNÜ keine Präklusion im eigentlichen Sinne, die an das Unterlassen des Aufhebungsverfahrens im Ursprungsstaat anknüpft, herzuleiten. Zum Ausdruck kommt darin das Konzept eines dualen Rechtsschutzes, den eine Partei flexibel wahrnehmen kann. Eine anderweitig begründete Präklusion, beispielsweise aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben, bleibt weiterhin möglich. Unterstützung erfuhr ein Ausschluss einer Präklusion im eigentlichen Sinne sogar noch durch die Urteilserörterungen des Gerichts.802 Nach dessen Beurteilung existiere unter dem UNÜ keine Pflicht, dass eine Partei den Schiedsspruch im Ursprungsstaat angreift, wenn die Vollstreckung (nur) in einem anderen Land droht. Unterstützend führte das Gericht hierzu an, dass mit einem Aufhebungsverfahren Sicherheitszahlungen im Vollstreckungsstaat gem. Art. VI UNÜ zu erbringen sein könnten.803 Dieses Argument zu Art. VI UNP kann für sich gesehen schwerlich der gesamten Überlegung einer Pflicht zum Betreiben eines Aufhebungsverfahrens entgegengehalten werden. Es ist nämlich gerade das UNÜ selbst, das eine solche zweckmäßige Gestaltungsmöglichkeit für das Vollstreckungsgericht etabliert. Die Präklusion unter dem UNÜ könnte mithin ebenso gut als systemimmanent aufgefasst werden. Allein das Verfahren des Art. VI UNÜ als Argument gegen eine Präklusionsmöglichkeit anzuführen, kann daher nicht überzeugen, die Wahrung eines Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, im Nachgang Supreme Court of the United Kingdom zu Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2010] UKSC 46, [2011] 1 AC 763. 801 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, 19, Rn. 56. 802 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755. 22–23, Rn. 72, Lord Justice Rix. 803 Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755. 22–23, Rn. 72. 800
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dualen Rechtsschutzes spricht dann jedoch überzeugend gegen ein Präklusionsverständnis im eigentlichen Sinne. In Dallah Real Estate widersetzte sich das Gericht zudem überzeugend der Beurteilung, dass der Verzicht auf das Aufhebungsverfahren gleichbedeutend mit dem Zugeständnis dessen Finalität im Ursprungsstaat sei.804 Aus den Ausführungen des Court of Appeal ist zu erkennen, dass eine Partei sich auch dann bewusst gegen ein Aufhebungsverfahren entscheiden darf, wenn sie bloß ein nachteiliges Ergebnis erwartete.805 Dieser Gedanke überzeug im Ergebnis, ist allerdings nochmals zu hinterfragen. Otto argumentiert vertretbar, dass eine Partei keine Pflicht treffe, ein Aufhebungsverfahren durchzuführen und die Partei das Unterlassen damit begründen dürfe, dass sie ein nachteiliges Ergebnis erwartet.806 Dann bleibt es allerdings unklar, warum Otto von einer Partei, die ein Aufhebungsverfahren anstrengt, fordert, dass sie an dem Ort des Schiedsverfahrens alle ihre Einwendungen vorträgt.807 Er berücksichtigt insoweit nicht, dass sich eine Partei, hier beispielsweise Pakistan,808 gar nicht an die Schiedsvereinbarung gebunden sehen kann. Die Frage der Bindung an die Schiedsvereinbarung gilt es jedoch zu beachten. Gerade diese Unterschied war in der Beurteilung des englischen Gerichts von Bedeutung, wie sich durch den abgrenzenden Verweis auf den Fall Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania 809 zeigte.810 6. Zusammenfassung – Länderbericht England Hinsichtlich der Präklusionsmodelle kann aus Sicht des englischen Rechts festgehalten werden, dass Gerichte eine Präklusion über einen Ermessenspielraum im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens annehmen. Hierzu hat sich in der Rechtsprechung ein entsprechender ermessensleitender Maßstab entwickelt. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne als
Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2009] EWCA Civ 755, 23, Rn. 72. Zustimmung fand diese gesamte Beurteilung später durch die Entscheidung des Supreme Court, Dallah Real Estate and Tourism Holding Company v. Ministry of Religious Affairs, Government of Pakistan [2010] UKSC 46, [2011] 1 AC 763, 13, Rn. 23. 805 Otto, IPRax 2012, 223, 225. Dieses Argument blieb aus Ottos Sicht dann vom Supreme Court unbeanstandet. 806 Otto, IPRax 2012, 223, 225. 807 Otto, IPRax 2012, 223, 225. 808 In dem konkreten Fall Dallah Real Estate teilte das englische Gericht diese Beurteilung. 809 Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania [2005] EWHC 9 (Comm), YBCA XXX (2005), 701. 810 Der Unterschied lag darin, dass in Sachen Svenska Petroleum eine Bindung der anderen Partei an die Schiedsvereinbarung materiell-rechtlich bejaht wurde. 804
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Reaktion auf das bloße Verstreichenlassen der Aufhebungsfrist ist hingegen nicht möglich. Der Grundsatz von Treu und Glauben, good faith, prägt auch die Beziehung der beiden Parteien eines Schiedsverfahrens. Äußert eine Partei der anderen Partei gegenüber explizit, dass sie sich einem Vollstreckungsverfahren nicht widersetzen würde, bietet dies Ansatz für eine Präklusion aufgrund eines Verstoßes gegen good faith, wenn sich die Partei später widersprüchlich doch gegen die Vollstreckung wendet. Das bloße passive Unterlassen des Aufhebungsverfahrens kann hingegen im Lichte des good faith nicht zu einer Präklusion führen. Englische Gerichte leiten aus Art. V Abs. 1 UNÜ bzw. Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996 und dem Wortlaut „may“ einen Ermessenspielraum ab. Dieser ist hingegen nicht grenzenlos und eher restriktiv zu verstehen. Zudem teilen englische Gerichte und Literatur die Ansicht, dass das UNÜ grundsätzlich eine Präklusionswirkung ermöglicht. III. Länderbericht Belgien – Präklusionsmodelle Das belgische Schiedsverfahrensrecht wurde im September 2013 umfangreich reformiert und wartet daher für den hiesigen Ländervergleich mit den jüngsten Regelungen auf. Zur Einleitung des Problembereichs soll zunächst als Ausgangslage das belgische Schiedsverfahrensrecht im Hinblick auf Präklusionsregelungen dargestellt werden. Im Anschluss werden die vier Vergleichskategorien zu möglichen Präklusionsmodellen, die Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben, der Ermessenspielraum des Art. V Abs. 1 UNÜ sowie das Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus belgischer Sicht erarbeitet. 1. Ausgangslage Belgisches Schiedsverfahrensrecht – Einführung und Blick auf bestehende Präklusionsregelungen Das belgische Schiedsverfahrensrecht basierte ursprünglich auf den Regelungen des französischen Code de procédure civile von 1806.811 Eine erste Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts folgte 1972, spätere Änderungen orientierten sich teilweise bereits am Model Law.812 2013 wurde dann ein weitgehend auf dem Model Law aufbauendes neues Schiedsverfahrensrecht Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), van Houtte zum Bericht über Belgien, 179, Rn. 3.01. 812 Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), van Houtte zum Bericht über Belgien, 179, Rn. 3.01, 180, Rn. 3.04. Belgien unterzeichnete das UNÜ am 10. Juni 1958, in Kraft getreten ist das UNÜ für Belgien am 16. November 1975; . 811
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erlassen, welches am 1. September 2013 in Kraft trat.813 In der jüngeren Vergangenheit, insbesondere zwischen 1985 und 1998, hat das belgische Schiedsverfahrensrecht spannende Entwicklungen bezüglich der Regelung zum Aufhebungsverfahren durchlaufen.814 In einigen Teilbereichen könnte sich nun durch die jüngste Reform des Schiedsverfahrensrechts eine wirkliche Änderung der Rechtslage zeitigen.815 Ein Hauptinteresse des belgischen Gesetzgebers an der Reform war und ist die effizientere Verfahrensgestaltung.816 Dies wird beispielsweise dadurch ausgedrückt, dass die Frist des Aufhebungsverfahrens fortan im Gleichlauf zum Art. 34 Abs. 3 Model Law drei Monate ab Zustellung des Schiedsspruchs und nicht mehr drei Monate ab Bekanntwerden eines Aufhebungsgrundes beträgt. Das neue Schiedsverfahrensrecht findet sich in den Vorschriften der Artt. 1676–1722 Code Judiciare Belge (CJB), die Regelungen zum Aufhebungsverfahren finden sich in Art. 1716 CJB und die Regelungen zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren wiederum in den Artt. 1719–1721 CJB.817 Im Zusammenhang mit dem Aufhebungsverfahren sowie mit dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren enthält das belgische Schiedsverfahrensrecht einige Regelungen, die über jene Aufhebungsgründe des Model Laws hinausreichen.818 Eine Besonderheit des belgischen Rechts, auf die später noch eingegangen werden soll, wurde beibehalten: Die Parteien haben gem. Art. 1718 CBJ die Möglichkeit, unter der Voraussetzung, dass keine belgische Partei819 beteiligt ist, in der Schiedsklausel oder durch eine spätere Vereinbarung auf das Aufhebungsverfahren zu 813 Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2014, 49, 56–57. Das neue Schiedsverfahrensrecht findet auf jene Schiedsverfahren Anwendung, die nach dem in Kraft treten des neuen Gesetzes begannen bzw. beginnen werden. Mit einem Überblick zur Reform Demeyere/Verbist, SchiedsVZ 2013, 310, insbesondere S. 313. 814 Auf die wird in dieser Arbeit an späterer Stelle eingegangen; dazu unten Kapitel 4 – G.I. 815 Zum Inhalt der Änderungen bspw. Philippe, Modernisation Of The Belgian Law On Arbitration, 2014; Verbist, J. Int. Arb. (30) 2013, 597, 597–606; Wilske/Markert/ Bräuninger, SchiedsVZ 2014, 49, 56; Billiet/Proshkina, The European, Middle Eastern and African Arbitration Review 2014 – 2. Belgium, 2014. 816 Verbist, J. Int. Arb. (30) 2013, 597, 597. 817 Für bestimmte Aufhebungsgründe stellt das belgische Schiedsverfahrensrecht eine weitere Bedingung auf, wonach diese Gründe nur dann wirksam zur Aufhebung führen können, wenn der Verfahrensfehler sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (bspw. Art. 1717 Abs. 3 lit. a (ii) und (v) CJB). Diese Voraussetzung einer Auswirkung auf den Schiedsspruch findet sich ebenso in den Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens, in Art. 1721 Abs. 1 lit. a (ii) und (v) CJB. Das belgische Schiedsverfahrensrecht differenziert nicht zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren, die anwendbaren Verfahrensregeln sind hier identisch, Verbist, J. Int. Arb. (30) 2013, 597, 597, mit ergänzendem Hinweis dort in Fn. 9. 818 Dies sind die Gründe in Art. 1717 Abs. 3 lit. a (iv), (vi), lit. b (iii) CJB. 819 Zur genauen Definition vgl. Art. 1718 CJB.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
verzichten; dabei handelt es sich im internationalen Vergleich um eine verfahrenstechnische Rarität. Das belgische Schiedsverfahrensrecht enthält ebenfalls Präklusionsregelungen für eine Säumnis der Geltendmachung bestimmter Verfahrensfehler. Dies umfasst zunächst einmal indirekte Präklusionen wie die Regelung des Art. 1690 Abs. 2 S. 1 CJB. Hiernach muss die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts mit der ersten schriftlichen Äußerung einer Partei vorgetragen werden.820 Eine weitere Regelung zur Frist des Aufhebungsverfahrens findet sich in Art. 1717 Abs. 4 CJB. Diese Regelung bestimmt, dass ein Aufhebungsverfahren nur innerhalb von drei Monaten ab Zustellung des Schiedsspruchs i. S. d. Art. 1678 Abs. 1 lit. a CJB zulässig ist. Im Umkehrschluss sind entsprechende Verfahrensschritte nach Ablauf dieser Fristen präkludiert. Mit Blick in die Gesetzesbegründung liegt sogar ein Verzicht des Aufhebungsverfahrens nahe, wenn eine Partei die Frist ungenutzt verstreichen ließ.821 Zudem findet sich in Anlehnung an Art. 4 Model Law in Art. 1679 CJB eine Klarstellung zum Rechtsmittelverzicht im Schiedsverfahren.822 Mit Art. 1722 CJB regelt das belgische Schiedsverfahrensrecht zudem, dass die Vollstreckung aus einem Schiedsspruch nur innerhalb von zehn Jahren erfolgen kann, nach Ablauf dieser Frist ist ein solches Verfahren gesperrt. Eine weitere Besonderheit findet sich in Art. 1717 Abs. 5 CJB i. V. m. Art. 1717 Abs. 3 lit. a CJB. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass jene Aufhebungsgründe des Art. 1717 Abs. 3 lit. a, (i), (ii), (iii) und (v) CJB dann nicht mehr in einem Aufhebungsverfahren vorgetragen werden können, wenn die jeweilige Partei Kenntnis von den Umständen hatte, die den Aufhebungsgrund begründen würden, diese Verfahrensfehler aber nicht geltend gemacht hat.823 Bei den so ausgeschlossenen Aufhebungsgründen handelt es sich um Verfahrenselemente, die primär in der Hoheit der Parteien stehen. Auf diese Verfahrensfehler kann eine Partei folglich aus Sicht des belgischen Rechts Zu den näheren Voraussetzungen siehe Art. 1690 Abs. 2 CJB, Art. 1704 CJB. Vgl. hierzu Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 13 „[…] doch deze betreft enkel het verzaken aan de vernietiging van de uitspraak“. 822 Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 13. Eine Partei, die in Kenntnis der Umstände einen Verfahrensfehler vor dem Schiedsgericht nicht rügt, wird so behandelt, als habe die Partei auf die Geltendmachung verzichtet. 823 Bei den dann präkludierten Aufhebungsgründen handelt es sich u. a. um die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung (Art. 1717 Abs. 3 lit. a (i) 2. Alt. CJB), fehlende gehörige Kenntnis vom Schiedsverfahren bzw. fehlende Möglichkeit des rechtlichen Gehörs (Art. 1717 Abs. 3 lit. a (ii) CJB), Überschreitung der Grenzen der Schiedsvereinbarung (Art. 1717 Abs. 3 lit. a (iii) CJB) sowie die fehlerhafte Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 1717 Abs. 3 lit. a (v) CJB). 820 821
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verzichten. Damit kennt das belgische Schiedsverfahrensrecht eine explizite Präklusionsvorschrift für die Geltendmachung von Aufhebungsgründen. In diesem Kontext wird im Rahmen der Präklusionsmodelle geklärt, ob die entsprechende Regelung auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen werden kann. 2. Präklusionsmodelle im Diskurs der Rechtsprechung und Literatur Für Belgien kann die Ausgestaltung bestimmter Präklusionsmodelle im Lichte der jüngsten Schiedsverfahrensrechtsreform vielseitig diskutiert werden. Die Möglichkeit einer Präklusionswirkung im eigentlichen Sinne war, soweit ersichtlich, bisher nicht Gegenstand einer belgischen Gerichtsentscheidung. Bei der Untersuchung fraglicher Präklusionswirkungen fällt zunächst die Regelung des Art. 1718 CJB ins Auge, mit der Parteien gänzlich auf ein Aufhebungsverfahren verzichten können, wenn sie dies durch explizite Regelung in der Schiedsabrede oder später vereinbaren.824 Daraus ließe sich möglicherweise ein Gedanke auf die Präklusionswirkung transferieren, der genau an den Verzicht auf das Aufhebungsverfahren anknüpft. Bei der Beurteilung eines solchen Präklusionsmodells gilt es zu beachten, dass ein Hauptinteresse des belgischen Gesetzgebers an der Reform eine effizientere Verfahrensgestaltung betraf.825 Im Folgenden sollen verschiedene Präklusionsmodelle im belgischen Recht diskutiert werden. a) Präklusionswirkung als Folge der Verzichtbarkeit des Aufhebungsverfahrens i. S. d. Art. 1718 CJB Zunächst wirft die Regelung des Art. 1718 CJB die Frage auf, ob entweder diese spezielle Regelung bereits für sich oder aber das dahinterliegende Systemverständnis der Schiedsgerichtsbarkeit auf eine Präklusion im eigentlichen Sinne übertragen werden kann. Das belgische Schiedsverfahrensrecht drückt mit Art. 1718 CJB aus, dass das Aufhebungsverfahren und damit dessen Schutzmechanismus hinter der Parteihoheit zurücktreten. Die Parteien können entscheiden, ob eine Verteidigung im Sinne einer Aufhebung möglich sein soll oder sie darauf verzichten möchte. 826 Ein entsprechender Verzicht erstreckt sich dem Wortlaut der Regelung nach auf alle Aufhebungsgründe, also auch auf jene Gründe des Art. 1717 Abs. 3 lit. b CJB, darunter der public policy-Verstoß. Die Überlegung ist es nun, diese Wertung auf das AnerkenZusätzlich darf keine der beteiligten Parteien belgischer Staatsbürger oder eine Gesellschaft mit Sitz in Belgien sein; zu den genauen Voraussetzungen siehe Art. 1718 CJB. 825 Ebenso Verbist, J. Int. Arb. (30) 2013, 597, 597. 826 Kritisch zu dieser (und der vergleichbaren schweizerischen) Vorschrift bspw. Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 50–52; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 267–273 (zur belgischen Vorschrift). 824
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
nungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines ausländischen Schiedsspruchs zu übertragen. Wenn eine Partei Aufhebungsgründe nicht in einem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat geltend gemacht hat, könnte dieses Verhalten als eine Vereinbarung i. S. d. des Art. 1718 CJB zu werten sein. Zunächst müsste dafür die Hürde überwunden werden, dass Art. 1718 CJB für das belgische Aufhebungsverfahren gilt. Die Regelung müsste also entsprechend auch dann Anwendung finden, wenn auf einen Verzicht eines Aufhebungsverfahrens im Ursprungsstaat abgestellt werden soll. Unterstellt, diese Analogie könnte angenommen werden, bestünde zudem jedoch das Problem, dass der Verzicht durch die Nichtgeltendmachung eines Aufhebungsgrundes im Ursprungsstaat nur einseitig erklärt wurde. Die andere Partei hat einem Verzicht auf das Aufhebungsverfahren nicht explizit zugestimmt. Auch dieser Aspekt könnte noch mit einem Gedanken an eine konkludente Zustimmung der anderen Partei überwunden werden. Gegen eine solche Übertragung spricht aber insgesamt die eigene Wertung des belgischen Schiedsverfahrensrechts, welches ausweislich des Wortlauts der Vorschrift selbst nicht die Konsequenz zieht, dass eine wirksame Vereinbarung zum Verzicht des belgischen Aufhebungsverfahrens i. S. d. Art. 1718 CJB auf Verteidigungsmöglichkeiten im belgischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren durchschlägt.827 Zwar haben die Parteien keine Möglichkeit mehr, den Schiedsspruch aufheben zu lassen, wenn sie dies i. S. d. Art. 1718 CJB wirksam vereinbart haben, dennoch können sich beide Parteien im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit den Versagungsgründen des Art. 1721 CJB unter den dort genannten Voraussetzungen zur Wehr setzen. Eine Einschränkung über Art. 1718 CJB findet sich im belgischen Schiedsverfahrensrecht nicht. Diese Hürde ließe sich wohl nur überwinden, wenn in dem Verzicht auf das Aufhebungsverfahren durch Nichtgeltendmachung der Verfahrensfehler im Ursprungsstaat zugleich eine Zustimmung dazu läge, dass diese Verfahrensfehler keine Auswirkung auf den Schiedsspruch hatten. Unter dieser Voraussetzung könnte eine Präklusion der Art. 1721 Abs. 1 lit. a (ii), (v) CJB828 in Erwägung gezogen werden. Das hingegen scheitert daran, dass die Art. 1718 CJB: „By an explicit declaration in the arbitration agreement or by a later agreement, the parties may exclude any application for the setting aside of an arbitral award, where none of them is a natural person of Belgian nationality or a natural person having his domicile or normal residence in Belgium or a legal person having its registered office, its main place of business or a branch office in Belgium.“ Siehe Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I – 15, Lieferung 77, Dezember 2013. 828 Diese Versagungsgründe greifen ausweislich des Wortlauts dann nicht, wenn der Verfahrensfehler keine Auswirkung auf den Schiedsspruch gehabt hat, siehe Art. 1721 Abs. 1 lit. a (ii), (v) CJB. 827
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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Nichtbeachtung unter der Voraussetzung steht, dass die fehlende Auswirkung vor dem belgischen Gericht im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren dargelegt wird.829 Letztlich kann eine solche Übertragung insgesamt nicht überzeugen. Obgleich es regelungstechnisch möglich wäre, hat der Gesetzgeber eine solche Wirkung nicht zum Ausdruck gebracht. Es läge in der Zuständigkeit des belgischen Gesetzgebers, die Rechtswirkung des Art. 1718 CJB entweder auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu erstrecken oder aber aus Art. 1721 CJB einen Bezug herzustellen, mit dem bestimmte Versagungsgründe unberücksichtigt blieben. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne kann de lege lata auf diesem Wege nicht hergeleitet werden. b) Übertragung der Regelung aus Art. 1717 Abs. 5 CJB auf Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren Als möglicher Anknüpfungspunkt für eine Präklusion steht zudem die Regelung des Art. 1717 Abs. 5 CJB830 im Fokus. Hiernach können für das Aufhebungsverfahren bestimmte Gründe, darunter die fehlerhafte Besetzung des Schiedsgerichts831, präkludiert sein, wenn die Partei dies trotz Kenntnis während des laufenden Schiedsverfahrens nicht geltend gemacht hat. Hierzu soll geklärt werden, ob diese Regelung möglicherweise – vielleicht gerade aufgrund der Gleichstellung inländischer und ausländischer Verfahren832 – auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren anzuwenden ist. Sollte dies angenommen werden, könnten jene Versagungsgründe des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert sein, die nicht entsprechend ab Kenntnis kurzfristig geltend gemacht werden. Hätte eine Partei also die angeblich fehlerhafte Besetzung des Schiedsgerichts gar nicht oder nur im Schiedsverfahren, nicht aber in einem Aufhebungsverfahren gerügt, dann wäre sie nach diesem Modell mit dem Versagungsgrund des Art. 1721 Abs. 1 lit. a (v) CJB ausgeschlossen. Als rechtsdogmatischer Anknüpfungspunkt für ein solches Präklusionsmodell könnte wiederum die Auswirkungsprüfung im Wortlaut des Art. 1721 Abs. 1 lit. a (v) CJB dienen. Dort wird festgelegt, dass der Verfahrensfehler nur dann einen Versagungsgrund 829 Bspw. Art. 1721 Abs. 1 lit. a (ii) CJB: „[…] recognition and enforcement of the arbitral award may not be refused if it is established that the irregularity has had no effect on the arbitral award.“ Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I-16, Lieferung 77, Dezember 2013. 830 Art. 1717 Abs. 5: „The causes mentioned in paragraph 2(a), (i), (ii), (iii) and (v) shall not give rise to the setting aside of the arbitral award, whenever the party that invokes them has learned oft he said cause in the course of the proceedings but failed to invoke them at that time.“ Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I – 16, Lieferung 77, Dezember 2013. 831 Gem. Art. 1717 Abs. 3 lit. a (v) CJB. 832 Verbist, J. Int. Arb. (30) 2013, 597, 598, siehe aber Hinweis dort in Fn. 9.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
darstellen kann, wenn sich dieser Fehler auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Knüpft man daran an, so lässt sich argumentieren, dass eine Partei, die den Verfahrensfehler nicht im Aufhebungsverfahren geltend gemacht hat, in ihm letztlich keine negative Auswirkung auf den Schiedsspruch sieht.833 Folglich wäre ein entsprechender Versagungsgrund präkludiert. Mit Blick auf die Begründung zum Gesetzesentwurf fordert hingegen der Geltungsanspruch des UNÜ eine andere Wertung. Die Begründung des belgischen Gesetzgebers verweist gerade darauf, dass Belgien Vertragsstaat des UNÜ ist.834 Dann müsste möglicherweise das allgemeine Verständnis des UNÜ zur Präklusion auch im Rahmen des CJB zugrunde gelegt werden. Allerdings findet wiederum die Überlegung zu einer Präklusion bei unterlassener Rüge in der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 11. April 2013 Unterstützung. 835 Diese Wertung findet Zustimmung.836 Verbist verweist dafür auf die neue Regelung des Art. 1679 CJB837. Das wirft zunächst aber die Frage auf, wieso überhaupt eine Regelung wie Art. 1717 Abs. 5 CJB benötigt wird, wenn Art. 1679 CJB als allgemeine Vorschrift immer Geltung beansprucht und eine Präklusion bereits aus ihr folgen würde. Ein Gedanke wäre, dem Art. 1717 Abs. 5 CJB insoweit nur klarstellende Funktion zukommen zu lassen. Allerdings könnte die eigene Wertung des belgischen Rechts gegen eine Übertragung der Regelung des Art. 1717 Abs. 5 CJB sprechen. Wird die Regelung des Art. 1721 CJB betrachtet, so ist dort keine Verknüpfung mit Art. 1717 Abs. 5 CJB festzustellen. Mit einer solchen Verknüpfung hätte das Gesetz zum Ausdruck bringen können, dass die Gründe des Art. 1717 Abs. 3 lit. a, (i), (ii), (iii) und (v) CJB bzw. im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren die Gründe des Art. 1721 Abs. 1 lit. a, (i), (ii), (iii) und (v) CJB nur geltend gemacht werden können, wenn diese erfolglos in einem Aufhebungsverfahren vorgebracht wurden. Das Fehlen einer solchen Regelung ist hingegen nachgerade als Ausschluss einer Übertragung zu werten. Dahinter könnte der Regelungsansatz stehen, dass sich eine Partei wahlweise alternativ oder kumulativ für verschiedene Verteidigungswege entscheiden kann: die Aufhebung des Schiedsspruchs 833 Bspw. i. S. d. Art. 1721 Abs. 1 lit. a (ii) „[…] has had no effect on the arbitral award […]“, Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I-16, Lieferung 77, Dezember 2013. 834 Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 44. 835 Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 44. 836 Verbist, J. Int. Arb. (30) 2013, 597, 606. 837 Art. 1679 CJB „A party that, knowingly and for no legitimate reason refrains from raising, in due time, an irregularity before the arbitral tribunal is deemed to have waived ist right to assert such irregularity“, Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I-16, Lieferung 77, Dezember 2013.
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und/oder die Geltendmachung von Versagungsgründen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Insgesamt lässt sich aus Art. 1717 Abs. 5 CJB keine Präklusionsregel im eigentlichen Sinne herleiten. c) Art. 1679 CJB als eigenständige Präklusionsregelung Weiterhin wäre es denkbar, über Art. 1679 CJB838 eine Präklusion im eigentlichen Sinne zu begründen. Dann könnte eine Partei mit ihrem Vorbringen von Aufhebungsgründen präkludiert sein, wenn sie es vorher unterlassen hat, diese Gründe in einem möglichen Aufhebungsverfahren des Ursprungsstaates geltend zu machen. Allerdings ergibt sich zunächst ein Anwendungshindernis aus dem Wortlaut, der darauf abstellt, ob ein Verfahrensfehler gegenüber dem Schiedsgericht gerügt wurde. Würde hier an das Verhalten im Aufhebungsverfahren, also gegenüber einem staatlichen Gericht, angeknüpft, müsste eine Analogie der Vorschrift begründet werden. Dabei ist allerdings die gesetzgeberische Intention der Vorschrift zu beachten. Der belgische Gesetzgeber hat die Regelung an Art. 4 Model Law angelehnt.839 Dies spricht gegen die Herleitung einer Analogie und gegen ein eigenständiges Präklusionsmodell. Der Sinn und Zweck des Art. 4 Model Law ist die Verhinderung treuwidrigen Verhaltens im Verlauf des Schiedsverfahrens und vor dem Schiedsgericht.840 Dies soll nicht zugleich ein Verhalten im Nachgang zum Schiedsverfahren im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens erfassen. Zudem verweist der belgische Gesetzgeber auf die Vorschriften ausländischer Rechtsordnungen wie beispielsweise § 1027 ZPO oder Art. 579 öZPO.841 Dieser Verweis bringt zum Ausdruck, dass das Regelungsinteresse identisch ist. Über § 1027 ZPO folgt jedoch gerade keine Präklusion im eigentlichen Sinne.842 Ein weiterer Aspekt gegen eine Anwendung des Art. 1679 CJB als eigenständige Präklusionsvorschrift findet sich in der ständigen Rechtsprechung des belgischen Hof van Cassatie. Hiernach kann ein Verzicht auf Rechtsmittel nur aus sicheren und unzweideutigen Fakten hergeleitet werden.843 Folglich wird diese Voraussetzung eines Verzichts – wenn überhaupt – nur durch eine explizite Erklärung einer Partei angenommen werden können. Das wiederum spricht gegen eine Präklusion im eigentlichen Sinne. Anzunehmen ist, dass eine Partei, die es Siehe Fn. 837. Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 13. 840 Siehe Kapitel 3 – B.I. 841 Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 13. 842 Vgl. Fn. 264. 843 Dazu Philippe, Modernisation Of The Belgian Law On Arbitration, 2014, 4, m. w. N. dort in Fn. 23; Hof van Cassatie 24.06.2013, J.L.M.B. 2014, 141. 838 839
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
bereits unterlassen hat, einen Verfahrensfehler im Schiedsverfahren geltend zu machen, über diesen Weg präkludiert werden könnte. In einer Gesamtbetrachtung lässt sich über Art. 1679 CJB allerdings kein eigenständiges Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne herleiten. d) Verfahrensaussetzung des belgischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens bei laufendem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat Ein belgisches Gericht wird ein Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren wohl regelmäßig aussetzen, wenn der Schiedsspruch im Ursprungsstaat noch Gegenstand eines Aufhebungsverfahrens ist. 844 Sollte das Gericht hingegen zu der Erkenntnis gelangen, dass die Aufhebung nicht erfolgreich sein wird, so würde es das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eher fortsetzen.845 Dieser Aspekt ist deshalb zu beachten, weil er aufzeigt, welche Konsequenzen der Antragsgegner im belgischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu erwarten hat, wenn diese Partei zuvor ein Aufhebungsverfahren eingeleitet hat. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der potentiell erfolgreichen Aufhebung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Beachtung geschenkt werden würde. Hinsichtlich der Aussagekraft dieser Gerichtsentscheidungen zur Beachtlichkeit des Erfolgs eines Aufhebungsverfahrens muss berücksichtigt werden, dass diese aus den 1990er Jahren stammen und nicht zum neuen Schiedsverfahrensrecht ergingen. Allerdings ist kein Grund ersichtlich, der unter dem neuen Schiedsverfahrensrecht ein anderes Verständnis und eine Änderung der Rechtslage begründen würden. e) Zusammenfassung – Mögliche Präklusionsmodelle Aus dem reformierten belgischen Schiedsverfahrensrecht kann kein Modell herleiten werden, mit dem eine Präklusion im eigentlichen Sinne dogmatisch zu begründen wäre. Die Regelung des Art. 1718 CJB lässt sich mit ihrer Rechtswirkung nicht auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen. Auch eine Übertragung der Rechtswirkung des Art. 1717 Abs. 5 CJB scheidet aus, da diese Regelung nur für das Aufhebungsverfahren geschaffen wurde. Eine entsprechende Regelung findet sich für Art. 1721 CJB nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass es mit dem Gesetzeszweck vereinbar wäre, hier eine analoge Übertragung des Regelungsgedankens vorzunehmen. In Art. 1679 CJB findet sich eine allgemeine Präklusionsvorschrift, die 844 Hof van Beroep te Gent 1.04.1994, RW 1994–95, 1057, vgl. Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), van Houtte zum Bericht über Belgien, 234, Rn. 3.342, dort Fn. 158. 845 Brussels Rechtbank 25.01.1996, Journal des Tribunaux 1997, 6; vgl. Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), van Houtte zum Bericht über Belgien, 234, Rn. 3.342 dort Fn. 159.
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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an Art. 4 Model Law ausgerichtet wurde. Diese Vorschrift regelt den Fall der Präklusion im Schiedsverfahren. Eine Übertragung auf das Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren scheidet hier entsprechend aus. Soweit ersichtlich lässt sich aus dem belgischen Schiedsverfahrensrecht kein Anknüpfungspunkt für eine Präklusion im eigentlichen Sinne herleiten.846 3. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Auch das belgische Rechtssystem erkennt den Grundsatz von Treu und Glauben an.847 Das Prinzip hat vornehmlich drei Funktionen: Es dient der Interpretation, Ergänzung und Begrenzung bzw. dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens.848 Gerade die letztgenannte Funktion untersagt es den Parteien, sich widersprüchlich zur Erwartung einer vernünftigen Vertragspartei zu verhalten.849 Zu diesem Aspekt kann die Verwirkung („Rechtsverwerking“) ergänzend herangezogen werden. Hat eine Partei A den Anschein erweckt, dass sie ein bestimmtes Recht nicht mehr geltend macht und hat sich die andere Partei B darauf verlassen, ist Partei A mit diesem Recht ausgeschlossen.850 Das Rechtsprinzip Treu und Glauben lässt sich auch auf das belgische Zivilprozessrecht transferieren.851 Dort hat das Prinzip die Ausprägung, dass eine Partei verpflichtet ist, sich ordnungsgemäß zu verhalten; jedes Verhalten, dass dabei unehrlich und unfair ist, kann gegen diese Verpflichtung verstoßen.852 Dieser Grundsatz wird auch auf das Schiedsverfahrensrecht zu übertragen sein. Hier findet Treu und Glauben beispielsweise in Art. 1679 CJB auch einen entsprechenden Ausdruck.853 Mit dieser Regelung bringt das belgische Schiedsverfahrensrecht zum Ausdruck, dass es die verzögerte Geltendmachung von Verfahrensfehlern trotz Kenntnis als unfair missbilligt.854 Die Regelung des Art. 1717 Abs. 4 CJB855 ist in diesem Zusammenhang ebenso als Ausdruck dieses Gedankens zu nennen.856 846 Allerdings wurde die Frage – insbesondere zum neuen Schiedsverfahrensrecht – noch nicht gerichtlich erörtert. 847 Hesselink, De redelijkheid en billijkheid in het europese privaatrecht, 1999, 23. 848 „Interpretative, supplementing and mitigating function“, Herbots, Contract law in Belgium, 1995, 153, Rn. 272; Hesselink, in: Hartkamp/Bar (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 2011, 619, 625–626. 849 Herbots, Contract law in Belgium, 1995, 153, Rn. 274. 850 Herbots, Contract law in Belgium, 1995, 153, Rn. 274. 851 So bspw. Hesselink, De redelijkheid en billijkheid in het europese privaatrecht, 1999, 391, siehe dort ebenfalls Fn. 110. 852 Bspw. Taelmann, in: Taruffo (Hrsg.), Abuse of Procedural Rights, 2000, 125, 128. 853 Philippe, Modernisation Of The Belgian Law On Arbitration, 2014, 4. 854 Vgl. ähnlich Philippe, Modernisation Of The Belgian Law On Arbitration, 2014, 4. 855 Art. 1717 Abs. 4 CJB: „Except in the case mentioned in article 1690, paragraph 4(1), an application for setting aside may not be made after three months have elapsed from the date on which the party making that application had received the award in ac-
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Für die konkrete Frage, ob das Verhalten einer Partei, kein Aufhebungsverfahren durchzuführen, treuwidrig ist, liefert die Betrachtung zur Verankerung von Treu und Glauben nur die Grundlage, jedoch noch keine trennscharfen Kriterien. Immerhin kann festgehalten werden, dass für das belgische Recht das Gebot gilt, die Erwartungen der Gegenseite nicht durch widersprüchliches Verhalten zu enttäuschen. Diese Erkenntnis lässt sich auf das Schiedsverfahrensrecht übertragen. Vor diesem Hintergrund könnte im belgischen Schiedsverfahrensrecht etwa die Partei A im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert werden, wenn die andere Partei B nach objektivem Erwartungsmaßstab einer vernünftigen Vertragspartei857 davon ausgehen durfte, dass sich Partei A nicht mehr mit Versagungsgründen gegen den Schiedsspruch wendet. Dabei ist im Zusammenhang mit Treu und Glauben auf den Rechtsgedanken der Verwirkung abzustellen. Das belgische Verständnis der Verwirkung erfordert zumindest ein aktives Verhalten, bloßes Nichtstun genügt nicht.858 Zudem ist im Konzept der Verwirkung die zeitliche Komponente zu beachten. Eine Verwirkung kommt dann in Betracht, wenn das Recht über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt wird.859 Für die hier zu untersuchende Präklusion aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ist auf die Besonderheiten des Schiedsverfahrensrechts abzustellen. Wenn das belgische Verständnis von Treu und Glauben also auf ein aktives Verhalten der Partei A abstellt, welches der vernünftigen Erwartung der Partei B widerspricht, ist festzuhalten, dass Partei A zumindest gegenüber Partei B geäußert haben muss, auf ein Aufhebungsverfahren oder eine Geltendmachung von Versagungsgründen verzichten zu wollen. Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Präklusion aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben in Betracht. Dagegen lässt sich eine Präklusion im eigentlichen Sinne, also durch das bloße Unterlassen der Geltendmachung cordance with article 1678, paragraph 1(a) or, if an application had been made under article 1715, from the date on which the party making the application for setting aside received the arbitral tribunal’s decision on the application made under article 1715, in accordance with article 1678, paragraph 1(a)“, Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I-16, Lieferung 77, Dezember 2013. 856 Exposé des Motifs / Memorie van Toelichting, Chambre des Représentants de Belgique / Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, Session De La 53e Législature / Zitting Van De 53 Zittingsperiode 2012/2013, Doc. 53 2743/001, 13. 857 Damit gilt ein objektiver Standard (reasonable contractual partner) auf den abgestellt wird. 858 Leuven Rechtbank van Eerste Aanleg 07.04.2006, RABG 2007, 762, bspw. durch Schriftverkehr. Das Urteil bezieht sich nicht konkret auf ein Schiedsverfahren sondern auf den allgemeinen Rechtsgedanken der Verwirkung. 859 Vgl. bspw. Rechtbank van Koophandel te Antwerpen 08.03.2007, R.W. 2007–08, 1293, dort wurde ein Zeitraum von acht Jahren als Verwirkung angenommen. Dieses Kriterium der Verwirkung gilt allgemein und wurde schiedsverfahrensrechtsunabhängig entwickelt.
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von Versagungsgründen im Aufhebungsverfahren, nicht über einen Verstoß gegen Treu und Glauben herleiten. Wird allerdings erneut die bereits erwähnte Regelung des Art. 1717 Abs. 5 CJB i. V. m. Art. 1717 Abs. 3 lit. a CJB im Lichte des Gebots von Treu und Glauben betrachtet, lässt sich daraus eine weitere Konsequenz ableiten. Zwar gilt Art. 1717 Abs. 5 CJB860 i. V. m. Art. 1717 Abs. 3 lit. a CJB, mit dem die Aufhebungsgründe des Art. 1717 Abs. 3 lit. a, (i), (ii), (iii) und (v) CJB ausgeschlossen werden können, unmittelbar nur für das belgische Aufhebungsverfahren. Verallgemeinern lässt sich aber möglicherweise der Rechtsgedanke der Regelung. Hat eine Partei im Schiedsverfahren Kenntnis von bestimmten Umständen, die einen Verfahrensfehler darstellen, rügt die Fehler allerdings nicht ordnungsgemäß, werden diese Gründe für das Aufhebungsverfahren ausgeschlossen. Darin sind zwei Überlegungen zu erkennen. Zum einen lässt sich das Parteiverhalten, die Verfahrensfehler nicht geltend zu machen, als Verzicht auf die Geltendmachung werten. Betroffen sind davon jene Verfahrenselemente, die in der Hoheit der Parteien liegen und auf die eine Partei aus Sicht des belgischen Rechts verzichten kann. Zum anderen kann darin der Ursprung eines widersprüchlichen Parteiverhaltens gesehen werden, dessen Widerspruch sich dann entfaltet, wenn sich die Partei später doch auf den Fehler beruft. Hier hatte die andere Partei bereits darauf vertraut, dass bestimmte Umstände nicht mehr gerügt werden würden. Beide Überlegungen führen zu einem schützenswerten Vertrauen. Diese Wertung könnte im Lichte von Treu und Glauben auf das belgische Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen werden. Hat eine Partei also Kenntnis von bestimmten Umständen, die einen Verfahrensfehler und Aufhebungsgrund i. S. d. Art. 1717 Abs. 3 lit. a, (i), (ii), (iii) und (v) CJB darstellen, macht die Partei diese aber im Schiedsverfahren nicht geltend, ist die Geltendmachung damit auch im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausgeschlossen. Der letzte und nur konsequente Schritt ist die Übertragung dieser Rechtswertung auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren für den Fall, dass die Partei die Verfahrensfehler nicht im Aufhebungsverfahren geltend gemacht hat. Dabei steht allerdings auch in diesem Zusammenhang am Anfang die Herausforderung, ein aktives Verhalten der Partei festzustellen, deren Vorbringen präkludiert werden soll. Für das Schiedsverfahren könnte das aktive Verhalten noch im Weiterverhandeln ohne Erwähnung der Verfahrensfehler gesehen werden, für das Aufhebungsverfahren kann auf ein solches Verhalten hingegen nicht mehr abgestellt werden. Hinsichtlich einer Präklusion im eigentlichen Sinne könnte nur auf die nicht erfolgte Geltendmachung eines Aufhebungsverfahrens abgestellt werden. Das hingegen reicht nicht aus, um ein aktives Verhalten darzustellen, auf welches die andere Partei vertraute. Folglich kann in diesem Zusammenhang eine Präklusion 860
Siehe Fn. 830.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
im eigentlichen Sinne nicht über den Rechtsgedanken des Art. 1717 Abs. 5 CJB in Verbindung mit dem Gebot von Treu und Glauben hergeleitet werden. 4. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ Im Zusammenhang mit der Frage eines möglichen Ermessenspielraums in Art. V Abs. 1 UNÜ bzw. in der nationalgesetzlichen Regelung des Art. 1721 Abs. 1 CJB861 muss zunächst genauer der Wortlaut der Regelung betrachtet werden.862 Der belgische Gesetzgeber hat den Art. 1721 Abs. 1 CJB mit der Schiedsverfahrensrechtsreform863 in der französischen Sprachfassung wie folgt formuliert: „[…] ne refuse la reconnaissance et la déclaration […] dans les circonstances suivantes“. Im Niederländischen lautet die entscheidende Formulierung „De rechtbank van eerste aanleg weigert slechts de erkenning […] in de volgende omstandigheden“. Folglich könnte Art. 1721 Abs. 1 CJB zunächst so verstanden werden, dass hier ein Ermessenspielraum deshalb ausgeschlossen ist, weil dort kein „kann“, sondern nur „lehnt ab“ oder „verweigert“ aufgeführt wird.864 Dieses reine Begriffsverständnis überzeugt hingegen Art. 1721 Abs. 1 CJB: „The Court of First Instance may only refuse to recognise or enforce an arbitral award, irrespective of the country in which it was made, in the following circumstances:“ Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I-16, Lieferung 77, Dezember 2013. 862 Dafür soll erneut der Wortlaut des Art. V Abs. 1 UNÜ in Erinnerung gerufen werden. In der englischen Sprachfassung findet sich dort „may be refused“, in der französischen Sprachfassung des Art. V Abs. 1 UNÜ „ne seront refusées“. 863 Wird untersucht, wie das belgische Recht zuvor, unter Geltung des alten Schiedsverfahrensrechts, mit der Ermessensfrage umging, lassen sich keine umfangreichen Erkenntnisse ziehen. Berücksichtigt werden könnte die Entscheidung Société Nationale pour la Recherche, le Transport et la Commercialisation des Hydrocarbures (Sonatrach) v. Ford, Bacon and Davis Inc, Brussels Rechtbank van eerste aanleg 06.12.1988, YBCA XV (1990), 370. In dieser Entscheidung hatte ein belgisches Gericht einen Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, obgleich jener Schiedsspruch zuvor von einem algerischen Gericht aufgehoben wurde. Dies könnte nun zunächst dafür sprechen, dass belgische Gerichte ein Ermessen annahmen, da bei einem strikten, ermessensfreien Verständnis die Aufhebung als Versagungsgrund greifen würde. Es muss allerdings etwas weiter in die Urteilsbegründung vorgedrungen werden. Das Gericht stellte fest, dass das UNÜ überhaupt nicht anzuwenden war, ebenso war das EuÜ nicht anzuwenden. Dies begründete das Gericht mit der fehlenden Gegenseitigkeit. Zwar trat das UNÜ für Algerien zum 07.05.1989 in Kraft, zum Zeitpunkt der Aufhebung des Schiedsspruchs durch die algerischen Gerichte war das UNÜ hingegen noch nicht in Kraft. In der Konsequenz prüfte das belgische Gericht die Voraussetzungen anhand der Art. 1704 und Art. 1723 CJB und ließ die der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu. Dies kann allerdings für die Frage eines Ermessensspielraums keine abweichende Antwort liefern. Festzuhalten bleibt, dass ein Gericht einen Ermessenspielraum im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nutzen kann. 864 Die englische Übersetzung des Art. 1721 Abs. 1 enthält die Formulierung „may only refuse“, siehe bspw. Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium: Annex I-16, Lieferung 77, Dezember 2013. 861
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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nicht, ein Ermessen des Gerichts abzulehnen.865 Vermutlich deshalb argumentierte Matray, dass nun folgende Gerichtsentscheidungen erst ausloten werden, ob das neue belgische Schiedsverfahrensrecht einen Ermessensspielraum in Art. V UNÜ zulässt.866 Billiet vermutet, dass der belgische Gesetzgeber sich hier vom französischsprachigen UNÜ-Wortlaut hat leiten lassen.867 Derzeit kann insoweit festgehalten werden, dass es aus belgischer Sicht einen gewissen Ermessenspielraum für das Vollstreckungsgericht gibt; ob dieses Ermessen hingegen ausreicht, um darüber eine Präklusion im eigentlichen Sinne begründen zu können, ist bisher für das neue belgische Schiedsverfahrensrecht nicht festzustellen. 5. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus belgischer Sicht Nach der Reform finden sich keine Anhaltspunkte, die ein Präklusionsverständnis in die eine oder die andere Richtung zum Ausdruck bringen. Das ist allerdings keine Hürde, da die Anwendbarkeit des UNÜ für Belgien sowohl vor als auch nach der Schiedsverfahrensrechtsreform unverändert ist. Allerdings finden sich auch in älteren Entscheidungen keine konkreten Aussagen zu einem Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ. Grundsätzlich ist, mit einem Blick auf die Ausgestaltung des belgischen Schiedsverfahrensrechts, das den Parteien unter bestimmten Voraussetzungen einen Verzicht auf das Aufhebungsverfahren ermöglicht, von einer Offenheit gegenüber einer Präklusion auszugehen.868 Ein weiteres Argument für eine solche Präklusionsfreundlichkeit findet sich in der oben bereits vorgestellten neuen Regelung des Art. 1717 Abs. 5 CJB i. V. m. Art. 1717 Abs. 3 lit. a CJB. Hiernach ist eine Partei mit den Aufhebungsgründen des Art. 1717 Abs. 3 lit. a, (i), (ii), (iii) und (v) CJB869 ausgeschlossen, wenn die Partei diese Gründe trotz Kenntnis im Schiedsverfahren nicht geltend gemacht hat. Diese Vorschrift knüpft direkt an das Ziel einer Effizienzsteigerung an. Zudem bringt die Regelung auch das Verständnis der Parteihoheit über das Verfahren mit einer Verzichtsvermutung und das Verbot eines treuwidrigen Verhaltens zum Ausdruck. Diese Aspekte sprechen dafür, dass im Rahmen des UNÜ aus belgischer Sicht eine Präklusion von Versagungsgründen nicht ausgeschlossen ist. 865 So ebenfalls Matray, (vom 04.07.2013); aus der Gesetzesbegründung lässt sich keine genaue Information ziehen. 866 Matray, (vom 04.07.2013). 867 Billiet/Proshkina, The European, Middle Eastern and African Arbitration Review 2014–2. Belgium, 2014. 868 Für dieses Verständnis spricht ebenso, dass der belgische Gesetzgeber mit der Schiedsverfahrensrechtsreform eine weitere Steigerung der Verfahrenseffizienz herbeizuführen beabsichtigte, vgl. Kapitel 4 – E.III.1. 869 Siehe Fn. 823.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
6. Zusammenfassung – Länderbericht Belgien Zwar gibt es im belgischen Schiedsverfahrensrecht eine bemerkenswerte Präklusionsregelung für das Aufhebungsverfahren, allerdings lässt sich diese nicht auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen. Auch die verfahrenstechnische Besonderheit des Art. 1718 CJB, also der Verzicht auf das Aufhebungsverfahren, führt zu keinem eigenständigen Präklusionsmodell. Zusammenfassend lässt sich für Belgien daher feststellen, dass ein Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne de lege lata nicht besteht. Der Maßstab des Prinzips von Treu und Glauben ist auf das Schiedsverfahrensrecht zu übertragen. Dort wird ein Verhalten dann als treuwidrig qualifiziert, wenn die Partei nach einem aktiven Verhaltensmoment die vernünftigen Erwartungen der anderen Partei enttäuscht. Ein solcher Verstoß kann vorliegen, wenn die Partei aktiv auf eine Aufhebung des Schiedsspruchs oder eine Geltendmachung von Versagungsgründen verzichtet. Dabei ist der objektive Standard („reasonable contractual partner“), auf den abgestellt wird, hervorzuheben. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne lässt sich über einen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht begründen. Diese Feststellung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Vorschrift des Art. 1717 Abs. 5 CJB im Lichte von Treu und Glauben auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen wird. Dabei bleibt das Erfordernis einer aktiven vertrauensbildenden Handlung als Grundlage einer treuwidrigen Handlung bestehen. Hat eine Partei bei der andere Partei aktiv die Vorstellung erzeugt, sie würde sich im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht wehren, kommt eine Präklusion als Reaktion auf treuwidriges Verhalten in Betracht. Ob das belgische Schiedsverfahrensrecht einem Gericht im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren einen Ermessensspielraum aus Art. 1721 Abs. 1 CJB eröffnet, kann zum reformierten Recht noch nicht endgültig beantwortet werden. Überzeugend ist die Erwartung, dass den belgischen Gerichten ein gewisses Ermessen im Rahmen des Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Verfügung steht. Allerdings kann derzeit nicht angenommen werden, dass der Ermessensspielraum so ausgenutzt werden könnte, dass Gerichte darüber eine Präklusion im eigentlichen Sinne begründen könnten. Aus belgischer Sicht ist eine Präklusion im Rahmen des UNÜ nicht ausgeschlossen. IV. Kurzberichte zur Schweiz, Frankreich, Schweden sowie Hong Kong und Singapur Der Blick richtet sich nun zunächst auf die Schweiz (1.), Frankreich (2.) und Schweden (3.) und schwenkt dann mit einem Exkurs zu Hong Kong (4.) und Singapur (5.). Dabei fällt diese Auswahl nicht zufällig aus. Zunächst kann in den Rechtsordnungen bereits ein jeweiliger Diskurs der Präklusionsfrage in
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Rechtsprechung und Literatur beobachtet werden. Zudem nehmen diese Rechtsordnungen im Alltag der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit eine wichtige Stellung ein und werden daher für den Überblick herangezogen. 1. Schweiz – Präklusionsmodelle im Fokus Im schweizerischen Recht enthält das 12. Kapitel, Artt. 176–194 IPRG die relevanten Vorschriften zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Das Anfechtungsverfahren wird in Art. 190 IPRG geregelt, das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in Artt. 193, 194 IPRG.870 Das schweizerische Schiedsverfahrensrecht wurde, anders als die Schiedsverfahrensrechte vieler anderer europäischer Staaten, nicht am Model Law ausgerichtet.871 In der schweizerischen Vorschrift zum Anfechtungsverfahren findet sich keine Regelung zum Verstoß gegen die Parteivereinbarung (vgl. Art. 34 Abs. 2 lit. a (iv) Model Law).872 Zudem sind die in Art. 190 IPRG genannten Anfechtungsgründe abschließend.873 Die Anfechtungsfrist beträgt in der Schweiz 30 Tage.874 Das schweizerische Schiedsverfahrensrecht basiert auf dem Rechtsprinzip von Treu und Glauben875 und verpflichtet die Beteiligten eines Schiedsverfahrens, sich entsprechend zu verhalten, wie Art. 177 Abs. 2 IPRG zum Ausdruck bringt.876 Dies umfasst den Umstand, dass eine Partei entsprechende Verfahrensfehler zeitnah zu rügen hat,877 was Art. 2 Abs. 2 ZGB grundsätzlich ebenso für das Prozessrecht feststellt. Ein widersprüchliches Verhalten ist genauso untersagt wie ein Hinauszögern der Geltendmachung von Verfah-
Vgl. hierzu bspw. einleitend Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 31–33. Für die Schweiz trat das UNÜ am 30. August 1965 in Kraft. 871 Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass sich nicht alle Aufhebungsgründe des Art. 34 Model Law in der schweizerischen Regelung des Art. 190 IPRG wiederfinden. 872 Folglich kann eine Anfechtung nicht mit dem Verstoß gegen die Parteivereinbarung begründet werden. Dieser Beurteilung stimmte die schweizerische Rechtsprechung zu, bspw. BG 01.07.2004, ASA Bulletin 2005, 139; vgl. dazu auch Várady, in: Bergsten/Kröll (Hrsg.), International Arbitration and International Commercial Law, 2011, 467, 474–475. 873 BG 14.05.2001, BGE 127 III 279, 281; Verweis auf BG 02.09.1993, BGE 119 II 380. 874 Gem. Art. 191 S. 2 IPRG i. V. m. Art. 100 Abs. 1 BGG; die Frist beginnt mit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung. 875 Siehe Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1182–1184. 876 Blessing, Introduction to Arbitration, 1999, 185, Rn. 487; Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 89, dort m. w. N. in Fn. 2; zu Art. 177 IPRG siehe auch Basler Kommentar IPRG, Mabillard/Briner zu Art. 177, Rn. 22. 877 Zur Präklusion als Folge siehe Basler Kommentar IPRG, Schneider/Scherer zu Art. 182, Rn. 70–71, dies wird als eine Verwirkung gesehen. Vgl. weiterhin Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 90, dort m. w. N. in Fn. 5. 870
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rensfehlern.878 Aus schweizerischer Beurteilung ist das Rechtsprinzip von Treu und Glauben im UNÜ verankert. 879 Zudem erkennt auch das schweizerische Recht – obgleich mit gewissen Grenzen – an, dass Parteien im Verfahren auf die Geltendmachung bestimmter Verfahrensfehler verzichten können.880 a) Präklusion im eigentlichen Sinne Aus schweizerischer Sicht kann eine Partei im Vollstreckungsverfahren präkludiert sein, wenn die Partei es unterlassen hat, die Verfahrensfehler bereits im Schiedsverfahren zu rügen.881 Eine solche Beurteilung wirft die Frage auf, ob nun eine Präklusion im eigentlichen Sinne möglich ist, die an ein Unterlassen der Geltendmachung von Aufhebungs- bzw. Anfechtungsverfahren im Ursprungsstaat anknüpft. Dieser Aspekt ist mit der Beurteilung verbunden, ob und wenn ja, in welchem Umfang eine Partei eine Obliegenheit trifft, Verfahrensfehler mit einem entsprechenden Rechtsmittel zu rügen. Eine solche allgemeine Obliegenheit wird aber verneint.882 Für den Fall des unterlassenen Aufhebungs- oder Anfechtungsverfahrens lehnt Satmer eine generelle Präklusionswirkung ab und verweist auf die Verfahrenseffizienz. Er führt an, dass es einer Partei nicht zumutbar sei, Rechtsmittel gegen einen Verfahrensfehler zu ergreifen, für die das UNÜ im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren einen autonomen Versagungsgrund vorhält.883 Das ist zunächst für sich gesehen bereits ein überzeugender Ansatzpunkt. Er könnte noch mit dem Gedanken vertieft werden, dass die Aufhebung mit Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ als eigener Versagungsgrund zu berücksichtigen ist. Dann wäre zu überlegen, ob es nicht gerade die Verfahrenseffizienz fördert, wenn eine Partei einen solchen Versagungsgrund i. S. d. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ dadurch erzeugt, dass sie mit einem Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch vorgeht. Satmer will danach differenzieren, ob ein Verfahrensfehler im Ursprungsstaat geltend gemacht werden konnte. Dafür sei entscheidend, ob das UNÜ für den Verfahrensfehler keinen eigenständigen Versagungsgrund enthält, dann solle für solche Verfahrensfehler
878 Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 90. 879 BG 04.10.2010, ASA Bulletin 2012, 76–96, Rn. 6.3.3.1; Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 91. 880 Várady, Annals Fac. L. Belgrade Int’l 2009, 6, 13. 881 Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 94–95. 882 Bucher, Die neue internationale Schiedsgerichtbarkeit in der Schweiz, 1989, 156, Rn. 437. 883 Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 106.
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auf das Schiedsverfahrensstatut abgestellt werden.884 In einem solchen Fall könnten die Versagungsgründe des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör und die fehlende Benachrichtigung über das Schiedsverfahrens nicht präkludiert sein, da diese unter den autonomen Versagungsgrund i. S. d. Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ fallen.885 Satmers Überlegungen stellen darauf ab, ob der Versagungsgrund autonom aus dem UNÜ hergeleitet wird, dann sei eine Präklusion ausgeschlossen, oder ob auch das UNÜ auf das Recht am Ort des Schiedsverfahrens verweist, dann sei eine Präklusion bei unterlassenem Rechtsmittel im Ursprungsstaat möglich. Konsequenterweise könnten damit zumindest die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ einer Präklusion unterliegen, wenn die Partei diese Verfahrensfehler nicht zuvor im Aufhebungsverfahren geltend gemacht hat.886 Diese Aufteilung würde zu einer Zersplitterung der Präklusionswirkung führen, die in einer Rechtsunsicherheit resultieren würde. Zudem berücksichtigt Satmer dabei nicht konsequent die Gewährung eines dualen Rechtsschutzes. Es gilt nämlich zu beachten, dass für eine Partei, nachdem sie einen Verfahrensfehler ordnungsgemäß im Schiedsverfahren gerügt hat, keine Obliegenheit besteht, im Ursprungsstaat weitere Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch zu erheben.887 Dies bekräftigt eine Wahlfreiheit der Partei888, sich zwischen Verteidigungsmitteln zu entscheiden. Eine weiterreichende Herleitung einer Präklusionswirkung über Art. V Abs. 1 UNÜ, die den gesamten Katalog der Versagungsgründe erfassen würde und die dogmatisch am Wortlaut der Norm und einem dortigen Ermessensspielraum anknüpfen könnte, scheidet aus schweizerischer Beurteilung aus. Der Wortlaut des Art. V Abs. 1 UNÜ eröffnet keinen Ermessensspielraum.889 Somit kommt ein solches Präklusionsmodell nicht in Betracht. 884 Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 106–107. Als Unterstützung führt Satmer Zweckmäßigkeitsüberlegungen an, wonach ein Gericht im Ursprungsstaat „am ehesten in der Lage ist, Verstösse gegen die dortige Prozessordung“ zu beurteilen, Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 107. 885 Zulassen möchte Satmer eine Präklusion bspw. für den Fall, dass gegen die am Schiedsort geltenden Beweiserhebungsvorschriften verstoßen wurde, bspw. Zeugenvernehmung, Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 107. Zudem stimmt Satmer der älteren Rechtsprechung des deutschen BGH hinsichtlich der Präklusion bei fehlender Rüge eines Mangels der Schiedsvereinbarung zu, Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 107, m. w. N. dort in Fn. 78. 886 Die Beurteilung von Satmer bekommt wohl auch durch Patocchi/Jermini Unterstützung, die Satmer allerdings unter dem Aspekt des widersprüchlichen Verhaltens zitieren, siehe Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 59. 887 BG 04.10.2010, YBCA XXXVI (2011), 340; dort Rn. 52; BG 03.07.1985, BGE 111 II 175. 888 Vgl. dazu Kröll, IPRax 2007, 430, 434 m.w.N dort in Fn. 40. 889 Bspw. Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 57.
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b) Keine Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren durch Rechtsmittelverzicht gem. Art. 192 IPRG Mit Art. 192 IPRG eröffnet das schweizerische Recht Parteien eine Möglichkeit des Rechtsmittelverzichts, also eines Verzicht auf das Anfechtungsverfahren gem. Art. 190 IPRG.890 Mit dem belgischen Recht vergleichbar ist zudem, dass die schweizerische Regelung keine Beschränkung hinsichtlich der Verzichtbarkeit bestimmter Aufhebungs- bzw. Anfechtungsgründe vorgibt. Das schweizerische Recht ermutigt hingegen explizit, nur selektiv bestimmte Anfechtungsgründe gem. Art. 190 Abs. 2 IPRG auszuschließen. Aus dieser Vorschrift könnte eine Präklusion hergeleitet werden. Diese Herleitung würde auf einen Unterlassen des Aufhebungsverfahrens abstellen und diese Parteientscheidung unter Umständen als Verzicht i. S. d. Art. 192 IPRG auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen. Allerdings überträgt das schweizerische Recht den Verzicht des Aufhebungs- bzw. Anfechtungsverfahren nicht auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren.891 Somit scheidet hier eine entsprechende Präklusion nach einem Rechtsmittelverzicht aus. Zwar wird sich dafür ausgesprochen, dass Parteien eine über Art. 192 IPRG hinausgehende Regelung treffen können, die sich auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren erstrecken würde, allerdings ist dafür zwingend eine explizite Vereinbarung zwischen den Parteien erforderlich.892 Bei einem Zuwiderhandeln gegen eine solche Vereinbarung ginge es hingegen nicht mehr um eine Präklusion im eigentlichen Sinne, sondern um einen Verstoß gegen die Vereinbarung bzw. gegen Treu und Glauben. c) Verstoß gegen Treu und Glauben Das schweizerische Recht ordnet das Prinzip von Treu und Glauben dem ordre public893 zu.894 Dieses Prinzip umfasst im Schiedsverfahren ebenfalls eine Kooperationspflicht der Parteien.895 Es stellt sich die Frage, ob dem Verstoß 890 Möglich für Parteien ohne Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Niederlassung in der Schweiz. Siehe bspw. Arroyo, Arbitration in Switzerland, 2013, 35; kritisch zu der Regelung bspw.Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 51–52. Diese Regelung ist vergleichbar mit der belgischen Vorschrift des Art. 1718 CJB, siehe hierzu Kapitel 4 – E.III.2., Fn. 824 und 827. 891 Blessing, Introduction to Arbitration, 1999, 204. Das ist mit dem belgischen Recht vergleichbar. Vgl. weiterhin zu den Auswirkungen eines Verzichts bspw. bei Vollstreckung im Ausland Jermini, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht, 1997, 373–378, Rn. 762–772. 892 Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 59. 893 Zum ordre public siehe Basler Kommentar IPRG, Pfisterer zu Art. 190, Rn. 72–86. 894 Basler Kommentar IPRG, Pfisterer zu Art. 190, Rn. 75. 895 Basler Kommentar IPRG, Schneider/Scherer zu Art. 184, Rn. 54, mit Verweis auf BG 19.02.2009, ASA Bulletin 2009, 801, 816.
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gegen Treu und Glauben mit einer Präklusion entgegengetreten werden kann. Patocchi und Jermini argumentieren dafür, einen solchen Verstoß gegen Treu und Glauben in seiner konkreten Gestalt als widersprüchliches Verhalten beispielsweise mit einer Präklusion von Versagungsgründen im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren zu sanktionieren.896 Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs muss der Anerkennungsgegner unverzüglich gerügt haben, möchte er einer Präklusion entgehen. 897 Auch Satmer sieht den Verstoß gegen Treu und Glauben als Anknüpfungspunkt für eine Präklusion.898 Dies findet auch in der Rechtsprechung Unterstützung.899 Damit sind hingegen noch nicht die Voraussetzungen und der Maßstab der Treuwidrigkeit geklärt. Wenn beispielsweise die Erörterung Satmers verfolgt wird, so ist nicht bereits das bloße Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten; vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten. Folglich kommt aus schweizerischer Beurteilung eine Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht schon dann in Betracht, wenn die Partei es lediglich unterlassen hat, ein Aufhebungsverfahren durchzuführen. 2. Frankreich – Präklusionsmodelle im Fokus Das französische Schiedsverfahrensrecht wurde in 2011 umfassend geändert. Das Aufhebungsverfahren für internationale Schiedssprüche wird in den Artt. 1518–1524 NCPC geregelt und das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren internationaler Schiedssprüche in den Artt. 1514–1517 NCPC.900 Das französische Schiedsverfahrensrecht gilt schon länger als fortschrittlich und liberal.901 a) Generelle Offenheit gegenüber Parteiverzicht (renonciation) und Präklusion im französischen Schiedsverfahrensrecht Seit der Reform enthält das französische Schiedsverfahrensrecht in Art. 1522 NCPC ebenfalls eine Regelung, die es den Parteien ermöglicht, auf das AufBasler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 59. Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 86, dort soweit für die Präklusion im Schiedsverfahren. 898 Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln, 1994, 106–107. 899 BG 04.10.2010, YBCA XXXVI (2011), 340; dort m. w. N. Rn. 51; BG 11.03.2009, BGE 135 III 334; BG 08.02.1978, YBCA XI (1986), 538–542, zum Rechtsmissbrauch; BG 10.05.1982, BGE 108 Ia, 197–202 zur Pflicht, eine Verzögerung des Verfahrens zu unterlassen. 900 Für Frankreich trat das UNÜ am 24. September 1959 in Kraft. Siehe zum Wortlaut des NCPC in englischer Übersetzung Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, France: Annex I – 14, Lieferung 64, Mai 2011. 901 Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Gaillard/Edelstein zum Bericht über Frankreich, 643, Rn. 3. 896 897
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hebungsverfahren zu verzichten. Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist noch etwas weiter gefasst als in Belgien und der Schweiz. Nach dem neuen französischen Schiedsverfahrensrecht ist ein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren in internationalen Schiedsverfahren allgemein möglich und auch für Parteien aus Frankreich nicht versperrt. Allerdings bleibt den Parteien trotz eines Verzichts weiterhin die Verteidigung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sowie die Verteidigung gegen eine Vollstreckbarerklärung (vgl. Art. 1522 Abs. 2 NCPC) erhalten. Diese Regelung steht im Einklang mit den Regelungen des belgischen und schweizerischen Schiedsverfahrensrechts. Zudem ist das französische Schiedsverfahrensrecht offen für einen Verzicht der Parteien, Verfahrensfehler geltend zu machen.902 Dieser könnte sich sogar auf Verfahrensfehler mit Berührung des ordre public erstrecken, wäre dann aber nicht von vornherein, sondern erst nach Beginn des Streits möglich.903 Hat eine Partei also einen Verfahrensfehler nicht im laufenden Schiedsverfahren vorgebracht, kann sie hinsichtlich dieses Verfahrensfehlers präkludiert sein.904 b) Französisches Auslegungsverständnis des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ Wenig überraschend ist das französische Auslegungsverständnis, wenn es um die Frage geht, ob und wie die Aufhebung eines Schiedsspruchs im Ursprungsstaat in einem französischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu berücksichtigen ist. Die Betrachtung des französischen Verständnisses zum UNÜ, insbesondere zu Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ, legt eine gewisse Sonderstellung Frankreichs dar. Diese Entwicklung einer Sonderstellung im internationalen Vergleich begann mit einer Entscheidung des Cour de cassation im Jahre 1984.905 Dort hatte das Gericht entschieden, dass die Möglichkeit einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs über die Vorschrift des Art. VII UNÜ jedenfalls in Betracht zu ziehen sein. 1993 setzte sich diese Entwicklung fort.906 In dieser Entscheidung hielt das Gericht Art. VII UNÜ gegenüber Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ für vorrangig. Auf diese beiden Entscheidungen folgte die HilmartonEntscheidung907, die Gegenstand zahlreicher Aufsätze und Diskussionen wur902 Várady, Annals Fac. L. Belgrade Int’l 2009, 6, 13; dort mit weiterer Erörterung der Frage, unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, m. w. N. dort in Fn. 14, 15. 903 Cass., 07.01.1992, Revue de l’Arbitrage 1992, 470; siehe auch Várady, Annals Fac. L. Belgrade Int’l 2009, 6, 18. 904 Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 927–928, 927, Rn. 1606, sowie dort 956, Rn. 1652. 905 Cass., 09.10.1984, YBCA XI (1986), 484. 906 Cass., 10.03.1993, YBCA XIX (1994), 662. 907 Cass., 23.03.1994, YBCA XX (1995), 663.
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de.908 Mit dieser Entscheidung verfestigten die französischen Gerichte ihr Verständnis, dass Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ nicht anzuwenden sei, wenn das Recht des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung begehrt wird, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung selbst zulässt.909 Dem fügte der Cour de cassation in seiner zustimmenden Entscheidung noch eine grundsätzliche Aussage zur Beurteilung der Schiedsgerichtsbarkeit hinzu: „Attendu, enfin, que la sentence rendue en Suisse était une sentence internationale qui n’était pas intégrée dans l’ordre juridique de cet Etat, de sorte que son existence demeurait établie malgré son annulation et que sa reconnaissance en France n’était pas contraire à l’ordre public international“.910
Folglich sind Schiedssprüche aus französischer Sicht international und demnach nicht in die Rechtsordnung eines bestimmten Landes integriert; der Schiedsspruch bleibt trotz einer Erklärung der Aufhebung im Ursprungsstaat bestehen.911 Für die hiesige Untersuchung bleibt daraus zweierlei festzuhalten: Zunächst stehen französische Gerichte der Wirkung eines Schiedsspruchs im Ursprungsstaat neutral gegenüber. Zum anderen bedeutet das Vorliegen eines Versagungsgrundes vor französischen Gerichten im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht unbedingt, dass die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung versagt wird.912 c) Präklusionsmodell in Anlehnung an das französische Auslegungsverständnis zu Art. V Abs. 1 UNÜ Das französische Auslegungsverständnis zu Art. V Abs. 1 UNÜ gibt zu erkennen, dass die französische Gerichtspraxis den Gerichten im Ursprungsstaat jede Beteiligung an der internationalen Gültigkeit des Schiedsspruches Umfassend zum Kontext der Hilmarton-Entscheidung bspw. Born, International Commercial Arbitration, 2014, § 25.08, 3625–3627. 909 Vgl. Art. 1502 NCCP; CA de Paris, 19.12.1991, YBCA XIX (1994), 655. 910 Cass., 23.03.1994, YBCA XX (1995), 663, siehe dort die englische Übersetzung des Originalzitats: „Lastly, the award rendered in Switzerland is an international award which is not integrated in the legal system of that State, so that it remains in existence even if set aside and its recognition in France is not contrary to international public policy“. 911 Diese französische Praxis kritisierte van den Berg und beurteilt diese Praxis als nicht mehr mit dem UNÜ vereinbar, vgl. van den Berg, ICSID Review 2014, 24. Bajons sieht in den französischen Entscheidungen wie Hilmarton und Chromalloy völkervertragswidrige Rechtsverstöße, Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 706. Zur Hilmarton-Entscheidung siehe Fn. 907, zur ChromalloyEntscheidung siehe Chromalloy Aeroservices Inc. v. The Arab Republic of Egypt, 939 F. Supp. 907, (D.D.C. 1996). 912 Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V, Rn. 78. 908
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abzusprechen scheint.913 Folglich könnte der Standpunkt vertreten werden, dass aus französischer Sicht eine Präklusion im eigentlichen Sinne nicht in Frage kommt, denn ein Abstellen auf die entsprechende Wirkung des Schiedsspruchs im Ursprungsstaat ist primär nicht vorgesehen. Eine solche, gewissermaßen restriktive, Beurteilung wird dem französischen Verständnis des Schiedsverfahrensrechts allerdings nicht gerecht. Vielmehr entspricht es der französischen Gerichtspraxis, schiedsverfahrens-freundlich vorzugehen914 und somit Schiedssprüche entsprechend durchzusetzen. Das spricht wieder für eine grundsätzliche Präklusionsfreundlichkeit, denn damit wird eine Vollstreckung eines Schiedsspruchs erleichtert. d) Verstoß gegen Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage Das französische Recht umfasst ebenfalls den Grundsatz von Treu und Glauben.915 Dieser Grundsatz gilt erstreckt sich ebenfalls auf das Schiedsverfahrensrecht.916 Dabei liegt ein treuwidriges Verhalten dann vor, wenn sich eine Partei aktiv der anderen Partei gegenüber derart verhalten hat, dass die andere Partei darauf vertraute und sich die eine Partei später dazu widersprüchlich verhält.917 Möglich ist dann, dass eine Partei mit ihrem treuwidrigen Vorbringen präkludiert wird.918 Allerdings liefert dies keine Grundlage für eine Präklusion im eigentlichen Sinne. Eine solche Präklusionswirkung ist dem französischen Recht fremd. 3. Schweden – Präklusionsmodelle im Fokus Abschließend soll erörtert werden, ob das schwedische Schiedsverfahrensrecht919 Präklusionsinstitute bereithält und eine Präklusion im eigentlichen Sinne greifen kann.920 Von Interesse sind im schwedischen Recht die VorKoch, J. Int. Arb. (26) 2009, 267, 276. Nur bspw. zur eigenen Darstellung dort Nr. 6 (vom 01.08.2013). 915 Dort bspw. in Artt. 1134 und 1135 CC normiert, „Elles doivent être exécutées de bonne foi“ (Art. 1134 CC). 916 Siehe Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1164–1169, allerdings hat das dortige Rechtsprinzip bonne foi nicht den Stellenwert einer „Königsregel“ wie im deutschen Recht, dort Rn. 1166. Vgl. weiterhin Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 820, Rn. 1462 und 961–962, Rn. 1662. 917 Siehe dazu Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/ Olzen zu § 242, Rn. 1170. 918 Vgl. Staudinger BGB-Kommentar, Buch 2, Einl. Schuldrecht, Looschelders/Olzen zu § 242, Rn. 1170. 919 Allgemein hierzu Franke/Magnusson/Ragnwaldh, International Arbitration in Sweden, 2013, 1–10. 920 Für Schweden trat das UNÜ am 24. Juli 1972 in Kraft. 913 914
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schriften zum Aufhebungsverfahren in Sec. 34 Swedish Arbitration Act921 sowie Sec. 51–60 Swedish Arbitration Act922. Das schwedische Schiedsverfahrensrecht erkennt, wie Sec. 34 Abs. 2 und Abs. 3 Swedish Arbitration Act zum Ausdruck bringt, auch Präklusionswirkungen an. Auch das schwedische Schiedsverfahrensrecht ermöglicht, wie das belgische und schweizerische Schiedsverfahrensrecht, den Parteien mit Art. 51 Swedish Arbitration Act den Verzicht auf ein Aufhebungsverfahren.923 Konsequent ist es allerdings hier eine Begrenzung dieser Vereinbarung auf das Aufhebungsverfahren anzunehmen, denn das schwedische Recht überträgt die Wirkung eines Verzichts nicht auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. In Sec. 51 S. 2 Swedish Arbitration Act wird festgelegt, dass ein Schiedsspruch, der unter Verzicht auf das Aufhebungsverfahren gem. Sec. 51 S. 1 i. V. m. Sec. 34 Swedish Arbitration Act ergangen ist, wie ein ausländischer Schiedsspruch beurteilt wird. Ausdrücklich bestehen für die Parteien damit also die Verteidigungsmöglichkeiten der Sec. 54 Swedish Arbitration Act. Somit kommt auch im schwedischen Recht eine Präklusion im eigentlichen Sinne nicht in Betracht. 4. Hong Kong – Präklusionsmodelle im Fokus Im Schiedsverfahrensrecht von Hong Kong finden sich die Regelungen zum Aufhebungsverfahren in Cap. 609 s 81, die Vorschriften zum Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren in Cap. 609 s 82 f. Zum Juni 2011 reformierte Hong Kong das Schiedsverfahrensrecht und richtete die Reform stark am Model Law aus.924 Ein Blick nach Hong Kong liegt nahe, weil dortige Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit der Präklusionsfrage weitreichende Beachtung gefunden haben.
921 Swedish Arbitration Act (Lag (1999:116) om skiljeförfarande), englische Übersetzung bei Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Sweden: Annex I – 1 Lieferung 32, Dezember 2000. 922 Das erfasst die Regelungen zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Schiedssprüche sowie den Verzicht auf das Aufhebungsverfahren (Art. 51 Swedish Arbitration Act). 923 Siehe zur Regelung bspw. Franke/Magnusson/Ragnwaldh, International Arbitration in Sweden, 2013, 265; zum Hintergrund der Regelung Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 77–80. 924 Einige Regelungen wurden aus dem Model Law übernommen; Hong Kong Arbitration Ordinance, Cap 609 of June 1, 2011; weitere Quellen und Materialien zur Gesetztesinitiative siehe . Mit Rückübertragung der Gebietshoheit an China zum 1. Juli 1997 erstreckte die chinesische Regierung die Anwendbarkeit des UNÜ auf Hong Kong, Arrangement Concerning Mutual Enforcement of Arbitral Awards between the Mainland and the Hong Kong Special Administrative Region, siehe .
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Die erste erwähnenswerte Entscheidung reicht zurück in das Jahr 1993.925 Dort argumentierte der Antragsteller im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren unter dem UNÜ, dass das Gericht ein Ermessen nutzen solle, um trotz des eigentlich vorliegenden Versagungsgrund die Vollstreckung zuzulassen, weil der Antragsgegner keine Schritte gegen den Schiedsspruch im Ursprungsstaat (China) unternommen hatte.926 Diesem Argument widersprach das Gericht.927 Aus Sicht des Gerichts stünden einer Partei, gegen die ein Schiedsspruch ergangen ist, zwei Alternativen offen: die Aufhebung des Schiedsspruchs und die Verteidigung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Dabei wird klar herausgestellt, dass die zweite Alternative, die Verteidigung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, auch dann möglich ist, wenn die unterlegene Partei kein Aufhebungsverfahren betrieb.928 Dogmatisch wurde dies damit begründet, dass weder das nationale Schiedsverfahrensrecht noch das UNÜ eine Obliegenheit für die Parteien vorsehen, nach der Versagungsgründe nur unter der Voraussetzung ihrer vorherigen Geltendmachung im Aufhebungsverfahren berücksichtigt werden könnten.929 In einer weiteren Entscheidung des Supreme Court of Hong Kong930 vom 13. Juli 1994 lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die unterlegene Partei nur informell die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und Zusammensetzung des Schiedsgerichts gerügt hatte.931 Die unterlegene Partei nahm dann am Schiedsverfahren teil und berief sich – unter Bezug auf die Rechtsprechung im Fall Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd 932 – im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auf Verfahrensfehler. Aus Sicht des Gerichts war der Sachverhalt hier vom Fall Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd abzugrenzen. Das Unterlassen einer frühen und formellen Rüge veranlasste das Gericht nun dazu, einen Ausschluss der Rüge auf Grundlage des estoppel-Prinzips zu prüfen. In diesem Zusammenhang erörterte das Gericht zunächst, ob und in welchem Umfang estoppel im Rahmen des UNÜ überhaupt zur Anwendung 925 Hong Kong Supreme Court 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. 926 Hong Kong Supreme Court 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, 21–22, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. 927 Mr. Justice Neil Kaplan. 928 Hong Kong Supreme Court 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, 22, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. 929 Hong Kong Supreme Court 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, 22, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. 930 Erneut unter Justice Kaplan. 931 Hong Kong Supreme Court 13.07.1994, 1992 No. MP 2411, [1994] 3 HKC 375; China Nanhai Oil Joint Service Corporation Shenzhen Branch v. Gee Tai Holdings Co. Ltd. 932 Hong Kong Supreme Court 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd.
E. Lösungsansätze zur Präklusion in nationalen Rechtssystemen
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kommen könne.933 Unter Verweis auf van den Berg934 und die Diskussion um Art. II UNÜ stellte das Gericht ebenfalls dar, wie umstritten diese Frage international ist.935 Den möglichen Lösungsansätzen van den Bergs schloss sich das Gericht dann insoweit überzeugend an, als dass es estoppel als Unterfall von Treu und Glauben und damit als fundamentales Prozessprinzip qualifizierte. Die dogmatische Grundlage liege nach van den Berg936 in dem Ermessensspielraum des Art. V Abs. 1 UNÜ.937 Danach handele eine Partei treuwidrig, wenn sie einen Verfahrensfehler nicht umgehend rügt und sich erst im späteren Verfahrensverlauf, also beispielsweise im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren, wieder darauf berufen möchte. „Its failure to do so and its obvious policy of keeping this point up its sleeve to be pulled out only if the arbitration was lost, is not one that I find consistent with the obligation of good faith nor with any notions of justice and fair play.“938
Derartigem Parteiverhalten ist im Rahmen des UNÜ im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren entgegenzutreten. Soll dieser Ansatz, der sich aus den beiden Entscheidungen ableiten lässt, verallgemeinert werden, ist nochmals zu unterstreichen, dass in dem zugrundeliegenden Sachverhalt der zweiten Entscheidung aus dem Jahr 1994 die unterlegene Partei ihre Rüge der Verfahrensfehler im Schiedsverfahren nicht hinreichend geltend gemacht hatte. In dem Falle, dass eine Partei ihre Rügen bereits ordnungsgemäß im Schiedsverfahren geltend gemacht hatte, kann sie sich frei entscheiden, ob sie sich neben der Verteidigung im Aufhebungsverfahren alternativ oder gar kumulativ im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gegen den Schiedsspruch zur Wehr setzt. Eine Präklusion kommt hier nicht in Betracht. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann eine Partei nur dann präkludiert sein, wenn sie die Rüge zuvor im Schiedsverfahren nicht geltend gemacht hat.
933 Hong Kong Supreme Court 13.07.1994, 1992 No. MP 2411, [1994] 3 HKC 375, 15– 16; China Nanhai Oil Joint Service Corporation Shenzhen Branch v. Gee Tai Holdings Co. Ltd. 934 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 182–185. 935 Hong Kong Supreme Court 13.07.1994, 1992 No. MP 2411, [1994] 3 HKC 375, 16; China Nanhai Oil Joint Service Corporation Shenzhen Branch v. Gee Tai Holdings Co. Ltd. 936 Dem sich das Gericht anschloss, Hong Kong Supreme Court 13.07.1994, 1992 No. MP 2411, [1994] 3 HKC 375, 18–19; China Nanhai Oil Joint Service Corporation Shenzhen Branch v. Gee Tai Holdings Co. Ltd. 937 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 185. 938 Hong Kong Supreme Court 13.07.1994, 1992 No. MP 2411, [1994] 3 HKC 375, 20; China Nanhai Oil Joint Service Corporation Shenzhen Branch v. Gee Tai Holdings Co. Ltd.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
5. Singapur – Präklusionsmodelle im Fokus In Singapur finden sich ebenfalls weiterführende Gerichtsentscheidungen zur Präklusionsfrage.939 Zunächst ist eine Entscheidung des High Court aus 2001 beachtlich.940 Dabei ging es um die Frage, ob Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren kumulativ zueinander stünden. Dort wurde das Urteil des Supreme Court of Hong Kong aus dem Jahr 1993941 in Bezug genommen. Das Gericht in Singapur teilt die grundsätzliche Beurteilung, dass eine Partei keiner Obliegenheit zur Durchführung des Aufhebungsverfahrens unterliege. Zu verhindern sei, dass eine Partei zwei Chancen habe, indem sie „two bites at the cherry“942 erhält. In einer späteren Entscheidung des High Court standen die Präklusionswirkung aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben, die Anwendbarkeit des estoppel-Prinzips und die Wahlmöglichkeit der Verteidigungsverfahren in Frage.943 Das Gericht knüpfte an die Entscheidung aus 2001 an und beurteilte die dortige Aussage, dass die Verfahren alternativ zueinander stünden, als unproblematisch.944 Allerdings präzisierte das Gericht sein Aussage: Die Feststellungen aus 2001 seien nicht so zu verstehen, dass Anfechtungsverfahren und Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren oder gar die jeweiligen Versagungsgründe identisch sind. Es liege auf der Hand, dass sich die Aufhebungsgründe aus dem Recht des Aufhebungsstaats und die Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren aus dem Recht des Vollstreckungsstaates ergeben.945 Eine Präklusion auf Grundlage des estoppelPrinzips bzw. ein Verstoß gegen bona fides hielt das Gericht für möglich und verwies dafür noch auf den Fall Svenska Petroleum Exploration AB v. Government of the Republic of Lithuania.946 Ein klares Bekenntnis zum dua939 In Singapur trat das UNÜ am 19. November 1986 in Kraft; zum Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in Singapur bspw. Majer, Die Praxis der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem New Yorker Abkommen vom 10. Juni 1958 in der Republik Singapur, 2013, 143–155 und 170–266. 940 Singapore High Court 04.06.2001, No 600044 of 2001, [2003] 3 SLR(R), YBCA XXVIII (2003), 829. 941 Hong Kong Supreme Court Urt. 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. 942 Singapore High Court 04.06.2001, No 600044 of 2001, [2003] 3 SLR(R), YBCA XXVIII (2003), 829, 833. 943 Singapore High Court 10.02.2006, No 762 of 2004, [2006] 3 SLR 174, YBCA XXXII (2007), 489; vgl. dazu weiter UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 175, Rn. 12. 944 Singapore High Court 10.02.2006, No 762 of 2004, [2006] 3 SLR 174, 198, Rn. 53, 54, YBCA XXXII (2007), 489, 499. 945 Singapore High Court 10.02.2006, No 762 of 2004, [2006] 3 SLR 174, 199, Rn. 55, YBCA XXXII (2007), 489, 500. 946 Zu Svenska Petroleum Fn. 715; Singapore High Court 10.02.2006, No 762 of 2004, [2006] 3 SLR 174, 200, Rn. 56, YBCA XXXII (2007), 489, 501.
F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen 235
len Rechtsschutz zwischen Aufhebungsverfahren einerseits und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits lieferte das Gericht dann mit einer Entscheidung aus 2013.947 Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, indem sich die Frage stellte, ob eine Partei ein Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch hätte durchführen müssen. Dort erörterte das Gericht umfassend die Gesetzessystematik in Anlehnung am Model Law und sprach sich für einen dualen Rechtsschutz aus. Aus diesen Entscheidungen lässt sich die Erkenntnis ziehen, dass aus singapurischer Sicht die Verfahren zueinander als alternative Verteidigungsmöglichkeiten zu beurteilen sind; eine Präklusion kommt bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben in Betracht, nicht hingegen als Sanktion der bloß unterlassenen Durchführung eines Aufhebungsverfahrens.948 V. Zusammenfassung – Kurzberichte über Präklusionsmodelle in der Schweiz, Frankreich und Schweden sowie Hong Kong und Singapur Die Kurzberichte verdeutlichen, dass die Präklusionsfrage in weiteren Rechtsordnungen präsent ist. Dabei bildet das Prozessprinzip von Treu und Glauben als dogmatische Grundlage der Präklusion einen roten Faden zur Lösung dieser Fallkonstellationen. In der Schweiz wird ein eingeschränktes Präklusionsmodell für jene Verfahrensfehler diskutiert, die keinen autonomen Versagungsgrund i. S. d. Art. V UNÜ darstellen. Dann könne eine Partei mit der Rüge bestimmter Verfahrensfehler im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert sein, wenn sie diese nicht zuvor im Ursprungsstaat gerügt haben. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne, also anknüpfend an das bloße Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens, greift in den untersuchten Rechtsordnungen jedoch nicht.
F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen
Für den Vergleich wurde die Untersuchung in vier Kategorien geteilt (I.–IV.), deren Vergleichsergebnisse nun im Überblick dargestellt werden sollen (jeweils I.–IV.1.), um dann entsprechend zu jeder der vier Kategorien eine Synthese bilden zu können (jeweils I.–IV.2.). Zunächst werden mögliche Präklusionsmodelle im Diskurs der nationalen Rechtsprechung und Literatur erörtert (I.), dann wird eine Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Supreme Court of Singapore, Court of Appeal, 31.10.2013, [2013] SGCA 57, Rn. 70–74. 948 Siehe ebenfalls Majer, Die Praxis der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem New Yorker Abkommen vom 10. Juni 1958 in der Republik Singapur, 2013, 263, m. w. N. dort in Fn. 1184. 947
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Glauben und der darunter zu verstehende Maßstab von Treu und Glauben im konkreten Kontext untersucht (II.). Als dritter Aspekt wird die Beurteilung des Wortlauts von Art. V Abs. 1 UNÜ („may be refused“) dargestellt (III.) und viertens die Bewertung der Präklusion und des Präklusionsverständnisses im Rahmen des UNÜ (bzw. auch im Rahmen des Art. 36 Model Law) aus jeweils nationaler Sicht erarbeitet (IV.). I.
Mögliche Präklusionsmodelle im nationalen Diskurs
1. Zusammenfassung der Untersuchung Im Kern der Untersuchung stand die Frage, ob und wenn ja wie Präklusionsmodelle dogmatisch begründbar sind. Die Auswertung ist dabei in zwei Aspekte zu unterteilen: zum einen in die Präklusion im eigentlichen Sinne, also die Präklusion bei unterlassenem Aufhebungsverfahren, und zum anderen in eventuell daneben stehende Präklusionswirkungen. Gerade für Deutschland liefern eine Auswertung der historischen Rechtslage und der Diskurs in Rechtsprechung und Literatur differenzierte Anknüpfungspunkte einer Präklusionswirkung. Vornehmlich wird ein Ansatz diskutiert, das nationalgesetzliche Präklusionsregime aus § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO entsprechend auf ausländische Schiedssprüche zu übertragen.949 Das englische Recht steht einer Präklusion grundsätzlich offen gegenüber. Hier wird der Ansatz für eine Präklusion dogmatisch aus einem Ermessensspielraum in Sec. 103 Abs. 2 Arbitration Act 1996950 hergeleitet, wofür in der Rechtsprechung ermessensleitende Maßstäbe entwickelt wurden. Allerdings ist eine Präklusion im eigentlichen Sinne als Reaktion auf die bloß fehlende Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Aufhebungsverfahren auch für jene Fälle, in denen die Partei an die Schiedsvereinbarung gebunden war, nicht möglich. Die englischen Gerichte wenden dann ein danebenstehendes Präklusionsmodell an. Das Gericht stellt dabei vornehmlich darauf ab, ob die Säumnis der Partei, sich gegen den Schiedsspruch am Schiedsort zu verteidigen, unbillig war. Dabei erkennen die englischen Gerichte eine primäre Bindung an die Rechtsmittel im Ursprungsstaat an.951 Im belgischen Schiedsverfahrensrecht böte Art. 1717 Abs. 5 CJB einen Ansatz für ein Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne. Dies scheitert aber daran, dass das belgische Recht keine entsprechende interne Verknüpfung der Regelungen zulässt. Der Umstand, dass nicht einmal das belgische Recht diese Konsequenz zieht, verstärkt die Beurteilung, dass das Aufhebungsverfahren und das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren separat 949 950 951
Siehe Kapitel 4 – E.I.1. und 2. Der insoweit dem Wortlaut des Art. V Abs. 1 UNÜ gleicht. Siehe Kapitel 4 – E.II.2.
F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen 237
zueinander stehen. Die Verzichtsmöglichkeit in Art. 1718 CJB könnte mit theoretischen Vorüberlegungen zu einem Präklusionsmodell ausgebaut werden. Allerdings hält das belgische Recht auch hier keine Regelung vor, mit der dieser Verzicht in irgendeiner Art auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren übertragen wird. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne ist im belgischen Recht nicht herzuleiten.952 Eine danebenstehende Präklusion aus anderen Gründen, insbesondere bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben, kann allerdings zur Anwendung kommen.953 Das belgische Schiedsverfahrensrecht wurde jüngst reformiert und liefert daher einerseits die neusten Regelungen des vorliegenden Vergleichs, die andererseits aber bisher noch nicht umfassend durch Gerichte zur Anwendung kamen. Im schweizerischen Schiedsverfahrensrecht findet sich, ebenso wie im belgischen Schiedsverfahrensrecht, in Art. 192 IPRG die Verzichtsmöglichkeit auf das Aufhebungsverfahren. Allerdings scheidet auch hier eine daran anknüpfende Präklusion aus, da ein rechtstechnischer Verweis nicht gegeben ist. Allerdings findet sich zum schweizerischen Schiedsverfahrensrecht in der Literatur ein Präklusionsmodell, das an die Überlegungen zum deutschen Präklusionsmodell der Fristenübertragung erinnert. Es kann hingegen auch ein Präklusionsmodell begründet werden, das auf die Grundwertung abstellt, dass bestimmte Verfahrensfehler im Aufhebungsverfahren – und nur dort – geltend zu machen sind und ein Unterlassen dieser Geltendmachung zu einer Präklusion dieser Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren führt. Dieser Ansatz kann mit kollisionsrechtlichen Überlegungen für die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ argumentiert werden. Dann könnten die fehlende Geltendmachung der subjektiven Schiedsfähigkeit und die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, gem. Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ, ebenso präkludiert sein wie die fehlerhafte Bildung des Schiedsgerichts und ein Verstoß gegen die Vereinbarung der Parteien über das schiedsrichterliche Verfahren, gem. Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ.954 Überzeugen kann dieses Modell hingegen mit Blick auf den dualen Rechtsschutz de lege lata nicht. Das französische Schiedsverfahrensrecht ist generell als präklusionsfreundlich einzustufen, eine Präklusion im eigentlichen Sinne kann im französischen Recht hingegen nicht begründet werden.955 Die weitere kurz beleuchtete schwedische Rechtsordnung deutet keine andere Betrachtung an.956 Ein globaler Blick auf Hong Kong und Singapur hat gezeigt, wie die Präklusionsfrage dort diskutiert wurde. In Hong Kong wird über das estoppel952 953 954 955 956
Siehe Kapitel 4 – E.III.2.e). Siehe Kapitel 4 – E.III.3. Siehe Kapitel 4 – E.IV.1.a). Siehe Kapitel 4 – E.IV.2. Siehe Kapitel 4 – E.IV.3.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Prinzip, als Unterfall des Prozessprinzips von Treu und Glauben, eine Präklusion angenommen, wenn die Rüge des Verfahrensfehlers nicht hinreichend schnell bzw. kurzfristig geltend gemacht wurde. In der wesentlichen Entscheidung zu dieser Frage bekräftigte das Gericht dazu allerdings wiederum eine Ausnahme. Eine Präklusion scheide dann aus, wenn die Partei die Rüge im Schiedsverfahren stets erhoben hatte. Eine grundsätzliche Obliegenheit, Verfahrensfehler immer im Aufhebungsverfahren geltend zu machen, sah es nicht. Die Gerichte in Singapur beurteilten dies ebenso und schlossen sich dieser grundsätzlichen Ansicht an. 2. Synthese Zunächst ist festzuhalten, dass die Gesamtschau der Rechtsordnungen im Lichte der jeweiligen Rechtsprechung und Literatur nicht hervorgebracht hat, dass es ein allgemeingültiges oder auch nur abstrakt vergleichbares Präklusionsmodell gibt, wonach eine Partei im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren immer dann präkludiert ist, wenn sie trotz Kenntnis der Gründe ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat nicht durchgeführt hat. Die untersuchten Rechtsordnungen stehen einer Präklusion dennoch grundsätzlich offen gegenüber. Für die Annahme einer Präklusion müssen jedoch weitere Umstände hinzutreten, die im Allgemeinen nicht allein an das Unterlassen der Geltendmachung von Verfahrensfehlern im Aufhebungsverfahren anknüpfen dürfen. Verschiedene Ansätze lassen sich diskutieren. Der Gedanke verlockt, die Präklusionsfrist für nationale Schiedssprüche wie beispielsweise in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO oder vergleichbar beispielsweise in Art. 1717 Abs. 4 CJB957 auf ausländische Schiedssprüche zu übertragen. Damit würde ein Entscheidungseinklang zwischen den Staaten gefördert, die eine Regelung in Anlehnung an Art. 34 Abs. 3 Model Law getroffen haben. Zudem wäre für die Parteien von vornherein erkennbar, wie sich die rechtlichen Konsequenzen gestalten. Allerdings wird zu Recht entgegnet, dass die Gesetzgeber solche Regelungen explizit nur für nationale Schiedssprüche und auch nur für deren Aufhebung erlassen haben. Eine entsprechende Anwendung auf ausländische Schiedssprüche ist daher danach zu entscheiden, ob im Falle der Annahme einer vergleichbaren Interessenlage eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Im Kontext mit der belgischen und schweizerischen Regelungen zum Verzicht auf das Aufhebungsverfahren, die gerade nicht mit einer Konsequenz für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren verknüpft sind, zeigt sich das Regelungsinteresse der Gesetzgeber. Die Verteidigungsmittel sollen nebeneinander bestehen und der Verzicht bzw. im fortgedachten Sinne das Unterlassen eines AufhebungsverDort soweit allerdings ohne die Klarstellung, wie sie sich in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO findet, von der Rechtswirkung hingegen vermutlich vergleichbar. 957
F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen 239
fahren wirken sich auch nur auf diese Verteidigungsetappe aus. Eine direkte Übertragung der Fristen des Aufhebungsverfahrens auf das Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren ist daher nicht möglich. Genauer ausgewertet werden soll nun noch der Ansatz, mit dem ein Präklusionsmodell über eine Fristenanknüpfung zu begründen wäre. Damit könnte die ursprüngliche Wertung, beispielsweise aus Deutschland, fortentwickelt und um kollisionsrechtliche Überlegungen ergänzt werden. Dieser Ansatz könnte jene Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ präkludieren. Die kollisionsrechtliche Verweisung ergibt sich aus den Regelungen des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ. Hierzu lassen sich auch Satmers Überlegungen verwerten. 958 Dann könnten konsequenterweise zumindest die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ einer Präklusion unterliegen, wenn die Partei diese Verfahrensfehler nicht im Aufhebungsverfahren geltend gemacht hat.959 Dogmatisch gehen diese Gedanken auf die Parteihoheit über das Schiedsverfahren zurück und beziehen die Verzichtbarkeit der Verfahrensfehler mit ein. Steht es in der Parteihoheit, auf die Geltendmachung bestimmter Verfahrensfehler zu verzichten, käme auch eine Präklusion im eigentlichen Sinne in Betracht. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ hinsichtlich der Verfahrensfehler vorrangig auf das von den Parteien gewählte bzw. auf die Parteien anwendbare Recht und hilfsweise auf das Recht am Ort des Schiedsverfahrens abstellen. Nur konsequent ist es, diesen Verweis umfassend zu verstehen und davon ebenso die prozessualen Wirkungen zu erfassen. Damit kann ebenfalls ein Verweis auf die jeweiligen Rechtsmittel zur Geltendmachung jener Verfahrensfehler gemeint sein. Hatte eine Partei die Möglichkeit, einen Verfahrensfehler, der zu ihrer Disposition stand, mit einem Aufhebungsverfahren zu rügen und nutzte die Partei eine solche Gelegenheit nicht, ist der Verfahrensfehler nach dem anwendbaren Recht unbeachtlich und präkludiert, wenn nach dem dortigen Verfahrensrecht der Fehler nicht mehr gegen den Schiedsspruch vorgetragen werden kann. Über diesen Ansatz können hingegen nicht die Verfahrensfehler präkludiert sein, die den Verstoß gegen das rechtliche Gehör bzw. die Kenntnis über die Bestellung der Schiedsrichter und das Schiedsverfahren gem. Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ erfassen. Ebenso kann die Überschreitung der Grenzen der Schiedsabrede gem. Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ nicht präkludiert sein. Eine Prä958 Siehe Fn. 883. Diese stellten für das schweizerische Schiedsverfahrensrecht darauf ab, ob der Versagungsgrund autonom aus dem UNÜ hergeleitet wird – dann ist eine Präklusion ausgeschlossen – oder ob gegebenenfalls auch das UNÜ auf das Recht am Ort des Schiedsverfahrens verweist – dann sei eine Präklusion bei unterlassenem Rechtsmittel im Ursprungsstaat möglich. 959 Die Argumentation von Satmer (vgl. oben Kapitel 4 – E.IV.1.a), Fn. 878) bekommt durch Patocchi/Jermini Unterstützung, die Satmer allerdings unter dem Punkt des widersprüchlichen Verhaltens zitieren, siehe Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 59.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
klusion der Versagungsgründe in Art. V Abs. 2 UNÜ kommt nach dieser Überlegung ebenfalls nicht in Betracht, weil das Verfahren nicht disponibel ist und dem Schutz staatlicher Interessen dient. Aus dogmatischer Sicht muss diesem Modell entgegengehalten werden, dass es den Verweis auf ein von den Parteien gewähltes Recht bzw. das Recht am Ort des Schiedsverfahrens über den Wortlaut des Übereinkommens hinaus versteht, indem davon ebenfalls die jeweiligen Rechtsmittel vor Ort erfasst würden. Zwar ließe der Wortlaut eine entsprechende Auslegung möglicherweise zu, allerdings widerspräche es dem Grundverständnis eines sog. dualen Rechtsschutzes. Die Wahlmöglichkeit der Parteien, sich im Aufhebungsverfahren oder im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gegen einen Schiedsspruch zu verteidigen, wurde uneingeschränkt implementiert. Dies zeigt sich auch an den Verhandlungen zum später verabschiedeten Model Law. Der Rechtsschutz sollte den Parteien gerade in beiden Verfahren möglich sein. Das Modell ist daneben aus Sicht der Parteierwartungen zu kritisieren. Soll eine Präklusion doch eigentlich gerade Rechtssicherheit fördern, führte ein derartiges Präklusionsmosaik aktuell dazu, die Rechtssicherheit zu konterkarieren. Parteien wüssten bis zu einer entsprechenden Entscheidung des Gerichts im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens nicht, ob das Gericht die entsprechende Auslegung der Art. V Abs. 1 lit. a, d UNÜ teilt. Damit ist ein solches Modell de lege lata abzulehnen. Mit Blick auf die Vorteile sollte ein Präklusionsmodell hingegen aus akademischer Perspektive fortentwickelt und modifiziert werden, um es bei Bedarf de lege ferenda etablieren zu können. II. Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben 1. Zusammenfassung der Untersuchung In den betrachteten Rechtsordnungen wird das Prinzip von Treu und Glauben auch in einer prozessrechtlichen Ausprägung anerkannt und gilt ebenso im Schiedsverfahren.960 Im deutschen Recht liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben im prozessualen Kontext beispielsweise dann vor, wenn durch aktives Verhalten ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, bei dem die andere Partei davon ausgehen durfte, dass keine Versagungsgründe mehr geltend gemacht werden.961 In England kann ein Verstoß gegen good faith dann angenommen werden, wenn die eine Partei sich der anderen Partei gegenüber dahingehend geäußert hat, dass sie sich der Vollstreckung nicht widersetzen 960 Für die Beurteilung einer Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben hätte es auch keine Auswirkung, würde die Geltung von Treu und Glauben im Schiedsverfahren ablehnt werden. Mit dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren steht eine Präklusionswirkung im ordentlichen Gerichtsverfahren in Frage, dort gilt das Rechtsprinzip. 961 Siehe Kapitel 4 – E.I.3.
F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen 241
würde, später aber dennoch Versagungsgründe vorträgt.962 In Belgien wird ein ebensolcher Verstoß angenommen, wenn ein aktives Verhalten der einen Partei zu dem Vertrauen der anderen Partei führte.963 Auch in der Schweiz wird nicht bereits das bloße Unterlassen einer Geltendmachung im Aufhebungsverfahren als Verstoß gegen Treu und Glauben bewertet. Auch hier muss vielmehr ein aktives Verhalten hinzu treten.964 In Hong Kong hingegen liegt ein Verstoß bereits dann vor, wenn ein Verfahrensfehler nicht umgehend gerügt und im späteren Verfahrensverlauf dennoch vorgetragen wird. Darin ist eine gewisse Passivität zu sehen, soweit das Gericht auf ein sprichwörtliches Ass im Ärmel965 abstellt, welches sich eine Partei für den aus ihrer Sicht richtigen Moment vorbehält.966 2. Synthese Soweit ist zunächst zusammenzutragen, dass die Begründung einer Präklusion im eigentlichen Sinne über den dogmatischen Weg eines Verstoßes gegen Treu und Glauben daran scheitert, dass die meisten Rechtsordnungen ein aktives Verhalten fordern, welches bei der anderen Partei das Vertrauen hervorruft bzw. unterhält. Ein solches aktives Verhalten fehlt hingegen, wenn die Partei es bloß unterlässt, ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat durchzuführen. Besonders interessant ist nun neben der Feststellung, dass der Grundsatz von Treu und Glauben auch zwischen Schiedsparteien zu berücksichtigen ist, die Bestimmung eines genaueren Maßstabs für dessen Anwendung. Praktisch stellt sich die Frage, welches Verhalten einer Partei im Nachgang zu einem Schiedsverfahren und im Zusammenhang mit einem möglichen Aufhebungsverfahren als treuwidrig qualifiziert und mit einer Präklusion sanktioniert werden kann. Es kann festgehalten werden, dass nach den hier untersuchten Rechtsordnungen nur ein aktives Verhalten einer Partei zu einem treuwidrigen Verstoß führen kann, wenn dieses Verhalten bei der anderen Partei ein Vertrauen hervorrief. Einen Maßstab der Treuwidrigkeit zu bestimmen ist deshalb eine besondere Aufgabe, weil das UNÜ gerade auf eine einheitliche Auslegung und Anwendung ausgerichtet ist. Es soll gewährleistet werden, dass Vertragsstaaten Siehe Kapitel 4 – E.II.3. Siehe Kapitel 4 – E.III.3. 964 Siehe Kapitel 4 – E.IV.1.c). 965 Siehe „[…] its obvious policy of keeping this point up its sleeve to be pulled out only if the arbitration was lost […]“, Hong Kong Supreme Court 13.07.1994, 1992 No. MP 2411, [1994] 3 HKC 375, 20; China Nanhai Oil Joint Service Corporation Shenzhen Branch v. Gee Tai Holdings Co. Ltd. 966 Siehe Kapitel 4 – E.IV.4. 962 963
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
des UNÜ einheitliche Interpretationen zugrunde legen.967 Für die Schiedsgerichtsbarkeit ist es elementar, dass Parteien rechtsordnungsunabhängig einschätzen können, ob und wann ein Verhalten derart gegen Treu und Glauben verstößt, dass dies zu einer Präklusion im Rahmen des UNÜ führen könnte. Mit Blick auf ein solches Erfordernis einer einheitlichen Auslegung überzeugt es nicht, wenn Gerichte wie der BGH ein nationales Begriffsverständnis zugrunde legen.968 Ausführungen, die ihre Definition daran ausrichten, dass „nach deutschem Recht“969 bestimmte Voraussetzungen von Treu und Glauben erfüllt sein müssen, lassen eine übereinkommensautonome Auslegung vermissen.970 III. Ermessensspielraum in Art. V Abs. 1 UNÜ 1. Zusammenfassung der Untersuchung In Deutschland wird ein Ermessen im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ nach vorherrschender Ansicht abgelehnt. Aus dieser vorherrschenden Beurteilung des deutschen Rechts ist das Gericht bei Vorliegen eines Versagungsgrundes daran gebunden, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu versagen.971 Auch in der Schweiz wird dem Gericht kein generelles Ermessen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zugesprochen.972 International besteht hingegen unter vielen Rechtsordnungen eine Einigkeit dahingehend, dass einem Gericht ein gewisser Ermessensspielraum im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ zustehen soll. Sowohl in England als auch in Belgien können Gerichte im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auf ein Ermessen zurückgreifen, dies gilt in der Tendenz beispielsweise auch in Hong Kong, Singapur und Frankreich. Allerdings wird dieses Ermessen wiederum nicht grenzenlos gewährt. Die ermessensleitenden Maßstäbe variieren dabei zwischen den Rechtsordnungen. 2. Synthese Selbst wenn das UNÜ einem Gericht einen Beurteilungsspielraum über Art. V Abs. 1 UNÜ zuspräche, kann über dieses Ermessen keine Präklusion im eigentlichen Sinne hergeleitet werden. Zumindest die ermessensleitenden Vgl. Kapitel 1 und Kapitel 4 – B.II.3. BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105; dem ging die Entscheidung OLG München, Beschl. vom 23.11.2009 – 34 Sch 13/09, SchiedsVZ 2010, 50 voraus. 969 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107; in Bezug genommen von LG München I, Urt. vom 26.02.2014 – 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100, 108. 970 Eine Definition eines treuwidrigen Verhaltens findet sich in Kapitel 5 – B. 971 Mit einer Gegenausnahme im Bereich von willkürlichen Entscheidungen. 972 Siehe Kapitel 4 – E.IV.1. 967 968
F. Vergleich und Synthese der Erkenntnisse aus den nationalen Rechtssystemen 243
Maßstäbe sehen es nicht vor, dass eine Partei für das Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit Versagungsgründen präkludiert wäre. Allerdings findet sich in diesem Ermessen des Art. V Abs. 1 UNÜ teilweise die dogmatische Grundlage, einen Verstoß gegen Treu und Glauben mit einer Präklusion zu sanktionieren. Insoweit ist die Frage nach einem Ermessen, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu versagen, von Relevanz. Diese dogmatische Grundlage im Art. V Abs. 1 UNÜ steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Beurteilungsspielraum keine Präklusion im eigentlichen Sinne zulässt. Denn einem Verstoß gegen Treu und Glauben liegt ein Verhalten zugrunde, das außerhalb der Erwartungen des UNÜ an das Parteiverhalten liegt. Derartige Sonderfälle auszugleichen ist – nach entsprechender Beurteilung – eine der Aufgaben des Beurteilungsspielraums. IV. Präklusionsverständnis innerhalb des UNÜ aus nationaler Sicht 1. Zusammenfassung der Untersuchung Die betrachteten Rechtsordnungen stellen einheitlich fest, dass das UNÜ zwar keine explizite Präklusionsvorschrift enthalte, eine Auslegung des UNÜ mit einem Blick auf die Entstehungsgeschichte und aus Gesichtspunkten der Effizienz aber dafür spricht, dass das UNÜ einer Präklusion offen gegenübersteht. Insbesondere eine Präklusion als Sanktion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben wird einheitlich befürwortet. Dies liegt auch daran, dass das Prozessprinzip von Treu und Glauben nicht nur in den betrachteten Rechtsordnungen in irgendeiner Ausprägung angelegt ist, sondern dieses Prinzip auch als im UNÜ verankert gilt. Folglich kann hierzu festgehalten werden, dass zumindest dann eine Präklusion möglich ist, wenn eine Partei mit ihrem Verhalten gegen Treu und Glauben verstößt. Damit ist hingegen noch nicht festgestellt, welcher Maßstab der Treuwidrigkeit hierfür zugrunde zu legen ist.973 Ein weiterer Aspekt der Präklusionswirkung ist das Verständnis zum Verhältnis zwischen dem Aufhebungsverfahren einerseits und dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits. Explizit angesprochen wurde dies in den ausgewerteten Entscheidungen aus Hong Kong, Singapur und England. Die Gerichte setzten sich mit der Frage auseinander, ob eine Partei eine Obliegenheit trifft, das Aufhebungsverfahren durchzuführen, wenn sie sich bestimmte Rügen für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vorbehalten bzw. sichern will. Hierbei beurteilten die Gerichte das Verhältnis der einzelnen Verteidigungsverfahren so, dass Parteien die Wahlmöglichkeit haben, sich in dem einen oder dem anderen Verfahren gegen den Schiedsspruch zur Wehr zu setzen. In den Entscheidungen aus Hong Kong findet sich die Feststellung, dass eine Verteidigung im Anerken973
Hierzu wird auf die soeben vorgestellte Untersuchung verwiesen, Kapitel 4 – F.II.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
nungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auch dann möglich bleibt, wenn die Partei kein Aufhebungsverfahren durchführte.974 Die dogmatische Grundlage wird darin gesehen, dass weder das UNÜ noch das nationale Schiedsverfahrensrecht eine entsprechende Obliegenheit enthält.975 Eine solche Beurteilung deckt sich mit den Auswertungen der Entstehungsgeschichte zum UNÜ und Model Law; aus diesen Materialen ergibt sich, dass die Verfahren zueinander so gestaltet sind, dass eine Partei auswählen kann, ob und wie sie sich jeweils verteidigt. 2. Synthese Im Rahmen des UNÜ ist eine Präklusion von Versagungsgründen möglich. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne kann aber nicht verallgemeinert angenommen werden. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann, wie zuvor zusammengefasst, mit einer Präklusion sanktioniert werden. Zudem trägt das UNÜ in sich das Verständnis eines dualen Rechtsschutzes,976 wonach das Aufhebungsverfahren und das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren als Optionen zur Wahlfreiheit der Parteien stehen.
G. Exkurs – Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen G. Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen
Die Gesamtbetrachtung der Präklusion im eigentlichen Sinne wirft die Frage auf, ob und in welchem Umfang es in der Parteihoheit liegt, durch vorherige Vereinbarung auf Rechtsbehelfe im Nachgang eines Schiedsverfahrens zu verzichten (sog. exclusion agreement). Zwar würden die Parteien so keine Präklusionswirkung vereinbaren, allerdings wäre das Resultat eines wirksamen Verzichts vergleichbar. Diese Auswirkung des Ausschlusses weiterer Rechtsmittel würde lediglich über einen anderen modus operandi erreicht werden. In diesem Kontext ist an Regelungen der Schiedsverfahrensrechte Belgiens, Frankreichs, Schwedens und der Schweiz zu denken. Dort können Parteien unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen auf ein Aufhebungsverfahren verzichten. Weitergedacht lässt sich diskutieren, ob Parteien dem 974 Hong Kong Supreme Court Urt. 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. 975 Hong Kong Supreme Court Urt. 15.01.1993, 1991 No. MP 2219, [1993] 2 HKLR 39, Paklito Investment Limited v. Klockner East Asia Ltd. Dies wird durch einen Aspekt ergänzt, den beispielsweise ein Gericht in Singapur als „two bites at the cherry“ umschrieb, Singapore High Court 04.06.2001, No 600044 of 2001, [2003] 3 SLR(R), YBCA XXVIII (2003), 829, 833. 976 Siehe Kapitel 4 – C.III; Kröll, IPRax 2007, 430, 434.
G. Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen
245
Schiedsspruch vorausgehend oder nachgelagert darauf verzichten können, im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eine Anerkennungsversagungseinrede zu erheben. Zunächst wird untersucht, zu welchem Zeitpunkt eine Partei wirksam auf ein Aufhebungsverfahren verzichten kann, unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist und ob es einer positiven Normierung bedarf, damit diese Möglichkeit eröffnet ist (I.). Danach wird geklärt ob, und wenn ja unter unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht der Anerkennungsversagungseinrede im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich ist (II.). I.
Verzicht auf das Aufhebungsverfahren
Ein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren ist ein umfassender Ausdruck der Parteiautonomie.977 Bei der Beurteilung einer Verzichtsmöglichkeit geht es folglich um die Frage, in welchem Umfang die Parteien ihre Autonomie im Rahmen des Aufhebungsverfahrens i. S. d. Art. 34 Model Law ausüben können.978 Bereits angesprochen wurde, dass einige Schiedsverfahrensrechte eine solche Verzichtsoption enthalten. Umfangreiches Fallmaterial liegt zu dieser Frage bisher jedoch nicht vor.979 Den Verzicht positiv geregelt haben beispielsweise die Schiedsverfahrensrechte Belgiens, der Schweiz und Frankreichs und eröffnen den Parteien unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, durch Vereinbarung auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten. Die Voraussetzungen für einen wirksamen Verzicht sind dabei die Erfüllung bestimmter persönlicher Merkmale und eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien.980 977 In bestimmten Interessenlagen kann sich ein Verzicht anbieten, sollte allerdings individuell von Fall zu Fall abgewogen werden, Alfons, Recognition and Enforcement of Annulled Foreign Arbitral Awards, 2010, 178–180; Guglya, in: Bělohlávek/Rozehnalová (Hrsg.), Party autonomy versus autonomy of arbitrators, 2012, 81, 101, Rn. 5.41. 978 UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, Art. 34, 135. 979 Vgl. dazu ebenfalls Columbia Arbitration Day 2013, New York City, 8. März 2013, Discussion Panel 3: “ Waiver Of The Right To Set Aside“. 980 Bspw. gem. Art. 1522 Abs. 1 NCPC: Durch eine individuelle und ausdrückliche Vereinbarung können die Parteien jederzeit auf ihr Recht verzichten, ein Aufhebungsverfahren (gegen einen Schiedsspruch) zu betreiben; Text im Original: „Par convention spéciale, les parties peuvent à tout moment renconcer expressément au recours en annulation.“ Übersetzung durch den Verfasser. Basierend auf der Übersetzung ins Englische von Gaillard/LeleuKnobil/Pellarini, . Der Verzicht im französischen Recht könne mitunter sogar ordre public-Verstöße erfassen, dazu Várady, Annals Fac. L. Belgrade Int’l 2009, 6, 18, wenn der Verzicht erklärt wird, nachdem der Streifall entstanden ist. Siehe zum Rechtsmittelverzicht in Art. 192 IPRG bspw. Jermini, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht, 1997, 363–367, Rn. 736– 746. Zum italienischen Recht vgl. knapp Frignani, The European Legal Forum 2013, 65, 69.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Zur entsprechenden Regelung des belgischen Rechts in Art. 1718 CJB981 ist ein kurzer Blick auf ihre historische Entwicklung aufschlussreich. Die aktuelle Fassung des Art. 1718 CJB trat mit der Gesetzesänderung zum 1. September 2013 in Kraft. Zuvor galt die vergleichbare Regelung des Art. 1717 Abs. 4 CJB. Im Anwendungsbereich des Art. 1717 Abs. 4 CJB wurde den Parteien die Möglichkeit eröffnet, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten. Diese Regelung änderte damit die alte, vor Mai 1998 geltende, Fassung des Artikels. Dort hatte der belgische Gesetzgeber zum 27. März 1985 folgenden Art. 1717 Abs. 4 CJB beschlossen: „Belgian Courts may not entertain an application to set aside an arbitral award unless at least one of the parties to the dispute resolved by the award is a physical person of Belgian citizenship or domiciled in Belgium or a legal person incorporated or having a branch or some kind of seat of operations in Belgium“.982
Damit sah Art. 1717 Abs. 4 CJB a. F. automatisch vor, dass ein Aufhebungsverfahren immer dann ausgeschlossen war, wenn keine der Parteien irgendeine Verbindung zu Belgien hatte.983 Ein Hintergedanke dieser Regelung war es, Belgien als Schiedsort zu bewerben und zu fördern.984 Die Vorschrift wurde stellenweise als erfolgreich bewertet.985 Die Maßnahme zur weitgehenden Abschaffung eines Aufhebungsverfahrens galt zunächst als fortschrittlich für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit.986 Allerdings sprechen die Änderung der Rechtslage 1998, mit der ein Aufhebungsverfahren wieder als Standard implementiert wurde, und die faktischen Fallzahlen deutlich für einen Misserfolg.987 Der Grund für diesen Misserfolg liegt ebenfalls Früher 1717 Abs. 4 CJB, heute Art. 1718 CJB: „De partijen kunnen door een uitdrukkelijke verklaring in de arbitrageovereenkomst of door een latere overeenkomst elke vordering tot vernietiging van een arbitrale uitspraak uitsluiten, wanneer geen van hen een natuurlijke persoon met de Belgische nationaliteit of met woonplaats of gewone verblijfplaats in België is of een rechtspersoon die haar statutaire zetel, voornaamste vestiging of een bijkantoor in België heeft“. 982 Wortlaut nach Smit/Pěchota, National Arbitration Laws, BEL B(2)-15; zu dieser Gesetzesänderung und ihrer Entwicklung van Houtte, Revue de l’Arbitrage 1986, 29. 983 Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 50. Dies galt unter der Einschränkung, dass kein Verstoß gegen den ordre public vorlag, dann war eine Aufhebung des Schiedsspruchs weiterhin möglich, Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Belgium, Lieferung 45, April 2007. 984 Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 911, Rn. 1594. 985 van Houtte, Revue de l’Arbitrage 1986, 29, 42; Paulsson, Arbitration International (2) 1986, 68, 68. 986 Vgl. Paulsson, Arbitration International (2) 1986, 68, 69–70. 987 Einhorn, Yearbook of Private International Law 2010, 43, 62–63; Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 709; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 981
G. Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen
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in den Erwartungen und Bedürfnissen der Parteien: „The prudence of the parties, who are more concerned about certainty than about rapidity end economy, at least when significant interests are at stake“.988 Das schweizerische Schiedsverfahrensrecht enthält ebenfalls eine Regelung, die mit Art. 1718 CJB vergleichbar ist.989 Die schweizerische Vorschrift in Art. 192 IPRG990 hat dabei allerdings der Parteihoheit den Vorrang gegeben und keinen generellen Ausschluss991 des Aufhebungsverfahrens eingeführt.992 Der Gesetzgeber entschied sich vermutlich nicht zuletzt deshalb für eine solche Regelung, weil die belgische Regelung als zu weitgreifend angesehen wurde und zu befürchten war, dass ein Verzichtsautomatismus abschrecken würde.993 Einem Zweifel, ob Art. 192 IPRG mit Art. 6 EMRK zu vereinbaren ist, tritt die Rechtsauffassung des schweizerischen Bundesgerichts entgegen.994 Von der geschaffenen Verzichtsmöglichkeit wurde damals kaum Gebrauch gemacht.995 Weitere Rechtsordnungen eröffnen Parteien eine dem schweizerischen Modell vergleichbare Verzichtsmöglichkeit: seit 1993 in Tunesien996, seit 1993 in Peru997, seit 1999 in Schweden998 und Panama999, 2007, 272–273; Gharavi, The international effectiveness of the annulment of an arbitral award, 2002, 27, der von einem Boomerang-Effekt sprach, der zu einem Arbitration Embargo führte; Hanotiau/Block, Arbitration International (15) 1999, 97, 99. 988 Poudret, Revue de l’Arbitrage 1988, 595, 616, Übersetzung ins Englische van den Berg, van den Berg, in: Lillich/Brower (Hrsg.), International Arbitration in the 21st Century, 1994, 133, 145. 989 Siehe Kapitel 4 – E.IV.1. 990 Der Art. 192 IPRG trat am 01.01.1989 in Kraft. Zur Regelung des Art. 192 IPRG Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 3–64; Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 192, ab Rn. 1; Born, International Commercial Arbitration, 2014, §25.07, 3365–3366. 991 Dazu aber Rehm, der dafür argumentiert, einen Verzicht de lege ferenda umfassend zuzulassen, Rehm, Die Schiedsgerichtsbarkeit im Rechtssystem, 2009, 77–78, Rn. 285. 992 Vgl. zu dieser Vorschrift Liebscher, The Healthy Award, 2003, 377; weiterführend Jermini, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht, 1997, 363– 373, Rn. 736–761. 993 Ebenso Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 911, Rn. 1594. 994 BG 04.01.2012, 4A 238/2011, ASA Bulletin 2012, 369. Dort entschied das BG, dass Art. 192 IPRG mit Art. 6 EMRK vereinbar ist. 995 van den Berg, in: Lillich/Brower (Hrsg.), International Arbitration in the 21st Century, 1994, 133, 145. 996 Dort Art. 78 Abs. 6 Tunisian Arbitration Act; vgl. Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 84–85. Englische Übersetzung bei Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Tunisia: Annex I – 1, 16–17, Lieferung 56, September 2009. 997 Dort Art. 63 Peruvian Arbitration Act (Decreto Legislativo No. 1071) vgl. Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 85–86. Im Detail dazu Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Peru – 33, Lieferung 61, September 2010.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
seit 2001 in der Türkei1000 und Mauretanien1001, seit 2009 in Bahrain1002 und seit 2011 in Frankreich1003. 1. Kein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren durch eine Finalitätsvereinbarung in der Schiedsabrede bzw. durch eine Vereinbarung institutioneller Schiedsverfahrensregeln Soweit wurde geklärt, dass Parteien in einigen Rechtsordnungen und unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit haben, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten. Damit kann sich nun zunächst dem Aspekt gewidmet werden, dass die häufig in Schiedsabreden vereinbarte Finalität des Schiedsspruchs nicht sogleich einen Verzicht auf ein Aufhebungsverfahren bedeutet. Regelmäßig bringen Schiedsvereinbarungen zum Ausdruck, dass „alle Streitigkeiten die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, nach den [Bezeichnung Schiedsregeln] von einem Einzelschiedsrichter mit Sitz in [Schiedsort] final und bindend entschieden werden“.1004 Vergleichbare Formulierungen finden sich in den meisten, wenn nicht sogar allen,1005 Schiedsverfahrensregeln und in Modellklauseln der Schiedsinstitutionen.1006 Die 998 Art. 51 I Swedish Arbitration Act (Lagen om skijefördarande, SFS 1999:116); siehe Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 709; zum Hintergrund Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 77–80. 999 Dort Art. 36 Panama Arbitration Law, Decreto Ley No. 5; vgl. Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 86. 1000 Dort Art. 15 A) (5) Turkish International Arbitration Law (IAL, Law No. 4686), vgl. Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 87–88. Englische Übersetzung bei Sanders/van den Berg (Hrsg.): International Handbook on Commercial Arbitration, 1984, Turkey: Annex I – 1, 11, Lieferung 43, März 2005. 1001 Art. 59 Abs. 4 lit. b Mauritanien Arbitration Code (Loi mauritanienne portant code de l’arbitrage, No 2000-06), Revue de l’Arbitrage 2001 (4), 935–960; vgl. Guglya, in: Bělohlávek/Rozehnalová (Hrsg.), Party autonomy versus autonomy of arbitrators, 2012, 81, 84, Rn. 5.05, dort mit englischer Übersetzung in Fn. 5. 1002 Zu Bahrain siehe Born, International Commercial Arbitration, 2014, 3367 dort in Fn. 1151. 1003 Dort Art. 1522 NCPC. 1004 Weitere Beispielklauseln finden sich gesammelt bei Gaillard/Savage, Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, 153–155, Rn. 310–315. 1005 Lalive, Revista Internacional de Arbitragem e Conciliaçao-Año I-2008 2009, 109, 113. 1006 So lautet die Modell-Schiedsklausel der ICC: „All disputes arising out of or in connection with the present contract shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce by one or more arbitrators appointed in accordance with the said Rules.“ Abrufbar unter: . Die Modell-Schiedsklausel der DIS lautet: „Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution
G. Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen
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Finalität des Schiedsspruchs wird häufig durch einen Verzicht auf Rechtsmittel flankiert.1007 Von diesem Verzicht auf Rechtsmittel wird das Anfechtungsbzw. Aufhebungsverfahren allerdings nicht erfasst.1008 Sinn und Zweck eines Verzichts auf Rechtsmittel wie Berufung und Revision ist es, das Verfahren effizient zu gestalten und zu verhindern, dass die Parteien nach dem Schiedsverfahren die Möglichkeit haben, den Fall materiell-rechtlich neu aufzurollen. Rechtsmitteltaktiken, mit denen Parteien allein beabsichtigen, das Verfahren zu verzögern, sind zu kritisieren.1009 Es würde hingegen nicht überzeugen, aus dieser Betrachtung zu schlussfolgern, dass die Finalitätsvereinbarung zugleich einen Verzicht auf Rechtsmittel im Aufhebungsverfahren bedeuten solle. Es widerspräche dem Schutzmechanismus und Konzept des Aufhebungsverfahrens, wenn es allein deshalb ausgeschlossen wäre, weil die Parteien einen finalen Schiedsspruch vereinbarten. Verhindert werden soll mit der Finalitätsvereinbarung lediglich eine Überprüfung des materiell-rechtlichen Gehalts des Schiedsspruchs. Das ist jedoch im Aufhebungsverfahren nicht vorgesehen.1010 Für ein solches Auslegungsverständnis können beispielsweise Entscheidungen schweizerischer Gerichte angeführt werden. Im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Verzichtsvereinbarung i. S. d. Art. 192 IPRG vorlag, hatten Gerichte mehrfach zu klären, ob sich eine solche Vereinbarung aus dem Wortlaut der Finalität in der Schiedsvereinbarung herleiten ließe.1011 Die für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden.“ Abrufbar unter: . 1007 Diese Beobachtung findet sich bereits in den travaux préparatoires zum UNÜ. Durch die Konsultation verschiedener Schiedsinstitutionen wurde festgestellt, dass zahlreiche institutionelle Schiedsregelwerke Regelungen enthalten, mit denen die Parteien vorab darauf verzichten, gegen den Schiedsspruch Rechtsmittel wie Berufung oder Revision einzulegen, UN Doc E/CONF.26/4, 14, „require the parties […] to waive in advance their right to any form of appeal from the arbitral award to regular courts“. 1008 Berger, RIW 2001, 7, 19. 1009 Lalive diskutierte die Frage, ob der Gerechtigkeit oder der Finalität, ob also der rechtlich richtigen Entscheidung oder der Rechtssicherheit Vorzug zu gewähren ist, Lalive, Revista Internacional de Arbitragem e Conciliaçao-Año I-2008 2009, 109, 115. Zu häufig hätten Parteien die Verfahrensmöglichkeiten zweckentfremdet, um die Vollstreckungseffizienz lahmzulegen, Lalive, Revista Internacional de Arbitragem e Conciliaçao-Año I-2008 2009, 109, 114, dort Fn. 8. 1010 Der begrenzte Katalog der Aufhebungsgründe zielt nicht auf eine inhaltliche Nachprüfung des Schiedsspruchs, sondern auf eine Überprüfung der prozessualen Rahmenbedingungen ab. 1011 Bspw. BG 02.07.1997, ASA Bulletin 1997, 494. Die streitgegenständliche Klausel endete mit: Anträge an staatliche Gerichte sind ausgeschlossen, (Übersetzung durch den Verfasser), orig. „The application to the State Courts are [sic] excluded“; vgl. ebenfalls BG 04.02.2014, ASA Bulletin 2014, 356, 360–361.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
Gerichte entschieden, dass allein der Wortlaut noch keine Einigung erkennen lässt, auf spätere Rechtsmittel zu verzichten.1012 In diesem Zusammenhang ist eine weitere Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts beachtlich.1013 In einem CAS Schiedsverfahren zwischen der ATP Tour und einem Tennisspieler wurde ein Schiedsspruch erlassen, gegen den der Tennisspieler ein Aufhebungsverfahren einleitete. Das schweizerische Bundesgericht hob den Schiedsspruch auf, obgleich zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens eine standardmäßige Vereinbarung getroffen wurde, wonach die Entscheidung „final, nicht überprüfbar, nicht mit Rechtsmitteln angreifbar und vollstreckbar“ sein sollte. Die Aufhebungsentscheidung begründete das Bundesgericht überzeugend damit,1014 dass ein Profispieler keine Verhandlungsmacht habe, die Regeln und Bedingungen der ATP Tour zu bestimmen. Kurz wird nun dargelegt, dass institutionelle Schiedsverfahrensregeln zwar ordentliche Rechtsmittel ausschließen können, davon allerdings nicht ein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren umfasst ist. Entsprechende Formulierungen wie beispielsweise in Art. 34 Abs. 6 ICC Rules of Arbitration könnten anregen, die dortige Regelung zum Verzicht auf „any form of recourse“ so auszulegen, dass das hiervon ebenfalls ein Aufhebungsverfahren erfasst und damit ausgeschlossen wäre.1015 Gegen eine solche Auslegung sprechen allerdings die Systematik der ICC Rules of Arbitration und ebenso Meinungen in Literatur und Rechtsprechung.1016 Eine derart pauschale Regelung wie der 1012
361.
BG 02.07.1997, ASA Bulletin 1997, 494; BG 04.02.2014, ASA Bulletin 2014, 356,
BG 22.03.2007, ASA Bulletin 2007, 592; siehe auch Hinweis bei Lalive, Revista Internacional de Arbitragem e Conciliaçao-Año I-2008 2009, 109, 119. 1014 Ebenso Lalive, Revista Internacional de Arbitragem e Conciliaçao-Año I-2008 2009, 109, 119. 1015 So enthalten bspw. die Schiedsverfahrensregeln der ICC in Art. 34 Abs. 6 folgende Vorschrift: „Every award shall be binding on the parties. By submitting the dispute to arbitration under the Rules, the parties undertake to carry out any award without delay and shall be deemed to have waived their right to any form of recourse insofar as such waiver can validly be made.“ Im Unterschied zur Formulierung in den travaux préparatoires wurde in den ICC Rules of Arbitration dann statt „right to any form of appeal“ die Formulierung „any form of recourse“ aufgeführt. 1016 Webster/Bühler, Handbook of ICC Arbitration, 2014, 514, Rn. 34-25 und Rn. 3427, ebenso bspw. Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), 1338, Rn. 15.996–15.998, m. w. N. zu Literatur und Rechtsprechung in den Fn. 678–681, allerdings noch zum Art. 28 Abs. 6 ICC Rules of Arbitration (1998), (Art. 28 Abs. 6 war inhaltsgleich zur neuen Regelung des Art. 34 Abs. 6). Weitere Nachweise mit Rechtsprechung bei Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V UNÜ, Rn. 69, dort in Fn. 120. Dies wird ebenso für die Regelung in den Schiedsverfahrensregeln der LCIA gelten; Art. 26 (9) enthält eine Vereinbarung, mit der die Parteien auf jegliche Rechtsmittel verzichten: „[…] the parties also waive irrevocably their right to any form of appeal, review or recourse to any state court or other judicial authority, 1013
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Art. 34 Abs. 6 ICC Rules of Arbitration kann nicht zu einem Ausschluss des Aufhebungsverfahrens führen.1017 Etwas anderes ergibt sich ebenso wenig aus den neuen belgischen CEPANI Arbitration Rules (2013). Im dortigen Art. 32 Abs. 2 wird ein Verzicht angenommen, soweit nicht das nationale Recht eine explizite Vereinbarung verlangt.1018 Diese Regelung ist ebenfalls so zu verstehen, dass ordentliche Rechtsmittel ausgeschlossen werden sollen, nicht hingegen das Aufhebungsverfahren. Diese Regelungen legen nahe, dass in der Praxis gewisses Bedürfnisse für Verzichtsoptionen bestehen. Dahinter steht das Interesse, das Schiedsverfahren und die Erfüllung der Ansprüche schnell und effizient abzuschließen. Diesem Interesse entspricht es, mögliche Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch auszuschließen, soweit nationale Rechtsordnungen solche Rechtsmittel zulassen. Allerdings ist davon nicht zugleich ein Aufhebungsverfahren erfasst, weil das Aufhebungsverfahren, wie dargestellt, kein klassischer ordentlicher Rechtsbehelf ist. 2. Verzicht auf das Aufhebungsverfahren in Ermangelung einer positiven Regelung im deutschen Recht de lege lata Eine ausdrückliche Möglichkeit, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten, sehen bisher noch nicht viele Rechtsordnungen vor.1019 Häufiger gibt es dazu überhaupt keine Regelungen.1020 Dann stellt sich die Frage, ob ein solcher insofar as such waiver may be validly made.“ Darunter ist kein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren zu verstehen. 1017 Ebenso wenig kann davon der Ausschluss von Versagungsgründen im Rahmen eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens erfasst sein, Webster/Bühler, Handbook of ICC Arbitration, 2014, 514, Rn. 34-25. 1018 Art. 32 Abs. 2 CEPANI Arbitration Rules (2013): „By submitting their dispute to arbitration under CEPANI Rules and except where an explicit waiver is required by law, the parties waive their right to any form of recourse insofar as such a waiver can validly be made“. 1019 Ebenso Bajons, in: Bammer (Hrsg.), Rechtsschutz gestern – heute – morgen, 2008, 703, 709; zudem Strick/Hoefnagel, (vom 11.01.2012); Columbia Arbitration Day 2013, New York City, 8. März 2013, Discussion Panel 3: „Waiver Of The Right To Set Aside“; Born, International Commercial Arbitration, 2014, §25.07, 3368; Guglya, in: Bělohlávek/Rozehnalová (Hrsg.), Party autonomy versus autonomy of arbitrators, 2012, 81, 87, Rn. 5.07. 1020 Das englische Schiedsverfahrensrecht enthält keine entsprechende positive Regelung. Zwar können die Parteien im englischen Recht auf eine materiell-rechtliche Überprüfung eines Schiedsspruchs verzichten, diese Regelung erfasst hingegen nicht das Aufhebungsverfahren, Sec. 69 Abs. 1 Arbitration Act 1996, sog. appeal on point of law; dazu Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 52; Born, International Commercial Arbitration, 2014, §25.07, 3367. Das englische
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parteiautonomer Verzicht unabhängig von einer positiven Regelung wirksam vereinbart werden kann. Ein entsprechender Verzicht auf ein Aufhebungsverfahren ist – wenn überhaupt – nur wirksam, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren.1021 In Ergänzung des obigen Rechtsvergleichs wird hier am Beispiel der deutschen Rechtsordnung die Verzichtsmöglichkeit des Aufhebungsverfahrens untersucht. Mangels einer expliziten Regelung im deutschen Recht ist zu klären, ob diese Lücke zugleich einen Ausschluss einer Verzichtsmöglichkeit bedeutet, oder aber ob dieser Mangel einer entgegenstehenden Regelung einen Verzicht ermöglicht. Die Frage, ob das Aufhebungsverfahren dispositiv ist, ist unter dem Aspekt der Rechtsschutzgewährung von erheblicher Bedeutung. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass ein Verzicht des Aufhebungsverfahrens zulässig ist bzw. jedenfalls de lege ferenda zuzulassen sein wird. Zunächst ist ein Aufhebungsverfahren möglicherweise deshalb unverzichtbar, weil es beispielsweise dazu dient, vor Fehlentscheidungen zu schützen, einen präventiven Druck auf die Schiedsrichter zu erzeugen und die Wahrung staatlicher Interessen zu gewährleisten.1022 Zu der Möglichkeit, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten, wird vermehrt die Ansicht vertreten, dass die Parteien nicht bereits vor Beginn eines Schiedsverfahrens auf ein Aufhebungsverfahren verzichten können.1023 Das Aufhebungsverfahren sei als KonRecht steht einem Verzicht des Aufhebungsverfahrens entgegen, Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 52; verweist auch auf Sec. 68 Abs. 4 Arbitration Act 1996; Weigand (Hrsg.): Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. (2009), Karali/Ballantyne zum Bericht über England, 403, Rn. 5.266; Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 97; Born, International Commercial Arbitration, 2014, §25.07, 3366– 3367. Allerdings ist ein faktischer Verzicht dadurch denkbar, dass keine der Parteien ein Aufhebungsverfahren einleitet, Liebscher, The Healthy Award, 2003, 371. Das spanische Schiedsverfahrensrecht sieht einen Verzicht des Aufhebungsverfahrens nicht vor, Penalver, InDret (2007), 1, 11. 1021 Ein stillschweigender Verzicht könnte bedeuten, dass die Parteien durch bloßes Nichtstun auf die Möglichkeit eines Aufhebungsverfahrens verzichten. Die Möglichkeit eines stillschweigenden Verzichts soll hier jedoch gleich verneint werden. Der stillschweigende Verzicht auf das Aufhebungsverfahren wird deshalb nicht möglich sein, weil die Parteien durch eine solche Vereinbarung zugleich auf den Anspruch des rechtlichen Gehörs verzichten. 1022 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 479–497, Solomon erörtert diesen Aspekt umfassend im Zusammenhang mit der Untersuchung, ob ein Aufhebungsverfahren grundsätzlich notwendig ist. 1023 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 53, m. w. N. dort in Fn. 243; Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1059, Rn. 39; Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtbarkeit, 2013, 93 dort Fn. 610; ebenso Liebscher, The Healthy Award, 2003, 374–375; Berger, RIW 2001, 7, 19. Konsequenterweise träfe diese Beurteilung ebenso auf Umgehungsmechanismen wie eine Reduzierung der Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO „auf Null“, Berger, RIW 2001, 7, 19.
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trollbehelf zwingend gesetzlich vorgeschrieben und könne deshalb nicht zur Disposition der Parteien stehen.1024 Solche Verzichtsvereinbarungen (exclusion agreements) verstießen gegen das öffentliche Interesse, welches eine Aufsicht über die Schiedsgerichte durch staatliche Gerichte fordere.1025 So seien solche Prozessverträge nur zulässig wenn ihnen weder eine gesetzliche Vorschrift noch staatliche Interessen entgegenstehen.1026 Dagegen ist wiederum vorzubringen, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Vorschrift gerade für eine generelle Möglichkeit der Parteien spricht, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten.1027 Hinsichtlich eines Verzichts im Nachgang eines Schiedsverfahrens sprechen sich dann aber zahlreiche Stimmen dafür aus, dass Parteien auf bestimmte Aufhebungsgründe durch Vereinbarung wirksam verzichten könnten.1028 Mit guten Argumenten wird ein Verzicht jener Gründe in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausgeschlossen, denn diese Regelung umfasst die objektive Schiedsfähigkeit und den Widerspruch zur öffentlichen Ordnung. Diese Gründe sichern staatliche Kerninteressen und sollten unverzichtbar sein. In der Rechtsprechung finden sich Anhaltspunkte, die gegen eine Verzichtsmöglichkeit sprechen. So äußerte der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung 1985, dass das Aufhebungsverfahren nach deutschem Verfahrensrecht unverzichtbar sei.1029 Eine Verzichtsmöglichkeit sei deshalb zu versagen, weil dieser Verzicht die Überprüfungsmöglichkeit der staatlichen Gerichte, insbesondere hinsichtlich eines ordre public-Verstoßes oder eines Verfahrensfehlers wie etwa die Parteifähigkeit, ausschließe und daher gegen das öffentliche Interesse verstoße.1030 Für die Einordnung dieser Rechtsprechung ist allerdings beachtlich, dass die Entscheidungen im Kontext institutioneller Schiedsverfahrensregeln ergingen, mit denen die Parteien grundsätzlich auf Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch verzichten sollten.1031 Strittig war also nicht eine individuelle Vereinbarung, mit der Parteien beabsichtigten, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten, sondern ein vorformulierter
Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 53. Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 24, Rn. 53. 1026 Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 24, Rn. 53; ähnlich Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1059, Rn. 79. 1027 Rehm, Die Schiedsgerichtsbarkeit im Rechtssystem, 2009, 77, Rn. 285. 1028 Bspw. Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 6, Rn. 10; Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1059, Rn. 39; Liebscher, The Healthy Award, 2003, 376–377. 1029 BGH, Urt. vom 26.09.1985 – III ZR 16/84, NJW 1986, 1436. 1030 OLG Hamburg, Beschl. vom 30.05.2008 – 11 Sch 9/07, OLGR 2008, 916–919, Rn. 32; OLG Frankfurt/Main, Urt. vom 21.12.1983 – 21 U 2/83, NJW 1984, 2768; siehe auch Berger, RIW 2001, 7, 19. 1031 Konkret wurde Art. 24 ICC Rules of Arbitration in der damaligen Fassung diskutiert. 1024 1025
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und globaler Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch.1032 Für standardisierte allgemeine Rechtsmittelverzichte überzeugt diese Kritik. Eine Aussage zur Unzulässigkeit eines individuell zwischen den Parteien ausgehandelten und vereinbarten Verzichts auf das Aufhebungsverfahren liegt darin hingegen gerade nicht. Für einen Verzicht und gegen die Notwendigkeit eines Aufhebungsverfahrens sprechen aber die Effizienz des Schiedsverfahrens und die Widersprüchlichkeit zwischen der Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit als endgültigen Streitbeilegungsmechanismus und einer späteren Aufhebungsmöglichkeit.1033 Damit ist das Ergebnis zu befürworten, dass keine Notwendigkeit für ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat besteht.1034 Weder staatliche Interessen noch Rechtsschutzinteressen einer Partei erfordern ein Aufhebungsverfahren.1035 Zudem überzeugt diese Feststellung auch deshalb, weil Mängel eines Schiedsspruchs generell im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu berücksichtigen sind.1036 Als zentrales Argument gegen eine Verzichtsmöglichkeit des Aufhebungsverfahrens gilt die unmittelbare Beeinträchtigung staatlicher Interessen.1037 Daraus ist nun die Konsequenz zu ziehen, dass dann teilweise – insoweit staatliche Interessen nicht betroffen sind bzw. der potentiell verzichtete AufUnter solchen Vereinbarungen ist der Verzicht auf Rechtsmittel wie Berufung bzw. Revision zu verstehen, hingegen nicht der Verzicht auf das Aufhebungsverfahren. Zu Recht wird beispielsweise vom OLG Hamburg (Fn. 1030) argumentiert, dass auch die subjektive Schiedsfähigkeit keinem Verzicht unterliegen kann. Das allerdings ist wohl auch keine tatsächliche Problemstellung. Denn eine Partei, die einen expliziten Verzicht auf das Aufhebungsverfahren mit der Schiedsabrede vereinbarte und dabei nach dem für sie maßgeblichen Recht hierzu nicht fähig war, wird folglich auch keine wirksame Vereinbarung über einen Verzicht geschlossen haben. Dann hingegen kann die Partei mit diesem Argument (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. ZPO) gegen den Schiedsspruch einen Aufhebungsantrag stellen. Calavros hält das Aufhebungsverfahren (Art. 34 Abs. 1 Model Law) für zwingend; ein Verzicht auf Art. 34 Abs. 2 lit. a Model Law sei demnach möglich, allerdings erst nach „Entstehung der entsprechenden Normverletzung“, Calavros, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988, 166–167. 1033 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 497–500. 1034 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 512. 1035 Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 512. Allerdings ist diese Betrachtung dahingehend zu vervollständigen, dass ebenso keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen, ein Aufhebungsverfahren vorzusehen, denn ein Aufhebungsverfahren ist „weder mit der Effizienz des Schiedsverfahrens […] noch mit dem Wesen des Schiedsvertrags unvereinbar“, Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 512. 1036 Vgl. Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 512. 1032
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hebungsgrund nur Parteiinteressen schützen soll – ein Verzicht von vornherein möglich ist.1038 Von dieser Verzichtsmöglichkeit sind dann die Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfasst.1039 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensfehler, die den Aufhebungsgründen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugrunde liegen, bereits im Schiedsverfahren einer Präklusion unterliegen können und sich diese Präklusionswirkung ebenso auf das Aufhebungsverfahren erstrecken kann.1040 Diese Verknüpfung der Verfahrensabschnitte belegt, dass diese Verfahrensfehler disponibel sind, was wiederum dafür spricht, eine Verzichtsmöglichkeit zuzulassen.1041 Aus Sicht der Praxis ist eine Verzichtsmöglichkeit von Vorteil. Der Verzicht würde den Parteien ermöglichen, das Verfahren vom Beginn eines Streits bis zur endgültigen Durchsetzung eines Schiedsspruchs weiter zu straffen und eventuelle Verzögerungen zu unterbinden. Einerseits würde das von einer Partei eventuell als Verzögerung wahrgenommene und von einer anderen Partei bewusst zur Verzögerung genutzte Aufhebungsverfahren in zeitlicher Hinsicht verkürzt werden, denn die Parteien könnten nur noch Verfahrensfehler im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vortragen. Zugleich trüge dies aber das Potential in sich, das fortan mehr Aufhebungsverfahren über § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO begründet und Verfahrensfehler unter dem Mantel des ordre public-Verstoßes im Aufhebungsverfahren vorgetragen würden.1042 Zudem entfiele so für die betroffenen Konstellationen die Verfahrensaussetzungsmöglichkeit im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren i. S. d. Art. VI UNÜ. Die entsprechende Kehrseite, der Verlust von Rechtsschutzmöglichkeiten, mag sogar hinter diesen als vorteilhaft wahrgenommenen praktischen Aspekten zurücktreten. Zwar wird ein Verzicht nicht in allen Konstellationen ein ratsames Verhandlungsziel sein, allerdings spricht diese Betrachtung nicht dagegen, für jene Fälle, in denen die Parteien auf das Aufhebungsverfahren verzichten wollen, diesem Parteiinteresse Raum zu gewähren. 1037 Vgl. bspw. Zöller/Geimer ZPO-Kommentar (2014), Geimer zu § 1059, Rn. 79. Zur Ansicht Geimers ebenfalls Musielak ZPO-Kommentar, Voit zu § 1059, Rn. 39, dort Fn. 173. 1038 Born, International Commercial Arbitration, 2014, §25.07, 3369; Baumbach ZPO Kommentar, § 1059, Rn. 3. 1039 Baumbach ZPO Kommentar, § 1059, Rn. 3, Rn. 6–14. 1040 Siehe Kapitel 3. 1041 Dem Ergebnis stimmen Schwab/Walter zu, wenn sie auf die faktische Verzichtbarkeit aller Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der Praxis eingehen Schwab/ Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 24, Rn. 53. 1042 Die Verteidigung über den ordre public-Verstoß hat allerdings selten Erfolg, vgl. insoweit Wolff NYC Commentary, Wolff zu Art. V UNÜ, Rn. 489 m. w. N. zu Statistiken dort in Fn. 1149, wonach die Erfolgschancen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gegen 0 % tendieren.
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Zudem fällt als Unterstützung der Verzichtsmöglichkeit erneut die Konzeption des Aufhebungsverfahrens ins Auge. Es eröffnet sich überhaupt nur dann die Möglichkeit, staatliche Interessen zur Prüfung heranzuziehen, wenn eine der Parteien ein Aufhebungsverfahren einleitet.1043 Die Parteien könnten also das Aufhebungsverfahren ungenutzt lassen, wenn sie mit dem Schiedsspruch – sogar trotz dessen ordre public-Widrigkeit – aus anderen Gründen zufrieden sind. Das öffentliche Interesse wäre insoweit nicht betroffen, denn eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen entstünde erst mit der zwangsweisen Durchsetzung des Schiedsspruchs. Dabei kann das öffentliche Interesse dann überhaupt nicht zur Geltung gebracht werden, wenn die Parteien auf ein Aufhebungsverfahren faktisch verzichten. Das Argument, die Parteien könnten im Nachgang des Schiedsverfahrens, also in Kenntnis der Verfahrensfehler und eventueller Aufhebungsgründe, durch Vereinbarung auf das Aufhebungsverfahren verzichten,1044 lässt sich als Argument dafür heranziehen, dass Parteien bereits vor einem Schiedsverfahren auf das Aufhebungsverfahren verzichten können. Wenn eine Partei in Kenntnis der Gründe auf das Aufhebungsverfahren verzichten kann – hier ebenfalls ohne eine Möglichkeit eines kontrollierenden Eingriffs durch ein Gericht von Amts wegen – unterstützt diese Beurteilung, dass bei der Zulässigkeit des Verzichts auf die Parteiinteressen abgestellt wird. Dann allerdings ist es konsequent, generell einen Verzicht bereits vorab zuzulassen, wenn dies das Interesse der Parteien ist. Weiterhin vermag das Argument, die Parteien würden sich mit einem von vorherein erklärten Verzicht dem Verfahrensgegner ausliefern, so nicht zu überzeugen. Wenn Parteien eine solche explizite Verzichtsvereinbarung geschlossen haben, darf von einer intensiven Wachsamkeit im Verfahren ausgegangen werden. In einem solchen Fall würden die Parteien, denen ein Verfahrensfehler auffällt, diesen Fehler umgehend im Schiedsverfahren rügen und mit den dortigen Mitteln angreifen. Eine Auslieferung der anderen Partei gegenüber liegt dann aber nicht vor, denn beide Parteien wissen, woran sie sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Wirksamkeit eines Verzichts des Aufhebungsverfahrens im deutschen Schiedsverfahrensrecht für die Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO de lege lata strittig beurteilt und ein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren für Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einheitlich abgelehnt wird. Überzeugender ist es, bereits de lege lata einen Verzicht des Aufhebungsverfahrens für Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Argumente gegen eine Verzichtsmöglichkeit des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO rekurrieren auf betroffene staatliche Interessen, müssen 1043 Denn das Aufhebungsverfahren kann nicht von Amts wegen eingeleitet werden, siehe Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1059, Rn. 53, m. w. N. dort in Fn. 242. 1044 Vgl. dazu Fn. 1028.
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allerdings gegen sich gelten lassen, dass die Wahrung jener staatlichen Interessen faktisch insoweit bereits verzichtbar ist, wenn die Parteien kein Aufhebungsverfahren einleiten. Eine genauere Betrachtung der Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO belegt, dass dort vornehmlich die Parteiinteressen geschützt werden. Dieser Aspekt spricht maßgeblich für die Möglichkeit einer Verzichtsoption, wenn die Parteien einen Verzicht gerade wünschen. Damit würde der Parteiwille effizient durchgesetzt werden, wie es beispielsweise in Art. II UNÜ gefordert wird.1045 Aus praktischer Sicht ist ein Verzicht der Aufhebungsgründe i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mitunter positiv zu bewerten. Zudem ist die Möglichkeit, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten, unter bestimmten Voraussetzungen in einigen Rechtsordnungen bereits möglich. Für Deutschland sprechen gute Argumente für eine Verzichtsoption, daher ist eine Implementierung einer Verzichtsregelung zumindest de lege ferenda wünschenswert. Eine solche Regelung könnte als neuer § 1059 Abs. 4 ZPO in die ZPO integriert werden, worauf sogleich noch eingegangen wird.1046 II. Verzicht auf die Geltendmachung bestimmter Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Um den Exkurs zu vervollständigen, wird noch geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen Parteien durch Vereinbarung darauf verzichten können, Versagungsgründe i. S. d. Art. V UNÜ in einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vorzutragen.1047 Zunächst wird erarbeitet, dass ein Verzicht bezüglich der Gründe in Art. V Abs. 1 UNÜ nicht vorab, sondern nur nach Erlass eines Schiedsspruchs vereinbart werden kann (1.). Daran schließt sich die Darstellung an, dass ein Verzicht für Art. V Abs. 2 UNÜ grundsätzlich nicht wirksam vereinbart werden kann (2.). 1. Verzichtsvereinbarung bezüglich Art. V Abs. 1 UNÜ a) Verzicht bezüglich Art. V Abs. 1 UNÜ vor Erlass eines Schiedsspruchs Zur Zulässigkeit eines Vorabverzichts der Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ findet sich keine explizite Regelung im UNÜ.1048 Eine solche Born, International Commercial Arbitration, 2014, §26.04, 3442. Dazu sogleich Kapitel 5 – C. 1047 Mit gewisser Berechtigung wird gerade ein Praktiker einwenden, dass es für eine Verzichtsoption auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren keinen Bedarf gäbe. Es überzeugt hingegen nicht, einen Verzicht allein deshalb zu versagen. Vielmehr ist die Prüfung umfassend an den betroffenen Interessen vorzunehmen. 1048 Ebenso wenig enthalten Art. 36 Model Law oder nationale Schiedsverfahrensrechte eine Regelung zum Verzicht auf die Geltendmachung von Versagungsgründen im Aner1045 1046
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Verzichtsvereinbarung stellt eine praktisch denkbare Konstellation dar. Die Parteien könnten einen solchen vorzeitigen Verzicht, sog. ex-ante exlusion agreement, beispielsweise bereits innerhalb der Schiedsvereinbarung getroffen haben: „Both parties will not raise any ground for refusal of recognition and enforcement of the arbitral award mentioned in Art. V Abs. 1 NYC or this articles equivalent in the national law to the extend such an agreement is valid.“1049 Eine Entscheidung aus Kanada belegt eine entsprechende Fallkonstellation.1050 Das Gericht hielt die dort vereinbarte Klausel zum Vorabverzicht der Rechtsmittel im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren für gültig und ließ diese Vereinbarung zwischen den Parteien wirken. Schwerlich hingegen lässt sich die Essenz dieser Entscheidung verallgemeinern, die Wirksamkeit eines solchen Verzichts ist vielmehr abstrakt aus dem Rechtsschutz des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu erarbeiten. Der Umstand, dass die Schiedsverfahrensrechte in Belgien, der Schweiz und weiteren Staaten1051 einen Verzicht des Aufhebungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, regt die Überlegung an, diese Rechtsgedanken auf einen Verzicht bezüglich des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu übertragen.1052 Das kann hingegen nicht über eine Analogie zu den Verzichtsregelungen eines Aufhebungsverfahrens erfolgen, denn sowohl der Wortlaut als auch die Systematik dieser Regelungen, die sich jeweils auf das Aufhebungsverfahren beziehen, stehen dem entgegen.1053 kennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Born, International Commercial Arbitration, 2014, §26.04, 3440. 1049 Eine weitere Formulierung könnte lauten: „The parties hereby waive their right to oppose recognition and enforcement based on Art. V Abs. 1 NYC or this articles equivalent in the national law to the extend such a waiver can validly be made.“ Ob die Parteien mit einer entsprechenden Vereinbarung tatsächlich auf jegliche Rechtsmittel und damit auch auf die Verteidigung i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ verzichten wollten, sollte sorgsam am Willen der Parteien orientiert ausgelegt werden, vgl. Wolff NYC Commentary, Borris/ Hennecke zu Art. V UNÜ, Rn. 69. 1050 Food Services of America Inc. (c.o.b. Amerifresh) v. Pan Pacific Specialties Ltd, Supreme Court of British Columbia, Canada 24.03.1997, [1997] B.C.J. No. 1921, (1997) 32 B.C.L.R. (3d) 225. „Waiver of Section 36 of the International Commercial Arbitration Act of British Columbia. The parties intend that any award entered by the arbitrators in this case be final and binding, subject to enforcement either in Canada and/or the United States. In this regard, both parties hereby expressly waive any entitlement they have or may have to rely upon the provisions of Section 36 of the International Commercial Arbitration Act of British Columbia (SBC 1986 c.14) and any similar provision in any comparable legislation in any other jurisdiction, to seek to avoid recognition or enforcement of an arbitration award made pursuant to this Agreement“, siehe Rn. 10 der Entscheidung. 1051 Siehe hierzu Kapitel 4 – G.I. 1052 Ebenso Born, International Commercial Arbitration, 2014, §26.04, 3440. 1053 Born, International Commercial Arbitration, 2014, §26.04, 3440. So gibt bspw. Art. 192 Abs. 2 IPRG vor, dass das UNÜ analog anzuwenden ist, wenn auf das Aufhebungsverfahren verzichtet wurde und der Schiedsspruch in der Schweiz durchgesetzt
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Entsprechende Verzichtsvereinbarungen sind als Prozessverträge zu qualifizieren.1054 Vertragsgegenstand ist ein bestimmtes prozessuales Verhalten. Die prozessvertragliche Autonomie ist in diesem Kontext allerdings dadurch beschränkt, dass Regelungen zum überwiegenden staatlichen Interesse einem Verzicht entgegenstehen. Als zentrales Argument gegen eine Verzichtsmöglichkeit vor Erlass des Schiedsspruchs wird überzeugend die Wahrung staatlicher Interessen zur Überwachung der Schiedsgerichtsbarkeit angeführt.1055 Es liegt demnach im staatlichen Interesse1056 zu gewährleisten, dass Parteien nicht in Unkenntnis bestimmter Verfahrensfehler auf jeglichen Rechtsschutz im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren verzichten können. Vereinzelt wird ein Vorabverzicht der Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ befürwortet, und sei unter der Voraussetzung zulässig, dass die Parteien den Verzicht ausdrücklich vereinbaren.1057 Für eine Verzichtsmöglichkeit ließe sich zunächst anführen, dass das UNÜ keine Regelung enthält, die den Verzicht unterbindet. Dieser Aspekt ist hingegen ebenso von den Gegnern einer Verzichtsmöglichkeit anzuführen, indem diese darauf verweisen könnten, dass die Versagungsgründe i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ abschließend und werden soll. Würde ein Verzicht des Aufhebungsverfahrens sogleich einen Verzicht im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bedeuten, wäre eine solche Vorschrift nicht notwendig. Folglich existiert ein klarer Unterschied zwischen den verschiedenen Verzichtsmöglichkeiten. 1054 Bei dieser Kategorisierung trifft man, zumindest im deutschen Recht, sogleich auf einen Meinungsstreit, der den Umfang der prozessvertraglichen Privatautonomie betrifft. Die Eckpunkte dieses Meinungsspektrums bilden einerseits die Begrenzung der prozessvertraglichen Privatautonomie nur durch zwingende Normen und andererseits die Geltung eines unverzichtbaren Prozessrechts mit beschränkten zugestandenen Dispositionsmöglichkeiten, zur detaillierteren Darstellung siehe bspw. Münchener Kommentar ZPO, Rauscher zur Einleitung, Rn. 414. Überzeugender ist es hier, eine prozessvertragliche Autonomie anzunehmen, soweit keine expliziten Regelungen entgegenstehen, zur Wirkung siehe bspw. Münchener Kommentar ZPO, Rauscher zur Einleitung, Rn. 417–418. 1055 Hierzu Kapitel 4 – G.I. 1056 Geimer differenzierte – im Zusammenhang mit einer Präklusion im eigentlichen Sinne – zwischen den Privatinteressen und den staatlichen Interessen, Geimer/Geimer/ Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1335, Rn. 3906b. 1057 Basler Kommentar IPRG, Patocchi/Jermini zu Art. 194, Rn. 59; dort aus Sicht des schweizerischen Rechts befürwortet. Ein Vorabverzicht wird ebenfalls anderenorts befürwortet, Born spricht sich dafür aus, im Grundsatz die Parteiautonomie zu berücksichtigen und für bestimmte Versagungsgründe einen Verzicht zuzulassen; davon seien aber insbesondere Versagungsgründe wie Art. V Abs. 2 UNÜ ausgeschlossen Born, International Commercial Arbitration, 2014, §26.04, 3442; ebenso halten Lamm und Spoorenberg einen Vorabverzicht für möglich Lamm/Spoorenberg, Stockholm Arbitration Report 2001, 1, 14– 15: Lamm und Sporenberg diskutieren, u. a. mit Verweis auf eine australische Gerichtsentscheidung, sogar den gesamten Ausschluss des UNÜ, ABI Group Contractors Pty. Ltd v. Transfield Pty. Limited and Obayashi Corporation and others, Supreme Court of Victoria, Australia, 16.10.1998, YBCA XXIVa (1999), 591.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
damit der Parteiautonomie entzogen sind. Zuzustimmen ist dem Gedanken insoweit, als dass Parteien keine Möglichkeit haben, den Katalog des Art. V Abs. 1 UNÜ zu ergänzen.1058 Eine solche Ergänzung würde den staatlichen Gerichten im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren einen parteivereinbarten Maßstab auferlegen, der weder normiert noch vorgesehen und damit unzulässig ist. Allerdings folgt daraus nicht zugleich, dass die Parteien Art. V Abs. 1 UNÜ nicht ausschließen können. Werden die Versagungsgründe betrachtet, so mag vereinzelt die Überlegung aufkommen, das allein ihr rechtliches Gewicht nicht davon überzeugt, den Parteien einen Verzicht zu versperren. Dieser Aspekt übergeht hingegen, dass es nicht nur auf das rechtliche Gewicht eines Verfahrensfehlers ankommen kann, sondern ebenso auf die Kenntnislage und damit im Zusammenhang stehend auf den Zeitpunkt, zu dem der Verzicht erklärt werden soll. Vielmehr ist ein Vorabverzicht der Gründe in Art. V Abs. 1 UNÜ abzulehnen. Zunächst greift die oben angeführte Überlegung,1059 dass auf ein Aufhebungsverfahren allein deshalb verzichtet werden kann, weil Parteien sich jedenfalls im Rahmen eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sollen verteidigen können. Die Argumente zu einem Verzicht auf das Aufhebungsverfahren,1060 wonach das staatliche Interesse eine Aufsicht der staatlichen Gerichte über die Schiedsgerichte fordere,1061 sind nun hier einer Verzichtsmöglichkeit im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren entgegen zu halten.1062 Damit dieses Argument der staatlichen Interessen greift, müssen in Art. V Abs. 1 UNÜ staatliche Interessen derart verankert sein, das diese Interessen notwendig zu wahren sind. Art. V Abs. 1 UNÜ ist zwar – gerade in Abgrenzung zu Art. V Abs. 2 UNÜ – so aufgebaut, dass diese Gründe auf Vortrag der Parteien zu berücksichtigen sind. Es sollen also die Interessen der Parteien gewahrt werden und die Parteien können entscheiden, welche Versagungsgründe sie vorbringen und welche nicht. Allerdings ist hier davon auszugehen, dass diese Wahlmöglichkeit der Partei, einen Verfahrensfehler im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend zu machen, in Kenntnis der konkreten Verfahrensfehler ausgeübt wird und nicht vorab. Hinsichtlich der Unzulässigkeit eines Vorabverzichts solle zudem der Umstand berücksichtigt werden, dass Schiedsvereinbarungen häufig zum Verhandlungsende mit wenig bis keiner inhaltlichen Aufmerksamkeit in einen Siehe dazu z. B. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 265. 1059 Siehe dazu Kapitel 4 – G.I.2, vgl. Fn. 1036. 1060 Siehe hierzu Kapitel 4 – G.I. 1061 Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 24, Rn. 53. 1062 Nacimiento bezieht sich in diesem Sinne wohl auf Schwab/Walter (siehe Fn. 1025), Kronke NYC Commentary, Nacimiento zu Art. V Abs. 1 (a), 216. 1058
G. Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen
261
Vertrag aufgenommen werden (sog. midnight clauses).1063 Zuzustimmen ist dem Gedanken insoweit, dass eine entsprechende Verzichtsvereinbarung umfangreichere Beachtung finden muss und nicht als Zufallsprodukt in die Schiedsvereinbarung aufgenommen werden sollte. Allerdings sollten nicht allein eventuelle praktische Gepflogenheiten zu einem allgemeinen Ausschluss führen. Ein vorzeitiger Verzicht ist aber mit dem weiteren Argument abzulehnen, dass Art. V Abs. 1 UNÜ einen Mindeststandard etabliert, der jedenfalls nicht vorab zur Disposition der Parteien stehe.1064 Gegen einen Vorabverzicht ist weiterhin mit dessen Konsequenzen zu argumentieren, die derart weitreichend sind, dass eine Partei nur in Kenntnis der Verfahrensfehler auf eine Geltendmachung verzichten kann.1065 Gerade ein Verzicht in Unkenntnis eines Verfahrensfehlers ist hier durch das staatliche Schutzinteresse erfasst. In diesem Zusammenhang und in Abgrenzung zum fraglichen Verzicht auf das Aufhebungsverfahren1066 ist nämlich ein zentraler Aspekt zu beachten. Eine Beurteilung zum verbleibenden Rechtsschutz im Schiedsverfahren und Aufhebungsverfahren missachtet, dass das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zumeist als letzter Schritt nach einem Schiedsverfahren und Ablauf einer Aufhebungsfrist folgt. Es ist denkbar, dass einer Partei erst in dieser Zeit Umstände bekannt werden, die einen Verfahrensfehler begründen. Dann kann es nicht überzeugen, den letzten Rechtsschutz mit dem Argument eines vorab erklärten Verzichts zu versagen.1067 Für die Praxis ist ein weiterer Aspekt zu beachten, der im Zusammenhang mit den Verhandlungspositionen und einer sich dort möglicherweise ausdrückenden Machtasymmetrie steht. Lässt das System neben einem Verzicht auf das Aufhebungsverfahren einen Verzicht auf die Geltendmachung von Anerkennungsversagungsgründen i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ zu, bestünde die Gefahr, dass verhandlungsstarke Parteien ihren Vertragspartnern fortan derartige Vereinbarungen auferlegen. Dies würde gerade dann ein gravierendes Asymmetrieproblem darstellen, wenn ein Verzicht letztlich nicht aus rechtlicher Überzeugung, sondern aus vertraglichem bzw. Wirtschaftlichem Druck vereinbart und später für wirksam erklärt werden würde. Insgesamt spricht Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V, Rn. 71, dort in Fn. 125. Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Haas, New York Convention, 488, Rn. 8. Kronke NYC Commentary, Nacimiento zu Art. V Abs. 1 (a), 216. 1065 Wolff NYC Commentary, Borris/Hennecke zu Art. V, Rn. 71. 1066 Siehe hierzu Kapitel 4 – G.I. 1067 Zudem bleibt ein eventuell vereinbarter (unwirksamer) Verzicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben grundsätzlich unbeachtlich. Ein Verzicht zu Art. V Abs. 1 UNÜ steht mit guten Argumenten nicht im Einklang mit der Rechtsordnung, bspw. zum Widerspruch zur Rechtsordnung vgl. Schulze/Dörner, Bürgerliches Gesetzbuch, 2014, Schulze zu § 242, Rn. 13; vgl. auch RG 21.05.1927, RGZ 117, 121. 1063 1064
262
Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
diese potentielle Asymmetrie, gerade mit Blick auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren als letzten Verfahrensschritt, gegen die Zulässigkeit eines Vorabverzichts.1068 Zusammenfassen lässt sich, dass ein Vorabverzicht der Versagungsgründe in Art. V Abs. 1 UNÜ mit guten Argumenten als unzulässig zu beurteilen ist. b) Verzicht bezüglich Art. V Abs. 1 UNÜ nach Erlass eines Schiedsspruchs Der Verzicht nach Erlass (sog. ex-post exclusion agreement) eines Schiedsspruchs, wenn eine Partei die Verfahrensfehler und die potentiellen Versagungsgründe kennt, wird überzeugenderweise mehrheitlich als möglich angesehen. 1069 Davon umfasst ist nicht nur der faktische Verzicht, sondern ebenso die Vereinbarung zum Verzicht auf die Geltendmachung von Anerkennungsversagungsgründen im potentiellen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Wenn den Parteien ein faktischer Verzicht nach Erlass eines Schiedsspruchs zugestanden wird, ist es überzeugend, den Parteien die Möglichkeit zu eröffnen, den Verzicht entsprechend nachgelagert zu vereinbaren. Staatliche Interessen sind dann insoweit nicht mehr betroffen, als dass die Parteien nun weniger schutzwürdig sind, weil sie Kenntnis der entsprechenden Versagungsgründe haben. Nunmehr ist anzunehmen, dass die Parteien ihren Rechtsschutz eigenverantwortlich gestalten und entsprechend auch darauf verzichten können. 2. Verzichtsvereinbarung bezüglich Art. V Abs. 2 UNÜ Der Art. V Abs. 2 UNÜ umfasst die objektive Schiedsfähigkeit und den Verstoß gegen den ordre public.1070 Diese Versagungsgründe sind von Amts
1068 Ergänzend sollten die Erkenntnisse zum belgischen Schiedsverfahrensrecht bis 1998 herangezogen werden. Diese Erkenntnisse deuten an, dass Parteien den vollständigen Ausschluss von Rechtsmitteln wie ein Aufhebungsverfahren in Belgien scheuen bzw. ablehnen, Kapitel 4 – G.I. 1069 Dazu bspw. Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Haas, New York Convention, 488, Rn. 8; Wolff NYC Commentary, Borris/ Hennecke zu Art. V UNÜ, Rn. 73; Kronke NYC Commentary, Nacimiento zu Art. V, 216. 1070 Die ordre public-Widrigkeit eines Schiedsspruchs i. S. d. Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ (siehe Wolff NYC Commentary, Wolff zu Art. V UNÜ, Rn. 496; dort auch m. w. N. zur Diskussion; Kronke NYC Commentary, Otto/Elwan zu Art. V Abs. 2, 366–367; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 360) ist enger („weniger strenge Anforderungen“, Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1338, Rn. 3911) zu verstehen, als der ordre public-Standard im Rahmen des Art. 34 Abs. 2 lit. b (ii) Model Law (UNCITRAL, UNCITRAL 2012 Digest of Case Law on the Model Law on International Commercial Arbitration, 2012, 160, Rn. 130 u. 132. Im Rahmen des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ wird vornehmlich von einem internationalisierten Standard gesprochen, im Rahmen des Art. 34 Abs. 2 lit. b (ii) Model Law von einem nationalen
G. Verzichtsvereinbarung im Kontext der Durchsetzung von Schiedssprüchen
263
wegen zu beachten. Damit ist klar geregelt, dass diese Versagungsgründe der Parteidisposition weitgehend entzogen sind. Einzig in dem Fall, dass die Parteien den Schiedsspruch nicht vor ein staatliches Gericht bringen, kann ein fehlerhafter Schiedsspruch (zwischen den Parteien) fortbestehen und damit faktisch auf Art. V Abs. 2 UNÜ verzichtet werden. Eine Vereinbarung der Parteien, auf Art. V Abs. 2 UNÜ zu verzichten, ist hingegen aufgrund des überragenden staatlichen Kontrollinteresses nicht möglich.1071 Unerheblich ist, wann die Parteien eine solche Vereinbarung schließen würden. Eine solche Vereinbarung zwischen den Parteien wäre nicht wirksam. III. Präklusionskonsequenz im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bei wirksamem Verzicht eines Aufhebungsverfahrens Die bisher erarbeiteten Gedanken befassen sich jeweils isoliert mit der Möglichkeit und Rechtswirkung eines Verzichts im Ursprungsstaat und im Anerkennungsstaat. Abschließend ruft dies die Überlegung hervor, ob ein wirksamer Verzicht des Aufhebungsverfahrens eine präkludierende Wirkung im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren haben kann. Bereits aus der Vereinbarung zum Ausschluss des Aufhebungsverfahrens, beispielsweise im Rahmen des Art. 192 IPRG, ist nicht zu schlussfolgern, dass damit Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ausgeschlossen werden.1072 Ebenso wird ein entsprechender Wortlaut einer Verzichtsvereinbarung die Wirkung auf das Aufhebungsverfahren begrenzen. Zudem spricht die Systematik eines Verzichts auf das Aufhebungsverfahren dafür, dass ein Verzicht auf das Aufhebungsverfahren keine Konsequenzen für ein Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren hat.1073 IV. Zusammenfassung – Verzicht der Rechtsbehelfe im Aufhebungs- und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Ein Verzicht auf ein Aufhebungsverfahren ist in einigen Rechtsordnungen unter bestimmten Voraussetzungen explizit vorgesehen und kann von den Parteien vereinbart werden. Für Deutschland ist dies umstritten. Dabei sprechen die überzeugenderen Argumente für eine solche Verzichtsoption, deren gesetzliche Implementierung jedenfalls de lege ferenda wünschenswert ist. Weder eine vereinbarte Finalität des Schiedsspruchs noch ein in institutionellen Schiedsverfahrensregeln enthaltene Verzicht auf Rechtsmitteln (beispielsStandard; zu § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ZPO siehe Geimer/Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2009, 1338, Rn. 3911 und m. w. N. 1289, Rn. 3771, dort in Fn. 106. 1071 Weigand/Bühler, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Haas, New York Convention, 488, Rn. 8; Kronke NYC Commentary, Nacimiento zu Art. V, 216. 1072 So ebenfalls Solomon, Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 695. 1073 Siehe Kapitel 4 – G.I.
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Kapitel 4 – Länderberichte und Rechtsvergleich zur Präklusion
weise der Verzicht auf „any form of recourse“) gelten als Verzicht auf das Aufhebungsverfahren. Vor Erlass eines Schiedsspruchs ist ein Verzicht auf die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ abzulehnen, weil dies den Rechtsschutz der Parteien zu stark beeinträchtigen würde. Nach Erlass eines Schiedsspruchs können Parteien nach überzeugender Beurteilung auf die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ verzichten (ex-post exclusion agreement). Die Versagungsgründe des Art. V Abs. 2 UNÜ stehen außerhalb der Parteidisposition, ein Verzicht auf diese Gründe ist weder vor noch nach Erlass eines Schiedsspruchs möglich.
H. Zusammenfassung – Präklusion im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren, Länderberichte und Rechtsvergleich H. Zusammenfassung
Die rechtsvergleichende Betrachtung verschiedener Rechtsordnungen belegt, welche individuellen Ansätze und Lösungsmodelle zur Fragestellung einer Präklusionswirkung in Betracht kommen. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich aus dem UNÜ im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Präklusion im eigentlichen Sinne herleiten lässt. Ein kollisionsrechtlicher Ansatz deutet an, dass eine Präklusion der Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. a und lit. d UNÜ theoretisch denkbar ist. Allerdings droht diese Lösung zu einer Zersplitterung der Versagungsgründe zu führen, die im UNÜ so nicht angelegt ist. Zudem basiert dieses Modell auf einem uneinheitlichen Auslegungsverständnis des UNÜ.1074 Für die Parteien einer Schiedsvereinbarung besteht ein duales Rechtsschutzsystem. Demnach können Parteien frei entscheiden, ob sie sich einem Aufhebungsverfahren bzw. im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gegen die Durchsetzung eines Schiedsspruch verteidigen. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne ist mit diesem Verteidigungssystem unvereinbar. Bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben kann es jedoch zu einer Präklusion kommen. Hat eine Partei der anderen Partei Anlass gegeben, von einer vollständigen Hinnahme der Entscheidung ohne spätere Gegenwehr im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren auszugehen, verstößt ein späteres, demgegenüber widersprüchliches, Verhalten gegen Treu und Glauben. Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben kann unter bestimmten Voraussetzungen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren mit einer Präklusion sanktioniert werden. Im EuÜ gibt es ebenfalls eine normierte Präklusionswirkung, die allerdings auf den Anwendungsbereich des EuÜ beschränkt ist und auch nicht als Präklusion im eigentlichen Sinne 1074
Siehe hierzu sogleich Kapitel 5 – A.
H. Zusammenfassung
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qualifiziert werden kann. Das UNÜ steht einer Präklusion grundsätzlich nicht entgegen, eine eigene Regelung lässt sich dem UNÜ hingegen nicht entnehmen. Als parteiautonome Reaktion darauf sind Vereinbarungen zum Verzicht von Rechtsmitteln im Aufhebungsverfahren denkbar. Einige Rechtsordnungen ermöglichen einen Verzicht im Aufhebungsverfahren bereits unter bestimmten Voraussetzungen. Für Deutschland sprechen überzeugende Argumente für eine solche Verzichtsoption, deren Implementierung jedenfalls de lege ferenda wünschenswert ist.
Kapitel 5
Lösungsvorschläge zu Präklusionsmodellen und zur Verzichtsvereinbarung (exclusion agreement) Kapitel 5 – Vorschläge – Präklusionsmodelle und Verzichtsvereinbarung Im Nachgang der Länderberichte und des Rechtsvergleichs werden in diesem Abschnitt Lösungsvorschläge erörtert. Die theoretischen Überlegungen zur Entwicklung eines neuen Präklusionsmodells werden an dieser Stelle aufgegriffen, um zu erarbeiten, ob und wie eine Präklusion im eigentlichen Sinne in nationalen Rechtsordnungen dogmatisch verankert und gestaltet werden könnte (A.). Ergänzend zur Untersuchung einer Präklusion bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben soll ein Maßstab des treuwidrigen Verhaltens im Nachgang eines Schiedsverfahrens definiert werden (B.). Wie bereits festgestellt1 können Parteien in einigen Staaten ihr Interesse an einem Ausschluss eines Aufhebungsverfahrens durch eine Verzichtsvereinbarung zur Wirkung bringen. So ließe sich durch Parteivereinbarung ein der Präklusion vergleichbares Ergebnis erzielen. Vorgeschlagen wird nun ergänzend, wie eine solche Verzichtsmöglichkeit im deutschen Recht de lege ferenda implementiert werden kann (C.).
A. Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne (de lege ferenda) A. Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne
Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine Präklusion im eigentlichen Sinne de lege lata weder über eine Auslegung des UNÜ, noch durch entsprechende Anwendung bestimmter Vorschriften und auch nicht über Treu und Glauben begründet werden kann. Das bedeutet hingegen nicht, dass eine solche Präklusionswirkung im Kontext der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit völlig ausgeschlossen wäre. Einige Argumente sprechen für eine Präklusion im eigentlichen Sinne. Ein Präklusionsmodell würde de lege ferenda überhaupt nur dann erfolgreich etabliert werden können, wenn entweder nationale Gesetzgeber entsprechende Regelungen in ihren nationalen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsregimen erlassen oder aber das UNÜ um eine entsprechende Vorschrift ergänzt werden würde.
1
Siehe Kapitel 4 – G.
268
Kapitel 5 – Vorschläge – Präklusionsmodelle und Verzichtsvereinbarung
Erörtert werden hier zwei Überlegungen: eine Ausweitung der Präklusionsvorschriften des nationalen Schiedsverfahrensrechts auf internationale Schiedssprüche am Beispiel der Regelung in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO (I.) und ein kollisionsrechtliches Präklusionsmodell (II.). I. Ausweitung der Präklusionsvorschriften des nationalen Schiedsverfahrensrechts auf ausländische Schiedssprüche Die Untersuchung hat dargelegt, dass eine Präklusionsregelung im eigentlichen Sinne de lege lata dogmatisch nicht überzeugend begründet werden kann. Werden aber mit den Befürworten dieser Lösung in einer Präklusion im eigentlichen Sinne überzeugende Aspekte gesehen, bleibt zu überlegen, ob die für inländische Schiedssprüche geltende Präklusionsregelung in § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO auf ausländische Schiedssprüche ausgeweitet werden kann. Der Ansatz beansprucht für sich einige gute Argumente:2 Zunächst die so erreichte Gleichbehandlung zwischen ausländischen und inländischen Schiedssprüchen und die Verminderung des Verzögerungspotentials durch eine klare Fristenregelung. Die Möglichkeit, dieses Modell aus § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO umzusetzen, wurde unter eine Auslegungsannahme über die Meistbegünstigungsklausel in Art. VII UNÜ befürwortet.3 Diese Vorschrift könnte „als Verweis auch auf die Vorschriften zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche“4 verstanden werden und eine Präklusion auf diesem Wege greifen. Dieses Argument konnte hingegen de lege lata nicht überzeugen, zudem scheitert eine entsprechende Anwendung der Vorschrift an der fehlenden Öffnung der Norm für ausländische Schiedssprüche. Auch der der BGH hatte die Anwendung de lege lata begrüßenswerter Weise ausgeschlossen.5 Zwar erkannte das Gericht noch an, das Art. VII Abs. 1 UNÜ grundsätzlich so zu verstehen sei, dass solche Vorschriften des nationalen Rechts, die eigentlich nur für inländische Schiedssprüche gelten, auf ausländische Schiedssprüche angewendet werden können.6 Allerdings gelte dies nicht für § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO, weil der damit in Bezug genommene § 1059 ZPO für einen ausländischen Schiedsspruch gerade nicht gelte.7 Ein Präklusionsmodell müsste also de lege ferenda sicherstellen, dass die Regelung des § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO das ausländische Rechtsbehelfsverfahren in Bezug nimmt. Siehe dazu Kapitel 4 – E.I.2.b)cc). Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1314. 4 Merkt, in: Bruns/Kern/Münch (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, 1303, 1314. 5 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. 6 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. 7 BGH, Beschl. vom 16.12.2010 – III ZB 100/09, SchiedsVZ 2011, 105, 107. 2 3
A. Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne
269
Regelungstechnisch ist dies möglich, wenn der Gesetzgeber die Vorschrift für anwendbar erklären würde. Ein solches Modell wendet sich allerdings gegen das aktuelle Rechtsschutzverständnis unter dem UNÜ, wonach sich eine Partei alternativ oder kumulativ entscheiden kann, sich gegen den Schiedsspruch im Ursprungsstaat oder im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren zu verteidigen.8 Im internationalen Vergleich stünde ein solches Lösungsmodell isoliert da. Zugleich impliziert ein solches Modell ungewisse Auswirkungen auf die Attraktivität des Schiedsstandortes.9 Zudem hat die Untersuchung der Länderberichte gezeigt, dass nicht einmal die Rechtsordnungen, die einen Verzicht auf das Aufhebungsverfahren zulassen, daraus Konsequenzen für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ableiten.10 Die Möglichkeit einer Partei, sich bei der Durchsetzung des Schiedsspruchs auf Versagungsgründe zu berufen, bleibt von einem zuvor erklärten Verzicht auf ein Aufhebungsverfahren unberührt. Ein weiterer Nachteil bliebe mit dieser Regelung bestehen, denn es würde weiterhin kein einheitliches Präklusionsregime etabliert werden. Individuelle nationalrechtliche Vorschriften würden nach diesem Modell dazu führen, dass Parteien sich nicht auf eine einheitliche Präklusionsfrist einstellen können. Trotz einiger nachvollziehbarer Ansatzpunkte11 sprechen die vorgenannten Überlegungen auch de lege ferenda gegen ein Präklusionsmodell durch Ausweitung der Präklusionsvorschriften des nationalen Schiedsverfahrensrechts auf ausländische Schiedssprüche. II. Kollisionsrechtliches Präklusionsmodell Die kollisionsrechtlichen Überlegungen12 stellen auf die Endgültigkeit des Schiedsspruchs ab, die dann gegeben sein soll, wenn der Schiedsspruch unaufhebbar ist. Gründe, die im Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat gegen den Schiedsspruch hätten vorgebracht werden können, aber nicht wurden, wären im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren insoweit präkludiert. Die Endgültigkeit und Unaufhebbarkeit soll dem Schiedsverfahrensstatut unterstellet werden. Davon erfasst werden vornehmlich die Rechtsmittel und deren Fristen, mit denen der Schiedsspruch hätte im Ursprungsstaat angegriffen bzw. aufgehoben werden können. Diese Endgültigkeits- und Unaufhebbarkeitskriterien eines Schiedsspruchs können nicht bereits aus der aktuellen Fassung des Art. V UNÜ hergeleitet werden. Dort findet sich das Siehe hierzu Kapitel 4 – C.III. Möglich ist eine Steigerung der Attraktivität des Schiedsstandortes, denkbar sind aber auch Vergleichsszenarien zur damaligen Entwicklung des belgischen Rechts (siehe Kapitel 4 – G.I). 10 Siehe für Belgien: Kapitel 4 – E.III.2 und für die Schweiz: Kapitel 4 – E.IV.1. 11 Siehe dazu Kapitel 4 – E.I.2.b)cc). 12 Siehe Kapitel 4 – E.I.2.b)dd). 8 9
270
Kapitel 5 – Vorschläge – Präklusionsmodelle und Verzichtsvereinbarung
Tatbestandsmerkmal der Verbindlichkeit („binding“) in Art. V Abs. 1 lit. e 1. Var. UNÜ. Die Verbindlichkeit ist hingegen nicht gleichbedeutend mit der hier gemeinten Endgültigkeit und Unaufhebbarkeit des Schiedsspruchs. Das Merkmal der Verbindlichkeit kann von Gerichten so ausgelegt werden, dass die Verbindlichkeit dann gegeben ist, wenn der Schiedsspruch im Ursprungsstaat nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln überprüft werden kann.13 Außerordentliche Rechtsbehelfe wie das Aufhebungs- oder Anfechtungsverfahren14 stehen der Verbindlichkeit nicht entgegen.15 Verstärkt wird ein solches Abgrenzungsverständnis durch die Auslegung, dass nicht einmal ein schwebendes Aufhebungsverfahren der Verbindlichkeit entgegensteht.16 Die Endgültigkeit und Unaufhebbarkeit umfasst nach dem hier verfolgten Gedanken hingegen die Rechtsmittel, die den Schiedsspruch insgesamt beseitigen könnten. Wurden diese Gründe trotz Möglichkeit im Aufhebungsverfahren nicht vorgebracht, wird der Schiedsspruch hinsichtlich dieser Verfahrensfehler unaufhebbar. In Abgrenzung zur Diskussion um das Kriterium der Finalität, die in den 1950er Jahren im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum UNÜ geführt wurde,17 ist klarzustellen, dass das hier diskutierte Merkmal der Endgültigkeit nicht dazu führen darf bzw. soll, ein Rechtsinstitut des Doppelexequatur18 wieder einzuführen. Das Merkmal der Endgültigkeit würde einzig dazu dienen, Verfahrensfehler oder Unwirksamkeitsgründe zusammenzufassen, und hinsichtlich der Frage, ob diese Verfahrensfehler noch gegen den Schiedsspruch vorgebracht werden können, auf das Schiedsverfahrensstatut abzustellen. Theoretisch möglich wäre eine Änderung des UNÜ-Textes. Auf diesem Wege könnte der Art. V UNÜ um eine entsprechende Formulierung ergänzt 13 Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 361, der dort in Fn. 827 Nachweisbeispiele aus den Niederlanden, Hong Kong, der Schweiz, Schweden, Deutschland, Belgien und Spanien liefert. Kronke NYC Commentary, Darwazeh zu Art. V Abs. 1 lit. e, 314–319. 14 Verfahren, mit denen prozessuale Fehler geltend gemacht werden können. 15 Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 10; Wolff NYC Commentary, Ehle zu Art. I UNÜ, Rn. 83. 16 Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V, Rn. 357; ergänzt wird dies durch die Regelung des Art. VI UNÜ, wonach die Verfahrensaussetzung im Ermessen des Gerichts liegt. 17 Vgl. zu den Verhandlungen des UNÜ Kapitel 4 – B.II.2. 18 Unter Doppelexequatur ist zu verstehen, dass ein Schiedsspruch zunächst im Ursprungsland durch die dortigen Gerichte anerkannt und für vollstreckbar erklärt und diese Gerichtsentscheidung dann als Grundlage der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat genommen wird. Zum Doppelexequatur Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V UNÜ, Rn. 355; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, 341; Plaßmeier, SchiedsVZ 2010, 82, (insbesondere Fn. 9); vgl. weiterhin Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 32–34; zur Unzulässigkeit siehe nunmehr BGH 02.07.2009, SchiedsVZ 2009, 285.
A. Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne
271
werden, wonach nur ein endgültiger und unaufhebbarer Schiedsspruch Gegenstand eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren sein kann.19 Der Gedanke, bestimmte Aspekte des UNÜ durch eine Reform des Übereinkommens oder ein Zusatzübereinkommen zu überarbeiten, klarzustellen und zu verbessern, wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach diskutiert.20 Die Chancen der Umsetzung einer solchen Reform oder eines Zusatzübereinkommens sind jedoch realistisch betrachtet gering, weil allein der legislative Aufwand unter den 156 Vertragsstaaten enorm hoch wäre. Zu beachten gilt zudem, dass ein solches Präklusionsmodell maßgeblich das Rechtsschutzkonzept des UNÜ beeinflussen würde;21 eine Partei könnte dann nicht mehr zwischen dem Aufhebungsverfahren einerseits und dem Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits wählen. Die Partei hätte fortan die Obliegenheit, ein Aufhebungsverfahren innerhalb der vorgesehenen Frist einzuleiten, wenn sie später beabsichtigt oder sich nur die Möglichkeit offen halten möchte, sich mit Versagungsgründen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gegen den Schiedsspruch zu verteidigen. Erörtert werden sollen nun noch ggf. notwendige Ausnahmen eines solchen kollisionsrechtlichen Präklusionsmodells (1.) um dann de lege ferenda Regelungsvorschläge unterbreiten zu können (2.). 1. Ausnahmen eines kollisionsrechtlichen Präklusionsmodells Konsequenterweise muss ein kollisionsrechtliches Präklusionsmodell für bestimmte Umstände Ausnahmeregelungen vorhalten. Sofern sich eine Partei nicht am Schiedsverfahren beteiligte, nur die Existenz einer Schiedsvereinbarung von Beginn an bestritt und damit die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts insgesamt in Frage steht, kann keine Präklusion angenommen werden. Dieser Gedanke wird durch die vorherrschende Ansicht zu Art. V EuÜ unterstützt, wonach dort eine Präklusion nur dann greifen kann, wenn sich die Partei am Schiedsverfahren beteiligte.22 Im Sinne eines kollisionsrechtlichen 19 Das wäre unter den Vertragsstaaten zu verhandeln und abzustimmen. Dabei wäre bei einigen Vertragsstaaten zu beachten, ob allein eine Änderung des Übereinkommens zugleich auch einer Änderung der Rechtslage der jeweiligen Rechtsordnung herbeiführt; für Deutschland käme eine Änderung des Textes des UNÜ nicht automatisch über § 1061 ZPO zur Anwendung, Münchener Kommentar ZPO (2013), Münch zu § 1061, Rn. 17. 20 van den Berg, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 649, 667–669, mit Erklärung, 649–666; dagegen bspw. Gaillard, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention, 2009, 689, 689–693; Kronke NYC Commentary, Kronke, The New York Convention Fifty Years on: Overview and Assessment, 3–6; Reisman/Richardson, in: van den Berg (Hrsg.), Arbitration – The Next Fifty Years, 2012, 17, 61–63. 21 Siehe Kapitel 4 – C.III. 22 Siehe hierzu Kapitel 4 – D.II.; vgl. auch Solomon, der in diesem Kontext eine Ausnahme für besonders gravierende Fälle in Erwägung zieht Solomon, Die Verbindlichkeit
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Kapitel 5 – Vorschläge – Präklusionsmodelle und Verzichtsvereinbarung
Präklusionsmodells müsste dieser Umstand der Endgültigkeit des Schiedsspruchs also ausnahmsweise entgegenstehen. Eine weitere Ausnahme von der Präklusion wird für solche Fälle anzunehmen sein, in denen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung dem ordre public-Verständnis des Vollstreckungsstaates widersprechen würde. So wäre zunächst beispielsweise die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör als ordre public-widrig zu qualifizieren.23 Der Prüfungsmaßstab für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren kann aber nur von der Frage geleitet sein, ob die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zum Zeitpunkt des Verfahrens im Vollstreckungsstaat ordre public-widrig ist. In die Beurteilung der ordre public-Widrigkeit ist mit einzubeziehen, ob die Partei Rechtsmittel wie das Aufhebungsverfahrens gegen die Verletzung des rechtlichen Gehörs hätte vorbringen können, dies aber nicht tat. Hat die Partei beispielsweise eine fehlerhafte Besetzung des Schiedsgerichts nach Erlass des Schiedsspruchs nicht entsprechend mit einem Aufhebungsverfahren angegriffen, obgleich die Möglichkeit bestand, sollte dieser Aspekt nicht automatisch eine ordre public-Widrigkeit der Anerkennung- und Vollstreckbarerklärung begründen.24 In gravierenden Fällen sollte aber ein ordre public-Verstoß dennoch angenommen werden können.25 2. Regelungsvorschläge de lege ferenda Als zusammenfassende Anknüpfung der Endgültigkeit und Unaufhebbarkeit eines Schiedsspruchs könnte als Beispiel für den englischen Wortlaut des Regelungsvorschlags das Merkmal definite verwendet und implementiert werden. Dabei erscheint das Merkmal definite gegenüber einem definitive vorzugswürdig, weil keine erneute gerichtliche Bestätigung eines Fristablaufs erfolgt, sondern die Unaufhebbarkeit des Schiedsspruchs mit Fristablauf sicher eintritt.26 Ein neuer Art. V Abs. 1 UNÜ könnte lauten:27
von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 691; Kröll, IPRax 2007, 430, 436. 23 Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Art. V UNÜ, Rn. 539. 24 Kröll, IPRax 2007, 430, 436; vgl. auch Solomon, der differenziert und nicht in jedem Fall einen Extremfall sieht, Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 692. Siehe hierzu auch BGH, Urt. vom 01.02.2001 – III ZR 332/99, RIW 2001, 458. Dort entschied der BGH, dass auch die Befangenheit eines Schiedsrichters keinen ordre public-Verstoß darstellt, wenn dies mit Rechtsmitteln im Ursprungsstaat hätte vorgetragen werden können. 25 Vgl. Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, 691–692. 26 Siehe hierzu die sprachliche Differenzierung bspw. in Hawkins (Hrsg.): The Oxford encyclopedic English dictionary, 378.
A. Vorschlag zum Präklusionsmodell im eigentlichen Sinne
273
„Recognition and enforcement of the definite award may be refused, at the request of the party against whom it is invoked, only if that party furnishes to the competent authority where recognition and enforcement is sought, proof that: […].“
Hinsichtlich der Präklusionswirkung könnte ein Art. V Abs. 1 S. 2 UNÜ wie folgt ausgestaltet werden: „Arguments for refusal of recognition and enforcement under Art. V (1) can only be based upon grounds which could not have been brought forward against the award until that award became definite. “
Der Vollständigkeit halber sollte Art. V Abs. 2 UNÜ wie folgt formuliert werden: „Recognition and enforcement of a definite arbitral award may also be refused if the competent authority in the country where recognition and enforcement is sought finds that: […].“
Zudem wäre das Merkmal definite im UNÜ genauer zu erläutern. Eine Definition kann dabei mit folgender Überlegung verbunden werden: Denkbar ist, dass Rechtsordnungen die Aufhebung des Schiedsspruchs ohne jede zeitliche Begrenzung zulassen. Dem ist dadurch vorzubeugen, das die dreimonatige Frist des Art. 34 Abs. 3 Model Law als Anhaltspunkt einer üblichen Frist genommen wird, um den Zeitpunkt festzusetzen, mit dem ein Schiedsspruch wirksam und unaufhebbar, also definite, wird. Die Endgültigkeit des Schiedsspruchs i. S. d. UNÜ wäre dann gegeben, wenn der Schiedsspruch nach dem Recht des Ursprungsstaates endgültig ist oder drei Monate seit Zustellung des Schiedsspruchs an die Parteien verstrichen sind. Daher wäre ein neuer Art. V Abs. 3 UNÜ einzufügen: „Which event ever occurs first, an arbitral award becomes definite when either the time period for setting aside the award in the country in which, or under the law of which, that award was made has elapsed or when three months have passed since the arbitral award was duly delivered to the parties under the law of the country in which or under the law of which that award was made.“
Mit einer Änderung des Art. V Abs. 1, Abs. 2 UNÜ und der Einfügung eines neuen Art. V Abs. 3 UNÜ könnte ein Präklusionsmodell in das UNÜ implementiert werden, welches den Parteien die Obliegenheit auferlegt, entsprechende Verfahrensfehler nicht nur im Schiedsverfahren, sondern vorrangig in einem möglichen Aufhebungsverfahren zu rügen. Ein Unterlassen der Geltendmachung im Aufhebungsverfahren würde diese Versagungsgründe für das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludieren.
27 Eine Änderung des Art. III UNÜ ist nicht notwendig. Möglicherweise muss der Antragsteller zum Beweis der Endgültigkeit den Fristablauf darlegen; dann könnte eine Anpassung des Art. IV Abs. 1 UNÜ zu überlegen sein.
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Kapitel 5 – Vorschläge – Präklusionsmodelle und Verzichtsvereinbarung
B. Definition eines zu präkludierenden treuwidrigen Verhaltens B. Definition eines zu präkludierenden treuwidrigen Verhaltens
Hinsichtlich der Präklusion eines Verstoßes gegen Treu und Glauben soll definiert werden, welches Verhalten der unterlegenen Partei im Rahmen der Anwendung des UNÜ als treuwidrig zu qualifizieren ist und folglich zu einer Präklusion von Versagungsgründen führen kann. Das fragliche vertrauenswidrige Verhalten der unterlegenen Partei ist zunächst als ein aktives Verhalten zu beschreiben, welches der anderen Partei gegenüber wahrnehmbar zum Ausdruck gebracht wurde. Zudem muss die andere Partei auf dieses Verhalten in vernünftiger Weise vertraut haben, wobei das „Vertrauen in vernünftiger Weise“ anhand eines objektiven Horizonts zu bestimmen ist. Dieser objektive Horizont ist im Kontext der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu bestimmen. Auf diesem Wege sollen typische Gepflogenheiten berücksichtigt werden können. Der Maßstab ist übereinkommensautonom auszulegen.28 Insbesondere ist ein Verhalten im Lichte dieser Definition nicht allein deshalb treuwidrig, weil eine Partei ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat unterlassen hat und sich im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines Drittstaats mit Versagungsgründen gegen die Durchsetzung eines Schiedsspruchs wendet. Die Systematik der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gibt einer Partei keine Obliegenheit vor, stets ein Aufhebungsverfahren durchzuführen. Allerdings handelte eine Partei treuwidrig, wenn sie der anderen Partei gegenüber zum Ausdruck bringt, dass sie sich dem Schiedsspruch gar nicht oder nur in bestimmten Staaten nicht widersetzen wird und sich die Partei später hierzu widersprüchlich verhält, sich also in diesen Staaten doch einem Vollstreckungsverfahren widersetzt. Im Grenzbereich dieser Positionen liegt der Fall, dass eine Partei der anderen Partei gegenüber äußert, auf das Aufhebungsverfahren zu verzichten. Diese Aussage könnte ein Vertrauen der anderen Partei darauf erzeugen, dass keine Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgetragen werden, weil die Partei den Schiedsspruch insgesamt hinzunehmen scheint. Ein solches Vertrauen mag zwar gegeben sein, dieses Vertrauen der anderen Partei müsste daneben allerdings auch als vernünftig qualifiziert werden können. Bei der Beurteilung, ob dieses Vertrauen vernünftig ist, muss einbezogen werden, dass das Verteidigungssystem zwischen einem Aufhebungsverfahren und dem UNÜ als dualer Rechtsschutz ausgestaltet ist und eine Partei damit die Wahl zwischen den Verfahren hat. Zudem gibt es vernünftige rechtliche, wirtschaftliche und strategische Gründe für eine Partei, einzelne Verteidigungslinien selektiv wahrzunehmen und auf einige zu verzichten. Bringt eine Partei also aktiv allein zum Ausdruck, kein Aufhebungsverfahren durchzuführen, ist ein Vertrauen darauf, die Partei werde im Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Versagungsgründe vorbringen, 28
Siehe bspw. Wolff NYC Commentary, Liebscher zu Prelims, Rn. 76.
C. Vorschlag zum Verzichtsmodell im Aufhebungsverfahren
275
nicht vernünftig. Ein solches Verhalten würde dann nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Treten weitere Umstände dazu, mit denen der Gegenseite aktiv und klar kommuniziert wird, dass beispielsweise bestimmte Elemente des Schiedsverfahrens fehlerfrei seien, liegt ein treuwidriges Verhalten vor und es greift eine Präklusion auf Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren.
C. Vorschlag zum Verzichtsmodell im Aufhebungsverfahren C. Vorschlag zum Verzichtsmodell im Aufhebungsverfahren
Oben wurde erörtert,29 dass unterschiedliche Rechtsordnungen den Parteien eine Gestaltungshoheit dahingehend übertragen, auf das Aufhebungsverfahren verzichten zu können. Ein solcher Verzicht von Rechtsbehelfen bedeutet zwar nicht direkt eine Präklusion im eigentlichen Sinne, doch kann damit teilweise das faktisch vergleichbares Ergebnis erzielt werden, dass bestimmte Verfahrensabschnitte ohne ein erneutes Verhandeln über Aufhebungsgründe entschieden werden können. In Deutschland ist die Wirksamkeit eines derart vereinbarten Verzichts auf das Aufhebungsverfahren (sog. exclusion agreement) de lege lata umstritten. In diesem Streit sprechen gute Argumente dafür, einen Verzicht für die Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu ermöglichen.30 Ein schlagkräftiges Argument gegen eine Verzichtsmöglichkeit ist die fehlende gesetzliche Regelung. Daher ist es, mit den überzeugenden Argumenten für einen Verzicht im Rücken, geboten, jedenfalls de lege ferenda eine Regelung zur Verzichtsmöglichkeit in das deutsche Schiedsverfahrensrecht zu implementieren und damit zugleich Klarheit zur Verzichtsmöglichkeit zu schaffen. Diese Regelung könnte sich in § 1059 ZPO eingliedern. Sofern eine Verzichtsmöglichkeit, wenn auch nur für bestimmte Aufhebungsgründe, befürwortet wird, ist die Regelungssystematik noch genauer zu klären. Hier könnte sich der Gesetzgeber an der etwas restriktiveren Regelung des schweizerischen, des schwedischen oder des belgischen Rechts orientieren. Zudem könnte die französische Regelung als Vorlage herangezogen oder aber eine völlig eigenständige Regelung getroffen werden. Der wichtige Unterschied zwischen den Regelungen in der Schweiz31, Belgien32 und Schweden33 einerseits und der Regelung in Frankreich34 andererseits ist die Anknüpfung an die Nationalität bzw. den Sitz der beteiligten Parteien. In der erstgenannten Gruppe ist ein Verzicht nur 29 30 31 32 33 34
Siehe Kapitel 4 – G.I. Zu den Argumenten siehe nochmals Kapitel 4 – G.I.2. Art. 192 IPRG, siehe hierzu Kapitel 4 – E.IV.1.b) und Kapitel 4 – G.I. Art. 1718 CJB, siehe hierzu Kapitel 4 – E.III.2.a) und Kapitel 4 – G.I. Art. 51 Swedish Arbitration Act, siehe hierzu Kapitel 4 – E.IV.3. und Kapitel 4 – G.I. Art. 1522 NCPC, siehe hierzu Kapitel 4 – E.IV.2.a) und Kapitel 4 – G.I.
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Kapitel 5 – Vorschläge – Präklusionsmodelle und Verzichtsvereinbarung
möglich, wenn keine Partei aus dem jeweiligen Land des Schiedsverfahrens stammt bzw. dort ihren Sitz hat. Die französische Regelung hingegen stellt lediglich darauf ab, ob es sich um ein internationales Schiedsverfahren handelt. Wird nochmals die Kritik gegen eine Verzichtsmöglichkeit berücksichtigt, wonach vornehmlich staatliche Interessen dem Verzicht entgegenstünden, ist zu erwägen, die Verzichtsmöglichkeit auf jene Schiedsverfahren zu beschränken, an denen keine deutsche Partei beteiligt ist. Eine Regelung könnte dann als neuer § 1059 Abs. 4 ZPO einzufügen sein35 und wie folgt formuliert werden: „Die Parteien können durch eine ausdrückliche und schriftliche Vereinbarung ein Aufhebungsverfahren auf die Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 beschränken, sofern keine Partei ihren Wohnsitz, ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung in Deutschland hat. Eine solche Vereinbarung können die Parteien jederzeit treffen. Ein Aufhebungsverfahren gestützt auf die Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ist im Falle einer wirksamen Vereinbarung im Sinne des § 1059 Abs. 4 S. 1 als unzulässig abzuweisen.“
Im Lichte dieser Rechtsänderung wird es den Parteien ermöglicht, fortan frei darüber zu entscheiden, ob ein Aufhebungsverfahren durchgeführt oder teilweise ausgeschlossen werden soll.
Die aktuellen §§ 1059 Abs. 4 und Abs. 5 ZPO würden sich dann entsprechend verschieben zu §§ 1059 Abs. 5 (n. F.), Abs. 6 (n. F.) ZPO. 35
Kapitel 6
Schlussbetrachtung und Thesen zur Präklusion von Versagungsgründen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Kapitel 6 – Schlussbetrachtung und Thesen Parteien verzichten mitunter im Nachgang eines Schiedsverfahrens darauf, ein Aufhebungsverfahren gegen den Schiedsspruch einzuleiten. Trägt eine solche Partei in einem späteren Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren vor Gerichten eines Vollstreckungsstaates Versagungsgründe i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ vor, ist zu klären, ob und wie das Gericht diese Versagungsgründe berücksichtigen darf. Die vorliegende Untersuchung hat sich dem zentralen Thema der Präklusion im eigentlichen Sinne, also einer Präklusionswirkung, die allein an das Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens anknüpft, gewidmet. Zu dieser Dauerfrage des internationalen Schiedsverfahrensrechts wurde in der rechtsvergleichenden Untersuchung herausgearbeitet, dass eine solche Präklusion im eigentlichen Sinne in keiner der ausgewerteten Rechtsordnungen wirkt. Hat eine Partei sich widersprüchlich verhalten, ist eine Präklusion von Versagungsgründen als Folge eines Verstoßes gegen Treu und Glauben möglich. Als Ausdruck der Parteiautonomie können Parteien einen Verzicht von Rechtsmitteln des Aufhebungsverfahrens vereinbaren. Dann ist es zu begrüßen, wenn eine Rechtsordnung den Parteien diesen Verzicht zugesteht. Zu den Forschungsfragen der Präklusion im eigentlichen Sinne, der Präklusion bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben und einem Verzicht auf Rechtsmittel im Rahmen der Durchsetzung eines Schiedsspruchs werden folgende Thesen aufgestellt: 1. Unterlässt es eine Partei, nach Erlass des Schiedsspruchs ein Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat des Schiedsspruchs durchzuführen und trägt diese Partei später in einem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Versagungsgründe i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ vor, könnte eine Präklusion im eigentlichen Sinne in Betracht gezogen werden.1 Allerdings ist eine Präklusionswirkung im eigentlichen Sinne, die auf ein bloßes Unterlassen eines Aufhebungsverfahrens abstellt, nach geltendem Recht ausgeschlossen.2 Eine solche Präklusionswirkung tritt de lege lata in keinem der betrachteten 1 2
Zur Präklusion im eigentlichen Sinne Kapitel 1 und Kapitel 2 – B. Siehe dazu zusammenfassend der Rechtsvergleich Kapitel 4 – F.I.
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Kapitel 6 – Schlussbetrachtung und Thesen
Schiedsverfahrensrechte der Rechtsordnungen von Deutschland3, England4, Belgien5, der Schweiz6, Frankreich7, Schweden8, Hong Kong9 und Singapur10 ein. 2. Hat eine Partei jedoch bereits im Schiedsverfahren unterlassen, Verfahrensfehler zu rügen, tritt mitunter eine Präklusion im Aufhebungsverfahren und fortgesetzt im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ein.11 3. In diesem Kontext kann eine Partei auch hinsichtlich der fehlerhaften Besetzung des Schiedsgerichts präkludiert sein. Die Befangenheit eines Schiedsrichters stellt keinen unverzichtbaren Verfahrensfehler dar, wenn die Partei Kenntnis von den Befangenheitsgründen hatte.12 4. Das UNÜ einhält keine eigene Präklusionsvorschrift, steht einer Präklusionswirkung aber grundsätzlich offen gegenüber.13 5. Eine Präklusion im eigentlichen Sinne ist aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch, weil der Verweis auf ein ausländisches Aufhebungsverfahren als Verwirklichung des rechtlichen Gehörs eine Prüfung der dortigen Rechtsschutzqualität erfordert. Eine Präklusionswirkung ist insoweit aber noch verfassungsgemäß.14 Allerdings ist dabei der Aspekt eines schuldhaften Verstoßes gegen Verfahrensförderungspflichten als Voraussetzung einer Präklusionswirkung nicht allein aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beantworten, sondern umfasst ebenso die Systematik der Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Aufhebungsverfahren und Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. 15 6. Gegen einen Schiedsspruch gewährt das System der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit einen dualen Rechtsschutz, also ein duales Verteidigungssystem wonach eine Partei sich wahlweise im Aufhebungsverfahren sowie kumulativ und/oder alternativ im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gegen einen Schiedsspruchs wehren kann.16 7. Das Konzept der Schiedsgerichtsbarkeit spricht nicht grundsätzlich gegen eine Präklusion im eigentlichen Sinne. Dabei handelt es sich um eine rechtspolitische Frage, ob eine solche Präklusion gewollt ist und ob das KonSiehe dazu Kapitel 4 – E.I.2. Siehe dazu Kapitel 4 – E.III.2. 5 Siehe dazu Kapitel 4 – E.III.2. 6 Siehe dazu Kapitel 4 – E.IV.1.a). 7 Siehe dazu Kapitel 4 – E.IV.2.a)–c). 8 Siehe dazu Kapitel 4 – E.IV.3. 9 Siehe dazu Kapitel 4 – E.IV.4. 10 Siehe dazu Kapitel 4 – E.IV.5. 11 Siehe dazu Kapitel 3 – B. 12 Siehe dazu Kapitel 3 – B.II.3.c)–d). 13 Siehe dazu Kapitel 4 – B.III. 14 Siehe dazu Kapitel 2 – D.I.3.a)–c). 15 Siehe dazu Kapitel 2 – D.I.3.d). 16 Siehe dazu insbesondere Kapitel 4 – C.III. 3 4
Kapitel 6 – Schlussbetrachtung und Thesen
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zept des dualen Rechtsschutzes dadurch beseitigt oder aber aufrechterhalten werden soll. Mit Blick auf den dualen Rechtsschutz wäre für die Schaffung eines Präklusionsregimes im eigentlichen Sinne die Änderung der Rechtslage im UNÜ notwendig, was aus praktischer Sicht jedoch nur unter hohem Aufwand möglich erscheint.17 8. In einigen Rechtsordnungen leiten staatliche Gerichte aus Art. V Abs. 1 UNÜ einen Ermessensspielraum her und begründen unter bestimmten Voraussetzungen hier ein Präklusionsmodell; der Ermessensmaßstab wird durch Kriterien bestimmt, die sich mit Treu und Glauben vergleichen lassen.18 9. Wurden Versagungsgründe mit einem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat geltend gemacht und das Verfahren dort als unbegründet abgewiesen, hängt die erneute Geltendmachung dieser Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren davon ab, ob die Gerichtsentscheidung des Ursprungsstaats über die Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Urteile im Vollstreckungsstaat zu (z. B. § 328 ZPO) zu berücksichtigen ist.19 10. Das Rechtsprinzip von Treu und Glauben gilt als Prozessgrundsatz im Schiedsverfahren20 und im UNÜ.21 11. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren eines Schiedsspruchs dazu führen, dass eine Partei mit Versagungsgründen präkludiert wird.22 12. Nach Erlass eines Schiedsspruchs kann ein aktives Verhalten einer Partei, dass der anderen Partei gegenüber zum Ausdruck gebracht worden ist, eine Treuwidrig begründen, wenn die andere Partei auf dieses Verhalten in vernünftiger Weise vertrauen durfte, wobei das vernünftige Vertrauen anhand eines objektiven Horizonts zu bestimmen ist. 23 Setzt die eine Partei sich nun in Widerspruch zu ihrem ursprünglichen Verhalten, kann darin ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen. 13. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung von Verfahrensfehlern in einem Aufhebungsverfahren ist nicht als treuwidriges Verhalten zu qualifizieren und verstößt im Rahmen des UNÜ nicht gegen Treu und Glauben.24 14. Parteien können nach überzeugender Beurteilung vor Erlass eines Schiedsspruchs nicht auf die Geltendmachung von Versagungsgründen i. S. d.
Siehe dazu Kapitel 5 – A. Siehe für England Kapitel 4 – E.II.3, für Hong Kong Kapitel 4 – E.IV.4 und für Singapur Kapitel 4 – E.IV.5. 19 Siehe dazu Kapitel 4 – A.III.2. 20 Siehe dazu Kapitel 2 – B.I.5. 21 Siehe dazu Kapitel 4 – B.III. insbes. Fn. 154. 22 Siehe dazu Kapitel 4 – F.II. 23 Siehe dazu Kapitel 4 – F.II. und Kapitel 5 – B. 24 Siehe dazu Kapitel 4 – F.II. 17 18
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Kapitel 6 – Schlussbetrachtung und Thesen
Art. V UNÜ verzichten.25 Nach Erlass eines Schiedsspruchs ist der Verzicht auf die Versagungsgründe i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ möglich;26 dann ist letztlich auch ein faktischer Verzicht der Versagungsgründe i. S. d. Art. V Abs. 2 UNÜ nicht zu verhindern, weil Gerichte das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht von Amts wegen einleiten können. 15. In einigen Rechtsordnungen können Parteien unter bestimmten Voraussetzungen bereits de lege lata durch Vereinbarung auf ein Aufhebungsverfahren verzichten;27 es ist überzeugend und wünschenswert, dass eine solche Verzichtsoption de lege ferenda für Deutschland in die ZPO implementiert wird.28 Die eingangs vorgestellten Beispielfälle sind im Lichte der hier vertretenen Thesen wie folgt zu lösen: In dem ersten Beispielfall29 zum Antrag der Frucht Sàrl auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ihres Schiedsspruchs gegen die Obst & Gemüse oHG wird das OLG die von der Obst & Gemüse oHG vorgetragenen Versagungsgründe nicht präkludieren, sondern umfänglich berücksichtigen. Der zweite Beispielfall30 befasste sich mit dem Antrag der Warehouse Co. auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ihres Schiedsspruchs gegen die SystemAir GmbH. Hinsichtlich einer Präklusion aufgrund eines Verstoßes der SystemAir GmbH gegen Treu und Glauben kommt es darauf an, welchen Gehalt die Äußerung, wonach die SystemAir GmbH sich nicht weiter gegen einen Schiedsspruch wehren werde, hatte. Soweit diese Äußerung den Informationsgehalt hatte, den die Warehouse Co. vorträgt, liegt in dem Vorbringen von Versagungsgründen der SystemAir GmbH ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten. Daraufhin kann das Gericht unter diesem Aspekt Versagungsgründe der SystemAir GmbH präkludieren. Allerdings prüft das Gericht jedenfalls, ob dem Schiedsspruch unter Gesichtspunkten des Art. V Abs. 2 UNÜ die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu versagen ist.
Siehe dazu Kapitel 4 – G.II.1.a). Siehe dazu Kapitel 4 – G.II.1.b). 27 Siehe dazu Kapitel 4 – G.I. 28 Siehe zu den überzeugenden Argumenten Kapitel 4 – G.I.2. und zum Vorschlag de lege ferenda Kapitel 5 – C. 29 Siehe oben vor Kapitel 1. 30 Ebenfalls oben vor Kapitel 1. 25 26
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Sachverzeichnis Abkommen siehe internationale Übereinkommen Ablehnung eines Schiedsrichters 29, 52– 54, 56 Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche − Anerkennung (recognition) 76–78 − Art. 36 UNCITRAL Model Law 98– 101 − ordre public 100 − Präklusionswirkung 98, 101–102, siehe auch UNCITRAL Model Law – Präklusionsinstitute – Art. 36 − dualer Rechtsschutz siehe dualer Rechtsschutz − Ermessen im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ siehe New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) – Ermessen im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ − Grundlagen 73–76 − Meistbegünstigungsgrundsatz 84, 113, 144, 146, 158, 228, 268 − Rechtsmittelverzicht siehe Verzichtsvereinbarung Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren − nach UNÜ siehe New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) − Versagung der Anerkennung von Schiedssprüchen 78–79 − Gründe 79 − Gründe nach erfolglosem Aufhebungsverfahren 80–82 − ordre public 100, 127–128, 133, 153, 156, 226, 228, 272
− Verbot der révision au fond 79 − Vollstreckbarerklärung (enforcement)
78 Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen siehe internationale Übereinkommen Anerkennungsversagung siehe Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche – Versagung der Anerkennung von Schiedssprüchen Anfechtung von Schiedssprüchen siehe Aufhebung eines Schiedsspruchs appeal on point of law 188 Arbitration Act 1996 siehe England – Arbitration Act arbitration rules siehe Schiedsverfahrensregeln Aufhebung eines Schiedsspruchs − dualer Rechtsschutz siehe dualer Rechtsschutz − Exklusivität des Rechtsmittels 48, 148 − Fehlen eines Rechtsbehelfs 68–69 − Frist 66–67, siehe auch UNCITRAL Model Law – Präklusionsinstitute – Art. 34 Abs. 3 (Aufhebungspräklusion) − Gründe 37, 47–50 − nachträglich bekanntgeworden 69– 70 − Grundlagen 45–50 − Rechtsmittelverzicht 189, 209, 226, 231, siehe auch Präklusion – rechtstechnische Wirkung – rügelose Einlassung − Verzichtsvereinbarung siehe Verzichtsvereinbarung Aufhebungsverfahren − Statistik 46 Fn. 7–10 − UNCITRAL Model Law 47, 49
300
Sachverzeichnis
Beispielfälle zur Präklusion 1–3 − Lösungsansätze 280 Belgien − CJB 209–211 − Präklusionsmodelle 211–216 − Art. 1679 CJB 215–216 − Art. 1717 Abs. 5 CJB 213–215 − Wirkung der Verzichtbarkeit des Aufhebungsverfahrens 211–213 − Reform des Schiedsverfahrensrechts 208–209 − Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage 217–220 − Rechtsverwerking 217 CJB siehe Belgien – CJB Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards siehe New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) default siehe Säumnis delokalisierte Betrachtung siehe multilocal Approach Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) e.V. Modellklausel 248 Fn. 1006 Deutschland 117–184 − § 1044 Abs. 2 ZPO a.F. 120–123 − Auslegung 130 − ordre public im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren 133, 146 − Präklusionsmodelle, siehe auch Präklusion – Modelle – in Deutschland − entsprechende Anwendung der §§ 1059, 1060 ZPO 155–159 − Fortentwicklung der Wertung aus § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. 159–165, siehe auch kollisionsrechtliches Präklusionsmodell − Fortgeltung § 1044 Abs. 2 ZPO a. F. 153–155 − vollständiger Ausschluss 151–153 − Präklusionsrechtsprechung des BGH siehe dort − Reform des Schiedsverfahrensrechts 118, 135–137
− frühere Rechtslage 119–123 − Treu und Glauben als Präklusions-
grundlage 166–181 − § 242 BGB 169 − BGH-Kriterium der legitimen Gründe 176–180 − Pingpong-Unzuständigkeitseinrede 169 − Treuwidrigkeit 170–175, 180–182 DIS siehe Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) e.V. Doppelexequatur 270 dualer Rechtsschutz 49, 102–104, 175, 192, 274, 279 due process 79 EMRK − Art. 6 33–34 England − Arbitration Act 1996 186–188 − Präklusionsmodelle 189–196 − Dallah Real Estate and Tourism v. Pakistan 192–194 − Minmetals Germany GmbH v. Ferco Steel Ltd. 189–191 − Yukos Oil Co v. Dardana Ltd. 191 − Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage 196–203 − Anwendung der Kriterien aus Yam Seng-Entscheidung 197–198, 199– 202 − piecemeal solution 197 − principle of fairness and reasonableness 189, 190 estoppel siehe Treu und Glauben – widersprüchliches Verhalten Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EuÜ) − Anwendungsbereich 106–107 − in Deutschland 146 − Präklusionswirkungen 107 − Art. V EuÜ (Einrede der Unzuständigkeit) 107–110 − im Vollstreckungsverfahren 110– 114 − Vertragsstaaten 105 Fn. 194 exclusion agreement siehe Verzichtsvereinbarung
Sachverzeichnis
301
Hong Kong
kollisionsrechtliches Präklusionsmodell, siehe auch Deutschland – Präklusionsmodelle − de lege ferenda − Anwendbarkeit 269–273 − Ausnahmen 271–272 − definite 272–273 − Endgültigkeits- und Unaufhebbarkeitskriterium 269– 271, siehe auch definite − Regelungsvorschläge 272–273 − de lege lata Anwendbarkeit 164–165 − Fristenauslagerung 163–164 − Grundlagen 159–161 − Schiedsverfahrensstatut 155, 159–160, 161–162, 225, 269–270 − Verweisungsumfang 161–163 Kostenrisiko im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren 175
grundlage 233 − Hong Kong Arbitration Ordinance 231
Last 17–18, siehe auch Prozesslast/en lex fori 162 lex loci arbitri 115, 189 local remedies 103, 154
Frankreich − NCPC 227 − Präklusionsmodelle 229–230 − Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage 230 Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1927 85–86 − in Deutschland 120–121 − Präklusion 85–87 Genfer Protokoll über Schiedsvereinbarungen von 1923 85 good faith siehe Treu und Glauben Großbritannien siehe England, siehe Schottland guerrilla tactics 185
− Präklusionsmodelle 232–233 − Treu und Glauben als Präklusions-
ICC-Entwurf Vollstreckungsabkommen 87–88 ICC Standard Arbitration Clause 248 Fn. 1006 internationale Abkommen siehe internationale Übereinkommen internationale Übereinkommen − Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EuÜ) siehe dort − Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1927 siehe dort − Genfer Protokoll über Schiedsvereinbarungen von 1923 siehe dort − New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) siehe dort IPRG siehe Schweiz – IPRG Justizgewährungsanspruch siehe rechtliches Gehör
monolocal approach 48 multilocal approach 48 NCPC siehe Frankreich – NCPC New York Convention siehe New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) − Anwendungsbereich 83–84 − Entstehungsgeschichte 87–88, 93–94 − Endgültigkeitskriterium 88–90 − Präklusionswirkung 90–93 − travaux préparatoires 88 Fn. 88, 103 − Entwicklung 94–97 − Harmonisierung 96 − Ermessen im Rahmen des Art. V Abs. 1 UNÜ 172, 183–184, 192, 204–205, 220–221, 225, 228–229, 232 − Synthese Rechtsvergleich 242–243 − Inkrafttreten für Belgien 208 Fn. 812
302
Sachverzeichnis
− Inkrafttreten für Deutschland 5 Fn. 2 − Inkrafttreten für Frankreich 227 Fn. 900
− Inkrafttreten für Großbritannien 188 − Inkrafttreten für Hongkong 231 Fn. 924
− Inkrafttreten für Schweden 230 Fn. 920
− Inkrafttreten für die Schweiz 223 Fn. 870
− Inkrafttreten für Singapur 234 Fn. 939 − Lückenfüllung 152–153 − Präklusion 184, 206–207, 221 − Synthese Rechtsvergleich 243–244 − Treu und Glauben als
Präklusionsgrundlage 184, 206, 221 − übereinkommensautonome Auslegung 160 Fn. 540, 168, 242, 274 − Verfahrensaussetzung 116–117 − Verhältnis zu anderen Übereinkommen 104 − dualer Rechtsschutz siehe dort − verschiedene Sprachfassungen 183– 184 − Vertragsstaaten 5 Fn. 2 − Vollstreckungsfreundlichkeit 129 − Vorläuferübereinkommen siehe Genfer Abkommen von 1927 NYC siehe New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) ordre public, 62–63, siehe auch Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedsverfahren – Versagung der Anerkennung von Schiedssprüchen − verfahrensrechtlicher 59 Pflicht 17–18, siehe auch Prozesspflicht/en place of arbitration siehe Schiedsort Präklusion − Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten 13–14 − Begriffsklärung 12–13 − in Belgien siehe dort − in Deutschland siehe dort
− in England siehe dort − in Frankreich siehe dort − Gründe 20, siehe auch Treu und Glauben
− Verfahrenseffizienz 12, 53, 115
− Grundlagen 5–9, 12–13, − dogmatische Entwicklung 18–19 − Rechtstheorie 14, 15–17 − historische Entwicklung 15–17 − in Hong Kong siehe dort − im eigentlichen Sinne 5–6, 29, 115, 215
− im Rahmen des EuÜ siehe dort − im Rahmen des UNCITRAL Model Law siehe dort
− im Rahmen des UNÜ siehe dort − Modelle − in Belgien 211–216, siehe auch Belgien – Präklusionsmodelle
− in Deutschland 150–165, siehe auch Deutschland – Präklusionsmodelle
− in England 189–196, siehe auch England – Präklusionsmodelle
− in Frankreich siehe Frankreich – Präklusionsmodelle
− in Hong Kong siehe Hong Kong – Präklusionsmodelle
− kollisionsrechtlich siehe kolli-
sionsrechtliches Präklusionsmodell
− in Schweden siehe Schweden – Präklusionsmodelle
− in der Schweiz siehe Schweiz – Präklusionsmodelle
− in Singapur siehe Singapur – Präklusionsmodelle
− Synthese Rechtsvergleich 236–240 − Treu und Glauben siehe dort
− rechtstechnische Wirkung 19–20,
− − − − −
siehe auch Präklusionswirkung − Heilung 28–29 − rügelose Einlassung 28–29 als Sanktion 11 in Schweden siehe dort in der Schweiz siehe dort in Singapur siehe dort ungeschriebene Präklusionswirkung 34–35, siehe auch rechtliches Gehör − Verfassungsmäßigkeit 35, 36–41, siehe auch rechtliches Gehör
Sachverzeichnis
− Verzichtsvereinbarung 263, siehe
auch dort Präklusionsrechtsprechung des BGH 123– 128, 138–147 − Kehrtwende 143–145 − Lob und Kritik 128–133 − Treu und Glauben 148–149 Präklusionswirkung siehe Präklusion – rechtstechnische Wirkung preclusion siehe Präklusion preclusive effect siehe Präklusion Prozessförderungspflicht 18–19, 35, 37–39 Prozesslast/en 17–18, siehe auch Last Prozesspflicht/en 17–18, siehe auch Pflicht Prozessverschleppung 11, 37–38 rechtliches Gehör 31 − Schranken 33, 41–42 − Schutzbereich 33–34 − Spannungsfeld zur Verfahrenseffizienz 31–32 − EuGH 42–44 − Verfassungsmäßigkeit einer Präklusion 36–40, siehe auch Präklusion – ungeschriebene Präklusionswirkung – Verfassungsmäßigkeit − Beweislast 37 Fn. 175 − schuldhafter Verstoß durch unterlassenes Aufhebungsverfahren 37–40 − zumutbare Hürde 36–37 Rechtskraft 30–31 − entgegenstehende 30–31, 77 − formelle 30–31 − materielle 30 Rechtsmittel gegen Schiedssprüche siehe Aufhebung eines Schiedsspruchs recognition and enforcement siehe Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche Regierungsentwurf Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts siehe Deutschland – Reform des Schiedsverfahrensrechts res judicata siehe Rechtskraft révision au fond 61 Fn. 90, 79 Säumnis 14
303
Schieds(gerichts)ordnung siehe Schiedsverfahrensregeln Schiedseinrede 169 Schiedsort 48, 114, 177, 195 − Wahl des Schiedsortes als Präklusionsanknüpfung 142 Fn. 425, 157, 162,164, 176–178 Schiedsverfahren − Vorteile gegenüber staatlichen Gerichtsverfahren 12 Schiedsverfahrensrecht − Arbitration Act 1996 siehe England – Arbitration Act − CJB siehe Belgien – CJB − Hong Kong Arbitration Ordinance siehe Hong Kong – Arbitration Ordinance − IPRG siehe Schweiz – IPRG − NCPC siehe Frankreich – NCPC − Swedish Arbitration Act siehe Schweden – Arbitration Act − ZPO siehe Deutschland Schiedsverfahrensregeln 248, 250, 253 Schottland 186 Fn. 683 Schweden − Arbitration Act 231 − Präklusionsmodelle 231 Schweiz − IPRG 223–224 − Präklusionsmodelle 224–226 − Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage 226–227 Singapur − Präklusionsmodelle 234–235 − Treu und Glauben als Präklusionsgrundlage 234–235 Swedish Arbitration Act siehe Schweden – Arbitration Act territoriale Betrachtung siehe monolocal approach Thesen zur Präklusion von Versagungsgründen 277–279 transnational approach 48–49 Fn. 25, 104 transnationale Betrachtung siehe transnational approach Treu und Glauben 20, 23–25 − bona fides 21 Fn. 71, 234
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Sachverzeichnis
− Gebot redlicher Prozessführung 25, − −
− − − − −
147 historische Betrachtung 21–23 − Schikane-Verbot 23 Präklusionsgrundlage − in Belgien siehe Belgien − Definition 274–275 − in Deutschland siehe Deutschland − in England siehe England − in Frankreich siehe Frankreich − in Hong Kong siehe Hong Kong − in Schweden siehe Schweden − in der Schweiz siehe Schweiz − in Singapur siehe Singapur − Synthese Rechtsvergleich 240–242 Prinzip der Prinzipien 24 Prozessvertrag 26 Reichweite 27–28 Treuwidrigkeit 21 − Arglist 24 widersprüchliches Verhalten 21, 147 − estoppel 21, 50–51, 193–194, 202, 203, 205, 232, 233–234 − estopper 21 Fn. 68
Übereinkommen siehe internationale Übereinkommen Unabhängigkeit siehe Unparteilichkeit UNCITRAL Model Law − Grundlagen 47, 49–50 − Präklusionsinstitute 50 − Art. 4 (rügelose Einlassung) 19, 50–51 − Art. 13 (Schiedsrichterablehnung) 52–63 − Art. 16 Abs. 2 (fehlende Zuständigkeit) 63–64 − Art. 16 Abs. 3 (Rügepräklusion) 64–66 − Art. 34 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 66 − Art. 34 Abs. 3 (Aufhebungspräklusion) 66–67 − Art. 36 98, 101–102 − Auswirkung auf Aufhebungsverfahren 60–63 − Parteidisposition 54, 60 − zwingender Charakter 51, 54–55, 57–59
UNCITRAL Modellgesetz siehe UNCITRAL Model Law Unparteilichkeit 44 Fn. 207, 54–55 − IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration 55, 57–58 UNÜ siehe New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) venire contra factum proprium non licet siehe Treu und Glauben Verbot widersprüchlichen Verhaltens siehe Treu und Glauben Verbraucherbeteiligung 43 Verfahrensgebühren 178 − Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in Deutschland 175 Verfahrenskosten siehe Verfahrensgebühren Verfahrensverzögerung siehe Prozessverschleppung Verjährung 13, 161–162 Versagung der Anerkennung von Schiedssprüchen siehe Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche – Versagung der Anerkennung Verteidigungsmechanismus siehe dualer Rechtsschutz Verwirkung 22, 111, 162, 181, 217–218 Verzicht 29, siehe auch Aufhebung eines Schiedsspruchs – Rechtsmittelverzicht; siehe auch waiver of rights Verzichtsvereinbarung − Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren − Art. V Abs. 1 UNÜ, vor Erlass des Schiedsspruchs (ex ante) 257–262 − Art. V Abs. 1 UNÜ nach Erlass des Schiedsspruchs (ex post) 262 − Art. V Abs. 2 UNÜ 262–263 − Prozessvertrag 259 − Aufhebungsverfahren 244, 245–257 − Art. 1718 CJB 246 − Art. 192 IPRG 247 − Deutsches Recht de lege ferenda 275–276 − Deutsches Recht de lege lata 251– 257
Sachverzeichnis
− Deutsches Recht, Regelungs-
vorschlag 276 − internationale Gestaltungsfreiheiten 247–248 − in Schiedsverfahrensregeln 248–251 waiver siehe Präklusion – rechtstechnische Wirkung – rügelose Einlassung
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waiver of rights 29, siehe auch Präklusion – rechtstechnische Wirkung – rügelose Einlassung westphalian vision siehe multilocal approach ZPO siehe Deutschland zwingender Kernbereich siehe UNCITRAL Model Law – Präklusionsinstitute – zwingender Charakter