Die Personengesellschaft im Steuerrecht: Gedächtnissymposion für Brigitte Knobbe-Keuk 9783504382971

Die Personengesellschaft im Steuerrecht wird in diesem Band von führenden Sachkennern aus Universität, Finanzgerichtsbar

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German Pages 175 Year 2011

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Die Personengesellschaft im Steuerrecht: Gedächtnissymposion für Brigitte Knobbe-Keuk
 9783504382971

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Dötsch • Herlinghaus · HOttemann • LOdlcke ·Schön Die Personengesellschaft im Steuerrecht

Rechtsordnung und Steuerwesen Band 42 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann

Die Personengesellschaft im Steuerrecht Gedächtnissymposion für Brigitte Knobbe-Keuk

von

Prof. Dr. Franz Dötsch Dr. Andreas Herlinghaus Prof. Dr. Rainer Hüttemann Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön

2011

Verlag

Dr.OftoSchmidt Köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrofbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64241-9 ©2011 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druckund Verarbeitung: Be1z, Darmstadt Printed in Germany

Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 40 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. Zu dieser Schrift Die von Werner Flume begründete Forderung nach einer Kongruenz des Steuerrechts zur allgemeinen Rechtsordnung, insbesondere zur Zivilrechtsordnung bildet den wesentlichen Leitgedanken dieser Schriftenreihe. Als Eingriff in die Güterverteilung – so heißt es im Geleitwort zu Band 1 – dürfe „die Besteuerung die allgemeine Rechtsordnung nicht in Frage stellen oder gar aufheben“. Dies gelte gleichermaßen für die grundV

Geleitwort

sätzlichen Strukturprinzipien wie für die Einzelregelungen und Einzelinstitutionen. Für Brigitte Knobbe-Keuk war dieses Postulat niemals Selbstzweck, sondern vor allem ein notwendiger Schritt zur Wiedergewinnung von Rechtssicherheit im Steuerrecht. Wie fruchtbar eine solche Rückbesinnung auf die zivilrechtlichen Grundlagen gerade im Bereich des Unternehmenssteuerrechts sein kann, hat sie selbst insbesondere durch ihre Arbeiten zur Besteuerung von Personengesellschaften eindrucksvoll nachgewiesen. Wegweisend ist bis heute ihr grundlegender Beitrag über „Die Besteuerung des Gewinns der Personengesellschaft und der Sondervergütungen der Gesellschafter“ in StuW 1974, S. 1 ff., wo sie sehr früh die Konsequenzen aufzeigte, die aus der zivilrechtlichen Verselbständigung der Personengesellschaft für die steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften zu ziehen sind. Diese Überlegungen hat Brigitte KnobbeKeuk später in einer Vielzahl weiterer Aufsätze und sodann in ihrem Lehrbuch zum „Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht“ vertieft und ausgebaut. Die Wechselwirkungen zwischen Steuerrecht und Zivilrecht standen auch im Mittelpunkt ihrer Überlegungen in Band 4 dieser Schriftenreihe mit dem provokanten Titel „Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?“. Darin hat sie nicht nur die Gesellschaftsrechtler daran erinnert, dass das Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht zum Unternehmensrecht gehört, sondern auch den Steuerrechtlern am Beispiel des Mitunternehmerbegriffs verdeutlicht, wie sehr die steuerrechtliche Rechtsanwendung von einer stärkeren Orientierung an den zivilrechtlichen Strukturen der Personengesellschaft profitieren kann. Die Bedeutung der Zivilrechtsordnung für das Steuerrecht bildete auch eine Konstante des Gedächtnissymposions „Die Personengesellschaft im Steuerrecht“, das ihre Schüler am 30.10.2010 aus Anlass des 70. Geburtstages von Brigitte Knobbe-Keuk im Festsaal der Universität Bonn veranstaltet haben. In fünf Vorträgen ist dabei der heutige Stand der steuerrechtlichen Behandlung von Personengesellschaften einer kritischen Analyse unterzogen worden. Durch die Veröffentlichung der auf dem Symposion gehaltenen Referate in diesem Band soll nicht nur unserer viel zu früh verstorbenen akademischen Lehrerin gedacht, sondern auch dem Anliegen dieser Schriftenreihe entsprochen und die wissenschaftliche Diskussion über die Besteuerung von Personengesellschaften vorangebracht werden. Bonn und München, im Oktober 2011 Rainer Hüttemann

VI

Wolfgang Schön

Inhalt* Seite

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Prof. Dr. Rainer Hüttemann Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Institut für Steuerrecht, Bonn Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Prof. Dr. Franz Dötsch Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, München Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Prof. Dr. Rainer Hüttemann Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Institut für Steuerrecht, Bonn Gewinnermittlung bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

Dr. Andreas Herlinghaus Richter am Bundesfinanzhof, München Umstrukturierungen bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt und Steuerberater, Hamburg Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . .

95

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön Direktor Max-Planck-Institut für Steuerrecht und öffentliche Finanzen, Abteilung für Unternehmens- und Steuerrecht, München Die Personengesellschaft im Steuerrechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . 139 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

__________ * Ausführliche Inhaltsübersichten zu Beginn der jeweiligen Beiträge.

VII

.

Rainer Hüttemann

Einführung I. „Brigitte Knobbe-Keuk lebt im Bewusstsein ihrer Freunde, ihrer Schüler, ihrer Bewunderer“. Dieser Satz von Wolfgang Schön aus dem Vorwort zur Gedächtnisschrift1 hat am 30.10.2010 eine wunderbare Bestätigung gefunden. Die große Zahl der Teilnehmer am Gedächtnissymposion und die vielen freundlichen Rückmeldungen, die wir auf unsere Einladung erhielten, belegen eindrucksvoll, wie präsent Brigitte Knobbe-Keuk auch 15 Jahre nach ihrem Tod in unser aller Bewusstsein ist. Wir – ihre Schüler Franz Dötsch, Andreas Herlinghaus, Rainer Hüttemann, Jürgen Lüdicke und Wolfgang Schön – danken allen, die aus Anlass des 70. Geburtstages von Brigitte Knobbe-Keuk nach Bonn gekommen sind und damit auch Ihre Verbundenheit mit dieser außergewöhnlichen Wissenschaftlerin zum Ausdruck gebracht haben.

II. Das Thema unseres Symposions lautete: „Die Personengesellschaft im Steuerrecht“. Wer das wissenschaftliche Werk von Brigitte Knobbe-Keuk kennt, wird über die Themenwahl nicht sonderlich überrascht sein. Denn Steuerfragen der Personengesellschaft bildeten nicht nur einen Schwerpunkt ihres steuerrechtlichen Wirkens, sondern standen auch am Anfang ihrer Arbeit im Steuerrecht. Schon mit 34 Jahren legte sie mit ihrem umfangreichen Beitrag über die „Besteuerung des Gewinns der Personengesellschaft und der Sondervergütungen der Gesellschafter“ in Heft 1 der Steuer und Wirtschaft 1974 ein geschlossenes Konzept der Besteuerung der Personengesellschaft vor, das bis heute nachwirkt2. Dass Brigitte Knobbe-Keuk diese kleine Monographie3 – und um eine solche handelte es sich in der Sache, denn der Aufsatz umfasste immerhin 49 Druckseiten – zu eben diesem Zeitpunkt vorgelegt hat, war kein Zufall. Das Steuerrecht der Personengesellschaften befand sich damals in einer Umbruchphase, wie die Autorin gleich zu Beginn ihres Beitrags darlegt4:

__________ 1 2 3 4

Schön, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, V. Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1 ff. Sie erschien auch als Sonderdruck. Knobbe-Keuk, StuW 1974, 2.

1

Rainer Hüttemann „Die kritische Auseinandersetzung mit der ‚Bilanzbündeltheorie‘ und allen damit verbundenen Vorstellungen hat in dem Vortrag von Meßmer auf dem Steuerberater-Kongreß 1972 ihren krönenden Abschluss gefunden. Nach den Ausführungen Meßmers bedarf es keiner erneuten Darlegung, dass die ‚Bilanzbündeltheorie‘ in dem Gesetz keine Grundlage findet. Die Berufung auf die ‚Bilanzbündeltheorie‘ für die Entscheidung einer bestimmten Frage wird endgültig nicht mehr ernst genommen werden können. Damit ist der Zeitpunkt für eine Darstellung gekommen, wie die mit der Personengesellschaft zusammenhängenden Besteuerungsfragen auf der Grundlage des Gesetzes zu beurteilen sind. Dies ist umso wichtiger, als die Aufgabe der Bilanzbündeltheorie-Vorstellungen nicht durch die Unsicherheit um die Frage des ‚Was nun?‘ behindert werden sollte.“

Es ging Brigitte Knobbe-Keuk also um nicht weniger als einen wirklichen Neuanfang. Dreh- und Angelpunkt dieser Neuorientierung war die Einsicht, dass der zivilrechtlichen Verselbstständigung der Personengesellschaft – damals ging es noch weniger um die BGB-Gesellschaft als vielmehr um die Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) – auch im Ertragsteuerrecht stärker als bisher Rechnung zu tragen sei. Dazu schreibt sie in der „Grundlegung“ ihres Beitrags weiter5: „In den §§ 4 ff. EStG geht es um die Ermittlung des in einem Gewerbebetrieb erwirtschafteten Gewinns. […] Der Gesellschafter führt aber nicht, wie es in der auf der Bilanzbündeltheorie beruhenden herkömmlichen Terminologie heißt, den Gewerbebetrieb belastet mit den Rechten der anderen Gesellschafter. Man muss nur die Gesamthand als Personengemeinschaft, als – wie es Flume plastisch formuliert – „Gruppe“ erkennen. Das Gesamthandsprinzip bedeutet die Handlungs- und Rechtszuständigkeit für alle Gesellschafter zusammen, d. h. für die Gesamthand, für die Gesellschaft als solche. Die Gesamthand, die Gruppe, ist die Beteiligte aller rechtlich relevanten Vorgänge im Gesamthandsbereich. […] Nicht anders aber ist es auch die Gesamthand, die den Gewerbebetrieb führt.“

Die Abkehr von der Bilanzbündeltheorie beruhte somit auf der Einsicht, dass nicht die Gesellschafter als solche, sondern die „Gruppe der Gesellschafter“ – also die Personenhandelsgesellschaft als eigenes Zuordnungssubjekt – den Gewerbebetrieb unterhält. Erst in einem weiteren Schritt wird der von der Gesellschaft erzielte Gewinn bzw. Verlust den Gesellschaftern nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für steuerliche Zwecke als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet. Dieser Paradigmenwechsel hat erhebliche Auswirkungen auf die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften. Dabei geht es nicht nur um die steuerliche Anerkennung von entgeltlichen Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern auch und gerade um die Anerkennung der Gesellschaft als Einkünfteerzielungs- und Einkünfteermittlungssubjekt, wie sie der Große Senat des BFH zehn Jahre später im sog. Geprägebeschluss nachvollzogen hat: Wenn

__________ 5 Knobbe-Keuk, StuW 1974, 3.

2

Einführung

sich die Gewerblichkeit im Sinne des Steuerrechts allein nach der Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt, dann kann – so der Große Senat zutreffend6 – eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft auch nicht dadurch „gewerblich“ werden, dass an ihr – wie im Fall einer GmbH & Co. KG – eine Kapitalgesellschaft als einzige geschäftsführende Komplementärin beteiligt ist. Diese und andere Fragen der Gewinnermittlung bei Personengesellschaften bilden den Gegenstand meines Beitrags.

III. Die rechtliche Verselbstständigung der Personengesellschaft hat nicht nur Auswirkungen auf die Gewinnermittlung bei Personengesellschaften, die im Mittelpunkt des Beitrags in der Zeitschrift „Steuer und Wirtschaft“ gestanden hat. Sie wirkt sich auch – wie Brigitte Knobbe-Keuk an anderer Stelle eindringlich dargelegt hat7 – auf den persönlichen Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus. Nach dieser Vorschrift wird der Gewinn einer gewerblichen Personengesellschaft einkommensteuerrechtlich bei den Gesellschaftern anteilig erfasst und besteuert, wobei nach auch heute noch h. M. darunter nur solche Gesellschafter zu verstehen sein sollen, die als sog. „Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft“ anzusehen sind. Die h. M. verlangt insoweit, dass der einzelne Gesellschafter selbst in Hinsicht auf den Gesellschaftsbetrieb mit „Unternehmerrisiko“ und „Unternehmerinitiative“ handelt8. Zwar trägt der Gesellschafter „Unternehmerrisiko“, weil der Gesellschaftsbetrieb über die Beteiligung am Gewinn und Verlust auf Rechnung der Gesellschafter geführt wird. Das Merkmal der „Unternehmerinitiative“ ist aber – wie Brigitte Knobbe-Keuk herausgearbeitet hat – mit der rechtlichen Verselbstständigung der Gesellschaft nicht in Übereinstimmung zu bringen. Denn wie soll ein von der Geschäftsführung ausgeschlossener Kommanditist in Hinsicht auf die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft am Markt „initiativ“ werden? Die Rechtsunsicherheit, zu der der Mitunternehmerbegriff, aber auch die Sonderrechtsprechung zur Anerkennung von Familienpersonengesellschaften geführt haben, hat Brigitte Knobbe-Keuk immer wieder scharf kritisiert. So schreibt sie voller Ironie in ihrem Beitrag unter dem Titel „Sind aller guten Dinge drei?“ in der Festschrift für Ludwig Schmidt, der als langjähriger Richter am BFH und Verfasser der führenden Kommentierung zu § 15 EStG die Praxis nicht unwesentlich geprägt hat9:

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6 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 7 Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, 1986; dies., StuW 1986, 106 ff. 8 Vgl. nur die Übersicht bei Wacker in L. Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 15 Rz. 250 ff. 9 Knobbe-Keuk, FS L. Schmidt, 1993, 741.

3

Rainer Hüttemann „Unzähligen Kommanditisten hat er [Ludwig Schmidt, Anm. d. V.] die rote Karte als Mitunternehmer gezeigt, sie durch Disqualifikation aus dem Rennen genommen, nachdem von der obersten Rennleitung wieder einmal ein neuer Parcours mit neuen Stolpersteinen, Hürden, Wassergräben verfeinert worden war. Auf der anderen Seite hat er auch viele Steuerpflichtige, die nicht Gesellschafter waren, zu Mitunternehmern „einer Gesellschaft, deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind“ befördert. Saldiert man beides, die von Ludwig Schmidt verhinderten und die von ihm rekrutierten Mitunternehmer, so kommt man wahrscheinlich auf eine Gesamtzahl von Mitunternehmern, die nicht wesentlich anders liegt, als sie ohne Ludwig Schmidt liegen würde. Nur wird Ludwig Schmidt für sich in Anspruch nehmen, dass die nach seinen Vorstellungen zusammen gewürfelte Mitunternehmertruppe der materiellen Gerechtigkeit mehr entspreche.“

Wie es heute um die „materielle Gerechtigkeit“ beim Mitunternehmerbegriff steht, untersucht Franz Dötsch in seinem Beitrag.

IV. Ein weiterer Problemkreis, in dem sich die zivilrechtliche Selbstständigkeit der Personengesellschaft auch steuerrechtlich auswirkt, sind Umstrukturierungen. Seit der Aufgabe der Bilanzbündeltheorie werden entgeltliche Veräußerungsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auch steuerlich anerkannt, führen also zur Gewinnrealisation. Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten sind aber nach der gesetzlichen Verankerung des sog. Mitunternehmererlasses in § 6 Abs. 5 S. 3 ff. EStG auch weiterhin zum Buchwert möglich. Brigitte KnobbeKeuk hat schon früh darauf hingewiesen, dass diese Sonderbehandlung von Personengesellschaften – insbesondere im Bereich des sog. Sonderbetriebsvermögens – begründungsbedürftig ist, denn zwischen Dritten waren und sind steuerneutrale Buchwertübertragungen von Einzelwirtschaftsgütern grundsätzlich nicht möglich10. „Zum Schwur“ kommt es spätestens bei der unentgeltlichen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften, die gesetzlich keine besondere Regelung gefunden hat. Die zutreffende Behandlung dieser Konstellation hat Anfang dieses Jahres sogar zu einem offenen Streit zwischen dem I. und dem IV. Senat des BFH geführt11. Fragen der Buchwertübertragung von Einzelwirtschaftsgütern bedürfen darüber hinaus einer Abstimmung mit den steuerlichen Folgen einer Realteilung und einer Umwandlung von Personengesellschaften. All diesen Fragen widmet sich Andreas Herlinghaus.

__________ 10 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 III 2 b. 11 Siehe BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, FR 2010, 381; BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/90, FR 2010, 760.

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Einführung

V. Anfang der 90er Jahre war es Brigitte Knobbe-Keuk im nationalen Steuerrecht zu eng geworden. Wie ein Blick in ihre Publikationsliste12 zeigt, beschäftigte sie sich in den letzten Jahren vor ihrem Tod vorrangig mit Fragen des europäischen und internationalen Steuer- und Gesellschaftsrechts. Beginnend mit einem Beitrag in der RIW 1991, 306 ff. wandte sie sich dabei auch der Behandlung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht zu, und so kam es, dass in der 9. und letzten Auflage ihres Lehrbuchklassikers – dem „Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht“ – ein weiteres Kapitel 13a über „Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht“ eingefügt worden ist. In der Einleitung zu diesem Abschnitt schreibt Brigitte Knobbe-Keuk13: „Die Schwierigkeiten der steuerlichen Behandlung der Personengesellschaften, wie sie in den §§ 9 ff. dieses Buches deutlich geworden sind, setzen sich fort und potenzieren sich bei internationalen Sachverhalten, sei es, dass ein Inländer an einer ausländischen Personengesellschaft, sei es, dass ein Ausländer an einer deutschen Personengesellschaft beteiligt ist. Die Hauptprobleme resultieren daraus, dass die innerstaatlichen Rechte der beteiligten Staaten in der Behandlung der Personengesellschaften voneinander abweichen können“.

Dieser nüchterne Befund ist auch heute noch richtig. Er wird noch dadurch verstärkt, dass das deutsche Steuerrecht bei der Besteuerung von Personengesellschaften – z. B. in Hinsicht auf die Einkünftequalifikation bei gewerblich geprägten Gesellschaften oder die Behandlung von Sondervergütungen – gewisse Sonderwege beschreitet, die im Ausland keine Entsprechung finden und die deshalb auch mit den Wertungen der internationalen Doppelbesteuerungsabkommen nur schwer zu vereinbaren sind. Diesen und anderen Fragen der Behandlung von Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht geht Jürgen Lüdicke in seinem Beitrag nach.

VI. Da Brigitte Knobbe-Keuk seit Anfang der 90er Jahre vermehrt an Fragen des europäischen und internationalen Steuerrechts gearbeitet hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sie sich in späteren Jahren auch der Steuerrechtsvergleichung zugewandt hätte. Denn durch die vertiefte Beschäftigung mit dem damals sich gerade erst entwickelnden europäischen Steuerrecht und international-steuerrechtlichen Fragen war ihr Interesse an den Strukturen ausländischer Steuerrechtsordnungen geweckt worden.

__________

12 Vgl. dazu die Bibliographie in Schön, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, S. 987 ff. 13 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 13a I.

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Rainer Hüttemann

Ihr früher Tod im Jahr 1995 hat ein solches Forschungsprogramm verhindert, bei dem die Behandlung von Personengesellschaften sicher einen prominenten Platz eingenommen hätte. Wolfgang Schön gibt in seinem Beitrag einen rechtsvergleichenden Überblick über die international teilweise sehr unterschiedlichen Systeme der Einkommensbesteuerung von Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern.

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Franz Dötsch

Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft Inhaltsübersicht I. Einführung II. Die Mitunternehmerschaft im Einkommensteuerrecht 1. Begriff der Mitunternehmerschaft 2. Vorliegen einer „Personengesellschaft“ a) Vorbemerkung b) Personengesellschaften im zivilrechtlichen Sinne c) Vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse 3. Erzielung „gewerblicher“ Einkünfte a) Regelfälle: Erzielung „genuin“ gewerblicher Einkünfte b) Der Sondertatbestand des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG: gewerblich geprägte Personengesellschaft

c) Die „Abfärberegelung“ des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 4. Die Existenz von „Mitunternehmern“ III. Der Begriff des Mitunternehmers 1. Grundlagen – Der Mitunternehmerbegriff in der Rechtsprechung des BFH 2. Kreis der potenziellen Mitunternehmer 3. Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko a) Vorbemerkung b) Mitunternehmerinitiative c) Mitunternehmerrisiko IV. Zusammenfassung

I. Einführung Brigitte Knobbe-Keuk hat sich dem vorliegenden Themenbereich in zahlreichen Vorträgen und wissenschaftlichen Abhandlungen in der ihr eigenen exzellenten und unnachahmbaren Art gewidmet. Durch ihre ebenso wissenschaftlich fundierten und scharfsinnigen wie praxisnahen Arbeiten hat sie wie kaum ein anderer Universitätslehrer die Rechtsprechung und Rechtslehre zur Besteuerung der Mitunternehmerschaften beeinflusst. Dieser Einfluss wirkt – wie auch in den folgenden Ausführungen immer wieder „aufscheinen“ wird – weit über den allzu frühen Tod von Brigitte Knobbe-Keuk hinaus bis in die heutige Zeit hinein fort. Die Einkommensbesteuerung der in Deutschland steuerpflichtigen Unternehmen knüpft an die Rechtsform an. Je nach der zivilrechtlichen Organisationsform werden wirtschaftlich vergleichbare Unternehmen, namentlich die Personenunternehmen (insbesondere Einzelunternehmen und Personengesellschaften) auf der einen Seite und die Körperschaften (insbesondere Kapitalgesellschaften) auf der anderen Seite, völlig unterschied7

Franz Dötsch

lichen Besteuerungsregeln unterworfen. Dieser „Dualismus der Unternehmensbesteuerung“1 wird im steuerrechtlichen Schrifttum schon seit Langem zu Recht vor allem mit Blick auf das aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitende Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kritisiert2. Leider ist diese Kritik beim Gesetzgeber bislang wirkungslos verhallt. Das BVerfG hat an der de lege lata rechtsformorientierten Unternehmensbesteuerung bisher keinen Anstoß genommen. Im Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/993 hat es ausgeführt, für eine Beurteilung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sei entscheidend, ob es einen hinreichenden sachlichen Grund gebe, unternehmerische Tätigkeiten steuerrechtlich unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie in Gestalt von Personen- oder Kapitalgesellschaften ausgeübt würden. Einen solchen Grund liefere die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern. Diese Abschirmung bewirke, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entstehe, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden dürfe. Das Steuerrecht nehme damit bei der Bestimmung verschiedener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit verfassungsrechtlich bedenkenfrei die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet werde (vgl. § 718 BGB i. V. m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB), während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbstständig sei4. Zu folgen ist diesen Ausführungen, soweit das BVerfG die Verfassungskonformität des im geltenden Recht für die Körperschaften (insbesondere Kapitalgesellschaften) statuierten Trennungsprinzips und der damit einhergehenden Abschirmwirkung der Körperschaft gegenüber ihren Mitgliedern sowie die Verfassungsmäßigkeit des für Einzelunternehmen gesetzlich sanktionierten Transparenzprinzips hervorhebt. Weniger überzeugen nach meinem Dafürhalten allerdings die Argumente, mit denen das BVerfG die vom Einkommensteuergesetzgeber vorgesehene Erstreckung dieses Transparenzprinzips auch auf die Personengesellschaften, namentlich insbesondere auf die Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und

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1 Vgl. z. B. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage, § 18 Rz. 1; Hennrichs, FR 2010, 721 (722). 2 Vgl. insbesondere Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, Einleitung, S. 1 ff. m. w. N. zu den seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts andauernden Reformbestrebungen; vgl. ferner auch Knobbe-Keuk, in: Verhandlungen des 53. DJT, Band II, 1980, O 9 ff.; dies., BB 1989, 1303. 3 BVerfGE 116, 164 (198 ff.). 4 BVerfG, Beschl. v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (198 f.).

8

Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft

die BGB-Außengesellschaften, verteidigt. Denn die Ausdehnung des Transparenzprinzips auf diese Gesellschaften widerspricht m. E. entgegen der vom BVerfG vorgenommenen Wertung den zivilrechtlichen Grundentscheidungen und erscheint überdies auch aus steuerrechtlichen Gründen de lege ferenda nicht sachgerecht5. Brigitte Knobbe-Keuk hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass es unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht gerechtfertigt ist, Einzelunternehmer und Personengesellschafter im Wesentlichen den gleichen steuerrechtlichen Regeln zu unterwerfen, schon weil „dem Einzelunternehmer der Zugriff auf sein Betriebsvermögen jederzeit offensteht, dem Gesellschafter demgegenüber bei Beschränkungen seines Entnahmerechts6 der Gewinnanteil gerade nicht als ‚disponibles Einkommen‘ zur Verfügung steht“7. Zivilrechtlich findet das Trennungsprinzip auch bei den Personengesellschaften Anwendung. Die Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) sowie die Partnerschaftsgesellschaft und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) können – wie schon § 124 HGB verdeutlicht – Träger von Rechten und Pflichten sein. Sie sind Inhaber eines eigenen gesamthänderisch verfassten Vermögens, „über das sie in eigener Rechtszuständigkeit verfügen und Verträge mit Dritten und auch mit ihren eigenen Gesellschaftern abschließen (können)“8. Die Gesellschafter verfügen hingegen über keine Anteile an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens. Sie erlangen auch keine anteilige Verpflichtung und Berechtigung aus den von der Gesellschaft geschlossenen Verträgen9. Den genannten Personengesellschaften kommt also eine Rechtssubjektivität zu. Diese Gesellschaften können überdies Parteien eines (Zivil-)Prozesses sein, so dass sie parteifähig sind. Außer Zweifel steht darüber hinaus nach § 11 InsO ihre Insolvenzfähigkeit10. Entsprechende Grundsätze gelten nach neuerer, heute h. M. auch für die Partenreederei11. Gleiches gilt des Weiteren nach aktueller Rechtsprechung12 und h. L.13 schließ-

__________ 5 Vgl. auch Hennrichs, FR 2010, 721 (723 ff.). 6 Vgl. hierzu z. B. auch Hennrichs, FR 2010, 721 (724 f.). 7 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 I 1. (S. 361 f.); dies., DB 1990, 905 (907); zustimmend Hennrichs, FR 2010, 721 (724); ders., StuW 2002, 201 (203); vgl. demgegenüber aber Drüen, GmbHR 2008, 393 (398, re. Sp. f.). 8 Schön, StuW 1996, 275 (282); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, § 46 II 2. (S. 1364), m. w. N. 9 Schön, StuW 1996, 275 (282); Hennrichs, StuW 2002, 201 (208). 10 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 8), § 8 III 4.a (S. 202). 11 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 8), § 8 III 4.c (S. 202). 12 Grundlegend: BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 13 Flume, ZHR 136 (1972), 177; Ulmer, AcP 198 (1998), 113; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 8), § 8 III 4.d (S. 203 ff.); Huber, FS Lutter, 2000, 107 (122 ff.).

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Franz Dötsch

lich für die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie besitzt Rechtsfähigkeit, „soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet“14. Karsten Schmidt15 fasst diesen Befund zutreffend wie folgt zusammen: „Alle dem Gesellschaftsrecht zugehörigen sog. Gesamthandsgemeinschaften – die Personengesellschaften des Handelsrechts und die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, […] die EWIV und die Partenreederei – sind gegenüber ihren Mitgliedern dergestalt rechtssubjektiv verselbstständigt, dass sie als Inhaber des zweckgebundenen Vermögens und als Träger von Ansprüchen und Verbindlichkeiten anzusehen sind. Auch im öffentlichen Recht kann die Gesamthandsgemeinschaft Rechtsund Pflichtsubjekt sein. Dies […] ergibt sich teils aus dem Gesetz selbst, teils aus seiner sachgerechten Anwendung“.

Hennrichs16 folgert hieraus zu Recht, dass die Personengesellschaften nach den zivilrechtlichen Grundentscheidungen den Kapitalgesellschaften näher stehen als den Einzelunternehmern. So hebt er zutreffend hervor17: „Namentlich haben die (Personen-)Gesellschafter keine unmittelbare Berechtigung an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens, sondern allein Gesellschaftsrechte. Während der Einzelunternehmer jederzeit und uneingeschränkt auf sein (Betriebs-)Vermögen zugreifen kann, gehört das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft und unterliegen die Gesellschafter bei den Entscheidungen über die Verwendung des Gesellschaftsvermögens stets einem Einigungsrisiko. […] Die steuerliche Gleichstellung des sog. Mitunternehmers mit dem Einzelunternehmer ist besonders fragwürdig bei den Kommanditisten. Zwar haben sie bei außergewöhnlichen Maßnahmen die Mitwirkungsbefugnisse des § 164 HGB. Soll aber das wirklich ausreichen, um sie als Mitunternehmer zu kennzeichnen? Praktisch sind Kommanditisten jedenfalls häufig nur kapitalmäßig beteiligt und kümmern sich nicht weiter um die unternehmerische Leitung der Gesellschaft. Daher stehen sie wertungsmäßig eher einem Aktionär nahe“18.

Ausgehend von der beschriebenen Zivilrechtslage, nach der die (Außen-) Personengesellschaft über ihr eigenes Vermögen – das Gesamthandsvermögen – verfügt und ihre eigenen Einkünfte (diese sind nichts anderes als die betrieblich veranlassten Vermögensmehrungen und -minderungen; vgl. § 4 Abs. 1 EStG) erzielt, die Personengesellschaft also Inhaberin des Betriebes und Trägerin des Steuerobjekts ist19, sollte die Einkommens-

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14 BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 (Leitsatz); vgl. ferner BGH, Urt. v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88 (94); BGH, Beschl. v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, BGHZ 179, 102. 15 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 8), § 8 III 5. (S. 206). 16 Hennrichs, FR 2010, 721 (725). 17 Hennrichs, FR 2010, 721 (725). 18 Vgl. Hennrichs, StuW 2002, 201 (209, 211). 19 Vgl. z. B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 I 2.b (S. 367); Schön, DStR 1993, 185 (191) und StuW 1996, 275 (282 f.); Hennrichs, FR 2010, 721 (726).

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besteuerung der Personengesellschaft de lege ferenda den Regeln angeglichen werden, die für die Besteuerung der Kapitalgesellschaften gelten. Das im geltenden Recht für die Einkommensbesteuerung der Personengesellschaften angelegte Transparenzprinzip wird der Maxime der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit vor allem insoweit nicht gerecht, als sowohl die transparente Besteuerung der in der Gesellschaft thesaurierten Gewinne als auch die unmittelbare Zurechnung der von der Personengesellschaft erwirtschafteten Verluste an die Gesellschafter eine überschießende Tendenz aufweisen20. De lege lata bleibt allerdings nichts anderes übrig, als diese Effekte in Kauf zu nehmen. Denn andernfalls würden thesaurierte Gewinne bei den Personengesellschaften anders als bei den Einzelunternehmern und den Kapitalgesellschaften nicht bereits im Zeitpunkt ihrer Entstehung, sondern erst im Moment ihrer Ausschüttung an die Gesellschafter besteuert werden können, was gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität und der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen würde21. Man wird wohl kaum darauf hoffen dürfen, dass sich der Gesetzgeber in absehbarer Zeit zu einer grundlegenden Reform der Unternehmensbesteuerung wird durchringen können. Die nachstehenden Ausführungen knüpfen deshalb an das gegenwärtige Besteuerungsregime an. Nach geltendem Recht werden die Einzelunternehmer der Einkommensteuer und die juristischen Personen (insbesondere die Kapitalgesellschaften) sowie die ihnen gleichgestellten Gebilde (vgl. § 1 Abs. 1 KStG) der Körperschaftsteuer unterworfen. Demgegenüber unterliegen die Personengesellschaften und die ihnen vergleichbaren Personenzusammenschlüsse als solche weder der Einkommensteuer noch der Körperschaftsteuer. Steuersubjekte sind allein die an ihnen beteiligten Gesellschafter oder Gemeinschafter, denen die im Personenverbund (gemeinschaftlich) erzielten Einkünfte (nach h. M.) unmittelbar und originär zugerechnet und je nachdem, ob der Teilhaber eine natürliche Person oder eine Körperschaft ist, entweder der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Schlagwortartig lässt sich formulieren, dass die Körperschaften (insbesondere Kapitalgesellschaften) und ihre Gesellschafter nach dem Trennungsprinzip besteuert werden. Dieses Prinzip impliziert insbesondere, dass die von der Körperschaft erzielten Gewinne, solange diese im Unternehmen thesauriert werden, allein von der Körperschaft versteuert werden; erst wenn die Gewinne ausgeschüttet werden, unterliegen sie bei den Anteilseignern der Einkommensbesteuerung. Von der Körperschaft erlittene Ver-

__________ 20 Näher dazu Hennrichs, FR 2010, 721 (726 f.). 21 Schön, StuW 1988, 253 (257 f.); Knobbe-Keuk, DB 1990, 905 (907); dies., Bilanzund Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 I 1. (S. 362).

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luste werden grundsätzlich22 nicht an die Anteilseigner „durchgereicht“; sie können allein von der Körperschaft nach Maßgabe des Verlustabzugs (§ 10d EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG) mit den Gewinnen anderer (meist künftiger) Besteuerungsabschnitte saldiert werden. Grundlegend anders verhält es sich hingegen bei den Personenunternehmen (Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften, insbesondere Personengesellschaften): Hier sieht das geltende Recht eine transparente Besteuerung vor. Danach werden die vom Einzelunternehmer und der Mitunternehmerschaft erwirtschafteten Gewinne ohne Rücksicht auf ihre Verwendung (Thesaurierung im Unternehmen oder Entnahme) bereits im Zeitpunkt ihrer Entstehung bei dem Einzelunternehmer bzw. den Mitunternehmern der Einkommensbesteuerung unterworfen. Spiegelbildlich werden auch die im Unternehmen erlittenen Verluste – anders als bei den Körperschaften – nicht im Unternehmen „eingesperrt“, sondern unmittelbar und originär den Unternehmens(mit-)inhabern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zugerechnet. Die Organisationsform der Personengesellschaft (z. B. GmbH & Co. KG) eignet sich von daher besonders zur Verwirklichung von „Steuersparmodellen“, deren Auswüchse der Gesetzgeber im Gegenzug mit speziellen Regelungen (z. B. § 15a EStG) wieder einzudämmen versucht23.

II. Die Mitunternehmerschaft im Einkommensteuerrecht 1. Begriff der Mitunternehmerschaft Die zentrale Norm zur Besteuerung der (gewerblichen) Mitunternehmerschaften stellt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Danach sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb „die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat.“ Der in dieser Vorschrift verortete Begriff der Mitunternehmerschaft – ein spezifisch steuerrechtlicher Terminus – setzt nach seinem Wortlaut dreierlei voraus: (1) das Vorliegen einer „Personengesellschaft“ (unten 2.), (2) die Erzielung gewerblicher Einkünfte (unten 3.) und (3) die Qualifizierung der „Personengesellschafter“ als Mitunternehmer (unten 4. und III.).

__________ 22 Ausnahme: Organschaft. 23 Vgl. auch Hennrichs, StuW 2002, 201 (203).

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2. Vorliegen einer „Personengesellschaft“ a) Vorbemerkung Der Begriff „Personengesellschaft“ wird in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in einem weiteren Sinn verwendet. Er umfasst nicht nur die Personengesellschaften im eigentlichen (zivilrechtlichen) Sinn (dazu unten b), sondern auch Gemeinschaften, die einer Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbar sind (dazu unten c). b) Personengesellschaften im zivilrechtlichen Sinne § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nennt ausdrücklich die „klassischen“ Personengesellschaften des Handelsrechts (OHG und KG), bezieht aber darüber hinaus expressis verbis auch die anderen Personengesellschaften i. S. des Zivilrechts in seinen Anwendungsbereich ein. Dazu gehören sowohl Außen- als auch Innengesellschaften. In Betracht kommen neben der GbR24 als Grundform der Personengesellschaft insbesondere die atypisch stille Gesellschaft25, die Partenreederei26, die Partnerschaftsgesellschaft27, die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)28 und auch ausländische Personengesellschaften, wenn letztere nach einem Typenvergleich eine Struktur aufweisen, die der Organisationsform einer deutschen Personengesellschaft ähnlich ist29. Die Entstehung einer Personengesellschaft setzt zwingend den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages (vgl. § 705 BGB) voraus. Die Lehre von der faktischen Gesellschaft (faktischen Mitunternehmerschaft) ist überholt. Wer, ohne Gesellschafter zu sein, einer Personengesellschaft als Angestellter, Darlehensgläubiger, Vermieter oder Verpächter seine Dienste, Kapital oder Wirtschaftsgüter zur Verfügung stellt und dafür Vergütungen bezieht, die dem Wert seiner Leistungen entsprechen, ist nicht Mitunternehmer. Die bloße Bündelung von Risiken aus Leistungsaustauschverhältnissen führt bei Vereinbarung angemessener leistungsbezogener Entgelte noch nicht zu einem gesellschaftsrechtlichen Risiko30. Das gilt auch dann, wenn die betreffende Person in der Personengesellschaft unternehmerische Entscheidungen zu treffen oder an ihnen mitzuwirken hat und wenn der Bestand ihrer Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft und die Höhe

__________ 24 25 26 27 28 29

Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG, 30. Auflage, § 15 Rz. 324 ff. Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 340 ff. Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 374. Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 334. Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 333. Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; Söffing, Besteuerung der Mitunternehmer, 5. Auflage, Rz. 136. 30 BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 (275, li. Sp.).

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und Realisierbarkeit ihrer Ansprüche in nicht unbedeutendem Maß von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abhängen31. Solche Austauschverträge können also keine (mitunternehmerische) Gesellschaft begründen, wenn sie nicht ausnahmsweise ein in Wahrheit gewolltes Gesellschaftsverhältnis verschleiern und deshalb zu einer verdeckten Gesellschaft (Mitunternehmerschaft), etwa in Form einer BGBInnengesellschaft, führen32. Klar ist, dass die Einordnung der vertraglichen Beziehungen als Gesellschaftsvertrag nicht maßgeblich von der Eigenqualifikation der Vertragspartner und von der (äußeren) Bezeichnung der Vertragsverhältnisse durch die Parteien als Dienst-, Pacht- oder Darlehensvertrag abhängen kann33. Ausschlaggebend für die in Grenzfällen zweifelsohne schwierige Abgrenzung zwischen Gesellschaftsverhältnis und Austauschvertrag sind vielmehr die von den Vertragsbeteiligten gewollten Rechtswirkungen34. Ein auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichteter Rechtsbindungswille der Beteiligten ist an Hand der gesamten äußeren Umstände vom FG als Tatsacheninstanz festzustellen. Dabei darf der entsprechende Verpflichtungswille nicht lediglich fiktiv unterstellt werden35. Insbesondere erlauben tatsächliche Einflussmöglichkeiten für sich genommen noch nicht den Schluss auf einen Gesellschaftsvertrag36. Andererseits kann allerdings ein länger währendes und unbeanstandetes gesellschaftertypisches Verhalten auf das Vorliegen eines verdeckten Gesellschaftsverhältnisses hindeuten37. „Das tatsächliche Verhalten begründet dann nicht als solches die Mitunternehmerschaft, sondern es indiziert das Vorliegen eines entsprechenden Rechtsverhältnisses“38. c) Vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse Über den zu eng gefassten Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hinaus sind nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift neben den dort erwähn-

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31 BFH, Urt. v. 22.1.1985 – VIII R 303/81, BStBl. II 1985, 363 (Leitsatz). 32 Ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BFH, Urt. v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282; BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272; BFH, Urt. v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480; BFH, Urt. v. 1.7.2003 – VIII R 2/03, BFH/NV 2003, 1564. 33 BFH, Urt. v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 (284, li. Sp.); KnobbeKeuk, StuW 1986, 106 (108); Reiß in Kirchhof, EStG, 10. Auflage, § 15 Rz. 175. 34 BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 (274, re. Sp.). 35 BFH, Urt. v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 (284, re. Sp.), m. w. N.; o. V., HFR 1994, 324. 36 BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 (275, li. Sp.); BFH, Beschl. v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10 (11). 37 BFH, Urt. v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 (483, re. Sp.): jahrelange Vornahme von Einlagen und Entnahmen „wie ein Gesellschafter“, Verzicht auf Umsatzprovision als Teil der Tätigkeitsvergütung; Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 175. 38 Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 175.

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ten Personengesellschaften auch solche Personenzusammenschlüsse unter die Mitunternehmerschaften zu subsumieren, die zwar nicht die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Personengesellschaft erfüllen, diesen aber wirtschaftlich vergleichbar sind39. Hierunter fallen vor allem die unternehmerisch tätige Erbengemeinschaft, wenn zum Nachlass beispielsweise ein Gewerbebetrieb oder ein Anteil an einer gewerblichen Personengesellschaft gehört40, ferner die eheliche Gütergemeinschaft, wenn zum Gesamtgut ein Einzelunternehmen oder eine mitunternehmerische Beteiligung rechnen41, 42, sowie unter Umständen selbst eine Bruchteilsgemeinschaft, wenn die Gemeinschafter im Rahmen einer solchen eine unternehmerische Betätigung entfalten, etwa einen gewerblichen Grundstückshandel betreiben oder ein Besitzunternehmen im Zuge einer Betriebsaufspaltung unterhalten43. 3. Erzielung „gewerblicher“ Einkünfte a) Regelfälle: Erzielung „genuin“ gewerblicher Einkünfte Anders als eine Kapitalgesellschaft, deren sämtliche Einkünfte schon qua Rechtsform als gewerbliche eingestuft werden44, erzielen die Personengesellschaften und die ihnen gleich zu behandelnden Gemeinschaften45 grundsätzlich46 nur dann gewerbliche Einkünfte, wenn sie eine „genuin“ gewerbliche Tätigkeit ausüben, also die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllen. Nur dieses Ergebnis wird dem vom Gesetzgeber mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verfolgten Anliegen gerecht, die dort erfassten Personenzusammenschlüsse so weit als möglich, d. h. soweit dem die ge-

__________ 39 Grundlegend: BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768, re. Sp.). 40 Statt vieler vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 383 f. 41 Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 376 ff. Entsprechende Grundsätze gelten auch für die eingetragene Lebenspartnerschaft, wenn die Partner eine „Vermögensgemeinschaft“ vereinbart haben; vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 381 f. 42 Eine Mitunternehmerschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH im Fall der Gütergemeinschaft freilich dann zu verneinen, wenn der Gewerbebetrieb keinen nennenswerten Kapitaleinsatz erfordert und der Gewinn im Wesentlichen auf der persönlichen (Arbeits-)Leistung des zivilrechtlichen Betriebsinhabers beruht; vgl. z. B. BFH, Urt. v. 7.10.1976 – IV R 50/72, BStBl. II 1977, 201 (202 f.). 43 Vgl. z. B. Söffing, Besteuerung der Mitunternehmer (Fn. 29), Rz. 333. 44 Vgl. § 8 Abs. 2 KStG. 45 Vgl. dazu oben 2.c. 46 Zur Ausnahme der gewerblich geprägten Personengesellschaft vgl. unten 3. b.

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sellschaftsrechtlichen Vorschriften nicht entgegen stehen, dem Einzelunternehmer gleichzustellen47, 48. Dass die Personengesellschaften grundsätzlich nicht schon aufgrund ihrer Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielen, wird im Übrigen bestätigt durch den systematischen Zusammenhang des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit den §§ 13 Abs. 7 und 18 Abs. 4 Satz 2 EStG. Die beiden letztgenannten Normen ordnen die entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus selbstständiger Arbeit an; sie wären überflüssig und verfehlt, wenn ohnehin alle Einkünfte der Personengesellschaft als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren wären49. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf die sonst leer laufenden Regelungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG, die freilich aus anderweitigen Gründen verfassungsrechtlichen, teleologischen und systematischen Bedenken ausgesetzt sind50. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst, wie schon die bereits erwähnten §§ 13 Abs. 7 und § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG belegen, trotz Fehlens einer dahingehenden Begrenzung nur mehr gewerblich tätige Personengesellschaften und Gemeinschaften, nicht dagegen auch solche Personenmehrheiten, die anderweitige unternehmerische Einkünfte, namentlich solche aus Landund Forstwirtschaft (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 13 EStG) und aus selbstständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 18 EStG), erzielen. Schon gar nicht erfasst § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, in dem ausdrücklich vom „Mitunternehmer“ die Rede ist, solche Personengesellschaften und vergleichbare Personenzusammenschlüsse, die lediglich Haushaltseinkünfte i. S. der letzten vier Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG erzielen (also insbesondere die vermögensverwaltenden Personenzusammenschlüsse) sowie jene Personenmehrheiten, die überhaupt keiner einkommensteuerbaren Tätigkeit nachgehen. Die folgende Darstellung beschränkt sich – pars pro toto – auf die potenziell gewerblichen Mitunternehmerschaften. Nach heutigem, der ständigen Rechtsprechung und h. L. zugrunde liegenden Verständnis setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG voraus, dass die Gesellschafter oder Gemeinschafter einer Außenpersonengesellschaft oder einer dieser vergleichbaren Gemeinschaft in ihrer gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit51 ein gewerbliches Unternehmen

__________ 47 Vgl. z. B. BFH, Urteile v. 24.8.2000 – IV R 51/98, BStBl. II 2005, 173 (174, re. Sp.); BFH, Urt. v. 12.4.2000 – XI R 35/99, BStBl. II 2001, 26 (27, re. Sp.); BFH, Urt. v. 19.3.1991 – VIII R 76/87, BStBl. II 1991, 635 (636, re. Sp.). 48 Zur Kritik an dieser Intention de lege ferenda vgl. oben I. (S. 2 ff.). 49 Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften, 5. Auflage, S. 34. 50 Vgl. dazu unten 3. b und c. 51 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 9.12.2002 – VIII R 40/01, BStBl. II 2003, 294 (295, re. Sp.).

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i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 EStG betreiben52. Häufig wird insoweit verkürzt ausgedrückt vom Gewerbebetrieb der Personengesellschaft gesprochen53. Allerdings muss man sich dabei darüber im Klaren sein, dass auch in der neueren Rechtsprechung – also auch nach Aufgabe der Bilanzbündeltheorie54 – die Personengesellschaft oder Gemeinschaft lediglich bei der Qualifikation und Ermittlung der Einkünfte als Steuerrechtssubjekt angesehen wird. Subjekte der Einkünfteerzielung sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH allein die Gesellschafter bzw. Gemeinschafter55. Für die Qualifikation der (gewerblichen) Einkünfte ist daher auf die Betätigung der Personengesellschaft oder Gemeinschaft als solche abzustellen, wenn es sich um eine Außengesellschaft/Gemeinschaft handelt; bei ihr müssen alle für das Vorliegen gewerblicher Einkünfte erforderlichen Voraussetzungen (vgl. § 15 Abs. 2 EStG) erfüllt sein. Zudem muss das Engagement der Gesellschaft/Gemeinschaft die Grenzen überschreiten, innerhalb derer sich die Betätigung noch als private Vermögensverwaltung darstellt. Bei der Innengesellschaft (z. B. BGB-Innengesellschaft; atypische stille Gesellschaft) tritt an die Stelle der Gesellschaft/Gemeinschaft der nach außen handelnde Gesellschafter („tätiger“ Gesellschafter, Geschäftsinhaber)56. Eine Außenpersonengesellschaft oder Gemeinschaft, die nach diesen Grundsätzen keine (genuin) gewerbliche Tätigkeit entfaltet, wird von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erfasst. Ihre steuerbaren Einkünfte sind, wenn nicht einer der Sondertatbestände des § 15 Abs. 3 EStG eingreift, auf der Ebene der Gesellschaft oder Gemeinschaft als solche einer anderen Einkunftsart (z. B. aus Land- und Forstwirtschaft, selbstständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen) festzustellen. Eine dahingehende (positive) gesonderte und einheitliche Feststellung unterbleibt, wenn die Personenmehrheit überhaupt keine steuerbaren Einkünfte erzielt. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch in den Fällen, in denen die auf der Ebene der Gesellschaft oder Gemeinschaft erzielten steuerbaren Ein-

__________

52 Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 180; Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 170. 53 Vgl. z. B. Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 170; Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 180. 54 Vgl. hierzu Knobbe-Keuk, StuW 1975, 252 f.; dies., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 I 1. (S. 363 f.); Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rz. E 28 f. 55 Vgl. z. B. BFH, Beschl. v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621, li. Sp.); vgl. ferner die Nachweise bei Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 164. 56 Vgl. z. B. Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 170; Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 180.

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künfte aus vermögensverwaltender Betätigung (Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen) auf der Stufe des Gesellschafters oder Gemeinschafters als gewerbliche Einkünfte „umzuqualifizieren“ sind, etwa weil es sich bei den einzelnen Teilhabern um Kapitalgesellschaften handelt oder weil der Anteil des Teilhabers an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder Gemeinschaft zu dessen Betriebsvermögen gehört (sog. Zebragesellschaft)57. Hierher gehört auch der sich nicht selten ereignende Sachverhalt, dass auf der Ebene der Personengesellschaft oder Bruchteilsgemeinschaft die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels – etwa wegen Nichtüberschreitens der Drei-Objekt-Grenze – nicht erfüllt werden, wohl aber der Gesellschafter oder Gemeinschafter infolge der nach der Rechtsprechung des BFH58 grundsätzlich gebotenen Einbeziehung der von der (vermögensverwaltenden) Beteiligungspersonengesellschaft oder -gemeinschaft getätigten Grundstücksgeschäfte in die in eigener Person entfalteten Aktivitäten am Immobilienmarkt den Tatbestand des gewerblichen Grundstückshandels verwirklicht. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 11. April 2005 GrS 2/0259 ist die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschafters sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen. Dort führt der Große Senat des BFH unter anderem aus: „Die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Einkünfte von Gesellschaftern einer Personengesellschaft hängt grundsätzlich davon ab, welche Einkunftsart durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft verwirklicht wird (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, […] BStBl. II 1984, 751, unter C.III.3.a; […]). Die Beteiligung eines oder mehrerer gewerblich tätiger Gesellschafter an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zwar nicht dazu, dass die Tätigkeit dieser sog. Zebragesellschaft insgesamt als gewerblich anzusehen wäre (BFH-Beschluss in […] BStBl. II 1984, 751, unter C.III.3.b bb). Wird ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft von einem Gesellschafter im gewerblichen Betriebsvermögen gehalten, führt dies jedoch dazu, dass die Anteile dieses Gesellschafters an den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft bei ihm Betriebsvermögen sind. Sie sind diesem Gesellschafter getrennt zuzurechnen und – unbeschadet der Einkünftequalifizierung bei der Gesellschaft – sind die Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch die Personengesellschaft bei ihm anteilig zu erfassen […]. Ist an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft ein Gesell-

__________ 57 Vgl. hierzu z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 201 ff. und 73 f.; zur Zugehörigkeit des Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zum Betriebsvermögen des Gesellschafters vgl. auch Heinicke in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 4 Rz. 251, m. w. N. 58 Grundlegend BFH, Beschl. v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (620 ff.); vgl. ferner die Nachweise bei Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 73. 59 BStBl. II 2005, 679.

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft schafter betrieblich beteiligt, wandeln sich bei dem Gesellschafter die ihm zuzurechnenden Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte um […]“60.

Diese Umqualifizierung – so führt der Große Senat des BFH dort weiter aus – vollziehe sich, wie der vorlegende Senat zu Recht gemeint habe, außerhalb der „Zebragesellschaft“. Auf der Ebene der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sei eine solche Umqualifizierung nicht möglich, weil die Art der Einkünfte einer Personengesellschaft durch die Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt werde und die Gesellschafter insoweit lediglich Einkünfte aus einer bestimmten (Überschuss-)Einkunftsart erzielt hätten. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn sich diese Überschusseinkünfte materiell-rechtlich in der Hand eines betrieblich beteiligten Gesellschafters als Gewinnbestandteil seines Betriebs darstellten61. b) Der Sondertatbestand des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG: gewerblich geprägte Personengesellschaft Von der vorstehenden Erkenntnis, dass es bei einer Personengesellschaft für die Einkünftequalifikation auf die Tätigkeit der Gesellschaft selbst ankommt, enthält § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eine systemwidrige Ausnahme62. Nach dieser Regelung „gilt“ als Gewerbebetrieb „in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer […] Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des [§ 15] Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [EStG] ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft) […]“. Hier werden also die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft aufgrund von Merkmalen in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert, die nichts mit der Tätigkeit der Gesellschaft zu tun haben, sondern unterhalb der Ebene der Gesellschaft gelegene Eigenschaften ihrer (unbeschränkt haftenden) Gesellschafter, namentlich insbesondere deren rechtliche Organisationsform (z. B. als Kapitalgesellschaft), betreffen. Abgesehen von diesen systematischen Bedenken bereitet das Verständnis dieser Vorschrift auch von ihrem Telos her Schwierigkeiten63. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG wurde durch das StBereinG 1986 vom 19. Dezember 198564 in das EStG eingefügt. Diese Gesetzesfassung beruht auf dem Entwurf der Bundesregierung zu einem „Gesetz zur vordringlichen Regelung von Fra-

__________ 60 61 62 63 64

BFH, Beschl. v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (681). BFH, Beschl. v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (681 f.). Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 II 2.d (S. 380). Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 II 2.d (S. 380). BGBl. I 1985, 2436 = BStBl. I 1985, 735.

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gen der Besteuerung von Personengesellschaften“65. Mit der Einfügung der Regelung sollte die sog. Geprägerechtsprechung66 „wiederhergestellt“ werden, die der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/8267 zu Recht als mit dem Gesetz nicht vereinbar aufgegeben hatte. Damit bezweckte der Gesetzgeber zum einen, dass die unter Berufung auf die Geprägerechtsprechung entstandenen stillen Reserven und negativen Kapitalkonten der Kommanditisten besteuert werden konnten. Dieser – der „Vergangenheitsbewältigung“ dienende – Zweck hätte sich freilich auch anders – durch eine bloße Übergangsregelung – erreichen lassen68. Zum anderen sollte aber auch der Blick in die Zukunft gerichtet und eine zweifache Gewinnermittlung vermieden werden69 sowie der Wirtschaft ein „sinnvolles Gestaltungsmittel“ erhalten bleiben70. Angesichts der Formulierung des gesetzlichen Tatbestands ist es den betroffenen Steuerpflichtigen ein Leichtes, je nach Gusto die Rechtsfolgen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zu verwirklichen oder zu vermeiden71. Im wirtschaftlichen Ergebnis läuft die Regelung letztlich auf die gesetzliche Installierung eines „Gewerbebetriebs auf Antrag“ hinaus72. Trotz dieser systematischen und teleologischen Defizite hat die Rechtsprechung bisher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Rede stehende Vorschrift gehegt73. c) Die „Abfärberegelung“ des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Eine weitere Sonderreglung in Bezug auf die Qualifikation der von einer Personengesellschaft erwirtschafteten Einkünfte enthält § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Nach dieser Bestimmung „gilt“ als Gewerbebetrieb „in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht.“ Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte einheitlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Sie setzt – im Unterschied zu

__________ 65 Vgl. BT-Drucks. 10/4498; BT-Drucks. 10/4513, S. 22; BT-Drucks. 10/3663, S. 4, 8. 66 Zur Kritik an dieser nunmehr durch § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG perpetuierten Geprägerechtsprechung vgl. schon Knobbe-Keuk, StuW 1977, 66 (71 f.). 67 BStBl. II 1984, 751 (761, re. Sp. f.). 68 Vgl. Knobbe-Keuk, BB 1985, 941 ff. 69 BT-Drucks. 10/3663, S. 6. 70 Vgl. hierzu Kreile, DStZ 1986, 4 (8). 71 Vgl. z. B. Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 135 und 141. 72 Vgl. z. B. Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 135; vgl. auch schon KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 II 2.d (S. 380). 73 So etwa BFH, Urt. v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464 (466 f.).

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§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG – voraus, dass die Personengesellschaft74 zu einem (nicht nur äußerst geringen75) Teil eine genuin gewerbliche Betätigung i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG entfaltet. Daneben muss die Gesellschaft eine (abgrenzbare76) weitere Tätigkeit ausüben, die – für sich beurteilt – zu einer anderen Einkunftsart als den gewerblichen Einkünften gehören würde, beispielsweise zu den Einkünften aus freiberuflicher Arbeit, Land- und Forstwirtschaft oder aus vermögensverwaltender Tätigkeit i. S. von §§ 20, 21 EStG. Die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG besteht darin, dass die von der Personengesellschaft (zum Teil) ausgeübte gewerbliche Tätigkeit alle übrigen mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommenen (nicht gewerblichen) Betätigungen der Gesellschaft „infiziert“ (sog. Infektions- oder Abfärberegelung). Nach der amtlichen Begründung der durch das StBereinG 1986 vom 19. Dezember 198577 in das EStG eingefügten Vorschrift sollten die damals durch die langjährige Rechtsprechung des RFH und des BFH entwickelten richterrechtlichen Grundsätze gesetzlich verankert werden78. Jene, damals auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG a. F.79 gestützte Rechtsprechung hatte zum „Ziel, die erheblichen Schwierigkeiten zu vermeiden, mit denen die Ermittlung von Einkünften unterschiedlicher Einkunftsarten ein und derselben Gesellschaft verbunden wäre“80. Des Weiteren sollte durch die Regelung verhindert werden, dass in Folge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen den Tätigkeitsbereichen gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden81. M. E. verstößt die Vorschrift gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)82. Allein mit Praktikabilitätsgesichtspunkten lässt sich die in § 15

__________ 74 Die Regelung erfasst nur Personengesellschaften, nicht auch andere Mitunternehmerschaften, wie die Erbengemeinschaft, die Gütergemeinschaft oder Bruchteilsgemeinschaft; vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 187, m. w. N. 75 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229 (230); Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 188, m. w. N. 76 Bei untrennbarer Verflechtung der zu beurteilenden Tätigkeiten kommt nur deren einheitliche Beurteilung und Einkünftequalifikation in Frage. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG greift dann nicht ein; vgl. z. B. BFH, Urt. v. 24.4.1997 – IV R 60/95, BStBl. II 1997, 567 (568); BFH, Urt. v. 20.12.2000 – XI R 8/00, BStBl. II 2002, 478 (479). 77 BGBl. I 1985, 2436 = BStBl. I 1985, 735. 78 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 10/3663, S. 8. 79 Vorläuferregelung zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. 80 BFH, Urt. v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152 (153); vgl. ferner BFH, Urt. v. 10.11.1983 – IV R 86/80, BStBl. II 1984, 152 (154, li. Sp.). 81 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152 (153, re. Sp.), m. w. N. 82 Ebenso Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (52 ff.); Drüen, GmbHR 2008, 393 (402); Stapperfend, StuW 2006, 303 (305 ff.); Schulze-Osterloh, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, S. 531 (534 ff.); Korn, DStR 1995, 1249 (1254).

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Abs. 3 Nr. 1 EStG angelegte Benachteiligung der Personengesellschaften sowohl gegenüber den anderen Mitunternehmerschaften (Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft, Bruchteilsgemeinschaft) als auch gegenüber den Einzelunternehmern nicht rechtfertigen. Die bei Nichtanwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten83 bestehen ebenso – wenngleich auch in im Regelfall weniger ausgeprägtem Maße – bei den Einzelunternehmern. Sie lassen sich notfalls im Schätzungsweg beheben84, zumal eine getrennte Beurteilung und Abgrenzung der Tätigkeiten ohnehin von vorneherein nur dann zur Debatte steht, wenn sich die Tätigkeitsfelder – wie schon angedeutet85 – voneinander separieren lassen. Das BVerfG teilt dieses Verdikt allerdings nicht. Bereits in seinem Kammerbeschluss vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/9886 hat es ausgesprochen, dass die Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Das praktische Bedürfnis einer klaren Zuordnung von Einkünften einer Personengesellschaft zu einer Einkunftsart sei ein sachlicher Unterscheidungsgrund gegenüber dem Einzelunternehmer und schließe die Willkürlichkeit der gesetzlichen Unterscheidung aus. Im Gegensatz zu der bei Einzelunternehmen leichter möglichen Zuordnung der von diesen erzielten Einkünften zu den jeweils maßgeblichen Einkunftsarten könne sich beim Zusammenwirken einer Mehrheit von Mitunternehmern im Rahmen einer Personengesellschaft eine solche klare Trennung schwieriger gestalten87. Auf der Ebene der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei Personengesellschaften träten bei „gemischten“ Tätigkeiten vielfach Ermittlungs- und Zuordnungsschwierigkeiten auf, die ohne eine Betriebsprüfung nicht geklärt werden könnten. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang überdies zu berücksichtigen, dass den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet sei, die Erfüllung des Tatbestands des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch alternative Sachverhaltsgestaltung zu vermeiden. Nach ständiger Rechtsprechung finde diese Norm

__________ 83 Vgl. hierzu insbesondere Groh, DB 2005, 2430 (2431). 84 Vgl. auch Stapperfend, StuW 2006, 303 (305 f.); ders., in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 15 Rz. 1400. 85 Vgl. oben, S. 21 mit Fn. 76. 86 FR 2005, 139. 87 Ein solches Zusammenwirken einer Mehrheit von Mitunternehmern besteht auch bei denjenigen Mitunternehmerschaften, die nicht als Personengesellschaften organisiert sind, namentlich bei der Erbengemeinschaft, der Gütergemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft, und deshalb nicht unter den Sondertatbestand des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG fallen. Es fragt sich daher, wie man die Benachteiligung der Personengesellschaften gegenüber diesen anderen Mitunternehmerschaften rechtfertigen will. Gründe dafür sind nicht im Ansatz zu erkennen. Es verwundert daher nicht, dass auch das BVerfG und der BFH sich dazu ausschweigen.

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keine Anwendung, soweit die gewerbliche Tätigkeit auf eine (ggf. personenidentische) zweite Gesellschaft (Schwester-Personengesellschaft) ausgegliedert werde88. Mit Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/0489 hat der Erste Senat des BVerfG diese Ansicht bekräftigt: Die Abfärberegelung diene legitimen Vereinfachungszwecken. Der dem Praktikabilitätsargument entgegengehaltene Einwand, diese Schwierigkeiten bestünden in gleicher Weise beim Einzelunternehmer, vernachlässige die andere Dimension der Probleme bei den Personengesellschaften. Die Möglichkeit, gewerbliche und nichtgewerbliche Einkünfte auf der Ebene der Personengesellschaft nach dem Umfang der verschiedenen Betätigungen durch Schätzung oder nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast abzugrenzen, vermöge angesichts der erkennbaren Streitanfälligkeit dieser Lösungsvorschläge und ihrer Abhängigkeit von bestimmten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen das Bedürfnis für die Abfärberegelung nicht in Frage zu stellen90. Im Übrigen könne die Personengesellschaft die drohende Erstreckung der Gewerbesteuer auf die Einkünfte aus anderen Einkunftsarten und die entsprechende Verstrickung der betreffenden Vermögenswerte weitgehend risikolos und ohne großen Aufwand durch Gründung einer zweiten personenidentischen Schwestergesellschaft vermeiden91. Das Gewicht der mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verbundenen ungleichen Belastung der Personengesellschaft gegenüber dem Einzelunternehmer verringere sich schließlich in dem Maße, in dem die Gewerbesteuer ihren Charakter als Zusatzbelastung neben der Einkommensteuer verlöre92. M. E. vermögen diese Argumente des BVerfG die oben angeführten Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung nicht zu entkräften. Das gilt auch für den vom BVerfG im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH93 hervorgehobenen Gesichtspunkt, dass man die Anwendung der Abfärberegelung relativ einfach durch eine abweichende Sachverhaltsgestaltung vermeiden könne. Anfechtbar ist dabei bereits die These, die Vermeidungsstrategie über das Ausgliederungsmodell sei „risikolos“ und „wenig aufwändig“. Das zeigt schon der simple Fall, dass eine GbR, bestehend aus zwei Augenärzten, neben der gemeinschaftlich betriebenen Arztpraxis in derselben Etage einen Handel mit Kontaktlinsen betreibt94. Hier bedarf es zur Ausgliederung des Kontaktlinsen-

__________ 88 89 90 91 92 93

BVerfG, Beschl. v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, FR 2005, 139 (140). BVerfGE 120, 1 (43 ff.). BVerfG, Beschl. v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (46 bis 49). BVerfG, Beschl. v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (52 f.). BVerfG, Beschl. v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (54). Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 (256, re. Sp.); BFH, Urt. v. 29.11.2001 – IV R 91/99, BStBl. II 2002, 221 (224). 94 Ein solcher Sachverhalt lag dem BFH-Urt. v. 19.2.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603 zugrunde.

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handels auf eine gesellschafteridentische Schwester-Personengesellschaft eines nicht unwesentlichen und keineswegs risikolosen logistischen Aufwands. In diesem Zusammenhang heißt es in dem BFH-Urteil vom 19. Februar 1998 IV R 11/9795: „Ob tatsächlich eine zweite personenidentische Gesellschaft gegründet worden ist und diese die gewerblichen Leistungen erbracht hat, ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer zweiten Personengesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass die zweite Gesellschaft nach außen erkennbar geworden ist […]. Im Übrigen ist aufgrund von Beweisanzeichen (z. B. getrennte Bankkonten und Kassen, verschiedene Rechnungsvordrucke, eigenständige Buchführung) festzustellen, ob und inwieweit die zweite Gesellschaft eine von der ersten Gesellschaft abgrenzbare Tätigkeit entfaltet hat.“

Das Ausgliederungsmodell birgt im Übrigen die Gefahr, dass eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung entstehen kann96. Davon abgesehen muss die Verfassungskonformität einer Rechtsnorm aus sich selbst heraus beurteilt werden. Sie kann nicht davon abhängen, ob der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, ihr durch eine geschickte Gestaltung des Lebenssachverhalts auszuweichen97. Schließlich wird die durch Anwendung der Abfärberegelung hervorgerufene Benachteiligung der Personengesellschaft gegenüber den übrigen Mitunternehmerschaften und den Einzelunternehmen durch die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG) nur teilweise und unzulänglich kompensiert98. Ein gravierender Nachteil besteht jedenfalls nach wie vor darin, dass die stillen Reserven in den Buchwertansätzen derjenigen Wirtschaftsgüter, welche einem rein vermögensverwaltenden Tätigkeitsbereich zuzuordnen sind, der einkommensteuerrechtlichen Verstrickung unterliegen. 4. Die Existenz von „Mitunternehmern“ Dritte Voraussetzung für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist das Vorhandensein von Mitunter-

__________

95 BStBl. II 1998, 603 (604). 96 Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften (Fn. 49), S. 39. 97 Ebenso z. B. Grune, BB 1998, 1081 (1083); Habscheidt, BB 1998, 1184 (1186); Schulze-Osterloh, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, S. 531 (537 f.); Schwendy, INF 1995, 75 (76); Korn, DStR 1995, 1249 (1254); Drüen, GmbHR 2008, 393 (402); Stapperfend, StuW 2006, 303 (306, re. Sp.). 98 Niehus/Wilke, a. a. O. (Fn. 49), S. 38, m. w. N., weisen im Übrigen zu Recht darauf hin, dass es wenig einleuchtet, weshalb der Gesetzgeber „zunächst durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG das Vorliegen gewerblicher Einkünfte fingiert, wenn er im Anschluss daran mit der durch § 35 EStG gewährten Steuerermäßigung bei gewerblichen Einkünften bestrebt ist, die vorherige Fiktion ihrer materiellen Belastungswirkung wieder zu berauben“.

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nehmern. Eine Mitunternehmerschaft ohne Mitunternehmer ist naturgemäß nicht denkbar. Dabei setzt eine Mitunternehmerschaft schon begrifflich und von der Logik her mindestens zwei Mitunternehmer voraus. Gibt es nur einen Unternehmer, so ist dieser Alleininhaber des Betriebes und mithin Einzelunternehmer. Damit deckt sich im Übrigen auch die zivilrechtliche Sichtweise, nach der es – anders als bei den Kapitalgesellschaften – für das Vorliegen einer Personengesellschaft oder Gemeinschaft stets des Vorhandenseins zumindest zweier Gesellschafter oder Gemeinschafter bedarf99. Der Begriff des Mitunternehmers bildet einen Schwerpunkt des hier zu behandelnden Themas. Seiner Darstellung wird deshalb ein eigener Hauptgliederungspunkt gewidmet (vgl. sogleich unter III.).

III. Der Begriff des Mitunternehmers 1. Grundlagen – Der Mitunternehmerbegriff in der Rechtsprechung des BFH Mitunternehmer i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann nach der ständigen Rechtsprechung des BFH und der ganz h. L. nur derjenige sein, der zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder – in Ausnahmefällen – eine diesem vergleichbare Stellung innehat. Des Weiteren kann auch jemand als Mitunternehmer zu qualifizieren sein, der wirtschaftlicher Eigentümer des Gesellschaftsanteils i. S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist100. Dem Mitunternehmerbegriff kommt die Funktion zu, diejenigen Personen zu bestimmen, denen die gemeinschaftlich, im Rahmen der Mitunternehmerschaft erzielten (positiven und negativen) Einkünfte im Umfang des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anteilig unmittelbar als eigene Einkünfte zuzurechnen sind101. Dieser gesetzgeberischen Zielsetzung kommt bei der (teleologischen) Interpretation des Mitunternehmerbegriffs die maßgebende Bedeutung zu. Nur dem Mitunternehmer einer (gewerblich tätigen) Personengesellschaft oder eines wirtschaftlich vergleichbaren Personenzusammenschlusses können nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anteilige gewerbliche Einkünfte zugeordnet werden. Ist etwa der Gesellschafter einer gewerblich tätigen Außenpersonengesellschaft oder einer Innengesellschaft (z. B. stille Gesellschaft) nicht zugleich Mitunternehmer, so kann er allenfalls – bei entsprechender Tatbestandsverwirk-

__________ 99 Vgl. z. B. Schön, StuW 1996, 275 (282), betr. Personengesellschaft. 100 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 15.12.1999 – I R 29/97, BStBl. II 2000, 527 (529, re. Sp.); Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 300; Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 214, m. w. N. 101 Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 250.

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lichung – Einkünfte im Rahmen einer nicht gewerblichen Einkunftsart beziehen102. Der typische stille Gesellschafter bildet hierfür ein klassisches Beispiel (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die zivilrechtliche Qualifikation einer Person als Gesellschafter bildet zwar die regelmäßige Voraussetzung für die steuerrechtliche Einordnung dieser Person als Mitunternehmer103. Ein dahingehender „Automatismus“ besteht allerdings nicht. So kann in atypisch gelagerten Fällen eine Person oder eine Personenmehrheit104 im zivilrechtlichen Sinne Gesellschafter sein, aber dennoch nicht die einkommensteuerrechtlichen Merkmale des Mitunternehmers erfüllen. Umgekehrt können ausnahmsweise auch solche Personen und Personenzusammenschlüsse als Mitunternehmer i. S. von § 15 (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) EStG zu qualifizieren sein, denen zivilrechtlich nicht die Stellung als Gesellschafter einer Personengesellschaft zukommt. Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff „Mitunternehmer“ wird im Gesetz an keiner Stelle definiert oder umschrieben. Was darunter zu verstehen ist, muss deshalb im Wege der Auslegung eruiert und konkretisiert werden. Dieser Aufgabe hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in zahlreichen Judikaten gewidmet. Grundlegende, auch heute noch aktuelle Ausführungen dazu finden sich im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82105. Dort heißt es unter anderem: „§ 15 [Abs. 1 Satz 1] Nr. 2 EStG verwendet mit dem Ausdruck ‚Mitunternehmer‘ keinen Begriff, der einer abschließenden Definition durch eine begrenzte Zahl von Kriterien zugänglich ist, sondern der nur durch eine unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann […]. Kennzeichnend für den Mitunternehmer […] ist, dass er zusammen mit anderen Personen eine Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfallen kann und ein Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt […]. […] Beide Hauptmerkmale der Mitunternehmerstellung (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) können zwar im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. […]

__________ 102 BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768, li. Sp.); vgl. ferner z. B. BFH, Urt. v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (663, re. Sp. f.). 103 Vgl. z. B. BFH, Beschl. v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (699, re. Sp. f.), m. w. N.; vgl. auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 II 3.b (S. 384 ff.). 104 Vgl. dazu unten III.2. (S. 27 ff.). 105 BStBl. II 1984, 751 (769 f.).

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z. B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen […]. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen […] oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen. […] Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt […]. Ein Kommanditist trägt ein solches Risiko, indem er einerseits am laufenden Gewinn, im Falle seines Ausscheidens und der Liquidation auch an den stillen Reserven (§§ 168, 161 Abs. 2, 138, 155 HGB; §§ 738 ff. BGB), andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am Verlust beteiligt ist […].“

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich der Begriff des Mitunternehmers einer (exakten) Definition entzieht. Es handelt sich vielmehr um einen Typusbegriff, welcher sich dadurch auszeichnet, dass er nur durch eine unbestimmte Zahl mehr oder minder austauschbarer und kompensierbarer Merkmale beschrieben werden kann106. 2. Kreis der potenziellen Mitunternehmer Mitunternehmer können neben den natürlichen Personen auch die juristischen Personen des privaten (z. B. Kapitalgesellschaften) wie des öffentlichen Rechts107 sowie Sondervermögen108 sein109. Mitunternehmer können darüber hinaus nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung110 und h. L.111 auch Personengesellschaften (z. B. OHG, KG oder Außen-GbR) sein. Diese Sichtweise entspricht dem heute herrschenden zivilrechtlichen Verständnis, wonach nicht nur die Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG), sondern auch die Außen-GbR zum Kreis der Gesellschafter

__________ 106 BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769); Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 261. 107 Eine solche Beteiligung bildet bei der Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Betrieb gewerblicher Art; vgl. R 6 Abs. 2 Satz 2 KStR; BMF, Schr. v. 12.11.2009 – IV C 7 - S 2706/08/10004, BStBl. I 2009, 1303 (1308), Rz. 59 ff.; OFD Münster, Vfg. v. 17.7.2009 – S 2706a - 107 - St 13-33. 108 Z. B. Investmentfonds, vgl. § 3 Abs. 5 InvStG; BMF, Schr. v. 18.8.2009 – IV C 1 S 1980 - 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 (941), Rz. 46. 109 Vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 251. 110 Vgl. insbesondere BFH, Beschl. v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691. 111 Statt vieler vgl. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 252 ff.

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einer anderen Personengesellschaft gehören können112. Einkommensteuerrechtlich ist diese Sachbehandlung nicht ganz unproblematisch im Hinblick auf die bereits aufgezeigte113 Funktion des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die gemeinschaftlich erwirtschafteten (gewerblichen) Einkünfte in Ermangelung der Steuersubjektfähigkeit der Personengesellschaft als solcher bei den Gesellschaftern (Mitunternehmern) der (Einkommens-)Besteuerung zu unterwerfen114. Ist die Gesellschafterin einer Personengesellschaft (Unterpersonengesellschaft) ihrerseits eine Personengesellschaft (Oberpersonengesellschaft), so lässt sich dieses Ziel jedenfalls nicht dadurch erreichen, dass die Einkommensbesteuerung auf der Ebene der unmittelbar beteiligten Gesellschafterin (= Oberpersonengesellschaft) vorgenommen wird. Deswegen hatte der IV. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 12. Oktober 1989 IV R 5/86115 den Standpunkt eingenommen, dass die Einkünfte der Oberpersonengesellschaft aus der Beteiligung an der Unterpersonengesellschaft nicht der Obergesellschaft als solcher, sondern „unmittelbar und anteilig den Gesellschaftern der Obergesellschaft zuzurechnen“ seien. Dem folgte der angerufene Große Senat des BFH im Beschluss vom 25. Februar 1991 GrS 7/89116 indessen nicht. Der Große Senat führte dort aus: „Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft können […] neben natürlichen und juristischen Personen auch Personenhandelsgesellschaften sein. Deshalb haben der I. und der VIII. Senat angenommen, dass eine Personenhandelsgesellschaft Gesellschafterin und damit Mitunternehmerin einer anderen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) sein kann mit der Folge, dass die Personenhandelsgesellschaft selbst und nicht deren Mitglieder Gesellschafter und Mitunternehmer der anderen Personengesellschaft sind. […] Der Große Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung, die folgerichtig aus der Verselbstständigung der Personenhandelsgesellschaft im Zivilrecht und der darauf aufbauenden steuerrechtlichen Einheitsbetrachtung entwickelt worden ist, abzuweichen. […] Wenn danach auch Personenhandelsgesellschaften selbst (als Gesellschafter einer Untergesellschaft) eine Mitunternehmerstellung innehaben, widerspricht dies nicht der gesetzlichen Konzeption. Entgegen der Annahme des vorlegenden Senats […] geht weder das EStG noch das KStG davon aus, dass als Mitunternehmer nur natürliche (oder juristische) Personen in Betracht kommen. Zu Unrecht beruft sich der vorlegende Senat für seine gegenteilige Auffassung auf § 2 Abs. 1 EStG. Zwar

__________

112 Vgl. BGH, Urt. v. 2.10.1997 – II ZR 249/96, DStR 1998, 46; BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, DStR 2001, 310; BGH, Beschl. v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291. 113 Vgl. oben I. (S. 11 mit Fn. 21). 114 Vgl. oben I. (S. 11 mit Fn. 21). 115 BStBl. II 1990, 168 (170, li. Sp.). 116 BStBl. II 1991, 691.

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft ergibt sich daraus, dass Gesamthandsgemeinschaften als solche nicht einkommensteuerpflichtig sind; die Vorschrift darf jedoch nicht allein betrachtet werden. Denn was im Einzelnen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, lässt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht entnehmen, sondern ergibt sich aus § 15 (i. V. m. § 16 und 24) EStG […]. Dadurch ist gewährleistet, dass die von der Obergesellschaft aus ihrer Beteiligung an der Untergesellschaft erzielten Einkünfte in den Gewinn der Obergesellschaft eingehen und als Gewinnanteil ihren Gesellschaftern zugerechnet werden“117.

Soweit freilich der Große Senat aus diesen Erwägungen gefolgert hat, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der damaligen Fassung auf Tätigkeitsvergütungen, die ein Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft (Obergesellschafter) für eine Tätigkeit bei der Unterpersonengesellschaft erhält, nicht anwendbar sei, ist dieses Ergebnis durch den mit dem StÄndG 1992 in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eingefügten Satz 2 obsolet geworden. Danach steht ein „mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligter Gesellschafter […] dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich; er ist als Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen, an der er mittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine Beteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der Personengesellschaften anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind; […]“. Der Anwendungsbereich dieses (als Reaktion auf die zitierte Entscheidung des Großen Senats in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eingefügten) Satzes 2 beschränkt sich allerdings nach seinem Zweck darauf, dass die Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft nur mehr in Bezug auf die von ihnen von der Unterpersonengesellschaft bezogenen Tätigkeits- und Nutzungsvergütungen sowie in Bezug auf das Sonderbetriebsvermögen den an der Unterpersonengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschaftern gleichgestellt werden. Demgegenüber werden der auf die Obergesellschaft entfallende Anteil am Gewinn/Verlust der Untergesellschaft (Ergebnisanteil 1. Stufe), die etwaigen Sondervergütungen, welche die eigenen Leistungen der Obergesellschaft an die Untergesellschaft entgelten, sowie etwaige Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der Untergesellschaft (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG), der Obergesellschaft selbst als Mitunternehmerin zugeordnet. Diese Gewinn- oder Verlustanteile und Sondervergütungen erhöhen oder vermindern den Gewinn/Verlust der Obergesellschaft, welcher sodann den Gesellschaftern der Obergesellschaft entsprechend ihren jeweiligen Ergebnisbeteiligungen zuzurechnen ist118.

__________ 117 BFH, Beschl. v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (699, re. Sp., unten f.). 118 Vgl. BFH, Urt. v. 6.9.2000 – IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731 (733, li. Sp.); BFH, Urt. v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 (716, li. Sp.); BFH, Urt. v. 26.1.1995 – IV R 23/93, BStBl. II 1995, 467 (469, re. Sp.); h. L., vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 255 f., m. w. N.; a. A. Bodden, FR 2002, 559 (564).

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3. Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko a) Vorbemerkung Wie schon ausgeführt, kann Mitunternehmer nur derjenige sein, der aufgrund eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnisses oder eines damit wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Beide Merkmale sind für den Mitunternehmerbegriff konstituierend. Sie müssen also nebeneinander vorliegen, wiewohl sie im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein können und in Grenzen gegenseitig kompensierbar sind. b) Mitunternehmerinitiative Mitunternehmerinitiative bedeutet nach dem BFH119 „vor allem Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z. B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen.“ Die von der Rechtsprechung und h. L. gestellten Anforderungen sind insoweit minimal. Es reichen die Befugnisse aus, die den gesetzlich vorgesehenen Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten (vgl. §§ 164, 166 HGB) wenigstens angenähert sind oder den Kontrollrechten nach § 716 BGB entsprechen120. Ist ein stiller Gesellschafter auch an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt, so reichen für die erforderliche Mitunternehmerinitiative des Stillen die Kontrollrechte des § 233 HGB aus121. Entsprechendes gilt auch für den atypischen Unterbeteiligten122. Der BFH misst der Mitunternehmerinitiative bei den verschiedenen Formen von Mitunternehmerschaften ein unterschiedliches Gewicht bei. Zur ehelichen Gütergemeinschaft als ein dem Gesellschaftsverhältnis wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis hat er ausgeführt: „Betreibt der Ehemann handelsrechtlich das Gewerbe allein und verwaltet zugleich das Gesamtgut, so folgt eine eigene Unternehmerinitiative der Ehefrau aus ihren Mitwirkungsrechten, die ihr nach den Vorschriften über die Gütergemeinschaft zustehen (§§ 1423 bis 1425 BGB) i. V. m. den Kontrollrechten, die insbesondere darin bestehen, dass der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte den anderen über die Verwaltung zu unterrichten und ihm auf Verlangen über den Stand der Verwaltung

__________ 119 Grundlegend: BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769, re. Sp.); BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 (275). 120 BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 (275); BFH, Urt. v. 4.11.1997 – VIII R 18/95, BStBl. II 1999, 384 (385, li. Sp.). 121 Vgl. BFH, Urt. v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637, li. Sp.); evtl. einschränkend BFH, Urt. v. 22.8.2002 – IV R 6/01, BFH/NV 2003, 36 (37); Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 343. 122 BFH, Urt. v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637, li. Sp.).

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft Auskunft zu erteilen hat (§ 1435 BGB). Eine solche Unternehmerinitiative ist nicht schwächer als die eines atypischen Unterbeteiligten […]“123.

Angesichts der von der Rechtsprechung für das Vorliegen von Mitunternehmerinitiative als genügend erachteten minimalen Kontroll- und Widerspruchsrechte lässt sich mit Knobbe-Keuk die Frage stellen, ob es nicht „reichlich deplaciert [ist], in diesem Zusammenhang von ‚Unternehmerinitiative‘ zu reden“ und ob „nicht selbst das Widerspruchsrecht des Kommanditisten nach § 164 HGB – von den Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 HGB gar nicht zu reden – weniger ein Instrument für die Entfaltung von Unternehmerinitiative des Kommanditisten als vielmehr ein solches für die Behinderung der Unternehmerinitiative der Geschäftsführung darstellt“124. Bereits im Jahr 1986 ist Knobbe-Keuk mit beachtlichen Gründen dafür eingetreten, auf das Merkmal der Mitunternehmerinitiative ganz zu verzichten: Einkünfte aus Gewerbebetrieb habe der Inhaber des Betriebes. Inhaber des Betriebes und Unternehmer sei der, auf dessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt werde. Bei zivilrechtlicher Betrachtung sei Inhaber des von der Personengesellschaft geführten Betriebs die Gesellschaft. Da die Gesellschaft selbst aber nicht einkommensteuerpflichtig und auch nicht körperschaftsteuerpflichtig sei, seien steuerlich als Inhaber des Betriebs die Steuerpflichtigen anzusehen, auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt werde125. In ähnlicher Weise argumentiert Schön: Begreife man, dass es nicht der Gesellschafter selber sei, der am Wirtschaftsleben teilnehme, sondern die Gruppe der Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit, so folge daraus zwanglos, dass das Merkmal der Unternehmerinitiative für die Mitunternehmerstellung des einzelnen Gesellschafters keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt bilde. Unternehmerinitiative könne nur die Gesellschaft als solche entfalten. Die einzige Initiative des Mitunternehmers, die als Grundlage für die Zurechnung gewerblicher Gewinne erforderlich sei, bestehe daher in dem Entschluss einer natürlichen oder juristischen Person, einer Gesellschaft beizutreten, deren Zwecksetzung auf den Betrieb eines Gewerbes gerichtet sei126. M. E. ist der Rechtsprechung und h. L. darin zu folgen, dass auf das Merkmal der Mitunternehmerinitiative nicht gänzlich verzichtet werden kann. Man sollte zunächst zwischen der Unternehmerinitiative der Personengesellschaft und der Mitunternehmerinitiative des einzelnen Gesellschafters unterscheiden. Die Unternehmerinitiative der Gesellschaft manifes-

__________

123 BFH, Urt. v. 4.11.1997 – VIII R 18/95, BStBl. II 1999, 384 (385, li. Sp.). 124 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 2), § 9 II 3.a (S. 382), m. w. N. 125 Knobbe-Keuk, StuW 1986, 106 (114). 126 Schön, StuW 1996, 275 (286).

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tiert sich in der Entfaltung des durch ihre Organe (Geschäftsführer) und deren Hilfskräfte (z. B. Prokuristen) wahrgenommenen unternehmerischen Engagements. Die Mitunternehmerinitiative auf der Ebene der Gesellschafter kann sich demgegenüber m. E. nur auf das Innenverhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und der Gesellschafter untereinander beziehen, d. h. auf die aus der Gesellschafterstellung – dem Mitgliedschaftsrecht – neben den Vermögensrechten resultierenden Verwaltungsrechte (Stimm-, Auskunfts-, Kontroll-, Widerspruchs- und etwaigen sonstigen Mitwirkungsrechte). M. E. sollte für die Bejahung einer Mitunternehmerstellung auf ein Minimum solcher mitgliedschaftlicher Verwaltungsrechte nicht verzichtet werden. Zur Begründung dieser Ansicht sind im Ausgangspunkt die Erwägungen von Reiß127 dienlich, nach denen es für die Bejahung der Mitunternehmerinitiative genügt, dass die unternehmerischen Entscheidungen, auch wenn sie nicht vom (Mit-)Unternehmer in persona gefällt werden, letztlich auf dessen Willen zurückgeführt werden können. Reiß führt in diesem Zusammenhang aus: „Soweit […] Gesellschafter nach Gesellschaftsvertrag oder Regelstatut (Kommanditist bei der KG) v. der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, ist ihnen die vom Gesellschafter-Geschäftsführer entfaltete Unternehmerinitiative nicht anders als bei einem angestellten Geschäftsführer zuzurechnen. Die Geschäftsführungsbefugnis beruht auch hier auf dem Willen des v. ihr nach dem v. ihm abgeschlossenen Vertrag ausgeschlossenen Gesellschafters. Der geschäftsführende Gesellschafter bedarf auf Dauer des Vertrauens auch der v. der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter. Er hat auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen, da die Geschäftsführung für ‚gemeinsame Rechnung’erfolgt. […]“128.

Sind nun aber die Verwaltungsrechte (Stimm-, Widerspruchs- und Kontrollrechte) des vermeintlichen Mitunternehmers im Gesellschaftsvertrag in einem solchen Maße aufgehoben oder eingeschränkt, dass die geschäftsführenden Gesellschafter, ohne auf die Belange und Interessen des vorgeblichen Mitunternehmers Rücksicht nehmen und mit Sanktionen von dessen Seite rechnen zu müssen, „frei schalten und walten“ können, so ist der von Reiß beschriebenen Zurechnungsgrundlage der Boden entzogen. Nur in diesen – extrem gelagerten – Fällen hat denn auch die höchstrichterliche Rechtsprechung die potenzielle Mitunternehmerstellung des seiner Verwaltungsrechte „entkleideten“ Gesellschafters scheitern lassen. So hat der BFH beispielsweise die Mitunternehmerstellung von Kindern verneint, denen ihre Gesellschaftsanteile an einer KG von den Eltern unter Nießbrauchsvorbehalt schenkweise übertragen worden waren, weil sich die Kinder der Ausübung ihrer Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte begeben und damit den Eltern die Möglichkeit eingeräumt hatten, trotz des gesellschaftsvertraglich dafür vorgesehenen Erfordernisses der Ein-

__________ 127 Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 157 f. 128 Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 158.

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft

stimmigkeit den Gesellschaftsvertrag ggf. zum Nachteil der Kinder zu ändern129. Darf ein Kommanditist in der Gesellschafterversammlung nicht abstimmen und ist sein Widerspruchsrecht nach § 164 HGB abbedungen, so fehlt ihm die erforderliche Mitunternehmerinitiative. Dem Ausschluss des Stimmrechts steht es gleich, wenn ein Kommanditist den Mehrheitsgesellschafter in keinem Fall an einer Beschlussfassung hindern kann, z. B. auch dann nicht, wenn es um die Änderung des Gesellschaftsvertrages oder um die Auflösung der Gesellschaft geht130. Entsprechendes gilt auch beim Verzicht des Arbeitnehmer-Kommanditisten auf die Kontrollrechte nach § 166 HGB131 sowie beim Ausschluss der am OHG-Anteil des Vaters unterbeteiligten Kinder an den stillen Reserven und am Geschäftswert im Falle der Kündigung der Unterbeteiligung durch den Vater mit zusätzlicher Einschränkung der Gewinnentnahme- und Kontrollrechte der Unterbeteiligten132. Werden Kommanditanteile schenkweise mit der Maßgabe übertragen, dass der Schenker ihre Rückübertragung jederzeit ohne Angabe von Gründen einseitig veranlassen kann, ist der Beschenkte steuerrechtlich nicht als Mitunternehmer anzusehen. In diesem Fall ist die Mitunternehmerinitiative des Beschenkten durch die Gefahr der jederzeitigen einseitigen Entziehung der Kommanditanteile praktisch bis zur Weisungsgebundenheit eingeschränkt133. Die schenkweise Übertragung eines Gesellschaftsanteils (Kommanditanteils) verschafft keine Mitunternehmerstellung, wenn dem Schenker (Vater) das Recht eingeräumt wird, nach zehn Jahren ohne weitere Voraussetzungen und entschädigungslos eine Rückübertragung zu verlangen. Eine Befristung der Gesellschafterstellung kann einer Mitunternehmerstellung entgegenstehen, wenn sie die Mitunternehmerinitiative beeinträchtigt. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Gesellschafter unter der ständigen Drohung der Hinausdrängung zum Buchwert steht. Denn dieser Umstand legt ein Wohlverhalten gegenüber dem zur Kündigung berechtigten Gesellschafter nahe, um keinen Anlass für die Inanspruchnahme des Rechts auf Rückübertragung zu geben134. Unschädlich ist dagegen eine Rückfallklausel, nach der die vom Vater seinem Kind geschenkte Unterbeteiligung an einem Kommanditanteil ersatzlos an den Vater zurückfällt, wenn das Kind vor dem Vater stirbt und keine leiblichen ehelichen Abkömmlinge hinterlässt135. Ist in einem

__________ 129 130 131 132 133 134

BFH, Urt. v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 (314, re. Sp. f.). BFH, Urt. v. 11.10.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762 (763). Thüringer FG, Urt. v. 8.3.2006 – III 1209/02, EFG 2006, 815 (816), rkr. BFH, Urt. v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269 (270 ff.). BFH, Urt. v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 (878, re. Sp.). BFH, Beschl. v. 30.5.2006 – IV B 168/04, BFH/NV 2006, 1828 (1828 f.), m. w. N. aus der Rspr. 135 BFH, Urt. v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637).

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Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Ehefrau (Kommanditistin) im Scheidungsfall aus der KG ausgeschlossen werden kann und ihr Ehemann an ihre Stelle tritt, so ist ihr Kommanditanteil dem Ehemann gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zuzurechnen. Die Ehefrau kann in diesem Fall keine ausreichende Mitunternehmerinitiative entfalten, weil sie wegen der Scheidungsklausel von ihren formell nicht eingeschränkten Rechten als Kommanditistin nur insoweit Gebrauch machen kann, als sie die Interessen ihres Ehemannes nicht beeinträchtigt. Andernfalls riskiert sie die Scheidung136. c) Mitunternehmerrisiko Kernelement der Mitunternehmerstellung ist das Tragen eines Mitunternehmerrisikos. Mitunternehmerrisiko bedeutet nach der Rechtsprechung des BFH gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines (gewerblichen) Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt137, wobei es für die Teilhabe an den stillen Reserven und am Geschäftswert genügt, wenn diese zwar nicht für das vorzeitige Ausscheiden des Mitunternehmers, wohl aber für den Fall der Auflösung und Liquidation der Mitunternehmerschaft vorgesehen ist138. Diese von der Rechtsprechung für die Bejahung des Mitunternehmerrisikos entwickelten Voraussetzungen erfüllt beispielsweise ein Kommanditist, dessen Rechtsstellung sich aus dem gesetzlichen Regelungsgefüge ergibt: So ist der Kommanditist einerseits am laufenden Gewinn sowie im Fall seines Ausscheidens aus der KG oder deren Liquidation auch an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Unternehmens beteiligt (vgl. §§ 168, 161 Abs. 2, 138, 155 HGB, §§ 738 ff. BGB). Andererseits partizipiert er nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB auch am Verlust139. Wer nicht am laufenden oder am Gesamtgewinn der Personengesellschaft beteiligt ist, trägt kein Mitunternehmerrisiko140. Ein Kommanditist, der abweichend vom HGB-Statut nur eine übliche Verzinsung seiner Kommanditeinlage erhält und auch an den stillen Reserven des Anlagever-

__________ 136 BFH, Urt. v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, BStBl. II 1994, 645 (648, li. Sp.); vgl. demgegenüber aber auch BFH, Urt. v. 4.2.1998 – XI R 35/97, BStBl. II 1998, 542. 137 BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769, re. Sp.); BFH, Urt. v. 28.10.1999 – VIII R 66-70/97, BStBl. II 2000, 183 (184, li. Sp., m. w. N.). 138 BFH, Urt. v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (760, re. Sp. unten f.). 139 BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769, re. Sp. unten f.). 140 BFH, Urt. v. 28.10.1999 – VIII R 66-70/97, BStBl. II 2000, 183 (184, li. Sp.).

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft

mögens einschließlich des Geschäftswerts nicht beteiligt ist, erfüllt mangels Bestehens eines Mitunternehmerrisikos ebenfalls nicht die Voraussetzungen für eine Stellung als Mitunternehmer141. Dasselbe gilt für einen Personengesellschafter, der wegen rechtlicher oder tatsächlicher Befristung seiner Beteiligung keine konkrete Aussicht auf einen seine Einlage übersteigenden Anteil an einer Mehrung des Betriebsvermögens der Gesellschaft hat142. Ebenso wenig trägt Mitunternehmerrisiko eine Person, die zwar am laufenden Gewinn, nicht aber am Verlust sowie an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Unternehmens partizipiert143. Eine Ausnahme soll im letztgenannten Fall nach der Rechtsprechung des BFH allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die betreffende Person eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative entfalten, d. h. typische unternehmerische Entscheidungen treffen kann, sowie am Erfolg und Misserfolg dieser Entscheidungen in besonderem Maße teilhat, etwa wegen einer hohen Gewinnbeteiligung144. Das Mitunternehmerrisiko erfordert grundsätzlich eine Beteiligung am Verlust. Daher kommt einem Personengesellschafter nicht die Stellung als Mitunternehmer zu, wenn er im Innenverhältnis nicht an den Verlusten der Gesellschaft partizipiert, keine Einlage geleistet hat und er auch im Außenverhältnis keiner persönlichen Haftung ausgesetzt ist145. Das Vorliegen eines Mitunternehmerrisikos setzt nicht (zwingend) voraus, dass der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Außenverhältnis (unbeschränkt oder auch nur beschränkt) haftet146. Dies zeigt schon die Überlegung, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG selbstverständlich auch denjenigen („typischen“) Kommanditisten als Mitunternehmer erfassen will, der seine Einlage (in Höhe der maßgebenden Haftsumme) bereits geleistet hat147. Auch ein atypisch stiller Gesellschafter haftet nicht für die von dem Geschäftsinhaber eingegangenen betrieblichen Verbindlichkeiten (vgl. § 230 Abs. 2 HGB). Gleichwohl trägt auch er ein Mitunternehmerrisiko148. Umgekehrt soll aber nach der Rechtsprechung des BFH und der h. L. für die zum Mitunternehmerrisiko erforderliche Verlustbeteiligung eine unbeschränkte Außenhaftung des Personen-

__________ 141 BFH, Urt. v. 28.10.1999 – VIII R 66-70/97, BStBl. II 2000, 183 (184). 142 FG München, Urt. v. 7.10.2008 – 6 K 3945/06, EFG 2009, 184; Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 265. 143 BFH, Urt. v. 24.10.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 (333). 144 BFH, Urt. v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 (68, re. Sp.); vgl. auch BFH, Urt. v. 16.12.2003 – VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080 (1082 f.); Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 271. 145 Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 210, m. w. N. aus der Rechtsprechung des BFH. 146 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 (332, li. Sp.). 147 Vgl. auch Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 211. 148 BFH, Urt. v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 (333, li. Sp.).

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gesellschafters genügen, auch wenn dieser im Innenverhältnis gegen die Gesellschaft oder gegen die übrigen Gesellschafter einen Freistellungsbzw. Regressanspruch hat.149 Das wirtschaftliche Gewicht der Außenhaftung werde – so der BFH – mit einer solchen Abrede zwar gemindert, jedoch selbst dann nicht hinfällig, wenn zum Zeitpunkt der Freistellungsvereinbarung die Bonität des Verpflichteten keinem Zweifel unterliege. Denn der Eintritt des Haftungsfalls lasse sich mit Rücksicht darauf, dass nicht nur die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft, sondern auch diejenige des oder der Freistellungsverpflichteten Unwägbarkeiten unterliege, regelmäßig nicht ausschließen.150 Diese Auffassung ist zwar praktikabel, aber jedenfalls für solche Sachverhaltskonstellationen nicht unbedenklich, in denen „eine Gewinn- und Verlustbeteiligung vollständig ausgeschlossen ist und der Außenhaftung im konkreten Fall erkennbar keine Bedeutung zukommt.“151 Für die Begründung des Mitunternehmerrisikos reicht eine (in geschäftsüblicher Höhe vereinbarte) Umsatzbeteiligung grundsätzlich nicht aus.152 IV. Zusammenfassung Die rechtsformorientierte Ertragsbesteuerung der deutschen Unternehmen ist de lege ferenda kritisch zu sehen. Dies gilt in besonderem Maße hinsichtlich der Anwendung des sog. Transparenzprinzips auf die Einkommensbesteuerung der Personengesellschaften. Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verortete Begriff der Mitunternehmerschaft setzt (kumulativ) dreierlei voraus, nämlich 1. das Vorliegen einer Personengesellschaft oder einer dieser wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft, 2. die Erzielung gewerblicher Einkünfte und 3. die Qualifizierung der Personengesellschafter oder Gemeinschafter als Mitunternehmer. Für die Klassifizierung der Einkünfte als gewerbliche ist grundsätzlich auf die Betätigung der Personengesellschaft oder Gemeinschaft als solche abzustellen, wenn es sich um eine Außengesellschaft/Gemeinschaft handelt. Bei der Innengesellschaft (z. B. atypische stille Gesellschaft) tritt an die Stelle der Gesellschaft der nach außen handelnde Gesellschafter (Geschäftsinhaber). Von der Erkenntnis, dass es bei einer (Außen-)Personengesellschaft für die Einkünftequalifikation auf die Tätigkeit der Gesellschaft selbst ankommt,

__________ 149 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595; Wacker in Schmidt, EStG (Fn. 24), § 15 Rz. 264, m. w. N. 150 BFH, Urt. v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 (597, re. Sp.). 151 Reiß in Kirchhof, EStG (Fn. 33), § 15 Rz. 209. 152 Näher dazu BFH, Urt. v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359 (363).

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Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft

enthält § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (sog. Geprägeregelung) eine systemwidrige und auch von ihrem Telos her fragwürdige Ausnahme, deren Abschaffung wünschenswert wäre. Eine weitere Sonderreglung in Bezug auf die Qualifizierung der von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte trifft § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (sog. Abfärbe- oder Infektionsregelung). Diese Vorschrift verstößt m. E. gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff des Mitunternehmers wird im Gesetz nicht definiert oder umschrieben. Was darunter zu verstehen ist, muss deshalb im Wege der Auslegung eruiert und konkretisiert werden. Der Mitunternehmerbegriff entzieht sich einer (exakten) Definition. Er stellt einen Typusbegriff dar, der sich dadurch auszeichnet, dass er nur durch eine unbestimmte Zahl mehr oder minder (in Grenzen) austauschbarer und kompensierbarer Merkmale beschrieben werden kann. Kennzeichnend für die Mitunternehmer ist nach der Rechtsprechung des BFH und der h. L., dass er zusammen mit anderen Personen eine Mitunternehmerinitiative entfalten kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerinitiative bedeutet nach der h. M. vor allem Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z. B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Die von der Rechtsprechung und h. L. gestellten Anforderungen sind insoweit minimal. Es reichen die Befugnisse aus, die den gesetzlich vorgesehenen Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten (vgl. §§ 164, 166 HGB) wenigstens angenähert sind oder den Kontrollrechten nach § 716 BGB oder nach § 233 HGB entsprechen. Ein Teil der Literatur vertritt mit beachtlichen Gründen die Ansicht, dass auf das Merkmal der Mitunternehmerinitiative ganz verzichtet werden könne. Dem ist m. E. nicht zu folgen. Nach meiner Auffassung sollte zwischen der Unternehmerinitiative der Gesellschaft/Gemeinschaft als solcher und der Mitunternehmerinitiative des Gesellschafters/Gemeinschafters unterschieden werden. Die für die Mitunternehmerstellung des Gesellschafters/Gemeinschafters maßgebliche Mitunternehmerinitiative bezieht sich m. E. entgegen der h. M. nur auf das Innenverhältnis der Gesellschafter/Gemeinschafter zur Personengesellschaft/Gemeinschaft und der Teilhaber untereinander, d. h. auf die aus dem Mitgliedschaftsrecht resultierenden Verwaltungsrechte (Stimm-, Auskunfts-, Kontroll-, Widerspruchs- und etwaige sonstige Mitwirkungsrechte). Sind diese Verwaltungsrechte in einem Maß aufgehoben oder eingeschränkt, dass die geschäftsführenden Gesellschafter, ohne die Belange und Interessen des vorgeblichen Mitunternehmers respektieren und mit Sanktionen von dessen Seite rechnen zu müssen, „frei schalten und walten“ können, so ist die Mitunternehmerstellung des auf diese Weise „geknebelten“ Gesellschafters oder Gemeinschafters zu verneinen. 37

Franz Dötsch

Kernelement der Mitunternehmerstellung ist das Tragen eines Mitunternehmerrisikos. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg und Misserfolg eines (gewerblichen) Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.

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Rainer Hüttemann

Gewinnermittlung bei Personengesellschaften* Inhaltsübersicht I. Einführung II. Gewinnermittlung bei gewerblichen Personengesellschaften 1. Der Streit um die Steuersubjektivität der Personengesellschaft a) Gesetzlicher Ausgangspunkt b) Der Standpunkt des Großen Senats c) Originäre Erzielung gewerblicher Einkünfte vs. Zurechnung fremder Einkünfte 2. Erzielung gewerblicher Einkünfte a) Einkünftequalifikation auf Gesellschaftsebene b) Gewerblichkeitsfiktionen aa) Abfärbetheorie bb) Gewerbliche Prägung 3. Zur Ermittlung des Gewinnanteils des Gesellschafters a) Gewinnermittlung auf der Grundlage der Gesamthandsbilanz b) Gesellschafts- oder gesellschafterbezogene Auslegung von Gewinnermittlungsvorschriften

c) Ergänzungsbilanzen d) Zurechnung nach Gewinnverteilungsschlüssel 4. Einkünfteermittlung im Sonderbereich und korrespondierende Bilanzierung III. Einkünfteermittlung bei anderen Personengesellschaften 1. Land- und forstwirtschaftliche bzw. freiberufliche Personengesellschaften 2. Einkünfteermittlung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften a) Überschusseinkünfte und Einheitsbetrachtung b) Erzielung vermögensverwaltender Einkünfte und anteilige Zurechnung c) Die Behandlung der privaten Veräußerungsgeschäfte als Kernproblem IV. Ermittlung des Gewerbeertrags V. Schlussbemerkung

I. Einführung Das Vorwort zur neunten und letzten Auflage des „Bilanz- und Unternehmenssteuerrechts“ beginnt mit folgender Anekdote1: „Ein Professor zeigt seinem neuen Assistenten, einem ehemaligen Schüler, die Themen für das anstehende Examen. ‚Das sind ja die gleichen Fragen‘, ruft der

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* Der nachfolgende Beitrag beruht teilweise auf dem Referat, das ich auf der 33. Jahrestagung der DStJG in Potsdam gehalten habe, vgl. DStJG Bd. 34 (2011), 291 ff. 1 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, V.

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Rainer Hüttemann Assistent, ‚die mir auch gestellt wurden‘. ‚Gewiß‘, bestätigt der Professor. ‚Die Fragen sind in jedem Examen die gleichen. Aber in jedem Jahr sind andere Antworten richtig‘.“

So stelle sich – schrieb Brigitte Knobbe-Keuk damals weiter – „bei jeder neuen Auflage der Zustand des Bilanz- und Unternehmenssteuerrechts dar.“ Ich verwende diese Anekdote schon deshalb gerne, weil ich selbst damals der neue Assistent (und ehemalige Schüler) war und deshalb von Lesern des Buches – die offenbar eine wahre Begebenheit vermuteten – auf diese Passage angesprochen worden bin. Brigitte Knobbe-Keuk wollte mit der Anekdote – wie es im Vorwort weiter heißt2 – die „unzähligen Veränderungen des Rechtszustandes durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung“ anprangern, für die nach ihrer Ansicht ein „in reinen Aktionismus verfallener Steuergesetzgeber“ verantwortlich sei. Wendet man sich aber der Besteuerung von Personengesellschaften zu, so sind seit dem Erscheinen ihres grundlegenden Beitrags im Jahr 19743 nur einige – überwiegend punktuelle – gesetzliche Änderungen zu verzeichnen. Die Grundstruktur der Mitunternehmerbesteuerung und die zentrale Vorschrift in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind in ihrem Kerngehalt unberührt geblieben. Dies erlaubt es uns, die Antworten, die nach Ansicht von Brigitte Knobbe-Keuk im Jahr 1974 bei der Gewinnermittlung von Personengesellschaften richtig waren, mit denen zu vergleichen, die nach dem heutigen Stand von Rechtsprechung und Lehre als richtig angesehen werden.

II. Gewinnermittlung bei gewerblichen Personengesellschaften 1. Der Streit um die Steuersubjektivität der Personengesellschaft a) Gesetzlicher Ausgangspunkt Personengesellschaften sind als solche weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig. Der Einkommensteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 EStG nur natürliche Personen und auch im Katalog der Körperschaftsteuersubjekte (§ 1 KStG) werden Personengesellschaften nicht erwähnt. Vielmehr bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, dass der Gewinn der Personengesellschaft steuerlich anteilig bei den Gesellschaftern zu erfassen ist. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören danach die „Gewinnanteile der Gesellschafter einer OHG, einer KG und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist“, sowie die „Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat.“

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2 Knobbe-Keuk, (Fn. 1), V. 3 Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1.

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Doch wie hat man sich diese „Einkünftezurechnung“ steuersystematisch vorzustellen? Folgt aus der Steuerpflicht des Gesellschafters, dass „die Personengesellschaft“ – wie noch Enno Becker gemeint hat4 – „für die Einkommensteuer überhaupt nicht da ist“, die Rechtslage also nach den Grundsätzen der Bilanzbündeltheorie so zu beurteilen ist, „wie wenn der einzelne Gesellschafter den Betrieb der Gesellschafter in dem seinem Anteil entsprechenden Umfang als eigenen Betrieb führen würde?“ Oder bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich, dass den Gesellschaftern der bei der Gesellschaft selbst originär entstehende Gewinn für steuerliche Zwecke zugerechnet wird, so dass der Personengesellschaft auch einkommensteuerrechtlich „Steuersubjektivität“ zukommt, wenn auch nur beschränkt auf die Zwecke der Einkünfteerzielung, der Einkünftequalifikation und der Einkünfteermittlung? b) Der Standpunkt des Großen Senats Unter dem Einfluss der neueren zivilrechtlichen Gesamthandslehre5 und in bewusster Abkehr von bilanzbündeltheoretischen Vorstellungen6 hat sich der Große Senat des BFH zunächst dieser zweiten – insbesondere von Brigitte Knobbe-Keuk vertretenen7 – Auffassung angeschlossen. Dazu heißt es im Geprägebeschluss des Großen Senats vom 25. Juni 19848: „Eine Personengesellschaft unterliegt zwar als solche nicht der Einkommensteuer und ist insoweit nicht Steuersubjekt. […] Eine Personengesellschaft ist jedoch für die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale des Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.“

Der Große Senat des BFH hat diese Auffassung bekanntlich in seinem Beschluss zur doppelstöckigen Personengesellschaft noch einmal ausdrücklich bekräftigt9 und – dem zivilrechtlichen Verständnis folgend – angenommen, dass eine Oberpersonengesellschaft, die als Mitunternehmerin an einer anderen Unterpersonengesellschaft beteiligt ist, selbst als Mitunternehmerin der Unterpersonengesellschaft anzusehen ist.

__________ 4 Enno Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, 1940, S. 94. 5 Grundlegend Flume, ZHR 136 (1972), 177 ff.; ders., Die Personengesellschaft, 1977, §§ 4, 5; zur Entwicklung vgl. die Nachweise bei Ulmer/Schäfer in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 705 Rz. 9 ff.; § 705 Rz. 289 ff. 6 Zu Entwicklung und Kritik der Bilanzbündeltheorie vgl. nur Meßmer in StbJb 1972/73, S. 127 ff. 7 Vgl. grundlegend Knobbe-Keuk (Fn. 3), 1 ff.; dies. (Fn. 1), § 9; ebenso Schön, StuW 1988, 253 ff.; ders., DStR 1993, 185 ff.; ders., StuW 1996, 275 ff.; siehe aus dem neueren Schrifttum noch Hallerbach, Die Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht, 1999. 8 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761 f.). 9 BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691.

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Nur zwei Jahre später hat allerdings der Große Senat des BFH die im Geprägebeschluss und im Beschluss zur doppelstöckigen Personengesellschaft entwickelte „partielle“ Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft in seinem Beschluss zum gewerbesteuerlichen Verlustabzug10 wieder relativiert. Darin heißt es11: „Das Einkommensteuerrecht geht bei der Besteuerung der von Personengesellschaften erzielten Einkünfte von der Grundwertung aus, dass bei den Personengesellschaften die Gesellschafter, nicht die Gesellschaft als solche Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens sind“.

Ferner heißt es dort weiter: „Weil die Gesellschafter die Mitunternehmer des Betriebs sind, der Betrieb auf ihre Rechnung und auf ihre Gefahr hin geführt wird, werden ihnen die Ergebnisse, Gewinn und Verlust, der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet.“

Die Relativierung des Geprägebeschlusses hat ihren vorläufigen Abschluss im Beschluss des Großen Senats zum gewerblichen Grundstückshandel12 aus dem Jahr 1995 gefunden. Auch dieser bekennt sich zwar noch im Grundsatz zur Selbständigkeit der Personengesellschaft. Einschränkend heißt es dort aber jetzt13: „Die Eigenschaft der Personengesellschaften und Gemeinschaften als Steuerrechtssubjekte läßt die Grundentscheidung der §§ 1 und 2 EStG unberührt, daß Subjekte der Einkommensteuer allein die einzelnen Gesellschafter sind. Bei gewerblichen Einkünften i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Träger des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft deren Gesellschafter, sofern sie Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten können. Weil die Gesellschafter die Mitunternehmer des Betriebes sind, der Betrieb auf ihre Rechnung geführt wird, werden ihnen die Ergebnisse (Gewinn und Verlust) der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre Einkünfte zugerechnet.“

Für die konkrete Problematik der Behandlung von Grundstücksveräußerungen durch eine vermögensverwaltende Personengesellschaft hat der Große Senat daraus folgende Konsequenz gezogen14: „Der Grundsatz der Einheit der Personengesellschaft muss jedoch gegenüber dem Gedanken der Vielheit der Gesellschaft zurücktreten, wenn anderenfalls eine sachlich zutreffende Besteuerung des Gesellschafters nicht möglich wäre.“

Die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH ist somit durch ein „Nebeneinander von Einheit und Vielheit“ gekennzeichnet, das kompromissartig zwei an sich unvereinbare Sichtweisen zu verbinden versucht15:

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BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. BFH v. 3.5.1993 (Fn. 10), 616 (621). BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. BFH v. 3.7.1995 (Fn. 12), 617 (622). BFH v. 3.7.1995 (Fn. 12), 617 (622). Vgl. auch die kritische Analyse der Rechtsprechung des Großen Senats bei Schön, StuW 1996, 275 ff.

Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

Einerseits werden unter Hinweis auf die – heute auch gesetzlich (vgl. § 14 BGB) anerkannte – Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft Verträge und Veräußerungsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern ertragsteuerlich anerkannt, andererseits sollen allein die Gesellschafter die Subjekte der Einkünfteerzielung sein16. Diese innere Widersprüchlichkeit der Beschlüsse des Großen Senats dürfte auch der Grund dafür sein, weshalb seine Rechtsprechung weder bei Anhängern noch bei Gegnern einer Steuerrechtssubjektivität von Personengesellschaften auf völlige Zustimmung gestoßen ist. Auch heute stehen sich – soweit es um das steuerrechtsdogmatische Verständnis des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geht – zwei Sichtweisen gegenüber, die ich – stark vereinfachend – als Theorie der „gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung“ und als Theorie der „Zurechnung fremder Einkünfte“ bezeichnen möchte. c) Originäre Erzielung gewerblicher Einkünfte vs. Zurechnung fremder Einkünfte Die Vertreter der Theorie von der „gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung“, vor allem Reiß17 und Fischer18 sowie Pinkernell19, stellen die Wertung der §§ 1 und 2 EStG in den Vordergrund. Aus § 2 Abs. 1 EStG lasse sich ableiten, dass nur solche Einkünfte beim Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterliegen, die dieser „erzielt“ habe20. Folglich müsse auch der Gewinnanteil im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vom Steuersubjekt, also vom Gesellschafter erzielt werden. Nach Reiß soll § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG „zwanglos“ dahingehend zu verstehen sein, dass die Zurechnung deshalb erfolge, weil der Gesellschafter zusammen mit den anderen Gesellschaftern den Handlungstatbestand des Gewerbebetriebs erfüllt habe21. Andere sprechen insoweit von einem „arbeitsteiligen“ Zusammenwirken, das die Zurechnung als „originäre“ eigene Einkünfte rechtfertige22. Diese Ausführungen sind – jedenfalls auf dem Boden der neueren zivilrechtlichen Gesamthandslehre – nur schwer nachvollziehbar, denn es ist nun einmal allein die Gesellschaft, die als rechtsfähige (Außen-)Personengesellschaft eine unternehmerische Tätigkeit am Markt entfaltet. Wer dies unter Hinweis auf eine abweichende eigenständige Wertung des Steuerrechts ausblendet und allein auf die Gesellschafter als „Steuersubjekte“ im Sinne von § 1 Abs. 1 EStG abstellen will,

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16 Zuletzt BFH v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751. 17 Reiß in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 15 Rz. 162 ff.; ders. in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, 1995, § 15 E 25 ff. 18 Fischer in FS Beisse, 1997, S. 189 ff. 19 Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, 2001. 20 Zustimmend Wacker in L. Schmidt, EStG, 30. Aufl., 2011, § 15 Rz. 163; ders. in FS Goette, 2010, S. 561 ff. 21 Reiß in Kirchhof (Fn. 17), § 15 EStG Rz. 162. 22 Pinkernell (Fn. 19), S. 128.

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der müsste konsequenterweise ganz zur Bruchteilsbetrachtung zurückkehren und insbesondere auch Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter die steuerliche Anerkennung versagen. Ein solcher Rückfall auf die „Bilanzbündeltheorie“ wird indes von den Vertretern dieser Auffassung abgelehnt23. Bei dieser Sichtweise bleibt aber offen, weshalb die zivilrechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft zwar eine Abkehr von einer „Bruchteilsbetrachtung“ in Hinsicht auf Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter rechtfertigen soll, nicht aber auch eine Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft auf der Ebene der Einkünfteerzielung. Die These von den Gesellschaftern als Träger des Gewerbebetriebs lässt sich – entgegen der Ansicht des Großen Senats im Beschluss zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag24 – auch nicht auf den Begriff des „Mitunternehmers“ stützen. Der Gesellschafter ist nach dem Gesetz „Mitunternehmer“, weil der Betrieb der Gesellschaft letztlich „für Rechnung der Gesellschafter geführt wird“, er ist deshalb aber noch nicht selbst gewerblich tätig25. Genauso wie man handelsrechtlich aus § 6 HGB, der die Anwendung der „in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften“ auf Personenhandelsgesellschaften anordnet, nicht einfach die Kaufmannseigenschaft der Gesellschafter ableiten kann26, ist es einkommensteuerrechtlich unzulässig, aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf eine eigene „originäre“ Einkünfteerzielung der Gesellschafter zu schließen. Wenn der Große Senat im Beschluss vom 3.5.1993 davon spricht, der Mitunternehmer unterscheide sich vom Einzelunternehmer nur dadurch, dass er unternehmerische Tätigkeit „nicht allein, sondern mit anderen (Mit-)Unternehmern in gesellschaftlicher Verbundenheit ausübt“27, dann offenbart sich hier ein grundsätzliches Missverständnis28. Mit dem Begriff der Gesellschafter in ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit sind eben nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die Gesellschaft als ein davon zu trennendes Zuordnungssubjekt gemeint. Richtigerweise wird man sich also – was das Verständnis der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht angeht – entscheiden müssen: Wer sich mit Rücksicht auf die „Vorherigkeit“ des Zivilrechts zutreffend für eine steuerliche Anerkennung von Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ausspricht, sollte auch akzeptieren, dass allein die Gesellschaft Inhaberin des Gewerbebetriebes ist und nur sie Einkünfte am Markt erzielt.

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Repräsentativ Reiß in Kirchhof (Fn. 17), § 15 EStG Rz. 164, 169. BFH v. 3.5.1993 (Fn. 10), 616. So zutreffend Schön, StuW 1996, 275 (283 ff.). Dazu statt vieler nur Körber in Oetker, HGB, 2. Aufl. 2011 m. w. N.; a. A. noch BGH v. 2.6.1966, BGHZ 45, 282 für den Komplementär. 27 BFH v. 3.5.1993 (Fn. 10), 616 (621). 28 Dazu Schön, StuW 1996, 275 (283).

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Etwas anderes lässt sich – insoweit kann ich auf die Arbeiten von Wolfgang Schön verweisen29 – auch nicht aus § 2 Abs. 1 EStG ableiten. Die Steuerpflicht des Gesellschafters mit seinem Gewinnanteil setzt keineswegs die – letztlich rein fiktive – Annahme voraus, dass der Gesellschafter selbst irgendeine gewerbliche Tätigkeit am Markt entfaltet habe. Für die steuerliche Zurechnung des Gewinnanteils nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist es notwendig, aber auch hinreichend, dass der Gesellschafter über seine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer gewerblichen Personengesellschaft Einkünfte in Gestalt von Gewinnanteilen erzielt. Auch aus der Tatsache, dass der Gesellschafter seinen Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ganz unabhängig vom Zufluss zu versteuern hat, stellt keine Durchbrechung des Subjektsprinzips dar, sondern verändert lediglich die zeitliche Zuordnung der Einkünfte beim Gesellschafter. Diese Abweichung von der Rechtslage beim Einzelunternehmer einerseits und beim Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft andererseits ist – wie Wolfgang Schön überzeugend dargelegt hat30 – der wettbewerbsneutralen Gleichbehandlung der verschiedenen Unternehmensrechtsformen im Ertragsteuerrecht geschuldet. Denn nur auf diese Weise wird eine vergleichbare ertragsteuerliche Sofortbelastung von Unternehmensgewinnen hergestellt. Die Belastung des Gesellschafters mit der Gewinnsteuerlast auf den Gesellschaftsgewinn enthält schließlich auch deshalb keinen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, weil durch das gesellschaftsrechtliche Steuerentnahmerecht31 ein sachgerechter Steuerausgleich aus dem Gesellschaftsvermögen gewährleistet ist. Soweit es also um den von der Gesellschaft erzielten Gewinn geht, bewirkt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein Auseinanderfallen von Steuersubjekt und Subjekt der Einkünfteerzielung. Nicht der Gesellschafter erzielt durch eigene Tätigkeit – auch nicht gemeinschaftlich mit den anderen Gesellschaftern – gewerbliche Einkünfte, sondern die Personengesellschaft ist – wie es der Große Senat im Geprägebeschluss vom 25.6.1984 noch ausgedrückt hat32 – „insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit der Gesellschaft Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.“ Diese „Zurechnungsthese“ kann sich nicht nur auf den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG stützen, der mit dem Begriff „Gewinnanteil“ auf die Teilhabe des Gesellschafters am Gewinn der Gesellschaft und damit auf ein fremdes Einkommen verweist. Sie findet auch im Wort-

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29 Schön, StuW 1996, 275 (284 ff.). 30 Schön, StuW 1988, 253 ff. 31 Zur Ableitung aus § 110 HGB vgl. Schön, StuW 1988, 253 (258 f.); ders. in FS Beisse, 1997, S. 471 (487 f.); zu anderen Begründungsversuchen (Treuepflicht) vgl. Nachweise bei Schäfer in Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 122 Rz. 30 ff.; noch zurückhaltender BGHZ 132, 263 (277). 32 BFH v. 25.6.1984 (Fn. 8), 751 (761).

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laut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine Bestätigung, der für die Gewerblichkeitsfiktion ausdrücklich auf die „mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit“ der Gesellschaft abstellt. Damit erkennt auch das Einkommensteuerrecht die zivilrechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern an, so dass ein von der Zivilrechtslage abweichendes – autonom steuerrechtliches – Verständnis der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht nicht geboten ist. Die Personengesellschaft ist zwar nicht Steuersubjekt, aber doch Einkünfteerzielungssubjekt. Erkennt man – mit dem Geprägebeschluss vom 25.6.1984 und entgegen der nachfolgenden Rechtsprechung des BFH – die rechtsfähige (Außen-) Personengesellschaft auch einkommensteuerrechtlich als Einkünfteerzielungssubjekt (nicht als Steuersubjekt) an, dann ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG z. B. auch dann anzuwenden, wenn – wie im Fall des sog. Treuhandmodells33 – der einzige Kommanditist seinen Anteil treuhänderisch für den Komplementär hält. Denn auch in diesem Fall erzielt allein die Gesellschaft einen Gewinn, der steuerrechtlich erst über § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dem Komplementär zugerechnet wird, weil nur in dieser Regelung eine rechtsträgerübergreifende Zurechnung von Einkünften vorgesehen ist34. Folglich gibt es auch keinen Grund, die Eigenständigkeit der Personengesellschaft nur deshalb einkommensteuerrechtlich zu negieren (und das Gesamthandsvermögen steuerlich unmittelbar dem Betriebsvermögen des Komplementärs nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen), weil die Gewinnanteile des Kommanditisten kraft Treuhandverhältnis dem Komplementär zugerechnet werden. Dies bedeutet zugleich, dass bei Vermögensübertragungen zwischen Gesellschaft und Komplementär § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG („Gesamthandsvermögen“) anzuwenden ist (auch wenn die Sperrfrist keine Rolle spielt, weil ein Überspringen stiller Reserven zwischen den Gesellschaftern wegen der nur treuhänderischen Beteiligung des Kommanditisten ausgeschlossen ist). Ferner wäre auf diese Gesellschaft auch § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG weiterhin anwendbar. Demgegenüber will der IV. Senat die (Außen-)Personengesellschaft im Fall des Treuhandmodells steuerlich wie ein Einzelunternehmen des Komplementärs behandeln35. Damit wird – ganz entsprechend der These der „originären“ Einkünfteerzielung der Gesellschafter – § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf Fälle „gemeinschaftlicher Einkünfteerzielung“ durch zwei oder mehr Mitunternehmer reduziert. Weshalb jedoch die allein aus dem Zivilrecht abgeleitete partielle Steuerrechtsfähigkeit der Gesellschaft, d. h. die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, und die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG davon abhän-

__________ 33 Dazu BFH v. 1.10.1992 – IV 130/90, BStBl. II 1993, 574; BFH v. 3.2.2010 (Fn. 16); aus dem Schrifttum nur Rödder, DStR 2005, 955. 34 Vgl. dazu bereits Schön, JbFStR 2005/2006, 254 f. 35 Siehe BFH v. 3.2.2010 (Fn. 16).

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gen soll, ob der Kommanditist seinen Anteil für den Komplementär hält oder umgekehrt der Komplementär für den Kommanditisten (in diesem Fall ist der Komplementär nach ständiger Rechtsprechung wegen der persönlichen Außenhaftung bekanntlich neben dem Kommanditisten weiterhin Mitunternehmer36), ist nicht recht einsichtig. Denn das Treuhandverhältnis zwischen den Gesellschaftern ändert nichts daran, dass die Gesellschaft selbst den Gewerbebetrieb unterhält, dessen Ergebnisse erst über § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG dem Gesellschafter als Steuersubjekt zugerechnet werden. 2. Erzielung gewerblicher Einkünfte a) Einkünftequalifikation auf Gesellschaftsebene Erkennt man die rechtsfähige Personengesellschaft als Einkünfteerzielungssubjekt an, dann ist selbstverständlich, dass es für die Qualifikation der von der Gesellschaft erzielten Einkünfte ausschließlich auf die Verhältnisse bei der Gesellschaft ankommt. Dies entspricht auch der Sichtweise des BFH. So ist in der Rechtsprechung z. B. anerkannt, dass die für gewerbliche Einkünfte erforderliche Gewinnerzielungsabsicht zunächst auf der Ebene der Gesellschaft festzustellen ist, damit der Tatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG überhaupt anwendbar ist37. Fehlt es daran, kommt eine Zurechnung von Einkünften nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht. Vielmehr können dann nur solche Vermögensmehrungen und Verminderungen, die der Gesellschafter aus seiner Beteiligung an der Gesellschaft erzielt, nur auf der Gesellschafterebene im Rahmen einer von diesem selbst verwirklichten Einkunftsart berücksichtigt werden. b) Gewerblichkeitsfiktionen aa) Abfärbetheorie Im Rahmen der Einkünftequalifikation bei Personengesellschaften sind nach § 15 Abs. 3 EStG bekanntlich einige rechtsformspezifische Besonderheiten zu beachten. So gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die Tätigkeit einer Personengesellschaft „in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt oder Mitunternehmereinkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht. Diese sog. Abfärbe- oder Infektionstheorie ist ebenso alt wie umstritten38. Bei allem

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36 Vgl. dazu BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595; Wacker in L. Schmidt (Fn. 20), § 15 Rz. 320. 37 Nachweise zur Rechtsprechung bei Wacker in L. Schmidt (Fn. 20), § 15 Rz. 182 f. 38 Vgl. etwa die Kritik von Schulze-Osterloh in GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 531 ff.; ferner auch Drüen, GmbHR 2008, 393 (402) und Hey in Tipke/Lang, 20. Aufl. 2010, § 18 Rz. 35.

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Verständnis für eine Vereinfachung der Mitunternehmerbesteuerung ist auch heute noch nicht recht einzusehen, weshalb ein Nebeneinander verschiedener Einkunftsarten bei Personengesellschaften mit solchen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein soll, dass man unbedingt eine einheitliche Gewinnermittlung als gewerbliche Einkünfte vorschreiben muss. Auffallend ist auch, dass die Vorschrift – worauf vor allem Brigitte KnobbeKeuk hingewiesen hat39 – mit der ansonsten im Rahmen von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gerne bemühten „Gleichstellungsthese“ nicht zu vereinbaren ist. Denn die Abfärbetheorie verhindert gerade eine Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmern. Auch die Gefährdung des Gewerbesteueraufkommens kann derart weitreichende Abweichungen kaum rechtfertigen, zumal auch geringe gewerbliche Einkünfte – außerhalb der Bagatellfälle – eine Infektionswirkung haben können40. Ungeachtet der vorstehenden Kritik hat das BVerfG mit Beschluss vom 15.1.200841 jedenfalls einen Verfassungsverstoß im Ergebnis verneint, und zwar vor allem mit dem Hinweis, dass sich die Steuerpflichtigen den Rechtsfolgen der Norm durch die Auslagerung gewerblicher Tätigkeiten auf Schwestergesellschaften ohne großen Aufwand entziehen könnten. Dieses recht kuriose Argument – das höchste deutsche Gericht verweist die Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit einer „rein steuerlichen Ausweichgestaltung“ – dürfte die sachliche Kritik an der Regelung eher noch verstärken. Jüngsten Versuchen des BFH, den Anwendungsbereich der Abfärbetheorie zumindest bei doppelstöckigen Personengesellschaften durch eine teleologische Einschränkung punktuell abzumildern, ist der Gesetzgeber sofort entgegengetreten42. bb) Gewerbliche Prägung Während die Abfärbe- oder Infektionstheorie dem Grundmodell der Besteuerung von Personengesellschaften zumindest insoweit entspricht, als es um die Qualifikation der Tätigkeit „der Gesellschaft“ geht, ist der Tatbestand der gewerblich geprägten Gesellschaft systematisch nicht mehr einzuordnen43. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG „gilt“ die Tätigkeit einer Personengesellschaft schon dann als Gewerbebetrieb, wenn an ihr nur Kapitalgesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter beteiligt sind und

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39 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 21 I 2 b. 40 Allerdings lehnt die Rechtsprechung bei ganz geringfügigen gewerblichen Einkünften aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Abfärbewirkung ab, vgl. BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229. 41 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfG 120, 1. 42 Vgl. dazu BFH v. 6.4.2004 – IX R 53/01, BStBl. II 2005, 383 und die Änderung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch das JStG 2007, vgl. dazu näher Wacker in L. Schmidt (Fn. 20), § 15 Rz. 189. 43 Zur Verfassungsmäßigkeit siehe BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464.

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nur diese zur Geschäftsführung befugt sind. Das ist der sog. Gewerbebetrieb auf Antrag, den der Gesetzgeber eingeführt hat, um der Wirtschaft die „GmbH & Co. KG als sinnvolles Gestaltungsinstrument“ zu erhalten. Brigitte Knobbe-Keuk hatte dazu eine klare Meinung. Im Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht schreibt sie dazu44: „Man fragt sich, was von einem Gesetzgeber zu halten ist, der auf der einen Seite Betriebsvermögen zur Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen und Investitionszulagen erklärt, auf der anderen Seite aber durch ein „sinnvolles Gestaltungsinstrument“ die Möglichkeit, diese auch für nichtbetriebliche Investitionen in Anspruch zu nehmen, eröffnet! Nichts.“

Die Kritik hat bis heute nichts an ihrer Berechtigung verloren. Auch heute noch wirkt die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als „Fremdkörper“45. Darüber hinaus ist die Regelung als schlichtes Nichtanwendungsgesetz auch einer teleologischen Auslegung nicht zugänglich. Denn es ist – insoweit kann man auch heute noch auf die zutreffenden Ausführungen des Großen Senats im Geprägebeschluss verweisen46 – nun einmal schlicht nicht einzusehen, weshalb die Einkünftequalifikation auf Gesellschaftsebene von der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises abhängen soll. 3. Zur Ermittlung des Gewinnanteils des Gesellschafters a) Gewinnermittlung auf der Grundlage der Gesamthandsbilanz Was die Einkünfteermittlung auf der Gesellschaftsebene anbetrifft, so gelten für Personengesellschaften die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG. Im Regelfall der Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) ist somit eine abgeleitete steuerliche Buchführungspflicht nach § 140 AO i. V. m. §§ 238 ff. HGB gegeben. In der Steuerbilanz der Gesellschaft ist – ebenso wie nach § 264c Abs. 3 HGB in der Handelsbilanz – grundsätzlich nur das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft auszuweisen, allerdings nur insoweit, als es auch der Einkünfteerzielung der Gesellschaft dient. Anders ausgedrückt: „Liebhabereivermögen“ und notwendiges Privatvermögen der Gesellschafter im steuerlichen Sinne bleiben ungeachtet des Maßgeblichkeitsgrundsatzes außer Betracht47. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz wird also nicht nur beim Ein-

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Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 9 II Fn. 65. So treffend Birk, Steuerrecht, 13. Aufl. 2010, Rz. 1119. BFH v. 25.6.1984 (Fn. 8), 751. Vgl. nur BFH v. 3.10.1989 – VIII R 184/85, BStBl. II 1990, 319; BFH v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652; ferner Kempermann, StuW 1992, 81, 83 ff.; im Ausgangspunkt abweichend Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 10 I: Gesamthandsvermögen stelle grundsätzlich stets Betriebsvermögen dar, der Gefahr einer Verlagerung privater Verlusten in das Gesellschaftsvermögen sei aber durch die Anwendung der Entnahme- und Einlageregeln zu begegnen.

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zelkaufmann, sondern auch bei Personengesellschaften und – nach richtiger Ansicht auch bei Kapitalgesellschaften48 – durch das Veranlassungsprinzip sachlich eingeschränkt. Nach der Überwindung der Bilanzbündeltheorie bedarf das Prinzip der einheitlichen Bilanzierung auf Gesellschaftsebene heute keiner weitergehenden Begründung. Denn weil die Gesellschaft das maßgebende Gewinnermittlungssubjekt ist, können auch Gewinnermittlungswahlrechte wie z. B. bei der Wahl von Abschreibungsmethoden auf Gesellschaftsebene nur „einheitlich“ ausgeübt werden. Dies entspricht auch dem Standpunkt der Rechtsprechung, die – ungeachtet der originären Einkünfteerzielung durch die Gesellschafter – für Zwecke der Einkünfteermittlung auf die Gesellschaftsebene abstellt. b) Gesellschafts- oder gesellschafterbezogene Auslegung von Gewinnermittlungsvorschriften Auf den ersten Blick könnte man wegen des Grundsatzes der einheitlichen Bilanzierung meinen, dass die Einkünfteermittlung bei Personengesellschaften auf der „ersten Stufe“ der Gesellschaft keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfe. Allerdings enthalten die §§ 4 ff. EStG zahlreiche Sondervorschriften, die – wie z. B. die Vorschriften über erhöhte Absetzungen – an ein Verhalten „des Steuerpflichtigen“ bestimmte begünstigende Rechtsfolgen (z. B. Sonderabschreibungen) knüpfen. Ebenso gibt es auch den umgekehrten Fall, wo – wie etwa bei sog. Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG – ein bestimmtes Verhalten des Steuerpflichtigen mit steuerlichen Nachteilen sanktioniert wird. Bei allen diesen Vorschriften ist zu entscheiden, ob man bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale auf die Verhältnisse der Gesellschaft als dem Gewinnerzielungssubjekt abzustellen hat oder ob – als Abweichung von der partiellen Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft – eine gesellschafterbezogene Betrachtung dem Zweck der Regelung besser entspricht. Eine solche gesellschafterbezogene Anwendung hätte z. B. in Hinsicht auf Behaltensfristen bei Sonderabschreibungen zur Folge, dass die begünstigende Wirkung bei einem späteren Gesellschafterwechsel anteilig verloren geht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sollen Steuervergünstigungen, die an sog. personenbezogene Merkmale anknüpfen, zur Wahrung ihres (speziellen) Förderzwecks nicht mit Rücksicht auf die von der Personengesellschaft, sondern nach Maßgabe der von dem (einzelnen) Gesell-

__________ 48 Der BFH lehnt in st. Rspr. die Annahme einer außerbetrieblichen Sphäre von Kapitalgesellschaften ab, vgl. dazu zuletzt BFH v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; a. A. Hüttemann in FS Raupach, 2006, S. 495; Birk, BB 2009, 860.

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Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

schafter verwirklichten Tatbestandsmerkmale anzuwenden sein49. In gleicher Weise hat sich der BFH auch zur Problematik der sog. Überentnahmen geäußert50. Nach dieser Rechtsprechung bildet eine auf die „Gesellschaft“ bezogene Auslegung also die Ausnahme, die nur dann eingreifen soll, wenn das Gesetz – wie z. B. im InvZulG oder FördG – eine solche gesellschaftsbezogene Auslegung ausdrücklich vorgibt51. Die bisherige Praxis erscheint heute umso gefestigter, nachdem der Gesetzgeber bei dem besonders umstrittenen Fall der Rücklage für Ersatzbeschaffung gemäß § 6b EStG nach einem kurzen „Intermezzo“ im Rahmen des sog. Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 wieder zu einer gesellschafterbezogenen Betrachtung zurückgekehrt ist52. Auch wenn man gegenwärtig wohl nicht ernsthaft mit einer Änderung der Rechtsprechung zur „gesellschafterbezogenen“ Anwendung von Steuervergünstigungen rechnen kann, ist doch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der Standpunkt des BFH alles andere als selbstverständlich ist. Nimmt man den gedanklichen Ausgangspunkt des Geprägebeschlusses ernst, dann müssen auf der „ersten Stufe“ der Gewinnermittlung grundsätzlich die Verhältnisse der Gesellschaft maßgebend sein. Dies war bekanntlich auch die Ansicht von Brigitte Knobbe-Keuk53. Auf der 2. Jahrestagung der DStJG in Wien 197954 hat sie ausführlich dargelegt, dass ein gesellschaftsbezogenes Verständnis gerade auch bei sog. Subventionsnormen sachgerecht ist. Denn es ist allein die Gesellschaft, die die begünstigte Investition tätigt und deren Geschäftsführer darüber zu entscheiden haben. Bei diesem Ansatz geht auch die steuerliche Anreizwirkung für die Gesellschafter als „wirtschaftlich“ Betroffene nicht verloren, da die steuerliche Gewinnminderung allen Gesellschaftern über den Gewinnverteilungsschlüssel anteilig zu gute kommt. Diese Argumente sind auch heute noch gültig. Eine gesellschafterbezogene Betrachtung sollte deshalb – entgegen der Ansicht von BFH und Finanzverwaltung – die begründungsbedürftige „Ausnahme von der Regel“ sein. Sie ist auf solche Ermittlungsvorschriften zu beschränken, die – Brigitte Knobbe-Keuk verwies als Beispiel gerne auf die alte Steuervergünstigung für Vertriebene nach § 7e a. F. EStG55 – auf „persönliche“ Merkmale abstellen, die eben nur natürliche Personen verwirklichen können (eine Personengesellschaft kann keine „Vertriebene“ sein). Ferner erscheint eine gesellschafterbezo-

__________ 49 50 51 52 53

Vgl. etwa BFH v. 17.7.2001 – IX R 50/98, BStBl. II 2001, 760. BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420. So BFH v. 15.1.2002 – IX R 21/98, BStBl. II 2002, 309. Vgl. § 6b Abs. 10 i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402. Vgl. Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 10 I 1; ebenso Schön, § 6b bei Personengesellschaften, 1986. 54 Knobbe-Keuk, DStJG 2 (1979), S. 109 ff. 55 Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1 (7 f.).

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gene Betrachtung – insoweit ist dem BFH zuzustimmen56 – dann sachgerecht, wenn eine steuerliche Sanktion – wie im Fall des § 4 Abs. 4a EStG betreffend Überentnahmen – an ein Verhalten des einzelnen Gesellschafters anknüpft. An ihre Grenzen stößt die vorstehende Unterscheidung bei einer so komplizierten Regelung wie der Zinsschranke. Denn sie ist einerseits „betriebsbezogen“ ausgestaltet, was zunächst für eine gesellschaftsbezogene Betrachtung spricht. Gleichzeitig enthält sie aber wegen der Einbeziehung der Sonderbetriebe der Gesellschafter und des gesetzlich angeordneten anteiligen Verlusts des Zinsvortrags beim Gesellschafterwechsel auch „gesellschafterbezogene“ Elemente. Angesichts dieser verwirrenden Vorgaben des Gesetzgebers ist es nicht verwunderlich, dass im Schrifttum eine Vielzahl von vertretbaren Lösungsansätzen präsentiert wird57. c) Ergänzungsbilanzen Ein zweiter Bereich, in dem die Gewinnermittlung bei Personengesellschaften auf der ersten Stufe nicht allein nach den Verhältnissen „der Gesellschaft“ durchgeführt werden kann, betrifft die sog. Ergänzungsbilanzen58. Sie sind nach dem Abschied von der Bilanzbündeltheorie keineswegs entbehrlich geworden, auch wenn man es auf den ersten Blick für befremdlich halten mag, dass Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens (nicht des Sonderbetriebsvermögens) in Ergänzungsbilanzen den einzelnen Gesellschaftern mit bestimmten Mehr- oder Minderwerten bilanziell zugeordnet werden. Die Bildung von Ergänzungsbilanzen erklärt sich – entgegen der Auffassung des BFH59 – auch nicht daraus, dass der Erwerb eines Gesellschaftsanteils steuerlich als Erwerb zivilrechtlich nicht existenter Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern zu verstehen ist. Wer einen Gesellschaftsanteil erwirbt, erwirbt keine Einzelwirtschaftsgüter (entgegen der missverständlichen Formulierung in § 719 Abs. 1 BGB gibt es keine Anteile der Gesellschafter „an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen“). Nach richtigem Verständnis sind Ergänzungsbilanzen bloße „Wertkorrekturbilanzen“, deren Bildung im Fall des Anteilserwerbs durch das objektive Nettoprinzip geboten ist, um höhere oder niedrigere Anschaffungskosten des einzelnen Gesellschafters in Hinsicht auf den Gesellschaftsanteil gegenüber dem Rechtsvorgänger steuerlich zu berücksichtigen60. Dass diese Anschaffungskosten – anders als beim Er-

__________ 56 BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420. 57 Vgl. dazu BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rz. 51; aus dem Schrifttum Hoffmann, GmbHR 2008, 113 ff.; Kußmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, 904 ff. 58 Monographisch Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft, 1990. 59 Vgl. zuletzt BFH v. 8.9.2005 – IV R 52/03, BStBl. II 2006, 128. 60 So auch Reiß in Kirchhof (Fn. 17), § 15 EStG Rz. 245 ff.; Gschwendtner, DStR 1993, 817 ff.

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Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

werb von Kapitalgesellschaftsanteilen – nicht erst für die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG relevant werden, sondern über eine anteilige Zuordnung der Mehr- und Minderwerte zu den Einzelwirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens auch in die Ermittlung des laufenden „Gewinnanteils“ eingehen, erklärt sich aus der gegenüber einer Bilanzierung des Gesellschaftsanteils vorrangigen anteiligen sofortigen Zurechnung des Gesellschaftsgewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG61. Ferner sind Ergänzungsbilanzen bei § 6b EStG erforderlich, wenn man diese Regelung gesellschafterbezogen versteht62. d) Zurechnung nach Gewinnverteilungsschlüssel Der nach vorstehenden Grundsätzen ermittelte Gesellschaftsgewinn ist – damit endet die „erste Stufe der Einkünfteermittlung“ – nach Maßgabe des handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssels auf die einzelnen Gesellschafter aufzuteilen63. Dieser Aufteilungsmaßstab gilt nicht nur für einen etwaigen „steuerlichen Mehrgewinn“ auf Grund von Durchbrechungen der Maßgeblichkeit64, sondern – vorbehaltlich besonderer Absprachen unter den Gesellschaftern – auch für die Zurechnung eines Gewinns aus Gegenstandsentnahmen65. 4. Einkünfteermittlung im Sonderbereich und korrespondierende Bilanzierung Die Ermittlung der Gewinnanteile bildet bekanntlich nur die erste Gewinnermittlungsstufe bei Personengesellschaften. An sie schließt sich als „zweite Stufe“ die Einkünfteermittlung im sog. Sonderbereich an. Dieser umfasst nicht nur die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbs. EStG ausdrücklich erwähnten sog. Sondervergütungen, sondern nach ständiger Rechtsprechung auch das sog. Sonderbetriebsvermögen sowie sonstige Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben. Im Unterschied zur ersten Gewinnermittlungsstufe geht es im Sonderbereich ausschließlich um steuerliche Merkmale, die die Gesellschafter in ihrer Person jeder für sich verwirklichen wie z. B. Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft.

__________ 61 Vgl. Schön (Fn. 52), S. 107 f. 62 Dazu Schön, FR 1994, 658 ff. 63 BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 64 Dazu auch eingehend Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 10 II 2. 65 Zur Behandlung von Entnahmen vgl. Wacker in L. Schmidt (Fn. 20), § 15 EStG Rz. 446.

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Da das Gesetz das Sonderbetriebsvermögen in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erwähnt, sondern nur an anderer Stelle – bei § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – voraussetzt, bedarf die Figur des Sonderbetriebsvermögens als „eigenes“ Betriebsvermögen der Gesellschafter einer dogmatischen Einordnung. Die Rechtsprechung66 verweist insoweit auf den Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, insbesondere die sog. Gleichstellungsthese: Durch die Gewerblichkeit der Sondervergütungen soll der Mitunternehmer einem Einzelunternehmer insoweit gleichgestellt werden. Darüber hinaus lässt sich die Einordnung als „Betriebsvermögen“, wenn man mit dem Großen Senat die Gesellschafter selbst zum Träger des Gewerbebetriebs der Gesellschaft erklärt, auch auf die §§ 4 und 5 EStG stützen. Geht man aber aus den oben dargelegten Gründen davon aus, dass allein die Gesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhält, dann handelt es sich beim Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter – wie es Wolfgang Schön treffend formuliert hat – um „Betriebsvermögen ohne Gewerbebetrieb“67. Auf dieses Problem hat Brigitte Knobbe-Keuk bereits in ihrem Grundlagenbeitrag aus dem Jahr 1974 hingewiesen. Kurz und bündig schreibt sie dort68: „Wir stehen damit – löst man sich von den Bilanzbündeltheorie-Vorstellungen – bei dem Ergebnis, dass die Wirtschaftsgüter, die im Eigentum des Gesellschafters stehen, von diesem aber der Gesellschaft überlassen sind, nicht als Betriebsvermögen einzuordnen sind. Die gegenteilige Annahme ist weder auf die §§ 4 ff. EStG noch auf § 15 Nr. 2 EStG zu stützen. Nach der gesetzlichen Regelung führt der Gesellschafter – wenn auch bei ihm die Einnahmen aus Beziehungen zu der Gesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert werden – selbst keinen Gewerbebetrieb.“

Brigitte Knobbe-Keuk hat ihre ablehnende Haltung zur Figur des Sonderbetriebsvermögens erst in der letzten Auflage ihres Lehrbuchs unter dem Eindruck des grundlegenden Beitrags von Schön relativiert69. Nach Ansicht von Schön handelt es sich beim Sonderbetriebsvermögen um Wirtschaftsgüter, die der Gesellschafter zur Erzielung gewerblicher Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einsetzt70. Grundlage der Betriebsvermögenseigenschaft ist folglich nicht eine (rein fiktive) „eigene“ gewerbliche Tätigkeit des Gesellschafters, sondern eine teleologische Auslegung der §§ 15 und 16 EStG71. Aus der Zuordnung des Gewinnanteils und des Gewinns aus der Anteilsveräußerung zu den gewerblichen Einkünften lässt sich nach dieser Ansicht zugleich die betriebliche Qualität derjenigen Wirtschaftsgüter ableiten, die der Gesellschafter zur Erzielung von

__________ 66 67 68 69 70 71

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Vgl. nur BFH v. 3.5.1993 (Fn. 10), 621. Schön, DStR 1993, 185 (193). Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1 (35). Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 11 I 2. Schön, DStR 1993, 185. Eingehend dazu Schön, DStR 1993, 185 ff.

Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

Beteiligungseinkünften im Sinne von §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 16 EStG einsetzt. Zu Recht hat Brigitte Knobbe-Keuk einen wesentlichen Vorzug dieses Ansatzes darin gesehen, dass er eine präzisere Konturierung des Sonderbetriebsvermögens, und zwar auch in Hinsicht auf das sog. Sonderbetriebsvermögen II, ermöglicht72. Noch nicht beantwortet ist damit aber die Frage der Einkünfteermittlung im Sonderbereich, insbesondere die Zuordnung der persönlichen und sachlichen Buchführungspflicht. Nach ganz h. M. erstreckt sich die Buchführungspflicht der Gesellschaft ebenso wie die einheitliche und gesonderte Feststellung auch auf den Sonderbereich der Gesellschafter73. Diese Vermischung der Ebenen hat zwei Folgen: Zum einen sollen die Einkünfte im Sonderbereich regelmäßig durch Bilanz nach §§ 4, 5 EStG74 und nicht – wie Brigitte Knobbe-Keuk aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG („bezogen“) gefolgert hat75 – nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sein. Zum anderen ist die Geschäftsführung der Gesellschaft für die Gewinnermittlung und Bilanzierung zuständig, so dass der Gesellschafter alle relevanten Daten – z. B. auch sensible Sonderbetriebsausgaben – der Gesellschaft mitteilen muss76. Gerade letzteres ist – wiederum auch von Brigitte Knobbe-Keuk77 – scharf kritisiert worden78. In der Tat ist nicht einzusehen, weshalb etwa ein Minderheitsgesellschafter gezwungen sein soll, seine Aufwendungen für ein Rechtsgutachten betreffend die mögliche Abberufung des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters eben diesem Mehrgesellschafter gegenüber offenzulegen, damit solche unstreitig betrieblich veranlassten Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden können. Noch erheblicher als die verfahrensrechtliche Seite sind die Konsequenzen, die sich aus der Zurechnung des Gewinnanteils und der Hinzurechnung der Sondervergütungen für das Verhältnis der beiden Gewinnermittlungsstufen ergeben. Konkret geht es um die Frage, ob die Gewinnermittlung auf beiden Stufen selbständig nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen erfolgt und lediglich rein „additiv“ miteinander verknüpft ist, oder ob darüber hinaus ein materieller innerer Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass jede Minderung des Gesellschaftsgewinns durch Son-

__________ 72 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 11 I 2; a. A. Schneider in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 2009, § 15 Rz. 714: SBV II ohne Rechtsgrundlage; ebenso ders., Sonderbetriebsvermögen – Rechtsgrundlage und Umfang, 2000. 73 BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1991, 401; BFH v. 25.1.2006 – IV R 14/04, BStBl. II 2006, 418. 74 BFH v. 14.6.1994 – VIII R 37/93, BStBl. II 1995, 246. 75 Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1 (32 ff.). 76 BFH v. 11.9.1991 – XI R 35/90, BStBl. II 1992, 4. 77 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 13 II 1. 78 Vgl. eingehend Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 2010, § 180 AO Rz. 61 ff.

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dervergütungen in der Sonderbilanz des Gesellschafters „korrespondierend“ durch eine zeit- und betragsgleiche Gegenbuchung auszugleichen ist79. Nach letzter Ansicht führt z. B. eine Pensionszusage an einen Gesellschafter zwar auf Gesellschaftsebene durch Passivierung einer Rückstellung zu einer Gewinnminderung, diese wird aber im Ergebnis durch eine zeit- und betragsgleiche Gegenbuchung in der Sonderbilanz des Gesellschafters neutralisiert. Brigitte Knobbe-Keuk konnte dieser „korrespondierenden“ Bilanzierung bekanntlich nichts abgewinnen, weil sie ihrer Ansicht nach die Trennung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene missachtet80. Auch wenn die korrespondierende Bilanzierung vielfach mit dem sog. „Gleichstellungsgedanken“ begründet wird, geht es richtigerweise wiederum um eine teleologische Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG. Für eine korrespondierende Bilanzierung spricht, dass die gesetzlich gewollte Gleichstellung der Sondervergütungen mit Gewinnanteilen unvollständig bliebe, wenn man sie nur auf die Einkünftequalifikation und nicht auch auf die Periodisierung der Einkünfte erstrecken würde. Ebenso wie dem Gesellschafter wegen des Vorrangs der unmittelbaren Gewinnzurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegenüber der eigenen Bilanzierung z. B. steuerliche Teilwertabschreibungen in Hinsicht auf den Gesellschaftsanteil versagt sind, sollen auch Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter die Höhe des vom Gesellschafter zu versteuernden Gewinns nicht beeinflussen können.

III. Einkünfteermittlung bei anderen Personengesellschaften 1. Land- und forstwirtschaftliche bzw. freiberufliche Personengesellschaften Es entspricht heute allgemeiner Ansicht, dass die vorstehend für gewerbliche Personengesellschaften dargestellten Grundsätze der Einkünfteermittlung auch auf Personengesellschaften mit anderen betrieblichen Einkünften entsprechende Anwendung finden. Anfängliche Diskussionen über die Behandlung von Sondervergütungen bei land- und forstwirtschaftlich bzw. freiberuflich tätigen Personengesellschaften81 haben sich spätestens mit der Einfügung von § 13 Abs. 7 bzw. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG erledigt.

__________ 79 So die heute ganz h. M.: BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792; BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219; BFH v. 28.3.2000 – VIII R 13/99, BStBl. II 2000, 612; Wacker in Schmidt (Fn. 20), § 15 Rz. 404; Reiß in Kirchhof (Fn. 17), § 15 Rz. 240. 80 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 11 V. 81 Vgl. dazu noch BFH v. 18.10.1980 – VIII R 194/78, BStBl. II 1981, 510 sowie die Beiträge von Groh, JbFStR 1979/80, S. 209 (224 f.) und Kruse, JbFStR 1979/1980, S. 242 (245 f.).

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Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

Die steuerliche Anerkennung der Eigenständigkeit der Personengesellschaft unterliegt allerdings bei der Beurteilung von Freiberufler-Personengesellschaften auch heute noch gewissen Einschränkungen, die bereits Brigitte Knobbe-Keuk kritisiert hat82. Ich meine die Rechtsfolgen, die sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH aus der Beteiligung eines Berufsfremden an einer Freiberufler-Personengesellschaft ergeben sollen. Wie zuletzt der VIII. Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2008 bestätigt hat83, entfaltet eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i. S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs verwirklichen.“ Diese „gesellschafterbezogene“ Auslegung führt dazu, dass nach ständiger Rechtsprechung jede mitunternehmerische Beteiligung eines Berufsfremden die Gewerblichkeit der Gesellschaft begründet. Zwar ist es richtig, dass die Abgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten nach § 18 EStG an persönliche Merkmale wie z. B. berufliche Qualifikationen anknüpft, die die Gesellschaft selbst nicht verwirklichen kann. Zutreffend ist ebenfalls, dass § 18 EStG – auch bei natürlichen Personen – eine „persönliche“ Arbeitsleistung voraussetzt, so dass eine Zurechnung freiberuflicher Einkünfte bei Personenzusammenschlüssen eine entsprechende Mitarbeit auf Gesellschaftsebene erfordert. Dies alles erklärt aber noch nicht, warum die bloße gesellschaftsrechtliche Beteiligung eines Berufsfremden zwingend auf die steuerliche Beurteilung der Tätigkeit der Gesellschaft durchschlagen muss. Brigitte Knobbe-Keuk hatte deshalb vorgeschlagen84, die Tätigkeit der Personengesellschaft solange als freiberuflich anzusehen, wie die Personen, mit deren Tätigkeit die Gesellschaft nach außen die freiberuflichen Leistungen erbringt und die die persönlichen Voraussetzungen erfüllen, in der Gesellschaft das „Sagen“ haben, sei es aufgrund ihrer Stimmrechte, sei es aufgrund besonderer gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen. Davon zu trennen ist die Frage, ob man die Einkünfte des Berufsfremden zumindest auf der Ebene seiner Einkünfteermittlung in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert85. Aus der Einsicht, dass es sich bei der Problematik der Freiberufler-Personengesellschaft um ein besonderes Problem der Anwendung des § 18 EStG handelt, folgt jedenfalls, dass die einschränkende Rechtsprechung zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei „geringfügiger“ gewerblicher Tätigkeit nicht anwendbar ist. Diese Rechtsprechung – insoweit ist dem VIII. Senat zuzustimmen86 – passt jedenfalls nicht auf die „qualitative“ Beurteilung der Freiberuflichkeit.

__________ 82 83 84 85 86

Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 22 I 2 b. BFH v. 28.10.2008 – VIII R 69/09, BStBl. II 2009, 642. Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 22 I 2 b. Vgl. auch die Überlegungen bei Sarrazin in FS Raupach 2006, S. 515 ff. BFH v. 28.10.2008 (Fn. 82).

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2. Einkünfteermittlung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften a) Überschusseinkünfte und Einheitsbetrachtung Damit bleiben als eigentlicher „Problemfall“ der steuerlichen Verselbständigung der Personengesellschaften als Einkünfteerzielungssubjekte die vermögensverwaltenden Personengesellschaften übrig. Der Große Senat des BFH hatte sie im Geprägebeschluss ausdrücklich noch in die Einheitsbetrachtung mit einbezogen. Die Einsicht, dass die Personengesellschaft die Merkmale des Besteuerungstatbestandes verwirkliche, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind, gelte – so heißt es dort – „gleichermaßen für alle in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 7 EStG aufgeführten und nach §§ 13 bis 24 EStG zu bestimmenden Einkunftsarten mit Gewinn- oder Überschusseinkünften, soweit sie bei der Tätigkeit oder der Vermögensnutzung einer Personengesellschaft anfallen können“87. Diese Sichtweise ist konsequent, wenn man mit dem Großen Senat die Steuersubjektivität der Personengesellschaft für Zwecke der Einkünfteerzielung in erster Linie aus der zivilrechtlichen Verselbstständigung der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern ableitet. Wer sie dagegen bei gewerblichen Personengesellschaften in erster Linie an § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG festmacht, gerät bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften mangels einer den §§ 13 Abs. 7 und 18 Abs. 4 S. 2 EStG entsprechenden Verweisung in Begründungsnot88. Es bleibt dann nur eine – etwa von Trzaskalik befürwortete89 – entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder der Hinweis auf die – allerdings nur verfahrensrechtliche – Regelung über die einheitliche und gesonderte Feststellung. Einer analogen Anwendung der Regelung über Sondervergütungen auf vermögensverwaltende Personengesellschaften bedarf es allerdings nicht90, da eine Umqualifikation von Sondervergütungen innerhalb der Überschusseinkünfte entbehrlich erscheint91. b) Erzielung vermögensverwaltender Einkünfte und anteilige Zurechnung Der BFH hat – wenn ich recht sehe – die Ausführungen im Geprägebeschluss zur Rechtssubjektivität von vermögensverwaltenden Gesellschaften bis heute nicht ausdrücklich aufgegeben. Bezugspunkt der Einkünftequalifikation und Einkünfteermittlung ist daher auch bei vermögensver-

__________ 87 BFH v. 25.6.1984 (Fn. 8), 751 (762). 88 Dazu Schellenberger, StbJb 1983/84, S. 121 (124 f.). 89 Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG 1996, § 21 B 200 f.; ähnlich Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG 2003, § 20 B 3. 90 Siehe nur BFH v. 18.10.1980 (Fn. 80); Groh, JbFStR 1979/1980, S. 209 (240). 91 A. A. Trzaskalik (Fn. 88), § 21 Rz. B 204.

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Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

waltenden Personengesellschaften zunächst die Gesellschaft selbst92. Daraus folgt nicht nur eine doppelte Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene. Auch die Einkünfteermittlung hat auf der Ebene der Gesellschaft zu erfolgen, d. h. es ist zunächst ein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln, bevor dieses Ergebnis den Gesellschaftern entsprechend der zivilrechtlichen Gewinnverteilungsabrede anteilig zugerechnet wird. Zusätzlich sind – auf einer Art zweiten Stufe – Sondereinnahmen und Sonderwerbungskosten der einzelnen Gesellschafter (z. B. aufgrund von Fremdfinanzierung der Beteiligung) zu berücksichtigen93. Betrachtet man die h. M. näher, bleibt allerdings von der „Einheitsbetrachtung“ bei vermögensverwaltenden Gesellschaften praktisch nicht mehr viel übrig. Denn soweit es um Einnahmen und Werbungskosten aus Drittgeschäften geht, die anteilig den Gesellschaftern zugerechnet werden, besteht zwischen einer Einheits- und Bruchteilsbetrachtung letztlich kein wirklicher Unterschied94. Ob man z. B. die Aufwendungen aus einem von der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen der Gesellschaft oder anteilig den Gesellschaftern zuordnet, spielt im Ergebnis keine Rolle. Wo solche Unterschiede aber tatsächlich relevant werden könnten, wie z. B. bei der Inanspruchnahme erhöhter Abschreibungen oder bei Veräußerungsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, hält die Rechtsprechung unter Hinweis auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO eisern an der „Bruchteilsbetrachtung“ und der Gleichstellung von Gesellschaft und Bruchteilsgemeinschaft fest95. Dabei geht die Rechtsprechung noch über die bei gewerblichen Personengesellschaften bekannte „gesellschafterbezogene“ Anwendung von Steuervergünstigungen hinaus. Sie negiert für die Zurechnung von Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter die Rechtszuständigkeit der Gesamthand und stellt grundsätzlich allein auf den Anteil ab, den der einzelne Gesellschafter an den Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Gesellschaftsvermögen tatsächlich getragen hat96. Ein weiterer Bereich, in dem die Einheitsbetrachtung schon früh eine Einschränkung erfahren hat, ist die Behandlung gewerblich beteiligter Gesellschafter bei

__________ 92 BFH v. 7.10.1986 – IX R 167/83, BStBl. II 1987, 322; BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 325; ebenso Drenseck in Schmidt (Fn. 20), § 21 EStG Rz. 21; Mellinghoff in Kirchhof (Fn. 17), § 21 EStG Rz. 30. 93 Vgl. dazu näher Drenseck in Schmidt (Fn. 20), § 21 Rz. 21 ff. 94 Zutreffend Pinkernell (Fn. 19), S. 114: Einheitsbetrachtung als schlichtes Gebot der Praktikabilität. 95 St. Rspr., vgl. nur BFH v. 12.112004 – IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33; BFH v. 9.10.2008 – IX R 72/07, BStBl. II 2009, 231; vgl. auch die Rechtsprechungsanalyse bei Wacker, DStR 2005, 2014 ff. 96 BFH v. 12.11.2004 – IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33, 34.

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sog. Zebragesellschaften97 sowie beim gewerblichen Grundstückshandel98, wo der zutreffenden Besteuerung des einzelnen Gesellschafters nach Ansicht der Rechtsprechung der Vorrang vor der Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft gebühren soll. Die eigentlichen Erwägungen, die hinter einem solchen „Bruchteilsmodell“ bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften stehen dürften, erschließen sich indes erst im Zusammenhang mit der Behandlung von Veräußerungsgeschäften nach §§ 17, 23 EStG durch vermögensverwaltende Personengesellschaften. c) Die Behandlung der privaten Veräußerungsgeschäfte als Kernproblem Bereits im Anschluss an den Geprägebeschluss ist die Frage diskutiert worden, welche Auswirkungen die Rechtssubjektivität von vermögensverwaltenden Personengesellschaften auf die Anwendung der Tatbestände der §§ 17 und 23 EStG hat. Kurz und bündig heißt es noch bei KnobbeKeuk99: „Gehört die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Vermögen einer Gesamthandsgemeinschaft, so kommt als Veräußerer u. E. nur die Gesamthandsgemeinschaft in Frage.“

Diese Sichtweise hat sich allerdings nicht durchsetzen können. Vielmehr wenden die für die §§ 17 und 23 EStG zuständigen Senate des BFH durchgehend eine Bruchteilsbetrachtung an, die auch hinsichtlich der einzelnen steuerlichen Merkmale (z. B. Beteiligungshöhe oder Besitzzeiten) auf den einzelnen Gesellschafter abstellt100. Konsequenterweise werden Veräußerungsgeschäfte auch nur dann in die einheitliche und gesonderte Feststellung einbezogen, wenn die Verhältnisse bei allen Gesellschaftern gleich sind. Das Bruchteilsmodell wird schließlich dadurch „abgerundet“, dass auch die Veräußerung eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft als anteilige Veräußerung der von der Gesellschaft gehaltenen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen bzw. Grundstücke gilt. Während der VIII. Senat sich zu dieser Erkenntnis selbst durchgerungen hat, um einem später durch Anteilserwerb hinzutretenden Gesellschafter eigene Anschaffungskosten zu verschaffen101, hat der X. Senat § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zunächst anders ausgelegt102, so dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG reagiert hat. Nach dieser Regelung gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren

__________

97 Vgl. bereits die Ausführungen im Geprägebeschluss v. 25.6.1984 (Fn. 8), 751, (763). Zu den verfahrensrechtlichen Konsequenzen vgl. BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679. 98 Dazu BFH v. 3.7.1995 (Fn. 12). 99 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 24 I 2. 100 Vgl. den Rechtsprechungsüberblick bei Wacker, DStR 2005, 2014 ff. 101 BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686. 102 BFH v. 4.10.1990 – X R 148/88, BStBl. II 1992, 211.

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Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Damit ist die Bruchteilsbetrachtung zumindest für Grundstücke gesetzlich vorgegeben. Dem entspricht es, wenn der BFH Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nur insoweit steuerliche Beachtung beilegt, als dadurch die Anteilsquote der Gesellschafter verändert wird. Gleiches gilt für Einbringungsfälle103. Auch wenn die Behandlung vermögensverwaltender Gesellschaften heute spätestens durch die Einfügung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG im Sinne der Bruchteilsbetrachtung gesetzgeberisch vorgegeben ist, stellt sich rückblickend die Frage, ob man nicht auf dem Boden der Einheitsbetrachtung zu anderen Lösungen hätte gelangen können. Der vielfach bemühte Hinweis auf die „wirtschaftliche“ Vergleichbarkeit von Gesamthand und Bruchteilsgemeinschaft ist schon mit Rücksicht auf die zivilrechtlichen Unterschiede für sich genommen nicht ausreichend, um eine Anwendung des § 39 AO zu begründen. Auch ist keineswegs ausgemacht, dass die bei einer gesellschaftsbezogenen Anwendung der §§ 17, 23 BGB erzielten Besteuerungsergebnisse so sachwidrig gewesen wären. Das entscheidende Hindernis für die Einheitsbetrachtung dürfte indes woanders liegen: Die Steuerpflicht einer „mittelbaren“ Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen und Grundstücken durch Veräußerung des Anteils an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft wäre bei einer gesellschaftsbezogenen Auslegung nicht gesichert gewesen, sondern hätte als Ausdehnung der Steuerpflicht privater Veräußerungsgeschäfte nach §§ 17 und 23 EStG einer gesetzlichen Grundlage bedurft. Ohne eine solche Änderung hätte man lediglich die Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Gesellschaft als „ein Objekt“ im Sinne der Drei-Objekt-Grenze behandeln können. Derartige „Besteuerungslücken“ tun sich bei der Bruchteilsbetrachtung natürlich nicht auf. Man wird annehmen dürfen, dass dieser „missing link“ auch ein Gesichtspunkt gewesen ist, weshalb etwa der Große Senat in seinem Beschluss zum gewerblichen Grundstückshandel104 eine Bruchteilsbetrachtung im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als „erforderlich“ für eine „sachgerechte“ Besteuerung vermögensverwaltender Gesellschaften angesehen hat. Indes stellt sich auch hier die Frage, ob es die Aufgabe der Rechtsprechung ist, solche vermeintlichen „Lücken“, die sich bei einer dogmatisch folgerichtigen Anwendung des Gesetzes ergeben, selbst zu schließen, oder ob dies nicht dem Gesetzgeber überlassen werden muss. Für Brigitte KnobbeKeuk gab es insoweit keine Zweifel: Die Wurzel des Übels – so schreibt sie in ihrem Beitrag mit dem plakativen Titel „Sind aller guten Dinge

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103 Vgl. BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 325; ebenso BMF v. 5.10.2000, BStBl. I 2000, 1383 Rz. 8. 104 BFH v. 3.7.1995 (Fn. 12).

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drei?“ in der Festschrift für Ludwig Schmidt – liege allein darin, dass sich der Gesetzgeber „den Luxus der Nichtbesteuerung privater Veräußerungsgewinne leiste“105. In der Tat ließe sich eine gleichmäßige Besteuerung folglich auch ohne eine „Transparenz“ vermögensverwaltender Personengesellschaften durch eine Neuordnung der Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften erreichen.

IV. Ermittlung des Gewerbeertrags Wer ein Bild von der Gewinnermittlung bei Personengesellschaften zeichnen will, darf seine Überlegungen nicht auf die Einkommensteuer beschränken, sondern muss auch einen Seitenblick auf die Gewerbesteuer werfen. Brigitte Knobbe-Keuk hat sich nicht nur in ihrem Grundlagenbeitrag von 1974 bereits kritisch mit der gewerbesteuerlichen Behandlung von Personengesellschaften – insbesondere der Behandlung der Tätigkeitsvergütungen – auseinandergesetzt106. Die Behandlung von Personengesellschaften im Rahmen der Gewerbesteuer bildete auch den Gegenstand eines großen Vortrags auf der Wiesbadener Steuerfachtagung 1975107. Das gesetzliche Umfeld hat sich seitdem vor allem insoweit geändert, als die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft für die Gewerbesteuer heute in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ausdrücklich ausgesprochen ist. Ferner stellt die Gewerbesteuer bei Personenunternehmen – anders als bei Kapitalgesellschaften – keine echte „Zusatzbelastung“ mehr dar, weil die Doppelbelastung von Personenunternehmen mit Einkommen- und Gewerbesteuer seit 2001 durch die sog. pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld nach § 35 EStG wesentlich entschärft worden ist108. Diese „kalte“ Abschaffung der Gewerbesteuer bei Personenunternehmen ändert aber nichts daran, dass auch heute noch für alle Unternehmen ein Gewerbesteuermessbetrag nach den gesetzlichen Vorgaben ermittelt und festgesetzt wird, der die Grundlage für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer durch die Kommunen bildet. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Behandlung von Personengesellschaften im Gewerbesteuerrecht werfe wegen der klaren Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG keine besonderen Schwierigkeiten auf. Diese Vorschrift lautet: „Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldner die Gesellschaft“. Geht man ferner davon aus, dass die Gewerbesteuer – wie es Brigitte Knobbe-Keuk formuliert hat109 – „auf den Gewerbebetrieb als solchen bezogen“ ist, dann müsste

__________ 105 106 107 108 109

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Knobbe-Keuk in FS L. Schmidt, 1993, S. 741 ff. Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1 (28 ff.). Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175 ff. Vgl. dazu statt vieler Hüttemann, DStJG 25 (2002), S. 123 ff. Knobbe-Keuk, StuW 1974, 1 (28).

Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

die Einheitsbetrachtung zumindest im Gewerbesteuerrecht uneingeschränkte Geltung besitzen. Der Große Senat110 und die h. M. sehen dies bekanntlich anders. Nach ihrer Ansicht soll § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG als „Ausnahmebestimmung“ genau umgekehrt nur die tradierte Auffassung bestätigen, dass allein die Gesellschafter selbst als „Mitunternehmer“ Träger des Gewerbebetriebs seien. Die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft dient nach diesem Verständnis nur der Vereinfachung in Hinsicht auf die Vollstreckung und die Bekanntgabe des Gewerbesteuer-Messbescheides, enthält aber keine materielle Aussage darüber, wer „Unternehmer“ des Betriebs ist111. Auf dieser Grundlage bestehen denn auch keine Hemmungen, über das Ergebnis des Gesamthandsbereichs hinaus auch die Ergebnisse der Ergänzungsbilanzen und Sonderbilanzen der Gesellschafter in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einzubeziehen112. Eine Folge dieser „Sphärenvermischung“ ist bekanntlich, dass z. B. die Veräußerung oder die Entnahme von Sonderbetriebsvermögen durch einen einzelnen Gesellschafter die Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft (und damit aller Mitgesellschafter) erhöht113. Diese Art von „Kollateralschäden“ der Einzelbetrachtung hat der Gesetzgeber durch die Steuerpflicht bestimmter Anteilsveräußerungen nach § 7 Satz 2 GewStG noch vergrößert114. Schließlich hat die Einzelbetrachtung wegen des – zweifelhaften – Merkmals der „Unternehmeridentität“ im Fall eines Gesellschafterwechsels auch Auswirkungen auf den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag. Brigitte Knobbe-Keuk hatte zu alledem eine klare Meinung, die sie in einem einzigen Satz zusammenfasste: „Die ‚Einzelunternehmerideologie‘ ist im Gewerbesteuerrecht fehl am Platze“115. Ihr Gegenkonzept, das sie der h. M. entgegensetzte, war ebenso einfach wie konsequent: Ausgehend von der Prämisse, dass allein die Gesellschaft als zivilrechtlicher Träger des Gewerbetriebs auch Steuerschuldner der Gewerbesteuer sei, müsse der Verlustvortrag beim Gesellschafterwechsel vollständig erhalten bleiben. Dass es auf dieser Grundlage zu einem „Handel mit Verlustvorträgen“ kommen könnte, hat sie natürlich nicht verkannt. Die Bewältigung dieser Folge war für sie aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung. Ferner – so Brigitte Knobbe-Keuk116 – sei die Bemessungsgrundlage der Gewerbe-

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110 BFH v. 3.5.1993 (Fn. 12), 616 (624). 111 Statt vieler Gosch in Blümich, EStG/KStG und Nebengesetze, § 5 Rz. 39 m. w. N.; Selder in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl. 2009, § 5 Rz. 6. 112 Vgl. nur BFH v. 3.5.1993 (Fn. 12), 616 (623); Wacker in Schmidt (Fn. 20), § 15 EStG Rz. 402. 113 Zu möglichen zivilrechtlichen Korrekturen vgl. Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382 ff. 114 Vgl. dazu zuletzt Möllmann/Kutt, BB 2010, 1662. 115 So die plakative Überschrift im Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 21 II 6 b aa. 116 Zum Folgenden Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 1), § 21 II 6 b.

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steuer, da die Gewerbesteuer nur die objektive Ertragskraft des Betriebes erfassen soll, auf den Gewerbeertrag des Gesamthandsbereichs zu beschränken. Lediglich die Sondervergütungen müssten – auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Vorgabe117 – hinzugerechnet werden, Ergänzungsund Sonderbilanzen hätten dagegen außer Betracht zu bleiben. Der Große Senat hat in dem bereits mehrfach erwähnten Beschluss zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag aus dem Jahr 1993118 diesem Konzept bereits im Ansatz die Gefolgschaft verweigert. Die Kritik von Brigitte Knobbe-Keuk hat dadurch aber nicht ihre Berechtigung verloren, sondern bleibt – auch nach der gesetzlichen Verankerung der „Einzelunternehmerideologie“ in § 10a Sätze 4 und 5 GewStG – zumindest de lege ferenda steuersystematisch richtig. Gegenstand der Gewerbesteuer ist die objektive Leistungsfähigkeit des Betriebs. Träger des Betriebs der Personengesellschaft sind aber nicht die Gesellschafter, sondern – nicht anders als bei einer Kapitalgesellschaft – die Personengesellschaft selbst. Bei einer systemkonformen Ausgestaltung der Gewerbesteuer für Personengesellschaften dürfen deshalb – wie Johanna Hey treffend feststellt119 – „Sachverhalte, die sich allein auf Gesellschafterebene abspielen, keinen Einfluss auf die Gewerbesteuer haben.“ Dieses Verdikt trifft nicht nur den anteiligen Wegfall des Verlustvortrags beim Gesellschafterwechsel, sondern auch die gewerbesteuerliche Berücksichtigung von Ergänzungs- und Sonderbilanzen. Erstere betreffen individuelle Anschaffungsmehrkosten einzelner Gesellschafter, die zwar einkommensteuerrechtlich beachtlich sind, bei der Ermittlung der objektiven Leistungsfähigkeit des Gesellschaftsbetriebs aber eigentlich keine Rolle spielen dürfen. Letztere beziehen sich auf Vermögensmehrungen außerhalb des Gesellschaftsbetriebs im Bereich der Gesellschafter. Wie weit sich die gegenwärtige Rechtsprechung von dieser Sichtweise gelöst hat, zeigt schließlich auch das bereits erwähnte Urteil des IV. Senats des BFH zum sog. Treuhandmodell120. Die Vorstellung, dass der Begriff der Personengesellschaft in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ganz unabhängig vom Zivilrecht auszulegen ist, mag vor dem Hintergrund der – wie Brigitte Knobbe-Keuk sagen würde – „Einzelunternehmerideologie“ und des Beschlusses des Großen Senats zum gewerbesteuerlichen Verlustabzug konsequent erscheinen. Geht man indes davon aus, dass nicht die Gesellschafter als Mitunternehmer, sondern die Personengesellschaft selbst Schuldnerin der Gewerbesteuer ist, dann ist selbstverständlich, dass eine Treuhandvereinbarung auf der Ebene der Gesellschafter keine

__________ 117 Insbesondere wegen des Freibetrags für Personenunternehmen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG. 118 BFH v. 3.5.1993 (Fn. 10). 119 Hey in Schön/Osterloh-Konrad, Zukunftsfragen des Steuerrechts, 2010, S. 1, 21. 120 BFH v. 2.3.2010 (Fn. 16); zustimmend Wacker in FS Goette (2010), S. 561, 570.

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organschaftsähnliche Verlustverrechnung auf der Ebene des Komplementärs eröffnet. Darüber hinaus steht die Auslegung des Begriffs der Personengesellschaft im Sinne von „Mitunternehmerschaft“ in Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG, dessen Einfügung gerade einen Gleichlauf von Gewerbesteuerschuld und zivilrechtlichen Vollstreckungsmöglichkeiten gewährleisten sollte. Dies wird durch die Negation der Personengesellschaft im Treuhandmodell aber gerade vereitelt, weil die Gewerbesteuerschuld zwar wesentlich auf dem Ergebnis der gewerblichen Betätigung der Gesellschaft beruht, das Finanzamt wegen der Steuerschuld aber nicht in das Gesellschaftsvermögen, sondern nur in das Vermögen des Komplementärs vollstrecken kann121.

V. Schlussbemerkung Ich komme zum Schluss. Betrachtet man rückblickend die Entwicklung der Besteuerung von Personengesellschaften, so ist zunächst festzuhalten, dass das von Brigitte Knobbe-Keuk in ihrem grundlegenden Beitrag von 1974 entwickelte „einheitstheoretische“ Konzept der Personengesellschaft in den Beschlüssen des Großen Senats zur gewerblich geprägten Gesellschaft und zur doppelstöckigen Personengesellschaft eine eindrucksvolle Bestätigung erfahren hat. Zu einem wirklichen Paradigmenwechsel ist es aber im weiteren Verlauf nicht gekommen. Dies dürfte zum einen daran gelegen haben, dass der Gesetzgeber auf die Beschlüsse des Großen Senats mit punktuellen „Nichtanwendungsgesetzen“ reagiert hat, die zwar nicht das Grundverständnis der Personengesellschaft betreffen, aber doch einen vollständigen Systemwechsel verhindert haben. Diese – wie Brigitte Knobbe-Keuk es formuliert hat122 – „Tritte für die Finanzrechtsprechung“ haben sicherlich auch dazu beigetragen, dass der Große Senat des BFH sein Bekenntnis zur steuerlichen Verselbständigung der Personengesellschaft in der Folgezeit wieder deutlich relativiert hat. Dies gilt insbesondere für die seit dem Beschluss zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag verwendete Formel, dass den Gesellschaftern die Ergebnisse der gemeinschaftlichen Tätigkeit „anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet werden“. Denn mit Zurechnung „als originäre eigene Einkünfte“ ist die Anerkennung der Gesellschaft als Gewinnerzielungssubjekt letztlich wieder aufgegeben worden. Besonders ernüchternd fällt der Befund im Gewerbesteuerrecht aus. Hier hat sich die von Brigitte Knobbe-Keuk sog. „Einzelunternehmerideologie“ in einem Maße verselbständigt, dass der eigenständige Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer im Vergleich

__________ 121 Ebenso die Kritik von Gosch in Blümich (Fn. 110), § 5 Rz. 52 f. 122 Vgl. den Titel des Beitrags in BB 1985, 820: „Wieder ein Tritt für die Finanzrechtsprechung – Die Finanzverwaltung demoralisiert das oberste Steuergericht“.

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zur Einkommensteuer als Subjektsteuer bei Personengesellschaften kaum noch erkennbar ist. Auch wenn gegenwärtig eine Änderung weder vom Gesetzgeber noch von der Rechtsprechung des BFH – und ganz sicher nicht vom BVerfG – zu erwarten ist, bleibt es doch weiterhin die Aufgabe der Steuerrechtswissenschaft, auf derartige systematische Unstimmigkeiten kritisch hinzuweisen, ebenso wie es Brigitte Knobbe-Keuk immer wieder getan hat.

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Warum und unter welchen Voraussetzungen darf bei Unternehmensumstrukturierungen von der sofortigen Besteuerung der stillen Reserven abgesehen werden? 1. Das Subjektsteuerprinzip und seine Durchbrechung bei Umstrukturierungen a) Der Ansatz von Brigitte Knobbe-Keuk b) Der heutige Erkenntnisstand 2. Besonderheiten bei Personengesellschaften III. Detailanalyse der §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff., 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG und 24 UmwStG 1. Telos und Regelungsgehalt der genannten Normen a) Die Vorstellungen des Gesetzgebers

b) Die gebotene Differenzierung aa) § 6 Abs. 5 Satz 3 ff. EStG bb) Sonderfall: Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften cc) § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG dd) § 24 UmwStG 2. Die Tatbestandsseite der Normen a) Zugelassene Rechtsträger b) Zugelassene Übertragungsgegenstände c) Gegenleistung d) Sicherstellungsklauseln 3. Die Rechtsfolgenseite der Normen a) Bewertung b) Sperrfristen und Körperschaftsklauseln IV. Fazit

I. Einleitung Jeder, der bei Brigitte Knobbe-Keuk Steuerrecht gelernt hat, wird sich lebhaft daran erinnern, dass ihr die Besteuerung der Personengesellschaften und ihrer Gesellschafter ein ganz besonderes Herzensanliegen war. Dieser Teil des Unternehmenssteuerrechts nahm deshalb nicht nur in ihren Vorlesungen, sondern vor allem auch in ihrem beeindruckenden wissenschaftlichen Werk breiten Raum ein. Brigitte Knobbe-Keuk hat sich dabei nicht nur mit der laufenden Besteuerung der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter beschäftigt, sondern – vor allem in ihrem wegweisenden und bis heute unerreichten „Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht“ – auch die sich bei der Veräußerung und Aufgabe des Betriebs bzw. seiner Umstrukturierung stellenden Fragen untersucht. Was den hier interessierenden Bereich der „Umstrukturierungen bei Personengesellschaften“ angeht, sind in der 1993 erschienenen 9. Auflage der „blauen Bibel des Bilanz- und 67

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Unternehmenssteuerrechts“1 viele Fragen angesprochen, die auch heute noch Wissenschaft und Steuerpraxis bewegen: Ob es sich etwa um die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft bzw. das Sonderbetriebsvermögen eines anderen Mitunternehmers2, die Realteilung einer Personengesellschaft3 oder die Einbringung von Sachgesamtheiten in Personengesellschaften4 handelt, alle Bereiche werden bei Brigitte Knobbe-Keuk angesprochen, kritisch analysiert und in das Steuersystem eingeordnet. Angesichts der Tatsache, dass ein großer Teil der angesprochenen Umstrukturierungsvorgänge seinerzeit auf Richterrecht beruhte, verwundert es dabei nicht, dass Brigitte Knobbe-Keuk im Rahmen ihrer messerscharfen Analysen auch dem höchsten deutschen Steuergericht, dem Bundesfinanzhof, gelegentlich kräftig die Leviten gelesen hat. Dies führte allerdings – was hier zu Ehren des BFH angemerkt sei – keineswegs zu einer „Blockadehaltung“ der gescholtenen Richter. Vielmehr wurden und werden auch heute noch die wissenschaftlichen Arbeiten von Brigitte Knobbe-Keuk, und zwar gerade diejenigen zur Besteuerung von Personengesellschaften, regelmäßig in BFH-Urteilen zitiert: Nach Recherchen in der Juris-Datenbank 1970 bis 1980 immerhin schon 25 Mal, 1980 bis 1990 bereits 81 Mal, 1990 bis 2000 sogar 138 Mal und selbst seit 2000 bis zum Tage des heutigen Symposions noch 67 Mal! Daneben treten unzählige Zitate in Entscheidungen der Instanzgerichte. Dies alleine belegt eindrucksvoll, dass Brigitte KnobbeKeuk bis heute großen Einfluss auf das deutsche Unternehmenssteuerrecht und die Steuerrechtsprechung ausübt. Diesem Einfluss einmal bezogen auf das Thema „Umstrukturierungen bei Personengesellschaften“ nachzugehen, soll Gegenstand der folgenden Untersuchung sein. Dies ist nicht ganz einfach, denn immerhin müssen sowohl die Vorstellungen Brigitte Knobbe-Keuk’s dargestellt und gewürdigt als auch der heutige Erkenntnisstand der Steuerrechtswissenschaft berücksichtigt werden. Auch soll dem weniger erfahrenen Zuhörer ebenso etwas geboten werden wie dem Umstrukturierungsexperten. Dieses Dilemma lässt sich nur durch eine thematische Eingrenzung auflösen: Die Untersuchung wird sich deshalb auf die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. EStG, die Realteilung von Personengesellschaften nach § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG sowie die Einbringung in Personengesellschaften nach § 24 UmwStG beschränken5 und dabei vor allem der Frage nachgehen, wie sich die genannten Normen zum Sub-

__________ 1 2 3 4 5

Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Köln 2003. Ebda., § 11 III 2, S. 458 ff. Ebda., § 22 IX, S. 852 ff. Ebda., § 22 VII 2, S. 821 ff. Vgl. zu den ansonsten einschlägigen Konstellationen Wassermeyer, BB 1994, 1 ff.

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jektsteuerprinzip verhalten und ob ihnen insoweit ein übergeordnetes Besteuerungskonzept zugrunde liegt.

II. Warum und unter welchen Voraussetzungen darf bei Unternehmensumstrukturierungen von der sofortigen Besteuerung der stillen Reserven abgesehen werden? 1. Das Subjektsteuerprinzip und seine Durchbrechung bei Umstrukturierungen a) Der Ansatz von Brigitte Knobbe-Keuk Seit Brigitte Knobbe-Keuk’s viel zu frühem Tod im Jahr 1995 ist die Steuerwelt nicht stehen geblieben. Dies gilt mit Blick auf die Umstrukturierungen von Unternehmen vor allem für die Frage, warum und unter welchen Voraussetzungen eine sofortige Besteuerung erwirtschafteter stiller Reserven unterbleiben darf: Brigitte Knobbe-Keuk ging bezogen auf die „Besteuerung stiller Reserven ohne Realisierung“ von dem dem EStG seit 1920 zugrundeliegenden Prinzip6 aus, dass – außer beim Eingreifen expliziter Ersatzrealisierungstatbestände – nur realisierte Wertsteigerungen zu besteuern sind7. Komme es zu einer solchen Realisierung stiller Reserven, so könne aber ausnahmsweise dann auf eine sofortige Besteuerung verzichtet werden, wenn eine spätere Versteuerung der stillen Reserven durch Buchwertfortführung sichergestellt sei8. Werde demgegenüber ein Steuertatbestand realisiert, ohne dass dem Steuerpflichtigen liquide Mittel zuflössen, so erscheine es gerechtfertigt, zunächst von der Besteuerung abzusehen, weil nicht einsehbar sei, dass „bereits eine Wertsteigerung als solche – ohne Realisierung – eine Steigerung der Leistungsfähigkeit begründen“ solle. Brigitte Knobbe-Keuk folgte mit dieser Ableitung ihrem Lehrer Werner Flume9, der Unternehmensumstrukturierungen als Organisationsakte ansah, durch welche die steuerliche Leistungskraft des Betriebsinhabers nicht erhöht werde10. Sie grenzte sich damit zugleich von Klaus Tipke11 ab, der gerade umgekehrt davon ausging, dass dem EStG unter Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips eine Art „Nichtrealisierungsprinzip“ zugrunde liege, wonach grundsätzlich schon jeder nichtrealisierte Vermögenszuwachs zu besteuern sei und von einer Besteue-

__________ 6 Vgl. Enno Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, 1940, S. 207; Vogel, StuW 1974, 193 ff.; Beisse, DStJG 4 (1981), 14 ff.; Reiß, StbJb 2001/02, 281 (301). 7 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 7 I, S. 268. 8 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 7 III, S. 271. 9 Flume, DB 1957, 804 f.; ders., ZfbF 1968, 94 ff.; ders., DB 1967, 2050 f. 10 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 22 VII 1, S. 820. 11 Tipke, DStJG 4 (1981), 1 (2 ff.).

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rung nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips abgesehen werden könne. Es fällt auf, dass das heute im Zusammenhang mit der Verlagerung stiller Reserven stets ins Feld geführte Subjektsteuerprinzip bei Brigitte KnobbeKeuk nicht auftaucht. Dieses Prinzip, welches mit demjenigen der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit untrennbar verknüpft ist12, besagt, dass jedes Steuersubjekt aus ertragsteuerlicher Sicht gesondert zu betrachten ist, seine Einkünfte von denen anderer Steuersubjekte zu trennen sind und grundsätzlich eine interpersonelle Verlagerung stiller Reserven nicht zugelassen wird13. Es bleibt insoweit unklar, ob Brigitte Knobbe-Keuk die Auffassung vertreten hätte, der Staat habe nur einen Anspruch auf die spätere Versteuerung der stillen Reserven überhaupt, ohne dass es darauf ankomme, welches Steuersubjekt diese am Ende versteuere. b) Der heutige Erkenntnisstand Heute macht die Steuerrechtswissenschaft für Umwandlungen – sei es im Rahmen des UmwStG oder außerhalb – den Gedanken fruchtbar, dass sie idealiter dem Erhalt und der Verbesserung der Erwerbsgrundlagen und damit gerade nicht der unmittelbaren Erzielung von Markteinkommen dienen14. Das übertragene Vermögen wird entweder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an die Überträgerin oder deren Gesellschafter oder ohne Gegenleistung auf die Übernehmerin transferiert, wobei in letzterem Fall die Gesellschaftsrechte untergehen bzw. gemindert werden. Das übertragene unternehmerische Engagement wird – vorbehaltlich der noch zu untersuchenden Frage, welche Anforderungen an das zu übertragende Vermögen zu stellen sind – bei der Übernehmerin fortgeführt. Gerade deshalb kann steuerrechtlich das Markteinkommensprinzip (und sei es als Ausprägung des Leistungsfähigkeits- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips15) als Rechtfertigung dafür herangezogen werden, dass trotz des bei Umwandlungen vorliegenden (besonderen) Umsatzaktes auf eine sofortige Realisation verzichtet und ein Übergang der stillen Reserven im übertragenen Vermögen von dem einen auf das andere Steuersubjekt zu Buchwerten akzeptiert wird. Zur Besteuerung kommt es danach erst bei Realisation durch die Übernehmerin.

__________ 12 Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Einleitung Rz. 2. 13 Vgl. dazu etwa Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Einleitung Rz. 2; Reiß, StbJb 2001/02, 281 (303); Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (367). 14 Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Einführung Rz. 3 und ders., DStJG 25 (2002), 253 (255). 15 So Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Einführung Rz. 3.

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

Was die Problematik der Subjektbindung angeht, ist heute dabei die Erkenntnis vorherrschend, dass „stille Reserven dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden müssen, in dessen Sphäre sie entstanden sind“16. Im Ertragsteuerrecht gilt insoweit der Grundsatz der Steuersubjektidentität von stillen Reserven, weil sowohl die Einkommensteuer als auch die Körperschaftsteuer Personensteuern sind und bei der Definition des Steuersubjekts an jeden einzelnen Rechtsträger anknüpfen17. Es handelt sich bei den stillen Reserven um latent vorhandene, lediglich aus bilanzrechtlichen Gründen noch nicht ausgewiesene Wertsteigerungen, in denen sich bereits die gesteigerte Leistungsfähigkeit des bisherigen Inhabers der betroffenen betrieblichen Einheiten oder Wirtschaftsgüter abbildet. Dies macht es erforderlich, die stillen Reserven nicht nur im Falle der Veräußerung gegen Entgelt, sondern auch bei anderweitigem Ausscheiden aus der subjektbezogenen Steuerverhaftung personenbezogen zu erfassen, wobei der wichtigste Ersatzrealisierungstatbestand die Entnahme aus dem Betriebsvermögen zum Teilwert (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) ist. Nimmt man das gesetzlich angelegte Subjektsteuerprinzip ernst, so bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn das Steuerrecht den vorgenannten subjektiven Zusammenhang aufgibt und gestattet, dass die latente Steuerlast im Wege der Buchwertfortführung auf ein anderes Steuersubjekt verlagert wird18. 2. Besonderheiten bei Personengesellschaften Was die Übertragung dieser Grundsätze auf Personengesellschaften angeht, kommt es deshalb zu Schwierigkeiten, weil diese einerseits nach den Vorgaben des Zivilrechts über eine eigene Rechtszuständigkeit verfügen, andererseits die Gewinne der Personengesellschaft aber ihren Gesellschaftern als eigene Einkünfte zugerechnet werden19. Aus letzterem ist früher bekanntermaßen geschlossen worden, dass es sich bei dem Gewerbebetrieb der Personengesellschaft um einen „Betrieb der Gesellschafter“ handele. So hat die ältere BFH-Rechtsprechung etwa die steuerneutrale Verlagerung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem eigenen Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen mit der Begründung akzeptiert, der Gesellschafter stehe seiner Personengesellschaft „nicht als Dritter gegenüber“, er sei vielmehr „Mitunternehmer im Betrieb der Gesellschaft“ und es stelle sich daher die Einbringung eines Wirtschaftsgutes „als Fortsetzung der bisherigen Sachherrschaft in Form der gesamthänderischen Berechtigung“

__________ 16 17 18 19

Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (532 f.). Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (254). Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (533). Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (533 f.).

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dar20. Ähnlich argumentierte die ältere Rechtsprechung auch für die Realteilung21, weil „die Grenze zwischen der Personenhandelsgesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht so scharf gezogen ist wie die Grenze zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern“22, sowie für die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Sonderbetriebsvermögen verschiedener Gesellschafter, weil „das Wirtschaftsgut den betrieblichen Funktionszusammenhang, in dem es von beiden Gesellschaftern genutzt wird, nicht verlässt und eine Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist“23. Ohne dieses Thema hier auch nur annähernd ausschöpfen zu können, entspricht diese Vorstellungswelt nicht mehr dem heutigen Erkenntnisstand der Steuerrechtswissenschaft und dem insoweit zu diagnostizierenden „neuen Bild der Personengesellschaft“: Wolfgang Schön24 hat dazu im Gefolge zu Brigitte Knobbe-Keuk25 zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern um verschiedene Steuerrechtssubjekte handelt, weshalb die Verlagerung eines Wirtschaftsguts zwischen Gesellschafter und Gesellschaft eben nicht ohne weiteres als einfache Verschiebung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen begriffen werden kann26. Allerdings erlaubt die dem Subjektsteuerprinzip geschuldete personelle Bindung der stillen Reserven es durchaus, von einer Gewinnrealisierung abzusehen, wenn ein Wirtschaftsgut zwar den konkreten Betrieb des Steuerpflichtigen verlässt, es aber in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt wird und die stillen Reserven, die in der Sphäre dieses Steuerpflichtigen entstanden sind, diesem weiter zugeordnet werden können27. Nur wenn eine solche fortgesetzte personelle Zuordnung der stillen Reserven nicht mehr möglich ist, muss es dabei verbleiben, dass es einer besonderen Rechtfertigung bedarf, wenn das Steuerrecht den subjektiven Zusammenhang aufgibt und gestattet, dass die latente Steuerlast im Wege der Buchwertfortführung auf ein anderes Steuersubjekt verlagert wird. Dem dürfte die jüngst in einem Aussetzungsbeschluss vom 15.4.201028 geäußerte Rechtsauffassung des IV. Senats des BFH entsprechen: Danach

__________ 20 BFH v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. II 1976, 748. 21 BFH v. 10.2.1972 – IV 317/65, BStBl. II 1972, 419; BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BStBl. II 1982, 456. 22 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BStBl. II 1982, 456. 23 BFH v. 12.10.1977 – I R 248/74, BStBl. II 1978, 191; BFH v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652; dazu Wassermeyer, BB 1994, 1 (5). 24 Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (535). 25 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 11 III 4, S. 461. 26 Kritisch insoweit aber Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (256). 27 Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (535); Widmann, DStJG 4 (1981), 163 (176 f.). 28 BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, DStR 2010, 1070.

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

hat sich der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zwar für eine transparente Besteuerung von Personengesellschaften entschieden. Die Personengesellschaft ist dabei im Gefolge der Vorgaben des Großen Senats des BFH29 Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte, während Subjekt der Einkünfteerzielung der Gesellschafter ist. Aus dem Subjektsteuerprinzip folgt insoweit allerdings aus Sicht des IV. Senats, dass jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil an den erzielten Einkünften zu versteuern hat und jedem Gesellschafter auch sein Anteil an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zuzuordnen ist. Eine Verschiebung stiller Reserven zwischen den Gesellschaftern entspricht danach nicht dem Subjektsteuerprinzip; ein solcher, an sich systemwidriger Transfer bedarf damit einer allgemeinen Rechtfertigung.

III. Detailanalyse der §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff., 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG und 24 UmwStG 1. Telos und Regelungsgehalt der genannten Normen Wendet man sich nun im Detail den §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff., 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG und 24 UmwStG zu, so zeigt sich, dass die Normen teilweise nur schwer mit den vorgenannten Erkenntnissen in Deckung zu bringen und vor allem auch untereinander schlecht abgestimmt sind. Dies gilt schon für die teleologischen Erwägungen, von denen sich der Gesetzgeber bezogen auf die zu privilegierenden Vermögensübertragungen jeweils hat leiten lassen. a) Die Vorstellungen des Gesetzgebers Der heute in § 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. EStG geregelten steuerlichen Behandlung der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern im Gesellschaftsverhältnis sowie der Behandlung der Realteilung von Personengesellschaften in § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG liegt ein bemerkenswerter Wandel der gesetzgeberischen Vorstellungswelt zugrunde30: Im auf der bereits beschriebenen älteren BFH-Rechtsprechung fußenden Mitunternehmererlass31 wurde der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern noch in allen Übertragungsfällen ein Bewertungswahlrecht mit dem Buchwert als Unter- und dem Teilwert als Obergrenze eingeräumt und die Buchwertfortführung gerade deshalb als unproblematisch angese-

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29 Beschluss des Großen Senats des BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; vgl. dazu nur Ley, UBg 2011, 274 ff. 30 Dazu etwa Wendt, FR 2002, 53 ff. und auch in Festschrift Joachim Lang, Köln, 2010, S. 699 ff.; Groh, DB 2002, 1904 ff.; Reiß, StbJb 2001/02, 281 ff. 31 BMF v. 20.12.1977, BStBl. I 1978, 8.

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hen, weil der Betrieb der Gesellschaft auch ein Betrieb des Gesellschafters sei. Mit dieser Anschauung brach der Gesetzgeber dann – ohne dass sich insoweit überhaupt schon die Rechtsprechung geändert hatte – im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002, indem er nunmehr Vermögensübertragungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft außer im Falle der Übertragung qualifizierter Sachgesamtheiten stets als Veräußerungsvorgänge behandelte und diese also strikt dem Trennungsprinzip unterstellte32. Die genannten Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Gesellschafter und Gesamthand sowie zwischen den Gesellschaftern führten danach ebenso wie die Auseinandersetzung im Rahmen der Realteilung von Personengesellschaften zum Ansatz des Teilwertes und damit zur sofortigen Versteuerung der stillen Reserven. Das Prinzip lautete jetzt: Lediglich die Übertragung qualifizierter Sachgesamtheiten in Form von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen konnte ohne Gewinnrealisierung erfolgen. Der Gesetzgeber ging also von einer Rechtfertigung der Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips einheitlich nur noch bei der Übertragung qualifizierter Sachgesamtheiten in Form von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen aus und machte sich damit insgesamt den – in § 24 UmwStG auch heute noch zum Ausdruck kommenden – Standpunkt des Gesetzgebers des UmwStG zu eigen33. Er bewegte sich dabei deshalb auf sicherem Terrain34, weil nach ganz allgemeiner Meinung ein interpersonaler Reserventransfer immer dann zulässig sein muss, wenn ein qualifiziertes unternehmerisches Engagement übertragen wird und dabei die Steuerverhaftung der stillen Reserven sichergestellt ist35. Bereits im StSenkG bzw. UntStFG setzte der Gesetzgeber allerdings auf Druck der Wirtschaftsverbände36 zur „Rolle rückwärts“ an: Während er § 24 UmwStG unangetastet ließ, gewährt er in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG jetzt wieder – wenn auch nunmehr ohne Wahlrechtsmöglichkeit – die Buchwertfortführung für folgende Konstellationen: Soweit ein einzelnes Wirtschaftsgut erstens unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt, zweitens aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmer-

__________ 32 Groh, DB 2002, 1904 f.; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1443a. 33 Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (533); zu den Grundprinzipien des UmwStG vgl. Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Einführung Rz. 50. 34 Widmann, DStJG 4 (1981), 163 (164): „Identität des Engagements als Grundlage der Steuerneutralität“. 35 Vgl. Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (255). 36 Dazu Schmitt, FR 2010, 750 (751).

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

schaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, und umgekehrt, oder drittens unentgeltlich zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft übertragen wird. Bei der Realteilung kann hingegen der Buchwert nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG angesetzt werden, soweit ein Teilbetrieb bzw. Mitunternehmeranteil oder auch einzelne Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft in das Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen werden. Angesichts der Tatsache, dass der zugelassene Übertragungsgegenstand nunmehr zwischen §§ 6 Abs. 5 Satz 3, 16 Abs. 3 Satz 2 EStG und 24 UmwStG abweicht, weil einmal nur Einzelwirtschaftsgüter, dann sowohl Einzelwirtschaftsgüter als auch Sachgesamtheiten und schließlich nur Sachgesamtheiten zugelassen sind, musste sich der Gesetzgeber für die §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. und 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG einen neuen Gesetzestelos einfallen lassen. Dieser ist freilich reichlich grob ausgefallen: Sinn und Zweck der heutigen Regelungen soll es nämlich sein, erforderliche Umstrukturierungen von Personenunternehmen nicht durch aus der Substanz des Unternehmens zu zahlende Ertragsteuern zu erschweren37. Anders ausgedrückt soll also die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaft und Mitunternehmer nicht durch eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven behindert werden, weshalb der Gesetzgeber eine Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips nunmehr unter der zusätzlich durch Sperrfristen und Körperschaftsteuerklauseln abgesicherten Bedingung zulässt, dass die spätere Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Um die Frage, welcher Steuerpflichtige die stillen Reserven am Ende versteuert, kümmert sich der Gesetzgeber dabei nicht vertieft38. Man muss insoweit vor allem erkennen, dass er auf die Schaffung eines Instrumentariums, das in allen in §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 16 Abs. 3 Satz 2 EStG genannten Fällen die zutreffende Zuordnung der stillen Reserven sicherstellt, verzichtet hat39. Die Schaffung eines solchen Instrumentariums hätte aber gerade deshalb nahegelegen, weil Ergänzungsbilanzen heute nur als Wertkorrekturbilanzen zur Gesamthandsbilanz verstanden werden und deshalb in Fällen der Übertragung gegen Minderung von Gesellschaftsrechten generell nicht einsetzbar sind40. Ganz unabhängig von den Ergebnissen der hiesigen Untersuchung bleibt der Gesetzgeber insoweit dazu aufgerufen, über die steuerliche Ergänzungsbilanz hinaus technische

__________ 37 BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, DStR 2010, 1070; Hennrichs, FR 2010, 721 (730). 38 Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 4 Rz. 67. 39 Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1443a; vgl. auch die Forderung nach einer entsprechenden Reform bei Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (256 f.). 40 Kritisch dazu Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (256).

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Möglichkeiten zu schaffen, umwandlungsbedingt bewegte stille Reserven „mitunternehmertreu“ zugeordnet zu halten41. b) Die gebotene Differenzierung Alleine aus dem soeben beschriebenen gesetzgeberischen Unterlassen kann man nicht den Schluss ziehen, der Gesetzgeber habe eine Verletzung des Subjektsteuerprinzips in §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 16 Abs. 3 Satz 2 EStG „billigend in Kauf genommen“42. Nach hiesiger Auffassung kommt es insoweit alleine darauf an, ob in den in §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 16 Abs. 3 Satz 2 EStG genannten Fällen das Subjektsteuerprinzip a) überhaupt durchbrochen wird bzw. b) eine vorliegende Durchbrechung hinreichend gerechtfertigt ist. aa) § 6 Abs. 5 Satz 3 ff. EStG Betrachtet man diesbezüglich zunächst einmal die Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, so gelangt man zu einer fortbestehenden personellen Zuordnung der stillen Reserven, wenn ein Einzelwirtschaftsgut aus einem Eigenbetrieb oder einem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft eingebracht wird. Hier besteht die Möglichkeit, dem Einbringenden die stillen Reserven mit Hilfe einer Ergänzungsbilanz weiter zuzuordnen43 und es kommt danach erst gar nicht zu einer Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips. Einer Rechtfertigung für die Zulassung der Buchwertfortführung bedarf es also nicht. Anders sieht dies aber bei der Verlagerung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen in das Einzelvermögen eines Gesellschafters (sei es in einen Eigenbetrieb oder ein Sonderbetriebsvermögen) sowie bei der Verschiebung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen den Sonderbetriebsvermögen verschiedener Gesellschafter aus44. Hier fehlt es – mit der Folge der Notwendigkeit einer besonderen Rechtfertigung der Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips – an einer fortbestehenden Mitberechtigung des bisherigen Inhabers, weshalb auch eine Ergänzungsbilanz keinen Ausweg bietet45. Zur Rechtfertigung der insoweit festzustellenden Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips erscheinen allerdings die recht allgemein gehaltenen teleologischen Vorstellungen des Gesetzgebers schwerlich geeignet, denn mit dem Telos, die Umstrukturierung

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Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (257). So aber Reiß, StbJb 2001/02, 281 (305). Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (256 f.). Ebenso Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (535). 45 Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (536); Niehus/ Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1443a.

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eines Unternehmens nicht mit aus der Unternehmenssubstanz zu zahlenden Steuern zu erschweren, könnte man ohne weiteres auch die Anwendung der in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten Segnungen auf Kapitalgesellschaften rechtfertigen, weshalb teilweise auch eine entsprechende Ausdehnung gefordert wird46. Besser zur Rechtfertigung der in den genannten Fällen festzustellenden Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips geeignet erscheint deshalb der Hinweis auf die besondere ertragsteuerliche Würdigung mitunternehmerisch gehaltenen Betriebsvermögens in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG47, die aus hiesiger Sicht eine gesetzgeberische „Erleichterung“ der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaft und Mitunternehmer zu rechtfertigen vermag. bb) Sonderfall: Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften Eine sich in diesem Zusammenhang stellende und in letzter Zeit zu allerlei „Zoff“48 und einer wahren Literaturschlacht49 führende Frage geht nun dahin, ob § 6 Abs. 5 EStG auch die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften erfasst. Diese Frage stellt sich deshalb, weil die entsprechende Übertragungskonstellation in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG gerade nicht aufgeführt ist, während die betroffenen Wirtschaftsgüter aber – jedenfalls bei transparenter Betrachtung – letztlich nur von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Gesellschafters überführt werden, weshalb aus hiesiger Sicht schon gar keine Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips vorliegen kann. In einem Urteil vom 25.11.200950 hat der I. Senat des BFH bekanntlich in Übereinstimmung mit einer dazu in der Literatur vertretenen Mindermeinung51 ausgeführt, die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften könne gerade nicht als Überführung „von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen“ gewertet werden, weil die in § 6 Abs. 5 Satz 3

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Vgl. Hennrichs, FR 2010, 721 (730); Prinz, FR 2010, 736 (744). Dazu Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (260). Gosch, DStR 2010, 1173 und BFH-PR 2010, 125. Vgl. nur Wendt, FR 2010, 386 und BFH-PR 2010, 285; Wacker, NWB 2010, 2382; Dötsch, jurisPR-SteuerR 25/2010 Anm. 4; Bode, DB 2010, 1156; Wit, DStR 2010, 1072; Kanzler, FR 2010, 761; Koch, BB 2010, 565; Schulze zur Wiesche, DB 2010, 638 und DStZ 2010, 441; Jebens, BB 2010, 1192 und 2025; Schwedhelm/Talaska, DStR 2010, 1505; Schumacher, DStR 2010, 1606; Schäffler/ Gebert, DStR 2010, 636; Goebel/Ungemach/Jacobs, DStZ 2010, 340; Suchanek, GmbHR 2010, 322 und 725. 50 BFH v 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471; Unterstützung erhält der I. Senat des BFH jetzt vom BMF, vgl. Schreiben vom 29.10.2010, BStBl. I 2010, 1206. 51 Schulze zur Wiesche, DStR 1999, 917 (918); Hermann/Neufang, BB 2000, 2599 (2602); Brandenberg, DStZ 2002, 551 (555).

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Nrn. 1 und 2 EStG getroffene Unterscheidung zwischen dem „Betriebsvermögen des Mitunternehmers“ und dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft zeige, dass der Gesetzgeber die Mitunternehmerschaft als selbständiges Steuersubjekt mit einem eigenen – von den Betriebsvermögen der Mitunternehmer zu unterscheidenden – Betriebsvermögen verstehe. Zwar sprächen insoweit gute Gründe dafür, die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften den ansonsten in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten Vorgängen gleichzustellen. Eine dahin gehende Gleichbehandlung könne aber nicht auf eine Auslegung, sondern nur auf eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG gestützt werden. Die dazu erforderliche planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes liege allerdings angesichts der Tatsache, dass im Gesetzgebungsvorhaben eine Erstreckung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf Einzelwirtschaftsgutübertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften erwogen worden sei, nicht vor. Der IV. Senats des BFH nimmt demgegenüber in seinem Aussetzungsbeschluss vom 15.4.201052 mit der h. M. in der Literatur53 eine deutlich großzügigere – und jedenfalls im Ergebnis den hiesigen Erkenntnissen entsprechende – Haltung ein: Er geht davon aus, die bereits erwähnte gesetzgeberische Erwägung, erforderliche Umstrukturierungen von Personenunternehmen nicht durch aus der Unternehmenssubstanz zu zahlende Ertragsteuern zu erschweren, sei ein „ausreichender Rechtfertigungsgrund für die Verletzung des Folgerichtigkeitsgrundsatzes“. Was zunächst etwas überraschend daherkommt, weil doch eigentlich die Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips gerechtfertigt werden muss, erklärt sich daraus, dass sich der IV. Senat auf die Suche nach einer Rechtsgrundlage für die Buchwertfortführung begibt: Aus Sicht des IV. Senats ist es „an und für sich folgerichtig, wenn ein Steuersubjekt die ihm zuzuordnenden stillen Reserven ungeachtet dessen beibehält, in welchem Betriebsvermögen sich das betreffende Wirtschaftsgut befindet“. Diesen Grundsatz regelt – so der IV. Senat – systemkonform § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, der den Ansatz des Buchwerts bei der Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen anordnet. Ebenfalls diesem System entspreche es, wenn § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG die Beibehaltung des Buchwerts bei Überführungen von Wirtschaftsgütern zwischen Einzel- und Sonderbetriebsvermögen bzw. zwischen zwei verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen verlange. Angesichts dessen bedürfe es einer be-

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52 BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, DStR 2010, 1070; ebenso Hennrichs, FR 2010, 721 (730). 53 Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1636); Schmitt/Franz, BB 2001, 1278 (1280); Hörger/Pauli, GmbHR 2001, 1139 (1140); Wendt, FR 2002, 53 (64); Groh, DB 2002, 1904 (1906); Hoffmann, GmbHR 2002, 125 (131); Reiß, StbJb 2001/02, 281 (311); Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 702; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 683; Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1447d.

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sonderen Rechtfertigung dafür, stille Reserven der Besteuerung zu unterwerfen, wenn diese dadurch demselben Steuersubjekt zugeordnet blieben, dass sie von dem Gesamthandsvermögen einer mitunternehmerischen Personengesellschaft unentgeltlich oder gegen Minderung und Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen anderen mitunternehmerischen Personengesellschaft übertragen würden. Eine derartige Rechtfertigung sei aber nicht ersichtlich und die Aufdeckung stiller Reserven aufgrund einer derartigen Übertragung würde danach zu einer im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots gleichheitswidrigen Besteuerung führen, weil sie sich weder auf die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Gesellschafters noch auf eine Entstrickung oder die erhöhte Gefahr einer späteren unbemerkten Entstrickung stützen könne. Zur Vermeidung eines solchen Gleichheitssatzverstoßes sieht sich deshalb der IV. Senat „berechtigt und verpflichtet“, § 6 Abs. 5 EStG im Wege einer verfassungskonformen (erweiternden) Auslegung auf Übertragungen zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften dadurch zu erstrecken, dass auf diesen Vorgang § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG entsprechend54 angewendet wird. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass der vorgenannte Streit sich in erster Linie darum dreht, ob ein an und für sich sinnvolles steuerliches Ergebnis noch im Auslegungswege zu erreichen ist. In den genannten Fällen bleiben die stillen Reserven ja mitunternehmertreu zugeordnet, weshalb auch der I. Senat dem Befund zustimmt, dass eigentlich aus systematischer Sicht nicht einsehbar ist, warum die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern bei beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften nicht steuerprivilegiert ablaufen soll. Wörtlich führt er aus, dass eine solche Übertragung „nicht zu einer personellen Verschiebung stiller Reserven führen [kann], weshalb es in besonderem Maße gerechtfertigt sein könne, auf deren Aufdeckung zu verzichten“. Zwar wird man dem stark wortlautorientierten I. Senat noch zustimmen müssen, soweit er die in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG enthaltene tatbestandliche Aufzählung für abschließend und einer Analogie deshalb nicht zugänglich hält55. Ganz abgesehen davon, dass die dortige Nichtaufnahme von Einzelwirtschaftsgutübertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften aber eher fiskalischen als steuersystematischen Gesichtspunkten geschuldet zu sein scheint, hindert das nicht daran, auf den der Gesamtregelung in § 6

__________ 54 Zur analogen Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG i. V. mit dem Transparenzprinzip vgl. auch Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 683. 55 So auch Brandenberg, JbFStR 2002/03, 314 (320 f.) und FR 2010, 731 (734); Kanzler, FR 2010, 761 (762); vgl. auch Fischer in Kirchhof, § 6 EStG Rz. 215. Ob etwas anderes in dem Fall gilt, dass die Beteiligungen an den betroffenen Schwesterpersonengesellschaften von einer gemeinsamen Mutter(personen)gesellschaft gehalten werden (dazu Ley, DStR 2011, 1208), kann dahinstehen, denn so lagen die vom BFH zu entscheidenden Fälle nicht.

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Abs. 5 Sätze 1 ff. EStG zugrunde liegenden Systemgedanken zurückzukommen und sein Heil in einer gleichheitskonform-analogen Auslegung des vom Wortlaut her deutlich offener ausgestalteten § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zu suchen. Man muss sich nur nochmals klar machen, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Buchwertfortführung sogar dann zulässt, wenn stille Reserven auf einen anderen Mitunternehmer übergehen, während in dem Fall, welchen der I. Senat zu entscheiden hatte, die fortgesetzte Zuordnung in der Person ein- und desselben Mitunternehmers möglich blieb56. Umso mehr ist dann aber fraglich, ob ein abschließend interpretierter § 6 Abs. 5 EStG nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, was letztlich auch der Grund dafür ist, dass der IV. Senat „eine besondere Rechtfertigung“ dafür verlangt, „stille Reserven der Besteuerung zu unterwerfen, wenn diese demselben Steuersubjekt zugeordnet bleiben“. Nach der hier vertretenen Auffassung liegt in einem solchen Fall erst gar keine zu rechtfertigende Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips vor und lässt jedenfalls der Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG eine verfassungskonforme Auslegung zu, weil dort die Buchwertfortführung bei der Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen geregelt ist und dieser Regelungsgehalt auf Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften übertragen werden kann57. Darin liegt keine unzulässige Rechtsfortbildung über den Gesetzeswortlaut hinaus und es verfängt auch nicht der Einwand, nach der genannten Lösung verbleibe für § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG kein Anwendungsbereich, weil der Satz 4 für Einzelwirtschaftsgutübertragungen zwischen nicht beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften relevant bleibt. Dem weiter nachzugehen, wird vermutlich Aufgabe des IV. Senats des BFH in einem Hauptsacheverfahren und – vorbehaltlich verfahrensrechtlicher Hindernisse – irgendwann dann vielleicht eine solche des Großen Senats sein, falls sich die betroffenen Senate nicht doch noch auf eine gemeinsame Linie einigen können58. cc) § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG Wird das Gesellschaftsvermögen nach Auflösung einer Personengesellschaft real unter den Gesellschaftern verteilt, so steht auch hier die Frage im Vordergrund, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Form der Auseinandersetzung steuerneutral ablaufen kann. Brigitte Knobbe-Keuk59 hat dazu die seinerzeit vorherrschende Vorstellung, es gelte insoweit über eine an und für sich vorliegende Gewinnrealisierung aus dem „Tausch der

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Wendt, FR 2010, 386 (387). Wendt, FR 2010, 386 (387). Vgl. auch Strahl, FR 2010, 756 (758). Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 22 IX, S. 853 f.

Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

Miteigentumsanteile“ an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens zwischen den Gesellschaftern hinwegzukommen, scharf zurückgewiesen. Sie bezeichnete diese als „zivilrechtlich abwegig“ und „nach der Verabschiedung der Bilanzbündeltheorie auch steuerrechtlich jeder Grundlage entbehrend“. Vielmehr handele es sich – was heutigen Vorstellungen entspricht60 – um einen Fall der Aufgabe des Gewerbebetriebs der Gesellschaft nach § 16 Abs. 3 EStG, der aber steuerneutral ablaufen könne, soweit die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt bleibe. Dies wiederum sei anzunehmen, wenn die Gesellschafter die aus dem Gesellschaftsvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter in ihrem Betriebsvermögen mit den alten Buchwerten der Gesellschaftsbilanzen ansetzen und als Kapital nicht das alte Kapitalkonto fortführen, sondern das Kapital an die Buchwerte der Wirtschaftsgüter angleichen (Kapitalkontenanpassung)61. Soweit es zur Verschiebung stiller Reserven zwischen den Gesellschaftern kam, hielt Brigitte Knobbe-Keuk dies allerdings allein für „ein Problem des internen Verhältnisses der Gesellschafter untereinander“62, denn diese hätten es in der Hand, die künftige steuerliche Mehrbelastung – sei es bei der Bewertung der Auseinandersetzung oder durch Ausgleichsansprüche63 – zu kompensieren. Die Auffassung Brigitte Knobbe-Keuk’s steht zunächst einmal materiellrechtlich durchweg im Einklang mit der älteren BFH-Rechtsprechung64, welche ja inzwischen durch § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG im Rahmen des UntStFG weitgehend wiederhergestellt worden ist und wonach sowohl im Fall der Übertragung eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils als auch einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft in das Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer abweichend von der nach allgemeinen Grundsätzen gebotenen Aufdeckung der stillen Reserven der Buchwert angesetzt werden kann, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Allerdings fehlt bei Brigitte Knobbe-Keuk – worauf schon hingewiesen wurde – das Stichwort „Subjektsteuerprinzip“. Dazu ist Folgendes anzumerken: Die diesem Prinzip geschuldete personelle Bindung der stillen Reserven erlaubt es zwar auch bei der Realteilung von Personengesellschaften von einer Gewinnrealisierung abzusehen, soweit die stillen Reserven, die in der Sphäre eines Mitunternehmers entstanden sind, diesem weiter zugeordnet werden können. Dies ist allerdings – mit der Konsequenz des Erfordernisses

__________ 60 Vgl. etwa Brandenberg, JbFStR 2004/05, 362; Crezelius, JbFStR 2006/07, 377 (378 f.); auch Wendt, Festschrift Joachim Lang, Köln, 2010, S. 699 ff. 61 Zur Kapitalkontenanpassungsmethode vgl. Brandenberg, JbFStR 2004/05, 362 (364); Rogall/Stangl, FR 2006, 345 (354). 62 Keuk, DB 1972, 598 (602 ff.); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 22 IX, S. 857. 63 Dazu aus heutiger Sicht Rogall/Stangl, FR 2006, 345 (353). 64 Dazu Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 530.

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einer besonderen Rechtfertigung zur Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips – gerade dann nicht möglich, wenn Teilbetriebe oder Einzelwirtschaftsgüter nur einem Teil der Realteiler zugewiesen werden. In solchen Fällen fehlt es an der Möglichkeit, sämtliche bisher beteiligten Gesellschafter an den stillen Reserven der verteilten Wirtschaftsgüter und ihrer späteren Aufdeckung teilhaben zu lassen65. Die Methode der Kapitalkontenanpassung als solche löst dieses Problem der Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips nicht, sondern es stellt sich insoweit alleine die Frage der Rechtfertigung dieser Durchbrechung. Dazu wird zwar teilweise bezweifelt, ob es verfassungsrechtlich haltbar sei, dass der Gesetzgeber auch in Fällen der Reservenverschiebung anordne, dass ein Realteiler die von einem anderen Realteiler erwirtschafteten stillen Reserven später zu versteuern habe66. U. E. kann allerdings der Gesetzgeber zu Rechtfertigungszwecken das bereits geschilderte Argument der besonderen ertragsteuerlichen Würdigung mitunternehmerisch gehaltenen Betriebsvermögens samt der daraus abzuleitenden erleichterten Wirtschaftsgutzuordnung fruchtbar machen und mit Blick auf die zu fordernde fortbestehende Reservenzuordnung auf die schon von der älteren Rechtsprechung begründete Möglichkeit der Kapitalkontenanpassung67 zurückgreifen. Damit würde man im Ergebnis wieder bei der Auffassung Brigitte Knobbe-Keuk’s landen. Soweit im Übrigen die Finanzverwaltung68 in dem Fall, dass Einzelwirtschaftsgüter der Mitunternehmerschaft unmittelbar in zwei oder mehrere betrieblich tätige oder nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG geprägte SchwesterPersonengesellschaften überführt werden, die Auffassung vertritt, die übertragenen Wirtschaftsgüter seien selbst im Falle der Beteiligungsidentität zum gemeinen Wert anzusetzen, weil § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ausdrücklich die Übertragung in das „jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer“ fordere „und“ die wertungsgleiche Bestimmung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Übertragung in das Gesellschaftsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft nicht begünstige, ist dem nicht zu folgen. Diese Auffassung ist bereits angesichts der zu § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geschilderten Rechtsprechungsdivergenz zweifelhaft und nach Maßgabe der hiesigen Erkenntnisse wegen der fortbestehenden mitunternehmertreuen Reservenzuordnung sogar falsch69.

__________ 65 Schön in Festschrift für Siegfried Widmann, Bonn/Berlin, 2000, 531 (536); Reiß, StuW 1995, 199 (205); auch Widmann, DStJG 4 (1981), 163 (178 f.). 66 Reiß in Kirchhof, § 16 EStG Rz. 247 und in StbJb 2001/02, 281 (314). 67 Dazu Kulosa in Hermann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 451. 68 BMF-Schreiben v. 28.2.2006, BStBl. I 2006, 228. 69 Ebenso Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 546.

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

dd) § 24 UmwStG Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Personengesellschaft eingebracht und wird der Einbringende Mitunternehmer der Gesellschaft, so kann dieser „tauschähnliche Vorgang“ eigentlich unter den Tatbestand des § 16 EStG gefasst werden. Dem entsprechend hat nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die Personengesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen in ihrer Bilanz einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen, wobei lediglich Pensionsverpflichtungen nach § 6a EStG zu bewerten sind (§ 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Abweichend davon kann das übernommene Betriebsvermögen allerdings auf Antrag mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Wert im Sinne des Satzes 1, angesetzt werden, soweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Mit der letztgenannten Möglichkeit verfolgt der Gesetzgeber – in weitgehender Übereinstimmung zu dem zu §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 16 Abs. 3 Satz 2 EStG genannten Telos – den Zweck, betriebswirtschaftlich erwünschte und handelsrechtlich mögliche Umstrukturierungen nicht durch steuerlich negative Folgen zu belasten70. Während Brigitte KnobbeKeuk71 insoweit noch davon ausging, die Buchwertfortführung könne deshalb ermöglicht werden, weil die stillen Reserven nicht „an der Person des Betriebsinhabers, sondern an den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens“ haften würden, würde man aus heutiger Sicht anders formulieren: Es liegt schon keine zu rechtfertigende Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips durch das Überwechseln stiller Reserven von einem Steuerpflichtigen auf einen anderen vor, soweit Gesichtspunkte einer unentgeltlichen Zuwendung ausscheiden. Durch die Erstellung von Ergänzungsbilanzen bleiben dem einzelnen Gesellschafter nämlich diejenigen stillen Reserven weiter zugeordnet, die in seiner Einlage enthalten sind72. Die spätere Versteuerung der stillen Reserven ist damit sichergestellt73. 2. Die Tatbestandsseite der Normen Schaut man sich in der hier gebotenen Kürze die weiteren Tatbestandsmerkmale des genannten Normbereiches an, so zeigt sich, dass es insbesondere mit Blick auf das Subjektsteuerprinzip weitere Unabgestimmtheiten gibt.

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Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 7. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 22 VII, S. 820. Widmann, DStJG 4 (1981), 163 (177). Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 22 VII, S. 820.

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a) Zugelassene Rechtsträger Das gilt zunächst nicht so sehr für den Kreis der zugelassenen Rechtsträger: Für die Anwendung der §§ 6 Abs. 5 Satz 3, 16 Abs. 3 Satz 2 EStG sowie § 24 UmwStG zugelassen sind zunächst natürliche Personen, während Körperschaften nur zugelassen werden, soweit sie einkommensteuerlichen Regeln zu unterwerfen sind (Bsp.: Mitunternehmerschaften, bei denen einer der Gesellschafter als Körperschaft konstituiert ist74). Für § 6 Abs. 5 Sätze 3 und 4 sowie § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG folgt das aus § 8 Abs. 1 KStG75, für § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 sowie § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG unmittelbar aus dem Gesetz76. § 24 UmwStG wiederum enthält für den Kreis der als Einbringende zugelassenen Personen keine Beschränkung, so dass ebenfalls natürliche und juristische Personen in den Anwendungsbereich fallen, soweit sie die in § 24 UmwStG genannten Sachgesamtheiten in eine Personengesellschaft einbringen77. Man kann insoweit also festhalten, dass der Kreis der zugelassenen Rechtsträger grundsätzlich identisch ist78. Allerdings ist für § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG umstritten, ob auch der Wirtschaftsguttransfer in das Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen einer Auslandspersonengesellschaft erfasst ist79, während § 24 UmwStG insoweit einen erweiterten persönlichen Anwendungsbereich aufweist, als im EU-/EWR-Raum oder Drittstaatsgebiet ansässige natürliche oder juristische Personen Einbringende sein können80 und als aufnehmende Personengesellschaften auch solche aus dem EU-/EWRRaum bzw. aus Drittstaaten81 in Betracht kommen. b) Zugelassene Übertragungsgegenstände Der Vergleichsbefund fällt schon deutlich anders aus, wenn man sich – wie bereits geschehen – die zugelassenen Übertragungsgegenstände anschaut82: Während § 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. EStG dem Wortlaut nach nur die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter betreffen, stellen § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG insoweit „Mischnormen“ dar, als dort sowohl die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter als auch diejenige von Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen erfasst wird. § 24 UmwStG begünstigt hingegen nur die Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen, also gerade nicht von Einzelwirtschaftsgütern. Alles dies soll offenbar der

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Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (367 f.). Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1444a. Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1444b. Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 54. Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (367 f.). Prinz, JbFStR 2009/10, 457 (468). Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 54. Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 50. Vgl. dazu auch Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (368).

Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

tatbestandlichen Abgrenzung dienen: § 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. EStG erfassen danach zwar auch die Übertragung mehrerer Einzelwirtschaftsgüter, nicht aber eine solche qualifizierter Sachgesamtheiten (Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile), die nur unter §§ 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG oder § 24 UmwStG fallen können83. Damit sind aber bei weitem nicht alle Konkurrenzfragen angesprochen oder gar gelöst84 und ist auch schwer einsichtig, warum bei § 24 UmwStG trotz eines nahezu identischen Gesetzestelos nur qualifizierte Sachgesamtheiten steuerprivilegiert sind, während nach §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 16 Abs. 3 Satz 2 EStG auch die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zugelassen wird. Von einem am Subjektsteuerprinzip ausgerichteten einheitlichen Besteuerungssystem kann insoweit kaum die Rede sein, sondern der Gesetzgeber hat schlichtweg seine im Rahmen des StSenkG gewonnene Erkenntnis, dass eigentlich nur bei vollständigen betrieblichen Einheiten von einer sinnvollen Betriebsfortführung ausgegangen werden kann, auf Lobbydruck im Bereich der §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. und 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG über Bord geworfen. Die Abweichungen hinsichtlich der zu übertragenden Gegenstände sind allerdings auch insoweit noch unzureichend beschrieben, als fraglich ist, ob mit Blick auf § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG einerseits und § 24 UmwStG andererseits der Begriff des Teilbetriebes kongruent auszulegen85 oder eine normspezifische Auslegung geboten ist. Letzteres ist mit der inzwischen h. M.86 mit der Folge zu bejahen, dass der umwandlungssteuerrechtliche Teilbetriebsbegriff von demjenigen des EStG abweichen kann. Ganz abgesehen davon, dass dies die Gesetzesbegründung des SEStEG bestätigt, indem dort mit Blick auf die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Teilbetriebes i. S. des UmwStG auf eine „funktionale Betrachtungsweise“ abgehoben wird87, ist vor allem Folgendes zu beachten88: Zu §§ 16, 34 EStG

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83 Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1451a. 84 Vgl. dazu etwa Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (366 ff.) und JbFStR 2006/07, 377 (379 ff.); Rogall/Stangl, FR 2006, 345 (349). 85 So noch ausdrücklich das BMF-Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268, Tz. 20.08 entgegen der jetzigen modifizierten Auffassung im BMF-Schreiben v. 16.8.2000, BStBl. I 2000, 1253; Thiel, DStR 1995, 237 ff.; Herzig, IStR 1994, 1 (2) m. w. N. 86 Vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwStG Rz. 89; Patt in Dötsch/ Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG (SEStEG) Rz. 76; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 20 UmwStG Rz. 58; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG (SEStEG) R 3; Menner in Haritz/Menner, § 20 UmwStG Rz. 93; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 141; Blumers, BB 1995, 1821 ff.; Rödder/Beckmann, DStR 1999, 751; Haarmann, JbFStR 2001/02, 180 (187). 87 BT/Drs. 542/06, S. 69; dazu Ley, FR 2007, 109 (110); Patt in Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG (SEStEG) Rz. 77. 88 Vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 20 UmwStG Rz. 26 m. w. N.

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geht der BFH unter Berücksichtigung des dortigen Normzwecks, der darauf gerichtet sein soll, die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven zu begünstigen89, von einer kombinierten funktional-quantitativen Betrachtungsweise aus90. Bei der Betrachtung ist darüber hinaus im Rahmen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht nur zwischen den einzelnen Mitunternehmern, sondern auch zwischen den verschiedenen Wirtschaftsgütern, die ein Mitunternehmer erhält, zu differenzieren (sog. personenund objektbezogene Betrachtungsweise)91. Danach gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Teilbetriebes i. S. der §§ 16, 34 EStG neben solchen Wirtschaftsgütern, die nach der Art des Betriebes und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind (funktionale Betrachtung), auch solche, in denen erhebliche stille Reserven gebunden sind (quantitative Betrachtung)92. Eine Übernahme der aus dem Zweck des § 34 EStG abgeleiteten quantitativen Betrachtungsweise für die Interpretation des umwandlungssteuerrechtlichen Teilbetriebsbegriffs ist hingegen unzulässig93, weil sich dort ein „Anballungsproblem“ regelmäßig nicht stellt, sondern die möglichst weitgehende Steuerneutralität betriebswirtschaftlich sinnvoller Umstrukturierungen im Vordergrund steht. Das gilt umso mehr, als im UmwStG nunmehr der Teilbetriebsbegriff sowohl für nationale als auch grenzüberschreitende Einbringungen einheitlich verwendet wird, während früher alleine § 23 UmwStG a. F. auf den Vorgaben der Fusionsrichtlinie fußte. Wenn nunmehr der Gesetzgeber den früheren Regelungsbereich des § 23 UmwStG a. F. insgesamt in die §§ 20 ff. UmwStG integriert hat, dann spricht viel dafür, dass der Teilbetriebsbegriff nunmehr unter Beachtung der Vorgaben des Art. 2 Buchst. i der FusionsRL einheitlich europarechtskonform ausgelegt werden muss94. Angesichts der für § 24 UmwStG allein maßgeblichen funktionalen Betrachtungsweise und der Zielrichtung, betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht aufgrund steuerlicher Vorgaben zu behindern oder auszuschließen, ist auch die zuletzt von Rasche95 vertretene These abzulehnen96, die bloße Bildung von Sonderbetriebsvermögen ohne Vermögensübertragung (i. d. R. durch reine Nutzungsüberlassung ohne Übertragung wirtschaftlichen Eigentums) falle nicht unter die in § 1 Abs. 3 UmwStG abschließend aufgezählten Vorgänge, auf die der Sechste bis

__________ 89 BFH v. 26.4.1979 – IV R 119/76, BStBl. II 1979, 557. 90 BFH v. 13.2.1996 – VIII R 39/92, BStBl. II 1996, 409 und v. 2.10.1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 101. 91 Dazu Kulosa in Hermann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 444. 92 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 101. 93 Vgl. Kutt/Pitzal, DStR 2009, 1243 (1244). 94 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 59. 95 In Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 59. 96 Ebenso Strahl, FR 2010, 756 (759).

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

Achte Teil des UmwStG anzuwenden sei. Dies folgt bereits daraus, dass der Begriff der Einzelrechtsnachfolge in § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG lediglich zur Abgrenzung von den Fällen der vollständigen oder partiellen Gesamtrechtsnachfolge in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwStG verwendet und damit gerade nicht in einem strikt zivilrechtlichen Sinne verstanden wird. Dafür spricht letztlich auch das abweichende Normgefüge in § 6 Abs. 5 EStG: Dort wird der Begriff der „Übertragung“ in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nämlich in Abgrenzung zu demjenigen der „Überführung“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG allgemein so verstanden, dass ein Rechtsträgerwechsel i. S. eines Wechsels des wirtschaftlichen Eigentümers stattfinden muss97. c) Gegenleistung Was die Frage der Gegenleistung angeht, ist die Lage ebenfalls einigermaßen unübersichtlich: Für § 6 Abs. 5 Satz 3 Nrn. 1 und 2 EStG wird es akzeptiert, dass ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt bzw. aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, und umgekehrt übertragen wird. Für Übertragungen zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft wird nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG alleine auf die Unentgeltlichkeit abgestellt. Bei der Realteilung wird demgegenüber alleine an die Übertragung in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer angeknüpft, während § 24 UmwStG verlangt, dass der Einbringende Mitunternehmer der Personengesellschaft wird. Abweichungen ergeben sich etwa, soweit Verbindlichkeiten auf das empfangende Rechtssubjekt übergehen98. Bei der für die Übertragung von Sachgesamtheiten (Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile) sowie die Teilung von Gesamthandsvermögen im Wege der Realteilung anerkannten sog. Nettobetrachtung99 werden übernommene Verbindlichkeiten nur als unselbständiger Bestandteil des Übertragungsgeschäfts angesehen, woraufhin lediglich das sonstige Entgelt, nicht aber die zu übernehmende Verbindlichkeit als Gegenleistung zu werten ist. Bei der Realteilung soll es dabei sogar unerheblich sein, ob die Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den von einem Realteiler übernommenen Wirtschaftsgütern stehen100. Diese sog. Nettobetrachtung wird im

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Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1451a. Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (369). BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420. Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (369).

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Schrifttum auch für Übertragungen i. S. d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG für zutreffend erachtet, weil sowohl die wörtliche Auslegung als auch der Sinn und Zweck der Regelung, Umstrukturierungen bei Personengesellschaften steuerneutral zu ermöglichen, es rechtfertige, die im Zusammenhang mit der Übertragung eines positiven Wirtschaftsgutes stehende Übernahme einer Verbindlichkeit mit der Folge nicht als Entgelt zu beurteilen, dass sowohl das positive Wirtschaftsgut als auch die Verbindlichkeit als negatives Wirtschaftsgut jeweils zum Buchwert zu übertragen wären101. Dafür soll auch sprechen, dass anstelle der Übernahme der Verbindlichkeit der entsprechende Betrag im Wege der Einlage bzw. Entnahme transferiert und sodann zur Tilgung der Verbindlichkeit verwendet werden könne102 und Verbindlichkeit und positives Wirtschaftsgut ggf. zusammenhängen würden103. Demgegenüber ist nach der von der h. M. im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vertretenen Bruttobetrachtung zu Recht die im Zusammenhang mit der Übertragung eines einzelnen positiven Wirtschaftsgutes stehende Übernahme einer Verbindlichkeit als (ggf. anteiliges) sonstiges Entgelt anzusehen104. Die Verbindlichkeit ist danach nicht als Bestandteil des übertragenen Vermögens, sondern vielmehr als selbständiger Bestandteil der Gegenleistung zu beurteilen. Dies folgt schon daraus, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zwar sowohl die Übertragung positiver als auch negativer Wirtschaftsgüter erfasst, dies aber nur gilt, wenn die jeweiligen Übertragungen isoliert erfolgen. Immerhin übernimmt der Empfänger des positiven Wirtschaftsgutes die Verbindlichkeit regelmäßig deswegen, weil der Übertragende ihm das betreffende Wirtschaftsgut insoweit eben gerade nicht gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten bzw. unentgeltlich, sondern vielmehr gegen Erlangung eines entsprechenden Vermögensvorteils übertragen will. Dementsprechend erfolgt auf Seiten des Empfängers keine Bereicherung, sondern dieser hat das unter fremden Dritten übliche Entgelt zur Erlangung des positiven Wirtschaftsgutes aufgewendet. Aus dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG kann eine Erweiterung des Anwendungsbereichs über den Gesetzeswortlaut hinaus nicht hergeleitet werden105 und insoweit dürfte auch § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG keinen Ausweg bieten. Abweichungen gibt es auch, was die zu gewährenden Gesellschaftsrechte angeht. Diese werden in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht strikt i. S. des Zivil-

__________ 101 Vgl. Märkle, StbJb 1995/96, 75 (100 ff.); Groh, DB 2002, 1904 (1907); Schulze zur Wiesche, DStZ 2002, 740 (745) und DB 2004, 1388; Böhme/Forster, BB 2003, 1979 (1983 f.). 102 Groh, DB 2002, 1904 (1907). 103 Roser, FR 2002, 309 (316 f.). 104 BFH v. 11.12.1997 – IV R 28/97, BFH/NV 1998, 836; BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420; Brandenberg, DStZ 2002, 551 (557 f.) und JbFStR 2002/03, 314 (332); Wendt, FR 2002, 53 (62); Kempermann, FR 2002, 521. 105 Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1452b.

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rechts verstanden, sondern es wird darauf abgestellt, ob die übertragenen Rechte über Einsichts-, Kontroll- oder Widerspruchsrechte hinausgehen und die Gewinnbezugs- und/oder Stimmrechtssituation des Gesellschafters verändern106. Dabei soll das Merkmal „gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten“ in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nrn. 1 und 2 EStG nach verbreiteter Auffassung nicht erfüllt sein, wenn eine Verbuchung ausschließlich auf einem Fremdkapitalkonto in der Personengesellschaft stattfindet107, wobei teilweise aber auch schon eine Verbuchung auf dem Kapitalkonto II für schädlich gehalten wird108. Für § 24 UmwStG ist die Rechtslage hingegen anders, weil dort generell eine in einer Vermögensbeteiligung bestehende109 Gesellschafterstellung ausreicht, auch wenn diese in nur ganz geringem Umfang besteht110. d) Sicherstellungsklauseln Interessant ist es, dass die hier zu untersuchenden Normen unterschiedliche Regelungen zur Sicherstellung der Versteuerung der stillen Reserven enthalten, obwohl doch die Sicherstellung der Versteuerung der stillen Reserven nach modernem Verständnis einheitlich Grundvoraussetzung für die Buchwertfortführung ist: § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG enthält insofern als Rechtsfolge einen Verweis auf § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG („Satz 1 gilt entsprechend …“), woraus gefolgert wird, dass die dort enthaltene Sicherungsklausel („… sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist“) auf § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG durchschlägt111. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG enthält demgegenüber ausdrücklich die vorgenannte Sicherstellungsklausel, weil dies der BFH für die Realteilung zuvor mit Blick auf diesen „tragenden Grundsatz der Buchwertfortführung“ gefordert hatte112. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG wiederum räumt das Wahlrecht zum Ansatz des Buch- oder Zwischenwertes ein, „soweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird“.

__________ 106 Wendt, FR 2002, 53 (59); Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1453b. 107 Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (370). 108 Vgl. v. Lishaut, DB 2000, 1785 (1786); Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2001, 1713 (1716); Kemper/Konold, DStR 2000, 2119 (2121); Herrmann/Neufang, BB 2000, 2599 (2602). 109 Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 60. 110 Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (370); Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/ Raupach, § 6 EStG Rz. 1453b. 111 Vgl. etwa Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1457b; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 4 Rz. 81. 112 BFH v. 1.12.1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607; Kulosa in Hermann/ Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 445.

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Nach allen Varianten soll die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte, deren Einkünfte nach DBA von der deutschen Besteuerung freigestellt sind, nicht steuerlich begünstigt sein113. Soweit in einem entsprechenden DBA die Freistellungsmethode vereinbart ist, kommt es allerdings schon deshalb zu Schwierigkeiten, weil § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG diesen Fall positiv regelt114, während die Rechtslage bei §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG umstritten ist115. Mit Blick auf die in § 6 Abs. 5 Satz 3 i. V. mit Satz 1 EStG enthaltene Sicherstellungsklausel stellt sich im Übrigen – worauf unlängst Ulrich Prinz116 hingewiesen hat – die Frage, wie sich darauf die durch Urteil vom 17.7.2008117 verfügte Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme durch den I. Senat des BFH auswirkt. Immerhin hat der I. Senat im 3. Leitsatz seiner Entscheidung ausgeführt, die Überführung eines Einzelwirtschaftsguts aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte führe im Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 auch dann nicht zur sofortigen Gewinnrealisation, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Besteuerung im Inland freigestellt waren, was auch für die Einbringung einer Sacheinlage durch eine Personengesellschaft in eine Tochter-Personengesellschaft gelte. Zu dieser Rechtslage hat der I. Senat zweistufig argumentiert: Einerseits hat er den fehlenden Realisationsakt bei Überführung ausländischer Kapitalgesellschaftsanteile auf eine österreichische Personengesellschaft auf die europarechtlichen Diskriminierungsverbote (in concreto: Art. 43 EG) gestützt und ausgeführt, danach müsse das für Inlandsfälle geltende Bewertungswahlrecht auch für grenzüberschreitende Fälle gelten und könne eine Sofortbesteuerung auch nicht auf fehlende inländische Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gestützt werden. Andererseits fehle es in dem genannten Fall an einer gewinnverwirklichenden Entnahme i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, da der betriebliche Funktionszusammenhang zwischen Stammhaus und Auslandsbetriebsstätte nicht gelöst werde, ein Außenumsatz nicht stattfinde und die spätere Besteuerung der im Inland generierten stillen Reserven durch eine DBA-Betriebsstättenfreistellung nicht beeinträchtigt werde. Aus Sicht des I. Senats fehlten deshalb vor dem Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. d. F. des SEStEG sowohl eine Rechtsgrundlage als auch ein Bedürfnis dafür, in den genannten Fällen eine Gewinnrealisierung anzunehmen.

__________ 113 Kulosa in Hermann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 445; Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1463; Rasche in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 83. 114 Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 84. 115 Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1463 m. w. N. 116 Prinz, JbFStR 2009/10, 457 ff. 117 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

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Das vorgenannte Urteil des I. Senats ist teilweise auf heftige Kritik gestoßen118, der im hier verfolgten Zusammenhang nicht weiter nachgegangen werden kann. Es stellt sich hier alleine die Frage, welche Auswirkungen sich auf die Rechtslage ab 1999 ergeben: Für die Veranlagungszeiträume 1999/2000 entfaltet das Urteil für ausländische Personengesellschaften schon deshalb keine Wirkungen, weil der Gesetzgeber im StEntlG 1999/ 2000/2002 für Einzelwirtschaftsgutübertragungen in eine Personengesellschaft eine zwangsweise Aufdeckung der stillen Reserven nach Maßgabe des Teilwerts angeordnet hatte und diese Zwangsrealisation zum Übertragungszeitpunkt bei innerstaatlichen Vorgängen unabhängig von der Sicherstellung des Besteuerungsrechts auch für den Transfer einzelner Wirtschaftsgüter in eine ausländische Personengesellschaft gilt119. Was ausländische Betriebsstätten angeht, so griff in den Jahren 1999/2000 § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG samt der dortigen Sicherstellungsklausel. Da nach Auffassung des BFH der Stammhausstaat auch bei der Überführung eines Einzelwirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte für die bis zum Überführungszeitpunkt erwirtschafteten stillen Reserven zugriffsberechtigt blieb, schied damit eine Steuerentstrickung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG aus und die Norm hinderte folglich die Buchwertverknüpfung nicht120. Für Veranlagungszeiträume ab 2001 ist die Rechtslage des Mitunternehmererlasses bis auf die Wahlrechtsmöglichkeit wiederhergestellt. Zwar ist – wie dargestellt – insoweit unklar, ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auch für den Wirtschaftsguttransfer in das Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen einer Auslandspersonengesellschaft gilt, doch dürfte, wenn man die Frage bejaht, die Besteuerung der im Inland erwirtschafteten stillen Reserven nach den Ausführungen im zitierten BFH-Urteil sichergestellt und damit die Buchwertfortführung möglich sein121. 3. Die Rechtsfolgenseite der Normen Die (ohnehin schon nicht abschließende) Aufzählung der Brüche auf der Tatbestandsseite der §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff., 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG und 24 UmwStG setzt sich auf der Rechtsfolgenseite nahtlos fort122. a) Bewertung Werden die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen eingehalten, so ist heute nach §§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 16 Abs. 3 Satz 2 EStG die Buchwertfortführung zwingend, während nach § 24 UmwStG ein antragsgebundenes

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118 119 120 121 122

Vgl. dazu die Nachweise bei Prinz, JbFStR 2009/10, 457 (464 ff.). Prinz, JbFStR 2009/10, 457 (467). Prinz, JbFStR 2009/10, 457 (467). Prinz, JbFStR 2009/10, 457 (468). Vgl. dazu etwa die tabellarische Übersicht bei Rogall/Stangl, FR 2006, 345 (346).

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Wahlrecht zum Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten bis hin zum gemeinen Wert besteht. Warum der Gesetzgeber im Rahmen der Reform der erstgenannten Normen nicht zum von Rechtsprechung und Verwaltung bis 1998 eingeräumten Bewertungswahlrecht zurückgefunden hat, ist aus steuersystematischer Sicht nicht nachvollziehbar. Das gilt umso mehr, als sich dem Gesetzgeber dazu im Rahmen des SEStEG eine Gelegenheit bot, er aber alleine in § 24 UmwStG ein Antragswahlrecht verankert hat. b) Sperrfristen und Körperschaftsklauseln Die reichlich unübersichtliche Rechtslage stellt sich nicht wesentlich besser dar, wenn man auf die „absichernden Elemente“ der gesetzlich einzuhaltenden Sperrfristen bzw. Körperschaftsklauseln schaut: Zunächst sind schon die Sperrfristen, nach denen eine spätere Veräußerung oder Entnahme des zunächst steuerneutral übertragenen Wirtschaftsguts bzw. der Sachgesamtheit schädlich ist, unabgestimmt: Die Sperrfrist beträgt nach §§ 6 Abs. 5 Satz 4 und 16 Abs. 3 Satz 3 EStG drei Jahre, während § 24 Abs. 5 UmwStG eine 7-jährige Frist vorsieht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG regelmäßig die Verletzung der Sperrfrist durch Bildung einer Ergänzungsbilanz vermieden werden kann123, während dies bei den Sätzen 5 und 6 der Norm124 und auch bei § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG nicht möglich ist125. Die Verletzung der Sperrfrist führt im Übrigen bei § 6 Abs. 5 Sätzen 4 bis 6 EStG – dem dortigen Bewertungssystem entsprechend – zum rückwirkenden Teilwertansatz, während nach §§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG der gemeine Wert maßgeblich ist. § 24 Abs. 5 UmwStG sieht hingegen vor, dass § 22 Abs. 2, 3 und 5 bis 7 UmwStG entsprechend anzuwenden sind, was zum rückwirkenden Ansatz eines nach § 16 EStG und ohne Anwendung der §§ 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 2 KStG zu besteuernden Einbringungsgewinns führt, der sich allerdings mit Ablauf der Sperrfristjahre jährlich um ein Siebtel abbaut. Während in §§ 6 Abs. 5 Sätzen 5 und 6 und 16 Abs. 3 Satz 4 EStG neben die allgemeine Sperrfrist eine sog. Körperschaftsklausel tritt, deren Verletzung die gleichen Rechtsfolgen auslöst wie diejenige der Verletzung der Sperrfrist, enthält § 24 Abs. 5 UmwStG eine entsprechende Einschränkung in der Weise, dass die dortige Rechtsfolge nur eintritt, soweit der Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile auf einen von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Mitunternehmer entfällt. Ohne auch nur einen tieferen Blick in die Anwendungsdetails zu werfen, wird das Chaos noch dadurch perfekt, dass die Körperschaftsklausel des § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6

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123 Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 712; Brandenberg, JbFStR 2002/03, 314 (315). 124 Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 715. 125 Rogall/Stangl, FR 2006, 345 (346).

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Umstrukturierungen bei Personengesellschaften

EStG innerhalb einer (weiteren) Sperrfrist von sieben Jahren126 nach der ursprünglichen Übertragung des Wirtschaftsguts greift, wenn sich ein Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an diesem Wirtschaftsgut begründet oder erhöht wird. § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG sieht demgegenüber ohne Sperrfrist den Ansatz des gemeinen Werts vor, soweit Wirtschaftsgüter unmittelbar oder mittelbar127 auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse übertragen werden. Betrachtet man diese auch für den Experten reichlich verworrene Situation, so mag man zwar noch bestimmte übergeordnete Grundprinzipien nach Art eines „roten Fadens“128 schemenhaft erkennen können, weil ja immerhin generell eine zeitnahe „Rückgestaltung“ der beim ursprünglichen Übertragungsakt zu erfüllenden Tatbestandsmerkmale qua Sperrfrist ebenso rückwirkend als steuerschädlich behandelt wird wie qua Körperschaftsklausel die Übertragung der Einzelwirtschaftsgüter oder Sachgesamtheiten auf Körperschaften. Insofern sollen im ersten Fall also nur „echte“ Umstrukturierungsvorgänge (also nicht solche zur Vorbereitung einer späteren Veräußerung) privilegiert und im zweiten Fall die Nutzung des Teileinkünfteverfahrens durch Körperschaften unterbunden werden129. Im Detail liegen aber schwer zu rechtfertigende Abweichungen sowohl bei den Sperrfristen an sich als auch den Schädlichkeitsvoraussetzungen vor. Hinzu kommt, dass die Steuerneutralität umwandlungsbedingter Übertragungsvorgänge ausweislich der Vorgaben des Subjektsteuerprinzips – von der Notwendigkeit der unveränderten Steuerverhaftung der stillen Reserven einmal abgesehen – eigentlich ohne jede weitere Voraussetzung gewährt werden müsste und man mit guten Gründen bestreiten kann, ob es für die §§ 6 Abs. 5 Satz 4 und 16 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG überhaupt eine hinreichende Berechtigung gibt130. Dies wiegt umso schwerer als die genannten Regelungen vom Gesetzgeber doch gerade als Rechtfertigungselement für die Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips herhalten müssen131. Die vorgenannten Einwände würden natürlich umso mehr Gewicht gewinnen, wenn es dem Gesetzgeber gelänge, die mitunternehmertreue Reservenzuordnung über die Anwendungsfälle der Ergänzungsbilanzen hinaus zu erweitern132.

__________ 126 Vgl. zur Parallele zu § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG Brandenberg, JbFStR 2002/03, 314 (318). 127 Dazu Brandenberg, JbFStR 2002/03, 314 (314 f.). 128 Vgl. dazu die Äußerungen von Wacker, JbFStR 2004/05, 362 (374). 129 Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (264); auch Brandenberg, JbFStR 2002/03, 314 (318 f.); Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 556. 130 Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (256). 131 Crezelius, JbFStR 2004/05, 362 (368). 132 Rödder, DStJG 25 (2002), 253 (266).

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IV. Fazit Bereits die hiesige kurze Untersuchung hat gezeigt, dass die §§ 6 Abs. 5 Sätze 3 ff., 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG und 24 UmwStG bezogen auf die Vorgaben des Subjektsteuerprinzips keinem stringenten gedanklichen Ansatz folgen und auch nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind. Dieser Befund entspricht traurigerweise ziemlich genau dem Zeugnis, welches Brigitte Knobbe-Keuk dem Gesetzgeber schon 1977 im Vorwort der 1. Auflage ihres Bilanz- und Unternehmenssteuerrechts“ ausgestellt hat. Schon damals hatte sie festgestellt, dass dem geltenden Unternehmenssteuerrecht keine einheitliche Konzeption zugrunde liege und die in den Steuergesetzen selbst angelegte Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit zu einer weiteren Verkomplizierung der Gestaltungsformen geführt habe. Im Vorwort der 1993 erschienenen 9. Auflage formulierte sie, der Gesetzgeber werde immer „blindwütiger“, lebe „von der Hand in den Mund“ und es seien bei ihm „in sich schlüssige Konzepte nicht mehr gefragt“. Man mag sich vorstellen, was Brigitte Knobbe-Keuk dem heutigen Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben hätte. Allerdings sollte man erkennen, dass sich Brigitte Knobbe-Keuk nie zu einer pessimistischen Haltung hat hinreißen lassen. Ganz im Gegenteil hat sie stets besonderen Wert darauf gelegt, immer wieder die systematischen Gesamtzusammenhänge des Unternehmenssteuerrechts aufzuzeigen, den Blick für problematische Entwicklungen des Rechtszustandes zu schärfen und so einen positiven Beitrag zur Rechtsentwicklung zu liefern. Gerade weil ihre kritische Stimme heute mehr denn je fehlt, sollten wir uns an dieser Haltung ein Beispiel nehmen.

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Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Sondervergütungen und andere Sonderbetriebserträge 1. Innerstaatliche Ausgangslage 2. Rechtslage nach den DBA a) Ausländische Sichtweise b) Deutsche Rechtsansichten vor Einführung des § 50d Abs. 10 EStG 3. § 50d Abs. 10 EStG III. Unterschiedliche Subjektqualifikation 1. Deutsches innerstaatliches Steuerrecht: Typenvergleich 2. Grundsätzliches zur Anwendung der DBA 3. Folgen unterschiedlicher Subjektqualifikation für den Quellenstaat oder den Sitzstaat der Gesellschaft a) Allgemeine Grundsätze des Partnership Reports b) Einkünfte aus Betriebsstätten in Drittstaaten 4. Folgen unterschiedlicher Subjektqualifikation für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters a) Ausländische Gesellschaft ist dort Steuerrechtssubjekt

aa) Problemstellung und Meinungsstand bb) Unterschiedliche Rechtsfolgen bei der laufenden Besteuerung cc) Abwägung der unterschiedlichen Begründungsansätze (1) Fragwürdige Freistellung von Betriebsstätteneinkünften (2) Fehlende Besteuerung des Gewinntransfers (3) Bedeutung der Abkommensberechtigung (4) Anrechnung ausländischer Gewinnsteuer dd) Veräußerungsgewinne b) Ausländisches Rechtsgebilde ist dort kein Steuerrechtssubjekt aa) Problemstellung und Meinungsstand bb) Anrechnung der Steuer im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters IV. Gewerbliche Prägung und DBARecht V. Schlussbemerkung

I. Einleitung „Schon nach innerstaatlichem deutschem Steuerrecht ist die Behandlung der Personengesellschaften verwickelt und teilweise verquer. Die Schwierigkeiten potenzieren sich bei internationalen Sachverhalten“1.

__________ 1 Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306.

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Mit diesen deutlichen Worten beginnt Brigitte Knobbe-Keuk ihre im Jahr 1991 in der RIW erschienene grundlegende Abhandlung über damals und – wie hinzuzufügen ist – auch heute weitgehend noch ungelöste Probleme der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Kontext. Nahezu 20 Jahre Rechtsentwicklung haben naturgemäß ihre Spuren hinterlassen. Zum Thema sind dutzende von BFH-Entscheidungen ergangen, ungezählte Literaturbeiträge erschienen. Herausragende Bedeutung kommt dem im Jahr 1999 veröffentlichten Partnership Report der OECD zu2. Die deutsche Finanzverwaltung hat ein Jahrzehnt später – im April 2010 – den ersten umfassenderen Versuch gemacht, ihre Position zu den im Partnership Report enthaltenen Vorschlägen – und zugleich zu einer Reihe weiterer DBA-Fragen – zu finden und zu veröffentlichen. Das BMFSchreiben zur „Anwendung der DBA auf Personengesellschaften“3 ist im Schrifttum zum Teil auf Zustimmung, zum Teil aber auch auf harsche Kritik gestoßen4. Einzelnen Aussagen wurde in jüngeren BFH-Entscheidungen bereits innerhalb weniger Wochen widersprochen5. Auch der Gesetzgeber war tätig: er hat die Rechtslage in mehreren Akten verändert – wohl getrieben von dem Bemühen, liebgewonnene Besteuerungstatbestände gegen entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung zu verteidigen und angebliche oder tatsächliche Besteuerungslücken („weiße Einkünfte“) zu verhindern; systematische Erwägungen standen nicht im Mittelpunkt seines Bemühens6. Der vorliegende Beitrag zum Gedenken an Brigitte Knobbe-Keuk enthält eine aktuelle und kritische Bestandsaufnahme ausgewählter Grundprobleme der Besteuerung internationaler Personengesellschaften. Die Auswahl orientiert sich weitgehend an den von ihr in dem bereits benannten Aufsatz7 sowie in ihrem Werk zum Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht8 behandelten Fragestellungen, namentlich der Anwendung der

__________ 2 OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation, No. 6 (Paris 1999). 3 BMF-Schreiben v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354. 4 Vgl. Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375; Brähler/Mayer, IStR 2010, 678; Haun/ Reiser/Mödinger, GmbHR 2010, 637; Hruschka, DStR 2010, 1357; Letzgus, Ubg 2010, 425; Lieber, IWB 2010, 351; Richter, FR 2010, 544; Chr. Schmidt, IStR 2010, 413; Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545; Vees, DB 2010, 1422; Wassermeyer, FR 2010, 537. 5 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525; v. 19.5.2010 – I B 191/09, IStR 2010, 530; v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32; v. 8.11.2010 – I R 106/09, IStR 2011, 157. 6 Die von Knobbe-Keuk im Vorwort ihres Werkes zum „Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht“, 9. Aufl. 1993, zum Ausdruck gebrachte Kritik am immer „blindwütigeren“, „in reinen Aktionismus“ verfallenen Gesetzgeber ist auch insofern nicht überholt. 7 A. a. O. (Fn. 1). 8 A. a. O. (Fn. 6), § 13a, S. 540–557.

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DBA bei der Besteuerung von grenzüberschreitend fließenden Sondervergütungen, bei unterschiedlicher Subjektqualifikation von Gesellschaften sowie bei gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaften.

II. Sondervergütungen und andere Sonderbetriebserträge Brigitte Knobbe-Keuk widmete einen erheblichen Teil ihrer Ausführungen zu „Qualifikationskonflikten“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften in der RIW9 der damals höchstrichterlich noch ungeklärten Problematik der Besteuerung von Sondervergütungen nach den DBA. Bekanntlich hat der I. Senat des BFH inzwischen im Jahr 199110 für Zinsen, die inländische Gesellschafter von ihrer ausländischen Personengesellschaft beziehen – sog. Outbound-Fall – und im Jahr 200711 für Zinsen, die ausländische Gesellschafter von ihrer inländischen Personengesellschaft beziehen – sog. Inbound-Fall – im Grundsatz übereinstimmend entschieden, dass das Besteuerungsrecht für solche Zinsen vorrangig nach Maßgabe des Zinsartikels im jeweiligen DBA zu beurteilen ist. Das Urteil des Jahres 2007 war dem Gesetzgeber Anlass, die umstrittene Bestimmung des § 50d Abs. 10 EStG zu kreieren. Die Vorschrift war Gegenstand zweier Entscheidungen des BFH12, die zum Zeitpunkt des Gedächtnissymposions zwar noch nicht vorlagen, hier aber gleichwohl gewürdigt werden. 1. Innerstaatliche Ausgangslage Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann nach deutscher innerstaatlicher Rechtslage neben seinem Anteil am Gewinn der Personengesellschaft weitere zum Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft rechnende Erträge erzielen. Dies sind zuvörderst die in § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG13 genannten „Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern“ bezieht, d. h. die

__________ 9 A. a. O. (Fn. 1). 10 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; ebenso für die Vermögensbesteuerung nach dem DBA-Frankreich BFH v. 9.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758. 11 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 12 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09 und v. 8.11.2010 – I R 106/09 (Fn. 5). 13 Die Sondervergütungen eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 3 2. Halbsatz EStG sollen hier nicht näher erörtert werden.

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sog. Sondervergütungen. Diesen „von der Gesellschaft“ bezogenen Vergütungen stellt die Rechtsprechung Tätigkeitsvergütungen gleich, die der Gesellschafter einer Personengesellschaft von einem Dritten für Leistungen erhält, die letztlich der Personengesellschaft zugutekommen sollen14, sie werden „jedenfalls dann“ als Sondervergütungen behandelt, „wenn die Personengesellschaft dem Drittunternehmer seine Aufwendungen für die Leistungen an den Gesellschafter ersetzt“15. Die Sondervergütungen mindern den Gewinn der Gesamthand auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung in ihrer vollen Höhe, und zwar unabhängig davon, mit welcher Quote der betreffende Gesellschafter beteiligt ist. Daneben kann der Gesellschafter Einnahmen aus Wirtschaftsgütern seines Sonderbetriebsvermögens erzielen; diese werden als „Sonderbetriebserträge“ bezeichnet. Dazu gehören etwa die Dividenden einer zum Sonderbetriebsvermögen zählenden Kapitalgesellschaft oder Erträge aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen16. Ist der Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft nur beschränkt steuerpflichtig, gehören sowohl die Sondervergütungen als auch die Sonderbetriebserträge nach ganz herrschender Meinung zu den inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und unterliegen damit der inländischen Besteuerung, soweit sie nicht ausnahmsweise einer ausländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen sind17. Hierfür ist es unerheblich, ob die Personengesellschaft originär gewerblich tätig, gewerblich infiziert oder gewerblich geprägt ist. Die Erfassung dieser Erträge im Rahmen der zweiten Stufe der Gewinnermittlung der inländischen Personengesellschaft erfolgt unabhängig davon, ob die jeweiligen Erträge isoliert betrachtet zu einer anderen – subsidiären – Einkunftsart gehören würden.

__________ 14 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191, IStR 2003, 101 m. Anm. KB; BFH v. 7.12.2004 – VIII R 58/02, BStBl. II 2005, 390. 15 Vgl. BFH v. 7.12.2004 – VIII R 58/02, BStBl. II 2005, 390, sub II.1.c); zur notwendigen Abgrenzung bei mittelbaren Leistungsbeziehungen vgl. auch KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 6), § 11 IV.5.b), S. 470 f. 16 Vgl. Reiß in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 15 Rn. 340; Wacker in Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 15 Rn. 648, jeweils m. w. N.; zur Einordnung von Vergütungen für Tätigkeiten, die über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft erbracht werden, vgl. einerseits Reiß, a. a. O., Rn. 340, andererseits Wacker, a. a. O., Rn. 582, 717; zu Dividenden vgl. Kempermann in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rn. 3.37. 17 Vgl. Lüdicke in Lademann, EStG, § 49 Rn. 362 m. w. N.; BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356, sub II.1.a); a. A. neuestens Kramer, BB 2011, 2467 f.

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2. Rechtslage nach den DBA Die deutschen DBA enthalten, von wenigen Ausnahmen abgesehen18, keine speziellen Regelungen für Sondervergütungen und Sonderbetriebserträge. Es ist bis heute umstritten, ob Deutschland als Anwendestaat auf solche Erträge allein die Bestimmungen über Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) oder die spezielleren und insoweit vorrangigen Bestimmungen über andere Einkünfte wie Zinsen, Lizenzen, Tätigkeitsvergütungen oder Grundvermögen anzuwenden hat. Die diesbezüglichen Diskussionen sind recht komplex, denn zum einen wird die vorderhand technische Frage der anzuwendenden DBA-Bestimmung teilweise ergebnisorientiert geführt. Zum anderen wird das aus der Beantwortung besagter technischer Frage abzuleitende Besteuerungsergebnis durch von der Ausgangsfrage unabhängige – wenngleich in ihrer Entstehung beeinflusste – Regelungen in § 50d Abs. 9 und Abs. 10 EStG überlagert. Diese Bestimmungen sind ihrerseits im Hinblick auf ihre Geltung und Reichweite umstritten. Dies wiederum hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass der Gesetzgeber sich für diese Regelungen auf Gedanken des Partnership Reports beruft, deren Reichweite und Bedeutung ihrerseits ungeklärt sind. Im Folgenden sollen einige Grundsätze herausgearbeitet werden, die zur Lösung der angesprochenen Fragen beitragen können. Dazu wird der Grundfall betrachtet, dass ein in einem DBA-Vertragsstaat ansässiger Gesellschafter an einer nur im anderen Vertragsstaat – ihrem Sitzstaat – gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt ist, die von beiden Vertragsstaaten übereinstimmend als transparent besteuert wird19. a) Ausländische Sichtweise Trotz Übereinstimmung im Ausgangspunkt, nämlich der Besteuerung des eigentlichen Gewinnanteils aus dem Betrieb der Personengesellschaft in der Hand des Gesellschafters, bestehen gegenüber den meisten20 anderen Staaten Unterschiede bei der Besteuerung der Sondervergütungen und Sonderbetriebserträge. Diese Erträge werden nach dem innerstaatlichen Steuerrecht fast aller ausländischen Staaten isoliert und unabhängig von dem eigentlichen Gewinnanteil nach den jeweils einschlägigen Bestimmungen besteuert. Folglich wenden diese ausländischen Staaten auf die Erträge auch die jeweils einschlägigen Bestimmungen des jeweiligen DBA

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18 BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 5.2; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBAPolitik, Baden-Baden 2008, S. 117 ff.; Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rn. 61. 19 Zu Problemen in Fällen abweichender Besteuerung – sog. subjektiver Qualifikationskonflikt – vgl. unten III. 20 Zu Ausnahmen in Österreich und einigen anderen Staaten vgl. bereits KnobbeKeuk, RIW 1991, 306 (312 f.).

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an. Dies hat bei etlichen Sondervergütungen, etwa bei Zinsen oder Lizenzgebühren, die Einschränkung oder den Ausschluss des Besteuerungsrechts für den Sitzstaat der Personengesellschaft zur Folge. Ähnlich verhält es sich bei Vergütungen für eine ihrer Art nach unselbständige oder selbständige Tätigkeit des Mitunternehmers, wenn die Voraussetzungen für eine Besteuerung im Sitzstaat der Personengesellschaft nicht erfüllt sind; entscheidend sind insofern etwa der Ort der physischen Arbeitsausübung bei unselbständiger Arbeit oder das Unterhalten einer festen Einrichtung für eine ihrer Art nach selbständige Tätigkeit21. b) Deutsche Rechtsansichten vor Einführung des § 50d Abs. 10 EStG In Deutschland wurde aufgrund der hiervon abweichenden ertragsteuerlichen Sichtweise von der Finanzverwaltung und zunächst auch vom BFH die Ansicht vertreten, Sondervergütungen22 und Sonderbetriebserträge23 seien abkommensrechtlich den Bestimmungen über die Besteuerung von Unternehmensgewinnen zu unterstellen. Entsprechend der innerstaatlichen Sichtweise wurden die Erträge als Ausfluss des Betriebs der Personengesellschaft und namentlich der von ihr unterhaltenen Betriebsstätte angesehen. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung, Sondervergütungen seien ausschließlich als Unternehmensgewinne im Sinne der DBA zu behandeln, im Betriebsstättenerlass bekräftigt24. Im BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften25 wird diese Ansicht nunmehr ausdrücklich auf § 50d Abs. 10 EStG gestützt; eine Aussage zur Behandlung anderer Sonderbetriebserträge findet sich – ebenso wie schon im Betriebsstättenerlass – nicht. Im Schrifttum ist neben Zustimmung seit jeher Kritik an dieser Auffassung zu finden26. Brigitte Knobbe-Keuk hat dazu in Erinnerung gerufen, dass die Einbeziehung der Sondervergütungen in § 15 EStG 1934 nicht aus einkommen-

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21 Vgl. im Einzelnen Art. 14 (a. F.) und Art. 15 OECD-MA. 22 Vgl. BFH v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605 (606); FinMin NRW v. 1.12.1986, DB 1987, 24, DStR 1987, 202, und FinMin Schleswig-Holstein v. 15.3.1988, DStZ/E 1988, 131, jeweils koordinierte Ländererlasse zu Zinszahlungen einer US-amerikanischen Personengesellschaft an inländische Gesellschafter; letzterer verkürzt wiedergegeben in BMF v. 1.3.1988, DStR 1988, 392, RIW 1988, 497. 23 Vgl. BMF v. 9.3.1987, DB 1987, 717, zu Dividendenausschüttungen einer Komplementär-GmbH an einen schweizerischen Kommanditisten unter dem DBA Schweiz 1971; BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771 (775), zur Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen II unter dem DBA Niederlande; dazu Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (312 f.). 24 BMF (Betriebsstättenerlass) v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.3. 25 BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 5.1. 26 Vgl. Nachweise in BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356.

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steuerlichen Gründen, sondern „mit Rücksichtnahme auf das kommende reichseinheitliche Gewerbesteuergesetz“27 erfolgte. Die Unterstellung, ein ausländischer Vertragsstaat habe auf sein Besteuerungsrecht nicht nur für den eigentlichen Gewinnanteil, sondern auch für „das, was ein anderer Staat (scil. Deutschland) im Wege der Umqualifizierung von Einkünften noch dazu packt“, verzichten wollen, sei ausgeschlossen28. Eine Ausnahme bestehe nur im Verhältnis zu Staaten, in welche die deutsche Sichtweise „zwangsimportiert“29 worden sei. In ähnlicher Weise haben Debatin30 und Krabbe31 bereits in den siebziger und achtziger Jahren dafür plädiert, Sondervergütungen nicht als Teil des Gewinns aus der Personengesellschaft den Bestimmungen über die Unternehmensgewinne zu unterstellen, denn es handele sich um Aufwand der Personengesellschaft. Während es allerdings Debatin ersichtlich darum ging, bei inländischen Gesellschaftern ausländischer Personengesellschaften sog. „weiße Einkünfte“ zu vermeiden32, befürwortete Krabbe ausdrücklich eine ausgewogene Abkommensanwendung für Inbound- ebenso wie für Outbound-Fälle. Beide Autoren haben freilich später ihre Ansicht geändert, offenbar um die Besteuerung abfließender Sondervergütungen zu ermöglichen33. Der BFH hat die Streitfrage – ohne seine frühere gegenteilige Rechtsprechung34 auch nur zu erwähnen – im Jahr 199135 für den inländischen Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft und im Jahr 200736 für den ausländischen Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft dahingehend entschieden, dass von der Gesellschaft an ihren Gesellschafter gezahlte Zinsen nach Maßgabe des Zinsartikels des Abkommens zu besteuern seien. Da die Forderung des Gesellschafters gegen seine Gesellschaft nicht „tatsächlich“ zu einer von der Gesellschaft in

__________ 27 Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (312), unter Hinweis auf die amtl. Begründung, RStBl. 1935, 33 (42). 28 Knobbe-Keuk, a. a. O. 29 Knobbe-Keuk, a. a. O. 30 Debatin, DB 1977 Beilage 13, 6; ders., BB 1978, 669 (674): „Zum Kern geklärten Verständnisses gehört, daß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die dort genannten Vergütungen nicht einfach zum Gewinn der Mitunternehmerschaft macht, sondern lediglich beim Empfänger die Steuerbehandlung für Gewerbeeinkünfte zur Geltung bringt.“; ders., DB 1978, 2437 (2441). 31 Krabbe, FR 1981, 393 (394); ähnlich bereits ders., RIW 1976, 135 (137). 32 Der umgekehrte (Inbound-)Fall wird nicht erörtert, a. a. O. (Fn. 30). 33 Vgl. Debatin, BB 1992, 1181 (1184 f.), unter ausdrücklicher Anerkennung der Freistellung der von inländischen Gesellschaftern bezogenen Sondervergütungen; Krabbe, StbJb 2000/01, 183 (199); ders., FR 2001, 129 f. 34 Vgl. Nachweise in Fn. 22 und Fn. 23. 35 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385. 36 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356.

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ihrem Sitzstaat unterhaltenen Betriebsstätte gehöre, seien die Voraussetzungen der sog. Rückverweisungsklausel im Zinsartikel37 nicht erfüllt. Entsprechend der Bestimmung in Art. 7 Abs. 7 OECD-MA gehe die Anwendung des Zinsartikels daher den Bestimmungen über die Unternehmensgewinne vor, wobei offen bleiben könne, ob die fraglichen Zinsen überhaupt zugleich „Unternehmensgewinne“ im Sinne des Abkommens sein könnten38. Die Auslegung des BFH besticht auf den ersten Blick dadurch, dass sie der Sichtweise der meisten ausländischen Vertragsstaaten entspricht und damit eine unterschiedliche Abkommensanwendung und die Gefahr doppelter Besteuerung oder doppelter Nichtbesteuerung im Verhältnis zu diesen Staaten vermeidet39. Damit ist freilich noch nicht erwiesen, dass sie in der Sache zutrifft. Gegen sie wird geltend gemacht, infolge der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft laufe sie auf die Annahme einer steuerlich unbeachtlichen Forderung des Gesellschafters gegen sich selbst hinaus40. Teilweise wird dabei eingeräumt, dass dieses Bedenken nur in Höhe der Beteiligungsquote des Gesellschafters bestehe41. Es ist in der Tat zu konstatieren, dass ein Mitunternehmer infolge der Herauslösung von Sondervergütungen aus dem Gewinnanteil abkommensrechtlich je nach den Umständen des Einzelfalls42 anders als ein Einzelunternehmer behandelt wird. Doch gilt nach der Entscheidung des Großen Senats von 1991 (zu doppelstöckigen Personengesellschaften) der Satz, Zweck der Hinzurechnung der Sondervergütungen sei es, „den Mitunternehmer dem Einzelunternehmer ‚nach Möglichkeit‘ gleichzustellen“ „nur noch, soweit das Gesetz eine

__________ 37 Art. 11 Abs. 4 OECD-MA. 38 BFH – I R 5/06, a. a. O., sub II.1.b)bb). 39 Dies spricht freilich dafür, Sondervergütungen und Sonderbetriebserträge in DBA mit solchen Staaten, die diese mit Deutschland übereinstimmend als Ertrag aus der Personengesellschaft qualifizieren, als Unternehmensgewinne zu behandeln; vgl. dazu bereits Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (312); ebenso Krabbe, FR 2001, 129 (130). 40 So bereits Debatin, BB 1992, 1181 (1187), unter – unausgesprochener – Abkehr von seiner früher vertretenen gegenteiligen Auffassung (vgl. Fn. 30). Die – abzulehnende – Ansicht kann nicht erklären, weshalb Zinsen oder andere Zahlungen, die ein Gesellschafter für eine Darlehensgewährung, Lizenzüberlassung oder ähnliches an seine Gesellschaft leistet, nach bislang wohl unbestrittener Auffassung geeignet sind, Einkünfte der Personengesellschaft auszulösen, die anteilig allen Gesellschaftern zuzurechnen sind (vgl. bereits Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 [474]). 41 Vgl. M. Lang, Die steuerliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, FS Fischer, Berlin 1999, S. 713 (724 f.); ähnlich wohl auch Chr. Schmidt, IStR 2008, 290 (292, dort Fn. 23). 42 Etwa infolge der Möglichkeit einer Darlehensgewährung; vgl. zu Differenzierungen unten bei Fn. 71.

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solche Gleichstellung zulässt“43. Insbesondere dürfe das Bestreben nach Gleichstellung nicht dazu führen, „die handelsrechtliche Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaft einkommensteuerrechtlich als unbeachtlich anzusehen“44. Die Gleichstellungsthese findet in den DBA-rechtlichen Einkunftsabgrenzungsregelungen keine Stütze45. Die entscheidende Frage geht dahin, ob die DBA für die Annahme von Zinsen, aber auch Arbeitsvergütungen usw. tatsächlich eine vollständige Personenverschiedenheit zwischen dem „Schuldner“ und dem Empfänger der fraglichen Zahlungen voraussetzen. Mit Blick auf den internationalen Staatenkonsens, wie er nicht zuletzt im Partnership Report zum Ausdruck gekommen ist46, muss man diese Frage verneinen. Es ist offenkundig, dass viele, wenn nicht die Mehrheit der in der OECD zusammengeschlossenen Staaten trotz transparenter Besteuerung von Personengesellschaften ohne weiteres die von diesen an ihre Gesellschafter geleisteten Vergütungen für Tätigkeiten, für die Hingabe von Darlehen oder die Überlassung von Wirtschaftsgütern in vollem Umfang als Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit, als Zinsen oder als Lizenzgebühren usw. ansehen. Nun beruft sich neuerdings allerdings auch das BMF zur Untermauerung seiner gegenteiligen Ansicht, wonach Sondervergütungen als Unternehmensgewinne im Sinne der DBA zu behandeln seien, auf den Partnership Report47. Dieser setze in den Beispielen 13 und 15 voraus, „dass die Vertragsstaaten Sondervergütungen unterschiedlich behandeln und dies aufgrund des Art. 3 Abs. 2 zur Anwendung unterschiedlicher Abkommensbestimmungen und damit zu Qualifikationskonflikten führen kann“48. Die zitierte Aussage ist in ihrer Allgemeinheit zwar richtig; nur kann daraus sicherlich nicht abgeleitet werden, dass die OECD gerade für Deutschland eine bestimmte DBA-Auslegung „absegnet“ – wobei die rechtliche Wirkung einer solchen Äußerung hier nicht weiter untersucht werden soll. Ohnehin ist eher das Gegenteil der Fall: Die Beschreibung des Sachverhalts in den herangezogenen Beispielen 13 und 15 des Partnership Reports und die Lösung der OECD lassen nämlich deutlich erkennen,

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43 Vgl. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (698, Hervorhebung im Original). 44 BFH, a. a. O. (Fn. 43). 45 So zutreffend Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rn. 69. 46 Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Example 13 und 15, insbesondere Tz. 97: „The position of State P is in accordance with the provisions of the convention.“ Staat P behandelt das Gesellschafterdarlehen – offensichtlich in vollem Umfang – als „Forderung“ i. S. d. Abkommens. 47 So bereits Tz. 1.2.3. des Betriebsstättenerlasses (Fn. 24). 48 Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 5.1 unter Verweis auf Tz. 95 bis 123 des Partnership Reports (Fn. 2) mit den Beispielen 13 und 15. Ähnlich die amtl. Begründung zu § 50d Abs. 10 EStG, BT-Drucks. 16/11108, S. 23.

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dass der dort behandelte Konflikt hinsichtlich der an den Gesellschafter gezahlten Darlehenszinsen darauf beruht, dass jeweils einer der Staaten49 nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht diese Darlehensbeziehung als solche negiert. Der Sachverhalt des Example 13 lautet insoweit: „Partner A makes a loan to Partnership P, which has been established in State P where it carries on a business through a permanent establishment. P pays interest to A. State P recognizes loans between partners and partnerships; under its domestic legislation State P allows P a tax deduction for the interest. State R does not recognize loans between partners and partnerships under its domestic law.“

In der Lösung der OECD heißt es sodann: „[…] Under the domestic law of State R, there has been no loan and consequently A has no interest income[…]“50.

Jedenfalls seit Überwindung der Bilanzbündeltheorie steht außer Frage, dass das Darlehen auch steuerlich in voller Höhe als Verbindlichkeit der Gesellschaft und Forderung des Gesellschafters in seinem Sonderbetriebsvermögen existent ist. Die Einordnung der Darlehenszinsen als Sondervergütungen lässt sich schwerlich mit den Worten „there has been no loan“ umschreiben51. Es kann demnach keine Rede davon sein, dass die von der Finanzverwaltung favorisierte Sichtweise dem Partnership Report „entspricht“52. Es mag offen bleiben, ob sie ihm gleichwohl nicht widerspricht. Denn wie bereits dargestellt, steht die gegenteilige Sichtweise des BFH jedenfalls mit dem Partnership Report in Einklang. Für die Sichtweise der Finanzverwaltung bleibt letztlich nur das fiskalische Argument, die BFH-Rechtsprechung habe zur Folge, dass in InboundFällen die an ausländische Gesellschafter abfließenden Sondervergütungen nach den DBA – vorbehaltlich spezieller Klauseln in einigen wenigen DBA53 – häufig nur begrenzt oder gar nicht besteuert werden können. Dies hat neben einkommen- und körperschaftsteuerlichen Folgen auch Auswirkungen auf die Gewerbesteuer. Namentlich mit Blick auf Darlehenszinsen ist außerdem ungeklärt, ob die Zinsschranke insoweit zu einer Abzugsbeschränkung führt54. Steuerliche Mindereinnahmen infolge der Anwendung eines DBA sind indessen im Allgemeinen kein Grund, dasselbe nicht anzuwenden. Wenn Deutschland in seinen DBA durch

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49 In Beispiel 13 Staat R, in Beispiel 15 Staat P. 50 Partnership Report (Fn. 2), Tz. 96 (Hervorhebungen nur hier). 51 Vgl. auch R 15.8 (3) EStR „Tätigkeitsvergütungen“ sowie BMF v. 15.12.1993, BStBl. I 1993, 976. 52 So aber BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 5.1, 3. Absatz; ebenso Mitschke, DB 2010, 303 (305). 53 Vgl. Fn. 18. 54 Wohl bejahend BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, Tz. 19; a. A. die h. M. im Schrifttum, vgl. Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423 (426); Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, Wiesbaden 2009, S. 204 ff., jeweils m. w. N.

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schlichte Übernahme der Formulierungen des OECD-Musterabkommens ohne weitere Spezifizierung auf die Besteuerung von abfließenden Zinsen, Lizenzgebühren, Tätigkeitsvergütungen usw. verzichtet, sofern sie von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person erzielt werden, entspricht die Anwendung dieser Bestimmungen auf Sondervergütungen durchaus dem Geist dieser Abkommen. Das gilt insbesondere für die weit überwiegende Mehrzahl der seit den BFH-Urteilen vom Februar 1991 abgeschlossenen Abkommen, die keinen Vorbehalt für Sondervergütungen enthalten55. Denn die Übertragung der in jenen Urteilen für den Outbound-Fall erkannten Grundsätze auf den Inbound-Fall im Jahr 2007 war bei Licht betrachtet lediglich eine Frage der Zeit und der Rechtshängigkeit eines geeigneten Streitfalls. Im Übrigen führt nur die Anwendung der jeweiligen Spezialvorschriften des Abkommens, nicht jedoch die Anwendung der Bestimmung über Unternehmensgewinne zu international ausgewogenen und systematisch überzeugenden Ergebnissen56. Infolge der abzulehnenden Ansicht der Finanzverwaltung würde Deutschland nämlich sowohl die abfließenden Sondervergütungen als zur inländischen Betriebsstätte gehörend, als auch die einem inländischen Gesellschafter zufließenden Vergütungen besteuern, denn deren eigentlich folgerichtige Freistellung als ausländische Betriebsstätteneinkünfte unterbleibt nach § 50d Abs. 9 EStG, wenn der ausländische Staat – wie dargestellt: im Regelfall – diese Vergütungen nicht oder nur der Höhe nach begrenzt besteuert. 3. § 50d Abs. 10 EStG Mit dem JStG 2009 hat der – wie Gosch57 durchaus zutreffend anmerkt: „einmal mehr durch die FinVerw ‚ferngesteuerte‘“ – Gesetzgeber58 es unternommen, die sich aus der dargestellten BFH-Rechtsprechung ergebende Rechtslage rückwirkend für alle offenen Fälle zu „korrigieren“. Der dazu geschaffene § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG lautet: „Sind auf Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz und Nr. 3 zweiter Halbsatz die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden und enthält das Abkommen keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung, gelten diese Vergütungen für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne.“

__________ 55 Man wird vermuten dürfen, dass die jeweiligen Vertragsstaaten der Vereinbarung eines solchen Vorbehalts nicht zugestimmt haben. 56 Vgl. auch Lüdicke, DBA-Politik (Fn. 18), S. 120. 57 Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 50d Rn. 44; zu einem weiteren Versuch der „Fernsteuerung“ im Anschluss an das „unliebsame“ Urteil des BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32, vgl. Mitschke, FR 2011, 182 (vgl. dazu unten Fn. 75 und 77). 58 Vgl. auch Fn. 6.

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Um die Besteuerung der Sondervergütungen in Outbound-Fällen nicht zu gefährden, bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass Abs. 9 Nr. 1 unberührt bleibt. Es bleibt danach beim Absehen von der Freistellung für die aus dem Ausland bezogenen Sondervergütungen, wenn diese von dem ausländischen Staat aufgrund differierender Abkommensanwendung nicht oder nur begrenzt besteuert werden. Ein gleichzeitig eingeführter § 7 Satz 6 GewStG soll die Anwendung der Bestimmung bei der Gewerbesteuer sicherstellen. § 50d Abs. 10 EStG ist – wenig verwunderlich – Gegenstand heftiger Diskussionen59. Die erörterten Probleme beginnen bei der Ermittlung ihrer einfachgesetzlichen Tragweite60. So dürften Sondervergütungen bei doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaften61 infolge missglückter Verweisungstechnik wohl ebenso wenig erfasst sein62 wie Ruhegelder ehemaliger Gesellschafter63. Auch Sonderbetriebserträge, die keine Sondervergütungen sind, bleiben nach dem Wortlaut außen vor64. Die Probleme reichen bis zur Frage der möglichen Verfassungswidrigkeit, nicht zuletzt in Bezug auf die in § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG angeordnete unsägliche Rückwirkung65. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die materielle Wirkung der Vorschrift. Mit Blick auf das – zum Zeitpunkt des Gedächtnissymposions noch nicht veröffentlichte – grundlegende Urteil des BFH66 zu der Vorschrift soll an dieser Stelle nur der Frage nachgegangen werden, welche Handlungsoptionen der Gesetzgeber sinnvollerweise verfolgen sollte. Denn es ist

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59 Vgl. nur die Nachweise bei Frotscher, IStR 2009, 593 ff., und bei Häck, IStR 2011, 71 (72). 60 Dies schließt die Frage ein, ob die Vorschrift ein treaty override enthält und ein solches ggfs. hinreichend kenntlich gemacht ist; vgl. dazu kritisch Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 50d Rn. 44; offen gelassen in BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32 (sub III.3.). 61 Zu abkommenspolitischen Gesichtspunkten vgl. Lüdicke, DBA-Politik (Fn. 18), S. 117 ff. (120). 62 Vgl. Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rn. 13.65 m. w. N.; wie hier Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 50d Rn. 46. 63 So inzwischen BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, IStR 2011, 157; a. A. FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878. 64 Soweit Veräußerungsgewinne im Sonderbetriebsvermögen in Frage stehen, ist allerdings das in seiner Wirkung und Abgrenzung zur Rspr. zu den entsprechenden laufenden Erträgen unklare Urteil des BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 zu beachten; vgl. dazu auch Gosch, BFH/PR 2008, 328; ders. in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rn. 80 ff.; vgl. auch BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, IStR 2010, 530 (3. LS); dazu auch Heger, DB 2010, 1321. 65 Die Frage eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot offen lassend BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32 (sub III.3.). 66 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32, m. Anm. Kammeter, IStR 2011, 35, Häck, IStR 2011, 71, Mitschke, FR 2011, 182.

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keine Option, die Vorschrift unverändert bestehen zu lassen, nachdem der BFH ihr die vom Gesetzgeber beabsichtigte „Wirkkraft“ abgesprochen hat: Die unilateral fingierte Einkunftsqualifikation greife tatbestandlich zu kurz, sie suspendiere nicht von den Erfordernissen der abkommensrechtlichen Existenz einer inländischen Betriebsstätte sowie der Betriebsstättenzurechnung67. Im Urteilsfall hatte diese Erkenntnis die Zurechnung des unter anderem der inländischen Personengesellschaft überlassenen Lizenzrechts zur ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Gesellschafters – einer aktiv tätigen Kapitalgesellschaft – zur Folge. Eine Zurechnung der erzielten Lizenzgebühren zu einer durch die Personengesellschaft vermittelten inländischen Betriebsstätte schied folglich aus. Nicht zu entscheiden war allerdings die über den Urteilsfall hinausweisende Frage, ob stets oder unter welchen Voraussetzungen die der Gesellschaft von einem Mitunternehmer überlassenen Wirtschaftsgüter und die daraus erzielten Sondervergütungen einer ausländischen Betriebsstätte des Mitunternehmers zuzurechnen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass insoweit Unterschiede sowohl in Abhängigkeit von der Art der überlassenen Gegenstände oder Leistungen als auch in Abhängigkeit von der individuellen Situation des Gesellschafters bestehen68. So hat der BFH bereits vor Jahren in Bezug auf Tätigkeitsvergütungen darauf abgestellt, ob die Tätigkeit einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden konnte69. Ungeklärt ist bislang, ob jeder Mitunternehmer an seinem Wohnsitz zumindest eine Mitunternehmer-Geschäftsleitungsbetriebsstätte hat, der die der Gesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter zugerechnet werden müssen70. Mit den vorstehenden Überlegungen ist fraglos auch der arm’s lengthGrundsatz angesprochen. Jedenfalls aus der Sicht der deutschen Finanzverwaltung und – derzeit – des Gesetzgebers geht es in gewisser Weise auch um die möglichst weitgehende Gleichstellung des Mitunternehmers mit einem Einzelunternehmer71. Dies könnte dafür sprechen, etwa zwischen der Überlassung von Lizenzrechten einerseits und der Hingabe von Darlehen andererseits zu unterscheiden. Vielleicht kommt es nicht von ungefähr, dass die angebliche innere Berechtigung des § 50d Abs. 10 EStG

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67 BFH a. a. O. (sub III.2.b); ausdrücklich a. A. (auch) insoweit FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878. 68 Vgl. auch die insoweit in den österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien 2010 v. 28.10.2010 (www.bmf.gv.at) in den Tz. 294 ff., 297 f. vorgesehenen Differenzierungen. 69 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 70 Vgl. Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41); Frotscher, IStR 2009, 593 (595 f.); offen gelassen in BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 (sub II.3.e)cc)). 71 Vgl. BT-Drucks. 16/11108, S. 23; vgl. allerdings zu notwendigen Einschränkungen bereits oben bei Fn. 43.

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in der Gesetzesbegründung72 vorzugsweise am Beispiel der Darlehenshingabe erörtert wird. Denn in einem grenzüberschreitend tätigen Einheitsunternehmen ist jedenfalls bislang eine Aufwandsverrechnung für Kapitalüberlassung nicht möglich. Letztlich wird der Gesetzgeber die Frage entscheiden müssen, ob Deutschland trotz des innerstaatlich geltenden Mitunternehmerkonzepts, welches Sondervergütungen dem Gewinn der Personengesellschaft aus Gewerbebetrieb zuschlägt, der in der Staatengemeinschaft weitestgehend anerkannten Subsumtion der Sondervergütungen unter die jeweiligen Spezialvorschriften der DBA folgt und damit in diesem Bereich zu einer harmonischen Abkommensauslegung und -anwendung beiträgt. Sollte der Gesetzgeber hierzu nicht bereit sein, müsste er mit Rücksicht auf den arm’s length-Grundsatz jedenfalls Fallgestaltungen, wie sie dem BFH-Urteil vom 8.9.201073 zugrunde lagen, von der Regelung ausnehmen. Es wäre widersprüchlich, ins Ausland abfließende Sondervergütungen durch eine neu gefasste „zielgenauere“ Fiktion im Inland besteuern zu wollen, die wirtschaftlich einen Gewinn repräsentieren, der in einem Einheitsunternehmen der ausländischen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte zuzuordnen wäre74. Es ist zu bezweifeln, dass die insoweit notwendigen Differenzierungen nach Art der vergüteten Tätigkeit oder Überlassung sowie nach Maßgabe der Verhältnisse des Gesellschafters im Ausland (eigener Betrieb, Mitunternehmerbetriebsstätte etc.) trennscharf gelingen und in der Praxis handhabbar sind75. Zur Vereinfachung des Steuerrechts beizutragen sind sie keinesfalls geeignet. Hiervon abgesehen wäre in den danach verbleibenden Fällen deutscher Besteuerung – anders, als dies die Gesetzesbegründung für § 50d Abs. 10 EStG insgesamt zu suggerieren sucht76 – eine internationale Doppelbesteuerung zu befürchten. Denn der ausländische Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ist zwar nach den von der OECD im Partnership Report entwickelten Grundsätzen zur Anrechnung der deutschen Steuer verpflichtet, wenn Deutschland das Abkommen nach Maßgabe seines innerstaatlichen Steuerrechts auslegt. Infolge der Regelung des § 50d Abs. 10

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72 Vgl. BT-Drucks. 16/11108, S. 23. 73 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32. 74 Das österreichische BMF scheint in den Verrechnungspreisrichtlinien 2010 v. 28.10.2010 (www.bmf.gv.at) bei betrieblichen Leistungsbeziehungen mit Blick auf den AOA der OECD vorsichtig von der bisherigen Behandlung der Sondervergütungen abzurücken (Tz. 297 f., ferner Tz. 181, 294 ff.). 75 Es steht zu befürchten, dass die Tragweite dieser Fragestellung von der Finanzverwaltung bislang noch nicht erkannt ist; jedenfalls wird die Problematik in der in einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag mündenden umfänglichen ablehnenden Anmerkung zu BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09 von Mitschke, FR 2011, 182 ff., nicht einmal gestreift. 76 Vgl. BT-Drucks. 16/11108, S. 23, wo gleichwohl auf die Möglichkeit von Verständigungsverfahren verwiesen wird.

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EStG – oder einer eventuellen Nachfolgeregelung – geschieht aber genau das gerade nicht: Nach Maßgabe des innerstaatlichen Steuerrechts wären, wie der BFH zutreffend entschieden hat, auf Sondervergütungen die Spezialartikel des DBA anzuwenden. Indem § 50d Abs. 10 EStG anordnet, dass die Sondervergütungen „für Zwecke des Abkommens“ ausschließlich als Unternehmensgewinne „gelten“, wird mehr als deutlich, dass die Anwendung des Abkommens auf dieser „Fiktion“ und nicht auf der Anwendung allgemeiner Regeln des deutschen Steuerrechts beruht77. Aus eben diesem Grunde ist in § 50d Abs. 10 EStG – entgegen den Beteuerungen des Gesetzgebers – auch ein treaty override zu sehen. Denn es wird gerade nicht ein im Abkommen nicht definierter Ausdruck nach der Auslegungsregel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA im Sinne des innerstaatlichen Steuerrechts ausgelegt; vielmehr soll – entgegen der innerstaatlichen Rechtslage – die Behandlung der Sondervergütungen auch als Zinsen, Lizenzen usw. von vornherein abgeschnitten werden. Der Gesetzgeber hätte sich – entsprechend dem Vorschlag Knobbe-Keuks78 zur Auslegung der DBA – darauf beschränken sollen, zu bestimmen, dass Sondervergütungen im Verhältnis zu solchen Staaten als Unternehmensgewinne zu behandeln sind, die solche Vergütungen übereinstimmend qualifizieren. Mit Blick auf die bevorstehende Umsetzung des Authorized OECD Approach spricht allerdings viel dafür, den Abzug des von der Personengesellschaft tatsächlich getragenen Aufwands zu akzeptieren und die Besteuerung beim Gesellschafter nach den spezielleren Abkommensbestimmungen vorzunehmen. In jedem Fall ist hier die weitere Entwicklung in anderen Staaten79 zu beobachten.

III. Unterschiedliche Subjektqualifikation Konflikte bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sondervergütungen sind infolge ihrer international unüblichen Einbeziehung in den Gewinn der Personengesellschaft in erster Linie ein deutsches Problem. Die von Brigitte Knobbe-Keuk80 des Weiteren behandelten theoretischen und praktischen Schwierigkeiten wegen unterschiedlicher Qualifikation von Personengesellschaften bestehen hingegen weltweit81. Der transparenten

__________ 77 Zur daraus erwachsenden Problematik vgl. – in etwas anderem Zusammenhang – auch Buciek, FR 2010, 907; auch diese Problematik nicht erwägend Mitschke (Fn. 75). 78 RIW 1991, 306 (313); vgl. auch Krabbe, FR 2001, 129 (130). 79 Zu Österreich vgl. Fn. 74. 80 RIW 1991, 306 (313 ff.). 81 Vgl. nur die Generalberichte 1988 und 1995 der IFA; van Raad, Recognition of foreign enterprises as taxable entities, Cahiers de Droit Fiscal International (CDFI) Vol. LXXIIIa, Amsterdam 1988, S. 19; le Gall, International income tax problems of partnerships, CDFI Vol. LXXXa, Amsterdam 1995, S. 555.

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Behandlung in den meisten Staaten steht ihre Besteuerung als Körperschaftsteuersubjekt namentlich in einigen romanischen sowie osteuropäischen Staaten entgegen. Personengesellschaften, bei denen einer oder mehrere der Partner nur begrenzt haften, werden häufiger intransparent besteuert82. Aus dem abweichenden Besteuerungszugriff resultieren eine Reihe unterschiedlicher Probleme, die häufig unter dem Oberbegriff „Unterschiedliche Subjektqualifikation“ oder „Subjektiver Qualifikationskonflikt“ zusammengefasst und behandelt werden. Derartige Qualifikationskonflikte sind nicht auf Personengesellschaften im engeren Sinne beschränkt. Sie können auch bei Kapitalgesellschaften oder anderen Körperschaften auftreten, wenn diese in einem der beteiligten Staaten als transparent behandelt werden, etwa nach den US-amerikanischen check the box rules83. Denkbar ist schließlich, dass in einem Staat bei der Besteuerung einer Gesellschaft transparente und intransparente Elemente vorkommen, wie dies etwa für die Kommanditgesellschaften auf Aktien diskutiert wird84. 1. Deutsches innerstaatliches Steuerrecht: Typenvergleich Deutschland bedient sich für die Einordnung ausländischer Gesellschaften als steuerlich transparent oder intransparent seit der Venezuela-Entscheidung des Reichsfinanzhofs85 des sog. Typenvergleichs. Die von der Finanzverwaltung86 hierzu aufgestellten acht Einzelkriterien hat der BFH kürzlich bestätigt87. Auch andere Staaten ordnen ausländische Gebilde üblicherweise nach ihren jeweils eigenen Regeln ein88. Angesichts dieser Praxis steht nicht zu erwarten, dass sich ein internationaler Konsens herausbildet, wonach Qualifikationskonflikte schon im Ansatz dadurch vermieden werden, dass innerstaatlich der steuerlichen Qualifikation des Sitzstaates der Gesellschaft gefolgt wird.

__________ 82 Vgl. Avery Jones et al., BIFD 2002, 288 (315); Annex III des Partnership Reports (Fn. 2). 83 Aus sprachlichen Gründen wird im Folgenden nur von Personengesellschaften gesprochen, auch wenn etliche Überlegungen auf abweichend besteuerte Körperschaften übertragbar sind. 84 Vgl. bspw. Kramer, IStR 2010, 57 und 63; Hageböke, IStR 2010, 59; Wassermeyer, Steuerpflicht, Einkünfteerzielung und Abkommensberechtigung, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS Herzig, 2010, S. 897 (902 ff.); BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, IStR 2010, 661 m. w. N. der Rspr. 85 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73, RStBl. 1930, 444 (nur Leitsatz). 86 BMF-Schreiben v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411. 87 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 88 Vgl. Avery Jones et al., BIFD 2002, 288 (305 ff.).

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Trotz der mit den hiernach unvermeidlichen Qualifikationskonflikten verbundenen Probleme spricht für den Typenvergleich aus deutscher Sicht der Grundsatz der Gleichbehandlung. So hängt richtigerweise die Zurechnung von im Inland erzielten Einkünften zu einer Gesellschaft oder zu ihren Gesellschaftern und die davon möglicherweise abhängende Höhe der Besteuerung bei strukturell vergleichbaren Gesellschaften nicht davon ab, ob diese (zufällig) inländische oder ausländische Gesellschaften sind. Auch hängt für den inländischen Gesellschafter die Frage, ob er als Mitunternehmer oder als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft besteuert wird, bei strukturell vergleichbaren Gesellschaften richtigerweise nicht von deren Gründung oder Sitz im Inland oder Ausland ab. 2. Grundsätzliches zur Anwendung der DBA Bei der Anwendung der DBA sind verschiedene denkbare Wirkungen abweichender Subjektqualifikation durch die Vertragsstaaten zu unterscheiden. Zunächst und vor allem hat die Subjektqualifikation Einfluss auf die Frage, welcher Person oder welchen Personen die fraglichen Einkünfte nach dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht zugerechnet werden, mit anderen Worten, welche Person sie versteuert. Diese Zurechnung setzen die DBA quasi voraus, sie nehmen darauf keinen Einfluss89. Dennoch ist diese Zurechnung für die Anwendung der DBA im Ausgangspunkt entscheidend, denn nur die steuerpflichtige Person bedarf des Schutzes durch ein DBA und kann solchen Schutz in Anspruch nehmen. Von der Einkünftezurechnung durch den einen oder anderen Vertragsstaat unabhängig und grundsätzlich zu trennen ist die Frage, ob die Gesellschaft als solche abkommensberechtigt ist und welche Bedeutung dies gegebenenfalls mit Blick auf die gerade angesprochene Zurechnung der Einkünfte hat. Unter den DBA, die dem OECD-MA folgen90, setzt die Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft voraus, dass sie in ihrem Sitzstaat als solche aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, also als intransparentes Körperschaftsteuersubjekt behandelt wird. Im Verhältnis zwischen dem Sitzstaat der Gesellschaft und dem Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters sind zwei Standardsituationen abweichender Subjektqualifikation der Gesellschaft denkbar.

__________ 89 So die wohl nahezu einhellige Auffassung der in der OECD zusammengeschlossenen Staaten, vgl. Partnership Report (Fn. 2), Tz. 102. 90 Sonderregelungen enthalten bspw. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien.

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Erstens: Der Sitzstaat der Gesellschaft behandelt diese als Körperschaftsteuersubjekt, während der Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters sie als transparent ansieht. Die sich hieraus ergebenden Probleme haben für in Deutschland ansässige Gesellschafter erhebliche praktische Bedeutung, vor allem bei Beteiligungen an Gesellschaften in romanischen und osteuropäischen Staaten. Zweitens: Der Sitzstaat behandelt die Gesellschaft als transparent, während der Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters sie als Körperschaftsteuersubjekt ansieht. Aus der Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters ist diese Konstellation vergleichsweise selten; sie tritt namentlich im Verhältnis zu den USA auf, wenn eine Kapitalgesellschaft dort auf Antrag als transparent behandelt wird. Zu beiden Grundkonstellationen hat Brigitte Knobbe-Keuk im Jahr 1991 Lösungsvorschläge für die Behandlung im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters unterbreitet. Inzwischen liegen neben Äußerungen der Finanzverwaltung und ersten Entscheidungen des BFH auf internationaler Ebene auch die Empfehlungen des Partnership Reports und des Musterkommentars vor. Um es vorweg zu nehmen: die Probleme sind keineswegs gelöst. Bevor ich diese beiden Grundkonstellationen aus der Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters behandele, erscheint es sinnvoll, die Folgen unterschiedlicher Subjektqualifikation für den Quellenstaat im Lichte der zwischenzeitlichen Entwicklungen in den Blick zu nehmen. Denn zum Einen hängt die Doppelbesteuerungsproblematik naturgemäß vom Zusammenspiel der Besteuerungsregime in allen beteiligten Staaten ab, zum Anderen hat namentlich die deutsche Finanzverwaltung zwischenzeitlich ihre Auffassung zur Abkommensberechtigung ausländischer Gesellschaften teilweise revidiert. 3. Folgen unterschiedlicher Subjektqualifikation für den Quellenstaat oder den Sitzstaat der Gesellschaft a) Allgemeine Grundsätze des Partnership Reports Aus der Sicht eines Quellenstaates geht es um die im ersten Teil des Partnership Reports erörterte Frage, welche Abkommensvergünstigungen er einräumen muss, wenn er die Gesellschaft anders als deren Sitzstaat und/oder anders als der Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters einordnet. Behandelt der Quellenstaat die Gesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt, während sie in ihrem Sitzstaat nicht steuerpflichtig und damit nicht DBA-ansässig ist, wurde schon früh diskutiert91, ob der Quellenstaat gleichwohl Vergünstigungen aus dem DBA mit dem Sitzstaat der Gesellschaft gewähren müsse. Behandelt umgekehrt der Quellenstaat die Ge-

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91 Vgl. z. B. Vogel, DBA, 3. Aufl. 1996, Art. 1 Rn. 25 ff.

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sellschaft als transparent und rechnet dementsprechend die Einkünfte den Gesellschaftern unmittelbar zu, während die Gesellschaft in ihrem Sitzstaat steuerpflichtig und damit abkommensberechtigt ist, wurde ebenfalls seit langem diskutiert, ob diese für den Quellenstaat vorderhand unerhebliche Abkommensberechtigung der Gesellschaft auf seine Besteuerung der Gesellschafter „durchschlagen“ müsse92. Die Lösungsvorschläge im Partnership Report gehen freilich weit über die gerade gestellten und zuvor wissenschaftlich diskutierten Fragestellungen hinaus. Namentlich ist wesentliches Ziel der OECD-Vorschläge neben der Vermeidung von Doppelbesteuerungen auch die Vermeidung einer Minderbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung infolge von Qualifikationskonflikten. Hierzu kann es vor allem dann kommen, wenn der Quellenstaat Einkünfte unmittelbar den Gesellschaftern zurechnet, die er jedoch nach dem DBA mit deren Ansässigkeitsstaat nur eingeschränkt oder gar nicht besteuern darf, während der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter die fraglichen Einkünfte der von ihm als intransparent behandelten Gesellschaft zurechnet; domiziliert die Gesellschaft im Quellenstaat oder in einem Drittstaat, wird der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter sie im Regelfall nicht besteuern93. Die Lösung des Partnership Reports insbesondere für diese Problematik einer doppelten Nichtbesteuerung beruht im Kern auf der Rechtsbehauptung, dass eine Person Abkommensschutz nach den von ihrem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen Abkommen gegenüber dem jeweiligen Vertragsstaat für solche Einkünfte in Anspruch nehmen könne, die ihr nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates zugerechnet werden. Dies soll ausdrücklich auch dann gelten, wenn der Quellenstaat die Einkünfte infolge eines Qualifikationskonflikts abweichend zurechnet, nämlich statt der Gesellschaft dem Gesellschafter oder umgekehrt. Die neue Auffassung der OECD wurde zuvor – jedenfalls in Deutschland – nicht vertreten. Sie hat bei Qualifikationskonflikten je nach Fallgestaltung eine Erweiterung oder eine Beschränkung des Abkommensschutzes zur Folge. Eine Erweiterung ist denkbar, wenn der Quellenstaat einer im Vertragsstaat ansässigen Person Abkommensvergünstigungen für Einkünfte, die er selbst einer anderen Person zurechnet, gewähren muss, nur weil der andere Vertragsstaat die Einkünfte der dort ansässigen Person zurechnet94. Eine Beschränkung des Abkommensschutzes tritt ein, wenn der Staat, in dem diejenige Person ansässig ist, welcher der Quellenstaat die Einkünfte zurechnet, diese Einkünfte einer anderen Person zurechnet, die in dem

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92 Vgl. z. B. Vogel, DBA, 3. Aufl. 1996, Art. 1 Rn. 24 ff. 93 Die Gesellschaft ist im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter weder ansässig, noch erzielt sie die Einkünfte durch eine dortige Betriebsstätte. 94 Kritisch insb. Wassermeyer, IStR 2010, 683 (684); ders. in FS Herzig (Fn. 84), S. 897 (899); differenzierend nunmehr ders. in IStR 2011, 85 (87).

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erstgenannten Staat nicht ansässig ist. Die neue Lesart der OECD läuft darauf hinaus, dass die Abkommensberechtigung nicht nur die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat, sondern auch die Zurechnung der konkreten Einkünfte durch diesen Staat voraussetzt. Dem Wortlaut der Art. 1, 3 und 4 OECD-MA ist dieses Erfordernis schwerlich zu entnehmen95. Die Finanzverwaltung hat sich in dem BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften96 unter Abkehr von ihrer früher vertretenen gegenteiligen Auffassung97 den OECD-Grundsätzen angeschlossen. Die entsprechende Formulierung lautet: „Unbeschadet des Grundsatzes, dass sich die Einordnung ausländischer Gesellschaften als Personengesellschaft oder als Körperschaft und die entsprechende Zurechnung der Einkünfte für die deutsche Besteuerung ausschließlich nach deutschem Steuerrecht bestimmen […], ist Entlastung von Abzugsteuern dann zu gewähren, wenn die Einkünfte nach dem Recht des betreffenden Vertragsstaates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind.“ Sie ist freilich im Hinblick auf den im Partnership Report propagierten weitreichenden Ausschluss von Abkommensvergünstigungen für eine in einem anderen DBA-Staat ansässige Person, der die Einkünfte nach dortigem Steuerrecht nicht zuzurechnen sind, nicht völlig eindeutig. In dem Entwurf des BMF-Schreibens vom Mai 200798 hieß es noch „… ist Entlastung von Abzugsteuern zu gewähren, und zwar nur dann, wenn die Einkünfte nach dem Recht des anderen Vertragsstaates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind.“ Aus dem Wegfall des Wortes „nur“ in der endgültigen Fassung könnte man möglicherweise schließen, dass die deutsche Finanzverwaltung insoweit dem Partnership Report – zu Recht99 – die Gefolgschaft versagt100. Die Finanzverwaltung wird klarstellen müssen, wie sie die von ihr getroffene Regelung angesichts der Streichung des Wortes „nur“ verstanden

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95 Zur Kritik vgl. bereits Lüdicke, Die Besteuerung von international tätigen Personengesellschaften – geänderte Auffassungen der Finanzverwaltung im Betriebsstättenerlass und anderen BMF-Schreiben, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Universität Hamburg, Heft 134, 2000, S. 8 ff., 14 ff.; ablehnend auch Lang, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, 2000, S. 60; ders., SWI 2000, 527 ff.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, MA Art. 1 Rn. 27 zu Beispiel 4 (entspricht Example 3 des Partnership Report). Zu aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung ausländischer Gerichte vgl. Lang, IStR 2011, 1 ff. 96 Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 2.1.2. 97 Vgl. BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411, sub VI.2.b) Satz 5 (zu US LLC); aufgehoben durch BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Fn. 1 zu Tz. 2.1.2. 98 Zur öffentlichen Diskussion gestellter Entwurf v. 10.5.2007 (www.gmbhr.de/ heft/17_07/BMF_DBA_PERSG_ENTW.pdf). 99 Vgl. bereits Lüdicke, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Heft 134 (Fn. 95), S. 9 ff.; zu möglichen Reaktionen in der deutschen Abkommenspolitik vgl. Lüdicke, DBA-Politik (Fn. 18), S. 57 ff. 100 So Chr. Schmidt, IStR 2010, 413 (423).

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wissen will. Sie wird insbesondere die praktischen Probleme bewältigen müssen, die daraus resultieren, dass ein ausländischer Gesellschafter einer (inländischen oder ausländischen) Personengesellschaft, dem Deutschland die Einkünfte zurechnet, zum Nachweis seiner Abkommensberechtigung zwar eine Ansässigkeitsbescheinigung, schwerlich jedoch eine Bescheinigung über die Zurechnung nämlicher Einkünfte nach ausländischem Steuerrecht vorlegen kann. Im Freistellungsverfahren, mithin im Vorhinein, erscheint dies gänzlich ausgeschlossen. Davon abgesehen ist zu bezweifeln, dass die neue DBA-Lesart gleichheitskonform angewendet werden wird; dazu müsste nämlich die zugrunde liegende Fragestellung bei der Besteuerung eines ausländischen Gesellschafters einer von Deutschland als transparent behandelten Personengesellschaft in der Praxis überhaupt in jedem Einzelfall erkannt werden101. Die Finanzverwaltung wird ferner erklären müssen, warum die neue Rechtsauffassung nur für deutsche Abzugsteuern102 und nicht gleichermaßen für veranlagte Steuern gelten soll, wenn „die Einkünfte nach dem Recht des betreffenden Vertragsstaates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind“103. Eine unterschiedliche Behandlung kann nicht zutreffend sein104. b) Einkünfte aus Betriebsstätten in Drittstaaten Damit ist zugleich die prima vista überraschende Frage angesprochen, ob der Sitzstaat einer von ihm intransparent besteuerten Gesellschaft an der Besteuerung von Gewinnen aus Betriebsstätten in Drittstaaten durch ein DBA mit dem Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters gehindert sein kann105. Hierauf wird bei der nachfolgenden Erörterung der Lösung von Qualifikationskonflikten im Verhältnis zwischen dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und dem Sitzstaat der Gesellschaft zurückzukommen sein106. Die Frage stellt sich aufgrund der Thesen des Partnership Reports, sie wird dort freilich ebenso wenig wie in dem BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA bei Personengesellschaften gesehen. Erörtert wird allerdings die – durchaus noch erstaunlichere – Fragestellung, ob der Sitzstaat einer dort intransparent besteuerten Personengesellschaft aus diesem Staat stammende Einkünfte besteuern darf – beispielhaft werden Lizenzgebühren genannt –, wenn sie keiner Betriebsstätte der

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Vgl. auch Chr. Schmidt, IStR 2010, 413 (423). So ausdrücklich BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 2.1.2. Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 2.1.2. Kritisch auch Wassermeyer, FR 2010, 537 (538). Nicht zu erörtern sind hier allfällige Beschränkungen durch ein etwaiges DBA zwischen dem Sitzstaat der Gesellschaft und dem Drittstaat, welches die Freistellung solcher Betriebsstättengewinne erfordern mag. 106 Vgl. Fn. 157.

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Gesellschaft in diesem Staat „tatsächlich“ zugeordnet werden können; alternativ wird die mögliche Freistellung nach dem Lizenzartikel des DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters erörtert. Letzteres würde, wie der Partnership Report durchaus zutreffend ausführt, aus den „allgemeinen Prinzipien“ des Reports folgen, wenn der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters diesem die fraglichen Einkünfte zurechnet107. Die Mehrheit der Verfasser des Reports lehnt dieses Ergebnis freilich mit der Begründung ab, dass es sich bei den Lizenzeinkünften aus der Sicht des Sitzstaates der Gesellschaft um „a purely domestic matter“ handele108. Das mag an dieser Stelle dahinstehen. Der Bezug der hier interessierenden Gewinne aus einer Drittstaatsbetriebsstätte ist jedenfalls keine derartige rein innerstaatliche Angelegenheit des Sitzstaates der Gesellschaft. Nimmt der Sitzstaat insoweit ein Besteuerungsrecht in Anspruch, befindet er sich im Verhältnis zum Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter in der Rolle eines Quellenstaats. Nach der OECD-Auffassung dürfte er diese Einkünfte also nicht besteuern. Nach der hier vertretenen Auffassung entbehrt eine derartige Beschränkung hingegen schon im Ansatz jeder Rechtsgrundlage109. Die Abkommensberechtigung des Gesellschafters verpflichtet den Sitzstaat der Gesellschaft nicht dazu, der von ihm als Körperschaftsteuersubjekt besteuerten und damit ebenfalls abkommensberechtigten Gesellschaft Vorteile einzuräumen, die nur der Gesellschafter – abstrakt – beanspruchen kann. Da der Gesellschafter für den Sitzstaat auch nicht an der Erzielung der Einkünfte beteiligt ist, muss der Sitzstaat auch keine denkbaren Abkommensvorteile des Gesellschafters auf die Gesellschaft „durchschlagen“ lassen110. 4. Folgen unterschiedlicher Subjektqualifikation für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters a) Ausländische Gesellschaft ist dort Steuerrechtssubjekt111 aa) Problemstellung und Meinungsstand Der in der Praxis häufigste Qualifikationskonflikt beruht darauf, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters eine ausländi-

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107 Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Tz. 130 zu Example 17. 108 Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Tz. 131 zu Example 17; zu der „äußerst dürftig[en]“ Begründung zu Recht kritisch Lang, IStR 2000, 129 (132); ders., IStR 2010, 114 (116): „rechtspolitisches Unbehagen“. 109 Im Ergebnis ähnlich Lang, IStR 2010, 114 (116) m. w. N. 110 Vgl. allgemein zur Rechtsfigur des „Durchschlagens“ einer Abkommensberechtigung Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 1 Rn. 33; Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 (458 ff.). 111 Vgl. hierzu auch den aus dem Vortrag des Verf. anlässlich des Gedächtnissymposions hervorgegangenen Beitrag in IStR 2011, 91 ff.

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sche Gesellschaft nach den Grundsätzen des Typenvergleichs als transparente Mitunternehmerschaft einordnet, während ihr Sitzstaat sie als intransparentes Körperschaftsteuersubjekt behandelt. Der ausländische Sitzstaat besteuert – vorbehaltlich etwaiger Beschränkungen durch seine DBA112 – den weltweit erzielten Gewinn der Gesellschaft; darüber hinaus wird er Ausschüttungen bzw. Entnahmen eines Gesellschafters als Dividende einer Quellensteuer unterwerfen. Deutschland hingegen besteuert den von der Gesellschaft erzielten Gewinn anteilig in der Hand des inländischen Gesellschafters; Entnahmen sind steuerlich irrelevant113. Für die Inanspruchnahme des innerstaatlich bestehenden Besteuerungsrechts gegenüber dem inländischen Gesellschafter geht die entscheidende Frage dahin, welche Bedeutung die Tatsache hat, dass die ausländische Gesellschaft infolge ihrer dortigen Körperschaftsteuerpflicht ansässige und damit abkommensberechtigte Person ist. Brigitte Knobbe-Keuk114 hat sich im Bemühen um eine „konsistente Lösung aller Folgeprobleme“115 für die vollständige Respektierung des Status der Gesellschaft in ihrem Heimatstaat als Steuersubjekt ausgesprochen. Die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte seien dieser und nicht den inländischen Gesellschaftern in jeder Hinsicht zuzurechnen, und zwar nicht nur für die Anwendung des Abkommens, sondern auch für die Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts. Eine Dividende würde indessen – entgegen der rein innerstaatlichen Wertung als bloße Entnahme – unter Anrechnung der ausländischen Quellensteuer besteuert116. Die hierin liegende Einwirkung des DBA auf die Einkommenszurechnung nach innerstaatlichem Steuerrecht wird von ihr damit begründet, dass „der ausländischen Gesellschaft im Abkommen ein besonderer Status eingeräumt ist“117. Im praktischen Ergebnis bedeuten diese Vorschläge, dass Deutschland einen von der Gesellschaft erzielten Gewinn oder Verlust beim Gesellschafter steuerlich nicht erfasst; auch eine Berücksichtigung beim Progressionsvorbehalt ist ausgeschlossen. Dies gilt nicht nur für Einkünfte aus dem Sitzstaat der Gesellschaft, sondern auch für solche aus Drittstaaten oder aus Deutschland118.

__________ 112 Insb. kann eine Verpflichtung zur Freistellung von Gewinnen aus Betriebsstätten in Drittstaaten bestehen. Zur Frage einer Beschränkung seines Besteuerungsrechts durch das DBA mit Deutschland vgl. oben III.3.a) und III.3.b). 113 Auf Sondervergütungen und andere Sonderbetriebseinnahmen soll hier nicht näher eingegangen werden. 114 RIW 1991, 306 (313 ff.); Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 6), S. 551 ff. 115 RIW 1991, 306 (314); Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 6), S. 552 (Hervorhebung nur dort). 116 RIW 1991, 306 (315 f.). 117 RIW 1991, 306 (314, Hervorhebung im Original). 118 Letzteres vorbehaltlich einer Besteuerung durch Deutschland als Quellenstaat im Rahmen des DBA.

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Diese aus der Sicht des innerstaatlichen Steuerrechts radikalen Vorschläge haben keine Gefolgschaft gefunden. Nach insoweit einhelliger Ansicht119 soll es vielmehr bei der Einkünftezurechnung nach Maßgabe des innerstaatlichen Steuerrechts bleiben. Darüber hinaus bestehen ungelöste Meinungsunterschiede. Michael Lang120 hat die These aufgestellt, aus der für beide Vertragsstaaten bindenden Eigenschaft der Personengesellschaft als in ihrem Sitzstaat ansässige Gesellschaft folge auch für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, dass der Gesellschafter aus seiner Beteiligung an der Gesellschaft „Dividenden“ i. S. d. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA beziehe121. Aus dem Abkommen, namentlich aus Art. 10 OECD-MA ergebe sich keine Beschränkung, diese zu besteuern. Betrachte der Ansässigkeitsstaat die Gewinnverteilung als nicht steuerbare Entnahme und rechne er den Gesellschaftern die noch unverteilten Gewinne der Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Entstehung zu, könne er letztere besteuern. Die Verpflichtung zur Anrechnung der vom Sitzstaat der Gesellschaft erhobenen Steuern beziehe sich nur auf dessen Quellensteuer auf eine Dividende; zur Anrechnung der von der Gesellschaft selbst erhobenen Körperschaftsteuer bestehe hingegen keine Verpflichtung, weil die DBA in Fällen wirtschaftlicher Doppelbesteuerung im Regelfall keine Abhilfe schafften122. Nach bislang im deutschen Schrifttum wohl überwiegend vertretener Auffassung („abkommensorientierte“ Auslegung) folgt ungeachtet der Zurechnung der Einkünfte zum Gesellschafter nach Maßgabe des innerstaatlichen Steuerrechts aus der auch von Deutschland anzuerkennenden Abkommensberechtigung der Gesellschaft, dass Deutschland für die Anwendung des Abkommens an die Zurechnung der fraglichen Einkünfte zu der Gesellschaft durch ihren Sitzstaat gebunden sei123. Abkommensrecht-

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119 Zum insoweit wohl international bestehenden Konsens der Staaten vgl. Partnership Report (Fn. 2), Tz. 102. 120 Vgl. Lang, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, FS Fischer, Berlin 1999, S. 713 (722); ders., The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Wien 2000, 97 f.; ders., IStR 2000, 129 (133); ders., in Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS Vogel, Heidelberg 2000, S. 907 (914); eingehend auch Lang/ Wimpissinger in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2000, S. 85 (93 ff.). 121 Vgl. auch Lang, FS Vogel (Fn. 120), S. 907 (914). 122 Dieses Ergebnis offenbar für „rechtspolitisch“ nicht überzeugend haltend Lang/ Wimpissinger, a. a. O. (Fn. 120), 99. 123 Vgl. Debatin, BB 1978, 669 (671); ders., BB 1978, 1608 ff.; ders., BB 1989 Beilage 2, 8 f.; Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481 (484); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 2007, S. 532 ff., 564 f.; Liebchen, Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften, Berlin 2008, S. 389 ff.; Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Bern 2007, S. 221, 310; Müller/Wangler, IStR 2003, 145 (150 f.); Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik

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lich werde das Unternehmen von der Gesellschaft betrieben und sei daher ein Unternehmen des anderen Vertragsstaates (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA); dieser habe nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz OECD-MA das ausschließliche Besteuerungsrecht. Der Gesellschafter erziele Einkünfte abkommensrechtlich erst bei Ausschüttung. Auch wenn der unverteilte Gewinn innerstaatlich dem Gesellschafter zugerechnet werde, müsse er in vollem Umfang – ggfs. unter Progressionsvorbehalt124 – unbesteuert bleiben. Die Freistellung ist nach dieser Ansicht von einem Aktivitätsvorbehalt unabhängig und muss konsequenterweise auch für Einkünfte aus Betriebsstätten in Drittstaaten gelten125. Eine abkommensrechtlich als Dividende anzusehende Gewinnausschüttung dürfte Deutschland nach dem DBA – vorbehaltlich der Anwendbarkeit eines DBA-Schachtelprivilegs – besteuern; allerdings fehlt es innerstaatlich an einem Besteuerungstatbestand, weil die Würdigung des Vorgangs als nicht steuerbare Entnahme durch das DBA nicht beeinflusst wird. Die von den in der OECD repräsentierten Staaten im Partnership Report und im OECD-MK vertretene Rechtsauffassung ist nicht völlig eindeutig. Die entscheidende Passage im OECD-MK lautet: „Wenn eine Personengesellschaft als in einem Vertragsstaat ansässige Person behandelt wird, sind die Bestimmungen des Abkommens, die das Recht des anderen Vertragsstaates beschränken, die Personengesellschaft mit ihrem Einkommen zu besteuern, nicht in der Weise anzuwenden, dass das Recht des anderen Staates beeinträchtigt wird, die Gesellschafter, die in ihrem Gebiet ansässig sind, mit ihrem Anteil am Einkommen der Personengesellschaft zu besteuern“126.

__________ Deutschland, Heidelberg 1981, S. 175 ff.; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 1 Rn. 34b; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt am Main 1995, S. 182 ff.; Chr. Schmidt, IStR 1996, 14 (17 f.); ders., Wpg 2002, 1232 (1235); ders., IStR 2010, 413 (426); Schmidt/Blöchle in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 23 A/B OECD-MA Rn. 70; Vogel, IStR 1999, 5 (6 f.); Storck/Selent, RIW/AWD 1980, 332 (339 f.); Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rn. 8.45 f.; ebenso Daniels, Issues in International Partnership Taxation, Deventer Boston 1991, S. 156 ff., 163 ff.; wohl auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 18.71; so auch noch Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 (461). 124 Der Progressionsvorbehalt kommt nach Maßgabe des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 EStG zur Anwendung, sofern das DBA dies nicht ausschließt (so die neuere Rspr. des BFH); die abkommensrechtliche Zurechnung der Einkünfte zu der als Abkommensrechtssubjekt anerkannten ausländischen Gesellschaft schließt dies nicht aus; so ausdrücklich für die hier interessierende Konstellation BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (524 m. w. N.). 125 So ausdrücklich Schmidt/Blöchle in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 23 A/B OECD-MA Rn. 70. 126 OECD-MK Tz. 6.1 Satz 2 zu Art. 1.

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Danach scheint die – im Grundsatz anzuerkennende – Abkommensberechtigung der Personengesellschaft für die Besteuerung des Gesellschafters durch seinen Ansässigkeitsstaat keine Rolle zu spielen. Allerdings legt der Kontext des Partnership Reports, durch den diese Ausführungen in den Musterkommentar eingefügt wurden, eine weniger weitreichende Bedeutung nahe. Die Ergänzung des Musterkommentars erfolgte im Zusammenhang mit der Erörterung – und Verneinung – der Frage, ob der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, wenn er zugleich Quellenstaat von Einkünften ist, bei der Besteuerung des Gesellschafters hinsichtlich dieser „inländischen“ Einkünfte an Beschränkungen durch das DBA mit dem Sitzstaat der Gesellschaft gebunden ist127. Ohne besondere Bezugnahme auf diese Ausführungen und die vorgeschlagene Ergänzung des Musterkommentars, aber auch ohne jegliche anderweitige Begründung geht der Partnership Report jedoch an anderer Stelle wiederum wie selbstverständlich davon aus, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bei der Besteuerung des laufenden Gewinnanteils den Methodenartikel des DBA mit dem Sitzstaat der Gesellschaft anwendet und dementsprechend den Gewinnanteil entweder freistellt oder die vom Sitzstaat zu Lasten der Gesellschaft erhobene Steuer anrechnet128. Im Ergebnis scheint die Abkommensberechtigung der Gesellschaft nach Auffassung der OECD mithin für die Besteuerung des Gesellschafters durch seinen Ansässigkeitsstaat keine Rolle zu spielen. Diese „anwenderstaatsorientierte“129 Auslegung der DBA entspricht im Ergebnis auch der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, wie sie in dem BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften130 zum Ausdruck kommt, und Teilen des Schrifttums131. Nicht behandelt wird in dem BMF-Schreiben die Frage, ob eine aus dem Methodenartikel des DBA mit dem Sitzstaat folgende Verpflichtung zur Freistellung sich

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127 Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Example 16, Tz. 125 ff., insbesondere Tz. 127 und 128. 128 Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Example 18, Tz. 137 ff. 129 Zum Begriff vgl. Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rn. 5.10. 130 Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1 i. V. m. 4.1.1. 131 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 337, 352; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rn. 63 (für Veräußerungsgewinne); Greif in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rn. E 54 ff.; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Baden-Baden 2009, S. 167; Krabbe, RIW/AWD 1976, 135 (138); ders., IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 753 (764); Niehaves in Haase, AStG/DBA, MA Art. 7 Rn. 93; Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rn. 5.42; Wassermeyer, IStR 1998, 489 ff.; ders., IStR 1999, 8; ders., FS Herzig (Fn. 84), S. 897 (907 ff.); anders nunmehr ders., IStR 2011, 85 (86 ff., sub 4.); Wolff in Debatin/Wassermeyer, DBA-USA Art. 7 Rn. 76; ferner FG Brandenburg v. 2.9.2010 – 9 K 2510/04 B, Rev. I R 95/10.

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nur auf Gewinne aus Betriebsstätten der Gesellschaft im Sitzstaat oder auch auf Gewinne aus Drittstaatsbetriebsstätten bezieht132. Die im Schrifttum nicht ganz einheitlich beantwortete Frage, ob eine vom Sitzstaat auf den Gewinn der Gesellschaft erhobene (Körperschaft-)Steuer auf die Steuer des Gesellschafters anzurechnen ist, soweit der Gewinnanteil nach dem anzuwendenden Methodenartikel nicht freigestellt wird, bejaht das BMFSchreiben133. Hingegen soll eine vom Sitzstaat auf Gewinnausschüttungen erhobene Quellensteuer nicht angerechnet werden können, weil die Ausschüttungen nach deutscher Rechtswertung eine nicht steuerbare Entnahme darstellen134. Der BFH hat die umstrittenen, aus der Abkommensberechtigung der Gesellschaft folgenden Konsequenzen in einem Urteil vom 4.4.2007135 im Wesentlichen ausdrücklich offen gelassen, da lediglich über die – von ihm bejahte – Anwendung des Progressionsvorbehalts zu entscheiden war. Hingegen hat er in einem Urteil vom 17.10.2007136 die Beteiligung eines inländischen Mitunternehmers an einer in Italien intransparent besteuerten und daher als ansässige Person anzusehenden Gesellschaft auch abkommensrechtlich als Unternehmen des Mitunternehmers behandelt137. In einem AdV-Beschluss vom 19.5.2010138, in dem es allerdings nicht um

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132 Letzteres befürwortend Krabbe, IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 753 (764; Stand 11.2.1998), der eine Bindung Deutschlands annimmt, soweit der Sitzstaat die Drittstaatsgewinne nach seiner Sichtweise zu Recht bei der Gesellschaft besteuert. Dem ist für die Normalfassung der Freistellungsregelung in deutschen DBA („Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die Einkünfte aus [Vertragsstaat] … ausgenommen“) nicht zu folgen, weil die Drittstaatsbetriebsstätteneinkünfte weder nach deutscher noch nach der Sichtweise des Vertragsstaates Einkünfte „aus“ dem anderen Vertragsstaat sind. Enthält das DBA hingegen eine als „Rückfallklausel“ gedachte (vgl. BMF v. 16.4.2010 [Fn. 3], Tz. 4.1.1.2.3), jedoch als „Quellenregel“ formulierte Bestimmung (bspw. Art. 23 Abs. 3 letzter Satz DBA-USA, Prot. Nr. 16 lit. d DBAItalien), mag sich daraus eine – vom Gesetzgeber vermutlich weder gesehene noch beabsichtigte – systematisch fragwürdige Freistellungsverpflichtung für solche Drittstaatseinkünfte ergeben. 133 BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1 Satz 3. 134 BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1 Satz 4; so im Ergebnis schon Wassermeyer, IStR 1998, 489 (493), ebenso Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 1 Rn. 34b. 135 BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (523). 136 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (955). Entgegen Äußerungen im Schrifttum und in dem BFH-Beschluss v. 19.5.2010 – I B 191/09, IStR 2010, 530 (sub II.3.b)cc)aaa)) dürften die Ausführungen in dem Urteil des BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, zur umgekehrten Situation einer nur aus deutscher Sicht als Körperschaftsteuersubjekt qualifizierten US-amerikanischen LLC nicht ohne weiteres übertragbar sein; denn in jenem Fall lag gerade keine von Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zu respektierende abkommensberechtigte Person vor. 137 Vgl. dazu auch Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rn. 63. 138 BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, IStR 2010, 530, (sub II.3.b)cc)aaa)).

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laufende Einkünfte, sondern um einen Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an einer ausländischen Personengesellschaft ging, hat der BFH die Streitfrage hingegen wiederum als offen dargestellt und nicht entschieden139. Allerdings hat der BFH in dem Urteil vom 4.4.2007 sowohl die von Brigitte Knobbe-Keuk140 als auch – inzident – die von Michael Lang vertretenen Auffassungen abgelehnt. Die von Knobbe-Keuk befürwortete Einwirkung des DBA auf die innerstaatliche Einkünftezurechnung ist in der Tat problematisch, auch wenn sie vorderhand zu einer harmonischen Anwendung der Einkünftezuordnung durch beide Vertragsstaaten führen mag. Die Einkünftezuordnung ist nach internationaler Überzeugung nun einmal nicht Gegenstand der DBA-Regelungen. Andere Staaten werden diesem Ansatz daher nicht folgen. Auch kann die Einwirkung auf das innerstaatliche Steuerrecht nachteilig sein, etwa bei Verlusten der Gesellschaft141 oder bei Einkünften aus Drittstaaten. So würden nach deutschem Steuerrecht an sich nicht steuerbare Entnahmen von Gewinnen, die aus Drittstaatsbetriebsstätten stammen und aufgrund eines DBA mit dem Drittstaat steuerfrei sind, zu steuerpflichtigen Dividenden. Hinzu kämen praktische Schwierigkeiten. So hätten etwa der Neuabschluss oder die Kündigung eines DBA oder die Ausübung einer Besteuerungsoption im Ausland jeweils eine Änderung der Zuordnung von Einkünften und damit auch des zugrunde liegenden Betriebsvermögens für das innerstaatliche Steuerrecht zur Folge, ohne dass dafür – wie etwa bei Umwandlungsvorgängen – innerstaatlich geeignete Regeln zur Verfügung stehen. Es ist zu bezweifeln, dass die DBA für solch tiefgreifende Auswirkungen auf den innerstaatlichen Besteuerungstatbestand tatsächlich eine Rechtsgrundlage bieten. Nach der von Michael Lang vertretenen Auffassung sind die dem Gesellschafter innerstaatlich zugerechneten Einkünfte im Zeitpunkt ihrer Erzielung durch die Gesellschaft ohne Beschränkung durch das Abkommen zu versteuern. Der BFH hat demgegenüber entschieden, dass – ungeachtet

__________ 139 Zwischenzeitlich hat der BFH die Streitfrage in dem hier nachfolgend vertretenen Sinne entschieden (Urteil v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688; vgl. auch Fn. 167). 140 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (523, sub II.2.c)) zur innerstaatlichen Qualifizierung tatsächlich gezahlter Dividenden; ferner schließt die von Knobbe-Keuk befürwortete Anwendung der abkommensrechtlichen Zurechnung der Einkünfte zur Gesellschaft auch für Zwecke des innerstaatlichen Steuerrechts jeglichen Einkünftebezug der Gesellschafter vor einer Ausschüttung und damit auch den – vom BFH aber bejahten – Progressionsvorbehalt aus. 141 Im Gegensatz zu der von dem in Fn. 123 aufgeführten Schrifttum vertretenen Ansicht würde der Verlust nicht einmal im Wege des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt.

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unterschiedlicher Begründungsansätze – der jeweilige Gewinnanteil durch das DBA von der inländischen Besteuerung befreit wird142. Es erscheint in der Tat zweifelhaft, ob dem Dividendenartikel143 das Gegenteil entnommen werden kann. Denn zum einen spricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA von Dividenden, die eine Gesellschaft an eine Person im anderen Vertragsstaat zahlt. Der originäre Gewinnanteil wird aber gerade nicht von der Gesellschaft gezahlt, und zwar auch nicht nach der Rechtswertung ihres Sitzstaates. Zum anderen gehören nach Abs. 3 der Vorschrift zu den Dividenden zwar aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Sitzstaates den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Die hier in Frage stehenden originär von der Gesellschaft erzielten – und dem Gesellschafter von seinem Ansässigkeitsstaat zugerechneten – Einkünfte sind aber nach dem Recht des Sitzstaates eigene Einkünfte der Gesellschaft und werden gerade nicht wie Dividenden behandelt; als solche werden nur die (späteren) Gewinntransfers besteuert. bb) Unterschiedliche Rechtsfolgen bei der laufenden Besteuerung Geht man mithin richtigerweise von der innerstaatlichen Zurechnung der durch die Personengesellschaft erzielten Einkünfte zu den inländischen Gesellschaftern aus, sind vor allem die streitigen Fragen zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen diese Einkünfte freizustellen sind und ob im Falle ihrer Besteuerung die im Sitzstaat erhobene Körperschaftsteuer anzurechnen ist. Sofern das DBA für dortige Betriebsstättengewinne die Freistellungsmethode vorsieht, besteht im Ergebnis – wenngleich nicht in der Begründung – nach allen Auffassungen Einigkeit darüber, dass die von der Gesellschaft in ihrem Sitzstaat erzielten Einkünfte freizustellen sind. Die „abkommensorientierte“ Auffassung folgert dies bereits aus der DBArechtlichen Zurechnung der Einkünfte zu der abkommensberechtigten Gesellschaft, deren Gewinne Deutschland nicht besteuern dürfe, weil es sich um ein Unternehmen des anderen Vertragsstaates handele144. Nach anderer Ansicht sind die Einkünfte zwar auch DBA-rechtlich dem inländischen Gesellschafter, mithin einem Unternehmen Deutschlands zuzurechnen; dessen Betriebsstättengewinn aus dem anderen Vertragsstaat sei jedoch freizustellen145. Ferner steht aufgrund der neueren BFH-Recht-

__________ 142 143 144 145

Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (523, sub II.2.d)). Vgl. oben bei Fn. 120. So das in Fn. 123 aufgeführte Schrifttum. So BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1, und das in Fn. 131 aufgeführte Schrifttum. Zu möglichen Besonderheiten nach einzelnen deutschen DBA für Gewinne aus Drittstaatsbetriebsstätten vgl. Fn. 132.

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sprechung nach beiden Ansichten die Anwendung des Progressionsvorbehalts außer Frage146. In Bezug auf die übrigen in der Praxis zu bewältigenden Fragestellungen führen die verschiedenen Begründungsansätze zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sieht das DBA für Betriebsstättengewinne generell oder infolge eines Aktivitätsvorbehalts die Anrechnungsmethode vor, kommt es gleichwohl nach der „abkommensorientierten“ Auffassung zur Freistellung der Betriebsstättengewinne, da sie DBA-rechtlich der Gesellschaft zugerechnet werden147. Die „anwenderstaatsorientierte“ Auffassung fragt demgegenüber lediglich, ob die Anrechnungsverpflichtung sich auf die vom Sitzstaat der Personengesellschaft zu ihren Lasten erhobene Körperschaftsteuer erstreckt. Diese Frage wird mit unterschiedlichen Begründungen bejaht148. Der zweite bedeutsame Unterschied zwischen den beiden Grundauffassungen besteht im Hinblick auf Gewinne, welche die Personengesellschaft in Drittstaaten durch eine dortige Betriebsstätte erzielt. Die „abkommensorientierte“ Auffassung muss abkommensmäßig auch diese Betriebsstättengewinne folgerichtig der Gesellschaft zurechnen; sie sind beim Gesellschafter daher als Gewinne eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens freizustellen149. Nach der „anwenderstaatsorientierten“ Auffassung steht das DBA mit dem Sitzstaat der Gesellschaft der Besteuerung dieser Gewinne in der Hand des Gesellschafters nicht entgegen150. Hinsichtlich einer im Sitzstaat der Personengesellschaft auf diese Einkünfte erhobenen Steuer wird die Ansicht vertreten, dass eine Anrech-

__________ 146 § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 EStG; vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (523 f.) m. w. N. 147 So ausdrücklich Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 2007, S. 532 ff., 564 f.; Schmidt/Blöchle in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/ DBA, Art. 23 A/B OECD-MA Rn. 70. 148 So BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1; zur Begründung wird teils auf den „Geist des Abkommens“ abgestellt (vgl. Wassermeyer, IStR 1998, 489 [492]), teils darauf, dass bei „Ignorierung“ der ausländischen Qualifikation der Personengesellschaft als intransparentes Körperschaftsteuersubjekt auch deren Steuerschuldnerschaft zu ignorieren sei (vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 337, 352). Darüber hinaus wird die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer bei vergleichbaren Qualifikationskonflikten im Schrifttum allerdings ohnehin auch im Nicht-DBA-Fall befürwortet, vgl. Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 34c Rn. 2; Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rn. 130; Wied in Blümich, EStG, § 34c Rn. 35; ebenso schon Krabbe, RIW 1976, 135 (137). 149 So ausdrücklich etwa Schmidt/Blöchle in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/ DBA, Art. 23 A/B OECD-MA Rn. 70; Vogel, IStR 1999, 5 (7); wohl auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 2007, S. 565. 150 Anders aber Krabbe, IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 753 (764), vgl. Fn. 132.

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nung ausscheide, weil es sich nach deutschem Steuerrecht – nur – um Einkünfte aus dem Drittstaat handelt151. Weitere Meinungsunterschiede bestehen bezüglich einer Anrechnung der vom Sitzstaat auf gezahlte Dividenden erhobenen Quellensteuer. Nach der „abkommensorientierten“ Auffassung kommt deren Anrechnung nicht in Betracht, weil die DBA-rechtlich vorliegende Dividende im Inland als Entnahme nicht besteuert wird. Unter den Vertretern der „anwenderstaatsorientierten“ Auffassung ist die Anrechnung hingegen streitig. Finanzverwaltung und die OECD lehnen eine Anrechnungsverpflichtung mit derselben Begründung ab152. Andere bejahen die Anrechnungsverpflichtung, weil Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zwar nicht die fragliche Ausschüttung, aber doch die zugrundeliegenden Gewinne besteuere153. Letzteres erscheint freilich nicht überzeugend, denn in Fällen des Ein- und Austritts eines Gesellschafters bestehen nahezu zwangsläufig Unterschiede zwischen den zugerechneten und den innerstaatlich als Entnahme behandelten ausgeschütteten Gewinnen. Ungereimtheiten ergeben sich auch bei Gewinnen aus Betriebsstätten in Drittstaaten. Sind diese Gewinne beispielsweise nach einem DBA mit dem Drittstaat freigestellt, ist keine Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, warum eine vom Sitzstaat der Gesellschaft bei Ausschüttung erhobene Quellensteuer auf die nur von ihm angenommene Dividende angerechnet werden müsste. Schließlich hat der Meinungsstreit auch Bedeutung für die – im Schrifttum allerdings kaum erörterten – Fälle vermögensverwaltend tätiger hybrider Personengesellschaften154. cc) Abwägung der unterschiedlichen Begründungsansätze Fragt man sich, welche Auslegung in ihren Ergebnissen dem Sinn und Zweck des DBA besser entspricht, fällt eine Antwort nicht leicht. Die „abkommensorientierte“ Auffassung kann zweifellos für sich in Anspruch nehmen, den Status der Gesellschaft als abkommensberechtigte Person ernst zu nehmen. Zwar ist es allgemein zutreffend, dass aus der Abkommensberechtigung einer Person nicht zu schließen ist, dass ihr die jeweils in Frage stehenden Einkünfte, an deren Erzielung sie in irgendeiner Weise beteiligt ist, auch vom anderen Vertragsstaat für Zwecke der

__________ 151 So – unter Hinweis auf den Steuerabzug nach § 34c Abs. 3 EStG – ausdrücklich Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 366: „Diese Lösung befriedigt nicht, doch ist sie de lege lata m. E. unvermeidbar“. 152 So Partnership Report (Fn. 2), Tz. 139 zu Example 18; ferner OECD-MK Tz. 69.3 zu Art. 23; BMF-Schreiben v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1. 153 So etwa Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 352; wohl auch Wassermeyer, IStR 1998, 489 (493); Krabbe, RIW 1976, 135 (137). 154 Dazu eingehend Lüdicke, IStR 2011, 91 (95).

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Anwendung des Abkommens zuzurechnen sind. Diese allgemeine Erkenntnis wird etwa bei unterschiedlicher Einkünftezurechnung bei Treuhandschaft, Nießbrauch und ähnlichen Konstellationen Geltung beanspruchen. Im hier interessierenden Zusammenhang ist freilich der Tatsache Rechnung zu tragen, dass auch der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters von einer Erzielung der fraglichen Einkünfte „durch“ die oder „mittels“ der Personengesellschaft ausgeht155. Gleichwohl ist zu bezweifeln, dass die aus der Anerkennung der Steuerrechtssubjektivität der Gesellschaft durch den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters gefolgerte Zurechnung der Einkünfte für Zwecke der Anwendung des Abkommens – aber gegen seine eigenen Rechtswertungen – zu einem konsistenten und damit überzeugenden Ergebnis führt. Nur ein solches vermag aber die „Bindung“ an die Qualifikation der Gesellschaft und die Zurechnung der Einkünfte durch deren Sitzstaat zu rechtfertigen. Denn Ziel dieser „Bindung“ soll nicht zuletzt die Herbeiführung einer „harmonischen“ Anwendung des Abkommens, mithin eine systematisch möglichst geschlossene Gesamtlösung sein. (1) Fragwürdige Freistellung von Betriebsstätteneinkünften Zunächst ist festzuhalten, dass ein Aktivitätsvorbehalt oder die generelle Vereinbarung der Anrechnungsmethode im DBA mit dem Sitzstaat nur noch für Einkünfte Bedeutung hätten, die in einer eigenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen im anderen Vertragsstaat erzielt werden, nicht jedoch für Einkünfte aus einer Betriebsstätte einer dortigen Personengesellschaft156. Das ist kein ohne weiteres überzeugendes Auslegungsergebnis; es mag aber noch mit dem „Vorrang“ der Beachtung der Abkommensberechtigung der Gesellschaft erklärt werden können. Noch weitaus weniger überzeugend erscheinen allerdings die Freistellung solcher Betriebsstättenergebnisse aus dem Sitzstaat der Gesellschaft trotz grundsätzlich vereinbarter Anrechnung und insbesondere – was bislang kaum problematisiert wurde – die Freistellung der Ergebnisse aus Betriebsstätten der Gesellschaft in Drittstaaten157 einerseits mit Blick auf Verluste und andererseits mit Blick auf spätere Gewinntransfers zum Gesellschafter, die innerstaatlich eine nicht steuerbare Entnahme darstellen.

__________ 155 Sie ist nach deutschem Steuerrecht Einkünfteerzielungssubjekt; in diesem Sinne noch Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 (457 ff.). 156 Dies „konstatierend“ auch Schmidt/Blöchle, in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 23 A/B OECD-MA Rn. 70. 157 Aus den oben unter III.3.b) dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass der Sitzstaat der Personengesellschaft nicht seinerseits durch das DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters an der Besteuerung der Gewinne aus Drittstaatsbetriebsstätten gehindert ist.

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Im Falle von Verlusten „dient“ die von der „abkommensorientierten“ Auffassung vertretene Auslegung jedenfalls nicht dem von ihr angeführten Ziel158 der Vermeidung der Doppelbesteuerung159. Namentlich bei Verlusten aus Drittstaatsbetriebstätten muss gefragt werden, ob deren „Abschneiden“ entgegen den Rechtswertungen des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters (und den möglicherweise übereinstimmenden Rechtswertungen des Drittstaates) das Ergebnis einer fraglos nicht zwingenden Auslegung des DBA mit dem Sitzstaat der Gesellschaft sein sollte160. (2) Fehlende Besteuerung des Gewinntransfers Entscheidend gegen die „abkommensorientierte“ Auffassung spricht indessen die bislang in diesem Zusammenhang nahezu161 unbeachtet gebliebene Tatsache, dass der spätere Gewinntransfer innerstaatlich als Entnahme gewürdigt wird und daher nicht besteuert werden kann. Mit Blick auf den Gewinntransfer wird im Schrifttum lediglich die – oben verneinte – Frage erörtert, ob eine vom Sitzstaat der Gesellschaft erhobene Quellensteuer angerechnet werden könne. Das eigentliche Problem liegt indessen nicht in der – fehlenden – Anrechnungsmöglichkeit, sondern darin begründet, dass dem deutschen innerstaatlichen Mitunternehmerkonzept abkommensrechtlich eine zweistufige, dem Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften verpflichtete Besteuerung „übergestülpt“ wird. Denn diese zweistufige Besteuerung der Gesellschaft und des Gesellschafters ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Da der spätere Gewinntransfer nicht auch innerstaatlich entsprechend seiner DBA-rechtlichen Einordnung als Dividende besteuert wird und werden kann162, fehlt es gewissermaßen an der die (Körperschafts-)Besteuerung der Gesellschaft ergänzenden Besteuerung des Gesellschafters. Diese kann – entgegen dem insoweit konsequenten Petitum von Knobbe-Keuk163 – weder aus dem Regelungsgehalt eines DBA in das innerstaatliche Steuerrecht hineingelesen werden, noch könnte der Gesetzgeber sie für die in Frage stehenden Fälle in systemati-

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158 Dieses – grundsätzlich zu Recht – betonend etwa Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 1 Rn. 34b. 159 Vgl. zur „Benachteiligung“ durch das DBA infolge des Verlustausschlusses auch Daniels, a. a. O. (Fn. 123), S. 165. 160 Diese Frage stellt sich auch auf Basis der „anwenderstaatsorientierten“ Auslegung, sofern man bezüglich der Gewinne aus Drittstaatsbetriebsstätten der Ansicht von Krabbe, IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 753 (764) folgt (vgl. Fn. 132). 161 Vgl. allerdings Krabbe, IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 753 (763). 162 Dies ist auch nicht etwa eine deutsche Besonderheit, sondern systembedingt; vgl. auch die allgemeinen Ausführungen im Partnership Report (Fn. 2), zur Nichtsteuerbarkeit der „Entnahme“; Tz. 134 ff. zu Example 18. 163 Vgl. Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (313 ff.); dies., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 6), S. 551 ff. Das in seinem Ziel konsequente Petitum, auch innerstaatlich der DBA-Sicht zu folgen, ist mit dem Typenvergleich und dem Wortlaut der DBA unvereinbar.

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scher und gleichheitskonformer Weise anordnen; hierfür fehlt es nicht zuletzt an der rechtstatsächlichen Möglichkeit, eine Entnahme (Gewinntransfer) bestimmten über die Gesellschaft erzielten Einkünften zuzuordnen164. Die Zuordnung von Gewinnen zu einer intransparent besteuerten Gesellschaft findet innerstaatlich ebenso wie abkommensrechtlich indessen ihre innere Rechtfertigung in der systemimmanenten zusätzlichen Besteuerung von Gewinnausschüttungen auf der Ebene des Gesellschafters durch seinen Ansässigkeitsstaat165. Ohne diese zweite Besteuerung ist die Freistellung des innerstaatlich dem Gesellschafter zugerechneten Gewinnanteils mit der Begründung, dieser sei abkommensrechtlich der Gesellschaft zuzurechnen, unvollständig und damit in sich unschlüssig166. Die von der „abkommensorientierten“ Auffassung favorisierte Auslegung mag zu einer „harmonischen“ Anwendung der Abkommensvorschriften bezüglich der hybriden Gesellschaft führen; sie verfehlt indessen eine „harmonische“, nämlich systemgerechte Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter auf den systemimmanent notwendigen beiden Stufen in beiden Vertragsstaaten167. Ergänzend sei noch angemerkt, dass die fehlende Besteuerung des Gesellschafters beim Dividendenbezug Anreize zu unangemessener Steuerplanung setzen würde. So wäre es naheliegend, Betriebsstätten in NichtDBA-Staaten über eine in einem geeigneten DBA-Staat ansässige hybride Gesellschaft zu betreiben; anders als bei einer übereinstimmend intransparent besteuerten ausländischen Kapitalgesellschaft hätte der Investor den – systemwidrigen – Vorteil der Abschirmung bei der Gewinnentstehung ohne den Nachteil, spätere Gewinnausschüttungen besteuern zu müssen. Dieser Vorteil ist unangemessen, weil er nicht auf einer mit dem Betriebsstättenstaat vereinbarten Freistellung beruht168. Ähnliches würde

__________ 164 Dies wäre indessen etwa bei Eintritt oder Ausscheiden von Gesellschaftern notwendig. 165 Das der Höhe nach begrenzte Quellenbesteuerungsrecht des Sitzstaates der Gesellschaft nach Art. 10 Abs. 2 OECD-MA steht dem nicht gleich. 166 Hiergegen kann auch nicht eingewendet werden, dass Deutschland regelmäßig auch die dem Gesellschafter zugerechneten Betriebsstättengewinne aus dem anderen Vertragsstaat freistelle; denn diese (und nur diese) sollen aus deutscher Sicht zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einmal (und nur einmal) im Betriebsstättenstaat nach dessen Regeln besteuert werden (ggf. vorbehaltlich des deutschen Progressionsvorbehalts). 167 So jetzt auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688, unter ausdrücklicher Zustimmung zu dieser vom Verf. bereits vorab in IStR 2011, 91 (96) veröffentlichten Überlegung (vgl. BFH a. a. O., II. 2. a) bb), Tz. 20). 168 Anders liegt es im Falle vereinbarter Betriebsstätten-Freistellung, wenn der Betriebsstättenstaat von seinem Besteuerungsrecht nur in Höhe des (niedrigen) KSt-Satzes Gebrauch macht (vgl. dazu unter steuerplanerischen Aspekten Kollruss, StuW 2010, 381 ff.).

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für Einkünfte aus Vermögensverwaltung aus dem Sitzstaat oder aus Drittstaaten gelten169. Das alles sind auch nicht bloße „Folgeprobleme“170 der aus der Abkommensberechtigung der Gesellschaft abgeleiteten Einkünftezurechnung, sondern deren systematisch zwingendes Resultat. Daher wird die dieser Einkünftezurechnung zugrunde liegende These schon in ihrem Ausgangspunkt in Frage gestellt, wenn mit Blick auf die „Folgeprobleme“ eine teleologische Reduktion der Rechtsfolge namentlich des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz OECD-MA erwogen wird171. (3) Bedeutung der Abkommensberechtigung Gegen das hier befürwortete Auslegungsergebnis lässt sich auch nicht einwenden, dass damit die Abkommensberechtigung der Gesellschaft „rechtlich bedeutungslos“172 sei. So ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Eigenschaft einer Person als im anderen Vertragsstaat ansässig und abkommensberechtigt auch in anderen Fällen abweichender Zurechnung von Einkünften so gesehen „bedeutungslos“ bleibt, etwa bei abweichender Zurechnung in Treuhandfällen. Die „Bedeutungslosigkeit“ der Ansässigkeit einer Person im anderen Vertragsstaat ist nach hier vertretener Auffassung jedenfalls dann unproblematisch, wenn Deutschland diese Person – wie vorliegend – weder rechtlich, noch im wirtschaftlichen Ergebnis besteuert oder (mittelbar) belastet. Deutschland besteuert allein den inländischen Gesellschafter. Dessen Besteuerung hat auf den Gewinn der ausländischen Personengesellschaft keinerlei Einfluss, weder rechtlich noch wirtschaftlich. Genau das unterscheidet die hier erörterte Fallkonstellation von den (Inbound-)Fällen, in denen eine im Ausland intransparent besteuerte Gesellschaft in Deutschland steuerpflichtige Quelleneinkünfte erzielt. In diesen Fällen wird deutsche Quellensteuer zwar rechtlich zu Lasten der Gesellschafter erhoben. Wirtschaftlich wird aber – auch – die Gesellschaft belastet; denn die zivilrechtlich von ihr bezogenen Vergütungen (Dividenden, Lizenzen etc.) sind um die deutsche Quellensteuer gemindert. Das – und nur das – rechtfertigt es, die Abkommensberechtigung der in Deutschland an sich nicht steuerpflichtigen Gesellschaft zu beachten und auf die Gesellschafter „durchschlagen“ zu lassen173.

__________ 169 170 171 172

Vgl. näher Lüdicke, IStR 2011, 91 (95 f.). So jetzt aber Wassermeyer, IStR 2011, 85 (89, sub 7.). Vgl. dazu Wassermeyer, IStR 2011, 85 (90, sub 7.). Vgl. Vogel, IStR 1999, 5 (7); ihm jetzt folgend Wassermeyer, IStR 2011, 85 (86 ff., sub 4.); so auch noch Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 (460). 173 So im Ergebnis BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 2.1.2; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Rn. 33; Krabbe, IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 753 (757); Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 (459); nunmehr ebenso, aber einschränkend auf Gesellschafter, die selbst nach dem in Frage stehenden DBA mit dem Sitzstaat der Personen-

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Die beiden genannten Fallgruppen (Outbound- und Inbound-Konstellationen mit ausländischen hybriden Gesellschaften) sind daher scharf zu unterscheiden. Für die Outbound-Konstellation ist der „anwenderstaatsorientierten“ Auslegung des Abkommens nach allem der Vorzug zu geben. Deutschland ist nur zur Freistellung von Einkünften aus einer Betriebsstätte im Sitzstaat der Gesellschaft174 nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. dem im jeweiligen DBA enthaltenen Methodenartikel verpflichtet. (4) Anrechnung ausländischer Gewinnsteuer „Soweit die Freistellung der anteiligen Einkünfte des inländischen Gesellschafters nach dem jeweils anzuwendenden Methodenartikel entfällt,“ soll nach Ansicht der Finanzverwaltung „die anteilige auf den Gewinn der Gesellschaft erhobene ausländische Steuer nach § 34c Abs. 1 bzw. 2 i. V. m. Abs. 6 EStG zu berücksichtigen“ sein175. Diese Anordnung steht auf den ersten Blick in Übereinstimmung mit der Bejahung einer Anrechnungsverpflichtung im Partnership Report176. Mit Blick auf den Regelungsgehalt des § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG erscheint indessen namentlich die Anrechnung (bzw. ein Abzug) der vom Sitzstaat in Übereinstimmung mit dem DBA auf Einkünfte aus Betriebsstätten in Drittstaaten erhobenen Steuern nicht unproblematisch177. Für die Praxis wäre es daher hilfreich, wenn die Finanzverwaltung die Reichweite der von ihr im Grundsatz zu Recht bejahten Anrechnungsverpflichtung klarstellen würde. dd) Veräußerungsgewinne Der BFH hat den Meinungsstreit über die Besteuerung des Gesellschafters einer in ihrem Sitzstaat intransparent besteuerten Gesellschaft jüngst wieder in einem AdV-Verfahren unentschieden gelassen, in dem es um das deutsche Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer ausländischen, dort als intransparent besteuerten

__________

174 175 176 177

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gesellschaft abkommensberechtigt sind, Wassermeyer, IStR 2011, 85 (86 ff., sub 4.). Nicht zu diskutieren ist an dieser Stelle, ob der Gesellschaft als solcher ein eigener Erstattungsanspruch zusteht (so BMF a. a. O., Tz. 2.1.2; ähnlich wohl auch die derzeitige österreichische Praxis, vgl. EAS 3168 v. 21.6.2010) oder ob sie richtigerweise nur die Erstattungsansprüche ihrer in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter geltend machen kann. Zu möglichen Ausnahmen bei Drittstaatseinkünften vgl. oben Fn. 132. Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.1. Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Tz. 139 zu Example 18. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Lüdicke, IStR 2011, 91 (97); ferner können die sog. „Quellenregeln“ in einzelnen deutschen DBA (vgl. Fn. 132) auch für die Anrechnungsverpflichtung Bedeutung erlangen.

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Gesellschaft (einer spanischen KG) ging178. Allerdings ist die Ausgangslage hier eine andere als bei der laufenden Besteuerung. Der Sitzstaat der dort intransparent besteuerten Personengesellschaft nimmt die Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft durch den Gesellschafter an, sieht sich indessen an deren Besteuerung durch eine dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechende DBA-Bestimmung gehindert. Somit steht von vornherein nicht die Vermeidung einer Doppelbesteuerung, sondern allenfalls die Frage einer doppelten Nichtbesteuerung zur Debatte. Da Deutschland die Gesellschaft als transparent behandelt, ist es nach Maßgabe des Methodenartikels zur Freistellung des Veräußerungsgewinns verpflichtet, soweit dieser auf Betriebsstättenvermögen im Sitzstaat der Gesellschaft entfällt179. Der Partnership Report sucht die doppelte Nichtbesteuerung durch die in dem Report entwickelte neuartige Auslegung des Methodenartikels zu vermeiden180. Der BFH hat in dem eingangs erwähnten AdV-Beschluss – jedenfalls für früher abgeschlossene Abkommen – erhebliche Zweifel an der neuen OECD-Lesart geäußert181. Infolge der ausdrücklichen Anordnung in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, wonach in derartigen Fällen die Freistellung unterbleibt, dürfte es sich allerdings weitgehend um ein Übergangsproblem für vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift erfolgte Veräußerungen handeln182. Die umstrittene Bestimmung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG kann hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Im vorliegenden Zusammenhang ist lediglich festzuhalten, dass sie nicht jegliche doppelte Nichtbesteuerung des Gewinns aus der Veräußerung einer ausländischen hybriden Personengesellschaft sicherstellt. So bleibt es bei einer im DBA vorgesehenen Freistellung des Gewinns, soweit er auf eine Betriebsstätte im Sitzstaat der Gesellschaft entfällt, wenn der Sitzstaat den Veräußerungsgewinn schon nach innerstaatlichem Steuerrecht nicht besteuert, etwa weil eine hierfür erforderliche Beteiligungsquote nicht erreicht ist183.

__________ 178 BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, IStR 2010, 530 (sub II.3.b)cc)aaa)), m. Anm. Wassermeyer. 179 Die im DBA für laufende Einkünfte vereinbarte Methode gilt gewöhnlich gleichermaßen für Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsstättenvermögen i. S. d. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 180 Vgl. Partnership Report (Fn. 2), Tz. 110 zu Example 14. 181 BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, IStR 2010, 530 (sub II.4.b)bb)bbb)). 182 Die Anwendung der Vorschrift nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens setzt die – hier nicht weiter zu erörternde – innerstaatliche Wirksamkeit als treaty override voraus. 183 Entsprechend § 17 EStG vor Einführung der Abgeltungsteuer.

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b) Ausländisches Rechtsgebilde ist dort kein Steuerrechtssubjekt aa) Problemstellung und Meinungsstand Der aus der Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters seltenere Fall von Qualifikationskonflikten tritt ein, wenn das ausländische Rechtsgebilde nach dem Typenvergleich als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln ist, während es im ausländischen Sitzstaat nach dessen Regeln, sei es allgemein oder nur auf Antrag, als transparent behandelt wird. Nach dem ausländischen Steuerrecht wird der Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters im Zeitpunkt seiner Entstehung versteuert. Nach der – kaum überzeugenden – neuen Lesart im Partnership Report184 muss der ausländische Staat keine Begrenzungen seines Besteuerungsrechts aus dem DBA mit Deutschland beachten, weil Deutschland die Einkünfte abweichend nicht dem Gesellschafter, sondern dem ausländischen Rechtsgebilde zurechnet. Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts stellen sich die folgenden Fragen: Ist der Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters zum Zeitpunkt seiner Entstehung nach dem DBA freizustellen, ggf. unter Progressionsvorbehalt? Kann eine von dem Gesellschafter nach deutscher Rechtswertung bezogene Dividende nach dem DBA besteuert werden? Sind im Falle der Besteuerung eine ausländische Quellensteuer und die im Ausland zum Zeitpunkt der Gewinnentstehung erhobene Steuer anzurechnen? Brigitte Knobbe-Keuk hat auf der Basis ihrer Grundüberzeugung, dass die Abkommensregelung in Bezug auf den Status einer Gesellschaft der innerstaatlichen Sichtweise nach dem Typenvergleich vorgehe, dafür plädiert, die Gewinne der Gesellschaft allein der Abkommensregelung über die Unternehmensgewinne zu unterstellen und sie wie einen ausländischen Betriebsstättengewinn steuerfrei zu belassen. Der Progressionsvorbehalt sei anzuwenden, und zwar folgerichtig im Zeitpunkt der Freistellung des Gewinns, mithin bei seiner Entstehung185. Bedeutung hat diese Sichtweise auch im Falle von Verlusten der ausländischen Gesellschaft, die nach Knobbe-Keuk aufgrund der vorrangigen DBA-Regelung über den Status der ausländischen Gesellschaft ebenfalls anteilig dem inländischen Gesellschafter zuzurechnen und ggf. unter Progressionsvorbehalt freizustellen seien186. Diese in sich zunächst schlüssige und mit der Sicht des Vertragsstaates harmonierende Sicht hat sich in Deutschland nicht durchgesetzt187.

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184 185 186 187

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Dazu oben unter III.3.a). RIW 1991, 306 (316). A. a. O. Die Anwendung des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA bejahend – freilich ohne Bezugnahme auf die von Knobbe-Keuk gegebene Begründung – Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785); Mensching, IStR 2008, 687 (689).

Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht

Eine Bindung Deutschlands an die Behandlung der Gesellschaft in ihrem Sitzstaat ist – anders als im oben diskutierten umgekehrten Fall – in der Tat wohl noch weniger überzeugend zu begründen, denn hier besteuert der Sitzstaat die Gesellschaft gerade nicht als Körperschaftsteuersubjekt und räumt ihr mithin keinen besonderen Status188 als abkommensberechtigte Person ein. Es ist strukturell etwas anderes, ob die Gesellschaft in ihrem Sitzstaat steuerpflichtige und damit abkommensberechtigte Person ist oder nicht. Im Übrigen lässt sich auch hier die Maßgeblichkeit des DBA für die Einkünftezurechnung nach innerstaatlichem Steuerrecht beim Eintritt und Austritt eines Gesellschafters kaum stringent durchhalten. Erzielt ein Gesellschafter nach seinem Eintritt eine Dividende aus Gewinnen, welche die Gesellschaft vor seinem Eintritt thesauriert hat, müssten diese Dividenden in Deutschland wohl schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als solche erfasst werden, auch wenn dies der Grundthese Knobbe-Keuks widerspricht. Werden, gestützt auf die Grundthese, einem Gesellschafter für deutsche Besteuerungszwecke Gewinnanteile zugerechnet, die er mangels einer Dividendenzahlung vor seinem Ausscheiden tatsächlich nicht mehr erhält, würde der Umfang der Steuerpflicht gegenüber dem abkommenslosen Zustand ausgeweitet. Der BFH ist im Jahre 2008 einen anderen Weg gegangen189. Er hat im Fall einer US-amerikanischen LLC, die dort transparent besteuert wurde190, ausschließlich die nach deutschem innerstaatlichem Steuerrecht zugeflossene Dividende am DBA gemessen. Die Dividende unterfiel nicht der Regelung des Dividendenartikels191, weil die LLC infolge ihrer Transparenz in den USA nicht ansässig war192. Auch die Bestimmung über Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) wurde im Ergebnis zutreffend für nicht anwendbar gehalten193. Dies ist freilich – entgegen der Ansicht des BFH194 – nicht darauf zurückzuführen, dass das Unternehmen in den USA von der LLC und nicht von dem inländischen Gesellschafter betrieben wird; denn die LLC scheidet schon deswegen abkommensrechtlich als Betreiber des Unternehmens aus, weil sie keine in einem Vertragsstaat ansässige Person ist. Richtig ist allerdings, dass auch der deutsche Gesell-

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188 Vgl. zu dieser Begründung Knobbe-Keuks im umgekehrten Fall oben bei Fn. 117. 189 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; dazu eingehend Lüdicke in Lang/Pistone/Schuch/Staringer/Storck/De Broe/Essers/Kemmeren/Vanistendael, Tax Treaty Case Law around the Globe – 2011, Wien 2011, S. 83 ff. 190 Mangels diesbezüglicher Feststellungen der Vorinstanz wurde dies für die Auslegung des Abkommens unterstellt. 191 Art. 10 OECD-MA. 192 Besonderheiten des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-USA 1989 sind hier nicht von Interesse. 193 So jetzt auch Wolff in Debatin/Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rn. 77. 194 Zutreffend Panzer/Gebert, IStR 2008, 813 (814); Wittkowski/Kleinknecht, IWB Fach 3 Gruppe 2 S. 1403 (1411).

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schafter aus deutscher Sicht das Unternehmen nicht betreibt195. Dies würde übrigens selbst dann gelten, wenn der deutsche Gesellschafter hier ein eigenes Unternehmen hätte, in dem die Beteiligung an der LLC gehalten wird; denn auch in diesem Fall würde er innerhalb seines Unternehmens eine Dividende und nicht einen Gewinn in einer ausländischen Betriebsstätte dieses Unternehmens erzielen. Letztlich hat der BFH andere Einkünfte im Sinne des Artikels 21 DBA-USA angenommen, die Deutschland uneingeschränkt besteuern konnte196. bb) Anrechnung der Steuer im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters Bis dahin ist der Entscheidung zu folgen – und an dieser Stelle endet sie auch. Die offizielle Pressemitteilung des BFH zu diesem Urteil führt allerdings zusätzlich aus: „Die Entscheidung des BFH kann also eine Doppelbesteuerung zur Folge haben, die allerdings durch Anrechnung der in den USA gezahlten Steuer auf die deutsche Steuerfestsetzung abgemildert wird“197. (Es ist nicht ersichtlich, ob der entscheidende Senat diese Erklärung – gewissermaßen als obiter dictum – autorisiert hat.) Das Urteil musste sich zur Anrechnung der amerikanischen Steuer auf den Gewinnanteil des deutschen Gesellschafters schon deswegen nicht äußern, weil das Finanzamt diese Steuer offenbar tatsächlich angerechnet hatte198. Im Schrifttum wird für eine Anrechnung der ausländischen Steuer plädiert199. Die Finanzverwaltung scheint nicht von einer Verpflichtung zur Anrechnung der ausländischen Steuer auszugehen; ausdrücklich angesprochen wird in dem BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften nur eine ausländische Quellensteuer auf die Dividende, die aber wegen der von dem ausländischen Staat angenommenen Transparenz gerade nicht anfallen wird200.

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195 Das Unternehmen wird somit von keiner in einem der beiden Vertragsstaaten ansässigen und damit abkommensberechtigten Person betrieben; dasselbe wäre der Fall, wenn die Gesellschaft – bei identischer Qualifikation durch beide Vertragsstaaten – ihren Sitz in einem Drittstaat (ohne DBA) hätte; a. A. Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785, Unternehmen des deutschen Gesellschafters). 196 Zustimmend Chr. Schmidt, Ubg 2009, 112; Wassermeyer, Status Recht 2008, 375. 197 Pressemitteilung des BFH v. 22.10.2008, Nr. 97/08 (www.bundesfinanzhof.de/ pressemitteilungen). 198 Es wollte hiervon allerdings im ersten Rechtsgang vor dem FG BadenWürttemberg offenbar wieder abrücken; vgl. FG Baden-Württemberg v. 17.3.2008 – 4-K-59/06, IStR 2008, 668 (sub 1.c)). 199 Vgl. etwa Debatin, BB Beilage 2/1989, 9; Wied in Blümich, EStG, § 34c Rn. 35; Haase, IStR 2010, 45 (47); bejahend auch Gosch, BFH/PR 2009, 35 (36, aus Billigkeitsgründen); Wassermeyer, IStR 1995, 49 (51, aus Billigkeitsgründen); wohl auch Wolff in Debatin/Wassermeyer, Art. 23 DBA-USA Rn. 296. 200 Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.1.4.2; BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411, Tz. VI.2.a).

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Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht

Der Partnership Report, der in seinem III. Teil201 die mögliche Verpflichtung des Ansässigkeitsstaates zur Anrechnung der Steuer des anderen Vertragsstaates in einer Vielzahl von Konstellationen behandelt, in denen es zu Qualifikationskonflikten kommt, erwähnt gerade die hier erörterte Fragestellung nicht. Das erscheint umso bemerkenswerter, als die Grundkonstellation der im Quellenstaat transparenten und vom Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als intransparent behandelten Gesellschaft im Example 14 untersucht wird, allerdings nur im Hinblick auf die unterschiedliche Besteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils202. Anhand dieses Beispiels verdeutlicht der Partnership Report die neue Lesart des Art. 23 OECD-MA, wonach der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters den von ihm angenommenen Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entgegen seiner eigenen Rechtswertung freistellen oder die Steuer des Sitzstaates der Gesellschaft anrechnen muss, welche letzterer aufgrund seiner Sichtweise nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA erhebt, weil er von der anteiligen Veräußerung von Betriebsstättenvermögen ausgeht. Es wäre voreilig, diese von der OECD propagierten Grundsätze, selbst wenn man sie – wie die deutsche Finanzverwaltung203 – für richtig hält und auch auf früher abgeschlossene DBA anzuwenden bereit ist, ohne weiteres auf den hier interessierenden Gewinn- bzw. Dividendenbezug zu übertragen. Im Hinblick auf den von der OECD behandelten Veräußerungsgewinn steht außer Frage, dass beide Staaten in der Sache den nämlichen Gewinn in der Hand desselben Steuerpflichtigen besteuern; sie sind lediglich unterschiedlicher Meinung über die steuerliche Qualifikation des Veräußerungsgegenstandes, sei es als Gesellschaftsanteil, sei es als Anteil an den Wirtschaftsgütern. Anders ist die Lage bei der laufenden Besteuerung, obwohl auch hier beide Staaten den Gesellschafter als den Erzieler der Einkünfte in Anspruch nehmen. Der Sitzstaat der Gesellschaft besteuert in der Hand des Gesellschafters den von der Gesellschaft erzielten Gewinn im Zeitpunkt seiner Entstehung. Davon abweichend besteuert der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die von diesem bezogene Dividende, mithin ein aliud. Der Kern der Problematik liegt in Folgendem: Aus der Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters ist die bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften übliche wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu erwarten. Diese tritt auch in gewisser Weise ein, wenngleich der Sitzstaat der Gesellschaft nicht diese, sondern ihren Gesellschafter für die Besteuerung

__________ 201 Partnership Report (Fn. 2), Tz. 93 ff., ab Example 13. 202 Vgl. allgemein Example 14, Tz. 107. 203 Vgl. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 4.2.1 i. V. m. 4.1.4.2.

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des Gewinns der Gesellschaft in Anspruch nimmt. Die aus der Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat vorliegende wirtschaftliche Doppelbesteuerung mag Anlass zu Maßnahmen nach Maßgabe des nationalen Steuerrechts zu deren Abmilderung sein (Teileinkünfteverfahren, Beteiligungsertragsbefreiung204). Die DBA vermeiden demgegenüber die internationale wirtschaftliche Doppelbesteuerung in derartigen Fällen nicht205. Anders stellt sich die Lage naturgemäß aus der Sicht des Sitzstaates der Gesellschaft dar. Allerdings liegt auch aus dessen Sicht kein Fall der üblichen rechtlichen Doppelbesteuerung vor, denn die Besteuerung des in der Gesellschaft entstehenden Gewinns und die Besteuerung der bezogenen Dividenden können zwar zufällig betragsmäßig und zeitlich zusammenfallen, sind jedoch im Ausgangspunkt etwas Unterschiedliches. Es wäre interessant zu erfahren, wie der Steuerausschuss der OECD die auf der zutreffenden Rechtsanwendung des Quellenstaates beruhende Verpflichtung des Ansässigkeitsstaates zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in dieser Fallkonstellation sieht. Wenn man der Sichtweise folgt, dass aus deutscher Sicht eine internationale wirtschaftliche Doppelbesteuerung vorliegt und die Anrechnung der auf die Gewinnentstehung erhobene Steuer des Quellenstaates daher im Grundsatz nicht angezeigt ist, könnte dennoch eine Billigkeitsmaßnahme erforderlich sein, um die Besteuerung auf das aus deutscher Sicht angemessene Gesamtmaß zu verringern. Denn die von der Gesellschaft an den Gesellschafter gezahlte „Dividende“ (so die deutsche Rechtswertung) wird mangels eigener Steuerbelastung der in ihrem Ansässigkeitsstaat als transparent behandelten Gesellschaft grundsätzlich deren Bruttogewinn repräsentieren. Demgegenüber zahlt eine übereinstimmend als Steuersubjekt behandelte Gesellschaft ihre Dividenden aus dem Nettogewinn nach (Körperschaft-)Steuer. Für US-amerikanische S-Corporations, bei denen ein vergleichbares Problem besteht, ist nach einer Verfügung der OFD Berlin206 die steuerpflichtige Dividende aus Billigkeitsgründen um einen Betrag in Höhe der fiktiven ausländischen Körperschaftsteuer zu mindern. Der für diesen Fall gewiesene Weg der pauschalen Minderung der Dividende erscheint in der Sache durchaus gerechtfertigt207.

__________ 204 Vgl. § 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 1 KStG. 205 Eine Anrechnungsverpflichtung infolge Zuordnungskonflikts bejahend aber Wolff in Debatin/Wassermeyer, Art. 23 DBA-USA Rn. 296. 206 OFD Berlin v. 21.1.2003, IStR 2003, 138. 207 A. A. Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (786); wie hier wohl Peter, RIW 2009, 819 (823).

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IV. Gewerbliche Prägung und DBA-Recht Bis heute streitig und jüngst durch den BFH208 abweichend von der Finanzverwaltung209 beurteilt ist die Frage, ob die in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG normierte gewerbliche Prägung einer lediglich vermögensverwaltenden Personengesellschaft abkommensrechtlich das Erzielen von Unternehmensgewinnen im Sinne des Art. 7 OECD-MA zur Folge hat. Brigitte Knobbe-Keuk210 hat dies unter Berufung auf den im DBA-Kommentar von Klaus Vogel211 propagierten „gemeineuropäischen Begriff“ gewerblicher Tätigkeiten abgelehnt212. Die von der deutschen Finanzverwaltung bislang hartnäckig213 vertretene Gegenauffassung hätte in Inbound-Fällen eine ungebührliche Ausweitung des deutschen Besteuerungsrechts zur Folge. Ebenso wie bei den bereits dargestellten Sondervergütungen geht hiermit freilich kein – in gewisser Weise symmetrischer – Besteuerungsverzicht in Outbound-Fällen mehr einher, wie er Anfang der neunziger Jahre von Knobbe-Keuk noch konstatiert werden konnte214. Sofern der andere Vertragsstaat keine Unternehmenseinkünfte und daher auch kein Besteuerungsrecht nach Betriebsstättengrundsätzen annimmt, sondern sich nach den danach anzuwendenden anderen Verteilungsnormen des DBA an einer Besteuerung gehindert sieht, würde Deutschland die Einkünfte entgegen der sich nach der Lesart der Finanzverwaltung an sich aus dem DBA ergebenden Verpflichtung infolge der Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht freistellen. Die daraus resultierende deutsche Besteuerung würde mangels ausländischer Steuer nicht gemindert. Nachdem der BFH215 überzeugend und in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum begründet hat, dass die Geprägegesetzgebung nicht auf Art. 7 OECD-MA durchschlägt, sollte der Gesetzgeber sich nicht – wie hinsichtlich der abkommensrechtlichen Einordnung der

__________

208 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525 ff. (sub II.2.b)dd), Tz. 21–23), m. Anm. Gebert/Schmitz; vgl. auch Buciek, FR 2010, 907; Gosch, BFH/PR 2010, 351; Chr. Schmidt, IStR 2010, 520; Pinkernell, IStR 2010, 785 (786 f.); Brodersen/Duttiné, BB 2010, 1901; Letzgus, Ubg 2010, 513; Peter, SWI 2010, 579. 209 Vgl. u. a. BMF v. 16.4.2010 (Fn. 3), Tz. 2.2.1; BMF (Betriebsstättenerlass) v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.5.1. 210 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 6), S. 545 f. 211 Hemmelrath in Vogel, DBA, 2. Aufl. 1990, Art. 7 Rn. 23; ders. in Vogel/ Lehner, DBA, Art. 7 Rn. 30. 212 Vgl. zu dem gewerbesteuerlichen (!) Hintergrund des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auch BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464 (465, sub I.1.c)). 213 Vgl. Fn. 209. 214 Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (Fn. 6), S. 546. 215 BFH v. 28.4.2010, a. a. O. (Fn. 208), mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand; ebenso jetzt BFH v. 4.5.2011 – II R 51/09, IStR 2011, 635; vgl. auch Herlinghaus, BFH/PR 2011, 399.

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Sondervergütungen216 – dazu hergeben, das von der Finanzverwaltung bislang favorisierte, aber systematisch unzutreffende Auslegungsergebnis gesetzlich festzuschreiben217. Es ist insofern ein gutes Zeichen, dass das BMF jedenfalls das JStG 2010 nicht für entsprechende Vorschläge genutzt hat218. Die vorstehende Beurteilung gilt ungeachtet der Tatsache, dass infolge der nun vom BFH vertretenen Sichtweise gewerblich geprägte inländische Personengesellschaften wohl nicht mehr planungssicher zur Vermeidung einer ansonsten drohenden Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG eingesetzt werden können219. Sofern der Gesetzgeber hier Handlungsbedarf zugunsten wegzugswilliger Steuerpflichtiger sieht, sollte er dem punktgenau in § 6 AStG, nicht jedoch bei der DBA-rechtlichen Qualifizierung aller gewerblich geprägten Personengesellschaften Rechnung tragen220.

V. Schlussbemerkung Brigitte Knobbe-Keuk griff in ihren Vorträgen221 gern die Geschichte von dem Professor auf, der darauf angesprochen wird, dass er bei der Examensprüfung dieselben Fragen wie im Vorjahr stelle. Seine wenig überraschende Antwort lautete bekanntlich: „Die Fragen sind in jedem Examen die gleichen. Aber in jedem Jahr sind andere Antworten richtig.“ Die von Brigitte Knobbe-Keuk im Jahr 1991 in der RIW behandelten Fragen sind sämtlich noch aktuell. Es ist ein großer Verlust, dass sie die Diskussion nicht mehr mit uns führen kann. So ist es an uns, die heute richtigen Antworten zu finden. Hierzu sollen obige Ausführungen beitragen.

__________ 216 Vgl. zu § 50d Abs. 10 EStG oben unter II. 3. 217 Zu aufkommensmäßigen Gründen dafür vgl. Chr. Schmidt, IStR 2010, 520 (521). 218 Eine endgültige Entscheidung der Finanzverwaltung zum Umgang mit dem BFH-Urteil v. 28.4.2010 (Fn. 208) steht noch aus; im BMF wird offenbar ein Zusammenhang mit dem Urteil v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32, zu § 50d Abs. 10 EStG gesehen; vgl. Müller-Gatermann in Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, Köln 2011, S. 218 ff. 219 Vgl. bereits Brandenberg, BB 2008, 864 (868 f.), sowie die Kontroverse zwischen Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68, und Schönfeld, IStR 2011, 142. 220 Die Lage erinnert an die Schaffung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, um gewerblich geprägte Personengesellschaften als „sinnvolles Gestaltungsinstrument“ zu erhalten; dazu kritisch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 374 ff. (375). 221 Sowie im Vorwort zur neunten Auflage ihres Standardwerkes „Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht“ (Fn. 6), S. V.

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Die Personengesellschaft im Steuerrechtsvergleich Inhaltsübersicht I. Einführung II. Einkommensbegriff, Realisationsprinzip und subjektive Steuerpflicht 1. Der Rahmen 2. Zur Wahl zwischen den alternativen Regelungsmodellen 3. Konsequenzen der transparenten Besteuerung III. Die Teilhaber der Gesellschaft und die Zurechnung von Einkünften 1. Die Stellung als Partner in der Gesellschaft

2. Privatautonome Verteilung von Gewinnanteilen IV. Differenzierungen zwischen Einkunftsarten und ihre Folgen bei der Besteuerung von Personengesellschaften 1. Der Dualismus der Einkunftsarten 2. Die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschafter V. Gleichwertigkeit der Einkunftsarten und Gestaltungsfreiheit der Steuerpflichtigen

I. Einführung Die Personengesellschaft gehört – seit ihren römisch-rechtlichen Ursprüngen im Schuldverhältnis der societas1 – zu den weltweit anzutreffenden Organisationsformen wirtschaftlichen Handelns2. Als Rechtsrahmen für die gemeinschaftliche Erzielung von Einkünften bildet sie zugleich eine Herausforderung für jede Einkommensteuergesetzgebung, deren Aufgabe darin besteht, die Leitlinien der Zurechnung, Ermittlung und Besteuerung kollektiv erwirtschafteter Vermögenszuwächse zu definieren3. Dabei scheint die Grundfrage immer und überall dieselbe zu sein: In welchem Umfang werden steuerliche Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen auf der Ebene der Gesellschaft verankert und in welchem Umfang stehen die einzelnen Gesellschafter und die von ihnen verwirklichten Tatbestandsmerkmale im Vordergrund der Betrachtung. In Deutschland

__________ 1 Zu den Wurzeln der modernen Gesellschaftsrechtsformen: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, 1. Bd., 1891, § 9 III, S. 254 ff. 2 Zum gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleich siehe knapp: Kulms, R., Stichwort „Personengesellschaft“ in: Basedow, J./Hopt, K./Zimmermann, R. (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2. Bd., S. 1146 ff. 3 Zum steuerrechtlichen Rechtsvergleich siehe: Ault, H./Arnold, B., Comparative Income Taxation, 3. Aufl., 2010, S. 415 ff.; Spengel, C./Schaden, M./Wehrße, M., StuW 2010, 44 ff.

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wird diese Dichotomie traditionell als „Dualismus“ aus „Einheit und Vielheit“4 bezeichnet, in den Vereinigten Staaten geht es um das entity versus aggregate treatment5, die Franzosen kennen nicht nur den Gegensatz aus transparence und opacité, sondern haben auch Zwischenformen der semi-transparence oder der translucidité identifiziert6. Dieser Gemeinsamkeit in der abstrakten Ausgangsproblematik entspricht jedoch – wie sich an vielen Beispielen zeigen lässt – keine Homogenität in den konkreten gesetzlichen Festlegungen oder gerichtlichen Entscheidungslinien, und zwar weder in der zentralen Weichenstellung einer subjektiven Steuerpflicht der Personengesellschaft, noch an den vielen nachfolgenden Weggabelungen, auf welche man in der Anwendung einer konkreten Einkommensteuerrechtsordnung auf den Sachverhalt der Personengesellschaft stößt. Skeptisch formuliert: Die allgemeine Redeweise von einem Dualismus aus Einheit und Vielfalt mag als heuristische Formel einen ersten Zugang zu den eigentlichen Sachproblemen ermöglichen; letztlich ersetzt oder erleichtert sie nicht die juristische Antwort. Wenn es aber die Fülle der Einzelthemen ist, an denen sich die eigentlichen Sachentscheidungen der deutschen Steuerrechtsordnung und anderer Jurisdiktionen ablesen lassen, dann stellt sich die Frage, ob es neben den historisch-politischen Traditionen der jeweiligen Staaten einen allgemeinen Hintergrund gibt, vor dem diese Sachentscheidungen verstanden und bewertet werden können. Nur dann – so meine Vermutung – lässt sich auch die Überzeugungskraft einer Lösung würdigen und lassen sich Schlüsse für das eigene Recht ziehen. Mein Ergebnis – um dies vorab mitzuteilen – besteht darin, dass die Personengesellschaft als solche in den meisten Fällen nicht den problematischen Tatbestand bildet, sondern die Sachfragen primär aus Differenzierungen und Brüchen herrühren, die der Gesetzgeber oder die Gerichte an anderen Orten verursachen. Diese Differenzierungen und Brüche müssen für sich betrachtet und bewältigt werden und können daher auch nicht mit einem pauschalen Urteil über die Personengesellschaft in die eine oder andere Richtung – Einheitsbetrachtung versus Vielheitsbetrachtung – in den Griff genommen werden. Die Rechtsfigur der Personengesellschaft – so meine These – wirkt lediglich als Verstärker dieser Konflikte, weil sie nunmehr auf zwei Ebenen bewältigt werden müssen.

__________ 4 Siehe etwa Wacker, R. in: Schmidt, L. (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 30. Aufl., 2011, § 15 EStG Rn. 163 m. w. N.; rechtspolitisch zum Trennungsprinzip vs. Transparenzprinzip: Hennrichs, J., FR 2010, 721 ff.; Prinz, U., FR 2010, 736 ff. 5 Cunningham, L./Cunningham, N., The Logic of Subchapter K, 3. Aufl., 2006, S. 7 f.; Lipton, R./Carman, P./Fassler, C./Schwidetzky, W., Partnership Taxation, 2. Aufl., 2008, S. 24 f. 6 Cozian, M., Les grands principes de la fiscalité des enterprises, 4. Aufl., 1999, doc. 20.

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II. Einkommensbegriff, Realisationsprinzip und subjektive Steuerpflicht Den Hintergrund im allgemeinen Einkommensteuerrecht möchte ich zunächst mit einer scheinbar einfachen Frage ausleuchten: Was wäre das Ergebnis, wenn eine Steuerrechtsordnung dem Phänomen der Personengesellschaft schlicht keinerlei gesetzlichen Vorschriften widmen würde? Welche allgemeinen Grundsätze der Einkommensbesteuerung würden eingreifen – und weshalb sehen alle Rechtsordnungen Anlass, dies nicht zuzulassen, sondern besondere Regelungen zu treffen? 1. Der Rahmen Den Ausgangspunkt bildet das traditionelle Modell einer idealen Einkommensbesteuerung, die sämtliche Vermögenszuwächse einer natürlichen Person erfasst und einem allgemeinen Einkommensteuertarif unterwirft7. In einem solchen Modell bestünde auf den ersten Blick kein Bedarf nach Sonderregelungen für Personengesellschaften (und übrigens auch nicht für Kapitalgesellschaften). Es würde ausreichen, für jede natürliche Person den jährlichen Zuwachs finanzieller Leistungsfähigkeit festzustellen, der sich neben vielen anderen Einkunftsteilen auch in ausgezahlten oder einbehaltenen Gewinnen einer Personengesellschaft, in Wertsteigerungen des Gesellschaftsanteils oder in Entgelten für Gesellschafterleistungen an die Personengesellschaft niederschlagen kann. Man müsste schlicht im Rahmen einer konsequenten Individualbesteuerung die jeweilige Erhöhung des verfügbaren Vermögens messen, um eine vollständige Abbildung des subjektiven Einkommens zu erhalten. Eine solche Verfahrensweise wird – in sämtlichen Rechtsordnungen – durch das Realisationsprinzip verhindert8. Denn viele der erwähnten Vermögensmehrungen – namentlich einbehaltene Gewinne oder latente Wertsteigerungen des Gesellschaftsvermögens – sind auf der Ebene des Gesellschafters noch nicht realisiert. Hier greifen zu seinen Gunsten die zentralen Rechtfertigungen des Realisationsprinzips: die Schwierigkeit in der Bewertung unrealisierter Gewinne sowie die mangelnde Liquidität der Vermögensmehrungen. Dies gründet sich auf eine doppelte Besonderheit der Gesellschaftsbeteiligungen gegenüber den meisten anderen Vermögenswerten: zum einen die Entnahmeschranken des Gesellschaftsrechts und der Gesellschaftsverträge, die einen unmittelbaren Zugriff des Gesellschafters auf die offenen oder latenten Wertsteigerungen des Gesellschaftsvermögens verhindern9, und zum anderen die mangelnde Fassbarkeit der

__________ 7 Tipke, K., Die Steuerrechtsordnung, Bd. 2, 2. Aufl., 2003, § 12.4.2, S. 623 ff. 8 Zum Realisationsprinzip Schenk, D., 57 Tax Law Review (2003), 355 ff. 9 Siehe dazu bereits Schön, W., StuW 1988, 253 ff., 257 ff.

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latenten Wertänderungen, die der Sachinbegriff des gesellschaftsrechtlich verfassten Unternehmens als solcher im Laufe einer Besteuerungsperiode erfährt. Dies scheint in einem ersten Schritt dafür zu sprechen, auf der Ebene der Steuerpflicht des Gesellschafters primär nur ausgezahlte und damit liquide, bezifferbare Gewinnanteile zu erfassen. Doch bringt dies – wiederum sowohl für Personengesellschaften als auch für Kapitalgesellschaften – die Problematik mit sich, dass kollektiv erwirtschaftete, aber thesaurierte Gewinne einer sofortigen Besteuerung entgehen würden, während individuelle Steuerpflichtige – der Einzelunternehmer – auch für nicht entnommene Gewinne Steuern zahlen müssen10. Zur Herstellung von Wettbewerbsgleichheit müsste ein Staat daher entweder auch beim Einzelunternehmer vollständig auf die Besteuerung nicht entnommener Gewinne verzichten (das wäre der Einstieg in die Konsumsteuer) oder eine Regelungstechnik verwenden, die eine zeitgerechte Erfassung nicht entnommener Gewinne ermöglicht. In Deutschland, aber auch in anderen Ländern werden für die Erfassung nicht entnommener Gewinne vier paradigmatische Regelungsmodelle genutzt: – die Erhebung der Gesellschaft zum Steuersubjekt – das ist das Modell der Körperschaftsteuer; – die unmittelbare Zurechnung der Gewinne an die Gesellschafter unabhängig von Entnahmerechten – das ist das Modell der transparenten Besteuerung von Personenmehrheiten im Rahmen des Einkommensteuerrechts; – die Fiktion der Ausschüttung einbehaltener Erträge bei gleichzeitiger Nichtbesteuerung des Kollektivs – das ist das Modell des Investmentsteuerrechts für offene Fonds; – oder der gesetzliche Zwang zur Ausschüttung wesentlicher Erträge – das ist das Modell der REIT-Gesetzgebung für Immobilien-Kapitalgesellschaften. 2. Zur Wahl zwischen den alternativen Regelungsmodellen Dies führt zu der ersten maßgeblichen Frage der Steuergesetzgebung im Personengesellschaftsrecht: der nach der Wahl des jeweiligen Regelungsmodells für die Erfassung nicht ausgeschütteter Gewinne bei den einzelnen Gesellschaftstypen. Die deutsche Lösung ist bekannt: Personengesellschaften des Zivil- und des Handelsrechts unterliegen dem transparenten Regime des Einkommensteuerrechts, Kapitalgesellschaften sind körper-

__________ 10 Siehe bereits Becker, Enno, StuW 1933, 1138 ff., 1158 ff.

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schaftsteuerpflichtig11. Ähnlich formal unterscheiden im Ausgangspunkt fast alle Rechtsordnungen, z. B. das britische12 und US-Recht13 zwischen partnership und company oder corporation sowie das französische14 oder italienische Recht15. Dies gilt in den meisten Staaten auch für Personengesellschaften mit beschränkter Haftung, z. B. die Kommanditgesellschaft in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Die Legitimität dieser klassischen Differenzierung wird indessen in Frage gestellt durch neuere Gesetzgebung (vor allem in den USA, aber auch in Frankreich), wo einerseits geschlossene Kapitalgesellschaften (die S-corporation oder die limited liability company sowie die SARL) für die transparente Besteuerung optieren können, andererseits Personengesellschaften des Handelsrechts sich der Körperschaftsbesteuerung unterwerfen können16. Nach diesem Grundkonzept sind lediglich die börsennotierten Aktiengesellschaften zwingend dem Regime des Körperschaftsteuerrechts unterworfen. Anders als in Deutschland hat das Tatbestandsmerkmal der freien Übertragbarkeit von Anteilen an einem offenen Wertpapiermarkt in anderen Ländern sogar Auswirkungen bei der Besteuerung von Personengesellschaften. So ist etwa die gewerblich tätige société civile nach französischem Recht der Körperschaftsteuer unterworfen (weil sie im 19. Jahrhundert zur Ausgabe von frei handelbaren Anteilsscheinen berechtigt war)17, und auch in den Vereinigten Staaten führt die Zulassung von Anteilen an bestimmten Personengesellschaften zum freien Wertpapierhandel zur Körperschaftsteuerpflicht der jeweiligen Einheiten18. Die Börsengängigkeit der Anteile drängt sich hier als Differenzierungskriterium in den Vordergrund19.

__________ 11 Die zentrale Grenzziehung findet sich in § 3 KStG; siehe dazu auch BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 ff., 758 f. 12 Whitehead, S./O’Neill, G. in: Lee, N., Revenue Law – Principles and Practice, 7. Aufl., 2009, [41.2]-[41.20], [44,1]. 13 Cunningham, L./Cunningham, N. a. a. O. (Fn. 5), S. 4 ff. 14 Cozian, M./Deboissy, F., Précis de fiscalité des entreprises, 33. Aufl., 2009, [530.] ff. 15 Art. 5 TUIR. Galli, C., IBFD Tax Research Platform, Country Analyses (Italy), Corporate Income Tax, 1.1.4. 16 In den Vereinigten Staaten ermöglichen die sog. check the box regulations für bestimmte Gesellschaftsformen die Wahl des Besteuerungsregimes, Cunningham, L./Cunningham, N. a. a. O. (Fn. 5), S. 6 f. Die französischen Optionsvorschriften finden sich in Art. 206, 3 CGI und Art. 239, 1 CGI für Personengesellschaften, die zur Körperschaftsbesteuerung optieren, in Art. 239 bis AA CGI und Art. 239 bis AB CGI für den umgekehrten Fall. Ausführlich hierzu Gutmann, D., Droit fiscal des affaires. 2010, Rn. 258 ff.; zur Qualifikation einer US-LLC nach deutschem Steuerrecht siehe: BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, IStR 2008, 811 ff. 17 Vgl. Cozian, M. a. a. O. (Fn. 6), doc. 21, 5. 18 Sec. 7704 IRC. Cunningham, L./Cunningham, N. a. a. O. (Fn. 5), S. 6. 19 Ebenso Hennrichs, J., StuW 2002, 201 ff., 215 ff.

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Keine Wahlfreiheit wollen demgegenüber rechtspolitische Vorschläge (etwa der Stiftung Marktwirtschaft) gewähren, die Personengesellschaften zwangsweise mit der Körperschaftsteuer oder einer einheitlichen Unternehmenssteuer belegen20. Aber auch in die Gegenrichtung werden dramatischere Abweichungen vom mittleren Pfad propagiert: so wird in der USamerikanischen Diskussion zunehmend die Sinnhaftigkeit der Körperschaftsteuer als solche in Frage gestellt und eine Rückführung der gesamten Ertragsbesteuerung in eine allgemeine Einkommensteuer überlegt (corporate integration)21. Dies führt zu zwei verschiedenen Fragen: Ergibt es Sinn, sämtliche Gesellschaftsformen einem einheitlichen Regelungsmodell zu unterwerfen, und wenn dies nicht der Fall ist, gibt es eine überzeugende Grenzziehung zwischen Gesellschaften, die nach dem Transparenzprinzip im allgemeinen Einkommensteuerrecht erfasst werden, und solchen, die einer eigenen subjektiven Steuerpflicht unterworfen werden sollen? Zur ersten Frage: Wenn und solange die allgemeine Einkommensteuer nicht durch ein Konsumsteuermodell ersetzt und damit die generelle Steuerfreiheit nicht entnommener Gewinne bei sämtlichen Unternehmen Utopie bleibt, sollte in Anlehnung an den Einzelunternehmer weder für Personengesellschaften noch für Körperschaften auf eine Besteuerung der einbehaltenen Gewinne verzichtet werden. Sucht man nach einer Einheitslösung, wird man damit zwangsläufig auf das Konzept einer allgemeinen Unternehmenssteuer verwiesen22. Eine solche Einheitssteuer erweist sich bei näherer Betrachtung allerdings als viel weniger „einheitlich“ als gewünscht; sie wirft nämlich sofort neue Brüche auf, z. B. zwischen verschiedenen Rechtsformen (soll das Einzelunternehmen ohne Rechtsfähigkeit ebenso wie die Gesellschaften behandelt werden?) oder zwischen verschiedenen Einkunftsarten (soll die Unternehmenssteuer nur für gewerbliche oder allgemein betriebliche Einkünfte einschließlich der Land- und Forstwirtschaft gelten oder auch andere kapitalgestützte Erträge wie Immobilieneinkommen erfassen?), und es muss nach dem Maß der organisatorischen Selbständigkeit eines Steuerpflichtigen differenziert werden (soll der abhängig beschäftigte Rechtsanwalt der Einkommensteuer unterliegen, der selbständig tätige Rechtsanwalt hingegen der Unter-

__________ 20 Lang, J., (Stiftung Marktwirtschaft/Kommission Steuergesetzbuch), Steuerpolitisches Programm, 2006, S. 16 ff.; zuletzt Hennrichs, J., a. a. O. (Fn. 4), S. 727 ff. 21 Vgl. hierzu die Darstellung bei Shaviro, D., Decoding the U.S. Corporate Tax, 2010, S. 151 ff. 22 Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der „Rechtsformneutralität“ in der Unternehmensbesteuerung siehe Hüttemann, R., DStJG 23 (2000), S. 127 ff.; ders., DStJG 25 (2002), S. 123 ff.

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nehmenssteuer?)23. Schließlich wäre es aber auch völlig undenkbar, das Transparenzmodell der Personengesellschaften zwangsweise auf sämtliche Kapitalgesellschaften auszudehnen – spätestens bei der börsennotierten Aktiengesellschaft mit Streubesitz muss der Versuch einer unmittelbaren Zurechnung laufender Einkünfte scheitern, wie die deutsche Diskussion um die Teilhabersteuer in den 60er und 70er Jahren gezeigt hat24. Es wird daher weiterhin sowohl transparent als auch selbständig besteuerte Gesellschaftsformen geben müssen. Dies führt zu der Frage, ob sich eine sinnvolle Differenzierung zwischen körperschaftsteuerpflichtigen und einkommensteuerbelasteten Gesellschaften ziehen lässt. Die Rechtsfähigkeit als solche bietet keinen verlässlichen Anhaltspunkt. Dies zeigt bereits der Blick auf die Entwicklung zum deutschen Gesellschaftsrecht, in der nach den Personenhandelsgesellschaften auch die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft durch den Bundesgerichtshof als selbständiger Rechtsträger Anerkennung gefunden hat25; die Grenze zwischen der Personengesellschaft und der juristischen Person wird materiell nur noch in Randbereichen spürbar, etwa bei der zwingenden Selbstorganschaft der Personengesellschafter oder dem Verbot der Ein-Personen-Personengesellschaft26. Beides hat mit steuerlicher Transparenz wenig zu tun. Der Rechtsvergleich verstärkt die Erkenntnis, dass die Differenzierung nach dem Charakter als juristische Person arbiträr wirken würde: die französischen Personenhandelsgesellschaften (sociétés commerciales de personnes) haben über den Code de Commerce die Struktur der fast namensgleichen deutschen Personenhandelsgesellschaften wesentlich beeinflusst und gelten doch in ihrem Heimatland als juristische Personen27, teilen mit den deutschen Personenhandelsgesellschaften allerdings das Prinzip der transparenten Besteuerung28. In welchem Umfang dem Steuergesetzgeber hier letztlich freie Hand gelassen wird, hat Brigitte Knobbe-Keuk bereits am Beispiel der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung dargelegt29. Für diese hatte der europäische Verordnungsgeber zwar die wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Eckdaten formuliert, dann aber die abschließende Aussage zur Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaftsform den Mitgliedstaaten frei überlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich gegen die Anerkennung der EWIV

__________ 23 Zur Kritik siehe SVR/MPI/ZEW, Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale Einkommensteuer, BMF-Schriftenreihe Nr. 79, 2006, Rn. 195 ff. 24 Knobbe-Keuk, B., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., 1993, § 14 III; Hüttemann, R., (2000) a. a. O. (Fn. 22), S. 139. 25 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff. 26 Schmidt in: Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 307 ff. 27 Gouthière, B. u. a., Sociétés commerciales de personnes, 2003, [14.]. 28 Gouthière, B. u. a. a. a. O. (Fn. 27), [160.] ff. 29 Knobbe-Keuk a. a. O. (Fn. 24), § 9 II 4 b.

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als juristische Person entschieden – allerdings nur, um die transparente Besteuerung nach dem EStG zu gewährleisten. Die Umkehrung der Begründungsfolge zeigt: Die Qualifikation als juristische Person taugt nicht zur Abgrenzung zwischen Körperschaftsteuerpflicht und Einkommensteuerpflicht. Diese Sachlage hat der 1. Senat des Bundesfinanzhofs jüngst zutreffend am Beispiel einer Schweizer AG mit Verwaltungssitz in Deutschland – trotz deren zivilrechtlicher Qualifikation als Personengesellschaft – bestätigt30. Stärker der materiellen Lage verpflichtet ist die Überlegung, dass die persönliche Haftung der Mitglieder maßgeblich dafür sein soll, ob eine Gesellschaft der transparenten Besteuerung unterliegt. In der Tat geht die deutsche Rechtslage bisher davon aus, dass die von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erfassten Gesellschaften im Grundsatz über volle persönliche Haftung der Mitglieder (BGB-Gesellschaft und OHG) oder jedenfalls ein Mindestmaß unbeschränkter Haftung (nämlich der Komplementäre bei der KG) verfügen. Zweifel weckt jedoch bereits die Behandlung der einer regulären Kommanditgesellschaft ähnlichen Kommanditgesellschaft auf Aktien, die im Prinzip dem Körperschaftsteuerrecht unterliegt und dennoch für den persönlich haftenden Komplementär die unmittelbare Zurechnung nach dem Einkommensteuerrecht vorsieht. Dieses Modell wendet das französische31 Recht auch auf die gesetzestypische KG an und erzeugt damit eine unpraktikable Spaltung im Kreis der Gesellschafter. Vollends problematisch wird die von der persönlichen Haftung geprägte Perspektive im Blick auf jüngere Rechtsformen, etwa die für freiberufliche Gesellschaften in den USA und im Vereinigten Königreich zunehmend verwendete limited liability partnership. Diese kombiniert eine umfassende Haftungsbeschränkung aller Gesellschafter mit einer flexiblen Organisationsstruktur, wie sie bei Personengesellschaften und geschlossenen Kapitalgesellschaften üblich ist. Das britische Recht qualifiziert diese LLPs zwar als body corporate32, unterwirft sie aber dennoch der transparenten Besteuerung (jedenfalls bei freiberuflichen Einkünften)33, und auch aus deutscher Perspektive wird man solche Gesellschaften, wenn sie Einkünfte in Deutschland erzielen, im Rahmen des erforderlichen Typenvergleichs durchaus den §§ 15 oder 18 EStG unterstellen können. Dann ist aber die Abgrenzung zu den kleinen Kapitalgesellschaften der GmbH, der SARL, der private limited company oder auch der ebenfalls hybriden US-amerikanischen limited liability company nur noch schwer zu ziehen.

__________ 30 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, IStR 2011, 160 ff. 31 Art. 206, 4 CGI; Gouthière, B. a. a. O. (Fn. 27), [4510.]; kritisch auch Hennrichs, J. a. a. O. (Fn. 4), S. 725 f. 32 Ives, C. in: Lee, N., Revenue Law – Principles and Practice, 7. Aufl., 2009, [45.3]. 33 Ives, C. a. a. O. (Fn. 32), [45.9]-[45.10].

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In der Tat kann die persönliche Haftung als solche nicht den Ausschlag geben34. Denn sie bezeichnet zwar im Krisenfall, dass die Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen haben, aber dieses Merkmal kann letztlich nur für das damit korrelierte steuerliche Sachproblem von Bedeutung sein, nämlich für die Auswirkungen von Haftungs- und Verlustausgleichsschranken der Gesellschafter auf den Umfang ihrer Steuerpflicht. Für die als steuerpolitischen Regelfall zu unterstellende Gewinnsituation des erfolgreichen Unternehmens folgt aus dieser Differenzierung nichts. Bei systematischer Betrachtung erscheint es erforderlich, die gesetzliche Unterscheidung zwischen transparent und intransparent besteuerten Gesellschaften nach dem eingangs geschilderten Regelungsziel der transparenten Besteuerung festzulegen. Dieses besteht darin, die in der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinne im Wirtschaftsjahr ihrer Entstehung der Besteuerung zu unterwerfen. Ob man dies durch unmittelbare Zurechnung der Ergebnisse an die Gesellschafter oder die Zwischenschaltung der Körperschaftsteuer auf Gesellschaftsebene bewirkt, sollte zunächst davon abhängen, ob die Gesellschaft, ihre Teilhaber und die Finanzverwaltung in der Lage sind, eine laufende steuerliche Zurechnung der Gewinnanteile zu den Gesellschaftern technisch zu praktizieren. Dies ist bei börsennotierten Gesellschaften ausgeschlossen, bei anderen hängt es von der Anzahl der Beteiligten und der Häufigkeit des Anteilseignerwechsels ab. Vor allem aber muss berücksichtigt werden, ob es den Gesellschaftern gelingt, mit Hilfe von gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Entnahmerechten die zur Entrichtung von persönlichen Steuern erforderlichen Beträge aus dem Gesellschaftsvermögen zu erhalten. Hierzu geben die gesetzlichen Vorgaben – etwa zum Entnahmerecht des Personengesellschafters auf den Jahresgewinn oder die Verfahrensregeln zur Gewinnverwendung im GmbH-Gesetz oder Aktiengesetz35 – schon deshalb keine verlässliche Auskunft, weil diese typischerweise durch Gesellschaftsverträge überspielt und damit die Willensbildung und der Umfang der Entnahmen in der Personen- und in der geschlossenen Kapitalgesellschaft weitgehend einander angenähert werden können. Eine unübersteigbare rechtsformabhängige Grenze zur Entnahme von Gewinnanteilen ziehen letztlich nur die Regeln über den Gläubigerschutz der Kapitalgesellschaften, die Ausschüttungen aus dem gezeichneten Kapital oder gar im Zeitpunkt der Überschuldung verbieten. Doch wird man bezweifeln können, dass dieses gläubigerorientierte Regelwerk eine

__________ 34 Hennrichs a. a. O. (Fn. 4), S. 727. 35 Ausführlich Schön, W., Gewinnermittlung, Gewinnverteilung und Gewinnausschüttung im Recht der Personengesellschaften und der GmbH, in: Hommelhoff, P./Rowedder, H./Ulmer, P. (Hrsg.), 5. Max-Hachenburg-Gedächtnisvorlesung 2002, 2003, S. 17 ff.; siehe auch Hennrichs, J. a. a. O. (Fn. 4), S. 723 ff.

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sinnvolle Aussage über die Angemessenheit der Körperschaftsteuerpflicht oder der transparenten Besteuerung in der typischen Situation gut geführter und erfolgreicher Gesellschaften treffen kann. Die besseren Gründe sprechen daher dafür, die ausgeprägte privatrechtliche Freiheit der Gesellschafter zur Regelung des Innenverhältnisses in der Personengesellschaft, der GmbH und vergleichbaren geschlossenen Gesellschaften im Grundsatz durch eine steuergesetzliche Option für und gegen die transparente bzw. die selbständige Besteuerung der Gesellschaft zu flankieren. Man sollte akzeptieren, dass die Gesellschafter selbst in der Lage sind, sich unter Würdigung der Realstruktur ihrer Gesellschaft, namentlich der erwarteten Anteilseignerwechsel oder der gesellschaftsvertraglichen Thesaurierungsregeln, für das passende Besteuerungsmodell zu entscheiden. Der Gesellschaftsvertrag, der die Grundregeln für die Gewinnverwendung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft festlegt, muss dann zugleich in den Blick nehmen, ob und wie die persönliche Steuerpflicht der laufenden Einkünfte der Gesellschaft geordnet und – im Fall einer transparenten Besteuerung – die Verfügbarkeit von Mitteln für die Steuerzahlung sichergestellt werden soll. Dabei sollte man keine weiteren Differenzierungen einbauen: die Entscheidung des französischen Rechts etwa, die Option zur transparenten Besteuerung nur für Familien-Kapitalgesellschaften zuzulassen und daher mit filigranen Differenzierungen das Verwandtschaftsverhältnis der Anteilseigner zueinander zum Tatbestandsmerkmal zu erheben36, führt in die falsche Richtung. Die Grenzen ziehen lediglich zur einen Seite das Einzelunternehmen, zur anderen Seite die börsennotierte Aktiengesellschaft. Allen anderen Personen- oder Kapitalgesellschaften sollte die freie Wahl zwischen dem einkommensteuerlichen und dem körperschaftsteuerlichen Regime gewährt werden37. 3. Konsequenzen der transparenten Besteuerung Die Entscheidung für die transparente Besteuerung der im Rahmen einer Gesellschaft erzielten Einkünfte hat bestimmte logische Konsequenzen, denen kein Gesetzgeber aus dem Weg gehen kann. Die erste Konsequenz liegt darin, dass Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht noch einmal als solche der Besteuerung unterworfen werden. Die unmittelbare Zurechnung des Gesellschaftsgewinns unabhängig von der Entnahme lässt die tatsächliche Belastung der Entnahme überflüssig werden. Dem folgen alle hier untersuchten Rechtsordnungen. Nur eine scheinbare Ausnahme bildet das US-amerikanische Recht, das eine Steuer auf „dis-

__________ 36 Art. 239 bis AA CGI. 37 So in der Tendenz auch Fechner, U./Bäuml, S., FR 2010, 744 ff. (für die GmbH); Hüttemann, R., (2000) a. a. O. (Fn. 22), S. 140 f.; Prinz, U. a. a. O. (Fn. 4), S. 743 ff.

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tributions“ kennt. Schaut man näher hin, stellt man fest, dass Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen an den Teilhaber einer transparent besteuerten US-Gesellschaft dann steuerlich erfasst werden, wenn ihr Betrag die Höhe des eingezahlten Kapitals einschließlich der offenen Rücklagen übersteigt38. Diese werden einer capital gains taxation unterworfen – und das mit Recht; offensichtlich wird durch eine solche „Überentnahme“ eine Verlagerung von Steuersubstrat zwischen den Gesellschaftern bewirkt, die als Veräußerungsvorgang im Gesellschafterkreis qualifiziert werden kann. Nur eine scheinbare Ausnahme bildet auch die „Nachversteuerung“ von Entnahmen im Rahmen des § 34a Abs. 5 EStG – diese ist eine Reaktion auf die Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns i. S. von § 34a Abs. 1 EStG, die für optierende Unternehmen zu einer Annäherung an das Körperschaftsteuerrecht führt. Die unmittelbare Zurechnung des Gesellschaftsergebnisses führt weiterhin mit Notwendigkeit zu der Frage, ob Verlustanteile nur insoweit zugerechnet werden können, als sich bei den Gesellschaftern – z. B. bei Kommanditisten oder limited partners – eine persönliche Belastung feststellen lässt. Dies hat sich allgemein – wenn auch mit unterschiedlicher Technik – durchgesetzt: So fragt das US- bzw. das kanadische Recht nach den Beträgen, die bei einem Gesellschafter at risk sind39; das deutsche Recht, aber auch das niederländische40 Recht, verfolgen die Kapitalkonten und ihre Entwicklung, während das britische Recht41 lediglich den vertikalen, d. h. den einkunftsartübergreifenden Verlustausgleich für die den Kommanditisten zuzurechnenden Verluste ausschließt. Italien weist die überschießenden Verlustanteile dem Komplementär zu42, während Frankreich mit Hilfe der Körperschaftsbesteuerung der Kommanditanteile ohnehin eine Trennlinie zwischen Gesellschaftsebene und Gesellschafterebenen zieht43. Eine weitere „natürliche“ Konsequenz aus dem Konzept einer transparenten Besteuerung liegt darin, dass im Falle des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen die vom Erwerber bereits vergüteten Mehrwerte im Gesellschaftsvermögen (namentlich ein Anteil am Geschäftswert oder an nicht aktivierten Immaterialgütern) in gesonderten Rechenwerken erfasst und

__________ 38 §§ 731(a), 705(a) IRC. 39 Vgl. für die Vereinigten Staaten: § 465(b) (c)(3) IRC. Hierzu Lipton, R./Carman, P/Fassler, C./Schwidetzky, W. a. a. O. (Fn. 5), S. 85 ff. Für Kanada: Sec. 96(2.1)(2.7) ITA; CCH, Canadian Master Tax Guide, 65. Aufl., 2010, [7055.] ff. 40 Art. 3.9 Wet IB 2001. 41 Sec. 104 ITA 2007. Vgl. auch Clarke, J./Bond, A. in: Ray: Partnership Taxation, Issue 13, [10.47] ff. 42 Agenzia delle Entrate, Risoluzione N. 152/E v. 4.10.2001; Russo, R./Pedrazzini, E., IBFD Tax Research Platform, Topical Analyses (Italy), Partnerships, 5.4.5.1. 43 Siehe hierzu bereits oben.

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parallel zur Gesellschaftsbilanz nachvollzogen werden müssen, um sie (entweder im Laufe der Geschäftstätigkeit oder bei einem späteren erneuten Veräußerungsakt) sachgerecht mit dem regulären Gewinnanteil des Gesellschafters abzustimmen. Die – vielfach als Ursache besonderer Komplikationen beklagte – Ergänzungsbilanz des deutschen Personengesellschaftssteuerrechts findet sich daher in allen untersuchten Rechten in modifizierter Form wieder; erneut hat das US-amerikanische Recht auf der Grundlage einer Unterscheidung zwischen inside basis (das entspricht ungefähr dem Kapitalkonto plus anteiligen Verbindlichkeiten)44 und outside basis (das entspricht den fortgeschriebenen Anschaffungskosten für den Anteil)45 die differenziertesten Lösungen anzubieten46. Die letzte Frage, die zwingend aus dem Konzept der transparenten Besteuerung resultiert, ist die nach der Steuerpflicht der Verlagerung von Wirtschaftsgütern zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, namentlich die Realisation von Wertzuwächsen bei der Einbringung von Aktiva in neu gegründete Personengesellschaften. Hierzu ist man sich einig, dass diese Verlagerung zur Erleichterung von Umstrukturierungen, aber auch wegen der Möglichkeit einer fortdauernden Zurechnung von stillen Reserven an den einbringenden Personengesellschafter möglichst steuerneutral durchgeführt werden sollte. Daher sieht neben dem deutschen Recht auch das US-Recht einen schlichten carry-over der Buchwerte vor47. Strenger sieht das französische Recht die Dinge – hier werden (wie in unserem UmwStG) nur Verlagerungen ganzer Betriebe als steuerneutral behandelt48. Das britische Recht schließlich verharrt in einer Art Bilanzbündeltheorie: jede Einbringung ist aufzuspalten in eine neutrale Verlagerung des dem Gesellschafter weiterhin zurechenbaren Anteils sowie in eine entgeltliche Teilübertragung an die Mitgesellschafter49. Man könnte auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, dass hier verschiedene Auffassungen zur selbständigen Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft eine Rolle spielen; in Wahrheit geht es aber nur um eine Regelungstechnik des Gesetzgebers, bei Umstrukturierungen die stillen Reserven der verlagerten Wirtschaftsgüter weiterhin dem Einbringenden zuzuschreiben.

__________ 44 45 46 47 48 49

§ 723 IRC. § 722 IRC. Überblick bei: Cunningham, L./Cunningham, N. a. a. O. (Fn. 5), S. 10, 140. § 721(a) IRC. Mémento pratique Francis Lefebvre, Fiscal 2010, Rn. 95575. Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [14.39].

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III. Die Teilhaber der Gesellschaft und die Zurechnung von Einkünften 1. Die Stellung als Partner in der Gesellschaft Die nächste Problematik des allgemeinen Einkommensteuerrechts, die sich bei der Behandlung von Personengesellschaften ergibt, betrifft die subjektive Zurechnung von Einkünften. Erneut würde ein ideales Steuerrecht auf der Grundlage der Vermögenszuwachstheorie die Personengesellschaft nicht als Problem empfinden: jedem Teilhaber würde schlicht diejenige Vermögensmehrung zur Besteuerung zugewiesen, die ihm oder ihr auf der Grundlage der zivilrechtlichen Vereinbarungen zustehen. Dem steht jedoch der Umstand entgegen, dass alle Steuerrechtsordnungen sich verpflichtet sehen, zur Bemessung des steuerpflichtigen Einkommens zwischen dem Tatbestand der Einkünfteerzielung und dem Tatbestand der Einkünfteverwendung zu differenzieren. Auf diese Weise sollen zwei Besonderheiten des subjektiven Einkommensbegriffs abgesichert werden: die volle Anwendung des progressiven Tarifs, die nicht durch beliebige Aufteilung von Ergebnissen auf mehrere Beteiligte unterlaufen werden soll, und die Beschränkung des horizontalen und vertikalen Verlustausgleichs auf denjenigen Steuerpflichtigen, der tatsächlich persönlich negative und positive Einkünfte realisiert hat. Insbesondere bei FamilienPersonengesellschaften wird daher überall deutlich, dass Gesetzgeber und Gerichte danach streben, „verdeckte“ Verwendungen von Einkommen zu neutralisieren. Allerdings sind die Techniken dafür durchaus unterschiedlich. Allgemein akzeptiert ist zunächst, dass ein Gesellschaftsverhältnis nur dann als Grundlage der Gewinnverteilung anerkannt werden kann, wenn es tatsächlich vereinbart und vollzogen worden ist. Einem britischen Landwirt, der seine Söhne zu Partnern erklärte, ihnen keinerlei Zugang zum Geschäft verschaffte und nach Belieben festgesetzte Summen überwies, beschied Lord Clyde bereits im Jahre 1928: „You do not create or constitute a partnership by saying there is one“50. Die maßgebliche Frage liegt vielmehr allerorten darin, ob trotz zivilrechtlich bestehendem und tatsächlich vollzogenem Gesellschaftsvertrag eine Zurechnung der zugewiesenen Gewinnanteile versagt werden kann. Im deutschen Recht kennen wir den von Brigitte Knobbe-Keuk häufig genug kritisierten Versuch der Rechtsprechung, über den „Mitunternehmerbegriff“ und seine Voraussetzungen Familienangehörige aus dem Kreis der steuerpflichtigen Gesellschafter einer Personengesellschaft herauszunehmen51. Vor allem sei mit einer entsprechenden Absenkung ihrer

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50 IRC v Williamson (1928) 14 TC 335 (Clyde LP). 51 Knobbe-Keuk in: Raupach, A./Uelner, A. (Hrsg.), FS Ludwig Schmidt, 1993, S. 741 ff.

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Mitwirkungsrechte gegenüber dem Status in der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft oder Offenen Handelsgesellschaft ein Verlust des Mitunternehmerstatus verbunden, der zu einer Zurechnung der ihnen zugewiesenen Gewinne an den oder die Hauptgesellschafter – typischerweise die Eltern – führe. Brigitte Knobbe-Keuk hat demgegenüber darauf aufmerksam gemacht, dass das Verfehlen der Mitunternehmerstellung nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes nicht eine veränderte Zurechnung der Erträge aus der Beteiligung zur Folge haben kann, sondern lediglich eine veränderte Qualifikation dieser Erträge, nämlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen (siehe nur das Beispiel des typischen stillen Gesellschafters)52. Anstößig erscheint in diesen Fällen nicht die Mitunternehmerstellung als solche, sondern der unentgeltliche Rechtsgrund ihres Erwerbs von den Eltern. Die rechtspolitische Frage ist in Wahrheit – wie Werner Flume bereits in den 70er Jahren klarsichtig formuliert hat53 – in diesen Fällen darauf gerichtet, ob der Zurechnung der Einkünfte aus der Beteiligung dem Grunde nach der Boden entzogen werden kann, wenn der Teilhaber seinen Anteil letztlich nicht aus eigenem Vermögen finanziert, sondern das eingesetzte Kapital von den anderen Beteiligten geschenkt bekommen hat. Flume hatte sich dafür ausgesprochen, die Erträge, die Minderjährige aus von ihren Eltern geschenkten Beteiligungen beziehen, schlicht bis zum Eintritt der Volljährigkeit weiterhin den Eltern zuzurechnen. Ausländische Rechtsordnungen haben es mit vergleichbaren Konzepten versucht. So haben die US-amerikanischen Gerichte seit den 40er Jahren zunächst entschieden, dass Voraussetzung für eine Gesellschafterstellung in einer gewerblichen partnership die Finanzierung der capital contribution aus eigenem Vermögen (original capital) oder die Leistung wesentlicher Dienste (vital services) gewesen ist54. Dieses allgemeine Tatbestandsmerkmal ist jedoch in der nachfolgenden Gesetzgebung aufgegeben worden55. Das britische Recht betrachtet diese Situationen als Anwendungsfälle der trust-Besteuerung: Wenn sich hinter der Einräumung einer Gesellschafterstellung ein unentgeltliches settlement zugunsten des Angehörigen verbirgt, sind nach allgemeinen Regeln die Einkünfte aus diesem settlement weiterhin dem Zuwendenden zuzurechnen56. Diese scharfe und weitgehende Rechtsfolge erleidet allerdings Ausnahmen. Die wichtigste Ausnahme betrifft Ehegatten. Da im Vereinigten Königreich das splitting

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52 Knobbe-Keuk a. a. O. (Fn. 24), § 12 I 3. 53 Flume, W., DStZ 1973, 583 ff. und 618 ff., 623 = Ges. Schriften, Bd. 2, 1988, S. 405 ff., 423 f. 54 Vgl. Cunningham, L./Cunningham, N. a. a. O. (Fn. 5), S. 68. Ablehnend bereits Commissioner v. Culbertson, 337 U.S. 733 (1949). 55 § 704(e) IRC. 56 Part 5, Ch. 5 ITTOIA 2005. HMRC, Trusts, Settlements and Estates Manual, TSEM4215; zuletzt Wheeler, J., 3 World Tax Journal (2011), S. 39 ff., 87 ff.

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unbekannt ist, würde nach den settlement-Regeln jede Übertragung von Vermögenswerten zwischen Ehegatten zu einer fortwirkenden einseitigen Besteuerung des übertragenden Ehegatten führen. Um bona fide Vermögenszuwendungen zwischen Ehegatten nicht zu behindern, werden für outright gifts zwischen Ehegatten diese Regeln derogiert57. Der beschenkte Ehegatte versteuert selbst die bezogenen Einkünfte. Für minderjährige Kinder und andere unentgeltlich Bedachte hingegen bleibt es bei den geschilderten Vorgaben. Das ist – wie mir scheint – ein klares und überzeugendes System und es vermeidet den nicht hilfreichen Versuch, über den Mitunternehmerbegriff die Einkünftezurechnung zu manipulieren. Eine ganz andere Frage hingegen ist diejenige nach einer Angemessenheitsprüfung für die Gewinnverteilung zwischen Familienmitgliedern. Hier wird in allen untersuchten Staaten darauf geachtet, in welchem Umfang die jeweiligen Gewinnanteile sich als wirtschaftlich angemessene Kompensation des Kapital- und Arbeitseinsatzes sowie der Übernahme von Risiko darstellen. Dagegen ist im Grundsatz nichts einzuwenden; problematisch an der deutschen Rechtsprechung ist im Wesentlichen ihr Schematismus, dem die gesetzliche Grundlage fehlt, sowie die einseitige Belastung gerade von Familienangehörigen58. Entscheidend ist, dass die Gewinnverteilung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander in einem angemessenen Verhältnis der jeweiligen Beiträge steht – nicht entscheidend hingegen sind fixe Höchstgrenzen oder andere Maßstäbe, die lediglich die individuelle Beteiligung des jeweiligen Gesellschafters in den Blick nehmen. 2. Privatautonome Verteilung von Gewinnanteilen Nicht nur im Verhältnis zwischen Familienangehörigen, sondern auch im Verhältnis anderer Gesellschafter kann die subjektive Zurechnung von Gewinn- und Verlustanteilen eine Rolle spielen. Als Zielsetzung für Gestaltungen steht hier neben der bereits erwähnten Nutzung der unteren Bereiche der einkommensteuerlichen Progressionskurve die Möglichkeit zum horizontalen Verlustausgleich im Vordergrund. Ist die Gesellschaft in einer Gewinnsituation, so mag es Gesellschafter geben, die wegen laufender Verluste aus anderen Quellen nichts gegen eine besonders hohe Gewinnzurechnung einzuwenden haben; ist die Gesellschaft in einer Verlustsituation, so mögen einzelne Gesellschafter das Verrechnungspotential aus dem Defizit der Gesellschaft besser nutzen können als andere. Dies kann das Interesse begründen, für einzelne Ergebnisbestandteile oder für bestimmte Veranlagungszeiträume gesonderte Verrechnungsregeln zu vereinbaren.

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57 Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [1.105]. 58 Knobbe-Keuk a. a. O. (Fn. 24), § 12 II.

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Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen Rechtsfall, den Brigitte Knobbe-Keuk als Gutachterin betreut hat. Es ging um ein großes Einzelhandelsunternehmen mit zwei Partnern, das aus Neuinvestitionen Anlaufverluste erwartete. Man veränderte den Gewinnverteilungsschlüssel in der Weise, dass für die kommenden Jahre 90 % des Verlustes und danach bis zum break-even-Punkt 90 % des Gewinnes einem der Partner zugerechnet werden sollten; danach sollten beide – wie vorher – zu je 50 % beteiligt werden. Sind solche Gestaltungen zulässig? Ausgangspunkt sind nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen die Festlegungen des Gesellschaftsvertrages oder nachfolgender Abreden unter den Gesellschaftern. Dazu gehören auch Sonderabreden, z. B. besondere Vergütungen für Leistungen an die Gesellschaft oder die individuelle Anlastung von Kostenbestandteilen, z. B. von Kfz-Kosten je nach Inanspruchnahme durch den Partner. In Frankreich können die Beteiligten noch kurz vor dem Bilanzstichtag mit steuerlicher Wirkung eine abweichende Verteilung des Ergebnisses vereinbaren59. Voraussetzung ist lediglich, dass die gefundene Regelung insgesamt angemessen ist und den Beiträgen der Beteiligten gerecht wird. Auch in England zeigt man sich hier großzügig: selbst unterschiedliche Maßstäbe für Gewinnjahre und Verlustjahre sind im Prinzip akzeptiert60. Eine Grenze stellt das britische Recht erst dort auf, wo die disproportionale Gewinnverteilung dazu führt, dass eine Seite mit einem Gewinnanteil, die andere mit einem Verlustanteil schließt. In diesen Fällen muss die Verteilung so adjustiert werden, dass nur Gewinnanteile oder nur Verlustanteile ausgewiesen werden61. Zur juristisch interessanten Frage wird diese Zuordnungsfrage vor allem dann, wenn nicht lediglich das Ergebnis der Gesellschaftstätigkeit auf die Gesellschafter prozentual oder sonst nach einem abstrakten Schlüssel aufgeteilt wird, sondern wenn die Gesellschafter beabsichtigen, einzelne Bestandteile des aggregierten Einkommens der Gesellschaft privatautonom zuzuweisen. Beispielhaft ist etwa die Zuweisung von Veräußerungsgewinnen oder Abschreibungen an den einen Beteiligten, während der andere Beteiligte das laufende Ergebnis trägt. Exemplarisch ist auch die geographische Zuordnung von Standortergebnissen internationaler Partnerschaften auf die Partner an den jeweiligen Standorten. Zu dieser Frage findet sich das mit Abstand komplizierteste Recht in den Vereinigten Staaten, die allocation of partnership income rules62. Von diesen Regeln hat ein angesehener US-Kollege einmal gesagt, sie bildete „a creation of prodigious complexity […] essentially impenetrable to all but those with the time, talent, and determination to become thoroughly prepared ex-

__________ 59 60 61 62

Mémento pratique Francis Lefebvre a. a. O. (Fn. 48), Rn. 37650. Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [8.12]. Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [8.13]. Zuletzt: Monroe, A., 30 Virginia Tax Review (2011), S. 465 ff.

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perts on the subject“63. Ihr Ausgangspunkt liegt in der Akzeptanz sämtlicher privatautonomer Zuordnungen von Einzelelementen der steuerlichen Gewinnermittlung, soweit dieser Zuordnung ein economic effect zugrunde liegt64. Und dieser economic effect spiegelt sich wiederum in dem Faktum wider, dass die Gesellschaft die jeweiligen Zuordnungen in den Kapitalkonten der Gesellschafter nachvollzieht und diese Kapitalkonten reale Forderungen bzw. Nachschusspflichten der Gesellschafter abbilden65. Dieser Maßstab wird indessen z. T. als zu weitgehend, z. T. als zu wenig scharf empfunden. Er gilt als zu weit, soweit er für negative Kapitalkonten eine volle Nachschusspflicht auch von Gesellschaftern verlangt, die keiner persönlichen Haftung unterliegen, z. B. bei limited liability partnerships, wenn sämtliche Partner in der Haftung beschränkt sind, so dass das Entstehen negativer Kapitalkonten komplett ins Leere geht66. Es wird als zu wenig weitgehend angesehen, wenn der Nachvollzug auf den Kapitalkonten mangels wirtschaftlichen Gehaltes die steuerliche Wirkung nicht substanziell legitimiert67. Das Paradigma bildet der Fall, dass die Gesellschaft über zwei verschiedene Einkunftsquellen verfügt – etwa steuerfreie Zinserträge einerseits und steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte andererseits –, und einer von zwei Gesellschaftern subjektiv steuerbefreit ist oder sonst – etwa wegen umfangreicher Verluste aus anderen Quellen – nicht durch die Zuweisung von Gewinnanteilen belastet wird. Können in diesem Fall die Gesellschafter mit steuerlicher Wirkung nicht nur beschließen, dass der rechnerische Gewinnanteil des steuerlich desinteressierten Gesellschafters sich nach der Höhe der steuerfreien Einkommensteile richtet, sondern dass auf diese Weise auch der Tatbestand der Einkunftserzielung für ein einzelnes Element des Gesamtgewinns dem Grunde nach einem der Beteiligten einseitig zugerechnet wird? Das US-Recht sieht dies im Kern vor und verwirklicht damit ein Besteuerungsmuster, das auf eine weitgehende Negation der Gesellschaftsebene als solcher und einen vollen Durchschlag der einzelnen Geschäftsvorfälle auf die Ebene der Gesellschafter hinausläuft68. Doch wird dieser Ansatz zugleich konterkariert durch regulations der Verwaltung, auf deren Grund-

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63 Lokken, L., 41 Tax L. Rev. 1986, 545 (621). 64 § 704(a),(b) IRC. 65 McDaniel, P./McMahon, M./Simmons, D., Federal Income Taxation of Partnerships and S Corporations, 4. Aufl., 2006, S. 114. 66 Lipton, R./Carman, P./Fassler, C./Schwidetzky, W. a. a. O. (Fn. 5), S. 106. 67 Lipton, R./Carman, P./Fassler, C./Schwidetzky, W. a. a. O. (Fn. 5), S. 109. 68 Beispielhaft die Castle-Harbour-Litigation zu der Frage, ob man mit Hilfe einer partnership im Flugzeugleasing die inländischen Einnahmen dem (insoweit nicht steuerpflichtigen) ausländischen Kapitalgeber zurechnen und die inländischen Abschreibungen dem inländischen Kapitalnehmer zur Verrechnung zurechnen kann; maßgeblich ist dafür die Differenzierung zwischen partnership und Darlehen (TIFD III-E v. U.S. 459 F.3d. 220).

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lage eine Abrede über die Zuordnung von Geschäftsvorfällen, welche die Kapitalkonten der Gesellschafter und damit ihre Zahlungsansprüche nicht verändert und lediglich die Steuereffekte zumindest eines der Beteiligten verbessert, nicht anerkannt werden kann69. Ist dies nun ein Thema, anhand dessen man Grundfragen zwischen Einheit und Vielheit bei der Personengesellschaft diskutieren und entscheiden kann? Ich meine: Ja und Nein. Einerseits könnte man hier auf dogmatischer Ebene den Gegensatz zwischen der Gesellschaft als Gewinnerzielungssubjekt und der Gesellschaft als Gewinnermittlungssubjekt in den Mittelpunkt stellen und auf die Frage zuspitzen, ob es die Gesellschaft als solche ist, die bestimmte Einkünfte erzielt und den Gesellschaftern nur das aggregierte Ergebnis vermittelt, oder ob die Gesellschafter selbst – in Analogie zu den Einzelunternehmern – die zugrunde liegenden Sachverhalte verwirklichen. Letztlich geht es aber doch um einen Bruch im allgemeinen Einkommensteuerrecht – nämlich den Bruch zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Einnahmen, der bei der Personengesellschaft in Unklarheiten führt. Die Lösung muss daher bei der Frage ansetzen, welchen Sinn diese Brüche, diese Differenzierungen, in der jeweiligen Steuerrechtsordnung besitzen.

IV. Differenzierungen zwischen Einkunftsarten und ihre Folgen bei der Besteuerung von Personengesellschaften 1. Der Dualismus der Einkunftsarten Das zuletzt genannte Beispiel führt in eine Problematik, die wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Jurisdiktionen in unendlicher Vielfalt erfahren: die Differenzierungen in der Besteuerung von Einkunftsarten innerhalb des Einkommensteuerrechts. In diesem Band wird mehrfach deutlich, in welchem Umfang die deutsche Diskussion der Personengesellschaft in ihrem Kern davon beeinflusst ist, dass unser Steuerrecht mit der Qualifikation von Einkünften sachliche Differenzierungen in den Rechtsfolgen verbindet: die Unterschiede zwischen Überschusseinkünften und Gewinneinkünften, namentlich die prinzipielle Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne verbergen sich hinter dem Problem der korrespondierenden Bilanzierung oder der Rechtsfigur des Sonderbetriebsvermögens. Die Unterscheidung zwischen typischen und atypischen stillen Gesellschaften verdankt sich dem Bedürfnis nach einer steuerlichen Erfassung von stillen Reserven bei der Veräußerung gewerblicher Beteiligungen. Die vom englischen Recht geprägten Rechtsordnungen ergehen sich in hyperkomplexen Regelungswerken zur Differenzie-

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69 Treas. Reg. § 1.704-1(b)(2)(iii)(b); Cunningham, L/Cunningham, N. a. a. O. (Fn. 5), S. 58 f.

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rung zwischen ordinary income und capital gains. Und so weiter und so fort. Gerade der Dualismus der Einkunftsarten macht in allen Rechten Schwierigkeiten, wenn auf der Ebene der Gesellschaft oder auf der Ebene der Gesellschafter verschiedene Regeln zur Anwendung kommen. Dabei sind die harmloseren Themen noch der Praktikabilität geschuldet. So findet die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG niedergelegte „Infektionstheorie“, die bei einer Personengesellschaft mit gewerblichen und anderen Einkunftsquellen einheitlich den gewerblichen Charakter aller mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Tätigkeiten anordnet, im britischen Recht ihre Entsprechung in den Regeln über das „notional business“, der die nichtgewerbliche Tätigkeit einer Gesellschaft in einen Gewerbebetrieb umfingiert70. Dabei geht es letztlich nur darum, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage in der Handelsbilanz der Gesellschaft zu finden. Gleichartig sind auch die Probleme, die gewerbliche Beteiligungen an nicht gewerblichen Personengesellschaften hervorrufen (sog. Zebragesellschaften). Der „Als-Ob-Bilanz“ des Bundesfinanzhofs stehen im britischen71 oder französischen72 Recht Regeln gegenüber, die auf der Ebene der Personengesellschaft eine gespaltene Gewinnermittlung für gewerbliche – insbesondere körperschaftsteuerpflichtige – und andere Partner verlangen. Noch weiter geht das US-Recht, das die Beteiligung einer C corporation an einer partnership im Grundsatz mit der Rechtsfolge belegt, dass die partnership in ihrer Gesamtheit nicht nach der – einer Überschussrechnung ähnlichen – cash method, sondern nach der einem Vermögensvergleich ähnlichen accruals method vorzugehen hat73. 2. Die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschafter Die Sonderbelastung gewerblicher Einkünfte mit Gewerbesteuer verbirgt sich hinter der Einbeziehung der Sondervergütungen in den gewerblichen Gesamtgewinn der Personengesellschaft74. Die Existenz der Gewerbesteuer als solche hat mehr Unheil über die Besteuerung der Personengesellschaften und ihrer Gesellschafter gebracht als die gesamte dogmatische Diskussion über Einheit und Vielheit in der Personengesellschaft.

__________ 70 Secs. 854(1), 855 ITTOIA 2005; Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [9.2]. 71 Secs. 1258, 1259(3) CTA 2009; Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [18.1] ff.; Laing, S., Partnership Taxation, 20.3 f. 72 Gutmann, D. a. a. O. (Fn. 16), Rn. 277. 73 Sec. 448(a)(2) IRC; näher hierzu Lipton, R./Carman, P./Fassler, C./Schwidetzky, W. a. a. O. (Fn. 5), S. 77 ff. 74 Knobbe-Keuk, B. a. a. O. (Fn. 24), § 11 IV; kritisch dies., Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts, 1986, S. 47 ff.; zuletzt Prinz, U. a. a. O. (Fn. 4), S. 741 ff.

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In der deutschen Diskussion um die Gewerbesteuer ist in den vergangenen Jahren – entgegen einer gerade von Brigitte Knobbe-Keuk geprägten starken Meinung in den 70er und 80er Jahren – die Vorstellung in den Vordergrund gerückt, dass die Gesellschafter als solche die Gewerbetreibenden seien, so als würden sich – hinter den Kriterien des Mitunternehmerrisikos und der Mitunternehmerinitiative – tatsächlich individuelle Unternehmerpersönlichkeiten verbergen75. Brigitte Knobbe-Keuk hat sich oft darüber amüsiert, wie wenig Initiative und wie wenig Kapitaleinsatz von einem Kommanditisten oder vergleichbaren Teilhaber zu erwarten sei, um ihn in die Rolle des Mitunternehmers hoch zu stilisieren. Wie einfach und elegant ist es demgegenüber, den Gewerbebetrieb als solchen lediglich der Mitunternehmerschaft zuzuweisen und den Tatbestand der Gewerblichkeit von dem tatsächlichen Risiko und der Mitwirkung des Gesellschafters abzukoppeln. Vor diesem Hintergrund kann es interessieren, dass andere Rechtsordnungen, die an den Tatbestand der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht (wie wir) besonders nachteilige Rechtsfolgen knüpfen, sondern dafür besondere Vorzüge bereit halten, besonders anspruchsvoll sind, wenn es darum geht, einen Gesellschafter zum Gewerbetreibenden zu erklären. Sowohl die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich als auch Frankreich kennen in ihren nationalen Rechten eine Art Zweiklassengesellschaft unter den Gesellschaftern einer gewerblichen Personengesellschaft, nämlich diejenigen, die sich hauptberuflich dem Gesellschaftszweck widmen, und diejenigen, welche die Beteiligung eher als Kapitalanlage betrachten. Beide Gruppen sind Gesellschafter in dem Sinne, dass ihnen die Einkünfte aus der Personengesellschaft zur Versteuerung anteilig zugewiesen werden; aber daraus folgt noch lange nicht, dass sie auch alle günstigen Rechtsfolgen gewerblicher Tätigkeit in Anspruch nehmen dürfen. Nehmen wir das britische und das amerikanische Recht. Beide sehen vor (so wie dies für einige Jahre in Deutschland in § 2 Abs. 3 EStG geregelt war), dass nur gewerbliche Verluste mit positiven Ergebnissen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden dürfen76. Bedeutet dies, dass auch ein Kommanditist mit kleiner Einlage und ohne jeden persönlichen Einsatz die gewerblichen Verlustanteile aus der Kommanditgesellschaft mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen oder Immobilien verrechnen darf? Hier stellen sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Vereinigten Staaten zusätzliche Anforderungen an den sideways relief. Die USA schließen den Verlustausgleich für losses aus passive activity aus, wenn

__________ 75 Z. B. BFH v. 3.2.2010 – IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492 ff. 76 Vgl. für das britische Recht: Sec. 64 ITA 2007; für das amerikanische Recht: § 172(a) IRC.

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der Steuerpflichtige keine material participation in dem Betrieb zeigt77. Voraussetzung ist nach den regulations, dass der Gesellschafter – mehr als 500 Stunden pro Jahr für die Gesellschaft arbeitet; – oder die Arbeit des Gesellschafters für die Gesellschaft nahezu die gesamte Arbeit aller Gesellschafter ausmacht; – oder der Gesellschafter mehr als 100 Stunden pro Jahr für die Gesellschaft arbeitet und diese Arbeit nicht geringer ist als die jedes einzelnen anderen Gesellschafters; – und so weiter und so fort78. Das britische Recht macht es nicht viel anders. Hier kommt es aber nicht auf Jahre, sondern auf Wochen an. Danach werden sogenannte non-activepartners von bestimmten Verlustverrechnungen ausgeschlossen, die „less, on average, than ten hours per week, are personally engaged in activities of the trade and those activities are carried on on a commercial basis and with a view to realisation of profits as a result of the activities“79. Ein weiteres Beispiel für diese Zweiklassengesellschaft zwischen den aktiven und den passiven Gesellschaftern einer Personengesellschaft bietet das französische Recht. Dieses betont stark die Selbständigkeit der Personengesellschaft (auch dort, wo sie nicht Körperschaftsteuersubjekt ist) und trennt daher schärfer als andere zwischen den Ebenen der Personengesellschaft und der des Personengesellschafters. Daher betrachtet das französische Recht auch die Beteiligung des Gesellschafters als ein eigenständiges Wirtschaftsgut im Privatvermögen des Gesellschafters80. Auf der Grundlage des auch in Frankreich real existierenden Dualismus der Einkunftsarten bedeutet dies, dass Wertverluste dieser Beteiligung im Grundsatz steuerlich nicht relevant sind (keine Teilwertabschreibung), dass Wertzuwächse den Regeln über private Veräußerungsgewinne unterliegen und dass Kosten in Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung – etwa Kreditkosten – nicht abgezogen werden können. Dies führt zu der Frage, unter welchen Umständen die Beteiligung an einer gewerblichen Personengesellschaft auf der Seite des Gesellschafters einem Betriebsvermögen zugerechnet werden kann. Das ist sicherlich anzunehmen, wenn die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft gehört oder einem anderen Einzelunternehmen des Gesellschafters eingegliedert ist. Das französische Recht ordnet weiterhin den Gesellschaftsanteil einem eigenen Betriebsvermögen des Gesellschafters zu, wenn es sich um eine Person handelt, „qui exerce une activité professionnelle dans le cadre de la société“, während ein Personengesellschafter, der lediglich als „simple

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77 § 469 IRC. 78 Temp. Treas. Reg. § 1.429-2T(e)(1). Vgl. auch Lipton, R./Carman, P./Fassler, C./Schwidetzky, W. a. a. O. (Fn. 5), S. 90 f. 79 Sec. 103B ITA 2007. Hierzu Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41) [10.55] ff. 80 Mémento pratique Francis Lefebvre a. a. O. (Fn. 48), Rn. 37725.

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apporteur de capital“ auftritt, mit seiner Beteiligung als Privatier behandelt wird81. Notabene: Ein bloßer Kommanditist wird nach französischem Recht ohnehin wie der Gesellschafter einer Körperschaft behandelt; es geht mithin darum, persönliche haftende, aber nicht hauptberuflich agierende Gesellschafter von der betrieblichen Qualifikation auszunehmen. Ein letztes Beispiel aus diesem Zusammenhang der Qualifikation von Einkunftsarten betrifft die Sondervergütungen an Gesellschafter, die uns im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 2. Halbsatz EStG hinreichend bekannt sind. Die deutsche Thematik – ich erwähnte es bereits – ist maßgeblich geprägt von der Gewerbesteuer, und daraus resultiert auch die Tendenz der Rechtsprechung und Verwaltung, den Kreis der erfassten Rechtsverhältnisse möglichst weit zu ziehen. Dennoch glaubt man, mit Hilfe der besonderen Qualifikation des Gesellschafters als „Mitunternehmer“ (Brigitte Knobbe-Keuk sprach gerne von „Mitunternehmerideologie“) die Sachprobleme erfassen zu können. Andere Länder werden hier mit ganz anderen Fragen konfrontiert und gelangen daher auch zu anderen Ergebnissen. Im Vereinigten Königreich etwa gibt es zwar keine Gewerbesteuer, aber es gibt die Möglichkeit, gewerbliche Einkünfte in eine steuerfreie Pensionsrücklage einzustellen. Daher haben Gesellschafter, die von ihrer Gesellschaft für bestimmte Leistungen Sonderzahlungen erhalten, ein Interesse daran, diese Sonderzahlungen als gewerbliche Einkünfte zu deklarieren, was bei Kapitalverzinsung und Unternehmerentlohnung regelmäßig akzeptiert wird, bei echten Drittverträgen mit dem Gesellschafter hingegen nicht82. Ganz anders ist die Interessenlage in den USA, wo die Steuerpflicht der Bezüge als solche beim Gesellschafter nicht in Frage steht, aber die Behandlung der korrespondierenden Ausgaben bei der Gesellschaft. Denn diese muss echte Betriebsausgaben „kapitalisieren“, d. h. „aktivieren“, während die Auszahlung von Gewinnbeteiligungen an Gesellschafter steuerlich ohne Relevanz bleibt. Vor diesem Hintergrund entscheidet das US-Steuerrecht vor allem danach, ob die Zahlungen an die Gesellschaft dem Grunde und der Höhe nach „garantiert“ sind – dann werden sie aktiviert – oder ob sie von Gewinn- oder Umsatzgrößen abhängen – dann haben sie keinen Einfluss auf die Gewinnermittlung der Gesellschaft83.

V. Gleichwertigkeit der Einkunftsarten und Gestaltungsfreiheit der Steuerpflichtigen Werden wir ernsthaft dieser Probleme Herr, wenn wir die Frage stellen, ob sich die gewerbliche Tätigkeit in Wahrheit auf der Ebene der Gesellschaft

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81 Art. 151 nonies CGI. Vgl. hierzu Gutmann, D. a. a. O. (Fn. 16), Rn. 285. 82 Vgl. hierzu Clarke, J./Bond, A. a. a. O. (Fn. 41), [3.21] ff. 83 Sec. 707(a),(c) IRC. Vgl. auch Ault, H./Arnold, B. a. a. O. (Fn. 3) S. 423.

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oder in Wahrheit auf der Ebene der Gesellschafter abspielt? Muss man diese Probleme nicht dem Gesetzgeber mit der Bemerkung zurückgeben, dass der Ausgangspunkt des Problems, nämlich die Differenzierung zwischen gewerblichen und anderen Einkünften, sinnlos ist? Führt es zum Ziel, dieselbe Testfrage, nämlich die nach der persönlichen unternehmerischen Qualität des Personengesellschafters, für so unterschiedliche Rechtsfolgen heranzuziehen wie die Anwendung des Vermögensvergleichs an Stelle der Überschussrechnung, die Zulässigkeit von Pensionsrückstellungen, den vertikalen Verlustausgleich, die Aktivierung von Zahlungen oder die Gewerbesteuerpflicht von Sondervergütungen? Lassen wir dazu Brigitte Knobbe-Keuk selbst zu Wort kommen. „Die Würdigung dieses Anliegens setzt die Klärung voraus, worum es bei der Entscheidung über die Mitunternehmerstellung eigentlich geht. Zur Debatte steht allein die Bestimmung der Einkunftsart. Es geht also bei dem Geschäftsführer, Darlehensgeber und/oder Verpächter nicht darum, ob er überhaupt Einkommen erzielt, sondern um die Frage, in welcher Einkunftsart er Einkommen erzielt. In dem Katalog der sieben Einkunftsarten geht der Gesetzgeber von der steuerlichen Gleichwertigkeit der Einkünfte der verschiedenen Einkunftsarten aus – dies, obwohl bei der Ermittlung der Einkünfte zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften zu unterscheiden ist. Der Dualismus bei der Einkünfteermittlung wird viel beklagt und als Verstoß gegen den Gleichheitssatz angeprangert. Besonderes Missfallen ruft die unterschiedliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen, je nach dem ob sie in einem Betriebsvermögen oder im Privatvermögen erzielt werden, hervor. Der Ruf nach einer Besteuerung privater Veräußerungsgewinne bei Grundstücken wird immer lauter. Der vielfach zu einseitige Blick auf die Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne und die damit verbundene Suggerierung, bei der einen Einkunftsart würden die Steuerpflichtigen günstiger behandelt als bei der anderen, wird der Komplexität des dualistischen Einkünfteermittlungssystems nicht gerecht. Natürlich kann man darüber nachdenken, ob die Unterschiede zwischen den beiden Einkünfteermittlungsarten gerechtfertigt sind und ob sie gegebenenfalls beseitigt werden können. U. E. ist es aber nicht sachgerecht, bei derartigen Überlegungen zur Einebnung der Unterschiede sich isoliert nur einen Aspekt herauszu‚picken‘. Man kann nicht für die Einführung der Steuerpflicht privater Grundstücksveräußerungen plädieren ohne zu berücksichtigen, dass auch im betrieblichen Bereich – solange das Unternehmen existiert – solche Gewinne in Hinsicht auf § 6b EStG nicht besteuert zu werden pflegen und dass die stillen Reserven selbst bei Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit dank der Wiederbelebung der vom Großen Senat des BFH aufgegebenen Geprägerechtsprechung nicht aufgedeckt werden müssen. Die Zuordnung von Einkünften zu einer Überschusseinkunftsart oder zu einer Gewinneinkunftsart ist von ähnlich banaler Ambivalenz wie der Reißverschluss. Es geht nicht nur um Veräußerungsgewinne, sondern auch um Veräußerungsverluste und um die Berücksichtigung nichtrealisierter Wertverluste. Nicht zu vernachlässigen sind die an gewerbliche Einkünfte anknüpfenden Steuervergünstigungen und Investitionszulagen. Auf der anderen Seite steht natürlich die Gewerbesteuerpflicht.

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Wolfgang Schön Die Qualifizierung von Einkünften als Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat also ihre zwei Seiten. Die dualistische Einkünfteermittlung hat nicht „böse“ oder „gute“ Einkünfte zur Folge. Man kann nicht abstrakt sagen, die Ermittlung nach dem einen System sei für den Steuerpflichtigen günstiger oder ungünstiger als die Ermittlung nach dem anderen System. Man kann nur feststellen: es ist ein aliud“84.

Legt man mit Brigitte Knobbe-Keuk die Erkenntnis zu Grunde, dass die Differenzierungen zwischen den Einkunftsarten, welche die Praxis der Personengesellschaft im Steuerrecht (nicht nur der Bundesrepublik Deutschland) so vielfältig belasten, keine überzeugenden Gerechtigkeitsanliegen zum Ausdruck bringen, so gelangt man zum eigentlichen Kern der Problematik: Weshalb verwenden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung so erhebliche Ressourcen auf die Ausdifferenzierung der Personengesellschaftsbesteuerung? Und weshalb stehen sich die Vertreter der „Einheitsbetrachtung“ und der „Vielheitsbetrachtung“ seit Jahrzehnten so unversöhnlich gegenüber? Die Antwort liegt m. E. in der Tatsache begründet, dass die „Einheitsbetrachtung“, welche die steuerrechtliche Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft akzeptiert und damit zugleich die gesonderte Verwirklichung von steuerlichen Tatbeständen auf der Ebene der Personengesellschaft zulässt, den Steuerpflichtigen – den hinter der Personengesellschaft stehenden Personen – ein höheres Maß an Gestaltungsfreiheit gewährt. Die Gründung einer Personengesellschaft schafft bei Anwendung der „Einheitsbetrachtung“ eine zusätzliche Ebene und räumt damit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit ein, steuerlich relevante Sachverhalte entweder auf der Ebene des eigenen Vermögens oder Betriebes oder auf der Ebene der Gesellschaft anzusiedeln. Durch die gesonderte Würdigung dieser Sachverhalte auf der Ebene der Gesellschaft kann es zu steuerlichen Rechtsfolgen kommen, die beim Steuerpflichtigen selbst so nicht eintreten würden. Die Gründung einer Personengesellschaft erweitert damit die steuerlichen Handlungsspielräume der dahinter stehenden natürlichen Personen. Diese Differenzierungen (und damit auch diese Gestaltungsmöglichkeiten) zu vermeiden, ist das Ziel der Vielheitsbetrachtung und letztlich auch der Leitgedanke der Gleichstellung von Einzel- und Mitunternehmer85. Und doch liegt eine materielle Verkürzung in der Haltung, die Personengesellschaft lediglich als Gestaltungsinstrument zu begreifen. In vielfacher Hinsicht – auch darauf hat Brigitte Knobbe-Keuk immer hingewiesen – besitzt die Personengesellschaft eine ganz andere wirtschaftliche und rechtliche Realität als das Einzelunternehmen. Die OHG und die KG sind nicht nur der verlängerte Arm ihrer Gesellschafter, sondern wirkungs-

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84 Knobbe-Keuk a. a. O. (Fn. 74), S. 53 f. 85 Siehe auch aus US-Sicht: Lipton, R./Carman, P./Fassler, C./Schwidetzky, W. a. a. O. (Fn. 5), S. 5 f.

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mächtige Kollektive mit eigener Geschäftsführung und Verfassung, in denen – je nach Realstruktur – der einzelne Gesellschafter mehr oder weniger zu sagen hat. In ihrem Bestreben, die Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen einzudämmen, verschließt die Vielheitstheorie die Augen vor den vielfältigen zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Unterschieden zwischen Einzelbetrieb und Personengesellschaft. Damit zwingt sie die gesetzestypische, von einer Gesellschaftergesamtheit beherrschte eigenständige Handelsgesellschaft in das Prokrustesbett der Einzelunternehmerideologie. Das Vermächtnis Brigitte Knobbe-Keuks ist vor diesem Hintergrund ein Doppeltes: Den Blick auf die Realitäten des zivilrechtlich verfassten Wirtschaftslebens zu richten und zugleich den Wert der Gestaltungs- und Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen zu betonen. Die „Einheitsbetrachtung“ ermöglicht beides: die Akzeptanz der eigenständigen Wirklichkeit des kollektiv verfassten Unternehmens (nicht im Sinne eines „Unternehmens an sich“, aber doch im Sinne eines durch besondere Leitungsund Finanzierungsregeln gesteuerten Rechtsträgers) und die Anerkennung der freiwilligen Trennung rechtlicher Ebenen zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft. Es gilt: Die Behandlung der Personengesellschaft im Unternehmenssteuerrecht sagt viel darüber aus, in welchem Umfang ein Staat seinen Steuerpflichtigen in der rechtlichen und wirtschaftlichen Gestaltung ihrer Angelegenheiten vertraut und im Zweifel zu ihren Gunsten entscheidet.

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Stichwortverzeichnis Abfärbetheorie 47 ff., 157 Abkommensberechtigung 111 ff., 118, 120 f., 125 f., 129 Abkommensorientierte Auslegung 118 Abschirmwirkung (der Körperschaft) 8 Allgemeine Unternehmenssteuer 144 Als-Ob-Bilanz 157 Anrechnung ausländischer Steuer 117 f., 125, 130, 134 ff. Anwenderstaatsorientierte Auslegung 120, 124 f., 130 Arm’s length-Grundsatz 107 f. Auslegung von Gewinnermittlungsvorschriften 50 Authorized OECD Approach 109 Besteuerungsgleichheit 11 Betriebsstättenerlass 100, 114 Bilanzbündeltheorie 2, 4, 17, 41, 44, 50, 52, 54, 81, 104, 150 Börsengängigkeit von Anteilen 143 Bruttobetrachtung 87 f. Buchführungspflicht 49, 55 Buchwertfortführung 69, 71 ff., 76, 78, 80, 83, 89, 91 Check the box rules 110, 143 Corporate integration 144 DBA-Anwendung 96, 100, 111 f., 114, 120, 134 Doppelbesteuerung 105, 108, 112 f., 118, 127 f., 131, 134 ff. Doppelte Nichtbesteuerung, s. a. Weiße Einkünfte 113, 131 Drittstaatsbetriebsstätteneinkünfte 116, 121 f.

Dualismus der Einkunftsarten 156 f., 159, 161 Dualismus der Unternehmensbesteuerung 8, 139 f. Einheitliche Bilanzierung 50 Einkünftequalifikation (auf Gesellschaftsebene) 15 ff., 47 ff. Einkünftezurechnung 41 ff., 53 ff., 111, 117, 122, 126, 129, 133 Ergänzungsbilanz 52 f., 63, 75 f., 83, 92 f., 150 Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) 9 f., 13, 145 Faktische Gesellschaft (faktische Mitunternehmerschaft) 13 Finale Entnahme-Theorie 90 Freiberufler-Personengesellschaft 57 Fusionsrichtlinie 86 Geprägerechtsprechung 2, 20, 41 ff., 45 f., 51, 58, 60, 161 Gesamthandsbilanz 49 f., 75 Gesamthandslehre 41 ff. Gesamthandsprinzip 2 Gewerbebetrieb auf Antrag, s. Gewerbliche Prägung Gewerbesteuer 21 ff., 62 ff., 101, 104, 106, 157, 160 f. – bei Sondervergütung 104 f. Gewerbliche Prägung 48 ff., 137 ff. Gewinntransfer 123, 126 ff. Gewinnverteilung(sschlüssel) 51 ff., 118, 151, 153 f. Gleichstellungsthese 48, 54, 103 Infektionstheorie, s. Abfärbetheorie Investmentsteuerrecht 142 165

Stichwortverzeichnis

Kapitalkontenanpassung 81 f. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) 146 Konsumsteuer 142, 144 Körperschaftsteuer 11, 41, 71, 118, 123 f., 136, 142 ff. Korrespondierende Bilanzierung 53 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip 45, 69 Markteinkommensprinzip 70 Minderbesteuerung 113 Mitunternehmerbegriff 151 ff. Mitunternehmererlass 4, 73, 91 Mitunternehmer-Geschäftsleitungsbetriebsstätte 107 Mitunternehmerinitiative 26 f., 30 ff., 37, 42, 158 Mitunternehmerrisiko 26 f., 30, 34 ff., 42, 158 Nachversteuerung von Entnahmen 149 Nettobetrachtung, s. Bruttobetrachtung Partnership Report (der OECD) 96, 99, 103 f., 108, 112 ff., 119 f., 130 ff. Persönliche Haftung 146 f. Qualifikationskonflikt (subjektiver) 97, 103, 110 f., 113, 115 f., 132, 135 Realisationsprinzip 141 Realteilung 4, 68, 77 ff., 87, 89 REIT-Gesetzgebung 142 Sicherstellungsklauseln 89 Sonderbereich 53 ff. Sonderbetriebserträge 97 ff., 106 166

Sonderbetriebsvermögen 4, 29, 52 ff., 63, 68, 71 ff., 84 ff., 91, 98, 104, 156 Sondervergütungen 1, 5, 29, 53 ff., 64, 97 ff., 137 f., 157, 160 Sondervergütungen/-betriebserträge im DBA-Recht 99 f., 137 f. Steuer(rechts)subjektivität (der Personengesellschaft) 40 ff., 58 Steuerentnahmerecht 45 Steuersubjektidentität bei stillen Reserven 71 Stille Reserven 71, 76, 79 f., 86 Subjektiver Einkommensbegriff 151 Subjektqualifikation 97, 109 ff. Subjektsteuerprinzip 69 ff., 85, 93 f. Teilbetriebsbegriff 85 f. Teilhabersteuer 145 Transparenzprinzip 8 f., 11, 36, 144 Treaty Override 109 Trennungsprinzip 8 ff., 74, 127 Treuhandmodell 46, 64 f. Typenvergleich 13, 110 f., 117, 132, 146 Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern 4, 52 ff., 68, 71, 73 ff., 77 ff., 82 ff., 90 ff. Überentnahme 50 ff., 149 Venezuela-Entscheidung 110 Veranlassungsprinzip 50 Veräußerungsgewinn 53, 67, 130 f., 135, 154, 156, 159, 161 Verdeckte Gesellschaft 14 Verlustausgleich/Verlustzurechnung 147, 149, 151, 153, 158, 161

Stichwortverzeichnis

Vermögensverwaltende Personengesellschaften 3, 16, 18 f., 21, 42, 58 ff., 125, 137 Wegzugsbesteuerung 138 Weiße Einkünfte, s. a. Doppelte Nichtbesteuerung 96, 101, 113, 131

Wettbewerbsneutralität 11 Zebragesellschaft 18 f., 60, 157 Zinsschranke 52, 104 Zurechnungsthese 45

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