Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrech 9783504387402

Die Behandlung der Personengesellschaft ist kein Detailproblem des Grunderwerbsteuerrechts, sondern eine seiner wichtigs

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German Pages 396 Year 2021

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Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrech
 9783504387402

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Tiefe

Mörwald Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht

Tiefe

Steuerfragen der Wirtschaft

Band 28

Tiefe

Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht von

Dr. jur. Frieder Bernhard Mörwald 2021

Zugleich Dissertation, Universität Augsburg, 2020 D384

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64129-0 ©2021 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

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Vorwort Das vorliegende Werk wurde im Sommersemester 2020 von der Juristi­ schen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Gregor Kirchhof für die umsichtige Betreuung sowie Herrn Prof. Dr. Hagen Kobor für die engagierte Zweitbegutachtung dieser Arbeit im entlegenen Gebiet des Grunderwerbsteuerrechts, das stark von der Rechtsprechung geprägt, wissenschaftlich hingegen nur wenig durchdrungen ist. Dankbar bin ich auch für die gewährte Freiheit, meine eigene Vorstellung von einer Arbeit zu verwirklichen, die eine unbefriedigende Rechtssituation nicht nur darstellt, sondern konstruk­ tive Kritik und ernsthafte Lösungsvorschläge in den Diskurs einbringt. Darüber hinaus danke ich Herrn Prof. Dr. Joachim Englisch für die ­fundierte Steuerrechtsausbildung während meiner Augsburger Studien­ zeit sowie für die spätere Anregung zu diesem Thema, Herrn Prof. Dr. Matthias Rogall und Herrn Prof. Dr. Andreas Schumacher für die regel­ mäßige Versorgung mit themenrelevanten Grunderwerbsteuerfällen im Rahmen meiner berufspraktischen Tätigkeit, Herrn Dr. Benedikt Ellen­ rieder für wertvollen Rat und kritische Durchsicht der wichtigsten Pas­ sagen des Manuskripts, Herrn Dr. Karl Broemel und Herrn Dr. Christian Joisten für immer wieder produktiven Gedankenaustausch in Grund­ erwerbsteuerfragen, meinen Eltern Johanna und Walter für die bedin­ gungslose Förderung meiner akademischen Ausbildung und meiner Le­ benspartnerin Natalie für viel Motivation, Unterstützung und Trost während der gesamten Entstehungszeit dieser Arbeit. Bonn, im Dezember 2020

Frieder Bernhard Mörwald

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Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

1 Einführung 1.1 Relevanz der Thematik und wissenschaftliche Zielsetzung dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2

Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.1 Die Grunderwerbsteuer in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 7 2.1.1 Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer

7

2.1.2 Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1.3 Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.2 Rechtsnatur und grunderwerbsteuerrechtliche Rezeption der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.1 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.2 Die eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

3

Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.1 Erwerb und Übertragung von Grundstücken durch Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1.1 Die Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft . 95 3.1.2 Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen zwischen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 VII

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Inhaltsübersicht

3.2 Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.2.1 Vor- und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.2.2 Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) 118 3.2.3 Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.2.4 Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.2.5 Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.3 Umwandlung, Sitzverlegung und Auflösung der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3.3.1 Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3.3.2 Übertragende Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3.3.3 Beendigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3.3.4 Grenzüberschreitende Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . 273

4

Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und ­Übermaßbesteuerung: ­Bestandsaufnahme und ­Handlungsbedarf

4.1 Problembefunde der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . 279 4.1.1 Die Personengesellschaft als Gestaltungsvehikel . . . . . . 279 4.1.2 Inkonsistenzen und Widersprüche bei der Rezeption des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4.1.3 Verfassungswidrige Übermaßbesteuerung . . . . . . . . . . . 284 4.1.4 Scheitern des Konzepts der Rechtsverkehrsteuer . . . . . . 285 4.2 Gebot und Grenzen einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ im Grunderwerbsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4.3 Gesetzgeberischer Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4.3.1 Der allgemeine Grunderwerbsteuertatbestand als gesetzgeberischer Gestaltungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.3.2 Neudefinition des steuerbaren Gesellschafterwechsels . 293 4.3.3 Ersatz der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 und 6a GrEStG durch eine systeminhärente und rechtsformneutrale Zurechnungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

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Inhaltsübersicht

4.3.4 Ergebnis: Schaffung von Rechtsformneutralität durch  Abschaffung personengesellschaftsspezifischer Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4.4 Exkurs – Aktuelles Gesetzesvorhaben zur Verhinderung von Steuergestaltungen durch sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . 299 4.4.1 Rechtspolitisches Regelungsanliegen: Verschärfte Besteuerung von sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.4.2 Steuersystematische und verfassungsrechtliche Würdigung des Reformkonzepts der Länder . . . . . . . . . . 301 4.4.3 Alternative Reformkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 4.4.4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

5

Zusammenfassung in 100 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

6

Zusammenfassung in 10 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

7 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

8 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

1 Einführung 1.1 Relevanz der Thematik und wissenschaftliche Zielsetzung dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2

Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.1 Die Grunderwerbsteuer in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 7 2.1.1 Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer 7 2.1.1.1 Besondere (Rechts-)Verkehrsteuer . . . . . . . 7 2.1.1.2 Sonderumsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.1.3 Sonderunternehmensteuer . . . . . . . . . . . . 12 2.1.2 Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1.2.1 Zum verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedarf der Grunderwerbsteuer . . . . . 15 2.1.2.2 Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer . . . 18 2.1.2.2.1 Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.1.2.2.2 Allgemeiner Gleichheitssatz und bereichsspezifische ­Konkretisierungen . . . . . . . . . 20 2.1.2.2.2.1 Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . 20 2.1.2.2.2.2 Folgerichtigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1.2.2.3 Zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Grunderwerbsteuer . . . . . 22 2.1.2.3 Besteuerungsgegenstand und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . 25 XI

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Inhaltsverzeichnis

2.1.2.3.1 2.1.2.3.1.1 2.1.2.3.1.2 2.1.2.3.1.3 2.1.2.3.1.4 2.1.2.3.1.5

Bestehende Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Rechtsvorgang als solcher . . . . . . . . . . . . . 25 Erfolg, Vermögenstransfer, Bereicherung . 26 Äquivalenztheoretische Ansätze . . . . . . . . 27 Bewertungsdifferenztheorie nach L. Mirre 27 Einkommens- oder Vermögensverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.1.2.3.2 Der Besteuerungsgegenstand – warum die Grunderwerbsteuer bereits äußerlich keine Rechtsverkehrsteuer ist . . . . . . . . . . 29 2.1.2.3.2.1 Historische Besteuerungskonzeption: Anknüpfung an rechtliche Vorgänge zur Erfassung wirtschaftlicher Vorgänge . . . . . 30 2.1.2.3.2.2 Zum Verhältnis zwischen den Grund- und den Ergänzungstatbeständen . . . . . . . . . . . 35 2.1.2.3.2.3 Bestimmung des Besteuerungsgegenstands als Oberbegriff von § 1 Absätze 1, 2 und 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.1.2.3.3 Der Belastungsgrund – warum die Leistungsfähigkeit auch für eine sog. Rechtsverkehrsteuer maßgebend ist . . . . . . . . . . 39 2.1.2.3.3.1 Die Teilnahme am Rechtsverkehr als Ausdruck von Leistungsfähigkeit . . . . . . . 39 2.1.2.3.3.2 Der Erwerber als materieller Steueradressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.1.2.3.3.3 Der Erwerbsaufwand als Gradmesser steuerlicher Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . 42 2.1.2.4 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

2.1.3 Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1.3.1 Der Einfluss des Zivilrechts auf die Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.1.3.1.1 Zum Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.1.3.1.1.1 Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.1.3.1.1.2 Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.1.3.1.2 Die Steuerjuristische Betrachtungsweise . 48 2.1.3.1.3 Zur Relevanz des Zivilrechts für die Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.1.3.1.3.1 Zivilrechtliche Anknüpfung vs. Eigenbe­ griffsbildung im Grunderwerbsteuerrecht 50 XII

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2.1.3.1.3.2

Materielle Wertung und rechtstechnische Erfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.1.3.1.3.3 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.1.3.2 Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ in der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . 54 2.1.3.2.1 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als steuerrechtliche Methode . . . . . . . . . . . . . 54 2.1.3.2.1.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.1.3.2.1.2 Anwendung und Grenzen . . . . . . . . . . . . . 56 2.1.3.2.1.3 Erweiterte wirtschaftliche Betrachtung im Anwendungs­bereich des § 42 AO . . . . . . . 58 2.1.3.2.2 Fallgruppen in der grunderwerbsteuerlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.1.3.2.2.1 Rückbehalt von sog. „Zwerganteilen“ . . . 59 2.1.3.2.2.2 Die „Plan-Rechtsprechung“ zu § 5 Abs. 2 GrEStG 1940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.1.3.2.2.3 Einheitliches Vertragswerk und einheitlicher Erwerbsgegenstand . . . . . . . . . . . . . 61 2.1.3.2.2.4 Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft . . . . . 62 2.1.3.2.2.5 Wirtschaftliche Zurechnung (§ 39 Abs. 2 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.1.3.2.2.6 Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1.3.2.2.6.1 Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften vor Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1.3.2.2.6.2 Verknüpfung zwischen Grundstück und Personen­gesellschaftsanteil . . . . . . . . . . . . 66 2.1.3.2.2.6.3 Ausschluss des § 42 AO bei spezialgesetzlichen Umgehungstatbeständen . . . . . . . . 67 2.1.3.2.3 Systematisierung und Folgerungen . . . . . . 68 2.1.3.2.3.1 Überblick und Einordnung der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.1.3.2.3.2 Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei Steuerumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.1.3.2.3.3 Wirtschaftliche Betrachtungsweise zur Ausfüllung von grunderwerbsteuerlichen Eigenbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

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Inhaltsverzeichnis

2.2 Rechtsnatur und grunderwerbsteuerrechtliche Rezeption der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.1 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.1.1 Begriff und Erscheinungsformen der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.1.1.1 Die gesetzlichen Rechtsformen . . . . . . . . . 73 2.2.1.1.2 Innen- und Außengesellschaften . . . . . . . . 74 2.2.1.1.3 Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.2.1.1.3.1 Personengesellschaft vs. juristische Person 74 2.2.1.1.3.2 Personengesellschaft vs. Gesamthand . . . 76 2.2.1.1.3.3 Personengesellschaft vs. Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.2.1.2 Rechtliche Struktur der Gesellschaft . . . . 77 2.2.1.2.1 Traditionelle Gesamthandslehre . . . . . . . . 77 2.2.1.2.2 Neue Gesamthandslehre . . . . . . . . . . . . . . 78 2.2.1.2.2.1 Rechtsfähigkeit im Außenverhältnis . . . . 78 2.2.1.2.2.2 Gesellschaftsvermögen als Vermögen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.2.1.3 Rechtliche Struktur der Gesellschaftsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.2.1.3.1 Mitgliedschaft (Gesellschaftsanteil) . . . . . 81 2.2.1.3.2 Vermögensanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.2.1.3.3 Kapitalanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.2.1.3.4 Gewinn- und Verlustbeteiligung . . . . . . . . 85 2.2.1.3.5 Auseinandersetzungsguthaben . . . . . . . . . 85 2.2.1.4 Die Teilnahme der Personengesellschaft am Grundstücksverkehr . . . . . . . . . . . . . . 86 2.2.1.4.1 Erwerb von Grundstückseigentum . . . . . . 86 2.2.1.4.2 Beteiligung an Grundstücksgesellschaften 87 2.2.2 Die eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.2.2.1 Tatbestandlicher Aufgriff als Subjekt des Grundstücksverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.2.2.1.1 Gesellschaftsbegriff als Statusbegriff . . . . 88 2.2.2.1.2 Inkonsistente Anteilsbegriffe . . . . . . . . . . 89 2.2.2.2 Übernahme und Abwandlung zivilrechtlicher Wertungen und Konzepte . . . . . . . . 90 2.2.2.2.1 Rechtssubjektivität der Gesellschaft . . . . 90 2.2.2.2.2 Gesellschaftsidentität und Strukturwandel 92 2.2.2.2.3 Vermögenszurechnung zu den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 XIV

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2.2.2.2.4

Keine Berücksichtigung der neuen Gesamthandslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.2.2.3 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

3

Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.1 Erwerb und Übertragung von Grundstücken durch Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1.1 Die Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft . 95 3.1.1.1 Verfahrensrechtliche Implikationen . . . . . 95 3.1.1.1.1 Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1.1.1.2 Bekanntgabe des Steuerbescheids . . . . . . . 96 3.1.1.1.3 Steuerschuldnerschaft und Haftung . . . . . 96 3.1.1.2 Materiell-rechtliche Implikationen . . . . . 98 3.1.2 Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen zwischen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.1.2.1 Der Mechanismus der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG . . . . . . . . . . 99 3.1.2.1.1 Sachliche Steuerbefreiung für Übergänge zwischen ­Gesamthand und Gesamthänder 99 3.1.2.1.2 Vor- und Nachbehaltensfristen . . . . . . . . . 101 3.1.2.2 Systematische Einordnung der Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.1.2.2.1 Historische Gesetzesbegründung . . . . . . . 101 3.1.2.2.2 Rechtfertigung unter Berücksichtigung der neuen Gesamthandslehre . . . . . . . . . . 103 3.1.2.2.3 Keine „Steuervergünstigung“ im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.1.2.3 Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . 107 3.1.2.3.1 Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.1.2.3.1.1 Gleichheitsrechtswidrige Privilegierung von Personen­gesellschaften? . . . . . . . . . . . 107 3.1.2.3.1.2 Rechtsformneutralität der Besteuerung als Verfassungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.1.2.3.1.3 Rechtfertigung durch zivilrechtliche Unterschiede? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.1.2.3.2 EU-Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.1.2.4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 XV

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3.2 Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.2.1 Vor- und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.2.2 Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) 118 3.2.2.1 Grundzüge und Historie der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.2.2.2 Die Fiktion einer neuen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3.2.2.2.1 Zur rechtlichen und wirtschaftlichen Identität der Personengesellschaft nach Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3.2.2.2.2 Die bisherige 95%-Beteiligungsschwelle im Grunderwerb­steuerrecht . . . . . . . . . . . 124 3.2.2.2.3 Absenkung der relevanten Beteiligungsschwelle auf 90% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3.2.2.2.4 Fehlen eines Beherrschungs- oder Zuordnungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . 128 3.2.2.2.4.1 Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.2.2.2.4.2 Rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.2.2.2.4.3 Keine hinreichende Rechtfertigung durch Missbrauchs­gesichtspunkte . . . . . . . . . . . 132 3.2.2.2.5 Folgeprobleme der gesetzlichen Fiktion . . 138 3.2.2.2.5.1 Steuerschuldnerschaft und Anzeigepflicht der Personen­gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 138 3.2.2.2.5.2 Keine Anrechnung vorangegangener Erwerbe nach § 1 Abs. 6 GrEStG . . . . . . . . 139 3.2.2.2.6 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.2.2.3 Das Problem der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands . . . . . . . . . . . . 142 3.2.2.3.1 Mittelbare Änderung aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorgänge . . . . . . . . . . . . 142 3.2.2.3.1.1 Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.2.2.3.1.2 Die Regelung im Rahmen des StÄndG 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3.2.2.3.1.2.1 Methodik bei vermittelnden Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.2.2.3.1.2.2 Methodik bei vermittelnden Kapitalgesell­ schaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.2.2.3.1.2.3 Methodik bei mehrstufiger Beteiligung von Personen- und Kapitalgesellschaften . 147 3.2.2.3.1.2.4 Konsequenzen und offene Fragen . . . . . . . 147 XVI

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3.2.2.3.1.3

Steuersystematische und verfassungsrechtliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.2.2.3.1.3.1 Systematische Inkonsequenz der „Fiktion in der Fiktion“ (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG) 148 3.2.2.3.1.3.2 Verfassungswidrigkeit der rechtsformbezogenen Differenzierung? . . . . . . . . . . . 149 3.2.2.3.2 Mittelbare Änderung aufgrund schuldrechtlicher Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . 153 3.2.2.3.2.1 Die BFH-Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Zurechnung bei § 1 Abs. 2a GrEStG 154 3.2.2.3.2.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.2.2.3.2.2.1 Bisheriger Grundsatz: Anwendungsausschluss des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wegen Spezialität der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.2.2.3.2.2.2 Die neue Anwendungslogik für § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – Grundgedanke und Unstimmigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.2.2.3.2.2.3 Zulässigkeit einer erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 2a GrEStG? . . . . . . . . . . . . . . 160 3.2.2.3.2.2.4 Wertungswidersprüche bei Treuhandverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3.2.2.3.2.2.5 Rückgriff auf § 1 Abs. 2 GrEStG als Alternativlösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.2.2.3.2.2.6 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3.2.2.3.2.3 Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3.2.2.3.2.4 Möglichkeit einer mehrfachen mittelbaren Gesellschafterstellung? . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.2.2.4 Der Begriff des „neuen Gesellschafters“ . . 170 3.2.2.4.1 Der unmittelbare Neugesellschafter nach § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG . . . . 170 3.2.2.4.1.1 Auswirkung der Neuregelung auch für unmittelbare ­Gesellschafterwechsel? . . . . 170 3.2.2.4.1.2 Personengesellschaften als neue Gesellschafter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.2.2.4.2 Die Verlängerung der Beteiligungskette . . 174 3.2.2.4.3 Die Verkürzung der Beteiligungskette . . . 178 3.2.2.4.3.1 Verkürzung auf mittelbarer Ebene . . . . . . 178

XVII

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3.2.2.4.3.1.1 Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3.2.2.4.3.1.2 Beteiligungskette von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3.2.2.4.3.2 Verstärkung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung . . . . . . . . . . . . . 181 3.2.2.4.3.2.1 Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.2.2.4.3.2.2 Beteiligungskette von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.2.2.4.4 Die neuen Gesellschafter vermittelnder Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3.2.2.5 Ergebnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . 186 3.2.3 Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.2.3.1 Regelungsinhalt und Besteuerungskonzept des § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.2.3.1.1 Grundzüge der gesetzlichen Regelung . . . 187 3.2.3.1.2 Warum die sog. „Sachherrschaftstheorie“ nicht überzeugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.2.3.1.3 Warum die sog. „Fiktionstheorie“ unzutreffend ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3.2.3.1.4 Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.2.3.2 Der „Anteil“ an einer Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG . . . 193 3.2.3.2.1 Anteilsbegriff bei Grundstückspersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3.2.3.2.2 Anteilsbegriff bei zwischengeschalteten Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.2.3.2.3 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3.2.3.2.3.1 Zur Heranziehung des sachenrechtlichen Anteilsbegriffs im Allgemeinen . . . . . . . . 202 3.2.3.2.3.1.1 Normzweckbezogene Auslegung des Anteilsbegriffs des § 1 Abs. 3 GrEStG . . . 202 3.2.3.2.3.1.2 Verfassungskonforme Auslegung des Anteilsbegriffs des § 1 Abs. 3 GrEStG . . . 206 3.2.3.2.3.2 Zum divergierenden Begriffsverständnis bei unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

XVIII

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3.2.3.3 3.2.3.4 3.2.3.4.1

3.2.3.4.2 3.2.3.4.3 3.2.3.4.3.1 3.2.3.4.3.2 3.2.3.5

Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG? . 208 Die Personengesellschaft im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Organschaft . . . 210 Das Verhältnis von grunderwerbsteuerlicher und u ­ msatzsteuerlicher Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Die Personengesellschaft als herrschendes Unternehmen (Organträgerin) . . . . . . . . . . 211 Die Personengesellschaft als abhängiges Unternehmen (Organgesellschaft)? . . . . . . 212 Abhängigkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abhängigkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Ergebnis zu § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . 216

3.2.4 Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.2.4.1 Regelungsinhalt und Gesetzestechnik . . . 218 3.2.4.1.1 Ausgangslage bis 2013: Die Personengesellschaft als sog. „RETT-Blocker“ . . . . 218 3.2.4.1.1.1 Einsatz von Grundstückspersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3.2.4.1.1.2 Zwischenschaltung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3.2.4.1.2 Die wirtschaftliche Beteiligung an einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3.2.4.1.3 Die Fiktion eines Rechtsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . 226 3.2.4.2 Praktische Auswirkungen der neuen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.2.4.2.1 Beseitigung der Gestaltungsmöglichkeit „RETT-Blocker“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.2.4.2.2 Kollateralbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3.2.4.3 Steuersystematische und verfassungsrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3.2.4.3.1 Die „wirtschaftliche Beteiligung“ als folgerichtige Entfaltung des grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrundes . . . . . . . . 231 3.2.4.3.2 „Meistbelastungswirkung“ bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 XIX

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3.2.4.4

Ergebnis zu § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . 233

3.2.5 Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.2.5.1 Grundstückszurechnung bei § 1 Abs. 2a GrEStG durch § 1 Abs. 3 GrEStG? . . . . . . 234 3.2.5.2 Grundstückszurechnung bei §§ 5, 6 GrEStG durch § 1 Abs. 3 GrEStG? . . . . . 239 3.2.5.3 Wechselseitige Zurechnung zwischen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG? . . . . . . . . 241 3.2.5.4 Konsequenz: Dringender Bedarf an einer gesetzlichen Zurechnungsregel . . . . . . . . . 245 3.3 Umwandlung, Sitzverlegung und Auflösung der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3.3.1 Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3.3.1.1 Zivilrechtliche Vorbedingungen . . . . . . . . 247 3.3.1.2 Grunderwerbsteuerliche Irrelevanz des Formwechsels auf Gesellschaftsebene . . . 248 3.3.1.3 Grunderwerbsteuerliche Behandlung des Formwechsels auf Gesellschafterebene . . 249 3.3.1.3.1 Formwechsel einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft . . . . . 249 3.3.1.3.1.1 Quotenwahrender Formwechsel . . . . . . . . 249 3.3.1.3.1.2 Quotenverschiebender Formwechsel . . . . 249 3.3.1.3.2 Formwechsel einer Personengesellschaft in eine K ­ apitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . 251 3.3.1.3.2.1 Quotenwahrender Formwechsel bei Beteiligung oberhalb der 95%-Schwelle . . 251 3.3.1.3.2.2 Quotenwahrender Formwechsel mit Ausscheiden eines 0%-Gesellschafters . . . 253 3.3.1.3.2.3 Quotenverschiebender Formwechsel mit Überschreitung der 95%-Schwelle . . . . . . 257 3.3.1.3.2.4 Quotenverschiebender Formwechsel oberhalb der 95%-Schwelle . . . . . . . . . . . . 258 3.3.1.3.3 Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personen­gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 259 3.3.1.3.3.1 Quotenwahrender Formwechsel . . . . . . . . 259 3.3.1.3.3.2 Quotenverschiebender Formwechsel . . . . 259 3.3.1.4 Auswirkung des Formwechsels auf die Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG . . . . 259 3.3.1.4.1 Formwechsel der erwerbenden Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 XX

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3.3.1.4.2

Formwechsel einer zwischengeschalteten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

3.3.2 Übertragende Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3.3.2.1 Steuerbarkeit übertragender Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3.3.2.2 Die Personengesellschaft im Rahmen des § 6a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3.3.2.2.1 Selektive Vergünstigung oder systemgerechte Steuerbefreiung? . . . . . . . . . . . . . 263 3.3.2.2.2 Die Personengesellschaft als herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft 264 3.3.2.2.3 Anteilsbegriff des § 6a Satz 4 GrEStG und Bestimmung der Beteiligungsquote . . . . . 265 3.3.3 Beendigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3.3.3.1 Auflösung, Liquidation und Vollbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3.3.3.2 Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3.3.4 Grenzüberschreitende Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . 273 3.3.4.1 Die ausländische Personengesellschaft in der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 273 3.3.4.2 Zivilrechtliche Folgen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3.3.4.2.1 Wegzug einer deutschen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3.3.4.2.2 Zuzug einer ausländischen Gesellschaft . 275 3.3.4.2.3 Sitzverlegung im Ausland . . . . . . . . . . . . . 276 3.3.4.3 Grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz der Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

4

Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und ­Übermaßbesteuerung: ­Bestandsaufnahme und ­Handlungsbedarf

4.1 Problembefunde der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . 279 4.1.1 Die Personengesellschaft als Gestaltungsvehikel . . . . . . 279 4.1.1.1 Grunderwerbsteuergestaltung mit Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . 279

XXI

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4.1.1.2

Gestaltungsanfälligkeit als strukturelles Problem der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . 281

4.1.2 Inkonsistenzen und Widersprüche bei der Rezeption des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4.1.3 Verfassungswidrige Übermaßbesteuerung . . . . . . . . . . . 284 4.1.4 Scheitern des Konzepts der Rechtsverkehrsteuer . . . . . . 285 4.2 Gebot und Grenzen einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ im Grunderwerbsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4.3 Gesetzgeberischer Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4.3.1 Der allgemeine Grunderwerbsteuertatbestand als gesetzgeberischer Gestaltungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.3.2 Neudefinition des steuerbaren Gesellschafterwechsels . 293 4.3.2.1 Ersatzlose Streichung des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 4.3.2.2 Zusammenführung von § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . 294 4.3.2.3 Vereinheitlichung der Anteilsbegriffe . . . . 296 4.3.3 Ersatz der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 und 6a GrEStG durch eine systeminhärente und rechtsformneutrale Zurechnungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4.3.4 Ergebnis: Schaffung von Rechtsformneutralität durch  Abschaffung personengesellschaftsspezifischer Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4.4 Exkurs – Aktuelles Gesetzesvorhaben zur Verhinderung von Steuergestaltungen durch sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . 299 4.4.1 Rechtspolitisches Regelungsanliegen: Verschärfte Besteuerung von sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.4.2 Steuersystematische und verfassungsrechtliche Würdigung des Reformkonzepts der Länder . . . . . . . . . . 301 4.4.2.1 Absenkung der relevanten Beteiligungsschwellen auf 90% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 4.4.2.2 Verlängerung diverser Haltefristen auf zehn bzw. 15 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 4.4.2.3 Steuerbarkeit von Gesellschafterwechseln bei Kapital­gesellschaften nach dem Vorbild des § 1 Abs. 2a GrEStG („§ 1 Abs. 2b GrEStG“) . . . . . . . . . . . . . . . 303

XXII

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4.4.2.4

Keine Regelung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 4.4.2.5 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

4.4.3 Alternative Reformkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 4.4.3.1 Absenkung der Beteiligungsschwelle auf bis zu 50% in Verbindung mit einem quotalen Besteuerungssystem . . . . . . . . . . 306 4.4.3.1.1 Quotale Besteuerung als fundamentaler Systemwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 4.4.3.1.2 Qualifikation als Kapitalverkehrsteuer? . . 310 4.4.3.1.3 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 4.4.3.2 Sonderregime für Immobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4.4.3.3 Zuschlag bei kurzer Haltedauer . . . . . . . . 315 4.4.3.4 Reduzierung ökonomischer Anreize zu Share Deals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 4.4.4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

5

Zusammenfassung in 100 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

6

Zusammenfassung in 10 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

7 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

8 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

XXIII

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1 Einführung

1.1 Relevanz der Thematik und wissenschaftliche Zielsetzung dieser Arbeit Die Grunderwerbsteuer hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu ei­ nem der komplexesten, unverständlichsten und widersprüchlichsten Ge­ biete des deutschen Steuerrechts entwickelt und hat entgegen ihrer Zwecksetzung längst den Status einer besonderen Unternehmensteuer erreicht. Sie erfasst Sachverhalte, die weit außerhalb der gängigen Vor­ stellung des Grundstücksverkehrs liegen und erzeugt beim Steuerpflich­ tigen einen rechtlichen Planungs- und Befolgungsaufwand, der in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu ihrer systematischen Stellung als be­ sondere Verkehrsteuer auf Grundstücksübertragungen steht. Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat die grunderwerbsteuerli­ che Rezeption der Personengesellschaft. Nachdem Rechtsprechung und Literatur sich einig waren, dass eine steuerbare Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG bei Personengesellschaften nicht möglich sei, wurde die Personengesellschaft zum wichtigsten Gestaltungsinstru­ ment im Bereich der Grunderwerbsteuer. Wer ein Grundstück ohne An­ fall der Steuer veräußern wollte, brauchte nur eine Personengesellschaft als Grundstücksgesellschaft zu nutzen oder sie in einer mehrstufigen Beteiligungskette zwischenzuschalten. Die erste gesetzgeberische Reaktion erfolgte im Jahr 1997 durch Schaf­ fung des Steuertatbestands § 1 Abs. 2a GrEStG (Änderung im Gesellschaf­ terbestand einer Personengesellschaft), der die gängigen Gestaltungsmo­ delle kaum eindämmen konnte, dafür aber bei anderen Sachverhalten ungerechtfertigte neue Steuerbelastungen schuf. Gleichzeitig blieb es weiterhin möglich, Immobilientransaktionen mit gesellschaftsrechtli­ chen Mitteln so auszugestalten, dass trotz wertmäßigen Übergangs des ganzen Grundstücks der Anfall von Grunderwerbsteuer vermieden wer­ den konnte. Erst seit Einführung des weiteren Ergänzungstatbestands § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2013, der sich gezielt gegen das Phänomen der sog. „RETT-­ Blocker“-Personengesellschaft richtete, wird der Erwerb von sog. „wirt­ schaftlichen Beteiligungen“ grunderwerbsteuerlich erfasst. Allerdings wurde hierbei ein weiteres Mal nur das Symptom und nicht die Ursache 1

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1 Einführung

bekämpft: Anstatt die überkommene grunderwerbsteuerrechtliche Be­ lastungskonzeption der Personengesellschaft in Frage zu stellen, wurde nur ein weiterer Auffangtatbestand hinzugefügt. Im Ergebnis ist der Steuerpflichtige heute mit einem „kaum noch überschaubaren Rege­ lungsdickicht“1 komplexer Spezialtatbestände konfrontiert, deren weit­ reichende Steuerfolgen durch verschiedene, nicht weniger komplizierte Ausnahmeregeln nur bedingt eingedämmt werden. Dass das Ende dieser Entwicklung noch nicht erreicht sein dürfte, zeigen aktuelle Gesetzes­ vorhaben, die auf eine weitere Verdichtung des Tatbestandsgefüges hin­ wirken.2 Gewichtigen Anteil an der vorgefundenen Rechtssituation hat der Um­ stand, dass bis heute keine Einigkeit über den materiellen Inhalt und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer besteht: Die Rechtsprechung begreift die Grunderwerbsteuer traditionell als eine Rechtsverkehrsteuer im materiellen Sinne, die auf eine Besteuerung des „Rechtsvorgangs als solchen um des in der Rechtsänderung selbst enthaltenen Ergebnisses […] willen“ abzielt.3 Demgegenüber klassifiziert das wissenschaftliche Schrifttum die Grunderwerbsteuer nahezu einhellig als eine am Leis­ tungsfähigkeitsprinzip auszurichtende Einkommens- und Vermögens­ verwendungssteuer,4 behandelt sie meist aber eher am Rande, ohne aus dieser Erkenntnis Konsequenzen für einzelne Auslegungs- und Anwen­ dungsfragen zu ziehen. Da das spezifisch grunderwerbsteuerrechtliche Schrifttum überwiegend aus Praktikerliteratur besteht, wird der dogma­ tische Konflikt zwischen beiden Seiten bislang kaum offen ausgetragen. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an.

1 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 37. 2 Unter anderem ist derzeit die Einfügung eines zusätzlichen Ergänzungstatbestands „§ 1 Abs. 2b GrEStG“ geplant, vgl. Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437. 3 BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148 = juris, Rz. 14 m.w.N.; zur traditionellen Sichtweise siehe ausführlich P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 131 ff. 4 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1018; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 247; H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (35 f.); J. Hey, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 225 (226 f.); M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 12; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 2, Rz. 49; R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (148); G. Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Einführung zum GrEStG, Rz. 4; D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. (2016), Rz. 1801.

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1.1  Relevanz der Thematik und wissenschaftliche Zielsetzung dieser Arbeit

Die Behandlung der Personengesellschaft ist kein Detailproblem des Grunderwerbsteuerrechts, sondern eine seiner wichtigsten Grundfragen, in der sich das gesamte Spannungsverhältnis zwischen formaler Rechts­ verkehrsteuer, wirtschaftlicher Realität und systembedingten Steuerum­ gehungsmöglichkeiten konzentriert. Das gewählte Thema bildet eine Ergänzung zu den bestehenden grunder­ werbsteuerrechtlichen Dissertationen von Kroschewski5 und Rothenöder6 zur Anteilsvereinigung, von Stodian7 zur Treuhand, von Verweyen8, ­Arnold9, Krich10 und Keul11 zur Behandlung von konzerninternen Um­ strukturierungen, von Hartlich12 zur Verwertungsbefugnis, von Eulau13 zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise und von Tigges14 zum Reformbe­ darf bei den Ergänzungstatbeständen. Zur Arbeit von Wiese15 über die „Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht“ aus dem Jahr 2003 besteht eine thematische Verwandtschaft; aufgrund unterschiedlicher Schwer­ punktsetzung sowie der in den letzten beiden Jahrzehnten erheblich ver­ änderten Rechtslage sind die inhaltlichen Überschneidungen jedoch ge­ ring. Ziel dieser Arbeit ist es, die grunderwerbsteuerliche Sonderstellung der Personengesellschaft auf ihre Übereinstimmung mit der gesellschafts­ rechtlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit, den steuersystemati­ schen Vorgaben sowie dem höherrangigen Recht zu überprüfen und durch Aufzeigen etwaigen Korrekturbedarfs einen Beitrag zu einer folge­ richtigen Weiterentwicklung des Grunderwerbsteuerrechts zu leisten. Im Mittelpunkt stehen hierbei das Rechtsproblem der Steuergestaltung mithilfe von Personengesellschaften, die diesem begegnende spezifische 5 R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unternehmens­ verbund (2001). 6 S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009). 7 A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008). 8 E. Verweyen, Grunderwerbsteuer bei konzerninternen Umstrukturierungen (2005). 9 N. Arnold, Umstrukturierung inländischer Konzerne unter Beachtung des § 6a GrEStG (2015). 10 S. Krich, Grunderwerbsteuer im Konzern (2018). 11 L. Keul, Die Norminterdependenzen des Grunderwerbsteuergesetzes bei Umstruk­ turierungen internationaler Konzerne (2019). 12 T. Hartlich, Die Verwertungsmöglichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016). 13 P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht (2017). 14 C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer – Möglichkeiten einer Neukonzeption unter Berücksichtigung steuersystematischer, betriebswirtschaftli­ cher und administrativer Anforderungen (2018). 15 G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003).

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1 Einführung

Missbrauchsgesetzgebung sowie das im Bereich der Rechtsverkehrsteu­ ern noch immer ungeklärte Verhältnis zwischen Zivilrechtsbindung und wirtschaftlicher Betrachtungsweise.

1.2 Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit beginnt mit der Untersuchung, worin das Wesen der Grunderwerbsteuer liegt und welcher materielle Belastungsgrund ihre Erhebung rechtfertigt.16 Diese Grundfrage ist unausweichlich, da sie die Auslegung der grunderwerbsteuerlichen Normen wesentlich deter­ miniert. Erforderlich – und aufgrund aktueller Rechtsprechung zur Perso­ nengesellschaft sehr relevant – ist auch eine Auseinandersetzung mit der besonderen Bindung der Grunderwerbsteuer an das Zivilrecht und den daraus abzuleitenden Konsequenzen für die Anwendung einer „wirt­ schaftlichen Betrachtungsweise“ im Grunderwerbsteuerrecht.17 Anknüp­ fend an diese Standortbestimmung wird sodann die zivilrechtliche Natur der Personengesellschaft beleuchtet18 und ein erster Überblick auf ihre gesetzliche Rezeption im GrEStG gerichtet.19 Im Anschluss folgt als Kernstück der Arbeit die Diskussion der die Per­ sonengesellschaft betreffenden Regelungsbereiche des GrEStG im Ein­ zelnen. Dabei wird zwischen drei Gruppen von Rechtssituationen unter­ schieden: Erstens der Teilnahme der Personengesellschaft selbst am Grundstücksverkehr,20 zweitens dem Gesellschafterwechsel21 und drit­ tens der Beendigung und Transformation der Gesellschaft.22 Das Ziel ist hierbei keine Detailkommentierung, sondern die Analyse der hinter je­ der Regelung stehenden rechtlichen Konzepte auf ihre steuersystemati­ sche Folgerichtigkeit und ihre Verfassungskonformität. Die wichtigsten Streitfragen und Auslegungsprobleme der Gegenwart werden dennoch aufgegriffen und implizit innerhalb der jeweiligen Themenabschnitte diskutiert. Die Untersuchung endet mit einer Verdichtung der Problembefunde und der Entwicklung von Lösungsvorschlägen für die Gesetzgebung und

16 Siehe Abschnitt 2.1, ab S. 7. 17 Siehe Abschnitt 2.1.3, ab S. 43. 18 Siehe Abschnitt 2.2.1, ab S. 73. 19 Siehe Abschnitt 2.2.2, ab S. 87. 20 Siehe Abschnitt 3.1, ab S. 95. 21 Siehe Abschnitt 3.2, ab S. 116. 22 Siehe Abschnitt 3.3, ab S. 246.

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1.2  Gang der Untersuchung

Rechtsanwendung.23 Neben einer Skizzierung des hinsichtlich der Be­ handlung der Personengesellschaft identifizierten gesetzlichen Reform­ bedarfs24 wird abschließend im Rahmen eines Exkurses das derzeitige Gesetzesvorhaben zur Verschärfung der grunderwerbsteuerlichen Ergän­ zungstatbestände im Hinblick auf sog. „Share Deals“ diskutiert.25

23 Siehe Abschnitt 4, ab S. 279. 24 Siehe Abschnitt 4.3, ab S. 291. 25 Siehe Abschnitt 4.4, ab S. 299.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.1 Die Grunderwerbsteuer in der Rechtsordnung 2.1.1 Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer 2.1.1.1 Besondere (Rechts-)Verkehrsteuer Die Grunderwerbsteuer wird in der Rechtsprechung des BVerfG26 und im Schrifttum27 als (Rechts-)Verkehrsteuer kategorisiert. Für das Wesen ei­ ner Verkehrsteuer wird als charakteristisch angesehen, „dass sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaft­ lichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirt­ schaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpft.“28 Weitere gegenwärtig erhobene Verkehrsteuern sind die Versicherungsteuer, die Feuerschutzsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer sowie die Rennwett- und Lot­ teriesteuer.29 Begreift man die Umsatzsteuer – im technischen Sinne – als die allgemeine Verkehrsteuer,30 so lassen sich die vorgenannten Steuern zusammen mit der Grunderwerbsteuer der Gruppe der besonderen oder speziellen Verkehrsteuern zuordnen.31 Die Kategorisierung als Verkehrsteuer trifft für sich genommen noch kei­ ne Aussage über den materiellen Gehalt einer Steuer, da sie allein auf deren rechtstechnischer Anknüpfung beruht.32 Die Frage nach der steuer­ systematischen und verfassungsrechtlichen Legitimation der Grunder­ 26 BVerfG, Beschluss v. 8. 1. 1999, 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, S. 152 = juris, Rz. 27. 27 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1012; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 131; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 8; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (297 ff.); M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 16. 28 BVerfG, Beschluss v. 8. 1. 1999, 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, S. 152 = juris, Rz. 27; BVerfG, Beschluss v. 7. 5. 1963, 2 BvL 8, 10/61, BVerfGE 16, 64 = juris, Rz. 38. 29 Für eine einführende Darstellung dieser Steuern siehe J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 105 ff. und G. Bruschke, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrsteuern, 7. Aufl. (2016). 30 So K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1011. 31 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1011; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 1 ff. 32 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 7; K. Tipke,

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

werbsteuer wird daher noch gesondert zu beantworten sein.33 Relevant ist der Verkehrsteuerbegriff jedoch für Zwecke der finanzverfassungs­ rechtlichen Kompetenzverteilung.34 Denn die Aufkommenshoheit über die Verbrauchsteuern kommt nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG dem Bund, diejenige über die Verkehrsteuern hingegen nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG den Ländern zu. Darüber hinaus erfordert die Regelung des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Abgrenzung von den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern.35 Versucht man, Verbrauch- und Verkehrsteuern voneinander abzugren­ zen, zeigt sich, dass die oben zitierte Charakterisierung durch das BVerfG noch keine trennscharfe und abschließende Definition ermöglicht. Denn das Anknüpfen an rechtliche oder wirtschaftliche Vorgänge ist auch für die Verbrauchsteuern kennzeichnend.36 Es ist deshalb erforderlich, auch die Belastungswirkung der Steuer in die Abgrenzung miteinzubeziehen.37 Hier unterscheidet die Verbrauchsteuern, dass ihr Belastungsadressat re­ gelmäßig der private Endkonsument ist, und dass das im Wege des Ver­ kehrsakts übertragene Gut die wirtschaftliche Wertschöpfungskette ver­ lässt, um dort „verbraucht“ zu werden. Die Verbrauchsteuern erfassen materiell nicht nur den formalen Verkehrsakt, sondern den „Übertritt des Verbrauchsguts aus einer steuerlichen Bindung in den nicht gebunde­ nen Marktverkehr“38. So ist etwa die Umsatzsteuer ersichtlich auf die Belastung des Endverbrauchers ausgerichtet, was sich im Konzept des Vorsteuerabzugs zeigt,39 aber insbesondere auch darin, dass die Privat­ entnahme eines Gegenstands durch den Unternehmer einer Lieferung (Endverbrauch) gleichgestellt wird.40 Der Verbrauchsakt im Sinne der Verbrauchsteuersystematik kann zudem von einer einzigen Person ver­

Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1012 ff.; H. Stadie, in: Rau/ Dürrwächter, UStG (160. Lfg. Oktober 2014), Vorbemerkung, Rz. 780. 33 Siehe nachfolgend Abschnitt 2.1.2, ab S. 14. 34 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 7. 35 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 7. 36 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (276); R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (148). 37 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 7. 38 Vgl. BFH, Urteil v. 30. 4. 1953, V 84/57 S, BFHE 57, S. 473 = juris, Rz. 70; BVerfG, Beschluss v. 7. 5. 1963, 2 BvL 8, 10/61, BVerfGE 16, 64 = juris, Rz. 40; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 247; M. Desens, in: Fest­ schrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 21. 39 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 26. 40 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (277).

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2.1.1  Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer

wirklicht werden (z.B. durch das Verbringen oder die Einfuhr eines Ge­ genstands), u.U. sogar ohne menschliches Zutun.41 Die Verkehrsteuer hingegen setzt zwei Personen voraus, die durch einen Vorgang des Rechtsverkehrs Leistungen erbringen oder Rechtsansprüche begründen.42 Gegenstand der Verkehrsteuer ist weder ein Verbrauch noch ein Gewinn, sondern eine Rechtsänderung.43 Dies trifft auf die Grunder­ werbsteuer zu. Sie knüpft an Rechtsänderungen zwischen zwei Personen an; der bloße Verbrauchsakt ohne Rechtsänderung wird von ihr hingegen nicht erfasst. Zudem unterscheidet die Grunderwerbsteuer nicht zwi­ schen Verbrauchern und Unternehmern: Sie kennt keinen Vorsteuerab­ zug und belastet jeden Erwerber wie einen Endverbraucher. Aufgrund dieser Unterscheidungsmerkmale ist die Grunderwerbsteuer in ihrer heutigen Fassung finanzverfassungsrechtlich nicht als Verbrauch-, son­ dern als Verkehrsteuer einzustufen.44 2.1.1.2 Sonderumsatzsteuer Ungeachtet der oben erwähnten strukturellen Unterschiede zu einer Ver­ brauchsteuer wird die Grunderwerbsteuer häufig als „Sonderumsatz­ steuer für Grundstücksumsätze“ bezeichnet.45 Denn Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer sind insoweit aufeinander abgestimmt, als Umsätze, die unter das GrEStG fallen, gem. § 4 Nr. 9 lit. a) UStG zumindest im 41 Vgl. BFH, Urteil v. 30. 4. 1953, V 84/57 S, BFHE 57, S. 473 = juris, Rz. 70. 42 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 247. 43 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (277), der den engeren Begriff der „eigentlichen“ Verkehrsteuern dahingehend absteckt, dass positiv Ge­ genstand der Steuer eine Rechtsänderung oder eine auf eine Rechtsänderung gerich­ tete Tatsache ist und negativ weder ein Entgelt für die Leistung einer Behörde (Ab­ grenzung zu Gebühren) noch eine Belastung des Verbrauchs oder eines Gewinns vorliegt. 44 Zunehmend problematisch wird indes die Abgrenzung zur Kapitalverkehrsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 GG, da sich die Grunderwerbsteuer immer mehr von der Besteuerung des bloßen Erwerbs von Grundstücken entfernt. Sollte die re­ levante Beteiligungsgrenze in den Ergänzungstatbeständen § 1 Abs. 2a, 3, und 3a GrEStG von derzeit 95% signifikant abgesenkt werden, kann von einer typisieren­ den Erfassung eines dem Grundstückserwerb wirtschaftlich entsprechenden Vor­ gangs nicht mehr die Rede sein; man müsste insoweit vielmehr von einer Gesell­ schaftssteuer auf Anteile an Grundstücksgesellschaften sprechen. Siehe Abschnitt 4.4.3.1.2, S. 310. 45 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1017; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 3; H. Schaumburg, in: Fest­ schrift W. Reiss (2008), S. 25 (35); H. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG (160. Lfg. Oktober 2014), Vorbemerkung, Rz. 782; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 142.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Grundsatz von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen sind.46 Aus dieser komplementären Belastungskonzeption wird gefolgert, dass der Gesetz­ geber die beiden Steuern als gleichartig ansehe.47 Zudem wird eine Ähn­ lichkeit beider Steuern im Hinblick auf ihren Belastungsgrund – nach h.M. ist dies die durch die Verwendung von Einkommen oder Vermögen offenbarte Leistungsfähigkeit48 – festgestellt.49 Der zentrale Unterschied beider Steuern liegt in der Besteuerungstech­ nik: Die Umsatzsteuer ist seit ihrer umfassenden Novelle im Jahr 1967 als Allphasen-Nettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug ausgestaltet.50 Durch den Abzug der Vorsteuer auf Eingangsumsätze werden sog. Kumu­ lationseffekte vermieden und nur noch der von dem betreffenden Unter­ nehmer auf der jeweiligen Produktions- und Handelsstufe geschaffene Mehrwert besteuert.51 Da das System eine Überwälzung der Steuer auf den Endverbraucher vorsieht und ermöglicht, verbleibt im Ergebnis kei­ ne Steuerbelastung auf Ebene des leistenden Unternehmers. Dadurch erfüllt die Umsatzsteuer das europarechtliche Gebot der Wettbewerbs­ neutralität.52 Die Grunderwerbsteuer hingegen sieht keinen Vorsteuerab­ zug vor und unterscheidet nicht zwischen Unternehmern und Verbrau­ chern. So werden auf der einen Seite auch Grundstücksübertragungen zwischen Privatpersonen von der Besteuerung erfasst. Auf der anderen Seite wird eine Vorsteuerentlastung für Unternehmer nicht gewährt und eine Kumulation der Steuer bei der mehrfachen Übertragung desselben Grundstücks in Kauf genommen. Aus steuersystematischer Sicht wurde im Schrifttum bereits eine tatbe­ standliche und terminologische Angleichung der Grunderwerbsteuer an die Umsatzsteuer vorgeschlagen53 und sogar ihre vollständige Integration 46 Gleichwohl kann es in verschiedenen Konstellationen, etwa beim Erwerb unbebau­ ter, jedoch alsbald zur Bebauung vorgesehener Grundstücke zu einer Doppelbelas­ tung mit GrESt und USt kommen. Die grunderwerbsteuerliche Rechtsfigur des sog. einheitlichen Vertragswerks ist insoweit unzureichend mit der USt abgestimmt, vgl. D. Klein, DB 2014, S. 208. 47 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1017 und 1024 f.; H. Schaumburg, Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht (1974), S. 81; ablehnend A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 20. 48 Zur Frage des Belastungsgrundes siehe nachfolgend Abschnitt 2.1.2.3, ab S. 25. 49 So J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4. 50 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 17, Rz. 3; F. Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG (73. Lfg. 2014), Wesen der Umsatzsteuer, Rz. 9; W. Reiß, in: Reiß/Kräusel/Langer/Wäger, UStG (131. Lfg. Sept. 2016), Einführung, Rz. 19. 51 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 17, Rz. 2 f. 52 Siehe hierzu J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 17, Rz. 15 ff. 53 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 10.

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2.1.1  Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer

in das Umsatzsteuerrecht gefordert.54 Zur Begründung werden der Grund­ satz der Einheit der Steuerrechtsordnung55 sowie gleichheitsrechtliche Aspekte angeführt.56 Ob ein zwingendes primärrechtliches Gebot besteht, Grundstücksumsätze und die unter das geltende UStG fallenden Umsät­ ze gleich zu behandeln, ist indes fraglich. Das BVerfG hat in einem Be­ schluss zur Verfassungsmäßigkeit der Grunderwerbsteuer festgehalten, dass es „kein einheitliches Steuersystem (Steuerfindungsrecht[!]) gibt, sondern bereits die Verfassung eine Vielzahl von Steuern aufführt“ und „es mithin auch keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gibt, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt werden müssen (…).“57 Auch die durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie58 erteilten europarechtlichen Vorga­ ben belassen dem nationalen Gesetzgeber im Hinblick auf die Besteue­ rung von Grundstücksumsätzen einen weitreichenden Gestaltungsraum, sowohl für eine Integration in das Umsatzsteuerrecht als auch für eine Freistellungslösung, wie sie von § 4 Nr. 9 lit. a) UStG geregelt wird. Art. 401 MwStSystRL ließe sogar eine kumulative Erhebung der Grunder­ werbsteuer neben einer Umsatzsteuer auf Grundstücksumsätze zu.59 Die steuersystematisch überzeugenden Forderungen nach einer Integration in oder einer Angleichung an die Umsatzsteuer (z.B. Einführung eines Vor­ steuerabzugs) haben deshalb eher nur rechtspolitischen Charakter.60 Einige strukturelle Besonderheiten des Grundstücksverkehrs lassen die gesetzgeberische Entscheidung, Grundstücksumsätze einer eigenen Ver­ kehrsteuer zu unterwerfen, zumindest nachvollziehbar erscheinen:61 54 So U. Baur, Steuersystematisches Postulat und steuertechnische Möglichkeit der Integration der Grunderwerbsteuer in die Umsatzsteuer (1974); K. Tipke, Die Steu­ errechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1018 ff.; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staats­ rechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 251; P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 133 f.; R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (153 f.). 55 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1016. 56 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1028, der anders als das BVerfG von einer Geltung des Gleichheitssatzes über den Binnenbereich einzelner Steuern hinaus ausgeht. Ähnlich R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (152 f.), der auf die Möglichkeit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Kumulationseffekte der beiden Steuern hinweist. 57 BVerfG, Beschluss v. 8. 1. 1999, 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, S. 152 = juris, Rz. 20. 58 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. Nr. L 347 S. 1, ber. ABl. Nr. L 335 S. 60. 59 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 22; J. Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 3. 60 So auch P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 185 ff.; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 23. 61 A.A. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1025 f., der das Argument sachlicher Unterschiede als „freischwebende Verkehrsteuerspezialisten­ phantasie“ bezeichnet.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Grundstücke sind weder Handelsware noch Produktionsgüter,62 sondern endlich und territorial gebunden.63 Sie werden weder „produziert“ noch „verbraucht“, sondern „verwertet“64. Hierbei werden sie entweder lang­ fristig gehalten oder verbleiben im Markt. Dieser Grundstücksmarkt ist typischerweise keine vielstufige Wertschöpfungskette, sondern ein offe­ ner Kreislauf, in dem es keinen „Endverbraucher“ gibt. So ist im Grund­ stücksverkehr, anders als im Konsumgütermarkt, auch die Veräußerung durch einen Verbraucher an einen Unternehmer nicht untypisch. Ob das aufwändige und zudem besonders missbrauchsanfällige Allphasen-Net­ tobesteuerungssystem der Umsatzsteuer diesem Umfeld besser gerecht werden würde als die Grunderwerbsteuer, ist ungewiss. 2.1.1.3 Sonderunternehmensteuer Problematisch bleibt die Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer anders als die Umsatzsteuer auch Unternehmen belastet und insoweit den ­Charakter einer „Sonderunternehmensteuer“65 aufweist. In der Literatur werden gleichheitsrechtliche Bedenken im Hinblick darauf vorgebracht, dass den Unternehmen bei Grundstücksumsätzen anders als bei den der Umsatzsteuer unterliegenden Umsätzen kein Vorsteuerabzug und keine offene Überwälzung zur Verfügung stehen.66 Im Gegensatz zur Anschaf­ fung einer Maschine führt die Anschaffung eines Betriebsgrundstücks zu einer steuerlichen Belastung für die Unternehmen, die sich nicht durch einen Vorsteuerabzug neutralisieren lässt.67 Zwar dürfte einem Unter­ nehmer regelmäßig die verdeckte Überwälzung seines Grunderwerbsteu­ eraufwands gelingen,68 so dass eine zu moderaten Steuersätzen erhobene Grunderwerbsteuer nicht zwingend zu einer Mehrbelastung des Unter­ nehmers gegenüber einer Besteuerung mit Umsatzsteuer führen würde. Bei den heutigen Steuersätzen, die in einigen Bundesländern mit 6,5% 62 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 188: „Die Grundflächen sind ewig, die Gebäude langlebig.“ 63 Vgl. G. Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Einführung zum GrEStG, Rz. 4: Die wirtschaftliche Verwertung von Grundstücken sei „in besonderer Weise staatsbezogen“, was auch eine besondere Besteuerung rechtfertige. 64 Diesem Rechtsgedanken entspricht auch die Steuerbarkeit des Erwerbs der Verwertungsmöglichkeit gem. § 1 Abs. 2 GrEStG. 65 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1025. 66 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1025; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 3. 67 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 511 f. 68 Vgl. H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (36); M. Desens, in: Fest­ schrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 16.

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2.1.1  Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer

bereits fast das Niveau des ermäßigten Umsatzsteuersatzes erreicht ha­ ben, kann es durch den fehlenden Vorsteuerabzug jedoch zu erheblichen Belastungskumulationen kommen. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet die Belastung von Unterneh­ men mit Grunderwerbsteuer auch im Hinblick darauf, dass nicht nur externe Grundstücksumsätze, sondern auch interne Reorganisationsak­ te der Steuer unterworfen werden.69 Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist insoweit festzustellen, als die Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsträgerwechsel, die nicht auf einem Leistungsaus­ tausch beruhen, der Besteuerung unterwirft.70 Der Gesetzgeber hat das Problem durch die Einführung von § 6a GrEStG (Steuerbefreiung für kon­ zerninterne Umstrukturierungen) im Jahr 2009 nur teilweise beseitigt, da diese Regelung nicht an der Besteuerungswürdigkeit der Vorgänge an­ setzt, sondern als Lenkungsnorm zur Förderung des Wirtschaftswachs­ tums konzipiert worden ist und nur einen begrenzten Anwendungsbe­ reich hat.71 Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Grunderwerbsteuer nicht un­ terscheidet, ob ein Unternehmen mit inländischem Grundbesitz oder ein Grundstück als solches (sei es unmittelbar oder im Mantel einer Immo­ biliengesellschaft) übertragen wird. Die Tatbestände des GrEStG belas­ ten den Verkauf eines ganzen Unternehmens also in gleicher Weise wie eine reine Immobilientransaktion. Diese Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist rechtfertigungsbedürftig. Zur Begründung lässt sich die verkehrsteuerinhärente Anknüpfung an jede Grundstücksübertragung anführen,72 es bleiben jedoch Zweifel, ob dies eine ausreichende Recht­ fertigung darstellt.

69 Siehe J. Hey, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 225 ff.; E. Verweyen, Grunder­ werbsteuer bei konzerninternen Umstrukturierungen (2005), S. 183 ff.; H. Schaumburg, Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht (1974), S. 81 ff.; H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (37). 70 Vgl. H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (37); H. Schaumburg, Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht (1974), S. 81 ff.; ähnlich P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 93 und 163, der sich gegen die Gleichbehandlung von Umsatzakten und Organisationsakten „ohne Marktberührung“ bzw. „ohne Gegenleistung“ wendet. 71 Siehe Abschnitt 3.3.2.2.1, ab S. 263. 72 In diesem Sinne wohl BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777 = juris, Rz. 16. Danach lägen bei § 1 Abs. 2a GrEStG, der nicht nur ver­ mögensverwaltende, sondern auch werbende Personengesellschaften erfasst, „kei­ ne hinreichenden Anhaltspunkte“ dafür vor, dass diese Regelung „dem Gesetzes­ zweck nicht entspricht.“

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Die Belastung der Unternehmen wie auch eine mögliche Kumulations­ wirkung der Grunderwerbsteuer mangels Vorsteuerabzug hat sich in den letzten Jahren zudem durch die Entwicklungen bei Steuersätzen und ­Bewertung verschärft: Im Rahmen des JStG 1997 wurde der Grunder­ werbsteuersatz zunächst von 2% auf 3,5% angehoben. Infolge einer Grundgesetzänderung im Jahr 2006 erhielten die Länder die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer (Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG). Seither haben mit Ausnahme der Bundesländer ­Bayern und Sachsen alle Bundesländer Erhöhungen des zuvor bundesein­ heitlich 3,5% betragenden Grunderwerbsteuersatzes auf Sätze bis zu 6,5% vorgenommen. Des Weiteren wurde die Ersatzbemessungsgrundla­ ge, die gem. § 8 Abs. 2 GrEStG im Rahmen der Ergänzungstatbestände, bei Umwandlungen und anderen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen so­ wie in allen anderen Fällen, in denen keine Gegenleistung vorhanden oder ermittelbar ist, zur Anwendung kommt, aufgrund verfassungsrecht­ licher Beanstandungen73 mehrfach erhöht.74 Dies ist zwar systematisch richtig und verfassungsrechtlich zwingend; es verschärft aber die Steuer­ belastungen im Bereich der Ergänzungstatbestände und damit auch de­ ren gleichheitsrechtliche Probleme, auf die in dieser Arbeit noch einge­ gangen wird. Von einer „Unmerklichkeit“, mit der die Belastung durch Verkehrsteuern in älteren Schriften gerechtfertigt wurde,75 kann im Fall der heutigen Grunderwerbsteuer jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Die nachfolgend diskutierte Frage nach der Rechtfertigung und dem Belas­ tungsgrund dieser Steuer gewinnt dadurch zusätzlich an Bedeutung.

2.1.2 Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer Wer den Belastungsgrund und die materielle Rechtfertigung der Grund­ erwerbsteuer zu bestimmen sucht, trifft in der Literatur auf ein diffuses 73 BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, S. 655 = BVerfGE 93, 121 und BVerfG, Beschluss v. 23. 6. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, S. 871 = BVerfGE 139, 285. 74 Zunächst traten i.R.d. JStG 1997 die Grundbesitzwerte nach §§ 138 ff. BewG an die Stelle der für verfassungswidrig befundenen Einheitswerte (JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049). Nach Beschluss des BVerfG vom 23. 6. 2015 (a.a.O, Fn. 73) waren jedoch auch die Werte nach §§ 138 ff. BewG nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber übernahm daraufhin die bislang nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer geltenden Bewertungsregeln nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG auch für die Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834). 75 Vgl. etwa L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (282).

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

Meinungsbild. Denn die Steuerrechtfertigungstheorie gerät an eine Gren­ ze, wo sie auf Steuern trifft, die in vorkonstitutioneller Zeit ins Leben gerufen wurden, vom historischen Gesetzgeber aber nicht mit einer aus heutiger Sicht hinreichenden Begründung versehen worden sind. In die­ sen Fällen kann auf einen originären, vom Gesetzgeber definierten und ggf. im Gesetz niedergelegten Belastungsgrund nicht zurückgegriffen werden, und eine Verbindung zu den heute geltenden Besteuerungsprin­ zipien muss erst hergestellt werden. So verhält es sich auch mit der Grunderwerbsteuer, von deren Begründern beim Übergang von den Stempelsteuern zum GrEStG 1919 außer den offenkundig gegebenen Fis­ kalinteressen kein belastbarer Geltungsgrund der neuen Steuer benannt wurde.76 Dies hat zur Folge, dass alle Ansätze, die Grunderwerbsteuer materiell zu rechtfertigen, erst im Nachgang gleichsam „konstruiert“ werden mussten.77 Zudem wurden finanzwissenschaftliche Begründung und verfassungsrechtliche Legitimation häufig miteinander vermischt und verwechselt, was zu unnötigen Unstimmigkeiten im wissenschaftli­ chen Diskurs geführt hat.78 Bevor der Belastungsgrund der Grunderwerb­ steuer bestimmt werden kann, ist deshalb zuerst zu untersuchen, welche verfassungsrechtlichen Legitimationsanforderungen und -maßstäbe für die Grunderwerbsteuer zu Grunde zu legen sind. 2.1.2.1 Zum verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedarf der Grunderwerbsteuer Die Grunderwerbsteuer findet in der Finanzverfassung explizite Erwäh­ nung in Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG, der die Befugnis zur Festlegung des 76 Siehe Gesetzesbegründung zum GrEStG 1919, Nationalversammlung 1919, Drs. Nr. 374, S. 11; 18. 3. 1919, Staatenausschusstagung 1919, Drs. Nr. 34, S. 11: „Zur Be­ gründung der Besteuerung des Grundstückswechsels lassen sich weniger volkswirt­ schaftliche Gesichtspunkte anführen, vielmehr sind in erster Linie fiskalische Grün­ de für die Beliebtheit der Besteuerung von Grundstücksübertragungen maßgebend.“ 77 Kritisch hierzu P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, S. 148 f. 78 So kritisiert etwa Tipke (K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1014) die Bewertungsdifferenztheorie von L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissen­ schaft (1929), S. 274 (279 ff.) als unsachgerecht, weil diese letztlich nur aufzeige, dass für den Staat im Bereich des Rechtsverkehrs „etwas zu holen sei“, ohne diesen dabei zum Erliegen zu bringen. Diese Kritik verkennt zum einen, dass die von Mirre aus der Perspektive der öffentlichen Haushalte vorgenommene ökonomische Ana­ lyse einer Besteuerungsmaßnahme gerade Aufgabe der Finanzwissenschaft ist. Zum anderen ist festzustellen, dass die Bewertungsdifferenztheorie auch ein Erklä­ rungsmodell für die auch von Tipke vertretene These liefert, dass der Belastungs­ grund in der Leistungsfähigkeit des Grundstückserwerbers zu sehen ist. Siehe hier­ zu nachfolgend Abschnitte 2.1.2.3.1.4, S. 27 und 2.1.2.3.3.1, ab S. 39.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Steuersatzes den Ländern zuweist. Ihr Aufkommen wird über Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG den Ländern zugewiesen, denen gem. Art. 108 Abs. 2 GG auch die Verwaltungshoheit zukommt. Bereits die Urfassung des Grund­ gesetzes erfasste die Grunderwerbsteuer in Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG 1949.79 Die Rechtsprechung sieht diese finanzverfassungsrechtliche Ver­ ankerung bereits als hinreichende verfassungsrechtliche Legitimation der Grunderwerbsteuer an.80 Das Grundgesetz habe die Grunderwerbsteuer bereits in seiner Urfassung „in ihrer historisch gewachsenen Bedeutung aufgenommen und als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkannt.“81 Die in vorkonstitutioneller Zeit getroffene Entscheidung, an den Grund­ erwerb steuerliche Folgen zu knüpfen, sei „vom Grundgesetz rezipiert worden.“82 Auch in Teilen der Literatur wird vertreten, dass eine über die finanzverfassungsrechtliche Verankerung in Art. 105 f. GG hinaus rei­ chende, „weitere verfassungsrechtliche Legitimation“ der Grunderwerb­ steuer nicht erforderlich sei.83 Demgegenüber verlangen die Vertreter der Steuerrechtfertigungslehre nach K. Tipke eine Rechtfertigung jeder Steuer durch sachgerechte, verfas­ sungsrechtlich fundierte Besteuerungsprinzipien.84 Bei den Vorschriften des Art. 105 f. GG, die die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regeln, handle es sich lediglich um Organisationsnor­ men. Diese seien nicht geeignet, an die Stelle einer Rechtfertigungs­ grundlage – z.B. Art. 3 Abs. 1 GG als zentrale ethische Grundnorm – zu treten.85 Der sich ergebende Konflikt zwischen den gleichheitsrechtli­ chen Prinzipien und der finanzverfassungsrechtlichen Erwähnung der Grunderwerbsteuer soll durch Herstellung praktischer Konkordanz auf­ gelöst werden.86 Hierbei wird der Gleichheitssatz weitestmöglich zur Anwendung gebracht und ist, soweit sich eine der in Art. 105 f. GG ge­ nannten Steuern nicht als Lenkungsteuer rechtfertigen lässt, bindender 79 GrEStG vom 23.05.1949, BGBl. I 1949, S. 1. 80 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 8. 1. 1999, 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, S. 152; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526 m.w.N. 81 BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526 = juris, Rz. 17.  82 BVerfG, Beschluss v. 8. 1. 1999, 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, S. 152 = juris, Rz. 35. 83 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 9; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 151. 84 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 576 ff.; K. Tipke, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 9 (13 ff.); J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 6; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 102. 85 So K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 577; K. Tipke, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 9 (22). 86 So J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (190 f.); J. Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 6.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

verfassungsrechtlicher Maßstab für die Ausgestaltung dieser Steuer.87 Für die Grunderwerbsteuer, der offenkundig keine Lenkungszwecke zu Grunde liegen, wird deshalb eine weitergehende verfassungsrechtliche Rechtfertigung gefordert.88 Letzterem ist zuzustimmen. Als einige Jahrzehnte nach Einführung der Grunderwerbsteuer das heutige Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch­ land in seiner Ursprungsfassung entworfen wurde, galt es, in der Finanz­ verfassung die Kompetenzverteilung im Hinblick auf die zu diesem Zeit­ punkt bestehenden Steuern zu regeln. Zu diesen Steuern zählte auch die Grunderwerbsteuer. Mit der Erwähnung der Grunderwerbsteuer in der Finanzverfassung trafen die Väter des Grundgesetzes aber keine grund­ legende Legitimationsentscheidung, sondern übernahmen lediglich ei­ nen Begriff aus dem vorgefundenen Steuersystem.89 Die Erwähnung der Grunderwerbsteuer in der Urverfassung beruht somit primär auf der Existenz der Steuer zum Zeitpunkt der Begründung des Grundgesetzes. Ein dauerhafter Bestandsschutz für die in Art. 105 ff. GG genannten Steuern lässt sich daraus nicht ableiten, da es sich bei Art. 105 ff. GG lediglich um Kompetenznormen handelt, die eine Zuständigkeits-, nicht aber eine Legitimationsentscheidung treffen.90 Sie können allenfalls eine widerlegbare Vermutung dafür begründen, dass die jeweils genannten Materien grundsätzlich verfassungsgemäß geregelt werden können.91 Da sowohl die Wirklichkeit als auch das Steuerrecht stetiger Veränderung unterliegen, ist die Grunderwerbsteuer im jeweils gegebenen Kontext immer wieder aufs Neue auf ihre Legitimation zu untersuchen. Zudem trifft auch eine fortgeltende Legitimation der Existenz einer Steuer noch keine Aussage über die Verfassungsmäßigkeit ihrer Ausgestaltung.92 Die Grunderwerbsteuer ist also – ebenso wie die übrigen Verkehrsteuern – am allgemeinen Gleichheitssatz und den daraus abzuleitenden Be­ steuerungsprinzipien auszurichten.93 Ihr Belastungsgrund wie auch ihre 87 Vgl. J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (190 f.). 88 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1018 ff. 89 H. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG (160. Lfg. Oktober 2014), Vorbemerkung, Rz. 109. 90 So auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 577 f., der die Verklärung von Art. 106 GG als „pseudoethischen Götzen“ beklagt. 91 R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 341; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 251. 92 Vgl. R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 342. 93 So auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1017 ff.; H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (31 f.); J. Englisch, in: Tipke/

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Ausgestaltung müssen einer Prüfung am Maßstab der Grundrechte stand­ halten. 2.1.2.2 Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer 2.1.2.2.1 Freiheitsrechte Das Steuerrecht als „klassisches Eingriffsrecht“94 unterliegt dem Schutz der Freiheitsgrundrechte. Hervorzuheben sind hierbei die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Steuer entfaltet sowohl Belastungswirkungen als auch Gestaltungswirkungen, die jeweils auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen sind.95 Im Unterschied zu den Belastungswirkungen, die durch die Besteuerung selbst ausgelöst werden, treten die Gestaltungs­ wirkungen dadurch ein, dass der Steuerpflichtige ein bestimmtes, steuer­ lich nachteiliges Verhalten unterlässt bzw. ein steuerlich besonders be­ günstigtes Verhalten wählt.96 Die verfassungsrechtliche Kontrolle dieser Wirkungen ist jedoch be­ grenzt:97 Zwar gewährleistet Art. 14 Abs. 1 GG „das Recht, Sach- und Geldeigentum zu besitzen, zu nutzen, es zu verwalten und über es zu verfügen“ und sichert dem Grundrechtsträger hierdurch eine „privat ver­ fügbare Grundlage ökonomischer Freiheit“.98 Geschützt sind sowohl die Zuordnung der vermögenswerten Rechtsposition zum Eigentümer als auch die Substanz des Eigentums.99 Der Besteuerung als solcher stehen Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 17, Rz. 10 ff. sowie § 18, Rz. 4 ff.; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel: mit Schlussfolgerungen für indirekte Steuern (2008), S. 568 ff. A.A. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 149 ff.; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 9, die eine Orientierung am Leistungsfähigkeitsprinzip als ein „nur finanzwissenschaftliches Postulat“ betrachten. 94 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 80; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 346. 95 R. Wernsmann, NJW 2006, S. 1169 (1170 ff.); R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 345; D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprin­ zip als Maßstab der Steuernormen (1983), S. 68 ff. 96 R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 348. 97 Vgl. O. Lepsius, JZ 2009, S. 260 (260); C. Jahndorf, StuW 2016, S. 256 (258). 98 BVerfG, Beschluss v. 31. 3. 1998, 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, BVerfGE 97, 350 = juris, Rz. 86 f.; BVerfG, Beschluss v. 18. 1. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 = juris, Rz. 33. 99 BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, S. 655 = BVerfGE 93, 121 = juris, Rz. 49; BVerfG, Urteil v. 8. 7. 1976, 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75, BVerfGE 42, 263 = juris, Rz. 123.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

diese Vorgaben aber nicht entgegen: Die Steuer ist keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums.100 Die Eigentumsgarantie verlangt insoweit lediglich eine eigentumsgerechte Ausgestaltung der Besteuerung.101 Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung dementsprechend bisher nur dann in Betracht gezogen, wenn eine Steuer den Betroffenen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigt, dass sie „erdrosselnde“ Wirkung entfaltet (Verbot der Übermaßbesteue­ rung).102 Da es an einer greifbaren Konkretisierung fehlt, wann ein „Über­ maß“ erreicht ist, ist das Übermaßverbot in der Praxis jedoch nicht be­ sonders effektiv.103 Die nach dem Vermögensteuerbeschluss aus dem Jahr 1995104 zwischenzeitlich diskutierte Existenz einer absoluten Obergren­ ze der Besteuerung (sog. „Halbteilungsgrundsatz“) hat das BVerfG inzwi­ schen wieder verworfen.105 Die Grunderwerbsteuer wird – trotz der ­gestiegenen Steuersätze – nur bei sehr ungewöhnlichen Belastungsku­ mulationen in Konflikt mit der Eigentumsgarantie geraten. Soweit die Grunderwerbsteuer an gesellschaftsrechtliche Formen an­ knüpft, wird auch die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG be­ rührt, dies jedoch nur indirekt über die vom GrEStG ausgehenden Ge­ staltungswirkungen. Insbesondere ist aus Art. 9 Abs. 1 GG das Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung106 abzuleiten, welches zugleich auch eine starke gleichheitsrechtliche Fundierung aufweist. Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit konkretisiert insoweit den Gleichheitssatz durch die Formulierung eines konkreten Vergleichsmaßstabs und kon­ kreter Vergleichsgruppen.107 Das Gleichheitsrecht wird auf diese Weise im Freiheitsrecht „prägnanter verfassungsrechtlich angeleitet.“108 Eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit geht im Bereich des Steuerrechts deshalb regelmäßig mit einem Gleichheitsrechtsverstoß einher.

100 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 122. 101 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 124. 102 BVerfG, Beschluss v. 18. 1. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 = juris, Rz. 38; BVerfG, Beschluss v. 8. 4. 1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 = juris, Rz. 131; BVerfG, Beschluss v. 31. 5. 1988, 1 BvL 22/85, BGBl. I 1988, S. 1588 = BVerfGE 78, 232 = juris, Rz. 32 m.w.N. 103 Vgl. C. Jahndorf, StuW 2016, S. 256 (258). 104 BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, S. 655 = BVerfGE 93, 121. 105 BVerfG, Beschluss v. 18. 1. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 = juris, Rz. 41 ff. 106 Hierzu näher Abschnitt 3.1.2.3.1.2, S. 108. 107 Vgl. P. Kirchhof, StuW 2006, S. 3 (11). 108 P. Kirchhof, StuW 2006, S. 3 (11).

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.1.2.2.2 Allgemeiner Gleichheitssatz und bereichsspezifische ­Konkretisierungen Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Men­ schen vor dem Gesetz gleich sind, ist für das Steuerrecht bereichsspezi­ fisch zu konkretisieren.109 Dies erfolgt in der Rechtsprechung des BVerfG in Gestalt zweier „eng miteinander verbundener Leitlinien“110, dem Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit so­ wie dem Gebot der Folgerichtigkeit. 2.1.2.2.2.1 Leistungsfähigkeitsprinzip Die wichtigste bereichsspezifische Konkretisierung im Steuerrecht er­ fährt der allgemeine Gleichheitssatz in Gestalt des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung nach der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (sog. Leistungsfähigkeitsprinzip).111 Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches un­ gleich behandelt wird.112 Aufgrund der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Steuerpflichtigen muss auch die absolute Steu­ erbelastung des Einzelnen unterschiedlich ausfallen; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit setzt als zentraler Maßstab für die steuerliche Lasten­ austeilung die Anforderungen des Gleichheitssatzes um.113 Der Gesetz­ geber muss also an taugliche Indikatoren der Leistungsfähigkeit anknüp­ fen, die Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit des Steuerzugriffs sichern und die Belastung so wählen, dass auf die unterschiedliche Leistungsfä­

109 BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, S. 655 = BVerfGE 93, 121 = juris, Rz. 41; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 195; C. Jahndorf, StuW 2016, S. 256 (258); M. Desens, StuW 2016, S. 240 (240). 110 BVerfG, Beschluss v. 4. 12. 2002, 2 BvR 400/98, BGBl. I 2003, S. 636 = BVerfGE 107, 27; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BGBl. I 2008, S. 2888 = BVerfGE 122, 210 m.w.N. 111 Vgl. P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 195; P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319 (322 ff.); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 479; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 13; D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen (1983), S. 155 ff.; D. Birk, StuW 2000, S. 328 (329); W. Heun, in: Dreier, GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rz. 76; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem ra­ tionalen Steuersystem (2005), S. 267 ff. A.A. und die verfassungsrechtliche Ver­ ankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips verneinend H.-W. Arndt, in: Festschrift O. Mühl (1981), S. 17 (26 ff.). 112 BVerfG, Beschluss v. 24. 3. 2015, 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, S. 622 = BVerfGE 139, 1 = juris, Rz. 38 m.w.N. 113 Vgl. W. Reiß, in: DStJG Bd. 13 (1990), S. 3 (12).

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

higkeit Rücksicht genommen wird.114 Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt sowohl die vertikale Steuergerechtigkeit (unterschiedliche Be­ steuerung unterschiedlicher Leistungsfähigkeit) als auch die horizontale Steuergerechtigkeit (gleiche Besteuerung gleicher Leistungsfähigkeit) ­sicher.115 Das BVerfG legt je nach Regelungsgegenstand und Differen­ zierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber zu­ grunde, die vom bloßen Willkürverbot bis hin zu einer „stufenlosen“ Verhältnismäßigkeitsprüfung reichen.116 2.1.2.2.2.2 Folgerichtigkeitsgebot Auch das Gebot der Folgerichtigkeit hat seinen Ursprung und Geltungs­ grund im allgemeinen Gleichheitssatz.117 Es ist für das Steuerrecht von herausgehobener Bedeutung, da der Gesetzgeber in diesem Bereich mehr als in anderen Rechtsgebieten fundamentale Grund- oder Leitprinzipien schaffen muss.118 Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist dem Ge­ setzgeber ein weitreichender Gestaltungsraum bei der Auswahl des Steu­ ergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes gegeben, jedoch muss er „bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbe­ stands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen.“119 Ausnahmen von einer sol­

114 D. Birk, StuW 2000, S. 328 (329). 115 Vgl. D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen (1983), S. 165 ff. und 170 ff.; W. Heun, in: Dreier, GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rz. 76; M. Desens, StuW 2016, S. 240 (242). 116 BVerfG, Urteil v. 6. 3. 2002, 2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, S. 618 = BVerfGE 105, 73 = juris, Rz. 157 m.w.N.; BVerfG, Beschluss v. 24. 3. 2015, 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, S. 622 = BVerfGE 139, 1 = juris, Rz. 39 m.w.N. Siehe auch die umfassende Darstellung der Entwicklung der BVerfG-Rechtsprechung zum Leistungsfähig­ keitsprinzip bei M. Desens, StuW 2016, S. 240. 117 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 179; P. Kirchhof, StuW 2006, S. 3 (14); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1265; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 118; J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (172 ff.). A.A. O. Lepsius, JZ 2009, S. 260 (263) und H. Tappe, JZ 2016, S. 27 (30), die die verfassungsrechtli­ che Legitimation des Folgerichtigkeitsgebots bezweifeln. Lepsius spricht von ei­ nem „richterrechtlichen Irrtum“. 118 Vgl. P. Kirchhof, StuW 2006, S. 3 (14), der darauf hinweist, dass die Steuern nicht in der Wirklichkeit vorgefunden werden, sondern gewissermaßen an diese heran­ getragen werden müssen. 119 BVerfG, Urteil v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = NJW 1991, S. 2129; BVerfG, Beschluss v. 10. 11. 1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151; BVerfG, Be­ schluss v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BGBl. I 2010, S. 1766 = BVerfGE 127, 224 m.w.N.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

chen folgerichtigen Umsetzung bedürfen einer Rechtfertigung durch be­ sondere sachliche Gründe.120 Unterschiedlich wird beurteilt, ob darin ein eigenständiges Gerechtig­ keitskriterium121 oder eher eine Ergänzung des Leistungsfähigkeitsprin­ zips um den Aspekt der horizontalen Steuergerechtigkeit122 liegt. Die Besonderheit des Folgerichtigkeitsgebots besteht darin, dass dieses eine Bindung des Gesetzgebers an zuvor von diesem selbst aufgestellte Prinzi­ pien statuiert, d.h. ein Gesetz wird nicht an höherrangigen materiellen Normen gemessen, sondern liefert selbst den Prüfungsrahmen.123 Dies begegnet kompetenzrechtlichen Zweifeln und führt zu Verwerfungen in der Normenhierarchie, da einfachgesetzliche Prinzipien, Systeme und Wertungen als verfassungsrechtliche Maßstäbe herangezogen werden.124 Bei der Bestimmung der „einmal getroffenen Belastungsentscheidung“ ist deshalb besondere Sorgfalt geboten. Die Folgerichtigkeitsprüfung er­ scheint zudem nur dann tragfähig, wenn die als bereichsspezifisches Leitprinzip zu Grunde gelegte Belastungsentscheidung ihrerseits eine Rückbindung zum Leistungsfähigkeitsprinzip aufweist.125 2.1.2.2.3 Zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Grunderwerbsteuer Anders als im Bereich der Steuern vom Einkommen und Ertrag ist die Geltung und Reichweite des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich der Verkehrsteuern umstritten. Die wohl h.M. in der Literatur verlangt auch für die Verkehr- und Verbrauchsteuern die Ausrichtung am Leistungsfä­ higkeitsprinzip.126 Ein anderer Teil der Literatur geht davon aus, dass 120 BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BGBl. I 2008, S. 2888 = BVerfGE 122, 210 = juris, Rz. 57; BVerfG, Beschluss v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280; BVerfG, Urteil v. 6. 3. 2002, 2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, S. 618 = BVerfGE 105, 73 m.w.N. Der Rechtfertigungs­ standard wird jedoch im Einzelnen uneinheitlich formuliert, vgl. Überblick bei J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (196 ff.). 121 So J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (174 f.). 122 So M. Desens, StuW 2016, S. 240 (244), der die Belastungsentscheidung mit der Antwort auf die Vorfrage „Was ist Leistungsfähigkeit?“ gleichsetzt und in der fol­ gerichtigen Umsetzung dieser Belastungsentscheidung die Verwirklichung der ho­ rizontalen Steuergerechtigkeit, gleich Leistungsfähige auch gleich zu besteuern, erblickt. 123 O. Lepsius, JZ 2009, S. 260 (262). 124 Vgl. H. Tappe, JZ 2016, S. 27 (31); O. Lepsius, JZ 2009, S. 260 (262 f.). 125 Vgl. M. Desens, StuW 2016, S. 240 (244); J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (180 ff.). 126 H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (31 f.); K. Tipke, Die Steuer­ rechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 980 f.; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuer­

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

dem Leistungsfähigkeitsprinzip für die indirekten Steuern keine127 bzw. keine tragende128 Bedeutung zukomme; dies entspricht auch der Auffas­ sung des BFH.129 Das BVerfG ließ diese Frage zuletzt – in einer Entschei­ dung zur Grunderwerbsteuer bei Baulandumlegung aus dem Jahr 2015 – explizit offen.130 Im Unterschied zur Einkommens- und Vermögensbesteuerung wird bei den Verkehr- und Verbrauchsteuern nicht nach der persönlichen Leis­ tungsfähigkeit des Steuerpflichtigen differenziert; dieser verbleibt in der „Anonymität des Marktes“131. Es erfolgt bei Bemessungsgrundlage und Steuersatz also keine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse. Die Differenzierung erfolgt bei den Verkehr- und Verbrauchsteuern nur durch das Maß des getätigten Aufwandes;132 d.h. die Steuerbelastung steigt proportional zum Konsum, zur Teilnahme am Rechtsverkehr bzw. zu sonstigen den indirekten Steuern zu Grunde gelegten Anknüpfungs­ punkten. Die Zurückweisung des Leistungsfähigkeitsprinzips für den Bereich der Verkehr- und Verbrauchsteuern kann indes nicht überzeugen. Die Grund­ erwerbsteuer ist eine reine Fiskalzwecksteuer.133 Sie verfolgt keine Len­ kungszwecke, die ihre Erhebung rechtfertigen könnten.134 Dies macht es in besonderem Maße erforderlich, den Besteuerungseingriff an einen

recht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 121; J. Hey, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 225 (226 f.); M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069 (2071 f.); T. Hartlich, Die Verwertungsmöglichkeit in der Grunderwerb­ steuer (2016), S. 92 ff.; R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (152); für die Umsatzsteuer W. Reiß, in: DStJG Bd. 13 (1990), S. 3 (19 ff.); für die besonderen Verbrauchsteuern H. Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts unter Berücksichti­ gung der Ergebnisse der Verbrauchsteuerharmonisierung in der Europäischen Uni­ on (1997), S. 58 ff. 127 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO (140. Lfg. Mai 2015), § 3 AO, Rz. 50a; W. Heun, in: Dreier, GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rz. 76. 128 T. Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG (67. Lfg. Oktober 1992), Art. 3, Rz. 201 („in abgeschwächter Form“); A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 9 („nur finanzwissenschaftliches Postulat“). 129 Für die Umsatzsteuer: BFH, Urteil v. 26. 6. 1984, VII R 60/83, BFHE 141, S. 369; für die Grunderwerbsteuer: BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526. 130 BVerfG, Beschluss v. 24. 3. 2015, 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, S. 622 = BVerfGE 139, 1 = juris, Rz. 50 ff. 131 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 241. 132 Vgl. W. Reiß, in: DStJG Bd. 13 (1990), S. 3 (20). 133 R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (152). 134 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

sachgerechten Lastenausteilungsmaßstab zu knüpfen.135 Nur wo wirt­ schaftliche Leistungsfähigkeit vorzufinden ist, wird eine Fiskalzweck­ steuer die vom Staat gewünschten Einnahmen erbringen, und nur wo der Besteuerungsmaßstab an der Leistungsfähigkeit ansetzt, wird eine ver­ fassungsrechtliche Rechtfertigung des Besteuerungszugriffs gelingen. Fiskalinteresse und Verfassungsgebot weisen insoweit in dieselbe Rich­ tung.136 Die Anknüpfung an wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist Grundvoraus­ setzung jeder Steuer,137 unabhängig davon, welche Phase des Besteue­ rungszugriffs (Einkommen, Vermögensbestand oder Vermögensverwen­ dung)138 betroffen ist. Alle Steuern setzen eine Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen voraus, typisieren diese aber in jeweils eigener Weise.139 Dass die Teilnahme am Rechtsverkehr einen „Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit“140 darstellt, wird für den Bereich der Grunderwerb­ steuer inzwischen auch vom BVerfG anerkannt.141 Die Nichtberücksich­ tigung der individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen führt nicht zur Außerkraftsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips, sondern schafft eine „freiheitliche Distanz“142. Sie trägt der verfassungsrechtlich gebote­ nen Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung, indem sie die Last ver­ allgemeinert.143 Im Ergebnis ist die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich der Grunderwerbsteuer nicht eingeschränkt.144 Zwar kommt die Leis­ tungsfähigkeit der Höhe nach bei der Steuerbemessungsgrundlage und 135 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1013; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steu­ errecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 20; P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungs­ weise im Grunderwerbsteuerrecht (2017), S. 114. 136 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (407 f.). 137 W. Reiß, in: DStJG Bd. 13 (1990), S. 3 (20). 138 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 231; W. Reiß, in: DStJG Bd. 13 (1990), S. 3 (13); D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen (1983), S. 167. 139 K. Vogel, in: DStJG Bd. 12 (1989), S. 123 (142). 140 D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen (1983), S. 167. 141 BVerfG, Beschluss v. 24. 3. 2015, 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, S. 622 = BVerfGE 139, 1 = juris, Rz. 52: „Die Teilnahme an einem […] Vertragsverhältnis, die eine freiwillige Vermögensdisposition zur Folge hat, vermag typisierend Zahlungsfä­ higkeit zu indizieren.“ 142 G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 538 f. 143 Vgl. G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 539. 144 So im Ergebnis auch P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunder­ werbsteuerrecht (2017), S. 117 ff.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

dem Steuersatz nicht differenzierend zum Tragen. Für die Erhebung der Verkehrsteuern dem Grunde nach ist das Leistungsfähigkeitsprinzip hingegen in gleicher Weise wie bei allen anderen Steuern als bindender verfassungsrechtlicher Maßstab zu Grunde zu legen. Es muss daher im Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer widergespiegelt sein. Die nach­ folgende Bestimmung des Belastungsgrundes der Grunderwerbsteuer trifft deshalb auch eine Aussage über deren verfassungsrechtliche Legiti­ mation.145 2.1.2.3 Besteuerungsgegenstand und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer 2.1.2.3.1 Bestehende Theorien 2.1.2.3.1.1 Rechtsvorgang als solcher Dem traditionellen verkehrsteuerrechtlichen Verständnis des BFH146 und der ihm nahestehenden Literatur147 entspricht es, den Rechtsvorgang als solchen als Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer anzusehen. P. Fischer betrachtet die Grunderwerbsteuer als „Rechtsverkehrsteuer (auch) mate­ rieller Typologie“, die „die Rechtsänderung um des in der Rechtsände­ rung selbst erhaltenen Ergebnisses (…) willen“ erfasse.148 Eine darüber hinausgehende Rechtfertigung der Grunderwerbsteuer zu suchen, sei „wenig aussichtsreich, wenn nicht gar zwecklos.“149 Diese Sichtweise steht in Zusammenhang mit der oben dargestellten Position der Recht­ sprechung, dass die Grunderwerbsteuer bereits durch ihre Erwähnung in der Finanzverfassung hinreichend legitimiert sei.150 Folgt man dem, er­ 145 Kritisch hierzu K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 579 f. Nach seiner Auffassung ist der besondere Belastungsgrund streng von einem „hö­ heren“, über die einzelne Steuer hinausgehenden Rechtfertigungsgrund zu unter­ scheiden. 146 Vgl. BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526; BFH, Urteil v. 23. 10. 1974, II R 87/73, BStBl. II 1975, S. 152; BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643 m.w.N. 147 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 135 ff.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 2; S. Seeger/A. Leonard, in: FS Widmann (2000), S. 539 (547). 148 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 135. 149 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 148. Der BFH ist 1972 in einer Entscheidung zur Straßenverkehrsgütersteuer gar zum Er­ gebnis gekommen, „die meisten Verkehrsteuern einschließlich der Umsatzsteu­ er“ hätten „keinen tieferen Sinn als den, dem Staate Geld zu bringen.“ Siehe BFH, Beschluss v. 8. 11. 1972, II B 24/72, BStBl. II 1973, S. 94. 150 Siehe oben Abschnitt 2.1.2.1, S. 15.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

scheint die Suche nach einem Belastungsgrund entbehrlich. Die Erhö­ hung des rechtstechnischen Konzepts zu einem Besteuerungsprinzip hat zur Folge, dass nach dieser traditionellen Lehre jeglicher Rechtsträger­ wechsel aus sich heraus als besteuerungswürdig angesehen wird. Auf wirtschaftliche Umstände kommt es nicht an.151 2.1.2.3.1.2 Erfolg, Vermögenstransfer, Bereicherung Nach dem Verständnis des BVerfG wird bei der Grunderwerbsteuer „nicht allein der Rechtsvorgang als solcher“, sondern vielmehr der Erfolg, der aufgrund des Rechtsvorgangs eintritt, – mithin: dessen wirt­ schaftliches Ergebnis – besteuert.152 Das BVerfG scheint hiermit aber eher den äußeren Besteuerungsgegenstand153 als den inneren Belastungs­ grund der Steuer beschreiben zu wollen. Einen ähnlichen Ansatz wählt Kroschewski, der die Grunderwerbsteuer als eine „Vermögenstransfersteuer“ ansieht, die nicht die Gegenleistung, sondern den „Wechsel des Trägers eines Rechts, dem typischerweise ein Vermögenswert innewohnt“, belasten soll.154 Bemerkenswert ist ferner die Auffassung von Stodian, wonach der Belas­ tungsgrund der Grunderwerbsteuer in der „Bereicherung“ des Erwerbers mit dem Grundstück liege.155 Dies sei aus dem Steuergegenstand,156 der Konzeption der Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG,157 dem Verhältnis zur Erbschaftsteuer158 sowie dem Umstand, dass die Grunder­ werbsteuer keine Entgeltlichkeit voraussetze,159 abzuleiten. Unbeant­ wortet bleibt bei dieser Theorie allerdings die Frage, wo im Grundfall des Erwerbs eines Grundstücks zum Marktpreis eine steuerlich belastungs­ würdige Bereicherung des Erwerbers verbleiben soll, da das Vermögen des Erwerbers ja gleichzeitig um eine wertäquivalente Geldsumme ver­ mindert ist. 151 Vgl. BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526; BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148; BFH, Urteil v. 23. 10. 1974, II R 87/73, BStBl. II 1975, S. 152; BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643. 152 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 12. 153 Zur Unterscheidung siehe Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29. 154 R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unternehmens­ verbund (2001), S. 48. 155 A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008), S. 84 ff. 156 A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008), S. 86 ff. 157 A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008), S. 115 ff. 158 A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008), S. 44 ff. 159 A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008), S. 164 ff.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

2.1.2.3.1.3 Äquivalenztheoretische Ansätze Ein Vorgang des Rechtsverkehrs setzt das Bestehen einer Rechtsordnung voraus, die sein Zustandekommen erst ermöglicht. Dieser sog. Gebührengedanke begründet die Steuer mit der Rolle des Staates als Garant aller Rechtsgeschäfte160 und billigt diesem zu, einen Teil der daraus ent­ stehenden Vorteile abzuschöpfen.161 So erkennt P. Kirchhof für die Um­ satzsteuer einen rechtfertigenden Grund auch darin, dass der Staat eine Rechtsordnung bereitstellt und schützt, und damit den Markt und die Kaufkraft, auf deren Grundlage der besteuerte Umsatz zu Stande kommt, erst möglich macht.162 Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Grund­ erwerbsteuer übertragen. Er kommt dort sogar in besonderem Maße zum Tragen, wenn man sich das zivilrechtliche Spezialregime – nament­ lich das Grundstücks- und Immobilienrecht einschließlich des Immobi­ liarsachenrechts sowie das umfangreiche Grundbuch- und Registerwe­ sen163 – vor Augen führt, dem die grunderwerbsteuerlich relevanten Transaktionen unterliegen. Die Rechtsordnung schützt dabei nicht nur die Transaktion als solche, sondern auch das erworbene Eigentum. Gegen die äquivalenztheoretische Rechtfertigung von Steuern wird vor­ gebracht, dass diese gem. § 3 Abs. 1 AO grundsätzlich gegenleistungsfrei sind.164 Für einige Steuern, zuletzt die Gewerbesteuer, zieht allerdings auch das BVerfG das Äquivalenzprinzip heran.165 2.1.2.3.1.4 Bewertungsdifferenztheorie nach L. Mirre Die von Mirre166 entwickelte sog. Bewertungsdifferenztheorie war bis Mitte des 20. Jahrhundert der vorherrschende Rechtfertigungsansatz für 160 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (284). 161 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 11. 162 Vgl. P. Kirchhof, UR 2002, S. 541 (542 f.). Ablehnend J. Englisch, Wettbewerbs­ gleichheit im grenzüberschreitenden Handel: mit Schlussfolgerungen für indirek­ te Steuern (2008), S. 588 f. 163 Im Hinblick auf das Grundbuchwesen als Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist zwar einzuräumen, dass dort bereits Gebühren erhoben werden, die dem Äquiva­ lenzprinzip Rechnung tragen. Ein zusätzlicher, damit noch nicht abgegoltener Nutzen entsteht aber durch die für jeden Rechtsverkehrsteilnehmer geschaffene Publizität. 164 Siehe J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 44 ff.; ähnlich K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 597, wonach äquiva­ lenztheoretische Anknüpfungen den Gebühren und Abgaben vorbehalten bleiben sollen. 165 BVerfG, Beschluss v. 15. 1. 2008, 1 BvL 2/04, BGBl. I 2008, S. 1006 = BVerfGE 120, 1 = juris, Rz. 99 ff. 166 L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (274).

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

die Grunderwerbsteuer.167 Sie begründet allgemein die Erhebung von Ver­ kehrsteuern durch den Umstand, dass der Abschluss eines Rechtsge­ schäfts regelmäßig für jede der beteiligten Parteien subjektiv einen Vor­ teil verspricht.168 Nur so kommt ein Rechtsgeschäft auf dem freien Markt überhaupt zu Stande. Die maximale Zahlungsbereitschaft des Erwerbers und der minimal akzeptable Erlös des Veräußerers werden im Regelfall aber nicht gleich hoch sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Er­ werber sich einen so hohen Vorteil verspricht, dass er auch einen höhe­ ren Preis zu zahlen bereit gewesen wäre bzw. dass der Veräußerer auch einen niedrigeren Preis als den vereinbarten akzeptiert hätte.169 Der Un­ terschied zwischen den jeweils subjektiven Werten für die einzelnen Par­ teien und dem vereinbarten Preis ist die Bewertungsdifferenz, die nach Mirre einen Besteuerungszugriff rechtfertigen kann.170 Die Bewertungsdifferenztheorie führt vor Augen, dass die Höhe einer Verkehrsteuer den subjektiven Vorteil nicht aufheben darf, da die Markt­ transaktion dann nicht mehr zu Stande kommt. Sie gibt jedoch keinen Maßstab für die „richtige“ Höhe der Verkehrsteuer an die Hand, da der subjektive Vorteil einer Person nicht messbar ist171 und mithin auch nicht als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann.172 Das Vor­ handensein eines subjektiven Vorteils indiziert jedoch eine gewisse wirt­ schaftliche Leistungsfähigkeit,173 die nur aufgrund des Rechtsverkehr­ sakts entstanden ist. Dieser ermöglicht es den Vertragsparteien, das übertragene Gut freiwillig einer Neubewertung am Markt zu unterzie­ hen.174 2.1.2.3.1.5 Einkommens- oder Vermögensverwendung Die inzwischen herrschende Meinung im Schrifttum sieht die Grunder­ werbsteuer materiell als Einkommens- und Vermögensverwendungsteuer an und weist ihr durch diesen Belastungsgrund gleichzeitig eine ver­ fassungsrechtliche Legitimation zu, da sich in der Aufwendung der 167 Zustimmend etwa E. Boruttau/​O. Klein, GrEStG, 4. Aufl. (1954), Vorbemerkung, S. 16 f. 168 L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (280). 169 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (280); E. Boruttau/​ O. Klein, GrEStG, 4. Aufl. (1954), Vorbemerkung, S. 16. 170 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (280). 171 M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 11. 172 L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (280). 173 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 9; H. Hahn, ifst-Schrift 126 (1989), S. 99 f. 174 Vgl. P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 256.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

Mittel für den Erwerb eines Grundstücks durch den Grundstückserwer­ ber wirtschaftliche Leistungsfähigkeit offenbare.175 Im Rahmen einer Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 1979 (sog. Grunder­ werbsteuerbericht) wird erstmals auch von Seiten des Gesetzgebers eine „gewisse Leistungsfähigkeit“ des Erwerbers eines Grundstücks als sach­ liche Rechtfertigung für die Erhebung der Steuer angeführt.176 Zum Teil wird die Grunderwerbsteuer, die sich technisch als Verkehrsteuer aus­ weist, unter Berücksichtigung des Belastungsgrundes Einkommensver­ wendung materiell auch als Verbrauchsteuer bezeichnet.177 Belastet wer­ den soll die typisierte Zahlungsfähigkeit des Grundstückserwerbers,178 die durch seine freiwillige Vermögensdisposition indiziert wird.179 Eine eindeutige Ausrichtung auf den Aufwand des Erwerbers ist der Gesetzes­ konzeption allerdings nicht zu entnehmen, denn im Grundfall des § 13 Nr. 1 GrEStG sind sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber Steuer­ schuldner. Dieser Widerspruch soll durch die Realität des Grundstücks­ verkehrs aufgelöst werden, in der in der Regel der Erwerber den Grunder­ werbsteueraufwand tragen wird.180 2.1.2.3.2 Der Besteuerungsgegenstand – warum die Grunderwerbsteuer bereits äußerlich keine Rechtsverkehrsteuer ist Das idealtypische gerechte Steuergesetz gibt bereits durch seinen Tat­ bestand Aufschluss darüber, was sein Belastungsgrund ist.181 Es ist des­ halb ein legitimer Versuch, den Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer aus dem äußeren System des Gesetzes, d.h. aus seinen Ordnungsbegrif­ 175 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1018; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 247; H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (35 f.); J. Hey, in: Festschrift S. Spie­ gelberger (2009), S. 225 (226 f.); M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Ge­burtstag (2013), S. 2069, Rz. 12; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (148); G. Jochum, in: Wilms/ Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Einführung zum GrEStG, Rz. 4; D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. (2016), Rz. 1801; C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 13. 176 Vgl. sog. Grunderwerbsteuerbericht der Bundesregierung v. 8. 2. 1979, BT-Drs. 8/2555, S. 7. 177 So H. Schaumburg, Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht (1974), S. 14. 178 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 246. 179 BVerfG, Beschluss v. 24. 3. 2015, 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, S. 622 = BVerfGE 139, 1 = juris, Rz. 52. 180 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 16; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 241; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 2, Rz. 49. 181 Vgl. P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 191.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

fen, seinem Aufbau und seiner Gliederung abzuleiten.182 Die mögliche Rechtserkenntnis aus dem äußeren System hängt allerdings vom juristi­ schen Reifegrad des betreffenden Gesetzes ab, der im Fall des GrEStG durchaus kritisch beurteilt wird.183 Die nachfolgende Analyse ist deshalb zweistufig angelegt: Zunächst wird aus dem äußerem Gesetzessystem bestimmt, was besteuert wird (Besteuerungsgegenstand). Danach wird das innere System des GrEStG beleuchtet, um zu bestimmen, warum diese Besteuerung erfolgt (Belastungsgrund). 2.1.2.3.2.1 Historische Besteuerungskonzeption: Anknüpfung an rechtliche Vorgänge zur Erfassung wirtschaftlicher Vorgänge Gemeinsamer formaler Anknüpfungspunkt aller Grunderwerbsteuertat­ bestände sind Rechtsvorgänge. So knüpft § 1 Abs. 1 GrEStG primär an den Kaufvertrag und hilfsweise an die Auflassung und den Übergang des Eigentums an. § 1 Absätze 2 und 3a GrEStG verlangen wörtlich das Vor­ liegen eines „Rechtsvorgangs“, und die Untertatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG stellen ebenfalls auf Rechtsvorgänge ab. Auch die Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG kann sich nur durch einen oder mehrere Rechtsvorgänge vollziehen. Das Konzept der formalen Anknüpfung an Rechtsvorgänge geht auf die Urkunden- und Stempelabgaben zurück, mit denen Grundstücksüber­ tragungen bereits im 19. Jahrhundert durch viele Bundesstaaten, Kreise und Gemeinden belegt worden waren,184 und die im Jahr 1909 durch eine zusätzliche reichseinheitliche Stempelabgabe ergänzt wurden.185 Gegen­ stand dieser Abgaben war die Urkunde, aufgrund welcher das Grund­ stück übertragen wurde.186 Den Stempelgesetzen lag noch der Gedanke 182 Vgl. J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 5.  183 Das GrEStG sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, ein gesetzgebungstechnisch miss­ glücktes Konglomerat aus gleichermaßen detaillierten wie lückenhaften Einzel­ tatbeständen, komplizierten Rückausnahmen und überschießenden Missbrauchs­ verhinderungsvorschriften zu sein. Exemplarisch für die Kritik an der Systematik des heutigen GrEStG siehe J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 9; S. Behrens, UVR 2014, S. 147. 184 Für eine Übersicht siehe Anlage zum Gesetzentwurf des GrEStG 1919, National­ versammlung 1919, Drs. Nr. 374, S. 27. 185 RStempG 1909 v. 15. 6. 1909, RGBl. 1909, S. 833 (852), Tarifnummer 11. 186 Siehe § 81 Abs. 1 RStempG 1909 v. 15. 6. 1909, RGBl. 1909, S. 833 (853): „Von mehreren über denselben Rechtsvorgang lautenden Urkunden ist nur eine stem­ pelpflichtig.“ Diese urkundenbezogene Sichtweise führte dazu, dass beim Tausch zweier Grundstücke nur einmal die Steuer erhoben wurde, da der Transaktion nur eine Urkunde zugrunde liegt. Im geltenden Grunderwerbsteuerrecht, das auf die

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

der Gebühr für die potenzielle Gewährung des Rechtsschutzes zu Grun­ de.187 Zu einer – ihrem Wesen nach gegenleistungsfreien – Steuer entwi­ ckelten sich die Abgaben erst mit der Einführung der Verkehrsteuerge­ setze. Das erste Grunderwerbsteuergesetz datiert aus dem Jahr 1919 und modi­ fizierte die Anknüpfung dahingehend, dass nicht mehr die Urkunde, son­ dern der durch Grundbuchänderung oder einen anderweitigen Rechts­ vorgang bewirkte Eigentumsübergang maßgeblich wurde: „§ 1: Beim Übergange des Eigentums an inländischen Grundstücken wird eine Grunderwerbsteuer erhoben. Dem Übergange des Eigentums steht gleich der Er­ werb von herrenlosen Grundstücken. § 4: Die Steuerpflicht wird begründet durch die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch oder, wenn es einer solchen zum Übergange des Eigentums nicht bedarf, durch den Vorgang, der die Rechtsänderung bewirkt.“188

Besteuerungsauslösend war jedoch auch „ein zur Übertragung des Eigen­ tums verpflichtendes Veräußerungsgeschäft“, wenn der Eigentumsüber­ gang nach Ablauf eines Jahres nach Abschluss dieses Geschäftes nicht erfolgt ist.189 Die Grunderwerbsteuer unterwirft somit – anders als die 1918 eingeführte, an das Erfüllungsgeschäft anknüpfende Umsatzsteu­ er190 – bereits das Verpflichtungsgeschäft der Besteuerung. Darüber hinaus unterwarf § 3 GrEStG 1919 – als Vorläufer des heutigen § 1 Abs. 3 GrEStG – die Vereinigung aller Anteile sowie die Übertragung bereits vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft der Steuer: „§ 3: Werden alle Anteile einer Personenvereinigung (einer Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Ge­ werkschaft, offenen Handelsgesellschaft, Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes, Genossenschaft usw.), zu deren Vermögen Grundstücke gehören, in der Hand ei­ Übertragungen der Grundstücke abstellt, wird hingegen Grunderwerbsteuer auf beide Übertragungsvorgänge erhoben (§ 1 Abs. 5 GrEStG). Dazu näher P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 24. 187 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 26; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1011. Fischer (a.a.O.) weist darauf hin, dass die Landesfürsten für die Erhebung einer „Steuer“ der Bewilligung durch die Landesstände bedurft hätten. Die Behandlung und Bezeichnung als „Ge­ bühr“ ermöglichte ihnen die Erhebung der Abgabe ohne das Erfordernis einer sol­ chen Bewilligung. 188 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617. 189 § 5 Abs. 1 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617. 190 Vgl. UStG v. 26. 7. 1918, RGBl. I 1918, S. 779.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft nes Teilhabers vereinigt oder, nachdem sie in der Hand eines Teilhabers vereinigt sind, auf einen anderen übertragen, so wird die Vereinigung oder Übertragung dem Übergang des Eigentums an den Grundstücken gleichgeachtet.“

Des Weiteren wurden durch § 6 GrEStG 1919 auch solche Rechtsvorgän­ ge erfasst, die zum Erwerb einer Art wirtschaftlichen Eigentums führten: „§ 6: Steuerpflichtig ist auch ein Rechtsvorgang, der es ohne Übertragung des Ei­ gentums einem andern ermöglicht, über das Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen.“

Aus diesem tatbestandlichen Gefüge des GrEStG 1919 wurde bereits in der zeitgenössischen Literatur gefolgert, dass nicht die Rechtsvorgänge als solche, sondern die diesen zu Grunde liegenden wirtschaftlichen Vor­ gänge getroffen werden sollen.191 Dieser Gedanke wird auch durch die Gesetzesbegründung bestätigt: „Die Verkehrsteuer hat nur dann einen volkswirtschaftlichen Sinn, wenn sie ei­ nen Wirtschaftsvorgang mit produktiver Tendenz und damit aller Voraussicht nach einen zukünftigen Gewinn trifft.“192

Im Rahmen des GrEStG 1940193 erfolgte eine weitreichende Umgestal­ tung des Gesetzes, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers dem Zweck diente, „die Besteuerung des Grundstücksverkehrs mit den Grundsätzen des nationalsozialistischen Steuerrechts in Einklang zu bringen.“194 Die Änderungen ließen jedoch keine ideologische Prägung erkennen, son­ dern waren primär systematischer Natur.195 Neu war insbesondere die Konzeption in § 1 Abs. 1 GrEStG 1940, die primär an das Verpflichtungs­ geschäft und subsidiär nur bei Fehlen eines Verpflichtungsgeschäfts auch an den dinglichen Übergang des Grundstückseigentums anknüpft. Die Grundstruktur und zahlreiche Vorschriften des GrEStG 1940 entspre­ chen denen des heutigen GrEStG. Dazu zählen insbesondere die Steuer­ tatbestände des § 1 Abs. 2 (Übergang der Verwertungsbefugnis) und § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 (Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile). Mit dem GrEStG 1940 fanden ferner die Vorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG Eingang in das Gesetz, die eine Befreiung für Grundstücks­ übertragungen zwischen einer Gesamthand und ihren Gesamthändern regeln und hierdurch Ergebnisse korrigieren, die aus der Anknüpfung an 191 Vgl. E. Becker, StuW 1924, S. 145 (171). 192 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1919, siehe Nationalversammlung 1919, Drs. Nr. 374, S. 14; Staatenausschusstagung 1919, Drs. Nr. 34, S. 14. 193 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585. 194 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (387). 195 Vgl. T. Hartlich, Die Verwertungsmöglichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016), S. 52 f.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

das Zivilrecht resultieren.196 In der Begründung zum GrEStG 1940 wird der bereits dem GrEStG 1919 zu entnehmende Gedanke der wirtschaft­ lich fundierten Verkehrsteuer konsequent fortgeführt: „Die Grunderwerbsteuer will den Umsatz von Grundstücken erfassen. Die Steuer in ihrer seitherigen Gestalt knüpfte aber nicht unmittelbar an den wirtschaftli­ chen Vorgang des Umsatzes, sondern an bestimmte Rechtsvorgänge an, die den Übergang des Eigentums an Grundstücken zum Gegenstand haben. Die Besteue­ rung eines solchen Vorgangs des Rechtsverkehrs kommt in der Regel der Besteue­ rung des wirtschaftlichen Vorgangs gleich; denn in den meisten Fällen liegt dem Rechtsvorgang, der die Steuer auslöst, ein Umsatz zugrunde. […] Diese Form der Besteuerung war deshalb gewählt worden, weil die Vorgänge des Rechtsverkehrs sich einfach und zuverlässig ermitteln lassen, während der wirtschaftliche Vor­ gang des Umsatzes wegen der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Zwecke oft schwer zu bestimmen ist.“197

Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers soll die gewählte rechtstechnische Anknüpfung den Rechtsvorgang mithin gerade nicht zum Selbstzweck der Steuer erheben, sondern lediglich eine einfache und rechtssichere Erfassung des wirtschaftlichen Gehalts dieses Vor­ gangs erreichen. Die Grunderwerbsteuer wie auch die übrigen Verkehr­ steuern zielen also gerade nicht auf die formale Rechtsänderung, sondern auf die dahinter stehenden Änderungen der wirtschaftlichen Beziehun­ gen ab.198 Besteuert wird nicht der bloße Rechtsvorgang, sondern dessen wirtschaftlicher Erfolg.199 Die traditionelle These, es werde der „Rechts­ vorgang als solcher“ erfasst,200 kann somit bereits bei Betrachtung der historischen Gesetzesmaterialien zum GrEStG 1919 und 1940 nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die später eingefügten sog. Ergänzungs­ tatbestände des § 1 Abs. 2a GrEStG (1997)201 und § 1 Abs. 3a GrEStG (2013)202, denen jeweils eine typisierende wirtschaftliche Betrachtungs­ weise zu Grunde liegt,203 haben insoweit nicht nur die Gesamtkonzepti­ 196 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 65 („Tatbestandsberichtigungen“). 197 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (387). 198 Vgl. L. Mirre, in: Hdb. der Finanzwissenschaft (1929), S. 274 (275), der die Verwen­ dung der Begriffe des Rechtsverkehrs vor allem damit begründet, dass „sich recht­ liche Änderungen und wirtschaftliche in der Regel entsprechen und ein genau pas­ sender Ausdruck fehlt.“ 199 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 12.  200 Vgl. Nachweise in Abschnitt 2.1.2.3.1.1, S. 25. 201 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049. 202 AmtshilfeRLUmsG v. 26. 6. 2013, BGBl. 2013, S. 1809 (1840). 203 Gleiches gilt für den derzeit geplanten neuen Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 2b GrEStG, der Änderungen im Gesellschafterbestand von Kapitalgesellschaften als

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

on des GrEStG modifiziert,204 sondern verdeutlichen auch die von An­ fang an vorhandene Gesetzesausrichtung auf den wirtschaftlichen Grundstücksumsatz. Übersicht: Rechtsentwicklung der Grunderwerbsteuertatbestände Gesetzesfassung

Jahr

GrEStG 1919

1919 • § 1: Übergang des Eigentums.

205

Steuertatbestände • § 3: Vereinigung aller Anteile an einer Ge­ sellschaft in der Hand eines Teilhabers oder Übertragung derart vereinigter Anteile auf einen anderen. • § 6: „Rechtsvorgang, der es ohne Übertra­ gung des Eigentums einem andern ermög­ licht, über das Grundstück wie ein Eigen­ tümer zu verfügen.“

GrEStG 1940206

1940 • § 1 Abs. 1: Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Über­ eignung begründet (Nr. 1); wenn fehlend: Auflassung (Nr. 2), wenn fehlend: Übergang des Eigentums (Nr. 3) und weitere Ereig­ nisse. • § 1 Abs. 2: „Rechtsvorgänge, die es ohne Be­ gründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.“ • § 1 Abs. 3: Rechtsgeschäft, das auf die Ver­ einigung aller Anteile einer Gesellschaft in der Hand eines Erwerbers (Nr. 1) oder auf die Übertragung derart vereinigter Anteile (Nr. 3) gerichtet ist; wenn fehlend: tatsächli­ che Vereinigung oder Übergang vereinigter Anteile (Nr. 2 und 4).

fiktive Grundstücksübertragungen erfassen soll, dazu Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 12. 204 So J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 5. 205 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617. 206 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

GrEStG 1983 i.d.F. 1997 • Wie GrEStG 1940, zusätzlich: des JStG 1997207 • § 1 Abs. 2a (neu): „vollständige oder wesent­ liche Änderung“ des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft; wirtschaftliche Betrachtung mit dem Regelbeispiel der ­Änderung von 95% des Gesellschafterbe­ stands.208 GrEStG 1983 i.d.F. 1999 • Wie vorstehend, geändert: des StEntlG • § 1 Abs. 2a (geändert): Übergang von mindes­ 1999/2000/2002209 tens 95% der Anteile am Gesellschaftsver­ mögen einer Personengesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren. • § 1 Abs. 3 (geändert): wie GrEStG 1940, je­ doch Beteiligungschwelle 95%. GrEStG 1983 i.d.F. 2013 • Wie vorstehend, zusätzlich: des Amts­hilfeRL• § 1 Abs. 3a (neu): Rechtsvorgang, der zum UmsG 2013210 ­Innehaben einer „wirtschaftlichen Beteili­ gung“ an einer Gesellschaft von mind. 95% führt. • § 1 Abs. 2a (geändert): Beteiligungsschwelle Regierungs­entwurf geplant 90%, Zeitraum 10 Jahre BT-Drs. 19/13437 vom 23. 9. 2019 • § 1 Abs. 3 / Abs. 3a (geändert): Beteiligungsschwelle 90% • § 1 Abs. 2b (neu): Übergang von mindestens 90% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren.

2.1.2.3.2.2 Zum Verhältnis zwischen den Grund- und den Ergänzungstatbeständen Auch der tatbestandliche Aufbau des GrEStG zeigt, dass die Grunder­ werbsteuer etwas anderes als den bloßen Rechtsvorgang zu erfassen sucht. Durch den herkömmlichen Sprachgebrauch in Rechtsprechung 207 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049. 208 Siehe näher Abschnitt 3.2.2.2.2, ab S. 124. 209 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 210 AmtshilfeRLUmsG v. 26. 6. 2013, BGBl. 2013, S. 1809.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

und Literatur wird dies allerdings unnötig verdunkelt. Danach verfügt das GrEStG über einen Grund-211, Haupt-212 oder Kerntatbestand213 (§ 1 Abs. 1 GrEStG) sowie über verschiedene sog. Ergänzungstatbestände (§ 1 Absätze 2, 2a, 3 und 3a GrEStG).214 Andernorts wird § 1 Abs. 2 GrEStG in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940215 auch als Ersatztatbestand216 bezeichnet, und nur § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG als Ergänzungstatbestände angesehen. Die Unterscheidung zwi­ schen Grund- und Ergänzungstatbeständen suggeriert, dass das Gesetz eigentlich auf den Übergang des zivilrechtlichen Eigentums im Sinne der in § 1 Abs. 1 GrEStG geregelten Tatbestände abziele, während die übri­ gen Absätze lediglich ergänzende Auffangvorschriften zur Erfassung von Umgehungsversuchen seien.217 Dies trifft jedoch nicht zu: Wie im vorangegangenen Abschnitt darge­ stellt, enthielt bereits das Ur-GrEStG aus dem Jahr 1919218 den Tatbe­ stand der Anteilsvereinigung (§ 3 GrEStG 1919) und sah darüber hinaus auch die Steuerpflicht eines Rechtsvorgangs vor, der es „ohne Übertra­ gung des Eigentums einem andern ermöglicht, über das Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen“ (§ 6 GrEStG 1919). Die vermeintlichen „Er­ gänzungstatbestände“ waren also bereits Teil der Grundkonzeption des ersten GrEStG. Im Rahmen des GrEStG 1940 wurden alle Steuertatbestände in § 1 GrEStG inkorporiert. § 1 Abs. 2 GrEStG sieht dabei vor, dass der Grund­ erwerbsteuer „auch“ Rechtsvorgänge unterliegen, die es einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Der Tatbestandskatalog des § 1 Abs. 3 GrEStG wird mit der Formulierung „[…] so unterliegen der Steuer […] außer211 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 2. 212 D. Weilbach, GrEStG (50. Lfg. 2018), § 1, Rz. 5. 213 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 611. 214 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 4; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 692; S.  Behrens, UVR 2014, S. 147 (148); BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158 = juris, Rz. 21; BFH, Be­ schluss v. 19. 8. 2002, II B 177/01, BFH/NV 2003, S. 200 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 5. 11. 2002, II R 86/00, BFH/NV 2003, S. 344 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 27. 4. 1966, II 5/62, BFHE 66, S. 406 = juris, Rz. 7. 215 RStBl. 1940, S. 387 (391). 216 BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158 = juris, Rz. 21; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 76. 217 So z.B. bei BFH, Beschluss v. 19. 8. 2002, II B 177/01, BFH/NV 2003, S. 200 = juris, Rz. 12 („§ 1 Abs. 3 GrEStG als Ergänzungstatbestand zur Verhütung von Steuer­ umgehungen“). 218 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

dem: […]“ eingeleitet. Die Verknüpfung durch die Worte „auch“ bzw. „außerdem“ spricht jedoch nicht für eine Subsidiarität, sondern für die Gleichordnung der Absätze 2 und 3 gegenüber Absatz 1.  Zudem enthalten die Absätze 2 und 3 keine Fiktion eines Grundstücks­ erwerbs,219 sondern definieren autonom jeweils einen eigenen, vom Ge­ setzgeber seit jeher als besteuerungswürdig angesehenen Tatbestand. An­ ders mag es sich demgegenüber bei den später hinzugekommenen Tatbeständen § 1 Absätze 2a und 3a GrEStG verhalten, die jeweils die Fiktion eines nach anderen Tatbeständen steuerpflichtigen Sachverhalts bewirken: § 1 Abs. 2a GrEStG fingiert ein auf die Übereignung auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 1 Abs. 3a GrEStG fingiert einen Rechtsvorgang im Sinne des Absatzes 3. Die Absätze 2a und 3a haben insoweit tatsächlich „ergänzenden“ Charakter. Die Historie, die systematische Anordnung und die Normkonstruktion legen es im Ergebnis nahe, dass § 1 Absätze 2 und 3 GrEStG inhaltlich nicht auf bloße „Ersatz-“ oder „Ergänzungstatbestände“ reduziert wer­ den können, sondern zusammen mit § 1 Abs. 1 GrEStG den Anknüp­ fungspunkt der Grunderwerbsteuer übergreifend definieren.220 2.1.2.3.2.3 Bestimmung des Besteuerungsgegenstands als Oberbegriff von § 1 Absätze 1, 2 und 3 GrEStG Betrachtet man die Absätze 1, 2 und 3 des § 1 GrEStG sonach im hier vertretenen Sinne als Ausgangstatbestände des GrEStG, ist zur Bestim­ mung des Besteuerungsgegenstands der Grunderwerbsteuer ein Ober­ begriff aus dem Erwerb des Eigentums (Abs. 1), der rechtlichen oder ­wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit (Abs. 2) und der über eine ge­ sellschaftsrechtliche Beteiligung vermittelten wirtschaftlichen Eigen­ tumsposition (Abs. 3)221 zu bilden. Dieser Oberbegriff lässt sich mit „Er­

219 A.A. im Hinblick auf § 1 Abs. 3 GrEStG sind die Vertreter der sog. Fiktionstheorie, die im Tatbestand der Anteilsvereinigung die gesetzliche Fiktion eines Grund­ stückserwerbs erkennen wollen. Siehe mit Nachweisen in Abschnitt 3.2.3.1.3, ab S. 191. 220 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird die Nomenklatur von „Grund- und Ergän­ zungstatbeständen“ aufgrund deren einheitlicher Geläufigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum beibehalten, ohne ihr allerdings materielle Bedeutung beizumes­ sen. 221 Das im Zusammenhang mit dem Besteuerungsgegenstand des § 1 Abs. 3 GrEStG häufig dargestellte Konzept der „Sachherrschaft“ führt am Kern der Sache vorbei. Siehe hierzu Abschnitt 3.2.3.1.2, ab S. 189.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

werb des Eigentums und eigentumsähnlicher Positionen in Bezug auf ein Grundstück“ zusammenfassen. Dies entspricht auch der Einordnung im Schrifttum, wonach der Gegen­ stand der Grunderwerbsteuer im „Erwerb der wirtschaftlichen Verfü­ gungsmacht“222 bzw. im „Übergang der wirtschaftlichen Verwertungsbe­ fugnis“223 liege und somit „versteckt“ in § 1 Abs. 2 GrEStG definiert sei.224 Wichtig ist hierbei, dass zwischen rechtlicher Verfügungs- und wirt­ schaftlicher Verwertungsmöglichkeit unterschieden wird. Die rechtliche Verfügungsmöglichkeit lässt sich durch die Befugnisse des Eigentümers nach § 903 Satz 1 BGB, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von ihrer Nutzung auszuschließen, konkretisieren. Diese Rechts­ position wird durch die Tatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG erfasst. Dem­ gegenüber wird unter der Verwertungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG das Recht verstanden, ein Grundstück zu nutzen oder es auf eigene Rechnung zu veräußern, wobei in beiden Fällen eine Beteili­ gung an seiner (Wert-) Substanz vorausgesetzt wird.225 § 1 Abs. 3 GrEStG ist lex specialis zu § 1 Abs. 2 GrEStG und erfasst den Erwerb eigentum­ sähnlicher Positionen über gesellschaftsrechtliche Vorgänge.226 Begreift man die Vorschrift als Ergänzungstatbestand,227 so hat sie diese Stellung nicht nur im Verhältnis zu § 1 Abs. 1 GrEStG, sondern auch zu § 1 Abs. 2 GrEStG.228 Das GrEStG erfasst also alternativ sowohl den Erwerb der Ver­ 222 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 248; G. ­Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Ein­ führung zum GrEStG, Rz. 1. 223 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 5. 224 G. Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Ein­ führung zum GrEStG, Rz. 1; J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (159). 225 Vgl. BFH, Urteil v. 29. 7. 2009, II R 2/08, BFH/NV 2009, S. 1833 = juris, Rz. 10 m.w.N. Zum Verwertungsbegriff der h.M. siehe ausführlich T. Hartlich, Die Ver­ wertungsmöglichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016), S. 97 ff. Dieser (a.a.O., S. 152 ff.) ist selbst jedoch der Auffassung, dass der Nutzungsbefugnis i.R.d. § 1 Abs. 2 GrEStG keine eigenständige Bedeutung zukomme, u.a. weil die „Nutzungs­ substanzbeteiligung“ regelmäßig nur schwer feststellbar sei. Aus der Sicht von Hartlich (a.a.O, S. 181 ff.), die dieser aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ableitet, ist der Verwertungsbegriff daher auf die bloße Veräußerungsmöglichkeit zu redu­ zieren. 226 Siehe Abschnitt 3.2.3.1, ab S. 187. 227 Zur inhaltlichen Irreführung durch den Begriff des „Ergänzungstatbestands“ siehe den vorangegangenen Abschnitt. 228 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158 = juris, Rz. 21; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 15 u. 20; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 20 u. 25; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1005.

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

fügungs- als auch der Verwertungsmöglichkeit, die systematisch gleich­ wertig nebeneinander stehen. Bezieht man auch die Steuerbefreiungen der §§ 5 bis 7 GrEStG in die Betrachtung der grunderwerbsteuerlichen Belastungskonzeption mit ein, erhärtet sich der obige Befund. Wenn die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG den Übergang eines Grundstücks zwischen Gesamthand und Gesamthän­ dern229 und § 6a GrEStG grunderwerbsteuerbare Vorgänge im Rahmen konzerninterner Umstrukturierungen230 von der Steuer freistellen, wer­ den dadurch im Ergebnis solche Grundstücksübertragungen, bei denen keine hinreichende wirtschaftliche Veränderung eintritt, von der Grund­ erwerbsbesteuerung ausgenommen.231 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass das GrEStG den bloßen Rechtsvorgang zwar als Anknüpfungspunkt aufgreift, ihn aber, wie das Gesamtbild der Steuer- und Befreiungstatbestände offenbart, we­ der ausschließlich noch durchgängig besteuert. Der übergreifende Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist vielmehr im Erwerb der Verfügungs- oder Verwertungsmöglichkeit an einem Grundstück (oder kürzer: dem wirtschaftlichen Grundstücksumsatz) zu erblicken. 2.1.2.3.3 Der Belastungsgrund – warum die Leistungsfähigkeit auch für eine sog. Rechtsverkehrsteuer maßgebend ist Nachdem im ersten Schritt der „Erwerb der Verfügungs- oder Verwer­ tungsmöglichkeit“ als Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer identifiziert wurde, ist im Folgenden zu klären, welcher materielle Belas­ tungsgrund hinter diesem steht. 2.1.2.3.3.1 Die Teilnahme am Rechtsverkehr als Ausdruck von Leistungsfähigkeit Die eingangs dargestellten Ansätze, die den Belastungsgrund der Grund­ erwerbsteuer im Rechtsvorgang, der Rechtsänderung oder dem Ver­ mögenstransfer sehen wollen,232 bleiben für die materielle Steuerrecht­ 229 Siehe Abschnitt 3.1.2, ab S. 99. 230 Siehe Abschnitt 3.3.2.2, ab S. 263. 231 Zu §§ 5, 6, 7 GrEStG siehe Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398 ff.). Bei § 6a GrEStG ist die gleiche Wertung zu Grunde zu legen, auch wenn die Gesetzesbegründung diesbezüglich Defizite aufweist und den Lenkungscharakter in den Vordergrund stellt, vgl. Bericht des Finanzaus­ schusses zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 3. 12. 2009, BT-Drs. 14/147, S. 10. 232 Siehe oben Abschnitte 2.1.2.3.1.1 und 2.1.2.3.1.2, ab S. 25.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

fertigung ohne Erkenntniswert. Die reine Bewegung, Übertragung oder Erlangung eines Gegenstands ist, sofern mit der Besteuerung keine Len­ kungszwecke verfolgt werden, noch kein sachgerechter Geltungsgrund für eine Steuer.233 Zudem steht die These von der „Rechtsverkehrsteuer materieller Typologie“, wie gezeigt wurde, in Widerspruch zur histori­ schen Gesetzeskonzeption und -begründung.234 Auch in der „Bereiche­ rung“ mit dem Grundstück235 kann der Belastungsgrund nicht erblickt werden, da – anders als bei der als Bereicherungssteuer konzipierten Erb­ schaft- und Schenkungsteuer236 – der erlangten Vermögensposition (Grundstück) im Regelfall eine wertäquivalente Gegenleistung (Kauf­ preis) gegenübersteht. Verwirft man aufgrund obiger Erkenntnisse die Ansätze, die Grunder­ werbsteuer aufgrund des Rechtsvorgangs, Vermögenstransfers oder einer etwaigen Bereicherung zu rechtfertigen, verbleiben im Wesentlichen drei Theorien zum Belastungsgrund, die allesamt einen Bezug zum Leistungs­ fähigkeitsprinzip aufweisen: Die Äquivalenztheorie, die den Steuerzugriff mit einer Leistung des Staates als Garanten des Rechtsverkehrs begründet,237 und die Bewertungsdifferenztheorie, die von einem Vorteil für die Beteiligten aufgrund freiwilliger Neubewertung des Übertragungsgutes auf dem Markt aus­ geht,238 beruhen beide auf der Prämisse, dass die Teilnahme am Grund­ stücksverkehr den Akteuren eine gewisse Leistungsfähigkeit ermöglicht. Die aus dieser Teilnahme resultierende Leistungsfähigkeit soll den Be­ steuerungszugriff rechtfertigen.239 Wer die Einkommens- bzw. Vermögensverwendung als Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer ansieht,240 nimmt die umgekehrte Perspektive ein: Hier wird die Teilnahme am Grundstücksverkehr als Indikator für Leistungsfähigkeit gesehen; sprich: Wer sich am Rechtsverkehr beteiligt, von dem wird angenommen, dass er leistungsfähig ist.241 Die Leistungsfähigkeit ist nach dieser Sichtweise

233 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1014, der die aus England stammende Regel „If it moves, tax it“ zu Recht als unzureichend an­ sieht. 234 Siehe oben Abschnitt 2.1.2.3.2.1, S. 30. 235 So A. Stodian, Treuhandverhältnisse im Grunderwerbsteuerrecht (2008), S. 84 ff. 236 Siehe R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 15, Rz. 1. 237 Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2.3.1.3, S. 27. 238 Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2.3.1.4, S. 27. 239 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 9. 240 Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2.3.1.5, S. 28. 241 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (408).

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2.1.2  Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer

Voraussetzung für den Zugang zum Grundstücksmarkt; sie offenbart sich durch die Teilnahme an selbigem. 2.1.2.3.3.2 Der Erwerber als materieller Steueradressat Der Befund, dass auch die Grunderwerbsteuer ihre Rechtfertigung aus der Erfassung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bezieht, mündet in die Frage, wessen Leistungsfähigkeit erfasst werden soll, d.h. ob es um die Leistungsfähigkeit des Veräußerers, des Erwerbers oder beider Parteien geht. Insbesondere die letztgenannte Sichtweise ist in der jüngeren Lite­ ratur mehrfach vorzufinden: Beide Transaktionsparteien würden dem­ nach durch die Verwendung ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Mittel Leistungsfähigkeit zeigen.242 Der Erwerber offenbare sein Erwerbspoten­ zial, der Veräußerer zeige Leistungsfähigkeit dadurch, dass er sein Ver­ mögen umschichte.243 Die Theorie einer Besteuerung des Veräußerers vermag jedoch nicht zu überzeugen: Die Grunderwerbsteuer stellt nicht nur ihrem Namen, son­ dern auch ihrer Konzeption nach eine „Erwerb-Steuer“ dar. Zwar werden im Grundfall des § 13 Nr. 1 GrEStG beide Parteien als Steuerschuldner behandelt. Dies ist jedoch nicht folgerichtig.244 Denn die Verwirklichung der im GrEStG formulierten Steuertatbestände erfolgt stets durch den Erwerber. So erfasst § 1 Abs. 1 GrEStG den Erwerb des Eigentums, § 1 Abs. 2 GrEStG den Erwerb der Verwertungsbefugnis und § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG die Vereinigung in der Hand des Erwerbers. Dies entspricht auch der tatsächlichen wirtschaftlichen Transaktionspraxis, in der es üb­ lich ist, dass der Grundstückserwerber abweichend von der gesetzlichen Regelung die Grunderwerbsteuer vollständig und allein trägt. Zudem weisen die gesetzgeberische Entscheidung, den Grunderwerb von der Umsatzsteuer freizustellen und die daraus resultierende Stellung der Grunderwerbsteuer als „Sonderumsatzsteuer“245 darauf hin, dass in glei­ cher Weise wie bei der Umsatzsteuer eine Besteuerung des Erwerbers beabsichtigt ist.246 Die Leistungsfähigkeit des Veräußerers, soweit er durch die Grundstücksübertragung einen Gewinn erzielt, wird bereits durch die Ertragsbesteuerung seines Einkommens erfasst und belastet.

242 So P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht (2017), S. 123 f. 243 So D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. (2016), Rz. 1801. 244 Vgl. G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 540. 245 Siehe Abschnitt 2.1.1.2, S. 9. 246 Ähnlich K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1014.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Der Belastungsgrund ist also in der Leistungsfähigkeit des Erwerbers und nicht des Veräußerers und auch nicht beider Seiten gleichzeitig zu su­ chen. 2.1.2.3.3.3 Der Erwerbsaufwand als Gradmesser steuerlicher Leistungsfähigkeit Die Äquivalenz- und die Bewertungsdifferenztheorie vermögen die mate­ rielle Rechtfertigung der Grunderwerbsteuer zwar flankierend zu unter­ mauern, sind als Besteuerungsmaßstab jedoch zu unscharf. Denn weder die Kosten des Staates für den Schutz und die Aufrechterhaltung des Rechtsverkehrs, noch der individuelle Vorteil der Parteien aus dem je­ weiligen Rechtsvorgang lassen sich quantifizieren.247 Diese Größen fin­ den sich auch nicht in der Ausgestaltung der Steuer wieder. Vielmehr wird daraus, dass die Regelbemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die Gegenleistung des Erwerbers ist,248 deutlich, dass die Leistungsfähig­ keit tatsächlich an den Mitteln bemessen wird, die der Erwerber aufwen­ det. Von den drei Phasen des Besteuerungszugriffs (Einkommen, Vermögens­ bestand und Vermögensverwendung)249 ist bei ihm ersichtlich die der Vermögensverwendung betroffen.250 Nur an den Aufwendungen des Grundstückserwerbers lässt sich dessen Leistungsfähigkeit zuverlässig bemessen und sachgerecht steuerlich erfassen. Der h.M. im Schrift­ tum,251 die die Grunderwerbsteuer als Steuer auf die Einkommens-und Vermögensverwendung begreift, ist deshalb grundsätzlich zuzustimmen. Es muss jedoch noch eine Präzisierung vorgenommen werden: Im Grund­ stücksverkehr ist es der Regelfall, dass die für den Erwerb erforderlichen Mittel zu einem großen Teil nicht aus dem eigenen Vermögen, sondern aus einer Fremdfinanzierung über Bankdarlehen erbracht werden. Zu ei­ nem nicht unerheblichen Teil wird also eine „geliehene“ Leistungsfähig­ keit besteuert. Anders als die Einkommensteuer, bei der über das ob­ jektive Nettoprinzip sichergestellt ist, dass nur die real vorhandene Leistungsfähigkeit erfasst wird, differenziert die Grunderwerbsteuer inso­ weit nicht. Die auf Leistungsfähigkeit gerichtete Besteuerungsentschei­ 247 Vgl. M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 11. 248 Vgl. § 8 Abs. 1 GrEStG. 249 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 231; W. Reiß, in: DStJG Bd. 13 (1990), S. 3 (13). 250 M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 12. 251 Vgl. Nachweise in Abschnitt 2.1.2.3.1.5, S. 28.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

dung ist hier deshalb in einem weiteren Sinne zu verstehen: Dahinge­ hend, dass auch derjenige Leistungsfähigkeit offenbart, der ausreichend kreditwürdig ist, um mit geliehenem Geld am Grundstücksverkehr teil­ zunehmen. Der Erwerbsaufwand bleibt insoweit Gradmesser der Leis­ tungsfähigkeit, jedoch in typisierender Weise. Zur Bezeichnung des Belastungsgrundes ist es aufgrund obiger Besonder­ heit des Grundstücksverkehrs präziser, statt von der Einkommens- oder Vermögensverwendung etwas allgemeiner von der Teilnahme des Erwerbers am Grundstücksmarkt zu sprechen. 2.1.2.4 Zwischenergebnis Die Grunderwerbsteuer ist nur in technischer Hinsicht als Rechtsver­ kehrsteuer ausgestaltet. Wie bereits der historische Gesetzgeber des GrEStG 1919 und GrEStG 1940 betont hat, dient die Anknüpfung an rechtliche Vorgänge allein der rechtssicheren Erfassung der hinter diesen stehenden wirtschaftlichen Vorgänge. Aus dem Gefüge der Steuertatbe­ stände des § 1 GrEStG wird deutlich, dass der übergreifende Besteuerungsgegenstand im Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungs- und Ver­ wertungsmöglichkeit an einem Grundstück liegt. Der dahinter stehende Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer ist die Leistungsfähigkeit in­ dizierende Teilnahme des Erwerbers am Grundstücksmarkt. Durch die aufgewendeten Mittel offenbart der Grundstückserwerber die den Be­ steuerungszugriff rechtfertigende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Diese Leistungsfähigkeit darf in typisierender Weise auch dann unter­ stellt werden, wenn die aufgebrachten Mittel fremdfinanziert sind.

2.1.3 Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise Bevor die Auseinandersetzung mit den materiell-rechtlichen Fragen der Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht beginnen kann, ist das bereits thematisierte Konfliktfeld zwischen der Ausrichtung auf wirt­ schaftliche Grundstücksumsätze und der Anknüpfung an zivilrechtlich definierte Vorgänge nochmals unter einem anderen Blickwinkel zu be­ leuchten: Es geht um die Frage, inwieweit im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Normen des GrEStG eine besondere Bindung an das Zivilrecht als tatbestandsbestimmende Vorgabe besteht, und welcher Raum für eigenständige steuerrechtliche Beurteilungsmaßstäbe, insbe­ sondere im Rahmen der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise, ver­ bleibt. Die Problematik ist aufgrund neuerer Entwicklungen in der BFH-Rechtsprechung besonders aktuell und, wie sich zeigen wird, für die 43

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

hier im Mittelpunkt stehende Personengesellschaft, deren grunderwerb­ steuerliche Rezeption seit jeher vom Konflikt zwischen zivilrechtlicher Form und wirtschaftlicher Realität gekennzeichnet ist, auch besonders bedeutsam. 2.1.3.1 Der Einfluss des Zivilrechts auf die Grunderwerbsteuer 2.1.3.1.1 Zum Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht Der Anwendung des Steuerrechts ist – unbeschadet seiner eigenen An­ knüpfungen und eigenständigen Wertungen – der zivilrechtlich gestaltete Sachverhalt vorgegeben.252 Dies wirft die Frage auf, inwieweit zivil­ rechtliche Wertungen auch für die steuerrechtliche Rechtsanwendung maßgeblich sind. 2.1.3.1.1.1 Meinungsstand Die h.M. versteht das Verhältnis beider Rechtsgebiete dahingehend, dass kein Vorrang, sondern nur eine Vorherigkeit des Zivilrechts besteht.253 Zivilrecht und Steuerrecht sind demnach als einander „nebengeordnete, gleichrangige Gebiete“ anzusehen, die „denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beur­ teilen.“254 Für die Rechtsanwendung wird daraus gefolgert, dass keine teleologische Prävalenz des Zivilrechts vor dem Steuerrecht besteht.255 Greift eine Steuerrechtsnorm Begriffe zivilrechtlicher Herkunft auf, so ist demnach unter Berücksichtigung des Zwecks und der Wertung der betreffenden Norm zu ermitteln, inwieweit die zivilrechtlichen Rege­

252 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 205. 253 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 9; P. Kirchhof, Stbg 1993, S. 508 (512); P. Kirchhof, StuW 1983, S. 173 (181); D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128); A. Raupach, in: Festschrift K. Tipke (1995), S. 105 (106 f.); H. Weber-Grellet, StuW 2016, S. 226 (235). Von einem „Primat des bürgerlichen Rechts vor dem Steuerrecht“ war noch die Rede gewesen bei BFH, Urteil v. 12. 7. 1967, I R 204/64, BFHE 90, S. 122. In der Folgezeit schloss sich aber auch der BFH der in der Literatur vorherrschenden Meinung an. Für einen Über­ blick der Rechtsprechung siehe D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2125 f.). 254 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 9; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 1, Rz. 34; W. R. Walz, Steu­ ergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 201.  255 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 1, Rz. 34; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 71; D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128 f.); H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (407). Ähnlich W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 353 ff. („relative Autonomie des Steuerrechts“).

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

lungsinhalte auch für die steuerrechtliche Würdigung maßgeblich sind.256 Wird explizit auf zivilrechtliche Rechtsinstitute Bezug genommen, soll dies aufgrund der Vorherigkeit des Zivilrechts eine „Indizwirkung“ für eine Maßgeblichkeit des zivilrechtlichen Begriffs für die steuerrechtliche Interpretation haben,257 aber weder eine Vermutung für ein übereinstim­ mendes noch für ein abweichendes Begriffsverständnis begründen kön­ nen.258 Hiervon abweichend geht Crezelius von einer Maßgeblichkeit des Zivil­ rechts aus, die nur durch ausdrückliche steuergesetzliche Anordnung, nicht aber durch den Rechtsanwender außer Kraft gesetzt werden dür­ fe.259 Zivilrechtliche Wertungsgesichtspunkte seien im Rahmen der steu­ erlichen Rechtsanwendung zu übernehmen, soweit die Steuernorm nicht etwas anderes anordnet.260 Die eigenständige steuerrechtliche Beurtei­ lung einer zivilrechtlichen Gestaltung führe zu einem illegitimen Ein­ griff in die Privatautonomie.261 Eine Abweichung vom Zivilrecht sei nur im Fall bereits gestörter Privatautonomie zulässig, d.h. wenn die Gestal­ tung bereits auf der Zivilrechtsebene zu beanstanden ist.262 Die aus der strikten Bindung an die zivilrechtliche Beurteilung resultierende Gefahr steuervermeidender Gestaltungen soll durch die „Selbstregulierungs­ funktion der Privatautonomie“ relativiert werden.263 Vermittelnd postuliert Flume einen Vorrang der allgemeinen Rechtsord­ nung vor dem Steuerrecht264 im Sinne eines Kongruenzgebots,265 unter­ scheidet diesen aber explizit von einer Maßgeblichkeit zivilrechtlicher Begriffe.266 Eine autonome steuerliche Gesetzgebung und Rechtsanwen­ dung dürfe nicht zu einer Aufhebung der allgemeinen Rechtsordnung 256 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 1, Rz. 35; H. Weber-Grellet, StuW 2016, S. 226 (235). 257 D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2129). 258 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 11. 259 G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 330 ff. 260 Vgl. G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 309. 261 Vgl. G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 331. 262 Vgl. G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 334 f. 263 Vgl. G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 311 und 317 ff. 264 W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (70). 265 W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (60). 266 Vgl. W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (73) Fn. 25.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

führen.267 Als Beispiele hierfür nennt Flume die seinerzeitige ertragsteu­ erliche Doppelbelastung von Dividenden268 sowie die Rechtsprechung des RFH zur Haftung des Kommanditisten einer KG für Gewerbesteuer über dessen zivilrechtliche Haftungsbeschränkung hinaus.269 Der Vor­ rang der Zivilrechtsordnung lasse es aber zu, von einem zivilrechtlich geprägten Begriff in einer Steuernorm abzuweichen, wenn der im Wege der Auslegung ermittelte Sinn des Steuergesetzes einen entsprechenden Anlass hierzu gibt.270 2.1.3.1.1.2 Stellungnahme Ob sich ein Vorrang des Zivilrechts dadurch begründen lässt, dass alle wirtschaftlichen Vorgänge zivilrechtlich (vor-)strukturiert seien,271 er­ scheint zweifelhaft, da das Zivilrecht und das Steuerrecht gleichermaßen zuerst wirtschaftliche Vorgänge aufgreifen und diese dann entsprechend ihren unterschiedlichen Zielsetzungen regeln. Daraus, dass das Zivil­ recht Institutionen für den Rechtsverkehr bereitstellt und das Steuer­ recht an diese anknüpft, lässt sich noch kein Vorrangverhältnis ableiten. Denn es entspricht nur der logischen und in § 38 AO auch vorgezeichne­ ten zeitlichen Abfolge, dass ein Tatbestand zunächst – in seinem vorge­ gebenen zivilrechtlichen Rahmen – verwirklicht werden muss, bevor er der Besteuerung unterworfen werden kann. Das rein zivilrechtliche Verständnis eines Rechtsbegriffs wird den Anfor­ derungen des Leistungsfähigkeitsprinzips zudem vielfach nicht adäquat Rechnung tragen können. Denn die Erfassung des – die Leistungsfähig­ keit begründenden – wirtschaftlichen Ergebnisses eines Sachverhalts ist in der Teleologie des Zivilrechts nicht angelegt.272 Es gibt keine zivil­ rechtliche Dogmatik zur differenzierten Erfassung von Geschäftsergeb­ nissen und kann sie nicht geben.273 Für den steuerrechtlich gemeinten Geschäftserfolg fehlte dem Gesetzgeber oft nur der verlässliche, rechtssi­ chere Begriff, was ihn auf zivilrechtliche Formeln rekurrieren ließ.274 Wo 267 Vgl. W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (73). 268 W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (68 ff.) unter Verweis auf die da­ durch eingetretene strukturelle Dividendenunfähigkeit. 269 W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (70 f.). 270 W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (73) Fn. 25. 271 So G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 179. Auch die wirtschaftlichen Besteuerungsgegenstände Einkommen und Umsatz setzen nach seiner Auffassung voraus, dass der Steuerpflichtige sich der Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bedient. 272 Vgl. W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 220 f. 273 W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 221. 274 Vgl. W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 221.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

die gesetzliche Anknüpfung an den zivilrechtlichen Begriff sich als bloße handwerkliche Verlegenheitslösung erweist, wird sie auch keine Maß­ geblichkeit für die steuerrechtliche Auslegung entfalten. Dies macht es erforderlich, auch bei unmittelbaren steuergesetzlichen Anknüpfungen an Zivilrechtsbegriffe den Sinn der Steuernorm in die Auslegung mitein­ zubeziehen. Ohnehin wird die bloße Abweichung einer steuerrechtlichen Begriffsab­ grenzung vom zivilrechtlichen Begriffsverständnis die Ordnungsfunkti­ on des Zivilrechts kaum gefährden können.275 Es ist Flume darin zuzu­ stimmen, dass das Steuerrecht zwar die Zivilrechtsordnung respektieren, aber nicht zwingend auch jeden Zivilrechtsbegriff in dessen bürgerlich-­ rechtlichem Sinne begreifen muss.276 Beide Rechtsgebiete folgen den Ge­ rechtigkeitsgrundsätzen, wie sie sich aus der allgemeinen Rechtsord­ nung ergeben.277 Es ist nicht ersichtlich, dass der verfassungsrechtlich fundierte Grundsatz der zivilrechtlichen Privatautonomie zu einer Ein­ schränkung des im Steuerrecht geltenden und ebenfalls aus der Verfas­ sung abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips zwingt, da beide Funda­ mentalprinzipien gleichrangig nebeneinander stehen.278 Die Ziele beider Prinzipien widersprechen einander nicht, sondern weisen regelmäßig in die gleiche Richtung.279 Dies gilt insbesondere dort, wo der Gleichheits­ satz eine rechtsform- und rechtshandlungsneutrale Besteuerung – mit anderen Worten: eine vom Steuerrecht unbeeinflusste Entfaltung der Pri­ vatautonomie – verlangt.280 Eine autonom steuerrechtliche Interpretation zivilrechtlicher Begriffs­ inhalte muss die Privatautonomie nicht zwingend beeinträchtigen, son­ dern kann diese im Gegenteil auch fördern. Denn in der Realität ist die Privatautonomie regelmäßig bereits im Ausgangspunkt durch eine nicht rechts(form-)neutrale Steuernorm gestört, die die gewählte zivilrechtli­ che Gestaltung damit vorbestimmt. Die auf Sachgerechtigkeitserwägun­ gen beruhende steuerrechtliche Modifikation eines zivilrechtlich vorge­ prägten Begriffsinhalts bringt deshalb auch die Möglichkeit mit sich, die 275 Vgl. W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 209. 276 W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (73), Fn. 253. 277 Vgl. W. Flume, in: Festschrift R. Smend (1952), S. 59 (60); W. R. Walz, Steuerge­ rechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 230. 278 So auch D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2127); D. Hallerbach, Die Personen­ gesellschaft im Einkommensteuerrecht (1999), S. 94. 279 Vgl. A. Raupach, in: Festschrift K. Tipke (1995), S. 105 (110), wonach die Störung anderer Rechtsgebiete durch das Steuerrecht in den meisten Fällen auf einem Ver­ stoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip beruht. 280 Vgl. D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2127).

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

steuerrechtlichen Einflussfaktoren auf die privatautonome Gestaltungs­ entscheidung zu reduzieren. Nach hier vertretener Auffassung sind Zivilrecht und Steuerrecht somit als einander nebengeordnete Gebiete anzusehen, deren ranggleiche Fun­ damentalprinzipien – Privatautonomie und Leistungsfähigkeitsprinzip – bei der steuerlichen Rechtsanwendung aufeinander abzustimmen sind.281 Die steuerrechtliche Rechtsanwendung kann sich, soweit es das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip erfordert, auch von zivilrechtlichen Begriffsinhal­ ten entfernen. Denn dem Steuerrecht geht es immer – also auch dann, wenn der Tatbestand zivilrechtliche Begriffe enthält – um die Erfassung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.282 Ein abweichender Begriffsinhalt für steuerliche Zwecke tangiert nicht die Ordnungsfunktion des Zivil­ rechts, sondern stellt in deren Sinne Rechtsform- und Rechtshandlungs­ neutralität her. Die Zulässigkeit einer begrifflichen Abweichung darf aber nicht als tatbestandliche „Ausdehnung“ einer Steuernorm über ih­ ren möglichen Wortsinn hinaus missverstanden werden.283 Dies gilt vor allem im Bereich der steuerbegründenden Tatbestände, wo dem Rechts­ anwender durch den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteue­ rung enge Grenzen auferlegt sind.284 2.1.3.1.2 Die Steuerjuristische Betrachtungsweise Die Eigenständigkeit des Steuerrechts als ein dem Zivilrecht gleichrangi­ ges, nebengeordnetes Rechtsgebiet verlangt es, steuerliche Vorschriften nach deren eigenem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, Zweck und Inhalt zu beurteilen.285 Diese sog. steuerjuristische Betrachtungsweise sucht den „Kern“ der steuererheblichen Leistungsfähigkeit zu ermitteln und „trotz formaler und rechtstechnischer Ablenkung wirklichkeitsgerecht zu erfassen.“286 Wertungen aus anderen Rechtsge­ bieten sind dabei keine bindenden Vorgaben, sondern nur „Erkenntnis­ hilfen“287, d.h. die steuerjuristische Betrachtungsweise kann kontextab­ 281 Gl.A. D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2129), die eine Abweichung vom zivil­ rechtlichen Begriffsverständnis an das Vorliegen eines sachlichen Grundes knüpft. 282 Vgl. A. Raupach, in: Festschrift K. Tipke (1995), S. 105 (108). 283 Zum möglichen Wortsinn als Grenze der Auslegung siehe H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (7 f.). 284 Vgl. H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (7); J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 233 ff. 285 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 11. 286 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 34. 287 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 39.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

hängig sowohl eine unmodifiziert den zivilrechtlichen Kriterien folgende Interpretation als auch eine spezifisch steuerrechtliche Würdigung erfor­ dern. Die Reichweite und Relevanz zivilrechtlicher Begriffsinhalte rich­ tet sich hierbei nach dem Normzweck der betreffenden steuerrechtli­ chen Vorschrift.288 Die Steuernorm kann entweder unmittelbar Bezug auf ein zivilrechtli­ ches Rechtsinstitut nehmen oder einen steuerrechtlichen Eigenbegriff bilden.289 Wird unmittelbar an einen zivilrechtlichen Begriff angeknüpft, ist zu unterscheiden: Dieser ist unmodifiziert für die steuerrechtliche Würdigung zu übernehmen, wenn es sich um einen allgemeinen, in der übrigen Rechtsordnung begründeten und gesetzesübergreifende Ord­ nungsfunktion entfaltenden Statusbegriff290 handelt oder eine ausdrück­ liche Verweisung auf eine zivilrechtliche Norm291 vorgenommen wird.292 Fehlt es hieran, ist anhand des Normzwecks zu überprüfen, ob den mit dem Zivilrecht übereinstimmenden Begriffen ein abweichendes steuer­ rechtliches Begriffsverständnis zu Grunde zu legen ist.293 Der zivilrecht­ liche Begriff verliert hierdurch aber noch nicht seine Eigenart; er wird nicht zum steuerlichen Eigenbegriff, sondern bleibt Zivilrechtsbegriff in

288 Vgl. R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 1, Rz. 34; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 71. 289 D. Ebert, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Auslegungsgrundsatz im Steu­ errecht (1955), S. 52; G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 179; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 39 ff. 290 Beispiele: Aufzählung körperschaftsteuerpflichtiger Rechtsformen in § 1 Abs. 1 KStG; Nennung der Offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG; Ehebegriff der §§ 26 ff. EStG. Kritisch im Hinblick auf die Differenzierung hinsichtlich statusbegründender und übriger Begriffe je­ doch G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 244. 291 Beispiele: Verweise auf die Regelungen in §§ 291 ff. AktG im Rahmen der Vor­ schriften zur körperschaftsteuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG); Verweis auf Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nummern 1 bis 3 des Umwandlungsge­ setzes im Rahmen des § 6a GrEStG. 292 P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 39; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 72; H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (14); zur Ordnungsfunktion des Statusbegriffs siehe P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl. (2017), § 2, Rz. 29. 293 D. Ebert, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Auslegungsgrundsatz im Steuerrecht (1955), S. 51 f.; H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (8); J. Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 73; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO (141. Lfg. Juli 2015), § 4 AO, Rz. 324. D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128 f.) verlangt für ein Abweichen vom Zivilrecht das Vorliegen eines „sachli­ chen Grundes“, nimmt insoweit aber ebenfalls eine Normzweckauslegung vor.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

steuerlicher Anwendung.294 Beispiel für diese Gruppe ist der Begriff der „Vermietung und Verpachtung“ im Sinne des § 21 EStG, der an die §§ 535 ff. und 581 ff. anknüpft, aber nach seinem steuerlichen Inhalt noch weitere Zivilrechtsgestaltungen umfasst.295 Als dritte Gruppe sind die steuerlichen Eigenbegriffe zu nennen, die den steuerwürdigen Le­ benssachverhalt mit Merkmalen beschreiben, die nur für das Steuerrecht Geltung beanspruchen.296 Beispiele für diese auch als „steuerrechtliche Wirtschaftsbegriffe“ bezeichnete Kategorie297 sind der Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder der Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Diese Begriffe kommen im Zivilrecht nicht vor, so dass ihr Inhalt allein nach steuerrechtlichen Kriterien bestimmt werden kann.298 2.1.3.1.3 Zur Relevanz des Zivilrechts für die Grunderwerbsteuer Der Grunderwerbsteuer wird aufgrund ihrer engen tatbestandlichen An­ knüpfung an den zivilrechtlich strukturierten Grundstücksverkehr eine besondere zivilrechtliche Prägung attestiert, die auch die Auslegung be­ einflussen soll.299 Soweit Identität der Begriffe gegeben sei, könne die grund­erwerbsteuerliche Bedeutung eines Ausdrucks keine andere sein als die bürgerlich-rechtliche; die zivilrechtliche Form wirke insoweit in­ haltsbestimmend.300 Durch die enge Verknüpfung des Gesetzes mit zivil­ rechtlichen Gestaltungsformen sei eine anderweitige Interpretation ab­ geschnitten.301 Inwieweit diese, die steuerjuristische Betrachtungsweise einschränkende Auffassung von der äußeren Struktur und den inneren Wertungen des GrEStG gedeckt wird, soll nachfolgend untersucht werden. 2.1.3.1.3.1 Zivilrechtliche Anknüpfung vs. Eigenbegriffsbildung im Grunderwerbsteuerrecht Die Steuertatbestände in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GrEStG weisen eine un­ mittelbare Anknüpfung an die zivilrechtlichen Begriffe „Kaufvertrag“ 294 D. Ebert, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Auslegungsgrundsatz im Steuer­recht (1955), S. 52. 295 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 73. 296 G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 179. 297 Siehe E. Becker, StuW 1924, S. 145 (168); BVerfG, Beschluss v. 20. 12. 1966, 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BStBl. III 1967, S. 7 = BVerfGE 21, 12 = juris, Rz. 116. 298 Vgl. H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (8). 299 So A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 26. 300 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 207. 301 W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung (1980), S. 248.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

und „Auflassung“ auf. Deren Inhalt wird als deckungsgleich mit den in §§ 433 ff. bzw. §§ 873 ff. BGB geregelten Zivilrechtsinstituten angese­ hen.302 Eine Abweichung vom zivilrechtlichen Begriffsinhalt ist unter Berücksichtigung von Regelungszweck und Systematik nicht erforder­ lich, da die Normstruktur des § 1 Abs. 1 GrEStG mit ihren aufeinander aufbauenden und subsidiär zur jeweils vorgenannten Position eingreifen­ den Einzeltatbeständen ohnehin weitere rechtliche Gestaltungen er­ fasst303 und zudem mit der Auffangklausel „anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet“304 die Besteuerung des steue­ rerheblichen wirtschaftlichen Sachverhalts sicherstellt. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG knüpft an den „Übergang des Eigentums“ an, was im Rahmen der steuerjuristischen Betrachtungsweise insoweit mit einem eigenen Begriffsinhalt zu füllen ist, als hiervon nur die Fälle er­ fasst werden, denen keine Auflassung vorangegangen ist. Die einzelnen darunter fallenden Konstellationen (Übergang kraft Gesetzes sowie kraft behördlicher oder gerichtlicher Anordnung305) ergeben sich aus dem Zi­ vilrecht, sind dort aber nicht definiert, sondern müssen erst für Zwecke der Interpretation des Steuertatbestands bestimmt werden. Der in § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GrEStG verwendete Begriff des „Meistgebots“ ist dem Zwangsversteigerungsrecht entnommen und nach dessen Kriterien aus­ zulegen.306 Der Begriff des „Kaufangebots“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG ist dem Zivilrecht hingegen fremd307 und wurde erst durch die Steuerrechtsprechung ausgefüllt.308 Die „Verwertungsmöglichkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG, die „Anteilsvereinigung“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG und die „wirt­ schaftliche Beteiligung“ im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG sind steuer­ 302 Vgl. etwa C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 255 und 342; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 36 und 42; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 146 und 159. 303 Vgl. D. Ebert, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Auslegungsgrundsatz im Steuerrecht (1955), S. 50: Eine „Ausdehnung“ des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG über den Wortlaut hinaus sei unnötig, da „alle anderen Fälle ohnehin von § 1 GrEStG erfasst werden.“ 304 Siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 GrEStG. 305 Siehe im Einzelnen C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 347 ff.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 45 ff.; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 161 ff. 306 C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 462; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 66; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 197. 307 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 225. 308 Siehe Nachweise bei C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 513.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

rechtliche Eigenbegriffe, deren Inhalt nur nach steuerrechtlichen Kriteri­ en ermittelt werden kann. Die Begriffe des „Anteils“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG und des „Gesellschafters“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sind zwar dem Zivilrecht entnommen, lassen aber aus zivil­ rechtlicher Perspektive mehrere Interpretationen zu, so dass eine steuer­ rechtliche Beurteilung unter Berücksichtigung des jeweiligen Norm­ zwecks unumgänglich ist. Keine zivilrechtliche Entsprechung findet die „mittelbare“ Änderung des Gesellschafterbestands im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG, weshalb der BFH diesen Begriff nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auslegt.309 Der im Rahmen der vorliegenden Arbeit besonders interessierende Be­ griff der „Personengesellschaft“ wird nur in § 1 Abs. 2a GrEStG und den daran anknüpfenden Verfahrensvorschriften310 verwendet. Des Weiteren wird die Personengesellschaft von den weiter gefassten Begriffen der „Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG und der „Gesamthand“ im Sinne der §§ 5, 6 GrEStG miterfasst.311 Diese Begriffe sind dem Gesell­ schaftsrecht entnommen und werden nach dessen Begriffsverständnis ausgelegt,312 da es sich um Statusbegriffe handelt, die eine gesetzesüber­ greifende Ordnungsfunktion haben und keiner autonomen steuerrechtli­ chen Interpretation zugänglich sind.313 Im Ergebnis zeigt sich, dass die Grunderwerbsteuer nur in begrenztem Maße unmittelbare Anknüpfungen an Zivilrechtsinstitute wie den Kauf­ vertrag, die Auflassung und das Meistgebot vornimmt. Des Weiteren ent­ 309 Vgl. BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490; BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291. 310 Siehe § 13 Nr. 6, § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG. Darüber hinaus nennt § 18 Abs. 2 S. 2 GrEStG die Personenhandelsgesellschaft und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 311 Vgl. S. Kiebele, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), Die PersG im Steuerrecht, 12. Aufl. (2017), S. 1369 (1371), Rz. 7. 312 Ohne nähere Problematisierung subsumiert die Literatur die gängigen gesell­ schaftsrechtlichen Rechtsformen der GbR, OHG, KG und Partnerschaftsge­ sellschaft unter den Personengesellschaftsbegriff, vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 97; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 751; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 276. Des Weiteren werden strukturell vergleichbare ausländische Rechtsformen erfasst, vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 2; S. Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im interna­ tionalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.2; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 752. 313 Zur Natur der Statusbegriffe siehe P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl. (2017), § 2, Rz. 29.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

hält das Gesetz einige aus dem Zivilrecht stammende Statusbegriffe, aber auch zahlreiche steuerrechtliche Eigenbegriffe. Die an verschiede­ nen Stellen im Gesetz enthaltenen Auffangtatbestände wie „anderes Rechtsgeschäft“ oder „anderer Vertrag“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 6 GrEStG) relativieren die Anbindung an bestimmte zivilrechtliche Gestaltungsfor­ men und lassen das gesetzgeberische Bestreben erkennen, nicht die Form, sondern einen bestimmten als besteuerungswürdig angesehenen Erfolg zu erfassen. 2.1.3.1.3.2 Materielle Wertung und rechtstechnische Erfordernisse Dass die Grunderwerbsteuer keine Rechtsverkehrsteuer im materiellen Sinne darstellt, sondern auf die Erfassung wirtschaftlicher Leistungsfähig­ keit gerichtet ist, wurde oben bereits herausgearbeitet.314 Das tatbestand­ liche Aufgreifen der zivilrechtlichen Institute des Grundstücksverkehrs sollte es nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers ermöglichen, die besteuerungswürdigen Vorgänge „einfach und zuverlässig“ zu ermit­ teln315 und dient der „Rechtssicherheit und Geschäftseinfachheit“316. Dem materiellen Gehalt nach wäre auch der „wirtschaftliche Vorgang des Umsatzes“ als Anknüpfungspunkt in Betracht gekommen.317 Die Grün­ de für die tatbestandliche Nähe zum Zivilrecht erschöpfen sich daher in rechtstechnischen Erwägungen. 2.1.3.1.3.3 Folgerungen Weder aus der tatbestandlichen Anknüpfung an einige zivilrechtliche Be­ griffe, die nicht konsequent durchgehalten ist und durch Auffangtatbe­ stände zusätzlich relativiert wird, noch aus den vom Gesetzgeber ange­ stellten, vorrangig rechtstechnischen Erwägungen ergibt sich ein „Primat des Zivilrechts“, das die allgemeinen Rechtsanwendungsgrundsätze für den Bereich der Grunderwerbsteuer überlagern würde. Die oben allge­ mein dargestellte steuerjuristische Betrachtungsweise318 ist deshalb auch im Bereich der Grunderwerbsteuer zu entfalten. Eine besondere Relevanz des Zivilrechts kommt dabei nur insoweit zum Tragen, als das GrEStG eine Reihe von zivilrechtlich auszulegenden Sta­ 314 Siehe Abschnitt 2.1.2.3, ab S. 25. 315 Siehe Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (387). 316 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (388). 317 Vgl. Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (387). Siehe auch Abschnitt 2.1.1.2, ab S. 9. 318 Siehe Abschnitt 2.1.3.1.1, ab S. 44.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

tusbegriffen und unmittelbaren Verweisungen auf Zivilrechtsinstitute enthält. Dies ist jedoch nicht etwa einer besonderen zivilrechtlichen Vor­ prägung der grunderwerbsteuerlichen Teleologie geschuldet. Vielmehr beruht die Übernahme der zivilrechtlichen Begriffsinhalte auf der beson­ deren Normstruktur des § 1 Abs. 1 GrEStG, der die einzelnen Tatbestände enumerativ aufgreift und abweichende Sachverhalte durch Auffangklau­ seln erfasst. Im Bereich der Ergänzungstatbestände ergibt sich eine Bin­ dung an zivilrechtliche Begriffsinhalte zusätzlich daraus, dass diese stark typisierenden Normen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eng aus­ zulegen sind. Zur Inhaltsbestimmung der auch im Grunderwerbsteuer­ recht zahlreich vorzufindenden steuerrechtlichen Eigenbegriffe ist hinge­ gen der allgemeine steuerjuristische Methodenkanon heranzuziehen, der auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise miteinschließt.319 2.1.3.2 Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ in der Grunderwerbsteuer Das Rechtsanwendungsprinzip der sog. „wirtschaftlichen Betrachtungs­ weise“ verlangt im Rahmen der vorliegenden Arbeit nach einer besonde­ ren Auseinandersetzung, da es für den Bereich der Grunderwerbsteuer lange Zeit zurückgewiesen worden war320 und in der Literatur bis heute kritisch beurteilt wird,321 in der jüngsten BFH-Rechtsprechung aber ver­ stärkt herangezogen wird.322 Nachfolgend wird zunächst der (reichlich unscharfe) Begriff der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgeleuchtet und sodann deren Bedeutung und Reichweite im Grunderwerbsteuer­ recht untersucht. 2.1.3.2.1 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als steuerrechtliche Methode 2.1.3.2.1.1 Begriff Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, deren Inhalt durch ihre Be­ zeichnung eher verdunkelt wird, handelt es sich nicht um eine ökonomi­ 319 So im Ergebnis auch P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunder­ werbsteuerrecht (2017), S. 125 f. 320 Vgl. etwa BFH, Urteil v. 29. 8. 1962, II 112/59 U, BStBl. III 1963, S. 150 = juris, Rz. 22: „Die Grunderwerbsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer; eine wirtschaftli­ che Betrachtungsweise ist somit grundsätzlich nicht möglich.“ 321 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, S. 224 ff. 322 Vgl. etwa BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 13 ff.; BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 14 ff.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

sche Methode, sondern um eine Ausprägung der steuerjuristischen ­Betrachtungsweise.323 Mit anderen Worten: Auch die wirtschaftliche Be­ trachtungsweise ist eine rechtliche Betrachtungsweise.324 Als solche be­ grenzt sie die Maßgeblichkeit zivilrechtlicher Begriffe,325 um den steue­ rerheblichen Sachverhalt wirklichkeitsgerecht zu erfassen.326 Sie ist eng verwandt mit dem Auslegungsgrundsatz der Erforschung der Natur der Sache und soll den Kern der Verhältnisse und Lebensvorgänge treffen.327 Durch die gleichmäßige Erfassung gleicher wirtschaftlicher Leistungs­ fähigkeit folgt sie den Vorgaben des Gleichheitssatzes328 und erweitert die Wirkung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch auf den Bereich der Rechtsanwendung.329 Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Steuergesetze (wirtschaftliche Betrachtungsweise) geht zurück auf den Schöpfer der Reichsabgabenordnung Enno Becker330 und war in § 4 RAO 1919 (später § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG 1934331) gesetzlich festgeschrieben.332 Nachdem es in der Zeit des Nationalsozialismus auch die wirtschaftliche Betrach­ 323 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1648. Zur steu­ erjuristischen Betrachtungsweise siehe Abschnitt 2.1.3.1.2, S. 48. 324 C. Grimm, DStZ 1978, S. 283 (285). 325 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 1, Rz. 34. 326 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 11: „Die sog.“wirtschaftliche Betrachtungsweise“ (…) enthält nichts anderes als eine mißverständliche Umschreibung der steuerrechtlichen Beurteilung eines autonom gestalteten Sachverhalts. Sie rechtfertigt nicht eine außerrechtliche wirtschaftliche Beurteilung rechtlicher Sachverhaltsgestaltungen im Steuerrecht (…), sondern fordert die an den spezifischen Regelungszielen einer steuerrechtli­ chen Regelung und deren eigengesetzlicher Terminologie auszurichtende steuer­ rechtliche Beurteilung, ob der bewirkte wirtschaftliche Erfolg einen Steuertatbe­ stand erfüllt.“ 327 D. Ebert, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Auslegungsgrundsatz im Steuerrecht (1955), S. 23. 328 W. Hirschmann, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Besteuerung des Umsatzes (1956), S. 29; M. Lehner, in: Festschrift K. Tipke (1995), S. 237 (238); D.  Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1648. A.A., den Grundsatz der Zweckmäßigkeit als pri­ märe Grundlage ansehend H. Maerz, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht (1976), S. 57. 329 Siehe M. Lehner, in: Festschrift K. Tipke (1995), S. 237 (238), der darauf hinweist, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip nach herkömmlichem Verständnis pri­ mär an den Gesetzgeber richtet. 330 Vgl. E. Becker, StuW 1924, S. 145. 331 StAnpG 1934 v. 17. 10. 1934, RGBl. 1934, S. 925. 332 Vgl. § 4 RAO 1919 v. 13. 12. 1919, RGBl. 1919, S. 1993: „Bei der Auslegung der Steuergesetze sind ihr Zweck, ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Entwick­ lung der Verhältnisse zu berücksichtigen.“

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tungsweise war, die die sog. „unbegrenzte Auslegung“ der Gesetze ermög­ licht hatte,333 wurde in der Rechtsprechung der Nachkriegsjahre zunächst zurückhaltenderer Gebrauch von ihr gemacht, bevor ab 1965 eine Neube­ sinnung von einem „kritisch-geläuterten Standpunkt“ aus erfolgte.334 Als die in § 1 Abs. 2 StAnpG enthaltene Anordnung, die wirtschaftliche ­Bedeutung der Steuergesetze zu berücksichtigen, nicht in die AO 1977 mitübernommen wurde, wurde dies damit begründet, dass die wirtschaft­ liche Betrachtungsweise mittlerweile zu den „allgemein geltenden Ausle­ gungsregeln“ zähle und deshalb keiner gesonderten Kodifikation mehr bedürfe.335 Für bestimmte Konstellationen blieb in den §§ 39 bis 42 AO die Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gesetzlich ver­ ankert.336 2.1.3.2.1.2 Anwendung und Grenzen Die wirtschaftliche Betrachtungsweise wird sowohl bei der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen als auch bei der Einordnung von Sachverhal­ ten herangezogen.337 Im Bereich der Auslegung steuerlicher Tatbestands­ merkmale versteht sich die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichts­ punkte bereits aus der Anknüpfung vieler Steuertatbestände an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.338 Hier hat die wirtschaftliche Be­ trachtungsweise keine eigenständige Bedeutung, sondern ist notwendi­ ger Teil des systematisch-teleologischen Methodenkanons des Steuer­ rechts.339 Im Bereich der Einordnung von Sachverhalten unter einen steuerlichen Tatbestand ist steuerrechtlich (nicht: nach außerrechtli­

333 Vgl. G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 206 m.w.N. 334 Zu den historischen Entwicklungsphasen siehe H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (4 f.). 335 Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf einer Abgabenordnung v. 7. 11. 1975, BT-Drs. 7/4292, S. 15 f. 336 Siehe umfassend K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1648 ff. 337 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (411); H. Maerz, Die wirtschaftli­ che Betrachtungsweise im Steuerrecht (1976), S. 27; C. Grimm, DStZ 1978, S. 283 (284); H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (1); D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128); K.- D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO (141. Lfg. Juli 2015), § 4 AO, Rz. 320; P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht (2017), S. 33 ff. 338 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 70; D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128). 339 Vgl. M. Groh, StuW 1989, S. 227 (230); D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1648; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 70.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

chen wirtschaftlichen Kriterien) zu beurteilen, ob der bewirkte wirt­ schaftliche Erfolg den Tatbestand erfüllt.340 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann sich gleichermaßen zu Gunsten wie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirken.341 Im Be­ reich der steuerbegründenden Tatbestände führt sie häufig zu für den Steuerpflichtigen nachteiligen Auslegungsergebnissen.342 Einer Anwen­ dung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu Lasten des Steuerpflich­ tigen sind jedoch durch den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung enge Grenzen gesetzt.343 Die Grenze der Auslegung bildet insoweit der mögliche Wortsinn344 im Sinne der auch für das Steuerrecht gültigen Methodenlehre von Larenz.345 Die wirtschaftliche Betrachtungs­ weise darf weder zur überschießenden Ausdehnung von Tatbeständen346 noch zur steuerverschärfenden Ausfüllung von Gesetzeslücken genutzt werden (Analogieverbot).347 Die Schließung von Gesetzeslücken zu Gunsten des Steuerpflichtigen sowie die teleologische Reduktion von Tatbeständen sind hingegen zulässig.348 Im Bereich der Sachverhaltsbeur­ teilung darf die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht dazu verwendet werden, einen verwirklichten Sachverhalt in einen anderen umzuqualifi­ zieren.349

340 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 11. 341 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (414). 342 G. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 204 bezeichnet die wirtschaftliche Betrachtungsweise insoweit als „unverhüllt fiskalisches Auslegungsmittel zu Lasten der Steuerpflichtigen“. 343 Siehe H. Beisse, DStR 1976, S. 176 (177); H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (7 ff.). 344 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (410); H. Beisse, DStR 1976, S. 176 (177); H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (7); K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO (141. Lfg. Juli 2015), § 4 AO, Rz. 334. Kritisch hinsichtlich mangelnder Präzision des Abgrenzungsmaßstabs „möglicher Wortsinn“ H. Maerz, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht (1976), S. 66 f. 345 K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 143. 346 Vgl. H. Maerz, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht (1976), S. 68 mit dem Beispiel der Rechtsprechung zu Zwerganteilen im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG a.F.; siehe dazu auch Abschnitt 2.1.3.2.2.1, ab S. 59. 347 H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (9). 348 H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (9). 349 H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (11). Problematisch erweist sich hierbei das fehlende methodische Fundament; siehe hierzu mit eingehender Kritik P. Eulau, Die wirt­ schaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht (2017), S. 42 ff., der die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Bereich der Sachverhaltsbeurteilung für verfassungwidrig hält, da sie gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße.

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2.1.3.2.1.3 Erweiterte wirtschaftliche Betrachtung im Anwendungs­ bereich des § 42 AO Eine wirtschaftliche Interpretation über die oben skizzierten Grenzen hinaus ist im Anwendungsbereich des § 42 AO möglich, der in der Lite­ ratur als Sondervorschrift zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise klas­ sifiziert wird350 und im Fall eines Gestaltungsmissbrauchs den Steuer­ anspruch so entstehen lässt, „wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.“351 Ob es sich methodisch um eine tatbestandserweiternde Analogie,352 um eine Form der verfassungskonformen Auslegung353 oder um eine Fiktion des angemessenen Sachverhalts354 handelt, ist umstritten. Überwiegende Einigkeit besteht darüber, dass auch § 42 AO auf gleich­ heitsrechtlichen Vorgaben fundiert ist.355 Die Vorschrift erklärt Steuerge­ staltungen für unbeachtlich, die durch die gesetzliche Belastungsent­ scheidung nicht gerechtfertigt sind.356 Sichergestellt werden soll die Besteuerung von Sachverhalten, die den Wortlaut des belastenden Steu­ ertatbestands vermeiden, jedoch in ihrem wirtschaftlichen Gehalt den steuerlichen Belastungsgrund erfüllen.357 Eine missbräuchliche Steuer­ umgehung liegt dann vor, wenn nur der rechtliche Anschein, nicht die wirtschaftliche Lage verändert wird.358 Dabei richtet sich § 42 Abs. 1 Satz 1 AO nicht gegen die Umgehung eines einzelnen Steuertatbestands, 350 So K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1661 ff. 351 § 42 Abs. 1 S. 3 AO. 352 So K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1667 ff. m.w.N. 353 So P. Kirchhof, StuW 1983, S. 173 (175) unter Verweis darauf, dass durch die Erfas­ sung einer Steuerumgehung kein neuer Rechtssatz gebildet wird, sondern eine Subsumtion des Sachverhalts unter die vorhandenen positiven Rechtssätze er­ folgt. § 42 AO sei deshalb nicht als Tatbestandsergänzung, sondern als Ausle­ gungshilfe zu verstehen, vgl. P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 9 (22). 354 So K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO (124. Lfg. Oktober 2010), § 42 AO, Rz. 11. 355 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1672 ff.; P. Kirchhof, StuW 1983, S. 173 (175); K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO (124. Lfg. Oktober 2010), § 42 AO, Rz. 15; P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (208. Lfg. Juni 2010), § 42 AO, Rz. 19. A.A. W. Schön, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 29 (59 f.), der vom Gleichheitssatz nur den Gesetzgeber, nicht aber den Rechtsanwen­ der gebunden sieht und § 42 AO als Norm versteht, die demjenigen, der den Steu­ ertatbestand durch zirkuläre oder saldierende Konstruktionen umgeht, den rechts­ staatlichen Schutz durch das Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung versagt. 356 G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 568; P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 9 (23). 357 P. Kirchhof, StuW 1983, S. 173 (182). 358 H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (338).

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

sondern des Steuergesetzes als Gesamtheit.359 Diese Zielrichtung wird durch die im Rahmen des JStG 2008360 ergänzte Tatbestandsvorausset­ zung „gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil“ nochmals verstärkt; sie erfordert gleichzeitig aber, dass Klarheit über die Belastungsentschei­ dung besteht.361 Die Anknüpfung an die allgemeine Belastungsentschei­ dung des betroffenen Steuergesetzes bedeutet auch, dass § 42 AO im ­Anwendungsbereich spezialgesetzlicher Missbrauchstatbestände außer Anwendung bleibt,362 denn ein „gesetzlich nicht vorgesehener Steuervor­ teil“ ist nicht denkbar, wo der Gesetzgeber selbst die Grenzziehung zwi­ schen missbräuchlicher und legaler Gestaltung vorgenommen hat.363 2.1.3.2.2 Fallgruppen in der grunderwerbsteuerlichen Rechtsprechung Die Anwendbarkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Grund­ erwerbsteuer wird seit jeher uneinheitlich beurteilt, wobei sich die höchst­richterliche Rechtsprechung mehrfach gewandelt hat und je nach betroffener Sach- und Rechtsmaterie unterschiedlich stark auf wirt­ schaftliche Gesichtspunkte abstellt. Die wichtigsten Fallgruppen wer­ den nachfolgend beleuchtet: 2.1.3.2.2.1 Rückbehalt von sog. „Zwerganteilen“ Bei der Auslegung von § 1 Abs. 3 GrEStG 1940,364 der die Vereinigung aller Anteile an einer Gesellschaft in einer Hand oder die Übertragung derart vereinigter Anteile voraussetzte, legten der RFH und in seinen ers­ ten Jahren auch der BFH zunächst eine sehr weitreichende wirtschaftli­ che Betrachtungsweise an. Hierbei wurde der Steuertatbestand auch bei Zurückbehaltung eines sog. „Zwerganteils“ im Umfang von bis zu 2% des Gesellschaftskapitals als erfüllt angesehen.365 Die zurückbehaltenen Anteile wurden als „wirtschaftlich bedeutungslos“ betrachtet und des­ halb dem Hauptgesellschafter zugerechnet.366 Im Jahr 1966 nahm der 359 P. Kirchhof, StuW 1983, S. 173 (174). 360 JStG 2008 v. 20. 12. 2007, BGBl. 2007, S. 3150. 361 G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 568. 362 Vgl. § 42 Abs. 1 S. 2 AO i.d.F. des JStG 2008. Zur Reichweite des Vorrangs siehe eingehend J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (145 f.). 363 P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (208. Lfg. Juni 2010), § 42 AO, Rz. 292. 364 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585. 365 BFH, Urteil v. 10. 1. 1962, II 13/61 U, BStBl. III 1962, S. 133; BFH, Urteil v. 26. 10. 1951, II 136/50 U, BFHE 55, S. 594; RFH, Urteil v. 26. 8. 1943, II 47/43, RStBl. 1943, S. 814. 366 Vgl. BFH, Urteil v. 10. 1. 1962, II 13/61 U, BStBl. III 1962, S. 133: „Bei einem wirt­ schaftlichen Tatbestand, wie der Bestimmung des § 1 Abs. 3 GrEStG, muss der

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BFH von dieser Rechtsprechung Abstand und erklärte § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 fortan für nur noch bei Vereinigung oder Übertragung aller Antei­ le für anwendbar.367 Das Wort „alle“ habe rechtlich wie wirtschaftlich dieselbe Bedeutung und auch das rechtliche und wirtschaftliche Ver­ ständnis des Begriffs „Anteil“ unterscheide sich insoweit nicht.368 Die Zurückbehaltung eines Zwerganteils war fortan geeignet, den Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 zu vermeiden, zumal auch § 42 AO für nicht anwendbar befunden wurde.369 Auch nach Sen­ kung der relevanten Beteiligungsschwelle auf 95% im Jahr 1999370 steht die Anerkennung einer geringfügigen Unterschreitung der gesetzlich de­ finierten Schwelle außer Frage,371 was in der Praxis zu zahlreichen 94,9%-Beteiligungen geführt hat. 2.1.3.2.2.2 Die „Plan-Rechtsprechung“ zu § 5 Abs. 2 GrEStG 1940 Bevor die Steuervergünstigungsvorschrift des § 5 GrEStG mit einer ge­ setzlichen Nachbehaltensfrist versehen wurde,372 verwehrte die sog. „Plan-­ Rechtsprechung“ die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 2 GrEStG in bestimm­ ten Fällen, in denen ein Grundstück von einem Gesamthänder auf eine Gesamthand übertragen wurde und die Beteiligung an der Gesamthand anschließend aufgrund eines vorgefassten Planes in zeitlichem und sach­ lichem Zusammenhang wieder aufgegeben oder reduziert wurde.373 Der BFH erkannte hierbei, dass die Begünstigungsregel des § 5 Abs. 2 GrEStG wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt374 und daher nach ihrem Sachverhalt nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt werden. Diese aber führt dazu, Anteile, die wirtschaftlich bedeutungslos sind, grunderwerbsteuerlich ebenfalls als in der Hand des Hauptgesellschafters befindlich anzusehen.“ 367 BFH, Urteil v. 19. 3. 1966, II 26/63, BFHE 85, S. 117. 368 Vgl. BFH, Urteil v. 19. 3. 1966, II 26/63, BFHE 85, S. 117 = juris, Rz. 7. 369 Siehe hierzu BFH, Urteil v. 31. 7. 1991, II R 157/88, BFH/NV 1992, S. 57. Zum Ausschluss der Anwendung des § 42 AO im Bereich der Ergänzungstatbestände siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.6.3, S. 67. 370 Siehe § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402 (494). 371 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. (2011), § 1, Rz. 959: „Das Problem hat sich nur numerisch verschoben.“ 372 Siehe § 5 Abs. 3 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 373 BFH, Urteil v. 16. 1. 1991, II R 38/87, BStBl. II 1991, S. 374; BFH, Beschluss v. 4. 8. 1999, II B 3/99, BStBl. II 1999, S. 834; BFH, Urteil v. 25. 6. 2003, II R 20/02, BStBl. II 2004, S. 193; BFH, Urteil v. 15. 12. 2004, II R 37/01, BStBl. II 2005, S. 303. 374 BFH, Urteil v. 16. 1. 1991, II R 38/87, BStBl. II 1991, S. 374 = juris, Rz. 10: „Die Vorschrift zieht die Folgerung daraus, daß die Änderung der Rechtszuständigkeit des Grundstücks aufgrund des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsge­ schäfts wirtschaftlich insoweit zu keiner Veränderung führt, als der veräußernde

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

Sinn und Zweck verlange, dass der bisherige Alleineigentümer über sei­ ne Gesamthandsberechtigung auch tatsächlich weiter am Wert des Grundstücks beteiligt bleibt.375 Die Plan-Rechtsprechung war aus der Sicht des BFH nicht auf Missbrauchsverhinderung gerichtet,376 sondern Ergebnis einer wirtschaftlichen Auslegung des § 5 Abs. 2 GrEStG dahin­ gehend, dass die Steuervergünstigung nicht gewährt werden soll, „wenn trotz (formal bestehender) gesamthänderischer Mitberechtigung des grundstückseinbringenden Gesamthänders im maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung des Grundstücks in wirtschaftlicher Hinsicht eine wei­ tere Beteiligung des Gesamthänders am Grundstückswert nicht besteht oder bestehen bleiben soll.“377 2.1.3.2.2.3 Einheitliches Vertragswerk und einheitlicher Erwerbsgegenstand Im Rahmen seiner Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelten Rechtspre­ chung zum einheitlichen Vertragswerk sah der BFH mehrere Verträge für grunderwerbsteuerliche Zwecke als einheitlich geschlossenes Ganzes an, wenn ein entsprechender Parteiwille erkennbar war und ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den getroffenen Ver­ einbarungen bestand.378 Später änderte der BFH diese Rechtsprechung und erklärte eine sog. „objektive Betrachtungsweise“ für maßgeblich, da der im Zivilrecht herangezogene Parteiwille ein Kriterium sei, dem „nach dem inneren System und dem Zweck der Grunderwerbsteuer“ keine Bedeutung zukomme.379 Die neue Betrachtungsweise stellte auf das wirtschaftliche Ergebnis der gewählten Gestaltung ab und wurde auch vom BVerfG bestätigt.380 Für den nunmehr als relevant erachteten „objektiven engen sachlichen Zusammenhang“381 entwickelte der BFH in der Folgezeit eine umfangreiche Kasuistik, die zur Entstehung der

Gesellschafter über seine Gesamthandsberechtigung (auch) am Grundstück(swert) beteiligt bleibt.“ 375 BFH, Beschluss v. 4. 8. 1999, II B 3/99, BStBl. II 1999, S. 834 = juris, Rz. 8; BFH, Urteil v. 16. 1. 1991, II R 38/87, BStBl. II 1991, S. 374 = juris, Rz. 10. 376 BFH, Urteil v. 15. 12. 2004, II R 37/01, BStBl. II 2005, S. 303 = juris, Rz. 21. 377 BFH, Urteil v. 15. 12. 2004, II R 37/01, BStBl. II 2005, S. 303 = juris, Rz. 12. 378 BFH, Urteil v. 27. 4. 1966, II 5/62, BFHE 66, S. 406; BFH, Urteil v. 28. 11. 1967, II 102/63, BStBl. II 1968, S. 186; BFH, Urteil v. 15. 12. 1972, II R 123/66, BStBl. II 1973, S. 363; BFH, Urteil v. 25. 7. 1979, II R 105/77, BStBl. II 1980, S. 11. 379 BFH, Urteil v. 18. 10. 1989, II R 143/87, BStBl. II 1990, S. 183 = juris, Rz. 17 ff. 380 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 12 f. 381 BFH, Urteil v. 23. 11. 1994, II R 53/94, BStBl. II 1995, S. 331.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Rechtsfigur „einheitlicher Erwerbsgegenstand“ führte.382 Hierbei werden die neben einem Grundstückskaufvertrag geschlossenen Vereinbarungen darauf überprüft, ob diese im Ergebnis dazu führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erwirbt.383 Eine Qualifikation als einheitlicher Erwerbsgegenstand „bebautes Grundstück“ bewirkt den Einbezug auch der Gebäudeerrichtungskosten in die Steuerbemessungs­ grundlage.384 Die hier vom BFH vorgenommene wirtschaftliche Betrach­ tungsweise überlagert das an anderer Stelle betonte Prinzip der grunder­ werbsteuerlichen Eigenständigkeit des einzelnen Erwerbsvorgangs385, indem sie mehrere Rechtsvorgänge zu einem einzelnen Erwerbsvorgang zusammenfasst. Zudem erfasst sie den Übertragungsgegenstand „Grund­ stück“ nicht in dessen gegenwärtigem, sondern in seinem zukünftigen Zustand.386 2.1.3.2.2.4 Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft Wie oben festgestellt, enthalten die Grunderwerbsteuertatbestände eine Vielzahl steuerrechtlicher Eigenbegriffe.387 Die Rechtsprechung neigte in der Vergangenheit dazu, diese nach selbstentwickelten grunderwerbsteu­ erlichen Prinzipien auszulegen. So wurde für die Bestimmung des aus dem Zivilrecht nicht ableitbaren Begriffsinhalts der „mittelbaren An­ teilsvereinigung“ keine wirtschaftliche Betrachtungsweise, sondern eine „mehrstufige rechtliche Betrachtungsweise“388 zu Grunde gelegt, die auf der Dogmatik der spezifisch grunderwerbsteuerlichen Zuordnung von Anteilen und Grundstücken im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG beruht.389 382 Vgl. exemplarisch für viele der neueren Urteile BFH, Urteil v. 3. 3. 2015, II R 9/14, BStBl. II 2015, S. 660; BFH, Urteil v. 1. 10. 2013, II R 32/13, BFH/NV 2015, S. 230; BFH, Urteil v. 6. 7. 2016, II R 4/15, BFH/NV 2016, S. 1584. 383 Vgl. BFH, Urteil v. 6. 7. 2016, II R 4/15, BFH/NV 2016, S. 1584 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 3. 3. 2015, II R 9/14, BStBl. II 2015, S. 660 = juris, Rz. 11. 384 Kritisch zur Vermischung von Erwerbsvorgang und Bemessungsgrundlage D. Klein, DB 2014, S. 208 (211). 385 Vgl. hierzu BFH, Urteil v. 28. 4. 1970, II 119/65, BStBl. II 1970, S. 670; BFH, Urteil v. 29. 10. 1986, II R 59/85, BStBl. II 1987, S. 133. 386 Vgl. BFH, Urteil v. 27. 10. 1999, II R 17/99, BStBl. II 2000, S. 34. Diese Sichtweise ist inzwischen in § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG gesetzlich angeordnet. 387 Siehe Abschnitt 2.1.3.1.3.1, S. 50. 388 BFH, Urteil v. 20. 2. 2000, II R 26/99, BFH/NV 2001, S. 1040. 389 Vgl. BFH, Urteil v. 31. 3. 1982, II R 92/81, BStBl. II 1982, S. 424: „Gegenstand der Steuer ist nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begrün­ dete Zuordnung aller Anteile in einer Hand.“ Einem Gesellschafter sind dabei auch diejenigen Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen, die von einer Kapi­ talgesellschaft gehalten werden, an der er zu 100% beteiligt ist, vgl. BFH, Urteil

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

Als demgegenüber im Jahr 2013 der Tatbestand der „mittelbaren Ände­ rung des Gesellschafterbestands“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002390 höchstrichterlich zu beurteilen war, ent­ schied der BFH, dass insoweit nur eine Auslegung nach wirtschaftlichen Maßstäben in Betracht komme.391 Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheide aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung des Gesell­ schafterbestands gebe.392 Darüber hinaus ergäben sich auch aus dem GrEStG keine für die hier erforderliche Begriffsbestimmung heranzieh­ baren allgemeinen Rechtsgrundsätze.393 Es bleibe deshalb nur „eine am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung, die zugleich den Grundsatz der Gesetzesbe­ stimmtheit und -klarheit beachtet.“394 Im gegebenen Fall kam es nicht zu einer näheren Konkretisierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, da die seinerzeit gültige Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG wegen mangeln­ der gesetzlicher Bestimmtheit restriktiv ausgelegt wurde.395 Einige Folge­ entscheidungen zeigen jedoch, dass der BFH die mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand unter Heranziehung einer weitreichenden wirt­ schaftlichen Betrachtungsweise beurteilt, die auch den Rückgriff auf § 39 Abs. 2 AO miteinschließt.396 2.1.3.2.2.5 Wirtschaftliche Zurechnung (§ 39 Abs. 2 AO) Die Anwendung der Vorschriften des § 39 Abs. 2 AO über die wirtschaft­ liche Zurechnung ist für die Grunderwerbsteuer bis vor kurzer Zeit aus­ geschlossen worden.397 So wird etwa im Rahmen von Treuhandverhält­ v. 12. 1. 1994, II R 130/91, BStBl. II 1994, S. 408; BFH, Urteil v. 20. 2. 2000, II R 26/99, BFH/NV 2001, S. 1040. 390 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 391 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833. 392 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 14. 393 Vgl. BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 15. Ins­ besondere sei die Rechtsprechung zur mittelbaren Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG nicht übertragbar (Rz. 30 ff.). 394 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 16. 395 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 26. Inzwi­ schen wurde der Tatbestand der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands mit einer gesetzlichen Definition versehen; siehe StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834 (1840). 396 Siehe BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667; BFH, Ur­ teil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490; BFH, Beschluss v. 22. 1. 2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, 412. Zu dieser Rechtsprechung siehe ausführlich Ab­ schnitt 3.2.2.3.2, ab S. 153. 397 Vgl. BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643; BFH, Beschluss v. 14. 12. 1988, II B 134/88, BFH/NV 1990, S. 59; BFH, Urteil v. 2. 2. 1994, II R 7/91, BStBl. II 1995, S. 300; BFH, Beschluss v. 8. 8. 2000, II B 134/99, BFH/NV

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

nissen grunderwerbsteuerlich nicht auf die wirtschaftliche Berechtigung des Treugebers, sondern auf das zivilrechtliche Eigentum des Treuhän­ ders abgestellt.398 Dies hat zur Folge, dass sowohl der Anteilserwerb durch den Treuhänder399 als auch der bloße Wechsel des Treuhänders400 der Grunderwerbsteuer unterliegen. Auch in anderen Bereichen, wie etwa bei schuldrechtlich verselbständigten Sondervermögen,401 wurden allein die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und nicht die wirtschaft­ liche Berechtigung berücksichtigt. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2014, bei der es um die Frage der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands eines Personengesell­ schaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG ging, sprach sich der BFH erst­ mals für eine Anwendung der Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO „un­ ter Berücksichtigung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten“ aus.402 Im Ausgangsfall hatte ein neuer Gesellschafter 94,4% des Gesellschafts­ kapitals erworben, während hinsichtlich der verbleibenden 5,6% ver­ schiedene Verträge abgeschlossen wurden, darunter eine Kaufoption, ein Darlehen und die Übertragung des Gewinnstammrechts auf den neuen Gesellschafter. Der BFH bekräftigte zwar die grundsätzliche Nichtan­ wendbarkeit des § 39 Abs. 2 AO, soweit das Grunderwerbsteuerrecht an bürgerlich-rechtliche Begriffe anknüpft.403 Ergebe die Auslegung eines im GrEStG verwendeten Merkmals jedoch, dass es nicht auf die zivilrechtli­ chen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankomme, so sei eine Zurechnung nach wirtschaftlichen Kriterien erforderlich.404 Im Ur­ teilsfall führten die getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen nach 2001, S. 66; BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148; BFH, Be­ schluss v. 29. 9. 2004, II B 162/03, BFH/NV 2005, S. 72; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/NV 2005, S. 381; BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266. 398 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158; BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643; BFH, Urteil v. 16. 7. 1975, II R 14/69, BStBl. II 1976, S. 158; BFH, Urteil v. 23. 10. 1974, II R 87/73, BStBl. II 1975, S. 152; BFH, Beschluss v. 14. 12. 1988, II B 134/88, BFH/NV 1990, S. 59; BFH, Urteil v. 2. 2. 1994, II R 7/91, BStBl. II 1995, S. 300; BFH, Beschluss v. 8. 8. 2000, II B 134/99, BFH/NV 2001, S. 66; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/ NV 2005, S. 381; BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266. 399 BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158; BFH, Urteil v. 16. 7. 1975, II R 14/69, BStBl. II 1976, S. 158. 400 BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643. 401 BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148 zur Zuordnung von Grundstücken i.R.d. § 1 Abs. 3 GrEStG. 402 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667. 403 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17. 404 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

Auffassung des BFH zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafter­ bestands von mehr als 95%, welche sich mangels Entsprechung im Zivil­ recht nur nach wirtschaftlichen Maßstäben beurteilen lasse.405 Die glei­ che Begründung findet sich in einem weiteren Urteil aus dem Jahr 2015 betreffend die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG in Fällen der Verein­ barungstreuhand an einem Personengesellschaftsanteil; der Treugeber wurde hier aufgrund wirtschaftlicher Zurechnung als mittelbarer Neuge­ sellschafter angesehen.406 Auch im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG zieht der BFH eine wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO in Betracht.407 Verneint wurde die Anteilszurechnung hingegen bei bloßer Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Gesellschafterrechte.408 2.1.3.2.2.6 Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) Die Rechtsprechung greift auch im Grunderwerbsteuerrecht zur Korrek­ tur nach § 42 AO, wenn eine Gestaltung zwar nicht von der durch Aus­ legung ermittelten Regelung des Gesetzes erfasst wird, aber deren Zweck entspricht.409 Durch die Einführung und Ausweitung spezialgesetzlicher Missbrauchstatbestände wurde der Anwendungsbereich des § 42 AO je­ doch in den letzten Jahrzehnten zurückgedrängt. 2.1.3.2.2.6.1 Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften vor Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG Bevor mit dem JStG 1997410 der Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 2a GrEStG eingeführt wurde, war nach ständiger Rechtsprechung der vollständige Wechsel im Gesellschafterbestand einer Grundstückspersonengesell­ schaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO steuerpflichtig.411 Wenn sich der Zweck einer Gesellschaft im Wesentlichen in der Verwal­ tung von Grundbesitz erschöpft, sei dieser „in ganz besonderer Weise eigentümerbezogen“, so dass nach Auswechselung aller Gesellschafter nicht mehr von einem unveränderten Fortbestehen der bisherigen Ge­

405 Vgl. BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 14. 406 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490. 407 BFH, Beschluss v. 22. 1. 2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, 412. Siehe hierzu Ab­ schnitt 3.2.3.3, S. 208. 408 BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291. 409 Vgl. BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598 = juris, Rz. 14. 410 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049. 411 BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598; BFH, Urteil v. 4. 12. 1985, II R 142/84, BStBl. II 1986, S. 190; BFH, Beschluss v. 7. 6. 1989, II B 111/88, BStBl. II 1989, S. 803.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

sellschaft ausgegangen werden könne.412 Diese Rechtsprechung war auf reine Grundstücksgesellschaften beschränkt und erfasste auch nur sol­ che Fälle, in denen sämtliche Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft übertragen wurden.413 Die verbleibende Möglichkeit, die Steuer durch Rückbehalt eines Zwerganteils zu umgehen, war für den Gesetzgeber Anlass zur Schaffung des weiter gefassten speziellen Missbrauchstatbe­ stands § 1 Abs. 2a GrEStG.414 2.1.3.2.2.6.2 Verknüpfung zwischen Grundstück und Personen­ gesellschaftsanteil Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann die Übertragung eines Personengesellschaftsanteils Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO auslösen, wenn die Mitgliedschaft durch beson­ dere gesellschaftsrechtliche Regelungen so ausgestaltet ist, dass sie im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis einem Wohnungs- bzw. Teil­ eigentum gleichkommt.415 In den betroffenen Konstruktionen war der Gesellschaftsanteil so bemessen, dass er wertmäßig einer bestimmten Wohnung oder einem bestimmten Hausgrundstück entsprach und mit diesen durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen (z.B. Übereig­ nungspflicht der konkreten Immobilie bei Kündigung oder Liquidation der Gesellschaft) „untrennbar verknüpft“416 war. Hierbei wurden die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit des Wechsels im Gesellschafterbe­ stand der Personengesellschaft sowie die Begünstigungsvorschriften der §§ 6 Abs. 2 und 7 Abs. 2 GrEStG genutzt, um die Grundstücke letztlich grunderwerbsteuerfrei auf die Erwerber überzuleiten; nur hieraus lasse sich die gewählte Konstruktion erklären.417 Der BFH geht auch für Zeit­ räume nach Inkrafttreten der spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschrift 412 BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598 = juris, Rz. 15. 413 Vgl. BFH, Urteil v. 4. 12. 1991, II R 18/89, BFH/NV 1992, S. 338. 414 Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14. 415 BFH, Urteil v. 10. 5. 1989, II R 86/86, BStBl. II 1989, S. 628; BFH, Urteil v. 25. 3. 1992, II R 46/89, BStBl. II 1992, S. 680; BFH, Urteil v. 2. 2. 1994, II R 84/90, BFH/NV 1994, S. 824; BFH, Urteil v. 7. 2. 2001, II R 35/99, BFH/NV 2001, S. 1144; BFH, Urteil v. 1. 12. 2004, II R 23/02, BFH/NV 2005, S. 721; BFH, Beschluss v. 29. 5. 2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, S. 1539. 416 BFH, Urteil v. 10. 5. 1989, II R 86/86, BStBl. II 1989, S. 628 = juris, Rz. 15; BFH, Urteil v. 7. 2. 2001, II R 35/99, BFH/NV 2001, S. 1144 = juris, Rz. 20. 417 Vgl. BFH, Urteil v. 10. 5. 1989, II R 86/86, BStBl. II 1989, S. 628 = juris, Rz. 16; BFH, Urteil v. 25. 3. 1992, II R 46/89, BStBl. II 1992, S. 680 = juris, Rz. 19; BFH, Urteil v. 2. 2. 1994, II R 84/90, BFH/NV 1994, S. 824 = juris, Rz. 23; BFH, Urteil v. 1. 12. 2004, II R 23/02, BFH/NV 2005, S. 721 = juris, Rz. 9; BFH, Beschluss v. 29. 5. 2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, S. 1539 = juris, Rz. 4.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

des § 1 Abs. 2a GrEStG im Jahr 1997 von einer Steuerpflicht derartiger Gestaltungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO aus, da deren Anwendungsbereich nicht berührt sei.418 2.1.3.2.2.6.3 Ausschluss des § 42 AO bei spezialgesetzlichen Umgehungstatbeständen Soweit der Anwendungsbereich eines spezialgesetzlichen Umgehungs­ tatbestands – darunter fallen § 1 Abs. 2, 2a, 3, 3a GrEStG ebenso wie die Missbrauchsklauseln in § 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 und 4 sowie § 7 Abs. 3 GrEStG – eröffnet ist, geht dieser als lex specialis der Anwendung des § 42 AO vor.419 Dies ergibt sich, soweit der Tatbestand der Spezialnorm „erfüllt ist“, un­ mittelbar aus § 42 Abs. 1 Satz 2 AO i.d.F. des JStG 2008.420 Der Fall, dass die Spezialvorschrift nicht eingreift, ist in § 42 AO nicht geregelt, es gilt jedoch auch dann der Vorrang der Spezialnorm.421 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des II. Senats des BFH.422 Eine Besteuerung entspre­ chend der den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung kommt demnach nicht in Betracht, wenn erst die Verwirkli­ chung einer bestimmten zivilrechtlichen Gestaltung die Steuer aus­ löst.423 Voraussetzung für den Ausschluss des § 42 AO ist aber, dass der Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Regelung tatsächlich eröff­ net ist: Wird etwa ein mit einem Grundstück verknüpfter Personenge­ sellschaftsanteil übertragen,424 soll dies vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG „nicht erfasst“ sein, so dass § 42 AO (i.V.m. § 1 Abs. 1 GrEStG) weiterhin anwendbar bleibt.425 Die Abgrenzung, wann die Miss­ brauchsvorschrift „nicht eingreift“ (Ausschluss des § 42 AO) und wann eine Gestaltung von der Missbrauchsnorm „nicht erfasst“ wird (kein Ausschluss des § 42 AO), bleibt dabei leider unscharf.

418 Vgl. BFH, Beschluss v. 29. 5. 2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, S. 1539; BFH, Urteil v. 1. 12. 2004, II R 23/02, BFH/NV 2005, S. 721. 419 J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (145). 420 JStG 2008 v. 20. 12. 2007, BGBl. 2007, S. 3150. 421 Vgl. J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (145 f.). 422 Vgl. BFH, Urteil v. 31. 7. 1991, II R 157/88, BFH/NV 1992, S. 57 = juris, Rz. 14; BFH, Beschluss v. 29. 5. 2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, S. 1539 = juris, Rz. 5. Zur insoweit zu konstatierenden Überflüssigkeit der Vorrangregelung des § 42 Abs. 2 S. 1 AO siehe P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (208. Lfg. Juni 2010), § 42 AO, Rz. 292. 423 BFH, Urteil v. 31. 7. 1991, II R 157/88, BFH/NV 1992, S. 57 = juris, Rz. 14. 424 Zu dieser Fallgruppe siehe den vorangegangenen Abschnitt (S. 66). 425 BFH, Beschluss v. 29. 5. 2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, S. 1539.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.1.3.2.3 Systematisierung und Folgerungen 2.1.3.2.3.1 Überblick und Einordnung der Entwicklung Nachdem in der Tradition des RFH zunächst eine weitreichende, den Gesetzeswortlaut mitunter überdehnende wirtschaftliche Betrachtungs­ weise angelegt worden war,426 entwickelte sich Mitte der 1960er Jahre ein restriktiverer Gebrauch, der auf der Erkenntnis beruhte, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der vom Gesetz selbst ge­ zogenen Grenzen Platz greifen könne,427 dieser aber im Grunderwerb­ steuerrecht sehr viel enger sei als bei anderen Steuern.428 Dies wurde auf den „Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer“429 oder die „Grundstruktur der Grunderwerbsteuer“ zurück geführt, die „den Rechtsvorgang als solchen um des in der Rechtsänderung selbst liegen­ den Ergebnisses willen“ besteuere.430 Tatsächlich ist der geringere Raum für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise jedoch nicht auf eine materi­ elle Grundwertung, sondern vor allem darauf zurückzuführen, dass die grunderwerbsteuerlichen Tatbestände enger gefasst sind als bei anderen Steuern, so dass für die Auslegung generell weniger Raum verbleibt.431 Der Hinweis durch das BVerfG, dass die Grunderwerbsteuer nicht an die zivilrechtliche Qualifikation des den Anspruch begründenden Rechtsge­ schäfts anknüpfe, sondern an das von den Parteien gewollte wirtschaftli­ che Ergebnis, das durch die zivilrechtliche Gestaltung bewirkt wird,432 wird als „Wende“ gesehen,433 führte aber in erster Linie zur Ausweitung der bereits bestehenden Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsge­ genstand.434 In jüngerer Zeit greift der BFH zudem bei der Ausfüllung bestimmter grunderwerbsteuerlicher Eigenbegriffe zu einer wirtschaftli­ chen Betrachtungsweise.

426 Beispiel: „Zwerganteile“ i.R.d. § 1 Abs. 3 GrEStG 1940, siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.1, S. 59. 427 BFH, Urteil v. 21. 3. 1968, II 35/64, BFHE 92, S. 245; BFH, Urteil v. 28. 4. 1970, II 119/65, BStBl. II 1970, S. 670. 428 BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643. 429 Vgl. z.B. BFH, Urteil v. 3. 3. 2015, II R 30/13, BStBl. II 2015, S. 777 = juris, Rz. 14. 430 Vgl. z.B. BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148 = juris, Rz. 14. 431 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (410); K.-D. Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO (141. Lfg. Juli 2015), § 4 AO, Rz. 327; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 30. 432 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 12. 433 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 28. 434 Siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.3, S. 61.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

Die Fallkonstellationen, in denen die Rechtsprechung eine wirtschaftli­ che Betrachtungsweise vornimmt, lassen sich in zwei Gruppen untertei­ len: Erfassung von Steuerumgehungen und Ausfüllung von grunderwerb­ steuerlichen Eigenbegriffen. 2.1.3.2.3.2 Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei Steuerumgehung Die Anknüpfung vieler Steuertatbestände an zivilrechtliche Formen macht das GrEStG in besonderem Maße „gestaltungsanfällig“435. Die Rechtsprechung begegnete dem an einigen Stellen durch eine wirtschaft­ liche Betrachtungsweise, bei der zivilrechtlich voneinander getrennt zu beurteilende Sachverhalte einer Gesamtbetrachtung unterzogen wurden, so etwa im Rahmen der – heute nicht mehr relevanten – „Plan-Recht­ sprechung“ zu § 5 Abs. 2 GrEStG 1940436 oder der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand.437 Explizit auf § 42 AO wurde nur in wenigen Fällen zurückgegriffen.438 Es fällt auf, dass die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungs­ weise im Wesentlichen auf Fälle des § 1 Abs. 1 GrEStG beschränkt ist.439 Im Bereich der Ergänzungstatbestände wird hingegen – seit Aufgabe der „Zwerganteilsrechtsprechung“ zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1940440 – eine steuer­ verschärfende Auslegung über den möglichen Wortsinn hinaus abgelehnt. Die rechtsstaatlichen Grenzen durch den Grundsatz der Tatbestandsmä­ ßigkeit der Besteuerung sind im Bereich der als Ergänzungstatbestände bezeichneten § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG besonders strikt einzuhalten. Denn bei diesen Vorschriften handelt es sich um gesetzlich typisierende Ausprägungen wirtschaftlicher Betrachtungsweise,441 bei denen ein vom Gesetzgeber selbst definierter wirtschaftlicher Erfolg besteuert wird.442 Der Spezialtatbestand geht hierbei zur Erfassung von Steuerumgehungen über die allgemeine gesetzliche Belastungsentscheidung hinaus und zieht eine verbindliche Grenze zwischen besteuerungswürdigen und steuerunerheblichen Sachverhaltsgestaltungen, die der Rechtsanwender nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen ausdehnen kann. Dieser darf davon 435 Siehe eingehend Abschnitt 4.1.1.2, S. 281. 436 Siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.2, S. 60. 437 Siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.3, S. 61. 438 Siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.6, S. 65. 439 Die Auslegung des Begriffs der „wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit“ i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG fällt nicht unter diese Betrachtung, da die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte dort bereits im Tatbestand verankert ist. 440 Siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.1, S. 59. 441 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 8. 442 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 28.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

ausgehen, „dass der Gesetzgeber mit Erlass der Spezialnorm die unter Missbrauchsverdacht stehenden Gestaltungen gesichtet, systematisiert und als unangemessen bewertet hat und außerhalb dieses gesetzlichen Tatbestandes die Gestaltung als legal akzeptiert.“443 Daraus resultiert zum einen, dass § 42 AO im Anwendungsbereich der Ergänzungstatbe­ stände nicht herangezogen werden kann.444 Zum anderen schließt die abschließende spezialgesetzliche Grenzziehung eine wirtschaftliche Aus­ legung der Ergänzungstatbestände über deren Wortsinn hinaus aus.445 Durch die Einführung neuer und die Verschärfung bestehender Umge­ hungstatbestände ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise in der Recht­ sprechung zur Grunderwerbsteuerumgehung deutlich zurückgedrängt worden und hat sich auf die Ebene des Gesetzgebers verlagert, der als besteuerungswürdig wahrgenommene Gestaltungen für den Rechtsan­ wender bindend definiert. 2.1.3.2.3.3 Wirtschaftliche Betrachtungsweise zur Ausfüllung von grunderwerbsteuerlichen Eigenbegriffen Neuerdings bedient sich der BFH bei der Beurteilung bestimmter grund­ erwerbsteuerlicher Eigenbegriffe einer „wirtschaftlichen Betrachtungs­ weise“. Diese neue Fallgruppe betrifft bislang speziell die mittelbare Än­ derung des Gesellschafterbestands im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG.446 Auch hier dürfte die Erfassung von Umgehungsgestaltungen eine Rolle spielen, da in einigen der entschiedenen Fälle eine „Aushöhlung“ von Gesellschaftsanteilen durch schuldrechtliche Vereinbarungen im Raum stand. Der Rückgriff auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wird jedoch al­ lein damit begründet, dass anderweitige, als vorrangig erachtete Ausle­ gungsquellen nicht verfügbar sind. Hierbei ist eine Prüfungsreihenfolge 443 P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (208. Lfg. Juni 2010), § 42 AO, Rz. 292. 444 Vgl. BFH, Urteil v. 31. 7. 1991, II R 157/88, BFH/NV 1992, S. 57 = juris, Rz. 14; BFH, Beschluss v. 29. 5. 2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, S. 1539 = juris, Rz. 5; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 137; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 738; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 272; D. Weilbach, GrEStG (42. Lfg. 2015), § 1, Rz. 93h. Dies ergibt sich inzwischen auch aus § 42 AO i.d.F. des JStG 2008 v. 20. 12. 2007, BGBl. 2007, S. 3150. 445 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), Einleitung, Rz. 28. 446 Des Weiteren findet sich eine ähnliche Rechtsprechungslinie zur mittelbaren An­ teilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG (BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381), die vom BFH jedoch nicht als „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ deklariert wird. Zu dieser Fallgruppe siehe Abschnitt 3.2.3.2.2, ab S. 197.

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2.1.3  Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise

zu erkennen, bei der zuerst untersucht wird, ob der auszulegende Begriff an das Zivilrecht anknüpft und deshalb nach zivilrechtlichen Maßstäben auszulegen ist.447 Im zweiten Schritt wird geprüft, ob auf bestehende „all­ gemeine Rechtsgrundsätze“ des GrEStG zurückgegriffen werden kann.448 Liefern weder das Zivilrecht noch das Grunderwerbsteuerrecht die benö­ tigten Erkenntnisse über den Begriffsinhalt, soll eine „am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung“ erfolgen.449 Die insoweit bejahte Zulässigkeit einer wirt­ schaftlichen Betrachtung hat zur Konsequenz, dass ausnahmsweise auch im Grunderwerbsteuerrecht eine Zurechnung nach § 39 AO erfolgen kann.450 Da die Grunderwerbsteuer – wie festgestellt – auf den wirtschaftlichen Grundstücksumsatz zielt,451 ist es durchaus folgerichtig, bei der Rechts­ anwendung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde zu legen. Bisher bleibt diese jedoch der Fallkonstellation des mittelbaren Gesell­ schafterwechsel vorbehalten. Die nur punktuelle, auf den Bereich von nicht anderweitig interpretierbaren Eigenbegriffen beschränkte Berück­ sichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte führt zu einer starken Diffe­ renzierung in der grunderwerbsteuerlichen Behandlung von Sachverhal­ ten, die allein davon abhängt, ob das betroffene Tatbestandsmerkmal als zivilrechtlich auslegbar eingestuft wird oder nicht. Hierbei fällt es nicht immer leicht, die Trennlinie zu ziehen, wo „allgemeine Grundsätze“ des Grunderwerbsteuerrechts zur Verfügung stehen, die einer wirtschaftli­ chen Betrachtung vorgehen, und wo nicht. Diese Frage stellt sich bei­ spielsweise beim Tatbestandsmerkmal „neuer Gesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG, welches ähnlich wie das Kriterium „mittelbar“ einen grunderwerbsteuerlichen Eigenbegriff darstellt. Die Kriterien „alt“ und „neu“ lassen sich weder durch einen Rückgriff auf das Zivilrecht noch nach grunderwerbsteuerlichen Eigengesetzlichkeiten bestimmen, so dass auch insoweit eine am Sinn und Zweck und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung nahe läge.452 Bei dieser Sicht­ weise würde die wirtschaftliche Betrachtungsweise auch für Fälle der unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands zum Tragen kom­ men, was in der bisherigen Rechtsprechung jedoch nicht angelegt ist.

447 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 14. 448 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 15. 449 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 16. 450 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667. 451 Vgl. Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29. 452 Siehe hierzu Abschnitt 3.2.2.4, ab S. 170.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Da beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel wirtschaftliche Gesichts­ punkte weiterhin außer Betracht bleiben sollen,453 besteht derzeit – mit den Worten von Pahlke – ein „missliches Nebeneinander disparater Aus­ legungsgrundsätze“454. Dies zeigt das Beispiel der Treuhandverhältnisse, wo sowohl die Übertragung eines 95%-Anteils an einer grundstücksbe­ sitzenden Personengesellschaft auf einen Treuhänder, als auch ein späte­ rer Wechsel des Treuhänders steuerbar ist, obwohl die wirtschaftlich be­ rechtigte Person stets dieselbe bleibt.455 Grund hierfür ist, dass diese Treuhandgeschäfte zu einer unmittelbaren Änderung des Gesellschafter­ bestands führen, die der BFH ausschließlich nach zivilrechtlichen Krite­ rien beurteilt.456 Der Treugeber kann sich in diesen Fällen nicht auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO berufen,457 muss die gleiche Regel aber gegen sich gelten lassen, wenn er aufgrund bloßer schuldrechtlicher Vereinbarung erstmals in die Treugeberstellung eintritt.458 Die Grunderwerbsteuerbe­ lastung erhöht sich hierdurch einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen, da Änderungen in der wirtschaftlichen Berechtigung ohne Rechtsträger­ wechsel nunmehr der Besteuerung unterliegen, weiterhin aber jeder un­ mittelbare Gesellschafterwechsel ungeachtet einer unveränderten wirt­ schaftlichen Berechtigung besteuert wird. Eine als umfassender Sachgerechtigkeitsmaßstab verstandene wirtschaft­ liche Betrachtungsweise müsste auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen angewandt werden, etwa bei der Beurteilung von Treuhandgeschäften oder konzerninternen Vorgängen, bei denen die wirtschaftliche Berechti­ gung am Grundstück unverändert bleibt.459 Nur bei einer übergreifenden, über Einzelbereiche wie die mittelbare Änderung des Gesellschafterbe­ stands oder den einheitlichen Erwerbsgegenstand hinausgreifender An­ wendung kann die wirtschaftliche Betrachtungsweise ihre eigentliche 453 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17: „Wirtschaft­ liche Gesichtspunkte spielen keine Rolle.“ 454 A. Pahlke, HFR 2014, S. 1009 (1011). 455 Lediglich der Rückerwerb durch den Treuhänder ist durch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG entlastet. Diese Vorschrift wird analog auf Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG, in denen als Erwerber eine fiktiv neue Personengesellschaft ange­ sehen wird, angewandt; vgl. BFH, Beschluss v. 17. 3. 2006, II B 157/05, BFH/NV 2006, S. 1341. 456 BFH, Beschluss v. 29. 9. 2004, II B 162/03, BFH/NV 2005, S. 72; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/NV 2005, S. 381; BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266. 457 BFH, Beschluss v. 28. 9. 2004, II B 162/03, BFH/NV 2005, S. 72 = juris, Rz. 11; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/NV 2005, S. 381 = juris, Rz. 11. 458 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490. 459 Siehe hierzu Abschnitte 3.2.2.4.2 und 3.2.2.4.3, ab S. 174.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

Aufgabe, eine der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerecht werdende Besteuerung sicherzustellen, erfüllen. Begrenzt wird sie hierbei von den rechtsstaatlichen Prinzipien der Gesetzesbestimmtheit und Tatbestands­ mäßigkeit, nicht aber von einem – aus dem inneren und äußeren System der Grunderwerbsteuer nicht ableitbaren460 – „Primat des Zivilrechts“.

2.2 Rechtsnatur und grunderwerbsteuerrechtliche Rezeption der Personengesellschaft 2.2.1 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen 2.2.1.1 Begriff und Erscheinungsformen der Personengesellschaft 2.2.1.1.1 Die gesetzlichen Rechtsformen Die Personengesellschaft ist ein rechtsgeschäftlicher Zusammenschluss von zwei oder mehreren Personen zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks, deren Mitglieder in der Regel gesamthänderisch verbunden und nicht beliebig austauschbar sind.461 Ihre rechtlichen Erscheinungsformen unterliegen einem numerus clausus, der für die Rechtssicherheit im Ver­ bandsrecht unentbehrlich ist.462 Dies bedeutet für alle am Rechtsverkehr teilnehmenden Außengesellschaften463 den sog. Rechtsformzwang, die Gesellschaft einer bestimmten gesellschaftsrechtlichen Rechtsform zu­ zuordnen.464 Die im gegenwärtigen Gesellschaftsrecht vorgesehenen Per­ sonengesellschaftsformen umfassen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die Personenhandelsgesellschaften des HGB (§§ 105 ff., 161 ff. HGB), die stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB), die Partnerschafts­ gesellschaft im Sinne des PartGG, die – inzwischen nicht mehr für Neu­ gründungen zur Verfügung stehende465 – Partenreederei sowie die Euro­ päische Wirtschafts- und Interessenvereinigung EWIV.466

460 Siehe Abschnitt 2.1.3.1.3, ab S. 50. 461 Vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), Vorbemerkungen zu § 705, Rz. 1; W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), Vor § 705, Rz. 1. 462 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 96 f. 463 Für die reine Innengesellschaft gilt eine weitreichendere Gestaltungsfreiheit, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 96.  464 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 101 ff. 465 Vgl. J. Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handb. PersG (61. Lfg. Januar 2015), § 1, Rz. 9. 466 Die EWIV gilt gem. § 1 EWIVAG als Handelsgesellschaft i.S.d. HGB.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.2.1.1.2 Innen- und Außengesellschaften § 14 BGB unterscheidet explizit zwischen natürlichen Personen, juris­ tischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften. Die Defi­ nition der rechtsfähigen Personengesellschaft in § 14 Abs. 2 BGB467 ­impliziert, dass neben den rechtsfähigen Außengesellschaften auch nicht­ rechtsfähige Erscheinungsformen von Personengesellschaften möglich sind. Dies ist allerdings nur im Recht der GbR und der stillen Gesell­ schaft denkbar, da die Rechtsfähigkeit der Personenhandelsgesellschaf­ ten und der PartG in § 124 Abs. 1 HGB468 gesetzlich bestimmt ist. Die GbR kann als reine Innengesellschaft ausgestaltet werden, die nicht am Rechtsverkehr teilnimmt und ein bloßes Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten darstellt.469 Denkbar sind derartige nichtrechtsfähige Gesell­ schaften sowohl mit („Innengesellschaft im weiteren Sinne“) als auch ohne Gesellschaftsvermögen („Innengesellschaft im engeren Sinne“).470 Die in der Praxis wichtigsten Innengesellschaften sind die Unterbeteili­ gung471 und die stillen Gesellschaften nach § 230 ff. HGB sowie nach bür­ gerlichem Recht.472 2.2.1.1.3 Begriffsabgrenzungen 2.2.1.1.3.1 Personengesellschaft vs. juristische Person Aus § 14 BGB lässt sich ableiten, dass das bürgerliche Recht der Perso­ nengesellschaft Rechtsfähigkeit zuerkennt, sie aber nicht als juristische 467 „Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzuge­ hen.“ 468 Für die KG über § 161 Abs. 2 HGB, für die PartG über § 7 Abs. 2 PartGG anzuwen­ den. 469 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 4; K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, 4. Aufl. (2002), S. 1303 f.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 277. 470 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 279 ff.; S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 718, Rz. 3; a.A. K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, 4. Aufl. (2002), S. 1290: Das Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen füh­ re zwangsläufig zu Rechtsbeziehungen nach außen und damit zur Annahme einer Außengesellschaft. 471 Dazu W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 8 ff.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 292 ff.; W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), Vor § 705, Rz. 33. 472 Die stille Gesellschaft des bürgerlichen Rechts unterscheidet sich von der han­ delsrechtlichen stillen Gesellschaft dadurch, dass die Hauptgesellschaft kein Han­ delsgeschäft, sondern ein nichtkaufmännisches Unternehmen betreibt oder einen freien Beruf ausübt. Die Vorschriften der §§ 230 ff. HGB sind auf sie analog anzu­ wenden, vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 286 ff.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

Person qualifiziert.473 Von der juristischen Person unterscheidet sie sich strukturell im Hinblick auf ihre Haftungsverfassung (grundsätzliche ­persönliche Haftung der Mitglieder) und das Innenverhältnis der Ge­ sellschafter (keine freie Übertragbarkeit der Anteile, grundsätzliches Einstimmigkeitserfordernis statt Mehrheitsprinzip und Selbst- statt ­ Fremdorganschaft).474 Da viele dieser Strukturmerkmale dispositiv sind, kann durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung aber eine „körper­ schaftlich strukturierte Personengesellschaft“ geschaffen und so eine weitgehende Annäherung an die juristische Person erreicht werden.475 Das zunehmende Verschwimmen der Abgrenzungsmerkmale wie auch die inzwischen durch die Rechtsprechung anerkannte Rechtsfähigkeit der Außen-GbR476 haben in der Literatur zu Forderungen geführt, auch die rechtsfähigen Personengesellschaften den juristischen Personen zu­ zuordnen.477 Auf diese Diskussion braucht an dieser Stelle nicht näher eingegangen zu werden, da die Klassifikation als juristische Person für die Grunderwerbsteuer ohne Belang ist. Es muss aber festgestellt werden, dass trotz zunehmender Annäherung noch einige Strukturunterschiede verbleiben, die sich auch vertraglich nicht abdingen lassen. So bleibt etwa ein Erwerb eigener Anteile ebenso der Kapitalgesellschaft vorbehal­ ten wie der (Fort-)Bestand mit nur einem einzigen Gesellschafter.478 Bei­ des ist nur aufgrund der vollständigen rechtlichen Verselbständigung als juristische Person denkbar, die die Kapitalgesellschaft durch Anmeldung zum Handelsregister erfährt.479 Die Personengesellschaft hingegen exis­ tiert aufgrund eines Gesellschaftsvertrags, der als Rechtsverhältnis zwi­ schen den Gesellschaftern konzipiert ist.480 Ihr Fortbestand setzt nach h.M. den Verbleib mindestens zweier Mitglieder voraus.481 Der Erwerb 473 C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 39. 474 Vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), Vorbemerkungen zu § 705, Rz. 13. 475 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1285; W. Hadding, in: Soer­ gel, BGB, 12. Aufl. (2007), Vor § 705, Rz. 37. 476 Vgl. insbesondere BGH, Urteil v. 29. 1. 2001, II ZR 331/00, NJW 2001, S. 1056. 477 Vgl. T. Raiser, AcP 194 (1994), S. 495; T. Raiser, AcP 199 (1999), S. 104; U. Bälz, in: Festschrift Zöllner (1998), S. 35 (58 ff.); A. Brodyagin, Weshalb die Personengesell­ schaft keine Gesamthand ist (2012), passim. 478 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 309. 479 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 308. 480 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 11; K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, 4. Aufl. (2002), S. 1303 f. 481 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1304; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 309; W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 705, Rz. 18; T. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. (2012), § 705, Rz. 51. Zweifelnd aber S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), Vorbe­ merkungen zu §§ 705 ff., Rz. 29a. B. Grunewald, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016),

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

eigener Anteile ist ausgeschlossen, weil die Gesellschaft sich nicht selbst als Vertragspartnerin gegenüber stehen kann.482 2.2.1.1.3.2 Personengesellschaft vs. Gesamthand Nicht jede Personengesellschaft ist Gesamthand, und nicht jede Gesamt­ hand ist Personengesellschaft. Auch wenn die beiden Begriffe im Sprach­ gebrauch mitunter synonym verwendet werden,483 sind sie inhaltlich nicht deckungsgleich. Gesamthandsgemeinschaften sind alle Personen­ gesellschaften, die über Gesellschaftsvermögen verfügen, zusätzlich aber auch die Erbengemeinschaft (§ 2033 Abs. 2 BGB) und die Gütergemein­ schaft (§ 1419 Abs. 1 BGB), die als gemeinsames Merkmal ebenfalls ­Gesamthandseigentum halten, jedoch keine Gesellschaften sind.484 Dem­ gegenüber schließt – wie bereits festgestellt485 – der Begriff der Personen­ gesellschaft auch Gesellschaften ohne Gesamthandsvermögen ein.486 2.2.1.1.3.3 Personengesellschaft vs. Bruchteilsgemeinschaft Die Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) ähnelt insoweit der gesamt­ händerischen Personengesellschaft, als auch sie die gemeinsame Berech­ tigung mehrerer Personen an einem Vermögensgegenstand ermöglicht.487 Anders als bei der Personengesellschaft, deren Vermögen gesamthände­ risch gebunden ist (§ 719 Abs. 1 BGB), sieht § 747 BGB eine Einzelverfü­ gungsbefugnis jedes Teilhabers über seinen Anteil vor. Das Bruchteilsei­ gentum weist seinem Inhaber dabei unmittelbar Eigentümerbefugnisse sowie eine Quote am Wert des gemeinschaftlichen Gegenstands zu.488 Zudem setzt die Bruchteilsgemeinschaft kein vertragliches Schuldver­ § 161, Rz. 4 hält eine Einpersonen-KG für möglich. Zu Ausnahmen (Verwaltung mehrerer Anteile desselben Gesellschafters) siehe K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 105, Rz. 25. 482 J. Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handb. PersG (67. Lfg. Februar 2017), § 2, Rz. 149a; K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 105, Rz. 93. 483 So etwa bei C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 38. 484 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 1 f.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 81 f. 485 Siehe Abschnitt 2.2.1.1.2, S. 74. 486 Neben der Innen-GbR und der stillen Gesellschaft kommen hierfür auch Außen­ gesellschaften in Betracht, die das dem gemeinsamen Zweck dienende Vermögen als Bruchteilseigentum halten. Eine verbreitete Ausprägung dieser Erscheinungs­ form sind Zusammenschlüsse von Miteigentümern zur gemeinsamen Bewirt­ schaftung eines Grundstücks, vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 718, Rz. 11. 487 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), Vorbemerkungen zu § 705, Rz. 15. 488 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 123.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

hältnis der Teilhaber untereinander voraus; etwaige Vereinbarungen ge­ hen regelmäßig nicht über die Verwaltung und Benutzung des Gegen­ standes (§ 745 BGB) hinaus.489 2.2.1.2 Rechtliche Struktur der Gesellschaft Die zivilrechtliche Struktur der Gesamthands-Personengesellschaft ist seit jeher umstritten, wobei sich die herrschende Lehre wie auch die höchstrichterliche Rechtsprechung in den vergangenen Jahrzehnten fun­ damental gewandelt haben. Aufgrund des engen Zusammenhangs der Grunderwerbsteuer mit zivilrechtlichen Wertungen ist für ein Verständ­ nis der Grundentscheidungen des historischen Steuergesetzgebers auch die historische Zivilrechtslage in das Blickfeld miteinzubeziehen. 2.2.1.2.1 Traditionelle Gesamthandslehre Nach der sog. traditionellen Gesamthandslehre, die bis Mitte der zwei­ ten Hälfte des 20. Jahrhunderts die herrschende Lehre repräsentierte, war die Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft ohne Rechtsfä­ higkeit anzusehen.490 Das Gesellschaftsvermögen könne der Gesellschaft mangels eigener Rechtssubjektivität nicht zugeordnet werden, sondern stelle ein Sondervermögen der Gesellschafter dar.491 Jedem der Gesamt­ händer stehe dabei ein unmittelbarer Anteil an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens zu.492 Träger der Rechte und Pflichten seien die Gesellschafter; diese könnten in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit mit Wirkung für und gegen das Gesellschaftsvermögen im Rechts­ verkehr handeln und insoweit als „Gesellschaft“ auftreten, ohne dass dabei eine Verselbständigung gegenüber den Mitgliedern begründet wer­ de.493 Dieses Strukturverständnis beschränkte sich nicht auf die GbR, sondern wurde grundsätzlich allen Gesamthandsgemeinschaften zu Grunde gelegt.494 Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 HGB, die für den dort 489 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), Vorbemerkungen zu § 705, Rz. 15. 490 Vgl. H. Buchner, AcP 169 (1969), S. 483 (483) m.w.N. (Fn. 1); U. Huber, Vermö­ gensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts (1970), S. 114 f.; weitere Nachweise bei W. Zöllner, in: Festschrift Gernhuber (1993), S. 563 (563), Fn. 1 und G. Hueck, in: Festschrift Zöllner (1998), S. 275 (277), Fn. 8. 491 W. Zöllner, in: Festschrift Gernhuber (1993), S. 563 (570); U. Huber, Vermögensan­ teil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handels­ rechts (1970), S. 61 ff. 492 W. Zöllner, in: Festschrift Gernhuber (1993), S. 563 (571). 493 Vgl. BGH, Urteil v. 15. 12. 1980, II ZR 52/80, BGHZ 79, S. 374. 494 Vgl. W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 124, Rz. 1; H. Buchner, AcP 169 (1969), S. 483.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

bestimmten Geschäftskreis eine partielle Rechts- und Parteifähigkeit der Personenhandelsgesellschaften bestimmt, habe nur die Bedeutung, die Gesamtheit der Gesellschafter unter einheitlicher Bezeichnung zusam­ menzufassen und für den Verkehr beweglicher zu machen.495 2.2.1.2.2 Neue Gesamthandslehre 2.2.1.2.2.1 Rechtsfähigkeit im Außenverhältnis Die sog. neue Gesamthandslehre geht in ihren Ursprüngen zurück auf Gierke, der bereits im Jahr 1895 davon ausging, dass eine „kraft der gesamten Hand […] verbundene Personenmehrheit als solche rechts­ ­ fähig“ sein könne.496 Da die „verbundenen Gemeiner“ die „Gemein­ schaft selbst“ seien, könne die Gemeinschaft als handlungsfähige Per­ soneneinheit nach außen unmittelbar in Erscheinung treten.497 Diese Überlegungen, die sich seinerzeit nicht durchgesetzt hatten,498 wurden in der neueren Zeit von Flume aufgegriffen, der die Gesamthand entgegen der traditionellen Sichtweise nicht als unselbständiges, von den Gesell­ schaftern vertretenes Objekt, sondern als Personengruppe ansah,499 die als Organisationseinheit auftrete, und der als solcher unmittelbare Hand­ lungs- und Rechtszuständigkeit zukomme.500 Die Gruppenlehre nach Flume setzte sich im Schrifttum des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu­ nehmend durch501 und wurde schließlich im Jahr 2001 durch eine Grund­ satzentscheidung des BGH bestätigt, wonach auch der GbR Rechtsfähig­ keit im Außenverhältnis zukomme, soweit sie „durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.“502 In Folgeent­ scheidungen bejahte der BGH u. a. die formelle503 und materielle504 Grundbuchfähigkeit der GbR sowie ihre Fähigkeit, sich darüber hinaus als Gesellschafterin an anderen Personengesellschaften beteiligen.505 Da­ rüber hinaus erkannte das BVerfG der GbR das Grundrecht auf Eigentum 495 H. Buchner, AcP 169 (1969), S. 483 (487). 496 O. Gierke, Deutsches Privatrecht (1895), S. 682. 497 O. Gierke, Deutsches Privatrecht (1895), S. 684. 498 Vgl. etwa RG, Urteil v. 23. 2. 1907, I 404/06, RGZ 65, S. 227 (230). 499 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 54. 500 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 62. 501 Vgl. Nachweise bei C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 299. 502 BGH, Urteil v. 29. 1. 2001, II ZR 331/00, NJW 2001, S. 1056. 503 BGH, Beschluss v. 4. 12. 2008, V ZB 74/08, NJW 2009, S. 594; BGH, Beschluss v. 28. 4. 2011, V ZB 194/10, NJW 2011, S. 1958. 504 BGH, Urteil v. 25. 9. 2006, II ZR 218/05, NJW 2006, S. 3716. 505 BGH, Urteil v. 2. 10. 1997, II ZR 249/96, NJW 1998, S. 376; BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121; siehe auch BFH, Beschluss v. 25. 2. 1991, GrS 7/89, BStBl. II 1991, S. 691.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

sowie die Verfahrensgrundrechte der Art.101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG in gleicher Weise wie den übrigen Personenhandelsgesell­ schaften zu.506 Im Außenverhältnis können nach der nunmehr herrschenden neuen Ge­ samthandslehre alle (Außen-) Personengesellschaften unter ihrem Na­ men Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht kla­ gen und verklagt werden, und insbesondere auch das Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben. Dies ergibt sich nicht mehr erst – exklusiv für die Personenhandelsgesellschaften – aus § 124 Abs. 1 HGB, sondern allgemein aus dem neu bestimmten Wesen der Gesamthand.507 Diese selbst als ein von den Gesellschaftern verschie­ denes Rechtssubjekt wird als Trägerin der Rechte und Pflichten ange­ sehen, die die Gesellschaft betreffen.508 Die Gesamthand hat damit den Wandel vom „bloßen Objekt (Sondervermögen)“ zum Subjekt des Rechts­ verkehrs vollzogen.509 Das Gesamthandsvermögen ist nach neuem Ver­ ständnis nicht Grundlage für die Einheitlichkeit der Gesellschaft, son­ dern setzt umgekehrt die Existenz eines rechtsfähigen Personenverbands voraus.510 2.2.1.2.2.2 Gesellschaftsvermögen als Vermögen der Gesellschaft Im Innenverhältnis gelten weiterhin die Vorschriften der §§ 718 und 719 BGB.511 Das Gesellschaftsvermögen wird den Gesellschaftern „ge­ meinschaftlich“ zugerechnet512 und ist gesamthänderisch gebunden, d.h. der Gesellschafter kann nicht „über seinen Anteil am Gesellschaftsver­ mögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen“ verfü­ gen.513 Die frühere Sichtweise, dass der „Besitz als tatsächliche Sachherr­ schaft“ nicht von der Gesellschaft, sondern von den Gesamthändern selbst ausgeübt werde,514 denen ein unmittelbarer Anteil am Gesell­

506 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 2. 9. 2002, 1 BvR 1103/02, NJW 2002, S. 3533. 507 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 69; P. Ulmer, AcP 198 (1998), S. 113 (151); W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 124, Rz. 1.  508 U. Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. (2014), § 105, Rz. 6. 509 So C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 296 ff. 510 C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 41. 511 Die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gelten für die OHG gem. § 105 Abs. 3 HGB, für die KG gem. § 161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB entsprechend. 512 Vgl. § 718 Abs. 1 BGB. 513 § 719 Abs. 1 BGB. 514 Vgl. Nachweise bei C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 718, Rz. 35.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

schaftsvermögen zustehe,515 wird jedoch in der neuen Gesamthandslehre nicht mehr aufrecht erhalten.516 Das Gesellschaftsvermögen ist nicht mehr Sondervermögen der Gesellschafter, sondern Vermögen der Gesell­ schaft.517 Die durch § 719 Abs. 1 BGB statuierten Verfügungsverbote hinsichtlich der einzelnen Vermögensgegenstände sind zu dieser Sichtweise Stütze und Widerspruch zugleich. Sie lassen sich einerseits als zwingende Folge einer Vermögenszuordnung zur Gesellschaft darstellen,518 andererseits scheint der Gesetzeswortlaut („über seinen Anteil am Gesellschaftsver­ mögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen“) von einer grundsätzlichen Nähe zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsvermö­ gen auszugehen.519 Wichtigstes gesetzessystematisches Argument für die Vermögensträgerschaft der Personengesellschaft ist das in § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelte Anwachsungsprinzip, wonach das Gesellschaftsver­ mögen vom Ausscheiden eines Gesellschafters unberührt bleibt,520 da der Vermögensanteil des Ausscheidenden den verbleibenden die Gesamt­ hand bildenden Personen zuwächst.

515 Vgl. W. Zöllner, in: Festschrift Gernhuber (1993), S. 563 (571); ähnlich RG, Urteil v. 23. 2. 1907, I 404/06, RGZ 65, S. 227, S. 235, wonach „grundsätzlich jeder Ge­ meinschafter auf das Ganze berechtigt sei und nur durch die Berechtigung seiner Mitteilhaber eingeschränkt werde.“ 516 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 72 und 79; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 718, Rz. 36; W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 124, Rz. 17; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 285; I. Saenger, in: Schulze et al., BGB, 9. Aufl. (2017), § 719, Rz. 5 ff.; S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 719, Rz. 2; W. Hadding, in: Soer­ gel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 718, Rz. 18. 517 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1364. 518 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1712; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 278; W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 124, Rz. 17; H. Westermann, in: Erman, BGB, 14. Aufl. (2014), § 719, Rz. 8. 519 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1712 f. stellt insoweit fest, dass § 719 BGB nur besage, „dass nicht sein darf, was ohnehin nicht sein kann“. Der historische Gesetzgeber habe zwar ein anderes, von der traditionellen Gesamt­ handslehre geprägtes Verständnis zu Grunde gelegt; die moderne Gesamthands­ lehre liefere aber den auf anderer Basis formulierten Vorschriften ein tragfähiges dogmatisches Konzept nach. Ähnlich S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 719, Rz. 2. 520 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1713.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

2.2.1.3 Rechtliche Struktur der Gesellschaftsbeteiligung 2.2.1.3.1 Mitgliedschaft (Gesellschaftsanteil) Die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft wird auch als Gesellschaftsanteil bezeichnet521 und ist streng zu unterscheiden von den mit ihr einhergehenden vermögensbezogenen Rechtspositionen, namentlich dem Vermögensanteil, dem Kapitalanteil, der Gewinn- und Verlustbetei­ ligung und dem Auseinandersetzungsguthaben. Die Mitgliedschaft in einem Verband ist eine auf privatautonomer Ent­ scheidung beruhende privatrechtliche Sonderverbindung zwischen zwei oder mehr Subjekten.522 Der Verband entsteht durch Begründung eines Rechtsverhältnisses zwischen den einzelnen Individuen.523 Durch die rechtliche Verselbständigung des Verbands tritt eine weitere rechtliche Sonderverbindung hinzu, die zwischen dem Verband und seinen Mitglie­ dern besteht.524 Mit dem Grad der Verselbständigung des Verbands tritt das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern in den Hintergrund.525 Bei der Personengesellschaft, die keine vollständige Verselbständigung als juristische Person erfährt,526 verbleibt der Gesellschaftsvertrag als ­unmittelbar verbindendes Rechtsverhältnis. Die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft umfasst deshalb gleichermaßen die Rechtsbezie­ hungen des Gesellschafters zur Gesellschaft wie zu den anderen Gesell­ schaftern.527 Die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft ist – abweichend vom Grundsatz des § 38 BGB – zwar im Ganzen übertragbar.528 Die mit ihr verbundenen Gesellschafterrechte unterliegen jedoch dem sog. Abspal­ tungsverbot nach § 717 BGB; d.h. der Gesellschafter kann diese, soweit § 717 Satz 2 BGB nichts anderes bestimmt, nicht auf andere Personen übertragen.529 Zwingend unübertragbar sind sämtliche Verwaltungsrech­ te, darunter das Stimmrecht, das Geschäftsführungsrecht, das Kündi­ gungsrecht, die actio pro socio und die Informations- und Kontrollrech­ 521 C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 275. 522 M. Lutter, AcP 1980, S. 84 (97). 523 M. Lutter, AcP 1980, S. 84 (97 f.). 524 M. Lutter, AcP 1980, S. 84 (98). 525 Vgl. M. Lutter, AcP 1980, S. 84 (126). 526 Siehe Abschnitt 2.2.1.1.3.1, S. 74. 527 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 125. 528 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 125 f. 529 Vgl. K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 105, Rz. 195; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 717, Rz. 5 ff.; M. Kilian, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 717 BGB, Rz. 1.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

te.530 Von der Mitgliedschaft abspaltbar sind demgegenüber die in § 717 Satz 2 BGB genannten Ansprüche auf den Gewinnanteil und aus der Aus­ einandersetzung. Mit ihrer Entstehung lösen sich diese Ansprüche vom Gesellschaftsverhältnis und nehmen die Qualität von Geldforderungen an.531 Die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft ist nach h.M. unteilbar (sog. Grundsatz der Einheitlichkeit des Gesellschaftsanteils).532 Die Mög­ lichkeit mehrerer Gesellschaftsanteile in der Hand einer Person wird in der Literatur aber zunehmend in Betracht gezogen.533 2.2.1.3.2 Vermögensanteil Untrennbar verbunden mit der Mitgliedschaft ist der Vermögensanteil, d.h. die aus der Gesellschafterstellung resultierende dingliche Mitbe­ rechtigung am Gesamthandsvermögen534 bzw. die Rechtsstellung des Ge­ sellschafters als Gesamthänder.535 Nach § 718 BGB steht das Vermögen der Personengesellschaft allen Gesellschaftern gemeinsam zu. Der dem einzelnen Gesellschafter zuzurechnende „Anteil am Gesellschaftsver­ mögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen“ unterliegt dem Verfügungsverbot des § 719 Abs. 1 BGB, d.h. er ist nicht losgelöst von der Mitgliedschaft übertragbar.536 Der „unauflösliche Zusammen­ hang“ mit der Mitgliedschaft537 zeigt sich auch am Anwachsungsprinzip des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach, wer seine Gesellschafterstellung aufgibt, damit auch seinen „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ auf­ 530 S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 717, Rz. 4; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 717, Rz. 16; M. Kilian, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 717 BGB, Rz. 6. Die Ausübung dieser Rechte durch bevoll­ mächtigte Personen ist aber möglich, vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 717, Rz. 9; K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 105, Rz. 195. 531 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 717, Rz. 30. 532 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1312; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, Rz. 181; W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 105, Rz. 17; B. Weitemeyer, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 105, Rz. 34; K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 105, Rz. 77 m.w.N. 533 Vgl. H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 93; B. Grunewald, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 161, Rz. 4. Auf rechtspraktische Bedürfnisse und das Fehlen eines dogmatischen Fundaments für den Einheitlichkeitsgrundsatz hin­ weisend J. Lüttge, NJW 1994, S. 5. Vermittelnd und die Möglichkeit mehrerer Be­ teiligungen innerhalb einer einheitlichen Mitgliedschaft annehmend B. Bippus, AcP 195 (1995), S. 13.  534 Vgl. C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 275 ff. 535 W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 719, Rz. 2. 536 C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 276. 537 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 2.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

gibt.538 Die gesamthänderische Mitberechtigung am Gesellschaftsvermö­ gen repräsentiert keine wertmäßige Quote,539 sondern kommt auch Ge­ sellschaftern zu, die nicht am Kapital beteiligt sind.540 Mit dem Vordringen der neuen Gesamthandslehre hat der Begriff des Ver­ mögensanteils an Bedeutung verloren, da nach diesem Verständnis die Gesellschaft alleiniges Zurechnungssubjekt des Gesellschaftsvermögens ist und der Gesellschafter weder am Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen einen unmittelbaren Anteil hat.541 2.2.1.3.3 Kapitalanteil Der Kapitalanteil ist eine Bilanzziffer, die den gegenwärtigen Stand der Einlage des Gesellschafters in der Buchführung und Bilanz der Gesell­ schaft angibt.542 Er erfüllt im Recht der Personenhandelsgesellschaften drei gesetzliche Funktionen:543 die Bestimmung der Vorausdividende nach § 121 Abs. 1 HGB, die Festlegung des Entnahmerechts nach § 122 HGB und die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens nach § 155 Abs. 1 HGB. Im Recht der BGB-Gesellschaft kommt der Begriff des Kapi­ talanteils nicht vor, findet aber seine Entsprechung in der fortgeschriebe­ nen Einlage.544

538 C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 279. 539 W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 719, Rz. 5. 540 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 149; H. Westermann, in: Er­ man, BGB, 14. Aufl. (2014), § 718, Rz. 1; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 91; BGH, Urteil v. 6. 4. 1987, II ZR 101/86, NJW 1987, S. 3124 = juris, Rz. 11; OLG Frankfurt, Beschluss v. 20. 9. 2012, 20 W 264/12, NZG 2013, S. 338, Rz. 14. Siehe auch BFH, Urteil v. 14. 6. 1978, II R 3/71, BStBl. II 1978, S. 527; BFH, Urteil v. 8. 12. 1971, II R 12/71, NJW 1978, S. 2320. 541 Vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 8; H. Westermann, in: Erman, BGB, 14. Aufl. (2014), § 719, Rz. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1436; M. Kilian, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 719 BGB, Rz. 6; I. Saenger, in: Schulze et al., BGB, 9. Aufl. (2017), § 719, Rz. 7; S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 718, Rz. 1. 542 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 228; W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 148; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 84; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1383. 543 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 179 ff.; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 85. 544 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 148; H. Gummert, in: MüHdB GesR, 4. Aufl. (2014), § 13, Rz. 18.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Der Kapitalanteil ist nach seiner dispositiven gesetzlichen Grundkon­ zeption nicht dazu bestimmt, das Beteiligungsverhältnis darzustellen oder einen Maßstab für Gewinnbeteiligung und Stimmrecht abzuge­ ben.545 Seine inhaltliche Aussage als Bilanzziffer hängt von den Regelun­ gen des jeweiligen Gesellschaftsvertrags ab. Dieser kann z.B. vorsehen, dass auch die Gewinnverteilung,546 das Stimmrecht547 und der Abfin­ dungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters548 am Kapitalanteil bemessen werden. Das gesetzliche Leitbild sieht einen variablen Kapitalanteil vor, dessen Ausgangswert durch Gesellschaftsvertrag oder durch den Einbringungs­ wert der Gesellschaftereinlage bestimmt wird549 und dem die Einlagen und die jährlichen anteiligen Gewinne gutgeschrieben und die Entnah­ men und anteiligen Verluste abgezogen werden.550 Nachteil des Konzepts der variablen Kapitalanteile ist, dass sich diese ständig – auch unterjäh­ rig – verändern, so dass sie keinen geeigneten Maßstab für Ergebnisver­ teilung und Verwaltungsrechte bieten und keine Rückschlüsse darüber geben, ob die verbuchten Gewinngutschriften auch entnahmefähig sind.551 In der gesellschaftsvertraglichen Praxis werden daher überwie­ gend feste Kapitalanteile vereinbart, die gleichzeitig als Maßstab für die Vermögens- und Verwaltungsrechte der Gesellschafter dienen.552 Diese werden einem „festen“, unveränderlichen Kapitalkonto („Kapitalkonto I“) gutgeschrieben, während die Vermögensvorgänge (Gewinne, Verluste, Einlagen, Entnahmen) auf mindestens einem weiteren, variablen Kapi­ talkonto („Kapitalkonto II“) abgebildet werden.553

545 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 188. 546 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 188 f. 547 H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 103. 548 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 189 f. 549 H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 94; U. Ehricke, in: Eben­ roth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 120, Rz. 71. 550 Siehe § 120 Abs. 2 HGB. 551 U. Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 120, Rz. 75; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 100. 552 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 150; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 101 ff.; U. Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 120, Rz. 75. 553 U. Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 120, Rz. 76; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 120, Rz. 105.

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2.2.1  Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

2.2.1.3.4 Gewinn- und Verlustbeteiligung Von den Anteilen am Vermögen und Kapital zu trennen ist die Gewinnund Verlustbeteiligung der Gesellschafter. Nach § 722 BGB ist die Vertei­ lung des Gewinns oder Verlustes der GbR grundsätzlich nach Köpfen vorzunehmen. Für die Personenhandelsgesellschaften sieht § 121 Abs. 1 HGB eine sog. Vorzugs-554 oder Vorausdividende555 von 4% des Kapitalan­ teils eines Gesellschafters und die Verteilung des restlichen Gewinns nach Köpfen (§ 121 Abs. 3 HGB) vor. Die Regelungen in § 722 Abs. 1 BGB und § 121 HGB sind als Innenrecht vollständig dispositiv und werden in der Praxis häufig durch eine Bemessung nach dem (festen) Kapitalanteil ersetzt.556 2.2.1.3.5 Auseinandersetzungsguthaben Als weitere Beteiligungsgröße zu berücksichtigen ist das Auseinander­ setzungsguthaben.557 Dieses wird in § 717 Satz 2 BGB definiert als „das­ jenige, was den Gesellschaftern bei der Auseinandersetzung zukommt.“ Bei der GbR ist nach Berichtigung der Schulden und Rückerstattung der Einlagen ein verbleibender Überschuss nach dem Verhältnis der Ge­ winnanteile auszukehren.558 Demgegenüber erfolgt bei Personenhandels­ gesellschaften nach Berichtigung der Schulden eine Verteilung nach dem Maßstab der Kapitalanteile gemäß Schlussbilanz.559 Sind einzelne Kapitalkonten negativ, ist ein Saldenausgleich vorzunehmen.560 Die Aus­ einandersetzungsquote kann also erheblich von den Kapital- und Ge­ winnanteilen abweichen. Des Weiteren können gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen über Abweichungen von der gesetzlichen Regelliquida­ tion getroffen werden.561 554 C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 121, Rz. 11 ff. 555 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 181. 556 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 150; S.  Habermeier, in: Staudin­ ger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 722, Rz. 6; T. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. (2012), § 722, Rz. 3; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 121, Rz. 18 ff.; H.-J. Priester, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 121, Rz. 27 ff. 557 Dazu umfassend W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 162 ff. 558 Siehe § 734 BGB. 559 Siehe § 155 Abs. 1 HGB. 560 Vgl. K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 155, Rz. 16 ff.; R. Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 155, Rz. 23. 561 „Andere Art der Auseinandersetzung“ gem. § 145 Abs. 1 HGB. Vgl. H. Butzer/B. Knof, in: MüHdB GesR, 4. Aufl. (2014), § 84, Rz. 75; R. Hillmann, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 145, Rz. 15 ff.; K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 145, Rz. 31 ff.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.2.1.4 Die Teilnahme der Personengesellschaft am Grundstücksverkehr 2.2.1.4.1 Erwerb von Grundstückseigentum Die Personenhandelsgesellschaften wie auch die Partnerschaftsgesell­ schaft können nach § 124 Abs. 1 HGB562 das Eigentum und andere ding­ liche Rechte an Grundstücken erwerben. Sie werden im Grundbuch gem. § 15 Abs. 1 lit. b) GBV563 mit ihrem Namen bzw. ihrer Firma sowie ihrem Sitz erfasst und damit gleich den juristischen Personen behandelt. In der jüngeren Vergangenheit erkannte der BGH auch der GbR die Fähig­ keit zu, Eigentümerin von Grundstücken zu sein (sog. materielle Grund­ buchfähigkeit)564 und mit ihrem Gesellschaftsnamen ins Grundbuch ein­ getragen zu werden (sog. formelle Grundbuchfähigkeit).565 Die bisherige Grundbuchpraxis, die Gesellschafter der GbR als Eigentümer ins Grund­ buch einzutragen und dies mit einem lediglich ergänzenden Hinweis auf das Berechtigungsverhältnis zu versehen,566 war damit überholt. Eine Be­ schränkung des Grundbucheintrags auf die bloße Firmenangabe stieß je­ doch wegen der fehlenden Registerpublizität der GbR auf Bedenken im Hinblick auf Rechtssicherheit und Vertrauensschutz,567 so dass der Ge­ setzgeber in § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO568 anordnete, dass neben der Firma auch die Gesellschafter der GbR einzutragen sind. Ausländische Personengesellschaften können das Eigentum an inländi­ schen Grundstücken erwerben, soweit sie im Rahmen des deutschen in­ ternationalen Gesellschaftsrechts als rechtsfähige Gebilde angesehen werden.569

562 Für die KG i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, für die PartG i.V.m. § 7 Abs. 2 PartGG. 563 Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung – Grundbuchverfügung, BGBl. I 1995, S. 114, geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2013, BGBl. I 2013, S. 3719. 564 BGH, Urteil v. 25. 9. 2006, II ZR 218/05, NJW 2006, S. 3716. 565 BGH, Beschluss v. 4. 12. 2008, V ZB 74/08, NJW 2009, S. 594; BGH, Beschluss v. 28. 4. 2011, V ZB 194/10, NJW 2011, S. 1958. 566 Hierzu C. Recknagel, Die Teilnahme von BGB-Gesellschaften am Grundstücks­ verkehr (2012), S. 237. 567 C. Recknagel, Die Teilnahme von BGB-Gesellschaften am Grundstücksverkehr (2012), S. 239. 568 Grundbuchordnung i.d.F. vom 11.08.2009, BGBl. I 2009, S. 2713. 569 P. Limmer, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. (2015), Rz. 6.830; T. Eschelbach, MittRhNotK 1993, S. 173 (183).

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2.2.2  Eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft

2.2.1.4.2 Beteiligung an Grundstücksgesellschaften Die Personengesellschaft kann auch indirekt am Grundstücksverkehr teilnehmen, indem sie sich an einer grundstücksbesitzenden Personenoder Kapitalgesellschaft beteiligt. Der Anteil an der Grundstücksgesell­ schaft wird dabei Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft und unterliegt als solches der gesamthänderischen Bindung nach § 719 BGB. Ist die Grundstücksgesellschaft selbst Personengesellschaft, liegt eine sog. doppelstöckige Personengesellschaft vor. Die Fähigkeit, Gesellschaf­ terin einer Personengesellschaft zu sein, wird inzwischen auch der GbR zuerkannt.570 Die Gesellschafter der Obergesellschaft werden aber nicht gleichzeitig Gesellschafter der Untergesellschaft.571 Das Grundstück ist deshalb allein der Untergesellschaft als Eigentümerin zuordenbar. Wird ein Grundstück über eine mehrstöckige Personengesellschaftsstruktur gehalten, ergibt sich hieraus im Ergebnis keine größere „Sachnähe“ zwi­ schen Gesellschafter und Grundstück als etwa bei einer Kapitalgesell­ schaftsbeteiligung.572

2.2.2 Die eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft Eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft

Nachfolgend wird in einem ersten Überblick betrachtet, inwieweit das Grunderwerbsteuerrecht die vorstehend dargestellten zivilrechtlichen Gegebenheiten und Konzepte aufgreift, und an welchen Stellen vom Per­ sonengesellschaftsrecht abgewichen wird. 570 Vgl. BGH, Urteil v. 2. 10. 1997, II ZR 249/96, NJW 1998, S. 376; BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121. Mangels Regis­ terpublizität der GbR sind aber auch deren Gesellschafter in das Handelsregister miteinzutragen, vgl. BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121 = juris, Rz. 13. 571 Vgl. BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121 = juris, Rz. 12; BFH, Beschluss v. 25. 2. 1991, GrS 7/89, BStBl. II 1991, S. 691 = juris, Rz. 85.  572 A.A. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 10. Aufl. (2014), § 1, Rz. 111, die dies für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG unterstellen: „[…] jeder Gesellschafter einer als Gesellschafterin an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft ist über seine Gesamthandsberechtigung an deren Vermögen mittelbar an der ande­ ren Personengesellschaft beteiligt. Aus diesem sachenrechtlichen Bezug, der Zu­ gehörigkeit des Anteils am Vermögen der grundstücksbesitzenden Personenge­ sellschaft, der unlösbar mit dem Gesellschaftsanteil an ihr verbunden ist, zum Gesamthandsvermögen, folgt eine Sachnähe, die es erlaubt, Personengesellschaf­ ten als transparent anzusehen.“ Mit der neuen Gesamthandslehre ist diese Sicht­ weise nicht in Einklang zu bringen.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

2.2.2.1 Tatbestandlicher Aufgriff als Subjekt des Grundstücksverkehrs Im Rahmen der Ausgangstatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG werden alle Rechtsträger der Steuer unterworfen, die am Grundstücksverkehr teil­ nehmen können. Darunter fällt auch die Personengesellschaft, die – wie oben festgestellt – zivilrechtliches Eigentum und andere dingliche Rech­ te an Grundstücken erwerben kann. Der Erwerb des Grundbesitzes wird ihr und nicht ihren Gesellschaftern zugerechnet, so dass es die Personen­ gesellschaft selbst ist, die den Steuertatbestand verwirklicht.573 Die Ge­ sellschaft ist auch selbst Steuerschuldnerin im Sinne des § 13 GrEStG und unterliegt den Anzeigepflichten nach § 19 GrEStG. Als grunder­ werbsteuerlich eigenständiger Rechtsträger kann die Personengesell­ schaft auch die Verwertungsmöglichkeit an einem Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG erwerben und im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG 95% der Anteile an einer anderen Gesellschaft mit Grundbesitz in ihrer Hand vereinigen. Des Weiteren kann der Gesellschafterwechsel einer Perso­ nengesellschaft nach § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG besteuert werden. 2.2.2.1.1 Gesellschaftsbegriff als Statusbegriff Das GrEStG verwendet den Begriff der „Personengesellschaft“ explizit nur in § 1 Abs. 2a GrEStG und den flankierenden Verfahrensvorschriften § 13 Nr. 6 GrEStG und § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG. Darüber hinaus wird die Personengesellschaft vom Begriffen der „Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG sowie der „Gesamthand“ im Sinne der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG erfasst. Die im GrEStG verwendeten Vokabeln „Gesell­ schaft“, „Personengesellschaft“ und „Gesamthand“ sind Statusbegriffe mit gesetzesübergreifender Ordnungsfunktion und als solche nach zivil­ rechtlichen Kriterien auszulegen:574 – Gesamthand im Sinne der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 und 3 GrEStG sind alle Personengesellschaften mit Gesamthandsvermögen sowie zusätzlich die Erbengemeinschaft und die eheliche Gütergemeinschaft.575 – Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sind alle ge­ setzlich vorgesehenen Typen576 zuzüglich strukturell vergleichbarer ausländischer Gesellschaftsformen.577 573 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 27. 574 Siehe Abschnitte 2.1.3.1.2 und 2.1.3.1.3, ab S. 48. 575 Siehe Abschnitt 2.2.1.1.3.2, S. 76. Vgl. auch Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398). 576 Siehe Abschnitt 2.2.1.1.1, S. 73. 577 Vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 2; S. Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im interna­ tionalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.8.

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2.2.2  Eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft

– Der Begriff der Gesellschaft im Sinne des § 1 Absätze 3 und 3a sowie § 6a Satz 4 GrEStG umfasst neben den Personengesellschaften insbe­ sondere die Kapitalgesellschaften.578 2.2.2.1.2 Inkonsistente Anteilsbegriffe Außerhalb obiger Statusbegriffe sind im GrEStG verschiedentliche Un­ schärfen und ein mit dem Zivilrecht inkongruenter Begriffsgebrauch festzustellen. Dies gilt insbesondere für die unterschiedlichen Begriffe des „Anteils“ an einer Personengesellschaft, die aufgrund der unpräzisen und uneinheitlichen gesetzlichen Formulierungen jeweils normzweck­ bezogen unterschiedlich ausgelegt werden. So ist etwa der im GrEStG mehrfach aufgegriffene „Anteil am Gesell­ schaftsvermögen“ nicht inhaltsgleich mit der dinglichen Mitberechti­ gung am Gesamthandsvermögen nach dem oben dargestellten zivilrecht­ lichen Verständnis:579 Wenn § 1 Abs. 2a GrEStG auf „mindestens 95% vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen“ und §§ 5, 6, 7 Abs. 2 und 3 GrEStG auf den „Anteil am Vermögen der Gesamthand“ abstellen, geht es nicht um die jedem Gesellschafter gleichermaßen zu­ stehende sachenrechtliche Mitberechtigung, sondern um die Quantifi­ zierung zivilrechtlich nicht existenter, ideeller Bruchteile im Sinne von „Wertanteilen am Reinvermögen“ der Gesellschaft.580 Auch die „wirt­ schaftliche Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG und die „Beteiligung am Gesellschaftsvermögen“ in § 6a Satz 4 GrEStG stellen auf den wertmäßig zu quantifizierenden Anteil am Vermögen der Personengesellschaft ab.581 Demgegenüber begreifen die Rechtsprechung und die h.M. in der Litera­ tur unter „Anteile der Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG, soweit hiervon eine grundstücksbesitzende Personengesellschaft betrof­ fen ist, die gesamthänderische Mitberechtigung im sachenrechtlichen Sinne.582 Auch ein Gesellschafter, der am Kapital der Grundstücksperso­ nengesellschaft überhaupt nicht beteiligt ist, hat nach dieser Sichtweise

578 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 955. 579 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.2, S. 82. 580 Vgl. BFH, Urteil v. 31. 5. 1972, II R 9/66, BStBl. II 1972, S. 833; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 796; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 39. 581 Siehe Abschnitte 3.2.4.1.2, S. 224 und 3.3.2.2.3, S. 265. 582 Siehe hierzu mit ausführlicher Kritik Abschnitt 3.2.3.2, S. 193.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

einen Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG inne.583 Bei zwischenge­ schalteten Personengesellschaften legt die Rechtsprechung hingegen neuerdings auch bei § 1 Abs. 3 GrEStG eine vermögensmäßige Betrach­ tung zu Grunde.584 Die inkonsistente Formulierung und Auslegung des Anteilsbegriffs hat maßgeblichen Anteil an der wertungswidersprüchli­ chen Kasuistik und der übermäßigen Komplexität, die dem Grunder­ werbsteuerrecht heute vorgeworfen wird. 2.2.2.2 Übernahme und Abwandlung zivilrechtlicher Wertungen und Konzepte Das zivilrechtliche Rechtsbild der Personengesellschaft wurde vom grunderwerbsteuerlichen Gesetzgeber nur zum Teil übernommen. In ei­ nigen Regelungsbereichen des GrEStG wird stark vom Zivilrecht abge­ wichen und eine gänzlich eigenständige Interpretation verwirklicht. Zum Aufgriff zivilrechtlicher Wertungen und Konzepte in der Grunder­ werbsteuer lassen sich überblicksartig folgende Beispiele herausgreifen, die die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch eingehend untersucht werden: 2.2.2.2.1 Rechtssubjektivität der Gesellschaft Die Personengesellschaft wird im Grunderwerbsteuerrecht als Einheit585 und selbständige Rechtsträgerin586 angesehen. Hierbei handelt es sich um eine besteuerungstechnische Zwangsläufigkeit, denn die Grunderwerb­ steuer ist technisch als Verkehrsteuer ausgestaltet und behandelt jeden als Steuersubjekt, der das Eigentum an Grundstücken erwerben und da­ rauf gerichtete Rechtsgeschäfte abschließen kann. Diese Fähigkeit kommt den Personenhandelsgesellschaften nach § 124 Abs. 1 HGB zu; der GbR wird sie in der neueren BGH-Rechtsprechung ebenfalls zuerkannt.587 So­ 583 BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 22; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 17 f. 584 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.2, S. 197. 585 BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 8. 586 BFH, Urteil v. 4. 5. 1951, II 68/51 S, BFHE 55, S. 299 = juris, Rz. 6 für die OHG; BFH, Urteil v. 14. 11. 1956, II 46/56 U, BFHE 64, S. 51 = juris, Rz. 10 für die KG; BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 7 für die GbR; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 73; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 42 ff. 587 Vgl. BGH, Urteil v. 25. 9. 2006, II ZR 218/05, NJW 2006, S. 3716; BGH, Beschluss v. 4. 12. 2008, V ZB 74/08, NJW 2009, S. 594; BGH, Beschluss v. 28. 4. 2011, V ZB 194/10, NJW 2011, S. 1958.

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2.2.2  Eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft

weit das GrEStG in seinen Vorschriften die selbständige Rechtsträger­ schaft der Personengesellschaft bereits voraussetzt,588 kann insoweit zu­ mindest aus heutiger Sicht von einer Übereinstimmung mit der Zivilrechtslage gesprochen werden. Der Gleichlauf zwischen den zivilrechtlichen und den grunderwerbsteu­ erlichen Wertungen hat sich jedoch erst in neuerer Zeit eingestellt. Denn die GbR wurde im Grunderwerbsteuerrecht bereits vor der zivilrechtli­ chen Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit durch den BGH589 als selbstän­ dige Rechtsträgerin und Steuersubjekt anerkannt.590 Eine Differenzie­ rung unter den verschiedenen Personengesellschaften lehnte der BFH ab, da die GbR ohne Identitätsverlust aus einer OHG oder KG erwachsen oder in diese übergehen könne.591 Die zivilrechtlich bis Anfang des 21. Jahrhunderts ungeklärte Frage der Rechtssubjektivität der GbR wur­ de im Bereich des Grunderwerbsteuerrechts dahingehend gelöst, dass die Steuerfestsetzung durch Bescheid gegenüber der GbR als Steuersubjekt erfolgte, während die Gesellschafter als Vertreter im Sinne des § 714 BGB lediglich Zustellungsadressaten waren.592 In der Literatur wird deshalb nicht zu Unrecht eine eigene, vom Zivilrecht unabhängige grunderwerb­ steuerliche Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft konstatiert.593 Es bedurfte für die grunderwerbsteuerliche Rechtssubjektivität nicht der Annahme einer vollständig verselbständigten Rechtspersönlichkeit; vielmehr genügte bereits die in der traditionellen Gesamthandslehre ent­ wickelte Figur des Sondervermögens, das vom Eigenvermögen der Ge­ samthänder getrennt ist.594 So wurde etwa auch die Erbengemeinschaft, die zwar keine Personengesellschaft, aber eine Gesamthand darstellt,

588 Vgl. BFH, Urteil v. 25. 2. 1969, II 142/63, BStBl. II 1969, S. 400 = juris, Rz. 22; BFH, Urteil v. 17. 7. 1974, II R 141/74, BStBl. II 1976, S. 159 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 8, jeweils mit Verweis auf § 1 Abs. 3 und §§ 5 bis 7 GrEStG 1940. 589 BGH, Urteil v. 29. 1. 2001, II ZR 331/00, NJW 2001, S. 1056; BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121; BGH, Urteil v. 25. 9. 2006, II ZR 218/05, NJW 2006, S. 3716; BGH, Beschluss v. 4. 12. 2008, V ZB 74/08, NJW 2009, S. 594. 590 Siehe BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 9 f.; BFH, Urteil v. 11. 2. 1987, II R 103/84, BStBl. II 1987, S. 325 = juris, Rz. 10 ff.; BFH, Urteil v. 7. 3. 1974, II R 134/71, BStBl. II 1974, S. 426 = juris, Rz. 4. 591 BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 9. 592 Vgl. BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 10. 593 Vgl. G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 25 f.; D. Weilbach, GrEStG (51. Lfg. 2019), § 1, Rz. 78a. 594 Vgl. H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 13, Rz. 75.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

vom BFH als selbständiger Rechtsträger im Sinne des GrEStG angese­ hen.595 2.2.2.2.2 Gesellschaftsidentität und Strukturwandel Bei der in § 1 Abs. 2a GrEStG geregelten Fiktion des Grundstücksüber­ gangs auf eine neue Gesellschaft, die beim Übergang von 95% der Anteile auf neue Gesellschafter eingreift, löst sich das Grunderwerbsteuerrecht von zivilrechtlichen Wertungen. Zivilrechtlich bewahrt die Personenge­ sellschaft auch beim Austausch sämtlicher Gesellschafter ihre Identi­ tät.596 Grunderwerbsteuerrechtlich wird durch die Fiktion („gilt […] als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personenge­ sellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft“) eine typisierende wirtschaftliche Betrachtungsweise gesetzlich verankert597 und damit eine bewusste Ab­ weichung von der Zivilrechtslage bewirkt.598 Der Personengesellschaft wird auch hier (und über das Zivilrecht hinausgehend) eine grunderwerb­ steuerliche Rechtssubjektivität zugesprochen: Nicht ihre Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selbst gilt als Erwerberin und ist Schuldnerin der Steuer auf den fiktiven Erwerb.599 2.2.2.2.3 Vermögenszurechnung zu den Gesellschaftern Die rechtliche Selbständigkeit der Personengesellschaft führt dazu, dass auch Grundstücksübertragungen zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern steuerbare Vorgänge sind. In diesen Fällen erfolgt ein zivilrechtlicher und damit auch grunderwerbsteuerrechtlich relevan­ ter Wechsel in der Zuordnung des Grundstücks. Dieses „vom Zivilrecht aufgezwungene Ergebnis“600 wird durch die Steuerbefreiungstatbestände der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG korrigiert, die dem Gesamthänder einen fiktiven Bruchteil am Grundstück zuweisen und dadurch Übertragungs­ vorgänge insoweit von der Steuer freistellen, als durch diese die wirt­ schaftliche Zuordnung des Grundstücks unverändert bleibt.601 Aus den §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG wird die Folgerung gezogen, dass das Gesetz die Personengesellschaft als selbständigen Rechtsträger, aber 595 Vgl. BFH, Urteil v. 29. 11. 1972, II R 42/67, BStBl. II 1973, S. 372. 596 Vgl. BGH, Urteil v. 8. 11. 1965, II ZR 223/64, BGHZ 44, S. 229 = juris, Rz. 10 ff.; H.-M. Müller-Laube, in: Festschrift E. Wolf (1985), S. 501 (532). 597 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 8. 598 Siehe näher in Abschnitt 3.2.2.2.1, S. 122. 599 Siehe § 13 Nr. 6 GrEStG. Des Weiteren ist die Personengesellschaft selbst nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG zur Anzeige des Erwerbs verpflichtet. 600 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 3. 601 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 1. 1991, II R 78/88, BStBl. II 1991, S. 376.

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2.2.2  Eigenständige grunderwerbsteuerliche Rezeption der Personengesellschaft

nicht als juristische Person ansehe.602 Der Grad der Verselbständigung wird bei der Personengesellschaft als geringer angenommen, da hier an­ ders als bei der Kapitalgesellschaft das personenrechtliche Verhältnis im Vordergrund stehe.603 Eine dogmatische Stütze fanden die Steuerbefrei­ ungen in der traditionellen Gesamthandslehre,604 wonach das Vermögen der Gesamthand dem Gesamthänder unmittelbar zuzurechnen war, d.h. die wirtschaftliche Vergleichbarkeit von Gesamthandseigentum mit Al­ lein- bzw. Bruchteilseigentum wurde mit der „unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung“ der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen begrün­ det.605 Das neuere gesellschaftsrechtliche Verständnis, wonach das Ge­ sellschaftsvermögen der Gesellschaft selbst gehört, entzieht dieser Erklä­ rung ihre zivilrechtliche Fundierung.606 Die Befreiungen der §§ 5 bis 7 GrEStG lassen sich aus heutiger Sicht nur noch durch wirtschaftliche Gesichtspunkte systematisch begründen.607 2.2.2.2.4 Keine Berücksichtigung der neuen Gesamthandslehre Dass die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG keine Orientierung an der neuen Gesamthandslehre erkennen lassen, ist angesichts der Tatsache, dass die­ se Regelung bereits im Rahmen des GrEStG 1940 eingeführt und seither ohne größere Änderung beibehalten wurde, verständlich. Allerdings ist auch bei aktuellen Gesetzesmaßnahmen festzustellen, dass die Entwick­ lungen im Personengesellschaftsrecht nicht berücksichtigt wurden: Im Rahmen des StÄndG 2015608 wurde der Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 2a GrEStG um eine Regelung zur Ermittlung mittelbarer Änderung des Ge­ sellschafterbestands ergänzt. Hierbei kommen unterschiedliche Ermitt­ lungsmethoden zur Anwendung, je nachdem ob die vermittelnde, an der 602 BFH, Urteil v. 25. 2. 1969, II 142/63, BStBl. II 1969, S. 400 = juris, Rz. 22; BFH, Ur­ teil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 8; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 85; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 43. 603 BFH, Urteil v. 25. 2. 1969, II 142/63, BStBl. II 1969, S. 400 = juris, Rz. 15. 604 Siehe Abschnitt 2.2.1.2.1, ab S. 77. 605 Vgl. BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 8; BFH, Urteil v. 16. 1. 1991, II R 78/88, BStBl. II 1991, S. 376; BFH, Beschluss v. 27. 4. 2005, II B 76/04, BFH/NV 2005, S. 1627 = juris, Rz. 22; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 85; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 43. 606 Vgl. auch S. Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationa­ len Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.3; G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 167. 607 Siehe nachfolgend Abschnitt 3.1.2.2.2, ab S. 103. Kritisch G. Wiese, Die Gesamt­ hand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 166 f. 608 StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834.

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2  Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der ­Personengesellschaft

Grundstückspersonengesellschaft beteiligte Gesellschaft eine Personenoder eine Kapitalgesellschaft ist.609 Zur Begründung der unterschiedli­ chen Behandlung beteiligter Personen- und Kapitalgesellschaften enthält die Gesetzesbegründung die folgenden Ausführungen:610 „Im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft ist eine Personengesellschaft keine juristi­ sche Person und hat damit auch keine eigene Rechtsfähigkeit. Als natürliche Per­ son ist die Haftung unbeschränkt, alle Gesellschafter haften persönlich. Die für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände sind gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (gesamthänderische Mitberechtigung). In Bezug auf die Besteue­ rung ist jeder Gesellschafter einzeln steuerpflichtig. Die Besteuerung erfolgt dabei nach dem Transparenzprinzip.“611

Die nunmehr eingeführte „Transparenzbetrachtung“ wird also damit be­ gründet, dass die Personengesellschaft keine eigene Rechtsfähigkeit be­ sitze und ihre Gesellschafter die Träger des Vermögens seien. Diese The­ sen stehen in Widerspruch zur neuen Gesamthandslehre, nach der die Personengesellschaft als selbständige Rechts- und Vermögensträgerin angesehen wird.612 Es verwundert, dass sich der (Grunderwerbsteuer-)Ge­ setzgeber mit den gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bisher nicht auseinandergesetzt hat. Damit ist noch keine Aussage über die Angemessenheit der o.g. Neuregelung getroffen;613 je­ denfalls kann aber konstatiert werden, dass die neue Gesamthandslehre im GrEStG noch nicht angekommen ist. 2.2.2.3 Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis dieses ersten Überblicks ist festzuhalten, dass die Grunderwerbsteuer die zivilrechtlichen Merkmale der Personengesell­ schaft nur punktuell aufgreift und ansonsten ein sehr freies, eigenes Rechtsbild zeichnet. Dies gilt insbesondere für die personengesellschafts­ spezifischen Sonderregelungen (§ 1 Abs. 2a, §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG). Zur Begründung dieser Regelungen verweist der Gesetzgeber zwar häufig auf vermeintliche zivilrechtliche Eigenschaften der Personengesell­ schaft; viele dieser Eigenschaften finden sich jedoch im geltenden Perso­ nengesellschaftsrecht nicht (mehr) wieder.

609 Für Einzelheiten siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.2, S. 143. 610 Unterstreichungen durch den Verfasser. 611 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 53. 612 Siehe Abschnitt 2.2.1.2.2, ab S. 78. 613 Für eine ausführliche Kritik zur Neuregelung des § 1 Abs. 2a GrEStG siehe Ab­ schnitt 3.2.2.3.1.3, S. 148.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Im nachfolgenden Kapitel wird die Behandlung der wesentlichen grund­ erwerbsteuerlich relevanten Geschäftsvorfälle bei Personengesellschaf­ ten betrachtet. Dies umfasst neben dem Erwerb und der Weiterübertra­ gung eines Grundstücks insbesondere den Gesellschafterwechsel sowie die Umwandlung, die Sitzverlegung und die Beendigung der Gesellschaft. Die Betrachtung schließt sowohl Personengesellschaften ein, in deren Vermögen sich ein inländisches Grundstück im Sinne des GrEStG be­ findet (nachfolgend auch als „Grundstückspersonengesellschaften“ be­ zeichnet), als auch solche, die unmittelbar oder mittelbar an einer grund­ stücksbesitzenden Gesellschaft beteiligt sind (nachfolgend auch als „zwischengeschaltete Personengesellschaften“ bezeichnet).

3.1 Erwerb und Übertragung von Grundstücken durch Personengesellschaften 3.1.1 Die Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft Erwirbt die Personengesellschaft als rechtsfähiges Subjekt des Grund­ stücksverkehrs selbst das Eigentum an einem Grundstück oder schließt sie ein hierauf gerichtetes Rechtsgeschäft ab, verwirklicht sie damit ei­ nen der Tatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG. Ebenso kann die Personenge­ sellschaft ein zu ihrem Vermögen gehörendes Grundstück veräußern. Sowohl als Erwerberin als auch als Veräußerin ist die Gesellschaft Steu­ erschuldnerin im Sinne des § 13 Nr. 1 GrEStG. 3.1.1.1 Verfahrensrechtliche Implikationen 3.1.1.1.1 Anzeigepflicht Als Steuerschuldnerin ist die Personengesellschaft, die ein Grundstück erworben oder veräußert hat, grundsätzlich anzeigepflichtige Person im Sinne des § 19 Abs. 1 GrEStG. Die Anzeige ist insoweit gem. § 34 Abs. 1 AO von den Geschäftsführern, bzw. bei nicht rechtsfähigen Personenge­ sellschaften gem. § 34 Abs. 2 AO von den Gesellschaftern selbst zu er­ statten. Dem Erwerb und der Veräußerung von Grundstücken liegen aber im Regelfall beurkundungspflichtige Geschäfte zu Grunde, bei denen die Anzeigepflicht der Gesellschaft nach § 19 Abs. 1 GrEStG durch die An­ zeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG ver­ 95

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

drängt wird.614 Die unmittelbar am Grundstücksverkehr teilnehmende Personengesellschaft wird von § 19 Abs. 1 GrEStG daher in der Regel nicht betroffen. Problematisch sind die Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG, in denen die Gesell­ schaft ebenfalls Steuerschuldnerin und anzeigepflichtige Person ist, ob­ wohl der Tatbestand nicht von ihr selbst, sondern auf Gesellschafter­ ebene verwirklicht wird. Dies verstößt, wie noch gezeigt wird, gegen das Folgerichtigkeitsgebot.615 3.1.1.1.2 Bekanntgabe des Steuerbescheids Der Grunderwerbsteuerbescheid ist an die Personengesellschaft selbst zu richten.616 Soweit die Personengesellschaft nicht über einen geschäftsüb­ lichen Namen verfügt, ist der Bescheid grundsätzlich an alle Gesellschaf­ ter zu richten,617 wobei für seine Wirksamkeit die Bekanntgabe an einen der vertretungsberechtigen Gesellschafter ausreicht.618 Die Stellvertre­ tung führt insoweit zu einer Wissenszurechnung, die gegen die Gesell­ schaft (nicht jedoch gegen die anderen Gesellschafter) wirkt.619 Bei der BGB-Gesellschaft besteht insoweit eine verfahrensrechtliche Asymmetrie zwischen den Bekanntgabeanforderungen und der Ein­ spruchs- und Klagebefugnis. Denn ein gegen die Gesamthand als Steuer­ schuldnerin gerichteter Grunderwerbsteuerbescheid soll nach h.M. nur durch gemeinschaftlich von allen Gesellschaftern eingelegte Rechtsmit­ tel angegriffen werden können.620 3.1.1.1.3 Steuerschuldnerschaft und Haftung Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 1 GrEStG ist die grunderwerbsteuerlich rechtsfähige Personengesellschaft selbst.621 Die Gesellschafter können 614 Vgl. H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 19, Rz. 17. 615 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.5.1, ab S. 138. 616 BFH, Urteil v. 28. 4. 1965, II 9/62 U, BFHE 82, S. 484 = juris, Rz. 7; BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 10; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 13, Rz. 75; AEAO v. 31. 1. 2014, BStBl. I 2014, S. 291 zu § 122, Tz. 2.4.1. 617 AEAO v. 31. 1. 2014, BStBl. I 2014, S. 291 zu § 122, Tz. 2.4.1.3. 618 BFH, Urteil v. 11. 2. 1987, II R 103/84, BStBl. II 1987, S. 325 = juris, Rz. 16. 619 Vgl. K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 125, Rz. 13. 620 BFH, Urteil v. 7. 3. 1974, II R 134/71, BStBl. II 1974, S. 426 = juris, Rz. 4; BFH, Ur­ teil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 12; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 13, Rz. 76; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 13, Rz. 33. 621 BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 9; BFH, Urteil v. 11. 2. 1987, II R 103/84, BStBl. II 1987, S. 325 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil

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3.1.1  Die Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft

lediglich im Rahmen der zivilrechtlichen Möglichkeiten als Haftungs­ schuldner in Anspruch genommen werden. Die Gesellschafter von Per­ sonenhandelsgesellschaften unterliegen insoweit einer gesamtschuldne­ rischen, persönlichen Haftung nach § 128 Satz 1 HGB. Die Begrenzung der Haftung des Kommanditisten einer KG nach § 171 Abs. 1 HGB auf dessen Einlage gilt auch für Grunderwerbsteuerschulden.622 Der eintre­ tende Gesellschafter haftet auch für die vor seinem Eintritt begründeten Steuerschulden (§ 130 Abs. 1 HGB); der ausscheidende Gesellschafter ist der akzessorischen Nachhaftung nach § 160 Abs. 1 HGB unterworfen. Für die GbR wird die persönliche gesamtschuldnerische Haftung aus den §§ 705 ff. i.V.m. §§ 421, 427 BGB hergeleitet,623 wobei nach traditioneller Auffassung eine Mitwirkung des Gesellschafters am steuerauslösenden Vorgang vorausgesetzt wurde, d.h. der potenzielle Haftungsschuldner musste bei Verwirklichung des Steuertatbestands im zivilrechtlichen Sinne Gesellschafter sein.624 Für vor Eintritt eines Gesellschafters be­ gründete Grunderwerbsteuerverbindlichkeiten wurde demnach eine Haf­ tung verneint, da die gemeinsame Tatbestandsverwirklichung als haf­ tungsauslösendes Element nicht vorlag.625 Im Zivilrecht wird inzwischen allerdings davon ausgegangen, dass die GbR über eine den Personenhan­ delsgesellschaften vergleichbare Haftungsverfassung verfügt und ihre Gesellschafter deshalb akzessorisch auch für deren gesetzliche Verbind­ lichkeiten haften.626 Die oben dargestellte, noch auf der traditionellen Gesamthandslehre aufbauende Rechtsprechung des BFH627 ist deshalb als überholt anzusehen.628 In analoger Anwendung der §§ 128 ff. HGB auch auf die Gesellschafter einer GbR629 ist damit eine Haftung auch für vor

v. 6. 9. 1989, II R 61/86, BFH/NV 1990, S. 594 = juris, Rz. 9; BFH, Urteil v. 27. 7. 1994, II R 69/91, BFH/NV 1995, S. 186 = juris, Rz. 22. 622 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 13, Rz. 84. 623 BFH, Urteil v. 6. 9. 1989, II R 61/86, BFH/NV 1990, S. 594 = juris, Rz. 10; BFH, Be­ schluss v. 31. 7. 1991, II B 38/91, BFH/NV 1992, S. 56 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 27. 7. 1994, II R 69/91, BFH/NV 1995, S. 186 = juris, Rz. 25; BFH, Urteil v. 21. 6. 1995, II R 7/91, BStBl. II 1995, S. 817 = juris, Rz. 15; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 13, Rz. 78 f. 624 BFH, Urteil v. 27. 7. 1994, II R 69/91, BFH/NV 1995, S. 186 = juris, Rz. 25; so auch unverändert H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 13, Rz. 79. 625 BFH, Urteil v. 21. 6. 1995, II R 7/91, BStBl. II 1995, S. 817 = juris, Rz. 16. 626 BGH, Urteil v. 24. 2. 2003, II ZR 385/99, BGHZ 154, S. 88 = juris, Rz. 16 ff. 627 BFH, Urteil v. 27. 7. 1994, II R 69/91, BFH/NV 1995, S. 186; BFH, Urteil v. 21. 6. 1995, II R 7/91, BStBl. II 1995, S. 817. 628 So auch G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 13, Rz. 29. 629 Vgl. BFH, Beschluss v. 28. 1. 2005, III B 91/04, BFH/NV 2005, S. 1141.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Eintritt eines Gesellschafters begründete Grunderwerbsteuerschulden anzunehmen.630 3.1.1.2 Materiell-rechtliche Implikationen Materiell bewirkt die selbständige Steuersubjektstellung der Personenge­ sellschaft in der Grunderwerbsteuer zum einen eine Abschirmwirkung dahingehend, dass ein Gesellschafterwechsel nicht nach dem Grundtat­ bestand des § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbar ist.631 Da das zivilrechtliche Ei­ gentum bei der Gesellschaft verbleibt, wird auch die grunderwerbsteuer­ liche Grundstückszuordnung nicht berührt. Eine Besteuerung derartiger Vorgänge ist deshalb nur im Anwendungsbereich der Spezialtatbestände § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG möglich. Zum anderen führt die Eigenschaft als Verkehrsteuersubjekt dazu, dass Grundstücksübertragungen zwischen der Personengesellschaft und ih­ ren Gesellschaftern oder zwischen ganz oder teilweise beteiligungsiden­ tischen Gesamthandsgemeinschaften grundsätzlich steuerbar sind, da ein dinglicher Übergang des Grundstücks durch Einigung und Auflas­ sung (§§ 873, 925 BGB) erfolgt. Infolge ihrer Einheit wirkt die Gesamt­ hand den Gesamthändern gegenüber „wie ein anderer“.632 Sowohl die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit bestimmter Gesellschaf­ terwechsel als auch die grundsätzliche Steuerbarkeit von Übertragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern widersprechen der gesetzli­ chen Intention, wirtschaftliche Grundstücksumsätze zu erfassen und sind deshalb gesetzgeberischen Korrekturen durch die § 1 Absätze 2a, 3, 3a GrEStG sowie §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG unterworfen worden. An die­ sen umfassenden Modifikationen zeigt sich, dass die Grunderwerbsteuer keine Verkehrsteuer im materiellen Sinne ist.633 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die grunderwerbsteuerliche Selbstän­ digkeit der Personengesellschaft durch die Ordnungsfunktion des Zivil­ rechts zwar vorbestimmt ist, für sich genommen aber Wertungswider­ sprüche hervorrufen würde. Erst durch die in § 1 Abs. 2a, 3, 3a GrEStG sowie §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG geregelten Durchgriffe und Fiktionen kann dem Leistungsfähigkeitsprinzip Rechnung getragen und die gleich­ mäßige Erfassung besteuerungswürdiger Sachverhalte sichergestellt wer­ 630 Zutreffend G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 13, Rz. 29; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 13, Rz. 54. 631 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 87 ff. 632 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 87. 633 Siehe bereits Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

den.634 Inwieweit dies auch gelungen ist, wird in den nachfolgenden Ab­ schnitten untersucht.

3.1.2 Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen zwischen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern 3.1.2.1 Der Mechanismus der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG 3.1.2.1.1 Sachliche Steuerbefreiung für Übergänge zwischen ­Gesamthand und Gesamthänder Die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG regeln eine sachliche Steuerbefreiung635 für Grundstücksübertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften und den daran beteiligten Gesamthändern. Neben den Personengesell­ schaften gelten die Befreiungen auch für die Erbengemeinschaft und die eheliche Gütergemeinschaft als weitere Formen der Gesamthand.636 Die Übertragungen zwischen den Erben- und Gütergemeinschaften und ihren Beteiligten sind allerdings bereits durch § 3 Nr. 3 bis 5 GrEStG von der Steuer befreit, so dass die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG tatsächlich im Wesentlichen für die Personengesellschaften von Relevanz sind.637 Befreit werden folgende Grundstücksübergänge: – Übergang aus dem Miteigentum (§ 5 Abs. 1 GrEStG) oder Alleinei­ gentum (§ 5 Abs. 2 GrEStG) auf eine Gesamthand, – Übergang von einer Gesamthand in das Miteigentum (§ 6 Abs. 1 GrEStG) oder Alleineigentum (§ 6 Abs. 2 GrEStG) eines Gesamthän­ ders, – Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG), – Übergang von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum (§ 7 Abs. 2 GrEStG).

634 A.A. G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 98 und 162 ff., wonach die grunderwerbsteuerliche Verselbständigung der Personengesell­ schaft durch das Leistungsfähigkeitsprinzip geboten sei und insbesondere die Kor­ rekturen durch § 5 ff. GrEStG „systemfremd“ und „inkonsequent“ seien. Nach hier vertretener Auffassung dienen die Korrekturen im Gegenteil gerade der Ver­ wirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips. 635 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 1. 636 Siehe hierzu Abschnitt 2.2.2.1.2, S. 89. 637 Vgl. Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Die Befreiung erfolgt jeweils quotal insoweit, als der Anteil des übertra­ genden oder übernehmenden Gesamthänders am Gesamthandsvermö­ gen seinem Bruchteil am Grundstück – bzw. in Fällen des § 6 Abs. 3 GrEStG am Vermögen der anderen Gesamthand – entspricht. Der vom Gesetz aufgegriffene „Anteil am Vermögen der Gesamthand“ stellt nicht auf die jedem Gesellschafter gleichermaßen zustehende sachenrechtli­ che Mitberechtigung, sondern auf ideelle Bruchteile im Sinne von „Wertanteilen am Reinvermögen“ der Gesellschaft ab.638 Der dinglichen Mitberechtigung (Mitgliedschaft) kommt jedoch inso­ weit Bedeutung zu, als sie als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiungen dem Grunde nach angesehen wird.639 Dies soll sich aus dem Tatbestandsmerkmal „beteiligt“ ergeben.640 Diese Interpreta­ tion schließt Beteiligungsformen wie die stille Gesellschaft oder die Un­ terbeteiligung, die auf lediglich schuldrechtlichen Beziehungen beruhen, vom Anwendungsbereich der §§ 5 ff. GrEStG aus.641 Vom Erfordernis der unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung abgese­ hen wird im Bereich der doppelstöckigen Personengesellschaften.642 So entschied der BFH, dass der vertikale Grundstücksübergang von der Un­ ter- auf die Oberpersonengesellschaft von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG be­ günstigt sei.643 Des Weiteren ist auch der Übergang zwischen dem Gesell­ schafter der Oberpersonengesellschaft und der Unterpersonengesellschaft durch § 5 Abs. 2 bzw. § 6 Abs. 2 GrEStG von der Steuer zu befreien.644 Es werden also weder die Ober- noch die Unterpersonengesellschaft als „Zurechnungssubjekte“ der §§ 5, 6 GrEStG behandelt, sondern aus­ schließlich die an der Obergesellschaft beteiligten Personen.645

638 Vgl. BFH, Urteil v. 31. 5. 1972, II R 9/66, BStBl. II 1972, S. 833; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 3 ff. 639 Vgl. BFH, Beschluss v. 8. 8. 2000, II B 134/99, BFH/NV 2001, S. 66; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 18 f.; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 19 ff. 640 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 18. 641 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 24 f. 642 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 22; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6, Rz. 38; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), Gemeinsame Vorbemerkungen zu §§ 5, 6 und 7, Rz. 2; S. Gottwald/S. Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 560; S. Behrens/A. Hofmann, DStR 2003, S. 2093. 643 BFH, Urteil v. 24. 9. 1985, II R 65/83, BStBl. II 1985. 644 Vgl. S. Behrens/A. Hofmann, DStR 2003, S. 2093 (2096 f.). 645 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 6, Rz. 3.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

3.1.2.1.2 Vor- und Nachbehaltensfristen Um missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken,646 wurden die Steuerbefreiungen mit flankierenden fünfjährigen Vor- und Nachbehal­ tensfristen versehen, die sich jeweils auf den – im obigen Sinne quantita­ tiv zu verstehenden647 – „Anteil am Vermögen“ der übertragenden648 bzw. der übernehmenden649 Gesamthand beziehen. In den Fällen der Übertra­ gung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand gilt entspre­ chend der Regelungssymmetrie sowohl eine Vorbehaltensfrist für den Anteil am Vermögen der übertragenden Gesamthand650 als auch eine Nachbehaltensfrist für den Anteil am Vermögen der erwerbenden Ge­ samthand.651 Vermindert sich der Anteil innerhalb der Nachbehaltensfrist, erfolgt kei­ ne Nachversteuerung, sondern eine Änderung des ursprünglichen Grund­ erwerbsteuerbescheids aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.652 Wird die Fristverletzung durch einen seinerseits grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst, bleiben die §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG aufgrund teleologischer Reduktion außer Anwendung, da in diesem Fall ein Missbrauch objektiv ausge­ schlossen ist.653 3.1.2.2 Systematische Einordnung der Steuerbefreiungen 3.1.2.2.1 Historische Gesetzesbegründung Der historische Gesetzgeber hat die §§ 5, 6 und 7 GrEStG im Rahmen des GrEStG 1940654 dem Abschnitt „Steuervergünstigungen“ zugeordnet. Die Vorgängerregelung in § 15 GrEStG 1919655 war noch als besondere 646 Vgl. zu § 6 Abs. 4 GrEStG: Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (399), zu § 5 Abs. 3 GrEStG: Gesetzentwurf zum StEntlG 1999/2000/2002 v. 9. 11. 1998, BT-Drs. 14/23, S. 203 f. 647 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 64. 648 Siehe § 6 Abs. 4 für Fälle der § 6 Absätze 1 und 2 GrEStG und § 7 Abs. 3 für Fälle des § 7 Abs. 2 GrEStG. 649 Siehe § 5 Abs. 3 für Fälle der § 5 Absätze 1 und 2 GrEStG. 650 Siehe § 6 Abs. 4 GrEStG. 651 Siehe § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG. 652 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 96. 653 Vgl. BFH, Urteil v. 7. 10. 2009, II R 58/08, BStBl. II 2010, S. 302; Gleichlau­ tender Erlass betr. §§ 5, 6 GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1334, Tz. 7.8; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 102; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 82. 654 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585. 655 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Steuerberechnungsvorschrift konzipiert gewesen.656 Aufgrund ihrer Wir­ kungsweise hatte diese Regelung jedoch nur für eine partielle Steuerent­ lastung gesorgt, da sie den Erwerb jedes Grundstücksbruchteils als ein­ zelnen Erwerbsvorgang behandelte, diesen aber nur nach dem Maßstab der Beteiligungsquote des Gesamthänders von der Steuer befreite. Dies hatte etwa bei der Einbringung eines von zwei Gesamthändern in hälfti­ gem Miteigentum gehaltenen Grundstück in eine quotengleiche Ge­ samthand zur Folge, dass die Grunderwerbsteuer insgesamt zur Hälfte erhoben wurde.657 Erklärtes Ziel der Neufassung im Rahmen des GrEStG 1940 war es, wirtschaftliche Gesichtspunkte in stärkerem Umfang zu berücksichtigen.658 Dazu wurde die über eine Personengesellschaftsbetei­ ligung vermittelte Berechtigung an einem Grundstück für Zwecke der Grunderwerbsteuer dem Bruchteilseigentum gleichgestellt. Die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sind insoweit „Zurechnungsregeln besonderer Art“659. Die steuersystematische Rechtfertigung der Grunderwerbsteuerbefrei­ ung des Übergangs zwischen Gesamthändern und Gesamthand durch §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG enthält traditionell zwei Komponenten: die ­zivilrechtlichen Besonderheiten der gesamthänderischen Bindung und die daraus ableitbare wirtschaftliche Vergleichbarkeit des Gesamthands­ eigentums mit der Berechtigung des Grundstücks(mit-)eigentümers. In der Rechtsprechung des BFH,660 aber auch – bis heute – im Schrift­

656 Wortlaut von § 15 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617: „(1) Im Falle des steuerpflichtigen Übergangs eines gemeinschaftlichen Grundstücks an einen Mitberechtigten oder Gesellschafter bleibt für die Berechnung der Steuer der An­ teil des Erwerbers außer Betracht. (2) Bei Begründung oder Teilung von Eigentum zur gesamten Hand gilt als Anteil ein der Beteiligung des Erwerbers an der Ge­ meinschaft entsprechender Teil; dabei ist bei einer Erwerbsgesellschaft die Ge­ winnbeteiligung zugrunde zu legen. (3) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 finden insoweit keine Anwendung, als die Anteilsberechtigung des Erwerbers oder, wenn die Erben eines Mitberechtigten oder Gesellschafters Erwerber sind, die Anteilsbe­ rechtigung des Erblassers nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes durch den Er­ werb von Anteilen anderer Mitberechtigte oder Gesellschafter mittels Rechtsge­ schäfts unter Lebenden begründet worden ist.“ 657 Vgl. Beispiel in Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398). 658 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398). 659 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 3. 660 BFH, Urteil v. 25. 2. 1969, II 142/63, BStBl. II 1969, S. 400 = juris, Rz. 15; BFH, Ur­ teil v. 30. 11. 1983, II R 131/81, BStBl. II 1984, S. 160 = juris, Rz. 11; BFH, Urteil v. 24. 9. 1985, II R 65/83, BStBl. II 1985 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 22. 10. 1986, II R 118/84, BStBl. II 1987, S. 183 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 16. 1. 1991, II R 78/88, BStBl. II 1991, S. 376 = juris, Rz. 8; BFH, Beschluss v. 27. 4. 2005, II B 76/04, BFH/NV 2005, S. 1627 = juris, Rz. 22.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

tum661 wird angeführt, dass jeder Gesamthänder zivilrechtlich unmittel­ bar am Gesamthandsvermögen und dessen einzelnen Gegenständen mit­ berechtigt sei. Der Übergang zwischen Bruchteils- bzw. Alleineigentum und Gesamthandseigentum wird als „bloße Veränderung der Form der Berechtigung am Grundstück“ angesehen.662 Die „formale“ Anwendung des § 1 Abs. 1 GrEStG auf diese Vorgänge würde deshalb zu „Härten“ für die Beteiligten führen.663 Die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sollen das „vom Zivilrecht aufgezwungene Ergebnis“664 korrigieren, indem sie eine „spe­ zifisch grunderwerbsteuerliche Zurechnung“665 vornehmen. Die Begüns­ tigungen berücksichtigen hierbei wirtschaftliche Gesichtspunkte, da sie dem Umstand Rechnung tragen, dass der wirtschaftliche Inhalt der Rechte am Grundstück durch die formale Änderung der Eigentumsform nicht berührt wird.666 3.1.2.2.2 Rechtfertigung unter Berücksichtigung der neuen Gesamthandslehre Die historische Begründung der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG lässt sich nur bedingt auf das gegenwärtige Rechtsbild der Personengesellschaft über­ tragen. Denn nach der neuen Gesamthandslehre ist die Personengesell­ schaft selbst Trägerin des Gesellschaftsvermögens, welches dort eine vergleichbare Verselbständigung erfährt wie in den Händen einer juristi­ schen Person.667 Von einer unmittelbaren Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen und dessen einzelnen Vermögensgegenstän­ den geht die h.M. im Zivilrecht nicht mehr aus.668 Die neue gesellschafts­ rechtliche Dogmatik wird vom GrEStG insoweit bislang nicht nachvoll­

661 Vgl. H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 4; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 2. 662 BFH, Urteil v. 24. 9. 1985, II R 65/83, BStBl. II 1985 = juris, Rz. 10. 663 BFH, Urteil v. 2. 10. 1974, II R 62/68, BStBl. II 1975, S. 150 = juris, Rz. 7; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 4; so auch die Gesetzesbe­ gründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398). 664 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 3. 665 BFH, Urteil v. 24. 9. 1985, II R 65/83, BStBl. II 1985 = juris, Rz. 10. 666 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398). 667 Vgl. Abschnitt 2.2.1.2.2.2, ab S. 79. 668 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 72 und 79; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 718, Rz. 36; W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 124, Rz. 17; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. (2014), § 105, Rz. 285; I. Saenger, in: Schulze et al., BGB, 9. Aufl. (2017), § 719, Rz. 7; S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 719, Rz. 2; W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 718, Rz. 18.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

zogen.669 Wiese vertritt die Auffassung, dass sich die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG nach der Aufgabe der traditionellen Gesamthandstheorie weder durch zivilrechtliche noch durch wirtschaftliche Gesichtspunkte recht­ fertigen ließen.670 Die Steuerbefreiungen seien „systemfremd“ sowie „in­ konsequent“671 und aufgrund eines bestehenden „Umgehungspotentials“ idealerweise abzuschaffen.672 Die grunderwerbsteuerrechtliche Kom­ mentarliteratur setzt sich mit dem durch die Entwicklung im Gesell­ schaftsrecht entstandenen Widerspruch dagegen bislang kaum auseinan­ der und hält an dem oben dargestellten, traditionellen Begründungsansatz fest.673 Dies gibt Anlass, die systematische Verankerung der gesamt­ handsbezogenen Steuerbefreiungen im Lichte der heutigen Zivilrechtsla­ ge neu zu bestimmen. Zunächst ist dabei zu hinterfragen, welche im Hinblick auf die §§ 5 bis 7 GrEStG relevante Änderung der zivilrechtlichen Rahmenbedingungen durch die neue Gesamthandslehre überhaupt eingetreten ist. Die histori­ sche Prämisse des GrEStG, dass die Gesamthand keine juristische Person ist,674 ist auch aus zivilrechtlicher Sicht immer noch gültig; allerdings wird die Gesamthand im Außenverhältnis nunmehr als umfassend rechtsfähig angesehen.675 Der Begründungsansatz der §§ 5 bis 7 GrEStG setzt aber nicht dort an, sondern an dem traditionellen Verständnis des Innenverhältnisses der Personengesellschaft, das von einer unmittelba­ ren Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen ausgeht. Wird das Vermögen nach der neuen Gesamthandslehre der nunmehr rechtlich verselbständigten Personengesellschaft zugerechnet, entfällt das bisherige „Rechtsbild“, wonach sich beim Übergang zwischen Ge­ sellschaft und Gesellschafter zwar der Rechtsträger, nicht aber das zivil­ rechtliche Zurechnungssubjekt des Grundstücks ändere. Dieser Begrün­ dungsansatz wies jedoch auch früher schon Defizite auf, denn auch wenn 669 Vgl. S.  Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.3; S.  Behrens/A. Hofmann, DStR 2003, S. 2093 (2094), Fn. 13. 670 G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 162 ff. 671 G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 164. 672 G. Wiese, UVR 2004, S. 58 (63); G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteu­ errecht (2003), S. 174. 673 Vgl. etwa A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 42 ff. und § 5, Rz. 2; H.- U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 3 f.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), Gemeinsame Vorbemerkungen zu §§ 5, 6 und 7, Rz. 1; G. Schnitter, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (91. Lfg. März 2015), § 5 GrEStG, Rz. 4.  674 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 85. 675 Vgl. Abschnitt 2.2.1.2.2.1, S. 78.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

das Gesellschaftsgrundstück früher als Sondervermögen der Gesellschaf­ ter angesehen wurde,676 ist die Verfügungsmöglichkeit des Gesamthän­ ders über die Grundstücke der Gesellschaft damals wie heute durch § 719 Abs. 1 BGB beschränkt. Alleineigentum und gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen lassen sich also auch nach der traditionel­ len Gesamthandslehre nicht gleichsetzen. Dessen bedarf es aber auch nicht, denn die Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG waren von Anfang an von wirtschaftlichen Erwägun­ gen getragen.677 Ihr „tieferer Rechtsgrund“ ist darin zu sehen, dass die Änderung der Grundstückszuordnung in den von der Regelung erfassten Fällen keine wirtschaftliche Veränderung bewirkt.678 Soweit die Berech­ tigungsquote am Grundstück hierbei gleich bleibt, liegt keine Markt­ transaktion vor, da auf Veräußerer- und Erwerberseite die gleiche berech­ tigte Person steht. Außenstehende erwerben weder rechtlich noch wirtschaftlich den in Rede stehenden Grundstücksbruchteil oder Teile davon. Dies gilt nicht nur beim Übergang von einer Gesamthand auf ei­ nen Gesamthänder, sondern auch umgekehrt beim Übergang auf eine Gesamthand. Selbst wenn an der erwerbenden Gesamthand Personen beteiligt sind, die zuvor keine Berechtigung am Grundstück innehatten, erlangen diese aufgrund der Verfügungsbeschränkung des § 719 Abs. 1 BGB keine rechtliche Verfügungsmöglichkeit und bei gleichbleibenden Beteiligungsquoten an der Gesamthand auch keine wirtschaftliche Ver­ wertungsmöglichkeit an dem betroffenen ideellen Grundstücksbruch­ teil. Mangels Markttransaktion kann beim Übergang zwischen Gesamthand und Gesamthänder auch keine Wertsteigerung der Grundstücksbeteili­ gung unterstellt werden.679 Wer einen quotengleichen Grundstücksanteil aus dem Bruchteilseigentum auf eine Gesamthand überträgt oder umge­ kehrt von ihr übertragen bekommt, erhält weder einen messbaren Mehr­ wert, noch wird er einen Aufschlag entrichten. Stattdessen tauscht er lediglich wertgleiche Aktiva. Weder nach dem Leistungsfähigkeitsprin­ zip noch nach der – vielfach zu Unrecht kritisierten – Bewertungsdiffe­

676 Vgl. W. Zöllner, in: Festschrift Gernhuber (1993), S. 563 (570); U. Huber, Vermö­ gensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts (1970), S. 61 ff. 677 Vgl. Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (398). 678 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 10. Aufl. (2014), § 1, Rz. 111. 679 So im Ergebnis wohl auch H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 4 („Wert der Beteiligung am Grundstück unberührt“).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

renztheorie680 wäre bei diesem Vorgang ein Besteuerungszugriff gerecht­ fertigt. Die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG setzen die gesetzgeberische Belastungsent­ scheidung, wirtschaftliche Grundstücksumsätze zu besteuern,681 folge­ richtig um, indem sie Fälle von der Steuerbelastung ausnehmen, in d ­ enen ein solcher wirtschaftlicher Grundstücksumsatz gerade nicht vorliegt.682 Der Auffassung von Wiese, die Regelung sei systemfremd und entbehre einer Rechtfertigung,683 muss deshalb widersprochen werden.684 3.1.2.2.3 Keine „Steuervergünstigung“ im engeren Sinne Die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG sind im Gesetz dem Abschnitt mit der Überschrift „Steuervergünstigungen“ zugeordnet. Ihrem Wortlaut nach bewirken sie, dass die Steuer „nicht erhoben“ wird. Zudem werden sie in der Literatur z.T. als „Zurechnungsregeln“685 und z.T. als „sachliche Be­ freiungen“686 eingeordnet. Die uneinheitliche Nomenklatur macht eine Präzisierung der systematischen Einordnung der Vorschriften erforder­ lich. Steuervergünstigungen im engeren Sinne sind Sozialzwecknormen; sie durchbrechen die grundsätzliche Belastungsentscheidung zu Gunsten ­eines außerfiskalischen Förderziels und sind deshalb regelmäßig nicht am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet.687 Demgegenüber dienen die §§ 5 ff. GrEStG, wie festgestellt, gerade der gleichheitsrechtskonformen Verwirklichung der grunderwerbsteuerlichen Belastungsentscheidung. Sie wirken insoweit als „Fiskalzweckbefreiung“688.

680 Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2.3.1.4, ab S. 27. 681 Vgl. Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29. 682 Ob eine vergleichbare Entlastung nicht nur für Personen-, sondern auch für Ka­ pitalgesellschaften geboten wäre, ist eine andere Frage. Siehe hierzu Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107. 683 G. Wiese, UVR 2004, S. 58 (63); G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteu­ errecht (2003), S. 162 ff. 684 Auch die Bedenken hinsichtlich des Steuerumgehungspotenzials (G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 169 ff.) können nicht geteilt werden, da die Vor- und Nachbehaltensfristen der §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 3 GrEStG für einen hinreichenden Missbrauchsschutz sor­ gen. 685 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 2. 686 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 1. 687 J. Hey, StuW 2015, S. 331 (333); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 84. 688 Zum Begriff K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 83 ff.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

Auch die Gesetzesformulierung „nicht erhoben“ darf nicht darüber hin­ wegtäuschen, dass es sich um Steuerbefreiungen materieller Natur han­ delt. Von der Besteuerung wird nämlich nicht erst im Erhebungsverfah­ ren (§§ 218 ff. AO) Abstand genommen; vielmehr kommt es gar nicht erst zur Entstehung einer Steuerschuld. Denn auch wenn es nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 2 Satz 3 GrEStG bei einem Haltefristverstoß innerhalb von fünf Jahren zur Versagung der Steuerbefreiung kommen kann, wird der „negative Entstehungstatbestand“689 nicht erst nach fünf Jahren, sondern sofort verwirklicht. 3.1.2.3 Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 3.1.2.3.1 Verfassungsrecht 3.1.2.3.1.1 Gleichheitsrechtswidrige Privilegierung von Personen­ gesellschaften? Der obige Befund, dass die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sach- und systemge­ rechte Steuerbefreiungsvorschriften sind, die dem Leistungsfähigkeits­ prinzip Rechnung tragen, trifft noch keine Aussage darüber, ob auch der Anwendungsbereich der Regelung gleichheitsrechtskonform und folge­ richtig zugeschnitten ist. Problematisch ist in dieser Hinsicht, dass die Steuerbefreiungen nur für Gesamthandsgemeinschaften, nicht aber für Kapitalgesellschaften und andere juristische Personen gelten. Das Gesetz sieht eine solche Befreiung nicht vor, da die §§ 5 und 6 GrEStG ausdrück­ lich den Begriff der „Gesamthand“ in Bezug nehmen. Da diese Begren­ zung vom historischen Gesetzgeber zweifellos auch beabsichtigt war und mithin eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt, wird man dem BFH im Ergebnis zustimmen müssen, dass eine entsprechende An­ wendung der §§ 5 und 6 GrEStG auf Kapitalgesellschaften nicht möglich ist.690 Der potenzielle Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt also darin, dass die Steuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen Ge­ sellschaft und Gesellschaftern sowie zwischen zwei Gesellschaften, so­ weit dort Beteiligungsidentität besteht, nur für gesamthänderische Ge­ bilde und nicht für Kapitalgesellschaften gilt. Darüber hinaus entsteht durch die vollumfängliche Besteuerung des Übergangs zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter ein Wertungs­ widerspruch zu den Zurechnungsgrundsätzen des § 1 Abs. 3 GrEStG: Im Rahmen dieser Regelung wird demjenigen, der einen Gesellschaftsanteil 689 Dazu J. Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen (11. Lfg. 1974), S. 87 f. 690 Vgl. BFH, Urteil v. 18. 3. 2005, II R 21/03, BFH/NV 2005, S. 1867.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

von 95% oder mehr hält, die „Sachherrschaft“ an den Gesellschafts­ grundstücken für grunderwerbsteuerliche Zwecke unterstellt.691 Die Über­ tragung einer in dieser Weise gehaltenen Grundstücksbeteiligung un­ terliegt dementsprechend nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG der Besteuerung. Da das Grundvermögen einer Kapitalgesellschaft deren 95%-­Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG grunderwerbsteu­ erlich zugerechnet wird, wäre es folgerichtig, eine Übertragung dieses Grundvermögens zwischen Gesellschaft und Gesellschafter von der Steuer freizustellen. Es wechselt infolge der Übertragung nur die Berech­ tigungsform derselben Person, nämlich zwischen dem zivilrechtlichen Eigentum und einer über die Gesellschaftsanteile vermittelten wirt­ schaftlichen Eigentumsposition.692 Nicht anders verhält es sich bei Über­ gängen zwischen zivilrechtlichem Grundstückseigentum und einer wirt­ schaftlichen Beteiligung von 95% oder mehr im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Nichtberücksichtigung derartiger grunderwerbsteuerlicher Zurechnungspositionen im Rahmen einer den §§ 5 ff. GrEStG vergleich­ baren Befreiungsvorschrift stellt einen rechtfertigungsbedürftigen Ver­ stoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot dar. Bei der nachfolgenden Rechtfertigungsprüfung ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG dem Gesetzgeber gerade hinsichtlich rechtsformabhän­ giger Unterscheidungen eine weitreichende Gestaltungs- und Differen­ zierungsfreiheit zugesteht. 3.1.2.3.1.2 Rechtsformneutralität der Besteuerung als Verfassungsgebot Das Gebot der Rechtsformneutralität der Besteuerung hat seine primäre verfassungsrechtliche Fundierung im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, verfügt jedoch auch über eine freiheitsrechtliche Ver­ ankerung in Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.693 Eine besondere Konkretisierung erfährt der Gleichheitssatz dabei im Grund­ recht der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG durch die Formulie­

691 Vgl. BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 5. 11. 2002, II R 86/00, BFH/NV 2003, S. 344 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 5. 11. 2002, II R 23/00, BFH/NV 2003, S. 505 = juris, Rz. 14 m.w.N.; S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 55 ff.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 135; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 317. Siehe auch nachfolgend mit Kritik an dieser Dogmatik Abschnitt 3.2.3.1.2, S. 189. 692 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 10. 6. 1963, 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203 = juris, Rz. 17.  693 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 13, Rz. 172.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

rung eines konkreten Vergleichsmaßstabs und konkreter Vergleichsgrup­ pen.694 Die Existenz eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebots zur rechts­ formneutralen Besteuerung wird vom BVerfG allerdings verneint.695 Es sei verfassungsrechtlich bedenkenfrei, wenn der Gesetzgeber bestimmte zivilrechtliche Grundentscheidungen auch im Rahmen der steuerrecht­ lichen Behandlung aufgreife und entsprechend differenziere.696 Die Be­ stimmung unterschiedlicher Einkünftezurechnungssubjekte im Ertrag­ steuerrecht (Kapitalgesellschaft vs. Gesellschafter der Personengesellschaft) sei etwa durch die zivilrechtliche Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern gerechtfertigt.697 In der abgeschirmten Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft entstehe „eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit, die von der indivi­ duellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesell­ schaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf.“698 Auch bei der steuerlichen Differenzierung zwischen na­ türlichen Personen und Gesellschaften gesteht das BVerfG dem Gesetz­ geber einen weiten Gestaltungsraum zu, was zuletzt in einer Entschei­ dung über die Regelung des § 7 Satz 2 GewStG deutlich wurde.699 Diese Regelung, nach der die Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, Teilbe­ triebs oder Mitunternehmeranteils nur der Gewerbesteuer unterliegt, soweit sie nicht auf natürliche Personen als Mitunternehmer entfällt, sei als „Teil der Bestimmung des Steuergegenstandes“700 anzusehen und an ihre Rechtfertigung „keine hohen Anforderungen zu stellen.“701 Anders verhält es sich demgegenüber, wenn die rechtsformabhängige Differenzierung keine Rückkopplung zum Belastungsgrund der Steuer oder zum Normzweck der jeweiligen Regelung aufweist. So hat das BVerfG entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung, deren Gewäh­ ­ 694 Vgl. P. Kirchhof, StuW 2006, S. 3 (11). 695 BVerfG, Beschluss v. 21. 6. 2006, 2 BvL 2/99, BGBl. I 2006, S. 1857 = BVerfGE 116, 164 = juris, Rz. 119. 696 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 21. 6. 2006, 2 BvL 2/99, BGBl. I 2006, S. 1857 = BVerfGE 116, 164 = juris, Rz. 118 f.; BVerfG, Beschluss v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BGBl. I 2010, S. 1766 = BVerfGE 127, 224 = juris, Rz. 61 f. 697 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 21. 6. 2006, 2 BvL 2/99, BGBl. I 2006, S. 1857 = BVerfGE 116, 164 = juris, Rz. 118. 698 BVerfG, Beschluss v. 21. 6. 2006, 2 BvL 2/99, BGBl. I 2006, S. 1857 = BVerfGE 116, 164 = juris, Rz. 118. 699 BVerfG, Urteil v. 10. 4. 2018, 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, S. 303 = juris, Rz. 112 ff. 700 BVerfG, Urteil v. 10. 4. 2018, 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, S. 303 = juris, Rz. 116. 701 BVerfG, Urteil v. 10. 4. 2018, 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, S. 303 = juris, Rz. 115.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

rung allein von der Rechtsform des umsatzsteuerlichen Unternehmers abhängig gemacht wird, mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren ist.702 Betroffen war eine Umsatzsteuerbefreiung, die nur für Leistungen galt, die durch selbständige Ärzte, nicht aber durch in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organisierte Krankenhäuser erbracht werden. Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund und der umsatzsteuerliche Entlas­ tungszweck (dort: Entlastung der Sozialversicherungsträger) hatten im gegebenen Fall keinen Bezug zur jeweiligen Rechtsform unternehmeri­ scher Betätigung, so dass eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbe­ handlung nicht erkennbar war.703 Als Zwischenergebnis ist deshalb festzuhalten, dass Rechtsformneutrali­ tät der Besteuerung nicht eine unbedingte, einheitliche Besteuerung, sondern steuerrechtliche „Rechtsformgerechtigkeit und Rechtsforman­ gemessenheit“704 verlangt. Dem Gesetzgeber verbleibt insgesamt eine weite Gestaltungs- und Differenzierungsfreiheit; die Differenzierung nach Rechtsform ist jedoch nur insoweit zu rechtfertigen, als sich in der unterschiedlichen Rechtsform auch eine unterschiedliche wirtschaft­ liche Leistungsfähigkeit niederschlägt705 oder der Belastungsgrund der Steuer oder der Normzweck der Regelung Anlass zur Unterscheidung geben.706 Es reicht also nicht aus, wenn zur Rechtfertigung auf irgendwelche Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften verwie­ sen wird; vielmehr müssen diese für die betroffene Regelungsmaterie auch relevant sein. 3.1.2.3.1.3 Rechtfertigung durch zivilrechtliche Unterschiede? Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der §§ 5, 6, und 7 Abs. 2 GrEStG auf Gesamthandsgemeinschaften lag dem BFH bereits mehrfach vor und wurde stets durch Verweis auf die strukturellen Unter­ schiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zurückgewie­ sen.707 Die Ungleichbehandlung der beiden Gesellschaftsformen sei we­ gen der unterschiedlichen eigentums- und haftungsrechtlichen Struktur 702 BVerfG, Beschluss v. 10. 11. 1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151. 703 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 10. 11. 1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151 = juris, Rz. 17. 704 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 13, Rz. 174. 705 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 13, Rz. 172 und 174. 706 BVerfG, Beschluss v. 21. 6. 2006, 2 BvL 2/99, BGBl. I 2006, S. 1857 = BVerfGE 116, 164 = juris, Rz. 118. 707 BFH, Urteil v. 22. 6. 1966, II 165/62, BFHE 86, S. 520; BFH, Beschluss v. 23. 8. 2004, II B 122/03, juris; BFH, Urteil v. 18. 3. 2005, II R 21/03, BFH/NV 2005, S. 1867; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

sowie des Wesens des Gesamthandseigentums als „Sondervermögen der Gesellschafter selbst“ gerechtfertigt und liege deshalb nicht „außerhalb des Rahmens des freien gesetzgeberischen Ermessens.“708 Im Lichte der neuen Gesamthandslehre verliert dieser Rechtfertigungs­ ansatz erheblich an Überzeugungskraft, da das Gesellschaftsvermögen inzwischen nicht mehr als Sondervermögen der Gesellschafter angese­ hen, sondern der Gesamthandsgemeinschaft als selbständiger Vermögen­ strägerin zugerechnet wird.709 Wie oben festgestellt, verbleiben aus heu­ tiger Sicht im Wesentlichen wirtschaftliche Gesichtspunkte, die die Steuerbefreiung des Übergangs zwischen Gesamthand und Gesamthän­ dern begründen können.710 Diese wirtschaftlichen Erwägungen kommen jedoch auch für Kapitalgesellschaften zum Tragen. So wird man auch bei einer Grundstücksübertragung zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter daran zweifeln dürfen, ob dies eine Wertsteigerung der Grundstücksbeteiligung mit sich bringt. Ebenso wie bei der Per­ sonengesellschaft fehlt es auch hier an einer Leistungsfähigkeit indizie­ renden Markttransaktion, da die Grundstücksbeteiligung und die Ge­ sellschaftsbeteiligung sich im Vermögen derselben Person befinden. Im Hinblick auf den grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrund ist der Grund­ stücksübergang zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesell­ schafter somit nicht weniger entlastungswürdig als bei einer Gesamt­ handsgemeinschaft. Eine Rechtfertigung der festgestellten Ungleichbehandlung kann allen­ falls dann gelingen, wenn man den Maßstab niedrig im Sinne einer blo­ ßen Willkürprüfung ansetzt und beliebige, grunderwerbsteuerrechtlich nicht relevante Rechtsformunterschiede zur Rechtfertigung genügen lässt. Grunderwerbsteuerlich unbedeutend ist etwa die unterschiedli­ che Haftungsverfassung von Personen- und Kapitalgesellschaften, denn Grundstücke, die sich im Vermögen der Gesellschaft befinden, zählen unabhängig von deren Rechtsform zur Haftungsmasse. Dass (außerhalb des praktischen Regelfalles der GmbH & Co. KG) auch die Gesellschaf­ ter für Gesellschaftsverbindlichkeiten unbeschränkt haften, ist im Hin­ blick auf die Gesellschaftsgrundstücke ohne Erkenntniswert. Ein derart niedriger Rechtfertigungsstandard, der jegliche Rechtsformunterschiede als Differenzierungsgrund gelten lässt, ist hier aufgrund der Schwere des 708 BFH, Urteil v. 22. 6. 1966, II 165/62, BFHE 86, S. 520 = juris, Rz. 12. Eine gegen dieses Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht ange­ nommen, vgl. BVerfG, Beschluss v. 16. 5. 1969, 1 BvR 600/66, HFR 1969, S. 398. 709 Zweifelnd auch K.-D. Drüen, Ubg 2019, S. 65 (75). 710 Siehe oben Abschnitt 3.1.2.2.2, S. 103.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

gegebenen Eingriffs – immerhin wird einer Gruppe von Steuersubjekten in einer vergleichbaren Situation eine Steuerbefreiung versagt – abzuleh­ nen. Nach hier vertretener Auffassung liegt in der Begrenzung des An­ wendungsbereichs der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG auf Gesamthandsgemein­ schaften somit ein nicht gerechtfertigter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 3.1.2.3.2  EU-Beihilferecht Als Steuervergünstigungsnormen unterliegen die §§ 5 ff. GrEStG den Vorgaben des unionsrechtlichen Beihilfeverbots. Da die Steuerbefreiun­ gen nur auf Gesamthandsgemeinschaften anwendbar sind, stellt sich die Frage, ob diese eine selektive „Begünstigung bestimmter Unternehmen“ im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV bewirken. Die Relevanz des EU-Bei­ hilfeverbots auch für den Bereich der Grunderwerbsteuer verdeutlicht die kürzlich erfolgte Überprüfung des Beihilfecharakters des § 6a GrEStG (Steuerbegünstigung für konzerninterne Umstrukturierungen) durch den EuGH.711 Anders als der mit Wirkung zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene § 6a GrEStG sind die §§ 5, 6 und 7 GrEStG bereits im Rahmen des GrEStG 1940712 und damit vor Inkrafttreten der europäischen Verträge eingeführt worden.713 Dies bedeutet, dass die §§ 5, 6 und 7 GrEStG, soweit man ih­ nen materiell-rechtlich Beihilfecharakter zumessen würde, als bestehende Beihilfen im Sinne des Art. 1 lit. b) i) der Beihilfeverfahrens-VO714 (sog. Altbeihilfen) zu qualifizieren wären. Altbeihilfen unterliegen nicht der Notifizierungspflicht des Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV und fallen nicht unter das rückwirkende Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, sondern können von der Kommission lediglich im Sinne des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 AEUV „fortlaufend überprüft“ werden.715 Eine Un­ vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt kann für Altbeihilfen lediglich mit

711 Siehe EuGH, Urteil vom 19. 12. 2018, C-374/17 („A-Brauerei“), ABlEU 2019/C 65/8 = ECLI:EU:C:2018:1024 nach Vorlage durch BFH, Beschluss v. 30. 5. 2017, II R 62/14, DStR 2017, S. 1324.  712 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585. 713 Lediglich die Nachbehaltensfristen in § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG wur­ den erst 1999 bzw. 2001 hinzugefügt. Dies sollte beihilferechtlich unbeachtlich sein, da diese Regelungen keine Steuerbegünstigungswirkung entfalten, sondern lediglich die bestehende Regelung einschränken. Es liegt daher keine Umgestaltung bestehender Steuervergünstigungen i.S.d. Art. 108 Abs. 3 AEUV vor, die zu einer Notifizierungspflicht führt. 714 Beihilfeverfahrens-VO v. 13. 7. 2015, ABlEU 2015/L 248/9. 715 J. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 1. Aufl. (2015), Rz. 9.58.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

Wirkung für die Zukunft (ex nunc) festgestellt werden,716 so dass dem betreffenden Mitgliedsstaat in der Regel die Möglichkeit zu einer beihil­ ferechtskonformen Modifikation der – ununterbrochen anwendbaren – Regelung bleibt.717 Ob die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG materiell-rechtlich den Charakter einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV aufweisen, ist fraglich. Un­ vereinbar mit dem Binnenmarkt sind danach „staatliche oder aus staat­ lichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den ­ Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, […] soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ Zentraler Beurtei­ lungsmaßstab ist regelmäßig das Kriterium der Selektivität, worunter verstanden wird, dass eine begünstigende Maßnahme nur für bestimmte (Gruppen von) Unternehmen oder bestimmte Wirtschaftszweige in ei­ nem Mitgliedstaat gilt.718 Den übrigen Tatbestandsmerkmalen kommt keine eigenständige Bedeutung zu, da es Kommission719 und EuGH720 in ihrer Prüfpraxis regelmäßig genügen lassen, dass die in Rede stehende Maßnahme geeignet ist, eine Beeinträchtigung des Handels und Verfäl­ schung des Wettbewerbs hervorzurufen.721 Die materielle Selektivität wird im Wege einer dreistufigen Prüfung untersucht, wobei im ersten Schritt ein Bezugssystem im Sinne einer steuerlichen „Normalbelas­ tung“ ermittelt wird und im zweiten Schritt geprüft wird, ob die Maßnahme insofern eine Abweichung von diesem System darstellt, als sie zwischen Wirtschaftsbeteiligten differenziert, die sich unter Berück­ sichtigung der inhärenten Ziele des Systems in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage befinden (sog. prima-facie-Selektivität).722 Wird die 716 U. Soltész/C. Wagner, EuZW 2013, S. 856 (856). 717 Vgl. J. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 1. Aufl. (2015), Rz. 9.58. 718 Sog. materielle Selektivität. Vgl. Bekanntmachung der EU-Kommission zum Bei­ hilfebegriff, AblEU 2016/C 262/01, Rz. 120. 719 Bekanntmachung der EU-Kommission zum Beihilfebegriff, AblEU 2016/C 262/01, Rz. 190. 720 Vgl. EuGH, Urteil v. 15. 6. 2006, C-393/04 und C-41/05 („Air Liquide Industries Belgium“), Slg. 2006, I-5293 = ECLI:EU:C:2006:403, Rz. 34 m.w.N. 721 Die Einstufung als selektive Begünstigung entfaltet insoweit Vermutungswir­ kung. Dies kommt in der Praxis einem „automatischen Schluss“ von der Begüns­ tigung auf die Wettbewerbsverfälschung gleich; kritisch hierzu J. Hey, StuW 2015, S. 331 (343). 722 Vgl. EuGH, Urteil v. 8. 9. 2011, C-78/08 bis C-80/08 („Paint Graphos“), Slg. 2011, I-7611 = ECLI:EU:C:2011:550, Rz. 49 m.w.N.; EuGH, Urteil v. 9. 10. 2014, C-522/13 („Navantia“), HFR 2014, S. 1134 = ECLI:EU:C:2014:2262, Rz. 35; Be­ kanntmachung der EU-Kommission zum Beihilfebegriff, AblEU 2016/C 262/01,

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Maßnahme als prima facie selektiv erachtet, ist in einem dritten Prü­ fungsschritt zu ermitteln, „ob die abweichende Maßnahme durch die Natur oder den inneren Aufbau des (Bezugs-) Systems gerechtfertigt ist.“723 Die – hier nur überblicksartig dargestellte – Prüfmethodik von Kommis­ sion und EuGH begegnet dogmatischer Kritik, da sich die Tatbestands­ ebene (prima-facie-Selektivität) und die Rechtfertigung inhaltlich inso­ weit überschneiden, als die zur Rechtfertigung heranzuziehenden Systemprinzipien bereits bei der Feststellung der Systemabweichung zum Tragen kommen.724 Problematisch ist auch die Bestimmung des Be­ zugssystems, da hier zum einen die allgemeine – und nicht unumstritte­ ne – Belastungskonzeption der Grunderwerbsteuer in Betracht kommt, aber auch ein engeres Verständnis, etwa die Besteuerung des Grund­ stücksübergangs zwischen Gesellschaft und Gesellschafter oder die Be­ steuerung rechtlicher Grundstücksübergänge, bei denen wirtschaftlich keine Veränderung eintritt, denkbar wäre. Begreift man die Grunderwerbsteuer mit der hier vertretenen Auffassung als eine am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtete Steuer, die wirt­ schaftliche Grundstücksumsätze am Markt zu belasten sucht, und be­ trachtet man dies auch als das für die Selektivitätsprüfung relevante Be­ zugs- oder Referenzsystem, bilden die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG schon keine Abweichung vom Bezugssystem, sind also bereits prima facie nicht selektiv. Für die beihilferechtliche Einordnung der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG genügt dann der Hinweis auf das obige Ergebnis, dass die Rege­ lung sich folgerichtig in das Grunderwerbsteuersystem einfügt, indem sie Vorgänge, die zu keiner besteuerungswürdigen wirtschaftlichen Ver­ änderung führen, von der Besteuerung ausnimmt.725 Sieht man die Grunderwerbsteuer demgegenüber als Verkehrsteuer ma­ terieller Typologie an,726 liegt das Bezugssystem in der Besteuerung jedes Rechtssträgerwechsels an einem Grundstück. Eine derartige Einordnung Rz. 128; J. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 1. Aufl. (2015), Rz. 9.16 ff.; J. Hey, StuW 2015, S. 331 (339). 723 Vgl. EuGH, Urteil v. 8. 9. 2011, C-78/08 bis C-80/08 („Paint Graphos“), Slg. 2011, I-7611 = ECLI:EU:C:2011:550, Rz. 64; EuGH, Urteil v. 9. 10. 2014, C-522/13 („Na­ vantia“), HFR 2014, S. 1134 = ECLI:EU:C:2014:2262, Rz. 42; Bekanntmachung der EU-Kommission zum Beihilfebegriff, AblEU 2016/C 262/01, Rz. 128. 724 Vgl. C. Jennert/B. Ellenrieder, EWS 2011, S. 305 (307 f.); J. Englisch, in: Schaum­ burg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 1. Aufl. (2015), Rz. 9. 725 Siehe Abschnitt 3.1.2.2.2, ab S. 103. 726 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 135; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 2.

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3.1.2  Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen

hat der EuGH in seiner Entscheidung zu § 6a GrEStG vorgenommen.727 In den gesamthandsbezogenen Steuerbefreiungen läge danach eine Ab­ weichung von der „Normalbelastung“. Bei dieser Sichtweise kann der den §§ 5 ff. GrEStG zu Grunde liegende Systemgedanke erst auf der Prü­ fungsstufe der Rechtfertigung berücksichtigt werden. Der von der EU-­ Kommission als Rechtfertigungsgrund anerkannte „Grundsatz der Steu­ erneutralität“728 sollte dann zur Rechtfertigung herangezogen werden können.729 Darüber hinaus könnte hier ähnlich wie bei § 6a GrEStG eine Rechtfertigung dadurch gelingen, dass mit der Regelung eine „Doppelbe­ steuerung“ vermieden werden soll und sie sich insoweit aus der Natur und dem Aufbau des Systems ergibt.730 Zu einem anderen Ergebnis könnte man gelangen, wenn man als Re­ ferenzsystem die Besteuerung des Grundstücksübergangs zwischen ­Gesellschaften und ihren Gesellschaftern ansähe. Dann ließe sich eine Vergleichsgruppe zwischen Kapitalgesellschafts- und Personengesell­ schaftsbeteiligungen bilden, und eine rechtsformbezogene Ungleich­ behandlung wäre prima facie festzustellen. Hiergegen ist allerdings ­einzuwenden, dass das EU-Beihilfeverbot keine umfassende gleichheits­ rechtliche Überprüfung ermöglicht.731 Das Beihilfeverbot richtet sich nicht gegen die unvollkommene Umsetzung einer gesetzgeberischen Be­ lastungsentscheidung, sondern greift Steuervergünstigungen mit Len­ kungscharakter auf.732 Die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sind, wie bereits fest­ gestellt wurde,733 materiell keine Steuervergünstigungen, sondern tragen dem grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrund Rechnung. Damit schei­ det es aus, ihnen den Charakter einer Beihilfe im Sinne des Art. 107

727 EuGH, Urteil vom 19. 12. 2018, C-374/17 („A-Brauerei“), ABlEU 2019/C 65/8 = ECLI:EU:C:2018:1024, Rz. 39. 728 Bekanntmachung der EU-Kommission zum Beihilfebegriff, AblEU 2016/C 262/01, Rz. 139; EU-Kommission, Entscheidung v. 5. 6. 2002, C 27/99 (ex NN 69/98), Ab­ lEU 2003/L 77/21, S. 76 ff. 729 Siehe insbesondere EU-Kommission, Entscheidung v. 5. 6. 2002, C 27/99 (ex NN 69/98), AblEU 2003/L 77/21, Rz. 81 In dieser Entscheidung betreffend eine speziel­ le Steuerbefreiung für die Umstrukturierung italienischer Kommunalunterneh­ men wurde die Rechtfertigung bejaht, weil „die Logik dieser Befreiung das korrek­ te Funktionieren und die Effizienz des Steuersystems“ widerspiegle und auf dem „Grundsatz der steuerlichen Neutralität, die ein grundlegendes Prinzip des Abga­ bensystems darstellt“, beruhe. 730 Vgl. EuGH, Urteil vom 19. 12. 2018, C-374/17 („A-Brauerei“), ABlEU 2019/C 65/8 = ECLI:EU:C:2018:1024, Rz. 52. 731 Vgl. J. Hey, StuW 2015, S. 331 (334 f.). 732 J. Hey, StuW 2015, S. 331 (334). 733 Siehe Abschnitt 3.1.2.2.3, ab S. 106.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Abs. 1 AEUV beizumessen, auch wenn sie nicht sämtliche entlastungs­ würdigen Personen und Sachverhalte erfassen. Unabhängig hiervon spricht gegen den Beihilfecharakter auch, dass der durch die Regelung privilegierte Kreis nicht weniger als sämtliche Ge­ samthandsgemeinschaften umfasst und somit keine hinreichend bestimmbare Gruppe von Unternehmen begünstigt wird. 3.1.2.4 Ergebnis Die grunderwerbsteuerrechtlich anerkannte Rechtssubjektivität der Per­ sonengesellschaft kann nicht unmodifiziert bleiben, sondern macht ge­ setzliche Korrekturen beim Gesellschafterwechsel und bei Grundstücks­ übertragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erforderlich. Die Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sind systema­ tisch zutreffend und stehen im Einklang mit der Belastungsentschei­ dung, wirtschaftliche Grundstücksumsätze am Markt zu erfassen, wel­ che beim Übergang zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorliegen. Infolge des Wandels der zivilrechtlichen Rezeption der Ge­ samthand ist jedoch der rechtfertigende Differenzierungsgrund dafür weggefallen, dass die Steuerbefreiung nur für Gesamthandsgemeinschaf­ ten gilt. Die wirtschaftlichen Aspekte, aus denen sich die Regelung er­ klärt, treffen auf den Übergang zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern gleichermaßen zu. Die Privilegierung der Personenge­ sellschaft verstößt zwar nicht gegen EU-Beihilferecht, aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber ist gefordert, die Regelung nicht zu strei­ chen, sondern auch für Kapitalgesellschaften zu öffnen.734

3.2 Gesellschafterwechsel 3.2.1 Vor- und Rahmenbedingungen Der Gesellschafterwechsel in einer Personengesellschaft wird entweder originär durch Änderung des Gesellschaftsvertrags735 oder derivativ im Wege der rechtgeschäftlichen Anteilsübertragung736 vollzogen. 734 Siehe auch Reformvorschlag in Abschnitt 4.3.3, ab S. 296. 735 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 345 f.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 17 ff.; S. Gottwald, in: Festschrift S. Spiegel­ berger (2009), S. 150 (154); G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 103. 736 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 387; W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 349 ff.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 25 ff.;

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3.2.1  Vor- und Rahmenbedingungen

Unter dem originären Erwerb eines Gesellschaftsanteils versteht man den gesellschaftsvertraglich vereinbarten Eintritt eines neuen Gesell­ schafters, der regelmäßig mit einer Einlage und Erhöhung des Gesell­ schaftskapitals einhergeht.737 Die gesamthänderische Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen wächst dem Neugesellschafter hierbei kraft seiner Mitgliedschaft (und unabhängig von einer kapitalmäßigen Beteili­ gung) zu.738 Ein originärer Erwerb kann auch dann vorliegen, wenn ein Altgesellschafter aus- und gleichzeitig ein Neugesellschafter eintritt, so­ weit dies nicht durch Übertragung, sondern jeweils per Vereinbarung mit den übrigen Gesellschaftern erfolgt.739 Der Neugesellschafter wird hier­ bei nicht Rechtsnachfolger des Altgesellschafters;740 stattdessen erfolgt der Übergang im Wege der Anwachsung mit anschließender „Abwachs­ ung“ bei den Mitgesellschaftern.741 Der derivative Erwerb erfolgt demgegenüber durch rechtsgeschäftliche Übertragung der Mitgliedschaft vom Alt- auf den Neugesellschafter.742 Obwohl der Gesellschaftsvertrag bei diesem Vorgang nicht geändert wird,743 ist die Übertragung nur mit Zustimmung der Mitgesellschafter möglich.744 Neben der Einzelrechtsnachfolge kann der derivative Erwerb auch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung oder im Wege der Teilrechtsnachfolge durch Spaltung erfolgen.745 In allen Fällen des Gesellschafterwechsels verbleibt die Rechtszuständig­ keit hinsichtlich der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstü­ S.  Gottwald, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 150 (154 f.); G. Hofmann/​ R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 104. 737 S. Gottwald, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 150 (154). 738 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 65. Siehe auch vorstehend Abschnitt 2.2.1.3.2, S. 82. 739 C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 17; G. Hofmann/​ R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 106. 740 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 106. 741 Vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 17. 742 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 387; W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 349 ff.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 25 ff.; S.  Gottwald, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 150 (154 f.); G. Hofmann/​ R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 104. 743 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 350. 744 W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 352; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts (1970), S. 388 ff.; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 719, Rz. 27; W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 719, Rz. 14; S. Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), § 719, Rz. 8. 745 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 104.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

cke bei der Gesellschaft.746 Es ändert sich nur der Mitgliederbestand, nicht das dem Gesellschaftszweck gewidmete Gesellschaftsvermögen.747 Die grunderwerbsteuerlichen Ausgangstatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG werden mangels eines Übergangs des Eigentums am Grundstück nicht verwirklicht. Grunderwerbsteuer kann infolge eines Gesellschafter­ wechsels daher grundsätzlich nur erhoben werden, wenn besondere ­Tatbestände (sog. „Ergänzungstatbestände“748) dies bestimmen. Mit § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG existieren derzeit drei verschiedene Vorschriften, die den Gesellschafterwechsel bei einer Personengesell­ schaft grunderwerbsteuerlich erfassen. Die Besteuerung des Gesellschaf­ terwechsels steht grundsätzlich im Einklang mit dem grunderwerb­ steuerlichen Belastungsgrund, wirtschaftliche Grundstücksumsätze am Markt zu besteuern und dient der Sicherstellung der verfassungsrecht­ lich gebotenen gleichmäßigen Erfassung vergleichbarer wirtschaftlicher Sachverhalte. Umgekehrt verlangt der Gleichheitssatz aber auch, dass nur solche Vorgänge besteuert werden, die der Übertragung des Eigen­ tums an einem Grundstück auch tatsächlich wirtschaftlich gleichkom­ men. Diese Vorgabe wurde vom Gesetzgeber nicht durchgängig berück­ sichtigt, wie sich nachfolgend zeigen wird.

3.2.2 Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) 3.2.2.1 Grundzüge und Historie der gesetzlichen Regelung § 1 Abs. 2a GrEStG statuiert einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang, wenn innerhalb von fünf Jahren eine Änderung im Gesellschafterbestand einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft dergestalt erfolgt, dass mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Rechtsfolge ist die Fiktion („gilt als“) eines auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäfts. Als § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen des JStG 1997749 eingeführt wurde, war es das erklärte gesetzgeberische Ziel, die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften der Grunderwerbsteuer zu 746 Vgl. W. Flume, Die Personengesellschaft (1977), S. 371. 747 Vgl. U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Perso­ nalgesellschaften des Handelsrechts (1970), S. 63 f., der allerdings noch nach tradi­ tioneller Diktion vom „gesamthänderischen Sondervermögen“ spricht. 748 Zur fehlenden materiellen Aussagekraft der Unterscheidung zwischen „Grund-“ und „Ergänzungstatbeständen“ siehe Abschnitt 2.1.2.3.2.2, S. 35. 749 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

unterwerfen, „wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung des Grundstücks gleichkommt.“750 Zur Begründung wurde weiter fol­ gendes ausgeführt: „Bislang konnte durch die ausschließlich zivilrechtlich orientierte Rechtspre­ chung des Bundesfinanzhofs in Fällen, in denen ein Zwerganteil zurückbehalten wurde oder auch nur ein Gesellschafter formal in der Altgesellschaft verblieb, Grunderwerbsteuer in erheblichem Umfange nicht festgesetzt werden. Diese Möglichkeit der missbräuchlichen Steuervermeidung soll beseitigt werden.“751

Der Verweis auf die „ausschließlich zivilrechtlich orientierte Rechtspre­ chung“ des BFH bezieht sich auf dessen Auslegung des § 1 Abs. 3 GrEStG, wonach als „Anteil der Gesellschaft“ im Sinne dieser Vorschrift die aus der Mitgliedschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung ohne Berücksichtigung der kapitalmäßigen Beteiligung zu verstehen sei.752 In­ folge dieser Rechtsprechung ist eine unmittelbare Vereinigung der Antei­ le einer Personengesellschaft „in einer Hand“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG grundsätzlich nicht denkbar,753 so dass die Grunderwerbsteuer beim Gesellschafterwechsel in einer Personengesellschaft bereits durch den Verbleib eines nicht am Kapital beteiligten Altgesellschafters ver­ mieden werden konnte.754 Die auf § 42 AO gestützte Missbrauchsrecht­ sprechung des BFH755 griff wiederum nur in engen Grenzen ein, wenn der Gesellschafterbestand vollständig ausgewechselt wurde und die be­ treffende Grundstückspersonengesellschaft ausschließlich vermögens­ verwaltend tätig war.756 Der Gesetzgeber hat also eine aus der Recht­ sprechung bekannte Fallkonstellation aufgegriffen und tatbestandlich erweitert. Steuerbar ist sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands. Eine unmittelbare Änderung liegt nach stän­ diger Rechtsprechung des BFH vor, wenn ein „Mitgliedschaftsrecht ein­ schließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesell­ 750 Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14. 751 Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14. 752 Vgl. BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 22. Siehe mit eingehender Kritik an diesem Anteilsbegriff auch Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193. 753 BFH, Beschluss v. 17. 10. 1973, II B 38/73, BStBl. II 1974, S. 41 = juris, Rz. 8. 754 Nach BFH, Urteil v. 4. 12. 1991, II R 18/89, BFH/NV 1992, S. 338 ist dies auch kein Fall des § 42 AO. 755 BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598; BFH, Urteil v. 4. 12. 1991, II R 18/89, BFH/NV 1992, S. 338. 756 Siehe bereits Abschnitt 2.1.3.2.2.6.1, S. 65.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

schaftsvermögen“ zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht.757 Die Steuer wird (anders als bei § 1 Abs. 1 und Abs. 3 GrEStG) nicht schon durch das Verpflichtungsgeschäft, sondern erst durch den dinglichen Übergang der Gesellschaftsanteile ausgelöst.758 Bei der Bestimmung, ob das erforderliche Quantum von 95% erreicht ist, wird auf den wertmäßigen Anteil am Gesellschaftsver­ mögen, d.h. auf den buchmäßigen Kapitalanteil zzgl. des Anteils der auf ihn entfallenden stillen Reserven abgestellt.759 Der Anteilsbegriff ent­ spricht damit dem der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG.760 Die wertmäßige Be­ trachtung wird bei § 1 Abs. 2a GrEStG nicht aus dem Wortlaut deutlich; sie ergibt sich aber zwingend aus der Gesetzessystematik, denn bei einer „Pro-Kopf-Betrachtung“ liefe der Tatbestand weitestgehend leer. Wann eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands vorliegt, war lange Zeit umstritten und wurde erst durch eine Einfügung im Rah­ men des StÄndG 2015761 zumindest partiell gesetzlich definiert. Danach soll bei mehrstöckigen Personengesellschaftsbeteiligungen eine Multi­ plikation der Vomhundertsätze der jeweiligen Beteiligungsquoten erfol­ gen,762 während bei beteiligten Kapitalgesellschaften eine stufenweise Betrachtung vorgeschrieben wird, bei der auf jeder Ebene zu prüfen ist, ob die Anteile an der jeweiligen Kapitalgesellschaft zu 95% auf neue Gesell­ schafter übergegangen sind.763 Neben gesellschaftsrechtlichen Vorgängen sollen nach der Rechtsprechung des BFH jedoch auch schuldrechtliche Beziehungen wie Treuhandverhältnisse764 oder Optionsgeschäfte765 eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands verursachen können.766

757 BFH, Urteil v. 27. 4. 2005, II R 61/03, BStBl. II 2005, S. 649 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266 = juris, Rz. 18; BFH, Urteil v. 16. 5. 2013, II R 3/11, BStBl. II 2013, S. 963 = juris, Rz. 8; BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 12. 758 BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291 = juris, Rz. 12. 759 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 29; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 100; S. Kiebele, in: Zimmer­ mann et al. (Hrsg.), Die PersG im Steuerrecht, 12. Aufl. (2017), S. 1369 (1383), Rz. 30; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 796; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 286. 760 Dazu grundlegend BFH, Urteil v. 31. 5. 1972, II R 9/66, BStBl. II 1972, S. 833. 761 StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834. 762 Vgl. § 1 Abs. 2a S. 2 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015. 763 Vgl. § 1 Abs. 2a S. 3 bis 5 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015. 764 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490. 765 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667. 766 Siehe hierzu ausführlich und kritisch Abschnitt 3.2.2.3.2, S. 153.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Gegenüber den Tatbeständen § 1 Absätze 3 und 3a GrEStG ist § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig anzuwenden. Diese können nur eingreifen, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt.767 Anders als im Rahmen von § 1 Absätze 3 und 3a GrEStG reicht es für die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG aus, dass die Anteile auf – beliebige – neue Gesellschafter übergehen, d.h. es ist keine Verei­ nigung von 95% der Gesellschaftsanteile in einer Hand erforderlich. ­Damit erfasst der Tatbestand die in der Praxis häufig als Personengesell­ schaft ausgestalteten Immobilienfonds und Grundstücksprojekt­ gesell­ schaften, die sich zur Projektdurchführung Kapital beschaffen, indem sie weitere Gesellschafter aufnehmen.768 Während § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ihrem Wortlaut nach rechts­ formneutral ausgestaltet sind und dadurch sowohl Kapital- als auch Per­ sonengesellschaften erfassen, gilt § 1 Abs. 2a GrEStG ausschließlich für Personengesellschaften. Erfasst werden hierbei alle Personengesellschaf­ ten ungeachtet ihrer Unternehmenstätigkeit. Die von Teilen des Schrift­ tums769 geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift auf vermögens­ verwaltende reine Grundstückspersonengesellschaften wurde vom BFH aufgrund des eindeutigen Regelungswortlauts zurückgewiesen.770 § 1 Abs. 2a GrEStG dient ausweislich der Gesetzesmaterialien zwar der Missbrauchsverhinderung.771 Der Gesetzgeber hat sich jedoch dafür ent­ schieden, nicht auf eine – mitunter schwer nachweisbare – Missbrauchs­ absicht abzustellen, sondern die aus seiner Sicht typische Umgehungs­ konstellation auf objektiver Tatbestandsebene abzubilden.772 Dies bedeutet, dass der Tatbestand weder eine subjektive Steuerumgehungs­ absicht verlangt, noch durch den Nachweis widerlegt werden kann, dass diese fehlt.773 Ob die Grenzen der gesetzgeberischen Typisierungsbefug­ nis eingehalten wurden, wird in den nachfolgenden Abschnitten noch untersucht.

767 Siehe § 1 Abs. 3 Hs. 2 und § 1 Abs. 3a Hs. 1 GrEStG. 768 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 295; S. Kiebele, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), Die PersG im Steuerrecht, 12. Aufl. (2017), S. 1369 (1382), Rz. 28. 769 Vgl. A. Pahlke, in: Pahlke/Franz, GrEStG, 2. Aufl. (1999), § 1, Rz. 273; G. Wiese, UVR 2004, S. 58 (59 ff.); G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 107 ff.; J. Wrenger, DB 1998, S. 798. 770 BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777 = juris, Rz. 16 ff. 771 Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14. 772 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. (2011), § 1, Rz. 822. 773 Vgl. P. Fischer, DStR 1997, S. 1745 (1748).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.2.2 Die Fiktion einer neuen Personengesellschaft 3.2.2.2.1 Zur rechtlichen und wirtschaftlichen Identität der Personengesellschaft nach Gesellschafterwechsel Rechtsfolge des § 1 Abs. 2a GrEStG ist, dass der Gesellschafterwechsel „als ein auf den Übergang auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft“ gilt. Mit dieser rechtstechnischen Konzeption weicht der Gesetzgeber von der Technik der zuvor bekannten Ersatz- bzw. Er­ gänzungstatbestände in § 1 Absätze 2 und 3 GrEStG ab. Es wird nicht auf die veränderte Grundstückszuordnung zu einer neuen, hinter der Gesell­ schaft stehenden Person abgezielt, sondern eine veränderte Identität der Gesellschaft selbst unterstellt. Identität besagt, dass ein Gegenstand trotz der Veränderungen, die in ihm vorgehen oder auf ihn einwirken, seine Wesensgleichheit behält und folglich als derselbe erkannt wird.774 Der Wechsel im Gesellschafter­ bestand der Personengesellschaft führt zu keiner Änderung von deren Identität. Denn durch die Bildung eines vom Privatvermögen abgetrenn­ ten Gemeinschaftsvermögens entsteht eine „überindividuelle Gemein­ schaftszuständigkeit“775. Die so begründete Rechtsgemeinschaft bleibt auch dann erhalten, wenn Gesellschafter ausscheiden oder neue hin­ zutreten.776 Die Identität wird grundsätzlich selbst dann bewahrt, wenn sämtliche Gesellschafter der Personengesellschaft ausgetauscht wer­ den.777 Dies wird auch von Vertretern der traditionellen Gesamthands­ theorie bejaht, die insoweit auf die Identität des zweckgebundenen ­Gesellschaftsvermögens bzw. des von der Gesellschaft betriebenen Un­ ternehmens verweisen.778 Der komplette Austausch der Mitglieder führt zwar zu einer „umfassenden Neuordnung des Innenverhältnisses“, be­ rührt aber die Rechtssubjektstellung der Personengesellschaft im Außen­ 774 H.-M. Müller-Laube, in: Festschrift E. Wolf (1985), S. 501 (503). 775 H.-M. Müller-Laube, in: Festschrift E. Wolf (1985), S. 501 (508). 776 Vgl. H.-M. Müller-Laube, in: Festschrift E. Wolf (1985), S. 501 (509). 777 U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalge­ sellschaften des Handelsrechts (1970), S. 402 ff.; H.-M. Müller-Laube, in: Fest­ schrift E. Wolf (1985), S. 501 (514). 778 Siehe U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Perso­ nalgesellschaften des Handelsrechts (1970), S. 404: „Die Identität im wechselnden Mitgliederbestand [wird] dadurch gewährleistet, dass das Gesellschaftsvermögen mit seinem Bestand und seiner Zweckbestimmung identisch bleibt. Die Identität der Handelsgesellschaft im Wechsel ihrer Mitglieder beruht also auf der Identität des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens. Das Gesellschaftsvermögen (im Fall der Handelsgesellschaft: das Unternehmen) bleibt aber auch dann erhal­ ten, wenn alle Gesellschafter wechseln.“

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

verhältnis nicht.779 Der von § 1 Abs. 2a GrEStG unterstellte „Übergang auf eine neue Personengesellschaft“ bleibt also ohne zivilrechtliche Fun­ dierung. Eine Veränderung der Gesellschaftsidentität lässt sich auch bei wirt­ schaftlicher Betrachtungsweise nicht feststellen. Der Wechsel im Gesell­ schafterbestand ist wesensbestimmend für die Personengesellschaft als lebenden Organismus und berührt deren Identität gerade nicht. Dies gilt selbst in den Fällen von Grundstücksprojektgesellschaften und geschlos­ senen Immobilienfonds, die sich ihr Investitionskapital über die Herein­ nahme neuer Gesellschafter beschaffen und dadurch innerhalb kurzer Zeit nach ihrer Gründung erhebliche Änderungen in ihrem Gesellschaf­ terbestand aufweisen. Der Gesellschaftszweck steht bei diesen Gesell­ schaften von Anfang an fest und bleibt unverändert; die Aufnahme neuer Gesellschafter ist notwendige Bedingung für die gesamte Investitions­ maßnahme. Von der Entstehung einer wirtschaftlich „neuen“ Gesell­ schaft kann beim von vornherein geplanten Eintritt dieser Gesellschafter nicht gesprochen werden.780 Da der Gesellschafterwechsel somit weder zivilrechtlich noch in der wirtschaftlichen Realität eine Identitätsveränderung bewirkt, ist das Konzept des § 1 Abs. 2a GrEStG als gesetzliche Fiktion einzuordnen. Fiktion ist die Vorstellung eines Sachverhalts im Bewusstsein, dass die­ ser nicht dem wirklichen Sachverhalt entspricht.781 Sie unternimmt die „gewollte Gleichsetzung eines als ungleich Gewussten“782 und erzeugt dadurch eine „alternative rechtliche Realität“783. Dies erfolgt hier durch die Verweisformel „gilt als“, die die Änderung des Gesellschafterbe­ stands mit einem rechtsgeschäftlichen Grundstückserwerb im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gleichsetzt und zur Herstellung dieser Verknüp­ fung die Vorstellung einer „neuen Personengesellschaft“ gebraucht.

779 Vgl. H.-M. Müller-Laube, in: Festschrift E. Wolf (1985), S. 501 (514). 780 Vgl. W. Joecks, BB 1997, S. 1921 (1923). 781 Zum Fiktionsbegriff siehe grundlegend E. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Neudruck der im Verl. Mohr erschienenen Aufl. von 1917 (1961), S. 101 ff.; F. ­Somló, Juristische Grundlehre, 2., unveränd. Aufl. (1927), S. 524 ff.; K. Larenz/​ C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 83 ff. 782 K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 83. 783 A. Arnauld, Rechtssicherheit (2006), S. 235 f.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.2.2.2 Die bisherige 95%-Beteiligungsschwelle im Grunderwerb­ steuerrecht Nach § 1 Abs. 2a GrEStG liegt ein steuerbarer Übergang auf eine fiktiv neue Personengesellschaft bereits dann vor, wenn 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Die 95%-Beteiligungsschwelle wurde erstmals im Rahmen des JStG 1997784 gesetzlich verankert. Die im Rahmen des JStG 1997 geschaffene erste Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG stellte zunächst auf eine „vollstän­ dige oder wesentliche Änderung“ des Gesellschafterbestands ab, wobei das Kriterium „wesentliche Änderung“ im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen war: „2Eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes ist anzunehmen, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des Grundstücks auf die neue Personengesellschaft darstellt. 3Dies ist stets der Fall, wenn 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.“785

Nach dem in Satz 3 der Vorschrift enthaltenen Regelbeispiel sollte eine wesentliche Änderung „stets“ gegeben sein, wenn mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter überge­ hen. Dies ließ den Schluss zu, dass auch Veränderungen unterhalb der 95%-­ Grenze Grunderwerbsteuer auslösen könnten. Da die Regelung aber keinen rechtlichen Maßstab für diese Beurteilung vorgab,786 wurde sie vom BFH wegen Unbestimmtheit im Hinblick auf Veränderungen unterhalb der 95%-Grenze für unanwendbar erklärt.787 Bereits im Rah­ men des StEntlG 1999/2000/2002788 wurde die Regelung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 geändert und das nach wirtschaftlichen Kriterien auszulegende Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit durch die heute gültige, feste Schwelle eines Übergangs von 95% der Anteile auf neue Gesellschafter ersetzt.789 Im gleichen Zuge wurde auch bei § 1 Abs. 3 GrEStG, der bis dahin nur bei Vereinigung oder Übertragung aller Anteile eingriff, das erforderliche

784 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049. 785 § 1 Abs. 2a S. 2 und 3 i.d.F. des JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049 (2062). 786 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 692; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 268. 787 BFH, Urteil v. 30. 4. 2003, II R 79/00, BStBl. II 2003, S. 890 = juris, Rz. 11. 788 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 789 Siehe § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402 (494).

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Quantum auf 95% abgesenkt.790 Hierdurch sollte den bis dahin üblichen Umgehungsgestaltungen durch Zurückbehaltung sogenannter Zwergan­ teile entgegengewirkt werden.791 Auch die zwischenzeitlich neu einge­ führten Regelungen des § 6a Satz 4 GrEStG (Abhängigkeitsdefinition im Rahmen des sog. Konzernklausel) sowie § 1 Abs. 3a GrEStG (Ergänzungs­ tatbestand bei der Begründung wirtschaftlicher Beteiligungen) stellen je­ weils auf Beteiligungsquoten von 95% ab. In der Literatur wird die – in den jeweiligen Regelungen durchaus unterschiedlich zu interpretieren­ de – 95%-Quote inzwischen auch allgemein als „grunderwerbsteuerli­ ches Quantum“ bezeichnet.792 Inzwischen enthält auch das Aktienrecht in § 327a AktG i.d.F. vom 20.12.2001793 (Übertragung von Aktien gegen Barabfindung, sog. aktien­ rechtlicher „Squeeze-Out“) eine 95%-Quote, worin Hofmann „eine nach­ trägliche Legitimation“ des grunderwerbsteuerlich relevanten Quantums erblickt.794 Die rein gedankliche Assoziation mit dem aktienrechtlichen Squeeze-Out ist für die von dieser Regelung nicht erfasste Personenge­ sellschaft jedoch ohne Erkenntniswert. Eine Beteiligungsquote von 95% stellt keine relevante Schwelle für die rechtliche Zu- oder Durchgriffs­ möglichkeit auf das Vermögen einer Personengesellschaft dar – weder dann, wenn Beschlüsse nach dem gesetzlich vorgesehenen Einstimmig­ keitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB) zu fassen sind, noch dann, wenn gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip (§ 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB) vereinbart wurde. Die Festlegung der relevanten Beteiligungshöhe auf gerade 95% ist viel­ mehr vom Gedanken getragen, Umgehungsgestaltungen zu verhindern, bei denen sog. Zwerganteile795 zurückbehalten werden.796 Es handelt sich um die gesetzgeberische Typisierung einer Situation, die der entspricht, in der ein Gesellschafter „alle Anteile“ hält. Diese Typisierung unter­ stellt, dass der Inhaber eines wertmäßigen Anteils von 95% an einer

790 Siehe § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402 (494). 791 Vgl. Gesetzentwurf zum StEntlG 1999/2000/2002 v. 9. 11. 1998, BT-Drs. 14/23, S. 203. 792 Vgl. etwa bei J. Schanko, DStR 2010, S. 148 (150); I. Stangl/M. Brühl, DStR 2016, S. 24 (25). 793 BGBl. I 2001, S. 3822. 794 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 132. 795 Zur früheren „Zwerganteils-Rechtsprechung“ des BFH siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.1, ab S. 59. 796 Vgl. Gesetzentwurf zum StEntlG 1999/2000/2002 v. 9. 11. 1998, BT-Drs. 14/23, S. 203.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

grundstücksbesitzenden Gesellschaft immer noch eine dem Eigentum am einem Grundstück vergleichbare Vermögensposition innehat. 3.2.2.2.3 Absenkung der relevanten Beteiligungsschwelle auf 90% Der Gesetzgeber plant derzeit eine umfassende Reform der grunderwerb­ steuerlichen Ergänzungstatbestände, zu der auch gehört, die relevante Beteiligungsschwelle von 95% auf 90% abzusenken.797 Zuvor war in mehreren Gesetzgebungsinitiativen eine noch weitergehende Herabset­ zung der Beteiligungsschwelle auf 75% oder 50% gefordert worden.798 Bei einer derart weitreichenden Absenkung wäre jedoch die bisherige Ty­ pisierung des Erwerbs einer dem Eigentum an einem Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG vergleichbaren Vermögensposition nicht mehr tragfähig, und die Grunderwerbsteuer geriete in die Nähe einer Kapitalverkehrsteuer.799 Denn wer mit 75% an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft be­ teiligt ist, hat keine dem Eigentum am Grundstück vergleichbare Ver­ mögensposition inne, sondern allenfalls einen ideellen Wertanteil von 75%.800 Die Ergänzungstatbestände könnten dann nicht mehr als typisie­ rende „Missbrauchsvorschriften“ zur Verhinderung der Umgehung von § 1 Abs. 1 GrEStG gerechtfertigt werden.801 Doch auch die zunächst vergleichsweise moderat erscheinende Herab­ senkung auf 90% könnte bereits außerhalb des zulässigen gesetzgeberi­ schen Typisierungsrahmens liegen.802 Wenn bis zu 10% der Anteile in den Händen anderer Personen bleiben, kann vom bloßen Rückbehalt ei­ nes „Zwerganteils“ nicht mehr gesprochen werden; die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit dem Alleineigentum ist bei einer 90%-Beteiligung nicht mehr gegeben. Auch die in der Literatur teilweise vertretene Legi­

797 Vgl. Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437. 798 Vgl. etwa Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen et al. im Bundestag „Spekulation mit Immobilien und Land beenden - Keine Steuerbegünstigung für Übernahmen durch Share Deals“ v. 1. 6. 2016, BT-Drs. 18/8617; Antrag des Landes Schleswig-Holstein im Bundesrat - „Beseitigung von Steuergestaltungen im Rah­ men von share deals und Unterstützung des Ersterwerbs von eigengenutzten Wohn­ immobilien“ v. 13. 9. 2017, BR-Drs. 627/17. 799 Siehe ausführlich Abschnitt 4.4.3.1.1, ab S. 306. 800 Der Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG umfasst zwar auch Miteigentumsanteile, nicht aber ideelle Grundstücksbruchteile oder Wertanteile. 801 Vgl. K.-D. Drüen, Ubg 2018, S. 605 (618 ff.); U. Hufeld, Share Deals in der Grund­ erwerbsteuer– Reformoptionen und Steuerverfassungsrecht, Gutachten im Auf­ trag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (2019), S. 39. 802 Vgl. F. Mörwald, DStZ 2019, S. 492 (497 f.).

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

timation der bisherigen 95%-Grenze durch die Möglichkeit des aktien­ rechtlichen Squeeze-out nach § 327a AktG803 fiele insoweit weg. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird ausgeführt, dass die 90%Beteiligungsschwelle „unter Berücksichtigung anderer steuerlicher Nicht­ beanstandungs- oder Vernachlässigbarkeitsgrenzen in Höhe von 10%“ gerechtfertigt sei.804 Ob ein in einem anderen Steuerrechtsgebiet verwen­ detes Kriterium eine hinreichende Rechtfertigung darstellen kann, er­ scheint jedoch zweifelhaft. Zudem sind vergleichbare Regelungskonzep­ te nicht ersichtlich. So bietet beispielsweise die in § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG geregelte 10%-Grenze, mit der zwischen steuerfreien sog. Schach­ teldividenden (bei Beteiligungen ab 10%) und steuerpflichtigen sog. Streubesitzdividenden (bei Beteiligungen unter 10%) unterschieden wird, keinen Erkenntniswert für die Grunderwerbsteuer, die ja genau um­ gekehrt denjenigen belastet, der einen besonders großen Anteil er­ wirbt. Auch die aus der Einkommen- und der Umsatzsteuer bekannten 10%-­Vereinfachungsregelungen für die Zuordnung zum Betriebsvermö­ gen bzw. zum Unternehmen sind nicht vergleichbar, da sie im Kontext begünstigender Regelungen stehen und zudem keinen Bezug zu Anteils­ geschäften aufweisen.805 Wenn eine Rechtfertigung gelingen kann, dann nur über Missbrauchsver­ hinderungsgesichtspunkte. Dem Erwerber eines 90%-Anteils ohne wei­ tere tatbestandliche Voraussetzungen (wie z.B. eine Immobilienquote des Gesellschaftsvermögens806) die Umgehung der Steuer auf den Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke zu unterstellen, dürfte jedoch über den verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungsrahmen hinausgehen. Zu­ dem erscheint fraglich, ob die weiterhin vorgesehene Vollbesteuerung bei Erreichen der 90%-Grenze einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand­ hält, denn als milderes Mittel wäre eine nur quotale Besteuerung im Um­ fang des tatsächlichen erfolgten Gesellschafterwechsels möglich. Solan­ ge am Prinzip der Vollbesteuerung festgehalten wird, begegnet jede Quotenabsenkung unterhalb 95% verfassungsrechtlichen Bedenken.807

803 So G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 132; S. Behrens, UVR 2017, S. 15 (19). 804 Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 12. So auch K.-D. Drüen, Ubg 2018, S. 605 (621). 805 Vgl. F. Mörwald, DStZ 2019, S. 492 (497). 806 Dazu Abschnitt 4.4.3.2, ab S. 313. 807 Vgl. U. Hufeld, Share Deals in der Grunderwerbsteuer– Reformoptionen und Steu­ erverfassungsrecht, Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (2019), S. 40.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Besonders belastend nimmt sich eine Absenkung der Beteiligungsschwel­ le im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG aus, der keine Konzentration der Anteile in einer Hand verlangt, sondern den Übergang auf diverse neue Gesellschafter genügen lässt, die nur in der Summe die Beteiligungs­ quote erreichen. Dieses in der Literatur bislang kaum behandelte Kern­ problem der Personengesellschaft in der Grunderwerbsteuer wird nach­ folgend eingehend untersucht. 3.2.2.2.4 Fehlen eines Beherrschungs- oder Zuordnungserfordernisses 3.2.2.2.4.1 Problematik Anders als die ebenfalls mit 95%- (und zukünftig ggf. 90%-) Schwellen versehenen Regelungen in § 1 Absätze 3 und 3a sowie in § 6a Satz 4 GrEStG enthält § 1 Abs. 2a GrEStG kein Beherrschungs- oder Zuord­ nungserfordernis irgendeiner Art, d.h. es genügt für die Verwirklichung des Tatbestands, dass 95% der Anteile auf mehrere, voneinander unab­ hängige neue Gesellschafter übergehen. Auf eine Vereinigung von 95% der Anteile in der Hand eines Erwerbers kommt es nicht an. Dementsprechend lässt sich die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG – anders als bei § 1 Abs. 3 GrEStG – nicht durch eine Änderung der „Sach­ herrschaft“ über die Gesellschaftsgrundstücke rechtfertigen.808 Die vor­ handenen Rechtfertigungsansätze für § 1 Abs. 2a GrEStG sind jedoch dürftig. Insbesondere die in der Rechtsprechung und in Teilen der Lite­ ratur vorzufindende Feststellung, der Besteuerungsgegenstand des § 1 Abs. 2a GrEStG sei die „veränderte Grundstückszuordnung auf Ebene der Gesellschaft“809, stellt keine taugliche Rechtfertigung dar, da hierbei die Fiktion mit ihrem eigenen Inhalt begründet wird. Die tatsächliche Grundstückszuordnung auf Gesellschaftsebene ändert sich gerade nicht. Eine Änderung der Zuordnung wird erst infolge der Fiktion selbst be­ wirkt, die jedoch nur als rechtstechnisches Mittel dient, um einen steu­ erbaren Vorgang zu konstruieren. Die Entstehung einer neuen Gesellschaft wird auch nicht etwa typisie­ rend erfasst. Ein fiktiver, real nicht existierender Sachverhalt lässt sich grundsätzlich nicht typisieren. Typisierung ist die unwiderlegliche ge­

808 Zur sog. Sachherrschaftstheorie bei § 1 Abs. 3 GrEStG siehe Abschnitt 3.2.3.1.2, ab S. 189. 809 So BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777 = juris, Rz. 20; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. (2011), § 1, Rz. 826; S. Behrens, in: Fest­ schrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1114).

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

setzliche Vermutung qualitativer Sachverhaltselemente.810 Hierbei wer­ den Sachverhalte einem Gesamtbild durch einen Ähnlichkeitsvergleich zugeordnet,811 wobei der steuerrechtliche Typus regelmäßig auf den wirt­ schaftlichen Gehalt eines Sachverhalts gerichtet ist und das Leistungsfä­ higkeitsprinzip als leitenden Wertgesichtspunkt hat.812 Ungleiche Fälle werden durch typisierende Normen gleich statt differenziert behandelt und ermöglichen dadurch den praktikablen Steuervollzug von Massen­ vorgängen.813 Der Gesetzgeber erfasst dazu die „Normalfälle“ in einem Tatbestand und behandelt die abweichenden Fälle diesen gleich.814 Der typisierende Steuertatbestand sucht also einen Sachverhalt so zu definie­ ren, dass er den besteuerungswürdigen Regelfall realitätsgerecht und zu­ verlässig erfasst. Demgegenüber setzen Fiktionen regelmäßig nicht auf der Tatbestands-, sondern auf der Rechtsfolgenseite an und unterstellen einen Vorgang (hier: Grundstücksübertragung auf eine neue Personengesellschaft) im Bewusstsein, dass dieser in der Realität nicht existiert.815 Bei § 1 Abs. 2a GrEStG werden beide Techniken kombiniert. Es muss insoweit unter­ schieden werden: Während die tatbestandsseitige 95%-Schwelle als ty­ pisierendes Mittel zur Erfassung „nahezu aller“ Anteile rechtfertigbar erscheint,816 ist die rechtsfolgenseitige Unterstellung, es liege für grund­ erwerbsteuerliche Zwecke eine „neue“ Gesellschaft vor, keine Typisie­ rung, sondern eine Fiktion. Die Fiktion einer neuen Personengesellschaft ohne ein tatbestandliches Beherrschungs oder Zuordnungserfordernis ist mit dem grunderwerb­ steuerlichen Belastungsgrund nicht vereinbar. Denn beim Übergang auf mehrere, voneinander unabhängige neue Gesellschafter, von denen jeder einzelne nur einen (Bruch-)Teil der tatbestandsbegründenden 95% er­ wirbt, findet keine wirtschaftliche Grundstücksübertragung statt.817 Die neuen Gesellschafter erwerben nämlich nicht die Verfügungs- oder Ver­ 810 H.-G. Ruppe, in: DStJG Bd. 21 (1998), S. 29 (41). 811 M. Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht (1996), S. 195. 812 M. Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht (1996), S. 263. 813 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. (2000), S. 349 ff. 814 D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. (2016), Rz. 218. 815 Vgl. E. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Neudruck der im Verl. Mohr erschie­ nenen Aufl. von 1917 (1961), S. 101 ff.; F. Somló, Juristische Grundlehre, 2., unver­ änd. Aufl. (1927), S. 524 ff.; K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechts­ wissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 83 ff. 816 Siehe oben Abschnitt 3.2.2.2.2, S. 124. 817 Etwas Anderes gilt nur dann, wenn die Personengesellschaft tatsächlich durch eine einzige Person unmittelbar und mittelbar beherrscht wird (z.B. bei der Ein­ mann-GmbH & Co. KG).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

wertungsmöglichkeit818 an den Gesellschaftsgrundstücken, sondern le­ diglich gesamthänderisch gebundene Vermögensanteile. Über diese kön­ nen sie nicht nur im gesetzlichen Ausgangsfall (Einstimmigkeitsprinzip819 und Verfügungsverbot820), sondern insbesondere auch im Regelfall, in dem ein gesellschaftsvertragliches Mehrheitsprinzip vereinbart wurde, nicht verfügen. Es fehlt insoweit nicht nur an der rechtlichen, sondern auch an der wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit bezüglich der Ge­ sellschaftsgrundstücke. Diese lässt sich auch typisierend nur dann unter­ stellen, wenn ein Erwerber einen wertmäßigen Anteil von 95% oder mehr erhält. Wird die Quote hingegen durch den kumulativen Erwerb geringerer Anteile durch mehrere Gesellschafter erreicht, lassen sich die Gesellschaftsgrundstücke keiner dieser Personen zuordnen. Erwerbsge­ genstand ist insoweit auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht das (ganze) Grundstück, sondern der Gesellschaftsanteil als Ausdruck eines ideellen Grundstücksbruchteils. Soweit sie im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG den Erwerb von Personengesellschaftsanteilen erfasst, gerät die Grunderwerbsteuer in die Nähe einer besonderen Kapitalverkehrsteuer. Dies ist nicht nur kompetenzrechtlich problematisch,821 sondern steht insbesondere auch mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Einklang, wie nachfol­ gend gezeigt wird. 3.2.2.2.4.2 Rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung Die bisher in Literatur und Rechtsprechung diskutierten verfassungs­ rechtlichen Zweifel an § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen sich auf die Erfassung werbender (statt nur vermögensverwaltender) Personengesellschaften822, die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft selbst gem. § 13 Nr. 6 GrEStG823 sowie die Belastung konzerninterner Umstrukturierungen824 und haben sich letztlich nicht durchgesetzt. Das hier thematisierte Pro­

818 Zur Bestimmung des Besteuerungsgegenstands siehe Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29. 819 §§ 709 Abs. 1, 711 BGB; §§ 114 Abs. 1, 115 Abs. 1, 119 Abs. 1 HGB. 820 § 719 Abs. 1 BGB. 821 Anders als bei der Grunderwerbsteuer stünde die Aufkommenshoheit aus einer Kapitalverkehrsteuer gem. Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 GG dem Bund und nicht den Län­ dern zu. Siehe Abschnitt 4.4.3.1.2, S. 310. 822 Vgl. G. Wiese, Die Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht (2003), S. 107 ff.; L. Micker, DStZ 2009, S. 285 (288). 823 Vgl. BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777. Eine verfas­ sungswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich zu Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG hat der BFH verneint. 824 L. Micker, DStZ 2009, S. 285 (288).

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

blem des fehlenden Beherrschungs- oder Zurechnungserfordernisses bei § 1 Abs. 2a GrEStG wurde hingegen bislang kaum beleuchtet.825 Bei Grundstückskapitalgesellschaften verlangen § 1 Absätze 3 und 3a GrEStG grundsätzlich die Konzentration von 95% (zukünftig ggf. 90%) der Anteile in der Hand eines Erwerbers, bei Grundstückspersonengesell­ schaften ist im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG der Erwerb beliebig gerin­ ger Beteiligungen durch eine Mehrzahl voneinander unabhängiger neuer Gesellschafter steuerbar, sofern diese nur zusammen die 95%-Schwelle erreichen. Der unterhalb dieser Schwelle liegende Personengesellschafts­ anteil, der kumulativ übertragen den Tatbestand erfüllt, wird im Ergebnis ähnlich wie ein Miteigentumsanteil behandelt,826 obwohl die Personenge­ sellschaft grunderwerbsteuerlich als eigener Rechtsträger anerkannt ist. Durch Rechtsformunterschiede lässt sich die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaft nicht begründen; insbesondere wird die Gesellschaftsidentität bei beiden Rechtsformen nicht durch den Gesell­ schafterwechsel berührt. Sollte der Gesetzgeber dem § 1 Abs. 2a GrEStG zukünftig eine konzepti­ onell vergleichbare Regelung für Kapitalgesellschaften gegenüberstellen („§ 1 Abs. 2b GrEStG“),827 beseitigt dies die gleichheitsrechtlichen Prob­ leme der Regelung nicht. Das verfassungsrechtliche Hauptproblem liegt außerhalb von Rechtsformfragen und betrifft die Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG selbst: Die grunderwerbsteuerliche Gleichsetzung eines Vor­ gangs, bei dem ein Grundstück weder übertragen wird noch einer ande­ ren Person grunderwerbsteuerlich zugeordnet wird, mit dem Eigentums­ erwerb ist eine rechtfertigungsbedürftige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Zudem verfehlt § 1 Abs. 2a GrEStG eine folgerichtige Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung, den Erwerb der Verfügungsund Verwertungsmöglichkeit an einem ganzen Grundstück zu besteu­ ern. Diese erlangt (sofern keine mittelbare Beherrschung durch eine ein­ zige Person vorliegt) keiner der neuen Gesellschafter. Die Fiktion einer „neuen“ Personengesellschaft ist, wie oben ausgeführt, weder zivilrecht­ lich fundierbar noch in wirtschaftlicher Hinsicht nachzuvollziehen. § 1 825 S. Behrens, UVR 2014, S. 147 (148) kritisiert die Sache zwar aus steuersystemati­ scher Sicht, geht aber auf die verfassungsrechtliche Dimension des Problems nicht ein. 826 Der Miteigentumsanteil an einem Grundstück wird als Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG angesehen. Vgl. H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 2, Rz. 11. 827 Zu dem aktuellen Reformvorhaben siehe Abschnitt 4.4.2, ab S. 301.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Abs. 2a GrEStG statuiert insoweit einen freischwebenden Besteuerungs­ tatbestand, der keine Rückkopplung zum grunderwerbsteuerlichen Be­ lastungsgrund mehr aufweist.828 Für die Personengesellschaft, die den Wechsel ihrer Gesellschafter nicht beeinflussen kann, bewirkt § 1 Abs. 2a GrEStG eine fremdbestimmte Steuerwirkung und stellt sie mit dem Erwerber eines Grundstücks gleich. Es lassen sich somit gleich mehrere Vergleichsgruppen bilden, aus denen eine rechtfertigungsbedürftige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhal­ te ersichtlich wird: Zum einen wird auf der Gesellschafterebene der An­ teilserwerb durch eine Mehrzahl miteinander unverbundener Personen mit Vorgängen gleichbehandelt, bei denen tatsächlich eine Grundstücks­ übertragung oder -zuordnung zu einer anderen Person erfolgt. Zum ande­ ren wird die Personengesellschaft, die unverändert Grundstückseigentü­ merin bleibt, wie der Erwerber des Grundstücks behandelt. 3.2.2.2.4.3 Keine hinreichende Rechtfertigung durch Missbrauchs­ gesichtspunkte Das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wesentlich Gleiches gleich und wesent­ lich Ungleiches ungleich zu behandeln, verlangt für gesetzgeberische Differenzierungen nach einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei wendet das BVerfG einen stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismä­ ßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab an, der je nach Sach- und Rege­ lungsbereich von einer gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Prüfung bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung reichen kann.829 Fehlt es also an einer „strukturellen Ungleichbehandlung erheb­ lichen Ausmaßes“830, könnte ein „vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund“ zur Rechtfertigung der gesetzlichen Differenzierung ausreichen.831 Die Intensität der Ungleichbehandlung durch § 1 Abs. 2a GrEStG legt einen eher strengen Prüfungsmaßstab nahe. Hierzu neigte das BVerfG 828 Ähnlich BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777 = juris, Rz. 17: Bei § 1 Abs. 2a GrEStG handle es sich um einen „gänzlich neuen Besteue­ rungstatbestand, der den missbrauchsindizierenden Sachverhalt nur noch typisie­ rend beschreibt.“ 829 BVerfG, Urteil v. 10. 4. 2018, 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, S. 303 = juris, Rz. 103 m.w.N. 830 BVerfG, Urteil v. 10. 4. 2018, 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, S. 303 = juris, Rz. 117. 831 BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 101 m.w.N.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

auch im strukturell ähnlichen Fall des § 8c Satz 1 KStG 2008, bei dem ebenfalls eine fremdbestimmte Steuerwirkung bei der Gesellschaft (dort: Untergang von Verlustvorträgen) durch Gesellschafterwechsel ausgelöst wurde. Das BVerfG berückichtigte dort die „mangelnde Verfügbarkeit des Unterscheidungskriteriums“ auf Ebene der Gesellschaft, da diese auf den verwirklichten Sachverhalt nicht oder nur unter besonderen Voraus­ setzungen einwirken könne.832 Dies trifft auch auf die Personengesell­ schaft zu, die an der Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG selbst nicht beteiligt ist und darauf keinen Einfluss nehmen kann. Um die unterschiedlichen Einordnungsmöglichkeiten zu berücksich­ tigen, werden nachfolgend sowohl einfache Sachgründe als auch die ­Verhältnismäßigkeitsfrage untersucht. Als Rechtfertigungsgründe aner­ kannt wurden vom BVerfG die Verfolgung außerfiskalischer Förde­rungsund Lenkungsziele,833 die Steuervereinfachung durch Typisierung und Pauschalierung834 sowie die Verhinderung von Steuerumgehung und Ab­ wehr unerwünschter steuerlicher Gestaltungen.835 § 1 Abs. 2a GrEStG verfolgt weder Lenkungs- noch Vereinfachungszwe­ cke.836 Das gesetzgeberische Ziel war es vielmehr, Möglichkeiten der missbräuchlichen Steuervermeidung zu beseitigen.837 § 1 Abs. 2a GrEStG versucht hierzu, den vom Gesetzgeber als missbräuchlich angesehenen Austausch nahezu aller Gesellschafter in engem zeitlichem Zusammen­ hang typisierend zu erfassen. Insoweit kommt die vom Gesetzgeber be­ absichtigte Vermeidung von Steuerumgehungen838 als Rechtfertigungs­ grund in Betracht. Die Vorschrift ist (auch) als Anschlussregelung zu einer BFH-Rechtsprechung zu verstehen, die den vollständigen Aus­ tausch aller Gesellschafter einer grundstücksverwaltenden Personenge­ sellschaft als steuerpflichtigen Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 832 BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 120. 833 BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, S. 655 = BVerfGE 93, 121 = juris, Rz. 76 ff. m.w.N. 834 BVerfG, Beschluss v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BGBl. I 2010, S. 1766 = BVerfGE 127, 224 = juris, Rz. 71 ff.; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BGBl. I 2008, S. 2888 = BVerfGE 122, 210 = juris, Rz. 60 ff. m.w.N. 835 BVerfG, Urteil v. 24. 1. 1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 = juris, Rz. 35 ff.; BVerfG, Beschluss v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BGBl. I 2010, S. 1766 = BVerfGE 127, 224 = juris, Rz. 80 ff. m.w.N. 836 L. Micker, DStZ 2009, S. 285 (288). 837 Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14. 838 Vgl. Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

i.V.m. § 42 AO behandelte.839 Durch Einführung des § 1 Abs. 2a GrEStG wurde die Besteuerung auf sämtliche Personengesellschaften ausge­ dehnt.840 Die Rechtfertigung durch Missbrauchsverhinderungszwecke gelingt jedoch nur dann, wenn im Ausgangstypus „Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft durch eine Mehrzahl von Personen“ auch eine missbräuchliche Gestaltung erblickt werden kann. Für die meisten Personengesellschaften und Erwerbsvorgänge ist dies zu verneinen. Als Normadressaten von § 1 Abs. 2a GrEStG gelten jedoch auch Immobilienprojektgesellschaften und geschlossene Immobilien­ fonds, die häufig als Personengesellschaft ausgestaltet sind.841 Sie erwer­ ben in der Gründungsphase ein Grundstück und beschaffen sich das für die Bebauung des Grundstücks erforderliche Kapital durch die Aufnahme neuer Gesellschafter.842 Bis zur Erreichung der geplanten Anlagesumme gehen typischerweise mehr als 95% der Anteile am Gesellschaftsvermö­ gen auf neue Gesellschafter über, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt wird. Doch auch in der Platzierung eines als Personenge­ sellschaft ausgestalteten geschlossenen Immobilienfonds und dessen an­ schließender Kapitalaufnahme liegt keine missbräuchliche Gestaltung. Insbesondere ist eine Steuerumgehung nicht erkennbar, da es im Zuge des typischen Investitionszyklus bereits zu einer mehrfachen Belastung mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer kommt. Zunächst erwirbt die Ge­ sellschaft ein unbebautes Grundstück und verwirklicht dadurch den Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Anschlie­ ßend wird das Grundstück bebaut, wobei die hierfür verwendeten Mate­ riallieferungen und Bauleistungen der Umsatzsteuer unterliegen. Wenn später – bei Erreichen der 95%-Schwelle – durch § 1 Abs. 2a GrEStG ein weiteres Mal Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, umfasst deren Bemes­ sungsgrundlage sowohl das Grundstück als auch das zwischenzeitlich errichtete Gebäude.843 Da im Rahmen des oben dargestellten mehrstufi­ gen, wirtschaftlich zusammenhängenden Investitionsvorgangs sowohl 839 BFH, Urteil v. 19. 3. 1980, II R 23/77, BStBl. II 1980, S. 598; BFH, Urteil v. 4. 12. 1985, II R 142/84, BStBl. II 1986, S. 190; BFH, Beschluss v. 7. 6. 1989, II B 111/88, BStBl. II 1989, S. 803. Siehe bereits Abschnitt 2.1.3.2.2.6.1, ab S. 65. 840 Die Erfassung nicht nur vermögensverwaltender, sondern sämtlicher Personenge­ sellschaften bewegt sich nach Auffassung des BFH im Rahmen der zulässigen Ty­ pisierung, vgl. BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777. 841 M. Inhester/G. Herrmann, in: MüHdB GesR, 4. Aufl. (2014), § 9, Rz. 21. 842 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 296; S. Kiebele, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), Die PersG im Steuerrecht, 12. Aufl. (2017), S. 1369 (1382), Rz. 28. 843 Vgl. S. Gottwald, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 150 (155). Eine Anrech­ nung des vorangegangenen Erwerbs auf die Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG scheidet mangels Erwerberidentität aus, da die fingierte Personenge­

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

der Grundstückserwerb (mit Grunderwerbsteuer) als auch die Gebäude­ errichtung (mit Umsatzsteuer) belastet werden, bestünde kein systema­ tisches Erfordernis, das bebaute Grundstück durch § 1 Abs. 2a GrEStG ein weiteres Mal der Besteuerung zu unterwerfen.844 Das Eingreifen von § 1 Abs. 2a GrEStG bei Projektgesellschaften und Fonds bedeutet mithin nicht die systemgerechte Erfassung eines Missbrauchssachverhalts, son­ dern einen zusätzlichen, für sich genommen rechtfertigungsbedürftigen Besteuerungszugriff.845 Eine gesetzliche Typisierung darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientie­ ren.846 Die typisierte Fallgestaltung „Übergang von 95% der Personenge­ sellschaftsanteile auf eine Mehrzahl voneinander unabhängiger neuer Gesellschafter“ kann als solche, wie gezeigt wurde, nicht als missbräuch­ lich angesehen werden. Insoweit ist die Lage vergleichbar mit der ver­ fassungswidrigen Regelung des § 8c Satz 1 KStG 2008,847 die bei einer Anteilsübertragung im Umfang von mehr als 25% ohne weitere Voraus­ setzungen einen „schädlichen Beteiligungserwerb“ unterstellt und auf dieser Grundlage den anteiligen Untergang der körperschaftsteuerlichen Verluste der Gesellschaft bewirkt. Das BVerfG sah hierbei bereits das Willkürverbot als verletzt an.848 Der Gesetzgeber habe seine Typisie­ rungsbefugnis überschritten, indem er nicht die missbräuchliche Kon­ stellation des „Mantelkaufs“ typisierend erfasste, sondern jede beliebige Anteilsübertragung im Umfang von mehr als 25% für schädlich erklär­ sellschaft als „neuer Gesellschafter“ behandelt wird. Siehe ausführlich und kri­ tisch Abschnitt 3.2.2.2.5.2, S. 139. 844 Das Gebot der Folgerichtigkeit ist nach herrschender Lehre nicht auf den Binnen­ bereich einzelner Steuern beschränkt, sondern gilt für das – auf den Steuerpflichti­ gen kumuliert wirkende – gesamte Steuerrecht, vgl. G. Kirchhof, DStR Beih. zu Ausg. 49/2009, S. 135 (136); J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3, Rz. 119; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1268; J. Englisch, in: Festschrift J. Lang (2010), S. 167 (186). 845 Kritisch zur Doppelbelastung mit USt und GrESt auch J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 61 (bezogen auf den Fall des Erwerbs zu be­ bauender Grundstücke im Bauherrenmodell). 846 BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 127 m.w.N. 847 § 8c Satz 1 KStG i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14. 8. 2007, BGBl. I 2007, S. 1912 (heute § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG). Zusätzlich ist derzeit ein weiteres Normenkont­ rollverfahren hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Satz 2 KStG 2008 (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG heutiger Fassung – vollständiger Verlustuntergang beim schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 50%) anhängig, das beim BVerfG un­ ter dem Az. 2 BvL 19/17 geführt wird (Vorlage durch FG Hamburg, Vorlagebe­ schluss v. 29. 8. 2017, 2 K 245/17, EFG 2017, S. 1906). 848 BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 121. 

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

te.849 Das BVerfG beanstandete bei § 8c Satz 1 KStG 2008, dass kein „ty­ pischer Missbrauchsfall als Ausgangspunkt für eine generalisierende Re­ gelung gewählt“, sondern lediglich eine „abstrakte Missbrauchsgefahr“ zum Anlass für eine von diesem typischen Missbrauchsfall losgelöste Regelung genommen wurde.850 So verhält es sich auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Vorschrift bildet keinen erkennbaren Missbrauchsfall ab und enthält als einzige Begrenzung die Fünfjahresfrist, innerhalb der sich der schädliche Übergang auf neue Gesellschafter vollziehen muss. Dass hier eine generell belastende, weit über den typischen Missbrauchsfall hinausgehende Regelung geschaffen wurde, zeigt sich am deutlichsten daran, dass § 1 Abs. 2a GrEStG nicht zwischen lebenden Unternehmen und reinen Immobiliengesellschaften unterscheidet. Nur bei einer reinen Grundstücksgesellschaft wäre es überhaupt abstrakt vorstellbar, dass der Wechsel im Gesellschafterbestand (auch) eine verdeckte Grundstücks­ übertragung darstellen könnte. Der Wechsel im Gesellschafterbestand eines aktiven gewerblichen Unternehmens, das mehr als nur Grund­ stücksverwaltung betreibt, erfolgt dagegen niemals mit der Motivation, die Grunderwerbsteuer auf die Betriebsgrundstücke zu umgehen. Um überhaupt in die Nähe einer Missbrauchstypisierung zu kommen, müss­ ten zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen hinzutreten, etwa die Ein­ schränkung auf reine Grundstücksgesellschaften sowie auf Erwerber­ gruppen mit gleichgerichteten Interessen, wofür das deutsche Steuerrecht auch geeignete und erprobte Vorbildregelungen enthielte.851 Durch das Fehlen derartiger Einschränkungen überschreitet § 1 Abs. 2a GrEStG die verfassungsrechtlich gewährte Typisierungsbefugnis erheblich, so dass eine Rechtfertigung durch Missbrauchsgesichtspunkte bereits bei Zu­ grundelegung einer bloßen Willkürprüfung scheitert. Legt man den strengeren Maßstab einer Verhältnismäßigkeitsprüfung an und untersucht dabei, ob die Regelung zur Missbrauchsbekämpfung ge­ eignet, erforderlich und angemessen ist, stellt sich insbesondere die Fra­ ge nach der Erforderlichkeit. Denn die Steuerumgehungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber bei der Einführung des § 1 Abs. 2a GrEStG im Blick hatte, sind im heutigen Regelungskontext nicht mehr denkbar. Zu Um­ 849 Siehe BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 118 ff. 850 BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 128. 851 Siehe etwa die Immobilienquote in § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e) cc) EStG sowie das Konzept der gleichgerichteten Interessen in § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG. Darüber hin­ aus zeigt auch der Blick auf benachbarte Jurisdiktionen wie die Niederlande, dass eine sachgerechte Grunderwerbsbesteuerung durch die Begrenzung auf Immobili­ engesellschaften möglich ist; hierzu Joisten, ifst-Schrift 528 (2019), S. 37 ff.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

gehungsgestaltungen kam es in der Vergangenheit zum einen in Zusam­ menhang mit der Möglichkeit, Grundstücke nach § 5 GrEStG steuerbe­ freit in eine Personengesellschaft einzubringen und anschließend einen nicht steuerbaren Gesellschafterwechsel herbeizuführen.852 Zum ande­ ren war es aufgrund der zivilrechtlich orientierten Rechtsprechung zu § 1 Abs. 3 GrEStG möglich gewesen, durch Einsatz einer wirtschaftlich vollständig beherrschten Personengesellschaft die Steuer zu umgehen, da auch ein Gesamthänder, der am Kapital der Gesellschaft überhaupt nicht beteiligt ist (z.B. eine vom 100%-Gesellschafter abhängige Komplemen­ tärgesellschaft), die Anteilsvereinigung in einer Hand ausschloss.853 Durch die Einführung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002854 sowie der Steuerbar­ keit des Erwerbs wirtschaftlicher Beteiligungen nach § 1 Abs. 3a GrEStG im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG 2013855 wurde derartigen Gestaltun­ gen jedoch ein Riegel vorgeschoben. Eine Sonderregelung zum Gesell­ schafterwechsel bei Personengesellschaften ist jedenfalls aus heutiger Sicht zur Missbrauchsabwehr nicht mehr erforderlich. Doch auch unter Berücksichtigung der früher bestehenden Besteuerungs­ lücken ist festzustellen, dass es nach den Maßstäben einer Verhältnis­ mäßigkeitsprüfung zu keinem Zeitpunkt für die Erreichung des Miss­ brauchsverhinderungsziels erforderlich war, den Wechsel von 95% des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft ohne ein Beherr­ schungs- oder Zurechnungserfordernis für steuerbar zu erklären: Als mil­ deres und (mindestens) gleich effektives Mittel wäre stets eine Modifika­ tion des Anteilsbegriffs im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG in Betracht gekommen, bei der Personengesellschaftsanteile zuverlässig erfasst wer­ den.856 Im Ergebnis stellt die Steuerbarkeit von Gesellschafterwechseln ohne Beherrschungs- oder Zurechnungserfordernis im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.

852 Siehe bereits Abschnitt 2.1.3.2.2.2, ab S. 60. 853 Vgl. BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 22; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 17 f. 854 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 855 AmtshilfeRLUmsG v. 26. 6. 2013, BGBl. 2013, S. 1809 (1840). Siehe Abschnitt 3.2.4, ab S. 218. 856 Zum Anteilsbegriff i.R.d. § 1 Abs. 3 GrEStG siehe nachfolgend Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.2.2.5 Folgeprobleme der gesetzlichen Fiktion Die konzeptionell verunglückte Fiktion einer neuen Personengesell­ schaft verursacht auch im angrenzenden Normengefüge des GrEStG Pro­ bleme, wie sich an folgenden Aspekten zeigt. 3.2.2.2.5.1 Steuerschuldnerschaft und Anzeigepflicht der Personen­ gesellschaft In – vordergründig konsequent erscheinender – Umsetzung der gesetzli­ chen Fiktion der Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personen­ gesellschaft sind im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht die neuen Gesellschafter Schuldner der Grunderwerbsteuer, sondern die Personen­ gesellschaft selbst (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Tatsächlich werden die ideellen Grundstücksanteile aber nicht von der Personengesellschaft, sondern von deren Gesellschaftern erworben. Die den Tatbestand verwirklichen­ den Personen und die Steuerschuldnerin fallen also auseinander. Hinzu kommt, dass die Personengesellschaft als Steuerschuldnerin auch anzei­ gepflichtige Person im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG ist. Bei mittelbaren Wechseln im Gesellschafterbestand kann es zu Verwerfun­ gen kommen, da weder die Gesellschaft noch ihre Mitglieder am steuer­ begründenden Vorgang beteiligt sind, diesen aber innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) beim Fi­ nanzamt anzeigen müssen. Die auch verfahrensrechtliche Umsetzung der Fiktion des Erwerbs durch eine „neue“ Personengesellschaft weist die Steuerschuldnerschaft und Anzeigepflicht einem an den relevanten Erwerbsvorgängen unbeteiligten Rechtsträger zu. Einen Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot hat der BFH hierin jedoch nicht gesehen: Die Fiktion einer neuen Personenge­ sellschaft bewirke eine „geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrund­ stücke auf der Gesellschaftsebene“, was es rechtfertige, die am „fiktiven Erwerbsvorgang“ beteiligte Personengesellschaft als Steuerschuldnerin heranzuziehen.857 Hierbei bleiben jedoch Fragen offen, denn die zur Be­ gründung herangezogene Fiktion selbst ist der Eingriff, den es zu recht­ fertigen gilt. Unabhängig davon, welcher auch noch so anspruchsvolle Fiktionsgedanke der Regelung zu Grunde liegen mag, wird die Steuer auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG durch einen Vorgang auf Gesellschafterebe­ ne ausgelöst. Auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG geht es darum, den Anteilserwerb als wirtschaftlichen Grundstückserwerb zu erfassen.858 Es ist nicht 857 BFH, Beschluss v. 11. 9. 2002, II B 113/02, BStBl. II 2002, S. 777 = juris, Rz. 20 f. 858 Siehe Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14: „Durch den neuen § 1 Abs. 2a wird die Übertragung von Anteilen

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

folgerichtig, dass die Steuer infolge der Steuerschuldnerschaft der Perso­ nengesellschaft auch die verbleibenden Minderheitsgesellschafter wirt­ schaftlich trifft. Zudem führt die materiell unzutreffende Zuordnung der Anzeigepflich­ ten zu strukturellen Vollzugsdefiziten, da die anzeigepflichtige Perso­ nengesellschaft häufig – man denke an kapitalmarktorientierte Fonds­ strukturen oder tiefer gestaffelte internationale Konzerne – nicht die Möglichkeit hat, mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand si­ cher festzustellen oder zu überwachen.859 In der Praxis werden gerade die Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG von den Beteiligten vielfach übersehen oder zu spät zur Anzeige gebracht, so dass zu konstatieren ist, dass die derzei­ tige Regelung einem effektiven und gleichmäßigen Steuervollzug entge­ gen steht. 3.2.2.2.5.2 Keine Anrechnung vorangegangener Erwerbe nach § 1 Abs. 6 GrEStG Die Regelung des § 1 Abs. 6 GrEStG, die bei Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge die Vermeidung einer Doppelbesteuerung durch An­ rechnung der Bemessungsgrundlagen ermöglicht, nimmt auf Erwerbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG keinen Bezug. Im Zuge der Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen des JStG 1997 war auch in § 1 Abs. 6 GrEStG zunächst ein Verweis auf § 1 Abs. 2a GrEStG enthalten;860 dieser wurde jedoch im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002 wieder gestrichen.861 Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass der Verweis ins Leere liefe, da aufgrund der Fiktion des Erwerbs durch eine neue Personengesellschaft in keiner denkbaren Fallkonstellation die von § 1 Abs. 6 GrEStG voraus­ gesetzte „Erwerberidentität“ gegeben sei.862

an grundbesitzenden Personengesellschaften der Grunderwerbsteuer unterworfen, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis einer Übertragung des Grundstücks gleich­ kommt.“ 859 Vgl. mit Fallbeispiel S.  Behrens, UVR 2014, S. 147 (148 f.) sowie allgemein zu strukturellen Vollzugsdefiziten im Bereich der Grunderwerbsteuer bei internatio­ nalen Konzernumstrukturierungen M. Pirner/R. Könemann, IStR 2014, S. 423. Für § 1 Abs. 3 GrEStG hatte der BFH das Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefi­ zits verneint, siehe BFH, Beschluss v. 18. 11. 2005, II B 23/05, BFH/NV 2006, S. 612; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 39/06, BFH/NV 2008, S. 1529. 860 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049 (2062). 861 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402 (494). 862 Vgl. Gesetzentwurf zum StEntlG 1999/2000/2002 v. 9. 11. 1998, BT-Drs. 14/23, S. 203: „Die Änderung des § 1 Abs. 6 bezweckt, eine vom Gesetzgeber formal ein­ geräumte, aber tatsächlich nicht vorhandene Steueranrechnungsmöglichkeit zu

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Auch hier wurde die Fiktion des Grundstückserwerbs durch eine neue Personengesellschaft in zweifelhafter Weise materiell aufgeladen. Dies zieht fragwürdige Ergebnisse nach sich. Beispiel 1:863 A hält 100% der Anteile am Gesellschaftsvermögen der A-KG, in deren Vermögen sich ein inländisches Grundstück befindet, sowie alle Anteile an der mit 0% am Vermögen der A-KG beteiligten Komplementär-GmbH (K-GmbH). B erwirbt sämtliche Anteile an der A-KG und der K-GmbH von A. Anschließend tritt die K-GmbH aus der A-KG aus, so dass das KG-Vermögen auf B anwächst. Es wird zweimal Grunderwerbsteuer ausgelöst, zunächst infolge des Gesellschafter­ wechsels nach § 1 Abs. 2a GrEStG, danach infolge der Anwachsung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Zu einer Anrechnung der Bemessungsgrundlage des ersten Erwerbs auf den zweiten kommt es nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht, da nach dem Wortlaut und gesetzgeberischen Willen Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht unter die Regelung fallen. Es wird hierbei unterstellt, dass keine Erwerberidentität bestehe, da der zweite Erwerbsvorgang nach der Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG von einer „neuen“ Personengesellschaft verwirklicht werde.864 § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist wiederum nicht anwendbar, da nach Vorstellung des Gesetzgebers kei­ ne Erwerberidentität besteht. Obwohl B sämtliche Anteile an der A-KG erwirbt, wird der erste Grundstückserwerb nicht ihm, sondern – aufgrund der Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG – der Personengesellschaft zugerechnet.865

Das Beispiel zeigt, dass die Fiktion einer „neuen Personengesellschaft“ im weiteren Regelungskontext zwar „konsequent“, nicht aber folgerich­ tig umgesetzt worden ist. Obwohl in allen Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG wirtschaftliche Grundstückserwerbe in Form von Anteilserwerben be­ steuert werden, unterstellt der Gesetzgeber auch im Rahmen der An­ rechnungsvorschrift des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG, dass eine neue Perso­ nengesellschaft das Grundstück erworben habe. Die gesetzliche Fiktion erfährt hierdurch eine fragwürdige Verselbständigung, die zu unsachge­ rechten Ergebnissen führt und weitere gleichheitsrechtliche Zweifel an der Konzeption des § 1 Abs. 2a GrEStG aufwirft:

beseitigen.“ Siehe auch G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 199. 863 Nach S. Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1128). 864 Vgl. S. Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1126 f.). 865 Auch nach § 6 Abs. 2 GrEStG ist der Vorgang nicht von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, da B die fünfjährige Vorbehaltensfrist nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG nicht erfüllt. Eine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 4 GrEStG wurde vom BFH jedoch in einigen Fällen zugelassen, in denen eine Steuer­ umgehung objektiv unmöglich ist (siehe etwa BFH, Urteil v. 25. 2. 1969, II 142/63, BStBl. II 1969, S. 400). Dies wäre auch im hier gegebenen Fall angezeigt; dazu S. Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1131).

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) Beispiel 2 (Abwandlung zu Beispiel 1): Die Grundstücksgesellschaft ist nicht die A-KG, sondern eine A-GmbH. B erwirbt alle Anteile an der A-GmbH. Anschlie­ ßend wird die A-GmbH liquidiert (oder auf B verschmolzen). Es wird Grunder­ werbsteuer zunächst nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, danach nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst. Eine Doppelbesteuerung entfällt jedoch gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG, weil ein Vorgang nach § 1 Abs. 1 auf einen Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG folgt und Erwerberidentität besteht, da der Erwerb aus grunderwerbsteuerlicher Sicht in beiden Fällen durch B verwirklicht wird.

Der Unterschied gegenüber Beispiel 1 beruht nur auf der Rechtsform der Grundstücksgesellschaft. Die Ungleichbehandlung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG und lässt sich auch nicht durch besondere sachliche Gründe wie etwa Besonderheiten der Gesamthand rechtfertigen. Doch selbst dann, wenn man es (mit der h.M. in der Literatur866) für folgerichtig hält, in Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die Personengesellschaft selbst als Er­ werber im Sinne des § 1 Abs 6 Satz 2 GrEStG anzusehen, erweist es sich als zu weitgehend, Erwerbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG von der Anrech­ nungsvorschrift auszunehmen, wie das nachfolgende Beispiel zeigt. Beispiel 3:867 Der Gesellschafterbestand der A-KG, die die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG innehat, ändert sich zu 95%. Anschließend erwirbt die A-KG auch das zivilrechtliche Eigentum an dem Grund­ stück. Der Gesellschafterwechsel löst Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus,868 der Erwerb des Eigentums führt zu Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 GrEStG. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist seinem Wortlaut nach nicht anwendbar, obwohl im eingangs dargestellten Sinne „Erwerberidentität“ besteht.

Während im Beispiel 1 eine Analogie am anderweitig manifestierten Wil­ len des Gesetzgebers scheitern dürfte, offenbart sich in der in Beispiel 3 dargestellten Fallkonstellation eine planwidrige Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber hatte den Verweis auf § 1 Abs. 2a GrEStG soweit ersicht­ lich nur deshalb gestrichen, weil er wegen des Erfordernisses der Erwer­ beridentität keinen praktischen Anwendungsfall sah.869 § 1 Abs. 6 Satz 2 866 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 200; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1273; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 470. 867 Nach S. Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1128). 868 Nach Verwaltungsauffassung werden für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG dem Ver­ mögen einer Personengesellschaft nicht nur die Grundstücke zugerechnet, die sich bereits im Eigentum der Personengesellschaft befinden oder deren Erwerb nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbar gewesen ist, sondern auch solche Grundstücke, über die die Personengesellschaft die Verwertungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 GrEStG erlangt hat, vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 3. 869 Siehe Fn. 862.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

GrEStG ist mithin analog auf Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden, wenn die Personengesellschaft im Rahmen des anderen, im Rahmen der Anrechnung zu berücksichtigenden Erwerbsvorgangs als Erwerberin an­ zusehen ist.870 3.2.2.2.6 Zwischenergebnis Die Fiktion des Erwerbs durch eine neue Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG bleibt ohne rechtliche oder wirtschaftliche Fundierung und missachtet, dass der tatsächliche Erwerbsvorgang nicht von der Ge­ sellschaft, sondern auf der Ebene ihrer Gesellschafter vollzogen wird. Die Steuerbarkeit von Gesellschafterwechseln, ohne dass einer der Neuge­ sellschafter eine Zurechnungsposition im Hinblick auf das Grundstück erwirbt, überschreitet die Grenzen zulässiger Missbrauchstypisierung und verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die auch auf verfahrensrechtlicher Ebene in §§ 13, 19 sowie in § 1 Abs. 6 GrEStG aufgegriffene materielle Wertung, dass ein Erwerb durch die Personengesellschaft vorliege, mag „konsequent“ erscheinen, ist aber unfolgerichtig und verschärft die Ver­ fassungswidrigkeit der Regelung. Die Verfassungswidrigkeit wird auch nicht dadurch beseitigt, dass zukünftig ggf. eine vergleichbare Regelung für Kapitalgesellschaften eingeführt wird. Jenseits der verfehlten Grundkonzeption der Vorschrift werden nachfol­ gend zwei gleichermaßen zentrale wie auch aktuelle Problemfelder be­ leuchtet, die ihre Auslegung betreffen: Die Fragen, wann eine „mittelba­ re“ Änderung des Gesellschafterbestands vorliegt und was ein „neuer“ Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG ist. 3.2.2.3 Das Problem der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands 3.2.2.3.1 Mittelbare Änderung aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorgänge 3.2.2.3.1.1 Vorgeschichte Seit einer Änderung im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002871 erfasst der Wortlaut des § 1 Abs. 2a GrEStG „unmittelbare oder mittelbare“ ­Änderungen im Gesellschafterbestand. Durch die gesetzliche Klarstel­ lung, dass auch mittelbare Anteilsübertragungen die Grunderwerbsteu­ 870 Siehe auch S. Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1127 f.) mit weiteren Anwendungsbeispielen. 871 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

erpflicht auslösen können, sollten ausweislich der Gesetzesbegründung „Abgrenzungs- und Auslegungsprobleme vermieden“ werden.872 Dieses Ziel wurde verfehlt, da der Gesetzgeber es versäumt hatte, dem Begriff „mittelbar“ eine Definition mitzugeben. Nach jahrelanger Unklarheit über die Auslegung stellte der BFH im Jahr 2013 schließlich die verfas­ sungswidrige Unbestimmtheit des Begriffs der „mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands“ fest.873 Anstatt eine sachgerechte begriffli­ che Klärung vorzunehmen – die sich durchaus in Reichweite befand874 – , nahm der BFH jedoch eine restriktive Auslegung vor, wonach die Tatbe­ standsmäßigkeit nur bei „vollständiger Änderung des Bestands der Rechtsträger, die wirtschaftlich hinter einer an der grundstücksbesitzen­ den Personengesellschaft als Gesellschafterin beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaft stehen“, gegeben sei.875 Die restriktive Auslegung durch den BFH sorgte für erhebliche Besteuerungslücken876 und provo­ zierte dadurch eine Gesetzesänderung geradezu.877 Diese Gesetzänderung erfolgte im Rahmen des StÄndG 2015878 und übernahm weitgehend die bis dahin von der Verwaltung vertretene Auffassung. 3.2.2.3.1.2 Die Regelung im Rahmen des StÄndG 2015 Im Einzelnen wurde § 1 Abs. 2a GrEStG um folgende Regelung ergänzt: Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personenge­ sellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. 3 Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mit­ telbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5. 4Eine unmittelbar beteiligte Kapital­ gesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr min­ destens 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. 5Bei 2

872 Bericht des Finanzausschusses zum StEntlG 1999/2000/2002 v. 3. 3. 1999, BT-Drs. 14/443, S. 42.  873 Vgl. BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833. 874 Man denke etwa an den Lösungsvorschlag von J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, 22. Aufl. (2015), § 18, Rz. 32, die Beteiligungsquoten unabhängig von der Rechtsform der vermittelnden Gesellschaften durchzurechnen. 875 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 27. 876 Nach der durch das Urteil vom 24.04.2013 geschaffenen Rechtslage genügte es in vielen Fällen, auf mittelbarer Beteiligungsebene eine unwesentliche Beteiligung zurückzubehalten, um den Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu vermeiden. Vgl. I. Stangl/T. Aichberger, DB 2014, S. 1509 (1512); J. Bron, NZG 2014, S. 694 (695); H.-U. Viskorf, MüStF 2014, Arbeitsunterlage „Grunderwerbsteuer bei Gesellschafterwechsel“, S. 13; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 303. 877 Siehe auch M. Loose, DB 2015, S. 1003 (1006). 878 StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend.879

Die Gesetzesneufassung differenziert also bei der Bestimmung, ob eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesell­ schaft vorliegt, danach, ob die an der Personengesellschaft beteiligten Rechtsträger Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften sind. 3.2.2.3.1.2.1 Methodik bei vermittelnden Personengesellschaften Ist an der Grundstückspersonengesellschaft eine Personengesellschaft beteiligt, so wird nicht diese Personengesellschaft, sondern es werden deren Mitglieder als „Neugesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG betrachtet.880 Die Personengesellschaft wird insoweit für grund­ erwerbsteuerliche Zwecke als transparentes Gebilde behandelt. Beispiel 1:881 An einer grundstücksbesitzenden OHG sind A zu 85%, B zu 5% und die C-OHG zu 10% beteiligt. Die Anteile am Gesellschaftsvermögen der C-OHG halten D zu 90% und E und F zu je 5%. Im Jahr 01 überträgt A seine gesamte Be­ teiligung an der OHG auf X, im Jahr 02 übertragen D und E ihre Anteile an der C-GmbH auf Y und Z. A

X

B

D

Y

E 5%

85%

5%

90%

Z

F

5%

C-OHG 10%

G-OHG

Neue Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sind X, Y und Z. Die Über­ tragung der Beteiligung des A auf X führt zu einer unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands im Umfang von 85% der Anteile am Gesellschaftsver­ mögen. In Bezug auf die über die C-OHG gehaltenen Anteile ist gem. § 1 Abs. 2a 879 § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834. 880 Vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.2.2.2. 881 Angelehnt an Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, ­BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.3.3.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) Satz 2 GrEStG durch quotale Durchrechnung über alle Beteiligungsebenen zu be­ stimmen, inwieweit der Eintritt von Y und Z bei der C-OHG zu einer Änderung im Gesellschafterbestand der G-OHG führt. Da die C-OHG mit 10% an der G-OHG beteiligt ist, kommt es durchgerechnet zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands der G-OHG im Umfang von 9,5% (=95% * 10%). Im Er­ gebnis ist § 1 Abs. 2a GrEStG nicht tatbestandsmäßig, da sich der Gesellschafter­ bestand unmittelbar und mittelbar lediglich um 94,5% (=85%+9,5%) geändert hat.

Der Wortlaut des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG 2015 ist jedoch noch immer lückenhaft und ausfüllungsbedürftig, da er sich auf „mittelbare Änderun­ gen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft be­ teiligten Personengesellschaften“ bezieht und unmittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand dieser vermittelnden Personengesellschaften nicht miteinschließt. In der Literatur wird dies als bloßes Redaktionsver­ sehen des Gesetzgebers betrachtet, so dass die formale Regelungslücke dahingehend auszufüllen sei, dass Satz 2 auch bei unmittelbaren Än­ derungen des Gesellschafterbestands einer beteiligten Personengesell­ schaft gelten soll.882 Dem ist zuzustimmen, da die Neufassung ausweis­ lich der Gesetzesbegründung lediglich eine „klarstellende Ergänzung entsprechend der geltenden Verwaltungsauffassung“ darstellen soll und eine Abweichung von der zuvor in den gleichlautenden Ländererlassen vom 25. 2. 2014 dargelegten Behandlung883 insoweit nicht anzunehmen ist. Die Multiplikationsmethode ist deshalb auch für die Bestimmung der Neugesellschaftereigenschaft der unmittelbar an einer vermitteln­ den Personengesellschaft beteiligten Personen anzuwenden. 3.2.2.3.1.2.2 Methodik bei vermittelnden Kapitalgesellschaften Ist an der Grundstückspersonengesellschaft eine Kapitalgesellschaft be­ teiligt, so gilt diese gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn 95% der Anteile an ihr auf „neue Gesell­ schafter“ übergehen (Stufenbetrachtung). Die Prüfung soll gem. § 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungen auf jeder Ebene gesondert vorgenommen werden, es erfolgt also keine Durchrechnung. Ist auf einer Ebene das erforderliche Quantum von 95% erreicht, so soll die betreffende Kapitalgesellschaft in vollem Umfang (d.h. zu 100%, nicht zu 95%) als neue Gesellschafterin angesehen werden. Wirtschaftli­ 882 S.  Behrens/R. Halaczinsky, UVR 2015, S. 371 (372); C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 701; C. Lange/K. Broemel, DStR 2017, S. 360 (362). 883 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18. 2. 2014, BStBl. I 2014, S. 561, Tz. 2.1, 2.2.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

che Gesichtspunkte (z.B. der auf höherer oder oberster mittelbarer Ebene bestehende Gesellschafterkreis) bleiben außer Betracht. Beispiel 2:884 Wie Beispiel 1, nur mit einer GmbH als vermittelnder Gesellschaft; d.h. an einer grundstücksbesitzenden OHG sind A zu 85 %, B zu 5 % und die C-GmbH zu 10 % beteiligt. Die Anteile der C-GmbH halten D zu 90 % und E und F zu je 5 %. Im Jahr 01 überträgt A seine gesamte Beteiligung an der OHG auf X, im Jahr 02 übertragen D und E ihre Anteile an der C-GmbH auf Y und Z. A

X

B

D

Y

90% 85%

E

5%

Z

F

5%

5%

C-GmbH 10%

G-OHG

X wird als neuer Gesellschafter der G-OHG angesehen, nicht aber Y und Z, da diese ihre mittelbare Beteiligung über eine GmbH halten. Die Übertragung der Beteiligung des A auf X führt zu einer unmittelbaren Änderung des Gesellschaf­ terbestands im Umfang von 85% der Anteile am Gesellschaftsvermögen. Auch die C-GmbH ist nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als neuer Gesellschafter anzuse­ hen, weil 95% der Anteile an der C-GmbH auf deren neue Gesellschafter Y und Z übergegangen sind. Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands oberhalb der C-GmbH ist nicht anteilig (d.h. nicht: 95% von 10% = 9,5%), sondern in vol­ lem Umfang mit 10 % zu berücksichtigen, da die C-GmbH als neue Gesellschaf­ terin gilt.885 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist erfüllt, da sich der Gesell­ schafterbestand der Personengesellschaft zu insgesamt 95% (teils unmittelbar, teils mittelbar) geändert hat.

Der Vergleich obiger Beispiele 1 und 2 zeigt, dass sich allein aufgrund der Rechtsform der vermittelnden Gesellschaft erhebliche Belastungsunter­ schiede ergeben können.

884 Entnommen aus Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.3.3. 885 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.3.3.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

3.2.2.3.1.2.3 Methodik bei mehrstufiger Beteiligung von Personen- und Kapitalgesellschaften Für den Fall, dass im Rahmen mehrstufiger Beteiligungsstrukturen so­ wohl Personen- als auch Kapitalgesellschaften in der Beteiligungskette vorzufinden sind, enthält das Gesetz keine explizite Regelung.886 Es kann jedoch auf folgende Ausführungen in der Gesetzesbegründung zurückge­ griffen werden: „Bei Gesellschaftsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften ist durch Personengesellschaften durchzurechnen und auf der Ebene jeder Kapitalgesell­ schaft die 95 vom-Hundert-Grenze zu prüfen. Führen Änderungen im Gesellschaf­ terbestand mittelbar beteiligter Personengesellschaften bei einer nachgeordneten Kapitalgesellschaft nicht zu einem unmittelbaren oder mittelbaren oder teils unmittelbaren, teils mittelbaren Übergang von mindestens 95 vom Hundert ­ ­ihrer Anteile am Kapital, gilt die Kapitalgesellschaft nicht als neue Gesellschafte­ rin im Sinne des § 1 Absatz 2a GrEStG.“887

Die jeweiligen Betrachtungsweisen werden bei derartigen gemischten Beteiligungsketten also kombiniert angewandt.888 3.2.2.3.1.2.4 Konsequenzen und offene Fragen Die rechtsformabhängige Differenzierung bei der Bestimmung, ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands vorliegt, sorgt für eine erhebliche Erhöhung der Komplexität bei der Rechtsanwendung.889 Ins­ besondere entstehen in tiefer gestaffelten Konzernstrukturen unnötige Rechtsunsicherheiten, etwa dann, wenn ausländische Gesellschaften mittelbar an der Grundstückspersonengesellschaft beteiligt sind, deren Rechtsnatur erst im Wege eines Typenvergleichs ermittelt werden muss (man denke etwa an die US-amerikanische LLC, deren Qualifikation als Personen- oder Kapitalgesellschaft aus deutscher Sicht je nach individu­ ellen Verhältnissen unterschiedlich ist). Für einen derartigen Typenver­ gleich existieren noch keine gefestigten grunderwerbsteuerrechtlichen Vorgaben.890 Die Finanzverwaltung will § 1 Abs. 2a GrEStG auf alle aus­ 886 Dazu auch C. Lange/K. Broemel, DStR 2017, S. 360 (363 f.). Die Frage, wie bei solchen Beteiligungsketten vorzugehen ist, war bereits nach alter Rechts- und Erlasslage ungeklärt, siehe dazu auch BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, ­ ­BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 21; S. Behrens, DStR 2010, S. 777 (781). 887 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 53 f. 888 C. Lange/K. Broemel, DStR 2017, S. 360 (363 f.) fordern zu Recht, dass diese Vor­ gehensweise auch gesetzlich klargestellt werden sollte. 889 Vgl. auch M. Loose, DB 2015, S. 1003 (1006). 890 Zur ausländischen Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht siehe Ab­ schnitt 3.3.4.1, S. 273.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

ländischen Personengesellschaften anwenden, „deren rechtliche Struk­ tur den inländischen Personengesellschaften entspricht.“891 Darüber hinaus ist festzustellen, dass das Ziel, Gesetzesbestimmtheit zu schaffen, durch die Einfügung der Sätze 2 ff. nicht erreicht wurde. Statt­ dessen sind neue Unklarheiten entstanden, wie etwa hinsichtlich der Definition des „neuen Gesellschafters“ einer solchen vermittelnden Ka­ pitalgesellschaft.892 Zudem stellt sich die Frage, ob und welche Konse­ quenzen die Neuregelung im Hinblick auf unmittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands hat.893 Bevor diesen Einzelfragen nachgegangen wird, erfolgt nachstehend zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit dem Grundkonzept der Neuregelung. 3.2.2.3.1.3 Steuersystematische und verfassungsrechtliche Kritik 3.2.2.3.1.3.1 Systematische Inkonsequenz der „Fiktion in der Fiktion“ (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG) Dass bei vermittelnden Personengesellschaften eine Transparenzbe­ trachtung angeordnet und auf die durchgerechnete Beteiligungsquote des darüber stehenden Gesellschafters abgestellt wird, ist methodisch nach­ vollziehbar. Die Multiplikationsmethode ist konzeptionell bereits von der 2013 eingeführten Regelung des § 1 Abs. 3a GrEStG bekannt und zur Bestimmung, inwieweit sich Beteiligungsverhältnisse wirtschaftlich än­ dern, gut geeignet, da sie auf die wertmäßige Vermögensposition der auf oberster Stufe beteiligten Person abstellt. Demgegenüber enthält die stufenweise Betrachtung bei vermittelnden Kapitalgesellschaften eine „Fiktion in der Fiktion“, denn die Kapitalge­ sellschaft selbst gilt dann als neuer Gesellschafter einer Personengesell­ schaft, wenn 95% der Anteile an ihr auf neue Gesellschafter übergegan­ gen sind. Diese Fiktion lässt sich allerdings nicht anhand der Dogmatik des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG begründen, denn anders als dort handelt es sich beim in Satz 4 zu beurteilenden Rechtsträger um eine Kapitalgesell­ schaft. Es ist wertungswidersprüchlich, wenn die Fiktion einer „neuen Gesellschaft“ im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ausschließlich 891 Vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 2. In der Praxis wird auf ertragsteuerrechtliche Typenvergleichsgrund­ sätze („LLC-Erlass“ v. 19. 3. 2004, BStBl. I 2004, S. 411) zurückgegriffen; siehe S. Behrens, DStR 2010, S. 777 (786 f.). Im Bereich der §§ 5, 6 GrEStG verweist die Finanzverwaltung explizit auf den LLC-Erlass; siehe Gleichlautender Erlass betr. §§ 5, 6 GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1334, Tz. 2. 892 Siehe unten Abschnitt 3.2.2.4.4, ab S. 184. 893 Siehe unten Abschnitt 3.2.2.4.1, ab S. 170.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

auf Personengesellschaften angewandt wird, bei der Bestimmung des „neuen Gesellschafters“ im Sinne des § 1 Abs. 2a Sätze 4 f. GrEStG je­ doch eine vergleichbare Fiktion speziell für zwischengeschaltete Kapital­ gesellschaften formuliert wird. Auch ein Rückgriff auf das von der h.M. bei § 1 Abs. 3 GrEStG zu Grunde gelegte Konzept der Sachherrschaft894 gelingt nicht, da § 1 Abs. 2a Sätze 4 f. GrEStG gerade keine Konzentra­ tion von 95% der Anteile in einer Hand verlangt, sondern einen Über­ gang auf eine Mehrzahl neuer Gesellschafter der vermittelnden Kapital­ gesellschaft genügen lässt. Die „Fiktion in der Fiktion“ erweist sich insoweit als systematischer Fremdkörper. Aus zivilrechtlichen Gegebenheiten ist es ebenfalls nicht ableitbar, den Übergang von 95% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf mehrere neue Gesellschafter als Entstehung einer neuen Rechtsperson zu behan­ deln. Bereits bei einer Personengesellschaft beeinflusst dies die rechtli­ che Identität nicht.895 Erst recht unberührt von einem Gesellschafter­ wechsel bleibt die Identität einer Kapitalgesellschaft. Auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention, mit § 1 Abs. 2a GrEStG Steuerumgehungen einzudämmen und Vorgänge der Steuer zu unterwerfen, die im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung des Grundstücks gleichkommen,896 wird die Regelung nicht verständli­ cher. Die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte hätte es eher nahegelegt, die bereits bei § 1 Abs. 3a GrEStG rechtsformneutral umgesetzte Multiplikationsmethode auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG ein­ heitlich vorzuschreiben.897 3.2.2.3.1.3.2 Verfassungswidrigkeit der rechtsformbezogenen Differenzierung? Neben der unverständlichen, dogmatisch widersprüchlichen Stufenbe­ trachtung bei vermittelnden Kapitalgesellschaften (s.o.) ist an der Neure­ gelung zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands die Tatsache zu beanstanden, dass an Grundstückspersonengesellschaften beteiligte Personen- und Kapitalgesellschaften grundsätzlich unterschiedlich be­ handelt werden (§ 1 Abs. 2a Satz 2 vs. Sätze 3 ff. GrEStG).898 Dies führt 894 Dazu nachfolgend Abschnitt 3.2.3.1.2, S. 189. 895 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.1, S. 122. 896 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.1, S. 122. 897 Hierfür auch M. Loose, DB 2015, S. 1003 (1006). 898 Kritisch zur rechtsformbezogenen Ungleichbehandlung auch M. Loose, DB 2015, S. 1003 (1006), der allerdings eine einheitliche Stufenbetrachtung für gleichwertig hält.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

zwar nicht zur durchgängigen Besser- oder Schlechterstellung einer be­ stimmten Rechtsform, wohl aber zu willkürlichen Ergebnissen. Dem BFH ist zuzustimmen, wenn er (Bezug nehmend auf die jetzt im Gesetz verankerte frühere Verwaltungsauffassung) kritisiert, dass die vorge­ nommenen Differenzierungen „unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht plausibel“ seien und zu „in sich nicht konsistenten Ergebnissen“ führten.899 Beispiel: An der grundstücksbesitzenden G-KG sind A und B mittelbar über die A1-GmbH und die A2-GmbH beteiligt. A und B halten je 50% der Anteile an der A1-GmbH, auf den übrigen Stufen beträgt die Beteiligungsquote 95%. A und B übertragen ihre Anteile auf C und D. Variante: wie oben, nur wird die Beteiligung an der G-KG über die vermittelnden Personengesellschaften A1-KG und A2-KG gehalten.

Grundfall: A

Variante: B

C

50%

50%

A1-GmbH 95%

A2-GmbH 95%

G-KG

D

A

B

C

50%

D

50%

A1KG 95%

A2KG 95%

G-KG

Im ersten Fall wird Grunderwerbsteuer ausgelöst, da die A1-GmbH und die A2-GmbH nach § 1 Abs. 2a Sätze 4 und 5 GrEStG als „neue Gesellschafter“ gel­ ten. In der Variante ist der Vorgang hingegen nicht steuerbar, da nach der Durchrechnungsmethode des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG nur 90,25% der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

899 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 21.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Es stellt sich die Frage, ob die neue Gesetzeslage nur steuersystematisch, oder auch verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Hierbei ist zu berück­ sichtigen, dass die verfassungsrechtliche Kontrolldichte des Gebots der Rechtsformneutralität900 auch von der Natur und Schwere der Ungleich­ behandlung abhängt. Ist die Besteuerung als solche betroffen, d.h. werden Personen abhängig von ihrer Rechtsform teils einer Besteuerung unter­ worfen und teils nicht (wie zum Beispiel bei §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG901), bedarf es gewichtigerer Rechtfertigungsgründe als bei komplexen Fallun­ terscheidungen im Rahmen einzelner Tatbestandsmerkmale (wie im hier gegebenen Fall nach der Beteiligungsstruktur). In einer aktuellen Ent­ scheidung zu § 7 Satz 2 GewStG, der ebenfalls eine Differenzierung nach der Beteiligungsstruktur vornimmt, hat das BVerfG „keine strukturelle Ungleichbehandlung erheblichen Ausmaßes“ festgestellt und daher den gelockerten Rechtfertigungsmaßstab der sog. Willkürprüfung herangezo­ gen.902 Dies erscheint auch in der vorliegenden Frage naheliegend. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn sich ein „vernünftiger, sich aus der Na­ tur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt“; hierbei genügt „Willkür im objektiven Sinn, das heißt die tatsäch­ liche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand.“903 Doch auch ein zur Rechtfertigung ggf. genügender „vernünftiger Grund“ ist im Fall des § 1 Abs. 2a Sätze 2 ff. GrEStG schwer zu finden. Beim Blick in die Gesetzesmaterialien werden die Gründe für die gewählte Ausgestaltung der Regelung eher verdunkelt als erhellt. Die rechtsform­ abhängige Differenzierung wird dort mit den zivilrechtlichen Unter­ schieden zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften sowie deren un­ terschiedlicher Behandlung im Ertragsteuerrecht begründet.904 Unter anderem habe die Gesellschaft „keine eigene Rechtsfähigkeit“, die Ver­ mögensgegenstände seien „gemeinschaftliches Vermögen der Gesell­ schafter“ und jeder Gesellschafter sei „einzeln steuerpflichtig“905. Dies entspricht jedoch nicht der rechtlichen und wirtschaftlichen Realität, denn die Personengesellschaft wird nach der seit mehreren Jahrzehnten vorherrschenden neuen Gesamthandstheorie als eigenständiger Rechts900 Siehe Abschnitt 3.1.2.3.1.2, S. 108. 901 Siehe Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107. 902 BVerfG, Urteil v. 10. 4. 2018, 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, S. 303 = juris, Rz. 117. 903 BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 101 m.w.N. 904 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 52 f. 905 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 53.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

und Vermögensträger anerkannt; das Gesellschaftsvermögen wird nicht mehr als gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter angesehen.906 Freilich bestehen auch nach der neuen Gesamthandslehre zivilrechtliche Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften (etwa die unterschiedliche Haftungsverfassung), sie haben aber keinen erkennba­ ren Bezug zum Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer im Allgemeinen und zum Regelungsgegenstand des § 1 Abs. 2a GrEStG im Besonderen: Die Grunderwerbsteuer sucht die Leistungsfähigkeit desjenigen zu erfas­ sen, der ein Grundstück erwirbt und stellt hierzu im Rahmen ihrer Grund- und Ergänzungstatbestände auf Vorgänge ab, die auf die wirt­ schaftliche Übertragung von Grundstücken gerichtet sind. Das unter­ schiedliche Haftungsregime von Personen- und Kapitalgesellschaften ist insoweit ohne Relevanz: Ob ein Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Personengesellschaft persönlich haftet oder nicht, spielt im Hinblick auf die Gesellschaftsgrundstücke keine Rolle: Diese gehören als Gesell­ schaftsvermögen bei Personengesellschaften wie bei Kapitalgesellschaf­ ten gleichermaßen zur Haftungsmasse. Auch eine aus der zivilrechtlichen Gesamthandsberechtigung resultie­ rende größere „Sachnähe“907 bei einer beteiligten Personengesellschaft im Vergleich zur Kapitalgesellschaft ist nicht erkennbar: Die Gesell­ schafter der Obergesellschaft sind zivilrechtlich nicht Gesellschafter der Untergesellschaft;908 nur letzterer ist das Grundstück zuordenbar, wobei die Verfügungsbeschränkungen des § 719 BGB die „Sachnähe“ eher zu­ sätzlich verringern. Zudem existiert im Bereich der Grunderwerbsteuer keine eigengesetzli­ che Wertung, wonach Personengesellschaften mangels eigener Steuer­ subjekteigenschaft „transparent“ zu behandeln wären. Die transparente Besteuerung der Personengesellschaft im Bereich der Ertragsteuern hat für den Bereich der Grunderwerbsteuer keine Bedeutung.909 Die Perso­ nengesellschaft wird grunderwerbsteuerlich als eigenständiger Rechtsträ­ ger behandelt.910 Das Abstellen auf ihren Gesellschafterkreis ist lediglich Ausfluss der gesetzlich angelegten wirtschaftlichen Betrachtungsweise, 906 Vgl. Nachweise in Abschnitt 2.2.1.2.2, ab S. 78. 907 So G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 10. Aufl. (2014), § 1, Rz. 111. 908 Vgl. BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121; BFH, Beschluss v. 25. 2. 1991, GrS 7/89, BStBl. II 1991, S. 691 = juris, Rz. 85.  909 Vgl. auch BFH, Beschluss v. 27. 4. 2005, II B 76/04, BFH/NV 2005, S. 1627 = juris, Rz. 21. 910 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 22. Siehe auch Abschnitt 3.1.1, ab S. 95.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

die allen grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbeständen zu Grunde liegt. Darüber hinaus kann auch der Missbrauchsverhinderungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG die Unterscheidung zwischen beteiligten Perso­ nen- und Kapitalgesellschaften nicht rechtfertigen, da diese durch ihre komplexe Kasuistik eher Umgehungspotenzial schafft, als dieses zu re­ duzieren. Die in der Gesetzesbegründung aufgeführten rechtsformbezo­ genen Unterschiede können als sachliche Rechtfertigung daher nicht überzeugen. Für eine unterschiedliche Behandlung vermittelnder Personen- und Ka­ pitalgesellschaften gibt es im Ergebnis vor dem Hintergrund des Belas­ tungsgrunds und Normzwecks des § 1 Abs. 2a GrEStG keine Grundlage; die rechtsformspezifischen Besonderheiten wirken sich auf der hier zu beurteilenden mittelbaren Ebene nicht aus.911 Es ist somit auch dann, wenn man von einer auf ein bloßes Willkürverbot reduzierten Kontroll­ dichte ausgeht, fraglich, ob sich die Ungleichbehandlung von Beteili­ gungsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften verfassungs­ rechtlich rechtfertigen lässt.912 3.2.2.3.2 Mittelbare Änderung aufgrund schuldrechtlicher Beziehungen Außerhalb der gesetzlich neu geregelten mittelbaren Änderung des Ge­ sellschafterbestands durch gesellschaftsrechtliche Vorgänge hat der BFH in den letzten Jahren eine zusätzliche Fallgruppe entwickelt. Ein mittel­ barer Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG soll nicht nur dann vor­ liegen, wenn die Personen, die über den unmittelbaren Gesellschaftern stehen, wechseln, sondern auch dann, wenn die dahinter stehenden Per­ sonen sich ändern. Erstmals im Grunderwerbsteuerrecht kommt hierbei die wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zur Anwen­ dung.913

911 Siehe auch BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 20 zur vergleichbaren Fragestellung bei mittelbaren Beteiligungen i.R.d. § 1 Abs. 3 GrEStG. 912 So im Ergebnis auch H.-U. Viskorf, MüStF 2014, Arbeitsunterlage „Grunderwerb­ steuer bei Gesellschafterwechsel“, S. 13, der bereits im Vorfeld der Neuregelung des § 1 Abs. 2a GrEStG eine unterschiedliche Behandlung von Personen- und Ka­ pitalgesellschaften für mit dem Gleichheitssatz unvereinbar hielt. A.A. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 301, der von der Verfassungskonformität der Re­ gelung ausgeht. 913 Siehe bereits Abschnitt 2.1.3.2.2.5, S. 63.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.2.3.2.1 Die BFH-Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Zurechnung bei § 1 Abs. 2a GrEStG Dem BFH lagen in jüngerer Zeit folgende Sachverhalte zur Entscheidung vor: – Doppeloption et al.:914 Der neue Gesellschafter X erwarb von A und B unmittelbar 94,4% der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer Grundstückspersonengesellschaft sowie alle Anteile an der am Ge­ sellschaftsvermögen nicht beteiligten Komplementär-GmbH. Hin­ sichtlich des bei B verbleibenden 5,6%-Kommanditanteils schlossen X und B verschiedene schuldrechtliche Verträge ab, darunter eine Kaufoption des X mit gegenläufiger Verkaufsoption des B nach Ablauf von etwas mehr als fünf Jahren (sog. Doppeloption), ein Darlehen des X an B sowie die Übertragung des Gewinnstammrechts von X auf B. Des Weiteren erteilte B einem Vertreter von X eine Vollmacht, hin­ sichtlich des 5,6%-Kommanditanteils alle Rechte wahrzunehmen und Erklärungen gegenüber Dritten abzugeben. – Vereinbarungstreuhand:915 Ein Immobilien-Publikumsfonds wurde in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet, wobei die Kom­ manditisten A und B am Gesellschaftsvermögen jeweils 2%, die Komplementärin C-GmbH 0% und die Kommanditistin T-GmbH 96% übernahmen. Die T-GmbH war nach dem Gesellschaftsvertrag berechtigt, ihren Kommanditanteil von anfänglich EUR 4.800 durch Einlagen um ein Vielfaches bis auf über EUR 72,5 Mio. aufzustocken, was sie innerhalb der folgenden beiden Jahre auch tat. Das Kapital brachte die T-GmbH über Treuhandverträge mit Dritten auf. Nach diesen Verträgen waren die Treugeber im Innenverhältnis wie unmit­ telbar beteiligte Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln. Dies galt insbesondere für die Beteiligung am Gesell­ schaftsvermögen, am Gewinn und Verlust, an einem etwaigen Ausei­ nandersetzungsguthaben, dem Liquidationserlös sowie für die Aus­ übung der Stimmrechte und der Widerspruchs- und Kontrollrechte. – Vollmacht:916 Alleinige Kommanditistin einer grundstücksbesitzen­ den GmbH & Co. KG mit einem Kapitalanteil von 100% war die X-KG. Diese übertrug jeweils 47%, d.h. insgesamt 94% ihrer Kom­ manditbeteiligung auf die beiden Erwerber A und B. Noch vor der dinglichen Übertragung erteilte die übertragende X-KG den Erwer­ 914 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667. 915 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490. 916 BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

bern A und B eine umfassende, unbefristete und unwiderrufliche und etwaige Rechtsnachfolger bindende Vollmacht, die Gesellschafter­ rechte bei der Klägerin auszuüben. Insbesondere waren A und B da­ durch berechtigt, das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen wahrzunehmen, die X-KG bei satzungsändernden Gesellschafterbe­ schlüssen zu vertreten und in deren Namen auf Gewinnverteilungs­ ansprüche zu verzichten. Ferner waren die Bevollmächtigten berech­ tigt, den von der X-KG an der Klägerin gehaltenen Kommanditanteil zu veräußern, abzutreten, die Bedingungen der Veräußerung oder Ab­ tretung festzulegen und gegebenenfalls auf eine Gegenleistung völlig zu verzichten. In den erstgenannten beiden Fällen sah der BFH die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt an. Da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafter­ bestandes gibt, bleibe „nur eine am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung.“917 Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands könne nicht nur durch Änderung der Beteiligungsverhältnisse eintreten, sondern sich auch aus „schuldrechtlichen Bindungen des unmittelbar an der Personenge­ sellschaft beteiligten Gesellschafters“ ergeben.918 Für die insoweit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentschei­ dung könne „unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonder­ heiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen wer­ den.“919 Diese seien auch im Grunderwerbsteuerrecht anwendbar, „wenn und soweit die Auslegung eines im GrEStG verwendeten gesetzlichen Merkmals ergibt, dass es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt“, was bei dem Merkmal der „mittelbaren Änderung“ des Gesellschafterbestandes der Fall sei.920 – Im oben dargestellten Fall „Doppeloption“ stellte der BFH nach dem Gesamtbild der Verhältnisse einen Übergang des wirtschaftlichen Ei­ gentums am verbleibenden 5,6%-Kommanditanteil auf den Mehr­ heitsgesellschafter fest und behandelte dies als mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands.921 Mit dem Erwerb des Optionsrechts habe 917 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 14; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 13. 918 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 16; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 16 f. 919 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 18. 920 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17. 921 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 23.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

der Erwerber eine rechtlich geschützte Rechtsposition erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden konnte.922 Durch die Übertragung des Gewinnstammrechts seien zudem die zu­ künftigen Ansprüche auf den laufenden Gewinn auf den Erwerber übergegangen.923 Im Ergebnis waren nach Würdigung des BFH teils unmittelbar, teils mittelbar 100% der Anteile am Gesellschaftsver­ mögen auf einen neuen Gesellschafter übergegangen, obwohl dieser zivilrechtlich weiterhin nur 94,4% der Anteile hielt und an dem an­ deren Kommanditisten nicht beteiligt war. – Im oben dargestellten Fall „Vereinbarungstreuhand“ rechnete der BFH die Gesellschaftsanteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO den Treuge­ bern zu und behandelte diese als „neue mittelbare Gesellschafter.“924 Zur Begründung der mittelbaren Gesellschafterstellung der Treuge­ ber seien ihre schuldrechtlichen Ansprüche auf Anteilsübertragung ausreichend.925 Die mit den Treuhandvereinbarungen verbundenen Kapitalerhöhungen, die der Treuhänder bei der Grundstücks-KG vor­ nahm, führten im Ergebnis mittelbar im Umfang von ca. 99% zu ei­ ner Änderung des Gesellschafterbestands.926 – Im oben dargestellten Fall „Vollmacht“ bekräftigte der BFH zunächst die in den vorangegangenen Entscheidungen entwickelten Grundsät­ ze, verneinte jedoch eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbe­ stands. Die „wesentlichen Rechte des Gesellschafters, nämlich ins­ besondere die Stimmrechte und das Gewinnstammrecht“ seien nicht auf die Bevollmächtigten übergegangen; die „bloße Möglichkeit“, die wesentlichen Gesellschafterrechte für den Gesellschafter wahrzu­ nehmen sowie das Recht, den Gesellschaftsanteil auf sich ohne Ge­ genleistung zu übertragen, genügten nicht.927 Solange die Bevollmäch­ tigten von dieser rechtlichen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, seien die wesentlichen Gesellschafterrechte noch nicht auf sie übergegangen, sondern vollumfänglich bei der bei der bisherigen Ge­ sellschafterin verblieben.928

922 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 21. 923 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 22. 924 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 22 ff. 925 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 22. 926 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 25. 927 BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291 = juris, Rz. 27. 928 BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291 = juris, Rz. 28.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

3.2.2.3.2.2 Analyse Die neue Rechtsprechung zielt erkennbar darauf ab, Gestaltungen zu vereiteln, mit denen der Missbrauchstatbestand § 1 Abs. 2a GrEStG durch eine vertragliche „Aushöhlung“ oder „Entrechtung“ von Altge­ sellschafter-Anteilen umgangen wird. Dieses Bestreben ist nachvollzieh­ bar und dient der Steuergerechtigkeit. Zudem schafft der Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO insoweit eine gewisse Rechtssicherheit, als hierbei bereits aus anderen Steuerrechtsgebieten bekannte, gefestigte Zurech­ nungskriterien zur Anwendung kommen. Die rechtstechnische Umset­ zung und ihre dogmatische Begründung werfen jedoch einige methodi­ sche, systematische und rechtsstaatliche Fragen auf, denen im Folgenden nachgegangen wird. 3.2.2.3.2.2.1 Bisheriger Grundsatz: Anwendungsausschluss des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wegen Spezialität der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände In den Entscheidungen II R 49/12 und II R 18/14 greift der BFH erstmals und „ausnahmsweise“ im Grunderwerbsteuerrecht auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO „unter Beachtung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten“929 zu­ rück. Um dies einordnen zu können, muss an dieser Stelle etwas weiter ausgeholt und geklärt werden, warum die wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO für die übrigen Bereiche des Grunderwerbsteu­ errechts überhaupt bisher so entschieden ausgeschlossen wurde. Es waren überwiegend Fälle der Treuhand an Gesellschaftsanteilen, in denen sich diese Frage bisher gestellt hatte; der BFH hatte dort stets be­ tont, dass es im Grunderwerbsteuerrecht darauf ankomme, wer „bürger­ lich-rechtlich und handelsrechtlich“ Gesellschafter ist, während schul­ drechtliche Beziehungen irrelevant seien und § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht gelte.930 Eine Begründung für diesen zur ständigen Rechtsprechung ge­ wordenen Rechtssatz findet sich in den jüngeren Entscheidungen nicht; einige der älteren Entscheidungen931 greifen auf die Gesetzesmaterialien 929 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 18. 930 Vgl. BFH, Beschluss v. 14. 12. 1988, II B 134/88, BFH/NV 1990, S. 59 = juris, Rz. 31; BFH, Urteil v. 2. 2. 1994, II R 7/91, BStBl. II 1995, S. 300 = juris, Rz. 21; BFH, Be­ schluss v. 8. 8. 2000, II B 134/99, BFH/NV 2001, S. 66 = juris, Rz. 3; BFH, Beschluss v. 28. 9. 2004, II B 162/03, BFH/NV 2005, S. 72 = juris, Rz. 11; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/NV 2005, S. 381 = juris, Rz. 11. 931 BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643; BFH, Urteil v. 14. 11. 1962, II 82/59, NJW 1963, S. 463.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

zum GrEStG 1940 bzw. zum StAnpG 1934 zurück: In der Begründung zum GrEStG 1940 war das Treuhandgeschäft als Beispiel für Fälle aufge­ führt worden, in denen es trotz des Fehlens eines wirtschaftlichen Grundstücksumsatzes zur Entstehung der Steuer kommt.932 Des Wei­ teren hatte der historische Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass die Grundsätze des § 11 Abs. 2 und 3 StAnpG, der Vorläuferregelung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, dann nicht gelten sollen, wenn sie von einer Sonderre­ gelung verdrängt werden.933 Als derartige Sonderregelungen waren in der Begründung zum StAnpG 1934 auch die Vorschriften des GrEStG 1919 eingeordnet worden.934 Der BFH sah später auch § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 als eine derartige Sondervorschrift an.935 Die Unanwendbarkeit von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO kann also zum einen auf das historische Verständnis der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer im materiellen Sinne936 und zum anderen auf eine Spezialität bestimmter grunderwerbsteuerlicher Vorschriften gegenüber der allgemeinen Regel des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgeführt werden. Dieses Spezialitätsverhältnis wiederum ist darin begründet, dass im GrEStG Vorschriften enthalten sind, die entweder eine eigene wirtschaft­ liche Betrachtungsweise zu Grunde legen (§ 1 Abs. 2 GrEStG) oder wirt­ schaftliche Vorgänge und Gegebenheiten in typisierender Weise zu erfas­ sen suchen (darunter § 1 Absätze 2a, 3 und 3a sowie §§ 5 und 6 GrEStG). § 1 Abs. 2 GrEStG enthält ein eigenständiges Konzept der wirtschaftli­ chen Grundstückszurechnung, das eine parallele Anwendung der Grund­ sätze zum wirtschaftlichen Eigentum des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO aus­ schließt.937 Bei § 1 Absätze 2a, 3 und 3a sowie §§ 5 und 6 GrEStG ist die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte in der Teleologie ver­ ankert, tatbestandlich aber verbindlich vorgezeichnet. Bereits die gesetz­ lichen Typisierungen nehmen hier eine wirtschaftliche Betrachtung vor. Da die Anwendungsbereiche dieser Regelungen durch die Typisierung bereits zu Lasten des Steuerpflichtigen erweitert sind, wird durch das 932 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (387 f.). 933 Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 v. 5. 4. 1940, RStBl. 1940, S. 387 (388). 934 RStBl. 1934, S. 1398 (1405 f.): „Soweit Sondervorschriften bestehen, ist kein Raum für die Anwendung des § 11 des Steueranpassungsgesetzes. Beispiele: […] §§1 und 4 des Grunderwerbsteuergesetzes. […]“ 935 Vgl. BFH, Urteil v. 14. 11. 1962, II 82/59, NJW 1963, S. 463. 936 In diesem Sinne etwa P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 638, der von einer „besonderen Normstruktur“ des GrEStG spricht. Die Unan­ wendbarkeit des § 39 AO ergebe sich allein schon daraus, „dass die Besteuerungs­ tatbestände des § 1 an das bürgerliche Recht anknüpfen und diesem die Vorstel­ lungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO fremd sind.“ 937 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 636 ff.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Spezialitätsverhältnis sichergestellt, dass keine weitere Ausdehnung der tatbestandlichen Grenzen unter Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO er­ folgt. 3.2.2.3.2.2.2 Die neue Anwendungslogik für § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – Grundgedanke und Unstimmigkeiten Von den oben skizzierten Grundsätzen weicht der BFH nun für Fälle der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesell­ schaft ab, wenn bestimmte schuldrechtliche Beziehungen mit Dritten oder zwischen den Gesellschaftern bestehen. Die Abweichung von den bestehenden Spezialitätsgrundsätzen wird in den Urteilsbegründungen nicht diskutiert. Ob eine wirtschaftliche Zurechnung erfolgt, soll an­ hand einer dreistufigen Prüfungsreihenfolge ermittelt werden: Zunächst soll untersucht werden, ob der auszulegende Begriff an das Zivilrecht anknüpft und deshalb nach zivilrechtlichen Maßstäben auszulegen ist.938 Ist dies nicht der Fall, soll geprüft werden, ob auf bestehende „allgemeine Rechtsgrundsätze“ des GrEStG zurückgegriffen werden kann.939 Gelingt die Begriffsausfüllung weder durch zivilrechtliche noch durch spezifisch grunderwerbsteuerliche Gesichtspunkte, soll die Tür für eine wirtschaft­ liche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO offen stehen. Diese sei vorzunehmen, „wenn und soweit die Auslegung eines gesetzlichen ­ Merkmals ergibt, dass es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt“940. Im Rahmen dieser Methodik klassifiziert der BFH den unmittelbaren Gesellschafterwechsel als einen Vorgang, der im Zivilrecht vorkommt und deshalb streng nach seinem zivilrechtlichen Begriffsinhalt zu inter­ pretieren sei: „Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen keine Rolle.“941 Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands gebe es im Zivil­ recht hingegen nicht, weswegen hier eine „am Sinn und Zweck der Re­ gelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Ausle­ gung“ erfolgen müsse.942

938 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 14. 939 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 15. 940 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17. 941 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17. 942 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 13.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Bemerkenswert ist, dass in den oben dargestellten Fällen der Doppelopti­ on und der Vereinbarungstreuhand, in denen jeweils schuldrechtliche Beziehungen eines unmittelbar beteiligten Gesellschafters mit anderen, nicht an diesem beteiligten Personen bestanden, jeweils ein Fall der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands angenommen wurde.943 Dies suggeriert, dass der unmittelbar beteiligte Gesellschafter weiterhin „Gesellschafter“ bleibe und der Übergang sich auf einer höheren Ebene vollziehe. Tatsächlich (und damit „wirtschaftlich“) passiert jedoch et­ was anderes: Der unmittelbar beteiligte Altgesellschafter wird „entrech­ tet“944; er gibt seine Stellung in wirtschaftlicher Hinsicht auf und sein schuldrechtlicher Vertragspartner tritt an seine Stelle. Dieser Übertra­ gungsvorgang vollzieht sich nicht auf mittelbarer, sondern auf unmittelbarer Gesellschafterebene. Die Unterstellung eines „mittelbaren“ Ge­ sellschafterwechsels, die nach der oben dargestellten Anwendungslogik die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO überhaupt erst rechtfertigt, er­ scheint daher nicht als zwingend. Nach der vom BFH aufgestellten An­ wendungsregel wäre die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel gar nicht anwendbar. 3.2.2.3.2.2.3 Zulässigkeit einer erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 2a GrEStG? Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die in den neuen Urteilen vorgenommene wirtschaftliche Zurechnung zur einer gesellschaftsrecht­ lich nicht beteiligten Person vom Gesetzeswortlaut gedeckt ist. Denn § 1 Abs. 2a GrEStG spricht nicht vom Übergang auf neue „Eigentümer“, sondern auf neue „Gesellschafter“. Erwirbt ein Dritter über schuldrecht­ liche Beziehungen das wirtschaftliche Eigentum an einer Personengesell­ schaftsbeteiligung, begründet dies noch keine Gesellschafterstellung. Der schuldrechtlich Beteiligte erlangt weder die unmittelbare Mitglied­ schaft in der Personengesellschaft, noch eine anderweitige gesellschafts­ rechtliche Rechtsposition (wie es z.B. bei mittelbarer mehrstufiger Betei­ ligung im Konzernverbund der Fall wäre). Die Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geht insoweit über den Gesetzeswortlaut hinaus. Der Begriff „Gesellschafter“ ist kein grunderwerbsteuerlicher Eigenbe­ griff, dessen Inhalt durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausfüll­ bar wäre.945 Knüpft ein auszulegender Begriff an das Zivilrecht an, ist er 943 Vgl. bereits C. Joisten, DStZ 2016, S. 272 (279). 944 H.-U. Viskorf, MüStF 2014, Arbeitsunterlage „Grunderwerbsteuer bei Gesell­ schafterwechsel“, S. 14. 945 Zu dieser Methodik siehe Abschnitt 2.1.3.2.3.3, S. 70.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

auch nach zivilrechtlichen Maßstäben auszulegen.946 Die in der Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG angelegte wirtschaftliche Betrachtung beschränkt sich auf die Rechtsfolgenseite (Fiktion einer neuen Personengesell­ schaft947). Das Tatbestandsmerkmal „Gesellschafter“ ist zivilrechtlich eindeutig bestimmbar und müsste, wenn man die neue Anwendungslo­ gik konsequent auf diesen Begriff überträgt, auch nach zivilrechtlichen Maßstäben interpretiert werden. „Gesellschafter“ sind nach diesen Maß­ stäben nur die unmittelbaren Mitglieder der Personengesellschaft sowie die an diesen gesellschaftsrechtlich beteiligten Personen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass § 1 Abs. 2a GrEStG bereits eine sehr weitreichende Typisierung vornimmt und als Missbrauchsverhinde­ rungsnorm eine überschießende Tendenz aufweist.948 Mit Einführung dieses Tatbestands wurde die Steuerbarkeit auf Bereiche ausgedehnt, „in denen das Argument der Steuerumgehung weder dogmatisch tragfähig ist noch nach dem Rechtsgefühl naheliegt.“949 Wenn eine Vorschrift in unwiderleglich typisierender Weise einen Steuerumgehungstatbestand formuliert, bedeutet dies gleichzeitig, dass die einzelnen Tatbestands­ merkmale eng auszulegen sind. Eine erweiternde Auslegung oder Analo­ gie zu Lasten des Steuerpflichtigen ist unter rechtsstaatlichen Gesichts­ punkten (Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung) unzulässig.950 Dies schließt es aus, eine „Umgehung der Umgehungsvorschrift“ zu unter­ stellen. Es verbleiben deshalb Zweifel, ob § 1 Abs. 2a GrEStG in seiner gegenwärtigen Gesetzesfassung eine Anwendung auf schuldrechtliche Verträge zulässt.951 Eine gesetzliche Anordnung würde der wirtschaftli­ chen Betrachtungsweise jedenfalls ein sichereres Fundament verleihen. 3.2.2.3.2.2.4 Wertungswidersprüche bei Treuhandverhältnissen Jenseits der oben diskutierten, spezifischen Anwendungsfragen im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht zulässig und als Verwirklichung des Leistungs­ fähigkeitsprinzips bei der Rechtsanwendung auch folgerichtig.952 Die nun­ mehr erfolgte Änderung der Rechtsprechung bringt es jedoch mit sich, 946 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 14. 947 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.1, ab S. 122. 948 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.4, ab S. 128. 949 P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. (2011), § 1, Rz. 818. 950 Siehe auch Abschnitt 2.1.3.2.1.2, S. 56. 951 A.A. P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht (2017), S. 206, der aufgrund des Missbrauchsverhinderungszwecks des § 1 Abs. 2a GrEStG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für „dogmatisch angezeigt“ hält. 952 Vgl. oben Abschnitt 2.1.3.2, ab S. 54.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

dass erhebliche Wertungswidersprüche zur bisherigen Treuhandrecht­ sprechung entstehen, die sich wie folgt skizzieren lässt: Überträgt ein Ge­ sellschafter seinen Anteil an einer Grundstückspersonengesellschaft auf einen Treuhänder, ist dies im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG relevant, weil der Treuhänder als neuer Gesellschafter angesehen wird, das beim bisherigen Gesellschafter verbleibende wirtschaftliche Eigentum im Sin­ ne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO jedoch als unbeachtlich gilt.953 Wechselt der Treuhänder, bleibt das unverändert bestehende wirtschaftliche Eigentum des Treugebers ebenso unberücksichtigt954 wie beim Rückerwerb des zi­ vilrechtlichen Eigentums durch den Treugeber.955 Jeder einzelne Vorgang wird als Gesellschafterwechsel im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG behan­ delt und kann Grunderwerbsteuer auslösen. Die wirtschaftlich unverän­ derte Position des Treugebers findet auch im Rahmen der Steuerbefreiun­ gen nach §§ 5, 6 GrEStG keine Berücksichtigung.956 Nach der neuen Entscheidung des BFH zur Vereinbarungstreuhand muss nun jedoch – wie es schon zuvor von der Finanzverwaltung vertreten wurde957 – derjenige, der aufgrund bloßer schuldrechtlicher Vereinbarung zum Treugeber wird, gegen sich gelten lassen, dass er wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erworben hat. Dieses Ergeb­ nis ist unter Gesichtspunkten der Rechtsanwendungsgleichheit proble­ matisch, da es den Steuerpflichtigen, der sich in den oben dargestellten übrigen Fällen gerade nicht auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO berufen kann, ein­ seitig belastet. Da der BFH in seinen neuen Entscheidungen deutlich ge­ macht hat, dass beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel keine wirt­ schaftliche Betrachtungsweise in Betracht komme, ist derzeit nicht zu erwarten, dass die entstandenen Widersprüche in naher Zukunft durch eine Änderung der Treuhandrechtsprechung aufgelöst werden.

953 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266; BFH, Beschluss v. 17. 3. 2006, II B 157/05, BFH/NV 2006, S. 1341; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/NV 2005, S. 381; BFH, Beschluss v. 12. 11. 2004, II B 5/04, BFH/NV 2005, S. 381; BFH, Beschluss v. 29. 9. 2004, II B 162/03, BFH/NV 2005, S. 72. 954 Vgl. BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643. 955 Vgl. BFH, Beschluss v. 17. 3. 2006, II B 157/05, BFH/NV 2006, S. 1341. Der Rücker­ werb durch den Treugeber kann allerdings ggf. durch § 16 Abs. 2 oder § 3 Nr. 8 GrEStG von der Steuer befreit werden. 956 Vgl. BFH, Beschluss v. 8. 8. 2000, II B 134/99, BFH/NV 2001, S. 66; BFH, Beschluss v. 14. 12. 1988, II B 134/88, BFH/NV 1990, S. 59; BFH, Urteil v. 23. 10. 1974, II R 87/73, BStBl. II 1975, S. 152. 957 Vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18. 2. 2014, BStBl. I 2014, S. 561, Tz. 2.2, 4. Spiegelstrich; Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25. 2. 2010, DStR 2010, S. 697, Tz. 2.2, 4. Spiegelstrich.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

3.2.2.3.2.2.5 Rückgriff auf § 1 Abs. 2 GrEStG als Alternativlösung? Jenseits der oben dargestellten methodischen und rechtssystematischen Bedenken stellt sich die Frage, ob § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO konzeptionell geeignet ist, die vom BFH beabsichtigte Erfassung schuldrechtlicher Ge­ staltungen zu leisten. § 1 Abs. 2a GrEStG verlangt tatbestandlich den Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO bewirkt indes nur die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Anteil, vermag aber weder eine Gesellschafterstellung noch für diese die Qualität „neu“ zu vermitteln oder zu fingieren. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Lösung des Problems schuldrechtlicher Gestal­ tungen durch andere rechtliche Instrumente möglich ist. Die Finanzverwaltung hatte schuldrechtliche Vereinbarungen in der Ver­ gangenheit ebenfalls als grunderwerbsteuerlich relevant angesehen, dies aber nicht wie der BFH auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, sondern auf § 1 Abs. 2 GrEStG gestützt: „Einem mittelbaren Gesellschafterwechsel gleichgestellt wird eine Gestaltung (z. B. eine vertragliche), die einem anderen als dem an der Gesellschaft Beteilig­ ten – ebenso wie bei der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG bei Treu­ handgeschäften und bei Geschäftsbesorgungsverträgen – die Wertteilhabe an den (Gesellschafts-)Grundstücken einräumt.“958

Erst neuerdings wendet die Finanzverwaltung die neue Rechtsprechung des BFH an.959 Auch von Hofmann wird der Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO im Grunderwerbsteuerrecht als „artfremd“ abgelehnt.960 Bei der Bekämpfung von Umgehungsgestaltungen seien vorrangig die „grund­ erwerbsteuerrechtlichen Bordmittel“ des § 1 Abs. 2 GrEStG in Anspruch zu nehmen.961 Der Vorzug dieser Lösung läge darin, dass sie besser in das System des GrEStG integriert wäre. Auch hier gilt jedoch, dass die Tatbestandsmerk­ male des § 1 Abs. 2a GrEStG keiner erweiternden Auslegung zugänglich sind, da es sich um eine typisierende Missbrauchsverhinderungsnorm handelt.962 Auch eine aus den Grundsätzen des § 1 Abs. 2 GrEStG abge­

958 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 9. 12. 2015, BStBl. I 2016, S. 136. 959 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 8. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Rz. 5.1.2. 960 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 114a. 961 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 114a. 962 Siehe bereits Abschnitte 2.1.3.2.1.2, S. 56 und 3.2.2.3.2.2.1, S. 157.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

leitete „Wertteilhabe“ ist somit nicht geeignet, das Tatbestandbestands­ merkmal „Übergang auf neue Gesellschafter“ auszufüllen. Zu prüfen bleibt allerdings noch, ob sich eine Steuerpflicht der in den vom BFH entschiedenen Fällen der Doppeloption und der Vereinbarungs­ treuhand ggf. außerhalb des § 1 Abs. 2a GrEStG direkt aus § 1 Abs. 2 GrEStG ergeben könnte. § 1 Abs. 2 GrEStG setzt voraus, dass ein Rechts­ vorgang vorliegt, der es ohne Begründung eines Anspruchs auf Über­ eignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht, ein ­inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Die Tatbe­ standsmerkmale der Vorschrift gelten als konturenarm963 und werden von der Rechtsprechung meist einzelfallbasiert im Wege einer Gesamt­ betrachtung gewürdigt, bei der ein wertender Vergleich mit der Situation des Eigentümers erfolgt.964 Die wesentlichen materiellen Komponenten der Verwertungsbefugnis sind hierbei die Beteiligung an der Wertsub­ stanz des Grundstücks sowie die Befugnis zu dessen Nutzung.965 Nach der Rechtsprechung des BFH soll eine Einwirkungsmöglichkeit auf Gesellschaftsebene für die Begründung der Verwertungsbefugnis im Sin­ ne des § 1 Abs. 2 GrEStG generell nicht ausreichen; dies ergebe sich aus der Systematik des GrEStG, das Gesellschaften als eigene Rechtssubjek­ te behandelt.966 Zwingend erscheint dieser pauschale Anwendungsaus­ schluss nicht, insbesondere, wenn man § 1 Abs. 2 GrEStG als einen den Ergänzungstatbeständen übergeordneten zweiten Haupttatbestand des GrEStG begreift.967 Allerdings dürfte der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 GrEStG auch dann, wenn man keinen generellen Ausschluss an­ nimmt, nur in wenigen Fällen eröffnet sein: Bei Beteiligungen von weni­ ger als 100% am Gesellschaftskapital fehlt es an der Möglichkeit, das Grundstück wie ein Eigentümer z.B. durch Veräußerung zu verwerten. Der Gesellschafter kann in diesen Fällen über das Grundstück als Gan­ zes nicht verfügen, da der oder die übrigen Gesellschafter dem im Regel­ 963 Für einen systematisierenden Überblick siehe T. Hartlich, Die Verwertungsmög­ lichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016), S. 99 ff. 964 Vgl. T. Hartlich, Die Verwertungsmöglichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016), S. 99. 965 Vgl. T. Hartlich, Die Verwertungsmöglichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016), S. 100 ff.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 80; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 242. 966 Vgl. BFH, Urteil v. 27. 3. 1991, II R 82/87, BStBl. II 1991, S. 731 = juris, Rz. 14; BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 32/11, BStBl. II 2013, S. 962 = juris, Rz. 13; BFH, Ur­ teil v. 20. 4. 2016, II R 54/14, BStBl. II 2016, S. 715 = juris, Rz. 13. 967 Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2.3.2.3, S. 37 sowie J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 5; G. Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/ GrEStG (77. Lfg. August 2008), Einführung zum GrEStG, Rz. 1.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

fall zustimmen müssten. Die 95%-Grenze des § 1 Abs. 2a GrEStG lässt sich nicht auf § 1 Abs. 2 GrEStG projizieren. § 1 Abs. 2 GrEStG erfasst nur die Verwertungsmöglichkeit am ganzen Grundstück, nicht an ideel­ len Bruchteilen. In der aktuellen Rechtslage dürfte daher auch § 1 Abs. 2 GrEStG nur begrenzt geeignet sein, schuldrechtliche Gestaltungen grund­ erwerbsteuerlich zu erfassen. 3.2.2.3.2.2.6 Zwischenergebnis Die neue Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Zurechnung von Gesell­ schaftsanteilen im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG dient der Steuerge­ rechtigkeit, indem sie Fälle, in denen zurückbehaltene Anteile eines Alt­ gesellschafters durch schuldrechtliche Verträge „ausgehöhlt“ werden, zu erfassen sucht. Sie schließt hierdurch eine der letzten grunderwerbsteu­ erlichen Gestaltungslücken, die im heutigen, stark verdichteten grund­ erwerbsteuerlichen Tatbestandsgefüge verblieben waren. Im Grunderwerbsteuerrecht besteht grundsätzlich Raum für eine wirt­ schaftliche Betrachtungsweise, da hierdurch das Leistungsfähigkeits­ prinzip auch im Bereich der Rechtsanwendung umgesetzt wird. Anwen­ dungsprobleme ergeben sich jedoch daraus, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise bislang Fällen des mittelbaren Gesellschafterwech­ sels vorbehalten bleibt. Die Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Vorgängen gelingt mitunter nicht eindeutig und die scharfe Unterscheidung der Anwendungsgrundsätze für unmittelbare und mittel­ bare Gesellschafterwechsel führt zu nicht durchgängig widerspruchsfrei­ en Ergebnissen. Eine übergreifende wirtschaftliche Betrachtungsweise, die auch beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel die Berücksich­ tigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte ermöglicht, wäre systematisch überzeugender und würde auch die dogmatische Legitimation der wirt­ schaftlichen Anteilszurechnung erhöhen. Die Behandlung schuldrechtlicher Vereinbarungen als mittelbarer Ge­ sellschafterwechsel dehnt den eng zu interpretierenden Regelungswort­ laut der abschließend typisierenden Missbrauchsnorm § 1 Abs. 2a GrEStG weit aus. Darüber hinaus zeigt sich an der Entscheidung im Fall „Vollmacht“968, in der der BFH die wirtschaftliche Zurechnung trotz der Möglichkeit des Bevollmächtigten, den Gesellschaftsanteil jederzeit ohne Gegenleistung auf sich selbst zu übertragen, verneint hat, dass die Heranziehung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO keine lückenlose Verhinderung steuerlicher Gestaltungen ermöglicht. Schuldrechtliche Gestaltungen 968 BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

unter Einräumung weitreichender Vollmachten bleiben weiterhin mög­ lich. Auch der alternativ diskutierte Rückgriff auf § 1 Abs. 2 GrEStG bie­ tet derzeit keine stabile Grundlage für eine wirtschaftliche Anteilszu­ rechnung. Um die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf ein gesichertes rechtliches Fundament zu stellen, sollte sie gesetzlich festgeschrieben werden. 3.2.2.3.2.3 Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015? Die Entscheidungen in den oben dargestellten Fällen „Doppeloption“969 und „Vereinbarungstreuhand“970 sind zur Rechtslage vor dem StÄndG 2015971 ergangen, in der das Gesetz noch keine Definition der mittelba­ ren Änderung des Gesellschafterbestands enthielt. Unabhängig von den vorstehend diskutierten Problemen stellt sich die Frage, ob die dort auf­ gestellten Grundsätze auch für die heutige Rechtslage noch Geltung be­ anspruchen können. Denn im Rahmen des StÄndG 2015 wurde § 1 Abs. 2a GrEStG um eine gesetzliche Definition des mittelbaren Gesell­ schafterwechsels ergänzt; eine wirtschaftliche Betrachtung bei schuld­ rechtlichen Vereinbarungen ist in dieser Regelung jedoch nicht enthal­ ten. Ein obiter dictum des BFH972 sowie Äußerungen in Teilen der Literatur973 deuten auf eine Fortgeltung der Grundsätze aus den o.g. Urteilen auch für die heutige Rechtslage hin. Meßbacher-Hönsch geht davon aus, dass die Neuregelung „keine Beschränkung“ der mittelbaren Änderung auf die nunmehr explizit geregelten Fälle beinhalte; dies sei aus dem Wort­ laut der neu eingefügten § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG und aus den Gesetzesmaterialien abzuleiten, welche jeweils ausschließlich Bezug auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge nehmen.974 Gerade hieraus ließe sich jedoch auch der gegenteilige Schluss ziehen, dass die gesetzliche Defini­ tion der „mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands“ den Aus­ legungsspielraum verengt hat. Denn dem Gesetzgeber war die vom BFH entwickelte Fallgruppe der Änderung des Gesellschafterbestands durch schuldrechtliche Vereinbarungen bekannt. Dass er die Fallgruppe schuldrechtlicher Vereinbarungen trotz dieses Wissens nicht in den ge­ 969 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667. 970 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490. 971 StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834. 972 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 19. 973 C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 833; P. Eulau, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht (2017), S. 204. 974 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 833.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

setzlichen Tatbestand mit aufgenommen hat, könnte auch dafür spre­ chen, dass sie nach neuer Rechtslage keine Grundlage mehr hat. Der Wortlaut von § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 benennt ausschließlich solche mittelbaren Änderungen im Gesellschaf­ terbestand einer Personengesellschaft, die auf gesellschaftsrechtlichen Vorgängen beruhen; da es das erklärte Ziel des Gesetzgebers war, die mit­ telbare Änderung des Gesellschafterbestands gesetzlich zu definieren, muss der Steuerpflichtige darauf vertrauen können, dass diese Definition abschließend und vollständig ist. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung, die einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2a GrEStG eine Absage erteilt: „Mit der Präzisierung der Vorschrift stellt der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit seinem ursprünglichen Willen, im Rahmen des § 1 Absatz 2a GrEStG sowohl mittelbare Anteilsübertragungen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen als auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise abzuschaffen […], den mit dem StEntlG 1999/2000/2002 beabsichtigten Rechtszustand wieder her.“975

Zwar bezieht sich die angestrebte „Abschaffung der wirtschaftlichen ­Betrachtungsweise“ in erster Linie auf die Gesetzänderung im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002,976 bei der die gesetzliche Anordnung, das Vorliegen einer wesentlichen Änderung des Gesellschafterbestands „un­ ter wirtschaftlichen Gesichtspunkten“ zu beurteilen, gestrichen und durch eine unwiderlegliche Typisierung ersetzt wurde.977 Ergebnis dieser Neufassung ist jedoch, dass die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2a GrEStG – soweit möglich – anhand zivilrechtlich definierter Kriterien auszufüllen sind.978 Dies sollte nach der gesetzlichen Klarstellung, wel­ che Vorgänge bei Personen- bzw. Kapitalgesellschaften den Tatbestand der „mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands“ erfüllen, nun­ mehr auch für diese Fragen gelten. Im Ergebnis ist nach hier vertretener Auffassung die Berücksichtigung schuldrechtlicher Beziehungen im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG in der geltenden Rechtslage (erst recht) nicht mehr zulässig. Eine belastende wirtschaftliche Betrachtungsweise würde eine explizite Gesetzesände­ rung voraussetzen. 975 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 53. 976 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 977 Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Urfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG 1997 (JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049) siehe Abschnitt 3.2.2.2.2, ab S. 124. 978 Vgl. grundlegend BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.2.3.2.4 Möglichkeit einer mehrfachen mittelbaren Gesellschafterstellung? Neben den grundsätzlichen dogmatischen Fragen, die oben diskutiert wurden, wirft die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO im Grunderwerb­ steuerrecht auch neue Rechtsunsicherheiten auf. Unter anderem stellt sich die Frage, ob die wirtschaftliche Zurechnung einer mittelbaren ­Gesellschafterstellung zu einer „Verdoppelung“ der mittelbaren Gesell­ schafter führt, oder ob die Beteiligung des gesellschaftsrechtlich mittel­ bar beteiligten Gesellschafters hierdurch für grunderwerbsteuerliche Zwecke verdrängt wird. Beispiel: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G-GbR sind von Anfang an A sowie die B-GmbH jeweils zur Hälfte beteiligt. Sämtliche Geschäftsanteile der B-GmbH werden seit langer Zeit von B gehalten. Im Jahr 1 vereinbart die B-GmbH mit C, dass sie ihren Anteil fortan treuhänderisch für C hält. Im Jahr 4 wird das Treuhandverhältnis wieder beendet. B

100%

A

B-GmbH

50%

Treuhand (Begründung Jahr 01, Ende Jahr 04)

C

50%

G-GbR

Nach der BFH-Rechtsprechung ist C als Treugeber mittelbarer (Neu-)Gesellschaf­ ter der G-GbR.979 Es stellt sich die Frage, ob auch B als Gesellschafter des Treuhän­ ders weiterhin mittelbarer (Alt-)Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG bleibt, und ob die Aufhebung des Treuhandverhältnisses zu einem im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigenden Gesellschafterwechsel führt.

979 BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Der BFH hat in einer Entscheidung zu § 1 Abs. 3 i.V.m. § 16 GrEStG eine „negative Zurechnung“ dahingehend vorgenommen, dass eine Anteils­ vereinigung in den Händen des Gesellschafters des Treuhänders nicht vorliegt; aufgrund des Treuhandverhältnisses habe dieser nicht die für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG erforderliche Sachherrschaft über die Ge­ sellschaftsanteile.980 Hieraus könnte man auf den Gedanken kommen, dass grunderwerbsteuerlich immer nur eine Person – entweder der Treu­ geber oder der Gesellschafter des Treuhänders – Gesellschafter sein kann. Dies würde dem ertragsteuerlichen Verständnis des § 39 Abs. 2 Nr.1 AO entsprechen, wonach die Zurechnung exklusiv zum wirtschaftlichen Ei­ gentümer erfolgt. In sämtlichen der neuen BFH-Entscheidungen wurde jedoch betont, dass die Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nur „unter Beachtung grund­ erwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten“ erfolgen kann.981 Zu diesen Be­ sonderheiten gehört es, dass im Grunderwerbsteuerrecht – anders als im Ertragsteuerrecht – keine Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigen­ tums gilt, sondern die wirtschaftliche Zurechnung allenfalls ergänzend als zusätzliche Fallgruppe an die Seite der zivilrechtlich definierten Tat­ bestände treten kann. Die Zurechnung von Gesellschaftsanteilen zu mehreren Personen ist in der Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG ohnehin angelegt, denn bereits durch die parallele Erfassung unmittelbarer und mittelbarer Gesellschafterwechsel wird eine mehrfache Zurechnung des­ selben Anteils vorgenommen. Der Sachherrschaftsgedanke, der in der zu § 1 Abs. 3 GrEStG ergangenen Entscheidung II B 98/17 zum Tragen kam, hat für § 1 Abs. 2a GrEStG keine Bedeutung. Hier geht es nicht um die rechtlichen Einwirkungs­ möglichkeiten auf den Gesellschaftsanteil, sondern um die Gesellschaf­ tereigenschaft. Diese wird durch schuldrechtliche Vereinbarungen nicht berührt; zur Feststellung der mittelbaren (Alt-/Neu-) Gesellschafterei­ genschaft steht seit dem StÄndG 2015 die gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 2a Sätze 2 ff. GrEStG zur Verfügung. Im Ergebnis ist bei § 1 Abs. 2a GrEStG die Möglichkeit einer mehrfachen Gesellschafterstellung auf Grundlage des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu beja­ hen. Dies bedeutet im obigen Beispiel, dass sowohl der Treugeber als auch der Gesellschafter der Treuhänder-GmbH jeweils mittelbare Ge­ sellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sind. Da B ununterbrochen 980 BFH, Beschluss v. 22. 1. 2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 = juris, Rz. 16. 981 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490 = juris, Rz. 18; BFH, Be­ schluss v. 22. 1. 2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 = juris, Rz. 14.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

mittelbarer Gesellschafter der G-GbR geblieben ist, ist die Folgefrage, ob die Auflösung des Treuhandverhältnisses zu einer zu berücksichtigenden Änderung im Gesellschafterbestand führt, zu verneinen.982 3.2.2.4 Der Begriff des „neuen Gesellschafters“ Im Schatten der Diskussion um den Begriff der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft, der von Recht­ sprechung und Gesetzgeber in den letzten Jahren mit Inhalt gefüllt wur­ de, blieb bislang unberücksichtigt, dass auch das Tatbestandsmerkmal „auf neue Gesellschafter“ unzureichend bestimmt ist und einer Definiti­ on bedarf. Sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Gesell­ schafterwechsel bleiben Zweifelsfragen offen, wann ein Gesellschafter „neu“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG ist. 3.2.2.4.1 Der unmittelbare Neugesellschafter nach § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 3.2.2.4.1.1 Auswirkung der Neuregelung auch für unmittelbare ­Gesellschafterwechsel? Zunächst stellt sich die Frage, ob die Neuregelung der mittelbaren Ände­ rung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft in § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG auch Auswirkungen auf die Beurteilung unmittelbarer Gesellschafterwechsel hat, d.h. ob die neu im Gesetz verankerte Methodik, bei vermittelnden Personengesellschaften durchzurechnen und bei vermittelnden Kapitalgesellschaften eine Stufenbetrachtung vor­ zunehmen,983 auch dann anzuwenden ist, wenn eine Gesellschaft unmittelbar der Grundstückspersonengesellschaft beitritt oder einen Anteil an ihr erwirbt. Hier bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder die unmittel­ bar beitretende Gesellschaft wird ohne weitere Prüfung der Umstände als „neuer Gesellschafter“ behandelt, oder es wird entsprechend der ge­ setzlichen Neuregelung zu mittelbaren Änderungen des Gesellschafter­ bestands auf deren Gesellschafter abgestellt (Transparenzbetrachtung und Durchrechnung bei Personengesellschaften, Stufenbetrachtung bei Kapitalgesellschaften).

982 Die Annahme eines Gesellschafterwechsels im Sinne von § 1 Abs. 2a GrEStG wäre zusätzlich aber auch schon deshalb zweifelhaft gewesen, weil es an einer Anteilsübertragung fehlt und B an dem Vorgang zwischen C und der B-GmbH in keiner Weise beteiligt ist. 983 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.2, ab S. 143.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Zur Rechtslage vor dem StÄndG hatte der BFH entschieden, dass sich eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personen­ gesellschaft ausschließlich nach zivilrechtlichen Maßstäben beurteilen lasse; es komme insoweit ausschließlich auf den zivilrechtlich wirksa­ men Übergang eines Mitgliedschaftsrechts auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft an.984 Die Gesellschafterstruktur der unmittelbar in die Gesellschafterstellung eintretenden Gesellschaft findet nach dieser Rechtsprechung keine Berücksichtigung. Der Regelungskontext hat sich durch die Einfügung der Sätze 2 bis 5 je­ doch geändert.985 Insbesondere die Sätze 3 und 4 nehmen nun auch „un­ mittelbar beteiligte“ Kapitalgesellschaften in Bezug.986 Diese gelten dann als neue Gesellschafter, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihnen um mehr als 95% ändern. Die Neuregelung zielt nach ihrer Gesetzesbe­ gründung zwar auf mittelbare Übertragungsvorgänge ab.987 Weiterhin nicht definiert ist, wann ein unmittelbarer Übergang auf „neue“ Gesell­ schafter vorliegt. Diese unverändert fortbestehende Regelungslücke lässt sich sich durch die bisherige Rechtsprechung nicht mehr widerspruchs­ frei ausfüllen. Denn anders als zuvor ist in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nun eine Legaldefinition enthalten, wann (beim mittelbaren Gesellschafter­ wechsel) eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft als „neu“ zu be­ urteilen ist. Es erscheint nicht folgerichtig, diese gesetzliche Wertung beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel auszublenden. Typischer Anwendungsfall dieses Rechtsproblems ist die sog. Verlänge­ rung der Beteiligungskette988 d.h. der Eintritt einer Gesellschaft, deren Ge­ sellschafterbestand ausschließlich oder zu einem qualifizierten Teil aus Altgesellschaftern besteht. In diesem Fall ist es sachgerecht, die unmittel­ 984 Vgl. BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268 = juris, Rz. 14; BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266 = juris, Rz. 18; BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 30. 8. 2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291 = juris, Rz. 12. 985 A.A. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 804, die der Neuregelung keine Bedeutung für unmittelbare Gesellschafterwechsel bei­ misst. 986 Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015: „Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mit­ telbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5. Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesell­ schaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesell­ schaft entsprechend.“ 987 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 52. 988 Siehe hierzu mit Beispielen Abschnitt 3.2.2.4.2, S. 174.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

bar in die Gesellschafterstellung eintretende Gesellschaft nicht als „neue“ Gesellschafterin zu werten, da sich die wirtschaftliche Berechtigung der Altgesellschafter nicht ändert. Dieses Ergebnis könnte dadurch erreicht werden, dass der Neugesellschafterbegriff von § 1 Abs. 2a Sätze 2 ff. GrEStG auch auf unmittelbare Gesellschafterwechsel angewandt wird. Eine unmittelbar in die zivilrechtliche Gesellschafterstellung bei der Grundstückspersonengesellschaft eintretende Kapitalgesellschaft wäre dann analog § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nicht generell als neue Gesell­ schafterin anzusehen, sondern nur dann, wenn sich ihr Gesellschafterbe­ stand zu mindestens 95% aus Neugesellschaftern zusammensetzt. Beim unmittelbaren Eintritt von Personengesellschaften in die Gesellschafter­ stellung wäre eine Transparenzbetrachtung zu Grunde zu legen.989 Methodisch würde diese Auslegung durchaus zu den Grundsätzen der neueren Rechtsprechung passen, die bei grunderwerbsteuerlichen Eigen­ begriffen, die nicht an das Zivilrecht anknüpfen, zunächst auf bestehen­ de „allgemeine Rechtsgrundsätze“ des GrEStG zurückgreift und, soweit auch diese nicht weiterführen,990 eine „am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung“ vor­ nimmt.991 Das übergreifende Tatbestandsmerkmal „neu“ stellt einen sol­ chen Eigenbegriff dar, der einer zivilrechtlichen Beurteilung nicht zugäng­ lich ist.992 Sowohl ein Rückgriff auf das angrenzende grund­erwerbsteuerliche Regelungsumfeld als auch auf wirtschaftliche Gegebenheiten führen zur Berücksichtigung des Gesellschafterbestands der beitretenden Gesell­ schaft: Bei Rückgriff auf das Regelungsumfeld ist die gesetzliche Wer­ tung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG zu berücksichtigen, dass Kapitalge­ sellschaften dann als neue Gesellschafter anzusehen sind, wenn deren Gesellschafterbestand ihrerseits zu 95% neue Gesellschafter umfasst. Bei wirtschaftlicher Betrachtung „neu“ ist ein Rechtsträger nur dann, wenn auch hinter ihm stehenden Personen „neu“ sind. Auch nach dem Missbrauchsverhinderungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG ist eine Besteu­ erung in diesem Fall nicht angezeigt, da eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist.993

989 Dazu sogleich in Abschnitt 3.2.2.4.1.2, S. 173. 990 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 15. 991 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 16. 992 Vgl. auch S. Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1312). 993 Vgl. S. Behrens, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 1, Rz. 344.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

3.2.2.4.1.2 Personengesellschaften als neue Gesellschafter? Eng mit der vorstehend diskutierten Thematik verknüpft ist die Frage, ob vermittelnden Personengesellschaften Gesellschaftereigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG zuzusprechen ist. Der BFH hat zu § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 entschieden, dass auch Personengesellschaften neue Gesellschafter einer Personengesell­ schaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sein können.994 Dies unterschied sich von der früheren Verwaltungsauffassung, die bei Personengesell­ schaften eine Transparenzbetrachtung anordnete995 und wurde mit der zivilrechtlichen Selbständigkeit der Personengesellschaft begründet: Bei der unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands komme es al­ lein darauf an, dass ein Mitgliedschaftsrecht zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglieder der Personengesellschaft übergeht; zivilrechtlich denkbare Mitglieder seien sowohl natürliche und juristische Personen als auch Personengesellschaften.996 Ob dies auch in der neuen Rechtslage nach dem StÄndG 2015 gilt, lässt sich aus dem Wortlaut der Norm nicht eindeutig beantworten. Satz 1 blieb unverändert und stellt weiterhin darauf ab, ob sich der Gesellschaf­ terbestand „unmittelbar oder mittelbar“ ändert. Die neu eingefügten Sätze 2 bis 5 definieren sodann explizit nur den Fall der mittelbaren Än­ derung. Hierbei weist der Wortlaut des neuen § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG, wie bereits festgestellt,997 eine Lücke bzgl. der Behandlung einer Perso­ nengesellschaft auf der ersten Beteiligungsebene oberhalb der Grund­ stückspersonengesellschaft auf, da nur „mittelbare Änderungen im Ge­ sellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften“ in Bezug genommen werden, während zu den unmittelbaren Gesellschafterwechseln bei solchen auf erster Ebene be­ teiligten Personengesellschaften keine Aussage getroffen wird.998 Es ist 994 Vgl. BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268 = juris, Rz. 14; BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 10 ff.; BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917 = juris, Rz. 15; BFH, Urteil v. 27. 4. 2005, II R 61/03, BStBl. II 2005, S. 649 = juris, Rz. 11. 995 Vgl. z.B. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25. 2. 2010, DStR 2010, S. 697, Tz. 2.1 und 2.2. 996 Vgl. BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268 = juris, Rz. 14; BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 = juris, Rz. 10. 997 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.2.1, S. 144. 998 Siehe den Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG (Hervorhebungen durch den Verfasser): „Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multipli­ kation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig be­ rücksichtigt.“

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

also weder explizit geregelt, ob eine unmittelbar in eine Grundstücksper­ sonengesellschaft eintretende Personengesellschaft „neue Gesellschafte­ rin“ im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG sein kann, noch welche Rechtsfolgen es hat, wenn sich der Gesellschafterkreis dieser auf erster Ebene beteiligten Personengesellschaft ändert. Es stellt sich die Frage, ob die bisherige Rechtsprechung, die eine unmit­ telbar beigetretene Personengesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ansieht, sich schlüssig mit der neu eingeführten Multiplikationsmethode in Einklang bringen lässt. Perso­ nengesellschaften würden dann abhängig davon, auf welcher Ebene in der Beteiligungskette sie stehen, teilweise als eigenständige („intranspa­ rente“) Rechtsträger und teilweise als „transparente“ Gebilde betrachtet. Dies dürfte nicht der Vorstellung des Gesetzgebers entsprechen, der in der Gesetzesbegründung mehrfach auf die aus seiner Sicht zu berück­ sichtigende Transparenz der Personengesellschaft verwiesen hat und eher von einer Durchrechnung über alle Ebenen (einschließlich der un­ mittelbaren) auszugehen scheint: „Bei unmittelbarer Beteiligung einer Personengesellschaft sowie bei mittelbarer Beteiligung über mehrstöckige Personengesellschaften ist auf deren jeweilige Be­ teiligungsverhältnisse abzustellen und dementsprechend durchzurechnen.“999

Die Anwendung der Multiplikationsmethode ab der ersten Beteiligungs­ stufe hat zur Folge, dass auch unmittelbar in die Gesellschafterstellung eintretende Personengesellschaften nicht als „neue Gesellschafter“ zu betrachten sind, sondern auf deren Gesellschafterbestand abzustellen ist (Transparenzbetrachtung). Dies bedeutet auch, dass eine (beteiligte) Per­ sonengesellschaft im Rahmen des Spezialregimes des § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 – abweichend von ihrer grundsätzlichen Anerken­ nung im Grunderwerbsteuerrecht – nicht als eigenständiger Rechtsträger behandelt wird. Unter den Gesichtspunkten der Rechtsanwendungs­ gleichheit und der erforderlichen wirtschaftlichen Beurteilung des Tatbe­ standsmerkmals „neu“1000 erscheint diese Lösung dennoch folgerichtig. 3.2.2.4.2 Die Verlängerung der Beteiligungskette „Neuer“ Gesellschafter ist nach herrschender Auffassung, wer mit dem (unmittelbaren oder mittelbaren) Erwerb der Gesellschafterstellung erst­ mals in die vermögensmäßige Mitberechtigung am Grundstück der

999 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 53. 1000 Siehe vorstehend Abschnitt 3.2.2.4.1.1, S. 170.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

­Personengesellschaft einrückt.1001 Mit Ablauf von fünf Jahren geht die Eigenschaft „neu“ verloren und der Neugesellschafter wird zum Altge­ sellschafter.1002 An ihre Grenzen gerät diese Definition in Fällen, in de­ nen eine Gesellschaft erstmals in die Gesamthandsberechtigung eintritt, deren Gesellschafterkreis aus Altgesellschaftern besteht (sog. Verlänge­ rung der Beteiligungskette). Beispiel 1 (Zwischenschaltung einer Personengesellschaft):1003 An der grund­ stücksbesitzenden G-KG ist seit mehr als fünf Jahren die H-AG als Kommanditis­ tin zu 99% beteiligt. Komplementärin mit einer Kapitalbeteiligung von 1% ist die G-GmbH, an deren Kapital die H-AG zu 100% beteiligt ist. Nachher:

Vorher: H-AG

H-AG 100%

100%

99%

G-GmbH 1%

H-KG 99%

100%

G-GmbH 1%

G-KG

G-KG

Die H-AG bringt ihren 99%-Anteil an der G-KG sowie ihre 100%-Beteiligung an der G-GmbH in die H-KG ein, an deren Kapital sie zu 100% beteiligt ist (die 0%-Komplementärbeteiligung an der G-GmbH wird oben aus Vereinfachungs­ gründen nicht dargestellt). Für die alte Rechtslage (§ 1 Abs. 2a i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) bejahte der BFH die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, da es mit Blick auf die unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands allein auf den zivilrechtlichen 1001 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 116; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 293; Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.2.2. 1002 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 116; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 287; Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.2.1. 1003 In Anlehnung an BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Übergang des KG-Anteils ankomme;1004 die Tatsache, dass die ausscheidende Ge­ sellschafterin (H-AG) an der eintretenden Gesellschafterin (H-KG) zu 100% betei­ ligt war, sei unbeachtlich.1005 Die Steuer auf den Vorgang sei allerdings in entspre­ chender Anwendung des § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG nicht zu erheben, da das Grundstück der H-AG über deren weiterhin bestehende Beteiligung am Vermögen der G-KG nach wie vor zuzurechnen sei.1006 Beispiel 2 (Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft):1007 Wie Beispiel 1, nur bringt die H-AG die Anteile an der G-KG und der K-GmbH in die H-GmbH ein, an der sie zu 100% beteiligt ist. Nachher:

Vorher: H-AG

H-AG 100%

99%

100%

G-GmbH 1%

H-GmbH 99%

100%

G-GmbH 1%

G-KG

G-KG

Nach alter Rechtslage wäre auch dieser Vorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steuerbar, allerdings steht anders als in Beispiel 1 die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht zur Verfügung, so dass der Vorgang auch steuerpflichtig wäre.

Die auch in anderen Entscheidungen1008 angewandte strikt zivilrechtli­ che Sichtweise beim unmittelbaren Anteilsübergang stieß in der Litera­ tur auf berechtigte Kritik: Der im obigen Beispiel 1 dargestellte Vorgang sei nicht erst durch § 6 Abs. 3 GrEStG befreit, sondern gar nicht erst 1004 Vgl. BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917 = juris, Rz. 10. 1005 Vgl. BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917 = juris, Rz. 11. 1006 Vgl. BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917 = juris, Rz. 23. 1007 Nach einem Beispiel bei H.-U. Viskorf, MüStF 2014, Arbeitsunterlage „Grunder­ werbsteuer bei Gesellschafterwechsel“, S. 5. 1008 Vgl. etwa BFH, Urteil v. 16. 1. 2013, II R 66/11, BStBl. II 2014, S. 266; BFH, Urteil v. 16. 5. 2013, II R 3/11, BStBl. II 2013, S. 963; BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268; BFH, Urteil v. 3. 6. 2014, II R 1/13, BStBl. II 2014, S. 855.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

grunderwerbsteuerbar, da die Altgesellschaftereigenschaft der H-AG der zwischengeschalteten H-KG zuzurechnen sei.1009 Andernorts wurde die Besteuerung von „Konzernfällen“ durch § 1 Abs. 2a GrEStG generell ab­ gelehnt1010 bzw. für verfassungswidrig gehalten.1011 Den unmittelbaren Anteilsübergang allein nach zivilrechtlichen Kriteri­ en zu beurteilen, lässt – wie oben bereits ausgeführt – unberücksichtigt, dass für einen steuerbaren Übertragungsvorgang auch das Tatbestands­ merkmal „auf neue Gesellschafter“ auszufüllen ist. Die Kriterien „alt“ und „neu“ sind einer zivilrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich.1012 Das sachgerechte Ergebnis einer Nichtsteuerbarkeit der Verlängerung der Beteiligungskette lässt sich über verschiedene Ansätze erreichen. Zum einen könnte vertreten werden, dass die Altgesellschaftereigen­ schaft der mittelbar beteiligt bleibenden Personen auf die zwischenge­ schaltete Gesellschaft „abfärbe“1013 und deshalb dieser zuzurechnen sei. Dies erscheint zwar dogmatisch etwas konstruiert, entspricht jedoch ei­ ner wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die der nicht anderweitig aus­ füllbare Begriff „neu“ auch verlangt. Zum anderen käme in Betracht, § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG unter Berücksichtigung von dessen Missbrauchs­ verhinderungszweck teleologisch auf Fälle zu reduzieren, in denen hin­ ter den unmittelbar neu eintretenden Rechtsträgern nicht bzw. nicht ausschließlich Altgesellschafter stehen. Diese rechtstechnisch schlüssi­ gere Lösung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Steuerumgehung in Fällen der bloßen Verlängerung einer bereits bestehenden Beteiligungs­ kette, an deren Spitze Altgesellschafter stehen, objektiv unmöglich ist. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass die in § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 eingefügte Transparenzbetrachtung für Personen­ gesellschaften (Satz 2) und die Stufenbetrachtung für Kapitalgesellschaften (Sätze 3 bis 5) auch bei der Bestimmung, wer unmittelbarer Gesellschafter ist, zu berücksichtigen sind,1014 führt dies ebenfalls zur Nichtsteuer­ barkeit:

1009 Vgl. S.  Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1312); S.  Behrens, DStR 2010, S. 777 (779). 1010 Vgl. S. Gottwald, BB 2000, S. 69 (71). 1011 Vgl. E. Verweyen, Grunderwerbsteuer bei konzerninternen Umstrukturierungen (2005), S. 183 ff. 1012 Ähnlich S. Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1312). 1013 So S. Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1312); S. Behrens, DStR 2010, S. 777 (779). 1014 Siehe Abschnitt 3.2.2.4.1, S. 170.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft In Beispiel 1 wird nicht die neu eingetretene H-KG als Neugesellschafterin ange­ sehen, sondern auf deren 100%-Gesellschafterin H-AG abgestellt, bei der es sich um eine Altgesellschafterin handelt. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist nicht einschlä­ gig. In Beispiel 2 ist zu prüfen, ob sich die Beteiligungsverhältnisse an der H-GmbH zu mehr als 95% geändert haben. Dies ist nicht der Fall. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist nicht einschlägig.

3.2.2.4.3 Die Verkürzung der Beteiligungskette 3.2.2.4.3.1 Verkürzung auf mittelbarer Ebene 3.2.2.4.3.1.1 Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften Die Beurteilung der Neugesellschaftereigenschaft steht auch beim Prob­ lem der Verkürzung der Beteiligungskette im Mittelpunkt. Die Finanz­ verwaltung vertritt die Auffassung, dass die Altgesellschaftereigenschaft einer Kapitalgesellschaft erhalten bleibe, „wenn sich lediglich die Kette der an ihr beteiligten Kapitalgesellschaften verkürzt.“1015 Sie beschränkt diese sachgerechte Sichtweise jedoch auf Konstellationen, in denen die zu betrachtende Beteiligungskette auf allen Stufen eine qualifizierte Be­ teiligungshöhe von 95% aufweist.1016 Beispiel:1017 Am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden G-KG ist als Kom­ manditistin die M-GmbH zu 100 % sowie die G-GmbH, deren Alleingesellschaf­ terin die M-GmbH ist, zu 0 % beteiligt. 100 % der Anteile an der M-GmbH hält die Z-GmbH, deren Anteile in Höhe von 60 % von der H-GmbH gehalten werden. Nachdem die Beteiligungen mehr als fünf Jahre unverändert geblieben waren, überträgt die Z-GmbH ihre Anteile an der M-GmbH auf die H-GmbH. Die Finanzverwaltung sieht die H-GmbH für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 als neue mittelbare Gesellschafterin an, da sie zuvor zu weniger als 95% an der Z-GmbH beteiligt war.1018 Die H-GmbH soll demnach keine Altgesellschafterin sein, obwohl sie bereits zuvor mit 60% mittelbar betei­ ligt war.

1015 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.2.3.1. 1016 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.3.6. 1017 Entnommen aus Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.3.6. 1018 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.3.6. 

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) Nachher:

Vorher: H-GmbH

H-GmbH

60%

Anteilsübertragung

Z-GmbH

100%

M-GmbH

100%

M-GmbH

100% 100%

100%

G-GmbH 0%

100%

G-GmbH 0%

G-KG

G-KG

Bereits nach alter Rechtslage vor dem StÄndG 2015 bot das Gesetz kei­ nen Anhaltspunkt, um für die Qualifikation einer Person als Altgesell­ schafter eine 95%-Beteiligung über alle Ebenen zu fordern.1019 Nach den Änderungen im Rahmen des StÄndG 2015 ist das obige Beispiel zwin­ gend anders zu lösen: § 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG schreibt vor, dass die Stufenbetrachtung nach Satz 4 bei mehrstufigen Beteiligungen „auf Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend“ vorzu­ nehmen ist. Durch diesen Satz wird deutlich, dass die Stufenbetrachtung auf jeder Stufe der Beteiligungskette zu erfolgen hat, wobei die Höhe der Beteiligung der vermittelnden Kapitalgesellschaft an der Grundstücks­ personengesellschaft keine Rolle spielt. Es wird ausschließlich darauf abgestellt, ob sich der Anteilseignerkreis der betreffenden Kapitalgesell­ schaft ändert. Die nunmehr abschließende gesetzliche Definition schließt es aus, als ungeschriebene Voraussetzung zu Lasten des Steuerpflichtigen zu verlangen, dass die über die Beteiligungskette verbundenen Gesell­ schaften jeweils Beteiligungsquoten von 95% oder mehr aufweisen. Für das obige Beispiel bedeutet das, dass die Neugesellschaftereigenschaft der M-GmbH von derjenigen der H-GmbH abhängt, weil sich die beiden Gesellschaf­ ten bereits vor der Maßnahme in der gleichen ununterbrochenen Beteiligungsket­ te befunden haben; die Neugesellschaftereigenschaft der H-GmbH ist am Maßstab

1019 Kritisch bereits S. Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1309 f.); zweifelnd auch C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 853.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft von Satz 4 zu überprüfen, d.h. die H-GmbH gilt dann als neue Gesellschafterin der M-GmbH, wenn an ihr mindestens 95% der Anteile auf neue Gesellschafter über­ gehen. Das ist im Beispiel aber nicht der Fall. § 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 ist bei zutreffender Anwendung der Stufenbetrachtung also nicht einschlägig.

3.2.2.4.3.1.2 Beteiligungskette von Personengesellschaften Besteht die Beteiligungskette, abweichend vom obigen Beispiel, aus Per­ sonengesellschaften, ist die Änderung des Gesellschafterbestands gem. § 1 Abs, 2a Satz 2 GrEStG im Wege der Durchrechnung zu ermitteln. Beispiel: Wie oben, jedoch sind als vermittelnde Gesellschaften die Personenge­ sellschaften M-KG und Z-KG zwischengeschaltet. Die H-GmbH erwirbt den 100%-Kommanditanteil an der M-KG von der Z-KG. Nachher:

Vorher: H-GmbH

H-GmbH

60%

100%

Anteilsübertragung

Z-KG

M-KG

100% 100%

M-KG 100%

G-GmbH 0%

100%

G-GmbH

100%

G-KG

0%

G-KG

Aufgrund der Transparenzbetrachtung des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG sind die M-KG und Z-KG nicht als Gesellschafter anzusehen, sondern nur die H-GmbH, deren durchgerechnete mittelbare Beteiligung an der G-KG sich von 60% auf 100% erhöht. Da die H-GmbH mittelbare Altgesellschafterin ist, liegt keine Än­ derung im Gesellschafterbestand im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG vor.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

3.2.2.4.3.2 Verstärkung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung 3.2.2.4.3.2.1 Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften Verkürzt sich eine Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften derge­ stalt, dass die unmittelbar über der Grundstückspersonengesellschaft stehende Kapitalgesellschaft ausscheidet und die über ihr stehende Kapi­ talgesellschaft von der mittelbaren in die unmittelbare Gesellschafter­ stellung aufrückt, liegt eine sog. Verstärkung der Beteiligung vor.1020 Beispiel: Am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden T-KG ist als Komman­ ditistin die M-GmbH zu 100 % sowie die T-GmbH, deren Alleingesellschafterin die M-GmbH ist, zu 0 % beteiligt. 100 % der Anteile an der M-GmbH hält die Z-GmbH, deren Anteile in Höhe von 100 % von der H-GmbH gehalten werden. Die M-GmbH wird auf die Z-GmbH zur Aufnahme verschmolzen. Nachher:

Vorher: H-GmbH

H-GmbH

100%

100%

Z-GmbH Verschmelzung

100%

M-GmbH

Z-GmbH 100%

100% 100%

G-GmbH

100%

G-GmbH 0%

G-KG

0%

G-KG

Es stellt sich die Frage, ob ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird, weil mit der Z-GmbH ein neues Mitglied unmittelbar in die Gesamthandsberechtigung bei der G-KG eintritt. Dies könnte sich aus der Rechtsprechung des BFH ergeben, der beim unmit­ telbaren Gesellschafterwechsel eine Berücksichtigung wirtschaftlicher

1020 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 855.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Gesichtspunkte ablehnt.1021 In der Literatur wird die Steuerbarkeit zum Teil verneint,1022 zum Teil ist eine differenziende Sichtweise vorzufin­ den, wonach die Verstärkung zumindest dann nicht steuerbar sein soll, wenn ihr ein steuerbarer mittelbarer Übergang vorangegangen ist.1023 Vorzugswürdig erscheint es, die Verkürzung der Beteiligungskette auch im hier dargestellten Fall der Verstärkung zu einer unmittelbaren Betei­ ligung als nicht steuerbar zu behandeln; d.h. auch dann, wenn kein steu­ erbarer mittelbarer Erwerb vorangegangen ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Sinn und Zweck der auf Missbrauchsverhinderung gerichteten Regelung,1024 sondern auch aus der ununterbrochenen Altgesellschafter­ stellung des bisher mittelbar und fortan unmittelbar beteiligten Gesell­ schafters. Die Neugesellschaftereigenschaft ist für unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel einheitlich zu beurteilen. Dies lässt sich auch aus dem grammatikalischen Aufbau des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ableiten, der eine Fallunterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Ebene nur für das Tatbestandsmerkmal der Änderung des Gesellschafterbestands, nicht aber für das Tatbestandsmerkmal „neue Gesellschafter“ enthält.1025 Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass die Stufenbetrachtung nach § 1 Abs. 2a Sätze 4 und 5 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 auch bei der Beurteilung unmittelbarer Gesellschafterwechsel heranzuziehen ist,1026 führt dies ebenfalls zur Nichtsteuerbarkeit. Im obigen Beispiel liegt dann kein steuerbarer Vorgang vor, weil die Z-GmbH nur dann als Neugesellschafterin angesehen werden könnte, wenn an ihr mindestens 95% der Anteile auf neue Gesellschafter übergingen. 3.2.2.4.3.2.2 Beteiligungskette von Personengesellschaften Kommt es bei mehrstufigen Personengesellschaftsbeteiligungen zu einer Verstärkung, hängt die Steuerbarkeit wiederum davon ab, ob auf unmit­ telbarer Ebene ein zivilrechtlicher Maßstab angelegt wird oder ob man

1021 Vgl. Fundstellen bei Fn. 984, S. 171. 1022 So I. Stangl/T. Aichberger, DB 2014, S. 1509 (1512 f.); S. Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1310). 1023 So A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 310; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 855. 1024 Dazu S. Behrens/A. Bock, DStR 2012, S. 1307 (1310); I. Stangl/T. Aichberger, DB 2014, S. 1509 (1513). 1025 Überzeugend C. Lange/K. Broemel, DStR 2017, S. 1625 (1629 f.). 1026 Siehe Abschnitt 3.2.2.4.1.1, S. 170.

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

die Durchrechnungsanordnung des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG auch hier anwendet. Beispiel: Wie oben, jedoch sind als vermittelnde Gesellschaften die Personenge­ sellschaften M-KG und Z-KG zwischengeschaltet. Die M-KG wird auf die Z-KG verschmolzen oder erlischt durch Austritt des vorletzten Gesellschafters, so dass ihr Vermögen im Wege der Anwachsung auf die Z-KG übergeht. Nachher:

Vorher: H-GmbH

H-GmbH

100%

100%

Z-KG

Z-KG Anwachsung oder Verschmelzung

100%

M-KG 100%

100%

G-GmbH

100%

100%

G-GmbH 0%

G-KG

0%

G-KG

Aus zivilrechtlicher Sicht ist wiederum festzustellen, dass mit der Z-KG ein neues Mitglied in die Gesamthandsberechtigung bei der G-KG ein­ tritt. Die Rechtsprechung behandelt die Zwischenschaltung einer Per­ sonengesellschaft daher als steuerbaren Vorgang.1027 Wendet man hinge­ gen, wie hier vorgeschlagen, die Transparenzbetrachtung des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG auf allen Ebenen an,1028 wäre weder die M-KG als Altge­ sellschafterin, noch die Z-KG als Neugesellschafterin anzusehen; auf­ grund der ununterbrochenen Gesellschafterstellung der H-GmbH fehlt es an einem Übergang auf „neue Gesellschafter“.

1027 BFH, Urteil v. 29. 2. 2012, II R 57/09, BStBl. II 2012, S. 917; BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268; BFH, Urteil v. 17. 12. 2014, II R 2/13, BStBl. II 2015, S. 557. 1028 Siehe vorstehend Abschnitt 3.2.2.4.1.2, S. 173.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.2.4.4 Die neuen Gesellschafter vermittelnder Kapitalgesellschaften Ein weiteres Problem bzgl. des Begriffs des Neugesellschafters stellt sich bei der Auslegung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG. Denn im Rahmen der dort geregelten „Fiktion in der Fiktion“1029 gilt eine vermittelnde Kapi­ talgesellschaft dann als neue Gesellschafterin der Grundstückspersonen­ gesellschaft, wenn „an ihr mindestens 95% der Anteile auf neue Gesell­ schafter übergehen.“ Im Unklaren bleibt, in Bezug auf welche Gesellschaft die Gesellschafter „neu“ sein müssen. Nach Auffassung von Meßbacher-Hönsch ist der Begriff „neu“ in diesem Kontext ausschließlich auf die vermittelnde Kapitalgesellschaft zu beziehen.1030 Die Konsequenz hiervon wäre, dass eine bestehende Gesellschafterstellung einer Person in der Grundstückspersonengesellschaft bei der Beurteilung der Neuge­ sellschaftereigenschaft der vermittelnden Kapitalgesellschaft keine Be­ rücksichtigung fände. Demgegenüber wird in der Literatur als zusätzli­ che Voraussetzung gefordert, dass die betreffenden Personen bisher auch an der Grundstückspersonengesellschaft nicht beteiligt waren.1031 Beispiel 1: Am Kommanditkapital der grundstücksbesitzenden G-KG sind seit mehr als fünf Jahren A zu 50%, B zu 45% sowie die C-GmbH, deren sämtliche Anteile von C gehalten werden, zu 5% beteiligt. Komplementärin der G-KG ist die D-GmbH mit 0%. A und B bringen ihre Kommanditanteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die C-GmbH ein. Im Ergebnis hält die C-GmbH 100% des Kapitals der G-KG. Nachher:

Vorher:

A

B

D-GmbH

C

50%

100%

C-GmbH

45%

A

B 45%

D-GmbH

C 5%

C-GmbH

50%

5%

G-KG

0%

100%

0%

G-KG

1029 Zur konzeptionellen Kritik an selbiger siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.3.1, S. 148. 1030 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 791. 1031 Vgl. S.  Behrens/R. Halaczinsky, UVR 2015, S. 371 (373); C. Lange/K. Broemel, DStR 2017, S. 360 (364 ff.).

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3.2.2  Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) Würde man die Neugesellschaftereigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG allein danach beurteilen, ob die betreffende Person an der vermittelnden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, wären A und B, die im Sinne von Satz 1 unzwei­ felhaft Altgesellschafter sind, für Zwecke von Satz 4 als Neugesellschafter anzu­ sehen, da sie an der C-GmbH bisher nicht beteiligt waren. Der Vorgang würde Grunderwerbsteuer auslösen, da die C-GmbH infolge der Fiktion des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als Neugesellschafterin gelten würde. Würde man hingegen auf die Gesellschafterstellung bei der Grundstücksperso­ nengesellschaft abstellen, wären A und B nicht als neue Gesellschafter der C-Gm­ bH im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG anzusehen, und die C-GmbH infolge­ dessen auch nicht als neue Gesellschafterin der G-KG.

Die letztgenannte Auffassung ist vorzugswürdig. Dafür sprechen nicht nur die aus dem obigen Beispiel evident werdenden Sachgerechtigkeits­ erwägungen. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, warum im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG eine eigene, von der des Satzes 1 abwei­ chende „Neugesellschafter“-Definition gelten sollte. Denn die einheit­ lich in den Sätzen 1 und 4 verwendete Formulierung „neue Gesellschaf­ ter“ indiziert, dass auch Begriffsgleichheit besteht. Bei Kapitalgesellschaften, um die es in Satz 4 geht, wäre sonst auch die Vokabel „Anteilseigner“ statt „Gesellschafter“ zur Verfügung gestanden und nahe gelegen.1032 Da­ rüber hinaus ist der Begriff „neue Gesellschafter“, wie sich in diesem und den vorangegangenen Abschnitten gezeigt hat, in hohem Maße unbe­ stimmt. Dies verlangt, ähnlich wie im Fall der fehlenden Definition der „mittelbaren Änderung“ des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/20021033, aus rechtsstaatlichen Gründen eine restriktive Auslegung, die im Zweifel zu Gunsten des über die Rechtslage im Unklaren gelassenen Steuerpflichtigen wirkt. Im hier gegebenen Fall bedeutet das, dass weder die bisherigen Gesellschafter der Grundstückspersonengesellschaft noch die bisherigen Anteilseigner der vermittelnden Kapitalgesellschaft „neue Gesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG sein können. Dies entspricht auch der zutref­ fenden Interpretation des Tatbestandsmerkmals „neu“, welches wirt­ schaftlicher Natur und daher keiner zivilrechtlichen Auslegung zugäng­ lich ist.1034

1032 In der Gesetzesbegründung, Stellungnahme des Bundesrates zum KroatienAnpG v. 13. 6. 2014, BR-Drs. 184/14, S. 42 (44) war noch der Wortlaut „Anteilseigner“ vorgesehen. In das Gesetz hat jedoch am Ende die Formulierung „Gesellschafter“ Eingang gefunden. 1033 Siehe BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833. 1034 Siehe bereits Abschnitt 3.2.2.4.1.1, S. 170.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Nichts anderes ergibt sich auch in umgekehrter Richtung, d.h. wer mit­ telbar über eine Kapitalgesellschaft an der Grundstückspersonengesell­ schaft beteiligt ist und eine direkte Beteiligung an dieser erwirbt, ist im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sowohl bei der Kapitalgesellschaft als auch bei der Grundstückspersonengesellschaft als Altgesellschafter anzuse­ hen.1035 3.2.2.5 Ergebnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG § 1 Abs. 2a GrEStG soll nach dem gesetzgeberischen Willen den Gesell­ schafterwechsel bei einer Personengesellschaft steuerlich erfassen, „wenn er im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung des Grundstücks gleich­ kommt.“1036 Umgesetzt wurde dies durch die Fiktion eines auf die Über­ eignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichteten Rechtsgeschäfts. Diese Fiktion unterstellt für grunderwerbsteuerliche Zwecke eine veränderte Identität der Personengesellschaft. In der zivil­ rechtlichen und wirtschaftlichen Realität bleibt dies ohne Entsprechung; der Gesellschafterwechsel beeinflusst tatsächlich weder die Gesellschafts­ identität noch die Vermögenszuordnung oder den Gesellschaftszweck. Da die Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG den nicht zurechnungsverändernden Wechsel im Gesellschafterbestand mit einer Grundstücksübertragung gleichsetzt, ohne eine hinreichende Missbrauchstypisierung aufzuwei­ sen, verstößt bereits das Grundkonzept der Vorschrift gegen den allge­ meinen Gleichheitssatz. Problematisch erweist sich auch die im Rahmen des StÄndG 2015 vorge­ nommene Änderung, mit der die mittelbare Änderung des Gesellschaf­ terbestands erstmals gesetzlich definiert wurde. Die rechtsformabhängig differenzierende Betrachtung ist unnötig komplex und lässt sich nicht durch die zivilrechtlichen Spezifika der beiden Rechtsformen rechtferti­ gen. Zusätzliche Komplexität entsteht durch die neue Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die bestimmte schuldrechtliche Vereinbarungen als mittelbaren Gesellschafterwechsel behandelt. Der Wortsinn der typisierenden Missbrauchsnorm § 1 Abs. 2a GrEStG wird hierbei weit ausgedehnt, während in Fällen, in denen ein wirtschaftli­ 1035 Zutreffend C. Lange/K. Broemel, DStR 2017, S. 360 (364 ff.), a.A. FG Düsseldorf, Urteil v. 29. 3. 2017, 7 K 439/10 GE, EFG 2017, S. 853 (zur alten Rechtslage). Zu diesem Urteil ist ein Revisionsverfahren beim BFH unter dem Az. II R 18/17 an­ hängig. 1036 Empfehlungen der Ausschüsse zum JStG 1997 v. 14. 11. 1996, BR-Drs. 804/1/96, S. 14.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

cher Grundstücksübergang nicht vorliegt (z.B. bei Beteiligungskettenver­ längerungen und -verkürzungen oder bestimmten Treuhandgeschäften), die überschießenden Besteuerungsfolgen weiterhin nicht durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise beseitigt werden. Insgesamt erweist sich § 1 Abs. 2a GrEStG als hochkomplexe, streitan­ fällige, in vielen Aspekten noch immer unbestimmte und zugleich häu­ fig überschießend wirkende Regelung, die unter mehreren Gesichts­ punkten verfassungswidrig ist. Da sie bereits in ihrer Grundkonzeption den grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrund verfehlt und zumindest seit Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG nicht mehr zur Missbrauchsab­ wehr benötigt wird, ist zudem ihre Überflüssigkeit zu konstatieren. Die nächste Reformmaßnahme des Gesetzgebers, so bleibt zu wünschen, sollte darin bestehen, diese verunglückte Vorschrift ersatzlos zu strei­ chen.1037

3.2.3 Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG) 3.2.3.1 Regelungsinhalt und Besteuerungskonzept des § 1 Abs. 3 GrEStG 3.2.3.1.1 Grundzüge der gesetzlichen Regelung Soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt, kann der Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft auch den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllen. Diese Vorschrift erfasst alle „Gesellschaften“ und damit grundsätzlich auch die grund­ stücksbesitzenden Personengesellschaften.1038 Ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG wird verwirklicht, wenn es zur Vereinigung von mindestens 95% der Anteile an einer Gesellschaft kommt, in deren Ver­ mögen sich ein inländisches Grundstück befindet, oder wenn Anteile, die bereits derart vereinigt sind, auf einen Dritten übertragen werden. Steuerauslösend ist bereits das Rechtsgeschäft (Nr. 1 und 3), hilfsweise auch die tatsächliche Vereinigung oder Übertragung (Nr. 2 und 4). Die Vereinigung muss dabei in der Hand eines Erwerbers (Grundfall) oder in der Hand von Personen, die in Gestalt der sog. grunderwerbsteuerlichen 1037 Siehe auch die Reformvorschläge in Abschnitt 4.3.2, ab S. 293. Die tatsächlichen Pläne weisen jedoch in die genau entgegengesetzte Richtung, da derzeit die Ein­ führung eines zusätzlichen Ergänzungstatbestands „§ 1 Abs. 2b GrEStG“ beab­ sichtigt wird, der eine Besteuerung nach dem Konzept des § 1 Abs. 2a GrEStG auch für Kapitalgesellschaften vorsieht; vgl. Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437. 1038 BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 21 m.w.N.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Organschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 2 in Verbindung mit der Abhängigkeits­ definition in § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG) miteinander verbunden sind, erfol­ gen. Anders als bei § 1 Abs. 2a GrEStG wird keine Veränderung der Iden­ tität der Gesellschaft unterstellt, sondern die veränderte Zuordnung der Anteile an der unverändert fortbestehenden Gesellschaft erfasst. Dem­ entsprechend ist nicht die Gesellschaft, sondern der bzw. die Anteilser­ werber Steuersubjekt und Steuerschuldner (§ 13 Nr. 5 GrEStG). Die Anteilsvereinigung bewirkt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks zum Inhaber der Gesellschaftsanteile. § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt dabei eine Doppelfunktion als Steuertatbestand und Zurechnungsnorm:1039 Die Regelung unterwirft nicht nur Erwerbs­ vorgänge der Besteuerung, sondern bestimmt auch, ob im Ausgangs­ punkt eines Erwerbsvorgangs einem Rechtsträger ein Grundstück bereits zuzuordnen oder zuzurechnen ist. Eine bereits bestehende Zuordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG schließt eine nochmalige Anteilsvereini­ gung bei derselben Person aus.1040 Die Regelung war in einer ähnlichen Form schon im ersten GrEStG von 1919 enthalten1041 und erhielt im Rahmen des GrEStG 1940 weitgehend ihre heutige Normstruktur.1042 Mit dem StEntlG 1999/2000/20021043 wur­ de die tatbestandsausfüllende Beteiligungshöhe von zuvor „allen Antei­ len“ auf ein Quantum von 95% herabgesenkt. Der ursprüngliche Rege­ lungszweck, Steuerumgehungen zu verhindern,1044 ist auch nach der Absenkung der Beteiligungsschwelle erhalten geblieben.1045

1039 Vgl. S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 43 f. 1040 Vgl. BFH, Urteil v. 20. 10. 1993, II R 116/90, BStBl. II 1994, S. 121; BFH, Urteil v. 12. 1. 1994, II R 130/91, BStBl. II 1994, S. 408; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1037; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 339. 1041 § 3 GrEStG 1919 v. 12. 9. 1919, RGBl. 1919, S. 1617. Siehe zur Historie auch Ab­ schnitt 2.1.2.3.2.1, S. 30. 1042 Siehe § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585. 1043 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 1044 Vgl. Nationalversammlung 1919, Drs. Nr. 774, S. 3 zu § 3 GrEStG 1919, RStBl. 1940, S. 387 (392) zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1940. 1045 Die Absenkung auf 95% sollte lediglich Gestaltungen wie das Zurückbehal­ ten von sog. „Zwerganteilen“ verhindern, vgl. Gesetzentwurf zum StEntlG 1999/2000/2002 v. 9. 11. 1998, BT-Drs. 14/23, S. 203. Kritisch im Hinblick auf ein Begründungsdefizit für die 95%-Schwelle jedoch S.  Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 72 ff.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

3.2.3.1.2 Warum die sog. „Sachherrschaftstheorie“ nicht überzeugt Als den Besteuerungsgegenstand, der hinter dem Tatbestand der Anteils­ vereinigung steht, betrachten Rechtsprechung und weite Teile der Litera­ tur die „Sachherrschaft“ an dem Gesellschaftsgrundstück, die der Erwer­ ber über die „rechtliche Verfügungsmacht“ an den Gesellschaftsanteilen erlangt.1046 Der Gedanke hinter § 1 Abs. 3 GrEStG wird also dahingehend verstanden, dass derjenige, der „Alleinherrscher“ über eine Gesellschaft ist, auch die alleinige – dem Eigentum im Sinne des § 903 BGB vergleich­ bare – Herrschaft über ihre Grundstücke hat.1047 Die Anknüpfungspunkte der „Sachherrschaft“ und „Verfügungsmacht“ bleiben allerdings, wie Rothenöder1048 und Kroschewski1049 in ihren Dissertationen herausgear­ beitet haben, ohne präzise Entsprechung im Zivilrecht. Der Alleingesell­ schafter mag zwar eine Zwecksetzungskompetenz haben;1050 über das Grundstück kann er jedoch in rechtlicher Hinsicht nicht unmittelbar verfügen, da dieses in der eigenen Vermögenssphäre der Gesellschaft ver­ bleibt.1051 Die Verfügungsmöglichkeit des Anteilserwerbers über das Grundstück ergibt sich nur indirekt aus seiner Gesellschafterstellung: Er kann über einen Gesellschafterbeschluss Verfügungen am Grundstück veranlassen. In der neueren BFH-Rechtsprechung, die sich auf § 1 Abs. 3 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 (d.h. nach Herabsetzung der Beteiligungs­ schwelle auf 95%) bezieht, wird der Begriff der Sachherrschaft nicht mehr verwendet, sondern nur noch von „rechtlich begründeten Einfluss­ möglichkeiten“1052 gesprochen. 1046 Vgl. BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 5. 11. 2002, II R 86/00, BFH/NV 2003, S. 344 = juris, Rz. 10; BFH, Urteil v. 5. 11. 2002, II R 23/00, BFH/NV 2003, S. 505 = juris, Rz. 14 m.w.N.; G.  Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 135; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 317; S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 55 ff.; C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunder­ werbsteuer (2018), S. 25; L. Keul, Die Norminterdependenzen des Grunderwerb­ steuergesetzes bei Umstrukturierungen internationaler Konzerne (2019), S. 193 ff. 1047 Vgl. BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 19; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 24. 1048 S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 55 ff. 1049 R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unternehmens­ verbund (2001), S. 247 ff. 1050 Dazu R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unter­ nehmensverbund (2001), S. 209 ff. und 247 ff. 1051 Die vermögensrechtliche Trennung wird inzwischen auch für die Personenge­ sellschaft anerkannt. Vgl. Abschnitt 2.2.1.2.2.2, ab S. 79. 1052 BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 13.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Die Formeln „Sachherrschaft“ und „rechtlich begründete Einflussmög­ lichkeiten“ sind etwas begriffsunscharf und führen auch inhaltlich am Besteuerungsgegenstand vorbei. Denn ginge es bei § 1 Abs. 3 GrEStG tatsächlich nur um die Möglichkeit, als Gesellschafter eine Verfügung über das Grundstück rechtlich durchzusetzen, ergäbe das tatbestandli­ che Erfordernis einer Vereinigung von 95% der Anteile keinen Sinn. Eine derartige rechtliche Einflussmöglichkeit kann sich bei sämtlichen Ge­ sellschaftsformen nur indirekt über einen Gesellschafterbeschluss erge­ ben und erfordert nicht die Bündelung von 95% der Stimmrechte in einer Hand. Für Gesellschafterbeschlüsse bei Kapitalgesellschaften genügt die einfache Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 1 GmbHG), bei sog. Grundlagengeschäften bedarf es einer qualifizierten Dreiviertel­ mehrheit. Bei Personenhandelsgesellschaften gilt im gesetzlichen Grund­ fall das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1, 711 BGB; §§ 114 Abs. 1, 115 Abs. 1, 119 Abs. 1 HGB),1053 welches in der gesellschaftsvertraglichen Praxis jedoch meist durch ein Mehrheitsstimmrecht nach Kapitalantei­ len (§§ 34, 35 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG analog) ersetzt wird.1054 Für kei­ nen dieser Fälle vermag die Sachherrschaftstheorie adäquat zu erklären, warum § 1 Abs. 3 GrEStG eine tatbestandsausfüllende Beteiligungsquote von 95% verlangt, obwohl doch für die Durchsetzung von Verfügungen über das Grundstück erheblich geringere Mehrheiten erforderlich sind. Bei Gesellschaften hingegen, für deren Beschlussfassung das Einstimmig­ keitsprinzip gilt, würde auch eine 95%-Beteiligung noch nicht die erfor­ derlichen Einflussmöglichkeiten begründen können. Die Sachherrschaftstheorie liefert daher kein plausibles Erklärungsmo­ dell für den von § 1 Abs. 3 GrEStG erfassten Besteuerungsgegenstand. Die typisierend erfasste Position des Alleingesellschafters lässt sich nicht auf dessen rechtliche Einflussmöglichkeiten reduzieren, sondern impliziert insbesondere die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit dem Ei­ gentum am ganzen Grundstück und damit auch eine entsprechende wertmäßige Beteiligung. Die wirtschaftliche Fundierung des § 1 Abs. 3 GrEStG wurde vom BVerfG bereits 1963 erkannt: „Die Besteuerung der Anteilsvereinigung ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wer, statt ein Grundstück zu erwerben, alle Anteile der Gesell­ schaft erwirbt, der das Grundstück gehört, wird wirtschaftlich Eigentümer des Grundstücks. Es ist gerecht, ihn wie einen Grundstückserwerber zur Grunder­ werbsteuer heranzuziehen.“1055 1053 Vgl. P. Mülbert, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), Konzernrecht der Personengesell­ schaften, Rz. 23. 1054 Vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 709, Rz. 50. 1055 BVerfG, Beschluss v. 10. 6. 1963, 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203 = juris, Rz. 17.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

Diese Einordnung hat auch nach der Herabsetzung der Beteiligungs­ schwelle auf 95% Gültigkeit behalten. Die 95%-Schwelle dient nur der Verhinderung von Umgehungsgestaltungen durch die Zurückbehaltung von Zwerganteilen; es wird dabei weiterhin die wirtschaftliche Positi­ on des 100%-Gesellschafters typisierend erfasst.1056 Besteuerungsgegen­ stand des § 1 Abs. 3 GrEStG ist somit im Ergebnis auch die Sachherr­ schaft bzw. die rechtlichen Verfügungsmöglichkeiten des Alleingesell­ schafters, vorrangig aber dessen Wertbeteiligung und wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich der Gesellschaftsgrundstücke. 3.2.3.1.3 Warum die sog. „Fiktionstheorie“ unzutreffend ist Der BFH1057 und die h.M. in der Literatur1058 begreifen § 1 Abs. 3 GrEStG als Fiktionstatbestand: Die Vorschrift „fingiere“ einen zivilrechtlich nicht vorhandenen Rechtsträgerwechsel im Hinblick auf das Grundstück. Der Erwerber werde im Rahmen der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.1059 Bei der Übertragung vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG werde hingegen ein Grundstückserwerb vom Veräußerer fingiert.1060 Diese sog. „Fiktionstheorie“1061 ist, wie es bereits Kroschewski1062 mit überzeugenden Argumenten dargelegt hat, abzulehnen. Fiktion ist die Gleichsetzung zweier Sachverhalte im Bewusstsein, dass sie ungleich 1056 Vgl. bereits Abschnitt 3.2.2.2.2, S. 124. 1057 Vgl. z.B. BFH, Urteil v. 12. 5. 2016, II R 26/14, BStBl. II 2016, S. 748 = juris, Rz. 12; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 39/06, BFH/NV 2008, S. 1529 = juris, Rz. 9; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 19; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 24. 1058 C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 942; S.  Gottwald/S.  Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 273; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 135; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 317; A. Teiche, DStR 2005, S. 49 (49); S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 41 ff.; S. Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1110 f.). 1059 Vgl. BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 11; BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326 = juris, Rz. 9; BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 11; BFH, Urteil v. 5. 11. 2002, II R 23/00, BFH/NV 2003, S. 505 = juris, Rz. 13; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 24. 1060 Vgl. BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 21; BFH, Urteil v. 23. 5. 2012, II R 21/10, BStBl. II 2012, S. 793 = juris, Rz. 30. 1061 So S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 41 f. 1062 R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unternehmens­ verbund (2001), S. 127 ff.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

sind.1063 Anders als die Tatbestände in § 1 Abs. 2a und 3a GrEStG bedient sich Absatz 3 keiner Fiktionstechnik („gilt als…“). Die Vorschrift ver­ weist nicht auf andere Regelungen; insbesondere fingiert sie keinen Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 1 GrEStG, sondern normiert die An­ teilsvereinigung und -übertragung als eigenständige Steuertatbestände. Nicht überzeugen kann auch das aus der Fiktionstheorie abgeleitete Rechtsbild, die Anteilsvereinigung bedeute eine fiktive Grundstücks­ übertragung von der Gesellschaft auf den Gesellschafter. Diese Interpre­ tation wird weder vom Gesetz noch von der Realität gestützt: Der Über­ gang vollzieht sich sowohl bei der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) als auch bei der Übertragung vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) ausschließlich auf Gesellschafterebene. An­ teilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile finden gleicherma­ ßen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber der Anteile statt; die Gesellschaft ist weder rechtlich noch wirtschaftlich an dem Vorgang be­ teiligt. Die von der Rechtsprechung auf Basis der Fiktionstheorie vorge­ nommene Unterscheidung hat hohe praktische Relevanz für die Anwen­ dung der Steuerbefreiungen nach §§ 3, 5 und 6 GrEStG1064 und führt dort zu unstimmigen Ergebnissen.1065 Der Fiktionsgedanke dient im Rahmen der traditionellen Lehre von der Grunderwerbsteuer als materieller Rechtsverkehrsteuer als Erklärungs­ modell, um den für die Rechtfertigung der Besteuerung der Anteilsverei­ nigung erforderlichen Grundstücksbezug herzustellen.1066 Letztlich wird durch das Konstrukt der Fiktionstheorie jedoch nur verschleiert, dass es bei § 1 Abs. 3 GrEStG – wie auch bei allen anderen Tatbeständen des § 1 GrEStG – um die Besteuerung wirtschaftlicher Grundstückserwerbe geht. Denn in seiner Systemstellung ist § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nur Er­ gänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 GrEStG, sondern auch zu § 1 Abs. 2

1063 Zum Wesen gesetzlicher Fiktionen siehe K. Larenz/C.-W. Canaris, Methoden­ lehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 83 ff.; E. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Neudruck der im Verl. Mohr erschienenen Aufl. von 1917 (1961), S. 101 ff.; F. Somló, Juristische Grundlehre, 2., unveränd. Aufl. (1927), S. 524 ff. 1064 Siehe BFH, Urteil v. 23. 5. 2012, II R 21/10, BStBl. II 2012, S. 793 = juris, Rz. 25 ff. zur Anwendung des § 3 Nr. 6 GrEStG sowie BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 20 ff. zur Anwendung des § 5 Abs. 1 GrEStG auf Anteilsvereinigungen (jeweils im Gegensatz zur Übertragung vereinigter Antei­ le). 1065 Siehe hierzu Abschnitt 3.2.5.2, S. 239. 1066 Vgl. auch R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Un­ ternehmensverbund (2001), S. 129.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

GrEStG (Erwerb der Verwertungsmöglichkeit)1067 und erfasst solche Fäl­ le, in denen die wirtschaftliche Verfügungs- oder Verwertungsmöglich­ keit an einem Grundstück über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt wird. 3.2.3.1.4 Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG auf Personengesellschaften Aufgrund der gesetzlich bestimmten Subsidiarität gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG reduziert sich der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG bei Grundstückspersonengesellschaften auf eine begrenzte Zahl von Fallkonstellationen. Relevante Beispiele sind Gesellschafterwechsel, bei denen die Fünfjahresfrist des § 1 Abs. 2a GrEStG überschritten wird oder Anteilsvereinigungen in der Hand von Personen, die im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG als Altgesellschafter angesehen werden.1068 Die Formu­ lierung „Soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Be­ tracht kommt […]“ stellt für die Verdrängung des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht auf die Steuerpflicht eines Vorgangs ab, sondern lässt dessen Steu­ erbarkeit nach Absatz 2a genügen. Die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG ist deshalb auch dann ausgeschlossen, wenn ein Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar ist, aber unter eine Steuerbefreiungsvor­ schrift fällt.1069 3.2.3.2 Der „Anteil“ an einer Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG auf Grundstücksperso­ nengesellschaften wird keineswegs nur durch die Subsidiarität gegen­ über § 1 Abs. 2a GrEStG eingeschränkt, sondern in ganz erheblichem Maße auch durch den zu Grunde gelegten Anteilsbegriff, der bislang streng sachenrechtlich interpretiert wird. In der neuesten Rechtspre­ chung wird dieses Verständnis allerdings nur noch teilweise aufrechter­ 1067 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158 = juris, Rz. 21; BFH, Ur­ teil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 15 u. 20; BFH, Ur­ teil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 20 u. 25; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1005. 1068 Vgl. S.  Gottwald/S.  Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 328 f.; S.  Kiebele, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), Die PersG im Steuerrecht, 12. Aufl. (2017), S. 1369 (1396), Rz. 39. 1069 Vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 7; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 928; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 270; S.  Gottwald/S.  Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 330; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 131.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

halten und für mittelbare Anteilsübergänge an zwischengeschalteten Personengesellschaften ein abweichender Anteilsbegriff herangezogen. Nachfolgend werden die divergierenden Anteilsbegriffe für Grundstücks­ personengesellschaften und für zwischengeschaltete Personengesell­ schaften dargestellt und anschließend einer kritischen Analyse unterzo­ gen. 3.2.3.2.1 Anteilsbegriff bei Grundstückspersonengesellschaften Der Begriff des „Anteils“ an einer Personengesellschaft ist, wie bereits eingangs bei der Erarbeitung der zivilrechtlichen Grundlagen deutlich wurde, vielschichtig und schwer greifbar: Zu unterscheiden ist zwischen der Mitgliedschaft,1070 dem mit ihr verbundenen dinglichen Vermö­ gensanteil,1071 dem Kapitalanteil,1072 der Gewinn- und Verlustbeteili­ gung1073 sowie weiteren Größen wie etwa dem Auseinandersetzungsgut­ haben.1074 Die ersten beiden Größen sind sachenrechtlicher Natur; sie stehen jedem Gesamthänder gleichermaßen zu und entziehen sich einer Quotelung. Die übrigen Begriffe lassen sich jeweils mit einer Beteili­ gungsquote darstellen, deren jeweilige Höhe aber von der gesellschafts­ vertraglichen Regelung abhängt und nicht zwingend übereinstimmt.1075 Die herrschende Meinung entschied sich bereits früh – wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als zum einen im Zivilrecht noch die traditionelle Ge­ samthandslehre vorherrschend war und zum anderen in § 1 Abs. 3 GrEStG noch eine Vereinigung oder Übertragung „aller“ Anteile verlangt wurde – für das sachenrechtliche Begriffsverständnis.1076 Zu Grunde ge­ legt wurde also der seinerzeit geläufige Begriff des Vermögensanteils, der auf der traditionellen Lehre beruht, dass die Personengesellschaft kein Gesellschaftsvermögen hat, sondern alle Sachen, Forderungen und Rech­ te den Gesellschaftern zur gesamten Hand zustehen.1077 Einen „Anteil der Gesellschaft“ gibt es nach dieser traditionellen Lehre nicht, sondern 1070 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.1, S. 81. 1071 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.2, S. 82. 1072 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.3, S. 83. 1073 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.4, S. 85. 1074 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.5, S. 85. 1075 Insbesondere der gesetzliche Grundfall des variablen Kapitalanteils führt zu lau­ fend veränderlichen Quoten, was ihn als Maßstab für die Feststellung einer grund­erwerbsteuerlichen Anteilsvereinigung ungeeignet erscheinen lässt; siehe auch Abschnitt 2.2.1.3.3, S. 83. 1076 E. Sosnitza, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1975, S. 82 (83); H. Egly/H. Sigloch, Boruttau/Klein, GrEStG, 10. Aufl. (1977), § 1, Rz. 184b; R. Stahl, StuW 1979, S. 237 (238); M. Binz/G. Freudenberg/M. Sorg, DStR 1990, S. 753 (753). 1077 Siehe Abschnitt 2.2.1.2.1, S. 77.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

nur gesamthänderisch gebundene Anteile am Gesellschaftsvermögen. Der BFH übernahm dieses Begriffsverständnis1078 und hält daran – für unmittelbare Beteiligungen an Grundstückspersonengesellschaften – bis heute fest.1079 Weder die neue Gesamthandslehre – dadurch, dass die Per­ sonengesellschaft nunmehr als eigenständiger Rechts- und Vermögens­ träger anerkannt wird, hat sich auch die Natur der Beteiligung von einem Vermögens- zu einem Gesellschaftsanteil gewandelt1080 – noch die Tatsa­ che, dass seit dem StEntlG 1999/2000/2002 eine explizite Beteiligungs­ quote von 95% im Gesetz als Eingriffsschwelle für § 1 Abs. 3 GrEStG verankert ist, haben zu einer Neubeurteilung des Anteilsbegriffs im Rah­ men des § 1 Abs. 3 GrEStG geführt. Als „Anteil“ an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG wird von der Rechtsprechung und der h.M. in der Literatur also nicht (wie bei § 1 Abs. 2a und Abs. 3a GrEStG) der quotal bemessene Wertanteil am Gesellschaftsvermögen, sondern die ge­ samthänderische Mitberechtigung verstanden; d.h. auch ein Gesamthän­ der, der am Kapital der Gesellschaft überhaupt nicht beteiligt ist, hat ei­ nen Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG inne.1081 Dieser Anteilsbegriff hat zur Konsequenz, dass eine unmittelbare Verei­ nigung von Anteilen an einer Personengesellschaft in einer Hand nicht in Betracht kommt.1082 Die Vereinigung aller Personengesellschaftsanteile in einer Hand ist zivilrechtlich nicht denkbar, denn in einem solchen 1078 BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 22; BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 11. 1079 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 17 f. 1080 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.2, S. 82. 1081 Vgl. BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 22; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 17; G. Hofmann/​ R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 141 f.; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 322; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 998; S. Gottwald/S. Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 331 ff.; D. Weilbach, GrEStG (49. Lfg. 2018), § 1, Rz. 87; E. Sosnitza, Deut­ sche Verkehrsteuer-Rundschau 1975, S. 82 (83); R. Stahl, StuW 1979, S. 237 (238); M. Binz/G. Freudenberg/M. Sorg, DStR 1990, S. 753 (754); R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unternehmensverbund (2001), S. 239. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Rothenöder, der jedoch nicht die Mitgliedschaft, sondern die mit ihr verbundenen Stimmrechte als maßgeb­ lich ansieht (S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 189 ff.). 1082 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 322; S.  Kiebele, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), Die PersG im Steuerrecht, 12. Aufl. (2017), S. 1369 (1396), Rz. 39; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 142.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Fall käme es zum Erlöschen der Personengesellschaft und zur Anwach­ sung des Gesellschaftsvermögens auf den letztverbleibenden Gesell­ schafter.1083 Dieser Fall ist keine nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbare An­ teilsübertragung, sondern ein unter § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG fallender unmittelbarer Eigentumserwerb;1084 die Anteile gehen insoweit nicht „über“, sondern „unter“.1085 Auch ein Anteil von 95% am Gesellschafts­ vermögen kann nicht in einer Hand vereinigt werden, denn die insoweit maßgebliche gesamthänderische Mitberechtigung ist einer Quotelung nicht zugänglich.1086 Es gilt also eine strenge „Pro-Kopf-Betrachtung“1087, bei der jeder Gesamthänder unabhängig davon, ob und in welcher Höhe er am Gesellschaftskapital beteiligt ist, gleich viel zählt und eine Verei­ nigung von 95% der so verstandenen „Anteile“ unmöglich macht.1088 Denkbar sind hingegen die rein mittelbare Anteilsvereinigung sowie eine teils unmittelbare, teils mittelbare Vereinigung der Anteile an einer Grundstückspersonengesellschaft: Beispiel 1 (mittelbare Anteilsvereinigung): An der grundbesitzenden G-OHG sind die A-GmbH und die B-GmbH zu gleichen Teilen beteiligt. A, der sämtliche An­ teile an der A-GmbH hält, erwirbt nun auch sämtliche Anteile an der B-GmbH. Es liegt eine mittelbare Vereinigung von 100% der Anteile in der Hand von A vor. Beispiel 2 (teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung): A ist Komman­ ditist der A-KG und hat einen Kapitalanteil von 100%. Des Weiteren hält A auch alle Anteile an der am Kapital der A-KG nicht beteiligten Komplementär-GmbH. Die Anteile an der A-KG sind teils unmittelbar und teils mittelbar (über die Kom­ plementär-GmbH, deren Anteil A grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist) bei A vereinigt.1089 1083 Vgl. Nachweise in Fn. 481, S. 75. 1084 Vgl. BFH, Urteil v. 13. 9. 1995, II R 80/92, BStBl. II 1995, S. 903; E. Sosnitza, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1975, S. 82 (82). 1085 Vgl. S. Gottwald/S. Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 335. 1086 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 322; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 142; S.  Gottwald/S.  Behrens, Grunderwerb­ steuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 332; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 19. 1087 D. Weilbach, GrEStG (37. Lfg. 2013), § 1, Rz. 93g; C. Joisten, Ubg 2016, S. 201 (201). 1088 Abweichend hiervon hält Rothenöder, der auf eine Vereinigung der Stimmrechte abstellt, eine Vereinigung von 95% dieser Rechte auch bei einer Personengesell­ schaft für möglich, wenn in deren Gesellschaftsvertrag eine Stimmrechtsvertei­ lung nach der Kapitalbeteiligung vereinbart ist (S.  Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 190 f.). 1089 Zum Übergang auf eine solche sog. „Einmann-GmbH & Co. KG“ und zur mög­ lichen Anwendbarkeit von § 6 Abs. 2 GrEStG siehe FG Düsseldorf, Urteil v. 14. 7. 2004, 7 K 792/02 GE, EFG 2005, S. 136.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

Im Ergebnis ist festzustellen, dass § 1 Abs. 3 GrEStG aufgrund des sa­ chenrechtlichen Anteilsbegriffs auf Grundstückspersonengesellschaften nur sehr eingeschränkt angewendet werden kann. In der Zeit vor der Ein­ führung des § 1 Abs. 2a GrEStG im Jahr 1997 war es für die Steuerpflich­ tigen also sehr einfach möglich, die Grunderwerbsteuer durch Einsatz einer Grundstückspersonengesellschaft zu vermeiden. 3.2.3.2.2 Anteilsbegriff bei zwischengeschalteten Personengesellschaften In der Vergangenheit wandte die Rechtsprechung den o.g. sachenrechtli­ chen Anteilsbegriff auch bei der Beurteilung von Übergängen der Anteile an vermittelnden Personengesellschaften an. Dies ermöglichte zahlrei­ che weitere, in der Praxis als sog. „RETT-Blocker“-Strukturen1090 geläufi­ ge Gestaltungsmodelle, bei denen der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG durch geeignete Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, an der eine kapitalmäßig gering oder gar nicht beteiligte Drittpartei mitberech­ tigt ist, vermieden werden konnte. Beispiel 1:1091 An der grundstücksbesitzenden G-GmbH sind die A-KG zu 55% sowie fünf Einzelpersonen zu insgesamt 45% beteiligt. Am Kapital der A-KG ist die A-AG als Kommanditistin zu 100% beteiligt. Komplementärin ohne Kapital­ beteiligung ist die B-GmbH, an der die A-AG zu 90% und eine außenstehende Person zu 10% beteiligt ist. Die A-AG erwirbt von den fünf Einzelpersonen alle Anteile an der G-GmbH. Nachher:

Vorher: Veräußerer

A-AG

A-AG

Drittpartei 90%

Drittpartei 90%

10%

100%

10%

100%

B-GmbH 0%

45%

A-KG

B-GmbH 45%

0%

A-KG

55%

55%

G-GmbH

G-GmbH

1090 „RETT“ ist die Abkürzung für den englischen Begriff für Grunderwerbsteuer „Real Estate Transfer Tax“. 1091 Vereinfacht nach dem Urteilsfall aus BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BSt­ Bl. II 2002, S. 156.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Der BFH erkannte im obigen Fall keine Anteilsvereinigung bei der A-AG. Zwar erwarb die A-AG unmittelbar 45% der Anteile an der G-GmbH. Die über die A-KG gehaltene 55%-Beteiligung an der G-GmbH sei ihr jedoch nicht zuzurech­ nen, da an der A-KG neben der A-AG auch die B-GmbH noch gesamthänderisch mitberechtigt ist. Die Beteiligung der B-GmbH an der A-KG schließe es aus, die Anteile, die die A-KG an der G-GmbH hält, der A-AG wie eigene zuzurechnen.1092 Es wurde also auch hinsichtlich der Anteile an der vermittelnden A-KG auf die gesamthänderische Mitberechtigung und nicht auf die Höhe des Kapitalanteils abgestellt. Eine Zurechnung des von der A-KG gehaltenen 55%-Anteils wäre so­ mit nur dann in Frage gekommen, wenn auch die 0%-Beteiligung der B-GmbH an der A-KG der A-AG grunderwerbsteuerlich zuzurechnen gewesen wäre. Aufgrund der 10%-Beteiligung der Drittpartei an der B-GmbH war dies jedoch ausgeschlos­ sen.1093

Vor kurzem änderte der BFH jedoch seine Rechtsprechung dahingehend, dass es bei zwischengeschalteten Personengesellschaften nicht mehr auf die gesamthänderische Mitberechtigung, sondern auf den Anteil am Ge­ sellschaftskapital ankomme.1094 Vorausgegangen war eine Entscheidung aus dem Jahr 2013 zur Behand­ lung von Rückbeteiligungen und eigenen Anteilen bei Kapitalgesell­ schaften, wo der BFH erstmals die Position einnahm, dass beim mittelba­ ren Anteilserwerb im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG eine Anknüpfung an das Zivilrecht ausscheide, da dieses „keine Regelungen für den mittelba­ ren Anteilserwerb vorsieht.“1095 Unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 GrEStG komme es vielmehr ent­ scheidend auf die „rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft“1096 an. Eigene Anteile und Rückbeteili­ gungen sind nach dieser Entscheidung für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG außer Betracht zu lassen, da sie die rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf eine Kapitalgesellschaft nicht einschränken.

1092 BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 11. 1093 Für § 1 Abs. 3 GrEStG i.d.F. nach Herabsetzung der Beteiligungsschwelle auf 95% verlangt der BFH für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von mittelbar gehaltenen Anteilen eine Kapitalbeteiligung von mindestens 95%, vgl. BFH, Ur­ teil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326 = juris, Rz. 13. Ist diese Grenze unterschritten, kann eine Zurechnung nur noch dann erfolgen, wenn die Voraus­ setzungen für eine grunderwerbsteuerliche Organschaft erfüllt sind (insb. finan­ zielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung einer juristischen Per­ son gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG; dazu Abschnitt 3.2.3.4, S. 210). 1094 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381; BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393. 1095 BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326 = juris, Rz. 11. 1096 BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326 = juris, Rz. 12.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

Wenig später wurde die Ausgangsüberlegung aus obigem Fall auch auf die Personengesellschaft übertragen. Betroffen war der Fall einer sog. Ein­ heits-GmbH & Co. KG, bei der die KG sämtliche Anteile an ihrer Kom­ plementär-GmbH selbst hielt. Beispiel 2:1097 Am Kommanditkapital der G-KG sind A zu 60% und B zu 40% be­ teiligt. Die K-GmbH ist Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung. Alle Anteile an der K-GmbH werden von der G-KG selbst gehalten. B erwirbt die 40%-Beteiligung des A. Vorher: A

Nachher: B

B 100%

60% 40% 0%

G-KG 100%

C-GmbH

0%

G-KG

C-GmbH

100%

Der BFH bestätigte zwar zunächst die ständige Rechtsprechung, wonach unter dem „Anteil“ an einer Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG weiterhin die aus der Mitgliedschaft folgende gesamthänderi­ sche Mitberechtigung anzusehen sei und auch ein 0%-Gesellschafter eine solche Beteiligung innehabe.1098 Diese „für grundbesitzende Perso­ nengesellschaften geltenden Besonderheiten“ bezögen sich jedoch nur auf die unmittelbare Beteiligung an der Personengesellschaft als Gesell­ schafter; sie wirkten sich auf die mittelbaren Beteiligungsebenen nicht aus.1099 Zwischengeschaltete Personengesellschaften seien deshalb wie zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften zu behandeln; für eine Un­ gleichbehandlung gebe es „auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) keine Grundlage.“1100 Es komme bei einer solchen zwischengeschalteten Personengesellschaft somit nicht auf die Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen, son­ dern auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital an.1101 Die Konsequenz dieser Sichtweise für den obigen Fall war es, dass die 0%-Beteiligung der 1097 Nach BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381. 1098 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 17 f. 1099 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 20. 1100 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 20. 1101 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 20.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

C-GmbH an der G-KG dem Erwerber B grunderwerbsteuerlich zuge­ rechnet wurde, denn er war mittelbar über die G-KG zu 100% an der C-GmbH beteiligt.1102 Inzwischen ist auch eine neue Entscheidung zu einer klassischen „RETT-Blocker“-Konstellation ergangen, die dem eingangs in Beispiel 1 dargestellten Fall ähnlich ist: Beispiel 3:1103 An der grundstücksbesitzenden G-AG ist die D-GmbH mit 99,9% und die A-AG zu 0,1% beteiligt. An der D-GmbH sind die B-GmbH zu 94,9% und die C-KG zu 5,1% beteiligt. Am Kommanditkapital der C-KG hält die B-GmbH 100%; Komplementärin der C-KG ist die C-GmbH, an der die B-GmbH zu 94% und eine Drittpartei zu 6% beteiligt war. B erwirbt von A sämtliche Aktien der A-AG. Vorher:

Nachher:

A

B

B 100%

100%

A-AG 100% 94%

100% 94,9%

C-KG

Drittpartei

100%

6%

B-GmbH

0,1%

A-AG

Drittpartei

C-GmbH

B-GmbH 100%

0% 0,1%

94,9%

99,9%

G-GmbH

C-GmbH 0%

C-KG

5,1%

D-GmbH

94%

5,1%

D-GmbH 99,9%

G-GmbH

Der BFH griff auch hier auf den neuen Grundsatz zurück, dass bei zwi­ schengeschalteten Personengesellschaften nur auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital abzustellen sei.1104 Die Beteiligung an der C-KG sei dem Erwerber B demnach „voll zuzurechnen“, so dass auf jeder Beteili­ 1102 BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 22. 1103 Vereinfacht nach BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393. 1104 BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393 = juris, Rz. 25.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

gungsstufe eine zuzurechnende Beteiligung von 100% gegeben sei.1105 Die Zwischenschaltung der C-KG konnte daher das Eingreifen von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verhindern. Es ist davon auszugehen, dass nach die­ ser Änderung der Rechtsprechung auch der in Beispiel 1 dargestellte Fall nunmehr anders entschieden werden würde. Nach neuer Rechtsprechung sind für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG also divergierende Begriffe für den „Anteil“ an einer Personengesellschaft zu Grunde zu legen, je nachdem ob es um eine Grundstückspersonengesell­ schaft oder um eine zwischengeschaltete Personengesellschaft geht. In der Literatur ist diese Differenzierung teilweise auf Zustimmung,1106 teil­ weise aber auch auf Kritik1107 gestoßen. Bemerkenswert ist, dass der Ge­ setzgeber selbst bis zuletzt von einer sachenrechtlichen Betrachtungs­ weise ausgegangen war, wie sich aus der Gesetzesbegründung zum neu eingeführten, auf die Erfassung von „RETT-Blocker“-Gestaltungen ge­ richteten Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 3a GrEStG entnehmen lässt.1108 Der neue Anteilsbegriff bei zwischengeschalteten Personengesellschaf­ ten führt dazu, dass die sog. „aggressiven“1109 RETT-Blocker-Modelle, bei denen der Erwerber mehr als 95% der Anteile an der zwischengeschalte­ ten Personengesellschaft hält, nunmehr von § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst werden.1110 Da diese Gestaltungen ab 2013 auch von § 1 Abs. 3a GrEStG erfasst werden, hat die neue Rechtsprechung nur begrenzte Auswirkun­ gen. In der Gegenwart hat sie zur Konsequenz, dass bestimmte Fälle nicht nach § 1 Abs. 3a, sondern bereits nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar sind. 3.2.3.2.3 Analyse Die Auseinandersetzung mit dem für Personengesellschaften zu Grunde zu legenden Anteilsbegriff im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgt nachfolgend zweistufig. Bevor auf das ebenenspezifisch divergierende Be­ griffsverständnis in der neueren Rechtsprechung eingegangen wird, ist vorab zu untersuchen, inwieweit der bis vor Kurzem generell und im 1105 BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393 = juris, Rz. 28. 1106 A. Pahlke, in: Widmann/Mayer, UmwR (161. Lfg. Nov. 2015), Anhang 12, Rz. 189.3; G. Schnitter, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (86. Lfg. Au­ gust 2016), § 1 GrEStG, Rz. 307.2; „nur im Ergebnis zustimmend“ G. Hofmann/​ R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 173. 1107 S. Behrens, BB 2014, S. 2647 (2649 f.); C. Joisten, Ubg 2016, S. 201 (203). 1108 Gesetzentwurf zum JStG 2013 v. 10. 6. 2013, BT-Drs. 17/13033, S. 110. 1109 C. Joisten, Ubg 2016, S. 201 (204). 1110 Für einen Überblick der früher gängigen „RETT-Blocker“- Gestaltungsvarianten siehe Abschnitt 3.2.4.1.1, ab S. 218.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Grundfall der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft auch weiter­ hin zu Grunde gelegte sachenrechtliche Anteilsbegriff zutreffend und gerechtfertigt ist. 3.2.3.2.3.1 Zur Heranziehung des sachenrechtlichen Anteilsbegriffs im Allgemeinen 3.2.3.2.3.1.1 Normzweckbezogene Auslegung des Anteilsbegriffs des § 1 Abs. 3 GrEStG Der Rückgriff auf den sachenrechtlichen Anteilsbegriff im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG wird in der Literatur häufig unter Verweis darauf ge­ rechtfertigt, dass der Begriff „Anteil der Gesellschaft“ durch das Zivil­ recht vorgegeben sei.1111 Hiergegen ist jedoch einzuwenden, dass, wie bereits erarbeitet wurde, kein „Primat des Zivilrechts“ für die Auslegung grunderwerbsteuerlicher Begriffe besteht.1112 Zu übernehmen ist ein zi­ vilrechtlicher Begriffsinhalt nur dann, wenn das GrEStG einen sog. Statusbegriff aufgreift, der eine gesetzesübergreifende Ordnungsfunktion entfaltet.1113 Ein solcher Statusbegriff ist etwa der der „Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG. Er umfasst alle Personen- und Kapitalgesell­ schaftsformen, die das Gesellschaftsrecht vorsieht und wird nur durch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 GrEStG insoweit einge­ schränkt, als es sich um Gesellschaften handeln muss, die Anteile ge­ währen.1114 Anders verhält es sich mit dem Begriff „Anteil“ bzw. genauer „Anteile der Gesellschaft“, der im Gesellschaftsrecht einiger Rechtsformen nicht vorkommt (so kennt beispielsweise das AktG für die AG keine Anteile, sondern nur „Aktien“)1115 oder keine eindeutige Interpretation zulässt, wie es etwa im Recht der Personengesellschaften der Fall ist: Nach tradi­ tioneller Lehre gibt es dort keinen „Anteil der Gesellschaft“1116, und auch nach der neuen Gesamthandslehre bleibt die Frage offen, ob mit dem „Anteil“ nun die Mitgliedschaft, der Kapitalanteil oder die Gewinn- und 1111 Vgl. z.B. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 323; E. Sosnitza, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1975, S. 82 (83). 1112 Siehe Abschnitt 2.1.3.1.3, ab S. 50. 1113 Vgl. Abschnitt 2.1.3.1.2, S. 48. 1114 Bei einer Stiftung oder einer stillen Gesellschaft kommt mangels ausgegebener Anteile zwangläufig auch keine Anteilsvereinigung in Betracht. Zum Gesell­ schaftsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG siehe ausführlich S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 100 ff. 1115 Vgl. S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 110. 1116 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 322; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 996.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

Verlustbeteiligung gemeint ist.1117 Darüber hinaus tritt der Begriff „An­ teil“ hier im weiter gefassten Kontext der „Anteilsvereinigung“ auf, ei­ nem Begriff, der im Zivilrecht an keiner Stelle geregelt oder auch nur erwähnt wird. Dies macht es erforderlich, den Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG rechtsformübergreifend aus eigengesetzlich grunderwerb­ steuerlichen Prinzipien und dem Sinn und Zweck der Regelung abzulei­ ten.1118 Rothenöder hat dieses Thema umfassend untersucht und kommt zum Ergebnis, dass als „Anteil“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG rechtsfor­ mübergreifend jede „übertragbare, einer Bewertung zugängliche Mit­ gliedschaft an einer grunderwerbsteuerrechtlich als rechtsfähig aner­ kannten Personenvereinigung“ zu verstehen sei, die „eine Einflussnahme auf die Willensbildung der Vereinigung mittels Stimmrechten ermög­ licht und dem Mitglied das Vermögen der Vereinigung anteilig zuord­ net.“1119 In Konkretisierung der bereits dargestellten Sachherrschaftsthe­ orie, wonach § 1 Abs. 3 GrEStG die Herrschaftsmacht des Allein- bzw. 95%-Gesellschafters über die Gesellschaftsgrundstücke zu erfassen su­ che,1120 erkennt Rothenöder bei der so beherrschten Gesellschaft ein „Autonomiedefizit“, welches dem Gesellschafter eine Herrschaftspositi­ on vermittle, die wirtschaftlich mit derjenigen des Grundstückseigentü­ mers übereinstimmt.1121 Zur Bestimmung der für § 1 Abs. 3 GrEStG rele­ vanten Beteiligungsquote schlägt Rothenöder vor, rechtsformeinheitlich auf die Stimmrechte abzustellen, da „nur den Stimmrechten eine Herr­ schaftsmacht“ innewohne.1122 Auch bei Rothenöders Weiterentwicklung der Sachherrschaftstheorie bleibt jedoch die Frage offen, warum § 1 Abs. 3 GrEStG die Vereinigung von 95% der Anteile (d.h. typisierend al­ ler Anteile) voraussetzt, obwohl Verfügungen über das Grundstück nach den Statuten der meisten Gesellschaften bereits mit geringeren Mehrhei­ ten durchgesetzt werden können.1123 Überwiegend wird eine einfache Mehrheit von 50% der Stimmen oder eine qualifizierte Mehrheit von 75% erforderlich sein; ist hingegen ein Einstimmigkeitserfordernis ver­ einbart, wäre auch mit 95% der Stimmrechte keine Verfügung über das Grundstück durchzusetzen. Das Erreichen der 95%-Schwelle führt zu 1117 Siehe Abschnitt 2.2.1.3, ab S. 81. 1118 So auch S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 113. 1119 S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 138. 1120 Siehe Abschnitt 3.2.3.1.2, ab S. 189. 1121 Vgl. S.  Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 70, 72 ff. 1122 Vgl. S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 192 ff. 1123 Zur Kritik an der Sachherrschaftstheorie siehe bereits Abschnitt 3.2.3.1.2, ab S. 189.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

keiner Veränderung der Rechtsposition des Anteilsinhabers, wenn man diese nur an den Stimmrechten festmachen würde. Unter Berücksichti­ gung des tatbestandlichen 95%-Kriteriums eignen sich die Stimmrechte daher nicht zur Ausfüllung des Anteilsbegriffs. Beachtenswert ist ferner die Theorie von Kroschewski, dass § 1 Abs. 3 GrEStG die „Zwecksetzungsmacht“ des Alleingesellschafters besteue­ re.1124 Die Herrschaftsmacht des Alleingesellschafters sei stärker als die des bloßen Mehrheitsgesellschafters, da letzterer durch seine gesell­ schaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber den Minderheitsgesellschaf­ tern gebunden und zur Förderung des Gesellschaftszwecks verpflichtet sei.1125 Dieses Erklärungsmodell löst die oben beschriebene Mehrheits­ problematik überzeugender als die Sachherrschaftstheorie; fraglich ist jedoch, ob es einen hinreichenden Grundstücksbezug herstellt. In einer Grunderwerbsteuer, die bei Gesellschaften nicht nach deren Unterneh­ mensgegenstand differenziert, erscheint die Zwecksetzungsmacht als ein eher nachrangiges Kriterium. Der Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG lässt sich jedoch aus der Geset­ zessystematik ableiten: In seiner Systemstellung ist § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nur Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 GrEStG, sondern auch zu § 1 Abs. 2 GrEStG (Erwerb der Verwertungsmöglichkeit).1126 Die Steuer­ barkeit des Erwerbs der Verwertungsmöglichkeit bestimmt, wie eingangs bereits festgestellt wurde, den grunderwerbsteuerrechtlichen Belastungs­ grund maßgeblich mit.1127 Bei der Auslegung grunderwerbsteuerrechtli­ cher Tatbestände sind daher die Wertungen des § 1 Abs. 2 GrEStG zu berücksichtigen. Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG, der als lex specialis zu § 1 Abs. 2 GrEStG solche Fälle erfasst, in denen die wirtschaftliche Verfügungs- oder Verwertungsmöglichkeit an einem Grundstück über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt wird. Die wesentlichen materiellen Komponenten der Verwertungsbefugnis sind die Beteiligung an der Wertsubstanz des Grundstücks sowie die Be­ 1124 Vgl. R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unterneh­ mensverbund (2001), S. 239 f. 1125 R. Kroschewski, Grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung im Unternehmens­ verbund (2001), S. 199. 1126 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 3. 1966, II 70/63, BFHE 86, S. 158 = juris, Rz. 21; BFH, ­Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171 = juris, Rz. 15 u. 20; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736 = juris, Rz. 20 u. 25; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1005. 1127 Siehe Abschnitt 2.1.2.3.2.3, S. 37.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

fugnis zu dessen Nutzung.1128 Sie sind im Hinblick auf die zu besteuernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Grundstückserwerbers1129 auch bedeutender als die Befugnis des Eigentümers (§ 903 BGB), über die Sache „nach Belieben zu verfahren“ und andere von ihrer Nutzung auszuschlie­ ßen. Ein Grundstück wird nicht in erster Linie gekauft, um dingliche Verfügungen mit ihm vorzunehmen, sondern um Nutzungen und Früchte aus ihm zu ziehen. Hinzu tritt ein Interesse des Erwerbers an Wertstei­ gerungen, die der Vermögensbildung dienen und spätere Veräußerungs­ gewinne ermöglichen. Diese Grundformen der wirtschaftlichen Ver­ wertungs­möglichkeit lassen sich auch bei Gesellschaftsanteilen nicht ausblenden. Der „Anteil“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG muss deshalb nicht zwingend ein Stimmrecht enthalten, in jedem Fall aber eine Wert­ teilhabe am Gesellschaftsvermögen vermitteln. Für die Personengesellschaft ist noch zu konkretisieren, welche Größe diese Wertteilhabe zutreffend repräsentiert. Die Mitgliedschaft1130 und die mit ihr verbundene dingliche Vermögensbeteiligung1131 sind hierzu ungeeignet, da sie kein Wertverhältnis ausdrücken. Der Gewinn- und Verlustanteil1132 ist für sich genommen ebenfalls nicht hinreichend aus­ sagekräftig, da er nur die laufenden Erträge, nicht aber die Eigentumsver­ hältnisse reflektiert. Am treffendsten wird die Wertteilhabe im Regelfall durch den festen Kapitalanteil („Kapitalkonto I“) repräsentiert. Dieser dient als Bezugsgröße für die Bestimmung der Vorausdividende (§ 121 Abs. 1 HGB), die Festlegung des Entnahmerechts (§ 122 HGB) und die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens (§ 155 Abs. 1 HGB) und wird typischerweise im Gesellschaftsvertrag auch als Basis für die Ge­ winnverteilung, das Stimmrecht und den Abfindungsanteil vorgese­ hen.1133 In seiner Gesamtheit bildet der feste Kapitalanteil die grunder­ werbsteuerlich relevante Vermögensposition des Gesellschafters einer 1128 Vgl. T. Hartlich, Die Verwertungsmöglichkeit in der Grunderwerbsteuer (2016), S. 100 ff.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 80; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 242. 1129 Siehe Abschnitt 2.1.2.3.3, ab S. 39. 1130 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.1, S. 81. 1131 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.2, S. 82. 1132 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.4, S. 85. 1133 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.3, S. 83. Es bleibt jedoch zu beachten, dass ein fester Ka­ pitalanteil eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung voraussetzt, während nach der (dispositiven) gesetzliche Ausgangsregelung ein variabler Kapi­ talanteil vorgesehen ist, der zu laufend veränderlichen Quoten führt. Eine indivi­ duelle Beurteilung des jeweiligen Gesellschaftsvertrags ist deshalb unvermeid­ bar. Zu den praktischen Schwierigkeiten bei der Heranziehung des Kapitalanteils siehe auch S.  Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 187 f.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Personengesellschaft am treffendsten ab. Der Normzweck des § 1 Abs. 3 GrEStG legt somit im Ergebnis keine sachenrechtliche, sondern eine ka­ pitalmäßige Betrachtung nahe.1134 3.2.3.2.3.1.2 Verfassungskonforme Auslegung des Anteilsbegriffs des § 1 Abs. 3 GrEStG Die Pro-Kopf-Betrachtungsweise läuft auch dem gesetzgeberischen Ziel zuwider, Steuerumgehungen einzudämmen.1135 Die Festlegung der Recht­ sprechung auf eine streng sachenrechtliche Betrachtung hat Steuerge­ staltungen mit Personengesellschaften Tür und Tor geöffnet.1136 Dies wirft die Frage auf, ob die Pro-Kopf-Betrachtung im Rahmen einer verfas­ sungskonformen Auslegung rückblickend überhaupt ein zulässiges Aus­ legungsergebnis war. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 zu den erb­ schaft- und schenkungsteuerlichen Betriebsvermögensverschonungsre­ geln deutlich gemacht, dass ein Gesetz von Anfang an gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen kann, wenn es „besondere steuerliche Gestaltungen“ zu­ lässt, die „erkennbar nicht bezweckt“ waren und zu gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen.1137 Dies setzt voraus, dass es sich um „steuermindernde Gestaltungen in erheblichem Umfang“ handelt, die keinen Missbrauch im Sinne des § 42 AO darstel­ len und die „nicht auf den atypischen Einzelfall beschränkt“ sind.1138 Diese können die Wirkung einer gesetzlichen Regelung so einengen, dass „der Gesetzeszweck seine Tauglichkeit als Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung verliert.“1139 Bei der Regelung des § 1 Abs. 3 GrEStG, deren Zweck die Verhinderung von Steuerumgehungen ist,1140 die aber schlicht dadurch umgangen wer­ 1134 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt A. Teiche, DStR 2005, S. 49 (52 f.), der hier­ bei aber auf den Missbrauchsverhinderungszweck der Norm abstellt. Der Argu­ mentationsansatz von Teiche stößt auf die berechtigte Kritik von S. Salzmann/​ F. Loose, DStR 2005, S. 53 (54), die ein reines Fiskalargument zur Rechtfertigung einer steuerbegründenden Auslegung als unzureichend ansehen. 1135 Vgl. RStBl. 1940, S. 387 (392) zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1940. 1136 Zum Einsatz von sog. „RETT-Blocker“-Personengesellschaften bis 2013 siehe nachfolgend ausführlich Abschnitt 3.2.4.1.1, ab S. 218. 1137 BVerfG, Urteil v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BGBl. I 2015, S. 4 = BVerfGE 138, 136 = juris, Rz. 253 ff. 1138 BVerfG, Urteil v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BGBl. I 2015, S. 4 = BVerfGE 138, 136 = juris, Rz. 254. 1139 BVerfG, Urteil v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BGBl. I 2015, S. 4 = BVerfGE 138, 136 = juris, Rz. 254. 1140 RStBl. 1940, S. 387 (392).

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

den kann, dass statt einer Kapitalgesellschaft eine Personengesellschaft als Grundstücksgesellschaft eingesetzt wird oder dadurch, dass eine Per­ sonengesellschaft in der Beteiligungskette zwischengeschaltet wird, ist das der Fall. Durch die jahrzehntelange Tolerierung der „RETT-Blocker“-­ Gestaltungen, die durch den sachenrechtlichen Anteilsbegriff ermög­ licht wurden, wurde die Gleichheit im Belastungserfolg des § 1 Abs. 3 GrEStG ganz erheblich verfehlt. Auch eine verfassungskonforme Ausle­ gung hätte daher für eine wertmäßige Interpretation des Anteilsbegriffs gesprochen, die auch die Vereinigung von Personengesellschaftsanteilen miteinschließt. Für die heutige Rechtslage muss dieser Gedanke allerdings relativiert werden, da seit Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2013 die meis­ ten der betroffenen Möglichkeiten zur Umgehung der Grunderwerbsteu­ er weggefallen sind. Mit der Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG, der als ergänzende Spezialregelung auch „wirtschaftliche Beteiligungen“ er­ fasst, hat der Gesetzgeber den von der Rechtsprechung und der h.M. in der Literatur zu Grunde gelegten sachenrechtlichen Anteilsbegriff im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG implizit anerkannt, indem er ihn als An­ lass und wesentlichen Beweggrund für die Neuregelung voraussetzte.1141 Da die Regelung des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht modifiziert, sondern durch die neue Annexregelung1142 des § 1 Abs. 3a GrEStG ergänzt wurde, ist für die gegenwärtige Gesetzeslage im Rahmen einer systematischen Ausle­ gung von einem gewollten Nebeneinander zweier Anteilsbegriffe – dem sachenrechtlich zu interpretierenden Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG und der wirtschaftlichen Beteiligung des § 1 Abs. 3a GrEStG – auszuge­ hen, deren jeweiliger Inhalt sich unterscheidet. 3.2.3.2.3.2 Zum divergierenden Begriffsverständnis bei unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen Im Hinblick auf die neue, nach der Beteiligungsebene differenzierende Sichtweise des BFH1143 stellen sich ähnliche Fragen wie zur Parallelthe­ matik bei § 1 Abs. 2a GrEStG.1144 Denn auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG wird nun einerseits auf unmittelbarer Beteiligungs­ 1141 Siehe Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3a GrEStG, Gesetzentwurf zum JStG 2013 v. 10. 6. 2013, BT-Drs. 17/13033, S. 110 f. 1142 Zur Systemstellung des § 1 Abs. 3a GrEStG siehe nachfolgend Abschnitt 3.2.4.1.3, ab S. 226. 1143 BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381; BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393. 1144 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.2, ab S. 143.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

ebene an einer streng zivilrechtlichen Betrachtung festgehalten und an­ dererseits bei mittelbaren gesellschaftsrechtlichen Vorgängen eine wirt­ schaftliche Betrachtungsweise mit der Begründung eingeführt wird, dass diese mittelbaren Vorgänge im Zivilrecht nicht geregelt seien.1145 Tat­ sächlich findet der Begriff der „Anteilsvereinigung“ unabhängig davon, ob er auf die unmittelbare oder auf die mittelbare Beteiligungsebene be­ zogen wird, keine Entsprechung im Zivilrecht. Dies würde es nahelegen, ihn auch einheitlich und unabhängig von der betroffenen Beteiligungs­ ebene nach eigengesetzlich grunderwerbsteuerlichen Prinzipien auszule­ gen. Während bis 2013, wie oben dargelegt, auf unmittelbarer wie auf mittelbarer Ebene eine wertmäßige Beurteilung angezeigt gewesen wäre, ist seit Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nunmehr von einer sachenrechtlichen Interpretation des Anteilsbegriffs in § 1 Abs. 3 GrEStG ausgeht. Eine Differenzierung zwi­ schen unmittelbarer und mittelbarer Anteilsvereinigung lässt sich hie­ raus jedoch nicht ableiten. In den Urteilsbegründungen wurde betont, dass für eine Ungleichbe­ handlung zwischengeschalteter Personen- und Kapitalgesellschaften „auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes“ keine Grundlage bestehe.1146 Diese verfassungsrechtliche Überlegung ist zu­ treffend, da sie die wirtschaftliche Irrelevanz von Rechtsformunterschie­ den bei mittelbaren Beteiligungen berücksichtigt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Gleichheitssatz nicht auch für die unmittelbare und die mittelbare Beteiligungsebene einen einheitlichen Anteilsbegriff erfor­ dern würde.1147 3.2.3.3 Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG? Offen ist bislang, inwieweit auch im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG eine wirtschaftliche Zurechnung „analog § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO“, wie sie die Rechtsprechung neuerdings bei mittelbaren Gesellschafterwechseln im 1145 Siehe BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326 = juris, Rz. 11: „Beim mittelbaren Anteilserwerb, also einem Anteilserwerb, bei dem der Erwer­ ber selbst nicht Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft wird, scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen mittel­ baren Anteilserwerb vorsieht.“ 1146 So BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381 = juris, Rz. 20; BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393 = juris, Rz. 26. 1147 Beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel wird weiterhin allein auf die zivil­ rechtliche Gesellschafterstellung abgestellt, vgl. BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393 = juris, Rz. 14 m.w.N.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG vornimmt, erfolgen kann. Zuvor war bei § 1 Abs. 3 GrEStG keine wirtschaftliche, sondern eine „mehrstufige rechtliche Betrachtungsweise“ vorgenommen worden.1148 Eine aktuelle BFH-Entscheidung zieht § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch im An­ wendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG heran.1149 Im Entscheidungsfall waren treuhänderisch gehaltene GbR-Anteile zunächst an den Treugeber herausgegeben worden und wurden später von der früheren Treuhän­ der-GmbH zurückerworben. Da der Gesellschafter der Treuhänder-­ GmbH die übrigen Anteile an der GbR hielt, führte der Rückerwerb bei ihm zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der BFH verweigerte jedoch die Steuerbefreiung des Rückerwerbs nach § 16 GrEStG, da es sich um eine erstmalige Anteilsvereinigung handle; d.h. der Gesellschafter der Treuhänder-GmbH habe vorher aufgrund der Treu­ handvereinbarung keine Sachherrschaft über die treuhänderisch gehalte­ nen Anteile gehabt.1150 Es wird also eine „negative Zurechnung“ dahinge­ hend vorgenommen, dass der Gesellschafter des Treuhänders für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht als Anteilsinhaber anzusehen ist. Bereits in früheren Entscheidungen wurde der Treugeber im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG als mittelbarer Gesellschafter behandelt.1151 Dies ­wurde aber nicht auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gestützt, sondern mit der „rechtlichen Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen“ be­ gründet, die sich aus dem Treuhandverhältnis ergibt.1152 Aus der neuen Rechtsprechungstendenz könnte sich ergeben, dass auch anderweitige schuldrechtliche Vereinbarungen die grunderwerbsteuerliche Zurech­ nung beeinflussen. Bei Immobilientransaktionen werden häufig Op­ tions-, Stimmrechts- und Vollmachtsvereinbarungen bezüglich zurück­ behaltener Minderheitsanteile getroffen. Meßbacher-Hönsch spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Einzelfallprüfung aus, ob „ent­ rechtete Geschäftsanteile“ noch als Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG qua­ lifiziert werden können.1153 Im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG besteht grundsätzlich ein etwas größe­ rer tatbestandlicher Auslegungsspielraum als beim Gesellschafterbegriff des § 1 Abs. 2a GrEStG, da es sich bei der „Anteilsvereinigung“ um einen 1148 BFH, Urteil v. 20. 2. 2000, II R 26/99, BFH/NV 2001, S. 1040. 1149 BFH, Beschluss v. 22. 1. 2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, 412. 1150 BFH, Beschluss v. 22. 1. 2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 = juris, Rz. 16. 1151 BFH, Urteil v. 16. 7. 1997, II R 8/95, BFH/NV 1998, S. 81; BFH, Urteil v. 3. 3. 2015, II R 30/13, BStBl. II 2015, S. 777. 1152 BFH, Urteil v. 16. 7. 1997, II R 8/95, BFH/NV 1998, S. 81 = juris, Rz. 17. 1153 C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 987.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

grunderwerbsteuerlichen Eigenbegriff handelt, der sich nicht vollständig durch zivilrechtliche Gesichtspunkte interpretieren lässt. Allerdings er­ scheint auch hier fraglich, ob schuldrechtliche Vereinbarungen vom Wortlaut (hier: Vereinigung bzw. Übertragung von Anteilen) noch gedeckt sind. Eine über den Wortlaut hinausgehende, belastende wirtschaftliche Anteilszurechnung ist im Bereich der weitreichend und abschließend ty­ pisierenden grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände unzuläs­ sig,1154 so dass auch hier systematische Zweifel an einer Heranziehung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO verbleiben. Wie auch im Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG erhielte eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei § 1 Abs. 3 GrEStG eine höhere dogmatische Legitimation, wenn sie nicht nur punktuell im steuerverschärfenden Kontext, sondern als übergreifender Sachgerechtigkeitsmaßstab angewandt würde. 3.2.3.4 Die Personengesellschaft im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Organschaft 3.2.3.4.1 Das Verhältnis von grunderwerbsteuerlicher und ­umsatzsteuerlicher Organschaft Das auch als „grunderwerbsteuerliche Organschaft“ bezeichnete Recht­ sinstitut der „Anteilsvereinigung im Organkreis“ ist nicht eigenständig, sondern stellt einen Unterfall des § 1 Abs. 3 GrEStG dar: Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 bis 5 GrEStG sind auch solche Rechtsvorgänge tatbestands­ mäßig, bei denen 95% der Anteile einer Gesellschaft „in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Perso­ nen allein vereinigt werden.“ Die Definition des Tatbestandsmerkmals „abhängig“ ist in § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG enthalten und entspricht wort­ gleich der Definition zur umsatzsteuerlichen Organschaft in § 2 Abs. 2 UStG. Als einziger Unterschied zur Regelung im UStG befindet sich in § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) GrEStG der konkretisierende Zusatz, dass die Wei­ sungsgebundenheit natürlicher Personen „in Bezug auf die Anteile“ be­ stehen müsse. Das GrEStG 19401155 hatte noch einen expliziten Verweis auf § 2 Abs. 2 UStG enthalten, welcher im GrEStG 19831156 zu Gunsten einer eigenen grunderwerbsteuerlichen Legaldefinition gestrichen wur­ de.1157 Aufgrund deren Wortgleichheit mit den umsatzsteuerlichen Rege­ 1154 Vgl. Abschnitt 3.2.2.3.2.2.1, ab S. 157. 1155 RGBl. 1940, S. 585. 1156 BGBl. I 1982, S. 1777. 1157 Hintergrund dieser Änderung war ausweislich der Gesetzesbegründung (Gesetz­ entwurf zum GrEStG 1980 v. 19. 3. 1981, BT-Drs. 9/251, S. 16) insbesondere, dass

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

lungen greifen Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Literatur bei der Auslegung weiterhin auf die Grundsätze zur umsatzsteuerlichen Organ­ schaft zurück.1158 Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass § 1 Abs. 4 GrEStG eine eigenständige grunderwerbsteuerliche Regelung dar­ stellt, die vom Gesetzgeber in bewusster Loslösung von § 2 Abs. 2 UStG geschaffen worden ist1159 und einen gänzlich anderen Normzweck ver­ folgt als die umsatzsteuerliche Organschaft.1160 Bei § 2 Abs. 2 UStG geht es um die Abgrenzung des (grunderwerbsteuerrechtlich irrelevanten) Un­ ternehmerbegriffs sowie um die Wirkung der Nichtsteuerbarkeit von In­ nenumsätzen.1161 Demgegenüber ist § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG eine Erweiterung des steuerbaren Tatbestands der Anteilsvereinigung.1162 Die unterschiedlichen Normzwecke schließen einen Rückgriff auf umsatz­ steuerliche Rechtsgrundsätze nicht grundsätzlich aus; dieser Rückgriff ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsan­ wendung auch geboten. Kommt es hierbei jedoch zu einem Konflikt mit der Teleologie des § 1 Abs. 3 GrEStG, ist eine an letzterer ausgerichtete Auslegung vorrangig. 3.2.3.4.2 Die Personengesellschaft als herrschendes Unternehmen (Organträgerin) Ähnlich wie der Grundtatbestand der Anteilsvereinigung sind auch die Regelungen zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft nur eingeschränkt auf Personengesellschaften anwendbar. Unumstritten ist dabei nur, dass die Personengesellschaft grundsätzlich herrschendes „Unternehmen“ im Sinne des § 1 Abs. 4 GrEStG sein kann.1163 Das ergibt sich bereits aus ihrer allgemeinen Stellung als selbständiges Zurechnungssubjekt im der V. Senat des BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft entschieden hatte, „dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts umsatzsteuerlich nicht im Sinn des § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann.“ 1158 Vgl. u.a. BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 14 f.; Gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG v. 24. 3. 2007, BStBl. I 2007, S. 422, Tz. 1; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 176; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1115. 1159 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 352. 1160 Siehe S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 263 ff. 1161 Vgl. S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 265. 1162 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1107; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 352 („besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung“). 1163 Vgl. u.a. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 176; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 359; D. Weilbach, GrEStG (44. Lfg. 2016), § 1, Rz. 93.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG, in dessen Hand sich also Gesellschafts­ anteile vereinigen können. Zusätzlich wird jedoch von der h.M. voraus­ gesetzt, dass das herrschende Unternehmen umsatzsteuerlicher Unter­ nehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist.1164 Diese Anknüpfung an den umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriff erscheint keineswegs zwin­ gend, da hier der Begriff des Unternehmens unreflektiert mit dem des Unternehmers gleichgesetzt wird. Sie ist im Rahmen der grunderwerb­ steuerlichen Organschaftsregelung jedoch hinnehmbar, da eine eigen­ ständige grunderwerbsteuerrechtliche Begriffsdefinition nicht zur Verfü­ gung steht (§ 1 Abs. 4 GrEStG definiert nur das Kriterium „abhängig“, nicht jedoch den Begriff des „Unternehmens“) und ein Widerspruch zum Normzweck des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht vorliegt.1165 Konsequenz des Erfordernisses umsatzsteuerlicher Unternehmereigen­ schaft ist es auch, dass natürliche Personen, die ihre Beteiligungen im Privatvermögen halten, nicht herrschendes Unternehmen sein kön­ nen.1166 Gleiches gilt für Holdinggesellschaften ohne wirtschaftliche Tä­ tigkeit.1167 Eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft kann dementsprechend auch nicht grunderwerbsteuerrechtliche Organträge­ rin sein. 3.2.3.4.3 Die Personengesellschaft als abhängiges Unternehmen (Organgesellschaft)? 3.2.3.4.3.1 Abhängigkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) GrEStG Die Abhängigkeitsdefinition des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG, die sich in lit. a) auf natürliche Personen und in lit. b) auf juristische Personen bezieht, geht an der Personengesellschaft weitgehend vorbei. § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) GrEStG erfasst „natürliche Personen, soweit sie einzeln oder zu­ sammengeschlossen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie 1164 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 176; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 359; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1116; D. Weilbach, GrEStG (44. Lfg. 2016), § 1, Rz. 93; Gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG v. 24. 3. 2007, BStBl. I 2007, S. 422 Rz. 1. 1165 Anders verhält es sich demgegenüber beim Begriff des „herrschenden Unterneh­ mens“ i.S.d. § 6a GrEStG, der unter Berücksichtigung des auf die Erfassung be­ günstigter Konzernsachverhalte gerichteten Normzwecks abweichend vom um­ satzsteuerlichen Unternehmerbegriff auszulegen ist; siehe M. Rogall/F. Mörwald, Ubg 2015, S. 347 (349 f.). 1166 Vgl. BFH, Urteil v. 20. 3 .1974, II R 185/66, BStBl. II 1974, S. 769. 1167 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 176; C. Meß­ bacher-­Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1117.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf die Anteile zu folgen ver­ pflichtet sind.“ Eine Personengesellschaft erfüllt zwar die Qualifikati­ on als „Zusammenschluss natürlicher Personen“ im Sinne dieser Vor­ schrift.1168 Es verbleibt jedoch kein wesentlicher praktischer Anwen­ dungsbereich für die Regelung, da die Personengesellschaft entweder zur Herausgabe der Anteile an das herrschende Unternehmen verpflichtet ist (in diesem Fall sind die Anteile nach h.M. bereits aufgrund dieses He­ rausgabeanspruchs dem herrschenden Unternehmen zuzurechnen) oder, falls ein solcher Anspruch nicht besteht, das erforderliche Eingliede­ rungsverhältnis nicht vorliegt.1169 Ist an einer Personengesellschaft neben natürlichen Personen auch nur eine einzige juristische Person beteiligt, liegt nach h.M. kein Zusammen­ schluss natürlicher Personen im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) GrEStG vor.1170 Dieser Sichtweise ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts und des Verbots einer steuerverschärfenden Analogie1171 zuzustimmen. 3.2.3.4.3.2 Abhängigkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG Die Personengesellschaft wird bisher nicht als „juristische Person“ im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG angesehen, und zwar selbst dann nicht, wenn ausschließlich juristische Personen an ihr beteiligt sind.1172 Bis vor kurzem entsprach dies auch der – aufgrund der Wortgleichheit bisher durchgängig auf die Grunderwerbsteuer übertragenen1173 – Rechts­ lage im Bereich der umsatzsteuerlichen Organschaft.1174 In Reaktion auf neue Entscheidungen des EuGH zur Auslegung der 6. MWSt-Richtli­ nie1175 haben die für Umsatzsteuer zuständigen Senate des BFH ihre Rechtsprechung jedoch geändert. Der EuGH hatte zu Art. 4 Abs. 4 Unter­ 1168 BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 13; S. Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationalen Steuer­ recht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.110. 1169 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 175; C. Meß­ bacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1122; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 356. 1170 BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 13 ff.; A.  Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 357; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 175; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1121. 1171 Näher dargelegt im nachfolgenden Abschnitt. 1172 BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 16. 1173 Siehe oben Abschnitt 3.2.3.4.1, S. 210. 1174 BFH, EuGH-Vorlage v. 11. 12. 2013, XI R 17/11, BStBl. II 2014, S. 417; BFH, EuGH-Vorlage v. 11. 12. 2013, XI R 38/12, BStBl. II 2014, S. 428 m.w.N. 1175 RL 77/388/EWG v. 17. 5. 1977, AblEG 13. 6. 1977, S. 1.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

abs. 2 der 6. MWSt-Richtlinie entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine „Mehrwertsteuergruppe“ zu bilden, nicht an weiterge­ hende Bedingungen knüpfen dürfen, die nicht in der Richtlinie genannt sind.1176 Hervorzuheben ist dabei die zur deutschen Umsatzsteuerorgan­ schaft ergangene Entscheidung in der Rs. „Larentia + Minerva“, wonach es nicht richtlinienkonform sei, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe ausschließlich juristischen Personen vorbe­ halte, die mit dem Organträger in einem Unterordnungsverhältnis ver­ bunden sind, es sei denn, diese Anforderungen seien zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch, Steuerhinterziehung und Steuerumgehung geeignet und erforderlich.1177 Die Umsatzsteuersenate des BFH setzten die Vorgabe des EuGH auf ­unterschiedliche Weise um. Der XI. Senat hielt den Ausschluss von Per­ sonengesellschaften für nicht durch die vom EuGH genannten Miss­ brauchsgesichtspunkte gerechtfertigt1178 und nahm eine richtlinien­ konforme Auslegung dahingehend vor, dass jedenfalls auch eine GmbH & Co. KG aufgrund ihrer „kapitalistischen Struktur“ als juristische Per­ son im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG anzusehen sei.1179 Demgegenüber hielt der V. Senat die Ungleichbehandlung für unionsrechtlich gerecht­ fertigt,1180 nahm jedoch unter Verweis auf das Gebot einer rechtsform­ neutralen Besteuerung eine teleologische Extension vor, wonach auch eine Personengesellschaften als Organgesellschaft anzuerkennen sei, wenn außer dem Organträger nur Personen an ihr beteiligt sind, die fi­ nanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.1181 In diesem Fall stehe das bei Personengesellschaften bestehende Einstim­ migkeitserfordernis einer Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft nicht entgegen.1182 Im Ergebnis öffneten beide Senate die umsatzsteuerli­ che Organschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch für Personen­ gesellschaften als Organgesellschaft.

1176 Vgl. EuGH, Urteil v. 9. 4. 2013, C-85/11 („Kommission / Irland“), ABlEU 2013/C 156/3 = ECLI:EU:C:2013:217, Rz. 36; EuGH, Urteil v. 25. 4. 2013, C-480/10 („Kommission / Schweden“), BFH/NV 2013 = ECLI:EU:C:2013:263, Rz. 35; EuGH, Urteil v. 16. 7. 2015, C-108/14 und C-109/14 („Larentia + Minerva“), EuZW 2015, S. 753 = ECLI:EU:C:2015:496, Rz. 38. 1177 Vgl. EuGH, Urteil v. 16. 7. 2015, C-108/14 und C-109/14 („Larentia + Minerva“), EuZW 2015, S. 753 = ECLI:EU:C:2015:496, Rz. 46. 1178 BFH, Urteil v. 16. 1. 2016, XI R 38/12, BFHE 252, S. 516 = juris, Rz. 75. 1179 BFH, Urteil v. 16. 1. 2016, XI R 38/12, BFHE 252, S. 516 = juris, Rz. 90 f. 1180 BFH, Urteil v. 2. 12. 2015, V R 25/13, DStR 2016, S. 229 = juris, Rz. 57 ff. 1181 BFH, Urteil v. 2. 12. 2015, V R 25/13, DStR 2016, S. 229 = juris, Rz. 36 ff. 1182 BFH, Urteil v. 2. 12. 2015, V R 25/13, DStR 2016, S. 229 = juris, Rz. 47.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

Für die Grunderwerbsteuer stellt sich nunmehr die Frage, ob die geänder­ te Interpretation des Abhängigkeitsbegriffs in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Auswirkung auf den wortlautidentischen Abhängigkeitsbegriff des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG hat. Für eine Übertragung auf die grunderwerb­ steuerliche Organschaft spräche die bisherige Praxis, die Bestimmungen zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 UStG auszulegen, sowie insbesondere die vom V. Senat vorgetragenen Argumente, die nicht europarechtlicher Na­ tur, sondern von verfassungsrechtlichen Erwägungen (Rechtsformneu­ tralität der Besteuerung) getragen sind.1183 Relevant könnte hierbei die Überlegung werden, dass das Einstimmigkeitsprinzip bei finanzieller Eingliederung aller Gesellschafter der Personengesellschaft seine Wirk­ samkeit verliert.1184 Auch ist zu konzedieren, dass die Personengesell­ schaft in anderen Rechtsgebieten als dem Steuerrecht bereits mehrfach als „juristische Person“ eingeordnet und behandelt wurde; insbesondere entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, Personengesell­ schaften als juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG zu be­ handeln.1185 Die regelungsspezifischen Zielsetzungen der umsatzsteuerlichen und der grunderwerbsteuerlichen Organschaft sind jedoch höchst gegensätz­ lich.1186 Anders als im Fall des § 2 Abs. 2 UStG würde ein Einbezug von Personengesellschaften unter den Begriff der „juristischen Person“ im Rahmen des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG eine steuerverschärfende Wirkung entfalten. Vom Wortlaut „juristische Person“ ist die Personengesell­ schaft jedoch – auch dann, wenn sie als GmbH & Co. KG ausgestaltet ist – nicht gedeckt. Die Erweiterung würde somit eine Analogiebildung über den Wortsinn hinaus erfordern. Eine Analogie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ist jedoch vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprin­ zips grundsätzlich unzulässig.1187 Zwar wurde von Teilen der Literatur sowie in einzelnen Urteilen eine Ausnahme von diesem Grundsatz ver­ treten, wonach bei einer „erkennbaren Regelungslücke“ auch eine steu­ erverschärfende Analogie „im Interesse des Gleichheitssatzes“ vorge­

1183 BFH, Urteil v. 2. 12. 2015, V R 25/13, DStR 2016, S. 229 = juris, S. 36 ff. 1184 BFH, Urteil v. 2. 12. 2015, V R 25/13, DStR 2016, S. 229 = juris, Rz. 47. 1185 Siehe Nachweise bei BFH, Urteil v. 16. 1. 2016, XI R 38/12, BFHE 252, S. 516 = juris, Rz. 84 ff. 1186 Siehe bereits Abschnitt 3.2.3.4.1, S. 210. 1187 Vgl. R. Wendt, in: Festschrift E. Wadle (2008), S. 1203 (1212 ff.); K.-H. Friauf, in: DStJG Bd. 5 (1982), S. 53 (61 ff.); H. Jochum, Grundfragen des Steuerrechts (2012), S. 99 ff.; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 5, Rz. 81 ff.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

nommen werden dürfe.1188 Doch auch wenn man dieser Sichtweise folgt, besteht bei § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG keine Grundlage für eine erwei­ ternde Auslegung, da es an einer erkennbaren Regelungslücke fehlt und auch der Gleichheitssatz keinen begrifflichen Einbezug der Personenge­ sellschaft verlangt. Eine teleologische Extension vergleichbar derjenigen, die der V. Senat des BFH für den Bereich der Umsatzsteuer vorgenommen hat, kommt hier mithin nicht in Betracht. Die strenge Wortlautinterpre­ tation, die der BFH für die grunderwerbsteuerliche Organschaft vorge­ nommen hat,1189 erweist sich daher auch nach Änderung der umsatzsteu­ erlichen Rechtslage als richtig.1190 Davon abgesehen besteht auch kein europarechtliches Erfordernis einer Anpassung des grunderwerbsteuerlichen Begriffsverständnisses, da die Grunderwerbsteuer von der RL 77/338/EWG (6. MWSt-Richtlinie) nicht erfasst wird.1191 Es ist vielmehr verfassungsrechtlich geboten, die (eigen­ ständige) Regelung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG weiterhin – und nunmehr abweichend vom umsatzsteuerrechtlichen Begriffsverständ­ nis – dahingehend auszulegen, dass Personengesellschaften nicht von der Abhängigkeitsdefinition des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG erfasst wer­ den.1192 3.2.3.5 Ergebnis zu § 1 Abs. 3 GrEStG Anders als § 1 Abs. 2a GrEStG leidet Abs. 3 nicht unter einer gesetzli­ chen Fehlkonzeption, sondern unter einer fehlerhaften Norminterpreta­ tion. Durch den sog. „sachenrechtlichen Anteilsbegriff“ läuft der Steuer­ tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG für Grundstückspersonengesellschaften weitestgehend leer1193 und lässt sich auch durch Zwischenschaltung ei­ ner Personengesellschaft oberhalb der Grundstücksgesellschaft auf einfa­ che Weise umgehen.1194 Dadurch war es über viele Jahrzehnte hinweg 1188 Vgl. K. Tipke, in: DStJG Bd. 5 (1982), S. 4 (16 f.); D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. (2016), Rz. 174; BFH, Urteil v. 20. 10. 1983, IV R 175/79, BStBl. II 1984, S. 221. 1189 BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 = juris, Rz. 16. 1190 So auch P. Satish/M. Weiß, DStR 2018, S. 1257 (1263 f.); offen lassend C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1121. 1191 Siehe EuGH, Beschluss v. 27. 11. 2008, C-156/08, Slg. 2008, I-165 = ECLI:EU:​ C:2008:663, Rz. 31 ff. 1192 Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass zwischengeschaltete Personengesell­ schaften die Zurechnung der Anteile einer Organ-Kapitalgesellschaft zum Or­ ganträger nicht verhindern, siehe S.  Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnitt­ ker, PersG im internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.111. 1193 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.1, ab S. 194. 1194 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.2, ab S. 197.

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3.2.3  Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile

möglich, Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften im wertmäßigen Umfang von bis zu 100% zu übertragen, ohne dabei Grunderwerbsteuer auszulösen. Wie gezeigt wurde, steht der sachenrechtliche Anteilsbegriff mit dem Normzweck der Regelung nicht in Einklang. Die zu seiner Begründung herangezogene sog. „Sachherrschaftstheorie“ vermag nicht zu überzeu­ gen, da sie es nicht adäquat zu erklären vermag, warum § 1 Abs. 3 GrEStG zur Tatbestandserfüllung das Erreichen einer Beteiligungsquote von 95% verlangt.1195 Erklärbar ist dies nur durch die primäre Relevanz der durch die Beteiligung vermittelten vermögensmäßigen Wertteilhabe am gan­ zen Grundstück. Diese verlangt es, auch Personengesellschaftsbeteili­ gungen im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG wertmäßig, d.h. nach der fes­ ten Beteiligung am Gesellschaftskapital, zu beurteilen,1196 was aufgrund der erheblichen Gestaltungsmöglichkeiten (insb. sog. „RETT-Blocker“-­ Strukturen) in der Vergangenheit auch im Rahmen einer verfassungskon­ formen Auslegung geboten gewesen wäre.1197 Tatsächlich wurden die entstandenen Besteuerungslücken jedoch erst mit der Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2013 geschlossen. Erst seit Einführung dieser Regelung erscheint die sachenrechtliche Interpretation bei § 1 Abs. 3 GrEStG vertretbar, da gesetzessystematisch nunmehr von einem Dualis­ mus zweier unterschiedlicher Anteilsbegriffe in Abs. 3 und Abs. 3a aus­ gegangen werden muss. Die Änderung der Rechtsprechung, wonach zwischengeschaltete Perso­ nengesellschaften nunmehr keine Sperrwirkung mehr entfalten, sondern entsprechend ihren Kapitalanteilen berücksichtigt werden,1198 führt zwar zur Steuerbarkeit bestimmter Altfälle (sog. „aggressive RETT-Blocker“-­ Modelle), hat für die Gegenwart und Zukunft jedoch nur begrenzte Aus­ wirkungen, da betroffene Erwerbe nunmehr § 1 Abs. 3 statt Abs. 3a GrEStG zugeordnet werden. Da Personengesellschaften ferner keine „abhängigen“ Rechtsträger im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Organschaft sein können,1199 ver­ bleibt im Ergebnis nur ein geringer Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG auf Personengesellschaften.

1195 Siehe Abschnitt 3.2.3.1.2, ab S. 189. 1196 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.3.1.1, ab S. 202. 1197 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.3.1.2, ab S. 206. 1198 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.2, ab S. 197. 1199 Siehe Abschnitt 3.2.3.4.3, ab S. 212.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

3.2.4 Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) Auch nach der Einführung des § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen des JStG 1997 und der Herabsenkung der Beteiligungsschwelle des § 1 Abs. 3 GrEStG auf 95% im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002 gelang es der Praxis weiterhin, Grundstücksübertragungen – insbesondere durch den geeigneten Einsatz von Personengesellschaften – so zu strukturieren, dass wirtschaftlich weiterhin nahezu 100% der Anteile an einer Grund­ stücksgesellschaft auf einen neuen Anteilseigner übertragen werden konnten, ohne Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 auszulö­ sen. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2013 der zusätzliche Ergänzungs­ tatbestand § 1 Abs. 3a GrEStG eingeführt.1200 Die Regelung erfasst Rechtsvorgänge, aufgrund deren „ein Rechtsträger unmittelbar oder mit­ telbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteili­ gung in Höhe von mindestens 95 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat.“ Rechts­ folge ist, dass der so qualifizierte Rechtsvorgang „als Rechtsvorgang im Sinne des Absatzes 3 gilt.“ 3.2.4.1 Regelungsinhalt und Gesetzestechnik 3.2.4.1.1 Ausgangslage bis 2013: Die Personengesellschaft als sog. „RETT-Blocker“ Ausweislich der Gesetzesbegründung richtet sich der neue Ergänzungstat­ bestand § 1 Abs. 3a GrEStG gegen sog. „RETT1201-Blocker“-Strukturen.1202 Darunter versteht der Gesetzgeber Grunderwerbsteuergestaltungen, die darauf abzielen, „bei einem Rechtsträgerwechsel die grunderwerbsteuer­ rechtliche Zuordnung eines inländischen Grundstücks durch Zwischen­ schaltung einer Gesellschaft, an der ein Fremder wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig beteiligt ist, zu verhindern.“1203 Diese Gestaltungen setzten bei den Besonderheiten der Personengesellschaft im Grunder­ werbsteuerrecht an und nutzten hierbei Gesetzeslücken, die insbesonde­ re aus dem von der Rechtsprechung und Literatur im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG herangezogenen sachenrechtlichen Anteilsbegriff („ProKopf-­Betrachtung“)1204 resultieren. 1200 AmtshilfeRLUmsG v. 26. 6. 2013, BGBl. 2013, S. 1809 (1840). 1201 Abkürzung für den englischen Begriff für Grunderwerbsteuer „Real Estate Trans­ fer Tax“. 1202 Vgl. Gesetzentwurf zum JStG 2013 v. 10. 6. 2013, BT-Drs. 17/13033, S. 110. 1203 Vgl. Gesetzentwurf zum JStG 2013 v. 10. 6. 2013, BT-Drs. 17/13033, S. 110. 1204 Siehe Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

Zwei Grundmodelle der „RETT-Blocker“-Personengesellschaft, von de­ nen jeweils eine Vielzahl von Varianten existierten,1205 werden nachfol­ gend dargestellt. Es kann grob unterschieden werden zwischen dem Ein­ satz einer Grundstückspersonengesellschaft und der Zwischenschaltung einer Personengesellschaft oberhalb der Grundstücksgesellschaft. 3.2.4.1.1.1 Einsatz von Grundstückspersonengesellschaften Eine einfache Übertragungsmöglichkeit außerhalb des Anwendungsbe­ reichs von § 1 Absätze 2a und 3 GrEStG stellt zunächst das sog. Zurückbehaltungsmodell1206 dar, bei dem eine Grundstückspersonengesellschaft und eine oder mehrere Holdinggesellschaften zum Einsatz kommen und die Übertragung stufenweise außerhalb der Fünfjahresfrist des § 1 Abs. 2a GrEStG erfolgt. Beispiel 1 (Zurückbehaltungsmodell):1207 Gesellschafter der grundstücksbesitzenden G-KG sind A mit einem Kapitalanteil von 100% und die B-GmbH mit einem Kapitalanteil von 0%. A hält 94,9% der Anteile an der B-GmbH. Die verbleibenden 5,1% an der B-GmbH werden von ei­ nem Dritten gehalten. A verkauft 94,9% der bislang von ihm gehaltenen Anteile an der G-KG an Z. Die verbleibenden 5,1% überträgt er an Z nach Ablauf von fünf Jahren. 94,9% sofort

A

5,1% nach Ablauf von 5 Jahren

Z

Drittpartei

94,9%

5,1%

B-GmbH

100%

0%

G-KG 1205 Vgl. diverse Beispiele bei A. Kaiser, Grunderwerbsteuerplanung bei Umstruktu­ rierung und Unternehmenserwerb (2007), S. 340 ff. 1206 Vgl. A. Kaiser, Grunderwerbsteuerplanung bei Umstrukturierung und Unterneh­ menserwerb (2007), S. 346. 1207 In Anlehnung an Beispiel 2 bei C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (470).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Weder § 1 Abs. 2a noch Abs. 3 GrEStG sind einschlägig: • § 1 Abs. 2a GrEStG kommt nicht zur Anwendung, da die Änderung des Gesell­ schafterbestands von mehr als 95% nicht innerhalb von fünf Jahren erfolgt ist. • § 1 Abs. 3 GrEStG kommt nach der sog. Pro-Kopf-Betrachtung des BFH eben­ falls nicht zur Anwendung, da die B-GmbH trotz ihrer fehlenden Kapitalbeteili­ gung eine Anteilsvereinigung bei Z verhindert.1208 Die 0%-Beteiligung der B-GmbH ist A bzw. Z auch nicht grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, da A zu weniger als 95% an der B-GmbH beteiligt ist. Bis zur Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG führte die zeitlich gestreckte Übertra­ gung nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer. Nach heutiger Rechtslage führt die zweite Übertragung zum steuerbaren erstmaligen Innehaben einer wirtschaft­ lichen Beteiligung von mehr als 95%.

Bei geeigneter Strukturierung war auch die sofortige Übertragung von wirtschaftlich nahezu 100% der KG-Anteile ohne Anfall von Grunder­ werbsteuer möglich: Beispiel 2 („RETT-Blocker“-Struktur mit Grundstückspersonengesellschaft):1209 An der grundstücksbesitzenden G-KG sind A zu 94,9% und die B-GmbH zu 5,1% beteiligt. Darüber hinaus hält A 94,9% der Anteile an der B-GmbH. Die verblei­ benden 5,1% an der B-GmbH werden von einem Dritten gehalten. A verkauft die bislang von ihm gehaltenen Anteile an der G-KG und an der B-GmbH an Z.

A

Z

Drittpartei

94,9%

5,1%

B-GmbH

94,9%

5,1%

G-KG

1208 Siehe ausführlich Abschnitt 3.2.3.2.1, ab S. 194. 1209 In Anlehnung an Beispiel 1 in: Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19. 9. 2018, BStBl. I 2018, S. 1078 sowie Abb. 80 bei A. Kaiser, Grunderwerb­ steuerplanung bei Umstrukturierung und Unternehmenserwerb (2007), S. 347.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) Bei kapitalmäßiger Durchrechnung über alle Ebenen geht eine wirtschaftliche Be­ teiligung an der G-KG i.H.v. 99,73% (=94,9%+5,1%*94,9%) auf den Erwerber Z über. Nach Auffassung der Rechtsprechung wie auch der Finanzverwaltung führt der Verkauf der Anteile von A an Z jedoch nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG: • § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht einschlägig, da die B-GmbH nicht als neue Gesell­ schafterin im Sinne der Vorschrift gilt. Der Umfang der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands erreicht im Hinblick auf die B-GmbH nicht das er­ forderliche Quantum (nach aktueller Gesetzeslage 95%1210; nach Auffassung der Finanzverwaltung zur früheren Gesetzeslage ebenfalls 95%1211, nach Auffassung des BFH zur früheren Gesetzeslage 100%1212), so dass nur 94,9% der Anteile an der Grundstückspersonengesellschaft mittelbar auf „neue Gesellschafter“ über­ gegangen sind. • § 1 Abs. 3 GrEStG kommt ebenfalls nicht zur Anwendung, da die 5,1%-Beteili­ gung an der B-GmbH nicht dem Erwerber Z zugerechnet werden kann. Nach Auffassung des BFH ist insoweit eine Beteiligungsquote von mindestens 95% auf jeder Ebene erforderlich.1213 A bzw. Z wird die mittelbar über die B-GmbH gehaltene 5,1%-Beteiligung also nicht zugerechnet.

Nach der vor Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG geltenden Rechtslage kam es in derartigen Konstellationen nicht zum Anfall von Grunder­ werbsteuer. Erst nach § 1 Abs. 3a GrEStG ist das „erstmalige Innehaben“ einer wirtschaftlichen Beteiligung steuerbar. 3.2.4.1.1.2 Zwischenschaltung von Personengesellschaften In der Praxis wohl am häufigsten vorzufinden sind Strukturen, bei denen eine „RETT-Blocker“-Personengesellschaft zwischengeschaltet, d.h. mit einem Anteil von etwas über 5% an der Grundstücksgesellschaft betei­ ligt ist.

1210 § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 v. 2. 11. 2015, BGBl. 2015, S. 1834. 1211 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18. 2. 2014, BStBl. I 2014, S. 561, Tz. 2.2. 1212 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833. 1213 BFH, Urteil v. 25. 8. 2010, II R 65/08, BStBl. II 2011, S. 225.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Beispiel 3 („Konservativer RETT-Blocker“1214 mit Grundstückskapitalgesellschaft und zwischengeschalteter Personengesellschaft):1215 An der grundstücksbesitzenden G-GmbH sind A zu 94,9% und die B-KG zu 5,1% beteiligt. An der B-KG ist A mit 94,9% und ein Dritter mit 5,1% beteiligt. A ver­ kauft die bislang von ihm gehaltenen Anteile an der G-GmbH und an der B-KG an Z. Bei kapitalmäßiger Durchrechnung über alle Ebenen geht eine wirtschaftliche Be­ teiligung an der G-KG i.H.v. 99,73% (=94,9%+5,1%*94,9%) auf den Erwerber Z über.

A

Z

Drittpartei

94,9%

5,1%

94,9%

B-KG 5,1%

G-GmbH Aufgrund des vom BFH zu Grunde gelegten Anteilsbegriffs im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG1216 kann die über die B-KG vermittelte Beteiligung an der G-GmbH dem Erwerber Z nicht zugerechnet werden. Nach früherer Rechtsprechung schloss 1214 Vgl. C. Joisten, Ubg 2016, S. 201 (204), der zwischen „konservativen“ und „ag­ gressiven RETT-Blockern“ differenziert. Bei Letzteren sind an der zwischenge­ schalteten „RETT-Blocker“-KG externe Personen mit weniger als 5% beteiligt. Eine Zurechnung zum Mehrheitsgesellschafter kann in diesem Fall nur vermie­ den werden, wenn man eine Pro-Kopf-Betrachtung zu Grunde legt. Würde man bei einer solchen Gestaltung hingegen auf den Kapitalanteil abstellen, wären ihm die Anteile der RETT-Blocker-KG zuzurechnen. Demgegenüber umfasst bei einem sog. „konservativen“ RETT-Blocker die Kapitalbeteiligung Externer an der zwischengeschalteten Personengesellschaft mehr als 5%. Eine Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG kommt dann auch bei kapitalmäßiger Betrachtung nicht in Frage, weil die Grenze von 95% unterschritten wird. 1215 In Anlehnung an Beispiel 5 in: Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19. 9. 2018, BStBl. I 2018, S. 1078. Vgl. auch ausführlich A. Kaiser, Grunder­ werbsteuerplanung bei Umstrukturierung und Unternehmenserwerb (2007), S. 360 ff. 1216 Vgl. Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) bereits jede Beteiligung eines Dritten an einer Personengesellschaft die grunder­ werbsteuerliche Zurechnung aus (sog. Pro-Kopf-Betrachtung).1217 Nach neuerer Rechtsprechung soll bei vermittelnden Gesellschaften eine Stufenbetrachtung zur Anwendung kommen, bei der eine Zurechnung erfolgt, wenn eine kapitalmäßige Beteiligung von mindestens 95% an der vermittelnden Personengesellschaft vor­ liegt.1218 Auch nach dieser Sichtweise kommt die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht in Betracht, weil Z weniger als 95% an der B-KG erwirbt.

Teilweise erfolgten auch noch aggressivere Strukturierungen, bei denen der Dritte am Kapital der „RETT-Blocker“-KG gar nicht beteiligt war und somit wirtschaftlich 100% der Anteile an der Grundstücksgesell­ schaft übertragen werden konnten. Diese Gestaltungsmodelle sind je­ doch nach neuerer Rechtsprechung nicht geeignet, um den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG zu umgehen. Beispiel 4 („Aggressiver RETT-Blocker“1219 mit Grundstückskapitalgesellschaft und zwischengeschalteter Personengesellschaft): An der grundstücksbesitzenden G-GmbH sind A zu 94,9% und die B-KG zu 5,1% beteiligt. Gesellschafter der B-KG sind A mit 100% und ein Dritter ohne Kapital­ beteiligung. A verkauft die bislang von ihm gehaltenen Anteile an der G-GmbH und an der B-KG an Z.

A

Z

Drittpartei

100%

0%

94,9%

B-KG 5,1%

G-GmbH

1217 BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736; BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156. 1218 Vgl. BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381; BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393. 1219 C. Joisten, Ubg 2016, S. 201 (204).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Bei kapitalmäßiger Durchrechnung über alle Ebenen geht eine wirtschaftliche Be­ teiligung an der G-KG i.H.v. 100% auf den Erwerber Z über. Nach früherer Rechtsprechung schloss jede Beteiligung eines Dritten an einer Per­ sonengesellschaft die grunderwerbsteuerliche Zurechnung aus (sog. Pro-Kopf-Be­ trachtung).1220 Nach neuerer Rechtsprechung soll bei vermittelnden Gesellschaf­ ten eine Stufenbetrachtung zur Anwendung kommen, bei der eine Zurechnung erfolgt, wenn eine Kapitalbeteiligung von mindestens 95% an der vermittelnden Personengesellschaft vorliegt.1221 Danach ist Z auch die über die B-KG gehaltene 5,1%-Beteiligung an der G-GmbH zuzurechnen und der eingesetzte „RETT-Blo­ cker“ wirkungslos.

Ungeachtet der neueren Rechtsprechung, die bestimmte „RETT-Blocker“-­ Gestaltungen für die Vergangenheit geringfügig einschränkt, ist zu kon­ statieren, dass es über viele Jahrzehnte möglich und von Rechtsprechung und Finanzverwaltung anerkannt war, wirtschaftliche Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften von nahezu 100% durch geeigneten Einsatz von Personengesellschaften grunderwerbsteuerfrei zu übertragen. Jen­ seits der in den Beispielen 1 bis 4 dargestellten Grundfälle existieren zahlreiche weitere, teils erheblich komplexere Varianten.1222 3.2.4.1.2 Die wirtschaftliche Beteiligung an einer Personengesellschaft § 1 Abs. 3a GrEStG erfasst die o.g. Grunderwerbsteuergestaltungen, in­ dem er abweichend von der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 3 GrEStG einen wirtschaftlichen Beteiligungsbegriff zu Grunde legt. Der Begriff „wirt­ schaftliche Beteiligung“ ist keine unbestimmte Generalklausel, sondern wird in § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG abschließend definiert als die „Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft“. Dem Tatbestandsmerkmal „wirtschaftlich“ kommt somit keine eigenständige Bedeutung zu;1223 insbesondere ermög­ licht es keine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Auslegung und Anwendung des Tatbestands.1224 Auch die Ermittlung der mittelbaren 1220 BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736; BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156. 1221 Vgl. BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381; BFH, Urteil v. 27. 9. 2017, II R 41/15, BFH/NV 2018, S. 393. 1222 Vgl. diverse Beispiele bei A. Kaiser, Grunderwerbsteuerplanung bei Umstruktu­ rierung und Unternehmenserwerb (2007), S. 340 ff. 1223 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 191; S.  Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1406); I. van Lishaut/A. Schumacher, in: Rödder/Herling­ haus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), Rz. 150. 1224 I. van Lishaut/A. Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), Rz. 150.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

wirtschaftlichen Beteiligung ist gesetzlich vorgegeben (Durchrechnung über alle Ebenen gem. § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG). Anders als die ersten Fassungen des § 1 Abs. 2a GrEStG, die als verfassungswidrig unbestimmt verworfen worden waren,1225 trägt § 1 Abs. 3a GrEStG dem Bestimmt­ heitsgrundsatz von Beginn an hinreichend Rechnung. Bei grundstücksbesitzenden und zwischengeschalteten Personengesell­ schaften bestimmt sich die Beteiligung gleichermaßen nach dem Wertan­ teil am Gesellschaftsvermögen.1226 Dieser Wertanteil ist anhand der indi­ viduellen gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen zu ermitteln und entspricht im Regelfall dem festen Kapitalanteil („Kapitalkonto I“),1227 der meist auch als Bezugsgröße für die Gewinnverteilung, das Stimm­ recht und die Abfindungsansprüche herangezogen wird.1228 Die wirt­ schaftliche Beteiligung stimmt insoweit mit den ebenfalls wertmäßig verstandenen Anteilsbegriffen im Rahmen des §§ 1 Abs. 2a GrEStG („Anteile am Gesellschaftsvermögen“) und §§ 5, 6 GrEStG („Anteile am Vermögen der Gesamthand“) überein.1229 Sind bei einer Personengesellschaft im Einzelfall keine festen Kapital­ konten gesellschaftsrechtlich vereinbart, könnte auch eine bloße Bewe­ gung der variablen Kapitalkonten (z.B. durch Kapitalerhöhungen, Einla­ gen oder Entnahmen) zur Erreichung der 95%-Schwelle führen.1230 Illing spricht sich insoweit für eine teleologische Reduktion des § 1 Abs. 3a GrEStG auf Rechtsvorgänge aus, bei denen auch ein Rechtsträgerwechsel stattfindet.1231 Zum gleichen Ergebnis kommt man bei Betrachtung der Normkonstruktion und Regelungssystematik. Über die Rechtsnatur des Verweises auf § 1 Abs. 3 GrEStG – ein Teil der Literatur spricht von einer Rechtsfolgenverweisung,1232 während ein anderer Teil von einer umfas­ 1225 § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des JStG 1997 hatte eine „wirtschaftliche Betrachtung“ angeordnet, ohne einen gesetzlichen Maßstab hierfür vorzugeben, vgl. BFH, Ur­ teil v. 30. 4. 2003, II R 79/00, BStBl. II 2003, S. 890. Darüber hinaus fehlte bis 2015 eine Definition des Begriffs „mittelbar“, worin der BFH ebenfalls eine ver­ fassungswidrige Unbestimmtheit erkannte, vgl. BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833. 1226 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 429; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1226. 1227 Vgl. J. Wagner/S.  Mayer, BB 2014, S. 279 (281); C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1226. 1228 Siehe Abschnitt 2.2.1.3.3, S. 83. 1229 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 429. 1230 Vgl. S.  Illing, DStZ 2013, S. 504 (510); C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1226. 1231 S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (510). 1232 So A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 409; C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (472); A. Demleitner, SteuK 2013, S. 265 (266).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

senden Rechtsgrundverweisung ausgeht1233 – besteht zwar Uneinigkeit. Tatsächlich ist aber festzustellen, dass § 1 Abs. 3a GrEStG zwei ver­ schiedene, voneinander zu trennende Verweisungen enthält. Bei der Fik­ tionsanordnung („gilt als Rechtsvorgang“1234) handelt es sich um einen Rechtsfolgenverweis, der im Ergebnis die Steuerbarkeit bewirkt. Tatbe­ standsseitig („gilt als Rechtsvorgang im Sinne des Abs. 3 auch ein sol­ cher“1235) besteht jedoch zusätzlich eine Rechtsgrundverweisung auf den Katalog an Rechtsvorgängen in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG (schul­ drechtliche Geschäfte sowie dingliche Vereinigung bzw. Übertragung der Anteile).1236 Diese Verweisungsstruktur entspricht der systematischen Stellung des § 1 Abs. 3a GrEStG als „Ergänzungstatbestand“ zu § 1 Abs. 3 GrEStG, auf die nachfolgend noch eingegangen wird. Durch den Rechts­ grundverweis auf den Katalog des § 1 Abs. 3 GrEStG wird im Ergebnis bestätigt, dass zur Tatbestandserfüllung ein Erwerbsvorgang erforderlich ist und eine bloße Kapitalkontenbewegung nicht ausreicht. 3.2.4.1.3 Die Fiktion eines Rechtsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG Rechtsfolge von § 1 Abs. 3a GrEStG ist die Fiktion eines Rechtsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG. Es handelt sich um eine echte gesetzli­ che Fiktion, d.h. um die Gleichsetzung eines Sachverhalts (hier: erstma­ liges Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung von mindestens 95%) mit einem anderen (hier: Anteilsvereinigung oder Übertragung vereinig­ ter Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG) im Bewusstsein, dass dieser in der Realität nicht existiert.1237 Letzteres ergibt sich aus der Subsidiari­ tätsregel, wonach § 1 Abs. 3a GrEStG stets nur dann tatbestandsmäßig ist, wenn kein Fall des Abs. 3 GrEStG vorliegt. Unzutreffend ist hingegen die in der Literatur vorzufindende Charakterisierung als „doppelte Fikti­ on“1238 oder „Verlängerung der Fiktion des § 1 Abs. 3 GrEStG“1239, da § 1 Abs. 3 GrEStG entgegen der h.M. keine Fiktion enthält.1240 1233 So S.  Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1408); G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 187. 1234 Hervorhebung durch den Verfasser. 1235 Hervorhebung durch den Verfasser. 1236 So im Ergebnis wohl auch S. Glutsch/S. Meining, GmbHR 2013, S. 743 (745). 1237 Zum Fiktionsbegriff siehe grundlegend E. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Neudruck der im Verl. Mohr erschienenen Aufl. von 1917 (1961), S. 101 ff.; F. Somló, Juristische Grundlehre, 2., unveränd. Aufl. (1927), S. 524 ff.; K. Larenz/​ C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 83 ff. 1238 K. Tiede, StuB 2014, S. 571 (576), ähnlich J. Wagner/S.  Mayer, BB 2014, S. 279 (279). 1239 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 404. 1240 Siehe Abschnitt 3.2.3.1.3, S. 191.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

Die vom Gesetzgeber gewählte Regelungstechnik gibt Rätsel auf, da die Steuerbarkeit auch eigenständig und damit deutlich einfacher hätte gere­ gelt werden können als durch den fiktionalen Rechtsfolgenverweis „gilt als Rechtsvorgang im Sinne des Abs. 3“. Eigentlich wäre es geboten ­gewesen, den Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG neu zu definieren, der aufgrund der gegebenen Umgehungsmöglichkeiten durch „RETT-­ Blocker“-Personengesellschaften die Gleichheit im Belastungserfolg ver­ fehlte.1241 Offensichtlich wollte der Gesetzgeber es jedoch vermeiden, in die bestehende Regelungstechnik einzugreifen.1242 Indem stattdessen ein zusätzlicher Tatbestand hinzugefügt wurde, sind weitere Parallelstruktu­ ren entstanden, die das Tatbestandsgefüge nochmals verdichten und zu neuen Belastungskumulationen und -konkurrenzen führen.1243 Die Fiktion eines Rechtsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG bedeu­ tet auch, dass § 1 Abs. 3a GrEStG als eine unselbständige Annexvor­ schrift zu § 1 Abs. 3 GrEStG zu klassifizieren ist; man könnte auch von einem „Ergänzungstatbestand“ zu § 1 Abs. 3 GrEStG sprechen.1244 Diese systematische Einordnung ist von hoher praktischer Bedeutung für die noch zu diskutierende Streitfrage, ob § 1 Abs. 3a GrEStG bei einer bereits bestehenden Zuordnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG eingreifen kann und ob umgekehrt eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG bei einer Person erfolgen kann, die bereits über eine wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG verfügt.1245 3.2.4.2 Praktische Auswirkungen der neuen Regelung 3.2.4.2.1 Beseitigung der Gestaltungsmöglichkeit „RETT-Blocker“? Die Eignung zur Schließung der Gesetzeslücke „RETT-Blocker“ kann dem neuen Ergänzungstatbestand durchaus zugesprochen werden. Durch den neu eingeführten Anteilsbegriff der wirtschaftlichen Beteiligung wird eine im Ausgangspunkt sachgerechte Beurteilung von Personenge­ sellschaftsbeteiligungen erreicht, die die gängigen RETT-Blocker-Model­ le erfasst. So wird etwa in den Beispielen 1 bis 3 im Abschnitt 3.2.4.1.11246 1241 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.3.1.2, S. 206. 1242 Vgl. S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (506). 1243 Siehe nachfolgend Abschnitt 3.2.4.3.2, S. 232. 1244 Ähnlich S.  Glutsch/S.  Meining, GmbHR 2013, S. 743 (745), die die Norm als „tatbestandliche Ausdehnung“ des § 1 Abs. 3 GrEStG ansehen. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 37 spricht von einer „Vor­ schrift zur Bekämpfung der Umgehung einer Anti-Umgehungsvorschrift.“ 1245 Siehe nachfolgend Abschnitt 3.2.5.3, ab S. 241. 1246 S. 218 ff.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

nach der neuen Rechtslage jeweils Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG ausgelöst.1247 In der Literatur wurden zwischenzeitlich verschiedene Gestaltungsan­ sätze diskutiert, die auch nach geltender Rechtslage einen vollständigen wirtschaftlichen Übergang der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft ermöglichen sollen, ohne Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG auszulösen, z.B. wechselseitige Beteiligungen,1248 hybride Beteiligungs­ strukturen,1249 spezielle schuldrechtliche Gestaltungen,1250 ein mehrstu­ figes Erwerbsmodell unter Nutzung der Begünstigung nach § 6a GrEStG1251 oder der Einsatz einer Stiftung als dauerhaftem 5,1%-Anteilseigner.1252 Derartige Strukturierungen liegen tatsächlich außerhalb des Anwen­ dungsbereichs von § 1 Abs. 3a GrEStG, da dieser Tatbestand abschlie­ ßend definiert ist und nur gesellschaftsrechtliche Vorgänge umfasst.1253 Die „wirtschaftliche Beteiligung“ lässt also gerade keine „wirtschaftli­ che Betrachtungsweise“ zu.1254 Erhebliche Rechtsunsicherheiten verblei­ ben jedoch im Hinblick auf eine mögliche Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 GrEStG. Das Gestaltungsmodell der wechselseitigen Beteiligung dürfte inzwischen obsolet sein, da nach neuerer BFH-Rechtsprechung eigene Anteile oder Rückbeteiligungen einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht im Wege stehen.1255 Auch die Ansätze, die Kontrolle über eine in externer Hand verbliebene 5,1%-Beteiligung durch schuldrechtli­ che Gestaltungen zu gewinnen, bleiben aufgrund der neuen Rechtspre­ chung, die verstärkt auf eine wirtschaftliche Zurechnung analog § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgreift,1256 nicht ohne Risiko. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass § 1 Abs. 3a GrEStG den grunderwerbsteuerrechtlichen Gestaltungsraum der Immobilieninvestoren deutlich eingeschränkt hat. 1247 Im Beispiel 4 auf S. 223 wäre nach neuerer Rechtsprechung bereits § 1 Abs. 3 einschlägig. 1248 Vgl. S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (513). 1249 S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (514 f.) schlägt den Einsatz einer mit Genussrechten finanzierten „RETT-Blocker“-Ltd. vor. 1250 Vgl. A. Demleitner, SteuK 2013, S. 265 (267 ff.); F. Wischott/F. Keller/H.-C. Graessner/T. Bakeberg, DB 2013, S. 2235 (2237 ff.). 1251 Vgl. N. Arnold, BB 2013, S. 3031. Dessen Grundidee besteht darin, dass die Über­ schreitung der maßgeblichen 95%-Schwelle durch einen Vorgang verwirklicht wird, der unter die Befreiung nach § 6a GrEStG fällt. 1252 Vgl. T. Egner/P. Geißler, DStZ 2015, S. 333. 1253 Zutreffend A. Demleitner, SteuK 2013, S. 265 (267); A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (345). 1254 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 425. 1255 Siehe BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381. 1256 Vgl. BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

In Literatur und Praxis wird deshalb vermehrt empfohlen, eine (gesell­ schaftsrechtliche und wirtschaftliche) Beteiligung von 95% oder mehr tatsächlich dadurch zu vermeiden, dass unabhängige Co-Investoren mit mehr als 5% an einer Grundstücksgesellschaft beteiligt werden.1257 Dem Vernehmen nach finden sich auf dem Kapitalmarkt derzeit zahlreiche Investoren, die Interesse an knapp über 5% umfassenden Minderheitsbe­ teiligungen an Immobiliengesellschaften haben. Die Praxis scheint sich somit weitgehend in die neue Rechtslage zu fügen, so dass dem gesetzge­ berischen Versuch, mit § 1 Abs. 3a GrEStG die sog. „RETT-Blocker“-Mo­ delle zu vereiteln, durchaus Erfolg bescheinigt werden kann. 3.2.4.2.2 Kollateralbelastungen Gleichzeitig mit der Feststellung, dass § 1 Abs. 3a GrEStG die vom Ge­ setzgeber als missbräuchlich gewerteten „RETT-Blocker“-Strukturen wirksam erfasst, ist jedoch auch zu notieren, dass der Anwendungsbe­ reich vielfach deutlich über das gesetzgeberische Ziel der Missbrauchs­ bekämpfung hinausgeht. Die neue Vorschrift greift in zahlreichen Fällen ein, in denen bislang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 3 GrEStG systemkonform unterblieben war. Insbesondere für Grundstückspersonengesellschaften führt § 1 Abs. 3a GrEStG zu einer Verschärfung der Rechtslage: So enthält § 1 Abs. 3a GrEStG keine zeitliche Begrenzung, so dass Erwerbsvorgänge, die sich über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren erstrecken und deshalb nicht von § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst werden, in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG fallen können.1258 Gleiches gilt für Anteilsüber­ tragungen zwischen „Altgesellschaftern“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG, die bislang ebenfalls nicht steuerbar waren.1259 Aus den Geset­ zesmaterialien zu § 1 Abs. 3a GrEStG ist nicht erkennbar, dass diese Fall­ konstellationen zusätzlich zu den „RETT-Blocker“-Strukturen ebenfalls der Grunderwerbsteuer unterworfen werden sollten.1260 Allerdings dürfte eine teleologische Reduktion des § 1 Abs. 3a GrEStG insoweit ausschei­ 1257 Vgl. z.B. A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (350); C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (479); F. Wischott/F. Keller/H.-C. Graessner/T. Bakeberg, DB 2013, S. 2235 (2241). 1258 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 414; C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (475); A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (349). 1259 Vgl. mit Beispiel A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (349); C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (474). 1260 Die Gesetzesbegründung beschränkt sich auf die Erwähnung des Ziels, RETT-Blocker-Strukturen zu bekämpfen, vgl. Gesetzentwurf zum JStG 2013 v. 10. 6. 2013, BT-Drs. 17/13033, S. 110.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

den:1261 § 1 Abs. 2a einerseits und § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG ande­ rerseits sind zwei eigenständige Regelungskreise, die sich nur begrenzt aufeinander abstimmen lassen. § 1 Abs. 3a GrEStG erweitert gezielt den Anwendungsbereich der Regelung des § 1 Abs. 3 GrEStG, die bislang auf Personengesellschaften nur selten Anwendung fand. Die oben skizzier­ ten Besteuerungsfolgen sind daher nicht planwidrig. In der Literatur werden verschiedene weitere Fallkonstellationen proble­ matisiert, für die eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3a GrEStG in Betracht kommt: Dies betrifft insbesondere die Ver­ kürzung von Beteiligungsketten,1262 die Aufstockung bereits bestehender Beteiligungen1263 sowie die Umhängung von Beteiligungen im Kon­ zern.1264 Da es sich hierbei nicht um personengesellschaftsspezifische Probleme handelt, erfolgt dazu im Rahmen der vorliegenden Arbeit kei­ ne vertiefte Auseinandersetzung. In vielen dieser Fälle erscheint jedoch eine sachgerechte Lösung erreichbar, wenn man § 1 Abs. 3a GrEStG mit der hier vertretenen Auffassung als eine unselbständige Annexvorschrift zu § 1 Abs. 3 GrEStG ansieht.1265 Dies betrifft insbesondere die Konstel­ lationen, in denen sich entweder eine wirtschaftliche Beteiligung im Sin­ ne des § 1 Abs. 3a GrEStG zu einer Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG verstärkt, oder zusätzlich zu einer Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG eine wirtschaftliche Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG erstmals begründet wird. Der Übergang von einer Anteilsvereinigung zu einer fiktiven Anteilsvereinigung und umgekehrt stellt (entgegen der Verwaltungsauffassung) keinen steuerbaren Vorgang dar, da § 1 Abs. 3a aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Fiktions­ technik nur eine unselbständige Tatbestandserweiterung zu Abs. 3 ist und eine grunderwerbsteuerliche Zuordnung desselben Grundstücks zu derselben Person bereits besteht.1266 1261 Gl.A. im Ergebnis C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1192; S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (510); K. Tiede, StuB 2014, S. 571 (577); J. Wagner/S. Mayer, BB 2014, S. 279 (284). 1262 Vgl. C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (478); A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 446 f.; A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (346); J. Wagner/S. Mayer, BB 2014, S. 279 (285 ff.). 1263 Vgl. S.  Glutsch/S.  Meining, GmbHR 2013, S. 743 (744); C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (478); A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 448; A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (347). 1264 Vgl. S. Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1408); C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (472 f. und 478 f.); A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 449; A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (347). 1265 Dazu Abschnitt 3.2.4.1.3, ab S. 226. 1266 Siehe Abschnitt 3.2.5.3, ab S. 241. A.A. J. Schanko, UVR 2014, S. 44 (47); C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1247.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

3.2.4.3 Steuersystematische und verfassungsrechtliche Beurteilung Die steuersystematische und verfassungsrechtliche Beurteilung des neu­ en Ergänzungstatbestands fällt zwiespältig aus. Nicht zu beanstanden ist der neu eingeführte Beteiligungsbegriff, problematisch hingegen die Ge­ setzestechnik. 3.2.4.3.1 Die „wirtschaftliche Beteiligung“ als folgerichtige Entfaltung des grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrundes Mit der „wirtschaftlichen Beteiligung“ im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG hat der Gesetzgeber einen neuen Beteiligungsbegriff eingeführt, der rechtsformeinheitlich auf die wertmäßige Teilhabe des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen abstellt. Er reagierte damit auf die Rechtspre­ chung, die eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG bei Personen­ gesellschaften weitestgehend ausschloss (sog. „Pro-Kopf-Betrachtung“) und bei Zwischenschaltung von „RETT-Blocker“-Personengesellschaf­ ten weitere Möglichkeiten zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer zu­ ließ.1267 Mit dem so interpretierten Anteilsbegriff verfehlte § 1 Abs. 3 GrEStG die Gleichheit im Belastungserfolg.1268 Lässt ein Steuergesetz Gestaltungen durch den Steuerpflichtigen zu, die zu Steuerminderbelas­ tungen führen, die vom Gesetz erkennbar nicht bezweckt und gleich­ heitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind, ist dieses als verfassungswid­ rig anzusehen.1269 Eine solche Situation war bis zur Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG gegeben. Denn bis dahin konnte § 1 Abs. 3 GrEStG durch den Einsatz von „RETT-Blocker“-Personengesellschaften auf einfache Weise umgangen werden, was auch in großem Ausmaß erfolgt ist. Erst durch die Einführung von §1 Abs. 3a GrEStG wurde wieder ein verfas­ sungsmäßiger Zustand hergestellt, in dem auch eine wirtschaftliche „Vereinigung“ von Personengesellschaftsanteilen in adäquater Weise grunderwerbsteuerlich erfasst wird. Der Begriffsinhalt der „wirtschaftlichen Beteiligung“ erweist sich hier­ bei als folgerichtige Entfaltung des grunderwerbsteuerlichen Belastungs­ grundes, welcher darin besteht, die sich in der freiwilligen Vermögensdis­ position offenbarende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erwerbers zu erfassen.1270 Wie bereits zum Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG dar­ gelegt wurde, sind sachenrechtliche Rechtspositionen und Verfügungs­ 1267 Siehe mit ausführlicher Kritik Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193. 1268 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.3.1.2, ab S. 206. 1269 BVerfG, Urteil v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BGBl. I 2015, S. 4 = BVerfGE 138, 136 = juris, Rz. 254. 1270 Vgl. dazu Abschnitt 2.1.2.3, ab S. 25.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

beschränkungen insoweit von begrenzter Relevanz, da es für die Er­ fassung grunderwerbsteuerlicher Leistungsfähigkeit wesentlich auf die Wertteilhabe an der Grundstückssubstanz ankommt.1271 Die rechtsform­ spezifischen Besonderheiten der Personengesellschaft rechtfertigen es nicht, Personen- und Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im Hinblick auf die grunderwerbsteuerlich allein relevante Verfügungsmöglichkeit und Wertteilhabe an einem Grundstück unterschiedlich zu beurteilen. Der rechtsformneutral auf die „Beteiligung am Kapital oder Vermögen“ ab­ stellende Begriff der wirtschaftlichen Beteiligung ist deshalb – für sich genommen – verfassungskonform. 3.2.4.3.2 „Meistbelastungswirkung“ bei Personengesellschaften Ungeachtet des vorstehend positiv gewürdigten Begriffs der wirtschaftli­ chen Beteiligung ist mit der Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG jedoch keine Rechtsformneutralität erreicht worden. Dies ist die Folge der vom Gesetzgeber gewählten Subsidiaritätstechnik sowie von dessen Verzicht, die übrigen Steuertatbestände neu zu ordnen. Grunderwerbsteuerlich re­ levante Gesellschafterwechsel bei Grundstückspersonengesellschaften können sich nunmehr aus drei verschiedenen Steuertatbeständen erge­ ben, die jeweils an unterschiedliche Rechtspositionen anknüpfen. Pri­ mär bleibt § 1 Abs. 2a GrEStG zu prüfen, dessen in verfassungswidriger Weise überschießende Wirkung1272 zuvor dadurch zumindest teilkom­ pensiert worden war, dass Erwerbe, die außerhalb einer Fünfjahresfrist oder durch Altgesellschafter erfolgten, nichtsteuerbar waren. Durch § 1 Abs. 3a GrEStG, der bei Nichtanwendbarkeit von Abs. 2a eingreift, wer­ den nunmehr auch derartige Vorgänge der Grunderwerbsteuer unterwor­ fen. Darüber hinaus wird im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG weiterhin der sachenrechtliche Anteilsbegriff – bzw. nach neuerer Rechtsprechung bei der mittelbaren Anteilsvereinigung: eine Stufenbetrachtung – ange­ wandt. Die Grundstückspersonengesellschaft muss also drei verschiede­ ne Besteuerungskonzepte gegen sich gelten lassen. Die Subsidiaritätstechnik, die in § 1 Absätze 3 und 3a GrEStG verwendet wird, entfaltet hierbei eine „Meistbelastungswirkung“ zu Ungunsten des Steuerpflichtigen.1273 Denn während § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG alternativ zueinander eingreifen, kann sich der Steuerpflichtige etwa bei Verwirklichung eines der beiden erstgenannten Tatbestände nicht zu sei­ 1271 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.3.1.1, ab S. 202. 1272 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.4, ab S. 128. 1273 Kritisch auch K. Tiede, StuB 2014, S. 571 (576); J. Wagner/S.  Mayer, BB 2014, S. 279; C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 147.

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3.2.4  Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

nen Gunsten darauf berufen, dass es an einer wirtschaftlichen Beteili­ gung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG fehlt. Die im Gesetz neu veranker­ te wirtschaftliche Betrachtung wirkt sich somit ausschließlich zu Lasten des Steuerpflichtigen aus.1274 Die grunderwerbsteuerrechtlich relevante Beteiligungsschwelle von 95% wird hierbei durch die unterschiedlichen Beteiligungsbegriffe aufgeweicht und für Personengesellschaften effektiv nach unten abgesenkt. Diese steuersystematisch kritikwürdige Situation ist allerdings nicht notwendigerweise auch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Rechtsformneutralität der Be­ steuerung weist eine begrenzte Kontrolldichte auf und wurde in der Ent­ scheidungspraxis des BVerfG häufig auf ein reines Willkürverbot redu­ ziert.1275 Die bloße Ungleichbehandlung von Personengesellschaften gegenüber anderen wirtschaftlichen Betätigungsformen verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sofern irgendein sachlicher Grund hierfür angeführt werden kann. Vorliegend könnte sich der Gesetzgeber auf die beabsichtigte Verhinderung der als missbräuchlich gewerteten RETT-­ Blocker-Strukturen berufen. Das verfassungsrechtliche Problem liegt ­daher weniger bei § 1 Abs. 3a GrEStG, als bei den anderen Ergänzungsbe­ ständen. Insoweit ist insbesondere auf die bereits festgestellte Verfas­ sungs­widrigkeit des § 1 Abs. 2a GrEStG1276 zu verweisen. Eine weitere verfassungsrechtliche Grenze wird dort berührt, wo das Ge­ flecht der Grunderwerbsteuertatbestände sich zu einem „kaum noch überschaubaren Regelungsdickicht“1277 auswächst. Denn der Gleich­ heitssatz verlangt von den Steuertatbeständen auch Einsichtigkeit, Ver­ ständlichkeit und Vollziehbarkeit.1278 Von einem Zustand, in dem diese Eigenschaften nicht mehr hinreichend gegeben sind, ist das Grunder­ werbsteuerrecht nicht mehr weit entfernt. 3.2.4.4 Ergebnis zu § 1 Abs. 3a GrEStG Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das Besteuerungskonzept des § 1 Abs. 3a GrEStG mit der „wirtschaftlichen Beteiligung“ einen grundsätz­ 1274 Vgl. S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (506); K. Tiede, StuB 2014, S. 571 (576). 1275 Siehe bereits Abschnitt 3.1.2.3.1.2, S. 108. 1276 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.4, ab S. 128. 1277 So J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 37. Kritisch hinsichtlich der durch die Einfügung von § 1 Abs. 3a GrEStG gewachsenen Kom­ plexität auch A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 411.  1278 Vgl. P. Kirchhof, StuW 2017, S. 3 (6 f.); P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 24 (2001), S. 9 (20); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1397. Zum allgemeinen Gebot der Überschaubarkeit der Rechtsinformation und Klarheit der Rechtsakte siehe auch A. Arnauld, Rechtssicherheit (2006), S. 204 ff.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

lich sachgerechten Anteilsbegriff zu Grunde legt, der in folgerichtiger Umsetzung des grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrunds auch Perso­ nengesellschaftsbeteiligungen adäquat erfasst. Das Ziel, mit dem neu eingeführten Tatbestand Rechtsformneutralität zu schaffen, wurde den­ noch verfehlt, da § 1 Abs. 3a GrEStG die anderen, auf gesellschaftsrecht­ liche Vorgänge abzielenden Steuertatbestände (§ 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG) nicht ersetzt, sondern nur ergänzt hat. Die daraus resultierende Kumulativbelastung von Personengesellschaften sowie die erhöhte Kom­ plexität des Tatbestandsgefüges sind unnötig. Steuersystematisch wie auch unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten wäre stattdessen ge­ boten gewesen, den fehlkonzipierten § 1 Abs. 2a GrEStG ganz abzuschaf­ fen und den fehlinterpretierten Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG ge­ setzlich neuzubestimmen.1279

3.2.5 Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer neue Ergänzungstatbestände geschaffen und dem bestehenden Rege­ lungsgeflecht angefügt, hierbei jedoch die Abstimmung dieser Tatbestän­ de aufeinander vernachlässigt. Da die grunderwerbsteuerlichen Ergän­ zungstatbestände nur dadurch zu rechtfertigen sind, dass sie eine hinter dem gesellschaftsrechtlichen Vorgang stehende wirtschaftliche Änderung der Grundstückszuordnung erfassen, wäre es folgerichtig, eine bestehen­ de Grundstückzuordnung nach einem der Tatbestände grundsätzlich auch bei der Beurteilung eines anderen Tatbestands zu berücksichtigen. Eine übergreifende Zurechnungsregel, die dies leistet, fehlt jedoch im Gesetz und wurde auch in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht entwickelt. Dadurch bestehen erhebliche Unklarheiten über das Verhält­ nis der Ergänzungstatbestände zueinander. 3.2.5.1 Grundstückszurechnung bei § 1 Abs. 2a GrEStG durch § 1 Abs. 3 GrEStG? Wie bereits ausgeführt,1280 enthält § 1 Abs. 3 GrEStG neben seiner Funk­ tion als Steuertatbestand auch eine Zurechnungsfunktion, d.h. die Vor­ schrift bestimmt, welchen Rechtsträgern ein Grundstück im Sinne der Vorschrift zuzurechnen ist.1281 Diese Zurechnungsfunktion sorgt im Bin­ 1279 Siehe auch Reformvorschlag in Abschnitt 4.3.2, ab S. 293. 1280 Siehe Abschnitt 3.2.3.1.1, ab S. 187. 1281 Vgl. S. Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG (2009), S. 43 ff.

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3.2.5  Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände

nenbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG für die sachgerechte Folge, dass es dann, wenn bereits 95% der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG in einer Hand vereinigt sind, in der Hand dieses Rechtsträgers nicht zu einer neuerlichen Anteilsvereinigung (z.B. durch Verstärkung von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteili­ gung) kommen kann.1282 Nach Auffassung der Finanzverwaltung1283 und Teilen der Literatur1284 soll diese Zurechnungslogik auch auf § 1 Abs. 2a GrEStG durchschlagen; in diesem Fall jedoch zu Lasten des Steuerpflichtigen: Das Tatbestands­ merkmal „Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländi­ sches Grundstück“ sei dahingehend auszulegen, dass nicht nur solche Grundstücke, die im Eigentum der betreffenden Personengesellschaft stehen, erfasst werden, sondern sämtliche Grundstücke, die ihr „auf­ grund eines unter § 1 Absatz 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbs­ vorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind.“1285 Hierbei wurde offenbar die zu § 1 Abs. 3 GrEStG ergangene Rechtspre­ chung auf § 1 Abs. 2a GrEStG übertragen. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG „gehört“ ein Grundstück, dann einer Gesellschaft, wenn es die­ ser „aufgrund eines unter § 1 Absätze 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist“1286 und die Steuer für diesen Erwerbsvorgang entstan­ den ist.1287 Aufgrund der Wortlautgleichheit der Wendung „Gehört zum Vermögen […]“ in den Absätzen 2a und 3 mag es zunächst nachvollziehbar erschei­ nen, auch für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG auf die obigen Zurech­ 1282 Vgl. BFH, Urteil v. 20. 10. 1993, II R 116/90, BStBl. II 1994, S. 121; BFH, Urteil v. 12. 1. 1994, II R 130/91, BStBl. II 1994, S. 408; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1037; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 339. 1283 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 3. 1284 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 277; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 863 f.; G. Schnitter, in: Wilms/​ ­Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (86. Lfg. August 2016), § 1 GrEStG, Rz. 251; L. Keul, Die Norminterdependenzen des Grunderwerbsteuergesetzes bei Um­ strukturierungen internationaler Konzerne (2019), S. 144 ff. 1285 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 3.  1286 BFH, Urteil v. 11. 12. 2014, II R 26/12, BStBl. II 2015, S. 402 = juris, Rz. 18. 1287 Vgl. BFH, Urteil v. 11. 12. 2014, II R 26/12, BStBl. II 2015, S. 402 = juris, Rz. 19; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 865; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 148.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

nungsgrundsätze zurückzugreifen. Ebenfalls nachvollziehbar ist die Zu­ rechnung nach § 1 Absätze 1 und 2 GrEStG, da dies insbesondere der zeitlichen Abgrenzung dient (ein Grundstück „gehört“ grunderwerbsteu­ erlich der Gesellschaft bereits mit Verwirklichung des Erwerbstatbe­ stands und nicht erst mit Eintragung in das Grundbuch1288). Der Ein­ schluss der Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG hätte jedoch die weitreichende Konsequenz, dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG auch auf Grundstückskapitalgesellschaften erweitert würde.1289 Das Problem wird am folgenden einfachen Beispiel deutlich: Beispiel: Am Kapital der G-OHG sind die Gesellschafter A, B und C zu gleichen Teilen beteiligt. Die G-OHG hat vor einigen Jahren sämtliche Anteile an der grundstücksbesitzenden G-GmbH erworben und darauf seinerzeit Grunderwerb­ steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG entrichtet. A, B und C veräußern ihre Anteile an der G-OHG an D, E und F.

Vorher: A

Nachher: B

GOHG 100%

G-GmbH

C

D

E

F

GOHG 100%

G-GmbH

Nach Auffassung der Finanzverwaltung und von Teilen der Literatur ist der Tatbe­ stand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt, da das Grundstück der G-GmbH der G-OHG nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sei und sich der Gesellschafterbestand der G-OHG um mehr als 95% geändert hat.

Wendet man die Zurechnungslogik des § 1 Abs. 3 GrEStG auch im Rah­ men des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG an, wird die durch § 1 1288 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 148. 1289 Kritisch bereits H.-J. Sack, DStR 1998, S. 142 (144); K. Heine, GmbHR 2006, S. 350 (354); S.  Behrens, in: Festschrift H. Schaumburg (2009), S. 1107 (1127), Fn. 69.

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3.2.5  Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände

Abs. 2a GrEStG fingierte Übereignung auf eine neue Personengesell­ schaft auch auf Grundstücke ausgedehnt, die im Eigentum nachgelager­ ter Kapitalgesellschaften stehen und ihr nur aufgrund spezifischer Bin­ nenwertungen eines anderen Steuertatbestands zugerechnet werden können. Pahlke bezeichnet dies als „doppelte Fiktion“ und hält die tat­ bestandliche Ausdehnung aufgrund der den Ergänzungstatbeständen zu Grunde liegenden „wirtschaftlichen Betrachtung“ für geboten.1290 Keul erblickt sogar ein „systemimmanentes Prinzip der spezifisch grunder­ werbsteuerlichen Grundstückszuordnung“, welches die Anwendung der Zurechnungsregeln des § 1 Abs. 3 GrEStG auch im Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG ermögliche.1291 Tatsächlich fehlt es im Grunderwerbsteuerrecht jedoch (bedauerlicher­ weise) genau an einem derartigen systemübergreifenden Zurechnungs­ prinzip. Dies zeigt sich anschaulich am Beispiel des Inhabers von 100% der Anteile an einer Grundstückskapitalgesellschaft; erwirbt dieser das Grundstück von seiner Gesellschaft, fällt Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 GrEStG an, obwohl ihm das Grundstück bereits zuvor nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen war. Auch der Wortlaut und die Normkonstruktion sprechen gegen das Kon­ strukt einer „verlängerten Zurechnung“ in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG hinein. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögen der Personengesellschaft“ ist zivilrechtlich eindeutig bestimmbar. Eine da­ rüber hinausgreifende Zurechnung von Vermögen anderer Rechtsträger würde eine entsprechende gesetzliche Anordnung voraussetzen. Über den Wortlaut hinaus im Rahmen einer Analogie auf die Zurechnungs­ grundsätze des § 1 Abs. 3 GrEStG zurückzugreifen wäre, weil es zu Las­ ten des Steuerpflichtigen ginge, unter rechtsstaatlichen Gesichtspunk­ ten unzulässig.1292 Zudem besteht ein Subsidiaritätsverhältnis von § 1 Abs. 3 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG. § 1 Abs. 3 GrEStG greift (ebenso wie Abs. 3a) nach seinem eindeutigen Regelungswortlaut nur dann ein, „soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a nicht in Betracht kommt“. Dieser Anwendungsvorrang schließt es aus, bei der Anwen­ dung des Absatzes 2a auf die Zurechnungsmöglichkeiten des gar nicht anwendbaren Absatzes 3 „vorzugreifen“1293. 1290 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 277. 1291 L. Keul, Die Norminterdependenzen des Grunderwerbsteuergesetzes bei Um­ strukturierungen internationaler Konzerne (2019), S. 145. 1292 So bereits H.-J. Sack, DStR 1998, S. 142 (144). 1293 K. Heine, GmbHR 2006, S. 350 (354); ähnlich S. Behrens, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 1, Rz. 331.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Darüber hinaus ist die Zurechnungslogik des § 1 Abs. 3 GrEStG mit dem Fiktionstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG, der den Übergang auf eine real nicht existente neue Personengesellschaft unterstellt, nicht kompa­ tibel, denn eine Veränderung der „Sachherrschaft“ über ein Grundstück wird durch § 1 Abs. 2a GrEStG weder tatsächlich erfasst noch rechtstech­ nisch fingiert. Dies wird auch durch die Rechtsprechung belegt, die eine grunderwerbsteuerliche Zurechnung nur durch die Tatbestände § 1 Ab­ sätze 1, 2, 3 und 3a GrEStG, nicht aber durch Absatz 2a für möglich er­ achtet.1294 Es geht bei § 1 Abs. 2a GrEStG um die (wenn auch verfehlte1295) Erfassung einer veränderten Identität der Grundstückspersonengesell­ schaft und nicht einer veränderten Zurechnung eines Grundstücks. Im Übrigen legen weder wirtschaftliche Gesichtspunkte noch Aspekte der Missbrauchsverhinderung es nahe, die Zurechnungsfiktion des § 1 Abs. 3 GrEStG mit der Fiktion einer neuen Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu verknüpfen. Wer ein Grundstück in eine Kapitalge­ sellschaft einbringt, verwirklicht bereits hierdurch einen grunderwerb­ steuerbaren und nicht nach § 5 ff. GrEStG begünstigten Vorgang. An­ schließend kann er Anteile an der Gesellschaft auf eine Vielzahl anderer Personen übertragen, ohne dass Grunderwerbsteuer anfällt (soweit nicht ein Erwerber 95% erreicht). Wer stattdessen die Anteile an einer dazwi­ schengeschalteten Personengesellschaft überträgt, handelt nicht miss­ bräuchlich, denn hierbei wird keine Steuer umgangen. § 1 Abs. 2a GrEStG ist daher nicht nur seinem Wortlaut nach, sondern auch nach seinem Normzweck nicht anzuwenden. Die vom Gesetzgeber derzeit geplante Einführung eines „§ 1 Abs. 2b GrEStG“1296 zur Erfassung von Änderungen im Gesellschafterbestand von Kapitalgesellschaften unterstreicht zusätzlich, dass § 1 Abs. 2a GrEStG nicht auf Grundstücke in der Hand von Kapitalgesellschaften anwendbar ist. Bei einem zukünftigen Nebeneinander der Fiktionstatbe­ stände § 1 Absätze 2a und „2b“ GrEStG verbleibt erst recht kein Raum mehr für die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 2a GrEStG auf Kapitalgesellschaften „durch die Hintertür“1297 der Zurech­ nungsgrundsätze des § 1 Abs. 3 GrEStG.

1294 Vgl. BFH, Urteil v. 11. 12. 2014, II R 26/12, BStBl. II 2015, S. 402 = juris, Rz. 18. Ausdrücklich differenzierend auch G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 148; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 865. 1295 Vgl. Abschnitt 3.2.2.2.1, S. 122. 1296 Vgl, Gesetzentwurf BR.-Drs. 355/19. 1297 K. Heine, GmbHR 2006, S. 350 (354).

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3.2.5  Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände

3.2.5.2 Grundstückszurechnung bei §§ 5, 6 GrEStG durch § 1 Abs. 3 GrEStG? Bei der Anwendung der gesamthandsbezogenen Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG nimmt die Rechtsprechung teilweise ebenfalls eine Zu­ rechnung von Grundstücken vor, die über Kapitalgesellschaften gehalten werden. Hierbei wird jedoch strikt zwischen Fällen der Anteilsvereini­ gung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) und der Übertragung bereits verei­ nigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) differenziert; nur im letz­ teren Fall komme eine Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG in Betracht.1298 Grundlage für diese sich intuitiv nicht erschließende Unterscheidung ist der Aufgriff der sog. Fiktionstheorie, wonach bei der Anteilsvereinigung ein fingierter Erwerb des Anteilserwerbers von der Gesellschaft vorliege, bei der Übertragung vereinigter Anteile hingegen ein fingierter Erwerb des Anteilserwerbers vom Anteilsveräußerer.1299 Beispiel 1:1300 An der grundstücksbesitzenden G-GmbH sind X und Y zu je 50% beteiligt. X und Y gründen die Z-GbR und bringen alle Anteile an der G-GmbH in diese ein.

Vorher:

Nachher: Y

X

Y

X

50%

50% 50%

50%

G-GmbH

ZGbR 100%

G-GmbH Es wird Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöst (Anteilsverei­ nigung). Eine Anwendung der Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 GrEStG kommt nach der Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht, da es an der Miteigentümerschaft 1298 BFH, Beschluss v. 19. 4. 1972, II B 36/71, BStBl. II 1972, S. 590; BFH, Urteil v. 16. 1. 2002, II R 52/00, BFH/NV 2002, S. 1053; BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544. 1299 Siehe Abschnitt 3.2.3.1.3, ab S. 191. 1300 Nach BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft der anteilsübertragenden Gesamthänder X und Y am Grundstück fehle.1301 Die erstmalige Anteilsvereinigung in der Hand der Z-GbR sei als fingierter Erwerb des Grundstücks von der G-GmbH (und nicht von deren Gesellschaftern) aufzufas­ sen.1302 Beispiel 2:1303 X hält alle Anteile an der grundstücksbesitzenden G-GmbH sowie 100% des Kommanditkapitals der Z-KG und alle Anteile an deren 0%-Komple­ mentärin, der Y-GmbH. Die Z-KG erwirbt die Anteile an der G-GmbH von X.

Vorher:

Nachher: X

X 100%

100% 100% 100%

100%

0%

G-GmbH

Y-GmbH

Y-GmbH

Z-KG

0%

Z-KG 100%

G-GmbH

Es wird Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ausgelöst (Übertragung bereits vereinigter Anteile). Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG ist nach der Rechtsprechung des BFH anwendbar, da ein durch § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fingierter Erwerb des Grundstücks durch die Z-KG von X vorliege.1304 Die Z-KG wird also so behandelt, als erwerbe sie unmittelbar die zum Vermögen der G-GmbH gehörenden Grundstücke.1305

1301 Vgl. BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 23; BFH, Beschluss v. 19. 4. 1972, II B 36/71, BStBl. II 1972, S. 590 = juris, Rz. 9. 1302 Vgl. BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 11. 1303 Nach BFH, Urteil v. 16. 1. 2002, II R 52/00, BFH/NV 2002, S. 1053. 1304 Vgl. BFH, Urteil v. 16. 1. 2002, II R 52/00, BFH/NV 2002, S. 1053 = juris, Rz. 17; BFH, Urteil v. 2. 4 .2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, S. 544 = juris, Rz. 21; BFH, Beschluss v. 19. 4. 1972, II B 36/71, BStBl. II 1972, S. 590 = juris, Rz. 9. 1305 Vgl. H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 17.

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3.2.5  Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände

Die fallabhängig differenzierende Zurechnungslogik bei § 5 GrEStG, die von der Literatur geteilt1306 und auch auf § 6 GrEStG übertragen wird,1307 setzt die für § 1 Abs. 3 GrEStG entwickelte sog. Fiktionstheorie kon­ sequent um, offenbart aber auch deren Schwächen.1308 Auch wenn die Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG in Fällen der Übertragung vereinigter Anteile (Beispiel 2) zu einem sachgerechten Ergebnis führt, bleibt die Un­ stimmigkeit, dass im wirtschaftlich vergleichbaren Fall der Anteilsverei­ nigung (Beispiel 1) aufgrund der Unterstellung eines fiktiven Grund­ stückserwerbs von der Gesellschaft etwas anderes gelten soll. Entgegen der Fiktionstheorie liegt auch bei der Anteilsvereinigung eine Über­ tragung auf Gesellschafterebene und nicht von der Gesellschaft auf den Erwerber vor.1309 Lehnt man mit der hier vertretenen Auffassung die Fik­ tionstheorie ab, vermag auch die im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG getrof­ fene Unterscheidung nicht zu überzeugen, da einerseits der Regelungs­ wortlaut (Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand) beide Fälle erkennbar nicht erfasst, und andererseits zwei wirtschaftlich vergleich­ bare Sachverhalte vorliegen, deren grunderwerbsteuerliche Entlastung sachgerecht wäre. Die beiden Beispiele illustrieren daher auch das Pro­ blem der mangelnden Rechtsformneutralität der §§ 5, 6 GrEStG.1310 3.2.5.3 Wechselseitige Zurechnung zwischen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG? Das Verhältnis zwischen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG unterscheidet sich erheblich vom Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG. Während § 1 Abs. 2a GrEStG keine Zurechnung zum Gesellschafter vor­ nimmt und stattdessen kraft Fiktion einen Erwerb durch die Gesellschaft selbst unterstellt, stimmen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG darin überein, dass sie eine erstmalige Grundstückszuordnung beim Erwerber von min­ destens 95% der Anteile an einer Gesellschaft erfassen. Zusätzlich zu dieser systematischen Verwandtschaft werden die beiden letztgenannten Tatbestände durch den fiktionalen Rechtsfolgenverweis verbunden, wo­ 1306 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 14 f.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 5, Rz. 39; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 17; L. Keul, Die Norminterdependenzen des Grunder­ werbsteuergesetzes bei Umstrukturierungen internationaler Konzerne (2019), S. 216 f. 1307 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 6, Rz. 11 f.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 6, Rz. 4. 1308 Siehe dazu Abschnitt 3.2.3.1.3, ab S. 191. 1309 Siehe Abschnitt 3.2.3.1.3, ab S. 191. 1310 Hierzu bereits Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

nach ein Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG als ein Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG gilt. Sowohl die Rechtsstellung des § 1 Abs. 3a GrEStG als auch dessen Ver­ hältnis zu § 1 Abs. 3 GrEStG sind jedoch umstritten. Teile der Literatur sowie die Finanzverwaltung ordnen § 1 Abs. 3a GrEStG als einen eigen­ ständigen Erwerbstatbestand ein,1311 der auch dann verwirklicht werde, wenn dem Erwerber das Grundstück bereits nach § 1 Abs. 3 GrEStG zu­ zurechnen ist.1312 Begründet wird diese Ansicht insbesondere mit der re­ daktionellen Trennung in zwei verschiedene Absätze, dem gesetzgeberi­ schen Ziel, mit der Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG nicht in das nicht in das übrige Normengefüge einzugreifen sowie der Formulierung des § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG („Ein in Absatz 1, 2, 3 oder Abs. 3a bezeichne­ ter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm ein in ei­ nem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegan­ gen ist.“).1313 Der Wortlaut und die Normkonstruktion legen es jedoch eher nahe, § 1 Abs. 3a GrEStG als unselbständige Annexvorschrift zu begreifen, die ihrerseits „Ergänzungstatbestand“ zu § 1 Abs. 3 GrEStG ist.1314 Dies wird aus der gesetzlichen Fiktionsanordnung („gilt als Rechtsvorgang im Sin­ ne des Absatzes 3 auch ein solcher […]“) deutlich, die anderweitig nicht erklärbar wäre. Hätte der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung schaf­ fen wollen, wäre dies beispielsweise durch Übertragung des in § 1 Abs. 3 GrEStG verwendeten Wortlauts („so unterliegt der Steuer […]“) einfacher möglich gewesen.1315

1311 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 187; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1206; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 403; J. Schanko, UVR 2014, S. 44 (47); L. Keul, Die Norm­ interdependenzen des Grunderwerbsteuergesetzes bei Umstrukturierungen in­ ternationaler Konzerne (2019), S. 287 ff.; Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19. 9. 2018, BStBl. I 2018, S. 1078, Tz. 1. 1312 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 193; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1247; J. Schanko, UVR 2014, S. 44 (51); L. Keul, Die Norminterdependenzen des Grunderwerbsteuerge­ setzes bei Umstrukturierungen internationaler Konzerne (2019), S. 293 ff.; Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19. 9. 2018, BStBl. I 2018, S. 1078, Tz. 1. 1313 G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 193; C. Meßbacher-­ Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1247; L. Keul, Die Norm­ interdependenzen des Grunderwerbsteuergesetzes bei Umstrukturierungen in­ ternationaler Konzerne (2019), S. 293 ff. 1314 Siehe bereits Abschnitt 3.2.4.1.3, S. 226. 1315 Vgl. S. Behrens, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 1, Rz. 716.

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3.2.5  Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände

Aus der Tatsache, dass § 1 Abs. 3a GrEStG in den Katalog möglicher auf­ einanderfolgender Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 6 GrEStG aufgenom­ men worden ist, lassen sich keine Schlüsse für die Zurechnungsverhält­ nis zwischen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ziehen. Die in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG genannten „Abs. 3 oder Abs. 3a“ lassen sich auch zusam­ mengefasst lesen.1316 Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich bei der Aufnahme in § 1 Abs. 6 GrEStG lediglich um eine „Folgeän­ derung“1317, mit der § 1 Abs. 3a GrEStG in das bestehende Anrechnungs­ system integriert wurde. Der Rechtsfolgenverweis von § 1 Abs. 3a auf Abs. 3 GrEStG bewirkt, dass eine Zuordnung im Sinne des Abs. 3 auch bei Vorliegen einer wirt­ schaftlichen Beteiligung gegeben ist. D.h., hat ein Rechtsträger eine wirt­ schaftliche Beteiligung von mindestens 95% an einer Grundstücksge­ sellschaft inne, hindert dies nicht nur die nochmalige Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG, sondern auch von § 1 Abs. 3 GrEStG.1318 Umgekehrt ergibt sich aus dem Annexcharakter des § 1 Abs. 3a GrEStG sowie dem auf die Beseitigung von „RETT-Blocker“-Gestaltungen begrenzten Normzweck auch, dass eine bestehende Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG sperrt.1319 Bei ei­ nem Übergang von einer Anteilsvereinigung zu einer wirtschaftlichen Beteiligung und umgekehrt kommt es nicht zu einem Wechsel des Zu­ rechnungssubjekts.1320 Auch eine im Sinne von § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG fiktive Anteilsvereinigung ist eine Anteilsvereinigung.1321 Diese Sichtweise ist aufgrund der Unselbständigkeit des § 1 Abs. 3a im Verhältnis zu Abs. 3 GrEStG nicht nur steuersystematisch zutreffend, sondern auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung gebo­ ten. Der Gleichheitssatz verlangt es, dass eine einmal getroffene Belas­ tungsentscheidung auch folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt wird.1322 Die gesetzgeberische Grundentscheidung, im Rah­ 1316 Vgl. S. Behrens, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 1, Rz. 718. 1317 Gesetzentwurf zum JStG 2013 v. 10. 6. 2013, BT-Drs. 17/13033, S. 111. 1318 Zutreffend S. Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1408); C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (478); A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (346); T. Wagner/​ B. Lieber, DB 2013, S. 1387 (1389); J. Wagner/S. Mayer, BB 2014, S. 279 (286). 1319 So im Ergebnis auch S. Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1409); S. Glutsch/S. Meining, GmbHR 2013, S. 743 (744); T. Wagner/B. Lieber, DB 2013, S. 1387 (1389). A.A. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1247; J. Schanko, UVR 2014, S. 44 (51 ff.). 1320 Vgl. A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (346); J. Wagner/S. Mayer, BB 2014, S. 279 (286). 1321 Vgl. S. Glutsch/S. Meining, GmbHR 2013, S. 743 (744). 1322 Vgl. Nachweise bei Abschnitt 2.1.2.2.2.2, S. 21.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

men der gewählten Subsidiaritätsregelung die Anteilsvereinigung bzw. Übertragung oder das erstmalige Innehaben einer wirtschaftlichen Betei­ ligung zu besteuern, muss sich spiegelbildlich auch bei der Berücksichti­ gung bereits bestehender derartiger Zuordnungen niederschlagen. An­ ders formuliert: Wenn sowohl die Anteilsvereinigung als auch das erstmalige Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung steuerbar sind, muss es auch jeweils wechselseitig anerkannt werden, wenn eine An­ teilsvereinigung oder eine wirtschaftliche Beteiligung bereits gegeben ist. Das von der Gegenmeinung angeführte Argument, die Anrechnungsrege­ lung des § 1 Abs. 6 GrEStG biete für derartige Fälle hinreichenden Schutz,1323 überzeugt nicht: Zum einen setzt § 1 Abs. 6 GrEStG voraus, dass dem begünstigten Rechtsvorgang ein steuerbarer und steuerpflichti­ ger Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Nicht davon erfasst werden somit Bestandsstrukturen, deren ursprüngliche Begründung nicht der Grunder­ werbsteuer unterlegen hat (z.B. weil sie vor Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG erfolgt ist). Zum anderen sorgt § 1 Abs. 6 GrEStG nur in Höhe der Differenz der jeweiligen Bemessungsgrundlagen für eine Steuerent­ lastung, d.h. zwischen der erstmaligen Begründung der grunderwerbsteu­ erlichen Zurechnungsposition (hier: Anteilsvereinigung oder wirtschaft­ liche Beteiligung) und dem darauffolgenden Vorgang entstandene Wertdifferenzen unterliegen effektiv der Besteuerung. Eine solche Be­ steuerung widerspricht jedoch der kraft Fiktion bewirkten Gleichstel­ lung von Vorgängen im Sinne des § 1 Abs. 3a mit solchen im Sinne des Abs. 3 GrEStG. Nicht ausreichend ist auch die von der Finanzverwaltung vorgesehene „Übergangsregelung“, wonach nur eine bereits bestehende wirtschaftli­ che Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG eine Verwirklichung dieses Tatbestands verhindere.1324 Richtigerweise müsste stattdessen jed­ wede bereits bestehende Zurechnung nach Vorschriften des GrEStG, ins­ besondere auch nach § 1 Abs. 3 GrEStG berücksichtigt werden. Die wechselseitige Zurechnung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ist auf­ grund des Folgerichtigkeitsgebots zwingend; sie sollte weder durch An­

1323 So C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1246; J. Schanko, UVR 2014, S. 44 (47). 1324 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19. 9. 2018, BStBl. I 2018, S. 1078, Tz. 2.

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3.2.5  Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände

rechnungs- noch durch Übergangsregeln abgebildet, sondern richtiger­ weise bereits auf der Ebene der Steuerbarkeit berücksichtigt werden.1325 3.2.5.4 Konsequenz: Dringender Bedarf an einer gesetzlichen Zurechnungsregel Die drei oben diskutierten Streitfragen zeigen deutlich (und nur exem­ plarisch für eine Vielzahl von Rechtsproblemen) auf, dass es dem Institut der „grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung“ an einem gesetzlichen Fundament mangelt. Die im Binnenbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG ent­ wickelte Logik der Zurechnung eines Grundstücks auf Grund einer be­ stehenden Anteilsvereinigung1326 bleibt zutreffend, bedarf im Lichte der neu hinzugekommenen Tatbestände § 1 Abs. 2a GrEStG (1997) und § 1 Abs. 3a GrEStG (2013) jedoch einer Erweiterung und Generalisierung ebenso wie einer sachgerechten Begrenzung. Gesetzlich klarstellungsbedürftig ist entsprechend den Feststellungen in den vorangegangenen Abschnitten zunächst das Zurechnungsverhältnis zwischen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG und der Ausschluss einer auf § 1 Abs. 3 GrEStG gestützten verlängerten Zurechnung im Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG. Es besteht jedoch ein noch weitergehender Regelungs­ bedarf: Eine konsistente Zurechnungslogik ist nicht nur ein steuersystemati­ sches Postulat, sondern vor dem Hintergrund des Folgerichtigkeitsgebots zwingend. Die Grunderwerbsteuer erfasst über § 1 Abs. 1 GrEStG den Erwerb des Eigentums an Grundstücken und über die Ergänzungstat­ bestände auch den Erwerb vergleichbarer wirtschaftlicher Vermögens­ positionen.1327 Die Zurechnung über eine 95%-Gesellschaftsbeteiligung an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft wird dabei dem Eigentum an einem Grundstück gleichgesetzt. Der Übergang zwischen unter­ schiedlichen grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungspositionen stellt keinen besteuerungswürdigen Erwerbsvorgang dar, da insoweit kein Grundstücksumsatz auf dem Markt, sondern nur eine Innentransaktion vorliegt, bei der das Zurechnungssubjekt unverändert bleibt und kei­ 1325 Gl.A. im Ergebnis A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 447, der § 1 Abs. 3a GrEStG zwar als eigenständigen Tatbestand ansieht, das Zurechnungsproblem jedoch im Wege einer teleologischen Reduktion löst. 1326 Vgl. BFH, Urteil v. 20. 10. 1993, II R 116/90, BStBl. II 1994, S. 121; BFH, Urteil v. 12. 1. 1994, II R 130/91, BStBl. II 1994, S. 408; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1037; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 339. 1327 Vgl. Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

ne den Besteuerungszugriff rechtfertigende Leistungsfähigkeit offenbart wird. Dennoch werden derartige Vorgänge nach geltender Rechtslage nur in wenigen Fällen von der Besteuerung ausgenommen – im Wesentlichen betrifft dies den Binnenbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG (s.o.) sowie den Anwendungsbereich der §§ 5 und 6 GrEStG, die die bislang einzige ge­ setzlich kodifizierte Zurechnungsregel des GrEStG enthalten.1328 Der allgemeine Gleichheitssatz wie auch das Gebot einer folgerichtigen ­ ­Umsetzung der grunderwerbsteuerlichen Belastungsentscheidung, wirt­ schaftliche Grundstückserwerbe auf dem Markt zu besteuern, verlangen nach einer weitergehenden Zurechnungsregel, die den Übergang zwi­ schen allen grunderwerbsteuerlichen Zurechnungspositionen (d.h. § 1 Absätze 1, 2, 3 und 3a GrEStG; nicht: § 1 Abs. 2a GrEStG) im Hinblick auf dasselbe Grundstück in derselben Hand von der Steuerbarkeit ausnimmt. Eine derartige Regelung könnte bei geeigneter Umsetzung auch die heuti­ gen Steuerbefreiungstatbestände §§ 5, 6 und 6a GrEStG ersetzen.1329

3.3 Umwandlung, Sitzverlegung und Auflösung der Personengesellschaft Neben dem unmittelbaren Grundstückserwerb und dem Gesellschafter­ wechsel gibt es im „Lebenszyklus“ der Personengesellschaft einige wei­ tere Situationen, die grunderwerbsteuerlich relevant sein können. Dazu zählen insbesondere die Umwandlung (identitätswahrend durch Form­ wechsel oder übertragend durch Verschmelzung oder Spaltung), die Sitz­ verlegung sowie die Liquidation und Vollbeendigung. Diese Vorgänge sind im GrEStG nicht speziell geregelt, sondern unter die bereits bekann­ ten Tatbestände einzuordnen. Diese Einordnung wird nachfolgend unter­ nommen.

3.3.1  Formwechsel Beim Formwechsel einer Personengesellschaft in eine andere Rechts­ form und umgekehrt kommt es zu keiner Übertragung von Grundver­ mögen, und auch die Gesellschafter bleiben regelmäßig die gleichen. Dennoch wird in verschiedenen Fallkonstellationen eine mögliche Steu­ 1328 Wie bereits in Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107 dargelegt, ist es gleichheitsrechtlich zu beanstanden, dass §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG nur für Gesamthandsgemeinschaf­ ten gelten, während etwa beim Übergang zwischen dem zivilrechtlichen Eigen­ tum und einer Zurechnungsposition nach § 1 Abs. 3 GrEStG keine Befreiung er­ folgt. 1329 Siehe auch den Reformvorschlag in Abschnitt 4.3.3, ab S. 296.

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3.3.1 Formwechsel

erbarkeit nach § 1 Abs. 3 GrEStG diskutiert.1330 Die nachfolgende Dar­ stellung konzentriert sich auf diese Problemfälle, nimmt aber zugleich eine Systematisierung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Formwechsels vor. 3.3.1.1 Zivilrechtliche Vorbedingungen § 190 Abs. 1 UmwG fasst das gesellschaftsrechtliche Konzept des Form­ wechsels in einem Satz zusammen: „Ein Rechtsträger kann durch Form­ wechsel eine andere Rechtsform erhalten.“ Tragendes Prinzip dieser Umwandlungsform ist der Erhalt der Identität des betreffenden Rechtsträ­ gers, der eben nur ein neues „Rechtskleid“1331 erhält, ohne dass eine Ver­ mögensübertragung und/oder Liquidation erforderlich ist.1332 Sowohl die rechtliche als auch die wirtschaftliche Identität des Rechtsträgers blei­ ben unverändert.1333 Rechtliche Identität bedeutet den Fortbestand der im Rechtsverkehr auftretenden juristischen Einheit.1334 Wirtschaftliche Identität bedeutet die Kontinuität des hinter dem Rechtsträger stehen­ den Unternehmens, welche in erster Linie durch das Gleichbleiben des Vermögensbestands gewährleistet ist.1335 Darüber hinaus bleiben im Re­ gelfall auch die Anteilsinhaber und die Anteilsverhältnisse gleich,1336 wo­ von das UmwG jedoch Ausnahmen zulässt (insb. den sog. quotenver­ schiebenden Formwechsel1337). Wesensbestimmend für den Formwechsel 1330 Vgl. insb. R. Jüptner, UVR 2009, S. 62; J. Mack, UVR 2009, S. 254; S. Behrens/​ R. Schmitt, UVR 2008, S. 53; FG Münster v. 16. 2. 2006, 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, S. 1034. 1331 F. Drinhausen/A. Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 190 UmwG, Rz. 2. 1332 Vgl. W. Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalge­ sellschaft (1999), S. 34; R. Bärwaldt/T. Wiszniewski, in: Beck‘sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl. (2014), Rz. 60. 1333 Vgl. F. Drinhausen/A. Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 190 UmwG, Rz. 2; A. Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), § 190, Rz. 4; O. Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwR (162. Lfg. Mai 2016), § 190 UmwG, Rz. 23; W. Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (1999), S. 34. 1334 A. Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), § 190, Rz. 4. 1335 Vgl. F. Drinhausen/A. Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 190 UmwG, Rz. 2; A. Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), § 190, Rz. 4; O. Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwR (162. Lfg. Mai 2016), § 190 UmwG, Rz. 23. 1336 W. Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesell­ schaft (1999), S. 34 f.; F. Drinhausen/A. Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 190 UmwG, Rz. 2; O. Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwR (162. Lfg. Mai 2016), § 190 UmwG, Rz. 23. 1337 Dazu L. Usler, Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer 1998, S. 22 (53).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

sind also die Identität des Rechtsträgers, die Kontinuität seines Vermö­ gens und die Diskontinuität seiner Verfassung.1338 Eine Änderung der Rechtsform eines Grundstücksunternehmens ist auch außerhalb der in §§ 190 ff. UmwG geregelten Fälle denkbar.1339 Ins­ besondere ist der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Perso­ nengesellschaft anderer Rechtsform im UmwG nicht geregelt,1340 son­ dern richtet sich nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.1341 Zwischen den strukturgleichen (Außen-)Personengesellschaften OHG, KG und GbR kann es durch bestimmte Ereignisse auch zum „automati­ schen Formwechsel“ kommen (z.B. Übergang von der KG zur OHG durch Austritt des letzten Kommanditisten oder Übergang von der OHG zur GbR durch Wegfall der Kaufmannseigenschaft).1342 3.3.1.2 Grunderwerbsteuerliche Irrelevanz des Formwechsels auf Gesellschaftsebene Es besteht Einigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum, dass der Form­ wechsel einer Grundstücksgesellschaft, gleich welcher Rechtsform, auf Ebene dieser Gesellschaft keine grunderwerbsteuerlichen Folgen hat, da es hierbei zu keinem Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des Gesellschafts­ grundstücks kommt.1343 Anders als bei übertragenden Umwandlungen ist beim Formwechsel aufgrund der für ihn kennzeichnenden Rechtsträger­ identität und Vermögenskontinuität (s.o.) ein Übergang des Grundstücks­ eigentums im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht gegeben.1344 Der Formwechsel wird somit nicht als steuerbarer Grundstückserwerb durch 1338 K. Schmidt, ZIP 1995, S. 1385 (1387); dies auch für die Grunderwerbsteuer auf­ greifend BFH, Beschluss v. 4. 12. 1996, II B 116/96, BStBl. II 1997, S. 661 = juris, Rz. 9; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 541. 1339 Vgl. mit Beispielen F. Drinhausen/A. Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 190 UmwG, Rz. 14. 1340 Dies ergibt sich aus § 214 Abs. 1 UmwG. Siehe auch Übersicht bei A. Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), § 191, Rz. 15. 1341 Zur Behandlung im Einzelnen siehe umfassend L. Freund, Der Rechtsformwech­ sel zwischen Personengesellschaften (2005). 1342 Vgl. H.-M. Müller-Laube, in: Festschrift E. Wolf (1985), S. 501 (527 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1305 f. 1343 Vgl. BFH, Beschluss v. 4. 12. 1996, II B 116/96, BStBl. II 1997, S. 661; BFH, Be­ schluss v. 7. 9. 2007, II B 5/07, BFH/NV 2007, S. 2351; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 379; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, S. 9 ff.; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 23; J. Mack, UVR 2009, S. 254 (254 f.). 1344 Die Ungleichbehandlung formwechselnder und übertragender Umwandlungen hält der BFH für verfassungskonform, da mit dem Fehlen eines Rechtsträgerwech­ sels beim Formwechsel ein hinreichender sachlicher Differenzierungsgrund beste­

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3.3.1 Formwechsel

die formwechselnde Gesellschaft behandelt, unabhängig davon, zwi­ schen welchen Rechtsformen und ob er quotenwahrend oder quotenver­ schiebend erfolgt. 3.3.1.3 Grunderwerbsteuerliche Behandlung des Formwechsels auf Gesellschafterebene Auf Ebene der Gesellschafter ist die Rechtslage komplizierter. Zwar kann die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG ausgeschlossen werden, da der Formwechsel einen Altgesellschafter nicht zu einem Neugesellschaf­ ter macht. Nach dem Gesetzeswortlaut und unter Berücksichtigung der divergierenden Anteilsbegriffe bei Personen- und Kapitalgesellschaften kann jedoch eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sowie das erstmalige Innehaben einer wirtschaftlichen Beteili­ gung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG in Betracht kommen. Nachfolgend wird eine Unterscheidung abhängig von der Ausgangs- und Zielrechts­ form sowie zwischen quotenwahrendem und quotenverschiebendem Formwechsel vorgenommen. 3.3.1.3.1 Formwechsel einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft 3.3.1.3.1.1 Quotenwahrender Formwechsel Der Übergang zwischen den Personengesellschaftstypen GbR, OHG und KG wird auch als bloßer „Strukturwechsel“1345 bezeichnet. Da alle drei Gesellschaftsformen im Kern über die gleiche gesamthänderische Vermö­ gensordnung verfügen, erfolgt dieser Rechtsformwechsel unter Wahrung der vermögensrechtlichen Identität.1346 Erfolgt er quotenwahrend, ändert sich weder die Qualität noch der vermögensmäßige Wert der Beteiligung, so dass der Vorgang keine grunderwerbsteuerliche Relevanz hat.1347 3.3.1.3.1.2 Quotenverschiebender Formwechsel Kommt es im Rahmen der formwechselnden Maßnahme zu einer Ver­ schiebung der Beteiligungsquoten oder zu einem Ein- und Austritt von he. Vgl. BFH, Urteil v. 26. 1. 2000, II B 108/98, BFH/NV 2000, S. 1136 = juris, Rz. 20; BFH, Beschluss v. 7. 9. 2007, II B 5/07, BFH/NV 2007, S. 2351 = juris, Rz. 10. 1345 Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 69. 1346 Vgl. L. Freund, Der Rechtsformwechsel zwischen Personengesellschaften (2005), S. 68 ff. 1347 So auch P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 69; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 23.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Gesellschaftern, ist § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechend der von der herr­ schenden „Pro-Kopf-Betrachtung“ nicht anwendbar. Der Vorgang kann jedoch zum erstmaligen Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG führen. Beispiel 1: Am Kapital der AB-OHG sind A mit 94% und B mit 6% beteiligt. Es wird die Umwandlung in eine KG beschlossen, wobei Komplementärin die C-GmbH werden soll, an der A zu 100% beteiligt ist. Die C-GmbH übernimmt von A und B jeweils einen Kapitalanteil von 1%. Vorher:

Nachher:

A

B

A

B

100%

C-GmbH 94%

6%

G-OHG

93%

2%

5%

G-KG

Durch die Quotenverschiebung im Umfang von 1% erreicht A durchgerechnet eine wirtschaftliche Beteiligung von 95% an der AB-KG, was nach § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG steuerbar ist.

Allerdings kommt in derartigen Fällen eine Steuerbefreiung entspre­ chend § 6 Abs. 3 GrEStG in Betracht, wodurch sich die Steuerpflicht auf den Umfang reduziert, in dem tatsächlich eine Quotenverschiebung ein­ tritt. Eine unmittelbare Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG ist proble­ matisch, da die Regelung den Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand verlangt. Eine solche andere Gesamthand ist aus zivilrechtlicher Sicht aufgrund des identitätswahrenden Charakters des Formwechsels gerade nicht anzunehmen. Allerdings ist unter Berück­ sichtigung des Regelungszwecks, die Steuerpflicht auf den tatsächlichen Umfang der wirtschaftlich übertragenen Grundstücksbruchteile zu redu­ zieren,1348 eine erweiternde Auslegung geboten, die auch den Fall des Formwechsels miteinschließt. Im obigen Beispiel 1 kommt es somit nach hier vertretener Auffassung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nur im Umfang von 1% zum Anfall von Grunderwerb­ steuer.

1348 Siehe Abschnitt 3.1.2.2.2, S. 103.

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3.3.1 Formwechsel

3.3.1.3.2 Formwechsel einer Personengesellschaft in eine ­Kapitalgesellschaft Wird eine Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft formgewech­ selt, ist dies grunderwerbsteuerlich solange unproblematisch, als nach dem Formwechsel keiner der Gesellschafter eine Beteiligung am Gesell­ schaftskapital von 95% oder mehr hat. Die für § 1 Absätze 3 und 3a GrEStG relevante Zuordnungsschwelle wird in diesen Fällen nicht über­ schritten. Diskussionswürdig sind jedoch die nachfolgenden Fallgruppen: 3.3.1.3.2.1 Quotenwahrender Formwechsel bei Beteiligung oberhalb der 95%-Schwelle Ist ein Gesellschafter zu 95% oder mehr am Kapital einer Personengesell­ schaft beteiligt, ist ihm diese Beteiligung nicht gem. § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen, da die Rechtsprechung im Rahmen dieser Vorschrift eine „Pro-Kopf-Betrachtung“ vornimmt, die nicht auf die Kapitalbeteiligung, sondern auf die gesamthänderische Mitberechtigung nach Köpfen ab­ stellt.1349 Demgegenüber sind bei einer 95%-Beteiligung an einer Kapital­ gesellschaft die Zurechnungsvoraussetzungen erfüllt. Wird die Personen­ gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, stellt sich die Frage, ob die infolge des Formwechsels eintretende Änderung der An­ teilsqualität zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG führt. Beispiel 2: Die G-OHG, an der A zu 95% und B zu 5% beteiligt sind, wird quoten­ wahrend in eine GmbH formgewechselt. Die OHG-Anteile sind dem A nach h.M. nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen, die im Rahmen des Form­ wechsels an ihre Stelle tretenden Anteile an der G-GmbH hingegen schon. Vorher:

Nachher:

A

B

95%

5%

G-OHG

A

B

95%

5%

G-GmbH

1349 Siehe Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193.

251

DISS-MOERWALD – D/109

3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verlangt seinem Wortlaut nach, anders als § 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 GrEStG, keinen Übertragungsvorgang bzw. kein auf diesen gerichtetes Rechtsgeschäft, sondern lediglich die „Vereinigung […] von mindestens 95% der Anteile der Gesellschaft“. Der Wortlaut schließt also nicht aus, dass ein derartiger steuerbarer Vorgang auch durch bloßen Formwechsel der Grundstücksgesellschaft verwirklicht werden könnte. Hiervon geht Jüptner aus, der darauf hinweist, dass der Gedanke der Rechtsträgeridentität die Gesellschaftsebene betrifft und nicht zwingend auf die Gesellschafterebene durchschlägt.1350 Die h.M. lehnt die Steuerbarkeit hingegen mangels Rechtsträgerwechsels ab.1351 Zur Begründung wird auf ältere Rechtsprechung des BFH verwiesen, wo­ nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG die Verwirklichung eines „Rechtsgeschäfts“ verlangt,1352 an der es hier im Hinblick auf die Gesellschaftsanteile je­ doch fehle.1353 Zudem wird eine „systematische Auslegung“ dahinge­ hend vorgeschlagen, dass die Anforderung eines auf Übertragung gerich­ teten Rechtsgeschäfts bzw. einer tatsächlichen Bewegung von Anteilen in den anderen Teiltatbeständen § 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 GrEStG auch auf § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG zu übertragen sei.1354 Der h.M. ist zumindest im Ergebnis zuzustimmen. Die „Vereinigung“ von Anteilen im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG setzt bereits dem Wortlaut nach voraus, dass in einer Hand Gesellschaftsrechte zusam­ mengeführt werden, die sich dort zuvor nicht oder nur in Teilen befun­ den haben und die (in Abgrenzung zu § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) zuvor auch in keiner anderen Hand vereinigt waren. Tatsächlich gibt beim Form­ wechsel aber weder ein Gesellschafter Anteile ab, noch erhält ein Gesell­ schafter Anteile hinzu. Auch die Vermögensposition des 95%-Gesell­ schafters verbessert sich durch den Formwechsel nicht; er kommt dem ihm zugerechneten Gesellschaftsgrundstück durch den Wechsel der Ge­ sellschaftsform nicht näher.1355 Zudem würde bei einer Besteuerung des 1350 R. Jüptner, UVR 2009, S. 62 (64). 1351 S. Behrens/R. Schmitt, UVR 2008, S. 53 (56); S. Gottwald/S. Behrens, Grunder­ werbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 359; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 172; C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 1005; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 327. 1352 Siehe BFH, Urteil v. 10. 8. 1988, II R 193/85, BStBl. II 1988, S. 959 zum Fall der Einziehung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. 1353 Vgl. J. Mack, UVR 2009, S. 254 (256). 1354 Vgl. S. Behrens/R. Schmitt, UVR 2008, S. 53 (56). 1355 In der Literatur wird im Gegenteil sogar vertreten, dass die Beteiligung an ei­ ner Grundstückspersonengesellschaft eine größere „Sachnähe“ vermittle als die Beteiligung an einer Grundstückskapitalgesellschaft, siehe G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 10. Aufl. (2014), § 1, Rz. 111.

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3.3.1 Formwechsel

Vorgangs der Regelungszweck des § 1 Abs. 3 GrEStG, der nach Auffas­ sung des Autors1356 wie auch des BVerfG1357 in der Besteuerung wirtschaftlicher Grundstücksübertragungen besteht, verfehlt. Im neuen Regelungsgefüge nach Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2013 ergibt sich die Nichtsteuerbarkeit noch deutlicher als in der oben skizzierten Lösung: Nach hier vertretener Auffassung bewirkt auch das Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG eine grunderwerbsteuerliche Zurechnung, die die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG ausschließt.1358 Da vor dem Formwechsel bereits eine fiktive Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG besteht, ist das Gesellschaftsgrundstück dem 95%-Gesellschafter bereits in der Ausgangssituation zuzurechnen, so dass es durch den Formwech­ sel nicht mehr zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung kommen kann. Im obigen Beispiel 2 kommt es somit nach hier vertretener Auffassung bereits deshalb zu keiner Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG, weil dem A bereits vor dem Formwechsel die Anteile an der G-OHG grunderwerbsteuerlich gem. § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG zuzurechnen waren. Aus dem gleichen Grund scheidet auch die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG aus: Bereits vor dem Formwechsel besteht eine wirtschaftliche Beteiligung von 95% im Sinne der Vorschrift, so dass der Formwechsel nicht zum erstmaligen In­ nehaben einer solchen Beteiligung führt.1359

3.3.1.3.2.2 Quotenwahrender Formwechsel mit Ausscheiden eines 0%-Gesellschafters Im durchaus praxisrelevanten Sonderfall, dass die formzuwechselnde Grundstückspersonengesellschaft einen Gesellschafter ohne Kapitalbe­ teiligung hat, führt der quotenwahrende Formwechsel in eine Kapitalge­ sellschaft zu einer Änderung des Gesellschafterbestands. Da die Mit­ gliedschaft in einer Kapitalgesellschaft zwingend mit einer Beteiligung

1356 Siehe Abschnitt 3.2.3.1, ab S. 187. 1357 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 10. 6. 1963, 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203; BVerfG, Beschluss v. 16. 5. 1969, 1 BvR 600/66, HFR 1969, S. 398. 1358 Siehe Abschnitt 3.2.5.3, S. 241. Gl.A. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 450; S. Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1408); C. Joisten/B. Liekenbrock, Ubg 2013, S. 469 (478); A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (346); T. Wagner/B. Lieber, DB 2013, S. 1387 (1389); J. Wagner/S. Mayer, BB 2014, S. 279 (286). A.A. C. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 1, Rz. 1247; J. Schanko, UVR 2014, S. 44 (47). 1359 Gl.A. S.  Behrens, DStR 2013, S. 2726 (2730); S.  Glutsch/S.  Meining, GmbHR 2013, S. 743 (745).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

an der Aufbringung des Grund- oder Stammkapitals verbunden ist,1360 kommt eine 0%-Beteiligung dort nicht in Betracht. Der 0%-Gesellschaf­ ter muss im Rahmen eines Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft somit entweder – quotenverschiebend – einen bestimmten Nennbetrag am Gesellschaftskapital übernehmen, oder er scheidet aus der Gesellschaft aus. Über letztgenannten Fall hat das FG Münster in einem rechtskräftigen Urteil aus dem Jahr 2006 entschieden, dass beim verbleibenden Gesellschafter eine steuerbare Anteilsvereini­ gung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfolgt sei: Durch das Ausscheiden der 0%-Komplementärin habe sich der „Verbund der Gesamthandsgemein­ schaft nicht gemeinsam als Rechtsträger fortgesetzt“, so dass ein „tat­ sächlicher Rechtsträgerwechsel“ vorliege.1361 Beispiel 3:1362 Am Kapital der G-KG ist A zu 100% beteiligt. Komplementärin ist die C-GmbH, deren Geschäftsanteile zu je 50% von A und von B gehalten werden. Die G-KG wird quotenwahrend in eine GmbH formgewechselt, was dazu führt, dass die C-GmbH als Gesellschafterin ausscheidet. Vorher:

Nachher: B

A 50%

100%

50%

50%

C-GmbH

B

A

100%

50%

C-GmbH

0%

G-KG

G-GmbH

Das FG Münster bejahte eine Anteilsvereinigung bei A, da infolge des Ausschei­ dens der C-GmbH ein tatsächlicher Rechtsträgerwechsel erfolgt sei.1363 Die Vor­ gänge hätten dazu geführt, dass „nicht nur die Gesellschaftsform, sondern auch die Gesellschafter wechselten.“1364

1360 Vgl. z.B. C. Schwandtner, in: MüKo GmbHG (2015), § 5, Rz. 39. 1361 FG Münster v. 16. 2. 2006, 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, S. 1034, Rz. 29. 1362 Nach dem Urteilsfall von FG Münster v. 16. 2. 2006, 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, S. 1034. 1363 FG Münster v. 16. 2. 2006, 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, S. 1034, Rz. 29 1364 FG Münster v. 16. 2. 2006, 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, S. 1034, Rz. 30.

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3.3.1 Formwechsel

Bei Zugrundelegung der – insgesamt nicht überzeugenden1365 – sog. „Pro-Kopf-Betrachtung“ erscheinen die Folgerungen des FG Münster zu­ nächst konsequent: Der nach Köpfen bemessene Gesellschafterkreis ver­ ringert sich von zwei auf eine Person, in deren Hand alle Anteile verei­ nigt werden. In der Literatur wird jedoch überwiegend von einer Nichtsteuerbarkeit des Vorgangs ausgegangen,1366 wodurch gleichzeitig auch die dogmatischen Schwächen der Pro-Kopf-Betrachtung offenbar werden: Die dort angeführten Argumente, das Ausscheiden eines 0%-Ge­ sellschafters verändere nicht die Identität des Rechtsträgers1367 bzw. die Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verlange zu­ mindest, dass „Vermögensrechte eines Gesellschafters wertmäßig ver­ mehrt werden“1368, legen zumindest implizit das Verständnis zu Grunde, dass der Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG auch bei Personengesell­ schaften nicht ohne eine wertmäßige Betrachtung auskommt. Jüptner1369 hält die dargestellte Fallgestaltung ebenso wie das FG Müns­ ter für steuerbar, begründet dies jedoch mit der gesellschaftsrechtlichen Abfolge der Vorgänge: Da das UmwG beim Formwechsel der Personen­ gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft kein Ausscheiden eines Ge­ sellschafters „im Rahmen“ dieser Maßnahme vorsehe1370 und bei der zweigliedrigen Personengesellschaft ein vorgelagertes Ausscheiden zu deren Beendigung führen würde, könne das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters nur nachgelagert, d.h. „eine logische Sekunde“ nach dem Entstehen der Kapitalgesellschaft infolge der Eintragung des Formwech­ sels erfolgen.1371 Ob dies zu einer steuerbaren Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führt, erscheint dennoch zweifelhaft: Denn in demselben Au­ genblick, in dem die Gesellschaft zur Kapitalgesellschaft wird, ändert sich auch die Qualität der Anteile und damit das Beurteilungsregime für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung. Ab diesem Augenblick ist dem 1365 Siehe Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193. 1366 S. Behrens/R. Schmitt, UVR 2008, S. 53; S. Gottwald/S. Behrens, Grunderwerb­ steuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 359; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 11; a.A. R. Jüptner, UVR 2009, S. 62; L. Keul, Die Norminterde­ pendenzen des Grunderwerbsteuergesetzes bei Umstrukturierungen internatio­ naler Konzerne (2019), S. 327. 1367 So G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 11. 1368 So S. Behrens/R. Schmitt, UVR 2008, S. 53 (56); S. Gottwald/S. Behrens, Grund­ erwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 359. 1369 R. Jüptner, UVR 2009, S. 62. 1370 Dies ist gesetzlich nur für den Formwechsel einer KGaA geregelt (§ 233 Abs. 3 S. 3, § 236 UmwG). 1371 Vgl. R. Jüptner, UVR 2009, S. 62 (63 f.).

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DISS-MOERWALD – D/109

3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

100%-Gesellschafter die Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen. Wenn eine logische Sekunde später der 0%-Gesellschafter austritt, kann dies somit nicht mehr zu einer erst­ maligen Anteilsvereinigung führen. In der seit 2013 geltenden Rechtslage ist nach hier vertretener Auffas­ sung zudem bereits der kapitalmäßige 100%-Personengesellschaftsanteil dem Gesellschafter nach § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG zuzurechnen, was eine Anteilsvereinigung durch den Formwechsel im obigen Beispiel 3 von vornherein ausschließt.1372 Unbestritten nichtsteuerbar sind die Fälle, in denen die 0%-Beteiligung der Komplementär-GmbH dem 100%-Kommanditisten bereits vor dem Formwechsel nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen war. Denn in diesem Fall sind die Anteile an der Grundstücksgesellschaft bereits vor dem Formwechsel teils unmittelbar und teils mittelbar beim 100%-Gesell­ schafter vereinigt.1373 Beispiel 4: Wie Beispiel 3, nur werden sämtliche Anteile an der 0%-Komplemen­ tärin von A gehalten. Vorher:

Nachher: A

A 100%

B-GmbH 100%

0%

G-KG

100%

100%

B-GmbH

G-GmbH

Da die Beteiligung des A an der B-GmbH die für eine Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG maßgebliche 95%-Schwelle übersteigt, liegt bereits vor dem Formwech­

1372 Siehe hierzu die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt, ab S. 229 sowie allgemein zur Zurechnung nach § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 GrEStG Abschnitt 3.2.5.3, ab S. 241. 1373 Vgl. BFH, Urteil v. 20. 10. 1993, II R 116/90, BStBl. II 1994, S. 121; BFH, Urteil v. 12. 1. 1994, II R 130/91, BStBl. II 1994, S. 408; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381; S. Behrens/R. Schmitt, UVR 2008, S. 53 (54).

256

DISS-MOERWALD – D/109

3.3.1 Formwechsel sel eine teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung bei A vor.1374 Der Formwechsel kann also nicht mehr zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung füh­ ren.

3.3.1.3.2.3 Quotenverschiebender Formwechsel mit Überschreitung der 95%-Schwelle Wird eine Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft dahingehend quotenverschiebend formgewechselt, dass ein Gesellschafter infolge des Formwechsels erstmals eine Beteiligung von mindestens 95% am Ge­ sellschaftskapital hat, ist dies nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar und nicht anders zu beurteilen als ein anderweitiger Hinzuerwerb von Antei­ len.1375 Beispiel 5: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G-OHG sind A zu 94% und B zu 6% beteiligt. Nach dem quotenverschiebenden Formwechsel hält A 96% und B 4% der Anteile. Infolge der Quotenverschiebung sind erstmals 95% der Anteile an der Gesellschaft in der Hand von A vereinigt. Vorher:

Nachher:

A

B

94%

6%

G-OHG

A

B

96%

4%

G-GmbH

Obwohl ein Anteilsübergang nur im Umfang der Quotenverschiebung anzunehmen ist,1376 kommt eine anteilige Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG nicht in Betracht, da sich die Gesamthandsbeteiligung infolge des Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft nicht fortsetzt.1377 Insoweit offenbart sich erneut die bereits festgestellte verfassungswidri­

1374 BFH, Urteil v. 20. 10. 1993, II R 116/90, BStBl. II 1994, S. 121; BFH, Urteil v. 12. 1. 1994, II R 130/91, BStBl. II 1994, S. 408; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381. 1375 Gl.A. S. Behrens/R. Schmitt, UVR 2008, S. 53 (56 f.); R. Jüptner, UVR 2009, S. 62 (64). 1376 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 1, Rz. 24. 1377 Vgl. BFH, Urteil v. 18. 12. 2002, II R 13/01, BStBl. II 2003, S. 358.

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DISS-MOERWALD – D/109

3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

ge Ungleichbehandlung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte im Rahmen der §§ 5, 6 GrEStG.1378 3.3.1.3.2.4 Quotenverschiebender Formwechsel oberhalb der 95%-Schwelle Grunderwerbsteuerlich irrelevant ist hingegen ein quotenverschiebender Formwechsel, nach dem sich eine Beteiligung von 95% am Vermögen einer Personengesellschaft mit einer noch höheren Beteiligungsquote an der entstehenden Kapitalgesellschaft fortsetzt. Beispiel 6: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G-OHG sind A zu 96% und B zu 4% beteiligt. Nach dem quotenverschiebenden Formwechsel hält A 98% und B 2% der Anteile. Vorher:

Nachher:

A

B

96%

4%

G-OHG

A

B

98%

2%

G-GmbH

Zwar kommt es hierbei zu einer Verschiebung von Vermögensrech­ ten. Allerdings ist bei gedanklicher Aufteilung in die beiden separaten Rechtvorgänge „Formwechsel“ und „Teilanteilsübertragung“ festzustel­ len, dass keiner der Vorgänge für sich genommen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt. Die Erhöhung der Beteiligungsquote oberhalb der 95%-Schwelle ist weder bei einem Personengesellschafts- noch bei einem Kapitalgesellschaftsanteil grunderwerbsteuerlich relevant. Die Steuerbarkeit müsste also aus dem Formwechsel resultieren, was jedoch ebenfalls abzulehnen ist: Insoweit gilt das zum quotenwahrenden Form­ wechsel oberhalb der 95%-Schwelle Gesagte.1379

1378 Dazu Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107. 1379 Siehe Abschnitt 3.3.1.3.2.1, ab S. 251.

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3.3.1 Formwechsel

3.3.1.3.3 Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personen­ gesellschaft 3.3.1.3.3.1 Quotenwahrender Formwechsel Wird eine Kapitalgesellschaft quotenwahrend in eine Personengesell­ schaft formgewechselt, ergibt sich auf Gesellschafterebene keine ver­ gleichbare Problematik wie in der umgekehrten Konstellation (s.o.). Denn bei einer Grundstückspersonengesellschaft ist die Vereinigung von 95% der Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG nach h.M. nicht mög­ lich.1380 Auch die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG scheidet aus, da ein zu 95% oder mehr beteiligter Gesellschafter bereits an der ursprüng­ lichen Kapitalgesellschaft eine wirtschaftliche Beteiligung im Sinne die­ ser Vorschrift innehat, die sich an der identitätswahrend formgewechsel­ ten Gesellschaft lediglich fortsetzt. 3.3.1.3.3.2 Quotenverschiebender Formwechsel Wird eine Kapitalgesellschaft quotenverschiebend in eine Personenge­ sellschaft formgewechselt, ist dies dann grunderwerbsteuerlich relevant, wenn ein Gesellschafter hierbei die 95%-Schwelle überschreitet. Es liegt dann zwar kein Fall des § 1 Abs. 3 GrEStG vor, jedoch hat der Gesell­ schafter infolge der Quotenverschiebung erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG inne. 3.3.1.4 Auswirkung des Formwechsels auf die Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG Neben einer möglichen Steuerbarkeit auf Gesellschafterebene kann ein Formwechsel auch die Verletzung einer Nachfrist im Rahmen der Steu­ erbefreiungen im Sinne der §§ 5, 6 GrEStG zur Folge haben. 3.3.1.4.1 Formwechsel der erwerbenden Gesamthand Wird ein Grundstück steuerbegünstigt nach § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 3 GrEStG in eine Personengesellschaft eingebracht und diese Personenge­ sellschaft anschließend innerhalb von fünf Jahren in eine Kapitalgesell­ schaft formgewechselt, führt dies zur Verletzung der Sperrfristen nach § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und somit zur rückwirkenden Besteuerung der ursprünglichen Einbringung.1381 1380 Siehe Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193. 1381 Vgl. BFH, Urteil v. 18. 12. 2002, II R 13/01, BStBl. II 2003, S. 358; BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 2/12, BStBl. II 2014, S. 329; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG,

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Beispiel 7:1382 A und B sind in Erbengemeinschaft Eigentümer eines Grundstücks. Im Jahr 1 bringen sie dieses in die G-OHG ein, an deren Kapital beide zu je 50% beteiligt sind. Im Jahr 4 wird die G-OHG in eine GmbH umgewandelt. Vorher:

Nachher:

A

B

A

B

50%

50%

50%

50%

Einbringung (Jahr 1)

G-OHG

A

B 50%

50%

G-GmbH

Formwechsel (Jahr 4)

Im Jahr 1 liegt ein steuerbarer Erwerb gem. § 1 Abs. 1 GrEStG durch die G-OHG vor. Die Grunderwerbsteuer bleibt jedoch gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerho­ ben, da das Grundstück von einer Gesamthand auf eine andere übergegangen ist. Im Jahr 4 führt der Formwechsel der G-OHG in eine GmbH dazu, dass A und B keinen „Anteil […] am Vermögen der erwerbenden Gesamthand“ mehr halten, so dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Grundstückseinbringung in Jahr 1 gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wegfallen.

Da §§ 5 und 6 GrEStG ihrem expliziten Wortlaut nach nur den Übergang auf eine „Gesamthand“ privilegieren, führt ein Formwechsel innerhalb der fünfjährigen Nachbehaltensfrist zur Versagung der Steuerbefrei­ ung.1383 3.3.1.4.2 Formwechsel einer zwischengeschalteten Gesellschaft Nach einer neueren Entscheidung des BFH sowie einigen Stimmen in der Literatur soll es auch dann zu einer Behaltensfristverletzung kommen, wenn in Fällen des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht die erwerbende, sondern eine zwischengeschaltete Gesamthand formgewechselt wird.1384

11. Aufl. (2017), § 5, Rz. 28; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 5, Rz. 107; H.- U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 100. 1382 In Anlehnung an den Urteilsfall bei BFH, Urteil v. 18. 12. 2002, II R 13/01, ­BStBl. II 2003, S. 358. 1383 Die Beschränkung der Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 GrEStG auf Gesamt­ handsstrukturen ist jedoch gleichheitsrechtswidrig; siehe Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107. 1384 Vgl. BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 6, Rz. 91; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 5, Rz. 94 ff.

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3.3.1 Formwechsel Beispiel 8:1385 A und B sind zu je 50% am Kommanditkapital der G-KG beteiligt.* Im Jahr 1 bringen sie ihre Kommanditanteile an der G-KG in die AB-KG ein (Über­ gang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Im Jahr 4 wird die AB-KG in eine GmbH formgewechselt. Die Übertragung der Kommanditanteile im Jahr 1 ist nach dem Urteil des BFH gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, weil die AB-KG als „neue Ge­ sellschafterin“ angesehen wird.1386 Die Steuer bleibt jedoch zunächst gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben, weil ein fiktiver Grundstücksübergang von der alten auf die gem. § 1 Abs. 2a GrEStG „fiktiv neue“ G-KG vorliegt.1387 Vorher:

Nachher:

A

B

A

B

50%

50%

50%

50%

AB-KG

G-KG

Einbringung (Jahr 1)

100%*

G-KG

A

B 50%

50%

AB-GmbH Formwechsel (Jahr 4)

50%*

G-KG

* Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt

Der Formwechsel der AB-KG in Jahr 4 führt nach der Rechtsprechung dazu, dass der für § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG relevante Anteil am Vermögen der erwerbenden Gesamthand wegfällt: Es gehe die „die Gesamthand kennzeichnende unmittelba­ re dingliche Mitberechtigung der Gesamthand am Gesellschaftsvermögen“ verlo­ ren.1388 Die mittelbare Teilhabe von A und B über eine Kapitalgesellschaft reiche nicht aus.1389

Mit der Annahme einer Behaltensfristverletzung berücksichtigt der BFH den Wegfall einer mehrstufigen Gesamthandsbeteiligung infolge des Formwechsels. Dieses Ergebnis ist nach der traditionellen Gesamthands­ 1385 In Anlehnung an den Urteilsfall bei BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, B ­ StBl. II 2013, S. 268. 1386 Diese Sichtweise ist, wie in Abschnitt 3.2.2.4.2, ab S. 174 bereits dargestellt wur­ de, abzulehnen, da eine bloß zwischengeschaltete und nach der Wertung des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG transparent zu behandelnde Gesamthand nicht als neuer Gesellschafter angesehen werden kann. 1387 BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268 = juris, Rz. 17. 1388 BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268 = juris, Rz. 27. 1389 BFH, Urteil v. 25. 9. 2013, II R 17/12, BStBl. II 2013, S. 268 = juris, Rz. 28.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

lehre folgerichtig, weist im Lichte der neuen Gesamthandstheorie jedoch Unstimmigkeiten auf. Danach geht durch den Formwechsel gerade keine „unmittelbare dingliche Mitberechtigung“ der Gesellschafter der Ober­ gesellschaft (hier: A und B) am Vermögen der Grundstückgesellschaft (hier: G-KG) verloren, da eine solche auch vor dem Formwechsel nicht bestanden hat: Nach der neuen Gesamthandslehre ist die Personenge­ sellschaft selbst – und nicht ihre Gesellschafter – Trägerin ihres Gesell­ schaftsvermögens;1390 darüber hinaus kann eine Personengesellschaft ­Gesellschafterin einer anderen Personengesellschaft sein.1391 Bei mehr­ stufigen Personengesellschaftsbeteiligungen ist – wie der große Senat des BFH 1991 entschieden hat – nur die Obergesellschaft Gesellschafte­ rin der Untergesellschaft, nicht aber die Gesellschafter der Obergesell­ schaft.1392 Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist deshalb im obigen Beispiel bereits im Jahr 1 nicht durch eine unmittelbare ge­ samthänderische Mitberechtigung, sondern nur durch die wertmäßige mittelbare Beteiligung von A und B am Grundvermögen der G-KG fun­ dierbar. Diese Beteiligung wird auch nach dem Formwechsel fortgeführt, denn dieser gewährleistet nicht nur die Identität des Rechtsträgers, son­ dern gem. § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG auch die Kontinuität der Beteiligung an diesem.1393 Bezieht man die Erkenntnisse der neuen Gesamthandsleh­ re in die Dogmatik des § 6 GrEStG mit ein, sprechen somit die besseren Argumente dafür, dass der Formwechsel einer zwischengeschalteten Ge­ sellschaft nicht zum Wegfall des „Anteils am Vermögen“ im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG führt.

3.3.2 Übertragende Umwandlung 3.3.2.1 Steuerbarkeit übertragender Umwandlungen Geht das Eigentum an einem Grundstück einer Grundstückspersonenge­ sellschaft infolge einer übertragenden Umwandlung (Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung, Ausgliederung) auf einen anderen Rechtsträger über, ist dieser Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar.1394 Ist die 1390 Siehe mit Nachweisen Abschnitt 2.2.1.2.2.2, S. 79. 1391 Dies ist inzwischen auch für die GbR anerkannt, vgl. BGH, Beschluss v. 16. 7. 2001, II ZB 23/00, BGHZ 1998, S. 291 = NJW 2001, 3121. 1392 Vgl. BFH, Beschluss v. 25. 2. 1991, GrS 7/89, BStBl. II 1991, S. 691 = juris, Rz. 85. 1393 Siehe Abschnitt 3.3.1.1, ab S. 247. 1394 § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GrEStG sind hier nicht einschlägig, da weder eine Auflas­ sung i.S.d. Nr. 2 vorliegt, noch der Umwandlungsvertrag als ein auf die Übertra­ gung des Eigentums gerichtetes Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 1 anzusehen ist. Da der Eigentumsübergang bei übertragenden Umwandlungen kraft Gesetzes erfolgt, kommt es nicht zur Auflassung, sondern lediglich zu einer Grundbuchberich­

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3.3.2  Übertragende Umwandlung

Grundstückspersonengesellschaft hingegen aufnehmender Rechtsträger im Rahmen einer solchen Umwandlung, wird ihr Grundbesitz nicht ­bewegt und keine Grunderwerbsteuer ausgelöst. Wird nicht die Grund­ stücksgesellschaft, sondern eine zwischengeschaltete Personengesell­ schaft umgewandelt, ist zu prüfen, ob ein nach den Ergänzungstat­ beständen § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG steuerbarer Vorgang vorliegt. Die Steuerbefreiungsvorschriften §§ 5, 6 GrEStG einerseits und § 6a GrEStG andererseits sind bei Umwandlungen von Personengesellschaf­ ten parallel und unabhängig voneinander anwendbar.1395 Während für §§ 5, 6 GrEStG auf die bereits getätigten Ausführungen verwiesen wer­ den kann,1396 werden nachfolgend die – in dieser Arbeit bislang nicht dis­ kutierten – Besonderheiten der Anwendung von § 6a GrEStG auf Perso­ nengesellschaften behandelt. 3.3.2.2 Die Personengesellschaft im Rahmen des § 6a GrEStG 3.3.2.2.1 Selektive Vergünstigung oder systemgerechte Steuerbefreiung? Da die Grunderwerbsteuertatbestände keine Differenzierung danach vor­ nehmen, ob hinter einem Rechtsträgerwechsel eine Markttransaktion oder nur ein konzerninterner Reorganisationsakt steht, ziehen Umstruk­ turierungen häufig sehr belastende Grunderwerbsteuerfolgen nach sich. Dem begegnete der Gesetzgeber 2009 mit Einführung der als „Konzern­ klausel“ bezeichneten Regelung des § 6a GrEStG, die bestimmte Maß­ nahmen innerhalb eines Konzernverbunds von der Grunderwerbsteuer freistellt. Die Vorschrift wird jedoch nicht durch Sachgerechtigkeitserwägun­ gen begründet,1397 sondern wurde vom Gesetzgeber als „Verschonungs­ regelung“1398 mit dezidiertem „Lenkungscharakter“1399 konzipiert, um das Wirtschaftswachstum zu fördern.1400 Eine Wertung dergestalt, dass tigung. Vgl. P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 1, Rz. 339, 508; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 47. 1395 Vgl. Gleichlautender Erlass betr. § 6a GrEStG v. 19. 6. 2012, BStBl. I 2012, S. 662, Tz. 7; S.  Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationa­ len Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.186. 1396 Siehe Abschnitt 3.1.2, ab S. 99. 1397 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 51. 1398 A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 4. 1399 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 9; G. Hofmann/​ R.  Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 6a, Rz. 3; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 51. 1400 Siehe Bericht des Finanzausschusses zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 3. 12. 2009, BT-Drs. 14/147, S. 10: „Um schnell und effektiv Wachstums­

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

Grundstücksübertragungen innerhalb eines Konzerns nicht besteue­ rungswürdig seien, soll § 6a GrEStG nach in der Literatur vertretener Auffassung nicht zu Grunde liegen.1401 Zudem werden aufgrund der rest­ riktiven Anwendungsvoraussetzungen bei weitem nicht alle konzernin­ ternen Übertragungsvorgänge entlastet. Der BFH hatte es daher für mög­ lich gehalten, dass es sich bei § 6a GrEStG um eine selektive Maßnahme im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln könnte.1402 Der EuGH hat die ihm zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegte Frage der EU-Beihilfeeigenschaft am Ende verneint.1403 Bei einer konse­ quenteren Integration des § 6a GrEStG in das System des Grunderwerb­ steuerrechts wären die entstandenen beihilfrechtlichen Zweifel jedoch vermeidbar gewesen und den Steuerpflichtigen die aus dem obigen Ver­ fahren resultierende jahrelange Unsicherheit erspart geblieben. 3.3.2.2.2 Die Personengesellschaft als herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft § 6a GrEStG befreit bestimmte Umwandlungen, Einbringungen oder an­ dere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage von der Grunderwerbsteuer, wenn daran „ausschließlich ein herrschendes Un­ ternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unterneh­ men abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind.“1404 Der Begriff „herrschendes Unternehmen“ ist gesetzlich nicht definiert und war lange umstritten, da die Finanzverwaltung und ein nicht uner­ heblicher Teil der Literatur bisher voraussetzten, dass es sich hierbei um einen Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG handeln müsse,1405 was von Wortlaut, Systematik und Regelungszweck des § 6a GrEStG jedoch nicht gedeckt ist.1406 Inzwischen hat der BFH bestätigt, dass herrschendes hemmnisse zu beseitigen, sollen die Bedingungen für Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher ausge­ staltet werden.“ 1401 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 4; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 9. 1402 BFH, Beschluss v. 30. 5. 2017, II R 62/14, DStR 2017, S. 1324. 1403 EuGH, Urteil vom 19. 12. 2018, C-374/17 („A-Brauerei“), ABlEU 2019/C 65/8 = ECLI:EU:C:2018:1024. 1404 § 6a S. 3 GrEStG. 1405 Gleichlautender Erlass betr. § 6a GrEStG v. 19. 6. 2012, BStBl. I 2012, S. 662, Tz. 2.2; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 6a, Rz. 11; A. ­Pahlke, 5. Aufl. (2014), § 6a, Rz. 43. So zunächst auch H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. (2011), § 6a, Rz. 57, der seine Ansicht jedoch in der Folgeauflage (18. Aufl. 2016, Rz. 84) änderte. 1406 Vgl. M. Rogall/F. Mörwald, Ubg 2015, S. 347 (348 ff.).

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3.3.2  Übertragende Umwandlung

Unternehmen „jede natürliche oder juristische Person, Personengesell­ schaft oder Personenvereinigung“ sein könne, die „wirtschaftlich tätig“ ist.1407 Dabei reiche es auch aus, wenn die Teilnahme am Markt über die Beteiligung an einem wirtschaftlich tätigen Unternehmen erfolgt.1408 Personengesellschaften können demnach unabhängig davon, ob sie Trä­ ger eines umsatzsteuerlichen Unternehmens im Sinne des § 2 UStG sind, herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG sein, sofern ihnen irgendeine wirtschaftliche Tätigkeit zugerechnet werden kann. Nach diesem Maßstab kann beispielsweise auch eine rein vermögensver­ waltende Personengesellschaft, deren Tätigkeit sich im Halten von Be­ teiligungen an (wirtschaftlich tätigen) Grundstücksgesellschaften er­ schöpft, herrschendes Unternehmen sein. Ob auch eine Personengesellschaft „abhängige Gesellschaft“ im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG sein kann, ist aufgrund des Wortlauts der ersten Gesetzesfassung1409 („an deren Kapital […] beteiligt“) zunächst in Frage gestellt worden, war aufgrund des systematischen und gesellschafts­ rechtlichen Kontexts jedoch bereits damals zu bejahen.1410 Durch eine klarstellende Gesetzänderung, dass es auf eine Beteiligung „am Kapital oder Gesellschaftsvermögen“ ankommt,1411 wurden auch letzte Zweifel beseitigt. Die Zweifelsfragen, die im Hinblick auf die Einordnung der Personengesellschaft als abhängiges Unternehmen im Rahmen der um­ satzsteuerlichen und der grunderwerbsteuerlichen Organschaft beste­ hen,1412 stellen sich bei § 6a GrEStG nicht, denn die Abhängigkeitsdefini­ tion des § 6a Satz 4 GrEStG ist – trotz gewisser begrifflicher Parallelen – ein von diesen Organschaftsregelungen unabhängiger Regelungskreis und als solcher auch eigenständig zu interpretieren.1413 3.3.2.2.3 Anteilsbegriff des § 6a Satz 4 GrEStG und Bestimmung der Beteiligungsquote Mit dem Begriff der „Beteiligung am Kapital oder Gesellschaftsvermö­ gen“ in § 6a Satz 4 GrEStG hat der Gesetzgeber das Kunststück voll­ bracht, nach dem „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG, dem „Anteil der Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG, der „wirtschaftlichen Beteiligung“ im Sinne des § 1 Abs. 3a 1407 BFH, Beschluss v. 30. 5. 2017, II R 62/14, DStR 2017, S. 1324 = juris, Rz. 29.  1408 Vgl. BFH, Beschluss v. 30. 5. 2017, II R 62/14, DStR 2017, S. 1324 = juris, Rz. 29. 1409 BStBl. I 2009, S. 3950. 1410 Überzeugend J. Hageböke, DB 2010, S. 2193 (2193 ff.). 1411 BStBl. I 2011, S. 1126. 1412 Siehe hierzu Abschnitt 3.2.3.4.3, S. 212. 1413 Vgl. M. Rogall/F. Mörwald, Ubg 2015, S. 347 (351 ff.).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

GrEStG und dem „Anteil am Vermögen der Gesamthand“ im Sinne von §§ 5, 6 GrEStG einen weiteren, eigenständig formulierten Anteilsbegriff hinzuzufügen, der aufs Neue interpretationsbedürftig ist. Als gesichert kann angesehen werden, dass die „Beteiligung am Gesell­ schaftsvermögen“ wertmäßig zu verstehen ist.1414 Denn mit der Ergän­ zung „am Gesellschaftsvermögen“ wollte der Gesetzgeber erkennbar auch abhängige Personengesellschaften in den Anwendungsbereich der Regelung miteinbeziehen.1415 Wäre der Begriff sachenrechtlich im Sinne der gesamthänderischen Mitberechtigung zu verstehen, würde das eine 95%-Beteiligung in der Hand des herrschenden Unternehmens verhin­ dern und für unmittelbare Personengesellschaftsbeteiligungen zu einem Leerlaufen der Regelung (wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG) führen. Dies war vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Es kommt also wie bei § 1 Abs. 2a und 3a sowie §§ 5, 6 GrEStG auf einen wertmäßigen Anteil von 95% an, der im gesellschaftsvertraglichen Regelfall nach den festen Kapitalantei­ len zu bestimmen ist.1416 Hiermit noch nicht beantwortet ist die Frage, wie die für die 95%-Schwel­ le relevante Quote bei mehrstufigen Beteiligungen zu bestimmen ist. In Betracht käme eine Stufenbetrachtung wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG („95%-Quote auf jeder Ebene“),1417 eine Multiplikationsmethode wie bei § 1 Abs. 3a GrEStG,1418 ein kombiniertes, rechtsformabhängig differen­ zierendes Vorgehen wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG1419 oder eine Meistbe­ günstigungsregel.1420 1414 Vgl. G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 6a, Rz. 14; A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 51; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 91; S.  Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.171; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15. 4. 2013, 4 V 4250/12, EFG 2013, S. 1257. 1415 Vgl. Gesetzentwurf zum OGAW-IV-UmsG v. 24. 1. 2011, BT-Drs. 17/4510, S. 97: „§ 6a GrEStG soll die Umstrukturierung von Unternehmen erleichtern. Da in den komplexen Unternehmensstrukturen neben Kapitalgesellschaften auch Per­ sonengesellschaften eingebunden sind, wird, um das Ziel, Umstrukturierungen im Konzern zu erleichtern, die Begünstigungsvorschrift auf Personengesellschaf­ ten als abhängige Gesellschaften erweitert.“ 1416 Siehe dazu bereits Abschnitt 3.2.4.1.2, S. 224. 1417 So Gleichlautender Erlass betr. § 6a GrEStG v. 19. 6. 2012, BStBl. I 2012, S. 662, Tz. 2.4; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 6a, Rz. 14; H.- U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 97. 1418 So A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 53; S.  Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1410 f.); S. Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im in­ ternationalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.174. 1419 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.2, ab S. 143. 1420 So wohl B. Lieber, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 35.

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3.3.2  Übertragende Umwandlung

Für die auch als „statische Methode“1421 bezeichnete Stufenbetrachtung spricht, dass nach der gesetzlichen Wertung des § 6a Satz 4 GrEStG eine 95%-Beteiligung für ein Abhängigkeitsverhältnis ausreicht. In einer Be­ teiligungskette mit mehreren übereinander gelagerten 95%-Beteiligun­ gen nimmt die Beherrschungsintensität nach dieser Wertung nicht wei­ ter ab, sondern ist auf jeder Ebene „vollwertig“ gegeben.1422 Als Argument für die Multiplikationsmethode kann wiederum angeführt werden, dass in der Zwischenzeit der neue Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 3a GrEStG eingeführt worden ist, der in Satz 2 ähnlich wie § 6a Satz 4 GrEStG von einer „Beteiligung am Kapital oder Vermögen“ spricht und genau diese Multiplikationsmethode zu Grunde legt, wodurch die grunderwerbsteu­ erlich relevanten Zurechnungskonstellationen erweitert wurden.1423 Jede der beiden Methoden kann sich sowohl zu Gunsten als auch zu Un­ gunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wie die beiden folgenden Bei­ spiele zeigen: Beispiel 1: A ist zu je 95% an der A-GmbH und der B-GmbH beteiligt. Die A-GmbH ist zu 95% an der grundstücksbesitzenden G-KG beteiligt. Die G-KG wird seit­ wärts auf die B-GmbH verschmolzen. Nachher:

Vorher: A 95%

A-GmbH

A 95%

95%

B-GmbH

A-GmbH

95%

B-GmbH

95%

Verschmelzung G-KG

1421 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 97. 1422 H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 97. 1423 So zu verstehen wohl S. Behrens, DStR 2013, S. 1405 (1411), nach dessen Auffas­ sung es nun „keinen Sinn mehr“ mache, bei zwischengeschalteten Gesellschaf­ ten eine 95%-Beteiligung zu verlangen.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft Bei Zugrundelegung der Stufenbetrachtung wäre die G-KG im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen A eine abhängige Gesellschaft im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG. Wendete man hingegen die Multiplikationsmethode an, hat A durchgerechnet nur eine Beteiligung von 90,25% an der G-KG, so dass diese nicht abhängige Gesellschaft und § 6a GrEStG nicht anwendbar wäre. Beispiel 2: A ist zu je 100% an der A-GmbH und zu 94% an der B-GmbH beteiligt. Die A-GmbH ist zu 94% an der grundstücksbesitzenden G-KG beteiligt, die rest­ lichen 6% hält die B-GmbH. Die G-KG wird aufwärts auf die A-GmbH verschmol­ zen. Nachher:

Vorher: A 100%

A 94%

A-GmbH 94% Verschmelzung

100%

B-GmbH

A-GmbH

94%

B-GmbH

6%

G-KG

Nach der Stufenbetrachtung wäre die G-KG keine von A abhängige Gesellschaft, da weder über die A-GmbH noch über die B-GmbH eine durchgängige Beteili­ gungskette von mindestens 95% auf jeder Stufe besteht. Nach der Durchrech­ nungsmethode wäre A hingegen zu 99,64% (94% mittelbar über die A-GmbH, 5,64% mittelbar über die B-GmbH) an der G-KG beteiligt und ein Abhängigkeits­ verhältnis somit gegeben.

Als dritte Variante könnte eine rechtsformabhängig differenzierende Kombination aus Stufen- und Multiplikationsmethode in Betracht ge­ zogen werden, wie sie in § 1 Abs. 2a Sätze 2 ff. GrEStG nunmehr gesetz­ lich implementiert worden ist.1424 Dies ist jedoch abzulehnen, da die An­ wendung einer derart komplexen und sachlich nicht nachvollziehbaren ­Methodik nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in Betracht kommt und sich nicht eignet, eine unbestimmte Regelung auszufül­ len.1425 Zudem besteht im Rahmen der hier gebotenen Konzernbetrach­ 1424 Siehe dazu Abschnitt 3.2.2.3.1, ab S. 142. 1425 Vgl. auch BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833 zu § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., wonach der Tatbestand der „mittelbaren Änderung des

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3.3.2  Übertragende Umwandlung

tung erst recht keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behand­ lung von Personen- und Kapitalgesellschaften.1426 Richtigerweise sind die Stufen- und die Multiplikationsmethode parallel im Sinne einer „Meistbegünstigungsregel“ anzuwenden, d.h. die Abhän­ gigkeit einer Gesellschaft im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG ist sowohl dann zu bejahen, wenn (nur) durchgerechnet eine 95%-Quote erreicht wird,1427 als auch dann, wenn sich diese (nur) aufgrund einer Stufenbe­ trachtung ergibt.1428 Dieses Ergebnis folgt zum einen aus dem Bestimmt­ heitsgrundsatz: Da § 6a GrEStG als begünstigende Norm keinen Auf­ schluss darüber gibt, wie die 95%-Quote bei mittelbaren Beteiligungen zu ermitteln ist, ist die Regelung im Zweifel extensiv zu Gunsten des Steuerpflichtigen auszulegen. Die Meistbegünstigungsregel ist aber auch systematisch zutreffend: Das Beherrschungs- und Abhängigkeitskonzept des § 6a Satz 4 GrEStG korres­ pondiert systematisch mit der Steuerbarkeit von Anteilserwerben bei Erreichen einer 95%-Beteiligungsquote.1429 Die Zurechnungseinheit im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG ist zwar nicht deckungsgleich mit dem „Verbund“ im Sinne des § 6a GrEStG,1430 sie gibt jedoch den Maßstab für die Eingliederung in diesen vor. Denn aus der Wahl einer 95%-Schwelle in § 6a Satz 4 GrEStG wird die gesetzgeberische Grundentscheidung deutlich, grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgänge unter Beteiligung von solchen Rechtsträgern zu begünstigen, die dem herrschenden Unterneh­ men auch im Rahmen der Ergänzungstatbestände abstrakt zurechnungs­ fähig wären. Nachdem mit Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG die grund­ erwerbsteuerliche Zurechnungseinheit um die sog. wirtschaftlichen Beteiligungen erweitert wurde, ist konsequenterweise auch die Abhän­ gigkeitsdefinition des § 6a Satz 4 GrEStG spiegelbildlich zur Rechtslage bei den Steuertatbeständen zu begreifen: Wenn alternativ sowohl die Stufenbetrachtung als auch die Durchrechnungsmethode zur Steuerbar­ keit nach § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG führen können, ist es folgerich­

Gesellschafterbestands“ aufgrund seiner Unbestimmtheit restriktiv auszulegen war. 1426 B. Lieber, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 34. 1427 Vgl. oben Beispiel 2. 1428 Vgl. oben Beispiel 1.  1429 A. Schumacher, JbfSt 2016/2017, S. 119 (125 f.); I. van Lishaut/A. Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), Rz. 178. 1430 Der „Verbund“ i.S.d. § 6a GrEStG ist ein von der Finanzverwaltung erfundenes Konzept, das keine ausreichende Fundierung im Gesetz aufweist. Hierzu kritisch S. Krich, Grunderwerbsteuer im Konzern (2018), S. 271.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

tig, dass beide Methoden auch alternativ ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 6a GrEStG begründen können.1431

3.3.3  Beendigung der Gesellschaft Die Personengesellschaft kann beendigt werden, wenn einer der gesetzli­ chen Auflösungsgründe (§§ 131 ff. HGB für die Personenhandelsgesell­ schaften, §§ 723 ff. BGB für die GbR) vorliegt. Davon zu unterscheiden sind die Fälle der „automatischen“ Vollbeendigung, die insbesondere beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters eintritt. 3.3.3.1 Auflösung, Liquidation und Vollbeendigung Bei der gesetzlichen Regelbeendigung der Personengesellschaft ist be­ grifflich zwischen der Auflösung, dem Stadium der Liquidation (Abwicklung) und der nach deren Abschluss eintretenden Vollbeendigung zu unterscheiden.1432 Die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft erfolgt bei Vorliegen eines der in §§ 131 HGB geregelten Auflösungsgrün­ de, u.a. durch Zeitablauf, durch Auflösungsbeschluss der Gesellschafter, durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermö­ gen und durch gerichtlichen Beschluss.1433 Bei der GbR kann u.a. auch die Kündigung1434 oder der Tod1435 eines Gesellschafters zur Auflösung füh­ ren. Die KG wird zudem dann aufgelöst, wenn ihr letzter Komplementär austritt.1436 Nach erfolgter Auflösung besteht die Personengesellschaft als sog. Ab­ wicklungsgesellschaft fort; es ändert sich dabei nicht ihre Identität, son­ 1431 So im Ergebnis auch S. Gottwald/S. Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. (2015), Rz. 583.28; B. Lieber, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. (2018), § 6a, Rz. 35. 1432 Vgl. W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 131, Rz. 2; K.  Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 131, Rz. 6; S.  Kamanabrou, in: ­Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 131, Rz. 3; R. Lorz, in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 131, Rz. 9; L. Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 131 HGB, Rz. 6. 1433 § 131 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 HGB. 1434 Siehe § 723 Abs. 1 BGB. Das Kündigungsrecht kann gesellschaftsvertraglich nicht eingeschränkt werden (§ 723 Abs. 3 HGB). 1435 Siehe § 727 BGB. Die gesetzlich vorgesehene Auflösung bei Tod eines Gesell­ schafters wird häufig durch sog. Nachfolge- oder Fortsetzungsklauseln (§ 736 BGB) ausgeschlossen, vgl. C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 727, Rz. 4. 1436 Vgl. K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 131, Rz. 46; L. Klöhn, in: Henssler/​ Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 131 HGB, Rz. 23; S.  Kamanabrou, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 131, Rz. 18.

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3.3.3  Beendigung der Gesellschaft

dern lediglich der Gesellschaftszweck.1437 Der Mitgliederbestand und das Gesellschaftsvermögen werden durch die Auflösung nicht berührt.1438 Die Auflösung ist als solche daher ohne grunderwerbsteuerliche Relevanz. Zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 GrEStG kann es hingegen im Rahmen der auf die Auflösung folgenden Liquidation der Gesellschaft kommen, wenn hierbei ein Gesellschaftsgrundstück veräu­ ßert wird.1439 Soweit dieses in das Mit- oder Alleineigentum eines der vormaligen Gesellschafter übertragen wird, greift die Steuerbefreiung nach § 6 Absätze 1 und 2 GrEStG. Ebenso kommt beim Übergang auf eine Gesamthand, an der ehemalige Gesellschafter der aufgelösten Perso­ nengesellschaft beteiligt sind, eine Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Betracht. Ist im Gesellschaftsvertrag eine vom Vermögensanteil abweichende Aus­ einandersetzungsquote vereinbart, ist diese gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG maßgebend, jedoch nur, soweit sie nicht innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart wur­ de (§ 6 Abs. 4 Satz 2 GrEStG). Diese Sonderregelung für Fälle der Auflö­ sung der Personengesellschaft war bereits Bestandteil der Erstfassung von § 6 GrEStG im Rahmen des GrEStG 1940,1440 ist rechtssystematisch jedoch kaum verständlich.1441 Denn wenn abweichende Auseinanderset­ zungsquoten vereinbart sind, führt die Auflösung der Gesellschaft ja ge­ rade zu einer Änderung der bisherigen, an der Vermögensbeteiligung fest­ gemachten ideellen Grundstückzuordnung. Die insoweit entstehende Vermögensverschiebung müsste man nicht zwingend als grunderwerb­ steuerlich verschonungswürdig ansehen. Die ergänzende Sperrfristregelung des § 6 Abs. 4 Satz 2 GrEStG soll of­ fenbar Gestaltungen entgegenwirken, ist aber missverständlich formu­ liert: Anders als es der Wortlaut suggeriert, führt die Vereinbarung der abweichenden Auseinandersetzungsquote innerhalb von fünf Jahren vor 1437 Vgl. J. Ensthaler, Die Liquidation von Personengesellschaften (1985), S. 4 f.; K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 145, Rz. 20; R. Hillmann, in: Ebenroth/​ Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 145, Rz. 11; L. Klöhn, in: Henssler/ Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 145 HGB, Rz. 8. 1438 J. Ensthaler, Die Liquidation von Personengesellschaften (1985), S. 5. 1439 Vgl. H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6, Rz. 27. 1440 GrEStG 1940 v. 29. 3. 1940, RGBl. 1940, S. 585. 1441 Wer einen Auseinandersetzungsanteil erhält, der größer als seine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft ist, ist bei der Übernahme eines Gesellschaftsgrund­ stücks im Vorteil, da sein Erwerb in größerem Umfang von der Grunderwerb­ steuer befreit wird; wer eine niedrigere Auseinandersetzungsquote hat, ist im Nachteil. Vgl. Beispiel bei H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. (2018), § 6, Rz. 30.

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

der Auflösung nicht zum Wegfall der Steuerbefreiung, sondern zur Maß­ geblichkeit des Beteiligungsverhältnisses.1442 Nach Abschluss der Liquidation und Auseinandersetzung an die Gesell­ schafter tritt die Vollbeendigung der Personengesellschaft in dem Mo­ ment ein, in dem kein Aktivvermögen mehr vorhanden ist; die Eintra­ gung der Löschung ins Handelsregister (§ 157 Abs. 1 HGB) ist hingegen nur deklaratorischer Natur.1443 Da der Grundstücksbezug bereits durch die Liquidation gelöst wurde, hat die anschließende Vollbeendigung kei­ ne grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen. 3.3.3.2 Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters Außerhalb der in §§ 131 ff. HGB, §§ 723 ff. BGB geregelten Fälle kann es zur „automatischen“ Vollbeendigung der Personengesellschaft kommen, wenn der vorletzte Gesellschafter ausscheidet; es kommt dann zum li­ quidationslosen Erlöschen der Gesellschaft, deren Vermögen dem ver­ bleibenden Gesellschafter anfällt.1444 Denn die Personengesellschaft kann nach h.M. mit nur einem Gesellschafter nicht fortbestehen.1445 Die Vollbeendigung führt zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beim letzten Gesellschafter nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB.1446 Dieser kraft Gesetzes erfolgende Übergang ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuer­ bar,1447 aber nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 GrEStG von der Besteuerung auszunehmen.1448 1442 Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, RStBl. 1940, S. 387 (399). 1443 Vgl. K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 155, Rz. 52; R. Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 155, Rz. 21; S. Kamanabrou, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 155, Rz. 11. 1444 Vgl. K. Schmidt, MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 131, Rz. 7; S. Kamanabrou, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 131, Rz. 4; L. Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 131 HGB, Rz. 22 ff.; W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), § 131, Rz. 19. 1445 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), S. 1304; C. Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, 7. Aufl. (2017), § 705, S. 309; W. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. (2007), § 705, Rz. 18; T. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. (2012), § 705, Rz. 51. Zweifelnd S.  Habermeier, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (2003), Vorbe­ merkungen zu §§ 705 ff., Rz. 29; B. Grunewald, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 161, Rz. 4. 1446 Dies gilt für die Personenhandelsgesellschaften entsprechend gem. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB. 1447 BFH, Urteil v. 13. 9. 1995, II R 80/92, BStBl. II 1995, S. 903; BFH, Urteil v. 16. 7. 1997, II R 27/95, BStBl. II 1997, S. 663; BFH, Urteil v. 3. 9. 2006, II R 37/05, BStBl. II 2007, S. 59. 1448 BFH, Urteil v. 16. 7. 1997, II R 27/95, BStBl. II 1997, S. 663; BFH, Urteil v. 3. 9. 2006, II R 37/05, BStBl. II 2007, S. 59.

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3.3.4  Grenzüberschreitende Sitzverlegung

3.3.4 Grenzüberschreitende Sitzverlegung Zu einer grunderwerbsteuerlich relevanten Transformation der Personen­ gesellschaft kann auch die grenzüberschreitende Sitzverlegung führen. Die situationsabhängig unterschiedlichen zivilrechtlichen Rechtsfolgen reichen vom Fortbestand über den identitätswahrenden Formwechsel bis hin zur Auflösung der Gesellschaft. 3.3.4.1 Die ausländische Personengesellschaft in der Grunderwerbsteuer Sachlicher Anknüpfungspunkt sämtlicher Grunderwerbsteuertatbestän­ de ist das Vorhandensein inländischer Grundstücke.1449 Für die Ge­ sellschaft, in deren Vermögen sich das Grundstück ggf. befindet, wird hingegen kein Inlandsbezug verlangt. Als grundstücksbesitzende Gesell­ schaften im Sinne von § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG werden deshalb auch ausländische Personengesellschaften erfasst. Für die Einordnung ausländischer Rechtsformen stellt die Finanzverwaltung darauf ab, ob „deren rechtliche Struktur den inländischen Personengesellschaften ent­ spricht“1450 und wendet hierbei die ertragsteuerlichen Typenvergleichs­ grundsätze (sog. „LLC-Erlass“) an.1451 Der Rückgriff auf den LLC-Erlass ist im Sinne einer steuerartenübergreifend einheitlichen Rechtsanwen­ dung grundsätzlich naheliegend, zumal keine eigenständigen grunder­ werbsteuerlichen Einordnungskriterien existieren. Es ist allerdings fest­ zustellen, dass die im Rahmen einer gewichtenden Gesamtbetrachtung1452 heranzuziehenden Einordnungskriterien des LLC-Erlasses keinen Bezug auf die – grunderwerbsteuerlich überaus bedeutsame – Vermögensord­ nung der Personengesellschaft aufweisen.1453 Insbesondere der Frage, ob die betreffende Gesellschaft über ein Gesamthandsvermögen verfügt, 1449 Siehe § 1 Absätze 1, 2, 2a, 3, 3a GrEStG. 1450 Gleichlautender Erlass betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18. 2. 2014, BStBl. I 2014, S. 561, Tz. 2; Gleichlautender Erlass betr. §§ 5, 6 GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1334, Tz. 2. 1451 Sog. „LLC-Erlass“ v. 19. 3. 2004, BStBl. I 2004, S. 411. Siehe expliziter Verweis in Gleichlautender Erlass betr. §§ 5, 6 GrEStG v. 12. 11. 2018, BStBl. I 2018, S. 1334, Tz. 2. Nach Auffassung von S.  Behrens, DStR 2010, S. 777 (787) sollten diese Grundsätze nicht nur für die §§ 5, 6 GrEStG, sondern auch im Rahmen von § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG Anwendung finden. 1452 Vgl. „LLC-Erlass“ v. 19. 3. 2004, BStBl. I 2004, S. 411, Tz. V. 1453 Die nach Tz. IV. des LLC-Erlasses maßgeblichen Kriterien sind folgende: „1. Zen­ tralisierte Geschäftsführung und Vertretung […] 2. Beschränkte Haftung […] 3. Freie Übertragbarkeit der Anteile […] 4. Gewinnzuteilung […] 5. Kapitalauf­ bringung […] 6. Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft […] 7. Gewinnvertei­ lung […] 8. Formale Gründungsvoraussetzungen […] 9. Sonstige Kriterien […]“

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

kommt im Rahmen der Beurteilung keine Bedeutung zu. Dies hat die bemerkenswerte Konsequenz, dass als „Gesamthand“ im Sinne der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG auch solche ausländischen Personengesellschaften qualifiziert werden können, die über gar kein Gesamthandsvermögen verfügen.1454 Die Problematik des Typenvergleichs zeigt, dass es für die Rechtssicherheit und -einfachheit wünschenswert wäre, dass die Grund­ erwerbsteuernormen möglichst wenige rechtsformabhängig differenzie­ rende Regelungen enthielten. Neben einer ausländischen Rechtsform sind – soweit das jeweils ein­ schlägige Gesellschaftsrecht dies zulässt1455 – auch Personengesellschaf­ ten deutscher Rechtsform denkbar, die ihren (Verwaltungs-)Sitz im Aus­ land haben. Für grunderwerbsteuerliche Zwecke ist jeweils nur relevant, ob sich im Vermögen dieser Gesellschaften ein inländisches Grundstück befindet. Dementsprechend hat es auch keine grunderwerbsteuerlichen Folgen, wenn eine Personengesellschaft ihren Sitz in einen anderen Staat verlegt und dort als in- oder ausländische Personengesellschaft fortbe­ steht. Anders verhält es sich demgegenüber, wenn die Sitzverlegung strukturelle Änderungen wie etwa einen heterogenen Formwechsel oder die Auflösung der Gesellschaft nach sich zieht. Wann dies der Fall ist, wird nachfolgend untersucht. 3.3.4.2 Zivilrechtliche Folgen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Personengesellschaften Bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Personengesellschaften ist grundsätzlich zwischen dem Wegzug der Grundstücksgesellschaft aus Deutschland ins Ausland, dem Zuzug der Grundstücksgesellschaft aus dem Ausland nach Deutschland und der Sitzverlegung der Grundstücks­ gesellschaft zwischen zwei ausländischen Jurisdiktionen zu unterschei­ den. Innerhalb dieser drei Konstellationen ist jeweils zwischen der Verla­ gerung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes zu differenzieren. Anders als bei der GmbH, wo § 4a GmbHG explizit einen Satzungssitz im Inland vorschreibt und einen Verwaltungssitz im Ausland zulässt, gibt es im Personengesellschaftsrecht keine spezifische Ansässigkeitsregelung. 3.3.4.2.1 Wegzug einer deutschen Personengesellschaft Verlegt eine nach deutschem Recht gegründete Personengesellschaft ­ihren Satzungssitz ins Ausland, kann sie als solche nicht fortbeste­ 1454 Vgl. S. Behrens, DStR 2010, S. 777 (787). 1455 Dazu nachfolgend.

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3.3.4  Grenzüberschreitende Sitzverlegung

hen,1456 was nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Cartesio europa­ rechtlich nicht zu beanstanden ist.1457 Der Wegzugsstaat darf aber einen nach dem Recht des Zuzugsstaats ggf. möglichen grenzüberschreitenden Formwechsel nicht behindern, indem er die Auflösung und Neugrün­ dung der Gesellschaft verlangt.1458 Wird der Verwaltungssitz einer inländischen Personengesellschaft ins Ausland verlegt, führte dies nach der früher h.M., die inzwischen nur noch für Drittstaatenfälle aufrecht erhalten wird,1459 zur Auflösung und Neugründung nach dem Recht des Zuzugsstaats. In EU/EWR-Fällen wird hingegen aufgrund der Vorgaben der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) die sog. Gründungstheorie angewandt, wonach sich das Gesell­ schaftsstatut nach dem Recht des Gründungsstaats bestimmt und somit auch eine deutsche Personengesellschaft mit ausländischem Verwal­ tungssitz möglich ist.1460 Teilweise wird dies auch für den Wegzug in ei­ nen Drittstaat vertreten.1461 3.3.4.2.2 Zuzug einer ausländischen Gesellschaft Wird der Verwaltungssitz einer Personengesellschaft aus dem EU/EWR-­ Ausland nach Deutschland verlegt, ist deren Gesellschaftsstatut in Deutschland anzuerkennen (identitätswahrender Zuzug).1462 Bei Verle­ gung des Satzungssitzes aus dem EU/EWR-Ausland nach Deutschland 1456 Vgl. M. Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 105 HGB, Rz. 198 f.; J. Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 105, Rz. 299 m.w.N. 1457 Vgl. EuGH, Urteil v. 16. 12. 2008, C-210/06 („Cartesio“), Slg. 2008, I-9641 = ECLI:EU:C:2008:723, Rz. 110. 1458 Vgl. EuGH, Urteil v. 16. 12. 2008, C-210/06 („Cartesio“), Slg. 2008, I-9641 = ECLI:EU:C:2008:723, Rz. 112. 1459 Vgl. J. Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 105, Rz. 298; W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), vor § 105, Rz. 29. 1460 Vgl. W.-H. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. (2016), vor § 105, Rz. 29; J. Lieder, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 105, Rz. 139; M. Henssler, in: Henss­ ler/​Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 105 HGB, Rz. 197; G. Langhein, in: MüKo HGB, 4. Aufl. (2016), § 106, Rz. 30. 1461 So J. Lieder, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 105, Rz. 30.  1462 EuGH, Urteil v. 9. 3. 1999, C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, S. 2027 = ECLI:EU:C:1999:126; EuGH, Urteil v. 5. 11. 2002, C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, I-9919 = ECLI:EU:C:2002:632; EuGH, Urteil v. 30. 9. 2003, C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, I-10155 = ECLI:EU:C:2003:512. Diese Rechtsprechung, in deren Ausgangsfällen jeweils Kapitalgesellschaften betroffen waren, gilt auch für Personengesellschaften, vgl. J. Eberhard, in: Beck‘sches Handbuch der Perso­ nengesellschaften, 4. Aufl. (2014), Rz. 20; R. Ege/S.  Klett, DStR 2012, S. 2442 (2447).

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3  Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft

muss grundsätzlich ein identitätswahrender Formwechsel in eine deut­ sche Personengesellschaft zugelassen werden.1463 Die Sitzverlegung aus einem Drittstaat nach Deutschland führt grund­ sätzlich zur Umqualifizierung in eine deutsche Personengesellschaft.1464 Auch eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft wird bei ihrem Zuzug ins In­ land in eine deutsche Personengesellschaft umqualifiziert.1465 3.3.4.2.3 Sitzverlegung im Ausland Die Sitzverlegung einer Personengesellschaft zwischen zwei ausländi­ schen Staaten soll an dieser Stelle nicht vertieft behandelt werden. Auch hier sind Konstellationen denkbar, in denen die Personengesellschaft fortbesteht, aufgelöst wird oder es zum grenzüberschreitenden Form­ wechsel kommt. 3.3.4.3 Grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz der Sitzverlegung Soweit die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesell­ schaft identitätswahrend erfolgt, ist dies grunderwerbsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Es kommt zu keinem Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des inländischen Grundstücks und auch die Gesellschaftsstruktur und der Gesellschafterbestand bleiben gleich. Das Gleiche gilt in den Fällen des grenzüberschreitenden Rechtsformwechsels. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Formwechsel verwiesen werden.1466 Vom Formwechsel zu trennen ist die „Umqualifikation“ einer aus einem Drittstaat nach Deutschland zuziehenden Personen- oder auch Kapital­ gesellschaft in eine deutsche Personengesellschaft.1467 Dieser Vorgang kommt in der Sache einem „Zwangs-Formwechsel“ gleich, denn wie beim Formwechsel bleibt die wirtschaftliche Kontinuität des Unterneh­ mens gewahrt und das Gesellschaftsvermögen wird nicht übertragen.1468 1463 EuGH, Urteil v. 12. 7. 2012, C-378/10 („VALE“), ABlEU 2012/C 287/3 = ECLI:EU:C:2012:440. 1464 Vgl. M. Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. (2016), § 105 HGB, Rz. 301; P. Kindler, in: MüKo BGB, Bd. 12, 7. Aufl. (2018), Teil 10, Internationales Han­ dels- und Gesellschaftsrecht, Rz. 838; J. Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2014), § 105, Rz. 195; a.A. und für den identitäts­ wahrenden Zuzug auch von Drittstaatengesellschaften plädierend J. Lieder, in: Oetker, HGB, 4. Aufl. (2017), § 105, Rz. 140, 142. 1465 Vgl. BGH, Urteil v. 27. 10. 2008, II ZR 158/06 („Trabrennbahn“), NJW 2009, S. 289 zum Zuzug einer Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts. 1466 Siehe Abschnitt 3.3.1, ab S. 246. 1467 Vgl. oben Abschnitt 3.3.4.2.2, S. 275. 1468 Zur zivilrechtlichen Dogmatik des Formwechsels siehe Abschnitt 3.3.1.1, S. 247.

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3.3.4  Grenzüberschreitende Sitzverlegung

Trotz der Nichtanerkennung der Rechtsform und des dadurch erzwunge­ nen Wechsels der rechtlichen Identität der Gesellschaft bleibt die Grund­ stückszuordnung ununterbrochen. Der Vorgang ist deshalb als nichtsteu­ erbar zu beurteilen.1469 Problematisch bleiben die Fälle, in denen die Sitzverlegung der Personen­ gesellschaft zu deren zivilrechtlicher Auflösung und Neugründung im Zuzugsstaat führt. Insbesondere betrifft dies die Verwaltungssitzverlage­ rung einer deutschen Personengesellschaft in einen Drittstaat.1470 Die Auflösung als solche ist nicht steuerbar,1471 jedoch kann die Übertragung auf die im Zuzugsstaat nach dessen Recht neu zu gründende Personenge­ sellschaft Grunderwerbsteuer auslösen.1472 Dies beruht auf der Tatsache, dass es dabei – anders als beim grenzüberschreitenden Formwechsel – zu einem dinglichen Übertragungsakt kommt. Soweit die ausländische Rechtsform der neuen Gesellschaft nach Typenvergleichskriterien einer deutschen Personengesellschaft entspricht,1473 ist der Vorgang aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG von der Besteuerung auszunehmen, da ein Übergang auf eine „andere Gesamthand“ vorliegt.

1469 So im Ergebnis auch S. Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.147, der dies et­ was unscharf auf die „Identität des Rechtsträgers“ zurückführt. Tatsächlich ent­ scheidend ist hier – wie auch beim Formwechsel – die Wahrung der Vermögens­ kontinuität. 1470 Vgl. oben Abschnitt 3.3.4.2.1, S. 274. 1471 Vgl. oben Abschnitt 3.3.3.1, S. 270. 1472 Vgl. S.  Behrens, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, PersG im internationa­ len Steuerrecht, 2. Aufl. (2015), Kapitel 22, Rz. 22.154. 1473 Vgl. oben Abschnitt 3.3.4.1, S. 273.

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4  Die Personengesellschaft zwischen ­Steuerumgehung und Übermaßbesteuerung: ­Bestandsaufnahme und ­Handlungsbedarf

Im folgenden Schlusskapitel werden die wichtigsten Problembefunde dieser Arbeit zunächst zusammenfassend eingeordnet und verdichtet. Anschließend werden Lösungsansätze für die Gesetzgebung und Rechts­ anwendung erarbeitet.

4.1  Problembefunde der vorliegenden Untersuchung 4.1.1 Die Personengesellschaft als Gestaltungsvehikel 4.1.1.1 Grunderwerbsteuergestaltung mit Personengesellschaften Für die Feststellung, dass Personengesellschaften ein „grunderwerbsteu­ errechtlich vorteilhaftes Instrument der Mobilisierung von Grundstü­ cken“1474 waren und sind, bedarf es keiner wissenschaftlichen Untersu­ chung. Es genügt insoweit der Verweis auf die sog. „RETT-Blocker“-Per­ sonengesellschaften, die es in der bis 2013 geltenden Rechtslage ermöglichten, trotz wirtschaftlichen Übergangs von nahezu 100% der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft den Anfall von Grunderwerb­ steuer zu vermeiden.1475 Bekannt ist auch die Möglichkeit, Anteile an Grundstückspersonengesellschaften im Rahmen eines zeitlich gestreck­ ten Vorgangs weitgehend steuerfrei zu übertragen.1476 Die besondere „Attraktivität“ der Personengesellschaft als Gestaltungs­ vehikel lässt sich durch das Zusammenspiel dreier Umstände erklären: Zum ersten ist die grunderwerbsteuerrechtliche Anerkennung der Perso­ nengesellschaft als selbständiger Rechtsträger zu nennen. Entsprechend der zivilrechtlichen Möglichkeit der Gesellschaft, das Eigentum an Grundstücken selbst zu erwerben, ist diese selbst Steuersubjekt und schirmt das Grundvermögen von ihren Gesellschaftern ab.1477 Zum zwei­ ten sorgen die Vergünstigungen der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG für die Steu­ erbefreiung von Erwerbsvorgängen, soweit bei diesen die wirtschaftliche

1474 So H.-U. Viskorf, DStR 1994, S. 6. 1475 Siehe ausführlich Abschnitt 3.2.4.1.1, S. 218. 1476 Siehe hierzu mit Beispiel Abschnitt 4.4.2.2, S. 302. 1477 Siehe Abschnitt 3.1.1.2, S. 98.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

Grundstückszuordnung zu den Gesamthändern gleich bleibt.1478 Diese durchaus sachgerechte grunderwerbsteuerrechtliche Rezeption der Per­ sonengesellschaft ist jedoch nur dann missbrauchsfest, wenn drittens auch der Gesellschafterwechsel durchgängig steuerbar ist. Dies war je­ doch lange Zeit nicht der Fall. Denn die für Fälle des Gesellschafterwech­ sels bis 1997 einzige einschlägige Regelung des § 1 Abs. 3 GrEStG wurde von Rechtsprechung und Literatur dahingehend ausgelegt, dass die Verei­ nigung aller Anteile an einer Personengesellschaft nicht möglich sei.1479 Grundlage hierfür ist ein – nach hier vertretener Auffassung unzutreffen­ des – Verständnis des Personengesellschaftsanteils, bei dem nicht auf die vermögensmäßige Beteiligung, sondern ausschließlich auf die gesamt­ händerische Mitberechtigung abgestellt wird (sog. Pro-Kopf-Betrach­ tung).1480 Bereits die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft (mit einem geringfügig beteiligten Dritten) in der Beteiligungskette genügte zur Verhinderung einer Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG.1481 Verständlicherweise wurde die Personengesellschaft fortan flächendeckend als sog. „RETT-Blocker“ eingesetzt.1482 Die entstandene Besteuerungslücke war durch eine punktuelle Miss­ brauchsrechtsprechung1483 nicht mehr zu schließen. Der Gesetzgeber re­ agierte sukzessive durch Einführung einer fünfjährigen Nachbehaltens­ frist in § 5 Abs. 3 GrEStG1484 sowie der überschießenden und nach hier vertretener Auffassung verfassungswidrigen Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG.1485 Darüber hinaus wurde zur Vermeidung von Zwerganteilsge­ staltungen die Beteiligungsschwelle des § 1 Abs. 3 GrEStG auf 95% her­ abgesetzt.1486 Der Problematik der „RETT-Blocker“-Personengesellschaf­

1478 Siehe Abschnitt 3.1.2, ab S. 99. 1479 Vgl. BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 67/92, BFH/NV 1996, S. 171; BFH, Urteil v. 26. 7. 1995, II R 68/92, BStBl. II 1995, S. 736; BFH, Urteil v. 8. 8. 2001, II R 66/98, BStBl. II 2002, S. 156 sowie die Literaturnachweise in Abschnitt 3.2.3.2.1, S. 194. 1480 Siehe Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193. 1481 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.2, ab S. 197. 1482 Zur Funktionsweise der „RETT-Blocker“-Grundmodelle siehe Abschnitt 3.2.4.1.1, ab S. 218. 1483 Vgl. etwa die sog. „Plan“-Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 GrEStG (siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.2, S. 60) oder die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO beim vollständigen Austausch aller Gesellschafter einer Personengesellschaft (siehe Abschnitt 2.1.3.2.2.6.1, S. 65). 1484 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 1485 JStG 1997 v. 20. 12. 1996, BGBl. 1996, S. 2049, Regelung neugefasst durch StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402. 1486 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. 1999, S. 402.

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ten wurde erst im Jahr 2013 durch Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG adäquat begegnet.1487 Seither haben sich die Gestaltungsmöglichkeiten mit Personengesell­ schaften deutlich reduziert. Die Überlegungen der Praxis konzentrierten sich zuletzt darauf, Externe mit mehr als 5% an Grundstücksgesellschaf­ ten zu beteiligen und die mit diesen Beteiligungen verbundenen Rechte durch schuldrechtliche Vereinbarungen einzuschränken.1488 Darüber hi­ naus ist bislang eine weitgehend steuerbefreite Übertragung von Perso­ nengesellschaftsanteilen möglich, sofern eine aus der Einhaltung der Fristen gem. § 1 Abs. 2a, § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 4 GrEStG resultierende zeitliche Streckung (derzeit fünf Jahre1489) in Kauf genommen wird.1490 4.1.1.2 Gestaltungsanfälligkeit als strukturelles Problem der Grunderwerbsteuer Steuergestaltung ist kein illegitimes Verhalten, sondern das Reagieren auf bewusste gesetzgeberische Entscheidungen.1491 Der im Bereich der Steuern allgegenwärtige „geplante Grenzfall“1492, d.h. der atypische, steuerbewusst gestaltete Sachverhalt1493 ist nichts anderes als die konse­ quente und rationale Reaktion auf das vorgefundene rechtliche Umfeld. Die Steuergestaltung ist auch nicht per se als „Problem“ anzusehen, son­ dern nur dann, wenn im Ergebnis die Gleichheit im Belastungserfolg ver­ fehlt wird. Der Vorwurf ist indes auch dann nicht an den Steuerpflichti­ gen, sondern an den Gesetzgeber zu richten. Denn es ist das Steuergesetz selbst, von dem die Gestaltungsanreize ausgehen.1494 Es bietet Gestal­ tungsoptionen z.B. in Gestalt von fehlender Folgerichtigkeit, Formulie­ rungsmängeln oder veralteten Tatbeständen an.1495 Die Gestaltungsanreize sind umso größer, je mehr Wertungswidersprüche und tatbestandliche

1487 Siehe Abschnitt 3.2.4.2, S. 227. 1488 Vgl. A. Demleitner, SteuK 2013, S. 265 (267 ff.); F. Wischott/F. Keller/H.-C. Graessner/T. Bakeberg, DB 2013, S. 2235 (2237 ff.); S. Illing, DStZ 2013, S. 504 (514 f.); A. Schaflitzl/J. Schrade, BB 2013, S. 343 (345). 1489 Der Gesetzgeber plant derzeit, die Vorbehaltenssperrfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG auf bis zu 15 Jahre auszudehnen, um derartige Gestaltungen zu verhindern; vgl. Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 12 f. 1490 Vgl. Beispiel in Abschnitt 4.4.2.2, S. 302. 1491 Vgl. T. Rödder, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 93 (100). 1492 P. Kirchhof, StuW 2017, S. 3 (12). 1493 G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 545. 1494 G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 545. 1495 P. Kirchhof, StuW 2017, S. 3 (12).

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Differenzierungen das Gesetz enthält.1496 Spezialgesetzliche Missbrauchs­ regelungen mindern diese Anreize nicht, sondern erhöhen sie.1497 Jeder neue Gesetzestatbestand provoziert auch neue Ausweichstrategien.1498 Dies lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass die Missbrauchs­ verhinderungsnormen sehr häufig eine über ihren eigentlichen Zweck hinausgehende, überschießende Wirkung entfalten.1499 Die Steuergestal­ tung wird dann als Wahrnehmung von „Abwehrrechten“1500 gegenüber als ­ ungerechtfertigt empfundenen steuerlichen Eingriffen verfolgt. In diese Kategorie lässt sich etwa die Grunderwerbsteuergestaltung im Be­ reich konzerninterner Umstrukturierungen (im Gegensatz zu externen Immobilientransaktionen) einordnen. Zum anderen gewährt gerade die konkrete Formulierung spezieller Umgehungstatbestände eine erhöhte Gestaltungssicherheit.1501 Die Grenze zwischen Steuerbarkeit und Nicht­ steuerbarkeit wird dabei klar gezogen, was dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gibt, den gerade nicht mehr steuerbaren „Grenzfall“ eng am Gesetzeswortlaut entlang zu planen.1502 Die eigentliche Belastungsent­ scheidung des Steuergesetzgebers rückt dadurch in den Hintergrund; der Verfassungsauftrag, den Steuergegenstand allgemein und unausweich­ lich zu formulieren,1503 wird verfehlt. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen verwundert es nicht, dass die Grunderwerbsteuer zu Ausweichgestaltungen regelrecht einlädt: Der Belastungsgrund geht aus dem Gesetz nicht hervor. Ein „allgemeiner“ Grundtatbestand fehlt. Stattdessen werden unterschiedlichste Sachver­ halte enumerativ für steuerbar erklärt. Die komplex formulierten sog. Ergänzungstatbestände, die zur Erfassung von Umgehungsgestaltungen dienen sollen, bieten einerseits tatbestandliche Gestaltungssicherheit (z.B. durch die 95%-Beteiligungsschwelle) und schaffen gleichzeitig durch nicht nachvollziehbare Differenzierungen und ungerechtfertigte Steuerbelastungen zusätzliche Gestaltungsanreize.

1496 Vgl. H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (340) („Sind die Dicta [des Steuergesetzgebers] widersprüchlich, handelt der Steuerbürger nicht missbräuch­ lich, wenn er das für ihn günstige Dictum beansprucht“); T. Rödder, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 93 (105). 1497 J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (147 f.). 1498 H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (346). 1499 Vgl. T. Rödder, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 93 (101). 1500 T. Rödder, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 93 (95). 1501 Vgl. T. Rödder, in: Liber Amicorum R. Gocke (2002), S. 235 (241). 1502 Vgl. P. Kirchhof, NJW 1987, S. 3217 (3221); H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329; H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (334). 1503 Hierzu G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 538 ff.

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4.1.2 Inkonsistenzen und Widersprüche bei der Rezeption des Zivilrechts Das Grunderwerbsteuerrecht greift die zivilrechtlichen Merkmale der Personengesellschaft nur punktuell auf und unternimmt ansonsten eine sehr freie Rezeption, was angesichts der vielerorts betonten Nähe der Grunderwerbsteuer zum Zivilrecht1504 in besonderem Maße erstaunt. Insbesondere ist festzustellen, dass die neue Gesamthandslehre im Grund­ erwerbsteuerrecht noch nicht angekommen ist: Obwohl im Zivilrecht längst von der eigenständigen Rechts- und Vermögensträgerschaft der Personengesellschaft ausgegangen wird,1505 wurde auch bei aktuellen Ge­ setzesmaßnahmen noch das Verständnis zu Grunde gelegt, dass Per­ sonengesellschaften „keine eigene Rechtsfähigkeit“ hätten und das Ge­ sellschaftsvermögen „gemeinschaftliches Vermögen“ der Gesellschafter sei.1506 Für die Steuerbefreiungen für Grundstücksübertragungen zwi­ schen Gesamthand und Gesamthändern nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStGist mit der Ablösung der traditionellen Gesamthandslehre der Begründungs­ ansatz weggefallen, dass der Gesamthänder unmittelbar am Gesamt­ handsvermögen beteiligt sei. Ungeklärt und in den letzten Jahren im Umbruch ist das Verhältnis zwi­ schen Zivilrecht und wirtschaftlicher Betrachtungsweise bei der Ausle­ gung und Anwendung des Grunderwerbsteuerrechts.1507 Die neuere Rechtsprechung unterscheidet hierbei trennscharf zwischen „streng zi­ vilrechtlich“ zu beurteilenden Begriffen und solchen, die mangels Ent­ sprechung im Zivilrecht „ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriteri­ en“ zu interpretieren seien. Derartige Gegensätze bestehen insbesondere zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Änderung des Gesell­ schafterbestands im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG1508 sowie zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG.1509 Diese Differenzierung folgt einem methodisch nachvollziehbaren rechtlichen Maßstab, sie führt jedoch unter Gesichts­ 1504 Vgl. Nachweise bei Abschnitt 2.1.3.1.3, S. 50. 1505 Siehe Nachweise in Abschnitt 2.2.1.2.2, S. 78. 1506 Gesetzentwurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902; Gesetzent­ wurf ZollkodexProtUmsG v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 53. 1507 Siehe Abschnitt 2.1.3, S. 43. 1508 BFH, Urteil v. 24. 4. 2013, II R 17/10, BStBl. II 2013, S. 833; BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490.  1509 BFH, Urteil v. 18. 9. 2013, II R 21/12, BStBl. II 2014, S. 326; BFH, Urteil v. 12. 3. 2014, II R 51/12, BFHE 245, S. 381.

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punkten der Rechtsanwendungsgleichheit nicht immer zu schlüssigen Ergebnissen. Die so zur Anwendung gebrachte wirtschaftliche Betrach­ tungsweise wirkt einseitig steuerverschärfend, da der Steuerpflichtige sie bei einem als mittelbar eingestuften Vorgang zwar gegen sich gelten las­ sen muss, er sich bei unmittelbaren Gesellschafterwechseln jedoch nicht auf wirtschaftliche Umstände (wie etwa eine unveränderte mittelbare Beteiligung derselben Person) berufen kann. Zudem drängt sich die Frage auf, ob nicht auch die Begriffe „neue“ Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG oder „Anteilsvereinigung“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG mangels zivilrechtlicher Ableitbarkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten interpretiert werden müssten.1510

4.1.3 Verfassungswidrige Übermaßbesteuerung Aufgrund der gesetzgeberischen Anstrengungen zur Missbrauchsbekämp­ fung ist inzwischen nicht nur ein beispielloses „Regelungsdickicht“1511, sondern in vielen Fallkonstellationen auch ein Zustand der Übermaßbe­ steuerung entstanden. Zu denken ist hierbei an die – nach hier vertrete­ ner Auffassung verfassungswidrige – Steuerbarkeit von Änderungen im Gesellschafterbestand ohne qualifiziertes Beherrschungs- oder Zurech­ nungserfordernis nach § 1 Abs. 2a GrEStG1512 oder an die Meistbelas­ tungswirkung, die sich aus der Anwendungssystematik der Ergänzungs­ tatbestände § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG auf Personengesellschaften ergibt1513 und die bisher nicht durch ein allgemeines, tatbestandsüber­ greifendes Zurechnungsprinzip abgefedert wird.1514 In verfassungsrechtlicher Hinsicht fällt auf, dass es gerade die speziell für Personengesellschaften geltenden Sonderregelungen sind, die Anlass zur Beanstandung geben: § 1 Abs. 2a GrEStG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Regelung anders als die anderen Ergänzungstatbestände kein qualifiziertes Beherr­ schungs- oder Zurechnungserfordernis enthält und es bei Personengesell­ schaften genügen lässt, wenn 95% der Gesellschaftsanteile kumuliert auf eine Mehrzahl voneinander unabhängiger neuer Gesellschafter über­ gehen. Die rechtlich wie auch wirtschaftlich unzutreffende Fiktion einer „neuen Personengesellschaft“ eignet sich zur Rechtfertigung ebenso we­ 1510 Vgl. Abschnitte 3.2.2.4, ab S. 170 und 3.2.3.2.3.2, S. 207. 1511 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 37. 1512 Vgl. Abschnitt 3.2.2.2.4, S. 128. 1513 Vgl. Abschnitt 3.2.4.3.2, S. 232. 1514 Vgl. Abschnitt 3.2.5.4, S. 245.

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nig wie die intendierte Missbrauchsverhinderung. Da die hier typisierte Fallgestaltung keinen Missbrauch indiziert, hat der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 2a GrEStG die Grenzen seiner Typisierungsbefugnis überschrit­ ten.1515 Darüber hinaus verstößt es gegen das Folgerichtigkeitsgebot, dass §§ 13 Nr. 6 i.V.m. 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG in Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die Anzeigepflicht und Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft selbst aufbürden, obwohl das steuerbegründende Ereignis nicht durch sie, sondern durch ihre Gesellschafter verwirklicht wird.1516 Mit der sach­ lich wie konzeptionell verfehlten Fiktion einer neuen Personengesell­ schaft lässt sich dies nicht rechtfertigen. Gleichheitsrechtlich problematisch ist auch die Regelung zur mittelba­ ren Änderung des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a Satz 2 ff. GrEStG, die zwischen zwischengeschalteten Personengesellschaften (Durchrechnungsmethode) und Kapitalgesellschaften (Stufenbetrach­ tung) unterscheidet, obwohl auf mittelbarer Beteiligungsebene keine re­ levanten Rechtsformunterschiede bestehen, die dies rechtfertigen wür­ den.1517 Die Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG, denen keine ver­ gleichbare Regelung für Kapitalgesellschaften gegenüber steht, haben mit der traditionellen Gesamthandstheorie auch ihren rechtfertigenden Differenzierungsgrund verloren. Da die Rechtfertigung dieser – steuer­ systematisch folgerichtigen – Entlastungstatbestände inzwischen nur noch auf wirtschaftlichen Aspekten fundiert werden kann, die zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern gleichermaßen zum Tragen kommen, ist auch hier ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu konstatieren.1518

4.1.4 Scheitern des Konzepts der Rechtsverkehrsteuer Nach den vorangegangenen Feststellungen weist die Grunderwerbsbe­ steuerung der Personengesellschaft erhebliche strukturelle Gestaltungs­ lücken auf, denen wiederum durch übermäßige, system- und teils auch verfassungswidrige Maßnahmen begegnet wurde. Es stellt sich die Frage nach den tieferen Gründen für diese Situation. 1515 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.4, ab S. 128. 1516 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.5.1, S. 138. 1517 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.1.3.2, ab S. 149. 1518 Siehe Abschnitt 3.1.2.3.1, ab S. 107.

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Wie bereits festgestellt, werden Steuerumgehungsgestaltungen ganz we­ sentlich durch Wertungswidersprüche des Gesetzes ausgelöst.1519 Im hier gegebenen Fall besteht der größte dieser Wertungswidersprüche darin, dass die Grunderwerbsteuer, die ihrem Belastungsgrund nach wirtschaft­ liche Grundstücksumsätze erfassen soll,1520 formal als Rechtsverkehr­ steuer ausgestaltet ist. Das Auseinanderfallen der Belastungsentschei­ dung und der im Gesetz feingliedrig differenzierend niedergeschriebenen steuerbaren Rechtsvorgänge führt zwangsläufig zu gestaltungsanfälligen Lücken im Tatbestandsgefüge. Verschärfend wirkt sich aus, dass die Rechtsprechung bis heute das Ver­ ständnis einer Rechtsverkehrsteuer auch im materiellen Sinne zu Grun­ de legt.1521 Infolge dieser „Besteuerung des Rechtsvorgangs als solchen um des in der Rechtsänderung selbst enthaltenen Ergebnisses des Rechts­ änderung willen“1522 werden nicht nur Statusbegriffe wie die „Personen­ gesellschaft“ aus dem Zivilrecht entnommen, sondern auch grunder­ werbsteuerliche Eigenbegriffe wie der „Anteil der Gesellschaft“ einer formal-zivilrechtlichen Interpretation unterworfen. Hierdurch sind auf der einen Seite erhebliche Besteuerungslücken ent­ standen, wie beispielsweise durch den „sachenrechtlichen Anteilsbe­ griff“ bei § 1 Abs. 3 GrEStG, durch den die Steuerumgehungskräfte der „RETT-Blocker“-Personengesellschaft erst entfesselt wurden.1523 Auf der anderen Seite führt die „materiell-rechtliche Aufladung des Verkehrsteu­ erkonzepts“1524 zu einer teleologischen Entkernung des Grunderwerb­ steuerrechts dahingehend, dass wirtschaftliche Umstände (z.B. bereits bestehende Zurechnungspositionen oder eine bereits vorhandene mittel­ bare Gesellschafterstellung) nicht zu Gunsten des Steuerpflichtigen an­ erkannt werden. Dies hat zur Folge, dass auch solche Rechtsträgerwech­ sel besteuert werden, bei denen die wirtschaftliche Grundstückszuordnung unverändert bleibt. Die daraus resultierenden ungerechtfertigten Steuer­ belastungen setzen zusätzliche Gestaltungsanreize. 1519 Siehe Abschnitt 4.1.1.2, ab S. 281. 1520 Siehe Abschnitt 2.1.2.3, ab S. 25. 1521 Vgl. z.B. BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526; BFH, Urteil v. 23. 10. 1974, II R 87/73, BStBl. II 1975, S. 152; BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643 m.w.N. 1522 BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148 = juris, Rz. 14; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 135; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 2; S. Seeger/A. Leonard, in: FS Widmann (2000), S. 539 (547). 1523 Siehe Abschnitt 3.2.4.1.1, ab S. 218. 1524 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 51.

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Betrachtet man nun die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Steuer­ umgehung mit Hilfe von Personengesellschaften ergriffen wurden, so fällt eine Gemeinsamkeit auf: Sie stützen sich auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Dies gilt sowohl für die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a und Abs. 3a GrEStG als auch für die neue Rechtsprechung zu mittelbaren Gesellschafterwechseln. Offenbar lässt sich die Gleichheit im grunderwerbsteuerlichen Belastungserfolg nur durch Berücksichti­ gung wirtschaftlicher Umstände erreichen. So ist es auch kein Zufall, dass sich der neue Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 3a GrEStG, wie oben festgestellt, als erfolgreiche Maßnahme zur Beendigung der „RETTBlocker“-­Modelle erwiesen hat.1525 Das dort verankerte Konzept der Be­ steuerung des Erwerbs einer „wirtschaftlichen Beteiligung“ an einer Grundstücksgesellschaft ist gerade deshalb so wirksam in der Steuerum­ gehungsbekämpfung, weil es sich eng an einer Besteuerung wirtschaftli­ cher Grundstücksumsätze orientiert. In der Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG wird die seit jeher vorhandene Belastungsentscheidung folge­ richtig reflektiert.1526 Dies kann auch als Eingeständnis des Gesetzgebers angesehen werden, dass das bisher verfolgte Konzept der Rechtsverkehr­ steuer gescheitert ist. Die Folgeunrichtigkeit des traditionellen Verkehrsteuerkonzepts zeigt sich auch am Beispiel der mangelhaft umgesetzten Steuerbefreiung für konzerninterne Umstrukturierungen nach § 6a GrEStG. Bei Einführung dieser Vorschrift im Jahr 2009 bestand zwar Einigkeit über die Ent­ lastungswürdigkeit der betroffenen Vorgänge, die auch aus der Verfas­ sung abgeleitet werden konnte.1527 Der Gesetzgeber versäumte es den­ noch, die Steuerbefreiung systemgerecht auf der Belastungsentscheidung des GrEStG (d.h. der Besteuerung wirtschaftlicher Grundstücksumsätze, welche bei konzerninternen Vorgängen gerade nicht vorliegen) zu fundie­ ren und konzipierte die Vorschrift stattdessen als Lenkungsvorschrift, um „schnell und effektiv Wachstumshemmnisse zu beseitigen.“1528 Da­ durch geriet der Anwendungsbereich deutlich zu eng und die Regelung unnötigerweise in den Verdacht, eine unionsrechtswidrige Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV zu sein.1529 Ein ähnliches Problem besteht hin­ 1525 Siehe Abschnitt 3.2.4.2.1, S. 227. 1526 Siehe Abschnitt 2.1.2.3.2, ab S. 29. 1527 Siehe J. Hey, in: Festschrift S. Spiegelberger (2009), S. 225; E. Verweyen, Grunder­ werbsteuer bei konzerninternen Umstrukturierungen (2005), S. 183 ff. 1528 Bericht des Finanzausschusses zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 3. 12. 2009, BT-Drs. 14/147, S. 10. 1529 Der EuGH hat die ihm vom BFH vorgelegte Frage der Beihilferechtswidrigkeit letztlich vernein, vgl. EuGH, Urteil vom 19. 12. 2018, C-374/17 („A-Brauerei“), ABlEU 2019/C 65/8 = ECLI:EU:C:2018:1024.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

sichtlich der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG, die ohne hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigung allein den Gesamt­ handsgemeinschaften vorbehalten werden.1530 Bei einer folgerichtig um­ gesetzten Belastungsentscheidung, nur wirtschaftliche Grundstücksum­ sätze zu erfassen, wäre die Freistellung von Grundstücksübertragungen zwischen jeglichen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern sowie in­ nerhalb eines Konzerns systemimmanent.

4.2  Gebot und Grenzen einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ im Grunderwerbsteuerrecht Die obigen Problembefunde machen nicht nur eine tiefgreifende Geset­ zesreform erforderlich. Auch die Rechtsanwendung im Rahmen der gel­ tenden Rechtslage ist zu überdenken. Die ganz herrschende Auffassung im wissenschaftlichen Schrifttum, wonach die Grunderwerbsteuer eine am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichtende Einkommens- oder Ver­ mögensverwendungssteuer darstellt,1531 wird von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung bislang nicht aufgegriffen. Stattdessen wird noch immer eine Besteuerung des Rechtsvorgangs „um seiner selbst wil­ len“ zu Grunde gelegt.1532 Dieses auf die Zeit der Urkunden- und Stempel­ abgaben zurückgehende Verständnis widerspricht jedoch der Ausrichtung der Grunderwerbsteuer auf den wirtschaftlichen Grundstücksumsatz, die sich bereits aus dem ersten GrEStG 1919 ableiten lässt.1533 Die Widersprüche des traditionellen Verkehrsteuerverständnisses wer­ den dort besonders augenfällig, wo das Rechtsinstitut der sog. „wirt­ 1530 Siehe Abschnitt 3.1.2.3, ab S. 107. 1531 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. (2003), S. 1018; P. Kirchhof, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 118, Rz. 247; H. Schaumburg, in: Festschrift W. Reiss (2008), S. 25 (35 f.); J. Hey, in: Festschrift S. Spiegel­ berger (2009), S. 225 (226 f.); M. Desens, in: Festschrift P. Kirchhof zum 70. Geburtstag (2013), S. 2069, Rz. 12; J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 4; R. Seer, ZfZ 2013, S. 146 (148); G. Jochum, in: Wilms/ Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Einführung zum GrEStG, Rz. 4; D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. (2016), Rz. 1801; C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 13. 1532 Vgl. etwa BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148; BFH, Urteil v. 9. 4. 2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, S. 1526; BFH, Urteil v. 23. 10. 1974, II R 87/73, BStBl. II 1975, S. 152; BFH, Urteil v. 3. 4. 1974, II 186/65, BStBl. II 1974, S. 643; P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), Vorbemerkungen, Rz. 135 ff.; G. Hofmann/R. Hofmann, GrEStG, 11. Aufl. (2017), § 1, Rz. 2; S. Seeger/A. Leonard, in: FS Widmann (2000), S. 539 (547). 1533 Siehe Abschnitt 2.1.2.3.2.1, S. 30.

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4.2  Gebot und Grenzen einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“

schaftlichen Betrachtungsweise“ zur Anwendung kommt. Der BFH ver­ wendet diese bisher nur als subsidiäre Auslegungsmethode, die lediglich dann herangezogen wird, wenn sich ein Rechtsbegriff nicht durch zivil­ rechtliche Begriffsinhalte ausfüllen lässt. Es wird also eine differenzie­ rende Prüfmethodik angewandt, bei der Tatbestandsmerkmale, die sich durch zivilrechtliche Begriffe ausfüllen lassen, restriktiv nach diesem Begriffsinhalt und ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichts­ punkte interpretiert werden. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise soll demgegenüber nur dann zur Anwendung kommen, wenn Tatbestands­ merkmale zu beurteilen sind, für deren Auslegung weder Zivilrecht noch „allgemeine Rechtsgrundsätze“ des GrEStG zur Verfügung stehen.1534 Eine richtig verstandene wirtschaftliche Betrachtungsweise ist kein sub­ sidiärer Notbehelf, sondern ein selbstverständlicher Bestandteil der steu­ erjuristischen Methodik unabhängig von der betroffenen Steuerart. Es handelt sich um „die an den spezifischen Regelungszielen einer steuer­ rechtlichen Regelung und deren eigengesetzlicher Terminologie auszu­ richtende steuerrechtliche Beurteilung, ob der bewirkte wirtschaftliche Erfolg einen Steuertatbestand erfüllt.“1535 Die wirtschaftliche Betrach­ tungsweise als integraler Sachgerechtigkeitsmaßstab stellt die Verwirkli­ chung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Leistungsfähigkeitsprin­ zips im Bereich der Rechtsanwendung sicher.1536 Ihre Anwendung ist auch im Bereich der Verkehrsteuern nicht eingeschränkt.1537 Die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte ist notwendi­ ger Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Teleologie und darf nicht durch eine materiell-rechtliche Überhöhung der Anknüpfung an zivil­ rechtliche Vorgänge überlagert werden. Wenn die im Grunderwerbsteu­ errecht zahlreich vorhandenen zivilrechtlichen Statusbegriffe nach ih­ rem zivilrechtlichen Begriffsinhalt interpretiert werden, bedeutet dies keine Zurückdrängung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, sondern dient nur der gebotenen Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Bestimmtheitsgrundsatz. Im Grund­erwerbsteuerrecht sind deshalb Statusbegriffe wie die „Personen­ gesellschaft“ aus dem Zivilrecht zu bestimmen, während alle anderen 1534 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.2.1, S. 154 und Abschnitt 3.2.3.2.3.2, ab S. 207. 1535 BVerfG, Beschluss v. 27. 12. 1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212 = juris, Rz. 11. 1536 Vgl. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 2. Aufl. (2012), S. 1648; W. Hirschmann, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Besteuerung des Umsatzes (1956), S. 29; M. Lehner, in: Festschrift K. Tipke (1995), S. 237 (238); D. Hallerbach, DStR 1999, S. 2125 (2128). 1537 Siehe Abschnitt 2.1.3.1.3.3, ab S. 53.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

Tatbestandsmerkmale einer steuerjuristischen und damit auch wirt­ schaftlichen Betrachtungsweise zu unterwerfen sind. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise darf somit nicht erst dort beginnen, wo ein zivilrecht­ lich nicht vorstellbarer „mittelbarer“ Gesellschafterwechsel zu prüfen ist, sondern muss auf sämtliche Rechtsbegriffe, bei denen es sich nicht um eindeutig bestimmbare zivilrechtliche Statusbegriffe handelt, ange­ wandt werden, darunter die Begriffe „neue Gesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG1538 und „Anteil der Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG.1539 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als allgemeine Methode der Rechtauslegung und -anwendung ist auch im Bereich der grunderwerb­ steuerlichen Ergänzungstatbestände § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG anwendbar. Die Grenze des möglichen Wortsinns1540 ist bei der Ausle­ gung dieser Tatbestände jedoch streng einzuhalten, da diese jeweils be­ reits eine sehr weitgehende, zum Teil übermäßige Typisierung vorneh­ men. Eine Ausdehnung dieser Tatbestände über den Wortsinn hinaus im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise wäre unzulässig.1541 – Zu Lasten des Steuerpflichtigen ist eine wirtschaftliche Betrachtung deshalb nur insoweit zulässig, als ihr Ergebnis vom Wortlaut des ge­ setzlichen Tatbestands noch gedeckt ist. Wenn derjenige, der nur ei­ nen schuldrechtlichen Vertrag abschließt, aufgrund einer wirtschaft­ lichen Betrachtungsweise als „Gesellschafter“ qualifiziert wird,1542 wird diese Grenze bereits weit ausgedehnt.1543 – Zu Gunsten des Steuerpflichtigen besteht demgegenüber keine ver­ gleichbare Begrenzung, hier wäre auch eine weiterreichende wirt­ schaftliche Betrachtungsweise zulässig, soweit diese der Herstellung sachgerechter Besteuerungsergebnisse dient. Folgerichtig wäre es bei­ spielsweise, wenn bei einer Verstärkung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG verneint wird, weil sich die wirtschaftliche Berechtigung des Oberge­ sellschafters am Grundstück nicht ändert.1544 1538 Siehe Abschnitt 3.2.2.4, ab S. 170. 1539 Siehe Abschnitt 3.2.3.2, ab S. 193. 1540 H. Kruse, in: Festschrift H. Paulick (1973), S. 403 (410); H. Beisse, DStR 1976, S. 176 (177); H. Beisse, StuW 1981, S. 1 (7); K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO (141. Lfg. Juli 2015), § 4 AO, Rz. 334. 1541 Siehe Abschnitt 2.1.3.2.1.2, S. 56. 1542 BFH, Urteil v. 9. 7. 2014, II R 49/12, BFH/NV 2014, S. 1667; BFH, Urteil v. 25. 11. 2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490. 1543 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.2.2.3, S. 160. 1544 Siehe Abschnitt 3.2.2.4.3.2, S. 181.

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4.3  Gesetzgeberischer Reformbedarf

Im Bereich der an gesellschaftsrechtliche Vorgänge anknüpfenden Ergän­ zungstatbestände § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG besteht nur wenig Raum für die allgemeinen Missbrauchs- und Zurechnungsnormen nach §§ 39 und 42 AO, da die wirtschaftliche Betrachtungsweise dort bereits im Tatbestand verankert ist und eine erweiternde Auslegung dieser ab­ schließend typisierenden Missbrauchsnormen nicht in Betracht kommt. Die neue Rechtsprechung, die das Problem der schuldrechtlichen „Aus­ höhlung“ von Gesellschaftsanteilen durch § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu lösen sucht, begegnet daher einigen systematischen Bedenken.1545 Sie weist je­ doch in eine richtige Richtung, falls sie in der Zukunft über die Spezial­ konstellation des mittelbaren Gesellschafterwechsels hinausgreifend zu einem allgemeinen grunderwerbsteuerlichen Sachgerechtigkeitsmaß­ stab ausgebaut wird. Die an die Rechtsanwender in Rechtsprechung und Verwaltung gerichtete Anregung, die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu überdenken, bedeutet somit nicht, diese abzuschaffen, sondern viel­ mehr sie als allgemeine, die Wirkung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich der Rechtsanwendung sicherstellende Methode auch im Grund­ erwerbsteuerrecht anzuerkennen, d.h. sie auf sämtliche Rechtsbegriffe, bei denen es sich nicht um zivilrechtlich eindeutig bestimmbare Status­ begriffe handelt, anzuwenden und sie hierbei – anders als bisher – auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu entfalten.

4.3  Gesetzgeberischer Reformbedarf Der Gesetzgeber arbeitet derzeit an einer weiteren Reform des Gesell­ schafterwechsels in der Grunderwerbsteuer mit dem Ziel der Verhinde­ rung von Steuergestaltungen durch sog. „Share Deals“. Hierbei sollen die Eingriffsschwellen der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände abermals herabgesenkt und ein neuer zusätzlicher Ergänzungstatbestand hinzugefügt werden.1546 Viel dringlicher als die nächste Verschärfung der Rechtslage wäre es jedoch, zuerst einmal das bestehende Tatbestandsge­ füge zu überarbeiten. Neben verfassungsrechtlich zwingenden Änderun­ gen bei der Behandlung der Personengesellschaft sollte hierbei auch der „Grundtatbestand“ des § 1 Abs. 1 GrEStG in den Blick genommen wer­ den.

1545 Siehe Abschnitt 3.2.2.3.2.2, ab S. 157. 1546 Siehe näher Abschnitt 4.4, ab S. 299.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

4.3.1 Der allgemeine Grunderwerbsteuertatbestand als gesetzgeberischer Gestaltungsauftrag Das gerechte, Belastungsgleichheit garantierende Steuergesetz definiert seinen Belastungsgrund allgemein und verankert ihn damit als unaus­ weichliche Grundentscheidung.1547 In seinen Tatbeständen bildet es den als steuerwürdig erachteten wirtschaftlichen Vorgang abstrahierend ab1548 und nimmt damit eine „Typisierung im rechtfertigenden Grund“1549 vor. Da jederzeit klar und einfach erkennbar ist, was besteuert werden soll, wird Rechtssicherheit bei gleichzeitigem Schutz vor Ausweichge­ staltungen erreicht.1550 Das heutige GrEStG ist von diesem Zustand weit entfernt; es lässt den Steuerpflichtigen über die Belastungsentscheidung im Unklaren und prä­ sentiert stattdessen ein detailreich verzweigtes, inkohärentes und wider­ sprüchliches Tatbestandsgefüge, das zu Umgehungsmanövern geradezu einlädt.1551 Erforderlich ist daher ein „gleichheitsfördernder Rückbau“ der tatbestandlichen Differenzierungen1552 bei gleichzeitig erstmaliger gesetzlicher Definition des materiellen Besteuerungsgegenstands. Die radikalste Form eines derartigen Rückbaus wäre die Ersetzung aller heutigen Einzeltatbestände durch eine Generalklausel, die für die Be­ stimmung steuerbarer Vorgänge eine wirtschaftliche Betrachtung anord­ net. Eine derartige „wirtschaftliche Generalklausel“ würde dem grunder­ werbsteuerlichen Belastungsgrund vollumfänglich entsprechen; sie wäre jedoch nur schwer administrierbar und begegnet zudem Bedenken im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz.1553 Zielführender erscheint es daher, das System von Grund- und Ergän­ zungstatbeständen grundsätzlich beizubehalten, hierbei aber den bislang „versteckten“ Grundtatbestand der wirtschaftlichen Verwertungsmög­

1547 Vgl. G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 533 f.; P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 9 (17 f.); P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 24 (2001), S. 9 (20); H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (334). 1548 Vgl. H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (332). 1549 P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 24 (2001), S. 9 (20). 1550 Vgl. P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 9 (18); H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (334). 1551 Siehe bereits Abschnitt 4.1.1.2, S. 281. 1552 T. Rödder, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 93 (103). 1553 Vgl. C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 264 ff.

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4.3  Gesetzgeberischer Reformbedarf

lichkeit1554 stärker in den Mittelpunkt zu rücken1555 und die Ergänzungs­ tatbestände in folgerichtiger Weise zu überarbeiten.1556 Die erhebungs­ technisch begründete Anknüpfung bereits an das auf die Übereignung gerichtete Rechtsgeschäft kann dabei durchaus aufrechterhalten wer­ den.1557 § 1 Abs. 1 GrEStG könnte vorschlagsweise wie folgt formuliert werden: § 1 GrEStG-V: Erwerbsvorgänge (Abs. 1) 1Der Grunderwerbsteuer unterliegt der wirtschaftliche Umsatz inländi­ scher Grundstücke, der sich durch Übergang des Eigentums, durch Erwerb der Verwertungsmöglichkeit nach Absatz 2 oder durch Erwerb einer qualifizierten Gesellschaftsbeteiligung nach Absatz 3 vollziehen kann. 2Die Steuerbarkeit des Eigentumsübergangs tritt bereits durch den auf diesen gerichteten Kaufvertrag, die Auflassung, das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren und sonstige, den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründende Rechtsvorgänge ein.

Ein Reformvorschlag zu § 1 Abs. 2 GrEStG unterbleibt an dieser Stelle mangels unmittelbaren Bezugs zum Thema der Personengesellschaft. Eine gesetzliche Definition der Verwertungsmöglichkeit könnte dabei helfen, die spezifisch grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätze zur wirtschaftlichen Zurechnung weiterzuentwickeln. Hierbei sollte der Ge­ setzgeber auch entscheiden und festlegen, ob eine wirtschaftliche Be­ trachtungsweise eher auf § 39 AO (wie von der Rechtsprechung verfolgt) oder auf § 1 Abs. 2 GrEStG (wie bislang von der Finanzverwaltung vertre­ ten) gestützt werden soll.

4.3.2 Neudefinition des steuerbaren Gesellschafterwechsels Der Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber verlangt es, die offen und all­ gemein dargelegte Belastungsentscheidung folgerichtig und wider­

1554 Vgl. G. Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG (77. Lfg. August 2008), Einführung zum GrEStG, Rz. 1; J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (159). 1555 Vgl. den Vorschlag bei J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 9, den Tatbestandskatalog des § 1 Abs. 1 GrEStG drastisch zu kürzen und die „Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an einem Grund­ stück“ als Grundtatbestand zu verankern. 1556 Vgl. den Vorschlag der Kombination eines modifizierten § 1 Abs. 3 GrEStG und einer Sonderregelung für Immobiliengesellschaften bei C. Tigges, Ergänzungstat­ bestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 274 ff. 1557 Vgl. J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 18, Rz. 9.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

spruchsfrei umzusetzen.1558 Das heute vorzufindende Dreigestirn der an gesellschaftsrechtliche Vorgänge anknüpfenden „Ergänzungstatbestän­ de“ § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG verfehlt diese Vorgabe. Insbesonde­ re die Besteuerung des Gesellschafterwechsels bei Personengesellschaf­ ten erweist sich als inkonsistent, wertungswidersprüchlich und in wesentlichen Teilen verfassungswidrig. Sie ist dringend zu reformieren. 4.3.2.1 Ersatzlose Streichung des § 1 Abs. 2a GrEStG Der in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrige Tatbestand1559 des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ersatzlos zu streichen.1560 Entgegen der Belastungsent­ scheidung des GrEStG unterwirft diese Regelung nicht wirtschaftliche Grundstückserwerbe, sondern den Erwerb von Gesellschaftsanteilen ohne ein Beherrschungs- oder Zurechnungserfordernis der Steuer. Eine recht­ fertigende Missbrauchstypisierung fehlt. Durch eine Streichung dieses Tatbestands entstehen keine Besteuerungslücken, da der Gesellschafter­ wechsel bei Personengesellschaften zumindest nach Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG nunmehr durchgängig steuerbar ist.1561 4.3.2.2 Zusammenführung von § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG Die Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG enthalten für sich genommen tragfähige und systemkonforme Besteuerungskon­ zepte, sind jedoch mangelhaft aufeinander abgestimmt. Insbesondere das Verhältnis zwischen Anteilsvereinigung (Abs. 3) und „fiktiver“ Anteils­ vereinigung durch Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung (Abs. 3a) ist umstritten, was für unnötige Komplexität und mögliche Belastungsku­ mulationen sorgt.1562 In die richtige Richtung weisen die Vorschläge in der Literatur, § 1 Abs. 3a zu streichen und gleichzeitig in § 1 Abs. 3 die „Pro-Kopf-Betrach­ tung“ abzuschaffen,1563 die die Anwendung der Regelung auf Personenge­ sellschaften bisher weitgehend verhindert hatte. Noch überzeugender erschiene es, würde man stattdessen § 1 Abs. 3 streichen und den Erwerb 1558 Vgl. G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes (2009), S. 541 ff.; P. Kirchhof, in: DStJG Bd. 24 (2001), S. 9 (21). 1559 Siehe Überblick in Abschnitt 4.1.3, S. 284. 1560 Für eine Streichung auch S. Behrens, UVR 2014, S. 147 (148); C. Tigges, Ergän­ zungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 255. 1561 Siehe Abschnitt 3.2.2.5, S. 186. 1562 Siehe Abschnitt 3.2.5.3, ab S. 241. 1563 Vgl. C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 284 ff.; S. Behrens, UVR 2014, S. 147 (148).

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4.3  Gesetzgeberischer Reformbedarf

einer wirtschaftlichen Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a zum zentra­ len Ergänzungstatbestand machen. Wie festgestellt, ist die dort veranker­ te, wertmäßige Beteiligungen über alle Ebenen berücksichtigende Multi­ plikationsmethode ein sachgerechter und folgerichtiger Maßstab,1564 was für die im Rahmen des § 1 Abs. 3 bisher herangezogene, gesetzlich insbe­ sondere für mittelbare Vorgänge nicht hinreichend bestimmte Beurtei­ lungsmethodik nicht uneingeschränkt gilt.1565 Eine geeignete Formulie­ rung eines neugefassten § 1 Abs. 3 GrEStG könnte wie folgt lauten: (Abs. 3) 1Der Grunderwerbsteuer unterliegen auch Rechtsvorgänge, aufgrund de­ ren ein Rechtsträger eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95% an einer Gesellschaft, in deren Vermögen sich ein inländisches Grundstück befindet, erstmalig innehat. 2Die wirtschaftliche Beteiligung ergibt sich aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft. 3Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen sind die Vomhundertsätze am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaften zu multiplizieren.

Soll das tatbestandliche Netz besonders engmaschig gefasst werden, könnten Multiplikationsmethode und Stufenbetrachtung auch kombi­ niert werden. Dazu müsste an obigen Formulierungsvorschlag lediglich ein Satz angefügt werden: (Abs. 3) [Sätze 1 bis 3 wie oben] 4Eine mittelbare Beteiligung besteht auch dann, wenn in einer mehrstufigen Beteiligungskette auf jeder Ebene eine Beteiligung am Kapital oder Vermögen der nachgelagerten Gesellschaft von mindestens 95% be­ steht.

Sollte es in der Zukunft zu einer Herabsetzung der 95%-Grenze auf 90%, 75% oder 50% kommen, wäre eine Stufenbetrachtung jedoch unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr aufrechtzuerhal­ ten.1566 Im vorgeschlagenen neuen § 1 Abs. 3 GrEStG bestünde ergänzend auch die Möglichkeit, eine wirtschaftliche Anteilszurechnung rechtssicher zu verankern, beispielsweise wie folgt: (Abs. 3) [Sätze 1 bis 3 wie oben] 5Als mittelbar beteiligt gilt auch, wem ein Anteil an der Gesellschaft nach den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen ist.

Darüber hinaus wäre es möglich, Gestaltungen, bei denen Absprachen zwischen einem Investor und einem Co-Investor vorliegen, durch das 1564 Siehe Abschnitt 3.2.4.3.1, S. 231. 1565 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.2, S. 197. 1566 Siehe Abschnitt 4.4.3.1.1, S. 306.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

aus § 8c KStG bekannte Konzept der Erwerbergruppe mit gleichgerichte­ ten Interessen zu erfassen: (Abs. 3) [Sätze 1 bis 3 wie oben] 6Als Erwerber einer wirtschaftlichen Beteiligung im Sinne des Satzes 1 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen.

4.3.2.3 Vereinheitlichung der Anteilsbegriffe Unbedingt zu beseitigen ist die Pluralität und Inkonsistenz der Begriffe, mit denen das derzeitige GrEStG an verschiedenen Stellen Gesellschafts­ anteile umschreibt.1567 Dies dient zum einen der Beseitigung von Rechts­ unsicherheiten, die durch Formulierungsunschärfen wie beim „Anteil der Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG geltender Fassung ­entstanden sind. Zum anderen ist das Begriffsverständnis auch an der grunderwerbsteuerrechtlichen Teleologie auszurichten, die auf den Er­ werb der Verfügungs- und Verwertungsmöglichkeit an einem Grund­ stück abzielt.1568 Den Gesellschaftsanteil auf die bloße sachenrechtliche Mitberechtigung zu reduzieren, ist, wie die zahlreichen „RETT-­Blocker“Gestaltungsmodelle gezeigt haben, unzureichend. Maßgeblicher Er­werbs­ gegenstand ist vielmehr die Beteiligung an der Wertsubstanz des Grund­ stücks, die über den Gesellschaftsanteil vermittelt wird. Dies gelingt nur über einen wertmäßig verstandenen Anteilsbegriff.1569 Das aus dem heu­ tigen § 1 Abs. 3a GrEStG bekannte Konzept der wirtschaftlichen Beteili­ gung wäre geeignet, die Funktion eines übergreifenden grunderwerbsteu­ erlichen Anteilsbegriffs auszufüllen und wurde daher in den Mittelpunkt des vorstehenden Reformvorschlags gerückt.

4.3.3 Ersatz der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 und 6a GrEStG durch eine systeminhärente und rechtsformneutrale Zurechnungsregel Die systematisch richtigen, aber gleichheitsrechtswidrig ausschließlich Gesamthandsgemeinschaften vorbehaltenen Steuerbefreiungen nach §§ 5,

1567 Vgl. bereits Abschnitt 2.2.2.1.2, S. 89. Man vergleiche die Begriffe „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ (§ 1 Abs. 2a GrEStG), „Anteil der Gesellschaft“ (§ 1 Abs. 3 GrEStG), „wirtschaftliche Beteiligung“ (§ 1 Abs. 3a GrEStG), „Anteil am Vermögen der Gesamthand“ (§§ 5, 6 GrEStG) und „Beteiligung am Kapital oder Gesellschaftsvermögen“ (§ 6a Satz 4 GrEStG). 1568 Siehe Abschnitt 2.1.2.3, ab S. 25. 1569 Siehe Abschnitt 3.2.3.2.3.1.1, ab S. 202.

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4.3  Gesetzgeberischer Reformbedarf

6, 7 Abs. 2 GrEStG1570 sowie die inkonsequent und zu restriktiv umge­ setzte Konzernklausel § 6a GrEStG1571 sollten gestrichen und durch eine rechtsformneutral ausgestaltete Zurechnungsregel ersetzt werden. Diese Regel darf nicht als Steuerbeihilfe konzipiert sein, sondern muss folge­ richtig aus dem System der Steuertatbestände entwickelt werden und die steuerbaren Erwerbspositionen spiegelbildlich aufgreifen: § 5 GrEStG-V: Grunderwerbsteuerliche Zurechnung (Abs. 1) 1Wem ein Grundstück nach § 1 Absätze 1, 2 oder 3 aufgrund Innehabens einer der dort genannten Rechtspositionen zuzurechnen ist, der kann hinsichtlich desselben Grundstücks keinen weiteren steuerbaren Erwerbsvorgang im Sinne ei­ nes dieser Absätze mehr verwirklichen.1572 2Dies gilt auch für Erwerbe durch nach­ gelagerte Gesellschaften, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen die in Satz 1 genannte Person eine wirtschaftliche Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3 in Höhe von mindestens 95% hält.1573 (Abs. 2) 1Wird ein Grundstück zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesell­ schafter oder zwischen zwei Gesellschaften, an denen derselbe Gesellschafter be­ teiligt ist, übertragen, ist der Erwerb insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit, als die vor und nach dem Übertragungsvorgang bestehenden Beteiligungen des Gesellschafters am Kapital oder Vermögen der an dem Übertragungsvorgang betei­ ligten Gesellschaften bzw. der Anteil am Grundstück einander quotal entspre­ chen.1574 1570 Siehe Abschnitt 3.1.2.3, ab S. 107. 1571 Siehe Abschnitt 3.3.2.2, ab S. 263. 1572 Durch diesen Satz 1 wird einerseits eine nicht zu rechtfertigende Kumulation von Grunderwerbsteuer durch Verwirklichung unterschiedlicher Steuertatbe­ stände bzgl. desselben Grundstücks ausgeschlossen. Die bestehende Anrech­ nungsregelung des § 1 Abs. 6 GrEStG greift zu kurz, weil sie nur für Rechtsvor­ gänge unterschiedlicher Absätze gilt und, statt bereits an der Steuerbarkeit anzusetzen, lediglich eine Anrechnung bei der Bemessungsgrundlage vorsieht. Zum anderen werden durch Satz 1 weite Teile des Anwendungsbereichs des ­heutigen § 6a GrEStG abgedeckt, jedoch auf die dortige Abhängigkeitsdefinition und den Begriff des „herrschenden Unternehmens“ verzichtet. Stattdessen wird durch den Verweis auf § 1 die Zurechnungslogik nach den Steuertatbeständen folgerichtig auch für die Steuerfreistellung von Konzernsachverhalten herange­ zogen. Weiterer Unterschied zu § 6a GrEStG ist, dass die hier vorgeschlagene Freistellungsregelung nicht an der Steuerpflicht, sondern an der Steuerbarkeit ansetzt. 1573 Satz 2 erfasst weitere Konzernsachverhalte, bei denen der Erwerb nicht durch die Konzernspitze, sondern durch eine nachgelagerte Gesellschaft verwirklicht wird. Auch hier werden keine eigenen Eingliederungsvoraussetzungen formuliert, son­ dern auf die Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwiesen. 1574 Im Unterschied zu § 5 Abs. 1 GrEStG-V berührt der hier vorgeschlagene Abs. 2 nicht die Steuerbarkeit, sondern ist als materielle Steuerbefreiung ausgestaltet. Dies beruht auf dem rechtstechnischen Umstand, dass der quotal begünstigte

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung (Abs. 3) 1Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die dort geregelten Zurech­ nungspositionen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Übertra­ gungsvorgang ohne Anfall von Grunderwerbsteuer erworben worden sind oder innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Übertragungsvorgang ohne Anfall von Grunderwerbsteuer aufgegeben werden.1575 § 6 [entfällt] § 6a [entfällt]

4.3.4 Ergebnis: Schaffung von Rechtsformneutralität durch Abschaffung personengesellschaftsspezifischer Sonderregeln Im Ergebnis bedeuten die hier vorgeschlagenen Änderungen des GrEStG den Wegfall sämtlicher personengesellschaftsspezifischen Sonderrege­ lungen. Dadurch wird der rechtlichen Verselbständigung und eigenstän­ digen Vermögensträgerschaft der Personengesellschaft Rechnung getra­ gen, die für das GrEStG eine weitestgehende Gleichstellung mit den Kapitalgesellschaften verlangt. Den strukturellen Besonderheiten der Gesamthand kommt im Lichte der grunderwerbsteuerlichen Belastungs­ entscheidung keine wesentliche Bedeutung zu. Wie gezeigt wurde, sorgt die in der geltenden Rechtslage vielfach vorgenommene vordergründige Differenzierung anhand dieser Besonderheiten nicht für Sachgerechtig­ keit, sondern für gleichheitswidrige Verzerrungen. Die grunderwerbsteu­ erlich relevante Frage ist vielmehr auch bei einer Personengesellschafts­ beteiligung, ob diese eine Beteiligung an der Wertsubstanz eines Grundstücks vermittelt. Die obigen Vorschläge berücksichtigen dies so­ wohl im Rahmen der Erwerbstatbestände als auch im Rahmen der Steu­ erbefreiungen.

Rechtsvorgang zunächst festgestellt werden muss, bevor die (ggf. quotale) Befrei­ ung ermittelt werden kann. Die Befreiung nach Abs. 2 setzt keine 95%-Beteili­ gung oder anderweitige Zurechnung voraus und unterscheidet sich insoweit von der Zurechnung aufgrund der Steuertatbestände des § 1. Im Wesentlichen ent­ spricht die vorgeschlagene Regelung den §§ 5, 6 GrEStG aktueller Fassung mit dem Unterschied, dass sie rechtsformneutral für alle Gesellschaften gilt. 1575 Die flankierende Einschränkung durch Vor- und Nachbehaltensfristen, die auch heute in §§ 5, 6, 6a GrEStG vorzufinden ist, sollte zur Verhinderung von Umge­ hungsgestaltungen grds. beibehalten werden. Allerdings wird hier eine sachge­ rechte Modifikation dahingehend vorgeschlagen, dass der Ausschluss nur dann greift, wenn das innerhalb der Fristen erfolgte „schädliche“ Ereignis nicht der Grunderwerbsteuer unterlegen hat.

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

4.4  Exkurs – Aktuelles Gesetzesvorhaben zur Verhinderung von Steuergestaltungen durch sog. „Share Deals“ Die im vorangegangenen Abschnitt geforderte Reform der Grunder­ werbsbesteuerung der Personengesellschaft steht derzeit nicht auf der Agenda des Gesetzgebers. Stattdessen befasste sich der Gesetzgeber wäh­ rend der Fertigstellung dieser Arbeit mit einem Reformkonzept,1576 das die bereits jetzt verfassungswidrige Besteuerungssituation der Personen­ gesellschaft weiter verschärfen würde. Der nachfolgende Exkurs kom­ mentiert die geplanten Reformmaßnahmen überblicksartig und beleuch­ tet anschließend alternative Regelungskonzepte zur Erfassung der vom Gesetzgeber als problematisch identifizierten sog. „Share Deals“.

4.4.1 Rechtspolitisches Regelungsanliegen: Verschärfte Besteuerung von sog. „Share Deals“ Eines der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit war, dass das GrEStG seit Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2013 nur noch begrenzte Steuergestaltungsmöglichkeiten zulässt.1577 Die Initiatoren der derzeit geplanten Reform beurteilen dies anders, denn sie sehen es unter ande­ rem auch als Steuerumgehung an, wenn unter Einhaltung der gesetzli­ chen 95%-Schwelle ein etwas geringerer Anteil von z.B. 94% an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft erworben wird.1578 Eine von den Länderfinanzministerien ins Leben gerufene Arbeitsgruppe hat folgende wesentliche „Gestaltungsmodelle“ identifiziert, die zukünftig gesetzlich verhindert werden sollen: – Zurückbehaltung von Anteilen durch den Veräußerer: Nach bisheri­ gem Recht ist die Vereinigung und der Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz ab einer Beteiligungs­ schwelle von 95% steuerbar (§ 1 Absätze 3 und 3a GrEStG). Werden nur 94,9% übertragen und die übrigen 5,1% vom Veräußerer zurück­ behalten, fällt keine Grunderwerbsteuer an. Die Erheblichkeits­ schwelle soll daher für alle grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstat­ bestände auf 90 % abgesenkt werden.1579

1576 Vgl. Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437.  1577 Vgl. Abschnitte 3.2.4.2.1, S. 227 und 4.1.1.2, ab S. 281. 1578 Vgl. z.B. Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 8. 9. 2017, https://finanzen.hessen.de/pressearchiv/pressemitteilung/finanzminis​ ter-dr-schaefer-stoesst-reform-der-grunderwerbsteuer. 1579 Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 11 f.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

– Übernahme von Anteilen durch einen Co-Investor (sog. „Club Deal“): Der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist bisher auch dann ohne Anfall von Grunderwerbsteuer möglich, wenn ein Anteil von etwas über 5 % durch einen „mitgebrachten“ Co-Investor über­ nommen wird. Um derartige Fälle zu besteuern, sieht das Reform­ konzept die Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapi­ talgesellschaften dar, der sich am Vorbild des für Personengesellschaften bereits geltenden § 1 Abs. 2a GrEStG orientiert; d.h. es sollen Ände­ rungen im Gesellschafterbestand bei Kapitalgesellschaften in einem Umfang von 90 % besteuert werden, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erfolgen, ohne dass dabei einer der Gesellschafter eine bestimmte Beteiligungsschwelle erreichen muss.1580 – Zeitlich gestreckter Erwerb von Personengesellschaftsanteilen: Nach aktueller Rechtslage sind Gestaltungen möglich, bei denen in einem ersten Schritt nur 94,9 % der Anteile am Vermögen einer Grund­ stückspersonengesellschaft übertragen werden und die verbleibenden Anteile erst nach Ablauf von fünf Jahren auf den Erwerber übergehen. Der Reformentwurf sieht zur Erschwerung derartiger Modelle eine Verlängerung der in §§ 5, 6 GrEStG enthaltenen Vor- und Nachbehal­ tensfristen von fünf auf zehn Jahre, in § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG-E gar auf 15 Jahre vor.1581 Darüber hinaus soll auch in § 1 Abs. 2a GrEStG der Beobachtungszeitraum auf zehn Jahre ausgeweitet und die rele­ vante Schwelle für eine tatbestandserfüllende Änderung im Gesell­ schafterbestand auf 90 % abgesenkt werden.1582 Die obigen Sachverhalte lassen sich nicht notwendigerweise als „miss­ bräuchlich“ klassifizieren, denn sie sind so weit vom grunderwerbsteuer­ rechtlich relevanten Erwerb einer dem Eigentum an einem Grundstück vergleichbaren Vermögensposition entfernt, dass sie vom GrEStG bis­ lang bewusst nicht als besteuerungswürdig eingeordnet wurden. Dem­ entsprechend stellen sich die geplanten Gesetzänderungen auch nicht als punktuelle Missbrauchsverhinderung, sondern als breit angelegte Sen­ kung der tatbestandlichen Erheblichkeitsschwellen dar.

1580 Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 12. 1581 Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 12 f. 1582 Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 11 f.

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

4.4.2 Steuersystematische und verfassungsrechtliche Würdigung des Reformkonzepts der Länder Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung des Besteuerungsgegenstands einen weitreichenden Gestaltungsraum, bleibt hierbei jedoch an die ver­ fassungsrechtlichen Schranken des Gleichheitssatzes und des Folgerich­ tigkeitsgebots gebunden.1583 Hierbei ist auch der erhöhte Rechtferti­ gungsmaßstab für typisierende Missbrauchsverhinderungsnormen zu berücksichtigen: Eine gesetzliche Typisierung darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren.1584 Wird eine abstrakte Missbrauchsgefahr zum Anlass für eine vom typischen Missbrauchsfall losgelöste, generalisierende Re­ gelung genommen, reicht dies zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nicht aus.1585 Ob diese Anforderungen durch das von den Ländern ent­ wickelte Reformkonzept1586 eingehalten werden, erscheint zweifelhaft. 4.4.2.1 Absenkung der relevanten Beteiligungsschwellen auf 90% Die Absenkung der in § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG geregelten Betei­ ligungsschwelle von 95% auf 90% erscheint im Vergleich zu den zwi­ schenzeitlich diskutierten 50%- oder 75%-Schwellen1587 zwar moderat, ist verfassungsrechtlich jedoch bereits kritisch. Denn die bisherige 95%-Grenze rechtfertigt sich dadurch, dass sie typisierend unterstellt, dass der Inhaber eines wertmäßigen Anteils von 95% an einer grund­ stücksbesitzenden Gesellschaft immer noch eine dem Eigentum am ganzen Grundstück vergleichbare Vermögensposition innehat.1588 Die wirt­ schaftliche Vergleichbarkeit mit dem Alleineigentum ist bei einer 90%-Beteiligung nicht mehr gegeben; die Heranziehung des vollen Grundstückswerts als Bemessungsgrundlage ist unverhältnismäßig.1589 Eine Rechtfertigung durch Missbrauchsverhinderungsgesichtspunkte er­ 1583 Dazu bereits Abschnitt 2.1.2.2, ab S, 18. 1584 Siehe BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289, Rz. 127; dazu bereits Abschnitt 3.2.2.2.4.3, ab S. 132. 1585 Siehe BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289, Rz. 128. 1586 Der in den Bundestag eingebrachte Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437 entspricht inhaltlich dem zuvor von der Finanzministerkonferenz der Länder beschlossenen Reformkonzept; vgl. Pressemitteilungen der Finanzminis­ terien der Bundseländer Hessen und Schleswig-Holstein vom 21. 6 .2018. 1587 Vgl. BT-Drs. 18/8617; BR-Drs. 627/17. 1588 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.2, ab S. 124. 1589 Vgl. U. Hufeld, Share Deals in der Grunderwerbsteuer– Reformoptionen und Steuerverfassungsrecht, Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (2019), S. 40;

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

scheint ohne weitergehende tatbestandliche Begrenzungen (z.B. Anwen­ dung nur auf sog. Immobiliengesellschaften) nicht erreichbar. Zur Ver­ meidung von Wiederholungen wird auf die oben im Kontext des § 1 Abs. 2a GrEStG getätigten Ausführungen verwiesen.1590 4.4.2.2 Verlängerung diverser Haltefristen auf zehn bzw. 15 Jahre Die Verlängerung der derzeitigen Fünfjahresfristen in § 1 Abs. 2a sowie §§ 5, 6 GrEStG auf zehn bzw. 15 Jahre soll „Gestaltungen erheblich er­ schweren, die durch einen zeitlich gestreckten Erwerb von Anteilen am Vermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft Steuervergünsti­ gungen zum Ziel haben.“1591 Beispiel:1592 Investor I möchte von V einen 100% des Gesellschaftskapitals umfas­ senden Anteil an der grundbesitzenden G-KG erwerben und dabei den Anfall von Grunderwerbsteuer soweit möglich vermeiden. Bisher an der G-KG beteiligt wa­ ren V zu 100% sowie die eine nicht vermögensmäßig beteiligte Komplemen­ tär-GmbH. Verkäufer V ist bereits seit mehr als fünf Jahren Gesellschafter der G-KG. I erwirbt Ende des Jahres 01 von V einen 94,9%-Anteil an der G-KG. An­ fang des Jahres 07 erwirbt er die verbleibenden 5,1% von V. V

V

I

100%

100%* 94,9%

5,1%

G-KG

I

Erwerb 94,9% (Ende Jahr 01)

G-KG

Erwerb 5,1% (Anfang Jahr 07)

G-KG

*Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt

Ergebnis nach bisheriger Rechtslage: Der Erwerb der Beteiligung in Höhe von 94,9% im Jahr 01 löst keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a, 3, 3a GrEStG aus. Der Erwerb der verbleibenden 5,1% führt hingegen zu Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG.1593 Ein Anwendungsfall des § 1 Abs. 2a GrEStG liegt

1590 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.3, ab S. 126. 1591 Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437, S. 13. 1592 Entnommen aus K. Broemel/F. Mörwald, DStR 2018, S. 1521 (1522 f.). 1593 § 1 Abs. 3 GrEStG ist im Beispiel nicht einschlägig, da die unmittelbare Vereini­ gung von mindestens 95 % der Anteile einer Personengesellschaft in einer Hand ausgeschlossen ist (sog. Pro-Kopf-Betrachtung), siehe Abschnitt 3.2.3.2.1, ab S. 194.

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“ hingegen nicht vor, da I zu diesem Zeitpunkt bereits eine Altgesellschafterstel­ lung im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG erlangt hat. Der grunderwerbsteuerbare Vorgang ist gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG zu 94,9% von der Grunderwerbsteuer be­ freit, da I in diesem Umfang bereits seit fünf Jahren an der G-KG beteiligt ist.1594 Somit fällt lediglich auf 5,1% des bewertungsrechtlichen Grundbesitzwertes Grunderwerbsteuer an. Nach dem Reformkonzept müssten zur Vermeidung der Steuer weniger als 90% der Anteile im ersten Schritt erworben werden, und für den Erwerb der übrigen Anteile müsste länger als 15 Jahre abgewartet werden.

Das mit dem Reformvorschlag verfolgte Ziel wird anhand des obigen Bei­ spiels zwar deutlich, und die Erschwerung derartiger gestreckter Erwerbe wird auch erreicht. Die Umsetzung ist jedoch nicht verhältnismäßig, denn die Erweiterung der Haltefristen führt zu einer deutlichen Über­ dehnung der bisherigen gesetzlichen Typisierungen. Die bereits für die heutige Rechtslage festgestellte Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 2a GrEStG1595 verschärft sich nochmals, wenn zukünftig bei einem Wechsel im Gesellschafterbestand von 90% innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren der Übergang auf eine neue Personengesellschaft fingiert wird. Und auch im Fall der Vor- und Nachbehaltensregeln der §§ 5, 6 GrEStG erscheint es zweifelhaft, ob eine Zehn- bzw. 15-Jahresfrist noch von de­ ren Missbrauchsverhinderungszweck gedeckt ist. Zu beachten ist hierbei auch, dass die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG der folgerichtigen Umsetzung des grunderwerbsteuerlichen Belastungsgrunds und der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips dienen.1596 Der Anwendungsbereich dieser sach- und systemgerechten Steuerbefreiungen würde durch die Auswei­ tung der Fristen drastisch reduziert. 4.4.2.3 Steuerbarkeit von Gesellschafterwechseln bei Kapital­ gesellschaften nach dem Vorbild des § 1 Abs. 2a GrEStG („§ 1 Abs. 2b GrEStG“) Die schwerwiegendste Verschärfung der geltenden Rechtslage stellt die geplante Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesell­ schaften („§ 1 Abs. 2b GrEStG“) dar, der sich am Vorbild des § 1 Abs. 2a GrEStG orientieren soll. Es sollen hierbei Änderungen im Gesellschaf­ terbestand von Kapitalgesellschaften in einem Umfang von 90% besteu­ ert werden, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erfolgen, 1594 Vgl. Gleichlautende Ländererlasse vom 9. 12. 2015, BStBl. I 2015, S. 1029, Rz. 4.3. 1595 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.4, ab S. 128. 1596 Siehe Abschnitt 3.1.2.2.2, ab S. 103.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

ohne dass dabei einer der Gesellschafter eine bestimmte Beteiligungs­ schwelle erreichen muss, was einer Erweiterung des (bzgl. Quoten und Fristen verschärften) § 1 Abs. 2a GrEStG auf Kapitalgesellschaften gleich­ käme. Der geplante neue Tatbestand zielt auf die in jüngerer Zeit gängig gewordene Praxis ab, dass bei Immobilientransaktionen ein Anteil von etwas mehr als 5% durch einen „mitgebrachten“ Co-Investor erworben wird, wodurch beim Erwerb von Anteilen an einer Grundstückskapi­ talgesellschaft keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG anfällt.1597 Eine allgemeine Regelung, die beliebige Änderungen im Gesellschafter­ bestand im Umfang von 90% innerhalb der sehr weiten Zeitspanne von 10 Jahren der Besteuerung unterwirft, wäre in gleicher Weise verfas­ sungswidrig wie § 1 Abs. 2a GrEStG1598, da es auch hier an einer hinrei­ chenden Missbrauchstypisierung mangelt.1599 Eine Rechtfertigung des Besteuerungszugriffs aufgrund einer unterstellt veränderten wirtschaftli­ chen Identität gelingt bei Kapitalgesellschaften ebensowenig wie bei Per­ sonengesellschaften.1600 Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Steuer­ befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG weiterhin nicht auf Kapitalgesellschaften anwendbar sein sollen, entstünde für Kapitalgesellschaften sogar eine noch belastendere Besteuerungssituation, als sie gegenwärtig bei Gesell­ schafterwechseln von Personengesellschaften vorliegt. Zusätzlich entstünde bei börsennotierten Kapitalgesellschaften ein strukturelles Vollzugsdefizit, da es dort (ebenso wie bei börsennotierten Gesellschaftern einer grundbesitzenden Gesellschaft) regelmäßig nicht möglich sein wird, die Erfüllung des Tatbestands des „§ 1 Abs. 2b GrEStG“ festzustellen.1601 4.4.2.4 Keine Regelung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die dringend einer gesetzlichen Konturierung bedürfte,1602 sieht das Reformkonzept der Länder keine Re­ 1597 Vgl. Fallbeispiel bei K. Broemel/F. Mörwald, DStR 2018, S. 1521 (1524). 1598 Dazu Abschnitt 3.2.2.2.4.3, S. 132. 1599 Vgl. F. Mörwald, DStZ 2019, S. 492 (498 ff.). 1600 Nach BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 133 (zu § 8c Satz 1 KStG 2008) wird die wirtschaftliche Identität einer Kapi­ talgesellschaft „nicht allein durch die Personen der Anteilseigner, sondern jeden­ falls auch, wenn nicht sogar nur durch den Unternehmensgegenstand und das Betriebsvermögen geprägt.“ 1601 Vgl. K. Broemel/F. Mörwald, DStR 2018, S. 1521 (1526). 1602 Vgl. Abschnitt 4.2, S. 288.

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

gelung vor. Dies hat zur Folge, dass schuldrechtliche Gestaltungen wei­ terhin möglich bleiben. Insbesondere sind im Rahmen von Immobilien­ transaktionen zuletzt häufiger sog. „Unit Deals“1603 vorzufinden, bei denen Fondsanteile übertragen werden, während der Grundbesitz hier­ von unberührt im vertraglichen Sondervermögen einer Kapitalverwal­ tungsgesellschaft verbleibt.1604 Auf derartige Gestaltungsmodelle enthält das bisherige Reformkonzept keine Antwort. 4.4.2.5 Zwischenergebnis Im Ergebnis begegnet das von den Ländern entwickelte Konzept zur Ver­ schärfung der Grunderwerbsbesteuerung bei sog. „Share Deals“ erheb­ lichen verfassungsrechtlichen Bedenken, da es die Besteuerungsitua­ tion einseitig und allgemein verschärft, ohne den realitätsgerecht zu erfassenden Missbrauchssachverhalt hinreichend tatbestandlich abzubil­ den. Hierbei darf nicht außer Acht bleiben, dass ein großer Teil der von der Gesetzesverschärfung betroffenen gesellschaftsrechtlichen Vorgänge, die von der Politik unterschiedslos als vermeintlich steuermotivierter „Share Deal“ gebrandmarkt werden, in Wirklichkeit keine Immobilientransak­ tionen, sondern konzerninterne Umstrukturierungen sowie Verkäufe von Unternehmen mit Grundstücken im Betriebsvermögen sind. Durch die erhöhte Belastung dieser Vorgänge würde sich der Charakter der Grunderwerbsteuer als Sonderunternehmensteuer weiter verschärfen, der bereits im Status Quo verfassungsrechtlich bedenklich ist.1605 Trotz der Inkaufnahme einschneidender Kollateralfolgen ermöglicht das Reformkonzept keine lückenlose Bekämpfung von Steuerumgehungs­ versuchen, da beispielsweise vertragliche Gestaltungsmodelle nicht ad­ ressiert werden. Es lohnt daher, nachfolgend einige Überlegungen anzustellen, ob ggf. Handlungsalternativen zur Verfügung stehen, mit denen die vom Gesetz­ geber intendierte Erfassung bestimmter „Share Deals“ möglicherweise

1603 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 117/19 (4. 10. 2019). 1604 Die wirtschaftliche Berechtigung des Erwerbers der Fondsanteile bleibt aufgrund der zivilrechtlichen Verselbständigung des Fondsvermögens grunderwerbsteuer­ lich unberücksichtigt, vgl. BFH, Urteil v. 29. 9. 2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, S. 148. 1605 Siehe Abschnitt 2.1.1.3, S. 12.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

wirksamer, zielgenauer und in verfassungskonformer Weise erreicht werden kann.

4.4.3 Alternative Reformkonzepte 4.4.3.1 Absenkung der Beteiligungsschwelle auf bis zu 50% in Verbindung mit einem quotalen Besteuerungssystem 4.4.3.1.1 Quotale Besteuerung als fundamentaler Systemwechsel Bereits im Jahr 2016 wurde im Bundestag ein Gesetzesantrag folgenden Wortlauts eingebracht:1606 „[…] die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei der anteiligen Übernahme von Unternehmen bis 95 Prozent abzuschaffen, und dazu a. die betreffenden Vorschriften im Grunderwerbsteuergesetz (§ 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG) dahingehend zu ändern, dass auch anteilige Unternehmenskäufe grundsätzlich steuerbar und steuerpflichtig sind. Wesentliche Transaktionen von bis zu 50 Prozent der Unternehmensanteile sind weiterhin nicht steuerbar, wer­ den es aber wenn diese Grenze durch nachfolgende mittelbare oder unmittelbare Erwerbe überschritten wird. b. Als Bemessungsgrundlage sind die Grundstückswerte nach §§ 151, 157 BewG entsprechend der prozentualen Höhe des Anteilserwerbs (50 bis 100 Prozent) zu­ grunde zu legen.“

Die von Bund und Ländern eingesetzte Arbeitsgruppe diskutierte an­ schließend ein ähnlich fundamentales Reformkonzept:1607 „Nach Modell 2 wird einem Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesell­ schaft ab einer Mindestbeteiligung von mehr als 50% der Anteile am Kapital oder am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft ein (fiktiver) Anteil an einem Grundstück wie ein Miteigentumsanteil nach Bruchteilen grunderwerbsteuer­ rechtlich zugeordnet. Zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften wird nicht unterschieden. Die Zuordnung wird zur besseren Administrierbarkeit auf vier Grundstücksanteile von jeweils 25% beschränkt. Die quotale Besteuerung mit

1606 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen et al. im Bundestag – „Spekula­ tion mit Immobilien und Land beenden – Keine Steuerbegünstigung für Über­ nahmen durch Share Deals“ v. 1. 6. 2016, BT-Drs. 18/8617. 1607 Siehe S. 4 des Schlussberichts der Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter (Steuern) zu Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer an die Finanzminis­ terkonferenz, Stand: 18. 4. 2018, inoffiziell publiziert bei https://correctiv.org/ aktuelles/wem-gehoert-hamburg/2018/06/21/eine-milliarde-verschenkt, zuletzt abgerufen am 20. 12. 2019. 

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“ Grunderwerbsteuer setzt das Erreichen mindestens einer von drei Beteiligungs­ grenzen (mehr als 50%, mindestens 75% oder 100%) voraus. Ändern sich die Be­ teiligungsverhältnisse an der grundbesitzenden Gesellschaft derart, dass ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar ei­ nen Anteil am Kapital oder am Vermögen von mehr als 50% innehat, gilt dies als Übergang von zwei Grundstücksanteilen, bei Innehaben von mindestens 75% als Übergang von drei Grundstücksanteilen und bei Innehaben von 100% als Über­ gang von vier Grundstücksanteilen. Das quotale Besteuerungssystem erfasst da­ mit nicht wie bisher den fiktiven Erwerb des ganzen Gesellschaftsgrundstücks ab Erreichen der Beteiligungsgrenze von 95%. Vielmehr setzt ab einer Beteiligungs­ grenze von mehr als 50% eine quotale Besteuerung ein. Durch die Mindestbeteili­ gung von mehr als 50% beschränkt sich zur besseren Administrierbarkeit die Zu­ ordnung auf jeder Beteiligungsebene auf maximal vier Grundstücksanteile. Sind einem Rechtsträger bereits zwei oder drei Grundstücksanteile zuzuordnen, beschränkt sich die (weitere) Zuordnung und Besteuerung auf die durch die Ände­ rung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft weiteren übergegangenen Grundstücksanteile.“

Ausgangspunkt der Überlegungen für ein quotales Besteuerungssystem ist die Tatsache, dass eine substanzielle Absenkung der Beteiligungs­ schwelle in Verbindung mit einer weiterhin an 100% des Grundstücks­ werts anknüpfenden Bemessungsgrundlage unverhältnismäßig wäre. Die vom Gesetzgeber zuvor eingehend geprüfte Absenkung der Beteiligungs­ schwelle auf 75% innerhalb des bestehenden Besteuerungssystems wur­ de deshalb zutreffend als verfassungswidrig verworfen.1608 Es trifft jedoch nicht zu, dass sich die verfassungsrechtlichen Probleme einer Absenkung der Beteiligungsschwelle allein dadurch beseitigen las­ sen, dass auch die Besteuerung nur quotal erfolgt. Denn bereits durch die erweiterte Steuerbarkeit von Anteilserwerben würde der Besteuerungs­ gegenstand fundamental verändert. Die bisherige Grenze von 95% ist vom Gedanken getragen, Zwerganteils-Gestaltungen zu verhindern und stellt die Typisierung eines Übergangs aller Anteile dar. Der typisierte Übergang aller Anteile wiederum bewirkt den Wechsel in der grunder­ werbsteuerlichen Zurechnung des ganzen Grundstücks.1609 Würde die Beteiligungsschwelle nun auf 75% oder 50% absinken, gelänge diese Ty­

1608 Vgl. Schlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (Fn. 1607), S. 4: „Die Schere zwischen anteiliger Beteiligung auf Tatbestandsseite und der Rechtsfolge der Vollversteuerung des Grundbesitzwertes lässt sich im Wege typisierender Miss­ brauchsabwehr nicht verhältnismäßig ausgestalten.“ 1609 Vgl. Abschnitt 3.2.2.2.2, ab S. 124.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

pisierung nicht mehr,1610 und zwar unabhängig davon, in welchem Um­ fang die Besteuerung erfolgt. Keiner der Ergänzungstatbestände könnte dann noch als „Missbrauchsvorschrift“ zur Verhinderung der Umgehung von § 1 Abs. 1 GrEStG angesehen werden. Um einen Besteuerungszugriff in einem solchen Fall rechtfertigen zu können, müsste auch der Grund­ stücksbegriff des § 2 GrEStG grundlegend modifiziert und um ideelle, über einen Gesellschaftsanteil vermittelte Grundstücksanteile erweitert werden. Ob eine derartige Änderung mit dem Folgerichtigkeitsgebot im Einklang stünde, ist fraglich; es käme insoweit zu einer Abweichung von der An­ knüpfung an Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Andererseits muss konzediert werden, dass bestimmte zivilrechtliche Formen des unabgeteilten Miteigentums die bereits heute von § 2 GrEStG erfasst werden;1611 des Weiteren kennt bereits der heutige Grundstücksbegriff Abweichungen vom Zivilrecht (wie etwa die wirt­ schaftliche Einheit nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Ordnet man die ­Definition des Grundstücksbegriffs dem Bereich der Bestimmung des Steuergegenstands zu, müsste dem Gesetzgeber insoweit ein gewisser Gestaltungsraum zugestanden werden. Da die Änderung des Grund­ stücksbegriffs hin zu einer Bruchteilsbetrachtung nicht weniger als ei­ nen Systemwechsel bedeuten würde, liegen die verfassungsrechtlichen Hürden jedoch hoch.1612 Ein verfassungsgemäß ausgestaltetes quotales Besteuerungssystem wür­ de zudem umfassende Kollateraländerungen des GrEStG erforderlich machen.1613 Für einige der bestehenden Regelungskonzepte bestünde in einem quotalen Besteuerungssystem kein Raum mehr. Dies gilt zum ei­ nen für sämtliche Regelungen, die beim mittelbaren Gesellschafterwech­ sel in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen eine Stufenbetrachtung an­ ordnen (insbesondere § 1 Abs. 3 sowie § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG). Eine Zurechnung mittelbar gehaltener Beteiligungen aufgrund einer substan­ ziell unter 100% liegenden Beteiligungsquote wäre verfassungsrechtlich nicht haltbar, da sie zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung mit­ telbarer gegenüber unmittelbaren Gesellschafterwechseln führen würde.

1610 A.A. S. Behrens, UVR 2017, S. 15 (19), der bei einer 75%-Schwelle weiterhin von einer Besteuerung „fingierter Grundstücksübergänge“ ausgeht. 1611 Vgl. A. Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. (2018), § 2, Rz. 7; H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl. (2016), § 2, Rz. 11. 1612 Vgl. K.-D. Drüen, Ubg 2018, S. 673 (692 ff.). 1613 Ähnlich J. Schanko, UVR 2016, S. 16 (18).

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“ Beispiel: C erwirbt 75% der Anteile an der A1-GmbH, die über eine Beteiligungs­ kette mit 75% auf jeder Stufe an der grundstücksbesitzenden G-KG beteiligt ist. Im Vergleichsszenario erwirbt C unmittelbar einen Anteil von 75% an der G-KG. Mittelbarer Gesellschafterwechsel: B

A 25%

Unmittelbarer Gesellschafterwechsel:

C

75%

A1-GmbH 75%

B

A 25%

C

75%

G-KG

A2-GmbH 75%

G-KG

Bei einer Übertragung der 75%-Schwelle auf die heute bestehenden Zurechnungs­ regeln in § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG läge beim Erwerb der Anteile an der A1-GmbH ein grunderwerbsteuerlich zurechenbarer Erwerbsvorgang hinsichtlich der Anteile an der G-KG vor. Bei wertmäßiger Betrachtung (d.h. Durchrechnung über alle Beteiligungsstufen) ist C aber nur zu 42,2% am Grundstückswert betei­ ligt. Im Vergleich dazu wäre der unmittelbare Erwerb der Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft erst ab einer (zivilrechtlichen und wirtschaftlichen) Be­ teiligung von mindestens 75% steuerbar.

Aus dem Beispiel wird deutlich, dass die aus einer 75%-Stufenbetrach­ tung resultierende Ungleichbehandlung gegenüber einem unmittelbaren Erwerb gleichheitsrechtswidrig wäre und einer Verhältnismäßigkeits­ prüfung nicht standhielte. Rechtfertigende Missbrauchs- und Typisie­ rungsgesichtspunkte sind nicht erkennbar. Der Gesetzgeber müsste bei einer substanziellen Absenkung der Beteiligungsschwelle also die Stu­ fenbetrachtung abschaffen und einheitlich eine Durchrechnung über alle Ebenen anordnen. Des Weiteren wäre der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG, der bisher allein durch Missbrauchsverhinderungszwecke gerechtfertigt wird,1614 1614 Siehe Abschnitt 3.2.2.1, ab S. 118.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

was nach hier vertretener Auffassung bereits in seiner heutigen Form nicht gelingt,1615 bei einer Absenkung der Beteiligungsschwelle noch deutlicher verfassungswidrig. Bei einem Wechsel von z.B. nur 75% der Gesellschafter einen Übergang auf eine fiktiv neue Personengesellschaft zu unterstellen, ist bereits gedanklich kaum möglich. Die bereits heute nicht tragfähige Typisierung würde sich noch stärker von einer denkba­ ren Missbrauchskonstellation entfernen.1616 Bei einer substanziellen Ab­ senkung der bisherigen Quote von 95% läge eine Rechtfertigung des § 1 Abs. 2a GrEStG gänzlich außer Reichweite. Auch dann, wenn die Besteuerung nur quotal erfolgte (z.B. 75% bei ei­ nem Gesellschafterwechsel von 75%), ergäben sich bei § 1 Abs. 2a GrEStG erhebliche systematische Verwerfungen. Wem wäre das Grund­ stück dann zuzurechnen – teilweise der fiktiv neuen Personengesell­ schaft (z.B. 75%) und teilweise ihren Altgesellschaftern (z.B. 25%)? Wer trüge die Grunderwerbsteuer auf die fiktiv übertragenen 75% – die fiktiv neue Personengesellschaft oder doch nur die Neugesellschafter, die ja auch die tatsächlichen Erwerber sind? Das verunglückte Konstrukt des § 1 Abs. 2a GrEStG bräche endgültig in sich zusammen. Die Vorschrift wäre in einem quotalen Besteuerungssystem daher nicht mehr aufrecht­ zuerhalten und müsste – wie es nach den Ergebnissen dieser Arbeit ohne­ hin erforderlich ist – abgeschafft werden. 4.4.3.1.2 Qualifikation als Kapitalverkehrsteuer? Neben gleichheitsrechtlichen Bedenken wird in der Literatur auch der Gesichtspunkt gegen eine Herabsenkung der Beteiligungsschwelle vorge­ bracht, dass sich dadurch der Charakter der Grunderwerbsteuer hin zu einer Kapitalverkehrsteuer ändern könne.1617 Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass bei einer geringeren Beteiligungsschwelle eine Zurech­ nung des Grundstücks zum Anteilserwerber nicht mehr gelinge, und in­ soweit dann nicht mehr ein fiktiver Grundstückserwerb, sondern ein Anteilserwerb besteuert werde.1618 Diese Überlegung gilt bereits bei einer

1615 Siehe Abschnitt 3.2.2.2.4.3, ab S. 132. 1616 Eine gesetzliche Typisierung darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Es genügt nicht, wenn lediglich eine „abstrakte Missbrauchsgefahr“ zum Anlass für eine von diesem typischen Missbrauchsfall losgelöste, generalisierende Regelung ge­ nommen wird; vgl. BVerfG, Beschluss v. 29. 3. 2017, 2 BvL 6/11, BGBl. I 2017, S. 1289 = juris, Rz. 127 f. m.w.N. 1617 J. Schanko, UVR 2016, S. 16 (18); S. Behrens, UVR 2017, S. 15 (19). 1618 Vgl. J. Schanko, UVR 2016, S. 16 (18); S. Behrens, UVR 2017, S. 15 (19).

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

75%-Beteiligungsschwelle, da eine vollständige Grundstückszurechnung bereits dann nicht mehr möglich ist.1619 Fraglich ist allerdings, welche Konsequenzen eine derartige Änderung des Charakters der Steuer hätte. Relevant ist die Einordnung zum einen im Hinblick auf die Richtlinie 2008/7/EG,1620 die die Einführung einer Gesellschaftssteuer im Sinne einer Steuer auf Einbringungen in Gesell­ schaften verbietet. Deutschland hat die Gesellschaftssteuer1621 mit Ab­ lauf des Jahres 1991 abgeschafft; eine Wiedereinführung lässt die Richtli­ nie 2008/7/EG nicht zu. Allerdings erstreckt sich die Richtlinie nur auf solche indirekten Steuern, die auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesell­ schaften, Umstrukturierungen im Sinne von Einbringungen in Kapital­ gesellschaften und die Ausgabe bestimmter Wertpapiere und Obligatio­ nen erhoben werden.1622 Die Grunderwerbsteuer würde demgegenüber auch nach einer Änderung der relevanten Quoten primär an eine Anteils­ übertragung unabhängig davon anknüpfen, ob diese mit einer Kapitalzu­ führung oder Einbringung in die Gesellschaft einhergeht. Im Hinblick auf die Vorgängerrichtlinie 69/335/EWG1623 hat der BFH daher keinen Verstoß erkannt.1624 Auch von der Richtlinie 2008/7/EG wird die Grund­ erwerbsteuer nicht erfasst, so dass ein Konflikt mit dem Europarecht nicht zu erblicken ist.1625 Des Weiteren hat die Qualifikation der Grunderwerbsteuer Relevanz für die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzverteilung. Als Verkehrsteu­ er fällt die Grunderwerbsteuer grundsätzlich unter die Regelung des Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG, der die Aufkommenshoheit den Ländern zuweist. Bei einer Qualifikation als Kapitalverkehrsteuer stünde das ­ ­Aufkommen hingegen gem. Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 GG dem Bund zu. Al­ lerdings würde die Grunderwerbsteuer auch bei einer Änderung der Be­ 1619 A.A. S. Behrens, UVR 2017, S. 15 (19) sowie Wissenschaftliche Dienste des Deut­ schen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 - 3000 3 108/16, PE 6 - 3000 - 122/16 (15. 9. 2016), S. 10 f., wonach bei einer Absenkung auf 75% weiterhin von der Besteuerung eines „fingierten“ Grundstückserwerbs ausgegangen werden könne, und erst bei einer niedrigeren Schwelle der Charakter einer Kapitalverkehrsteuer vorliege. 1620 Richtlinie 2008/7/EG v. 12. 2. 2008, ABlEU 2008/L 46/11. 1621 §§ 2 bis 10 KVStG 1972, BGBl. I 1972, S. 2129. 1622 Siehe Art. 1 und 4 der Richtlinie 2008/7/EG v. 12. 2. 2008, ABlEU 2008/L 46/11. 1623 Richtlinie 69/335/EWG v. 17. 7. 1969, AblEG L 249. 1624 BFH, Beschluss v. 18. 11. 2005, II B 23/05, BFH/NV 2006, S. 612. 1625 So auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 - 3000 3 108/16, PE 6 - 3000 - 122/16 (15. 9. 2016), S. 13, die zusätzlich auch einen möglichen Konflikt mit den Grundfreiheiten geprüft und ausgeschlos­ sen haben.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

teiligungsquoten in den Ergänzungstatbeständen nicht vollumfänglich als Kapitalverkehrsteuer qualifiziert werden können; der Grundtatbe­ stand der Übertragung des Eigentums an Grundstücken bliebe erhalten und wäre weiterhin prägend. Schanko scheint es für möglich zu halten, dass die Grunderwerbsteuer ggf. auch teilweise ihren Charakter ändern könne, und insoweit die Aufkommenshoheit der Länder verloren gehen könne.1626 Konsequenz dieser Sichtweise wäre, dass das Aufkommen aus § 1 Abs. 1 GrEStG weiterhin den Ländern zustünde, das Aufkommen aus § 1 Absätze 2a, 3, und 3a GrEStG hingegen dem Bund. Eine derartige Er­ tragsaufteilung nach unterschiedlichen Tatbeständen innerhalb einer Steuer wäre jedoch einzigartig in der Geschichte der Finanzverfassung und erscheint selbst dann, wenn sie trennscharf praktikabel wäre, nicht ohne eine Verfassungsänderung erreichbar.1627 Da Art. 106 GG eine strik­ te Trennung zwischen Steuern in der alleinigen Ertragshoheit des Bundes (Abs. 1) und der Länder (Abs. 2) vornimmt, bleibt weiterhin eine Gesamt­ einordnung erforderlich. Danach wäre die Grunderwerbsteuer auch bei Einführung eines quotalen Besteuerungssystems immer noch überwie­ gend eine Steuer auf Grundstücks- und nicht auf Anteilsübertragun­ gen.1628 4.4.3.1.3 Zwischenergebnis Eine substanzielle Absenkung der Beteiligungsschwelle in den grunder­ werbsteuerlichen Ergänzungstatbeständen über die jüngst beschlossene 90%-Quote hinaus würde an der finanzverfassungsrechtlichen Einord­ nung der Grunderwerbsteuer als sonstige Verkehrsteuer nichts ändern; sie wäre jedoch allenfalls dann verhältnismäßig ausgestaltbar, wenn gleichzeitig auch die Bemessungsgrundlage der Steuer auf den quotalen Umfang des Anteilserwerbs begrenzt wird. Dies bedeutet nicht, dass eine quotale Bemessungsgrundlage jede Absenkung der Beteiligungsschwelle rechtfertigen würde. Letztere würde einen fundamentalen Systemwech­ sel bewirken und eine Erweiterung des Grundstücksbegriffs des § 2 GrEStG um ideelle Wertanteile an Grundstücksgesellschaften erfordern. Verfassungsmäßig wäre eine solche Änderung nur dann, wenn erhebliche weitere Modifikationen im Regelungsgefüge vorgenommen würden; ins­ besondere müssten aus gleichheitsrechtlichen Gründen alle Regelungen, die bei einem mittelbaren Anteilserwerb eine Stufenbetrachtung vorse­ hen, abgeschafft werden. Gleichermaßen gestrichen werden müsste die 1626 Vgl. J. Schanko, UVR 2016, S. 16 (18). 1627 Vgl. K.-D. Drüen, Ubg 2018, S. 673 (681). 1628 Vgl. K.-D. Drüen, Ubg 2018, S. 673 (682).

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG, die in ein quotales Besteuerungssys­ tem nicht integrierbar wäre. Zu einer solch weitreichenden Neuordnung der Ergänzungstatbestände, die auch sachgerechte Entlastungen mit sich brächte, scheint sich der Gesetzgeber derzeit nicht entschließen zu kön­ nen. 4.4.3.2 Sonderregime für Immobiliengesellschaften Unabhängig davon, ob eine Senkung der Erheblichkeitsschwellen inner­ halb des bestehenden Grunderwerbsteuersystems erfolgt oder ob ein quotales Besteuerungssystem erreichtet wird, begegnen die vorstehend diskutierten Reformkonzepte verfassungsrechtlichen Bedenken. Beide Konzepte würden den Bereich der Steuerbarkeit von Gesellschafterwech­ seln erheblich ausdehnen, ohne eine Entlastung für solche Erwerbs­ vorgänge zu schaffen, die außerhalb der Zielrichtung der bisherigen Ge­ setzesinitiativen lägen, die „große Immobilientransaktionen“1629 und den „Handel mit Immobilien“1630 im Blickfeld haben. Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen, ist es er­ forderlich, die Neuregelung zur Besteuerung der „Share Deals“ tatbe­ standlich enger an den für eigentlich besteuerungswürdig erachteten Sachverhalten auszurichten.1631 Die naheliegendste Eingrenzung wäre es, eine Absenkung der grunderwerbsteuerlich relevanten Beteiligungs­ schwellen nur für solche Gesellschaften zu verwirklichen, deren Vermö­ gen ganz oder überwiegend aus Immobilien besteht.1632 Dadurch würde sichergestellt, dass die Übertragung von Anteilen an „normalen Unter­ nehmen“ nicht stärker belastet wird.1633 Beim Gesellschafterwechsel ak­ tiv gewerblicher Unternehmen, zu deren Betriebsvermögen auch Grund­

1629 Antrag des Landes Schleswig-Holstein im Bundesrat – „Beseitigung von Steuer­ gestaltungen im Rahmen von share deals und Unterstützung des Ersterwerbs von eigengenutzten Wohnimmobilien“ v. 13. 9. 2017, BR-Drs. 627/17. 1630 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen et al. im Bundestag – „Spekulati­ on mit Immobilien und Land beenden – Keine Steuerbegünstigung für Übernah­ men durch Share Deals“ v. 1. 6. 2016, BT-Drs. 18/8617. 1631 In diesem Sinne auch C. Joisten, ifst-Schrift 528 (2019), S. 32 ff. 1632 Vgl. C. Joisten, ifst-Schrift 528 (2019), S. 52 unter Verweis auf das Vorbild der Niederlande sowie C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 274 ff. und 292 ff., die die Einführung eines gesonderten Ergänzungstat­ bestands für Erwerb von Anteilen an Immobiliengesellschaften vorschlägt. Als Eingriffsschwelle innerhalb dieses Sonderregimes schlägt Tigges eine Beteiligung von 1% vor; eine Immobiliengesellschaft solle ab einer Immobilienquote von 90% vorliegen. 1633 Vgl. K. Petkova/A. Weichenrieder, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 13 (15).

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

stücke gehören, ist die Annahme einer grunderwerbsteuerinduzierten Gestaltung von vornherein ausgeschlossen. Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass überall dort, wo eine Share-Deal-Besteuerung mit einer Beteiligungsschwelle unter­ halb von 95% erfolgt, die jeweilige Regelung auch an die Erreichung ei­ ner Mindestquote des Immobilienwerts im Grundstücksvermögen ge­ knüpft ist.1634 Teilweise wird noch zusätzlich nach der Geschäftstätigkeit und der Art des Immobilienvermögens differenziert.1635 Im deutschen Steuerrecht ist ein Abstellen auf die Art des Vermögens einer Gesell­ schaft aus der Regelung des § 13b Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. Abs. 4 ErbStG (Betriebs- vs. Verwaltungsvermögen) bekannt. Für die rechtssichere Defi­ nition einer „Immobiliengesellschaft“ könnten zudem die bestehenden Konzepte des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e) cc) EStG1636 oder des § 1 i.V.m. § 12 REITG1637 als Vorbilder herangezogen werden werden. Der Nachteil eine gesellschaftsbezogenen Vermögensbetrachtung in der Grunderwerbsteuer bestünde darin, dass bei jeder Anteilsübertragung eine Bewertung des Immobilienvermögens erfolgen müsste, was im Ein­ zelfall mit erhöhtem Aufwand und Ermittlungsschwierigkeiten verbun­ den sein kann.1638 Darüber hinaus könnte in verfassungsrechtlicher Hinsicht eine rechtfer­ tigungsbedürftige Ungleichbehandlung von Immobiliengesellschaften und anderen Gesellschaften mit prozentual geringerem Grundbesitz er­ blickt werden. Die Rechtfertigung einer derartigen Differenzierung sollte jedoch zumindest bei solchen Gesellschaften gelingen, die ausschließ­ lich Grundvermögen halten.1639 Die Unterstellung, dass der Erwerb von 1634 Vgl. Übersichten bei K. Petkova/A. Weichenrieder, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 13 (15); R. Heurung/C. Tigges, Ubg 2018, S. 110 (114). Demnach ist etwa in Ungarn der Erwerb von 75% an einer Gesellschaft grunderwerbsteuerbar, wenn deren ungarisches Immobilienvermögen mehr als 75% der Bilanz umfasst. Frankreich, die Niederlande und Spanien knüpfen an eine Immobilienquote von 50% an. 1635 Vgl. Übersicht bei K. Petkova/A. Weichenrieder, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 13 (15): Z.B. Erfassung nur von Gesellschaften mit Wohnimmobilien (Spanien) oder Voraussetzung einer überwiegenden Tätigkeit der Gesellschaft im Immobilien­ handel oder der Immobilienentwicklung (Niederlande). 1636 Vgl. C. Joisten, ifst-Schrift 528 (2019), S. 32 ff. 1637 Vgl. C. Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer (2018), S. 275. 1638 Vgl. J. Schanko, UVR 2016, S. 16 (19); R. Heurung/C. Tigges, Ubg 2018, S. 110 (116). 1639 Nach Auffassung der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages wären etwa sog. „Wohnungsgesellschaften“ eine Sonderform, bei der sich eine spezifische Absenkung der Beteiligungsquote „überzeugend begründen“ ließe, vgl. Wissen­

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

Anteilen an derartigen Gesellschaften auf den Erwerb der Wertsubstanz des von diesen gehaltenen Grundvermögens gerichtet ist, erscheint im Rahmen der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnisse zulässig. Werden Anteile an Gesellschaften erworben, die ein gewerbliches Unternehmen betreiben, darf demgegenüber typisierend vermutet werden, dass die ­Anteilstransaktion nicht vorrangig auf den Erwerb der Unternehmens­ immobilien gerichtet ist. Als zusätzlicher Rechtfertigungsgrund für ein grunderwerbsteuerliches Sonderregime für Immobiliengesellschaften käme ggf. die Verfolgung ­außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele in Betracht.1640 In der Bundestagsinitiative aus dem Jahr 2016 war bereits das Ziel einer Verhin­ derung einer „Konzentration von Wohnungsbeständen in Händen großer Marktteilnehmer“ und der daraus resultierenden steigenden Mieten und Bodenpreise formuliert worden.1641 Gelänge es, entsprechend dieser Ziel­ setzung eine teiltransparente Besteuerung für Immobiliengesellschaften zu etablieren, entstünde auch Raum für die aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderliche1642 grunderwerbsteuerliche Entlastung gewerbli­ cher Unternehmen. 4.4.3.3 Zuschlag bei kurzer Haltedauer Als weiteren Alternativvorschlag zu einer Herabsenkung der Beteili­ gungsschwelle haben Ökonomen die Einführung eines vom Veräußerer zu entrichtenden Steuerzuschlags abhängig von der Haltedauer des Grundstücks ins Gespräch gebracht.1643 Der Zuschlag könnte unabhängig davon erhoben werden, ob ein Grundstück („Asset Deal“) oder ob Antei­ le an einer Grundstücksgesellschaft („Share Deal“) verkauft werden. Vor­ teil einer solchen Regelung wäre, dass sie das Lenkungsziel einer Ein­ dämmung von Immobilienspekulationen im Rahmen einer Tarifregelung adressiert, ohne in das bisherige Besteuerungssystem der Vollzurechnung (d.h. Grunderwerbsteuer nur bei Übergang des ganzen Grundstücks oder Anteilsübertragung von mindestens 95%) einzugreifen.

schaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 - 3000 3 108/16, PE 6 - 3000 - 122/16 (15. 9. 2016), S. 12. 1640 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, S. 655 = BVerfGE 93, 121 = juris, Rz. 76 ff. m.w.N. 1641 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen et al. im Bundestag – „Spekula­ tion mit Immobilien und Land beenden – Keine Steuerbegünstigung für Über­ nahmen durch Share Deals“ v. 1. 6. 2016, BT-Drs. 18/8617, S. 2. 1642 Hierzu siehe oben Abschnitt 2.1.1.3, ab S. 12. 1643 Vgl. T. Hentze/M. Voigtländer, IW policy paper 17/2017, S. 25 f.

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4  Die Personengesellschaft zwischen S ­ teuerumgehung und Übermaßbesteuerung

Verfassungsrechtlich ließe sich ein grunderwerbsteuerrechtlicher „Spe­ kulationszuschlag“ aufgrund seines Lenkungscharakters gut rechtferti­ gen. Voraussetzung wäre jedoch eine verhältnismäßige Ausgestaltung sowie die verfahrensmäßige Sicherstellung einer effektiven und damit gleichheitssatzkonformen Erhebung.1644 4.4.3.4 Reduzierung ökonomischer Anreize zu Share Deals Darüber hinaus existieren verschiedene Vorschläge von Finanzwissen­ schaftlern, den Anreiz zum Einsatz von „Share Deals“ durch strukturelle Steuerentlastungen zu reduzieren. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die vielfach landesindividuell stark angehobenen Steuersätze Aus­ weichreaktionen hervorrufen, zu denen auch die verstärkte Strukturie­ rung von Immobilientransaktionen als „Share Deal“ gehören könnte.1645 Als anekdotische Evidenz wird die Entwicklung in der Stadt Hamburg angeführt, wo seit Anhebung des Steuersatzes auf 5% die Grunderwerb­ steuereinnahmen trotz steigender Immobilieninvestitionstätigkeit stark zurückgegangen seien.1646 Vorgeschlagen wurde unter anderem eine ganze oder auf gewerbliche In­ vestoren begrenzte Integration in die Umsatzsteuer,1647 wodurch die Steuer sich effektiv nur noch auf die Wertzuwächse erstrecken würde. Des Weiteren werden die gänzliche Freistellung gewerblicher Immobi­ lientransaktionen (unabhängig von ihrer Ausgestaltung)1648 sowie die Rückführung auf einen bundeseinheitlichen, niedrigen Grunderwerb­ steuersatz1649 ins Gespräch gebracht. Diese Ideen, deren Verwirklichungschance aufgrund der Länderfiskalin­ teressen gering ist, verdienen Beachtung. Im Gegensatz zu neuen Miss­ brauchsverhinderungsregeln, die zwangsläufig auch wieder neue Gestal­

1644 Vgl. BVerfG, Urteil v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BStBl. II 2005, S. 56 = BVerfGE 110, 94 = juris, Rz. 63 ff. zum strukturellen Erhebungsdefizit bei der Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren nach § 23 EStG in den Veran­ lagungszeiträumen 1997 und 1998. 1645 Vgl. J. Boysen-Hogrefe, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 3 (4); W. Scherf/C. Dresselhaus, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 6 (7); T. Hentze/M. Voigtländer, IW policy ­paper 17/2017, S. 19 f. 1646 Vgl. J. Boysen-Hogrefe, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 3 (4). 1647 Vgl. T. Hentze/M. Voigtländer, IW policy paper 17/2017, S. 24 f.; W. Scherf/​ C. Dresselhaus, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 6 (7). 1648 Vgl. K. Petkova/A. Weichenrieder, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 13 (14). 1649 Vgl. J. Boysen-Hogrefe, ifo-Schnelldienst 21/2017, S. 3 (5).

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4.4  Exkurs – Gesetzesvorhaben zu sog. „Share Deals“

tungsanreize auslösen würden,1650 könnte durch derartige Maßnahmen der Anreiz zu „Share Deals“ tatsächlich in gleichheitsrechtskonformer Weise reduziert werden.

4.4.4 Ergebnis Die derzeit geplante Reform1651 der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungs­ tatbestände ist aus steuersystematischen und verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen, da sie die steuerlichen Eingriffsschwellen einseitig und allgemein absenkt, ohne die Missbrauchssachverhalte, auf die ei­ gentlich abgezielt wird, hinreichend zielgenau zu typisieren. Das Missbrauchsverhinderungsziel könnte auf verhältnismäßige Weise erreicht werden, indem das verschärfte Regelungsregime tatbestandlich auf reine Immobiliengesellschaften begrenzt wird bzw. erst ab einer be­ stimmten Immobilienquote im Gesellschaftsvermögen eingreift, auch wenn sie in der Praxis ggf. einen erhöhten Bewertungsaufwand erfordern würde. Auch die von Finanzwissenschaftlern vorgetragenen Alternativ­ vorschläge, die beabsichtigte stärkere grunderwerbsteuerliche Erfassung von Immobilientransaktionen nicht durch eine Ausweitung der Ergän­ zungstatbestände, sondern durch Tarifänderungen wie etwa einen „Spe­ kulationszuschlag“ oder durch andere ökonomische Anreizmaßnahmen zu bewirken, verdienen Beachtung und könnten aus steuersystemati­ scher und verfassungsrechtlicher Sicht eine folgerichtige Lösung darstel­ len. Zuerst sollte aber die Notwendigkeit einer Gesetzesmaßnahme im Hin­ blick auf die Besteuerung der „Share Deals“ nochmals kritisch überprüft werden. Bereits heute führen die grunderwerbsteuerlichen Ergänzungs­ tatbestände in sehr vielen Fällen zu einer ungerechtfertigten Besteuerung gänzlich missbrauchsferner Sachverhalte. Das Pendel zwischen Steuer­ umgehung und Übermaßbesteuerung ist bei der Grunderwerbsteuer in den letzten Jahren deutlich in die Richtung der Übermaßbesteuerung ausgeschlagen. Der in dieser Arbeit identifizierte Reformbedarf hinsicht­ lich der Besteuerung der Personengesellschaft, der auch die Beseitigung eines verfassungswidrigen Zustands bei wesentlichen Regelungen ein­ schließt, ist von weitaus höherer Dringlichkeit als eine neuerliche Ge­ setzesverschärfung. 1650 H. Flick, in: Festschrift F. Klein (1994), S. 329 (346); J. Hey, in: DStJG Bd. 33 (2010), S. 139 (147 f.); R. Heurung/C. Tigges, Ubg 2018, S. 110 (117). 1651 Stand: Regierungsentwurf vom 23. 9. 2019, BT-Drs. 19/13437.

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5  Zusammenfassung in 100 Thesen

Zu Kapitel 2: Wesen der Grunderwerbsteuer und Rechtsnatur der Personengesellschaft Zu Abschnitt 2.1: Die Grunderwerbsteuer in der Rechtsordnung Zu Abschnitt 2.1.1: Steuersystematische Einordnung der Grunderwerbsteuer1652 1. Die Grunderwerbsteuer ist finanzverfassungsrechtlich den Verkehrsteuern zuzuordnen. Von den Verbrauchsteuern unterscheidet sie sich durch ihre Belastungskonzeption, die Unternehmer und Verbrau­ cher gleichermaßen erfasst, sowie dadurch, dass für die Steuerbarkeit ein bloßer Verbrauchsakt einer einzelnen Person (z.B. Einfuhr oder Entnahme) nicht genügt, sondern ein Verkehrsvorgang zwischen zwei Personen erforderlich ist. 2. In steuersystematischer Hinsicht stellt die Grunderwerbsteuer eine Sonderumsatzsteuer auf Grundstücksumsätze dar. Die Entscheidung des Gesetzgebers, sie nicht in die Umsatzsteuer zu integrieren, steht in Einklang mit höherrangigem Recht und ist aufgrund der struktu­ rellen Besonderheiten des Grundstückmarktes, der typischerweise keine Wertschöpfungskette, sondern ein offener Kreislauf ohne „End­ verbraucher“ ist, nachvollziehbar. 3. Aufgrund des Fehlens eines Vorsteuerabzugs erhält die Grunderwerb­ steuer den Charakter einer Sonderunternehmensteuer. Verfassungs­ rechtlich problematisch ist hierbei sowohl die sachliche Ungleichbe­ handlung von Betriebsgrundstücken und sonstigen Wirtschaftsgütern als auch die Nichtunterscheidung zwischen Unternehmenskäufen und reinen Immobilientransaktionen sowie die – auch nach Ein­ führung des § 6a GrEStG immer noch vorhandene – Belastung unter­ nehmensinterner Reorganisationsakte. Mit dem Argument der „Un­ merklichkeit“ der Steuer kann dies angesichts der zuletzt stark angehobenen Steuersätze nicht mehr gerechtfertigt werden.

1652 S. 7 ff.

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Zu Abschnitt 2.1.2: Rechtfertigung und Belastungsgrund der Grund­ erwerbsteuer1653 4. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Grunderwerbsteuer genügt es nicht, auf deren Erwähnung in Art. 105 GG zu verweisen. Die Nennung in der Finanzverfassung (erstmals Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG 1949) enthält keine Legitimationsentscheidung, sondern nur eine Kompetenzregelung. Die Grunderwerbsteuer ist deshalb sowohl hin­ sichtlich ihrer originären Belastungsentscheidung als auch ihrer kon­ kreten Ausgestaltung an den Maßstäben der Gleichheits- und Frei­ heitsrechte zu überprüfen und auszurichten. 5. Entgegen einer verbreiteten Auffassung kommt dem Leistungsfähig­ keitsprinzip auch im Bereich der Verkehrsteuern eine tragende Be­ deutung zu. Zwar differenzieren diese Steuern bei Steuersatz und Be­ messungsgrundlage nicht nach den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen; sie berücksichtigen jedoch dessen durch die Teil­ nahme am Rechtsverkehr indizierte Leistungsfähigkeit. 6. Die Grunderwerbsteuer ist nur in technischer Hinsicht als Rechts­ verkehrsteuer ausgestaltet. Nach der gesetzgeberischen Belastungs­ konzeption, die bereits dem ersten GrEStG aus dem Jahr 1919 zu Grunde lag, dient die formale Anknüpfung an rechtliche Vorgänge allein der rechtssicheren Erfassung der hinter diesen stehenden wirt­ schaftlichen Vorgänge. Die in Rechtsprechung und Literatur immer noch vorzufindende Ansicht, es werde der „Rechtsvorgang als sol­ cher“ besteuert, ist deshalb zurückzuweisen. 7. Das GrEStG enthält seit jeher Tatbestände, die auch den Erwerb wirt­ schaftlicher (§ 6 GrEStG 1919, § 1 Abs. 2 GrEStG 1940) und gesell­ schaftsrechtlicher (§ 3 GrEStG 1919, § 1 Abs. 3 GrEStG 1940) Zu­ griffsmöglichkeiten auf ein Grundstück für steuerbar erklären. Diese irreführend als „Ergänzungstatbestände“ bezeichneten Vorschriften sind keine systemfremden Behelfsnormen, sondern bestimmen den Besteuerungsgegenstand des GrEStG maßgeblich mit. Dieser liegt im Erwerb der Verfügungs- oder Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich eines Grundstücks, mithin im wirtschaftlichen Grundstücksumsatz. 8. Der rechtfertigende Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer ist die Leistungsfähigkeit indizierende Teilnahme des Erwerbers am Grund­ stücksmarkt. Soweit der Grundstückserwerber eigenes Einkommen 1653 S. 14 ff.

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oder Vermögen für den Grundstückserwerb einsetzt, offenbart sich hierin unmittelbar wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Soweit die verwendeten Mittel fremdfinanziert sind, wird die Leistungsfähigkeit durch seine Fähigkeit, in dieser Weise am Rechtsverkehr teilzuneh­ men, indiziert. Da die Regelbemessungsgrundlage an den Wert der Gegenleistung anknüpft, weist die Grunderwerbsteuer die verfas­ sungsrechtlich gebotene Ausrichtung am Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich auf. Zu Abschnitt 2.1.3: Zivilrechtsbindung und wirtschaftliche Betrachtungsweise1654  9. Der herrschenden Lehre, wonach kein Vorrang, sondern nur eine Vorherigkeit des Zivilrechts vor dem Steuerrecht besteht, ist zuzu­ stimmen. Das Steuerrecht knüpft an zivilrechtliche Formen und In­ stitutionen an, besitzt aber eine eigene Teleologie, die auf die Erfas­ sung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gerichtet ist. 10. Die teleologische Eigenständigkeit des Steuerrechts lässt auch eine abweichende steuerrechtliche Interpretation eines aus dem Zivil­ recht entnommenen Begriffs zu. Ein Widerspruch zwischen dem zivilrechtlichen Fundamentalziel der Privatautonomie und dem ­ steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip entsteht dadurch re­ gelmäßig nicht, da beide Grundsätze das gemeinsame Ziel der Rechtsform- und Rechtshandlungsneutralität verfolgen. In der Rea­ lität vorhandene Störungen der Privatautonomie durch ein nicht entscheidungsneutrales Steuergesetz können durch eine zweckge­ rechte steuerjuristische Rechtsanwendung abgemildert oder besei­ tigt werden. 11. Die Auslegung und Anwendung der Steuerrechtsnormen verlangen nach einer eigenen sog. steuerjuristischen Betrachtungsweise, die den Kern der steuererheblichen Leistungsfähigkeit wirklichkeitsge­ recht erfasst. Die unmodifizierte Übernahme zivilrechtlicher Be­ griffsinhalte kommt hierbei nur in Frage, soweit es sich um sog. Statusbegriffe mit gesetzesübergreifender Ordnungsfunktion handelt, oder eine explizite Verweisung auf eine Zivilrechtsnorm vorliegt. Andernfalls ist zu überprüfen, ob der steuerrechtliche Normzweck eine vom zivilrechtlichen Begriffsinhalt abweichende Interpretation verlangt. Als dritte Gruppe zu unterscheiden sind steuerrechtliche

1654 S. 43 ff.

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Eigenbegriffe, die im Zivilrecht nicht vorkommen und zwangsläufig nur nach steuerrechtlichen Maßstäben ausgefüllt werden können. 12. Das Grunderwerbsteuerrecht enthält nur eine begrenzte Zahl von Rechtsbegriffen, deren Inhalt sich nach den o.g. Maßstäben unmit­ telbar und eindeutig aus dem Zivilrecht bestimmen lässt (z.B. „Kauf­ vertrag“, „Auflassung“) oder die die Eindeutigkeit eines Statusbe­ griffs aufweisen (z.B. „Personengesellschaft“). Zahlreiche Begriffe (z.B. „Anteil“, „Gesellschafter“) lassen mehrdeutige Interpretatio­ nen zu, was eine eigenständige grunderwerbsteuerrechtliche Ausle­ gung unerlässlich macht. Darüber hinaus bedient sich das GrEStG einer großen Zahl steuerrechtlicher Eigenbegriffe (z.B. „Anteils­ vereinigung“, „Verwertungsmöglichkeit“, „wirtschaftliche Beteili­ gung“), die im Zivilrecht nicht vorkommen. Anders als in der Lite­ ratur vertreten wird, ist eine besondere, den Auslegungsspielraum beschränkende zivilrechtliche Vorprägung der Grunderwerbsteuer nicht feststellbar. 13. Die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise ist keine ökonomische, sondern eine steuerjuristische Methode. Sie begrenzt die Maßgeb­ lichkeit zivilrechtlicher Begriffe, um den steuererheblichen Sachver­ halt wirklichkeitsgerecht zu erfassen und erweitert auf diese Weise die Wirkung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf den Bereich der Rechtsanwendung. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann sich zu Gunsten wie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirken; im letztgenannten Fall ist jedoch die Grenze des möglichen Wort­ sinns strikt einzuhalten. 14. Die Teleologie des GrEStG gibt keinen Anlass, die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in diesem Rechtsgebiet einzu­ schränken. Die Rechtsprechung begreift die wirtschaftliche Betrach­ tungsweise bislang jedoch nicht als integralen Sachgerechtigkeits­ maßstab, sondern verwendet sie nur punktuell zur Ausfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale wie etwa dem „mittelbaren“ Ge­ sellschafterwechsel. Dies führt zu einer einseitigen Steuerverschär­ fung, da sich der Steuerpflichtige bei Rechtsträgerwechseln, bei de­ nen die wirtschaftliche Berechtigung unverändert bleibt, weiterhin nicht auf wirtschaftliche Umstände berufen kann.

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Zu Abschnitt 2.2: Rechtsnatur und grunderwerbsteuerrechtliche Rezeption der Personengesellschaft Zu Abschnitt 2.2.1: Gesellschaftsrechtliche Grundlagen1655 15. Die Personengesellschaft ist ein rechtsfähiges Gebilde, das sich im Hinblick auf ihre Haftungsverfassung und das Innenverhältnis der Gesellschafter von den juristischen Personen unterscheidet, aufgrund gesellschaftsvertraglicher Dispositionsmöglichkeiten aber struktu­ rell weitgehend an diese angenähert werden kann. Ausgeschlossen bleiben dabei jedoch der Erwerb eigener Anteile und der Fortbestand mit nur einem Gesellschafter. 16. Im Gesellschaftsrecht hat sich in den letzten Jahrzehnten die Sicht­ weise durchgesetzt, dass Personengesellschaften einschließlich der GbR ihrer Natur nach – und nicht nur aufgrund der Anordnung in § 124 Abs. 1 HGB – selbständige Rechtssubjekte sind. Sie sind for­ mell und materiell grundbuchfähig, d.h. sie können Eigentümer von Grundstücken sein und als solche mit ihrem eigenen Namen (und nicht mit dem ihrer Gesellschafter) ins Grundbuch eingetragen wer­ den. Darüber hinaus können sie auch durch Beteiligung an anderen (Grundstücks-) Gesellschaften am Grundstücksverkehr teilnehmen. 17. Personengesellschaften, sind – mit wenigen Ausnahmen – als sog. Gesamthandsgemeinschaften organisiert, deren Vermögen gesamt­ händerisch gebunden ist und den Verfügungsverboten des § 719 Abs. 1 BGB unterliegt. Während nach der früher herrschenden tradi­ tionellen Gesamthandslehre das Gesellschaftsvermögen als Sonder­ vermögen der Gesellschafter angesehen wurde, dessen Besitz von den Gesellschaftern selbst ausgeübt wird, betrachtet die neue Ge­ samthandslehre die Gesellschaft selbst als Trägerin des Vermögens. 18. Die rechtliche Struktur der Beteiligung an einer Personengesell­ schaft ist vielschichtig und erfordert die strikte Unterscheidung zwischen der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft (auch als „Ge­ ­ sellschaftsanteil“ bezeichnet), der mit ihr verbundenen dinglichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen (auch als „Vermögens­ anteil“ bezeichnet), dem Kapitalanteil, der den Stand der Einlage des Gesellschafters angibt, sowie weiteren Größen wie der Gewinnbzw. Verlustbeteiligung und dem Auseinandersetzungsguthaben.

1655 S. 73 ff.

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19. Nach dem gesetzlichen Leitbild ist der Kapitalanteil variabel und unterliegt ständiger Veränderung. Die Gewinnverteilung sowie das Stimmrecht werden nach Köpfen bemessen und die Beschlussfas­ sung erfolgt einstimmig. In der gesellschaftsvertraglichen Praxis ist es jedoch üblich, dass feste Kapitalanteile vereinbart werden, die als Maßstab für weitere Beteiligungsgrößen wie die Gewinn- und Ver­ lustverteilung, das Stimmrecht und den Abfindungsanspruch heran­ gezogen werden. Zu Abschnitt 2.2.2: Die Rezeption der Personengesellschaft im Grund­ erwerbsteuerrecht – ein erster Überblick1656 20. Das Grunderwerbsteuerrecht spricht der Personengesellschaft seit jeher Rechtssubjektivität zu, indem es ihre Teilnahme am Grund­ stücksverkehr der Besteuerung unterwirft und hierbei die Gesell­ schaft selbst als Steuersubjekt, Steuerschuldnerin und anzeigepflich­ tige Person behandelt. 21. Die GbR wurde bereits vor der zivilrechtlichen Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit als selbständiges Grunderwerbsteuersubjekt ange­ sehen. Aufgrund dieser Historie kann von einer eigenen, vom Zivil­ recht unabhängigen grunderwerbsteuerlichen Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft gesprochen werden. 22. Eine zivilrechtliche Inhaltsbestimmung gelingt nur bei den Status­ begriffen der „Gesellschaft“ (§ 1 Absätze 3, 3a, § 6a GrEStG), „Perso­ nengesellschaft“ (§ 1 Abs. 2a GrEStG) und „Gesamthand“ (§§ 5, 6 GrEStG). Uneinheitlich und auslegungsbedürftig sind hingegen die Begriffe, mit denen der Gesellschaftsanteil umschrieben wird. Jeder einzelne der Steuer- und Befreiungstatbestände enthält eine eigene Formulierung des Anteilsbegriffs und wird auch unterschiedlich in­ terpretiert, wodurch eine hochkomplexe Kasuistik entstanden ist. 23. Das GrEStG zeichnet ein sehr freies Rechtsbild der Personengesell­ schaft, bei dem Wertungen des Gesellschaftsrechts insgesamt nur sehr begrenzt berücksichtigt werden. So sind etwa die Erkenntnisse der neuen Gesamthandslehre bis heute nicht im Grunderwerbsteu­ errecht angekommen. Der Gesetzgeber legt auch bei neueren Rege­ lungen das zivilrechtlich überholte Verständnis zu Grunde, dass der Personengesellschaft keine eigene Rechtsfähigkeit zukomme und ihr Vermögen den Gesellschaftern gehöre. 1656 S. 87 ff.

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Zu Kapitel 3: Die Grunderwerbsbesteuerung der Personengesellschaft. Zu Abschnitt 3.1: Erwerb und Übertragung von Grundstücken durch Personengesellschaften1657 24. Grunderwerbsteuerverfahrensrechtlich ist die Personengesellschaft vollständig verselbständigt. Erwirbt sie ein Grundstück, schuldet sie die nach § 1 Abs. 1 GrEStG entstehende Steuer gem. § 13 Nr. 1 GrEStG und ist anzeigepflichtige Person nach § 19 Nr. 1 GrEStG. 25. Die Haftung für Grunderwerbsteuerschulden der Personengesell­ schaft richtet sich nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln. Die neuere Rechtsprechung des BGH, wonach der eintreten­ de Gesellschafter auch bei der GbR für Gesellschaftsschulden analog §§ 128 ff. HGB haftet, gilt auch für Grunderwerbsteuerschulden. Die ältere BFH-Rechtsprechung, wonach die Haftung eine Mitwirkung des GbR-Gesellschafters an der steuerauslösenden Gestaltung erfor­ dere, ist insoweit überholt. 26. Die eigenständige Steuersubjektstellung der Personengesellschaft bedeutet, dass ohne gesetzliche Modifikation einerseits der Gesell­ schafterwechsel nicht steuerbar und andererseits Grundstücksüber­ tragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern voll steuer­ pflichtig wären. Die im GrEStG enthaltenen Ergänzungstatbestände (§ 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG) und Steuerbefreiungen (§§ 5, 6, 7 Abs. 2, 6a GrEStG) korrigieren dies und tragen hierdurch der gesetz­ geberischen Belastungsentscheidung Rechnung, den wirtschaftli­ chen Grundstücksumsatz zu besteuern. 27. Die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sind keine systemfremden „Steuerver­ günstigungen“ oder „Nichterhebungsvorschriften“, sondern mate­ rielle Steuerbefreiungen. Sie rechnen dem Gesamthänder einen ide­ ellen Grundstücksbruchteil zu und berücksichtigen dadurch den wirtschaftlichen Umstand, dass bei Übertragungen zwischen Ge­ sellschaft und Gesellschaftern keine belastungswürdige Markttrans­ aktion vorliegt. 28. Der traditionelle Begründungsansatz für die Steuerbefreiung nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG, dass jeder Gesamthänder zivilrechtlich un­ mittelbar am Gesamthandsvermögen und dessen einzelnen Gegen­ ständen mitberechtigt sei, lässt sich im Lichte der neuen Gesamt­ 1657 S. 95 ff.

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handslehre nicht mehr aufrechterhalten. Infolge des Wandels der zivilrechtlichen Rezeption der Gesamthand ist auch der rechtferti­ gende Differenzierungsgrund dafür weggefallen, dass die Steuerbe­ freiung nach §§ 5, 6, 7, Abs. 2 GrEStG nur für Gesamthandsgemein­ schaften, nicht aber für Kapitalgesellschaften gilt. Die wirtschaftlichen Aspekte, aus denen sich die Regelung nunmehr allein rechtfertigen lässt, treffen auf den Übergang zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern gleichermaßen zu. 29. Das verfassungsrechtliche Gebot rechtsformneutraler Besteuerung verlangt keine unbedingte Gleichbehandlung der Rechtsformen, wohl aber eine Rechtfertigung von Differenzierungen durch Unter­ schiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder durch Grün­ de, die sich aus dem Belastungsgrund der Steuer oder dem Norm­ zweck der Regelung ableiten lassen. Daran fehlt es im Fall der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG, deren Begrenzung auf Gesamthandsgemein­ schaften gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. 30. Demgegenüber weisen die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG nicht den Cha­ rakter einer (Alt-)Beihilfe im Sinne des Art. 267 Abs. 1 AEUV auf, da es sich nicht um eine Steuerbegünstigung mit Lenkungszweck, son­ dern um eine systemkonforme Steuerbefreiung handelt. Berücksich­ tigt man als Referenzsystem die materielle Belastungsentscheidung, wirtschaftliche Grundstücksumsätze am Markt zu besteuern, ist bereits die prima facie-Selektivität zu verneinen; andernfalls gelän­ ge eine Rechtfertigung durch den sog. Grundsatz der Steuerneutrali­ tät. Zu Abschnitt 3.2: Gesellschafterwechsel Zu Abschnitt 3.2.1: Vor- und Rahmenbedingungen1658 31. Der Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft kann sich originär durch Änderung des Gesellschaftsvertrags oder derivativ durch Anteilsübertragung vollziehen. Die grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände unterscheiden nicht zwischen den beiden Formen. 32. Die zivilrechtliche Rechtszuständigkeit hinsichtlich der Gesellschafts­ grundstücke verbleibt ungeachtet eines Gesellschafterwechsels bei der Personengesellschaft. Die Besteuerung des Gesellschafterwech­ 1658 S. 116 ff.

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sels dient der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung vergleichbarer wirtschaftlicher Sachverhalte; dieses Gebot beschränkt den Gestaltungsraum des Gesetzgebers jedoch gleichzeitig auf die Besteuerung derjenigen Fälle des Gesellschafterwechsels, die tat­ sächlich einer wirtschaftlichen Übertragung des Eigentums am Grundstück entsprechen. Zu Abschnitt 3.2.2: Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG)1659 33. § 1 Abs. 2a GrEStG ist als Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG konzipiert und entstand als Reaktion auf die weitgehende Nichtanwendbarkeit des § 1 Abs. 3 GrEStG bei Grundstücksperso­ nengesellschaften. Der Tatbestand soll nach dem gesetzgeberischen Willen den Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft steuerlich erfassen, wenn er im wirtschaftlichen Ergebnis der Über­ tragung des Grundstücks gleichkommt. 34. Die von § 1 Abs. 2a GrEStG statuierte Fiktion eines auf die Übereig­ nung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichte­ ten Rechtsgeschäfts ist ein freischwebendes grunderwerbsteuer­ rechtliches Konzept ohne Entsprechung in der zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Realität. Der Wechsel im Gesellschafterbestand ist wesensbestimmend für die Personengesellschaft als lebenden Orga­ nismus. Die Identität einer Personengesellschaft bleibt selbst von einem Austausch sämtlicher Gesellschafter unberührt; gleiches gilt für den Gesellschaftszweck und die Vermögenszuordnung. 35. Mit Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen des JStG 1997 wurde erstmals eine Beteiligungsschwelle von 95% im GrEStG ­etabliert. Diese inzwischen in allen Ergänzungstatbeständen enthal­ tene Quote lässt sich nicht auf gesellschaftsrechtliche Regelungen (insbesondere auch nicht auf den erst später eingeführten § 327a AktG) zurückführen, sondern rechtfertigt sich allein durch das Ziel der Missbrauchsverhinderung. Der 95%-Schwelle liegt die typisie­ rende wirtschaftliche Betrachtung zu Grunde, dass der Inhaber eines wertmäßigen Anteils von 95% an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft immer noch eine dem Eigentum am ganzen Grundstück vergleichbare Vermögensposition innehat.

1659 S. 118 ff.

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36. Der Gesetzgeber beabsichtigt derzeit eine Absenkung der in den grunderwerbsteuerrechtlichen Ergänzungstatbeständen enthaltenen 95%-Quote auf jeweils 90%. Hierin liegt nicht nur eine substanziel­ le Verschärfung der geltenden Rechtslage, sondern auch eine mögli­ che Überschreitung der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis. Wenn bis zu 10% der Anteile in den Händen anderer Personen blei­ ben, kann vom Rückbehalt eines „Zwerganteils“ nicht mehr die Rede sein; die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit dem Alleinei­ gentum ist bei einer 90%-Beteiligung nicht mehr gegeben. 37. § 1 Abs. 2a GrEStG enthält kein Beherrschungs- oder Zurechnungs­ erfordernis, d.h. der Tatbestand beschränkt sich nicht auf Erwerbe von 95% der Anteile durch eine Person, sondern lässt den kumulati­ ven Übergang von 95% der Anteile auf eine Mehrzahl voneinander unabhängiger neuer Gesellschafter genügen. Dies bewirkt eine Steu­ erbarkeit des Erwerbs ideeller Grundstücksbruchteile und wider­ spricht der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung, den Erwerb ganzer Grundstücke und vergleichbarer wirtschaftlicher Vorgänge zu besteuern. 38. Eine gesetzliche Typisierung darf nach der Rechtsprechung des ­BVerfG keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Da die hier auf­ gegriffene Fallgestaltung „Übergang von 95% der Personengesell­ schaftsanteile auf eine Mehrzahl voneinander unabhängiger neuer Gesellschafter“ keinen Missbrauch indiziert, überschreitet § 1 Abs. 2a GrEStG die gesetzgeberische Typisierungsbefugnis und ver­ stößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sowie das Folgerichtig­ keitsgebot. 39. Sollte der Gesetzgeber eine dem § 1 Abs. 2a GrEStG vergleichbare Regelung für Kapitalgesellschaften einführen, führt dies nicht zum Wegfall der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 2a GrEStG, da der wesentliche Gleichheitsrechtsverstoß nicht in der rechtsformbezo­ genen Ungleichbehandlung, sondern in der Gleichbehandlung von nicht zurechnungsverändernden Gesellschafterwechseln mit dem Grundstückserwerb liegt. 40. Auch Projektgesellschaften und geschlossene Immobilienfonds, die als Personengesellschaft ausgestaltet sind und neue Investoren als Kommanditisten aufnehmen, können nicht zwangsläufig als miss­ bräuchliche Steuergestaltungen angesehen werden. Grundstückser­ 328

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werb und -bebauung haben dort jeweils bereits der Grunderwerbund Umsatzsteuer unterlegen, so dass § 1 Abs. 2a GrEStG insoweit nur eine ungerechtfertigte Doppelbelastung auslöst. Die Unterstel­ lung einer wirtschaftlich „neuen“ Personengesellschaft lässt sich auch in diesen Fällen nicht begründen, da eine Fonds-Personenge­ sellschaft von vornherein auf die Aufnahme neuer Gesellschafter gerichtet ist, und ihr beim Beitritt weiterer Personen ein Wandel der Identität mithin nicht unterstellt werden kann. 41. Durch die Fiktion eines Erwerbs durch die Personengesellschaft selbst werden Steuerschuldnerschaft und Anzeigepflichten auf die Ebene der an den relevanten Rechtsvorgängen unbeteiligten Perso­ nengesellschaft verschoben und eine Anrechnung aufeinanderfol­ gender Rechtsvorgänge im Rahmen des § 1 Abs. 6 GrEStG verhin­ dert. Dieser nur vordergründig konsequente Aufgriff der gesetzlichen Fiktion verstößt gegen das Folgerichtigkeitsgebot, da der tatsächli­ che Erwerb nicht von der Personengesellschaft, sondern von deren Gesellschaftern verwirklicht wird. 42. Die materiell unzutreffende Zuordnung der Anzeigepflichten für Er­ werbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG verursacht strukturelle Vollzugsde­ fizite, da die anzeigepflichtige Personengesellschaft vielfach – ins­ besondere bei kapitalmarktorientierten Fondsstrukturen und in internationalen Konzernen – nicht die Möglichkeit hat, mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand sicher festzustellen und zu überwachen. 43. Die im Rahmen des StÄndG 2015 eingefügte Regelung zur mittelba­ ren Änderung des Gesellschafterbestands durch (§ 1 Abs. 2a Satz 2 bis 5 GrEStG) hat ihr Ziel, für Gesetzesbestimmtheit und -klarheit zu sorgen, nicht erreicht. Kritikwürdig ist neben diversen verblei­ benden Rechtsunsicherheiten insbesondere die neuartige und sys­ temfremde „Fiktion in der Fiktion“, wonach eine zwischengeschal­ tete Kapitalgesellschaft beim Wechsel von 95% ihrer Gesellschafter als „neue Gesellschafterin“ der Personengesellschaft gilt. 44. Die komplexe, rechtsformabhängige Differenzierung zwischen be­ teiligten Personengesellschaften (Durchrechnungsmethode) und Ka­ pitalgesellschaften (Stufenbetrachtung) lässt sich durch die zivil­ rechtlichen Spezifika der beiden Rechtsformen nicht rechtfertigen und begegnet Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist auch dann zweifelhaft, 329

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wenn man den gelockerten Kontrollmaßstab eines bloßen Willkür­ verbots zu Grunde legt. 45. In den letzten Jahren hat der BFH die neue Fallgruppe der mittelba­ ren Änderung des Gesellschafterbestands aufgrund schuldrechtlicher Beziehungen entwickelt, in der im Grunderwerbsteuerrecht ausnahmsweise auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen wird. Auf­ grund von Spezialität der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstat­ bestände, die eine eigene wirtschaftliche Zurechnung vornehmen, war dies in der Vergangenheit abgelehnt worden. Da die Tatbestands­ merkmale der typisierenden Missbrauchsverhinderungsnorm § 1 Abs. 2a GrEStG eng zu interpretieren sind, bleiben weiterhin Zwei­ fel, inwieweit § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO herangezogen werden kann, um schuldrechtliche Vereinbarungen als Gesellschafterwechsel zu be­ handeln. 46. Ob die auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO gestützte wirtschaftliche Zurech­ nung auch auf die Neufassung des § 1 Abs. 2a Satz 2 bis 5 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 anwendbar ist, erscheint zweifelhaft. Mit der Neuregelung wurden die – ausschließlich gesellschaftsrechtlichen – Vorgänge, die zu einer mittelbaren Änderung im Gesellschafterbe­ stand führen können, abschließend gesetzlich definiert, was die Auslegungsspielräume weiter einschränkt. 47. Bei der Beurteilung unmittelbarer Änderungen im Gesellschafterbe­ stand weist die Rechtsprechung eine Berücksichtigung wirtschaft­ licher Gesichtspunkte bislang zurück und prüft ausschließlich, ob auf unmittelbarer Beteiligungsebene ein zivilrechtlich wirksamer Anteilsübergang vorliegt. Begreift man die Grunderwerbsteuer mit der hier vertretenen Auffassung als eine auf dem Leistungsfähig­ keitsprinzip fundierte Steuer, die den wirtschaftlichen Grund­ stücksumsatz zu erfassen sucht, wäre es geboten, nicht nur beim mittelbaren, sondern auch beim unmittelbaren Gesellschafterwech­ sel eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde zu legen. 48. Die im Rahmen des StÄndG 2015 eingeführte Neuregelung zur ­mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands (§ 1 Abs. 2a Satz 2 bis 5 GrEStG) trifft keine Aussage dazu, wie die gesetzlich weiterhin nicht definierte unmittelbare Änderung zu interpretieren ist. Nach hier vertretener Auffassung sind zur Ausfüllung dieser Regelungs­ lücke die Wertungen der neu eingeführten Transparenz- und Stufen­ betrachtung entsprechend heranzuziehen. Demnach darf auch eine 330

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unmittelbar in die Gesellschafterstellung eintretende Gesellschaft nicht generell als „Neugesellschafter“ behandelt werden; stattdes­ sen ist die Neugesellschaftereigenschaft unter Heranziehung der für mittelbare Gesellschafterwechsel gesetzlich angeordneten Transpa­ renzbetrachtung (Personengesellschaften) bzw. Stufenbetrachtung (Kapitalgesellschaften) zu beurteilen. 49. Die Verkürzung oder Verlängerung einer bestehenden Beteiligungs­ kette an einer Grundstückspersonengesellschaft ist mangels Grund­ stückstransaktion am Markt kein besteuerungswürdiger Vorgang, wird von Rechtsprechung und Verwaltung jedoch in einigen Kon­ stellationen als steuerbar angesehen. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal „neu“ auch beim unmit­ telbaren Gesellschafterwechsel eine wirtschaftliche Betrachtungs­ weise erfordert, ist die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG für derartige Vorgänge durchgängig abzulehnen. 50. „Neue Gesellschafter“ einer vermittelnden Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG müssen nicht nur im Verhältnis zu dieser Kapitalgesellschaft, sondern auch im Verhältnis zur Grund­ stückspersonengesellschaft „neu“ sein. Diese Interpretation lässt sich bereits aus der Wortlautidentität zwischen Satz 1 und Satz 4 ableiten, sie ist aber auch aufgrund des insoweit weiterhin unbe­ stimmten Wortlauts der Regelung zwingend. Zu Abschnitt 3.2.3: Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95% der Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG)1660 51. § 1 Abs. 3 GrEStG ist als Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG konzipiert ist und sucht, wie alle Grunderwerbsteu­ ertatbestände, die wirtschaftliche Verfügungs- und Verwertungs­ möglichkeit an einem Grundstück zu erfassen. Entgegen der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden sog. Fiktionstheorie enthält § 1 Abs. 3 GrEStG keine Fiktion (insbesondere nicht die ei­ ner Grundstücksübertragung von der Gesellschaft auf den Gesell­ schafter), sondern die autonome Definition einer grunderwerbsteu­ erlich relevanten Rechtsposition, die dem Grundstückseigentum wirtschaftlich entspricht. 52. Für Personengesellschaften hat § 1 Abs. 3 GrEStG nur einen gerin­ gen Anwendungsbereich. Ursächlich hierfür ist jedoch nicht primär 1660 S. 187 ff.

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die Subsidiarität gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG, sondern der von der Rechtsprechung und der h.M. in der Literatur vertretene „sachen­ rechtliche Anteilsbegriff“, der die unmittelbare Vereinigung der An­ teile an einer Grundstückspersonengesellschaft ausschließt. Auch durch geeignete Zwischenschaltung einer Personengesellschaft ober­ halb der Grundstücksgesellschaft kann das Eingreifen von § 1 Abs. 3 GrEStG grundsätzlich vermieden werden. 53. Die sog. Sachherrschaftstheorie verengt die Substanz des „Anteils“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG unzutreffend auf die rechtlichen Ein­ flussmöglichkeiten auf das Grundstück. Sie vermag nicht überzeu­ gend zu begründen, warum § 1 Abs. 3 GrEStG zur Tatbestandser­ füllung das Erreichen einer Beteiligungsquote von 95% verlangt, obwohl für Verfügungen über das Grundstück regelmäßig eine deut­ lich niedrigere Stimmrechtsquote genügen würde. Die typisierend erfasste P ­ osition des Alleingesellschafters lässt sich nicht auf dessen rechtlichen Einflussmöglichkeiten reduzieren, sondern impliziert ins­besondere die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit dem Eigen­ tum am ganzen Grundstück und damit auch eine entsprechende wertmäßige Beteiligung. 54. Der richtigerweise in der Wertteilhabe am ganzen Grundstück zu sehende Besteuerungsgegenstand des § 1 Abs. 3 GrEStG verlangt es, auch Personengesellschaftsbeteiligungen wertmäßig, d.h. regelmäßig nach der festen Beteiligung am Gesellschaftskapital, zu beurteilen. Die herrschende Auffassung, wonach die bei Gesamthandsgemein­ schaften geltenden Verfügungsbeschränkungen und das Einstimmig­ keitsprinzip eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG ausschlössen (sog. „Pro-Kopf-Betrachtung“), lässt sich unter Berück­ sichtigung der Systemstellung und des Normzwecks der Regelung nicht aufrechterhalten. 55. Ein Gesetz, das erkennbar nicht bezweckte steuermindernde Gestal­ tungen in erheblichem Umfang zulässt, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG als von Anfang an verfassungswidrig anzusehen, da es die Gleichheit im Belastungserfolg verfehlt. So verhielt es sich auch beim Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG in der Rechtslage bis zur Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2013, da die Grund­ erwerbsteuer durch den Einsatz einer „RETT-Blocker“-Personen­ gesellschaft einfach umgangen werden konnte. Auch eine verfas­ sungskonforme Auslegung hätte daher (in der Rechtslage bis 2013) für eine wertmäßige Interpretation des Anteilsbegriffs gesprochen, 332

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die auch die Vereinigung von Personengesellschaftsanteilen mitein­ schließt. 56. Der von der Rechtsprechung neuerdings vertretene differenzierende Anteilsbegriff im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG, wonach bei Grund­ stückspersonengesellschaften zwar weiterhin die „Pro-Kopf-Betrach­ tung“ gelte, es bei zwischengeschalteten Personengesellschaften ­jedoch nicht mehr auf die gesamthänderische Mitberechtigung, son­ dern auf den Anteil am Gesellschaftskapital ankomme, erfasst eini­ ge der bis 2013 verwirklichten „RETT-Blocker“-Gestaltungen, hat aufgrund der zwischenzeitlichen Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG aber nur begrenzte praktische Bedeutung. Die ebenenspezifische Differenzierung erscheint hierbei nicht zwingend, denn die „An­ teilsvereinigung“ ist ein grunderwerbsteuerlicher Eigenbegriff, der unabhängig davon, ob die unmittelbare oder die mittelbare Beteili­ gungsebene betroffen ist, keine Entsprechung im Zivilrecht findet und daher auch einheitlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt werden könnte. 57. Die Regelung zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft (§ 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG) ist nur begrenzt auf Personengesellschaf­ ten anwendbar. Diese können, sofern sie unternehmerisch tätig sind, zwar Organträger („herrschendes Unternehmen“) sein, sie fal­ len jedoch nicht unter die Abhängigkeitsdefinitionen des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG. Insbesondere handelt es sich bei der Personengesell­ schaft nicht um eine „juristische Person“ im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) GrEStG. 58. Die Entscheidungen des V. und des XI. Senats des BFH zur um­ satzsteuerlichen Organschaft, wonach die Personengesellschaft im Regelungskontext des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG als juristische Person eingeordnet werden könne, sind auf die grunderwerbsteuerliche Or­ ganschaft nicht übertragbar. Trotz des weitestgehend gleichen Wort­ lautes handelt es sich bei § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG – mindestens seit dessen Neufassung im Rahmen des GrEStG 1983, als der Verweis auf § 2 UStG entfernt wurde – um eine eigenständige Regelung, die einen gänzlich abweichenden Zweck verfolgt. Eine Erweiterung des Begriffs der juristischen Person auf Personengesellschaften würde hier, anders als bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, eine unzulässige steuerver­ schärfende Analogie bedeuten.

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Zu Abschnitt 3.2.4: Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)1661 59. § 1 Abs. 3a GrEStG wurde vom Gesetzgeber als Missbrauchsverhin­ derungsvorschrift zur Erfassung der sog. „RETT-Blocker“-Struktu­ ren konzipiert, die durch geeigneten Einsatz von grundstücksbesit­ zenden oder zwischengeschalteten Personengesellschaften eine Übertragung einer wertmäßigen Beteiligung an einer Grundstücks­ gesellschaft von bis zu 100% ermöglichten, ohne Grunderwerbsteu­ er nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG auszulösen. 60. Der Begriff der „wirtschaftlichen Beteiligung“ ist keine unbestimm­ te Generalklausel, sondern gesetzlich abschließend definiert. Er er­ fasst bei Personengesellschaften die quotal messbare Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und repräsentiert damit einen sachgerech­ ten, wertmäßig orientierten Beurteilungsmaßstab. Der grunder­ werbsteuerliche Belastungsgrund, der maßgeblich auf die Wertteil­ habe an der Grundstückssubstanz abzielt, wird hierbei folgerichtig umgesetzt; die Besteuerungslücken, die bei der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG auf Personengesellschaften durch den sog. „sachen­ rechtlichen Anteilsbegriff“ entstanden waren, wurden wirksam be­ seitigt. 61. Rechtstechnisch ist § 1 Abs. 3a GrEStG als unselbständige Annex­ vorschrift zu § 1 Abs. 3 GrEStG ausgestaltet und enthält zweierlei Verweisungen auf diesen. Zum einen liegt tatbestandsseitig eine Rechtsgrundverweisung auf den Katalog an Rechtsvorgängen in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG vor, womit die in der Literatur umstrittene Frage zu verneinen ist, ob § 1 Abs. 3a GrEStG auch ohne Vorliegen eines Erwerbsvorgangs (z.B. durch bloße Kapitalkontenbewegungen) eingreifen kann. Zum anderen enthält § 1 Abs. 3a GrEStG rechtsfol­ genseitig die gesetzliche Fiktion eines Rechtsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG. 62. Die Rechtsstellung des § 1 Abs. 3a GrEStG als „Ergänzungstatbe­ stand“ zu § 1 Abs. 3 GrEStG hat nach hier vertretener Auffassung zur Folge, dass bei einer bestehenden Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG der spätere zusätzliche Erwerb einer wirtschaftli­ chen Beteiligung im Sinne des Abs. 3a GrEStG nicht nochmals Grunderwerbsteuer auslösen kann (und umgekehrt).

1661 S. 218 ff.

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63. Schuldrechtliche Vereinbarungen oder anderweitige wirtschaftliche Zurechnungspositionen haben keine Auswirkung auf die wirtschaft­ liche Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG. Der Begriff „wirt­ schaftliche Beteiligung“ ist abschließend definiert und lässt gerade keine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ zu. 64. Steuersystematisch kritikwürdig ist die durch die gesetzliche Subsi­ diaritätstechnik bewirkte Überlagerung von § 1 Absätze 2a, 3 und 3a GrEStG, die dazu führt, dass grundstücksbesitzende Personengesell­ schaften drei verschiedenen Besteuerungstatbeständen im Sinne ei­ ner „Meistbelastungswirkung“ ausgesetzt sind. Zu Abschnitt 3.2.5: Zurechnungsfunktion und Interdependenzen der Ergänzungstatbestände1662 65. Für den Binnenbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG hat die Rechtspre­ chung Zurechnungsgrundsätze entwickelt, wonach es dann, wenn bereits 95% der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG in einer Hand vereinigt sind, in der Hand dieses Rechtsträgers nicht zu einer neuerlichen Anteilsvereinigung (z.B. durch Verstärkung von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Be­ teiligung) kommen kann. Es fehlt bisher jedoch an einer Regel, die tatbestandsübergreifend für eine Steuerentlastung von Vorgängen sorgt, bei denen das Zurechnungssubjekt unverändert bleibt. 66. Die Finanzverwaltung und Teile der Literatur vertreten die Auffas­ sung, dass zum Vermögen einer Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG auch solche Grundstücke gehörten, die dieser Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind. Da­ durch wird der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG auf grundstücksbesitzende Kapitalgesellschaften erweitert, an denen eine Personengesellschaft 95% der Anteile hält. Eine derartige „­verlängerte Zurechnung“ ist abzulehnen, da sie der gesetzlichen Subsidiaritätsregelung widerspricht und mit der Systematik des § 1 Abs. 2a GrEStG, der keine veränderte Grundstückszurechnung, sondern eine veränderte Gesellschaftsidentität unterstellt, nicht kompatibel ist. 67. Im Bereich der gesamthandsbezogenen Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG nimmt die Rechtsprechung teilweise eine Zurechnung von Grundstücken vor, die über Kapitalgesellschaften gehalten wer­ 1662 S. 234 ff.

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den. Diese Zurechnung erfolgt jedoch nur in Fällen der Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG), nicht aber in Fällen der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG). Lehnt man mit der hier vertretenen Auffassung die sog. Fiktionstheorie ab, entfällt jedoch die Grundlage für diese Differenzierung. 68. Aus der in § 1 Abs. 3a GrEStG enthaltenen Fiktion einer Anteilsver­ einigung im Sinne des Abs. 3 ist zu folgern, dass keine Grunderwerb­ steuer ausgelöst wird, wenn eine wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG sich zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG verstärkt, oder umgekehrt zusätzlich zu einer Anteilsverei­ nigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG eine wirtschaftliche Beteiligung gem. § 1 Abs. 3a GrEStG erstmals begründet wird. Die wechselseiti­ ge Zurechnung zwischen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ist unter Berücksichtigung des Folgerichtigkeitsgebots verfassungsrechtlich zwingend, da sich das grunderwerbsteuerliche Zurechnungssubjekt nicht ändert und auch eine fiktive Anteilsvereinigung eine Anteils­ vereinigung darstellt. 69. Der allgemeine Gleichheitssatz wie auch das Gebot einer folgerich­ tigen Umsetzung der grunderwerbsteuerlichen Belastungsentschei­ dung, wirtschaftliche Grundstückserwerbe auf dem Markt zu be­ steuern, verlangen nach einer über die bisherigen Grundsätze hinausgehenden Zurechnungsregel, die den Übergang zwischen al­ len grunderwerbsteuerlichen Zurechnungspositionen im Hinblick auf dasselbe Grundstück und dasselbe Zurechnungssubjekt von der Steuerbarkeit ausnimmt. Zu Abschnitt 3.3: Umwandlung, Sitzverlegung und Auflösung der Personengesellschaft Zu Abschnitt 3.3.1: Formwechsel1663 70. Der Formwechsel ist ein Umwandlungsvorgang, bei dem die Rechts­ trägeridentität und die Vermögenskontinuität gewahrt bleiben. Da mit ihm keine Grundstücksübertragung einhergeht, hat er auf Ebene der Gesellschaft keine grunderwerbsteuerliche Relevanz. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Personengesellschaft in eine Kapitalge­ sellschaft, eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft oder eine Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft umge­ wandelt wird. 1663 S. 246 ff.

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71. Eine steuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG kann beim quotenverschiebenden Formwechsel einer Personengesell­ schaft in eine Kapitalgesellschaft eintreten, wenn dabei die Beteili­ gungsschwelle von 95% überschritten wird. Ebenso kann in diesem Fall der quotenverschiebende Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3a GrEStG führen. Ursächlich für die Steuerbarkeit ist aber jeweils nicht der Formwechsel, sondern das von diesem zu trennen­ de Anteilsgeschäft. 72. Der quotenwahrende Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft kann nach hier vertretener Auffassung zu keiner Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG führen, und zwar auch dann nicht, wenn ein nicht am Kapital beteiligter Gesamthänder infolge des Formwechsels aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ausscheidet. Aufgrund der gewahrten Rechts­ trägeridentität und Vermögenskontinuität ändert sich die Zuord­ nung des Grundvermögens der Gesellschaft hierbei nicht. Zudem ist bei einem quotenwahrenden Formwechsel oberhalb der 95%-Gren­ ze jeweils eine bereits bestehende grunderwerbsteuerliche Zurech­ nung nach § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG zu berücksichtigen. 73. Zur Verletzung der Nachbehaltensfristen nach § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG kann es kommen, wenn die grundstückser­ werbende Gesamthand in eine Kapitalgesellschaft formgewechselt wird. Ob infolge eines Formwechsels der übertragenden oder einer anderweitig zwischengeschalteten Gesellschaft eine Behaltens­ fristverletzung erfolgen kann, wird im Lichte der neuen Gesamt­ handslehre jedoch zweifelhaft, denn die Gesellschafter der oberen Personengesellschaft haben keine dingliche Mitberechtigung am Grundstück der Untergesellschaft inne, die sie infolge des Form­ wechsels verlieren könnten. Die gem. § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG ­bestehende Beteiligungskontinuität ist auch im Rahmen der §§ 5, 6 GrEStG zu berücksichtigen. Zu Abschnitt 3.3.2: Übertragende Umwandlung1664 74. Die übertragende Umwandlung einer Personengesellschaft ist steu­ erbar, soweit hierbei das Eigentum an Grundstücken übergeht. Die Steuerbefreiungsvorschriften nach §§ 5, 6 sowie § 6a GrEStG sind dabei parallel und unabhängig voneinander anwendbar. 1664 S. 262 ff.

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75. Im Rahmen der Steuerbefreiungsvorschrift § 6a GrEStG kann die Personengesellschaft sowohl herrschendes Unternehmen als auch abhängige Gesellschaft sein. Für die Qualifikation als herrschendes Unternehmen braucht sie nicht umsatzsteuerliche Unternehmerin sein, sondern muss lediglich eine – ggf. auch über abhängige Gesell­ schaften zugerechnete – wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Für die Einordnung als abhängige Gesellschaft müssen keine weiteren Vo­ raussetzungen als die in § 6a Satz 4 GrEStG genannte 95%-Beteili­ gungsquote erfüllt sein. 76. Die „Beteiligung am Gesellschaftsvermögen“ der Personengesell­ schaft im Sinne der Abhängigkeitsdefinition des § 6a Satz 4 GrEStG ist wertmäßig zu verstehen. Es kommt wie bei § 1 Abs. 2a und 3a sowie §§ 5, 6 GrEStG auf einen Wertanteil von 95% am Reinvermö­ gen an, der sich im gesellschaftsvertraglichen Regelfall nach den fes­ ten Kapitalanteilen richtet. 77. Bei mehrstufigen Beteiligungen muss sowohl eine Stufenbetrach­ tung (95% auf jeder Ebene) als auch die Multiplikationsmethode (Durchrechnung über alle Ebenen) zur Abhängigkeit einer Personen­ gesellschaft im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG führen können. Diese Meistbegünstigungsregel ist vor dem Hintergrund des Bestimmt­ heitsgrundsatzes geboten, aber auch materiell-rechtlich zutreffend, da das Beherrschungs- und Abhängigkeitskonzept des § 6a Satz 4 GrEStG spiegelbildlich zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG angelegt ist. Zu Abschnitt 3.3.3: Beendigung der Gesellschaft1665 78. Die Auflösung einer Grundstückspersonengesellschaft nach §§ 131 ff. HGB, §§ 723 ff. BGB löst für sich genommen keine Grunderwerb­ steuer aus. Erst die darauffolgende Liquidation kann zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 GrEStG führen, soweit hierbei Grundstücke übertragen werden. 79. Von der Beendigung infolge der Auflösung ist die automatische Voll­ beendigung durch Austritt des vorletzten Gesellschafters zu unter­ scheiden. Diese führt zur Anwachsung der Gesellschaftsgrundstü­ cke beim verbleibenden Gesellschafter, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar ist.

1665 S. 270 ff.

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80. Sowohl bei der Beendigung nach Auflösung als auch bei der Beendi­ gung durch Austritt des vorletzten Gesellschafters steht die Steuer­ befreiung nach § 6 GrEStG zur Verfügung. Zu Abschnitt 3.3.4: Grenzüberschreitende Sitzverlegung1666 81. Das Grunderwerbsteuerrecht verlangt einen Inlandsbezug nur für das Grundstück, nicht für die Grundstücksgesellschaft oder für eine an dieser mittelbar beteiligte Gesellschaft. Personengesellschaften ausländischer Rechtsform werden vom GrEStG daher ebenso erfasst wie inländische, die ihren Sitz im Ausland haben. 82. Die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesellschaft kann grunderwerbsteuerliche Folgen haben, wenn sie mit einer zi­ vilrechtlichen Transformation der Gesellschaft einhergeht. Wäh­ rend innerhalb des EU/EWR-Gebiets regelmäßig ein identitätswah­ render Zu- und Wegzug möglich ist und auch das Rechtsinstitut des grenzüberschreitenden Formwechsels zur Verfügung steht, kann bei der Sitzverlegung in einen Drittstaat die Auflösung und Neugrün­ dung nach dem Recht des Zuzugsstaats verlangt werden. In diesem Fall kommt es zu einer steuerbaren Übertragung von Grundbesitz auf einen neuen Rechtsträger, der jedoch nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 GrEStG begünstigt ist. Nicht steuerbar ist es hingegen, wenn eine Kapital- oder Personengesellschaft aus einem Drittstaat ihren Sitz nach Deutschland verlegt und infolgedessen in eine deutsche Personengesellschaft umqualifiziert wird, da bei diesem Vorgang kein Grundvermögen übertragen wird und die wirtschaftliche Kon­ tinuität gewahrt bleibt. Zu Kapitel 4: Die Personengesellschaft zwischen Steuerumgehung und Übermaßbesteuerung: Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf Zu Abschnitt 4.1: Problembefunde der vorliegenden Untersuchung1667 83. Die Personengesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der wesentlichen Gestaltungsvehikel zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer entwickelt. Die Ursache hierfür liegt im Zu­ sammenspiel dreier Umstände: der grunderwerbsteuerrechtlichen Anerkennung der Personengesellschaft als selbständiger Rechtsträ­ ger, der Steuervergünstigung durch §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG und der – bedingt durch einen sachenrechtlich interpretierten Anteilsbe­ 1666 S. 273 ff. 1667 S. 279 ff.

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griff – lange Zeit nur lückenhaften Steuerbarkeit von Gesellschafter­ wechseln. 84. Steuergestaltung ist kein illegitimes Verhalten, sondern die rationa­ le Reaktion auf das vorgefundene rechtliche Umfeld. Wird durch Steuergestaltungen die Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg verfehlt, ist dieser Vorwurf nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Gesetzgeber zu machen. Je größer die Wertungswidersprüche und tatbestandlichen Differenzierungen eines Steuergesetzes sind, umso höher ist der hiervon ausgehende Gestaltungsanreiz. 85. Dem GrEStG fehlt ein allgemeiner Grundtatbestand, in dem sich der steuerliche Belastungsgrund spiegelt. Gleichzeitig enthält es komplexe und weitreichend typisierende Missbrauchsregeln, die zu unsachgerechten Differenzierungen und ungerechtfertigten Steuer­ belastungen führen. Hierdurch und durch die überwiegend for­ mal-zivilrechtliche Norminterpretation setzt das Grunderwerbsteu­ errecht erhebliche strukturelle Anreize zu Ausweichgestaltungen. 86. Die Probleme der Steuerumgehung einerseits und der Übermaßbe­ steuerung andererseits resultieren aus dem zentralen Wertungswi­ derspruch des GrEStG, dass wirtschaftliche Vorgänge besteuert wer­ den sollen, die Steuer jedoch als Rechtsverkehrsteuer konzipiert ist. Verschärfend wirkt sich aus, dass sie in der Rechtsprechung und Tei­ len der Literatur auch restriktiv als Rechtsverkehrsteuer im materi­ ellen Sinne interpretiert wird. 87. Die Maßnahmen, die von Gesetzgeber und Rechtsprechung zur ­Verhinderung der Steuerumgehung mit Personengesellschaften er­ griffen wurden, beruhen allesamt auf einer wirtschaftlichen Betrach­ tungsweise. Daran zeigt sich, dass Gleichheit im grunderwerbsteuer­ lichen Belastungserfolg nur durch Berücksichtigung wirtschaftlicher Umstände sicherstellen lässt und das Konzept der Rechtsverkehr­ steuer im Ergebnis gescheitert ist. Zu Abschnitt 4.2: Gebot und Grenzen einer „wirtschaftlichen ­Betrachtungsweise im Grunderwerbsteuerrecht1668 88. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als integraler Sachgerechtig­ keitsmaßstab stellt die Verwirklichung des allgemeinen Gleich­ heitssatzes und des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich der 1668 S. 288 ff.

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5  Zusammenfassung in 100 Thesen

Rechtsanwendung sicher. Ihre Anwendung ist auch im Bereich der Grunderwerbsteuer nicht eingeschränkt. Die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte ist notwendiger Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Teleologie und darf nicht durch eine mate­ riell-rechtliche Überhöhung der Anknüpfung an zivilrechtliche Vor­ gänge überlagert werden. 89. Als allgemeine Methode der Rechtsauslegung und -anwendung ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise grundsätzlich auch im Be­ reich der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG anwendbar. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist bei der Auslegung dieser Tatbestände jedoch streng einzuhalten, da diese Tatbestände bereits eine sehr weitgehende Typisierung vor­ nehmen. 90. Zu Lasten des Steuerpflichtigen ist eine wirtschaftliche Betrach­ tungsweise aufgrund der rechtstaatlichen Prinzipien der Gesetzesbe­ stimmtheit und Tatbestandsmäßigkeit nur insoweit zulässig, als ihr Ergebnis vom Wortlaut des gesetzlichen Tatbestands noch gedeckt ist. Zu Gunsten des Steuerpflichtigen besteht keine vergleichbare Begrenzung, sondern vielmehr das Gebot, die wirtschaftliche Be­ trachtungsweise in Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Rechtsanwendung weitestmöglich zur Entfaltung zu bringen. 91. Im Grunderwerbsteuerrecht sind Statusbegriffe wie die „Personen­ gesellschaft“ zwingend aus dem Zivilrecht zu bestimmen, während alle anderen Tatbestandsmerkmale einer steuerjuristischen und da­ mit ggf. auch wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu unterwerfen sind. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als grunderwerbsteuer­ liche Auslegungsmethode darf jedoch nicht erst dort beginnen, wo ein zivilrechtlich nicht vorstellbarer „mittelbarer“ Gesellschafter­ wechsel zu prüfen ist, sondern muss auf sämtliche Rechtsbegriffe, bei denen es sich nicht um eindeutig bestimmbare zivilrechtliche Statusbegriffe handelt, angewandt werden, darunter die Begriffe „neue Gesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG und „Anteil der Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG.

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Zu Abschnitt 4.3: Gesetzgeberischer Reformbedarf1669 92. Da mit § 1 Abs. 2a GrEStG und §§ 5, 6 GrEStG die beiden wesentli­ chen für Personengesellschaften geltenden Sonderregelungskomple­ xe nach den Ergebnissen dieser Arbeit verfassungswidrig sind, ist eine Fundamentalreform der Grunderwerbsbesteuerung der Perso­ nengesellschaft unumgänglich. 93. Der materielle Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer, der wirtschaftliche Grundstücksumsatz am Markt, sollte auch im Ge­ setz verankert werden und dort als Grundtatbestand den heutigen Katalog des § 1 Nr. 1 bis 7 GrEStG ersetzen. Durch die allgemeine und unausweichliche Definition der gesetzgeberischen Grundent­ scheidung wird Rechtssicherheit bei gleichzeitigem Schutz vor Aus­ weichgestaltungen erreicht. 94. Die Besteuerung des Gesellschafterwechsels muss drastisch verein­ facht werden, um den verfassungsrechtlichen Geboten der Folge­ richtigkeit und Widerspruchsfreiheit zu genügen. Die inkonsisten­ ten und in den verschiedenen grunderwerbsteuerlichen Regelungen uneinheitlich formulierten Anteilsbegriffe sind zu präzisieren und zu vereinheitlichen. Die verfassungswidrige Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ersatzlos zu streichen. Eine Besteuerungslücke entsteht durch diese Streichung nicht. 95. Die Rechtsformunterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesell­ schaften haben bei der Beurteilung des Gesellschafterwechsels keine wesentliche grunderwerbsteuerliche Relevanz. Die Tatsache, dass die Personengesellschaft inzwischen als eigenständige Rechts- und Vermögensträgerin anerkannt wird, legt vielmehr nahe, einen ein­ heitlichen rechtsformneutralen Steuertatbestand für gesellschafts­ rechtliche Vorgänge zu schaffen, der materiell zutreffend auf die wertmäßige Beteiligung des Erwerbers am Grundstück abstellt. Sachgerechte Grundlage für einen solchen Tatbestand könnte das Konzept der wirtschaftlichen Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG sein. 96. Die systemkonformen, aber gleichheitsrechtswidrig ausschließlich Gesamthandsgemeinschaften vorbehaltenen Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sowie die inkonsequent und zu restriktiv ausgestaltete Konzernklausel § 6a GrEStG sollten gestrichen und 1669 S. 291 ff.

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5  Zusammenfassung in 100 Thesen

durch eine allgemeine rechtsformneutrale Zurechnungsregel ersetzt werden. Diese muss in folgerichtiger Umsetzung des Belastungs­ grunds der Grunderwerbsteuer sicherstellen, dass derjenige, dem ein Grundstück nach einem der Tatbestände des § 1 GrEStG bereits zu­ zurechnen ist, hinsichtlich desselben Grundstücks keinen steuerba­ ren Erwerbsvorgang mehr verwirklichen kann. Um Konzernsachver­ halte zu erfassen, ist die Zurechnungsregel auch auf nachgelagerte Gesellschaften zu erstrecken. Darüber hinaus muss weiterhin eine quotenentsprechende Entlastung für Übergänge zwischen Gesell­ schaft und Gesellschafter gewährt werden, die anders als die heuti­ gen §§ 5 und 6 GrEStG jedoch rechtsformneutral ausgestaltet ist. 97. Im Ergebnis bedeutet der hier vorgetragene Reformvorschlag die Streichung aller personengesellschaftsspezifischen Sonderregeln, da die strukturellen Besonderheiten der Personengesellschaft für die Grunderwerbsteuer vom historischen Gesetzgeber überschätzt wor­ den waren und sich mit der Durchsetzung der neuen Gesamthands­ lehre weiter verringert haben. Die starke Differenzierung in der aktuellen Rechtslage sorgt weniger für Sachgerechtigkeit als für ­ gleichheitsrechtswidrige Verzerrungen. Zu Abschnitt 4.4: Exkurs – Aktuelle Gesetzesinitiative zur Verhinderung von Steuergestaltungen im Rahmen von sog. „Share Deals1670 98. Das derzeit im Entwurf vorliegende Konzept zur Reform der Grund­ erwerbsbesteuerung bei sog. „Share Deals“ begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, da es die steuerliche Eingriffs­ schwellen einseitig und allgemein senkt, ohne die zu erfassenden Missbrauchssachverhalte hinreichend zielgenau zu typisieren. Die beabsichtige Absenkung der Beteiligungsschwelle auf 90% und die Erweiterung der Haltefristen auf zehn Jahre würden den verfassungs­ widrigen Zustand bei der Besteuerung der Personengesellschaft wei­ ter verschärfen; der geplante, an § 1 Abs. 2a GrEStG angelehnte neue Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften wäre genauso ver­ fassungswidrig wie sein „Vorbild“. 99. Das alternativ diskutierte Konzept einer stärkeren Absenkung der Beteiligungsschwelle auf bis zu 50% in Verbindung mit einem quotalen Besteuerungssystem würde eine Änderung des Grund­ ­ stücksbegriffs des § 2 GrEStG erfordern und wäre nur bei weiteren umfangreichen Begleitänderungen des GrEStG verfassungsrechtlich tragfähig. 1670 S. 299 ff.

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5  Zusammenfassung in 100 Thesen

100. Das Missbrauchsverhinderungsziel könnte auf verhältnismäßige Weise erreicht werden, indem das verschärfte Regelungsregime tat­ bestandlich auf reine Immobiliengesellschaften begrenzt wird bzw. erst ab einer bestimmten Immobilienquote im Gesellschaftsvermö­ gen eingreift. Auch Tarifänderungen wie etwa ein „Spekulationszu­ schlag“ oder eine allgemeine Steuersatzsenkung wären besser geeig­ net, um die vom Gesetzgeber gewünschte Eindämmung der sog. „Share Deals“ zu erreichen. Bevor der gegenwärtige Zustand der Übermaßbesteuerung im Bereich der grunderwerbsteuerlichen Er­ gänzungstatbestände weiter verschärft wird, sollte jedoch zuerst die dringend notwendige Reform der Besteuerung der Personengesell­ schaft angegangen werden.

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6  Zusammenfassung in 10 Thesen

1. Die Grunderwerbsteuer ist nur formell-finanzverfassungrechtlich eine (Rechts-)Verkehrsteuer. Materiell sucht sie den wirtschaftlichen Grundstücksumsatz und mit ihm die Leistungsfähigkeit des Grund­ stückserwerbers zu erfassen. Dies rechtfertigt die an den Gesellschaf­ terwechsel anknüpfenden Steuertatbestände und muss folgerichtig auch deren Auslegung bestimmen. 2. Auch wenn das GrEStG technisch an zivilrechtliche Vorgänge an­ knüpft, besteht kein Primat des Zivilrechts, das eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließen würde. Begrenzt wird diese jedoch durch die Spezialität der Ergänzungstatbestände, deren weitreichende Missbrauchstypisierung bereits eine abschließende wirtschaftliche Betrachtung enthält. Die Rechtsprechung zieht die wirtschaftliche Betrachtungsweise bislang einseitig im steuerverschärfenden Kon­ text heran, ohne sie als integralen Sachgerechtigkeitsmaßstab auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen anzuwenden. 3. Das Grunderwerbsteuerrecht sucht der besonderen Rechtsnatur der Personengesellschaft durch die Spezialregelungen des § 1 Abs. 2a und §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG gerecht zu werden. Den strukturellen Be­ sonderheiten der Personengesellschaft, die inzwischen als eigener Rechts- und Vermögensträger anerkannt wird, kommt für die Grund­ erwerbsteuer jedoch eine geringere Relevanz zu als vom historischen Gesetzgeber angenommen. Die gegenwärtigen tatbestandlichen Dif­ ferenzierungen sorgen deshalb weniger für Sachgerechtigkeit als für gleichheitsrechtswidrige Verzerrungen. 4. Die §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG verwirklichen die grunderwerbsteuerli­ che Belastungsentscheidung, indem sie Übertragungen zwischen Ge­ sellschaft und Gesellschaftern, die keine besteuerungswürdigen Grundstücksumsätze am Markt darstellen, folgerichtig von der Steu­ er befreien. Mit der Aufgabe der traditionellen Gesamthandslehre ist jedoch der rechtfertigende Differenzierungsgrund dafür weggefallen, dass die Steuerbefreiung bisher den Gesamthandsgemeinschaften vorbehalten wird. Der Gleichheitssatz gebietet, den Anwendungsbe­ reich der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG auch auf Kapitalgesellschaften zu erweitern.

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6  Zusammenfassung in 10 Thesen

5. Der Fiktionstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist verfassungs­ widrig. Er bewirkt die Steuerbarkeit wirtschaftlicher Bruchteils­ erwerbe, ohne ein Beherrschungs- oder Zurechnungserfordernis auf­ zustellen und weist keine für eine Rechtfertigung hinreichende Typisierung eines Missbrauchssachverhalts auf. Die Belastungswir­ kungen der – auch nach mehrfachen gesetzlichen Nachbesserungen unbestimmt gebliebenen – Regelung werden durch die derzeit unein­ heitlichen Auslegungsgrundsätze für unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel zusätzlich verschärft. 6. Die von der herrschenden Meinung zu Grunde gelegte, dogmatisch jedoch nicht überzeugende sog. Sachherrschaftstheorie hat bei § 1 Abs. 3 GrEStG zu einem „sachenrechtlichen Anteilsbegriff“ geführt, der eine Anwendung des Missbrauchstatbestands auf Personengesell­ schaften weitgehend ausschloss. Durch diesen Anteilsbegriff wurde das Gestaltungsmodell der sog. „RETT-Blocker“-Personengesell­ schaft erst ermöglicht. Tatsächlich hätten der Normzweck und eine verfassungskonforme Auslegung bereits damals die wertmäßige Be­ urteilung nahegelegt, die erst spät durch § 1 Abs. 3a GrEStG einge­ führt wurde. 7. Der Erfolg des § 1 Abs. 3a GrEStG bei der Missbrauchsbekämpfung erklärt sich dadurch, dass der neue Tatbestand eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde legt und damit den grunderwerbsteuer­ lichen Belastungsgrund zutreffend umsetzt. Das sachwidrige und ge­ staltungsanfällige Konzept der „Rechtsverkehrsteuer“ ist gescheitert. 8. Jeder einzelne der Steuer- und Steuerbefreiungstatbestände des GrEStG enthält derzeit einen jeweils eigenen Anteilsbegriff, der ab­ weichend von den übrigen formuliert ist und auch eigenständig inter­ pretiert wird. Eine Vereinheitlichung ist dringend geboten, zumal die Teleologie der einzelnen Normen keinen Anlass für eine Differenzie­ rung bietet. Als Ausgangspunkt für einen einheitlichen grunderwerb­ steuerrechtlichen Anteilsbegriff könnte auf das folgerichtige Konzept der wirtschaftlichen Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG zurückge­ griffen werden. 9. Aufgrund der Verfassungswidrigkeit wesentlicher Regelungsbereiche ist eine Fundamentalreform der Grunderwerbsbesteuerung der Perso­ nengesellschaft unumgänglich. Besonders dringlich erscheint die er­ satzlose Streichung des § 1 Abs. 2a GrEStG, eine Neuordnung der Steuerbefreiungsnormen sowie die Schaffung einer tatbestandsüber­ greifenden und rechtsformneutralen Zurechnungsregel. 346

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6  Zusammenfassung in 10 Thesen

10. Noch immer ermöglicht das grunderwerbsteuerliche Tatbestandsge­ füge (einzelne) Gestaltungen mit Personengesellschaften, die in der aktuellen Gesetzesinitiative zur verschärften Besteuerung von sog. „Share Deals“ auch aufgegriffen wurden. Bei einer Reform muss der Gesetzgeber darauf achten, die bereits jetzt sehr weitreichenden Ty­ pisierungen nicht weiter zu überdehnen, sondern die Missbrauchstat­ bestände sachgerecht einzugrenzen, was z.B. durch eine Beschrän­ kung auf sog. Immobiliengesellschaften erreicht werden könnte. Bereits heute besteht das Problem der Personengesellschaft in der Grunderwerbsteuer nicht mehr vorrangig in der Steuerumgehung, sondern in einer zunehmenden Übermaßbesteuerung.

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7 Stichwortverzeichnis

§ 1 Abs. 2 GrEStG  163 § 1 Abs. 2a GrEStG  118 § 1 Abs. 3 GrEStG  187 § 1 Abs. 3a GrEStG  218 § 1 Abs. 4 GrEStG  212 § 1 Abs. 6 GrEStG  139, 244 §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG  99 § 6a GrEStG  263 § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO  63, 153, 208 § 42 AO  65, 67 95%-Beteiligungsschwelle  124, 306 A Abhängigkeit  212 Analogieverbot  215 Anteil – im Personengesellschafts­ recht  81 – im Sinne der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG  100 – im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG  120 – im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG  193 – im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG  224 – im Sinne des § 6a GrEStG  265 Anteilsvereinigung  188 Äquivalenztheorie  27, 40 Aufkommenshoheit  8 Auflösung  270 Auseinandersetzungsguthaben 85 Ausländische Personengesell­ schaften  273

B Beihilfeverbot  112 Belastungsgrund  39 Besteuerungsgegenstand  29 Beteiligungskette  174, 178 Bewertungsdifferenztheorie  27, 40 Bruchteilsgemeinschaft  76 D Doppeloption  154 Doppelstöckige Personengesell­ schaft  87 Durchrechnungsmethode  144, 225, 267 E Eigenbegriff  49 Eigentumsgarantie  19 Einkommens- und Vermögens­ verwendungsteuer  28 Ergänzungstatbestände  36 EU-Beihilferecht  112 F Fiktion  123, 138, 184, 226 Fiktionstheorie  191, 239 Folgerichtigkeitsgebot  21, 308 Formwechsel  246 G Gesamthand  76 Gesellschafterwechsel  116 Gesellschaftsbeteiligung  81 Gestaltungsanfälligkeit des GrEStG  281

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7 Stichwortverzeichnis

Gewinn- und Verlustbeteiligung 85 Grundstückszurechnung  234 H Haftung  96, 111 I Identität  122, 247 Immobilienfonds  134 J Juristische Person  75 K Kapitalanteil  83 Kapitalverkehrsteuer  310 L Leistungsfähigkeitsprinzip  20, 39, 46 Liquidation  271 M Mitgliedschaft  81 Mittelbare Änderung des Gesell­ schafterbestands – aufgrund gesellschaftsrecht­ licher Vorgänge  142 – aufgrund schuldrechtlicher ­Beziehungen  153 Multiplikationsmethode  144, 224, 267

R Rechtlich begründete Einfluss­ möglichkeiten  189 Rechtsentwicklung  30, 34 Rechtsformneutralität der ­Besteuerung  108 Rechtsverkehrsteuer  7, 285 RETT-Blocker  197, 218 S Sachherrschaft  189 Selektivität  113 Share Deal  299 Sitzverlegung  273 Sonderumsatzsteuer  9 Sonderunternehmensteuer  12 Statusbegriff  52 Steueradressat  41 Steuergestaltung  279 Steuerjuristische Betrachtungs­ weise  48 Steuervergünstigung  106 Strukturelles Vollzugsdefizit  139 Stufenbetrachtung  145, 267 T Traditionelle Gesamthands­ lehre  77 Typisierung  128

O Organschaft  210

U Umsatzsteuer – Abgrenzung  9 – Organschaft  210 Umwandlung – formwechselnde  246 – übertragende  262 Urkunden- und Stempel­ abgaben  30

P Pro-Kopf-Betrachtung  196

V Verbrauchsteuern  8

N Neue Gesamthandslehre  78, 93 Neugesellschafter  170

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7 Stichwortverzeichnis

Vereinbarungstreuhand  154 Verfassungsrechtliche Legitima­ tion der GrESt  16 Verfassungswidrigkeit – der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG  107 – des § 1 Abs. 2a GrEStG  128, 138 Verfügungsverbot  80 Verkehrsteuer  7 Vermögensanteil  82 Verwertungsmöglichkeit  38 Vollbeendigung  272 Vollmacht  154 W Wegzug  273 Wirtschaftliche Beteiligung  218, 224, 231

Wirtschaftliche Betrachtungs­ weise  54, 288 Wirtschaftliche Zurechnung  63, 153, 208 Z Zivilrecht – Relevanz für Grunderwerb­ steuer  50 – Verhältnis zum Steuerrecht  44 Zurechnung  297 – nach § 1 Abs. 3 GrEStG  188, 234, 241 – nach § 1 Abs. 3a GrEStG  241 – nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO  63, 153 Zuzug  275 Zwerganteile  59, 125

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Zimmermann, Reimar / Hottmann, Jürgen / Kiebele, Sabrina / Schaeberle, Jürgen / Scheel, Thomas (Hrsg.), Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 12. Aufl., Erich Fleischer, Achim 2017. Zöllner, Wolfgang, Rechtssubjektivität von Personengesellschaften?, in: Lange, Hermann / Nörr, Knut Wolfgang / Westermann, Harm Peter (Hrsg.), Festschrift für Joachim Gernhuber zum 70. Geburtstag, Mohr, Tübingen 1993, S. 563. Zürbig, Wolf Hendrik, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, zugl.: Münster, Univ., Diss., 1999, Peter Lang, Frankfurt a. M. [u.a.] 1999.

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