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German Pages 723 [728] Year 1835
Die
Philosophie des Aristoteles, in ihrem inneren Zusammenhänge, mit
besonderer Berücksichtigung des philosophischen Sprachgebrauchs, aus dessen Schriften entwickelt von
Franz Biese, AdjunctuS und ordentlichem Lehrer am Königl. ZoachimSthalschen Gymnasium zu Berlin.
Erster
Band.
Logik und Metaphysik.
To avaozsvd — — did — doxu xat ittqifyuv dnavra xat nävta xußtqvftv, — — xat tout »trat to &iiov* u&ava,Tov yaq xat dvwktO-Qov, ) Plat. Pbaed. p. 97. c.
*) Met. 1, 4. p. 14, 10.: *Ava£ayoga$ v« yy Trpoc TTjv kooponoilar, xaX ovav «Tropen/, diu uvuyx^ ist, tot« aVTo'r.
XQ^ae Ty alxlav
3) Met. 12, 10. p. 257, 11. ♦) Phys. 2, 8. vergl. 1, 4. p. 187, 6. ed. Bekk», worin die Wider, legung des Anaxagoras enthalten ist. Phil. d. Ariftor. Bd. i.
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Einleitung.
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dem Substanziellen des Staats gegenüber als bedeutsam und werthvoll fühlte, und ein Perikles, des Anaxagoras Zeitgenosse
und Freund, den Staat durch die Macht seines Geistes lenkte, so war jetzt die Zeit gekommen, wo man in dem,
was bis
her nach der allgemeinen Sitte noch als das unmittelbar
Wahre Geltung und Anerkennung gefunden hatte, nicht mehr
Befriedigung fand, sondern, wo man darnach strebte, dasselbe auch vor dem Gedanken zu rechtfertigen und als ein durch
denselben Vermitteltes zu erkennen. Anaxagoras
Daher trat besonders bei
an die Stelle der sinnigen, dichterischen An
schauung der Natur die Erklärung aus physischen Ursachen: die Sonne war ihm eine glühende, eisenartige Steinmasse *), der Mond bewohnbar und mit Wasser, Berg und Thälern versehen; Erdbeben, Mond« und Sonnenfinsternisse, die man
bisher für eine unmittelbare Einwirkung der Götter gehalten hatte, wurden von ihm aus natürlichen Ursachen abgeleitet; die in das Volksleben übergegangenen Dichtersagen wurden
ihm zu bloßen Allegorien a) und die Geltung der Orakel
sprüche ward von ihm für nichtig erklärt3* ).*
Hierdurch ward
die Grundanschauung des griechischen Volksgeistes erschüttert,
der in den Naturerscheinungen das Walten geistiger Mächte
in menschlicher Gestalt verehrte, wichtiger
der ferner bei Entscheidung
Ereignisse noch nicht aus der eigenen Kraft des
Selbstbewußtseyns die Entschließung wagte, sondern zu den Göttern und zu ihren Orakelsprüchen Zuflucht nahm.
Daher
kam es auch, daß Anaxagoras als ad-tog angeklagt wurde und Athen verlassen mußte.
Doch das Reich des reinen, ein
fach bei sich seyenden Gedankens, der ebensosehr die Natur ;oiv üyaS-ov filv ilvai, ov äs, t«
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ovo^axa tfä xoiva tl&ta&at
Dergl. Friedr. Hermann a. a. S. p, 26 sgq.
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Einleitung.
als objectiv wahr ausgesprochen werden, und die Empfindung bleibt das einzige Kriterium des Wahren und Guten '). Die
ser Hedonismus mußte bei der Unmöglichkeit, in diesem un vollkommenen Leben sich ein ununterbrochenes Lustgefühl zu erhalten, endlich zur Verzweifelung führen,
wie sie sich im
Hegesias (ntiGt&ävaTo$) darstellt. Wird nun ferner in dem Begriffe des Willens bloß die
Beziehung auf das Allgemeine festgehalten, so wird der In halt der Handlungen zur abstracten Allgemeinheit, und die
Befriedigung besteht in der reinen Thätigkeit des Willens, um demselben gegen die Außenwelt seine Selbstständigkeit zu
erhalten.
Dies ist das Bestreben der Cyniker, deren Haupt
Antisthenes ist.
Zur Unabhängigkeit führt der Weg des
Entbehrens, daher Selbstbeschränkung auf das nothwendigste
Naturbedürfniß gefordert wird a).
Die Tugend
selbst ist
ewige Mühe und Arbeit, doch veredelt sie den Menschen und bringt ihn zur Annäherung an die Glückseligkeit der Götter3).
Die Befriedigung der subjectiven Persönlichkeit ist auch hier,
wie bei den Cyrenaikern, der Zweck, wodurch der Begriff des Guten seinen Inhalt bekommt, nur ist der Ausgangspunkt bei
beiden verschieden.
Der Inhalt des Guten, wodurch bei den
Cynikern die Handlung bestimmt wird, ist die reine Allgemein, heil des Willens;
das Gute und Schöne ist Eins 4), und
*) Sext. Empir. 1. I.: ovdl xqltiiqiov