Die Personengesellschaft im Konzern: Privatautonomie zwischen Vertrag und Organisation 9783161579561, 3161490991

Was kann die Organisation des Konzerns besser als der Schuldvertrag? Grundsätzlich stehen Marktteilnehmer bei der Entsch

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Erster Teil: Konzeptionelle Grundlagen in rechtlicher, ökonomischer und rechtstatsächlicher Perspektive
I. Die Personenhandelsgesellschaft im Spannungsfeld zwischen der Gestaltungsfreiheit ihrer Gesellschafter und organisationsrechtlicher Außenwirkung
A. Die Herausbildung der GmbH & Co KG im Lichte der wirtschaftlichen Kooperationsbedürfnisse der Industrie
B. Der individuelle Interessenausgleich der Gesellschafter untereinander und seine Gestaltungsgrenzen als gesellschaftsprägende Elemente im Schrifttum
1. »Punkt-für-Punkt-Vergleich« bei Manfred Nitschke
2. Institutionalisierung nach Arndt Teichmann
3. Unverbindliche Typusmerkmale nach Harm Peter Westermann
4. Preisgabe der Selbstbestimmung bei Christoph Weber
5. Ausblick: Außenwirksame Marktteilnahme als Kehrseite des gesellschaftsinternen Interessenausgleichs
C. Die außenwirksame Verselbständigung der Gesamthand als Marktteilnehmerin in der Wirtschaftsordnung
1. Rechtliche Verselbständigung als Voraussetzung für die Marktteilnahme
2. Außenwirkung der Marktteilnahme auf der Grundlage der Steuerungswirkung unbeschränkter Haftung
3. Risikoverteilung als Bestimmungsfaktor für die Außenwirkung der Marktteilnahme
D. Das Zusammentreffen von Innen- und Außenverhältnis bei der Personengesellschaft im Konzern
1. Zwischenergebnis: Das Spannungsfeld zwischen gesellschaftsinternem Interessenausgleich und der Marktteilnahme der Gesellschaft bei Konzerneinbindung
2. Begründungsdefizite hinsichtlich der beherrschungsvertraglichen Verselbständigungswirkung in der Literatur zur konzerngebundenen Personengesellschaft
II. Ökonomische Grundlagen: Märkte und Hierarchien in der Unternehmung
A. Wirkungszusammenhänge: Das Unternehmen im Markt und der Markt im Unternehmen
1. Die Unternehmung als Frage der Marktallokation in der Neoklassik
2. Die Unternehmung zum Ausgleich von Marktschwächen in kontrakttheoretisch und institutionalistisch ausgerichteten Theorien der Unternehmung
a) Transaktionskostenökonomische Ausgangspunkte
b) Die Grenzen des Preismechanismus als Bestimmungsfaktor der Neuen Institutionenökonomik
3. Ressourcenbasierte Ansätze zur Unternehmung
B. Analyseinstrumente: Anknüpfungspunkte für Funktionsschwächen des Marktes als Grundlage einer Unternehmensintegration
1. Unternehmensintegration aufgrund von Informationsasymmetrien beim marktlichen Austausch
2. Anreizoptimierung durch property rights im integrierten Unternehmen
C. Operationalisierung: Marktbildung, Marktnachahmung und Marktermöglichung im unvollständigen Gesellschaftsvertrag
1. Marktbildung und Marktnachahmung im gesellschaftsinternen Interessenausgleich
a) Verfügungsrechte – Property rule, liability rule und inalienability rule
b) Gesellschaftsrecht – Lückenfüllung durch default rule
c) Das Leistungsniveau der Organisation – Abwanderung, Widerspruch und Loyalität
2. Marktermöglichung durch außenwirksame Vermögenssonderung
D. Fazit: Das Ineinandergreifen von Hierarchien und marktlichen Anreizmechanismen in der Organisation als Ansatzpunkt für eine rechtliche Nutzbarmachung
III. Rechtstatsachen: Die konzerngebundene Personengesellschaft zwischen Hierarchie, internem Markt und Intermediärstellung
A. Hierarchien zur Abschirmung gegen anteilsmarktliche Einflüsse
1. Die Medienbranche als Beispiel für konzentrative Hierarchiebildung
2. Personengesellschaftsvertragliche Befugnisse als Ersatz für eine über einen Anteilsmarkt vermittelte Beherrschung
a) Anschauungsmaterial aus der Fusionskontrollpraxis
b) Die Ausschaltung anteilsmarktlicher Einflüsse
B. Marktbildung im Unternehmen durch Holdingstrukturen und profit center-Steuerung
1. Marktliche Dezentralisierung im Konzern durch Holdingstrukturen
a) Der Holdingkonzern
b) Die Mittelstandsholding
2. Operationalisierung des Marktes durch profit center-Steuerung
a) Die Verselbständigung operativer Gesellschaften zu profit centers
b) Marktbildung auf der Grundlage konzerninterner Verrechnungspreise
C. Das Unternehmen als Intermediär zur Kapitalmarktermöglichung
1. Funktionsschwächen des Kapitalmarktes bei der Innovationsfinanzierung
2. Kapitalmarktgetriebene Finanzierung durch venture capital in den USA
a) Die Herausbildung der limited partnership als Finanzierungsvehikel für venture capital
b) Informationsasymmetrien auf dem Kapitalmarkt als Bestimmungsfaktoren des Vertragsdesigns
c) Grenzen der Intermediärfunktion beim corporate venture capital
3. Beteiligungskapitalfinanzierung in Deutschland im Lichte institutioneller Schwächen des Kapitalmarktes
a) Kapitalmarktüberbrückung durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften
b) Kapitalmarktersatz durch konzerngebundenes Beteiligungskapital
D. Fazit der rechtstatsächlichen Problemerschließung
Zweiter Teil: Gesellschaftsinterner Interessenausgleich durch Gesellschaftsvertrag
I. Willensbildung zwischen Individualrecht und Treuepflicht
A. Der Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft
1. Interessenabschichtung als dogmatische Grundlage
2. Prämisse einer Interessengleichrichtung
3. Wahrung individueller Gesellschafterrechte bei fehlender Interessengleichrichtung
4. Interessenausgleich durch individualrechtlich gestützte Marktbildung
a) Verhandlungen infolge des Kernbereichsschutzes von Vermögensrechten
b) Beaufsichtigung infolge des Kernbereichsschutzes von Kontrollrechten
c) Marktbildung durch Kernbereichsschutz in spieltheoretischer Perspektive
5. Interessenausgleich durch Marktnachahmung in der Publikumspersonengesellschaft
6. Grenzen einer Verselbständigung von Marktbildung und Marktnachahmung
a) Antizipierte Zustimmung und Gestaltungskompetenz der Mehrheit als Legitimationsgrundlagen des Kernbereichseingriffs
b) Normentheoretische Prämissen
c) Anwendung auf die Personengesellschaft
B. Widerspruchsrechte und Drittmarktmaßstäbe aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes
1. Ausgangspunkte
2. Widerspruchsrechte in der idealtypischen Personengesellschaft
a) Dogmatische Grundlagen
b) Der vertragsrechtliche Regelungsgehalt im Spiegel der Rechtsprechung
c) Abgrenzung zur Kernbereichslehre
3. Drittmarktmaßstäbe in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft
a) Publikumspersonengesellschaften
b) Familienpersonengesellschaften
C. Fazit
D. Die Zustimmungspflicht kraft Treubindung
1. Strategisches Verhalten als Problem
2. Geschäftsführungsmaßnahmen
a) Widerspruch gem. § 115 Abs. 1 Halbs. 2 HGB
b) Zustimmung
3. Gesellschaftsvertragsänderungen
4. Der gesellschaftsinterne Verhandlungsprozess als Grenze der Zustimmungspflicht kraft Treubindung
5. Die Zustimmung des Anlegerkommanditisten in der Publikumspersonengesellschaft
E. Ergebnis
II. Finanzierung zwischen Ausschüttung und Thesaurierung
A. Entnahmerechte
1. Gesetzliche Regelung
2. Wertungskriterien für das Verhältnis zwischen Ausschüttung und Thesaurierung
3. Ansatzpunkte für einen weiter gehenden Interessenausgleich
a) Treuepflicht
b) Gesellschaftsvertrag
c) Marktbildung
d) Die Finanzierungsentscheidung der Gesellschafter
e) Marktnachahmung in der Publikumspersonengesellschaft
f) Zwischenergebnis
4. Das Steuerentnahmerecht der Gesellschafter als Grenze der Richtigkeitsgewähr der Finanzierungsentscheidung
a) Rechtsgrundlagen
b) Umfang
B. Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter
1. Die Kompetenzfrage
2. Der Kreis der zustimmungspflichtigen Bilanzierungsentscheidungen
a) Das Abgrenzungskriterium
b) Die Bildung offener Rücklagen
c) Ermessensabschreibungen gem. § 253 Abs. 4 HGB
d) Aufwandsrückstellungen gem. § 249 Abs. 2 HGB
e) Steuerliche Sonderabschreibungen
3. Beurteilungsmaßstäbe für die Ausübung der Bilanzierungskompetenzen
C. Fazit: Grenzen der Mehrheitsmacht bei der Finanzierung
III. Unternehmensleitung zwischen Schuldrecht und Organisation
A. Ausgangsfragen
B. Wertungskriterien zur Begrenzung des Dritteinflusses
1. Preisgabe der Selbstbestimmung
2. Materieller Regelungsgehalt des Abspaltungsverbots gem. § 717 S. 1 BGB
a) Anreizgestützte Verhaltenssteuerung
b) Schutzrichtung
C. Anwendungsfelder
1. Die Abspaltung einzelner Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft
a) Die Mitgliedschaft als Gegenstand einer Verfügungsbeschränkung im Sinne des § 137 S. 1 BGB
b) Die gesamthänderische Verfügungsbeschränkung als Bestimmungsfaktor rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung gem. § 137 S. 1 BGB
2. Statutarisch vermittelte Drittorganschaft
3. Schuldrechtliche Abspaltung durch Stimmrechtsvollmacht
a) Verdrängende Vollmacht
b) Unwiderrufliche Vollmacht
c) Einfache Stimmrechtsvollmacht
d) Die Rechtsfolgen unwirksamer Bevollmächtigung – die Außenwirkung des Abspaltungsverbots und die dadurch verwirklichten Kapitalmarktinteressen
4. Die schuldrechtliche Übertragung von Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnissen
a) Vertretungsbefugnisse
b) Geschäftsführungsbefugnisse
c) Grenzen der Gestaltungsfreiheit
D. Grenzen des Dritteinflusses als Baustein organisationsrechtlicher Regelungsstruktur
1. Zwischenergebnis: Die Außenwirkung als Kriterium für die Begrenzung des Dritteinflusses in der Personengesellschaft
2. Kapitalmarktschutz durch die Konkretisierung zulässiger organisationsrechtlicher Verselbständigung gem. §§ 137 S. 1, 717 S. 1 BGB
Dritter Teil: Organisationsrechtliche Konzerneinbindung durch Gesellschaftsvertrag
I. Das Grundproblem: Rechtliche Vielheit und wirtschaftliche Einheit im Konzern
II. Die Abhängigkeit entsprechend § 17 AktG als Grundlage mitgliedschaftsrechtlich vermittelter Konzerneinbindung
A. Zur Konkretisierung des Unternehmensbegriffs
1. Die Konzerngefahr als Ausgangspunkt
2. Präzisierung durch das gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbot gem. § 112 HGB
3. Konzerngefahr bei multiplem Beteiligungsbesitz eines privaten Gesellschafters?
4. Präzisierung der Konzerngefahr bei multiplem Beteiligungsbesitz eines privaten Gesellschafters
5. Konzerngefahr in der kapitalistisch strukturierten GmbH & Co KG
B. Der Anteilsmarktbezug der Abhängigkeit entsprechend § 17 AktG
1. Der Anteilsmarkt als Bestimmungsfaktor der Mehrheitsbeteiligung gem. §§ 16, 17 Abs. 2 AktG
a) Anteilsmehrheit
b) Stimmenmehrheit
2. Die Äquivalenz von Anteilsmarkt und personengesellschaftsvertraglicher Vereinbarung
3. Abhängigkeitsbegründung bei der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft durch Anteilsmarktnachahmung
4. Abhängigkeitsbegründung bei der idealtypischen Personengesellschaft und der personalistischen GmbH & Co KG durch Anteilsmarktbildung
a) Widerspruchsrechte
b) Geschäftsführungsbefugnisse
c) Erfordernis gesellschaftsrechtlicher Vermittlung der Abhängigkeit
d) Grenzen organisationsrechtlicher Vermittlung der Geschäftsführung des Kommanditisten
e) Austauschvertragliche Regelungselemente am Beispiel der aktienrechtlichen Nebenleistungsgesellschaft (§§ 55, 61 AktG)
f) Die Integration von Austauschbeziehungen im Personengesellschaftsvertrag
g) Nebeneinander von Austauschvertrag und Organisation bei der Geschäftsführung des Kommanditisten
5. Fazit: Idealtypische und kapitalistische Gesellschaftsstruktur als Bestimmungsfaktoren für die Abhängigkeitsbegründung
III. Die Einbindung einer idealtypischen Personengesellschaft in einen beherrschungsvertraglichen Unterordnungskonzern entsprechend § 291 Abs. 1 AktG
A. Die Zuordnung von Mitgliedschaftsrechten als Kennzeichen des beherrschungsvertraglichen Unterordnungskonzerns
1. Das Modell des aktiengesetzlichen Unterordnungskonzerns gem. § 291 Abs. 1 AktG
2. Willensbildung
3. Finanzierung
4. Geschäftsführung
a) Aktiengesetzlicher Unterordnungskonzern
b) Der unternehmensleitende persönlich haftende Gesellschafter
c) Der unternehmensleitende Kommanditist
5. Fazit: Doppelfunktionale Grenzen organisationsrechtlicher Konzerneinbindung gem. § 137 S. 1 BGB
B. Die Rechtsnatur des Beherrschungsvertrages
1. Der satzungsändernde Gehalt des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrages
2. Die organisationsrechtliche Gestaltungswirkung des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrages
3. Statusveränderung durch Organisationsvertrag
4. Organisationsrecht als funktionale Kategorie des Zivilrechts
5. Organisations- und Schuldrecht im Beherrschungsvertrag mit der Personengesellschaft
C. Organisationsrechtliche Beherrschung aufgrund eines »dienenden« Gesellschaftszwecks
IV. Anteilsmarktnachahmung bei der beherrschungsvertraglichen Konzerneinbindung einer kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft
A. Verselbständigung der Mitgliedschaftsrechte durch Anteilsmarktnachahmung
1. Die Beitrittsentscheidung als kapitalmarktorientierte Anlageentscheidung
2. Die objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrages
3. Inhaltskontrolle auf der Grundlage kapitalmarktlicher Risikoverteilung
B. Unternehmensleitung zwischen Organschaft und Vertrag
1. Rechtliche Trennung zwischen Komplementär-GmbH und GmbH & Co KG
2. Die Geschäftsführerhaftung zwischen Vertrag und organschaftlicher Sonderbeziehung
3. Grenzen des organisationsrechtlichen Regelungsgehalts bei der personalistisch strukturierten GmbH & Co KG
V. Interessenausgleich im Gleichordnungskonzern mit personalistisch strukturierter Personengesellschaft
A. Die Unternehmenszuordnung im Gleichordnungskonzern
B. Interessenausgleich zwischen Mitgliedschaft und Schuldrecht
1. Interessengleichklang durch mitgliedschaftliche Treuepflicht
2. Interessenausgleich in der GmbH zwischen Mitgliedschaft und Marktmaßstäben
3. Interessengleichklang und -ausgleich durch Treuepflichten in der Personengesellschaft
4. Kooperation versus Marktaustausch beim Ausgleich fremdunternehmerischer Interessen der Personengesellschafter
VI. Die Konzerneinbindung der Personengesellschaft zwischen Markt und Organisation
Vierter Teil: Haftung als Grenze der organisationsrechtlichen Wirkung des Gesellschaftsvertrages
I. Gesellschafterhaftung
A. Haftungsbeschränkung in der OHG
1. Der Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung – Grundlagen und Ausgangspunkte im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
a) Traditionelle Gesamthandslehre
b) Verselbständigung der Gesellschaft
c) Wertungsgrundlagen für die OHG
2. Individualvertragliche Haftungsvereinbarung mit dem Gläubiger
3. Haftungsbeschränkung kraft Vermögenssonderung
B. Einlagen- und Kapitalsicherung in der Kommanditgesellschaft
1. Einlage und Haftung des Kommanditisten als Grundlagen der Fremd- und Eigenkapitalqualifizierung
2. Die Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital bei der Einlagenaufbringung in der KG
a) Die gesplittete Einlage in der Publikums-KG
b) Die Umqualifizierung in der personalistischen GmbH & Co KG
c) Die Umqualifizierung zu Lasten von atypisch stillen Gesellschaftern
d) Übertragbarkeit auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft im Lichte der Grenzen privatautonomer Eigen- und Fremdkapitalbestimmung und ihrer dogmatischen Grundlage
3. Grenzen der Privatautonomie bei der Kapitalaufbringung
a) Gesellschaftsinterne Bewertungsfreiheit der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft
b) Marktbildende Anreize aufgrund der Maßstabsfunktion des Kapitalanteils
c) Die verdeckte Sacheinlage in der Kommanditgesellschaft
4. Das stehen gelassene Abfindungsguthaben als Problem der Einlagenerhaltung
a) Prämissen der Literatur im Spiegel von Vertrags- und Verrechnungstheorie
b) Symmetrie zwischen Einlagenleistung und -rückgewähr aufgrund paralleler Risikoverteilung
c) Das Zurücktreten im Konkurs als Risikoverteilung durch Außenhaftung
5. Grenzen der Privatautonomie bei einer Einwirkung auf die Außenhaftung durch Risikoverteilung
6. Kapitalerhaltung durch Außenwirkung der Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 HGB
a) Grundlagen der Außenwirkung von Kapitalrückflüssen an den Kommanditisten
b) Die Außenwirkung dienstvertraglicher und organisationsrechtlicher gesellschaftsvertraglicher Tätigkeitsvergütung
c) Konsequenzen für die Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 S. 1 HGB
7. Fazit: Die Kommanditistenhaftung als Grenze außenwirksamer privatautonomer Gestaltung in der Kommanditgesellschaft
C. Die Finanzierungsverantwortung in der GmbH & Co KG
1. Die organisationsrechtliche Verankerung der Stammkapitalerhaltung in der GmbH
a) Der Zusammenhang zwischen Stammkapital und juristischer Verselbständigung
b) Der Auszahlungsempfänger gem. § 30 GmbHG und seine organisationsrechtliche Einbindung
c) Die Rechtsfolgen der Stammkapitalerhaltung durch Rückerstattung gem. § 31 GmbHG
d) Zwischenergebnis: Kapitalerhaltung in der GmbH als Vehikel der Vermögensverselbständigung
2. Die Ausstrahlungswirkung der Stammkapitalerhaltung gem. §§ 30, 31 GmbHG auf die GmbH & Co KG
a) Beteiligungskonstellationen
b) Konsequenzen
II. Konzernhaftung
A. Der Verlustausgleich in der idealtypischen Kommanditgesellschaft als Ergebnis austauschvertraglicher Risikoverteilung
1. Die organisationsrechtliche Einwirkung als Grundlage eines gesellschaftsrechtlich fundierten Verlustausgleichs
a) Legitimationsgrundlagen des Verlustausgleichs
b) Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft als Ausgangspunkt des Verlustausgleichs im AktG 1965
c) Die Treuepflicht als Grundlage des Verlustausgleichs
2. Risikoverteilung und Risikovergemeinschaftung im Rahmen eines beherrschungsvertraglichen Verlustausgleichs
a) Interessengleichlauf als Grundlage einer Risikovergemeinschaftung im Rahmen des aktiengesetzlichen Verlustausgleichs gem. § 302 AktG
b) Austauschvertraglicher Interessenausgleich als Ausgangspunkt für einen Ersatz von Zufallsschäden im Rahmen des auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzes gem. § 670 BGB
c) Risikozurechnung aufgrund eines organisationsähnlichen Interessengleichlaufs im Rahmen eines auftragsrechtlichen Schadensersatzes
3. Risikovergemeinschaftung und Risikozurechnung beim Verlustausgleich zwischen organisationsähnlicher Struktur und vertraglicher Einigung
B. Der Verlustausgleich in der kapitalistisch strukturierten GmbH & Co KG als Grenze ihrer materiellen Verselbständigung
1. Ausgangsfrage: Die Verselbständigung der beherrschten GmbH & Co KG von der zugrunde liegenden Beherrschungsvereinbarung
2. Die Grenzen organisationsrechtlicher Verselbständigung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern als Ausgangspunkt
a) Bezugspunkte der Ausübung mitgliedschaftlicher Leitungsbefugnisse
b) Entscheidungsgrundlagen zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
c) Dogmatische Einordnungen der Rechtsprechung in der Literatur
3. Die Existenzsicherung der GmbH im Gläubigerinteresse als Kriterium und Grenze ihrer organisationsrechtlichen Einbindung (»Bremer Vulkan«)
a) Grundlagen in der Rechtsprechung
b) Der rechtliche Status des Bestandsinteresses der GmbH
c) Haftungsbegründung und dogmatische Konzepte von der juristischen Person
d) Haftung und Zweckbindung
e) Instrumentalisierung durch die Entkopplung von Vermögensrecht und Zweckbindung
4. Die Ausstrahlungswirkung GmbH-konzernrechtlicher Lenkungsprinzipien auf die GmbH & Co KG und daraus resultierende Beschränkungen ihrer organisationsrechtlichen Einbindung
a) Die Anwendung der Haftungsgrundsätze zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern
b) Haftung der Schwestergesellschaft im Unterordnungskonzern im Lichte der §§ 30f. GmbHG
c) Die Haftung der Schwestergesellschaft im Gleichordnungskonzern
C. Verlustausgleich zwischen Risikoverteilung und Risikovergemeinschaftung
Fünfter Teil: Die Abfindung als Ergebnis des Gesellschaftsvertrages
I. Ausgangsfragen
II. Die Verfügungsrechtsposition des ausscheidenden Gesellschafters im Lichte der Hinauskündigung
A. Funktionsschutz auf der Grundlage der Unwirksamkeit von Hinauskündigungsklauseln
1. Idealtypische Personengesellschaft
2. Publikumspersonengesellschaft
B. Grenzen des Funktionsschutzes
1. Hinauskündigung von »Gesellschaftern minderen Rechts«
2. Die sachliche Rechtfertigung einer Hinauskündigung
a) Tatbestandsmäßig fixiertes Ausschließungskriterium
b) Anknüpfung an die konkrete Gesellschafterstellung
3. Schutz durch Abfindung
III. Anteilsmarktersatz aufgrund informationsforcierender Anreize
A. Der gesetzliche Abfindungsanspruch im Spiegel betriebswirtschaftswissenschaftlicher Unternehmensbewertung
1. Eignerbezogenheit und funktionaler Bezug als betriebswirtschaftliche Ausgangsbedingungen der Unternehmensbewertung
2. Verkehrswert als Bestimmungsfaktor rechtlicher Abfindungsermittlung
a) Marktfiktion als Ausgangspunkt
b) Methodik der Unternehmensbewertung
3. Objektivierung als Umsetzung des rechtlichen Verkehrswertes in der Unternehmensbewertungspraxis
a) Vergangenheitsanalyse
b) Stichtagsprinzip
c) Kapitalisierungszinssatz
4. Informationsforcierende Anreize durch Objektivierung
a) Der objektivierte Wert als Preisuntergrenze des Verkäufers
b) Verhandlungspotenziale und Informationsforcierung auf der Grundlage der Objektivierung
B. Die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Buchwertabfindung
1. Grundlagen
2. Von der Korrektur zur Auslegung in der Rechtsprechung zur Buchwertklauselkontrolle
a) Klauselkorrektur gem. § 138 BGB
b) Klauselkorrektur mit Auslegungselementen gem. § 723 Abs. 3 BGB
c) Auslegung gem. § 242 BGB statt Klauselkorrektur
3. Wertungskriterien im Spiegel von Institutionenschutz und Dynamisierung
a) Inhaltskontrolle gem. § 138 BGB aufgrund eines statischen Unwerturteils
b) Schutz marktbildender Verhandlungsstrukturen aufgrund des § 723 Abs. 3 BGB
c) Korrektur der Risikoverteilung gem. § 242 BGB
4. Informationsforcierung trotz Buchwertklausel?
a) Richtigkeitsgewähr aufgrund gleichgewichtiger Informationslage in der OHG
b) Sicherung marktbildender Anreizstrukturen in der idealtypischen Kommanditgesellschaft
c) Kapitalmarktmaßstäbe in der Publikumskommanditgesellschaft
C. Fazit: Die Abfindungsfrage zwischen gesellschaftsinterner Marktbildung und Anteilsmarktverwirklichung der Gesellschafter
Zusammenfassung der Ergebnisse
I. Grundlagen
II. Gesellschaftsinterner Interessenausgleich aufgrund des Gesellschaftsvertrages
III. Organisationsrechtliche Konzerneinbindung aufgrund des Gesellschaftsvertrages
IV. Gesellschafterhaftung als Grenze der organisationsrechtlichen Außenwirkung des Gesellschaftsvertrages
V. Die Abfindung als Ergebnis des Gesellschaftsvertrages
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Die Personengesellschaft im Konzern: Privatautonomie zwischen Vertrag und Organisation
 9783161579561, 3161490991

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 113

Brigitte Haar

Personengesellschaft im Konzern Privatautonomie zwischen Vertrag und Organisation

Mohr Siebeck

Brigitte Haar, geboren 1965; Studium der Rechtswissenschaften in Passau, Genf und an der University of Chicago (LL.M); 1995 Promotion; 1996-2001 Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht; 1997/98 Visting Scholar an der Yale Law School (Otto-Hahn-Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft); 2001-2004 Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft; 2004 Habilitation; seit 2004 Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches, europäisches und internationales Wirtschaftsrecht, Law and Finance sowie Rechtsvergleichung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

978-3-16-157956-1 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 3-16-149099-1 ISBN-13 978-3-16-149099-6 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum)

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2006 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Über die Personengesellschaft im Konzern wird nach wie vor lebhaft diskutiert. Die Tragfähigkeit einer organisationsrechtlichen Konzerneinbindung von Unternehmen und der damit einhergehenden Haftungssegmentierung hat insbesondere im Lichte der Bremer Vulkan-Entscheidung Aktualität erlangt. Das Bedürfnis nach einem geschlossenen Konzept der Personengesellschaft im Konzern ist daher besonders dringlich. Die vorliegende Schrift unternimmt den Versuch, diese Lücke mit einem neuen methodischen Zugriff zu schließen. Die Arbeit hat dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg 2003/2004 als Habilitationsschrift vorgelegen. Neuere Publikationen sind bis Ende 2005 nachgetragen. Die Wahl des Themas als Gegenstand einer Habilitationsschrift war nicht ohne Risiko. Mich bei diesem Projekt nach Kräften so unterstützt zu haben, wie man sich das als Habilitand nur wünschen kann, und mir den dafür erforderlichen Freiraum gelassen zu haben, dafür schulde ich meinem verehrten Lehrer Professor Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt meinen tief empfundenen Dank. Ergänzt wurde dies durch fruchtbare fachliche und persönliche Erfahrungen im Rahmen meiner wissenschaftlichen Tätigkeit bei ihm, die mich weit über diese Arbeit hinaus in meiner internationalen und interdisziplinären Ausrichtung geprägt haben. Neben den idealen Rahmenbedingungen am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht verdanke ich wesentliche Anregungen einem einjährigen Forschungsaufenthalt an der Yale Law School, der mir zu wichtigen Einsichten in die Neue Institutionenökonomik und ihre Nutzbarmachung für das Personengesellschaftsrecht verhalf. Er wurde ermöglicht durch die von der Max-Planck-Gesellschaft verliehene Otto-Hahn-Medaille und das damit verbundene großzügige Stipendium. In der Schlussphase der Arbeit wäre mir ohne das Habilitandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein zügiger Abschluss nicht möglich gewesen. Es ist mir deshalb eine angenehme Pflicht, diesen für mich so wichtigen Förderinstituiionen für die Stipendiengewährung an dieser Stelle sehr herzlich zu danken. Des Weiteren möchte ich für die Erstattung des Zweitgutachtens im Habilitationsverfahren Professor Dr. Heribert Hirte danken. Schließlich gilt mein Dank den Direktoren des Max-Planck-Instituts in Hamburg, den Professoren Dres. Basedow, Hopt und Zimmermann, und der DFG für die Zusage eines Druckkostenzuschusses sowie dem Mohr Verlag für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe.

VI

Vorwort

Die Literaturbeschaffung wurde durch die Bibliothek des Hamburger MaxPlanck-Instituts ganz wesentlich erleichtert, für ihre Hilfsbereitschaft sei den dortigen Mitarbeitern gedankt. Frau Ingeborg Stahl hat das Manuskript für die Drucklegung vorbereitet, meine Frankfurter Mitarbeiter halfen bei der Aktualisierung und der Fahnenkorrektur; auch hierfür mein herzlicher Dank. Mehr als Dank schulde ich den Menschen an meiner Seite, insbesondere dafür, dass sie mein Zweifeln ausgehalten und mich auf meinem Weg immer wieder ermutigt haben. Frankfurt am Main, im Sommer 2006

Brigitte

Haar

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis

XXIII

Einleitung

1

Erster Teil: Konzeptionelle Grundlagen und rechtstatsächlicher Perspektive

in rechtlicher,

ökonomischer 5

I. Die Personenhandelsgesellschaft im Spannungsfeld zwischen der Gestaltungsfreiheit ihrer Gesellschafter und organisationsrechtlicher Außenwirkung II. Ökonomische Grundlagen: Märkte und Hierarchien in der Unternehmung

5 31

III. Rechtstatsachen: Die konzerngebundene Personengesellschaft zwischen Hierarchie, internem Markt und Intermediärstellung . . .

62

Zweiter Teil: Gesellschaftsinterner Gesellschaftsvertrag

95

Interessenausgleich

durch

I. Willensbildung zwischen Individualrecht und Treuepflicht II. Finanzierung zwischen Ausschüttung und Thesaurierung

95 146

III. Unternehmensleitung zwischen Schuldrecht und Organisation . . .

177

Dritter Teil: Organisationsrechtliche Gesellschaftsvertrag

219

Konzerneinbindung

durch

I. Das Grundproblem: Rechtliche Vielheit und wirtschaftliche Einheit im Konzern II. Die Abhängigkeit entsprechend § 17 AktG als Grundlage mitgliedschaftsrechtlich vermittelter Konzerneinbindung III. Die Einbindung einer idealtypischen Personengesellschaft in einen beherrschungsvertraglichen Unterordnungskonzern entsprechend §291 Abs. 1 AktG

219 223

268

VIII

Inhaltsübersicht

[V. Anteilsmarktnachahmung bei der beherrschungsvertraglichen Konzerneinbindung einer kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft

303

V. Interessenausgleich im Gleichordnungskonzern mit personalistisch strukturierter Personengesellschaft

320

VI. Die Konzerneinbindung der Personengesellschaft zwischen Markt und Organisation

336

Vierter Teil: Haftung als Grenze der organisationsrechtlichen des Gesellschaftsvertrages

339

Wirkung

I. Gesellschafterhaftung

340

II. Konzernhaftung

Fünfter Teil: Die Abfindung

423

als Ergebnis des Gesellschaftsvertrages

. . .

I. Ausgangsfragen

483

II. Die Verfügungsrechtsposition des ausscheidenden Gesellschafters im Lichte der Hinauskündigung III. Anteilsmarktersatz aufgrund informationsforcierender Anreize

Zusammenfassung

der Ergebnisse

I. Grundlagen II. Gesellschaftsinterner Interessenausgleich aufgrund des Gesellschaftsvertrages

483

486 . .

497

535 535 536

III. Organisationsrechtliche Konzerneinbindung aufgrund des Gesellschaftsvertrages

537

IV. Gesellschafterhaftung als Grenze der organisationsrechtlichen Außenwirkung des Gesellschaftsvertrages

539

V. Die Abfindung als Ergebnis des Gesellschaftsvertrages

541

Literaturverzeichnis

543

Sachregister

611

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Einleitung

Erster Teil: Konzeptionelle Grundlagen in rechtlicher, ökonomischer und rechtstatsächlicher Perspektive I. Die Personenhandelsgesellschaft im Spannungsfeld zwischen der Gestaltungsfreiheit ihrer Gesellschafter und organisationsrechtlicher Außenwirkung A. Die Herausbildung der G m b H & Co KG im Lichte der wirtschaftlichen Kooperationsbedürfnisse der Industrie

....

B. Der individuelle Interessenausgleich der Gesellschafter untereinander und seine Gestaltungsgrenzen als gesellschaftsprägende Elemente im Schrifttum 1. »Punkt-für-Punkt-Vergleich« bei Manfred Nitschke 2. Institutionalisierung nach Arndt Teichmann 3. Unverbindliche Typusmerkmale nach Harm Peter Westermann 4. Preisgabe der Selbstbestimmung bei Christoph Weber . . . . 5. Ausblick: Außenwirksame Marktteilnahme als Kehrseite des gesellschaftsinternen Interessenausgleichs C. Die außenwirksame Verselbständigung der Gesamthand als Marktteilnehmerin in der Wirtschaftsordnung 1. Rechtliche Verselbständigung als Voraussetzung für die Marktteilnahme 2. Außenwirkung der Marktteilnahme auf der Grundlage der Steuerungswirkung unbeschränkter Haftung 3. Risikoverteilung als Bestimmungsfaktor für die Außenwirkung der Marktteilnahme D. Das Zusammentreffen von Innen- und Außenverhältnis bei der Personengesellschaft im Konzern

Inhaltsverzeichnis 1. Zwischenergebnis: Das Spannungsfeld zwischen gesellschaftsinternem Interessenausgleich und der Marktteilnahme der Gesellschaft bei Konzerneinbindung . . . 2. Begründungsdefizite hinsichtlich der beherrschungsvertraglichen Verselbständigungswirkung in der Literatur zur konzerngebundenen Personengesellschaft . Ökonomische Grundlagen: Märkte und Hierarchien in der Unternehmung A. Wirkungszusammenhänge: Das Unternehmen im M a r k t und der M a r k t im Unternehmen 1. Die Unternehmung als Frage der Marktallokation in der Neoklassik 2. Die Unternehmung z u m Ausgleich von Marktschwächen in kontrakttheoretisch und institutionalistisch ausgerichteten Theorien der Unternehmung a) Transaktionskostenökonomische Ausgangspunkte b) Die Grenzen des Preismechanismus als Bestimmungsfaktor der N e u e n Institutionenökonomik . . 3. Ressourcenbasierte Ansätze zur Unternehmung B. Analyseinstrumente: A n k n ü p f u n g s p u n k t e für Funktionsschwächen des Marktes als Grundlage einer Unternehmensintegration 1. Unternehmensintegration aufgrund von Informationsasymmetrien beim marktlichen Austausch . . . . 2. Anreizoptimierung durch property rights im integrierten Unternehmen C. Operationalisierung: Marktbildung, Marktnachahmung und Marktermöglichung im unvollständigen Gesellschaftsvertrag . . 1. Marktbildung und Marktnachahmung im gesellschaftsinternen Interessenausgleich a) Verfügungsrechte - Property rule, liability rule und inalienability rule b) Gesellschaftsrecht - Lückenfüllung durch default rule . . . c) Das Leistungsniveau der Organisation - Abwanderung, Widerspruch und Loyalität 2. Marktermöglichung durch außenwirksame Vermögenssonderung D. Fazit: Das Ineinandergreifen von Hierarchien und marktlichen Anreizmechanismen in der Organisation als Ansatzpunkt für eine rechtliche Nutzbarmachung

Inhaltsverzeichnis

Rechtstatsachen: Die konzerngebundene Personengesellschaft zwischen Hierarchie, internem Markt und Intermediärstellung

. . .

A. Hierarchien zur Abschirmung gegen anteilsmarktliche Einflüsse 1. Die Medienbranche als Beispiel für konzentrative Hierarchiebildung 2. Personengesellschaftsvertragliche Befugnisse als Ersatz für eine über einen Anteilsmarkt vermittelte Beherrschung

. . . .

a) Anschauungsmaterial aus der Fusionskontrollpraxis . . . . b) Die Ausschaltung anteilsmarktlicher Einflüsse B. Marktbildung im Unternehmen durch Holdingstrukturen und profit center-Steuerung 1. Marktliche Dezentralisierung im Konzern durch Holdingstrukturen a) Der Holdingkonzern b) Die Mittelstandsholding 2. Operationalisierung des Marktes durch profit center-Steuerung a) Die Verselbständigung operativer Gesellschaften zu profit centers b) Marktbildung auf der Grundlage konzerninterner Verrechnungspreise C. Das Unternehmen als Intermediär zur Kapitalmarktermöglichung 1. Funktionsschwächen des Kapitalmarktes bei der Innovationsfinanzierung 2. Kapitalmarktgetriebene Finanzierung durch venture capital in den U S A a) Die Herausbildung der limited partnership als Finanzierungsvehikel für venture capital b) Informationsasymmetrien auf dem Kapitalmarkt als Bestimmungsfaktoren des Vertragsdesigns c) Grenzen der Intermediärfunktion beim corporate venture capital 3. Beteiligungskapitalfinanzierung in Deutschland im Lichte institutioneller Schwächen des Kapitalmarktes a) Kapitalmarktüberbrückung durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften b) Kapitalmarktersatz durch konzerngebundenes Beteiligungskapital D . Fazit der rechtstatsächlichen Problemerschließung

XII

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil: Gesellschaftsinterner durch Gesellschaftsvertrag

Interessenausgleich

I. Willensbildung zwischen Individualrecht und Treuepflicht A. Der Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft 1. Interessenabschichtung als dogmatische Grundlage 2. Prämisse einer Interessengleichrichtung 3. Wahrung individueller Gesellschafterrechte bei fehlender Interessengleichrichtung 4. Interessenausgleich durch individualrechtlich gestützte Marktbildung a) Verhandlungen infolge des Kernbereichsschutzes von Vermögensrechten b) Beaufsichtigung infolge des Kernbereichsschutzes von Kontrollrechten c) Marktbildung durch Kernbereichsschutz in spieltheoretischer Perspektive 5. Interessenausgleich durch Marktnachahmung in der Publikumspersonengesellschaft 6. Grenzen einer Verselbständigung von Marktbildung und Marktnachahmung a) Antizipierte Zustimmung und Gestaltungskompetenz der Mehrheit als Legitimationsgrundlagen des Kernbereichseingriffs b) Normentheoretische Prämissen c) Anwendung auf die Personengesellschaft B. Widerspruchsrechte und Drittmarktmaßstäbe aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes 1. Ausgangspunkte 2. Widerspruchsrechte in der idealtypischen Personengesellschaft a) Dogmatische Grundlagen b) Der vertragsrechtliche Regelungsgehalt im Spiegel der Rechtsprechung c) Abgrenzung zur Kernbereichslehre 3. Drittmarktmaßstäbe in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft a) Publikumspersonengesellschaften b) Familienpersonengesellschaften .... C. Fazit

95 95 96 97 100 102 103 105 105 109 112 114

115 116 117 119 119 120 120 122 125 129 129 133 134

Inhaltsverzeichnis

XIII

D. Die Zustimmungspflicht kraft Treubindung 1. Strategisches Verhalten als Problem 2. Geschäftsführungsmaßnahmen a) Widerspruch gem. § 115 Abs. 1 Halbs. 2 H G B b) Zustimmung 3. Gesellschaftsvertragsänderungen 4. Der gesellschaftsinterne Verhandlungsprozess als Grenze der Zustimmungspflicht kraft Treubindung 5. Die Zustimmung des Anlegerkommanditisten in der Publikumspersonengesellschaft

135 135 136 136 138 140

E. Ergebnis

144

II. Finanzierung zwischen Ausschüttung und Thesaurierung A. Entnahmerechte 1. Gesetzliche Regelung 2. Wertungskriterien für das Verhältnis zwischen Ausschüttung und Thesaurierung 3. Ansatzpunkte für einen weiter gehenden Interessenausgleich a) Treuepflicht b) Gesellschaftsvertrag c) Marktbildung d) Die Finanzierungsentscheidung der Gesellschafter e) Marktnachahmung in der Publikumspersonengesellschaft f) Zwischenergebnis 4. Das Steuerentnahmerecht der Gesellschafter als Grenze der Richtigkeitsgewähr der Finanzierungsentscheidung a) Rechtsgrundlagen b) Umfang B. Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter 1. Die Kompetenzfrage 2. Der Kreis der zustimmungspflichtigen Bilanzierungsentscheidungen a) Das Abgrenzungskriterium b) Die Bildung offener Rücklagen c) Ermessensabschreibungen gem. §253 Abs. 4 H G B d) Aufwandsrückstellungen gem. §249 Abs. 2 H G B e) Steuerliche Sonderabschreibungen

141 144

146 147 147 148 150 150 152 153 155 158 159 160 160 164 165 165 167 167 169 170 171 171

XIV

Inhaltsverzeichnis

3. Beurteilungsmaßstäbe für die Ausübung der Bilanzierungskompetenzen C. Fazit: Grenzen der Mehrheitsmacht bei der Finanzierung

172 ....

III. Unternehmensleitung zwischen Schuldrecht und Organisation

. . .

175 177

A. Ausgangsfragen

177

B. Wertungskriterien zur Begrenzung des Dritteinflusses 1. Preisgabe der Selbstbestimmung 2. Materieller Regelungsgehalt des Abspaltungsverbots gem. §717 S. 1 BGB a) Anreizgestützte Verhaltenssteuerung b) Schutzrichtung

180 181

C. Anwendungsfelder 1. Die Abspaltung einzelner Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft a) Die Mitgliedschaft als Gegenstand einer Verfügungsbeschränkung im Sinne des § 137 S. 1 BGB . . . b) Die gesamthänderische Verfügungsbeschränkung als Bestimmungsfaktor rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung gem. § 137 S. 1 BGB 2. Statutarisch vermittelte Drittorganschaft 3. Schuldrechtliche Abspaltung durch Stimmrechtsvollmacht . . a) Verdrängende Vollmacht b) Unwiderrufliche Vollmacht c) Einfache Stimmrechtsvollmacht d) Die Rechtsfolgen unwirksamer Bevollmächtigung - die Außenwirkung des Abspaltungsverbots und die dadurch verwirklichten Kapitalmarktinteressen 4. Die schuldrechtliche Übertragung von Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnissen a) Vertretungsbefugnisse b) Geschäftsführungsbefugnisse c) Grenzen der Gestaltungsfreiheit D. Grenzen des Dritteinflusses als Baustein organisationsrechtlicher Regelungsstruktur 1. Zwischenergebnis: Die Außenwirkung als Kriterium für die Begrenzung des Dritteinflusses in der Personengesellschaft . . 2. Kapitalmarktschutz durch die Konkretisierung zulässiger organisationsrechtlicher Verselbständigung gem. §§137 S. 1, 717 S. 1 BGB

182 183 184 186 186 186

187 189 192 192 194 197

200 202 203 206 208 215 215

216

Inhaltsverzeichnis

Dritter Teil: Organisationsrechtliche durch Gesellschaftsvertrag

XV

Konzerneinbindung

I. Das Grundproblem: Rechtliche Vielheit und wirtschaftliche Einheit im Konzern II. Die Abhängigkeit entsprechend § 17 AktG als Grundlage mitgliedschaftsrechtlich vermittelter Konzerneinbindung A. Zur Konkretisierung des Unternehmensbegriffs 1. Die Konzerngefahr als Ausgangspunkt 2. Präzisierung durch das gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbot gem. §112 H G B 3. Konzerngefahr bei multiplem Beteiligungsbesitz eines privaten Gesellschafters? 4. Präzisierung der Konzerngefahr bei multiplem Beteiligungsbesitz eines privaten Gesellschafters 5. Konzerngefahr in der kapitalistisch strukturierten G m b H & Co KG B. Der Anteilsmarktbezug der Abhängigkeit entsprechend § 17 AktG 1. Der Anteilsmarkt als Bestimmungsfaktor der Mehrheitsbeteiligung gem. §§ 16, 17 Abs. 2 AktG a) Anteilsmehrheit b) Stimmenmehrheit 2. Die Äquivalenz von Anteilsmarkt und personengesellschaftsvertraglicher Vereinbarung 3. Abhängigkeitsbegründung bei der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft durch Anteilsmarktnachahmung 4. Abhängigkeitsbegründung bei der ideal typischen Personengesellschaft und der personalistischen G m b H & Co KG durch Anteilsmarktbildung a) Widerspruchsrechte b) Geschäftsführungsbefugnisse c) Erfordernis gesellschaftsrechtlicher Vermittlung der Abhängigkeit d) Grenzen organisationsrechtlicher Vermittlung der Geschäftsführung des Kommanditisten e) Austauschvertragliche Regelungselemente am Beispiel der aktienrechtlichen Nebenleistungsgesellschaft (§§55, 61 AktG)

219 219

223 224 224 227 231 233 239 240 240 241 243 244

245

248 249 250 251 253

255

XVI

Inhaltsverzeichnis

f) Die Integration von Austauschbeziehungen im Personengesellschaftsvertrag g) Nebeneinander von Austauschvertrag und Organisation bei der Geschäftsführung des Kommanditisten 5. Fazit: Idealtypische und kapitalistische Gesellschaftsstruktur als Bestimmungsfaktoren für die Abhängigkeitsbegründung

264

III. Die Einbindung einer idealtypischen Personengesellschaft in einen beherrschungsvertraglichen Unterordnungskonzern entsprechend §291 Abs.l AktG

268

A. Die Zuordnung von Mitgliedschaftsrechten als Kennzeichen des beherrschungsvertraglichen Unterordnungskonzerns 1. Das Modell des aktiengesetzlichen Unterordnungskonzerns gem. §291 Abs. 1 AktG 2. Willensbildung 3. Finanzierung 4. Geschäftsführung a) Aktiengesetzlicher Unterordnungskonzern b) Der unternehmensleitende persönlich haftende Gesellschafter c) Der unternehmensleitende Kommanditist 5. Fazit: Doppelfunktionale Grenzen organisationsrechtlicher Konzerneinbindung gem. § 137 S. 1 BGB B. Die Rechtsnatur des Beherrschungsvertrages 1. Der satzungsändernde Gehalt des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrages 2. Die organisationsrechtliche Gestaltungswirkung des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrages 3. Statusveränderung durch Organisationsvertrag 4. Organisationsrecht als funktionale Kategorie des Zivilrechts 5. Organisations- und Schuldrecht im Beherrschungsvertrag mit der Personengesellschaft

259 261

268 268 269 272 275 276 279 282 284 287 288 289 291 294 297

C. Organisationsrechtliche Beherrschung aufgrund eines »dienenden« Gesellschaftszwecks

300

IV. Anteilsmarktnachahmung bei der beherrschungsvertraglichen Konzerneinbindung einer kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft

303

A. Verselbständigung der Mitgliedschaftsrechte durch Anteilsmarktnachahmung

304

XVII

Inhaltsverzeichnis 1. D i e Beitrittsentscheidung als kapitalmarktorientierte Anlageentscheidung

305

2. Die objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrages

309

3. Inhaltskontrolle auf der Grundlage kapitalmarktlicher Risikoverteilung

310

B . Unternehmensleitung zwischen Organschaft und Vertrag

. . . .

314

1. Rechtliche Trennung zwischen K o m p l e m e n t ä r - G m b H und GmbH & Co K G

314

2. D i e Geschäftsführerhaftung zwischen Vertrag und organschaftlicher Sonderbeziehung

316

3. Grenzen des organisationsrechtlichen Regelungsgehalts bei der personalistisch strukturierten G m b H & C o K G

319

V. Interessenausgleich im Gleichordnungskonzern mit personalistisch strukturierter Personengesellschaft

320

A. D i e Unternehmenszuordnung im Gleichordnungskonzern

...

B . Interessenausgleich zwischen Mitgliedschaft und Schuldrecht

321

. .

322

1. Interessengleichklang durch mitgliedschaftliche Treuepflicht .

322

2. Interessenausgleich in der G m b H zwischen Mitgliedschaft und Marktmaßstäben

324

3. Interessengleichklang und -ausgleich durch Treuepflichten in der Personengesellschaft

327

4. Kooperation versus Marktaustausch beim Ausgleich fremdunternehmerischer Interessen der Personengesellschafter VI.

330

D i e Konzerneinbindung der Personengesellschaft zwischen M a r k t und Organisation

Vierter Teil: Haftung als Grenze der Wirkung des Gesellschaftsvertrages I.

336

organisationsrechtlichen 339

Gesellschafterhaftung

340

A. Haftungsbeschränkung in der O H G

340

1. D e r Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung Grundlagen und Ausgangspunkte im R e c h t der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

340

a) Traditionelle Gesamthandslehre

340

b) Verselbständigung der Gesellschaft

341

c) Wertungsgrundlagen für die O H G

344

XVIII

Inhaltsverzeichnis 2. Individualvertragliche HaftungsVereinbarung mit dem Gläubiger 3. Haftungsbeschränkung kraft Vermögenssonderung

B. Einlagen- und Kapitalsicherung in der Kommanditgesellschaft . 1. Einlage und Haftung des Kommanditisten als Grundlagen der Fremd- und Eigenkapitalqualifizierung 2. Die Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital bei der Einlagenaufbringung in der KG a) Die gesplittete Einlage in der Publikums-KG b) Die Umqualifizierung in der personalistischen G m b H & Co KG c) Die Umqualifizierung zu Lasten von atypisch stillen Gesellschaftern d) Übertragbarkeit auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft im Lichte der Grenzen privatautonomer Eigen- und Fremdkapitalbestimmung und ihrer dogmatischen Grundlage 3. Grenzen der Privatautonomie bei der Kapitalaufbringung . . a) Gesellschaftsinterne Bewertungsfreiheit der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft b) Marktbildende Anreize aufgrund der Maßstabsfunktion des Kapitalanteils c) Die verdeckte Sacheinlage in der Kommanditgesellschaft 4. Das stehen gelassene Abfindungsguthaben als Problem der Einlagenerhaltung a) Prämissen der Literatur im Spiegel von Vertrags- und Verrechnungstheorie b) Symmetrie zwischen Einlagenleistung und -rückgewähr aufgrund paralleler Risikoverteilung c) Das Zurücktreten im Konkurs als Risikoverteilung durch Außenhaftung 5. Grenzen der Privatautonomie bei einer Einwirkung auf die Außenhaftung durch Risikoverteilung 6. Kapitalerhaltung durch Außenwirkung der Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 H G B a) Grundlagen der Außenwirkung von Kapitalrückflüssen an den Kommanditisten b) Die Außenwirkung dienstvertraglicher und organisationsrechtlicher gesellschaftsvertraglicher Tätigkeitsvergütung c) Konsequenzen für die Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 S. 1 H G B

345 349 351 351 353 353 358 361

364 371 371 372 374 381 383 384 386 388 389 389

390 392

Inhaltsverzeichnis

7. Fazit: Die Kommanditistenhaftung als Grenze außenwirksamer privatautonomer Gestaltung in der Kommanditgesellschaft C. Die Finanzierungsverantwortung in der G m b H & Co KG . . . . 1. Die organisationsrechtliche Verankerung der Stammkapitalerhaltung in der G m b H a) Der Zusammenhang zwischen Stammkapital und juristischer Verselbständigung b) Der Auszahlungsempfänger gem. §30 G m b H G und seine organisationsrechtliche Einbindung c) Die Rechtsfolgen der Stammkapitalerhaltung durch Rückerstattung gem. §31 G m b H G d) Zwischenergebnis: Kapitalerhaltung in der G m b H als Vehikel der Vermögensverselbständigung 2. Die Ausstrahlungswirkung der Stammkapitalerhaltung gem. §§30, 31 G m b H G auf die G m b H & Co KG a) Beteiligungskonstellationen b) Konsequenzen II. Konzernhaftung A. Der Verlustausgleich in der idealtypischen Kommanditgesellschaft als Ergebnis austauschvertraglicher Risikoverteilung 1. Die organisationsrechtliche Einwirkung als Grundlage eines gesellschaftsrechtlich fundierten Verlustausgleichs a) Legitimationsgrundlagen des Verlustausgleichs b) Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft als Ausgangspunkt des Verlustausgleichs im AktG 1965 . . . c) Die Treuepflicht als Grundlage des Verlustausgleichs . . . 2. Risikoverteilung und Risiko Vergemeinschaftung im Rahmen eines beherrschungsvertraglichen Verlustausgleichs a) Interessengleichlauf als Grundlage einer Risikovergemeinschaftung im Rahmen des aktiengesetzlichen Verlustausgleichs gem. §302 AktG . . . b) Austauschvertraglicher Interessenausgleich als Ausgangspunkt für einen Ersatz von Zufallsschäden im Rahmen des auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzes gem. §670 BGB c) Risikozurechnung aufgrund eines organisationsähnlichen Interessengleichlaufs im Rahmen eines auftragsrechtlichen Schadensersatzes

XIX

400 402 402 402 404 410 416 417 417 421 423

423 424 424 425 427 429

429

430

432

XX

Inhaltsverzeichnis

3. Risiko Vergemeinschaftung und Risikozurechnung beim Verlustausgleich zwischen organisationsähnlicher Struktur und vertraglicher Einigung

434

B. Der Verlustausgleich in der kapitalistisch strukturierten G m b H & C o K G als Grenze ihrer materiellen Verselbständigung

....

440

1. Ausgangsfrage: Die Verselbständigung der beherrschten G m b H & C o K G von der zugrunde liegenden Beherrschungsvereinbarung

440

2. Die Grenzen organisationsrechtlicher Verselbständigung im qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n als Ausgangspunkt

442

a) Bezugspunkte der Ausübung mitgliedschaftlicher Leitungsbefugnisse

443

b) Entscheidungsgrundlagen zum qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

446

c) Dogmatische Einordnungen der Rechtsprechung in der Literatur

448

3. Die Existenzsicherung der G m b H im Gläubigerinteresse als Kriterium und Grenze ihrer organisationsrechtlichen Einbindung (»Bremer Vulkan«)

453

a) Grundlagen in der Rechtsprechung

453

b) Der rechtliche Status des Bestandsinteresses der G m b H

.

455

c) Haftungsbegründung und dogmatische Konzepte von der juristischen Person

456

d) Haftung und Zweckbindung

459

e) Instrumentalisierung durch die Entkopplung von Vermögensrecht und Zweckbindung

463

4. Die Ausstrahlungswirkung GmbH-konzernrechtlicher Lenkungsprinzipien auf die G m b H & C o K G und daraus resultierende Beschränkungen ihrer organisationsrechtlichen Einbindung

467

a) Die Anwendung der Haftungsgrundsätze zum qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n

467

b) Haftung der Schwestergesellschaft im Unterordnungskonzern im Lichte der §§30f. G m b H G

. .

469

c) Die Haftung der Schwestergesellschaft im Gleichordnungskonzern

475

C. Verlustausgleich zwischen Risikoverteilung und Risikovergemeinschaftung

480

XXI

Inhaltsverzeichnis

Fünfter Teil: Die Abfindung als Ergebnis des Gesellschaftsvertrages I. II.

483

Ausgangsfragen

483

D i e Verfügungsrechtsposition des ausscheidenden Gesellschafters im Lichte der Hinauskündigung

486

A. Funktionsschutz auf der Grundlage der Unwirksamkeit von Hinauskündigungsklauseln

486

1. Idealtypische Personengesellschaft

487

2. Publikumspersonengesellschaft

489

B . G r e n z e n des Funktionsschutzes

491

1. Hinauskündigung von »Gesellschaftern minderen Rechts«

. .

2. D i e sachliche Rechtfertigung einer Hinauskündigung a) Tatbestandsmäßig fixiertes Ausschließungskriterium b) Anknüpfung an die konkrete Gesellschafterstellung

492 . . . . . . .

3. Schutz durch Abfindung III.

491 493 494 495

Anteilsmarktersatz aufgrund informationsforcierender Anreize . . .

497

A. D e r gesetzliche Abfindungsanspruch im Spiegel betriebswirtschaftswissenschaftlicher Unternehmensbewertung

498

1. Eignerbezogenheit und funktionaler B e z u g als betriebswirtschaftliche Ausgangsbedingungen der Unternehmensbewertung

498

2. Verkehrswert als Bestimmungsfaktor rechtlicher Abfindungsermittlung

500

a) Marktfiktion als Ausgangspunkt

500

b) M e t h o d i k der Unternehmensbewertung

502

3. Objektivierung als Umsetzung des rechtlichen Verkehrswertes in der Unternehmensbewertungspraxis

. . . .

a) Vergangenheitsanalyse

504 504

b) Stichtagsprinzip

505

c) Kapitalisierungszinssatz

508

4. Informationsforcierende Anreize durch Objektivierung . . . .

510

a) D e r objektivierte Wert als Preisuntergrenze des Verkäufers

510

b) Verhandlungspotenziale und Informationsforcierung auf der Grundlage der Objektivierung B . D i e gesellschaftsvertraglich vereinbarte Buchwertabfindung

511 ...

515

XXII

Inhaltsverzeichnis

1. Grundlagen 2. Von der Korrektur zur Auslegung in der Rechtsprechung zur Buchwertklauselkontrolle a) Klauselkorrektur gem. §138 BGB b) Klauselkorrektur mit Auslegungselementen gem. § 723 Abs. 3 BGB c) Auslegung gem. §242 BGB statt Klauselkorrektur 3. Wertungskriterien im Spiegel von Institutionenschutz und Dynamisierung a) Inhaltskontrolle gem. §138 BGB aufgrund eines statischen Unwerturteils b) Schutz marktbildender Verhandlungsstrukturen aufgrund des §723 Abs. 3 BGB c) Korrektur der Risikoverteilung gem. §242 BGB 4. Informationsforcierung trotz Buchwertklausel? a) Richtigkeitsgewähr aufgrund gleichgewichtiger Informationslage in der O H G b) Sicherung marktbildender Anreizstrukturen in der idealtypischen Kommanditgesellschaft c) Kapitalmarktmaßstäbe in der Publikumskommanditgesellschaft C. Fazit: Die Abfindungsfrage zwischen gesellschaftsinterner Marktbildung und Anteilsmarktverwirklichung der Gesellschafter

515 516 517 517 519 520 521 522 524 525 526 528 531

533

Zusammenfassung der Ergebnisse

535

I. Grundlagen II. Gesellschaftsinterner Interessenausgleich aufgrund des Gesellschaftsvertrages III. Organisationsrechtliche Konzerneinbindung aufgrund des Gesellschaftsvertrages IV. Gesellschafterhaftung als Grenze der organisationsrechtlichen Außenwirkung des Gesellschaftsvertrages V. Die Abfindung als Ergebnis des Gesellschaftsvertrages

535

Literaturverzeichnis

543

Sachregister

611

536 537 539 541

Abkürzungsverzeichnis

ARD arg. e Art. AT AT&T

anderer Ansicht am Ende alte Fassung Absatz The Academy of Management Review (Band, Jahr und Seite) The Accounting Review, A Quarterly Journal of the American Accounting Association (Band, Jahr und Seite) Archiv für die civilistische Praxis (Band, Jahr und Seite) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Jahr und Seite) allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9.12. 1976 Aktiengesetz vom 6.9. 1965 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, gültig ab 1.6. 1794 Alternative American Economic Review (Band, Jahr und Seite) Anhang Anmerkung Annual Review of Sociology (Band, Jahr und Seite) Archiv für Bürgerliches Recht (Band, Jahr und Seite) Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie (Band, Jahr und Seite) American Research and Development Corporation argumentum ex; Grund in Artikel Allgemeiner Teil American Telefone and Telegraph Company

BAG BayObLG BB Bd. Begr. Beil. Bell J. Econ. BFH

Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Jahr und Seite) Band Begründung Beilage Bell Journal of Economics (Band, Jahr und Seite) Bundesfinanzhof

a.A. a.E. a.F. Abs. Acad. Mgmt. Rev. Acct. Rev. AcP ADHGB AEG AG AGB AGBG AktG ALR Alt. Am. Econ. Rev. Anh. Anm. Ann. Rev. Soc. Arch. f. BürgR ArchRWiPhil

XXIV BFuP

Abkürzungsverzeichnis

BVerfG BVerfGE BVK bzw.

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Zeitschrift für wissenschaftliche und praktische Fragen der Betriebswirtschaft (Jahr und Seite) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8. 1896 Bundesgesetzblatt Teil I Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12. 1985 Bundeskartellamt Börsengesetz vom 22.8. 1896 Drucksachen des Deutschen Bundestages Business and Economic History (Band, Jahr und Seite) Betrieb und Wirtschaft, Zeitschrift für Rechnungswesen, Steuern, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht im Betrieb (Jahr und Seite) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. beziehungsweise

Cal. L. Rev. cic Colum. L. Rev. Computer/L.J. Cornell L. Rev.

California Law Review (Band, Jahr und Seite) culpa in contrahendo Columbia Law Review (Band, Jahr und Seite) Computer/Law Journal (Band, Jahr und Seite) Cornell Law Review (Band, Jahr und Seite)

D.C. d.h. DB DBW DCF Del. J. Corp. L. DJT DNotZ DR DRiZ DStR DZWIR

District of Columbia das heißt Der Betrieb (Jahr und Seite) Die Betriebswirtschaft (Band, Jahr und Seite) Discounted Cash Flow Delaware Journal of Corporate Law (Band, Jahr und Seite) Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift (Jahr und Seite) Deutsches Recht (Jahr und Seite) Deutsche Richterzeitung (Jahr und Seite) Deutsches Steuerrecht (Jahr und Seite) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E e.V. EBOR

Entwurf eingetragener Verein European Business Organization Law Review (Band, Jahr und Sei-

Econ. J. EG Einl. Emory L.J. EStG EU

te) Economic Journal (Band, Jahr und Seite) Einführungsgesetz Einleitung Emory Law Journal (Band, Jahr und Seite) Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 16.4. 1997 Europäische Union

BGB BGBl. I BGH BGHZ BiRiLiG BKartA BörsG BT-Drucks. Bus. & Econ. Hist. BuW

Abkürzungsverzeichnis

XXV

EWG EWiR

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite)

f., ff. FAZ FG Fin. Mgmt. FK Fn. FS FuE

folgende (Singular/Plural) Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Financial Management (Band, Jahr und Seite) Frankfurter Kommentar Fußnote Festschrift Forschung und Entwicklung

Ga. L. Rev. Ga. GbR GE gem. GenG

Georgia Law Review (Band, Jahr und Seite) Georgia Gesellschaft bürgerlichen Rechts General Electric Company gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1.5. 1889 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5. 1949 Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20.4. 1892 GmbH-Rundschau (Jahr und Seite) Großkommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr und Seite) Gedächtnisschrift

GG GK GmbH GmbHG GmbHR GroßKomm GRUR GS GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 15.7.2005

h.L. h.M. Halbs. Hans. O L G Harv. Bus. Rev. Harv. L. Rev. HFA HGB HRefG

herrschende Lehre herrschende Meinung Halbsatz Hanseatisches Oberlandesgericht Harvard Business Review (Jahr und Seite) Harvard Law Review (Band, Jahr und Seite) Hauptfachausschuss Handelsgesetzbuch vom 10.5. 1897 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz) vom 22.6. 1998

Hrsg. HS

Herausgeber(in) Halbsatz

IBM IDW

International Business Machines Corporation Institut der Wirtschaftsprüfer

XXVI KZ ndus. & Corp. Change nsO nsW . . . . .

Banking & Fin. Bus. Venturing C o r p . Fin. C o r p . L. Econ. Behavior & Org. . Econ. Lit. . Econ. Persp. . Evolutionary Econ. . Fin. Econ. . Fin. .L. & Econ. .L. Econ. & Org. . Leg. Stud. . Pol. Econ. b. herjb ITE R uS W Z

Abkürzungsverzeichnis Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung Industrial and Corporate Change (Band, Jahr und Seite) Insolvenzordnung vom 5.10. 1994 Insolvenzrechtliche Vergütungsordnung vom 19.8. 1998 Jounal of Banking and Finance (Band, Jahr und Seite) Journal of Business Venturing (Band, Jahr und Seite) Journal of Corporate Finance (Band, Jahr und Seite) Journal of Corporate Law (Band, Jahr und Seite) Journal of Economic Behavior and Organization (Band, Jahr und Seite) Journal of Economic Literature (Band, Jahr u n d Seite) Journal of Economic Perspectives (Band, Jahr und Seite) Journal of Evolutionary Economics (Band, Jahr und Seite) Journal Journal Journal Journal

of Financial Economics (Band, Jahr u n d Seite) of Finance (Band, Jahr und Seite) of Law and Economics (Band, Jahr und Seite) of Law, Economics, and Organization (Band, Jahr und Sei-

te)

Journal of Legal Studies (Band, Jahr und Seite) Journal of Political Economy (Band, Jahr und Seite) Jahrbuch Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band, Jahr und Seite) Journal of Institutional and Theoretical Economics (Band, Jahr und Seite) Juristische Rundschau (Jahr und Seite) Juristische Schulung (Jahr und Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Juristenzeitung (Jahr und Seite)

KEK KG KGaA KK KonzernR KStG KWG

Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar Konzernrecht Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 22.4. 1999 Gesetz über das Kreditwesen in der Fassung vom 9.9. 1998

L. & Contemp. Probs. LG lit. LM

Law and Contemporary Problems (Band, Jahr und Seite)

LZ

Landgericht littera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier, Möhring u.a. Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr u n d Seite)

Abkürzungsverzeichnis

XXVII

m.a.W. MDR Mgmt. Sei. Mich.L. Rev. Mot. MüKo

mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) Management Science (Band, Jahr und Seite) Michigan Law Review (Band, Jahr und Seite) Motive Münchener Kommentar

n.F. NJW NJW-RR No. Nr. Nw. U . L . Rev. NZG

neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Jahr und Seite) Nummer Nummer Northwestern University Law Review (Band, Jahr und Seite) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahr und Seite)

O.A. o.V. OGH OHG OLG OLGZ

oder ähnlich(es) ohne Verfasser Oberster Gerichtshof (Osterreich) offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Ordo Org. Sei.

Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Band, Jahr und Seite) Organization Science (Band, Jahr und Seite)

polit. pW

politisch(er) positive Vertragsverletzung

Q . J . Econ.

Quarterly Journal of Economics (Band, Jahr und Seite)

RabelsZ

Rabeis Zeitschrift, Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Band, Jahr und Seite) Radio Corporation of America Recht der Arbeit (Jahr und Seite) Randnummer(n) Regierungsentwurf The Review of Economic Studies (Band, Jahr und Seite) Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs

RCA RdA Rdnr(n). RegE Rev. Econ. Stud. RFH RFHE RG RGZ

Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

SächsArch

Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozess (Band und Seite) Satz, Seite Small Business Administration

S. SBA

XXVIII SBICs SEC SeuffA Slg. Sp. Stbjb Strat. Mgmt. J . StSenkG

Abkürzungsverzeichnis small business investment companies Securities and Exchange Commission Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Jahr und Seite) Sammlung

StuW

Spalte Steuerberater-Jahrbuch (Jahr und Seite) Strategie Management Journal (Band, Jahr und Seite) Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung von 2001 Steuer und Wirtschaft (Jahr und Seite)

TA Associates taz TB Tz(n).

Tucker, Anthony Associates die Tageszeitung Tätigkeitsbericht Textziffer(n)

U . Chi. L. Rev. U . Pa. L. Rev. u.a. U C L A L. Rev.

University of Chicago Law Review (Band, Jahr und Seite) University of Pennsylvania Law Review (Band, Jahr und Seite) und andere University of California at Los Angeles Law Review (Band, Jahr und Seite) United Kingdom Umwandlungsgesetz in der Fassung vom 28.10. 1994 Urteil United States of America University of Southern California Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6. 1909

UK UmwG Urt. USA USC UWG Va. L. Rev. Var. VersR vgl. Vjschr. f. Steuerund Finanzrecht Vorbem. vs. WAZ WiB Wis. L. Rev. WiSt WISU WM

Virginia Law Review (Band, Jahr und Seite) Variante Versicherungsrecht, juristische Rundschau für die Individualversicherung (Jahr und Seite) vergleiche Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht (Band, Jahr und Seite) Vorbemerkung versus Westdeutsche Allgemeine Zeitung Wirtschaftsrechtliche Beratung, Zeitschrift für Wirtschaftsanwälte und Unternehmensjuristen (Jahr und Seite) Wisconsin Law Review (Jahr und Seite) Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Zeitschrift für Ausbildung und Hochschulkontakt (Band, Jahr und Seite) Das Wirtschaftsstudium, Zeitschrift für Ausbildung, Examen, Berufseinstieg und Fortbildung (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapier-Mitteilungen (Jahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis WP WPg WPO WRP

XXIX

Wirtschaftsprüfer Die Wirtschaftsprüfung (Jahr und Seite) Gesetz über die Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer in der Fassung vom 19.12. 2000 Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr und Seite)

WuB WuW/E

Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungssammlung zum Kartellrecht

XTV

Xerox Technology Venture

Yale J. Reg. Yale L.J.

Yale Journal on Regulation (Band, Jahr und Seite) Yale Law Journal (Band, Jahr und Seite)

z.B. z.T. ZBH ZfB ZfbF

zum Beispiel zum Teil Zentralblatt für Handelsrecht (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre (Band, Jahr und Seite) Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für handelswirtschaftliche Forschung (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift Führung und Organisation (Jahr und Seite) Zeitschrift für Personalforschung (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Band, Jahr und Sei-

ZfgG ZfhF zfo ZfP ZGR ZgS ZHR ZIP

te) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Jahr und Sei-

te) ZPO ZUM ZVI

Zivilprozessordnung vom 30.1. 1877 Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für Verbraucherinsolvenzrecht (Jahr und Seite)

Einleitung Im Wettbewerb der Unternehmensformen hat sich der Konzern durchgesetzt 1 . Sich wandelnde Marktbedingungen erfordern Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Hierbei erweist sich die Personengesellschaft als besonders leistungsfähig, weil sie ihren Gesellschaftern weitgehende Gestaltungsfreiheit lässt. Die konzernierte Personengesellschaft galt lange Zeit als Entdeckung der letzten Jahre, ohne dass bisher nennenswertes Anschauungsmaterial in der Rechtswissenschaft aufgearbeitet worden ist 2 . Die Auseinandersetzung über die Gestaltungswirkung des Personengesellschaftsvertrages für die Begründung von Konzernleitungsmacht ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen 3 . Das Aktiengesetz von 1965 enthält in den §§15ff., 291 ff. A k t G die weltweit erste Kodifikation eines Rechts der verbundenen Unternehmen. 1979 entwickelte die Unternehmensrechtskommission Typen der Konzernleitungsmacht eines Unternehmens gegenüber einer Personengesellschaft, die in die rechtswissenschaftliche Diskussion Eingang gefunden haben 4 : - die Leitungsmacht eines Unternehmens als persönlich haftender und geschäftsleitender Gesellschafter, - die mittelbare Leitung über eine nicht selbst unternehmerisch tätige Komplementär-GmbH - und die Leitungsmacht als Kommanditist mit Sonderrechten. Ausgehend von dieser Typologie beherrschter Personengesellschaften, orientiert sich die Literatur bei der rechtlichen Bewältigung der Unternehmensverbindungen an aktienkonzernrechtlichen Kategorien. Bei der Übertragung des aktienrechtlichen Modells bleibt der grundlegende Unterschied zum Aktienrecht jedoch unberücksichtigt: Der Abhängigkeitsbegriff des Aktienrechts knüpft an den 1 Zur besonderen Bedeutung der Unternehmensgruppe in Europa Forum Europaeum Konzernrecht (Hommelhoff/Hopt/Lutter/Doralt/Druey/Wymeersch), Z G R 1998, 672, 673; zum grundlegenden Stellenwert des Gesellschaftsrechts bei der daran anknüpfenden Wahl der Gesellschaftsform Davies/Hertig/Hopt, Anatomy 215. 2 So bis heute Emmerich/Habersack, Konzernrecht 454 (§33 I); als »Entdeckungsland« »bis in die achtziger Jahre« bezeichnet bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1292 (§43111.1 .a); zum fehlenden Anschauungsmaterial M ü K o H G B - M ü l b e r t KonzernR Rdnr. 5. 3 Emmerich/Habersack-Emmerich Vor §291 Rdnr. 11. 4 Unternehmensrechtskommission, Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission (1980) Tzn. 1708-1725.

2

Einleitung

Einfluss an, den die Mehrheitsbeteiligung an einer Aktiengesellschaft gewährt (§17 Abs. 2 AktG). Dagegen kennt das Personengesellschaftsrecht keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Anteilsmehrheit, Stimmenmehrheit und Entscheidungsmacht. Es ist das Anliegen dieser Untersuchung, die Gestaltungsprinzipien des Aktienkonzerns zu den Grundlagen im Recht der Personengesellschaft in Bezug zu setzen. Dabei ist zu klären, inwieweit die Konzernierung einer Personengesellschaft wichtige Strukturunterschiede zur Konzerneinbindung einer Kapitalgesellschaft aufweist. Die fremdunternehmerische Mehrheitsherrschaft eines Gesellschafters stellt Funktion und Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter auf die Probe. Der Einfluss des herrschenden Untenehmens auf die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft erschwert den gesellschaftsinternen Interessenausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit. Hier fragt sich, inwieweit Kernbereichslehre, Bestimmtheitsgrundsatz und eine Begrenzung des Dritteinflusses, insbesondere nach Maßgabe des Grundsatzes der Selbstorganschaft einen solchen Ausgleich sicherstellen können. Diese personengesellschaftsspezifischen Interessenausgleichsmechanismen können aufzeigen, ob und welche Strukturunterschiede zur Kapitalgesellschaft und deren Konzerneinbindung nach dem Modell des aktiengesetzlichen Unterordnungskonzerns verbleiben. Im Außenverhältnis stellt der Einfluss eines herrschenden Unternehmens die Eigenständigkeit der Marktteilnahme seitens der beherrschten Gesellschaft in Frage. Daher wird ein Ausgleich zwischen den Haftungsinteressen der Gläubiger und dem unternehmerischen Interesse an einer Haftungssegmentierung erforderlich. Es fragt sich, inwieweit Konzernhaftungsgrundsätze für diesen Ausgleich herangezogen werden können. Besondere Aktualität hat diese Frage durch die neuere Rechtsprechung zur Konzernhaftung in der Bremer Vulkan-Entscheidung gewonnen 5 . In seiner Entscheidung zum Zusammenbruch des Bremer Vulkan-Werftenverbunds hat der Bundesgerichtshof seine Spruchpraxis zum GmbH-Konzernrecht mit der Existenzvernichtungshaftung auf eine neue Grundlage gestellt. Diese Haftungskonzepte für die konzerngebundene GmbH sind auf eine mögliche Ausstrahlungswirkung auf die GmbH & C o KG zu untersuchen 6 . Auf der Grundlage der Haftung in der konzerngebundenen GmbH & Co KG lässt sich dann die Reichweite ihrer außenwirksamen Vermögensverselbständigung abstecken. Die vermögensmäßige Indienstnahme der Gesellschaft nach den aktienkonzernrechtlichen Grundsätzen des § 291 Abs. 3 AktG setzt eine solche Vermögensverselbständigung von deren Gesellschaftern voraus. Die Haftung bezeichnet letztlich Grenzen der organisationsrechtlichen Gestaltungswirkung privatrechtlicher Verträge und damit auch solche vermögensmäßiger Ver5 BGH 17.9. 2001, BGHZ 149, 10; zur Aktualität in Bezug auf das Konzernrecht der Personengesellschaften Baumbach/Hopt Vorwort VI. 6 Hierzu Vierter Teil II.B.

Einleitung

3

selbständigung. Dies lässt eine Verbindung zwischen dem gesellschaftsinternen Interessenausgleich und der Reichweite der Gesellschaft als haftungsrechtlicher Wirkungseinheit aufscheinen: In dem Maße, in dem ein anderes Unternehmen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft im Innenverhältnis gewinnt, lässt sich die Gesellschaft auch im Außenverhältnis nicht mehr als selbständige Marktteilnehmerin erfassen. Im Falle der Konzernhaftung zerfällt die für eine Konzerneinbindung vorausgesetzte, allerdings nur begrifflich umfassende Verselbständigung der Personengesellschaft dem herrschenden Gesellschafter »unter den Händen« 7 . Demzufolge lassen sich aus der Haftung im Personengesellschaftskonzern möglicherweise nuancierte Aussagen zur Verselbständigung der Personengesellschaft von ihren Gesellschaftern erwarten, die über die Frage der Rechtsfähigkeit hinausgehen. Dies gilt freilich nur in Bezug auf die unteroder gleichgeordnete Personengesellschaft, auf deren Analyse sich die Arbeit ungeachtet der Einsatzmöglichkeiten der Personengesellschaft auch als Konzermutter daher beschränken wird. Die folgende Untersuchung zu Funktion und Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter im Hinblick auf eine Konzerneinbindung ihrer Gesellschaft gliedert sich in fünf Teile. Eine konzeptionelle Grundlegung im ersten Teil erschließt zunächst die Ansatzpunkte für die Problemstellung aus rechtlicher, ökonomischer und rechtstatsächlicher Sicht. Der zweite Teil widmet sich dann dem gesellschaftsinternen Interessenausgleich und den ihm zugrunde liegenden Ausgleichs- und Lenkungsmechanismen. Als Anwendungsfelder rücken hier insbesondere die Willensbildung, die Finanzierung sowie die Unternehmensleitung ins Blickfeld 8 . Die Funktionsfähigkeit dieses Interessenausgleichs wird insbesondere bei der Einwirkung einer Konzernleitung auf die Gesellschaft beschränkt. Daher präzisiert der dritte Teil eine solche Einwirkung, indem er die Gestaltungsspielräume für eine fremdunternehmerische Unternehmensleitung, deren normtheoretische Fundierung und deren haftungsrechtliche Einbindung absteckt. Die organisationsrechtliche Gestaltungswirkung des gesellschaftsinternen Interessenausgleichs schlägt sich in dessen Außenwirkung vor allem bei der Haftungsfrage nieder. Daher legt der vierte Teil zunächst anhand der Grundlagen der Gesellschafterhaftung die Basis, um diese organisationsrechtliche Außenwirkung näher zu bestimmen 9 . Den Testfall für eine organisationsrechtliche Außenwirkung bildet anschließend die Konzernhaftung in der konzerngebundenen Personengesellschaft 10 . Hier schlägt sich das Ausmaß der Vermögensverselbständigung beim Verlustausgleich nieder. Den Abschluss bildet im fünften Teil die 7 Entsprechend zur Autonomie der abhängigen juristischen Person Mestmäcker, JZ 1964, 441, 446. 8 Zur Willensbildung Zweiter Teil I.; zur Finanzierung Zweiter Teil II.; zur Unternehmensleitung Zweiter Teil III. 9 Hierzu Vierter Teil I. 10 Hierzu Vierter Teil II.

4

Einleitung

Frage, wie sich zwischen den marktähnlichen Austauschprozessen beim Interessenausgleich der Gesellschafter und der hierdurch organisationsrechtlich hervorgebrachten außenwirksamen Marktteilnahme der Gesellschaft eine Verbindung herstellen lässt. Dieser Brückenschlag zwischen Gestaltungsfreiheit und Marktteilnahme wird letztlich mit der Abfindung verwirklicht, wenn diese das Ergebnis der Marktteilnahme dem Gesellschafter als Anteilseigentum zuweist.

Erster Teil

Konzeptionelle Grundlagen in rechtlicher, ökonomischer und rechtstatsächlicher Perspektive I. Die Personenhandelsgesellschaft im Spannungsfeld zwischen der Gestaltungsfreiheit ihrer Gesellschafter und organisationsrechtlicher Außenwirkung Anknüpfungspunkt für die einleitend hervorgehobene Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 109 HGB). Er ermöglicht den gezielten Rückgriff auf Regelungselemente des Rechts der Aktiengesellschaft und der GmbH. So lässt sich in der GmbH & C o KG die unbeschränkte Haftung natürlicher Personen ausschließen. In Abweichung von §§114, 115, 125 HGB kann die Geschäftsführung in die Hände einzelner, besonders geeigneter Gesellschafter gelegt werden. Mit der Bildung spezifischer Verwaltungsorgane können noch darüber hinausgehende Spezialisierungsvorteile verwirklicht werden. Ebenso kann zur Vereinfachung innergesellschaftlicher Willensbildungsprozesse das Einstimmigkeitsprinzip gem. § 119 HGB durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden. Schließlich können die Personengesellschafter die Ubertragbarkeit der Gesellschaftsanteile nach dem Vorbild der Kapitalgesellschaften vereinbaren. Nach einer Illustration dieser Handlungsspielräume anhand der Herausbildung der GmbH &c C o KG (dazu A.) sind sie in der personengesellschaftsrechtlichen Diskussion zu verorten (dazu B. und C.). Die Tragweite dieser Grundlagen lässt sich dann anhand der rechtlichen Einordnung der konzerngebundenen Personengesellschaft verdeutlichen (dazu D.).

A. Die Herausbildung der GmbH & Co KG im Lichte der wirtschaftlichen Kooperationsbedürfnisse der Industrie Illustrieren lässt sich der Einsatz des Rechts der Personenhandelsgesellschaft für die Herausbildung leistungsfähiger Unternehmensstrukturen im Lichte sich wandelnder Marktbedingungen anhand der Entwicklung der GmbH Sc C o KG 1 . Rechtstatsächlich lässt sich schon in den zwanziger Jahren der Verflechtungspro1 Vom Stellenwert der G m b H & C o KG auf dem »Markte der Gesellschaftsformen« spricht Wiethölter, Aktuelle Probleme der G m b H & C o 11,14; zur Bedeutung der G m b H & C o KG als Beispiel für gesellschaftsrechtliche Atypizität in neuerer Zeit auch Steding, NZG 2000,182,185.

6

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

zess in der deutschen Industrie als Anpassungsentwicklung auf der Grundlage einer Intensivierung der Produktionsmethoden im Hinblick auf die Weltmärkte charakterisieren2. Neben der Zusammenarbeit zwischen einzelnen Unternehmen in Interessengemeinschaftskartellen bildet die Unternehmensverflechtung in der Rechtsform einer Grundtypenvermischung ein wichtiges Element und eine konsequente Fortführung bei der Expansion moderner Industriezweige, wie der Montanindustrie, der chemischen Industrie sowie der Elektroindustrie 3 . Exemplarisch verdeutlichen lässt sich dies an den von Zielinski auf der Grundlage von Registerakten zusammengetragenen Beispielen von Grundtypenvermischungen in der Elektroindustrie 4 . Erwähnt sei hier die Osram-GmbH & Co KG, unter der sich die Großkonzerne der Elektroindustrie, nämlich die AEG-Gruppe und die dem Stinnes-Konzern angehörende Siemens-Schuckert-Gruppe, zusammengeschlossen haben, mit der Osram-GmbH als einzigem Komplementär und der AEG, der Siemens & Halske A G und der Deutschen Gasglühlicht-AG & Co GmbH als Kommanditisten 5 . Daneben lässt sich die (Siemens-)Bau-Union GmbH K G anführen, deren Komplementär die Bauunion GmbH ist, während die Siemens & Halske AG, die Siemens-Schuckert-Werke und die ElektrizitätsA G die Stellung von Kommanditisten einnehmen 6 . Diese Herausbildung einer Grundtypenvermischung unter der Rechtsform der Kommanditgesellschaft ist nicht ausschließlich unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen, wenngleich die steuerliche Belastung der Gewinne einer Körperschaft der Gestaltungspraxis sicher wesentlich zugrunde lag7. Die Finanzrechtsprechung zeigt eine unternehmenspolitische Dimension der GmbH & Co K G auf, wenn sie dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, durch den Nachweis einer über steuerrechtliche Motive hinausgehenden Interessenverfolgung die Unzulässigkeit der GmbH &C Co K G nach dem Umgehungsverbot des §5 Reichsabgabenverordnung zu vermeiden8. Demzufolge kann die Fusion in der Rechtsform einer GmbH & Co K G die Kooperation großer Elektrizitätsgesellschaften konsequent fortführen und effektivieren. Illustrieren lässt sich dies am Beispiel der Gründung der (Siemens-)Bau-Union GmbH KG. Ihr war die Kooperation von Siemens & Halske AG, Siemens-Schuckert-Werke und der mit ihnen verbundenen Elektrizitätsunternehmen beim Bau Zielinski 4f. Entwicklung dieser Industriezweige unter dem Blickwinkel der Konzernbildung bei Spindler 96-161. 4 Zielinski 18-35; Inbezugnahme der goldenen zwanziger Jahre als unternehmenshistorisch interessant auch bei Wiethölter, Aktuelle Probleme der G m b H & Co K G 11, 20f. 5 Hierzu Zielinski 29f. 6 Zielinski 30; hierzu auch in der neueren Literatur Spindler 149. 7 Betonung auf den steuerrechtlichen Hintergründen bei Hesselmann/Tillmann 5; J. Meyer 90, 92f.; Wiethölter, Aktuelle Probleme der G m b H & C o K G 11,14; zum Verhältnis von steuerAnh § 177a Rdnrn. 2f. rechtlichen zu gesellschaftsrechtlichen Vorteilen Baumbach/Hopt 8 E. Becker § 5 Rdnr. 9. 2

3

I. Gestaltungsfreiheit

und organisationsrechtliche Außenwirkung

7

von Untergrundbahnen in deutschen Großstädten bei der elektrischen Ausrüstung und auch den gesamten Tiefbauarbeiten vorangegangen 9 . U m hier einen Träger für das in diesem Rahmen entstandene Tiefbauunternehmen zu schaffen, wurde die Bauunion G m b H KG ins Leben gerufen. Rechtstatsächlich stellt sich demzufolge die Grundtypenvermischung als die Uberführung der Unternehmenskooperation in eine Fusion dar. Darüber hinaus bietet die G m b H eine zweckmäßige Gestaltung der Unternehmensfortführung, wenn der Geschäftsinhaber ausscheidet oder aus anderen Gründen der beteiligten Unternehmen eine flexible Geschäftsführung erwünscht ist10. Außerdem erschließt die G m b H & Co KG Expansionspotenziale über erweiterte Absatzgebiete und -Organisationen, indem sie sich die von den Kapitalgesellschaften eingebrachten Ressourcen zunutze macht 11 . Die Bündelung mehrerer Kapitalgesellschaften steigert Wirtschaftlichkeit und Gewinne durch die Ausschaltung von Wettbewerb 12 . Damit geht insbesondere bei Beteiligung auch natürlicher Personen als unbeschränkt haftender Gesellschafter eine Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten einher. Demzufolge erscheint die G m b H & Co KG auch als Sanierungsinstrument geeignet 13 . Belegen lässt sich Letzteres mit der Bedeutung von Betriebs- und Finanzierungsgesellschaften im Konzernaufbau der Elektroindustrie für die Risikoaufspaltung 14 . Insgesamt erweist sich die Konzernorganisation in der Elektroindustrie als ein wichtiges Instrument, um trotz Kapitalknappheit hohe infrastrukturelle Anfangsinvestitionen aufzubringen 15 . Im Ergebnis bildet die G m b H & Co KG damit ein wichtiges rechtliches Instrument bei der Unternehmenskooperation im Rahmen von Sanierungen, Fusionen, Konzernierungen und Kartellzusammenschlüssen unter Vermeidung kapitalgesellschaftsrechtlicher Publizität 16 . Was die rechtliche Würdigung der G m b H & Co KG in dieser Zeit anbelangt, so markiert der reichsgerichtliche Beschluss vom 4.7.1922 nach einer wechselvollen Rechtsprechung der Untergerichte die grundsätzliche Entscheidung für die 9

Den Monopolisierungseffekt unter Vermeidung von Publizität unterstreicht hierfür Wiethölter, Aktuelle Probleme der G m b H & Co 11, 21; auch erwähnt bei Zielinski 30; in ähnlicher Weise zur Gründung der Gesellschaft für Hoch- und Untergrundbahnen als Betriebsgesellschaft von Siemens & Halske und der parallelen Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen als Betriebsgesellschaft der AEG als Kooperationsvehikel bei den Verhandlungen über die Hochund Untergrundbahn Berlins Peschke 134f. 10 Zielinski 46-50. 11 Zielinski 50-52. 12 Zielinski 52f.; zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen durch Konzentration in der Elektroindustrie auch Helfferich II 136-141. 13 Zielinski 54-56. 14 Helfferich II 100-117; Spindler 150-157. 15 So auch die Einschätzung bei Spindler 161. 16 Zum Motiv der Vermeidung von Publizität und Charakterisierung als Verbindung von »Bewegungsfreiheit ... mit der nötigen Entpersönlichung ...« bei Wiethölter, Aktuelle Probleme der G m b H & C o 11, 21, 32.

8

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

Zulässigkeit der GmbH & Co KG 17 . Kennzeichnend für die rechtliche Auseinandersetzung mit der GmbH & C o KG ist die punktuelle Argumentation dieser Entscheidung 18 . So wird die Zulässigkeit der GmbH & Co KG an den Einzelfragen gemessen, ob firmenrechtliche Gesichtspunkte oder Fragen der Bilanzaufstellung die GmbH von der Beteiligung als persönlich haftende Gesellschafterin an einer Kommanditgesellschaft ausschlössen 19 . Auch die Auseinandersetzung mit dem Argument, dass die GmbH durch die Geschäftsführung in einer mit der freien Abberufbarkeit der GmbH-Geschäftsführung unvereinbaren Art und Weise verpflichtet werden könne, orientiert sich an eher begrifflichen Kategorien 20 . Dem wichtigen Argument der unterschiedlichen Steuerungswirkung der unbeschränkten persönlichen Haftung einer natürlichen Person und der Haftungsbeschränkung der Komplementär-GmbH begegnet das Gericht mit dem Hinweis, dass eine zahlungsfähige GmbH einem einzelnen Kaufmann mit geringen Mitteln vorgezogen werde. Die GmbH-Geschäftsführer könnten aufgrund besonderer durch Gehalt, Beteiligung oder Tantieme vermittelter Anreize im Wesentlichen ebenso mit dem Geschäft verwachsen sein wie eine natürliche Person als Gesellschafterin 21 . Auch das Schrifttum macht sich in Teilen den methodischen Ausgangspunkt der Rechtsprechung zu eigen. So gelangt man entweder aus begrifflicher Sicht zur Unbedenklichkeit der Stellung der GmbH als unbeschränkt haftender Komplementärin oder eröffnet eine Überprüfung der Zulässigkeit der GmbH & Co KG nur für den Einzelfall unter Missbrauchsgesichtspunkten, ohne hierbei feste Kriterien zu entwickeln 2 2 . Als letztlich entscheidend lässt die reichsgerichtliche Entscheidung einen von diesen Subsumtionsfragen zu unterscheidenden Gesichtspunkt für die Zulässigkeit der GmbH Sc Co KG maßgeblich sein. So könne es »... dem Handelsverkehr nicht verwehrt werden, sich zwecks Erreichung seiner geschäftlichen Ziele solcher Formen und Organisationen zu bedienen, welche ihm die geringstmöglichen Unkosten verursachen ...« 2 3 . Damit erweisen sich die betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse der Unternehmenspraxis als wichtiges Kriterium für die rechtliche Zulässigkeit der GmbH & Co KG, ohne dass ihre Auswirkungen etwa durch veränderte Steuerungsmechanismen auf die Wirtschaftsordnung im Ganzen Berück17 RG 4.7.1922, RGZ 105, 101; zur vorausgegangenen Gerichtspraxis Hans. OLG 19.12. 1890, HansGZ 1891, 21; demgegenüber für Fähigkeit einer OHG, Gesellschafterin zu sein KG 20.6.1881, KGJ 2, 20f.; siehe Uberblick bei Hesselmann/Tilhnann/Mueller-Thuns §1 Rdnrn. 15ff.;J. Meyer 92f. 18 So auch Ott, Typenzwang 22. 19 RG 4.7.1922, RGZ 105, 101, 105. 20 RG 4.7.1922, RGZ 105, 101, 105. 21 RG 4.7.1922, RGZ 105, 101, 104f.; zum Gesichtspunkt der unterschiedlichen Steuerungsfunktion der persönlichen Haftung einer GmbH und der einer natürlichen Person kritisch Fuchs, JW 1922, 1677. 22 Begriffliche Würdigung der unbeschränkten Haftung der Komplementär-GmbH bei Zielinski 86-90; Würdigung unter Missbrauchsgesichtspunkten im Einzelfall bei Boesebeck 60. 23 RG 4.7.1922, RGZ 105, 101, 106.

I. Gestaltungsfreiheit

und organisationsrechtliche

Außenwirkung

9

sichtigung finden 2 4 . Der Regelungsgehalt des Gesellschaftsrechts wird demzufolge anhand der am individuellen Gesellschafterinteresse ausgerichteten Vertragspraxis bestimmt 2 5 . Im Ergebnis treten daher an die Stelle des gesetzlich geregelten Rechts der Kommanditgesellschaft gem. §§ 161 ff. H G B die Gesellschaftsverträge der G m b H & C o K G als »schematisierende Regelung des Vertragslebens« und »selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft« 2 6 . Zwischenzeitlich wird unter dem Nationalsozialismus die Grundtypenvermischung kritisch beurteilt, doch knüpft der Bundesgerichtshof an die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur G m b H & C o K G ohne weitere Begründung nahtlos an 27 . Ungeachtet dieser zivilrechtlichen Anerkennung rückt jedoch allmählich die Haftungsbeschränkung als strukturbestimmendes Merkmal ins Blickfeld. Das Bundesverfassungsgericht stellt 1968 die Nähe der G m b H & C o K G zur Kapitalgesellschaft fest 2 8 . Hieran orientiert sich auch der Vorschlag des Arbeitskreises G m b H - R e f o r m , der 1971 die Einführung einer Handelsgesellschaft auf Einlagen als Alternative zur G m b H & C o K G vorschlägt, um die G m b H - R e f o r m in ihrer Effektivität nicht leerlaufen zu lassen. Gleichwohl bleibt hiervon das »anerkennenswerte Interesse der Wirtschaft«, die »Vorteile der Haftungsbeschränkung, der Drittorganschaft und der Kapitalflexibilität« zu verbinden, als Zielvorstellung unberührt 2 9 . Die Orientierung an einem punktuellen Schutz von Gläubigerinteressen ist schließlich auch der Übertragung der § § 3 0 , 31 G m b H G auf die G m b H & C o K G sowie der firmenrechtlich abgestützten Anmahnung eines die Rechtsform der G m b H & C o K G kennzeichnenden Zusatzes in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immanent 3 0 . Diese Entwicklung mündet in die Sonderregeln, die mit der G m b H G - N o v e l l e 1980 in das H G B aufgenommen wurden 3 1 . Letztlich ändert dies nichts an dem Stellenwert der G m b H & C o K G und dem des ihr zu zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages als schematisierende Regelung des Vertragslebens. Der am individuellen Interessenausgleich der Gesellschafter orientierte Gesellschaftsvertrag wird lediglich durch einen punk2 4 Entsprechend kritisch schreibt Ritter (§ 105 Rdnr. 2b) sie dem »Übereifer der wirtschaftlichen Entwicklung« und dem damit einhergehenden »schiebefreundlichen Geist« zu; ähnliche Einschätzung bei Plum, 100 Jahre Deutsches Rechtsleben II 137, 190. 2 5 Zum dem zugrunde liegenden Stellenwert der gesellschaftsrechtlichen Vertragsfreiheit als Instrument des Individualausgleichs unter den Gesellschaftern Ott, Typenzwang 37. 2 6 So allgemein zu Verträgen, denen kein Gleichgewicht der marktlich betroffenen Kräfte zugrunde liegt, Boehmer 273; im vergleichbaren AGB-rechtlichen Zusammenhang spricht L. Raiser (74) daher von der »Dezentralisation der Rechtsordnung«. 2 7 B G H 28.9.1955, W M 1956,61,63; exemplarisch für die kritische Würdigung der Grundtypenvermischung zu Zeiten des Nationalsozialismus Schönle 34-83. 2 8 BVerfG 2.10.1968, BVerfGE 24, 174, 182. 29 Arbeitskreis GmbH-Reform I 10. 3 0 Übertragung der §§30, 31 G m b H G auf die G m b H & Co K G in B G H 29.3.1973, B G H Z 60, 324; zum Firmenzusatz B G H 18.3.1974, B G H Z 62, 216, 224f.; B G H 18.9.1975, B G H Z 65, 103, 105; zu den übergreifenden Gesichtspunkten der Marktteilnahme siehe unter C. 31 Überblick bei Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr. 5.

10

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

tuellen Schutz der Gläubiger ergänzt, ohne dass seine Doppelfunktionalität im Hinblick auf die Marktteilnahme der Gesellschaft als die Wirtschaftsordnung prägende Außenwirkung ins Blickfeld rückt 32 . Diese Doppelfunktionalität scheint erst in der neueren Rechtsprechung zur statutarischen Haftungsbeschränkung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf 33 .

B. Der individuelle Interessenausgleich der Gesellschafter untereinander und seine Gestaltungsgrenzen als gesellschaftsprägende Elemente im Schrifttum Die Prämisse vom Gesellschaftsvertrag als individuellem Interessenausgleich unter den Gesellschaftern bildet in den siebziger Jahren die Grundlage für zahlreiche personengesellschaftsrechtliche Untersuchungen zum Verhältnis dieses Interessenausgleichs zur gesetzlichen Rechtsformregelung 3 4 . Zugrunde liegt diesen Untersuchungen ein ausschließlich auf die vertragliche Koordination ausgerichteter Begriff vom Gesellschaftsrecht, bei dem lediglich für das Innenverhältnis der Gesellschafter Grenzen der Vertragsfreiheit zu bestimmen sind 35 . Die Legitimationswirkung der gesellschaftsvertraglichen Gestaltungen beruht hier auf »... dem allgemeinen Prinzip der Selbstbestimmung des Menschen in seinen Angelegenheiten ,..« 3 6 . Die Frage der Gerechtigkeit der privatautonom erzielten Ergebnisse stellt sich nicht - »Stat pro ratione voluntas« 3 7 . Dem liegt die Privatautonomie als selbständiger Rechtswert zugrunde 3 8 . Die auf diesen Prämissen fußenden folgenden Ansätze sind auch im Lichte dem entgegengesetzter Konzeptionen der Privatautonomie zu würdigen. So beschränkt Schmidt-Rimpler die Richtigkeitsgewähr der privatautonomen Regelung nicht allein auf den vertraglichen Interessenausgleich, sondern erstreckt sie auf das Verhältnis des Vertrages zur Gesamtrechtsordnung 39 . Zwar ist die dabei drohende Ablösung der Richtigkeitsgewähr vom Wert der Selbstbestimmung und ihre einseitige Ausrichtung am Maßstab einer Gemeinschaftsordnung kritisch zu bewerten 40 . Gleichwohl sind die Auswir32 So auch schon im Hinblick auf die Gesellschaftsrechtslehre Ott, Typenzwang 2f.; deutlich wird das Fehlen einer solchen Verknüpfung etwa bei der Gegenüberstellung von Innen- und Außenverhältnis bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 171 f. (§ 71 3); exemplarisch außerdem die nachfolgenden Habilitationsschriften von M. Nitschke, Teichmann und aus neuerer Zeit C. Weber, auf die unter diesem Gesichtspunkt holzschnittartig einzugehen ist (siehe im Folgenden 1.-4.). 33 BGH 27.9.1999, BGHZ 142, 315; hierzu unten C. 3. 34 Deutlich wird diese Einbettung in den genannten Diskussionsstand z.B. bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 5f. 35 Ahnlich zur Verlagerung des sachlichen Schwerpunktes des Gesellschaftsrecht in das Innenverhältnis der Gesellschafter Ott, Typenzwang 47f. 36 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 24. 37 Flume, Rechtsgeschäft 6. 38 Flume, 100 Jahre Deutsches Rechtsleben 135, 141. 39 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 130, 132f. 40 Flume, 100 Jahre Deutsches Rechtsleben 135, 142.

I. Gestaltungsfreiheit

und organisationsrechtliche

Außenwirkung

11

kungen des privaten Handelns auf die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht zu leugnen. Privatautonomie und Gesamtordnung sind miteinander verschränkt 41 . Die Kehrseite der Wahrnehmung privatautonomer Gestaltungsbefugnisse durch einzelne Marktteilnehmer bildet die daraus möglicherweise resultierende tatsächliche Abhängigkeit anderer. Die Auseinandersetzung mit den folgenden auf den individuellen Interessenausgleich ausgerichteten Ansätzen könnte daher die übergreifende Frage aufwerfen, wie sich die Auswirkungen des privatautonomen Handelns der Gesellschafter um der Vereinbarkeit mit der Gesamtrechtsordnung willen steuern und begrenzen lassen. 1. »Punkt-für-Punkt-Vergleich«

bei Manfred

Nitschke

So hält Manfred Nitschke eine punktuelle Prüfung einzelner Typusmerkmale im Stile einer »positivistischen Typuslehre« für erforderlich, um für die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft die Grenzen der Gestaltungsfreiheit abzustecken 42 . Anhand der von ihm herausgearbeiteten körperschaftlichen Strukturmerkmale wie dem Ausschluss personenbezogener Auflösungsgründe, der Ermöglichung des Gesellschafterwechsels, dem Mehrheitsprinzip sowie der Bildung von Organen nach körperschaftlichen Grundsätzen unternimmt Nitschke eine rechtliche Würdigung der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft 43 . Den Grundsätzen zu den Grenzen der Mehrheitsherrschaft misst Nitschke hierbei allgemein verbandsrechtlichen Charakter bei44. Für die Zulässigkeit von Fremdorganschaft hält er die körperschaftliche Struktur nicht für maßgeblich 45 . Abfindungsansprüche und die Ubertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen sind nach seiner Auffassung ebenfalls nicht von der körperschaftlichen Struktur abhängig 46 . Damit liegt der Erkenntnisgewinn seiner Arbeit nicht so sehr in der Begründung eines spezifisch auf körperschaftliche Strukturen ausgerichteten Personengesellschaftsrechts im Sinne einer Typengesetzlichkeit als vielmehr im »Punkt-für-Punkt-Vergleich« körperschaftsrechtlicher Grundsätze mit der personengesellschaftsrechtlichen Gesetzestypisierung 47 . Insgesamt bleibt Nitschke in seiner Analyse dem innergesellschaftlichen Interessenausgleich verhaftet, ohne diesen in einen größeren Zusammenhang anhand übergreifender Wertungsprinzipien einzubetten 48 . 41 Kaiser, Summum Ius 145, 147; aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Ott, Typenzwang 76-83; zur Einbettung des Privatrechts in das »Sozialmodell« des Liberalismus Wieacker 9-12. 42 Zum punktuellen Vorgehen M. Nitschke 8; zur Einstufung als »positivistische Typenlehre« Helm, ZGR 1973, 478,487. 43 M. Nitschke 31-112 (Herausarbeitung körperschaftlicher Strukturmerkmale), 157-402 (rechtliche Würdigung). 44 M. Nitschke 196-206. 45 M. Nitschke 252-272. 46 M. Nitschke 336-355 (Abfindung), 361-389 (Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteils). 47 Resümierend so auch Helms, ZGR 1973, 478, 487. 48 So auch das Fazit bei Knobbe-Keuk, ZHR 137 (1973) 182, 185.

1. Teil: Konzeptionelle

12 2. Institutionalisierung

nach Arndt

Grundlagen

Teichmann

Ein übergreifendes Wertungskonzept bezieht dagegen Arndt Teichmann mit dem Prozess der Institutionalisierung in Anlehnung an die französische Institutionentheorie in seine Untersuchung der »Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen« ein 49 . Als Motivgruppen, die zur Institutionalisierung und damit zur Verfestigung der gesellschaftsrechtlichen Formen führen, macht Teichmann das öffentliche Interesse, den Gesellschafterschutz, den Gläubigerschutz und das Funktionieren der Gesellschaft aus50. Auf dieser Grundlage unternimmt Teichmann anhand der Analyse der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung der Mitgliedsstellung den Versuch, materielle Kriterien für die Typengesetzlichkeit zu begründen51. Dieser Ansatz sieht sich zweierlei Bedenken ausgesetzt. Zum einen erscheinen die von Teichmann herausgearbeiteten Motivgruppen für eine materielle Begrenzung der Gestaltungsfreiheit nur beschränkt aussagefähig. So sind so allgemeine Kriterien wie das öffentliche Interesse oder der Gläubigerschutz nur bedingt geeignet, um echte Begrenzungen der Gestaltungsfreiheit zu begründen und einen materiellen Interessenausgleich herzustellen 52 . Zum anderen verkürzt Teichmanns Ansatz den institutionellen Gehalt des Gesellschaftsvertrages auf eine ausschließlich vertragliche Interessenkoordination mit Regelungscharakter gegenüber den individuellen Gestaltungswünschen der Gesellschafter, wie dies auch für die Rechtsprechung zur GmbH & Co K G gezeigt werden konnte 53 . Die institutionellen Ansätze im deutschen Schrifttum zeigen, dass sich der Gehalt des Gesellschaftsvertrages aus institutioneller Sicht nicht in der Regelung der subjektiven Beziehungen der Gesellschafter erschöpft, sondern darüber hinaus die Wirtschaftsordnung als übergeordnete Kategorie prägt 54 . Mit seiner Verengung auf das Innenverhältnis der Gesellschafter und deren subjektive Gestaltungskräfte erfasst Teichmann diese Doppelfunktionalität des institutionellen Charakters der Gesellschaft nicht und blendet die Wirkung der Gesellschaft als Organisation im Außenverhältnis aus seinen Überlegungen aus55.

Teichmann 43-52. Teichmann 97-115. 51 Teichmann 140 (zum Anliegen, materielle Kriterien zu begründen) 145-249 (Untersuchung der Gestaltung der Mitgliedsstellung in Gesellschaftsverträgen). 52 Ähnlich der Einwand bei Flume, Personengesellschaft 190f.; Geßler, Z H R 135 (1971) 90, 95; Schultze-v. Lasaulx, ZfgG 1971, 325, 338-341. 53 Zur Rechtsprechung siehe oben A.; ähnliche Kritik bei Duden, Z G R 1973, 360, 363. 54 Kuhn 151 f.; Ott, Typenzwang 61f.; L. Raiser, 39. D J T B 57, B 64-B 67; aus diesem Grund hält Duden ( Z G R 1973, 360, 363) die Verbindung für »abgerissen«. 55 So auch die Kritik bei Duden, Z G R 1973, 360, 365; zu dieser Doppelfunktionalität der Gesellschaft Ott, Typenzwang 45 f. 49 50

I. Gestaltungsfreiheit

3. Unverbindliche

und organisationsrechtliche

Typusmerkmale

nach Harm Peter

Außenwirkung

13

Westermann

Markanter noch als bei Teichmann tritt die Verengung der Gesellschaft auf die vertragliche Innendimension bei H. P. Westermann hervor, wenn er »... die Privatautonomie und die hinter diesem Postulat stehenden berechtigten Interessen der Gesellschafter vor der oft unkontrollierten Verwendung verschwommener Wesens- oder Typvorstellungen schützen will.. ,« 56 . Zur Konkretisierung der im Wege der Vertragsfreiheit zu verwirklichenden Interessen verweist Westermann auf die »Anforderungen der industriellen Wirtschaft«, die durch die Festlegung auf einen Typus in ihrer zeit- und sachgerechten Entwicklung behindert werde 57 . Auf dieser Grundlage unterscheidet Westermann den unabdingbaren Rechtsbegriff der Personengesellschaft von ihren nur Typus-gemäßen und daher der Gestaltungsfreiheit unterliegenden Merkmalen 58 . Anhand atypischer Organisationsformen der Personengesellschaften konkretisiert Westermann dann das aufgezeigte Spannungsverhältnis zwischen gesetzlich verbindlicher Vorgabe und unverbindlichem Typusmerkmal im Sinne einer erheblichen Reichweite nachgiebigen Rechts59. Er erfasst hierbei Strukturwandlungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertragliche Ausgestaltungen der offenen Handelsgesellschaft und Abwandlungen der Kommanditgesellschaft sowie den Grundsatz der Selbstorganschaft. Zwar mag man vorerst die Doppelfunktionalität der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter im Innen- und Außenverhältnis als Kritikpunkt beiseite lassen60. Gleichwohl kann die Einbindung der Privatautonomie in die Rechtsordnung auch im Innenverhältnis nicht völlig zugunsten eines stark instrumenteilen Verständnisses der Gesellschaftsformen vernachlässigt werden 61 . So mag man grundsätzlich die Richtigkeitsgewähr des privatrechtlichen Vertrages auf das Erfordernis des Zusammenwirkens der Parteien stützen, das letztlich den marktlichen Ausgleich zur Vollziehung bringt62. Jedoch versagt dieser Geltungsgrund, wenn die Funktionsbedingungen der ihm zugrunde liegenden Selbstbestimmung der Vertragspartner nicht erfüllt sind63. Ein solches »Marktversagen« wird insbesonH.P. Westermann, Vertragsfreiheit III. H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 5, 84, 102, 112. 58 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 21-56 (zu den Schranken der Privatautonomie), 95-162 (zu den Typusmerkmalen). 59 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 163-327 (atypische Organisationsformen), 328—461 (Selbstorganschaft); im Einzelnen hierzu Zweiter Teil III.C. 60 Kritische Verwerfung dieser Dimension bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 39f.; hierzu unten 5. 61 Zu diesem der Arbeit zugrunde liegenden instrumentalen und pragmatisch-relativistischen Vorgehen Westermanns schon Duden, ZGR 1973, 360, 374; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 118 (§5 III.2.d). 62 Zur Richtigkeitsgewähr Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 130, 149-168; zur Vollziehung des marktlichen Ausgleichs durch privatrechtlichen Vertrag Mestmäcker,JZ 1964, 441 f. 63 So gegen Schmidt-Rimpler Flume, 100 Jahre Deutsches Rechtsleben 135, 142f.; ähnlich L. 56 57

14

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

dere bei einer ungleichen Machtlage der Vertragsparteien allgemein als korrekturbedürftig anerkannt 64 . Für verschiedene Regelungsbereiche, wie das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Anlegerschutz, das Verbraucherschutzrecht und den Zuliefervertrag ist diese Erkenntnis bereits fruchtbar gemacht worden 65 . Auch für das Gesellschaftsrecht deutet Westermann die Relevanz einer Ungleichgewichtslage aufgrund unterschiedlicher Fähigkeiten und Beiträge der Vertragspartner an, ohne sie allerdings als durchgängiges Strukturprinzip des Interessenausgleichs der Gesellschafter zur Geltung zu bringen 66 . Für den weiteren Verlauf der Untersuchung zeichnet sich damit die Frage ab, inwieweit sich für den Interessenausgleich der Gesellschafter der Gedanke eines korrekturbedürftigen Marktversagens aufgrund einer Ungleichgewichtslage nutzbar machen lässt. Ihre rechtliche Beantwortung hinsichtlich konkreter Einzelpunkte setzt zuvor die Klärung ökonomischer Wirkungszusammenhänge des personengesellschaftlichen Interessenausgleichs voraus 67 . Demgegenüber nur am Rande und nicht eingebettet in den Gesamtzusammenhang der Funktionsbedingungen für die Selbstbestimmung behandelt Westermann eine andere Gefährdung der Vertragsfreiheit der Gesellschafter, nämlich die drohende Selbstentmündigung etwa bei der Übertragung von Mitverwaltungsbefugnissen 68 . Wie die zwingenden Einzelbestimmungen in §§137, 311b Abs.2, 489,624,723 BGB sowie die anerkannte Kündigung aus wichtigem Grund erkennen lassen, kann sich der einzelne Wirtschaftsteilnehmer seiner persönlichen Handlungsfreiheit nicht entäußern 69 . Geschützt werden hierdurch die Dispositionsmöglichkeiten des Einzelnen im Hinblick auf ihm zustehende Vermögenswerte vor unabsehbaren Folgen. Im Lichte des Schutzes der Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben gem. Art. 2 Abs. 1 GG ist auch das konsensual gefundene Produkt der Inanspruchnahme von Privatautonomie um deren künftiger Erhaltung willen zu kontrollieren, wenngleich über die Kontrollintensität UneiRaiser, 100 Jahre Deutsches Rechtsleben 101, 104f.; in neuerer Zeit zum Modell einer materiell verstandenen Vertragsfreiheit Canaris, AcP 200 (2000) 273, 278f.; C. Heinrich 53f., 190f. 64 In jüngerer Zeit insbesondere Drexl 208-210; im Übrigen haben sich der Richtigkeitsgewähr des Vertrages zahlreiche Arbeiten gewidmet, deren unterschiedliche Korrekturansätze an dieser Stelle nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden können, wie z.B. (in zeitlicher Reihenfolge) Wolf, Entscheidungsfreiheit; Hönn; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990) 1-33; Fastrieb; Preis; Canaris, FS Lerche 873-891; Medicus, Abschied; Oechsler; im Ansatz auch berücksichtigt bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 36. 65 Zum Recht der AGB L. Raiser, Allgemeine Geschäftsbedingungen 282-296; zum Anlegerschutz Hopt, Kapitalanlegerschutz 219-230, 288-333; zum Verbraucherschutzrecht Drexl 293296; zum Zuliefervertrag Wellenhofer-Klein 3f., 180-189 (Lösung der Probleme des Autonomieverlustes und der Risikoverlagerung auf der Grundlage der Treupflicht). 66 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 37f. 67 Hierzu unten II. 68 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 418f.; im Einzelnen hierzu unten Zweiter Teil III.C. 69 Unter Bezugnahme auf §§310, 609a BGB a.F. C. Weber 212f.; Wiedemann, Gestaltungsfreiheit 5, 8 f.

I. Gestaltungsfreiheit

und organisationsrechtliche Außenwirkung

15

nigkeit bestehen mag 70 . Daher kann sich niemand verpflichten, alles zu tun, was ein anderer will71. Im Ergebnis erweist sich die Aufrechterhaltung der Handlungsfreiheit als wichtige Funktionsbedingung für die Privatautonomie des einzelnen Marktteilnehmers und damit auch des Gesellschafters und steht daher nicht zur Disposition der Gesellschafter 72 . 4. Preisgabe der Selbstbestimmung

bei Christoph Weber

Insbesondere auf die damit einhergehenden Grenzen der Preisgabe von Selbstbestimmung führt in neuerer Zeit Christoph Weber in seiner Habilitationsschrift die Grenzen des Außeneinflusses im Gesellschaftsrecht zurück 73 . Im Lichte des Verbots der Selbstentmündigung gem. §138 BGB ist nach Weber die einfache, aber auch die unwiderrrufliche, verdrängende Stimmrechtsvollmacht und die unmittelbare Stimmrechtsabtretung an Außenstehende zulässig. Dasselbe gelte für organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte für Nichtgesellschafter sowie statutarische Beiräte unter Beteiligung von Nichtgesellschaftern 74 . Lediglich für Stimmbindungsverträge macht Weber Einschränkungen für die nicht nur auf einen konkreten Einzelfall bezogene Drittbindung des Stimmrechts aller Gesellschafter, die eine einseitige Rückkehr zu selbstbestimmter Entscheidungsfindung ausschließe. Dies gelte auch für schuldrechtliche Verpflichtungen der Gesellschaft mit kompetenzverlagernder Wirkung in Satzungs- und Personalfragen75. Als zweite potenzielle Beschränkung des Außeneinflusses im Gesellschaftsrecht prüft Weber das Verbot dinglich wirkender rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung gem. § 137 BGB 76 . Diese Prüfung beleuchtet schlaglichtartig die Verkürzung der in diesem Abschnitt genannten Ansätze zur Privatautonomie im Gesellschaftsrecht auf eine Frage des rein innergesellschaftlichen Interessenausgleichs77. Als Schutzzweck des §137 BGB bezeichnet Weber die Interessen des Rechtsverkehrs, so dass er in seiner Ausgangsfragestellung bei der Bestimmung der Grenzen des Außeneinflusses durchaus über den innergesellschaftlichen Interessenausgleich hinausgeht 78 . Bei seiner Prüfung macht Weber die Mit70

Exemplarisch BVerfG 19.10.1993, BVerfGE 89,214,231 f.; f. Münch-Kunig Art. 2 Rdnr. 16. So im Zusammenhang mit der unwiderruflichen Vollmacht Flume, Rechtsgeschäft 880. 72 Ahnlich als funktionales Rechtsdenken im Gesellschaftsrecht charakterisiert bei Fastrich, Funktionales Rechtsdenken 7-9; zum potenziellen immanenten Widerspruch einer Disponibilität C. Weber 212. 73 C. Weber 211-223. 74 C. Weher 229-276 (Stimmrechtsvollmacht und -Übertragung), 277-301 (Übertragung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis), 302-337 (Beiratsverfassung); hierzu im Einzelnen unten Zweiter Teil III.C. 75 C. Weher 350-355; hierzu im Einzelnen unten Zweiter Teil III.C. 76 C. Weber 223-237. 77 Hierzu bereits oben 1.-3. 78 C. Weber 225. 71

16

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

gliedschaft zum Bezugspunkt des § 137 BGB, um zu bestimmen, ob die Einräumung von Außeneinfluss etwa durch eine Stimmrechtsabtretung einer dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkung gem. § 137 S. 1 BGB in Bezug auf das Mitgliedschaftsrecht gleichkomme. Letztlich verneint er dies aus drei Gründen. So bilde § 137 BGB keine generelle Schranke rechtsgeschäftlicher Gestaltung subjektiver Rechte. Die Loslösung eines Tochterrechts aus dem Stammrecht sei im deutschen Recht nicht schlechthin unzulässig, und der Rechtsverkehr könne in Anbetracht der vielfältigen Variationsmöglichkeiten der Gesellschafter bei der Ausgestaltung des gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts eine Typizität ohnehin nicht erwarten 79 . Damit legt Weber seiner Anwendung des § 137 S. 1 BGB als Prämisse zugrunde, was sich letztlich erst als Ergebnis aus ihr herauskristallisieren sollte. Die Frage geht hierbei dahin, in welchem Ausmaß § 137 S. 1 BGB den Gesellschaftern bei der Zusammenfassung von Vermögensgegenständen im Rahmen einer Gesellschaft Grenzen zieht, indem er dieser Zusammenfassung die Außenwirkung versagt 80 . Die Mitgliedschaft ist demzufolge nicht Bezugspunkt einer Prüfung gem. § 137 S. 1 BGB, sondern gegebenenfalls ihr Ergebnis. Dieser Ausblendung der Frage der Außenwirksamkeit in Webers Begründungsgang liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Ausgestaltung von Mitgliedschaftsrechten bei der Begründung von Außeneinfluss Dritter auf das bereits angesprochene Grundproblem der Preisgabe von Selbstbestimmung reduzieren lasse 81 . 5. Ausblick: Außenwirksame Marktteilnahme gesellschaftsinternen Interessenausgleichs

als Kehrseite

des

Gleichwohl deutet auch die von Weber gezogene Grenze für den Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht mit der Preisgabe von Selbstbestimmung eine über den vertraglichen Ausgleich der Gesellschafter hinausgehenden Regelungsgehalt der Gesellschaft an. Diese Grenzziehung bei Weber setzt notwendig die Möglichkeit des Einzelnen zu eigenverantwortlicher und freier wirtschaftlicher Tätigkeit voraus, die durch einen verdrängenden Außeneinfluss in der Gesellschaft gefährdet werden könnte 82 . Wenn der Gesellschaftsvertrag die eigenverantwortliche Wirtschaftsteilnahme des einzelnen Gesellschafters gefährden kann, dann weist die zugrunde liegende Rechtsbeziehung der Gesellschafter untereinander nicht nur eine austauschvertragsähnliche ausgleichende Dimension auf. Sie zieht darüber hinaus eine Statusveränderung im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschafter nach sich. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Statusveränderung an die Rechtssubjektivität der Gesellschaft oder an die dingliche Zuständigkeit zur Ausübung der zum Sondervermögen der Gesellschaft gehörenden Rech79 80 81 82

C. Weber 233f. Hierzu im Einzelnen Zweiter Teil III.C.l. C. Weber 156-204; kritisch zu dieser Verkürzung auch Ulmer, FS Wiedemann 1297, 1300. C. Weber 212-215.

I. Gestaltungsfreiheit

und organisationsrechtliche

Außenwirkung

17

te anknüpft 83 . Dem liegt die Begründung eines Organismus zugrunde, der nicht in den austauschvertraglichen Ausgleich eingreift, sondern erst als Wirtschaftseinheit durch den Gesellschaftsvertrag geschaffen wird 84 . Die damit einhergehende teilweise Aufhebung des wirtschaftlichen Individualstatus der Gesellschafter beleuchtet schlaglichtartig die Doppelfunktionalität des Gesellschaftsvertrages 85 . Letzterer trifft zum einen Regelungen darüber, in welcher Weise die Gesellschafter an der Ausübung der der Gemeinschaft zugeordneten Rechtsmacht teilnehmen können. Mit dieser inneren Ordnung geht zum anderen die Ausgestaltung der Gesellschaft zu einer rechtlichen Einheit mit Außenwirkung einher. Da in der Personengesellschaft anders als bei der Kapitalgesellschaft gesamthänderische (Binnen-)Organisation und Außenwirkung auf Rechtsbeziehungen der Gesellschafter und nicht auf Rechtsbeziehungen zur G e sellschaft beruhen 86 , bildet die Ausgestaltung der Gesellschaft zu einer rechtlichen Einheit die Kehrseite der gesamthänderischen Organisation der Gesellschafter untereinander 87 . Die Stellung der Gesellschaft als Wirtschaftsteilnehmerin und ihre Organisation sind interdependent 88 . Damit steht der zugrunde liegende Gesellschaftsvertrag in besonderem Maße im Spannungsfeld zwischen den subjektiven Gestaltungskräften der Gesellschafter und der Wirtschaftsordnung, die über die Anforderungen an den Status als Wirtschaftsteilnehmer zu entscheiden hat.

83 Für die Gruppenlehre folgt dies aus der Stellung der Gesellschaft als Organisationseinheit, Flume, Personengesellschaft 4; zum statusverändernden Zuordnungsgehalt der Gesamthand der Personalhandelsgesellschaft aus der Sicht der traditionellen Gesamthandslehre Huber 103. 84 Ott, Typenzwang 121. 85 Zur Aufhebung des Individualstatus durch den Zusammenschluss zu einer Gesellschaft und die damit einhergehende Doppelfunktionalität des Gesellschaftsvertrages Ott, Typenzwang 135f.; angedeutet mit dem Nebeneinander von der Gruppenverfassung der Gesellschaft und dem schuldrechtlichen Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander bei Flume, Personengesellschaft 7. 86 Flume, Personengesellschaft 61; hieraus ergibt sich die Unmöglichkeit der Ein-Mann-Personengesellschaft, hierzu unter dem Gesichtspunkt des zuordnungsrechtlichen Gehalts der Gesamthand Huber 104f.; unter dem Gesichtspunkt personenrechtlicher Verselbständigung K. Schmidt, Stellung der o H G 194; Ulmer, AcP 198 (1998) 113, 122. 87 Zu dieser Konsequenz einer Verselbständigung aus dem Gesamthandsprinzip Flume, Personengesellschaft 4; funktional ähnlich nach der traditionellen Gesamthandslehre, wenngleich hier Gegenstand der rechtlichen Einheit nicht eine verselbständigte Gesellschaft ist, sondern das gesamthänderisch gebundene Sondervermögen, Huber 61 f., 102-106; Weber-Grellet, AcP 182 (1982)316, 324, 327f. 88

Ott, Typenzwang 140.

18

1. Teil: Konzeptionelle

C. Die außenwirksame als Marktteilnehmerin

Verselbständigung der Gesamthand in der Wirtschaftsordnung

Grundlagen

1. Rechtliche Verselbständigung als Voraussetzung für die

Marktteilnahme

Dieses Spannungsverhältnis zwischen innergesellschaftlicher Gestaltung und den Erfordernissen der Wirtschaftsordnung lässt sich letztlich erst auf der Grundlage eines geeigneten Interessenausgleichsmechanismus auflösen. Der erforderliche Interessenausgleich ist auf der Haftungsebene oder mit Hilfe anderer Schutzmechanismen zu verwirklichen. Er setzt ein Aufeinandertreffen von Gesellschafterinteressen und den der Wirtschaftsordnung zugrunde liegenden Interessen voraus. Ein Ansatzpunkt hierfür kann sich nur aus einer einheitlichen Teilnahme der Gesellschafter am Wirtschaftsverkehr ergeben. Es stellt sich daher zunächst die Frage nach der juristischen Grundlage für diese einheitliche Wirtschaftsteilnahme. An dieser Stelle rückt die Verselbständigung der Gesamthand im Rechtsverkehr ins Blickfeld. Erst wenn diese Verselbständigung der Personengesellschaft genauer bestimmt ist, lassen sich die Interessenausgleichsmechanismen im Außenverhältnis zur Wirtschaftsordnung präzisieren 89 . In der Rechtswissenschaft stellt sich diese Diskussion zur Verselbständigung als losgelöst von den zuvor erörterten Fragen des Innenverhältnisses dar. So steht in den Anfängen der Diskussion mit Wirkungen bis heute die klare Unterscheidung zwischen rechtsfähiger juristischer Person und nichtrechtsfähiger Gesamthand, wonach die Gesamthand als eigenständige Organisationsform neben der juristischen Person einzuordnen ist 90 . Dieser Unterschied fußt letztlich auf der Doppelstruktur der Personengesellschaft als rechtlich organisierte Personengemeinschaft und zugleich Schuldrechtsverhältnis 91 . Was den Charakter der Verselbständigung der Gesamthand anbelangt, so lassen sich holzschnittartig zwei Strömungen nachweisen. Für die traditionelle, keineswegs einheitliche Gesamthandslehre stellt sich die Gesamthand im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als den Gesellschaftern zustehendes Sondervermögen dar 92 . Höchst unterschiedlich ausgeprägt ist das Ausmaß der Lösung der Gesellschaft von den Gesellschaftern, das von der Zuordnung der Vermögensrechte zu den einzelnen Gesellschaftern bis

Hierzu nachfolgend unter 2. Vgl. die Gegensatzbildung zwischen juristischer Person und Gesamthandsgesellschaft bei der Würdigung des §54 S. 1 BGB beiv. Gierke, Vereine 13; zur Abgrenzung des Korporationsbegriffs gegen bloße Gesellschaftsverhältnisse auch schon v. Gierke, Genossenschaftsrecht IV 555; heute exemplarisch die Gliederung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht §8 II.—IV. 91 Zur Doppelstruktur Flume, Personengesellschaft 11-13; dazu als Unterscheidungsmerkmal auch Staudinger-Kessler Vor §705 Rdnr. 23; in Bezug auf die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft auch Ulmer, ZHR 167 (2003) 103, 104. 92 Vermögensrechtliche Kennzeichnung bei v. Tuhr, AT 81, 348; Huber 104-106; SchulzeOsterloh 11 f., 278; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I 245f.; personenrechtliche Kennzeichnung z.B. bei A. Hueck, OHG 33; Staudinger-Kessler Vor §705 Rdnr. 62. 89 90

I. Gestaltungsfreiheit und organisationsrechtliche Außenwirkung

19

zur Annahme einer kollektiven Rechtseinheit reicht 9 3 . V o m Einheitsgedanken bis zur Rechtssubjektivität der Personengesellschaft ist es nur ein kleiner Schritt, für den mit der Zugrundelegung der Teilrechtsfähigkeit die Gruppenlehre den Weg bereitet hat 9 4 . Aufgegriffen hat diese Lehre mittlerweile auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, indem sie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit zuerkennt 9 5 . D a m i t einher geht im Schrifttum die zunehmende Annäherung der Personengesellschaft an die juristische Person, nicht zuletzt ausgelöst durch die Einführung der §§ 190ff., 2 2 6 f f . U m w G , die den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft und damit einer juristischen Person in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gestatten 9 6 . D e r Anerkennung der Rechtsfähigkeit in der Rechtsprechung liegt die Begründung eigener Rechte und Pflichten durch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugrunde 9 7 . D i e so begründeten eigenen R e c h t e und Pflichten stünden damit in unmittelbarem Zusammenhang, so dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr jede Rechtsposition einnehmen könne 9 8 . D a m i t rückt die F u n k t i o n der Gesellschaft, ihren Gesellschaftern die Teilnahme am Rechtsverkehr zu vermitteln, ins Blickfeld. In den Personenhandelsgesellschaften bildet die unternehmerische Tätigkeit gem. §§ 105 Abs. 1, 162 Abs. 1, 124 Abs. 1 H G B den Gegenstand dieser Teilnahme am Rechtsverkehr. Bezeichnet ist damit die Marktteilnahme als Gegenstand potenzieller Verselbständigung 9 9 . Letztere kann nur über die Außenwirkung des zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages vermittelt werden. Bei dieser A u ß e n w i r kung der Marktteilnahme der Gesellschaft treffen die Gesellschafterinteressen mit den der Wirtschaftsordnung zugrunde liegenden Interessen aufeinander. Will 93 Prämisse der gesellschafterlichen Vielheit bei der Rechtszuordnung bei Buchner, AcP 169 (1969) 483,487f.; in Bezug auf die ursprüngliche Regelung im BGB vor der BGH-Entscheidung »ARGE Weißes Ross« (BGHZ 146,341) und der Anerkennung der Rechtsfähigkeit Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 45; Schuhe-Osterloh 23-29, 278; Weber-Grellet, AcP 182 (1982) 316, 328; Zöllner, FS Gernhuber 563, 566, 572, 576; Einheitsgedanke bei Flume, Personengesellschaft 60-62; MüKo-Ulmer Vor §705 Rdnr.9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 204-206 (§8 III 4.d); Timm, NJW 1995, 3210f. 94 Insbesondere Flume, Personengesellschaft 50-63; MüKo-£//mer Vor §705 Rdnr. 10; Ulmer, AcP 198 (1998) 113, 126-133. 95 BGH 29.1.2001, NJW 2001, 1056; BGH 18.2.2002, ZIP 2002, 614. 96 Mülhert, AcP 199 (1999) 38, 39-67; T. Kaiser, AcP 194 (1994) 495, 498f., 511. 97 BGH 29.1.2001, NZG 2001, 311, 312. 98 Ansatzweise im Lichte der Fähigkeit der Gesellschaft, Rechte und Pflichten aus Vertrag zu begründen, BGH 15.12.1980, BGHZ 79, 374, 378f.; Fähigkeit der Gesellschaft, Mitglied einer Genossenschaft zu werden, BGH 4.11.1991, BGHZ 116, 86,88; Fähigkeit, Mitglied einer AG zu sein, BGH 13.4.1992, BGHZ 118, 83; Scheck- und Wechselfähigkeit in BGH 15.7.1997, BGHZ 136,254,257; Fähigkeit, Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu sein, BGH 2.10.1997, NJW 1998,376; Parteifähigkeit nach BGH 29.1.2001, NZG 2001,311,312; Fähigkeit, als Kommanditistin in eine KG einzutreten, BGH 16.7.2001, ZIP 2001, 1713. 99 Entsprechend zu den Marktbeziehungen der Gesellschaft als Gegenstand der Verselbständigung Ott, Typenzwang 140.

20

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

man das bereits oben im Ausgangspunkt genannte Spannungsverhältnis zwischen diesen aufeinander treffenden Interessen auflösen, muss man folglich die Reichweite der Außenwirkung bestimmen.

2. Außenwirkung der Marktteilnabme der Steuerungswirkung unbeschränkter

auf der Grundlage Haftung

Die Außenwirkung einer über einen privatrechtlichen Vertrag vermittelten Marktteilnahme tritt im Wettbewerbsrecht früh ins Blickfeld. So begrenzen Lukes und Biedenkopf die Berufung auf die Vertragsfreiheit bei einer Außenwirkung wettbewerbsbeschränkender Abreden, wenn die Parteien das Ziel verfolgen, auf außerhalb des Rechtsverhältnisses liegende vertragliche Beziehungen einzuwirken 100 . Infolge dieses Drittbezuges diene der privatrechtliche Vertrag, wie etwa der Kartellvertrag, hier nicht mehr der Teilnahme an einem Austauschvorgang, sondern richte sich auf die Beeinflussung von Vertragsverhältnissen mit Dritten und verwirkliche damit einen Eingriff in die Marktordnung 101 . Folglich wird hier die Reichweite der Vertragsfreiheit in Abhängigkeit von der Funktionalisierung des privatrechtlichen Vertrages im Sinne einer Marktordnung bestimmt 102 . Diese Funktionsbindung der Privatautonomie hat dieser Ansatz gemeinsam mit den vorhergehenden Versuchen, den Normenvertrag zu bekämpfen 103 . Auch für den Fall, dass die persönliche Haftung nicht mehr das wirtschaftliche Ausleseprinzip steuert, stellt Eucken einen Eingriff in die Marktordnung durch die Außenwirkung privatrechtlichen Handelns etwa aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Haftungsbeschränkung fest. Die Haftung ist hiernach »... notwendig, um den Wettbewerb der Leistung innerhalb der Wettbewerbsordnung funktionsfähig zu machen ...« 104 . »Die unbeschränkte Haftung der Unternehmer ... (habe) in einer Wettbewerbsordnung den Zweck, dass die Unternehmer unter dem Druck der unbeschränkten Haftung vorsichtig disponieren, genau prüfen, ob und wie sie Kapital investieren und was sie produzieren, und dass sie bei Misserfolgen automatisch ausscheiden ,..« 1 0 5 . Das Wirtschaftssystem werde letztlich durch den Konkurs reguliert 106 . Demnach wird die Haftung zum wettbewerbsgemäßen Korrelat der Marktteilnahme und zugleich deren marktwirtschaftsgemäßer Lenkungsmechanismus 107 . Verwirklicht sich die Marktteilnahme über eine Personengesellschaft, so entspricht diese Haftungsfrage dem Problem der Außenwirkung eines privatrechtlichen Vertrages. Der Gesellschaftsvertrag droht 100 101 102 103 104 105 106 107

Biedenkopf 101; Lukes 261-268, 296. Biedenkopf 101, 136-138; Lukes 159f., 296. Noerr 225. A. Hueck, Jherings Jb. 73 (1923) 33, 51-59, 80f., 98f. Eucken 280. Eucken, Nationalökonomie 242. Röpke 305. Eucken 281.

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Außenwirkung

21

nämlich, in die Marktordnung einzugreifen, statt der Teilnahme an einem Austauschvorgang zu dienen, indem er etwa die Haftung des Kommanditisten beschränkt. Konsequent erscheint daher die Kritik an der Haftungsbeschränkung zugunsten des Kommanditisten in Anlehnung an Euckenlw. Im geltenden Recht lässt sich eine Gesellschaft jedoch nicht über die Haftungsfrage in die Marktwirtschaftsordnung einbetten. Eine Lenkungsmechanik über den Gleichlauf von Herrschaft und Haftung kann im Gesellschaftsrecht keine rechtliche Geltung beanspruchen. Dies ergibt bereits ein Blick auf die Kapitalgesellschaften, die ein solches Prinzip nicht kennen. Bei ihnen greift freilich u.a. der Markt für Unternehmenskontrolle als zentraler marktlicher Kontrollmechanismus ein, der für die Personengesellschaften mangels Anteilsmarktes nicht zur Verfügung steht 109 . Als weitere Steuerungsmechanik ist für sie die Insolvenzverschleppungshaftung gem. §§92 AktG und §64 G m b H G zu nennen 110 . Auch im Personengesellschaftsrecht ist das Gleichlaufprinzip als geltender Haftungsgrundsatz in Anbetracht der Entscheidung des B G H im Rektor-Fall abzulehnen 111 . Der Bundesgerichtshof verwirft in dieser Entscheidung die unbeschränkte Haftung des unternehmensleitenden Kommanditisten bei Vermögenslosigkeit der Komplementärin 112 . Ungeachtet dieser Unmaßgeblichkeit des Gleichlaufprinzips für die Haftungsfrage lässt sich ein anderer Aspekt der Lenkungsmechanik nach Eucken als leitender Gesichtspunkt in Einzelfragen in wichtigen Arbeiten zur Personengesellschaft herausschälen. Indem Eucken der unbeschränkten persönlichen Haftung eine wichtige Auslesefunktion im wirtschaftlichen Wettbewerb zuschreibt, führt er zugleich eine psychologische Dimension der unbeschränkten Haftung in die Diskussion ein 113 . Sollen unternehmerische Fehlleistungen durch ein insolvenzbedingtes Ausscheiden aus dem Wettbewerb vermindert werden, so liegt dem die Annahme motivationssteigernder Auswirkungen der unbeschränkten Haftung auf die unternehmerisch Handelnden zugrunde 114 . Dem entspricht die Ausrichtung der einschlägigen Literatur am Leitbild der

Großmann-Doerth, AcP 147 (1941) 1, 17, 21; Müller-Erzbach, J Z 1956, 705, 709. Grundlegend zur Rolle von Marktmechanismen zur Verminderung von so genannten »agency«-Kosten J. Pol. Econ. 88 (1980) 288-307; in Bezug auf die europäische Ubernahmerichtlinie Baums/Thoma-Baums/Fischer Einl 1.34; Hopt, FS Zöllner I 253, 254; McCahery/ Rennehoog/Ritter/Haller, Reforming Company and Takeover Law 575, 578-589; zur entsprechenden Funktion im deutschen Recht Hopt, Z H R 166 (2002) 383, 385; KKWpÜG-Hirte, Einl. Rdnr. 33; zur Bedeutung eines Anteilsmarktes für die Aktiengesellschaft Hansmann/Kraakman, Anatomy 1, lOf. 1 1 0 Hierzu etwa Haas 16-180; M. Roth 210-214; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 824f., 1082f. 111 B G H 17.3.1966, B G H Z 45,204; diesbezügliche Ablehnung eines Typenzwangs aufgrund des Grundsatzes des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung in der neueren Literatur z.B. bei/. Meyer 166f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 112f., 119f. (§5 III 2.c, 3.); C. Weber 185-188. 112 Hierzu im Einzelnen Vierter Teil ILA. 113 »Auslese der Betriebe und leitenden Persönlichkeiten« bei Eucken 280. 114 Eucken 280f. 108

109

1. Teil: Konzeptionelle

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Grundlagen

selbstverantwortlichen Persönlichkeit 1 1 5 . Ungeachtet gewandelter rechtspolitischer Vorstellungen findet sich auch heute in wichtigen gesellschaftsrechtlichen Arbeiten die Argumentationsfigur der motivationssteigernden Auswirkung unbeschränkter Haftung auf den unternehmerisch Handelnden. Versinnbildlicht wird sie durch das Bild von der Personengesellschaft mit unbeschränkt haftendem Gesellschafter, in dem der mitfliegende Pilot im C o c k p i t uns die Zuversicht einer gefahrlosen Reise einflößt 1 1 6 . Sie wird unter dem Gesichtspunkt der B r e m s funktion der unbeschränkten Haftung bei der Unternehmensführung als Begründungselement in Einzelfragen nutzbar gemacht 1 1 7 . D i e Heranziehung dieses Arguments beschränkt sich jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum auf Einzelfragen. Eine konsequente Verknüpfung des gesellschaftsinternen Interessenausgleichs mit der außenwirksamen Marktteilnahme der Gesellschaft auf der Grundlage eines übergreifenden Lenkungsmechanismus lässt sich jedoch nicht erkennen. So werden aus dem Selbststeuerungsgedanken zwar G r e n z e n für eine organschaftliche Vertretung unter Hinweis auf den damit einhergehenden reflexartigen Gläubigerschutz abgeleitet 1 1 8 . Andererseits werden andere gesellschaftsvertragliche Gestaltungen als unbedenklich akzeptiert, obwohl sie den Selbststeuerungsgedanken im Außenverhältnis torpedieren. Letzteres gilt für die Frage weitgehender rechtsgeschäftlicher Vollmachten für Kommanditisten und Nichtgesellschafter ebenso wie für die Frage der H a f tungsbeschränkung zugunsten des unternehmensleitenden Kommanditisten im Rektor-Fall 1 1 9 . M i t einer konsequenten Verknüpfung von Innen- und Außenverhältnis auf der Grundlage der motivationssteigernden Auswirkung persönlicher Haftung bei der durch die Gesellschaft vermittelten Marktteilnahme lässt sich die hierbei aufscheinende Unterscheidung zwischen Innen und A u ß e n nicht vereinbaren 1 2 0 . Dass die Frage der Selbststeuerung durch persönliche Haftung nicht als eine solche der Außenwirkung des Gesellschaftsvertrages erfasst wird, verdeutlichen die Kritiker in der Literatur, die den Selbststeuerungsgedanken als übergreifenMüller-Erzbach, Beiträge II 737, 738. Wiedemann, JZ 1969, 470, 471. 117 BGH 11.7.1960, BGHZ 33, 105, 108f.; BGH 25.5.1964, BGHZ 41, 367, 369; BGH 9.12. 1968, BGHZ 51,198,200; BGH 20.9.1993, WM 1994,237,238; Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 359; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 413f. (§14 II 2.e); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I 343 f. 118 GroßKommHGB-t//iwer § 109 Rdnr. 34; M. Nitschke 217,238,244,255,259; K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk 307, 315; H.P. Westermann, FS Lutter 955, 959-961; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I 343f., 548f.; zum Grundsatz der Selbstorganschaft siehe unten Zweiter Teil III.C.4. 119 Zu dieser Auflockerung aus der Sicht der Befürworter der genannten Selbststeuerung GroßKommHGB-Ulmer § 109 Rdnr.35; so auch die Kritik bei C. Weber 201f. 120 Zur Funktion des Gesellschaftsvertrages, den Gesellschaftern die Marktteilnahme zu vermitteln, siehe bereits oben B.5.; zu einer solchen Verknüpfung für die AG Zöllner, AG 2003, 2, 11. 115 116

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den Rechtsgedanken ablehnen. Stattdessen leiten sie aus der Handelsregisterpublizität mögliche Alternativen zum Gläubigerschutz ab 121 . Sie setzen damit die Außenwirkung stillschweigend voraus, anstatt sie zu rechtfertigen. Besonders deutlich wird dieses Problem bei dem weiter reichenden Kritikpunkt, dass es an einer ausdrücklichen Normierung der Selbststeuerung durch persönliche Haftung im Personengesellschaftsrecht fehle 122 . Die Außenwirksamkeit der Marktteilnahme der Gesellschafter über ihre Gesellschaft wird hierbei nicht für begründungsbedürftig gehalten, sondern auf eine Frage der Einigung der Gesellschafter reduziert. Reuter problematisiert diese Außenwirkung, richtet seine Analyse jedoch an den besonderen Problemen der Unternehmensnachfolge aus123. Im Übrigen wird die Außenwirkung der Gesellschaft allenfalls als Gegenstand eines individuellen Interessenausgleichs mit den Gläubigern, etwa über die Registerpublizität, erfasst. »Die Gläubiger müssen (hiernach die Gesellschaft) hinnehmen, so wie sie sie vorfinden und sie sich ihnen darstellt ,..« 124 . Der Gläubiger wird lediglich als individueller Interessenträger, nicht aber strukturell als Teilnehmer in der Wirtschaftsordnung berücksichtigt 125 . Eine übergreifende Verknüpfung zwischen gesellschaftsinternem Interessenausgleich und Status der Gesellschaft als Marktteilnehmerin gelingt demnach auch auf der Grundlage des Selbststeuerungsgedanken nicht ohne weiteres. Es fragt sich, ob sich dieser Gedanke möglicherweise auf der Grundlage seiner Wertungsprinzipien modifiziert nutzbar machen lässt, um eine Verknüpfung zwischen Innen- und Außenverhältnis im Gesellschaftsrecht zu verwirklichen. 3. Risikoverteilung als Bestimmungsfaktor Außenwirkung der Marktteilnahme

für die

Einen über den Selbststeuerungsgedanken hinausweisenden Ansatz, Innen- und Außenverhältnis der Personengesellschaft in der Haftungsfrage zu verknüpfen, unternimmt in jüngerer Zeit Dauner-Liebub. Auf der Grundlage einer Verknüpfung zwischen Innen- und Außenverhältnis war schon früher Ott für die Haftungsfrage zu dem Ergebnis gekommen, dass der Manipulation der Haftungsmasse durch privatautonome Gestaltung der Personengesellschafter die Außenwirkung zu versagen sei. Zu diesem Zweck sei der willkürlichen Trennung von Haftung und Pflichteinlage in der Kommanditgesellschaft und dem Zusammen121 C. Weher 200; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 452f.; für die Familien-KG so auch Barhasch 278f.; ähnlich unter Ausblendung des Schutzes durch Motivationswirkung auf Gläubigerbefriedigung abstellend Bergmann 533 f., 573 f. 122 C. Weher 202f. 123 Reuter 54-59. 124 C. Weber 203 unter Hinweis auf Teichmann 103. 125 Ahnliche Kritik am subjektiv ausgerichteten Missbrauchsverbot der h.L. bei Ott, Typenzwang 25-28, 34f. 126 Dauner-Lieh 520-554.

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1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

treffen von Kapitalinteressen und umfassender Verfügungsmacht in der Hand eines geschäftsführenden Kommanditisten mit der unbeschränkten persönlichen Haftung zu begegnen 1 2 7 . Anhand der Doppelverpflichtungstheorie zeigt ner-Lieb

Dau-

nun auf, wie die rechtsfortbildende Verselbständigung der Gesellschaft

bürgerlichen Rechts zu einer Zurechnungseinheit die Haftungslage zum Nachteil der Gläubiger verändert habe 1 2 8 . In der Gesellschaft bürgerlichen Rechts verschieben sich hiernach Organisations- und Haftungsstatut gegeneinander, wenn sich das Organisationsstatut von der traditionellen Lehre der ausschließlichen Rechtssubjektivität der Gesellschafter zu einer Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft verändert 1 2 9 . Nach der Doppelverpflichtungstheorie bedarf nämlich angesichts fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Haftungsanordnung die Mithaftung der Gesellschafter für Gesamthandsverbindlichkeiten positiver Begründung 1 3 0 . Werde die Gesellschaft selbst zum Zurechnungsendpunkt und bedürfe die persönliche Mithaftung der gesonderten Verpflichtung des Gesellschafters neben der Gesellschaft, so sei für die Freistellung des Privatvermögens der Gesellschafter ein Konsens mit den Gläubigern nicht erforderlich 1 3 1 . Im Ergebnis entspreche dies einer Wirtschaftsteilnahme unter Freistellung des Privatvermögens ohne Einschaltung einer juristischen Person 1 3 2 . D e m stellt Dauner-Lieb

die auf die unternehmenstragende

Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu übertragende Verbindung der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit in § 1 2 4 H G B mit der Anordnung einer persönlichen akzessorischen Gesellschafterhaftung gem. § 128 H G B entgegen 1 3 3 . Die Nichthaftung der Mitglieder sei nur zum Preis der Kapitalaufbringung nach kapitalgesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu haben 1 3 4 . Mit ähnlichem Argumentationsgang lehnt mittlerweile auch der Bundesgerichtshof die Möglichkeit einer statutarischen Haftungsbeschränkung unter Freistellung des Privatvermögens

der

Gesellschafter für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab 1 3 5 . Folglich werden einer Verselbständigung der Personengesellschaft vom einzelnen Gesellschafter Grenzen gezogen. Damit scheint ein Unterschied zwischen einem gegenüber dem einzelnen Mitglied verselbständigten Verband und einer persönlich geprägten Gesellschaft im deutschen Recht auf. Gleichwohl stellt sich die

Ott, Typenzwang 283-288. Dauner-Lieb 534f.; im Einzelnen hierzu unten Vierter Teil I. 129 Zu diesem grundsätzlichen Problem bei der K G Ott, Typenzwang 48f. 1 3 0 So noch MüKo- Ulmer (3. Auflage) § 714 Rdnr. 30 (Meinungsänderung dann zugunsten der Akzessorietätstheorie bei Ulmer, ZIP 1999, 554-565); Soergel-Hadding §714 Rdnr. 11. 131 Dauner-Lieb 524 f. 132 Dauner-Lieb 525. 133 Dauner-Lieb 550-552. 134 Dauner-Lieb 2, 552. 135 B G H 27.9.1999, B G H Z 142, 315, 318-323. 127 128

I. Gestaltungsfreiheit und organisationsrechtliche Außenwirkung

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Frage nach dem Ausmaß der Verselbständigung auch innerhalb einer Kategorie, wie etwa der der juristischen Person 1 3 6 . Anerkannt ist mit der aufgezeigten G r e n z e der Verselbständigung der Personengesellschaft von ihren Gesellschaftern im deutschen R e c h t die Beschränkung der Außenwirkung gesellschaftsvertraglicher Haftungsgestaltung in der Personengesellschaft. Als Wertungskriterium für diese Beschränkung wird hierbei letztlich darauf hingewiesen, dass die Gesellschafter ihr unternehmerisches Risik o nicht auf eine von ihnen beliebig bestimmbare Haftungsmasse begrenzen und im Übrigen auf die Gläubiger abwälzen dürften 1 3 7 . D e m liegen nicht nur Gläubigerschutzgesichtspunkte zugrunde, sondern allgemeinere Wertentscheidungen, auf denen auch die Forderung nach dem Gleichlauf von Herrschaft und Haftung beruht. So basiert das Verbot der Risikoabwälzung auf einem Grundgedanken der Verhaltenssteuerung, dass nämlich jedem Entscheidungssubjekt N u t z e n und Kosten aus seinen Handlungen zuzurechnen sind, um Anreize zur Verantwortungslosigkeit zu vermeiden 1 3 8 . N u r auf dieser Grundlage ist es möglich, den Wirtschaftsteilnehmern allgemeine Handlungsfreiheit zu gewährleisten, ohne hierdurch die individuellen Handlungsfreiheiten anderer zu gefährden. Bezeichnet ist folglich mit dem Verbot der Risikoabwälzung die Grundvoraussetzung verantwortungsvollen, freiheitlichen Handelns 1 3 9 . Unterstellt man demzufolge die Außenwirksamkeit einer Haftungsbeschränkung einem solchen Verbot der Risikoabwälzung, so lassen sich die Risiken unternehmerischen Handelns nicht auf Dritte ohne deren Zustimmung verlagern. U n t e r diesem Gesichtspunkt lässt sich die Haftungsbeschränkung zugunsten der Aktionäre etwa damit rechtfertigen, dass hier Kapitalerhaltungsvorschriften und kapitalmarktliche Steuerungsmechanismen über den Aktienkurs eine R i s i k o a b wälzung jedenfalls zu Lasten von Vertragsgläubigern verhindern 1 4 0 . Folglich lassen sich aus dem Verbot der Risikoabwälzung unterschiedliche Steuerungsmechanismen für die verschiedenen Gesellschaftsformen ableiten. Letztlich liegen den Steuerungsmechanismen der Kapitalerhaltung, kapitalmarktlicher

Steue-

rungsmechanismen und der persönlichen Haftung gemeinsame Wertungsprinzipien zur Risikoverteilung zugrunde. So geht in der unternehmenstragenden G e sellschaft bürgerlichen Rechts mangels Kapitalbindung die Eingehung unterneh136 Peifer, N Z G 2001,193,201; das frz. Recht etwa stuft alle Handelsgesellschaften als juristische Personen ein, woraus sich die Notwendigkeit einer Abstufung der Verselbständigung der Gesellschaft ergibt. Die Haftungsfolgen der Verselbständigung werden demgegenüber hier auf einer anderen Regelungsebene bewältigt als im deutschen Recht, nämlich mit den insolvenzrechtlichen Möglichkeiten, die Haftungsmasse zu vergrößern (»action en complément de passif«; rechtsvergleichend dazu Ehricke 501-582). 137 Dauner-Lieb 554; ähnlich B G H 27.9.1999, B G H Z 142, 315, 322. 138 Adams 53; Bitter 182; als Nutzen-Nachteil-Prinzip bezeichnet bei Jung 346f. 139 Eucken 280f.; Hayek, Constitution of Liberty 71-84. 140 Im Einzelnen zur Vermeidung einer Risikoabwälzung durch Kapitalmarktsteuerung am Beispiel des US-amerikanischen Rechts der corporation Haar, RabelsZ 60 (2000) 537, 540-559.

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1. Teil: Konzeptionelle Grundlagen

merischer Risiken über die Gesellschaft mit der Möglichkeit zur Vermögensverschiebung und Beeinträchtigung der Haftungsmasse zu Lasten der Gläubiger einher 141 . Bei dieser Sachlage kann nur die persönliche Haftung sicherstellen, dass nicht durch willkürliche Verschiebungen zwischen Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter Risiken zu Lasten Dritter abgewälzt werden 142 . Letztlich erweisen sich damit die unbeschränkte persönliche Haftung ebenso wie die kapitalgesellschaftsrechtlichen Grundsätze der Kapitalerhaltung und -aufbringung als rechtliche Instrumente zur Risikoverteilung zwischen Wirtschaftsteilnehmern 143 . Der Wertungsgehalt dieser Risikoverteilung beruht darauf, dass der Gläubiger das betroffene Risiko nicht wissentlich und willentlich eingegangen ist. So bildet die Freiheit der Entscheidung des Vertragspartners die Legitimationsbasis für eine Risikoverteilung zu seinen Lasten 1 4 4 . Demzufolge kann die gesellschaftsvertragliche Einigung nicht als Legitimationskriterium für eine Haftungsbeschränkung taugen, da von ihr dann negative Wirkungen für Dritte ausgingen 145 . Die Beschränkung der Privatautonomie der Gesellschafter erweist sich als Kehrseite der Selbstbestimmung der übrigen Wirtschaftsteilnehmer. Die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter bei der Marktteilnahme über die Gesellschaft darf daher nicht dazu eingesetzt werden, Marktrisiken auf andere Marktteilnehmer abzuwälzen. Stattdessen werden diese Marktrisiken letztlich im Anteilseigentum der Gesellschafter an der Gesellschaft absorbiert. Dies lässt aufscheinen, dass bei der Frage des Anteilseigentums, etwa im Rahmen der Abfindungsregelung, ebenfalls der Interessenausgleich der Gesellschafter mit der Marktteilnahme der Gesellschaft im Außenverhältnis als Regelungsinteressen zusammentreffen 146 .

D. Das Zusammentreffen von Innen- und Außenverhältnis bei der Personengesellschaft im Konzern 1. Zwischenergebnis: Das Spannungsfeld zwischen internem Interessenausgleich und der Marktteilnahme Gesellschaft bei Konzerneinbindung

gesellschaftsder

Im Ergebnis lassen sich die von der Personengesellschaft betroffenen Regelungsinteressen im Spannungsfeld zwischen dem Interessenausgleich der Gesellschafter sowie dem Stellenwert der Gesellschaft als Marktteilnehmerin einordnen. Für Dauner-Lieb 548-550. Ott, Typenzwang 200. 143 J. Meyer 952-974; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 287f. 144 Zur Grundlage des damit bezeichneten Verantwortlichkeitsprinzips siehe oben. 145 Zum zugrunde liegenden Problem der Risikoexternalisierung siehe oben. 146 Vergleichbare Zugrundelegung einer Mediatisierung des Freiheitsgedanken allerdings durch die juristische Person und dessen Reduzierung auf das Eigentum der Gesellschafter bei Köndgen 134. 141 142

I. Gestaltungsfreiheit

und organisationsrechtliche

Außenwirkung

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den Interessenausgleich der Gesellschafter untereinander zeichnet sich die Bedeutung einer Ungleichgewichtslage der Beteiligten aufgrund unterschiedlicher Fähigkeiten und Beiträge der Vertragspartner als prägend ab 147 . Die Korrektur eines solchen Marktversagens hat sich an der Gewährleistung der Funktionsbedingungen für die Privatautonomie des einzelnen Gesellschafters zu orientieren 148 . Sie kann nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen. Außenwirkung kann dieser Interessenausgleich über die Verselbständigung der Gesellschaft als Marktteilnehmerin nur entfalten, soweit er nicht dazu eingesetzt wird, unternehmerische Risiken auf eine willkürlich bestimmte Haftungsmasse zu begrenzen und dadurch auf andere Marktteilnehmer abzuwälzen 149 . D e m liegen das Verantwortungsprinzip und die allgemeine Handlungsfreiheit der übrigen Marktteilnehmer als allgemeine Wertungskriterien zugrunde 150 . Die Verteilung unternehmerischer Risiken bedarf hiernach einer vertraglichen Grundlage. Das Ergebnis dieser Risikoverteilung verwirklicht sich für den Gesellschafter in seinem Anteilseigentum. Demzufolge lässt sich auch das Anteilseigentum etwa bei der Abfindung nur im Spannungsfeld zwischen den Individualinteressen der Gesellschafter und den Interessen der Wirtschaftsordnung im Hinblick auf eine vertraglich vereinbarte Risikoverteilung realisieren 151 . Die Funktionsfähigkeit des Interessenausgleichs der Gesellschafter untereinander, seiner Außenwirkung bei der Marktteilnahme und der Marktergebnisermittlung durch Abfindung des einzelnen Gesellschafters wird im Konzern auf die Probe gestellt. Der Konzerntatbestand lässt sich durch die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen, die sich über mehrere Rechtsträger erstrecken, unter eine einheitliche Leitung zu einer wirtschaftlichen Einheit kennzeichnen 1 5 2 . In A n betracht der konzernübergreifenden unternehmerischen Einheit weist damit der Bezugspunkt des Interessenausgleichs der Gesellschafter, nämlich der Gesellschaftszweck unternehmerischer Marktteilnahme gem. § 1 0 5 Abs. 1 H G B , über die rechtliche Einheit der Gesellschaft hinaus 153 . Die Unterstellung der Personengesellschaft unter eine einheitliche Konzernleitung durch die Eingliederung in die konzernübergreifende Unternehmensplanung stellt die Gleichgewichtslage bei diesem Interessenausgleich vor neue Herausforderungen. Auch die Außenwirkung des Interessenausgleichs wirft Fragen auf. Wie gezeigt, ist sie nach dem Verbot einer Risikoabwälzung von der Zurechnung der Nutzen und Kosten unternehmerischen Handelns zu Lasten des betreffenden Entscheidungssubjektes abHierzu siehe oben B.3. Siehe oben B.3. 149 Siehe oben C.3. 150 Siehe oben C.3. 151 Siehe oben C.3. 152 Gegenüberstellung der wirtschaftswissenschaftlichen Einheitsbetrachtung und des juristischen Vielheitsansatzes bei Theisen 15-26. 153 Zur Marktteilnahme als Bezugspunkt des Interessenausgleichs der Gesellschafter siehe oben B.5. 147

148

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1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

hängig. Gerade diese Einheit von Unternehmensplanung und Haftungseinheit wird aber angesichts der Erstreckung des Unternehmens auf mehrere Haftungsträger im Konzern aufgehoben. Schwierig wird damit auch die Ermittlung des realisierten unternehmerischen Risikos zugunsten des einzelnen Gesellschafters im Rahmen seiner anteilsbasierten Abfindung. Wie bewältigt die Literatur diese Fragen der Konzerneinbindung einer Personengesellschaft? 2. Begründungsdefizite hinsichtlich der beherrschungsvertraglichen Verselhständigungswirkung in der Literatur zur konzerngebundenen Personengesellschaft Der Literatur zur konzerngebundenen Personengesellschaft liegt das Aktiengesetz von 1965 mit der weltweit ersten Kodifikation eines Rechts der verbundenen Unternehmen in den §§ 15ff., 291 ff. AktG zugrunde. Gleichwohl werden die spezifischen Probleme der Verbindung von Personengesellschaften mit anderen Unternehmen erst ab 1975 in zahlreichen Abhandlungen von U.H. Schneider aus ihrem »Fußnotendasein« erweckt 154 . 1979 nimmt sich die Unternehmensrechtskommission des Themas an 155 . Die von ihr entwickelten Typen der Konzernleitungsmacht eines Unternehmens gegenüber einer Personengesellschaft beherrschen nach wie vor die rechtswissenschaftliche Diskussion: - die Leitungsmacht eines Unternehmens als persönlich haftender und geschäftsleitender Gesellschafter, - die mittelbare Leitung über eine nicht selbst unternehmerisch tätige Komplementär-GmbH und - die Leitungsmacht als Kommanditist mit Sonderrechten. Unter Zugrundelegung dieser Typisierung möglicher Konzernstrukturen in der Personengesellschaft hält die herrschende Meinung als Legitimationsgrundlage für die Konzerneinbindung einen eigenen organisationsrechtlichen Beherrschungsvertrag für erforderlich. Aus diesem Erfordernis werden drei unterschiedliche Konsequenzen gezogen, die an dieser Stelle nur holzschnittartig dargelegt und erst an späterer Stelle im Zusammenhang im Einzelnen geprüft werden können 156 : Eine erste Gruppe von Autoren hält einen solchen Beherrschungsvertrag mit dem Wesen der Personengesellschaft und insbesondere mit ihrem konstitutiven gemeinsamen Zweck für vereinbar 157 . Aus dieser Vereinbarkeit folgern

154 U.H. Schneider, ZGR1975,253-293; U.H. Schneider, FS Bärmann 873-892; U.H. Schneider, BB 1975, 1353-1359; U.H. Schneider, Z H R 143 (1979) 485-521. 155 Unternehmensrechtskommission Tzn. 1708-1725. 156 Siehe im Einzelnen Dritter Teil und hier insbesondere III.V. und VI. 157 Binnewies 105f.; Bitter 364f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht 458-464; Kleindiek 86-93; Marienfeld 61-63; Schieß 43-53; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1294f.; GroßKomm-

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Binnewies, Bitter, Emmerich/Habersack, Hopt, Kleindiek, Schießl und K. Schmidt, dass auch im Recht der konzernierten Personengesellschaft einfache, vertragslos-qualifizierte und beherrschungsvertragliche Konzernverhältnisse unterschieden werden können 158 . Demgegenüber hält eine zweite Gruppe, nämlich Flume, U.H. Schneider und in jüngerer Zeit auch Mülbert die Rechtsnatur der Personengesellschaft für unvereinbar mit dem Abschluss eines organisationsrechtlichen Beherrschungsvertrages159. Die Personengesellschaft könne nicht aufgrund eines Beherrschungsvertrages in ein unselbständiges Gebilde umgewandelt werden. Daraus folgern die genannten Autoren allerdings nicht die grundsätzliche Unzulässigkeit einheitlicher Leitung gegenüber einer Personengesellschaft. Eine dritte Gruppe schließt von der Unvereinbarkeit des gemeinsamen Zwecks der Personengesellschaft mit der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens auf die Unzulässigkeit eines organisationsrechtlichen Beherrschungsvertrages160. Reuter begründet hiermit die schuldrechtliche Rechtsnatur des Beherrschungsvertrages161. Der Beherrschungsvertrag wird in den genannten Ansätzen als Ergebnis eines gesellschaftsintern wirkenden Interessenausgleichs zwischen dem Gesellschaftszweck und der einheitlichen Leitung behandelt. Folglich wird die Interdependenz zwischen diesem Interessenausgleich und der Veränderung der Stellung der Gesellschaft als Marktteilnehmerin und damit die potenziell statusverändernde Wirkung des Beherrschungsvertrages vernachlässigt162. Erst eine solche Statusveränderung kann über die mit ihr verbundene Außenwirkung in der Wirtschaftsordnung eine organisationsrechtliche Verselbständigung bewirken. Auch in weiteren Ansätzen wird diese Verselbständigungswirkung des Beherrschungsvertrages vorausgesetzt, aber nicht begründet. So wird von einzelnen Autoren in unmittelbarer Anlehnung an das Aktienkonzernrecht auch für die konzernierte Personengesellschaft zwischen einfachen Abhängigkeitsverhältnissen, faktischer Konzernierung und Vertragskonzernen unterschieden. Die §§15 ff.

HGB3-Ulmer §105 Anh. Rdnrn. 6, 16, 59, 68-70; differenzierend Baumbach/Hopt §105 Rdnr.105. 158 Baumbach/Hopt §105 Rdnrn. 102-105; Binnewies 107-112; differenzierend unter Zugrundelegung einer Vereinbarung über die Veränderung des Leitungsmaßstabs, bzw. mitgliedschaftlicher Begründung der Leitungsmacht im faktischen Konzern Bitter 364-366,421 f.; Kleindiek 29-36; Schießl 8-14, 40, 83f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1294f. (§43 III 2.). 159 Flume, Personengesellschaft 255f.; U.H. Schneider, BB 1980, 1057-1065; ähnlich die Unzulässigkeit einer beherrschungsvertraglichen Konzernierung einer Personengesellschaft mit gesetzestypischem Verbandszweck zugrunde legend MüKo-Mülbert KonzernR Rdnr. 129. 160 Heck 132-136; Löffler 33-36; Reuter, Z H R 146 (1982) 1, 15f. 161 Reuter, Z H R 146 (1982) 1, 16f. 162 Zur statusverändernden Wirkung eines organisationsrechtlichen Vertrages bei der Vermittlung der Marktteilnahme siehe oben B.5.; zur Veränderung der Marktstellung einer Gesellschaft durch Konzernierung Zöllner, Schranken 80.

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1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

AktG und der Verlustausgleich gem. §§302, 303 AktG werden angewendet 163 . Diese Argumentationslinie wurde mit der Übertragung der Rechtsprechung zur qualifizierten faktischen Konzernbildung im GmbH-Konzernrecht in der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ergänzt. Sie bezieht sich auf Fallgestaltungen, die durch eine nachhaltige Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft ohne die Möglichkeit des Einzelausgleichs gekennzeichnet sind 164 . Die neuere Rechtsprechung zu den Grenzen einer Konzerneinbindung im Falle des Systemversagens der GmbH-rechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften aufgrund bestandsvernichtenden Eingriffs kann auch für diese Übertragung der Regeln des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns auf die Personengesellschaft nicht ohne Konsequenzen sein165. Dessen ungeachtet bleiben bei der bisherigen Übertragung kapitalgesellschaftsrechtlicher Kategorien grundlegende Unterschiede zum Personengesellschaftsrecht unberücksichtigt: Der Abhängigkeitstatbestand im Kapitalgesellschaftsrecht knüpft an den Einfluss an, den die Mehrheitsbeteiligung gewährt (§17 Abs. 2 AktG). Dagegen kennt das Personengesellschaftsrecht keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Anteilsmehrheit, Stimmenmehrheit und Entscheidungsmacht (§709 BGB, 109 HGB) und keine entsprechend verselbständigten Mitgliedschaftsrechte, die dem herrschenden Unternehmen zugeordnet werden könnten 166 . Um sie zu begründen, bedarf es der Außenwirkung dahingehender gesellschaftsvertraglicher Gestaltungen. Diese Frage nach der Außenwirkung lässt sich nicht allein dadurch beantworten, dass man bereits den Gesellschaftsvertrag, der die Verknüpfung zwischen Gesellschaftsanteil und Einflussmöglichkeit herstellt, als organisationsrechtlichen Beherrschungsvertrag einordnet, ohne hierbei die Außenwirkung dieser Verknüpfung zu überprüfen 167 . Auch die Heranziehung anderer Rechtsgrundlagen zur Begründung der Verlustausgleichspflicht des eine Personengesellschaft beherrschenden Unternehmens, wie die des normativen Zusammenhangs von ausgeübter Leitungsmacht und korrespondierender Risikohaftung oder die einer konzernbedingten Treuepflicht setzen eine außenwirksame Konzerneinbindung der Personengesellschaft voraus 168 . Sie 163 Ehrhardt 19f., 59-64; Emmerich/Hab ersack, Konzernrecht 464; Gekeler 126-153, 253-255. 164 BAG 15.1.1991, ZIP 1991, 884; BAG 28.4.1992, ZIP 1992, 1566; BAG 6.10.1992, ZIP 1993, 380; BAG 16.3.1993, ZIP 1993, 1330; BAG 14.12.1993, ZIP 1994, 729; BAG 1.8.1995, N J W 1996, 1491. 165 B G H 17.9.2001, DStR 2001, 1853; im Einzelnen hierzu unten Vierter Teil II.B. 166 Zu den Mitgliedschaftsrechten in der Personengesellschaft als Bezugspunkt möglicher Verselbständigung siehe schon oben B.4. 167 So T. Raiser, Z G R 1980, 558-566; Baumgartl 78f. 168 Heranziehung des Zusammenhangs zwischen ausgeübter Leitungsmacht und korrespondierender Risikohaftung zur Begründung einer Verlustausgleichspflicht bei G r o ß K o m m H G B Ulmer Anh. § 105 Rdnr. 74; Kleindiek 146f.; Raiser, Z G R 1980, 558, 564f.; Schlegelberger-Martens § 105 Anh. Rdnr. 41; Heranziehung einer Treuepflicht bei Löffler 92-99; Stimpel, A G 1986, 117, 121-123 (für qualifizierten faktischen GmbH-Konzern).

II.

Ökonomische

Grundlagen

31

kann sich jedoch nur aus einer Verknüpfung des Interessenausgleichs der Gesellschafter mit der verselbständigten Marktteilnahme des von diesen geschaffenen personengesellschaftsrechtlichen Gebildes in der Wirtschaftsordnung ergeben 169 . Eine solche Verknüpfung gilt es nunmehr, auf der Grundlage des einleitend dargelegten Plans zu entwickeln.

II. Ökonomische Grundlagen: Märkte und Hierarchien in der Unternehmung Erfasst man die Kernfrage der Verselbständigung der Personengesellschaft als das Problem der Einfügung organisationsrechtlicher Strukturen in die marktwirtschaftliche Ordnung, so rückt damit die Wechselwirkung zwischen Gesellschaftsvertrag und Wirtschaftsordnung ins Blickfeld 1 7 0 . Es gilt, diese Wechselwirkung für die Rechtsdogmatik fassbar zu machen. Bezeichnet ist damit das Ziel einer »makrojuristischen« Fundierung des Gesellschaftsrechts, die zu unterscheiden ist von der vorherrschend von der Ökonomischen Analyse des Rechts behandelten Frage nach der privatrechtstheoretischen Verwertbarkeit des Effizienzprinzips 171 . In Anbetracht der genannten Wechselwirkungen zwischen Gesellschaftsvertrag und Wirtschaftsordnung liegt es nahe, dass ökonomische Wirkungszusammenhänge auf die rechtlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages einwirken und bei der Entwicklung und Fortbildung dieser Regelungen Niederschlag finden. Der Bezug ist freilich ein wechselseitiger: Es geht nicht nur um eine ökonomische Durchdringung des Rechts, sondern auch um eine Offenlegung und Klärung der in der Ökonomie immer vorausgesetzten rechtlichen Institutionen bei der Lösung ökonomischer Probleme 1 7 2 . Aus diesen Zusammenhängen zwischen Ö k o n o m i e und Recht folgt das weitere Vorgehen: Die Einwirkung marktlicher Wirkungszusammenhänge auf die gesellschaftsrechtliche Erfassung setzt zunächst die Klärung wirtschaftlicher Zusammenhänge bei der Unternehmensentstehung voraus (dazu A.). Vor diesem Hintergrund lassen die ökonomi-

169 Zum Zusammenhang zwischen gesellschaftsvertraglichem Interessenausgleich und Stellung der Gesellschaft als Marktteilnehmerin siehe oben B.5. 170 Zur Wechselwirkung zwischen privatrechtlichem Vertrag und gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen Böhm, Ordo 3 (1950) LI. 171 Zur Makrodogmatik Fleischer 224; Uberblick über die Anwendungsfelder der ökonomischen Theorie im Gesellschaftsrecht bei Fleischer, Z G R 2001,1-32; unter dem Gesichtspunkt der »Infrastrukturverantwortung« des Gesetzgebers Fleischer, Gesetz und Vertrag II 37,40f.; repräsentativ für die vorherrschende Behandlung des Effizienzprinzips in der rechtswissenschaftlichen Diskussion Bruns 45f.; Eidenmüller, Effizienz; dazu Deckert, AcP 197 (1997) 187-195; Grundmann, RabelsZ 61 (1997) 423-453; Kirchner, Effiziente Verhaltenssteuerung 44-48; Kötz/ Schäfer, Rechtstheorie 30 (1999) 130-136; Ott, J I T E 153 (1997) 593-596; Taupitz, AcP 196 (1996) 114-167. 172 Coase, J . Leg. Stud. 7 (1978) 201, 210f.; im deutschen Schrifttum hierzu Behrens VI.

32

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

sehen Analyseinstrumente Anknüpfungspunkte für die Unternehmensentstehung und die damit verbundenen Probleme hervortreten (dazu B.). Dies stellt die Weichen für die Funktionsanalyse rechtlicher Regeln bei der Bewältigung der zuvor aufgezeigten Probleme im Personengesellschaftsrecht (dazu C.).

A. Wirkungszusammenhänge: Das Unternehmen und der Markt im Unternehmen

im Markt

Als Ausgangspunkt für die Problemerfassung bei der konzernverbundenen Personengesellschaft hat sich das Ineinandergreifen des Interessenausgleichs der Gesellschafter in der Gesellschaft mit der Außenwirkung der Personenhandelsgesellschaft bei der Marktteilnahme herauskristallisiert 1 7 3 . Will man die ö k o n o m i schen Wirkungszusammenhänge der Tätigkeit einer

Handelspersonengesell-

schaft ( § 1 0 5 H G B ) klären, sind die Handlungsabläufe in der Unternehmung und auf dem M a r k t zu untersuchen. In der Ö k o n o m i e ist dies Gegenstand der T h e o r i e der Unternehmung 1 7 4 . Eine einheitliche Theorie der Unternehmung gibt es allerdings nicht. Zu unterscheiden sind an der Industrie mit unterschiedlichen M a r k t formen technologisch ausgerichtete Theorien, wie insbesondere die neoklassische Theorie (dazu 1.), kontrakttheoretisch und institutionalistisch ausgerichtete Theorien (dazu 2.) sowie neuere ressourcenorientierte Theorien (dazu 3.). 1. Die Unternehmung

als Frage

der Marktallokation

in der

Neoklassik

N a c h der neoklassischen Theorie lässt sich die Unternehmung durch ihre P r o duktions- und Kostenfunktion kennzeichnen 1 7 5 . Das Ziel der U n t e r n e h m u n g ist aus dieser Sicht die Gewinnmaximierung unter der Nebenbedingung der P r o d u k tionsfunktion 1 7 6 . Demzufolge lässt sich die Existenz von Unternehmungen mit deren Aufgabe erklären, Produktionsfaktoren zu kombinieren und effiziente Produktionspläne auszuwählen. Die U n t e r n e h m u n g wird aus dieser Sicht zu einer produktionstechnisch bestimmten G r ö ß e 1 7 7 . So beschreibt Machlup

treffend:

»... the firm is only a theoretical link, a mental construct helping to explain h o w one gets from the cause to the effect. This is altogether different from explaining the behavior of a firm ,..« 1 7 8 . Folglich bleibt in der neoklassischen T h e o r i e kein R a u m für die Einbeziehung der internen Organisation in die Analyse. D i e U n t e r nehmung ist hier stattdessen eine »black box« 1 7 9 . Sie wird auf eine Frage der

173 174 175 176 177 178 179

Hierzu I. Schauenberg, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft Sp.4168, 4170. Formalisierte Darstellung bei Richter/Furubotn 394f. Williamson, ZgS 141 (1985) 187, 189. Demsetz, J.L. Econ. & Org. 4 (1988) 141, 143. Machlup, Am. Econ. Rev. 57 (1967) 1, 9. Holmström/Tirole, Theory of the Firm 61, 63.

II. Ökonomische

Grundlagen

33

Marktallokation verkürzt, anstatt die individuelle Unternehmensorganisation zu erklären 180 . Lediglich agency-Theorien der Unternehmung als so genannte Managertheorien haben sich den Strukturen der Unternehmung und den Interessenkonflikten der mit einer Unternehmung verbundenen Akteure gewidmet. Hierfür zeigt im Ausgangspunkt die Analyse des Interessengegensatzes zwischen Eigentümern und Unternehmensleitung in der Aktiengesellschaft bei BeriefMeans die Grenzen der Neoklassik auf, da unter der Prämisse vollständiger Informationen bei allen Beteiligten die internen Machtungleichgewichte nicht erfasst werden können 181 . Daher kennzeichnen die agency-Theorien eine Unternehmung als ein Vertragsgeflecht, ein »nexus of contracts«, das seine wesentliche Prägung durch die ihm zugrunde liegenden agency-Beziehungen zwischen den Inhabern der operativen Unternehmensleitung und den Eigentümern erhält 182 . Die Bemühungen richten sich folglich auf eine Minimierung der Kosten, die in einer Unternehmung infolge des diskretionären Entscheidungsspielraums des Managements entstehen 183 . Auf eine solche Minimierung zielen Uberwachungsmechanismen, wie unabhängige Verwaltungsräte oder anreizkompatible Entlohnungssysteme. Daneben kommen Selbstbindungsmechanismen, die über die Finanzstruktur des U n ternehmens dessen Abhängigkeit von Kapitalmarktfinanzierungen erhöhen, in Betracht. Schließlich erzeugt auch der Markt für Unternehmenskontrolle Druck auf die Unternehmensleitung 1 8 4 . Insgesamt erfasst die agency-Theorie die Unternehmung als zentralisierten Vertragspartner, ohne aber begründen zu können, wie die Interaktion der Beteiligten dabei Eingang findet 185 . Letztlich beantwortet sie daher nicht die Frage nach der Reichweite der Organisation im Außenverhält-

180 Schauenherg, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft Sp. 4168, 4172; D. Schneider, ZfBErgänzungsheft 4/2001, 1, 2. 181 Beriet Means; juristische »wiederbelebende« Nutzbarmachung in neuerer Zeit bei Bratton, J. Corp. L. 26 (2001) 737-770. 182 Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 5 (1976) 305,311 (»The private corporation is simply a form of legal fiction which serves as a nexus for contracting relationships ...«). 183 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser 37-51; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 5 (1976) 305, 308. 184 Zu den Uberwachungsmechanismen Tama!Jensen, J. L. &Econ. 26 (1983) 301-325; Holmstrom/Milgrom, J.L. Econ. & Org. 7 (1991) Sonderheft 24-52; Itoh, Econometrica 59 (1991) 611-636; zu den finanzierungsrelevanten Selbstbindungsmechanismen Easterhrook, Del. J. Corp. L. 9 (1984) 540, 543-553; zum Druck des Marktes für Unternehmenskontrolle Fama/Jensen, J.L. & Econ. 26 (1983) 301,313; Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965) 110-120; in neuerer Zeit Untersuchungen der agency-Problematik bei der Unternehmensfinanzierung z.B. bei Gertner/ Scharfstein/Stein, Q.J. Econ. 109 (1994) 1211-1230; Harris/Raviv, J. Fin. Econ. 50 (1998) 259-289; Lamont, J. Fin. 52 (1997) 83-109; Neus, Ökonomische Analyse von Verträgen 54-87; Scharfstein/Stein,]. Fin. 55 (2000) 2537-2564; Shin/Kim,]. Corp. Fin. 8 (2002) 139-158; Stein,]. Fin. 52 (1997) 111-133. 185 Kritisch zur Beschränkung auf Interessenkonflikte zwischen Aktionären und Gläubigern unter Ausklammerung der Konflikte zwischen Investoren und Unternehmensleitung Hart 129.

34

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

nis und nach der Interdependenz zwischen gesellschaftsinternem Interessenausgleich und Marktteilnahme der Gesellschaft 186 . 2. Die Unternehmung zum Ausgleich von Marktschwächen in kontrakttheoretisch und institutionalistisch ausgerichteten Theorien der Unternehmung a) Transaktionskostenökonomische

Ausgangspunkte

Die weiterführende Frage nach der Wahl der Wertschöpfungsmethode bei der unternehmerischen Tätigkeit in der Ökonomie wurde 1937 zuerst von Coase, dem Gründungsvater kontrakttheoretisch und institutionalistisch ausgerichteter Theorien der Unternehmung, in seinem bahnbrechenden Artikel »The Nature of the Firm« so gestellt 187 . Er wirft dort die Frage auf, wie die Existenz von Unternehmen vor dem Hintergrund der Uberzeugung der Ökonomen zu erklären ist, dass die dezentrale Koordination individueller Pläne über Märkte einer Koordination durch zentrale Planung überlegen ist 188 . Danach ist zu klären, wann die Marktkoordination Kosten, nämlich Transaktionskosten, verursacht 189 . Als Transaktionskosten lassen sich die Kosten der Begründung und Nutzung von Institutionen einordnen 190 . Erfasst werden damit die Kosten bei Tauschprozessen auf Märkten, wie Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Kontroll-, Durchsetzungs- und Anpassungskosten, aber auch die Kosten einer Koordination zwischen den Organisationsmitgliedern in einer Unternehmung, wie z.B. die Kosten für den Einsatz von Kontroll- und Anreizmechanismen 1 9 1 . Die Transaktionskostenannahme nach Coase eröffnet im Gegensatz zur Neoklassik den Zugang zur Make-or-buyEntscheidung und damit auch zur Reichweite der Unternehmung. Eine unternehmensinterne Fertigung lohnt sich hiernach nur dann, wenn der externe Bezug des betreffenden Produkts über die Beschaffungsmärkte höhere Transaktionskosten verursacht 192 . Die gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge zwischen ge186 So auch schon Hart 20; Ruffner 130; ähnlich negativer Befund hinsichtlich des Zugangs solcher produktions- und entscheidungsorientierten Theorien der Unternehmung bei D. Schneider, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 1, 3; Schmidtchen, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 31; auf einem anderen Blatt steht die Nutzbarmachung des Analyseinstrumentariums der agency theory im Rahmen eines übergreifenden Ansatzes wie der Neuen Institutionenökonomik zur Erfassung von Interessenkonflikten bei Informationsasymmetrien, siehe Fleischer 138-140; Richter/Furubotn 220-263; Zöllner, AG 2003,2,11 ; zur Theorie der Unternehmung der Neuen Institutionenökonomik siehe unten b). 187 Coase, Economica 4 (1937) 386-405. 188 Coase, Economica 4 (1937) 386, 388. 189 Coase, Economica 4 (1937) 386, 390f.; Kunz 109. 190 y ) r r 0 w , Organization of Economic Activity 47, 48: »costs of running the economic system«; Richter/Furubotn 49f. 191 Klassifikation der Transaktionskosten bei Tauschprozessen auf Märkten nach Picot, Handwörterbuch Sp. 4194,4195f.; zu internen Kosten einer Organisation am Beispiel der Managementkontrolle Schäfer/Ott, Lehrbuch 601-605. 192 Illustrationen dieser Make-or-buy-Fragestellung z.B. bei Joskow, J.L. Econ. & Org. 1

II. Ökonomische

Grundlagen

35

sellschaftsinternem Interessenausgleich und außenwirksamer Marktteilnahme kehren in ökonomischer Hinsicht in der Abhängigkeit der externen Unternehmensausdehnung von den internen Transaktionskosten wieder 1 9 3 . Eine Verfeinerung des Transaktionskostenansatzes bringt die transaktionskostenökonomische Analyse komplexer Langfristverträge bei Wilhamson1''4. Williamson begründet die Existenz von Organisationen mit der transaktionskostenbedingten Unvollständigkeit von Verträgen zur Regelung langfristiger Kooperationsbeziehungen, die nicht für alle denkbaren Vertragsrisiken eine Regel vorsehen könnten 195 . Die Gründe für diese Unvollständigkeit im Einzelnen tragen zu einer differenzierteren analytischen Erfassung von Transaktionskosten bei 196 . Als wichtige kostenverursachende Dimensionen menschlichen Verhaltens legt Williamson die begrenzte Rationalität und den Opportunismus zugrunde 1 9 7 . U m die begrenzten geistigen Fähigkeiten des Menschen zu begründen, alle für eine Entscheidung relevanten Umstände zu antizipieren und deren Folgen zu bedenken, knüpft er an Vorarbeiten von Simon an 198 . Im Gegensatz zur Neoklassik wird mit der begrenzten Rationalität auch die Möglichkeit von Irrtümern in die Analyse einbezogen. Darüber hinaus legt Williamson seiner Vertragsanalyse die Annahme von Opportunismus zugrunde, der die Verfolgung eigener Interessen unter Zuhilfenahme von List kennzeichnen soll 199 . Berücksichtigt wird insbesondere die Möglichkeit des regelwidrigen Verhaltens, wenn dessen Nutzen den eines regelgerechten Verhaltens übersteigt, ohne dass damit stets opportunistisches Verhalten unterstellt wird 2 0 0 . Diese Opportunismusgefahr hat nach Williamson weitreichende Folgen in langfristigen Kooperationsbeziehungen, wo sich eine Partei infolge der Erbringung transaktionsspezifischer, nicht anderweitig marktlich verwertbarer Investitionen in eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom anderen Vertragspartner begibt 201 . Diesen Gefahren ist nach 'Williamson mit spezifischen Regelungsstrukturen (»governance structures«) zu begegnen, die durch die Zuordnung von Entscheidungskompetenzen und die Implementierung von Anreizund Kontrollmechanismen die lediglich angedeuteten vertraglichen Gestaltungs-

(1985) 33-80; Klein, J.L. Econ. & Org. 4 (1988) 199-213; Monteverde/Teece, Bell J. Econ. 13 (1982) 206-213; Masten, JITE 142 (1986) 493-509; Picot, ZfbF 43 (1991) 336-357; rechtliche Nutzbarmachung bei Jickeli 33-139; Kulms 85-133; Wellenhofer-Klein 11-17. 193 Zu den bezeichneten Regelungsebenen im Gesellschaftsrecht siehe oben I.B. und C. 194 Williamson, Institutions 15-205. 195 Williamson, Institutions 20-22. 196 So auch die Einordnung bei Schmidtchen, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 31, 35. 197 Williamson, Institutions 4 5 ^ 9 . 198 Williamson, Institutions 45f. unter Hinweis auf Beschreibung des Menschen als »intendedly rational, but only limited so« bei Simon XXIV. 199 Williamson, Institutions 47-49. 200 Williamson, Institutions 48. 201 Als »fundamental transformation« bezeichnet bei Williamson, Insititutions 61-63.

36

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

probleme bewältigen 2 0 2 . Als solche »governance structures« ordnet

Williamson

darüber hinaus auch institutionelle Alternativen zur langfristigen vertraglichen Kooperation wie insbesondere die Unternehmung ein 2 0 3 . Williamson

bezeichnet bei seiner Inbezugnahme der Aktiengesellschaft ein ver-

tragliches Regelungsinstrument, das Transaktionshemmnisse bewältige, die im Wege eines marktlichen Austausches auf der Grundlage des Preismechanismus nicht überwindbar seien 2 0 4 . Illustrieren lässt sich dies anhand einer transaktionskostenorientierten Sicht der Personenhandelsgesellschaft und der ö k o n o m i s c h e n Implikationen der Gesamthandsbindung gem. § 719 B G B , § 105 Abs. 3 H G B . D i e Gesellschafter beseitigen mit der Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks bei Bildung eines Gesamthandsvermögens die Verkehrsfähigkeit der eingebrachten Vermögensgegenstände im marktlichen Austausch. D e m entspricht die fehlende Marktgängigkeit ihrer Gesellschaftsanteile als standardisierte Handelsobjekte ( § 7 3 8 B G B , § 1 0 5 Abs. 3 H G B ) 2 0 5 . Transaktionskostenökonomisch gesprochen, können dieser weitreichenden Abschirmung gegenüber Einflüssen des Anteilsmarktes vor allem Bewertungsprobleme im H i n b l i c k auf bestimmte Inputfaktoren zugrunde liegen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn eine erfolgreiche N u t zung des Gesellschaftsvermögens im Wettbewerb die Unterdrückung von I n f o r mationen am M a r k t voraussetzt, beispielsweise beim Einsatz von Forschung und Entwicklung mit dem Ziel der Markteinführung neuer Produkte oder bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen 2 0 6 . In ähnlicher Weise kann sich der Einsatz firmenspezifischen Humankapitals durch den einzelnen Gesellschafter, losgelöst aus dem unternehmensspezifischen Verwertungszusammenhang, als marktlich nicht adäquat bewertbar erweisen.

b) Die Grenzen des Preismechanismus als der Neuen Institutionenökonomik

Bestimmungsfaktor

Insgesamt ist bei der Abschirmung von anteilsmarktlichen Einflüssen ein Transaktionskostenvergleich mit einer alternativen Transaktion im Wege marktlichen

202 Williamson, Institutions 72-78; in der deutschsprachigen juristischen Literatur hierzu Jickeli 77-98. 203 Williamson, Mechanisms of Governance 7; Williamson, J. Econ. Persp. 16 (2002) 171, 178-184. 204 Williamson (Acad. Mgmt. Rev. 21 [1996] 48, 52) bezeichnet die interne Organisation als »organization form of last resort...«. 205 Zum Zusammenhang von Marktfähigkeit und Standardisierung bei Gesellschaftsanteilen Kalss 46-49. 206 Im Einzelnen zu dieser transaktionskostenökonomischen Überlegung, die der Abschirmung der Personengesellschaft von anteilsmarktlichen Einflüssen zugrunde liegt, Ribstein, Emory L.J. 37 (1988) 835, 852f.; zu den daraus resultierenden Abschlägen bei der Unternehmensbewertung Kraakman, Colum. L. Rev. 88 (1988) 891, 906f.; zum Nutzen der Abschirmung vom Kapitalmarkt durch die Wahl der personengesellschaftsrechtlichen Form aus Anlegersicht

Gaida 98 f.

II. Ökonomische

Grundlagen

37

Austauschs nicht möglich, da die Preisbildung auf dem Austauschmarkt den Wert des betroffenen Vermögensgegenstandes nicht angemessen erfasst. Abgeschirmt von marktlicher Bewertung ist hierbei allerdings nicht die Leistung des Unternehmens, die sich im Markterfolg widerspiegelt, sondern lediglich die hierbei Eingang findenden Inputfaktoren. Für diese Inputfaktoren deutet sich eine marktersetzende Funktion der Regelungsstrukturen des Personengesellschaftsrechts an, die es noch im Einzelnen zu verifizieren gilt 207 . Unter Bezug auf Argumentationskriterien der ökonomischen Analyse des Rechts vergleicht Ribstein in seiner transaktionskostenökonomischen Analyse Kosten und Nutzen einer Marktabschirmung des Personengesellschaftsvermögens. Dies geschieht, obwohl der Nutzen unter Umständen einer marktlichen Bewertung nicht zugänglich ist208. Im Gegensatz zur - sogleich darzustellenden - Neuen Institutionenökonomik liegen der ökonomischen Analyse des Rechts neben dem Transaktionkostenansatz, den sie mit der Neuen Institutionenökonomik teilt, Preise als durchgängiges Koordinationsinstrument zugrunde 209 . Die Neue Institutionenökonomik untersucht, warum Preise als Koordinationsinstrument versagen und welche alternativen Koordinationsinstrumente es gibt 210 . Dem liegt die Prämisse zugrunde, dass der Markt im Grundsatz ein geeignetes Verfahren zur Ressourcenallokation ist211. Hierfür stützt sich die Neue Institutionenökonomik auf Hayeks Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit von Preisen als Mechanismus zur Informationsvermittlung 212 . Nach Hayek funktionieren Preise als ein Signalsystem, das die dezentrale Nutzung knapper Informationen ermöglicht, indem es über den Preis eines Wirtschaftsgutes dem einzelnen Marktteilnehmer Informationen übermittelt, die unter allen am Marktprozess Beteiligten verteilt sind 213 . »Mit... Hilfe (des Preissystems) wurde nicht nur die Teilung der Arbeit möglich, sondern auch eine koordinierte Verwendung der Produktionsmittel, die sich auf ebenso geteiltes Wissen gründet.« 214 Die Funktionsfähigkeit des Preissystems in seiner Eigenschaft als Koordinationsmechanismus setzt wiederum voraus, dass allein der einzelne Marktteilnehmer seine Nutzenpräferenzen im Hinblick auf die ausgetauschten Ressourcen entwickeln und im Marktprozess zum Tragen bringen kann (methodologischer Individualismus) 215 . Diese Dazu unten Zweiter Teil. Ribstein, Emory L.J. 37 (1988) 835, 861. 209 Fleischer 146; Schäfer/Ott, Lehrbuch 10f.; Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75, 86; Williamson, JITE 149 (1993) 99, 110-112. 210 Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75, 85. 211 Schon deutlich bei Coase, Economica 4 (1937) 388; als Prämisse der Neuen Institutionenökonomik hervorgehoben bei Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75, 96. 212 Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75,93-97; in der juristischen Literatur Kulms 75 f . 213 Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung 116. 214 Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung 117. 215 Vanberg 86 Fn. 4 unter Hinweis auf Schumpeter 88. 207 208

38

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

Prämissen decken sich mit den Wertungskriterien, die für das Personengesellschaftsrecht herausgearbeitet worden sind: Die Richtigkeitsgewähr des marktbildenden privatrechtlichen Vertrages sowie die Selbstbestimmung der Gesellschafter und sonstigen Marktteilnehmer 216 . Die von Hayek angenommene Leistungsfähigkeit des Preissystems stößt - so die Neue Institutionenökonomik - jedoch an Grenzen 217 . Hiernach öffnen die Funktionsschwächen von Märkten den Blick für die Entstehung von Organisationen 218 . So haben nach Arrow nichtmarktliche Institutionen häufig die Funktion, ein Marktversagen auszugleichen219. Nach dem Transaktionskostenansatz sind damit Hindernisse bezeichnet, die sich im Wege marktlichen Austausches nicht beseitigen lassen220. Unternehmen lassen sich hierbei als Kompensationsmechanismen einordnen, die als so genannte Second-best-Lösung versuchen, der Verwirklichung der First-best-Lösung in der fiktiven Welt eines Konkurrenzgleichgewichts mit perfekt funktionierenden Märkten nahe zu kommen 221 . Zum einen verringert die dauerhafte enge Zusammenarbeit in einer Organisation Informationsprobleme und -asymmetrien 222 . Zum anderen lassen sich durch das Zusammenwirken mehrerer Einzelakteure Verbundvorteile der gemeinsamen Verfügungsrechte realisieren, die sich über eine reine Marktlösung nicht sichern ließen 223 . Von diesen Einsparungen profitieren alle Organisationsmitglieder. Insbesondere mit zunehmender Betriebsgröße verringern sich die Einsparungen allerdings, da die Wissensteilung in der Organisation nicht mehr unter allen Gesellschaftern funktioniert und die faktische Verfügungsmacht über die Ressourcen schwindet 224 . Auf diesem Wege entstehen organisationsinterne Interessenkonflikte. Es wiederholen sich im Unternehmen die Funktionsschwächen von Märkten, die der Preismechanismus aufgrund der damit verbundenen Transaktionskosten nicht zu bewältigen vermochte 225 . Aufgeworfen ist die Frage nach An-

Siehe oben I.B.3. Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75 96f. unter Hinweis auf McAffee/ McMillan, J. Econ. Lit. 25 (1987) 699-738. 218 Kräkel 16f.; Neus 115f.; Schmidtchen, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 31, 34f. 2,9 Arrow, Am. Econ. Rev. 53 (1963) 941, 947. 220 Schmidtchen, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 31, 35. 221 Holmstrom, J.L. Econ. & Org. 15 (1999) 74, 89f.; Holmstrom/Milgrom, Am. Econ. Rev. 84 (1994) 972-991; Kräkel 20; mit der First-best-Lösung wird die Annahme der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie der Existenz Pareto-effizienter, perfekt kompetitiver Gleichgewichte bezeichnet (siehe auch schon oben im Rahmen der Neoklassik 1). 222 Holmstrom, J.L. Econ. & Org. 15 (1999) 74, 89. 223 Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777-795; Kräkel 49. 224 Kunz 139. 225 So stellt Holmstrom (J. L. Econ. & Org. 15 [1999] 74,89-94) aus diesem Grunde für die Unternehmung die Vorzugswürdigkeit abgeschwächter Anreizstrukturen fest, um nicht durch marktliche Anreize die Kooperation zu torpedieren; speziell auf Vergütung bezogener Versuch 216 217

II. Ökonomische

Grundlagen

39

reizmechanismen, die die F u n k t i o n des Preismechanismus übernehmen und die auftretenden Interessenkonflikte lösen k ö n n e n 2 2 6 . Solche Anreizmechanismen haben die Aufgabe, Marktprozesse innerhalb der Unternehmung zu simulieren 2 2 7 . Insgesamt spannt damit die Analyse der Unternehmung aus der Sicht der N e u e n Institutionenökonomik den Bogen von der Entstehung der U n t e r n e h mung infolge von Funktionsschwächen von Märkten und der Wiederholung dieser Funktionsschwächen innerhalb des Unternehmens. Folglich kann man sich von den Analyseinstrumenten der N e u e n Institutionenökonomik zur E r m i t t lung der genannten Funktionsschwächen von Märkten Anknüpfungspunkte für die rechtliche Regelung von Interessenkonflikten innerhalb einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft sowie im H i n b l i c k auf die Marktteilnahme dieser G e sellschaft versprechen (dazu B.). Erst auf der Grundlage einer solchen analytischen Erfassung der ökonomischen Prozesse lässt sich die Wirkungsweise rechtlicher Regeln näher bestimmen (dazu C.). 3. Ressourcenbasierte

Ansätze zur

Unternehmung

Zuvor sei auf Weiterentwicklungen der kontrakttheoretisch und institutionalistisch ausgerichteten Theorien der Unternehmung, die ressourcenorientierten Theorien, hingewiesen: I m Gegensatz zu der externen Orientierung der neoklassischen Theorie am Analyserahmen der Industrie orientieren sich die neueren ressourcenbasierten Theorien der Unternehmung an den internen Erfolgsfaktoren der Unternehmung. Diese Erfolgsfaktoren begründen hiernach als unternehmensspezifische Ressourcenbündel

die dauerhafte Existenz von

Unterneh-

men 2 2 8 . D i e Einzigartigkeit dieses Ressourcenbündels könne zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber der K o n k u r r e n z führen 2 2 9 . Gleichwohl ist die Verbindung der erfolgsbestimmenden grundlegenden Ressourcen mit der Marktteilnahme der Unternehmung wenig fassbar. Angedeutet sind damit die G r e n z e n einer vertragsrechtlichen Erfassung unternehmerischer Tätigkeit 2 3 0 . I n soweit treffen sich diese Ansätze mit neueren Überlegungen, die G r e n z e n des R a -

zur Erklärung abgeschwächter Anreizvermittlung Baker/Jensen/Murphy, J. Fin. 93 (1988) 593-616; Ne us 116. 226 Kulms 77. 227 Holmstrom, J.L. Econ. & Org. 15 (1999) 74-102; Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75, 96. 228 penrose. Wernerfeit, Strat. Mgmt. J. 5 (1984) 171-180; S. Winter, Knowledge and competence 159-184; Prahalad/Hamel, Harv. Bus. Rev. May/June 1990, 79-91; Foss, J. Evol. Econ. 3 (1993) 127-144; Montgomery,]. Econ. Perspectives 8 (1994) 163-178; Teece/Pisano, Indus. & Corp. Change 3 (1994) 537-556; Teece/Pisano/Shuen, Strat. Mgmt. J. 18 (1997) 509-533; Hodgson,}. Econ. Behav. & Org. 35 (1998) 179-201. 229 Illustration bei Teece/Pisano/Shuen, Strat. Mgmt. J. 18 (1997) 509, 518-524. 230 Teece, J. Econ. Behav. & Org. 3 (1982) 39,40-43; Teece, J. Econ. Behav. & Org. 7 (1986) 21, 36f.; Zander/Kogut, Org. Sei. 6 (1995) 76, 84-87.

40

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

tionalmodells für die ökonomische Analyse aufzeigen 231 . Im Gesellschaftsrecht bestehen vergleichbare Ansätze, auch wenn sie sich in bisherigen gesellschaftsrechtlichen Untersuchungen nicht eindeutig empirisch bestätigen lassen 232 . Ebenso wenig stehen den ressourcenbasierten Theorien operationalisierbare Kriterien für die Erfassung der Grenzen der Unternehmung und die der internen Koordinationsmechanismen zur Verfügung 2 3 3 . Daher sollen auch hier die anhand der rechtlichen Wertungskriterien herausgearbeiteten Prämissen der Marktorientierung unternehmerischen Handelns in der Personenhandelsgesellschaft aufrechterhalten werden. Da der Zweck der Personenhandelsgesellschaft auf die unternehmerische Marktteilnahme gerichtet ist (§ 105 Abs. 1 und 2 HGB), kann die marktorientierte Nutzenmaximierung unter der Prämisse begrenzter Rationaliät auch für die Gesellschafter angenommen werden 2 3 4 . Zwar lassen sich durchaus Grenzen der Funktionsfähigkeit marktlicher Koordinationsmechanismen feststellen 235 . Gleichwohl soll auch deren Ersatz durch alternative Koordinationsinstrumente auf der Grundlage rationalen Verhaltens der Beteiligten basieren. Daher lässt sich der Erkenntnisgewinn von ressourcenbasierten Theorien der Unternehmung nicht für die hier verfolgte Entwicklung von Kriterien einer Verbindung zwischen gesellschaftsinternem Interessenausgleich und Marktteilnahme der Gesellschaft in der Wirtschaftsordnung nutzbar machen.

B. Analyseinstrumente: Anknüpfungspunkte für Funktionsschwächen des Marktes als Grundlage einer Unternehmensintegration Führt man die Herausbildung von Unternehmungen auf Funktionsschwächen von Märkten zurück, so lässt sich für deren Spezifizierung zunächst an den Transaktionskostenansatz nach Williamson anknüpfen. Demzufolge lassen sich Informationsasymmetrien (dazu 1.) als eine Marktschwäche einordnen, die die Unternehmensintegration herbeiführen kann. Verfeinert wird dieser Ansatz in Arbeiten von Oliver Hart, der an die Verfügungsrechte, die property rights, anknüpft, um die Bildung von Unternehmen zu begründen (dazu 2.).

231 Engel-, Fleischer, FS Immenga 575-587; Fehr/Gächter, J. Econ. Persp. 14 (2000) 159-181; Korobkin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000) 1051-1144; Ripperger; zahlreiche Aufsätze bei Sumtein. 232 Fort/Noone, L. & Contemp. Probs. 62 (1999) 163-213; Smith, Vand. L. Rev. 55 (2002) 1400-1497; Blair/Stout, U. Penn. L. Rev. 149 (2001) 1735-1810; empirische Untersuchung bei Arien/Spitzer/Talley, USC Law School, Olin Working Paper No. 00-2 ; Zusammenstellung der experimentellen Belege bei Engel/JITE 162 (2006) 97f. 233 Williamson, Strat. Mgmt. J. 20 (1999) 1087, 1093f. 234 Zur begrenzten Rationalität siehe oben 2.a). 235 Zur Bedeutung von Marktschwächen für die Neue Institutionenökonomik siehe oben 2.b).

II. Ökonomische

1. Unternehmensintegration aufgrund von beim marktlichen Austausch

Grundlagen

41

Informationsasymmetrien

Bei der Erörterung potenzieller Folgen des von Williamson in seinem Transaktionskostenansatz zugrunde gelegten opportunistischen Verhaltens scheint bereits eine der möglichen Formen von Informationsasymmetrien als Grundlage für die Entstehung einer Unternehmung durch die Integration zweier Vertragsparteien auf236. Die Gefahr opportunistischen Verhaltens kann als eine Informationsasymmetrie gekennzeichnet werden, bei der das Verhalten des Vertragspartners dessen Willen unterliegt und daher bei Vertragsschluss noch variabel ist, dem anderen Kooperationspartner jedoch ex post bekannt wird. Mangels Kontrahierbarkeit einer unbefristeten Kooperation begründet diese Informationsasymmetrie aufgrund von »hidden intention« die Gefahr, dass sich ein Vertragsteil zusätzliche Gewinnanteile bei transaktionsspezifischen Investitionen des anderen Teils aneignet (»hold-up power«) 237 . So ist unter Umständen ein Vertragsteil nur zur Zahlung gesenkter Preise für das Zwischenprodukt seines Zulieferers bereit, um an dessen Kosteneinsparung durch Spezialisierung teilzuhaben. Die hier beschriebenen Verhaltensunsicherheiten lassen befürchten, dass der Zulieferer eine solche Kostenersparnis bei marktlicher Abwicklung nicht realisiert. Demgegenüber eröffnet die Integration der beiden beteiligten Hersteller unter eine gemeinsame Unternehmensleitung dieses Kostenersparnispotenzial238. Entscheidend für die Höhe des Gewinns ist für die Beteiligten dann der erzielte Gesamtgewinn aus der Herstellung des Endprodukts. Demgegenüber verliert der Preis des Zwischenprodukts als bloßer interner Verrechnungspreis an Bedeutung. Damit erweist sich bei Informationsasymmetrien hinsichtlich der Absicht zur vertragswidrigen Schädigung des Kooperationspartners die Unternehmensbildung durch vertikale Integration als ein Instrument, um Kooperationsvorteile durch Kostensenkung aufgrund spezifischer Investitionen zu realisieren239. Eine weitere Grundform der Informationsasymmetrie besteht, wenn der Vertragspartner nach Vertragsschluss nicht die erforderliche Sorgfalt oder Anstrengung bei der Vertragserfüllung aufbringt240. Im Gegensatz zur Verhaltensunsicherheit hinsichtlich des Opportunismus des Vertragspartners bleibt bei dieser Kategorie des so genannten »moral hazard« das Verhaltensmerkmal des Vertragspartners auch ex post verborgen. Demzufolge ist beim »moral hazard« die ErfülSiehe oben A.2.a). Zum »hold-up« Klein/Crawford/Alchian, J.L. & Econ. 21 (1978) 297, 298-302. 238 Zahlenbeispiel bei Neus 129-134. 239 Zu Kostenvorteilen durch Unternehmensintegration bei Spezifizität der Investitionen Williamson, Institutions 92-94. 240 Typisierung der Informationsasymmetrien und Analyse des moral hazard bei Spremann 695, 702-704; in der juristischen Literatur Fleischer 141 f.; demgegenüber einheitliche Einordnung beider bisher genannter Formen der Informationsasymmetrie als »moral hazard« bei Rasmusen 212; Einordnung als ex-post Opportunismus bei Williamson, Institutions 47. 236

237

42

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

lung von Vertragspflichten aufgrund der Informationsasymmetrie unsicher. Einen wichtigen Anwendungsfall dieser Problemstruktur untersuchen Alchian/ Demsetz in ihrer Analyse der Teamproduktion und der Möglichkeiten ihrer Überwachung, in deren Mittelpunkt freilich eher die property rights-Analyse als die Informationsökonomik steht 241 . In diesem Modell entsteht ein Trittbrettfahrerproblem daraus, dass die individuellen Beiträge kooperierender Eigentümer einzelner Produktionsfaktoren zum gesamten Produktionsergebnis mangels individueller Zurechenbarkeit der Ertragssteigerung nicht ermittelbar sind 242 . Folglich müssen alle Teammitglieder die negativen Auswirkungen auf das Gesamtergebnis tragen, wenn sich ein Einzelner vor der Arbeit drückt 243 . Ein marktlicher Austausch über den einzelnen Beitrag ist nicht praktikabel. Eine Lösung dieser Schwierigkeiten lässt sich durch die Übertragung der Überwachungsfunktion auf einen klassischen Eigentümer-Unternehmer und die Integration der Inputfaktoren in einem Unternehmen verwirklichen, während die Teammitglieder ein festes Vertragseinkommen beziehen 244 . Bei dieser Sachlage verliert die Aufwendung des Einzelnen für seine Arbeitsanstrengung als selbständige Rechnungsgröße an Bedeutung, und die Höhe des Teamergebnisses tritt ins Blickfeld 245 . Für die Maximierung dieses Teamergebnisses durch enge Überwachung hat nunmehr der Eigentümer-Unternehmer die erforderlichen Anreize, da ihm der Residualgewinn gebührt 246 . Die Unternehmensintegration erweist sich demnach als ein Instrument, um Schwierigkeiten bei der Preisbildung mangels Zurechenbarkeit des Kooperationsergebnisses und aufgrund von moral hazard zu vermeiden. Anders als der Gegenstand der vorgehend erörterten Grundformen der Informationsasymmetrie holdup und moral hazard ist die dritte Grundform der Informationsasymmetrien, die adverse selection, nicht durch ein willensabhängiges Verhalten im Stadium der Vertragserfüllung gekennzeichnet. Stattdessen handelt es sich hierbei um ein exogen schon bei Vertragsschluss gegebenes und im Nachhinein bekannt werdendes Qualitätsmerkmal, wie insbesondere das eines wesentlichen Vertragsgegenstandes247. Die fehlende Differenzierungsmöglichkeit im 241 Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777-795; entsprechende theoretische Einordnung auch bei Richter/Furubotn 180. 242 Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777, 778-780. 243 Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777, 780. 244 Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777, 781-783. 245 Parallel bei der Verhaltensunsicherheit im Hinblick auf das Zwischenprodukt bei der Unternehmensintegration wegen Opportunismus siehe bereits oben. 246 Als Residualeinkommen erfasst man das Einkommen, das als Überschuss der Erlöse über die Kosten anfällt (Gabler Kompakt Lexikon Wirtschaft 255); zur Maximierung des Teamergebnisses durch Überwachung Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777, 782; in diese Anreizstruktur spielen zusätzlich Überlegungen der property rights-Analyse mit herein, dazu unten 2. 247 Übergangsformen sind hierbei möglich, siehe z.B Neus (95), der für den vorgehend geschilderten Typ einer Informationsasymmetrie hinsichtlich des opportunistischen Verhaltens ebenfalls eine Kennzeichnung als »adverse selection«-Problem für möglich hält.

II. Ökonomische

Grundlagen

43

H i n b l i c k auf dessen Qualität führt auf dem betroffenen M a r k t zur Bildung eines einheitlichen Durchschnittspreises 2 4 8 . Folglich ist eine Marktteilnahme für A n bieter von besserer Qualität auf diesem Markt mangels entsprechender H o n o r i e rung über höhere erzielbare Preise nicht lukrativ. Dies hat einen Prozess der Selbstselektion mit dem Ergebnis einer Negativauslese (»adverse selection«) im Gefolge 2 4 9 . Bei dieser Sachlage kann die Dauerhaftigkeit und die N ä h e einer Zusammenarbeit innerhalb einer Unternehmung Informationsprobleme im H i n blick auf die Qualität verringern, da hierdurch Zufallseinflüsse auf Dauer eliminiert und dank der näheren Zusammenarbeit Informationsmängel verringert werden können 2 5 0 . Informationsasymmetrien hinsichtlich der Projektqualität spiegeln sich auch in der Kapitalknappheit für die Finanzierung auf den Kapitalmärkten wider 2 5 1 . Bei der Erweiterung der Eigenkapitalbasis wird die Geschäftsführung einer A k tiengesellschaft im Interesse der gegenwärtigen Aktionäre lediglich bei einer Uberbewertung der Aktien des Unternehmens neue Aktien ausgeben. Folglich wiederholt sich das P r o b l e m der adverse selection bei der Emission von A k tien 2 5 2 . Ahnliche Informationsprobleme bestehen auch auf den Kreditmärkten auf der Grundlage des herrschenden Modells der Kreditrationierung 2 5 3 . Hiernach k o m m t es zu einer Kreditverknappung, da der Kreditgeber nicht in der Lage ist zu bestimmen, wie riskant das zu finanzierende P r o j e k t ist. Bei dieser Sachlage führt die E r h ö h u n g des Zinssatzes zu einer Negativauslese hochriskanter zu finanzierender Projekte. In Anbetracht dieser Verschlechterung des Kreditpools verknappt ein Kreditgeber die Kredite, die er zu niedrigeren Zinssätzen ausreicht. D i e Kreditverknappung bildet demzufolge ein Rationierungsgleichgewicht, bei dem der Preis infolge von Informationsasymmetrien hinsichtlich der P r o j e k t qualität A n g e b o t und Nachfrage nicht steuern kann. Auch diese Informationsineffizienzen auf Kapitalmärkten führen im Ergebnis zur Entstehung

von

Unternehmen, wie insbesondere Beteiligungskapital-Gesellschaften 2 5 4 . Letztere überbrücken die geschilderten Informationsineffizienzen, indem sie Intermediärfunktionen bei der Finanzierung übernehmen 2 5 5 .

Am Beispiel des Marktes für Gebrauchtwagen Akerlof, Q.J. Econ. 84 (1970) 488, 489. Akerlof; Q.J. Econ. 84 (1970) 488, 489f. 250 Kräkel 34f. 251 Zu diesen Zusammenhängen schon Haar, EBOR 2 (2001) 585, 590. 252 Greenwald/Stiglitz/Weiss, Am. Econ. Rev., Papers and Proceedings 74 (1984) 194-199; Myers/Majluf,]. Fin. Econ. 13 (1984) 187-221. 253 Stiglitz/Weiss, Am. Econ. Rev. 71 (1981) 393^110; Stiglitz/Weiss, Oxford Econ. Papers 44 (1992) 694-724. 254 Zu Informationsineffizienzen auf Kapitalmärkten und daraus resultierender Kapitalknappheit Black, UCLA L. Rev. 48 (2001)781-855; zur Bedeutung von Beteiligungskapital-Gesellschaften als Informationsintermediäre auf dem Kapitalmarkt siehe im Einzelnen unten III. C. 255 Le land/Py le,]. Fin. 32 (1977) 371-387; formalisiertes Modell und empirische Uberprüfung anhand der Situation in Kanada Amit/Brander/Zott, J. Bus. Venturing 13 (1998) 441^-66. 248 249

44

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

Insgesamt haben sich bei der Analyse von Informationsasymmetrien holdup, moral hazard und adverse selection als Auslöser für eine Unternehmensintegration herauskristallisiert: Bei Verhaltensunsicherheiten im Stadium der Vertragserfüllung (holdup, moral hazard) versagt der Preismechanismus bei der Bewertung des von einem Vertragspartner erbrachten Inputs (transaktionsspezifische Investitionen bzw. nicht individuell zurechenbare Beiträge zu einem Teamergebnis) und damit auch bei der marktlichen Aufteilung des Kooperationsergebnisses 256 . An die Stelle des preisgesteuerten Austausches treten im Unternehmen Verhandlungen hinsichtlich des Gesamtgewinns der Kooperation, auf die im Zusammenhang mit dem gesellschaftsinternen Interessenausgleich einzugehen ist 257 . Bei Qualitätsunsicherheiten vor Vertragsschluss im Hinblick auf vertragserhebliche exogen gegebene Qualitätsmerkmale (adverse selection) führen Informationsineffizienzen auf Märkten für einen Inputfaktor zur Außerkraftsetzung des Preismechanismus 258 . Wenn der Preismechanismus der Kapitalmärkte mangels Bewertbarkeit des zu finanzierenden Projektes versagt, illustriert die Finanzierung über Beteiligungskapital-Gesellschaften die marktersetzende Intermediärfunktion des Unternehmens 259 . 2. Anreizoptimierung

durch property rights im integrierten

Unternehmen

Die Zurückführung der Unternehmensintegration auf Informationsasymmetrien beim marktlichen Austausch beantwortet jedoch noch nicht die Frage, wie solche Transaktionshemmnisse bei der Unternehmensintegration, das heißt bei der Umwandlung von Marktaustauschbeziehungen in Organisationshierarchien, vermindert werden 260 . Was tritt an die Stelle des durch Informationsasymmetrien behinderten preisgesteuerten Austausches von Inputfaktoren 261 ? Erste Hinweise hierfür enthalten bereits die Überlegungen von Alchian/Demsetz, die die Folgen des moral hazard bei der Teamproduktion durch den Einsatz eines UnternehmerEigentümers als Überwachungsinstanz überbrücken wollen 262 . Alchian/Demsetz charakterisieren die Stellung des Unternehmers durch ein Bündel von Handlungs- und Verfügungsrechten (property rights). Neben dem Recht auf das Residualeinkommen besteht es aus dem Recht auf Kontrolle und Überwachung der Arbeitsanstrengungen der Teammitglieder, dem Recht, mit den Teammitgliedern Verträge abzuschließen, dem Recht, über die Zusammensetzung des Teams zu entscheiden, und dem Recht, die genannten Rechte zu veräußern 263 . In ihrer Ge256 257 258 259 260 261 262 263

Hierzu siehe oben in diesem Abschnitt. Hierzu siehe unten Zweiter Teil I., II. Hierzu oben in diesem Abschnitt. Hierzu siehe oben S. 49. Hart, Colum. L. Rev. 89 (1989) 1757, 1761 f.; Hart 271. Angedeutet schon oben unter 1. Alchian/Demsetz, Am Econ. Rev. 62 (1972) 777, 781 f. Alchian/Demsetz, Am Econ. Rev. 62 (1972) 777, 783.

II. Ökonomische

Grundlagen

45

samtheit machen diese Rechte den klassischen Eigentümer-Unternehmer einer kapitalistischen U n t e r n e h m u n g aus. N i c h t geklärt ist mit diesem Ansatz allerdings die Frage, warum die Uberwachungs- und Teamproduktionsprobleme über eine solche zentrale Instanz gelöst werden müssen 2 6 4 . Was kann das Unternehmen besser als der Markt 2 6 5 ? A n dieser Stelle setzen Verfeinerungen der transaktionskostenorientierten Theorie der Unternehmung an, indem sie die Bedeutung der Verfügungs- und Entscheidungsrechte für die Unternehmenskooperation und -integration in die Analyse einbeziehen 2 6 6 . Hiernach sind die Parteien einer Kooperationsbeziehung aufgrund hoher Transaktionskosten nicht in der Lage, ihre Kooperation in allen Aspekten vollständig vertraglich zu regeln 2 6 7 . Insbesondere die Mehrphasigkeit langfristiger Kooperation lässt es unmöglich erscheinen, alle diesbezüglichen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen der Parteien für alle denkbaren Szenarien erschöpfend vertraglich zu fixieren. »Die Unvollständigkeit (des Vertrages) ergibt sich daraus, dass Zustände der Welt, Qualität und Handlungen (wie insbesondere spezifische Investitionen und deren Quasirente) für die Vertragspartner wahrnehmbar, aber von Außenstehenden nicht überprüfbar sind.« 2 6 8 Bei dieser Sachlage wird in einer Kooperationsbeziehung das Investitionsniveau nicht optimal sein, da infolge vertraglich nicht geregelter Kontingenzen jede Vertragspartei damit rechnen muss, dass letztlich die G e w i n n - und Verlustsituation in keinem angemessenen Verhältnis zu den Eingangsinvestitionen steht 2 6 9 . Abhilfe schaffen kann hier lediglich die Übertragung des ausschließlichen, aufgrund der Unvollständigkeit eines Vertrages nicht erschöpfend vertraglich regelbaren Rechts zur Kontrolle über die Vermögenswerte eines Unternehmens im Wege vertikaler Integration. D a der Eigentümer über die Verteilung des Gewinns aus der N u t z u n g der zugrunde liegenden Ressourcen verbindlich entscheidet, hat er auch den Anreiz zur optimalen N u t z u n g dieser Ressourcen und damit zur Verwirklichung des optimalen Investitionsniveaus 2 7 0 . Im Ergebnis schafft hiernach die Verteilung der Verfügungs- und Entscheidungsrechte die wichtigsten Investitionsanreize auf Seiten des Eigentümer-Unternehmers. Das Eigentum als klar deHart, Colum. L. Rev. 89 (1989) 1757, 1762. So der Titel des Aufsatzes zur Theorie der Unternehmung bei Osterloh/Frey /Frost, ZfB 69 (1999)1245-1262. 266 Grossman/Hart, J. Pol. Econ. 94 (1986) 691-719; Hart, Colum. L. Rev. 89 (1989) 1757, 1765-1773; Hart 29-55; Hart/Moore,}. Pol. Econ. 98 (1990) 1119-1158; erweiternde Anwendung auf die Frage des Zugangs zu Ressourcen statt auf die der diesbezüglichen Verfügungsrechte in neuerer Zeit bei Rajan/Zingales, Q.J. Econ. 113 (1998) 387-432; entsprechende Einschätzung z.B. bei Neus, Ökonomische Analyse von Verträgen 54,55; Richter, Ökonomische Analyse von Verträgen 1,15. 267 Hart, Colum. L. Rev. 89 (1989) 1757, 1765. 268 Hart, Palgrave 752, 754; ähnlich auch in der neueren Auflage Schwanz, Palgrave 277 (Übersetzung der Verf.). 269 Hart, J.L. Econ. & Org. 4 (1988) 119, 125-127. 270 Grossman/Hart, ]. Pol. Econ. 94 (1986) 691, 695f.; Hart 49f. 264

265

46

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

finiertes Entscheidungsrecht löst damit die Unvollständigkeit des Vertrages auf. Entscheidend für die Verfeinerung des oben dargestellten Ansatzes nach Alcbian/ Demsetz ist in diesem Modell die Herausarbeitung der Anreizoptimierung durch Organisation im Unternehmen auf der Grundlage des Zusammentreffens von residualer Risikotragung und residualer Kontrollrechte in einer Person 271 . Da diese Dimensionen unternehmerischer Marktteilnahme bei einer marktlichen Kooperation nicht vollständig vertraglich geregelt werden können, kann - vorbehaltlich anderer marktlicher Kontrollmechanismen - nur ihr Zusammentreffen in einer Person die Funktionsschwächen von Austauschmärkten kompensieren 272 . Nach dem property rights-Ansatz können demnach Trankaktionshemmnisse im Unternehmen nur dann durch eine Anreizoptimierung überwunden werden, wenn die Residualrechte an die Partei mit der besten Einwirkungsmöglichkeit auf das Produktionsergebnis übertragen werden. Demgegenüber verlangt - dies führt zu den Prämissen des property rights-Ansatzes - die Invarianz-These des Coase-Theorems für die Verwirklichung der Allokationseffizienz nicht eine bestimmte Verteilung der property rights. Es genügt die Institutionalisierung des Tauschprinzips auf der Grundlage der Zuweisung exklusiver Handlungs- und Verfügungsrechte 273 . Letztere führt - so die Effizienz-These des Coase-Theorems - über die Ermöglichung marktlicher Tauschvorgänge eine effiziente Allokation herbei 274 . Nach Coase werden also property rights im Rahmen marktlicher Tauschvorgänge so lange umverteilt, bis das betroffene Recht am Ort seiner wertvollsten Verwendung angelangt ist. Weniger aus dieser positiven Aussage als vielmehr aus den Folgerungen der hierfür zugrunde gelegten notwendigen Bedingungen vollkommener Märkte mit Transaktionskosten gleich null erlangt das Coase-Theorem seine wichtige Bedeutung 275 . Die Irrelevanz der Anfangsausstattung mit Rechten auf einem vollkommenen Markt ist nämlich eher von akademischem Interesse 276 . Demgegenüber liegt dem Ansatz von Grossman, Hart und Moore die Erkenntnis zugrunde, dass auch im Unternehmen Transaktionshemmnisse einer effizienten Allokation im Wege stehen können 277 . Grossman, Hart und Moore leiten dies aus der transaktionskostenbedingten Unvollständigkeit von Verträgen, die einer Kooperation zugrunde liegen, ab 278 . Im Umkehrschluss bildet der Idealtypus des vollständigen Vertrages das rechtliche Korrelat zum vollHart, Colum. L. Rev. 89 (1989) 1757, 1761 f. Als andere marktliche Kontrollmechanismen kommt insbesondere der für die Aktiengesellschaft ins Blickfeld rückende Markt für Unternehmenskontrolle in Betracht (hierzu bereits oben I.C.2.); zur damit einhergehenden Bedeutung von Marktmechanismen zur Verminderung von so genannten agency-Kosten Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980) 288-307. 273 Coase, J . L . & Econ. 3 (1960) 1, 6 - 8 ; Einordnung als »Invarianz-These« bei Behrens 120. 274 Coase, J . L . & Econ. 3 (1960) 1, 2-6; Einordnung als »Effizienz-These« bei Behrens 118. 2 7 5 Entsprechende Einschränkungen bei Schäfer/Ott, Lehrbuch 93-95. 276 Schäfer/Ott, Lehrbuch 95. 2 7 7 Siehe oben in diesem Abschnitt. 2 7 8 Siehe oben in diesem Abschnitt. 271

272

II. Ökonomische

Grundlagen

47

kommenen Markt 279 . Diese Erkenntnis gilt es, auf der Ebene des Vertragsrechts zu operationalisieren.

C. Operationalisierung: Marktbildung, Marktermöglichung im unvollständigen

Marktnachahmung und Gesellschaftsvertrag

Die Rekonstruktion des vollständigen Vertrages im Sinne der ökonomischen Vertragstheorie setzt daher an den Lücken an, die infolge von Transaktionshemmnissen in der Vertragsregelung offen geblieben sind 280 . Orientiert man sich bei der Lückenfüllung am Ideal des vollkommenen Marktes, so liegt die Nutzenmaximierung beider Vertragspartner als geeignete Leitlinie der Vervollständigung nahe. Gleichwohl wirft die Vervollständigung und Rekonstruktion des unvollständigen Gesellschaftsvertrages die Frage nach den anwendbaren Wohlfahrtskriterien auf. Als ein solches Wohlfahrtskriterium käme die Pareto-Effizienz in Betracht. Pareto-Effizienz ist gegeben, wenn Sozialakte mindestens ein Individuum besser stellen, ohne dass ein anderes Individuum einen Nachteil erleidet 281 . Das damit verbundene Einstimmigkeitserfordernis ließe sich auf der Grundlage des &/Jor-//zc&s-Kompensationskriteriums vermeiden. Nach dem Kaldor-HicksKriterium ist eine Wohlfahrtssteigerung auch dann zu verzeichnen, wenn die Vorteile der durch einen Sozialakt Bessergestellten einen Umfang erreichen, der es ihnen erlaubt, die Verluste der in negativer Weise Betroffenen zu kompensieren 282 . Der Regelungsgegenstand eines Personengesellschaftsvertrages entzieht sich jedoch einer marktlichen Bewertung 283 . Materielle Wohlfahrtskriterien kommen daher als marktrationale Entscheidungsgrundlage für eine umfassende Würdigung der Personengesellschaft nicht in Betracht. Macht man an dieser Stelle mit der Sichtweise der Neuen Institutionenökonomik hinsichtlich der Unternehmung Ernst, so sind die Grenzen des Preismechanismus in das Vertragsmodell zu integrieren 284 . Demzufolge sind für den unvollständigen Personengesellschaftsvertrag alternative Koordinationsinstrumente zu entwickeln, die in ihrer Funktionsweise dem Preismechanismus nahe kommen 285 . In ihrer marktbildenden und marktnachahmenden Funktion ist diesen KoordinaFleischer 137; Richter/Furuhotn 167. Zur Rekonstruktion des vollständigen Vertrages aus vertragstheoretischer Sicht Trebilcock 16f.; Richter, Ökonomische Analyse von Verträgen 1, 14f. 281 Pareto 617; dazu auch Behrens 83-85; Eidenmüller, Effizienz 48-50; Schäfer/Ott, Lehrbuch 25-31; konsequente Umsetzung des Pareto-Kriteriums im Vertragsrecht bei Kaplow/Shavell 15-81, 155-223. 282 Hicks, Econ. J. 49 (1939) 696, 700-712; Kaldor, Econ. J. 49 (1939) 549, 550. 283 Siehe oben A.2.a). 284 Zu den Grenzen des Preismechanismus aus der Sicht der Neuen Institutionenökonomik siehe oben A.2.b). 285 So zur Fragestellung der Neuen Institutionenökonomik schon Schmidtchen, Studien zur evolutorischen Ökonomik I 75. 85; hierzu schon oben A.2.b). 279

280

48

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

tionsinstrumenten die Beseitigung bzw. Verminderung von Transaktionshemmnissen immanent 286 . Letztlich zielen diese Instrumente, wie schon die Einordnung der Unternehmung als Kompensationsmechanismus bei Marktversagen nahegelegt hat, darauf ab, der Verwirklichung der Ergebnisse marktlicher Austauschprozesse möglichst nahe zu kommen 2 8 7 . Vertragsrechtliche Regelungsinstrumente im Personengesellschaftsrecht dienen daher aus diesem Blickwinkel der Marktermöglichung 2 8 8 . Für diese Marktermöglichung ist zwischen den zwei Regelungsebenen für einen Interessenausgleich zu unterscheiden, nämlich zwischen der gesellschaftsinternen Ebene (dazu 1.) und der Ebene der Marktteilnahme im Außenverhältnis (dazu 2.) 289 .

1. Marktbildung Interessenausgleich

und Marktnachahmung

im

gesellschaftsinternen

Was die Marktbildung und -nachahmung beim gesellschaftsinternen Interessenausgleich im Einzelnen anbelangt, so ist bei der Operationalisierung ökonomischer Analyseinstrumente nach ihrem Gegenstand zu differenzieren. Als mögliche Anknüpfungspunkte einer Anreizbildung lassen sich property rights (dazu a), die Lückenfüllung mit Hilfe des Gesellschaftsrechts (dazu b) und das Leistungsniveau der Gesellschaft als Organisation (dazu c) ausmachen.

a) Verfügungsrechte

- Property

rule, liability rule und inalienability

rule

Der Schutz der durch property rights als Handlungs- und Verfügungsrechten gewährleisteten Nutzenzuweisungen in der ökonomischen Theorie beleuchtet schlaglichtartig die unterschiedliche Wirkungsweise marktbildender und marktnachahmender Regelungsinstrumente 2 9 0 . So geht die ökonomische Theorie von spezifischen Schutzinstrumenten für den Fall aus, dass ein Unbefugter den einem anderen gehörenden Gegenstand nutzt oder anderweitig dessen Ausübung von Eigentümerbefugnissen durchkreuzt, nämlich von der so genannten property rule, der Haftungsregel (»liability rule«) sowie der inalienability rule 291 . Beim Schutz durch eine property rule kann sich der Rechtsinhaber gegen die Beein286 Transaktionskostenminderung und Verhinderung opportunistischen Verhaltens als gesonderte ökonomische Funktionen des Vertragsrechts begreifend Fleischer 181-185. 287 Zur Unternehmung als Kompensationsmechanismus siehe oben A.2.b). 288 Ahnlich zu einer »Wirtschaftsermöglichung« durch Privatrecht Streißler, Die ethischen Grundlagen des Privatrechts 131, 154; zur Sicherung der Funktionsbedingungen von Märkten durch das Vertragsrecht Fleischer 186f. 289 Zu diesen Regelungsebenen schon oben I.B. und C. 290 Zum Begriff des property right Demsetz, Palgrave III 144; Schäfer/Ott, Lehrbuch 515f. 291 Grundlegend Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089-1128; Verfeinerung in neuerer Zeit bei Ayres/Goldhart, Mich.L. Rev. 100 (2001) 1-79; Bebchuk, Mich.L. Rev. 100 (2001) 601-639; in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur Ellger 293-297; Ansatz zur Nutzbarmachung im Gesellschaftsrecht schon bei Walz, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 50, 52.

II. Ökonomische

Grundlagen

49

trächtigung seines Rechts durch den Verletzer mit einem Unterlassungsanspruch wehren 292 . In der Sache entspricht dies rechtlich der Ausschließungsfunktion des Eigentumsrechts 293 . In ihrer Anreizwirkung erzwingt die property rule eine vertragliche Einigung zwischen dem Dritten und dem Rechtsinhaber über die Nutzung des property right, da eine Zustimmung erforderlich ist. Indem die Regel den Parteien die Festsetzung der Bedingungen für einen Austausch anheimstellt, überantwortet sie die Transaktion über das betroffene property right dem Marktmechanismus und wirkt daher marktbildend 294 . Allerdings kann sich eine solche Marktbildung auf der Grundlage einer property rule in einigen Fällen als unpraktikabel erweisen. Ist eine ex ante-Vereinbarung der Beteiligten über die Rechtsübertragung nicht möglich, sieht eine so genannte liability rule in manchen Fällen eine Entschädigung auf der Grundlage eines ex post ermittelten Wertes für den Eingriff vor 295 . Eine liability rule berechtigt demnach einen Dritten zur Nutzung eines fremden property right unter der Voraussetzung, dass er dem Rechtsinhaber Wertersatz für dessen Einbuße leistet296. Mangels Vollziehbarkeit einer Marktlösung ahmt die liability rule den Markt nach (»market-mimicking«), indem sie die Übertragung des betroffenen Rechts auf der Grundlage einer kollektiven Bewertung durch die Rechtsordnung statuiert 297 . Auch Kombinationen von property rule und liability rule sind möglich, wie sich etwa am Beispiel der §§823 Abs. 1, 1004 BGB zeigen lässt298. Beim Verhältnis zwischen dem Schutz durch property rule und dem durch liability rule ist grundsätzlich von der Vorzugswürdigkeit der property rule auszugehen, da der hierdurch zur Vollziehung gebrachte Marktaustausch einer Marktnachahmung aufgrund der liability rule schon im Lichte der Wahrung der Privatautonomie der Parteien überlegen ist299. Der Vorrang einer Verhandlungslösung aufgrund einer property rule setzt freilich voraus, dass sich etwaige Transaktionshemmnisse im Verhältnis zwischen den Parteien beheben lassen300. Schließlich sei noch auf eine dritte Möglichkeit hingewiesen, um property rights vor einem unbefugten Eingriff zu schützen, nämlich die so genannte inalie292

Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1106. Ellger 294. 294 Implizit zu dieser Marktermöglichung durch property rule Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089,1125f.; Craswell, U. Chi. L. Rev. 60 (1993) 1,15; Cooter/Ulen lOlf.; Levmore, Va. L. Rev. 71 (1985) 65, 79-81; Posner 77. 295 Zum transaktionskostenbedingten Einsatz der liability rule bei Unfällen Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1108f. 296 Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1105-1110. 297 Begriff des »market-mimicking« durch liability rule bei Ayres/Talley, Yale L.J. 104 (1995) 1027, 1032; zum Begriff auch schon Schwab, Cornell L. Rev. 72 (1987) 245, 286f. 298 Hierzu näher Ellger 296. 299 Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089,1125; zu Ausnahmen bei der Bewertung der Gesellschaftsanteile im Rahmen der Abfindungsverhandlungen siehe unten Fünfter Teil II. 300 Zum Kriterium der Behebbarkeit von Ursachen eines Marktversagens für die Wahl zwischen property rule und liability rule Craswell, U. Chi. L. Rev. 60 (1993) 1, 17-20. 293

50

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

nability rule 301 . Als Veräußerungsverbot dient sie dazu, eine Marktbildung, bzw. Marktnachahmung im Hinblick auf bestimmte property rights zu unterbinden. Dies kann auf so genannten Paternalismen oder Effizienzgesichtspunkten beruhen 302 . So lässt es sich beispielsweise denken, das Recht an einer sauberen U m welt, die frei von gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen ist, gegenüber industriellen Verschmutzern für unveräußerbar zu erklären. Dies ist nicht nur aus moralischer Sicht und damit paternalistischen Gründen plausibel, sondern darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt, dass künftige Generationen die Folgen tragen müssen, ohne sich wehren zu können 3 0 3 . Mit dem zweitgenannten Grund sind es demnach letztlich die externen Effekte einer Übertragung des property right, die für eine Unveräußerlichkeit angeführt werden 3 0 4 . Ein solches Marktversagen aufgrund externer Effekte zeichnet sich dadurch aus, dass die Wirkungen von Handlungen nicht beim Handelnden selbst, sondern bei einer anderen Person eintreten und daher vom Handelnden nicht in seine Kostenrechnung einbezogen werden 3 0 5 . Insgesamt kommt eine Übertragung der Regelungsmechanismen von property rule, liability rule und inalienability rule auf die Beziehungen der Gesellschafter in erster Linie dann in Betracht, wenn diesen eine eigentumsähnliche Prägung eigen ist 306 . Für das deutsche Personengesellschaftsrecht ließe sich in Anbetracht seiner grundsätzlich personenrechtlichen Prägung hier insbesondere an die Regelungsmechanismen beim Ausscheiden eines Gesellschafters denken, da sich dann die Beziehung des einzelnen Gesellschafters zu der Gesellschaft in einem Abfindungsanspruch materialisiert (§§131 Abs.3, 105 Abs.3 HGB, §738 Abs. 1 S.2 BGB) 307 .

b) Gesellschaftsrecht

- Lückenfüllung

durch default

rule

Weiterer Bezugspunkt einer Marktbildung und -nachahmung in der Personengesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag. So liegt es auf der Hand, dass gesellschaftsvertragliche Bestimmungen Gegenstand von Verhandlungen und marktähnlichen Austauschprozessen der Gesellschafter untereinander sind. Da sich in diesem Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1111-1115. Zu zugrunde liegenden Paternalismen Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1123 f.; Beispiele bei Ellger 297. 303 Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1124. 304 Zu Externalitäten als Begründung für die inalienability rule Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972) 1089, 1124. 305 Netts 102-104; in der juristischen Literatur Nutzbarmachung bei Behrens 85-87; Schäfer/ Ott, Lehrbuch 98; Trebilcock 59-61. 306 Ansätze zu einer solchen Übertragung bei Walz, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts 50, 52. 307 Zur personenrechtlichen Prägung des deutschen Personengesellschaftsrechts siehe unten Zweiter Teil I.A.I.; zur Nutzbarmachung der genannten Regelungsmechanismen im Rahmen der Abfindungsfrage siehe unten Fünfter Teil. 301

302

II. Ökonomische

Grundlagen

51

Verhältnis ein preisgesteuerter Marktmechanismus mangels Austauschbeziehung (§ 705 B G B ) nicht vollzieht, fragt sich, nach welchen Kriterien sich der Inhalt des Gesellschaftsvertrages bestimmt bzw. nach welchen Kriterien notwendigerweise verbleibende L ü c k e n des unvollständigen Vertrages zu schließen sind 3 0 8 . Wichtige Hinweise hierfür lassen sich insbesondere der kapitalgesellschaftsrechtlichen Diskussion in den U S A entnehmen. D o r t kennzeichnen insbesondere die ö k o n o mischen Ansätze die Kapitalgesellschaft als ein Geflecht von Verträgen (»nexus of contracts«) 3 0 9 . D i e Anreize zur Lückenfüllung in Bezug auf den Gesellschaftsvertrag werden über die Vertragsbeziehungen vermittelt. Marktmechanismen und Anteils- bzw. Kapitalmarktausrichtung werden zum Bestimmungsfaktor der U S amerikanischen corporation 3 1 0 . Im Lichte dieser Marktausrichtung charakterisieren Easterbrook/Fischel

die

gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen der corporation als transaktionskostensparende allgemeine Geschäftsbedingungen 3 1 1 . D i e Klauseln unterliegen nach ihnen der Bewertung durch hocheffiziente Kapitalmärkte mit der Konsequenz, dass sich ihre Qualität aus Investorenperspektive in den Preisen für die Aktien der Gesellschaft widerspiegelt 3 1 2 . U n t e r dieser Prämisse einer vollständigen E r fassung gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen durch kapitalmarktliche Preismechanismen erhalten demzufolge die Gesellschafter den marktlich angemessenen Preis für die zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen und die damit einhergehende Kontrollintensität der governance-Strukturen in ihrer Gesellschaft. In der K o n s e q u e n z des damit einhergehenden Vertrauens auf die Funktionsfähigkeit kapitalmarktlicher Preisbildung für gesellschaftsvertragliche Bestimmungen liegt die K o n z e p t i o n eines weitgehend auf dispositivem Gesetzesrecht beruhenden Aktienrechts 3 1 3 . Dieses dispositive Gesetzesrecht erfüllt demnach lückenfüllende Funktionen im H i n b l i c k auf den notwendigerweise unvollständigen G e sellschaftsvertrag 3 1 4 . Vom Rechtsanwender seien bei dieser Lückenfüllung diejenigen Regeln anzuwenden, die die Parteien ausgehandelt hätten, »wenn sie die Probleme antizipiert und keine Transaktionskosten zu tragen gehabt hätten« 3 1 5 . Das Aktienrecht bietet aus dieser Sicht einen »Standardform-Kontrakt« an, auf Zum Konzept des unvollständigen Vertrages siehe oben B.2. Zum »nexus of contracts« in der ökonomischen Literatur siehe oben A.I.; in der juristischen Literatur Easterbrook/Fischel 8—11; Hansmann 18-20; neuere Modifizierung bei Gulati/ Klein/Zolt, UCLA L. Rev. 47 (2000) 887-948; in der deutschsprachigen Literatur ausführlich Ruffner 155-171. 310 Exemplarisch der Hinweis bei Easterbrook/Fischel 8 auf die Verbindung ihrer vertragsrechtlichen Prämisse zum Wettbewerbsgedanken bei Adam Smith, The Wealth of Nations (1776). 311 Easterbrook/Fischel 34f. 312 Easterbrook/Fischel 17-20. 313 Easterbrook/Fischel 34f. 314 Zu diesem Stellenwert des Gesellschaftsrechts auch Fleischer, Vertrag und Gesetz II 37,44, 49f.; zum Konzept des transaktionskostenbedingt unvollständigen Vertrages siehe oben B.2. 315 Easterbrook/Fischel 34. 308 309

52

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

den die Parteien mangels anderweitiger Vereinbarung zurückgreifen können 3 1 6 . Die für den Austausch Kapital gegen Anteilseigentum maßgeblichen Bedingungen werden nicht dem Vollzug eines Marktmechanismus zwischen den Parteien anheimgestellt, sondern unter Rückgriff auf mehrheitliche Bewertungen (»majoritarian default«) in Rechtsregeln festgesetzt 3 1 7 . Auf diese Weise soll die Preisbildung des Kapitalmarktes im Hinblick auf gesellschaftsvertragliche Bestimmungen nachgeahmt werden 3 1 8 . Mit einem derartigen Bezugspunkt werden zugleich die konzeptionellen Grenzen einer Lückenfüllung deutlich. Wo es - wie bei der Personengesellschaft - keinen Kapitalmarkt für Gesellschaftsanteile gibt, mangelt es auch an einem Wertungsmaßstab, nach dem der unvollständige Gesellschaftsvertrag zu vervollständigen wäre 3 1 9 . D a für die Personengesellschafter bei ihren Verhandlungen über die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen kein Anteilsmarkt als unmittelbarer Bezugspunkt ihrer Einigung gegeben ist, steht für die Vervollständigung ihres Gesellschaftsvertrages durch dispositive Regelungen (default rules) kein Referenzmarkt zur Verfügung 3 2 0 . Ansatzpunkt für diese Vervollständigung ist nicht eine möglichst effiziente Güterallokation, sondern die strategische Interaktion der Gesellschafter. Methodisch entspricht dies dem Untersuchungsgegenstand der Spieltheorie 3 2 1 . Die Spieltheorie bietet das Instrumentarium zur Analyse von Situationen, in denen zwei oder mehr rational und eigennützig handelnde Akteure durch kooperatives Verhalten einen Kooperationsgewinn erzielen können 3 2 2 . Zu Illustrationszwecken sei an dieser Stelle das schon paradigmatische Gefangenendilemma angeführt 3 2 3 . Es handelt sich hierbei um ein Zwei-Personen-Spiel auf der Grundlage zweier möglicher Strategien gegenüber dem Staatsanwalt, die beide in Einzelhaft genommenen Gefangenen als Spieler zwar kennen, ohne jedoch über die Strategiewahl des anderen Spielers im Bilde zu sein. Bei diesem Spiel wird die Strategiekombination, die im gemeinsamen Interesse der Spieler liegt, nämlich auf die Anklage des Staatsanwaltes nicht geständig zu sein, nicht verfolgt. Stattdessen liegt die so genannte dominante Strategie der Gefangenen im Easterbrook/Fischel 34: »a set of terms available off the rack ...« Ubergreifende Darstellung dieser Methode der Lückenfüllung bei Ayres/Gertner, Yale L.J. 99 (1989) 87, 92f. 3 1 8 Entsprechende Kennzeichnung dieses Vorgehens als »market-mimicking« bei Ayres/Gertner, Yale L.J. 99 (1989) 87, 115. 3 1 9 Zur parallelen Frage der marktlichen Bewertung der Abschirmung der Personengesellschaft von anteilsmarktlichen Einflüssen siehe oben A.2.a), die Ribstein (Emory L.J. 37 [1988] 835, 861) gleichwohl für preislich erfassbar hält. 3 2 0 Zur Abschirmung der Personengesellschaft von anteilsmarktlichen Einflüssen siehe oben A.2.a) und b). 321 Zum »strategischen Kalkül« als Teil des Forschungsprogramms der Spieltheorie Berninghaus/Ehrhart/Güth 2f. 322 Güth 2; Holler/Illing 1; in der rechtswissenschaftlichen Diskussion hierzu Eidenmüller 481 f. 3 2 3 Im Einzelnen Luce/Raiffa 94-97. 316

317

II. Ökonomische

Grundlagen

53

Geständnis. Im Ergebnis w i r d damit die Chance vertan, bei beiderseitigem Schweigen mangels ausreichender Beweise des Staatsanwalts mit einer Anklage wegen minder schwerer Delikte davonzukommen, da im Falle der Kombination eines Geständnisses mit einem Schweigen der Schweigende die Höchststrafe erhält. Das Gefangenendilemma exemplifiziert einige Probleme kollektiven H a n delns, bei denen die individuell rationale Strategie zu Handlungen führt, die nicht im Interesse der Gruppe im Ganzen liegen. Entscheidender Grund für die dominante Strategie des Geständnisses im Gefangenendilemma ist die mangelnde Gelegenheit der Gefangenen zur Kommunikation zwecks Koordinierung ihrer Strategien sowie die fehlende Möglichkeit der beiden, eine bindende Vereinbarung über diese Koordinierung zu treffen. Diese Kennzeichen bestimmen den C h a r a k ter der Verhandlungssituation als nicht-kooperatives Spiel 3 2 4 . Demgegenüber setzen kooperative Spiele Mechanismen voraus, w i e z.B. ein Rechtssystem, die die Einhaltung von Verträgen bindend durchsetzen können 3 2 5 . Die Kooperation in kooperativen Spielen beruht folglich auf der unbeschränkten Selbstbindungskraft aller Spieler 3 2 6 . Der Personengesellschaftsvertrag ist eine nicht-kooperative Verhandlungssituation, da seine W i r k u n g in Anbetracht des zwingenden Rechts zur ordentlichen Kündigung gem. §723 Abs. 3 BGB, §105 Abs. 3 H G B sich nicht bindend durchsetzen lässt und dem einzelnen Gesellschafter das Recht z u m Ausscheiden bleibt. Bei dieser Sachlage gilt es, Koordinationsinstrumente zu entwickeln, die in ihrer Funktionsweise dem Marktmechanismus möglichst nahe kommen 3 2 7 . Bezeichnet ist damit eine Frage des so genannten Mechanismusdesigns, w i e nämlich rechtliche Regeln gestaltet sein müssen, u m diese Annäherung an den Marktmechanismus auch tatsächlich zu implementieren 3 2 8 . Die Lösung nach Easterbrook/Fischel, mit den rechtlichen Regeln Bestimmungen zur Verfügung zu stellen, die die Parteien vereinbart hätten, ist hier wenig hilfreich, da sie keine effektiven Verhandlungsprozesse zwischen den Parteien herbeiführt 3 2 9 . Demgegenüber weisen Ayres/Gertner darauf hin, dass die Wahl solcher dispositiver Regeln, die die Parteien gerade nicht vereinbart hätten (»penalty default«), sie als gewissermaßen forcierende Lückenfüllung dazu zwänge, über alternative abweichende Regeln zu verhandeln 3 3 0 . Auf diese Weise forciere das dispositive Recht die Offenlegung von Informationen im Verhältnis der Parteien untereinander. Als Beispiel sei die 324 Für die fehlende K o m m u n i k a t i o n als Kennzeichen eines nicht-kooperativen Spiels Schotter/Schwödiauer,]. Econ. Literature 18 (1980) 479,487; für die fehlende Bindungsmöglichkeit als Kennzeichen eines nicht-kooperativen Spiels A. Roth 20 Fn. 1. 325 Harsanyi 111. 326 Güth 215. 3 2 7 Zur dem z u g r u n d e liegenden marktersetzenden Funktion personengesellschaftsrechtlicher Regelungsinstrumente oben A.2.b). 328 Holler/Illing 335. 329 Ayres, U . Chi. L. Rev. 59 (1992) 1391, 1398. 330 Ayres/Gertner, Yale L.J. 99 (1989) 87, 95-107.

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1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

dispositive Regel zur Gewinnverteilung in § 7 2 2 Abs. 2 B G B angeführt, wonach jedem Gesellschafter unabhängig von seinem Beitrag ein gleicher Anteil an G e winn und Verlust zusteht 3 3 1 . Diese sehr undifferenzierte G e w i n n - und Verlustverteilungsregel schafft nach der Analyse bei Ayres/Gertner

auf Seiten der Gesell-

schafter Anreize dafür, über die Verteilung zu verhandeln. M i t dieser Wirkung verstärkt die dispositive Regelung des § 7 2 2 B G B den gesellschaftsinternen E n t scheidungsmechanismus als einen marktähnlichen Verhandlungsprozess. O f f e n ist hierbei, o b dieser vom Gesetz vorgesehene Verhandlungsspielraum auch tatsächlich genutzt wird. Angesprochen ist damit der zum Teil gegen die Spieltheorie ins Feld geführte Einwand der Realitätsferne ihrer Verhandlungsmodelle 332 . Entscheidend für den Stellenwert der Regel des § 7 2 2 Abs. 1 B G B ist die plausible Schaffung von Verhandlungsanreizen. F ü r die Funktionsfähigkeit dieses Mechanismus ist allein der Umstand wichtig, dass die Regel diese Anreize auf Seiten aller Gesellschafter allein aufgrund des von allen verfolgten Eigeninteresses schafft. Grenzfragen dieses Verhandlungsmechanismus stellen sich dann, wenn ein Spieler einen fühlbaren Einfluss auf das Ergebnis dieses marktangenäherten Verhandlungsprozesses hat. A u f der Wertungsebene entspricht dies der U n gleichgewichtslage innerhalb der Personengesellschaft, die es rechtlich zu bewältigen gilt 3 3 3 . D e m z u f o l g e lassen sich möglicherweise die geltenden Regeln auch unter spieltheoretischen Aspekten daraufhin überprüfen, ob sie ein Verhandlungsergebnis ermöglichen, das dem Ergebnis vollkommener M ä r k t e möglichst nahe k o m m t 3 3 4 .

c) Das Leistungsniveau der Organisation Abwanderung, Widerspruch und Loyalität N i c h t nur ein einzelnes Element der Mitgliedschaft des Gesellschafters, nämlich die verfügungsrechtliche oder die gesellschaftsvertragliche K o m p o n e n t e , kann marktbildende Anreize vermitteln, sondern auch die Gesellschaft als Organisation im Ganzen 3 3 5 . In seinem grundlegenden Werk zu Abwanderung, Widerspruch und Loyalität charakterisiert Hirschman die denkbaren Reaktionsweisen von Verbandsmitgliedern gegenüber ihren Verbänden und deren Leistungsabfall mit den Kategorien von Abwanderung und Widerspruch 3 3 6 . W ä h r e n d das Mitglied bei sei-

331 Ähnliches Beispiel zum Recht der corporation bei Ayres, U. Chi. L. Rev. 59 (1992) 1391, 1399f. 332 Eidenmüller 489. 333 Hierzu siehe oben I.B.3. 334 Zur Einsetzbarkeit der Spieltheorie in diesen Situationen fühlbaren Einflusses einzelner Spieler auf das Marktergebnis Besanko/Dranove/Shanley 36f.; entsprechende Untersuchung siehe unten Zweiter Teil I.C. 335 Zu den durch Verfügungsrechte und Gesellschaftsvertrag vermittelten Anreizen siehe oben a) und b). 336 Hirschman-, in der deutschen Literatur hierzu Behrens 218-220, 262-265.

II.

Ökonomische

Grundlagen

55

ner Abwanderung alternative Investitionsmöglichkeiten für sein bis dahin in dem sich verschlechternden Verband gebundenen Kapital nutzt, bringt es beim Widerspruch als »Organisationsmacht« innerhalb dieses Verbands Kontrollrechte zum Tragen 3 3 7 . Eine disziplinierende Wirkung entfalten demnach bei diesen Reaktionsweisen entweder der Marktdruck von außen infolge der zunehmenden Zahl abwandernder Mitglieder oder der Druck von innen infolge des kontrollierenden Widerspruchs innerhalb der Organisation. Aktionäre und auch G m b H - G e s e l l schafter können durch den Verkauf ihrer Anteile auf die Unternehmensentwicklung in ihrer Gesellschaft mit Abwanderung reagieren, ihre Missbilligung zum Ausdruck bringen und hierdurch letztlich eine Disziplinierungswirkung auf die Geschäftsführung entfalten. Demgegenüber steht dem Personengesellschafter als Abwanderungsoption lediglich die Möglichkeit offen, gegen Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden (§ 723 B G B ) 3 3 8 . Flume hat daher »das Recht der Auflösungsklage und auf Kündigung aus wichtigem Grunde ... in Hinsicht auf den Grundsatz der Privatautonomie (als) das notwendige Korrelat zum Mehrheitsprinzip und zu dem Ausschluss von der Geschäftsführung und vom Stimmrecht« bezeichnet 3 3 9 . Gleichwohl lassen sich die Möglichkeiten des Personengesellschafters, sich von der Personengesellschaft durch Kündigung oder gar Auflösungsklage zu trennen, in ihren wirtschaftlichen Konsequenzen mit der Veräußerungsmöglichkeit des Aktionärs auf Kapitalmärkten nur begrenzt vergleichen 3 4 0 . Die Wirksamkeit der durch ein Verbandsmitglied ausgeübten Kontrolle hängt von der Flexibilität seiner Abwanderungsmöglichkeiten ab. J e höher die Kosten der A b wanderung, desto geringer ist der Zwang für den Verband, auf die Interessen seiner Mitglieder Rücksicht zu nehmen, und damit die Kontrollwirkung 3 4 1 . In Anbetracht dieser abgeschwächten Abwanderungsoption des Personengesellschafters drängt sich der Gedanke auf, dieses Kontrolldefizit durch eine Verstärkung der Widerspruchsoption auszugleichen 342 . Für das Vereinsrecht stellte der B G H bereits fest, dass die Austrittsfreiheit gem. § 39 B G B einen Ausgleich für das Mehrheitsprinzip und die damit verbundene Konsequenz schaffe, dass den Mitgliedern ungeachtet entgegenstehender Interessen der Minderheit durch Mehrheitsbeschluss Pflichten auferlegt werden können 3 4 3 . Umgekehrt stellt sich 3 3 7 Zur »Organisationsmacht« des Einzelnen bei der Einflussnahme durch Widerspruch Behrens 219; Coleman 63, 65f. 3 3 8 Zur grundlegenden Bedeutung dieser Abwanderungsoption für die grundsätzliche Privatautonomie des Personengesellschafters bei vereinbartem Mehrheitsprinzip Flume, Personengesellschaft 211. 339 Flume, Personengesellschaft 211. 3 4 0 Zum Ausscheiden des Personengesellschafters aus der Gesellschaft und den wirtschaftlichen Folgen unten Fünfter Teil. 341 Vanberg, Markt 181 f.; in der juristischen Literatur Kalss 342f. 3 4 2 Grundlegend zum Gedanken des Widerspruchs als »kompensatorisches oder ergänzendes Instrument« Behrens 263f.; aus juristischer Sicht zur erhöhten Bedeutung von Widerspruch im Hinblick auf Publikumsverbände des grauen Kapitalmarktes Kalss 3 7 8 - 3 8 1 . 3 4 3 B G H 1 3 . 7 . 1 9 6 7 , B G H Z 48, 207, 210.

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1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

das Problem in der Personengesellschaft mit ihrer eingeschränkten Abwanderungsoption für die Gesellschafter für Gesellschaftsanteile dar. Hier muss diese eingeschränkte Disziplinierungsmöglichkeit durch eine stärkere Kontrolle im Wege des Widerspruchs kompensiert werden 344 . Allein die Hervorhebung von Abwanderung und Widerspruch als alternative Reaktionsmöglichkeiten bei Leistungsabfall einer Organisation wird Hirschmans Theorie allerdings noch nicht gerecht. Die Wechselwirkung von Abwanderung und Widerspruch entfaltet sich vor dem Hintergrund einer dritten Kategorie von Verhaltensmustern in einer Organisation, nämlich der Loyalität (»loyalty«). Loyalität bezeichnet eine gewisse Bindungswirkung der Organisation, die die Neigung zur Abwanderung bremst und aufgrund eines auch rationalen Kalküls dadurch eine verfrühte Abwanderung verhindert 345 . Gleichzeitig gewinnt auf diesem Wege der Widerspruch als Kontrollinstrument an Bedeutung und wird in seiner Funktionsfähigkeit gestärkt 346 . Im Lichte dieser Zusammenhänge kann Vertrauen als eine Ausprägung von Loyalität die Funktionsbedingungen des Widerspruchs und zugleich die Stabilität der Organisation sichern 347 . Gleichwohl birgt die Operationalisierung von Loyalität durch rechtliche Regeln im Lichte der bisher herausgearbeiteten Prämissen gewisse Probleme. So lassen sich Abwanderung durch Abfindungsrechte und Widerspruch durch Mitwirkungsrechte bei der Willensbildung, der Finanzierung sowie der Geschäftsführung in ihrem zulässigen Umfang durch rechtliche Regeln erfassen348. Demgegenüber berührt Loyalität als Verhaltensmuster die Grenzen der Rationalität. Sie kann unter Umständen zu einer gewissen »Blindheit« der Organisation als einer Sonderform der begrenzten Rationalität führen, indem sie eine Homogenität bei der Wahrnehmung der Realität seitens der Mitglieder herbeiführt, die die Funktionsbedingungen des Widerspruchs eliminiert 349 . Die Bindungswirkung der Organisation infolge der Loyalität ihrer Mitglieder nimmt dann die Ausprägung von Beharrung auf einmal zugrunde gelegten Abläufen an und ist infolgedessen vom Innovationspotenzial äußerer Einflüsse abgeschottet 350 .

Zur Komplementarität zwischen Abwanderung und Widerspruch Hirschman 28-36. Hirschman 66 f. 346 Hirschman 66; veranschaulichend so zu den zur Wende führenden Ereignissen 1989 in der früheren DDR und dem sich verstärkenden Widerspruch der so genannten »Bleiber« trotz Ausreiseerleichterungen Hirschman, A Propensity to Self-Subversion 38f. 347 Zur Bedeutung von Vertrauen (»trust«) als wesentliche Komponente geschäftlichen Verhaltens im Gesellschaftsrecht Blair/Stout, U. Pa. L. Rev. 149 (2001) 1735-1810. 348 Zu Widerspruch siehe unten Zweiter Teil I. und II.; zum Abfindungsrecht siehe unten Fünfter Teil. 349 Zur Interdependenz zwischen begrenzter Rationalität und dem weiterentwickelnden Lernen einer Organisation Simon, Org. Sei. 2 (1991) 125-134; zum genannten Phänomen der »kognitiven Falle« Levitt/March, Ann. Rev. Soc. 14 (1988) 319, 322f. 350 Zu diesen Grenzen des Lernens und der Anpassungsfähigkeit einer Organisation im Einzelnen Levitt/March, Ann. Rev. Soc. 14 (1988) 319-340. 344 345

II.

Ökonomische

Grundlagen

57

Legt man demgegenüber mit den untersuchungsleitenden Wertungskriterien die Marktorientierung unternehmerischen Handelns in der Personengesellschaft zugrunde, so müssen an dieses Handeln im Wege von Abwanderung und Widerspruch regelgeleitet auch Marktkriterien herangetragen werden 3 5 1 . Skeptisch zu beurteilen ist damit die Zugrundelegung eines Unternehmensinteresses und die Anerkennung eines »Unternehmens an sich« als Leitlinien und Maßstäbe der Gesellschafterinteressen 352 . Letztere sind im Lichte der Funktionsbedingungen eines marktwirtschaftlichen Systems einem Ausgleich zuzuführen, der sich freilich nur problembezogen im jeweiligen Sachzusammenhang und nicht auf abstrakter Ebene herstellen lässt 353 . Insoweit liegt »... die Wertung (der Gesellschafterinteressen) außerhalb des Unternehmens aber es (das Unternehmen) stellt den gemeinsamen Nenner aller Interessen dar.. .« 3 5 4 . Bei der Analyse von Abwanderung und Widersprach sind neben den bereits angesprochenen Operationalisierungen durch Abfindungs- und Mitverwaltungsrechte auch Loyalitätsaspekte zu berücksichtigen: Sie schaffen unter Umständen die Grundlagen für die Ausübung von Widerspruch und sind insoweit letztlich marktorientierten Kriterien Zuganglieh 355 . 2. Marktermöglichung

durch außenwirksame

Vermögenssonderung

Im Hinblick auf die Marktbildung im Außenverhältnis machen Hansmann und Kraakman in neuerer Zeit darauf aufmerksam, dass die Funktion des Gesellschaftsrechts über die bloße Ausformulierung eines Standardform-Kontraktes nach Easterbrook/Fischel (»off-the-rack terms«) hinausgehe. Das Gesellschaftsrecht verleihe der gesellschaftsvertraglichen Einigung der Gesellschafter durch die Implementierung einer Vermögenssonderung (»asset partitioning«) Außenwirkung und schaffe dadurch standardisierte Gläubigerrechte 3 5 6 . Hansmann/ Kraakman unterscheiden hierbei zwei Richtungen der Vermögenssonderung, nämlich die Abschirmung des Privatvermögens der Gesellschafter vom Zugriff

3 5 1 Zu den genannten Wertungskriterien innerhalb der Gesellschaft und bei der Marktteilnahme der Gesellschaft siehe oben I . C . I . ; zur damit einhergehenden Nichtberücksichtigung der Grenzen des Rationalmodells siehe schon oben A.3. 3 5 2 Zur Lehre vom »Unternehmen an sich«, die in der aktienrechtlichen Diskussion nach dem 1. Weltkrieg auf die Zurückdrängung der Einflussnahme und der Ansprüche der Aktionäre abzielte, Mestmäcker, Verwaltung 14f.; Riechers 65-153; Wiethölter 38^42; mit systemtheoretischer Färbung Teuhner, Z H R 149 (1985) 470-488; zu den Parallelen zwischen Unternehmensinteresse und Unternehmen an sich Zöllner, Schranken 67-75; nachfolgend auch Brinkmann 17-24; Jürgenmeyer 51-59, 131; demgegenüber Distanzierungsversuch bei T. Raiser, F S Schmidt 118f. 3 5 3 Exemplarisch so auch Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 41; Mestmäcker, Verwaltung 22-24. 354 Wiethölter 4\L 3 5 5 Hierzu unten Zweiter Teil I.C. 356 Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 390; zur historischen Entwicklung aus dieser Sicht Mahoney, Ga. L. Rev. 34 (2000) 873-893.

58

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

der Gesellschaftsgläubiger durch Haftungsbeschränkung als negative Vermögenssonderung (»defensive asset partitioning«) und die Abschirmung des Gesellschaftsvermögens vom Zugriff der Gesellschaftergläubiger als positive Vermögenssonderung (»affirmative asset partitioning«) 3 5 7 . Bei der positiven Vermögenssonderung werde hierbei den Ansprüchen der Gesellschaftsgläubiger Vorrang gegenüber dem Zugriff der persönlichen Gesellschaftergläubiger eingeräumt 358 . Kennzeichnet man nach Hansmann/Kraakman den Wesensgehalt des Organisationsrechts als die Frage nach der Verselbständigung von Vermögensmassen, so deutet sich bereits eine unterschiedlich weitgehende Vermögenssonderung im Vergleich zwischen Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft an 359 . Während die Aktiengesellschaft gegenüber den persönlichen Gläubigern der Aktionäre Liquidationsschutz genießt, wird die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. § 728 Abs. 2 S. 1 BGB bei der Insolvenz eines Gesellschafters aufgelöst und gem. §730 BGB liquidiert. Diese Unterschiede setzen sich auch bei der Frage der negativen Vermögensabsonderung fort, die sich nach Hansmann/Kraakman durch den Vorrang der Gesellschaftergläubiger hinsichtlich der Befriedigung aus dem Privatvermögen der Gesellschafter kennzeichnen lässt 360 . Anders als bei der Aktiengesellschaft mit ihrer Haftungsbeschränkung zugunsten der Aktionäre können die Gesellschaftsgläubiger von den persönlich haftenden Gesellschaftern einer O H G Befriedigung auch aus deren Privatvermögen verlangen (§ 128 HGB). Die negative Vermögensabsonderung durch Haftungsbeschränkung ist nach Hansmann/Kraakman keine zwingende Voraussetzung für die Verselbständigung einer Vermögensmasse als Gesellschaft und Marktteilnehmerin 3 6 1 . Der marktermöglichende Gehalt der Vermögenssonderung wird deutlich, wenn man das durch Gesellschaftsvertrag herbeigeführte Ergebnis durch eine entsprechende schuldvertragliche Vereinbarung erreichen wollte. Die Wahrung des Vorrangs der Gesellschaftsgläubiger im Sinne der positiven Vermögenssonderung - so Hansmann/Kraakman - wäre praktisch unmöglich, da sich die Gesellschaftsgläubiger hierbei darauf verlassen müssten, dass die Gesellschafter in ihren Privatgeschäften mit ihren persönlichen Gläubigern den Nachrang von deren Forderungen im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen vereinbaren 362 . Erst die dinglich wirkende positive Vermögenssonderung stelle sicher, dass das Gesellschaftsvermögen von Risiken aus nicht mit dem Unternehmen der Gesellschaft in Zusammenhang stehenden privaten Handlungen der Gesellschafter unbelastet

357 358 359 360 361 362

Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 393f. Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 393. Hierzu im Einzelnen unten Vierter Teil II. und III.; Fünfter Teil. Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 393. Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 396. Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 407, 410.

II. Ökonomische

Grundlagen

59

bleibe 363 . Demnach hat die positive Vermögenssonderung nach Hansmann/ Kraakman zur Folge, dass das Gesellschaftsvermögen lediglich die Marktrisiken aus der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft unter Ausschluss etwaiger Marktrisiken der Tätigkeit einzelner Gesellschafter trägt. Der marktbildende Gehalt durch die negative Vermögenssonderung erscheint hiernach nicht entsprechend organisationswesentlich 364 . Die Abschirmung des Privatvermögens der Gesellschafter gegen den Zugriff der Gesellschaftsgläubiger im Wege einer Haftungsbeschränkung ist nach Hansmann/Kraakman nicht notwendiger Bestandteil einer Handelsgesellschaft, sondern das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Abwägung im Hinblick auf die governance-Strukturen der konkret betroffenen Gesellschaftsform 3 6 5 . Was den Nutzen einer gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung anbelangt, so wird insbesondere in der US-amerikanischen aktienrechtlichen Literatur auf deren Beitrag zur Effizienz der Aktienmärkte hingewiesen 366 . So reduziere die aktienrechtliche Haftungsbeschränkung Beaufsichtigungskosten der Aktionäre im Hinblick auf eine Kontrolle der Geschäftsführung 3 6 7 . Stattdessen stellten dank der Haftungsbeschränkung Diversifikation und Passivität die rationale Aktionärsstrategie dar. Ebenso mache die Haftungsbeschränkung eine Überwachung im Hinblick auf die bei den anderen Aktionären mit deren Privatvermögen zur Verfügung stehende Haftungsmasse entbehrlich 368 . Dies erleichtere die Übertragbarkeit der Aktien und intensiviere über den Markt für Unternehmenskontrolle die Kontrolle der Geschäftsführung 3 6 9 . Letztlich würden Aktien hierdurch zu homogenen Vermögensgütern unabhängig vom Wohlstand ihrer Eigentümer. Hierbei eröffne die Möglichkeit zur Diversifikation letztlich einen Weg, riskante Projekte mit einer positiven Erfolgschance in Angriff zu nehmen, ohne die Investoren dem Insolvenzrisiko auszusetzen 3 7 0 . Gesamtwirtschaftlich habe dies eine Wohlfahrtssteigerung zur Folge. Was eine schuldvertragliche Verwirklichung dieser negativen Vermögenssonderung durch Haftungsbeschränkung anbelangt, so wäre hierfür lediglich eine entsprechende Vereinbarung mit den Gesellschaftsgläubigern über einen Verzicht auf die Verfolgung von Ansprüchen aus der Tätigkeit der Gesellschaft gegen das Privatvermögen der Gesellschafter erforderlich 371 . Was die Kosten einer Haftungsbeschränkung anbetrifft, so erhöhe sich durch die Haftungsbeschränkung für die Gläubiger die Gefahr opportunistischen Verhaltens seitens der Gesell363

Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 403. Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 390. 365 Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 423. 366 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985) 89, 95 f. 367 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985) 89, 94f. 368 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985) 89, 95. 369 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985) 89,95f.; zum Markt für Unternehmenskontrolle auch Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965) 110-120. 370 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985) 89, 97. 371 Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 429. 364

60

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

schafter. Letztere brächten in Anbetracht ihrer nur beschränkten Haftung möglicherweise nicht den erforderlichen persönlichen Einsatz, würden zu riskante Projekte verfolgen oder zögen Vermögensgegenstände aus dem Unternehmen der Gesellschaft in ihr Privatvermögen ab 372 . Bezeichnet sind damit auch auf ökonomischer Ebene die Gefahren einer Risikoabwälzung bei der Marktteilnahme einer Organisation, wie sie bereits als Wertungskriterium der rechtlichen Diskussion herauskristallisiert worden ist 373 . Damit eine solche Risikoabwälzung vermieden werde und sich der oben dargestellte Nutzen einer Haftungsbeschränkung verwirklichen lasse, sei im geltenden Gesellschaftsrecht - so Hansmann/ Kraakman - die Haftungsbeschränkung abhängig von Mechanismen zur Opportunismuskontrolle in den governance-Strukturen der jeweiligen Gesellschaftsform 374 . Nur bei funktionsfähigen Mechanismen zur Opportunismuskontrolle lassen sich hiernach die Vorteile einer Haftungsbeschränkung realisieren. Spezifiziert wird damit in ökonomischer Hinsicht die bereits auf der rechtlichen Wertungsebene herausgearbeitete Verknüpfung zwischen den gesellschaftsvertraglich vereinbarten gesellschaftsinternen Mechanismen zur Opportunismuskontrolle und der außenwirksamen Marktteilnahme der Gesellschaft mit einer Haftungsbeschränkung zugunsten ihrer Gesellschafter 375 . Stellt sich die negative Vermögenssonderung durch Haftungsbeschränkung als das Ergebnis einer Abwägung mit Mechanismen zur Opportunismuskontrolle dar, so wirft das für das Personengesellschaftsrecht die Frage auf, ob insbesondere in der Kommanditgesellschaft und hier der GmbH & Co KG die negative Vermögenssonderung durch Mechanismen zur Opportunismuskontrolle kompensiert und hierdurch eine Risikoabwälzung zu Lasten der Gläubiger vermieden wird 3 7 6 . Mangels anteilsmarktlicher Kontrolle deutet sich an, dass solche Mechanismen zur Opportunismuskontrolle primär an den quasi kapitalmarktersetzenden gesellschaftsinternen Verhandlungsmechanismen anzusetzen haben, die über ihre Außenwirkung ein gläubiger- und damit kapitalmarktschützendes Potenzial zu entfalten hätten 377 .

Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 423. Hierzu siehe oben I.C.3. 374 Hansmann/Kraakman, Yale L.J. 110 (2000) 387, 427. 375 Zu dieser Verknüpfung schon oben I.C. 376 Hierzu unten Vierter Teil. 377 Zu kapitalmarktersetzenden gesellschaftsinternen Verhandlungsmechanismen siehe oben 1 .b); zur Verknüpfung der gesellschaftsinternen Opportunismuskontrolle mit der negativen Vermögenssonderung durch Haftungsbeschränkung siehe unten Vierter Teil II.B.4. 372

373

II. Ökonomische Grundlagen

61

D. Fazit: Das Ineinandergreifen von Hierarchien und marktlichen Anreizmechanismen in der Organisation als Ansatzpunkt für eine rechtliche Nutzbarmachung Insgesamt haben die Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik zur U n t e r nehmung auf ökonomischer E b e n e zu einer Verbindung der Wertungskriterien für die gesellschaftsinternen Prozesse und die der Stellung der U n t e r n e h m u n g als Marktteilnehmerin geführt. So dient die Unternehmung der Bewältigung von Transaktionshemmnissen auf Austauschmärkten, wie sich exemplarisch anhand von Informationsasymmetrien im marktlichen Austausch und daraus resultierender Unternehmensintegration zeigen lässt 3 7 8 . Gleichwohl sind auch die unternehmensinternen Strukturen vor aus Transaktionshemmnissen resultierenden Interessenkonflikten wie bei der Informationsteilung und der Koordinierung der Verfügungsmacht über die Ressourcen nicht gefeit 3 7 9 . Insoweit geht die Bewältigung von Transaktionshemmnissen durch Unternehmenshierarchien H a n d in H a n d mit Koordinationslücken innerhalb der Unternehmung. D a h e r müssen innerhalb der Unternehmung Anreizmechanismen diesen Interessenkonflikten entgegenwirken, u m den Marktschwächen der Austauschmärkte ähnliche Koordinationslücken innerhalb der Organisation zu vermeiden. Eine Anreizoptimierung lässt sich hierbei im Wege eines Zusammentreffens residualer Risikotragung und residualer Kontrollrechte verwirklichen 3 8 0 . F ü r die Uberwindung der genannten Koordinationslücken k o m m e n verschiedene Anknüpfungspunkte für eine Marktbildung in Betracht. Kann man die Gesellschafter bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit über die Gesellschaft als I n haber von Verfügungsrechten einstufen, so kann eine Marktbildung über anreizvermittelnde Verfügungsrechtsstrukturen (property rule, liability rule und inalienability rule) einsetzen 3 8 1 . Dies liegt für das deutsche Personengesellschaftsrecht primär beim Ausscheiden des Gesellschafters zur Wahrung seiner Vermögensrechte nahe, da wegen der personenrechtlichen Prägung im Gesellschaftsrecht im Übrigen eine Argumentation auf der Grundlage von Verfügungsrechten eher fern liegen wird. Ansonsten lassen sich Anreize eher durch eine verhandlungsforcierende Struktur des dispositiven Gesellschaftsrechts zur Bewältigung von U n gleichgewichtslagen innerhalb der Gesellschaft implementieren, die möglicherweise einer spieltheoretischen Analyse zugänglich sind 3 8 2 . Daneben vermittelt das Leistungsniveau der Gesellschaft als Organisation Anreize, die eine marktähnliche Kontrolle ermöglichen, indem sie die Gesellschafter zur regelgebunde3 7 8 Z u m Ausgleich von Marktschwächen auf Austauschmärkten durch die Unternehmung aus der Sicht der neuen Institutionenökonomik siehe oben A.2.b); Veranschaulichung der U n t e r nehmensintegration bei Informationsasymmetrien auf Austauschmärkten siehe oben B . l . 3 7 9 Siehe A.2.b). 3 8 0 Siehe oben B.2. 3 8 1 Siehe oben C . l . a ) . 3 8 2 Siehe oben C . l . b ) .

62

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

nen Abwanderung und Widerspruch veranlassen 3 8 3 . Von der Effektivität der gesellschaftsinternen Anreize bei der Opportunismuskontrolle ist nach neueren Ansätzen die Marktbildung im Außenverhältnis zu den Vertragsgläubigern abhängig. N u r sie könne die Kosten einer Haftungsbeschränkung in einer Weise beschränken, die zu einem die Kosten übersteigenden Nutzenniveau der Haftungsbeschränkung führt 3 8 4 . Ein solches Kosten-Nutzen-Verhältnis vermeide die G e fahren einer Risikoabwälzung bei der Marktteilnahme der Gesellschaft, wie sie sich als Wertungskriterium bereits herauskristallisieren ließ 3 8 5 . Insgesamt ergibt sich für das Personengesellschaftsrecht damit die Fragestellung, o b diese ö k o n o m i s c h e n Zusammenhänge in den rechtlichen Regelungen Niederschlag finden und anreizvermittelnde Verfügungsrechts- und Verhandlungsstrukturen zu einer Marktbildung innerhalb der Gesellschaft und im A u ßenverhältnis der Gesellschaft bei deren Marktteilnahme beitragen. A u f diese Weise ließe sich das Nebeneinander von hierarchischen Strukturen der Organisation und deren Markteinbettung bei ihrer Marktteilnahme bewältigen. Z u v o r soll dieses Nebeneinander noch rechtstatsächlich veranschaulicht werden 3 8 6 .

III. Rechtstatsachen: Die konzerngebundene Personengesellschaft zwischen Hierarchie, internem Markt und Intermediär Stellung Will man das Nebeneinander zwischen von Anteilsmärkten abgeschirmten H i e r archien, unternehmensinternen Verhandlungs- und Austauschprozessen und der Einbettung der Unternehmung in den M a r k t als Marktteilnehmerin greifbarer machen, so ist eine rechtstatsächliche Erschließung der genannten Problemfelder erforderlich. D i e angeführten zwischen M a r k t und Organisation einzuordnenden Wirkungszusammenhänge werden bei der Konzerneinbindung des U n t e r nehmens der Personengesellschaft besonders deutlich. Gerade hier tritt das Ineinandergreifen innergesellschaftlicher und marktlicher Koordination augenfällig hervor. Rechtstatsachenmaterial zur konzerngebundenen Personengesellschaft wird allerdings vermisst, seit diese F o r m des verbundenen Unternehmens in das Blickfeld rechtswissenschaftlicher Erörterung getreten ist 3 8 7 . Schätzungen variieren von einem Anteil der abhängigen Personengesellschaften von unter 2 0 % der Personengesellschaften insgesamt bis auf weit mehr als die Hälfte 3 8 8 . Diesen Siehe oben C.l.c). Siehe oben C.2. 385 Zur Gefahr der Risikoabwälzung als rechtliches Wertungskriterium siehe oben I.C.3. 386 Siehe unten III. 387 Unternebmensrechtskommission Tz. 1712. 388 y o n w e n i g e r a l s 20% geht Wiedemann (Gesellschaftsrecht 1349) aus; von weit mehr als der Hälfte ging Tbeisen (Der Konzern 1 1) in der Vorauflage seines Werks zum Konzern aus, während 383

384

III.

63

Rechtstatsachen

Schätzungen und weiteren stichprobenartigen quantitätsorientierten Analysen soll an dieser Stelle keine weitere hinzugefügt werden 3 8 9 . Stattdessen gilt es, die Relevanz der konzerngebundenen Personengesellschaft nicht im Hinblick allein auf ihre Quantität, sondern im Hinblick auf ihre Funktion in der modernen Unternehmenspraxis rechtstatsächlich nachzuweisen. Eine wichtige Funktion könnte hierbei Rückschlüsse auf ihre erhebliche praktische Bedeutung zulassen. Ansatzpunkt für die Ermittlung der Funktion der Konzerneinbindung einer Personengesellschaft soll die Kartellrechtspraxis sein, die im Rahmen der Fusionskontrolle entsprechende personengesellschaftsrechtliche Strukturen unter dem Gesichtspunkt des Zusammenschlusstatbestandes gem. §37 GWB, bzw. §23 GWB a.F. zu würdigen hat (dazu A.). Die so ermittelte Funktion betrifft in erster Linie den Stellenwert der Personengesellschaft als Instrument zur unternehmerischen Tätigkeit aus der Sicht der Gesellschafter. Demgegenüber erschließen sich die unternehmensintern ablaufenden Verhandlungs- und Austauschprozesse über eine Untersuchung moderner Konzernführungs- und Konzernfinanzierungskonzepte (dazu B.). Sie machen die bereits abstrakt erörterten Koordinationslücken innerhalb der Unternehmung greifbar. Schließlich lässt sich die Einbettung der konzerngebundenen Personengesellschaft als Marktteilnehmerin in den Markt anhand der Beteiligungskapital-Praxis veranschaulichen (dazu C.).

A. Hierarchien zur Abschirmung gegen anteilsmarktliche

Einflüsse

Gegenstand der kartellrechtlichen Fusionskontrolle sind personengesellschaftsrechtliche Strukturen insbesondere unter dem Zusammenschlusstatbestand des §23 Abs. 2 Nr. 2 S.4 GWB a.F., wonach die mit der aktienrechtlichen Sperrminorität äquivalente Beteiligung fusionskontrollrechtliche Bedeutung erlangt. Mittlerweile werden diese Fälle nach der neuen Fassung des GWB gegebenenfalls mit dem Maßstab des Kontrollerwerbs gem. §37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfasst, während der Maßstab der aktienrechtlichen Sperrminorität als solcher keine fusionskontrollrechtliche Bedeutung mehr hat 390 . Gleichwohl bietet die Anwendung des §23 Abs.2 Nr.2 S.4 GWB a.F. für die vor der 7. GWB-Novelle liegende Fusionskontrollpraxis wichtige Hinweise auf gängige Konstellationen personengesellschaftsrechtlicher Strukturen im Konzernaufbau 3 9 1 . In der gesetzestypischen Personengesellschaft vermittelt die Kapitalbeteiligung anders als im Fall der aker mittlerweile die Verbreitung nationaler Konzernunternehmungen rückläufig einschätzt (Theisen 2); von einem »nicht unerheblichen Teil« von KG als verbundenen Unternehmen geht/. Meyer (GmbHR 2002,177,184) aus; ähnlich auch Baumbach/Hopt § 105 Rdnr. 105; so insbesondere in Bezug auf die GmbH & Co KG MüKoHGB-Mülhert KonzernR Rdnr. 5. 389 Durch stichprobenartige Analyse untermauerte Quantitätshinweise etwa bei L ö f f l e r 4-7; Ochsenfeld 1. 390 Immenga/Mestmäcker-Mestmäcker/Veelken §37 Rdnr. 58. 391 7. GWB-Novelle vom 15.7.2005, BGBl. I 2114.

64

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

tienrechtlichen Sperrminorität keine von der Beteiligungshöhe abhängigen Einflussmöglichkeiten. Grundsätzlich gilt das Einstimmigkeitsprinzip (§119 Abs. 1 HGB), oder die Mehrheit der Stimmen berechnet sich bei gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung des Mehrheitsprinzips nach der Zahl der Gesellschafter (§119 Abs. 2 HGB). In Anbetracht dieser strukturellen Unterschiede zur Aktiengesellschaft wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Personengesellschaften eine der aktienrechtlichen Sperrminorität entsprechende Rechtsstellung gegeben ist, unterschiedlich beurteilt 392 . Die Kartellrechtspraxis zu dieser Vorschrift enthält hierbei wichtige Hinweise auf die Branchentypizität der von dieser Vorschrift betroffenen Personengesellschaften sowie auf die Gestaltungsvielfalt bei der Vermittlung von einer aktienrechtlichen Sperrminorität entsprechenden Befugnissen. Was zunächst einmal die Branchentypizität der von §23 Abs. 2 Nr. 2 S.4 GWB a.F. erfassten Sachverhalte anbelangt, so sind eine Vielzahl der von der Fusionskontrolle gem. §23 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 GWB a.F. betroffenen Personengesellschaften in der Medienbranche und hier insbesondere als Presseunternehmen tätig 393 . Sowohl die Frage der auffällig hohen Konzentrationstendenzen (dazu 1.) als auch die Frage der Wahl der Personengesellschaft als bevorzugte Organisationsform für in der Medienbranche tätige Unternehmen (dazu unter 2.) erschließt sich über einen Blick auf die ökonomischen Besonderheiten dieser Branche. 1. Die Medienbranche

als Beispiel für konzentrative

Hierarchiebildung

Die konzentrativen Tendenzen im Mediensektor erwachsen zu einem nicht unerheblichen Teil aus ökonomischen Wirkungszusammenhängen in diesem unternehmerischen Betätigungsfeld. Als wichtiger Faktor ist hier der Verbund von Rezipienten- und Werbemarkt zu nennen 394 . So tragen die Zeitungsleser als Bezieher einer Zeitung bei weitem nicht alle Kosten der Zeitungsproduktion und -bereitstellung. Diese Kosten trägt stattdessen insbesondere die Anzeigenwerbung. Unternehmensstrategisch gesprochen, begründet dies für ein Presseunternehmen die Notwendigkeit, im Hinblick auf die Reichweite der Zeitung zu expandieren, um über steigende Werbegrundpreise auch steigende Gewinne verzeichnen zu können 395 . Auf stagnierenden Märkten wie dem Zeitungsmarkt hat dies zwangsläufig einen Verdrängungswettbewerb und kapitalmäßige Zusam392 Siehe zu dieser Frage Kellermann, FS Pfeiffer 669, 674-678; Paschke 28-30; Stephan 122-173; G. Wiedemann, ZHR 146 (1982) 296, 315-318; im Einzelnen hierzu unten Dritter Teil II.A.4. 393 BGH 10.11.1987, WuW/E BGH 2443 (»Singener Wochenblatt«); BGH 8.12.1998, WuW/E DE-R 243 (»Pirmasenser Zeitung«); zu §37 Abs. 1 Nr.3 S.2 GWB n.F. BGH 21.11. 2000, WuW/E DE-R 613 (»WAZ/IKZ - Treuhanderwerb«). 394 J. Heinrich 129-131; Zohlnhöfer, Ökonomie des Pressewesens 35, 44-47. 395 Zum entsprechenden Wachstumsdruck bei schweizerischen Zeitungsverlagen Amann 24f.;/. Heinrich 130; Mestmäcker, Medienkonzentration 42.

III.

Rechtstatsachen

65

menschlüsse zur Folge, die in der Monopolstellung eines Anbieters enden 396 . Begleitet wird diese ökonomisch notwendige Konkurrenzentwicklung aufgrund des Verbunds von Rezipienten- und Werbemarkt von der so genannten Fixkostendegression der Medienproduktion 3 9 7 . Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass durch den hohen Anteil von Fixkosten an den Gesamtkosten der Medienproduktion eine Auflagensteigerung immer die wirtschaftlichen Vorteile der Kostendegression erweitert und hierdurch höhere Gewinne ermöglicht. Insgesamt zeitigen damit die Anzeigen-Auflagen-Spirale in Verbindung mit der besonderen Kostenstruktur der Medienproduktion die entscheidenden ökonomischen Rahmenbedingungen für Konzentrationsprozesse auf Medienmärkten, die sich in der Fusionkontrolle zwar insbesondere im Sektor der Tageszeitungen praktisch niederschlagen, aber keineswegs auf dieses Massenmedium beschränkt sind 398 . Deutlich wird bei der Konzentrationskontrolle der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) neben der ökonomisch bedingten Tendenz zur horizontalen Konzentration darüber hinaus eine medienspezifische Begünstigung vertikaler Integration 399 . Veranschaulicht sei dies anhand des Verbunds zwischen der Inhalteproduktion und der Veranstalterebene beim Fernsehen. So schaffte Leo Kirch mit dem Erwerb von Filmrechten die entscheidenden Grundlagen für den Aufbau seines Medienimperiums 4 0 0 . Solche Rechte sind insbesondere im Hinblick auf attraktive Medieninhalte knapp und werfen für Fernsehveranstalter erhebliche Beschaffungsrisiken auf. Diese Abhängigkeitslage schafft wichtige Anreize für Veranstalter zur Integration in den Produktionsbereich 401 . Auf den Filmverwertungsmärkten stehen diesen nicht beliebig vermehrbaren Medieninhalten die Anbieter von Ubertragungswegen auf der Nachfragerseite gegenüber, wobei hierbei insbesondere den Fernmelde- und Kabelnetzen

396 Zu den daraus resultierenden Schwierigkeiten, im Pressebereich zwischen normalem Wettbewerb und Verdrängungswettbewerb zu unterscheiden, Mestmäcker, Medienkonzentration 42f.; zur notwendig resultierenden Konzentration im Pressebereich Spieler 37-39. 397 Hierzu als Ursache der Konzentration im Medien- und insbesondere Zeitungssektor J. Heinrich 129; Zohlnhöfer, Ökonomie des Pressewesens 35, 47-51. 398 Spieler 37-39, 148f.; zu weiteren Konzentrationsursachen wie der sich verschärfenden Konkurrenz anderer Medien und Behinderungs- und Konzentrationsstrategien einzelner Marktteilnehmer Zohlnhöfer, Ökonomie des Pressewesens 35, 51-53. 399 KEKKonzentrationsbericht 44f.; in der ökonomischen Literatur hierzu Burr, Kompetenzen moderner Unternehmensführung 335, 338f.; im Hinblick auf die US-amerikanische Medienindustrie zu diesen ökonomischen Gegebenheiten siehe Yoo, Yale J. Reg. 19 (2002) 171, 181-219. 400 KEK - Konzentrationsbericht 105; zur dem zugrunde liegenden Verknüpfung von Filmproduktion und -distribution auch Burr, Kompetenzen moderner Unternehmensführung 335, 339. 401 Zur herausragenden Bedeutung des Zugangs zu fiktionaler Unterhaltung für den wirtschaftlichen Erfolg des Veranstalters und damit auch für die Konzentration auf dem betroffenen Markt KEK - Konzentrationsbericht 44, 144-151.

66

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

Schlüsselfunktionen zukommen 402 . Als so genannter Gatekeeper besetzt der Programmveranstalter die strategisch entscheidende Position zur Marktzugangskontrolle 403 . Werden die Inhaltsproduktion und -Verwertung in einem Medienunternehmen zusammengeführt, so überbrückt dieses Unternehmen die Schwierigkeiten des Transfers des Angebots von Medieninhalten zu deren Verwertung. Der Programmveranstalter hat bei einer solchen vertikalen Integration direkten Einfluss auf das bereitgestellte Angebot, ohne seine Verwertungsvorstellungen auf Verwertungsmärkten über die Preise mit den Verwertungsvorstellungen anderer Anbieter messen zu müssen 404 . Die Kontrolle über die Inhaltsproduktion liegt isoliert von kontrollierenden Einflüssen etwaiger Nachfragemärkte - in einer Hand mit der auf sie gerichteten Nachfrage der Verwertung. Es deutet sich hier die Funktion des integrierten Unternehmens an, an die Stelle eines marktlichen Interessenausgleichs zu treten 405 . Der spätere Zusammenbruch des Medienimperiums von Leo Kirch trotz der Bündelung von Inhaltsproduktion und -verwertung innerhalb eines Unternehmens ändert nichts an den vorstehend dargelegten grundlegenden ökonomischen Zusammenhängen. Er war letztlich auf Finanzierungsstrategien und nicht auf einen betriebswirtschaftlich fehlerhaften Unternehmensaufbau zurückzuführen 406 . 2. Personengesellschaftsvertragliche Befugnisse als Ersatz für eine über einen Anteilsmarkt vermittelte Beherrschung Mit der Branchenspezifität der Konzentrationsentwicklung auf den Medienmärkten noch nicht erklärt ist die Wahl der Personengesellschaft als Rechtsform zahlreicher Medienunternehmen, wie sie sich unter anderem im Rahmen der Fusionskontrolle gem. §23 Abs.2 Nr.2 S.4 G W B a.F. manifestiert 407 . So zeigt ein Blick in den Konzernaufbau der größten Medienunternehmen, wie insbesondere bei Bertelsmann, dem Axel Springer Verlag, der WAZ-Gruppe einen hohen Anteil an Personengesellschaften sowohl auf der Ebene der abhängigen Gesellschaften als auch auf der Ebene der Holdinggesellschaften 408 . Diese exemplarisch her402 KEK - Konzentrationsbericht 44 f.; zur daraus resultierenden Gatekeeper-Funktion der Programmveranstalter Monopolkommission, Hauptgutachten XII Tzn. 541-544. 403 Monopolkommission, Hauptgutachten XII Tzn. 541-544; demgegenüber a. A. zum (bereits von einer Dekonzentration geprägten) US-amerikanischen Markt der Kabelnetze Yoo, Yale J. Reg. 19 (2002) 171, 230-232. 404 /. Heinrich 141; zur Leistungstiefengestaltung im Mediensektor aus ökonomischer Sicht Burr, Kompetenzen moderner Unternehmensführung 335, 340-349. 405 Hierzu im Einzelnen anhand der Beteiligungskapital-Gesellschaften unter C. 406 Zu diesen finanziellen Schwierigkeiten BGH 24.1.2006, Az. XI ZR 384/03; hierzu AGReport 2006, R59. 407 Zu diesem Fusionskontrolltatbestand siehe bereits oben A. 408 Uberblick über die größten Medienunternehmen Europa-Fachpresse-Verlag, Medien 2002 40f.; Faulstich 45—47; ausführlicher zu den Veranstaltergruppen beim Fernsehen KEK-Konzentrationsbericht 96-127; Zur Axel Springer Gesellschaft für Publizistik KG schon Monopolkom-

III.

Rechtstatsachen

67

ausgegriffenen Konzernkonstellationen bestätigen sich in der Verfahrenspraxis der KEK sowie in der Fusionskontrollpraxis zu § 23 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 GWB a.F., in der Zeitungsverlage eine besondere Rolle spielen 409 . Die für diese Prägung des Mediensektors durch personengesellschaftsrechtliche Strukturen erheblichen ökonomischen Grundlagen sind nunmehr aufzuzeigen, wobei steuerrechtliche Motivationslagen außer Betracht bleiben sollen 410 . a) Anschauungsmaterial

aus der

Fusionskontrollpraxis

Die kartellrechtliche Fusionskontrollpraxis zu §23 Abs.2 Nr.2 S.4 GWB a.F. enthält hierfür erste Anhaltspunkte. Die Entscheidungen zur Fusionskontrolle bei Presseunternehmen belegen den Einfallsreichtum der beteiligten Unternehmen bei dem Versuch, unternehmerischen Einfluss unabhängig von einer aktienrechtlichen Sperrminorität und weiter gehend unabhängig von anteilsmarktlichen Einflüssen zu fundieren. Die Erschließung rechtstatsächlichen Materials durch diese älteren Entscheidungen bleibt unbeeinträchtigt von der Streichung des §23 Abs.2 Nr.2 S.4 GWB a.F. im Zuge der Sechsten GWB-Novelle, die eine fortwirkende Relevanz der Vorschrift in Zweifel zieht 411 . Beispielsweise werden im Sachverhalt einer Entscheidung von 1987 bei dem Erwerb einer Beteiligung durch das Singener Wochenblatt an einer Anzeigenblatt-GmbH & Co KG der Erwerberin Zustimmungsbefugnisse im Hinblick auf Gesellschaftsvertragsänderungen sowie Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung aufgrund von Einstimmigkeitserfordernissen eingeräumt 412 . Insbesondere der durch die Einstimmigkeitserfordernisse vermittelte Einfluss sichert der Erwerberin eine von anteilsmarktlichen Einflüssen unabhängige Position. Auf dieser Grundlage kann sie unmittelbar auf das Marktverhalten der G m b H & Co KG einwirken, und daher ist ihre Stellung mit der eines Aktionärs mit Sperrminorität gleichzusetzen 413 . Eine ähnliche Bedeutung ergibt sich für die gesellschaftsvertraglichen Einflussmöglichkeiten beim Erwerb sämtlicher Anteile der Deil KG und ihrer Komplementär-GmbH durch die mit den Gesellschaften der Rheinpfalz/Medien-UnionGruppe unter einheitlicher Leitung in einem Gleichordnungskonzern zusammission, Sondergutachten XII 55 und Schaubild 1; zur WAZ-Gruppe Mestmäcker, Medienkonzentration 46f.; zur Kirch-Gruppe KEK - Konzentrationsbericht 108f.; zur Gruner + JahrGruppe Monopolkommission, Sondergutachten 36 S. 16 Abb. 1. 409 Verfahren der KEK abrufbar unter www.kek-online.de; zur Fusionskontrollpraxis zu § 23 Abs.2 Nr.2 S.4 GWB a.F. B G H 10.11.1987, WuW/E B G H 2443 (»Singener Wochenblatt«); B G H 8.12.1998, WuW/E DE-R 243 (»Pirmasenser Zeitung«); zu §37 Abs. 1 Nr. 3 S.2 GWB n.F. B G H 21.11.2000, WuW/E D E - R 613 (»WAZ/IKZ - Treuhanderwerb«). 410 Zu den ökonomischen Grundlagen der Konzentrationsentwicklung im Mediensektor siehe oben 1. 411 Hierzu unter dem Blickwinkel des heutigen Maßstabs des »Kontrollerwerbs« in §37 Abs.l Nr.2 GWB Immenga/Mestmäcker-Mestmäcker/Veelken §37 Rdnr.58. 412 B G H 10.11.1987, WuW/E B G H 2443 (»Singener Wochenblatt«), 413 B G H 10.11.1987, WuW/E B G H 2443, 2446-2448.

68

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

mengefasste Tukan Verlagsgesellschaft m b H & Co KG. Auch hier ist für die fusionskontrollrechtliche Ermittlung der einzubeziehenden Beteiligungen auf den durch die Beteiligung vermittelten Einfluss auf das Marktverhalten der Deil KG abzustellen 414 . Die anteilsmarktlich vermittelte Beherrschung wird hierbei ersetzt durch eine personelle Verflechtung, bei der an die Stelle eines Anteilsmarktes eine mit den anderen Gesellschaften übereinstimmende Aufteilung der Beteiligung auf fünf Familien tritt 415 . Die Gesellschafter der Rheinpfalz/Medien-UnionGruppe gründen für den Beteiligungserwerb an der Deil KG ein neues Unternehmen unter der Firma Tukan, um nicht die Umsatzschwelle, die die Rheinpfalz/ Medien-Union-Gruppe überschreitet, mit diesem separaten Unternehmen zu übertreffen und so die Marktverhältnisse scheinbar nicht zu beeinträchtigen 416 . Gesellschaftsvertragliche Bestimmungen verhindern den Eintritt familienfremder Gesellschafter, gewährleisten ständig gleiche Beteiligungsverhältnisse und eine gleiche Stimmrechtsverteilung und schirmen hierdurch die betroffenen Gesellschaften von etwaigen Einflüssen eines Anteilsmarktes ab. Indem sich die unternehmerische Tätigkeit der Tukan Verlagsgesellschaft m b H & Co KG darin erschöpft, die Anteile an der Deil KG und der Komplementär-GmbH zu verwalten, ohne eigene Leitungsfunktionen auszuüben, richtet sich die Gesellschaft an der Leitungsmacht der Konzernspitze aus. Letztere ersetzt anteilsmarktliche Einflüsse auf das Marktverhalten durch eine hierarchische Einbindung in die gleichgerichteten Interessen des Gesamtkonzerns 417 . In vergleichbarer Weise richtet sich auch im der Entscheidung »WAZ/IKZ« zugrunde liegenden Sachverhalt die Absicht der Parteien darauf, durch eine Umgehungskonstruktion anteilsmarktliche Einflüsse auf das betroffene Unternehmen der IKZ-KG auszuschalten 418 . Zu diesem Zweck bedient sich die WAZGruppe für den Erwerb eines Anteils von über 25% an der IKZ-KG, die regionale Abonnement-Tageszeitungen verlegt, eines Treuhänders. Da aber die WAZGruppe als Treugeberin das wirtschaftliche Risiko des Anteilserwerbs trägt und der Treuhänder seine ihm als Gesellschafter zustehenden Mitwirkungsrechte in Abstimmung mit der Treugeberin wahrnimmt, ist der treuhänderisch erworbene Anteil nach der Entscheidung des B G H der WAZ-Gruppe zuzurechnen. Der Beteiligungserwerb ist daher als Zusammenschluss im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 GWB n.F. zu bewerten 419 . 414

B G H 8.12.1998, WuW DE-R 243, 244-247. B G H 8.12.1998, WuW DE-R 243, 245; zur wichtigen Rolle der weitgehend identischen Beteiligungsverhältnisse auch Emmerich, WuB V A. §24 GWB 1.99; Sosnitza, N Z G 1999, 259. 416 Zu diesem Aspekt der Unternehmensgründung Bechtold, BB 1999, 337; zur aus kartellrechtlicher Sicht Kernproblematik der Umsatzschwellen Sosnitza, N Z G 1999, 259. 417 B G H 8.12.1998, WuW D E - R 243, 246; zur damit einhergehenden begrenzten Möglichkeit, familieninterne Umstrukturierungen der Fusionskontrolle zu entziehen, Bechtold, BB 1999, 337, 338. 418 B G H 21.11.2000, WuW/E DE-R 613. 419 B G H 21.11.2000, WuW/E D E - R 613, 615-618. 415

III.

b) Die Ausschaltung

anteilsmarktlicher

Rechtstatsachen

69

Einflüsse

Die vorgehend exemplarisch herangezogenen Sachverhalte zur kartellrechtlichen Fusionskontrolle illustrieren den Versuch der Beteiligten, im Wege einer Ausschaltung anteilsmarktlicher Einflüsse eine Abstimmung des Marktverhaltens der betroffenen Gesellschaft auf die Interessen des hinter dem Beteiligungserwerb stehenden Konzerns zu verwirklichen. Mit der Ausschaltung anteilsmarktlicher Einflüsse ist ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Wahl der Personengesellschaft als geeignete Rechtsform für die Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit genannt 420 . Die Attraktivität dieser Isolierung von anteilsmarktlichen Einflüssen auf dem Presse- und Mediensektor findet in der besonderen Bedeutung von Familienunternehmen in diesem Industriezweig Niederschlag. Dies lässt sich mit den Besonderheiten medienunternehmerischer Betätigung begründen 421 . Bei der Abschirmung einer Unternehmung von Anteilsmärkten geht es darum, eine marktliche Koordination der Unternehmenskontrolle zu vermeiden, um den Eigentümer vor der Einflussnahme (familien-) fremder Anteilseigentümer auf die Unternehmensführung zu schützen 422 . Damit einher geht der Schutz des firmenspezifischen Humankapitals, das möglicherweise eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit der Verlegerfamilie in sich vereinigt 423 . Das besondere Interesse an einer Abschirmung gegen anteilsmarktliche Einflüsse im Medienbereich ergibt sich darüber hinaus aus dem spezifischen Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit auf dem Mediensektor. Neben der gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Allokation knapper Ressourcen dient ein Medienunternehmen der Verwirklichung der von der politischen Ordnung garantierten Meinungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet 424 . Dies hat zur Folge, dass sich ein Verleger als Produzent stärker mit dem Endprodukt seines Unternehmens identifiziert, als dies in anderen Branchen der Fall ist 425 . Die ideellen Werte, die von der 420 Als »entrenchment« des persönlich haftenden Gesellschafters erfasst bei Ribstein, Emory L.J. 37 (1988) 835, 848f. 421 Für die Bedeutung von Familienunternehmen auf dem Mediensektor lassen sich z.B. der Axel Springer Verlag, der WAZ-Konzern und die Kirch-Gruppe anführen, die man neben anderen als führende Medienunternehmen Deutschlands einstufen kann (Faulstich 45f.). 422 So schon zum Ausschluss anteilsmarktlicher Einflüsse in der Personengesellschaft Ribstein, Emory L.J. 37 (1988) 835, 854f.; zum Schutz der Beteiligungsverhältnisse vor familienfremden Gesellschaftern auch schon BGH 8.12.1998, WuW/E DE-R 243, 245 (»Pirmasenser Zeitung«), 423 Zu diesem Aspekt der Ausschaltung anteilsmarktlicher Einflüsse Ribstein, Emory L.J. 37 (1988) 835, 855; zur Bedeutung der herausragenden Unternehmerpersönlichkeit eines Gesellschafters der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe, die entscheidend zum Aufbau des Medienkonzerns beigetragen habe, BGH 8.12.1998, WuW/E DE-R 243, 245 (»Pirmasenser Zeitung«), 424 Für die Presse Zohlnhöfer, Ökonomie des Pressewesens 35, 37f.; zur Uberschneidung von Wirtschaft und Publizistik im Medienbereich J. Heinrich 91-93; zu den daraus resultierenden Konsequenzen für die Fusionskontrolle über Presseunternehmen Mestmäcker, Medienkonzentration 104 f. 425 So auch für Mitarbeiter im Pressebereich Zohlnhöfer, Ökonomie des Pressewesens 35, 37;

70

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

Medienunternehmung geschaffen werden, können über einen Anteilsmarkt nicht angemessen wiedergegeben werden. Demzufolge bliebe ein entscheidender G e sichtspunkt des Unternehmenswertes den Gesellschaftern als Anteilseignern bei einer kapitalmarktlichen Koordination des Anteilseigentums vorenthalten 426 . Dieser Gesichtspunkt leitet über zu einer Verallgemeinerung des Nutzens einer nicht über einen Anteilsmarkt vermittelten Beteiligung für ein herrschendes U n ternehmen und damit auch für die Wahl der Rechtsform einer Personengesellschaft für das beherrschte Unternehmen. Die Wahl der Personengesellschaft als Rechtsform schützt für den herrschenden Gesellschafter nicht nur seine Unternehmenskontrolle vor anteilsmarktlichen Einflüssen, sondern auch die Bewertung des Unternehmens vor einer unter Umständen nicht vollständig möglichen preislichen Erfassung auf dem Kapitalmarkt. Unter diesem Gesichtspunkt sind nicht nur Familienunternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft plausibel, wenn sich die Unternehmerfamilie die Unternehmenskontrolle bewahren will 427 . Darüber hinaus sind personengesellschaftsrechtliche Strukturen dort zu erwarten, wo die unternehmerische Tätigkeit auf die Schaffung marktlich nicht erfassbarer Werte gerichtet ist. Als Beispiel sei hier die Gründung von G e meinschaftsunternehmen (joint ventures) angeführt, deren Verwaltung über zwischengeschaltete Gesellschaften bürgerlichen Rechts erfolgt 428 . Bei dieser Kooperationsform verwirklichen zwei voneinander unabhängige Unternehmen ein gemeinsames Projekt, wie etwa die Entwicklung eines neuen Produkts oder Innovationen im Bereich von Forschung und Entwicklung. Der Einsatz dieser Gemeinschaftsunternehmen zum Zweck von Technologietransfers und Innovation zeigt, dass hier die Abschirmung unternehmerischer Tätigkeit von Anteilsmärkten mit der Hervorbringung marktlich nicht erfassbarer Ergebnisse einhergeht und die zwischenbetriebliche Kooperation letztlich dem Austausch schwer bewertbarer Güter dient 429 . Neben dem Erfordernis einer A b schirmung der Kooperation von Anteilsmärkten scheinen damit an dieser Stelle auch bereits die Folgeprobleme hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der K o operation auf: Infolge der marktlichen Bewertungsprobleme können die beteilighierzu am Beispiel der Journalisten der taz, deren Interesse an einer langfristigen Sicherung des Unternehmens aufgrund ihrer starken Identifikation mit der politischen Ausrichtung der Zeitung ihr kurzfristiges Interesse an Gewinnausschüttung übertraf, schon J. Heinrich 172f. 426 Zu dem Gesichtspunkt des anteilsmarktlich nicht erfassbaren Unternehmenswertes als Argument für die Wahl der Rechtsform der Personengesellschaft Rihstein, Emory L.J. 37 (1988) 835, 852-854. 427 Zur entsprechenden Prägung der gesellschaftsrechtlichen Praxis Reuter, 55. D J T B 17f. 428 Gansweid 64f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1711 (§58 III 7.d). 429 Zum Technologietransfer anhand einer deutsch-deutschen Unternehmenskooperation zwischen Lufthansa und Interflug Dierks, Deutsch-deutsche Untenehmenskooperationen 125, 155-165; zur Steigerung der Innovativität durch FuE-Kooperationen am Beispiel der elektrotechnischen und Elektronikindustrie sowie der Maschinenbauindustrie in der Bodenseeregion Kösel 119-144; empirische Bestätigung des austauschersetzenden Stellenwertes von Kooperationsbeziehungen bei Schräder, FS Witte 221, 249f.

III.

71

Rechtstatsachen

ten Unternehmen zwar die Beiträge des Vertragspartners einschätzen, ohne jedoch vertragliche Möglichkeiten zu haben, kooperatives Verhalten einzufordern 430 . Letztlich wiederholen sich damit auf rechtstatsächlicher Ebene die zuvor herausgearbeiteten Wirkungszusammenhänge aus der Sicht der Theorie der Unternehmung in der Neuen Institutionenökonomik 4 3 1 . Die Personengesellschaft wird in den Grenzbereichen der Funktionsfähigkeit marktlicher Erfassung unternehmerischer Tätigkeit als Kooperationsvehikel eingesetzt. Wie die rechtliche Würdigung diesem rechtstatsächlichen Stellenwert der Personengesellschaft gerecht wird und welche Folgerungen hieraus für ihre Konzerneinbindung zu ziehen sind, gilt es im Hauptteil der Arbeit herauszuarbeiten. Zuvor sind jedoch noch neben der Abschirmung von Anteilsmärkten durch personengesellschaftsrechtliche Strukturen weitere Wirkkräfte von marktlichen Ausgleichsmechanismen in der Personengesellschaft nachzuzeichnen. Dies betrifft die Mechanismen, die die Kooperation innerhalb der Unternehmung ermöglichen (dazu B.), sowie die, die die Stellung der Unternehmung als Marktteilnehmerin näher spezifizieren (dazu C.). Als Zwischenergebnis der Analyse des der Fusionskontrollpraxis zugrunde liegenden Tatsachenmaterials ist festzuhalten, dass die konzerngebundene Personengesellschaft kein vereinzeltes Phänomen ist, sondern gezielt zur Abschirmung gegen Anteilsmärkte bei der Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit eingesetzt wird.

B. Marktbildung im Unternehmen und profit center-Steuerung 1. Marktliche

Dezentralisierung

durch

im Konzern

Holdingstrukturen durch

Holdingstrukturen

Wie bereits anhand der ökonomischen Wirkungszusammenhänge theoretisch aufgezeigt, kann auch die Kooperation im Unternehmen ungeachtet des Leerlaufens von Preismechanismen Interessenkonflikte aufgrund von Funktionsschwächen von Tauschvorgängen aufwerfen, die über marktähnliche Ausgleichsmechanismen zu lösen sind 432 . So geht mit der Globalisierung ein sich verschärfender Wettbewerb der großen Unternehmen um immer leistungsfähigere Produkte ein-

430 Schräder, FS Witte 221, 245; empirische Bestätigung geringerer Kooperation durch Austauschvertrag zwischen Hightech-Firmen mit Berührungspunkten zu Forschung und Entwicklung im Vergleich zu entsprechender Kooperation zwischen Low-Tech-Unternehmen bei Dowling/Lechner/Bau, Innovationsforschung und Technologiemanagement 165, 171; dies lässt sich im Übrigen auch empirisch anhand der Bevorzugung interner Finanzierungsquellen für Innovationsprojekte bestätigen, siehe Harhoff, Innovationsforschung und Technologiemanagement 233, 241-247. 431 Hierzu siehe oben ILA.2. 432 Hierzu siehe oben II.B.2.

72

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

her 4 3 3 . U m diesen neuen Herausforderungen des Wettbewerbs Rechnung zu tragen, die Funktionsschnittstellen zu minimieren, den K o n t r o l l - und Kostenaufwand zu reduzieren und vor allem um die Flexibilität des Unternehmens zu erhöhen, nehmen Unternehmensgruppen immer häufiger Umstrukturierungen vor. Diese münden nicht selten in die Gestaltung der Unternehmensführung nach dem Holdingkonzept 4 3 4 . a) Der

Holdingkonzern

D i e wirtschaftliche Entwicklung der Holding nahm ihren Ausgangspunkt in den U S A 4 3 5 . D o r t reagierten die U n t e r n e h m e n auf die Verabschiedung des Sherman Act, indem sie die Holdinggesellschaften mit dem Zweck, die Aktien an einer anderen corporation zu halten, gründeten 4 3 6 . Im deutschen R e c h t handelt es sich beim Holdingkonzept nicht um einen gesetzlich bestimmten oder auch nur einheitlich gebrauchten Begriff 4 3 7 . Funktional lässt sich die Holding vom Stammhauskonzern abgrenzen, der durch ein operatives Eigengeschäft der K o n z e r n obergesellschaft gekennzeichnet werden kann, bei dem den Tochtergesellschaften lediglich eine unterstützende F u n k t i o n z u k o m m t 4 3 8 . Demzufolge ist der hohe Zentralisierungsgrad das hervorstechende M e r k m a l des Stammhauskonzerns 4 3 9 . Demgegenüber zeichnet sich der Holdingkonzern durch eine stärkere D e z e n t r a lisierung aus, mit der Folge, dass er einer marktlichen Koordination näher k o m m t als der Stammhauskonzern 4 4 0 . Unterscheiden lässt sich hierbei in der Reihenfolge zunehmend marktlicher Koordination der strategische H o l d i n g k o n z e r n und der Finanzholdingkonzern 4 4 1 . Im Gegensatz zum Stammhauskonzern betreibt die strategische Holding kein operatives Eigengeschäft und konzentriert sich auf die konzernstrategischen Entscheidungen, während die operativen Aufgaben von 433 Hierzu als Ursache gewandelter Unternehmensstrategien z.B. Mirow, Neue Konzernstrukturen 9,11 f.; ähnlich zum Zusammenhang zwischen veränderter Wettbewerbssituation und Unternehmensstrukturen Lutter, Holding Handbuch 1, 4; zur veränderten Weltwirtschaft als Bestimmungsfaktor für die Unternehmenspolitik internationaler Konzernunternehmungen auch Ritter, Der Konzern im Umbruch 169, 171 f. 434 Zu diesen Umstrukturierungen mit Beispielen Lutter, Holding Handbuch 1,4; zur zunehmenden Verbreitung der Holding auch Keller, DB 1991, 1633. 435 Zu den rechtlichen Ursprüngen im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Spindler 235-240. 436 Hierzu Mestmäcker, Verwaltung 98-106; zum Entstehungszusammenhang des Sherman Act Spindler 224-230; im Zusammenhang mit der Entstehung der Holding hierzu Lutter, Holding Handbuch 1, 9. 437 Begriffliche Klärung aus juristischer Sicht bei Lutter, Holding Handbuch 1,10f.; in der Betriebswirtschaftslehre hierzu Anesini 49-53. 438 Bühner 33. 439 Mellewigt 31 f. 440 Siehe grafische Veranschaulichung bei Mellewigt 43. 441 Terminologie variiert von der strategischen Holding (Mellewigt 36) über die ManagementHolding (Bühner 33), die Führungsholding (Lutter, Holding Handbuch 1,13) bis zur geschäftsleitenden Holding (Holtmann 16).

III.

Rechtstatsachen

73

den Tochtergesellschaften wahrgenommen werden. N o c h dezentralisierter sind die Entscheidungsbefugnisse im Finanzholdingkonzern, w o sich die Finanzholding auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen und die damit einhergehenden Verwaltungsaufgaben beschränkt. Ihr Einfluss ist auf die Vorgabe von finanziellen Zielgrößen begrenzt 4 4 2 . Demzufolge verwirklicht der Holdingkonzern in seinen beiden Ausprägungen ein dezentrales Führungskonzept, das in besonderer Weise Motivations- und Innovationspotenziale erschließen kann 4 4 3 . Insbesondere in einer durch eine hohe D y n a m i k und Komplexität gekennzeichneten U m w e l t gewinnen die hierdurch geschaffenen Selbstentfaltungsmöglichkeiten für die einzelnen Organisationseinheiten im Lichte der Globalisierung an Bedeutung 4 4 4 .

b) Die

Mittelstandsholding

A u f den ersten Blick erscheint das Holdingkonzept mit seiner Dezentralisierungsphilosophie für die Personengesellschaft von geringer praktischer Relevanz. Empirisch finden sich gesetzestypische Personengesellschaften selten an der Spitze eines Holdingkonzerns und praktisch nie als operative Gesellschaften 4 4 5 . Demgegenüber erweist sich insbesondere für die Familien-Mittelstandsholding die G m b H & C o K G als Spitzengesellschaft und auch als operative G e sellschaft von erheblicher praktischer Bedeutung 4 4 6 . So sind auch Familiengesellschaften darauf angewiesen, eine geeignete Unternehmensstruktur zu finden, die die Vorteile der G r ö ß e , wie Finanzkraft und Synergiepotenziale, mit den Wettbewerbsvorteilen kleiner und mittlerer Unternehmen, wie z . B . Flexibilität und Innovationspotenzial, vereinigt 4 4 7 . D a r ü b e r hinaus geht das Interesse von Familiengesellschaften dahin, den unternehmerischen Familieneinfluss zu wahren und zu diesem Z w e c k den Unternehmenslebenszyklus vom U n t e r n e h m e r - L e b e n s z y -

442 Hoffmann, WiSt 21 (1992) 552, 554; Lutter, Holding Handbuch 1,16; MeUewigt 41; grafische Veranschaulichung der zunehmenden Autonomie bei Mirow, Neue Konzernstrukturen 9, 20; Schulte, Holdingstrategien 17, 32. 443 So auch die empirischen Forschungsergebnisse eines Vergleichs zwischen Stammhaus- und Holdingkonzern bei Mellewigt 257-259; zur dezentralen bereichsspezifischen Organisation von Innovationsprogrammen am Beispiel des Unternehmens Siemens Mirow, Innovationsforschung und Technologiemanagement 481, 488f. 444 Zum Erfordernis erhöhter Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf neue Markt- und Technologiesituationen durch die Verselbständigung von Innovationseinheiten anhand des Beispiels der Mannesmann Pilotentwicklungsgesellschaft mbH Kainzbauer/Kaelber Innovationsforschung und Technologiemanagement 467, 469—475. 445 Siehe Untersuchung bei Kraehe 166. 446 Hinweise bei Kraehe 174f. (GmbH & Co KG als Spitzengesellschaft), 182f. Abb.32, 33 (GmbH & Co K G als operative Gesellschaft); zur erheblichen Anzahl als Holdingkonzern strukturierter Personengesellschaften im mittelständischen Bereich auch Schön, Z H R 166 (2002) 585, 586; Tröger, in: H.P. Westermann, Handbuch I Rdnr.4002. 447 Zu der Kombination dieser Vorteile mit der Holdingstruktur siehe bereits vorstehend unter a).

74

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

klus zu entkoppeln 4 4 8 . F ü r all diese Z w e c k e bietet die Mittelstandsholding ein geeignetes Instrumentarium. Die Mittelstandsholding übernimmt aus dem bereits dargestellten Holdingkonzept die Vorteile einer Managementholding, auf deren betriebswirtschaftlich-theoretischen

Grundlagen

sie

basiert 4 4 9 .

Gleichzeitig

zeichnet sie sich gegenüber den Holdingstrukturen in G r o ß k o n z e r n e n durch die Personenbindung auf Holdingebene aus 4 5 0 . D a r ü b e r hinaus unterscheidet sie sich in quantitativer Hinsicht von G r o ß k o n z e r n e n durch eine überschaubare, mittelständische G r ö ß e ihres Unternehmensverbundes 4 5 1 . D i e Strukturen der Mittelstandsholding beleuchten schlaglichtartig die A u f bauorganisation, die damit auch für die konzerngebundene Personengesellschaft in Betracht zu ziehen ist 4 5 2 . Als Unterordnungskonzern lässt sich ein einfacher Mittelstandsholdingkonzern im Aufbau als eine Holding mit mehreren operativen Gesellschaften denken. Dieser Aufbau findet sich empirisch am häufigsten und zeichnet sich durch schlank (»lean«) dimensionierte Zentralbereiche in der Obergesellschaft aus 4 5 3 . Demgegenüber k o m m t ein Aufbau als N e t z w e r k im Gleichordnungskonzern selten vor. H i e r erfüllt die Holdinggesellschaft über eine personelle Verflechtung die Funktion eines Gemeinschaftsorgans zur D u r c h s e t zung der einheitlichen Leitung, ohne jedoch eine Abhängigkeit der sternförmigen operativen Gesellschaften zu begründen 4 5 4 . Letzteren wird die größtmögliche wirtschaftliche Selbständigkeit belassen. Ihre Geschäftsleiter sind häufig in der Holdingleitung vertreten. Probleme birgt hierbei die Durchsetzung einer zentralen Holdingunternehmenspolitik

in Anbetracht des latenten

Wettbewerbs-

verhältnisses der operativen Gesellschaften untereinander und der damit verbundenen Eigeninteressen auf operativer E b e n e 4 5 5 . Schließlich ist als dritte A u f bauorganisation

einer Mittelstandsholding

eine solche mit

ausgegliederten

Management- und/oder Dienstleistungsgesellschaften zu nennen. H i e r werden neben der Managementgesellschaft die Finanzierungs- und Führungsfunktionen der Mittelstandsholding rechtlich verselbständigt 4 5 6 . Dies sei anhand einiger Beispiele illustriert. So lässt sich der Aufbau einer H o l ding mit Dienstleistungs- und Verwaltungsgesellschaften zur gezielten haftungsrechtlichen Vermögensabgrenzung im R a h m e n einer Immobilienverwaltung nut448 Im Einzelnen zur rechtstatsächlichen und ökonomischen Dimension dieser Perpetuierungsproblematik Reuter 15-29. 449 Zur Managementholding siehe vorstehend unter a). 450 Keller, DB 1991, 1633, 1636; Kraehe 121. 451 Zur Dimensionierung im Einzelnen Kraehe 121-124. 452 Zur Attraktivität von Holdingkonzepten für kleine und mittlere Unternehmungen Bleicher/Kraehe, Holding-Strategien 59f. 453 Kraehe 180. 454 Zum sternförmigen Konzern mit eingebundener GmbH & Co KG Bitter 61 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1293 (§43 III l.c), 1633 (§56 II 3 a). 455 Zur Interessenlage im Holding-Netzwerk Kraehe 184. 456 Zum Ziel einer haftungsrechtlichen Abschottung Keller, DB 1991, 1633, 1636; im Einzelnen Kraehe 180-183.

III.

75

Rechtstatsachen

zen. Zur Ordnung des Immobilienvermögens können sich die Mitglieder einer Eignerfamilie beispielsweise als Kommanditisten an der Holding-GmbH Sc Co K G beteiligen, die ihrerseits Gesellschafterin der operativen Gesellschaften ist 457 . Die Immobilien lassen sich daneben in Immobilien-Verwaltungsgesellschaften mbH & Co K G verselbständigen, wobei sich hier als Kommanditisten die Holding-GmbH & Co K G oder - in Abhängigkeit von etwaigen Erbschaftsregelungen - auch nur einzelne Mitglieder der Eignerfamilie einsetzen lassen. Uber eine Vermietung oder Verpachtung der Immobilien an die operativen Gesellschaften werden dann zusätzlich zum Element der Vermögenssonderung mittels rechtlicher Verselbständigung Elemente eines marktlichen Austausches in das Verhältnis der zum Holding-Konzern gehörenden Gesellschaften untereinander eingeführt. Stärker ins Blickfeld rückt dieser unternehmensinterne marktliche Austausch zwischen den Konzernmitgliedern in einem zweiten Beispiel der Führungs- und Organisationsstruktur eines mittelständischen Familienunternehmens, das die Produktentwicklung und Fertigung jeweils an einem Standort weltweit zentralisiert 458 . In dem jeweiligen so genannten »product center« werden bestimmte Produktgruppen entwickelt und gefertigt. Damit wird jedem product center gleichzeitig ein strategisches Geschäftsfeld zugeordnet. Der Vertrieb wird durch selbständige sales centers abgewickelt. Die Beziehungen der operativen Gesellschaften untereinander bestimmen sich nach den Grundsätzen einer internen Marktwirtschaft. Dementsprechend nehmen die product centers die Vertriebsleistungen der sales centers unter Berücksichtigung der Marktsituation in Anspruch. Besondere Probleme werfen in diesem Zusammenhang die Verrechnungspreise zwischen den Einheiten auf459. Bedingt ist dies durch den besonderen Stellenwert der operativen Gesellschaften als profit centers, die die Dezentralisierung im Holdingkonzern in besonderer marktlich ausgerichteter Weise zum Tragen bringen. 2. Operationalisierung a) Die Verselbständigung

des Marktes durch profit operativer

Gesellschaften

center-Steuerung zu profit

centers

Mit der Verselbständigung der operativen Gesellschaften zu profit centers wird das Konzept der internen Marktwirtschaft letztlich operationalisiert. Dem profit center-Konzept liegt der Gedanke zugrunde, in einer divisional strukturierten Unternehmung durch die Schaffung selbständiger Verantwortungsbereiche die Autonomie und Motivation in den einzelnen Abteilungen zu verbessern und damit auch eine Ergebnisverbesserung im Vergleich zu einer zentralisierten Unter-

457 458 459

Zum Beispiel siehe auch Kraehe 182f. Ähnliches Beispiel bei Kraehe 188f. Zur Verrechnungspreisproblematik im Einzelnen siehe unter b).

76

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

nehmung zu verwirklichen. Die theoretischen Grundlagen des profit centerKonzepts gehen auf Schmalenbachs Arbeiten über Verrechnungspreise und schließlich über die pretiale Wirtschaftslenkung zurück 4 6 0 . Angelegt ist damit bereits der Grundgedanke des profit center-Konzepts, marktwirtschaftliche Lenkungsmechanismen zur Verwirklichung größtmöglicher Effizienz insgesamt auf betriebswirtschaftlicher Ebene anzuwenden 4 6 1 . In der betriebswirtschaftlichen Praxis kam es mit der Divisionalisierung bei du Pont und wenig später General Motors in den zwanziger Jahren zu einer ersten Einführung von profit centerStrukturen 462 . Es zeichnet sich damit die besondere Eignung divisionaler Organisation für die Bildung von profit centers ab 463 . Auf europäischer Seite ist der tschechische Schuhfabrikant BATA Vorreiter der profit center-Idee in der Unternehmenspraxis 464 . Durchsetzen konnte sich dieses Organisationskonzept jedoch diesseits und jenseits des Atlantiks erst in den siebziger bzw. sechziger Jahren 465 . Für Großunternehmen bildet es mittlerweile in einer jeweils individuellen Ausformung die gängige Praxis 466 . Als für die Einordnung einer innerbetrieblichen Organisationseinheit als profit center entscheidend sieht die überwiegende Literatur dessen freien Marktzugang sowie seine Entscheidungsautonomie an, wobei Erstgenannter letztlich Teil der umfassenderen Entscheidungsautonomie ist 467 . Zu bestimmen sind beide Merkmale eines profit center unabhängig von der Frage, ob der fraglichen Einheit eine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, wenngleich in der Praxis häufig aus steuerrechtlichen Motiven sowie zur Risikobegrenzung juristisch selbständige Geschäftsbereiche gebildet werden 4 6 8 . Die Frage des freien Marktzugangs kristallisiert die letztlich entscheidende Frage effizienter profit center-Bildung heraus. Sollen profit centers wirklich in erster Linie durch marktliche Anreize gesteuert werden, so bildet die freie Wahl zwischen innerbetrieblichem Leistungsaustausch und der Inanspruchnahme von äußeren Beschaffungsmärkten die logische KonSchmalenbeck, ZfhF 3 (1908/09) 165-185; Schmalenbach I und II. So rezipiert bei Kah 71; Schultheiss 4f.; Wolf 9. 462 Zu diesen Beispielen auf betriebswirtschaftlicher Ebene Chandler 456-463; Kreuter 6-8; Schultheiss 10; Wetekamp 11; Wolf 6. 463 Vergleich der Eignung divisionaler mit der funktionaler Organisation für die Bildung von profit centers bei Schultheiss 34; angedeutet auch bei Kreuter/Solbach, ZFO 1997, 224. 464 Im Einzelnen Flückiger 7-9. 465 So auch die Einschätzung bei Schultheiss 6; ähnlich Wetekamp 11. 466 Schweitzer, Handwörterbuch der Organisation Sp. 2078,2088; zur Umsetzung in der Mediengruppe Bertelsmann unter dem Gesichtspunkt des Controlling Liedl, Controlling-Tools 13-30; zur Umsetzung in der Mediengruppe Georg von Holtzbrinck Unzeitig, Beteiligungscontrolling 113,117-119; im Krankenhaus Eichhorn, Profitcenter und Prozessorientierung 1-13; im Einzelhandel Gluth, In Leder 2/1995,129; von einer starken bis sehr starken Bedeutung der profit center-Struktur in 44% der Unternehmen gehen Kreuter/ Solbach (ZFO 1997, 224) aus. 467 Frese, Finanz- und Rechnungswesen als Führungsinstrument 137, 145; Kah 70-73; Wetekamp 13-16. 468 Schultheiss 34f.; zu den Motiven rechtlicher Verselbständigung von profit centers im Einzelnen Kreuter/Solbach, ZFO 1997, 224-230. 460

461

III

Rechtstatsachen

77

sequenz. In der Literatur wird bereits bei einer internen Lieferquote von mehr als 5 bis 1 0 % davon ausgegangen, dass eine aussagekräftige profit center-Steuerung nicht mehr möglich sei 4 6 9 . N u r dann seien die Funktionsvoraussetzungen der Entscheidungsautonomie als Basis für die Ergebnisverantwortung des profit center erfüllt. Gleichwohl vereitelt dies möglicherweise lohnende Synergieeffekte aufgrund einer Arbeitsteilung innerhalb des gesamten Unternehmensverbundes. Aufgezeigt werden damit zugleich die Grenzen einer sinnvollen Bildung von profit centers 4 7 0 . F ü r die Spezifizierung der Entscheidungsautonomie einer Organisationseinheit als zweitem Kennzeichen eines profit center wird in der Literatur nach dem Grad ihrer Ausprägung unterschieden 4 7 1 . Im H i n b l i c k auf die Beeinflussbarkeit von Kosten-, Erlös- und Kapitalparametern lässt sich ein profit center von anderen so genannten responsibility centers unterscheiden. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf das cost center, dem lediglich innerhalb festgelegter Budgets und definierter Leistungserstellung eine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des Ressourcenverzehrs ohne einen direkten Zugang zum Absatzmarkt eingeräumt wird 4 7 2 . Daraus resultiert als Beurteilungsgrundlage für den Erfolg des cost center dessen Kosteneffizienz, die sich aus der Abweichung von den Plankosten ergibt 4 7 3 . Demgegenüber fungiert im profit center der G e w i n n bei gegebenem Kapitaleinsatz als Beurteilungsgrundlage. Dies setzt die Eigenständigkeit der Einheit bei der Entscheidung über die Wertschöpfung und über den Absatz voraus. N o c h weiter gehen die Entscheidungskompetenzen einer Organisationseinheit, wenn diese investment center ist. Ein investment center kann zusätzlich über sein Gesamtvermögen oder jedenfalls große Teile des Vermögens frei disponieren, so dass sich sein Erfolg letztlich nach der Rendite, dem G e w i n n bei bestimmbarem Kapitaleinsatz, bestimmt. Ungeachtet dieser theoretischen Kategorisierung sind die G r e n z e n zwischen den verschiedenen F o r m e n in der Praxis fließend, da sich die Unternehmensleitung häufig in einzelnen Bereichen Mitentscheidungs- und K o ordinationskompetenzen vorbehält 4 7 4 . Konstitutiv für die profit center-Idee ist das Ineinandergreifen von Entscheidungsautonomie und Saldoverantwortung, was sich in den beiden maßgeblichen Blickwinkeln der einschlägigen Literatur,

469 Entsprechendes Ergebnis einer US-amerikanischen Befragung von Experten bei Mautz, FS Kosiol 533-550. 470 Zu diesem Problem des freien Marktzugangs Wolf 57f.; übergreifend zur Gratwanderung zwischen Nutzung von Synergiepotenzialen und Schaffung hoher Motivationsanreize bei der Holding mit profit centers Unzeitig, Beteiligungscontrolling 113, 115. 471 Hierzu Anthony/Govindarajan 167f.; grafische Veranschaulichung bei Kreuter 12; Kreuter/Solbach, ZFO 1997, 224, 225; Schultheiss 20-25; Wetekamp 14f. 472 Die weiteren Typen des expense center und revenue center sollen hier außer Betracht bleiben, hierzu siehe Kreuter/Sohach, ZFO 1997, 224, 225. 473 Hierzu unter dem Gesichtspunkt der Konsequenzen für die Steuerung durch Verrechnungspreise siehe Stahl, Gablers Magazin 1/98, 24f. 474 Zu den fließenden Ubergängen auch Schultheiss 25f.

78

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

nämlich dem Aspekt der Unternehmungsorganisation sowie dem des R e c h nungswesens, manifestiert 4 7 5 . D i e damit einhergehenden marktwirtschaftlichen Steuerungselemente werden in das Unternehmen hineingetragen, um organisationsbedingte Ineffizienzen zu vermeiden. Dies k o m m t der bereits im R a h m e n der ökonomischen Grundlagen erörterten Uberwindung von Transaktionshemmnissen innerhalb der U n t e r n e h m u n g durch Anreizmechanismen gleich 4 7 6 . b) Marktbildung

auf der Grundlage

konzerninterner

Verrechnungspreise

Kriterium für diese Anreizmechanismen ist die Frage, wie es innerhalb des U n t e r nehmensverbundes gelingt, bei den beteiligten profit centers ein Verhalten hervorzurufen, das einem durch Marktpreise geleiteten entspricht 4 7 7 . Besonders deutlich werden die damit verbundenen Probleme beim Einsatz konzerninterner Verrechnungspreise, die maßgeblicher Entscheidungsparameter des profit center bei seiner Wertschöpfung und seinem Absatz sind. D a das profit center seine Leistungen intern oder extern beziehen kann, k o m m t den Verrechnungspreisen in der Leistungsbeziehung zwischen zwei Organisationseinheiten erhebliche Bedeutung für die Entscheidung des betroffenen profit center zu. Aus dem Blickwinkel des Gesamtunternehmens muss die Wahl des Verrechungspreises, abgesehen von steuerrechtlich motivierten Überlegungen günstiger Ergebnisverlagerung, die im Lichte der Ausnutzung unternehmensverbundsinterner Synergieeffekte richtige M a k e - o r - b u y - E n t s c h e i d u n g gewährleisten 4 7 8 . Als Maßstab für die Festlegung des Verrechnungspreises k o m m t zunächst der Marktpreis in Betracht. A u f den ersten Blick scheint er in optimaler Weise eine Steuerung des profit center durch Preissignale in Ubereinstimmung mit M a r k t mechanismen sicherzustellen. D e r freie Marktzugang des profit center kann unbeeinträchtigt von verrechnungspreisbedingten Verzerrungen verwirklicht werden 4 7 9 . Gleichwohl wirft bereits die Ermittlung des Marktpreises als Bezugsgröße Probleme auf. E r kann sich nach dem Listenpreis, unter Einbeziehung etwaiger Rabatte oder als Preis für Sonderaktionen bestimmen 4 8 0 . D a r ü b e r hinaus darf die Siehe hierzu den Literaturüberblick bei Schultheis 42—44. Hierzu siehe oben H.B.2.; zur Komplexitätsreduktion durch profit center-Struktur im Wege einer Erleichterung von Planungs- und Kontrollprozessen Wolf 37f.; Uberblick über das gesamte Bündel relevanter Zielsetzungen bei Wetekamp 16-23. 4 7 7 Zu dieser Übertragung marktwirtschaftlicher Lenkungsmechanismen auf die betriebswirtschaftliche Ebene siehe oben a). 4 7 8 Zu diesem Stellenwert der Bestimmung der Verrechnungspreise Stahl, BuW 1997,641,643; zur steuerrechtlich motivierten Ergebnisverlagerung als Bestimmungsgröße von Verrechnungspreisen Theisen, Holding Handbuch 400, 423. 4 7 9 So spricht auch Stahl (Gablers Magazin 1/98, 24,26) von der angenommenen »Gerechtigkeit« des Marktpreises als Verrechnungspreis; ähnlich zur Auffassung der Marktteilnehmer auch 475

476

Kreuter 34.

480 Stahl, BuW 1997, 641, 642; zu diesen Problemen am Beispiel der Verrechnung zwischen Leistungsstellen im Krankenhaus Strehlau-Schwoll, Profitcenter und Prozessorientierung 72,

III.

Rechtstatsachen

79

durch die Verwendung von Marktpreisen als Verrechnungspreisen hervorgerufene Anreizlage im Unternehmen nicht außer Acht bleiben 481 . Während das verkaufende profit center beim internen Verkauf dieselben ergebnisrelevanten Auswirkungen zu verzeichnen und damit eine hohe Motivation zum internen Verkauf hat, ergibt sich für das einkaufende profit center mangels einer Ergebnisverbesserung im Vergleich zum externen Einkauf keine besondere Motivation für den internen Leistungsbezug 4 8 2 . Gleichwohl kann der interne Leistungsbezug mit der damit verbundenen Fixkostendeckung aus der Sicht des Gesamtunternehmens betriebswirtschaftlich vorteilhaft sein, ohne dass diese Vorteile über die Marktpreise als Verrechnungspreise zur Geltung kommen 4 8 3 . Umgekehrt liegen die Verhältnisse bei einer Grenzkostenverrechnung. Unter Grenzkosten versteht man in der Betriebswirtschaftslehre den Kostenzuwachs, den die letzte Produkteinheit verursacht 484 . Folglich deckt das zu Grenzkosten verkaufende profit center seine Fixkosten mit Verkäufen über den Markt und beansprucht als Verrechnungspreis vom kaufenden profit center lediglich die durch die Lieferung verursachten Kosten 485 . Da lediglich die Grenzkosten zugunsten des verkaufenden profit center ohne zusätzliche Kostendeckung verrechnet werden, ergibt sich aus internen Leistungen zu Grenzkosten keine Ergebnissteigerung auf Verkäuferseite 486 . Demgegenüber stellt sich die Grenzkostenverrechnung für die Käuferseite als gegenüber den externen Marktpreisen günstige Beschaffungsmöglichkeit dar, die entsprechend zu einer Ergebnisverbesserung aufgrund außerordentlich günstigen Bezugs geeignet ist 487 . Diese Ergebnisverbesserung geht jedoch aus der Sicht des gesamten Unternehmensverbunds zu Lasten einer Fixkostendeckung aufgrund des damit einhergehenden Produktionsausfalls im verkaufenden profit center. Der Fixkostendeckungsausfall ist in der Regel höher als die Ergebnisverbesserung im profit center auf Käuferseite 488 . Schließlich sind Zwischenformen zwischen Marktpreis und Grenzkosten denkbar, wie der Marktpreis abzüglich des Rabatts des besten Kunden, Selbstkosten und damit der Verzicht auf Gewinn auf Verkäuferseite sowie Herstellkosten (Vollkosten) 489 . Gemeinsames Ergebnis die76; zu groben Abweichungen bei der Ermittlung im Rahmen der so genannten Preisvergleichsmethode auch Theisen, Holding Handbuch 400, 429. 481 Zur Motivationsdimension der Höhe von Verrechnungspreisen Frese, zfbf 47 (1995) 942, 948-950. 482 Stahl, BuW 1997, 641, 642. 483 Zu dieser strategischen Dimension der Verrechnungspreisproblematik aufgrund etwaiger Verbundeffekte Eccles, in: Pratt/Zeckhauser 151, 156-158; Frese, zfbf 47 (1995) 942, 946-948. 484 Neus 392. 485 Zu den Schwierigkeiten dieser Kostenermittlung am Beispiel der so genannten KostenPlus-Methode Theisen, Holding Handbuch 400, 430f. 486 Aus diesem Grund eine pauschale Verrechnung von Fixkosten erwägend StrehlauSchwoll, Profitcenter und Prozessorientierung 72, 75. 487 Zu den Anreizen bei Grenzkostenverrechnung Stahl, BuW 1997, 641, 643. 488 Stahl, Gablers Magazin 1/98, 24, 27. 489 Überblick bei Kreuter 30-33; Stahl, BuW 1997, 641, 643; zu Vollkostenbasis und Teilkos-

80

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

ser Zwischenformen ist die Erhöhung des Interesses an einer internen Leistung auf Verkäufer- und auf Käuferseite im Vergleich zu den eingangs dargelegten Marktpreis- bzw. Grenzkostenverrechnungen490. Das Grundproblem, dass bei Marktpreisen interne Bezugsmöglichkeiten zu Lasten einer Fixkostendeckung nach außen verlagert werden bzw. bei Grenzkostenverrechnung das verkaufende profit center keine Fixkostendeckung erhält, wird zum Teil durch Einstiegsklauseln abgemildert491. Bei diesem Schutzmechanismus hat das verkaufende profit center ein Einstiegsrecht dahingehend, dass die Käuferseite bei externer Bezugsvereinbarung diesen Preis dem verkaufenden profit center vorzulegen hat, damit das profit center gegebenenfalls darauf »einsteigen« kann 492 . Nur wenn das profit center von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, ist das kaufende profit center in seiner Bezugsentscheidung frei. Vermieden wird damit ein Fixkostendeckungsausfall. Mit diesen Einstiegsklauseln werden die äußeren Marktbedingungen in den internen Leistungsbezug integriert. Noch weiter geht eine solche Integration von Marktbedingungen bei neueren Ansätzen zur Verrechnung von innerbetrieblichen Leistungen, die eine marktnahe Situation zwischen verkaufendem und kaufendem profit center unterstellen. Beide Seiten können hier innerhalb des von der Unternehmensleitung vorgegebenen Verhandlungskorridors den Verrechnungspreis aushandeln493. An die Stelle der Nachahmung externer Marktbedingungen bei der Einstiegsklausel tritt somit der unmittelbare Marktvollzug innerhalb des Unternehmensverbundes494. Marktnachahmung und Marktvollzug zeichnen sich damit auch auf rechtstatsächlicher Ebene als Regelungsstrukturen im Unternehmensverbund ab und es fragt sich, wie die rechtliche Regelung dem Rechnung trägt (dazu Zweiter Teil). Zuvor ist jedoch noch der Stellenwert des Marktes im Unternehmen für die Marktteilnahme des Unternehmens im Außenverhältnis am Beispiel von Beteiligungskapital-Gesellschaften aufzuzeigen (dazu C.). C. Das Unternehmen

als Intermediär

1. Funktionsschwächen

des Kapitalmarktes

zur bei der

Kapitalmarktermöglichung Innovationsfinanzierung

Bereits die theoretischen ökonomischen Grundlagen haben die Zusammenhänge zwischen Informationsasymmetrien aufgrund einer »adverse selection« auf Protenrechnung auch Strehlau-Schwoll, Profitcenter und Prozessorientierung 72, 75; zur KostenPlus-Methode Theisen, Holding Handbuch 400, 430f. 490 Stahl, Gablers Magazin 1/98, 24, 26. 491 Treffend als Zielkonflikt zwischen Motivations- und Koordinationsfunktion von Verrechnungspreisen bezeichnet bei Frese, zfbf 47 (1995) 942, 950f. 492 Stahl, BuW 1997, 641, 643. 493 Kreuter 35; Strehlau-Schwoll, Profitcenter und Prozessorientierung 72, 75f.; empirisch zu damit verbundenen Fairnesserwartungen Kachelmeier/Towry, Acct. Rev. 77 (2002) 571-593. 4 9 4 Aus theoretischer Sicht zu den ökonomischen Grundlagen von Marktnachahmung und Marktvollzug als Anreizstrukturen siehe bereits I I . C . l .

III.

Rechtstatsachen

81

duktmärkten und der Kapitalknappheit bei einer diesbezüglichen Projektfinanzierung aufscheinen lassen 495 . Innovierende Projekte bilden angesichts ihrer schwierigen Bewertbarkeit insbesondere im Entwicklungsprozess das Paradebeispiel für eine adverse selection. Folglich birgt auch der Zugang zu finanziellen Mitteln für eine Innovationsfinanzierung dieselben Schwierigkeiten, die sich bereits als Transaktionshemmnis für einen marktlichen Austausch abzeichneten 496 . Bei einer Emission von Aktien wiederholt sich das »Zitronen«-Problem wegen der Informationsasymmetrien zugunsten der gegenwärtigen Anteilseigner und ihres Managements im Hinblick auf eine Bewertung des finanzierungsbedürftigen Projekts 497 . Auch der Kreditmarkt kann bei dieser Sachlage im Lichte des Modells der Kreditrationierung keine Lösung des Kapitalproblems bereithalten 498 . Lassen sich an die Stelle nicht funktionsfähiger Preismechanismen auf dem Kapitalmarkt Unternehmen als Intermediäre einsetzen, die das Problem der Innovationsfinanzierung beheben? Insbesondere venture capital übernimmt als Wagniskapital die Finanzierung nicht börsennotierter Unternehmen mit Eigenkapital über einen begrenzten Zeitraum 499 . Als Gegenleistung erhält das venture capital zur Verfügung stellende Unternehmen zwar in der Regel keine nennenswerte Dividende, sondern zielt stattdessen auf einen Ausstieg (exit) mit Kapitalgewinn durch den Verkauf des gesamten Unternehmens oder durch einen Börsengang ab, der die Kapitalbeteiligung marktgängig macht 500 . Da venture capital-Gesellschaften neben ihrer Finanzierungsleistung auch betriebswirtschaftliche Hilfe im Unternehmen gewähren, operieren sie an der Schnittstelle zwischen Unternehmens- und Finanzsphäre 501 . Bei Aufnahme einer Beteiligung erfüllen sie zunächst wichtige Selektionsfunktionen, indem sie förderungswürdige Unternehmen identifizieren. Terminologisch ist der Unterschied zwischen dem angloamerikanischen Sprachgebrauch, der venture capital im Gegensatz zu private equity begrifflich auf die Finanzierung neu gegründeter Unternehmen beschränkt, und der weiter gehenden deutschen Terminologie zu beachten 502 . In Ubereinstimmung mit Letzterer sollen auch hier mit venture capital Kapitalgeber für alle Finanzierungsphasen erfasst werden 5 0 3 . Siehe oben II.B.l. Hierzu siehe oben II.B.l. 497 Hierzu oben II.B.l. 498 Zum Modell der Kreditrationierung Stiglitz/Weiss, Am. Econ. Rev. 71 (1981) 393-410; im Einzelnen siehe oben II.B.l. 499 Exemplarisch der Titel »Wagnisfinanzierung« bei R. Nitschke. 500 Diese Verwertungsorientierung des venture capital verdeutlichend Black/Gilson, J. Fin. Econ. 47 (1998) 243-277. 501 Gaida 5. 502 Abgrenzung der Anlagekategorie des private equity bei Bader 4-15. 503 Zu diesem Sprachgebrauch unter Bezugnahme auf den Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften als »German Venture Capital Association« Achleitner, Handbuch Finanzierung 513, 514. 495

496

82

2. Kapitalmarktgetriebene a) Die Herausbildung für venture capital

1. Teil: Konzeptionelle

Finanzierung

Grundlagen

durch venture

der limited partnership

als

capital in den USA Finanzierungsvehikel

Zwar lassen sich bereits die Vorläufer der Kommanditbeteiligungen, die commenda-Verhältnisse im Mittelalter, mit dem Prinzip der Kapitalhingabe für fremde Projekte der Grundidee nach als Strukturen zur Wagniskapitalfinanzierung charakterisieren 5 0 4 . Dies w i r d insbesondere im Seehandel deutlich, w o sich Gefahrengemeinschaften als Vermögensverbünde herausbildeten, die etwa einem aktiven Partner das für eine Reise oder Unternehmung notwendige Kapital zur Verfügung stellten 505 . Eine systematische Herausbildung von auf eine solche Risikotragung durch Beteiligungsfinanzierung spezialisierte Unternehmensform nahm jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den U S A ihren Anfang. Den ersten Schritt zur Entwicklung US-amerikanischer Beteiligungskapital-Gesellschaften (»venture capital f u n d s « ) macht die American Research and Development Corporation (ARD) 5 0 6 . Ungeachtet ihrer publizistischen W i r k u n g markiert die A R D in Anbetracht der nur geringfügig über der Rendite etablierter Industrieunternehmen liegenden Rendite noch nicht den maßgeblichen Anstoß für die später in der Innovationsfinanzierung äußerst erfolgreichen BeteiligungskapitalGesellschaften 5 0 7 . Sehr viel stärker von staatlicher Regulierung geprägt sind die in den sechziger Jahren aktiven Small Business Investment Companies (SBICs). Sie sind aufgrund der Lizenzierung bei der Small Business Administration (SBA) mit der damit einhergehenden A u f n a h m e zinsgünstiger Kredite der SBA an die Vorgaben der Securities and Exchange Commission (SEC) w i e etwa Investitionsrestriktionen und Beschränkungen ihres Einflusses auf die finanzierten Unternehmen gebunden 5 0 8 . Ungeachtet der über dem Branchendurchschnitt liegenden Rendite der bankabhängigen SBICs scheitern die SBICs in ihrer Gesamtheit an drei Schwächen des ihnen zugrunde liegenden Regulierungskonzepts. Sie können in ihren Beteiligungsunternehmen keine maßgeblichen Kontrollfunktionen wahrnehmen, ihren Investitionsmanagern keine effektiven Anreize bieten und nicht durchgehend

504 Unter dem Gesichtspunkt der Haftungsbeschränkung Nachzeichnung der Entwicklung bei ]. Meyer 47-59. 505 /. Meyer 48f.; entsprechender Hinweis auch in der ökonomischen Literatur auf die Seefahrt bei Schween 25. 506 Fenn/Liang/Prowse 7; Gompers/Lerner 6; in der deutschen Literatur zur ARD Gaida 40-60. 507 Zur publizistischen Wirkung Bygrave/Timmons 150; zur nur mittelmäßigen Rendite Abbott/Hay 5; vergleichsweise Zusammenstellung der Renditen verschiedener US-amerikanischer Beteiligungskapital-Gesellschaften bei Bygrave/Timmons 151. 508 Uberblick bei Fenn/Liang/Prowse 8; Im Einzelnen Noone/Rubel 29-41; in der deutschen Literatur hierzu Gaida 61-95.

III.

Rechtstatsachen

83

von günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen profitieren 5 0 9 . Trotz so renommierter Empfänger von SBIC-Beteiligungen wie Amagen, Apple, Federal E x press und Intel kann sich die S B I C nicht als dominierende Organisationsform für venture capital durchsetzen 5 1 0 . Stattdessen tritt die Rechtsform der limited partnership, das Äquivalent zur Kommanditgesellschaft im US-amerikanischen Recht, ihren Triumphzug als Finanzierungsvehikel für venture capital an 5 1 1 . Die ersten limited partnerships zur venture capital-Finanzierung werden Anfang der sechziger bzw. Ende der fünfziger Jahre gegründet 512 . Die Halbleiter-, die Computer- sowie die Biotechnologieindustrie erweisen sich als Nutznießer der hierdurch ermöglichten Innovationsfinanzierung 5 1 3 . Nicht nur steuerliche Gründe sind ausschlaggebend für die besondere Eignung der Rechtsform der limited partnership für die venture capital-Finanzierung 5 1 4 . Insbesondere die Vermeidung der Lizenzierungsanforderungen durch die S B A und die der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben der S E C wie die bereits oben genannten Investitionsrestriktionen und die Beschränkungen des Einflusses auf die finanzierten Unternehmen sind als Erfolgsfaktoren der limited partnership als venture capital fund zu nennen 5 1 5 . Insoweit eröffnet die limited partnership den Beteiligten die Möglichkeit, ihre Investitionstätigkeit vom Kapitalmarkt und den damit verbundenen regulierungsrechtlichen Steuerungsmechanismen abzuschirmen 5 1 6 .

5 0 9 Zusammenstellung dieser Nachteile der SBICs bei Gaida 94; zu den kontraproduktiven Anreizen der Regulierung und zu den steuerlichen Einflüsssen des Deficit Reduction Act von 1984 exemplarisch Kozmetsky/Gill/Smilor 21. 510 Gaida 95. 511 Fenn/Liang/Prowse 9f.; grafische Veranschaulichung bei Gompers/Lerner, J. Econ. Persp. 15 (2001) 145, 148. 512 Bygrave/Timmons (11) zur ersten limited partnership von Arthur Rock und Tommy Davis; Gompers/Lerner (J. Econ. Persp. 15 [2001] 145,147) zur Draper partnership als erster limited partnership von 1958. 5 1 3 Uberblick über die vom venture capital profitierenden Industriezweige bei Bygrave/Timmons 95-121; zum Zusammenhang innovativer Unternehmen und Finanzierungsstrategien im Rahmen der US-amerikanischen Wirtschaft am Beispiel der Medienindustrie, der Mikroelektronik und der Biotechnologie auch Teitelman 52-202; konkrete Fallbeispiele aus den Bereichen der Biotechnologie (Agrion, Calgene), der Halbleiterindustrie (Visic), der Computerindustrie (Ridge, Read-Rite), Medizintechnik (Salutar) Kunze 115-209. 5 1 4 Zu den steuerlichen Gründen einer Vermeidung doppelter Besteuerung der Gewinne auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene z.B. Dauchy/Harmon, Computer Law. 3 No. 11 (1986) 1, 2f.; indirekt auch Gompers, Bus. & Econ. Hist. 23 no. 2 (1994) 1, 23. 515 Fenn/Liang/Prowle 9; ein empirischer Nachweis der positiven Auswirkung der Rechtsform der limited partnership auf deren Leistungsfähigkeit bei ihren Investitionen steht jedoch noch aus (Gompers/ Lerner 120). 5 1 6 Zu diesem Abschirmungseffekt der limited partnership auch Gaida 98.

84

b) Informationsasymmetrien des Vertragsdesigns

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

auf dem Kapitalmarkt

als

Bestimmungsfaktoren

An die Stelle der mit dem Kapitalmarkt verbundenen Steuerung treten gesellschaftsvertraglich vereinbarte Steuerungsmechanismen, denen folglich eine kapitalmarktersetzende Funktion zuzuschreiben ist. Damit ist strukturell bereits die Funktion der Beteiligungskapital-Gesellschaft als Intermediär zwischen Kapitalgebern und kapitalsuchenden Unternehmen angelegt 517 . Im Aufbau ist zwischen dem unbeschränkt haftenden general partner und den beschränkt haftenden limited partners zu unterscheiden. Der general partner ist eine weitere limited partnership, deren general partner in der Regel eine unabhängige venture capitalManagementgesellschaft ist und deren limited partners die Partner dieser Gesellschaft sind 518 . Die venture capital-Managementgesellschaft ruft die Beteiligungskapital-Gesellschaft ins Leben, investiert die Gelder in die einzelnen Beteiligungsunternehmen, überwacht und berät diese Unternehmen und veräußert schließlich die Beteiligungen 519 . Häufig wird sie Fonds verschiedener venture capital-Investoren verwalten. Bei dieser Beteiligungsverwaltung sind zwei Finanzierungsbeziehungen voneinander zu unterscheiden, zum einen das Beteiligungsmanagement gegenüber den Portfolio-Unternehmen und zum anderen die Investmentbeziehung zu den Kapitalgebern. Beide sind durch hohe Informationsasymmetrien geprägt, die es durch gesellschaftsvertragliche Vorkehrungen der limited partnership zu überwinden gilt. Damit bildet die limited partnership als Beteiligungskapital-Gesellschaft den Paradefall einer Organisation, die marktlich unüberwindbare Transaktionshemmnisse durch die Verminderung von Informationsasymmetrien überbrückt 5 2 0 . Das Beteiligungsmanagement der Gesellschaft gegenüber den Portfoliounternehmen wird durch zwei Ausprägungen von Informationsasymmetrien bestimmt. Zum einen führen Informationsasymmetrien bei der Auswahl der Portfoliounternehmen hinsichtlich der exogen gegebenen Qualität des Unternehmens zur Negativauslese, der »adverse selection« 521 . Zum anderen resultiert

517 Zur Intermediärfunktion von venture capital funds Gompers/Lerner, J. Econ. Persp. 15 (2001) 145; Haar, EBOR 2 (2001) 585, 59\i.;Jeng/Wells, J. Corp. Fin. 6 (2000) 241, 245f.; Suchman 127-224; Triantis, U. Chi. L. Rev. 68 (2001) 305, 308-311; ein übergreifendes Modell vom Unternehmen als Intermediär siehe Spulber 8-13; kritisch hierzu neuerdings unter dem Gesichtspunkt denkbarer Vergeltungsmaßnahmen der Portfoliounternehmen Utset, Wis. L. Rev. (2002) 45-168. 518 Im Rechtsvergleich Deutschland - USA hierzu Baums/Möller, Liber Amicorum Buxbaum 33, 34; zur Bedeutung dieser professionellen venture capital-Managementgesellschaften Kozmetsky/Gill/Smilor 35-38; Veranschaulichung der Beteiligungskonstruktion bei Zemke 114. 519 Uberblick über die Aufgaben der venture capital-Managementgesellschaft bei Grisebach 111-114; Zemke 123f. 520 Hierzu in ökonomischer Hinsicht bereits oben II.B.l. 521 Zur Informationsasymmetrie aufgrund von »adverse selection« siehe schon oben II.B.l.

III.

Rechtstatsachen

85

aus Beaufsichtigungsschwierigkeiten gegenüber den Portfoliounternehmen für das Beteiligungsmanagement das Risiko des moral hazard 5 2 2 . Die Probleme einer Negativauslese aufgrund von adverse selection bei der Beteiligungsauswahl lassen sich durch die Anforderung von Unternehmensplanungsdokumenten (»business plans«) und die Ausrichtung der Beteiligungsentscheidung an der beruflichen Qualifikation des Unternehmers im Portfoliounternehmen mindern 5 2 3 . Darüber hinaus fordern die Beteiligungsmanager einer Beteiligungskapital-Gesellschaft häufig vor der Eingehung einer Beteiligung vom Portfoliounternehmen die Benennung eines anderen Konsortialbeteiligten, der mit seiner Beteiligung die Attraktivität des Investments bestätigt 5 2 4 . U m die Gefahren nachträglicher Verhaltensunsicherheiten (moral hazard) seitens des Portfoliounternehmens zu mindern, setzen Beteiligungskapital-Gesellschaften in der Regel die zeitliche Staffelung ihrer Kapitalzufuhr als Beaufsichtigungsmechanismus ein 5 2 5 . Diese Staffelung kann sich über mehrere Finanzierungsphasen, wie die so genannte Seed-Phase der Grundlagenentwicklung bis zur Expansionsphase des Markteintritts bzw. des Wachstums erstrecken oder auch innerhalb einer Phase die Kapitalzufuhr von der Verwirklichung bestimmter Zielvorgaben abhängig machen 5 2 6 . Bei dieser Kapitalzufuhr fungiert die Beteiligungskapital-Gesellschaft nicht nur als Financier, sondern zugleich als marktermöglichende Beurteilungsinstanz, die Qualitätssignale hinsichtlich des finanzierten Projekts für die anderen Kapitalmarktteilnehmer aussendet 527 . Vervollständigt wird die Unternehmensbeaufsichtigung beim Beteiligungsmanagement durch die neben die Finanzierungsmechanismen tretende Vertretung Zur Informationsasymmetrie aufgrund von »moral hazard« siehe oben I I . B . l . Empirisch hierzu Amit/Glosten/Muller, Mgmt. Sei. 36 (1990) 1232-1245; zum business plan und den Anforderungen an ihn Davidson/Davidson, Comp. L.J. 6 (1986) 387, 401-404; zur empirischen Erfolgsrelevanz der Unternehmensplanung allerdings bei der venture capital-Finanzierung in Deutschland Schefczyk 282-287; zum praktischen Ablauf der Prüfung der Beteiligungswürdigkeit Pichotta 35-109. 524 Lerner, Fin. Mgmt. 23 (1994) 16-27. 5 2 5 Erklärungsmodell, das die Staffelung der Kapitalzufuhr als Instrument der Verminderung von Informationsasymmetrien einstuft, bei Admati/Pfleiderer, J . Fin. 49 (1994) 371-402; Gompers,}. Fin. 50 (1995) 1461-1489; Sahlman, J. Fin. Econ. 27 (1990) 473,506f.; aus juristischer Sicht Utset, Wis. L. Rev. (2002) 45,64-66; zu aus der Staffelung resultierenden Sicherheitsanreizen seitens des Unternehmers Bigus, D B W 62 (2002) 398-408; zur Meilensteinfinanzierung im Rahmen des Beteiligungsvertrages aus der Sicht des deutschen Rechts C. Winkler 240-248; Ziegert 122-130. 5 2 6 Zu den Phasen der venture capital-Finanzierung/lcWeziKer, Finanzierungshandbuch 513, 515f.; zum Kontrollpotenzial der verschiedenen Formen der Staffelung der Kapitalzufuhr Gaida l l l f . ; Zemke 236-238. 527 Admati/Pfleiderer, J . Fin. 49 (1994) 371-402; zum Stellenwert eines Unternehmens als Intermediär und marktermöglichende Instanz übergreifend Spulber 8 f.; zu den daraus resultierenden Implikationen der Kapitalzufuhr durch eine Beteiligungskapital-Gesellschaft für die Bewertung des Portfoliounternehmens Gompers/Lerner, J. Fin. Econ. 55 (2000) 281-325; empirische Bestätigung der Zertifizierungsrolle der Beteiligungskapital-Gesellschaft beim Börsengang des Portfoliounternehmens Megginson/Weiss, J. Fin. 46 (1991) 879-903. 522

523

86

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

der Beteiligungskapital-Gesellschaft in den Geschäftsführungsgremien des Portfoliounternehmens. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang außerdem die vertragliche Vereinbarung einer Beteiligung am Unternehmen über »convertible securities« wie beispielsweise Wandelanleihen oder spezielle GenussrechtskapitalKonstruktionen, die eine Kontrollübernahme im Falle schlechter Leistung ermöglichen 5 2 8 . Diese einzelnen Gestaltungselemente der Auswahl und Mitwirkung in Portfoliounternehmen der Beteiligungskapital-Gesellschaft verdeutlichen, wie deren Beteiligungsmanagement Informationsasymmetrien verringert, die über den Preismechanismus des Kapitalmarktes nicht zu bewältigen sind 5 2 9 . Das Beteiligungsmanagement durch die Beteiligungskapital-Gesellschaft konkretisiert demnach den Stellenwert des Unternehmens aus der Sicht der Theorie der Unternehmung, Marktschwächen auszugleichen 530 . Auch die Finanzierungsbeziehung zwischen dem geschäftsführenden general partner und den investierenden limited partners ist durch Informationsasymmetrien insbesondere hinsichtlich von Verhaltensunsicherheiten im Rahmen der Vertragsabwicklung beim Beteiligungsmanagement (»moral hazard«) gekennzeichnet 5 3 1 . Eine Kontrolle durch die limited partners wird hier zunächst einmal ebenfalls über die Staffelung der Kapitalzufuhr verwirklicht. So ist die Lebensdauer einer Beteiligungskapital-Gesellschaft in aller Regel befristet, so dass sich der Investor die Finanzierung in weitere Fonds bzw. im Rahmen weiterer Finanzierungsrunden derselben Beteiligungskapital-Gesellschaft in Abhängigkeit von der Rendite vorbehalten kann 5 3 2 . Ü b e r die Erzielung einer überdurchschnittlichen Rendite muss sich die Geschäftsführung der Beteiligungskapital-Gesellschaft darüber hinaus in Anbetracht des Wettbewerbs um Kapitalgeber eine gute

5 2 8 Zum Zusammenhang zwischen der Vereinbarung von »convertible securities« und exitStrategien BascbafWalz, J. Corp. Fin. 7 (2001) 285-306; zur Mitwirkung der BeteiligungskapitalGesellschaft in den Geschäftsführungsgremien quantitativ Gorman/Sahlman,]. Bus. Venturing 4 (1989) 231-248; zur Mitwirkung bei der Unternehmensleitung zusammenfassend auch Kaplan/Strömberg, Am. Econ. Rev. 91 (2001) 426,428f.; zur mit der Mitwirkung bei der Unternehmensleitung einhergehenden Verteilung der Kontrollrechte, die die Beteiligungskapital-Gesellschaft in über den Wert ihrer Beteiligung hinausgehendem Maße beanspruche, Kirilenko, J . Fin. 56 (2001) 565-587; Fragebogenerhebung, wonach sich Mitwirkung vor allem auf finanzielle Aspekte und weniger auf operationelle Fragen erstreckt, bei Macmillan/Kulow/Kboylian, J . Bus. Venturing 4 (1988) 27-47; zur Mitwirkung und den sie beeinflussenden Variablen Lerner, J. Fin. 50 (1995) 301-318; Sablman, J . Fin. Econ. 27 (1990) 473, 508f.; zur Gestaltung der Finanzierungsstruktur in Abhängigkeit von der Finanzierungsphase Trester, J. Banking & Fin. 22 (1998) 675-699; in der deutschen Literatur zur Betreuungsfunktion der Beteiligungskapital-Gesellschaften Klemm 124-137; zur Vereinbarung der Finanzierungsstruktur und den Gestaltungsmöglichkeiten Grisebach 200-205; zur Bedeutung dieser Wandelungsrechte in Deutschland und im deutschen Recht Ziegert 135f. 5 2 9 Entsprechend schon Haar, E B O R 2 (2001) 585, 591f. 5 3 0 Hierzu bereits oben II.A.2. 531 Zur Informationsasymmetrie aufgrund von moral hazard siehe oben I I . B . l . 532 Sablman, J. Fin. Econ. 27 (1990) 473, 494.

III.

Recbtstatsachen

87

Reputation erarbeiten, um auch in später aufgelegten Gesellschaften für das Beteiligungsmanagement berücksichtigt zu werden 533 . Einen entscheidenden Beitrag zur Verminderung des Risikos nachträglicher Verhaltensunsicherheiten leistet schließlich die Gestaltung der Vergütung der Manager der Beteiligungskapital-Gesellschaft. So erhalten die Manager einen kleineren erfolgsunabhängigen Betrag in Höhe von etwa 2 - 3 % (»management fee«), der sich in seiner H ö h e nach der Größe des Fonds richtet 534 . Den erfolgsabhängigen Teil seiner Vergütung (»carried interest«) erhält ein Manager jedoch in voller H ö h e erst bei der Liquidation, das Übertreffen einer Mindestrendite für die Investoren vorausgesetzt 535 . Damit unterliegt die Bewertung der Managementleistungcn über die Rendite Kapitalmarktmaßstäben und schafft für die Beteiligungsmanager den Anreiz, ihre Dienste über die volle Lebensdauer des Fonds zur Verfügung zu stellen. Insgesamt weisen alle der Verminderung des moral hazard dienenden Gestaltungselemente eine Ankopplung an Kapitalmarktmaßstäbe auf. Sowohl der Wettbewerb um Anleger, die Reputation als auch die erfolgsabhängige Vergütung werden durch die von der Beteiligungskapital-Gesellschaft mit ihren Beteiligungen auf dem Kapitalmarkt erzielten Rendite bestimmt. Demzufolge ist die Finanzierungsbeziehung zwischen Kapitalgebern und Managern von Kompensationsmechanismen geprägt, die durch eine Nachahmung von Kapitalmarktmaßstäben versuchen, der Verwirklichung eines von Transaktionshemmnissen freien Austausches möglichst nahe zu kommen 5 3 6 . Letztlich wird damit sowohl im Verhältnis zwischen Beteiligungsmanagement und Portfoliounternehmen als auch in der Finanzierungsbeziehung zwischen den Beteiligungsmanagern und den Investoren der Kapitalmarkt trotz erheblicher Transaktionshemmnisse aufgrund von Informationsasymmetrien operationalisierbar gemacht.

533 Zur Bedeutung der Reputation des Beteiligungsmanagements im Lichte der geringeren Erfolgsabhängigkeit der Vergütung bei neueren Beteiligungskapital-Gesellschaften Gompers/Lerner,}. Fin. Econ. 51 (1999) 3, 8, 26f.; Guido. 105; Zemke 150f. 534 Zur Abhängigkeit dieses Vergütungsbestandteils von der Fondsgröße Gompers/Lerner, J. Fin. Econ. 51 (1999) 3,21 f., 25; zur Höhe und Vertragsgestaltung im Einzelnen auf der Grundlage einer Umfrage Venture Economics/Morris/ McGough 21-27; zur Höhe im Einzelnen und zur Berechnungsbasis Zemke 168-175. 535 Im Einzelnen Halloran/Morrow/Currie1 I 31; zu den damit verbundenen so genannten »vesting schedules« Venture Economics/Morris/McGough 46; Zemke 175-182; im deutschen Recht Winkler 187-207. 536 Zur entsprechenden Verwirklichung einer second-best-Lösung im Unternehmen Holmstrom, J . L . Econ. & Org. 15 (1999) 74, 89f.; Holmstrom/Milgrom, Am. Econ. Rev. 84 (1994) 972-991; Kräkel 20; mit der first-best-Lösung wird die Annahme der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie der Existenz Pareto-effizienter, perfekt kompetitiver Gleichgewichte bezeichnet (siehe oben II.A.2.b).

88

1. Teil: Konzeptionelle

c) Grenzen

der Intermediärfunktion

Grundlagen

beim corporate

venture

capital

Zur Finanzierung durch unabhängige Beteiligungskapital-Gesellschaften als Kapitalmarktintermediäre parallel entwickelt hat sich in den USA das so genannte corporate venture capital537. Hiermit lassen sich die venture capital-Aktivitäten von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen erfassen, die mit finanzieller und strategischer Zielsetzung verfolgt werden 538 . Corporate Venture Capital lässt sich intern über Beteiligungen, über ein Tochterunternehmen oder über externe Fonds organisieren. Bei den externen Fonds ist dann zwischen von einem Mehrheitsgesellschafter dominierten so genannten »captive« Fonds, »semi-captive« Fonds mit kleinem Gesellschafterkreis und »independent« Fonds mit breitem Anlegerkreis zu unterscheiden539. Wichtig für die Abgrenzung von unabhängigen Beteiligungskapital-Gesellschaften ist die gegenüber Renditezielen vorrangige strategische Zielsetzung des beteiligten Industrie- oder Dienstleistungsunternehmens, die sich auf die Technologiebeobachtung, zukünftiges Wachstum und Diversifikation, die Unterstützung von Ausgliederungen oder den Transfer der Unternehmenskultur der Portfoliounternehmen in das eigene Unternehmen richten kann 540 . Als bedeutende frühe Beispiele des corporate venture capital in den USA sind die Beteiligungen von General Motors an DuPont, die Unterstützung von RCA durch GE und AT&T sowie einige Investitionen von Xerox hervorzuheben 541 . Praktisches Anschauungsmaterial liefert das Beispiel von Xerox Technology Venture (XTV), das mit der Zielsetzung zukünftigen Wachstums und Diversifikation auf der Grundlage technologischer Neuerung von Xerox als Tochtergesellschaft ins Leben gerufen wurde 542 . Als Erfolg dieses Projekts sind seine im Vergleich zu unabhängigen Beteiligungskapital-Gesellschaften hohe Rendite sowie seine innovativen Produktneuerungen auf der Konzernmutter nahe stehenden Produktionsfeldern hervorzuheben 543 . Letzteres bestätigt den hohen Stellenwert einer klaren strategischen Ausrichtung für den Erfolg von corporate venture capital544. Ungeachtet seines beträchtlichen Erfolgs wurde XTV jedoch 1996 vorzeitig aufgelöst und durch Xerox New Enterprises (XNE) ersetzt545. Diese Beendigung beleuchtet schlaglichtartig den besonderen strukturell angelegten Konflikt, der in der organisatorischen Struktur von XTV bereits angelegt 537 538 539 540

Zur Parallelität dieser Entwicklung Gompers/Lerner 97-99. Zum Begriff Bosse, ZfP 12 (2001) 117; Schween 18f.; C. Winkler Iii. Übersicht und grafische Veranschaulichung bei Bosse, ZfP 12 (2001) 117, 120f. Zu diesen Zielsetzungen Bosse, ZfP 12 (2001) 117,118 f.; Rind, Strat. Mgmt. J. 2 (1981) 169,

173 f. Zu diesen Beispielen auch Rind, Strat. Mgmt. J. 2 (1981) 169, 172; Schween 29. Im Einzelnen im Rahmen einer Fallstudie hierzu Lerner 449-472. 543 So auch das Resümee bei Gompers/Lerner 104 f. 544 Zur hohen Bedeutung klarer strategischer Zielsetzung für den Erfolg von corporate venture capital Gompers/Lerner, Determinants 25-27, 34. 545 Ubersicht über die Erfolge bei Lerner 461-468. 541

542

III.

Rechtstatsachen

89

und durch die Annäherung von X N E an die Struktur einer konventionellen Tochtergesellschaft vermieden werden soll 5 4 6 . So war die Organisation von X T V ganz erheblich den typischen Vereinbarungen unabhängiger BeteiligungskapitalGesellschaften angenähert. Dies schlug sich in der Autonomie der Geschäftsführung bei Investitionsentscheidungen und bei der Beaufsichtigung der Portfoliounternehmen, in der erfolgsabhängigen Vergütung der Geschäftsführung in Analogie zu den »carried interest«-Strukturen der unabhängigen Beteiligungskapitalpraxis und der damit einhergehenden Erfolgsorientierung von X T V an der Rendite nieder 5 4 7 . In Anbetracht der vorzeitigen Auflösung von X T V könnte diese Integration des Kapitalmarktes in das Unternehmen im Gegensatz zur Situation bei unabhängigen Beteiligungskapital-Gesellschaften zu Brüchen mit der K o n zernstruktur in ihrer Gesamtheit und der Eingliederung der corporate venture capital-Einheit geführt haben 5 4 8 . Lässt sich die klare strategische Zielsetzung als entscheidender Erfolgsfaktor für corporate venture capital identifizieren, so lässt dies einen Konflikt zwischen der Ausrichtung an Kapitalmarktmaßstäben und der an der einheitlichen Konzernstrategie aufscheinen 549 . Dieser Konflikt schlägt sich letztlich auch in dem empirischen Befund nieder, dass X e r o x ' ursprüngliche Beteiligungsquote in Bezug auf seine innovationsorientierten Technologietochterunternehmen negativ mit dem Erfolg dieser Unternehmen korreliert und Letzteres auf die Managementpraktiken in ihnen zurückzuführen ist 5 5 0 . Insgesamt zeichnet sich damit bereits auf rechtstatsächlicher Ebene das Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftsinternem marktähnlichem Ausgleich nach personengesellschaftsrechtlichen Regelungsmustern und einheitlicher Konzernleitung ab 5 5 1 .

So auch die Einschätzung bei Gompers/Lerner 104. Zu dieser Parallelität bei den Verträgen unabhängiger Beteiligungskapital-Gesellschaften im Einzelnen Lerner 456f.; für eine Übernahme entsprechender Anreizmechanismen auch bei corporate venture capital auch Rind, Strat. Mgmt. J. 2 (1981) 169, 177f. 5 4 8 Angedeutet auch bei Gompers/Lerner 105; Gompers/Lerner, Money 160f.; zu diesem Problem des corporate venture capital allgemein Siegel/Siegel/Macmillan,]. Bus. Venturing 3 (1988) 233, 238f. 5 4 9 Zur Erfolgsrelevanz klarer strategischer Ausrichtung bei corporate venture capital Gompers/ Lerner, Determinants 25-27, 34; zum Problem einander widersprechender Kapitalmarktbzw. Konzernziele auch Rind, Strat. Mgmt. J. 2 (1981) 169,176; ähnlich zur Begründung für das Scheitern zahlreicher corporate venture capital-Projekte Hardymon/DeNino/Salter, Harv. Bus. Rev. May-June 1983, 114-120; zum daraus resultierenden Problem anreizkompatibler Vergütung für Beteiligungsmanager beim corporate venture capital Block/Ornati, J. Bus. Venturing 2 (1987)41-51. 546

547

550 551

Chesbrough, Research Policy 32 (2003) 403-421. Aus rechtlicher Sicht hierzu im Einzelnen siehe unten Dritter Teil.

90

1. Teil: Konzeptionelle

3. Beteiligungskapitalfinanzierung institutioneller Schwächen des a) Kapitalmarktüberbrückung

Grundlagen

in Deutschland Kapitalmarktes durch

im

Lichte

Kapitalbeteiligungsgesellschaften

Schlüssel für den Erfolg der US-amerikanischen venture capital-Branche ist demnach insgesamt ein funktionsfähiger Kapitalmarkt, dessen Bewertungsmechanismen zunächst in die Verträge der limited partnerships als Beteiligungskapital-Gesellschaften integriert werden. Realisiert wird er in seiner Aufnahmefähigkeit letztlich beim Börsengang der Portfoliounternehmen 5 5 2 . Demgegenüber ist in Deutschland ein aufnahmebereiter Emissionsmarkt erst zum Ende der neunziger Jahre mit dem Start des Neuen Marktes für innovierende Unternehmen ins Blickfeld gerückt und dies nicht dauerhaft, wie das Ende des Neuen Marktes zeigt 553 . Stattdessen kommt in Deutschland den Banken eine Schlüsselrolle zu, um die institutionelle Schwäche des Kapitalmarktes zu überbrücken 5 5 4 . So wurde die »Allgemeine Kapitalunion G m b H & C o K G « als eine der ersten Kapitalbeteiligungsgesellschaften 1965 überwiegend von Privatbanken gegründet 555 . Auch diese in Deutschland tätigen Kapitalbeteiligungsgesellschaften lassen sich in ihrer Funktion als Intermediäre zwischen Kapitalnachfrage und Investoren einstufen 556 . Sie zielen in ihrer Tätigkeit darauf ab, finanzielle Mittel bei Investoren aufzunehmen und in Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen ohne Börsenzugang zu investieren. Zu diesem Zweck errichten sie bei Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Fonds, in den das erforderliche Kapital eingebracht werden kann. Als Beteiligungsform an mittelständischen Unternehmen kommt entweder eine direkte Beteiligung oder eine stille Beteiligung mit oder ohne Managementunterstützung in Betracht 5 5 7 . Als Rechtsformen der Kapitalbeteiligungsgesellschaften sind meist die G m b H und die G m b H & C o K G zu verzeichnen 558 . Bedeutendste Kapitalgeber sind in Deutschland die Kreditinstitute, die häufig zugleich die Konzernmütter der Beteiligungsgesellschaften sind 559 . 5 5 2 So ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren der US-amerikanischen venture capital-Branche Gilson/Black,]. Fin. Econ. 47 (1998) 243-277; Milhaupt, Nw. U . L . Rev. 91 (1997) 865, 879-896. 5 5 3 Zur Verbesserung der Innovationsfinanzierung in Deutschland aufgrund der Möglichkeit zur Börsenemission am Neuen Markt Brunsch, B u W 2000, 565, 568; grafische Veranschaulichung der Entwicklung der Zahl der Neuemissionen bei Gaida 257; demgegenüber für eine vertragsrechtliche Kompensation der fehlenden Exit-Möglichkeit Zetzsche, N Z G 2002, 942-948. 5 5 4 Zur Einstufung Deutschlands und seiner Innovationsfinanzierung als Prototyp des bankenbasierten Finanzierungssystems im Vergleich mit den USA Bundesministerium für Wirtschaft 3f.; Gaida 191-193, 196-200; Milhaupt, Nw. U . L . Rev. 91 (1997) 865, 867. 555 Feldbausch 82. 556 Frey er 21; Gaida 216. 5 5 7 Uberblick über die unterschiedlichen Beteiligungsformen der verschiedenen Typen der Beteiligungsgesellschaften bei Berrios Amador, Aktivitäten 61, 62f. 558 Assmann/Schütze-Otto §27 Rdnr.29; C. Winkler 32; Ziegert 75. 5 5 9 Grafische Verdeutlichung, wonach die finanziellen Mittel der Banken 5 0 - 6 0 % des Beteiligungskapitalfonds der im Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften erfassten

III.

91

Rechtstatsachen

In ihrer Entwicklung taten sich die Kapitalbeteiligungsgesellschaften im Hinblick auf das Volumen des zur Verfügung gestellten Kapitals bis in die achtziger Jahre schwer 5 6 0 . Erst die achtziger und neunziger Jahre brachten ein rasantes Wachstum des Beteiligungskapitalvolumens 561 . Insbesondere eine Aufschlüsselung des investierten Beteiligungskapitals und der Kapitalbeteiligungsgesellschaften zeigt, dass als geförderte Finanzierungsphasen Leveraged Buy-outs, die Expansions-

und Wachstumsphasen

überwiegen 5 6 2 .

Insoweit

scheinen

die

Kapitalbeteiligungsgesellschaften nicht in einer mit den US-amerikanischen B e teiligungskapital-Gesellschaften vergleichbaren Weise die Aufgaben einer Innovationsfinanzierung

erfüllen und Funktionsschwächen

des

Kapitalmarktes

kompensieren zu können 5 6 3 . D e m liegt die Zielrichtung der Tätigkeit der Kapitalbeteiligungsgesellschaften im Lichte ihrer durch Interessenkonflikte gekennzeichneten Trägerschaft seitens der Kreditinstitute zugrunde. So zielte die Gründung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften durch Kreditinstitute darauf ab, die Eigenkapitalbasis der mittelständischen Beteiligungsunternehmen zu stärken, um auf diese Weise die bereits ausgereichten Kredite abzusichern 5 6 4 . Vorgesehen ist demzufolge nicht die Deckung eines echten Innovationsfinanzierungsbedarfs, sondern die Finanzierung etablierter und florierender mittelständischer Unternehmen 5 6 5 . Folgerichtig erwarben die Kapitalbeteiligungsgesellschaften zum Teil erst Beteiligungen zu Sanierungszwecken, wenn sich die Unternehmen ungünstig entwickelt hatten 5 6 6 . Demzufolge ging es hier nicht darum, BewertungsschwieMitglieder ausmachen, bei Gaida 268; neuere Zahlen auch bei Mittendorfer, Venture Capital und Private Equity 43, 55; Ziegert 75; so auch eine neuere SVTf-Studie (Fundraising 2004, 3), während nach der Statistik für 2005 der Anteil der Kreditinstitute beim Fundraising auf 11,6% zurückgegangen ist (BVK, Statistik 2005, 3). 560 Albach/Hunsdiek/Kokalj 161-163; Grafik bei Gaida 221. 561 Grafik zur Entwicklung des Beteiligungskapitalvolumens bei Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Jahrbuch 1997, 16; zur Entwicklung der Beteiligungsmärkte im europäischen Vergleich Licht, EU-Magazin 12/1999, 42, 43; grafische Inbezugsetzung von der Anzahl der Neuemissionen und der Entwicklung des Beteihgungsvolumens bei Gaida 257. 5 6 2 Aufschlüsselung der Neuinvestitionen nach Unternehmensphasen bei Bauer, Beteiligungsmarkt 17,18; Gerke/Bank/Neukirchen/Rasch/Rasch/Schröder/Spengel/Steiger/Westerheide 29; Aufschlüsselung der Beteiligungsgesellschaftennach Betätigungsfeldern bei Mittendorfer, Venture Capital und Private Equity 43, 58; Aufschlüsselung nach Finanzierungsphasen, in denen sich Sparkassen-Beteiligungsgesellschaften engagieren bei Nolte/Stummer, Die Sparkasse 2001, 211, 212; siehe auch den in der Statistik des B V K für 2005 ausgewiesenen Anteil der für Buy-out-Transaktionen eingeworbenen Fondsmittel in Höhe von 6 5 % (BVK, Statisik 2005, 4). 5 6 3 Zur Kompensation von Kapitalmarktschwächen bei der Innovationsfinanzierung durch US-amerikanische Beteiligungskapital-Gesellschaften siehe oben 2.b); zahlenmäßiger Vergleich, wonach in den U S A zwischen 1987 und 1996 jeder vierte Dollar in neu gegründete Unternehmen floss, in Deutschland hingegen nur jede fünfzehnte Mark, bei Gaida 272. 564 AIbach/Hunsdiek/Kokalj 164f.; Büschgen, Die Bank 1985, 220, 223; Hagenmüller, Kapitalbeteiligungsgesellschaft in Theorie und Praxis 21, 34. 565 Büschgen, Die Bank 1985, 220, 223. 5 6 6 Zum Beteiligungserwerb der Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Bank D B G zur Sanierung notleidender Unternehmen Frey er 151.

92

1. Teil: Konzeptionelle

Grundlagen

rigkeiten des Kapitalmarktes bei innovativen jungen Unternehmen zu vermeiden, sondern darum, die negative Bewertung etablierter Unternehmen mit geringen Eigenkapitalquoten zu überbrücken.

b) Kapitalmarktersatz

durch konzerngebundenes

Beteiligungskapital

Näher kommen dem Gedanken der Innovationsfinanzierung in Deutschland demgegenüber die venture capital-Engagements großer Industrieunternehmen. Als Startschuss für diese Entwicklung kann die Gründung der Techno Venture Management Gesellschaft, bestehend aus einer amerikanischen Gesellschaft und der deutschen T V M Techno Venture Management G m b H & C o K G , durch Siemens, die Matuschka Gruppe, die Advent Gruppe sowie T A Associates 1983 bezeichnet werden 567 . Das Kapital für ihren ersten Fonds wurde größtenteils ausschließlich von Industrieunternehmen aufgebracht 568 . Mittlerweile mehren sich auch die Industrieunternehmen, die sich eine eigene interne venture capital-Einheit aufbauen 569 . Exemplarisch sei an dieser Stelle auf einen der ersten Vorstöße in dieser Richtung von Siemens verwiesen, das mittlerweile seine Aktivitäten im Bereich venture capital in der zentralen Einheit namens Siemens Venture Capital bündelt 570 . Da sich die Investitionen dieser Einheiten an den strategischen Zielen der Muttergesellschaft ausrichten, wird corporate venture capital mittlerweile als einer der Schlüsselfaktoren zur Erreichung strategischer Wachstumsziele angesehen 571 . Uberdurchschnittlich stark sind die Einheiten im Medien-/Internet-/ Multimediasektor vertreten, daneben auch im Bereich Handel/e-commerce und Finanzdienstleistungen 572 . Ungeachtet ihrer wachsenden Bedeutung war den corporate investors und ihrem Risikokapital 1999 allerdings erst 8 , 5 % der investierten Mittel zuzuordnen 5 7 3 . Daher sei der Vollständigkeit halber noch auf staatliche Fördermaßnahmen für die Innovationsfinanzierung hingewiesen. Im Rahmen des nur exemplarisch genannten Programms »Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen« beteiligt sich die Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft m b H der Deutschen Ausgleichsbank mit stillen Beteiligungen von bis zu 1,5 Mio. Euro an innovativen Vorhaben kleinerer Unternehmen, die Beteiligung eines weiteren Kapitalgebers

Einzelheiten bei Kokalj/Albach, Die Bank 1987, 358, 359f. Kokalj/Albach, Die Bank 1987, 358, 360; grafische Aufschlüsselung bei Schween 32. 569 Im Jahre 2000 bereitgestelltes Investitionskapital von über einer Milliarde Mark nach Heller, technologie & management 1-2/2002, 24; Wallace, Börsenzeitung vom 16.6.2001, S. B4. 570 Im Einzelnen hierzu die Fallstudie bei v. Hardenberg 144-220; o. V., Siemens bündelt Risikokapital, Handelsblatt vom 6.9.2001, S. 19. 571 Am Beispiel Siemens zum strategischen Ziel des Transfers von Innovationen v. Hardenberg 84-88, 215-220; Heller, technologie & management 1-2/2002, 24, 25; Wallace, Börsenzeitung vom 16.6.2001, S. B4; zu den unterschiedlichen zugrunde liegenden Strategien Ziegert 77. 572 Dierkes/Weber, Financial Times Deutschland vom 14.2.2002, S. 29. 573 Zahlenmaterial bei Mittendorfer, Venture Capital und Private Equity 43, 57. 567 568

III.

Rechtstatsachen

93

in mindestens der gleichen H ö h e vorausgesetzt 5 7 4 . Ebenso wie die Beteiligungsförderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau sichert dieses Programm allerdings nicht nachhaltig die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes für eine Ermöglichung der Innovationsfinanzierung, sondern greift lediglich über eine Verbesserung der Konditionen zugunsten der nachfragenden innovativen Unternehmen in den Kapitalmarkt ein 5 7 5 . Zur Vermeidung einer potenziellen Anreizverkürzung bei den Marktteilnehmern ist demgegenüber ordnungspolitisch eine marktermöglichende Gestaltung der Rahmenbedingungen zugunsten innovativen U n ternehmertums vorzugswürdig. Eröffnet ist damit das Feld für die Gestaltung rechtlicher Regelungen im Lichte der Gewährleistung marktwirtschaftlicher Funktionsbedingungen.

D. Fazit der rechtstatsächlichen Problemerschließung Im Ergebnis lässt sich in rechtstatsächlicher Hinsicht die erhebliche praktische Bedeutung der konzerngebundenen Personengesellschaft nachweisen. Insbesondere die Medienbranche illustriert die Zweckmäßigkeit personengesellschaftsrechtlicher Strukturen, um die Unternehmenskontrolle etwa seitens der Verlegerfamilie von anteilsmarktlichen Einflüssen abzuschirmen und einer über Kapitalmarktmechanismen nicht möglichen Erfassbarkeit des Unternehmenswertes Rechnung zu tragen 5 7 6 . Wie sich innerhalb solcher personengesellschaftsrechtlicher Konzernstrukturen mit Hilfe marktähnlicher Ausgleichsmechanismen trotz Unternehmensgröße Dezentralisierungsvorteile aufgrund von Flexibilität und Innovationspotenzial wahren lassen, kann anhand des Konzepts der Mittelstandsholding gezeigt werden 5 7 7 . Hier werden insbesondere mit Hilfe einer profit center-Steuerung Preissignale als marktwirtschaftliche Steuerungselemente im Unternehmen instrumentalisiert, um organisationsbedingte Ineffizienzen zu vermeiden 5 7 8 . Die Abschirmung vom Anteilsmarkt trifft insbesondere in den US-amerikanischen Beteiligungskapital-Gesellschaften mit der Instrumentalisierung marktwirtschaftstypischer Anreizmechanismen zusammen 5 7 9 . Diese Gesellschaften ersetzen als Intermediäre zwischen Investoren und kapitalsuchenden Unternehmen den Kapitalmarkt. Mit Hilfe ihres spezifischen Vertragsdesigns integrieren hierbei die Beteiligungsmanager und die Investoren in der Beteiligungskapital-

Überblick über dieses Programm bei Posselt, Venture Capital und Private Equity 75, 76f. So auch Ziegert 78; schon im Hinblick auf die europäische Situation Haar, E B O R 2 (2001) 585, 5 9 2 - 5 9 4 ; Zahlenmaterial zur Beteiligungsförderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau bei Bauer, Beteiligungsmarkt 17, 19. 5 7 6 Siehe oben A. 5 7 7 Siehe oben B. 5 7 8 Siehe oben B.2. 5 7 9 Siehe oben C.2. 574

575

1. Teil: Konzeptionelle

94

Grundlagen

Gesellschaft Kapitalmarktmaßstäbe in ihre Finanzierungsbeziehung und operationalisieren insoweit trotz erheblicher Informationsasymmetrien den Kapitalmarkt für die Finanzierung des kapitalsuchenden Projektes 5 8 0 . G r e n z e n einer solchen Operationalisierung werden bei der Eingliederung des venture capital-Konzeptes in den Konzernaufbau beim corporate venture capital deutlich, w o Konflikte zwischen der konzernstrategischen Ausrichtung der venture capitalEinheit und ihrer marktlichen Steuerung aufscheinen 5 8 1 . Wie sich solche K o n f l i k te im H i n b l i c k auf die Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Deutschland bewältigen lassen, ist nunmehr im Lichte dieser rechtstatsächlichen Zusammenhänge zwischen der Abschirmung von anteilsmarktlichen Einflüssen und der Integration von Marktmaßstäben in das Gesellschaftsverhältnis rechtlich zu untersuchen 5 8 2 .

580 581 582

Siehe oben C.2.b). Siehe oben C.2.c). Zu den Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Deutschland siehe oben C . 3 .

Zweiter Teil

Gesellschaftsinterner Interessenausgleich durch Gesellschaftsvertrag Erste Umrisse der Grundlagen der Personengesellschaft, wie sie sich angesichts des Spannungsverhältnisses zwischen der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter und der organisationsrechtlichen Verselbständigung in der Wirtschaftsordnung bestimmen lassen, haben sich bereits im rechtlichen Eingangskapitel abgezeichnet. In Bezug zu setzen sind hier der Interessenausgleich der Gesellschafter untereinander und seine Außenwirkung bei der Marktteilnahme 1 . Nicht nur in den juristischen Vorarbeiten, sondern auch in der Ökonomie deutet sich eine Marktähnlichkeit des gesellschaftsinternen Interessenausgleichs aufgrund fortbestehender Koordinationslücken an, die sich rechtstatsächlich veranschaulichen lässt 2 . Für die wichtigsten drei Anwendungsfelder potenzieller Marktbildung, die Willensbildung (dazu I.), die Finanzierung (dazu II.) und die Unternehmensleitung (dazu III.), ist nunmehr im Einzelnen zu klären, inwieweit rechtliche Regeln tatsächlich eine Marktbildung beim gesellschaftsinternen Interessenausgleich gewährleisten. Diese Marktbildung lässt sich insbesondere bei ihrer Inbezugsetzung zu einer einheitlichen Konzernleitung abstecken. Wie verträgt sich die unternehmensinterne Marktbildung mit der einheitlichen Konzernleitung? Für diese Frage muss es letztlich darum gehen, die einheitliche Leitung im Konzern an den Gestaltungsgrenzen des Interessenausgleichs der Gesellschafter untereinander zu messen (dazu Dritter Teil). N u r wenn die einheitliche Leitung innerhalb dieser nunmehr im Einzelnen zu spezifizierenden Gestaltungsgrenzen der Gesellschafter liegt, können K o n zerneinbindung als Paradebeispiel einer organisationsrechtlichen Verselbständigung und marktbildende Organisationsprinzipien der Personengesellschaft miteinander in Einklang gebracht werden (dazu Dritter Teil).

I. Willensbildung zwischen Individualrecht und Treuepflicht Bei der Willensbildung in der Personengesellschaft stellt sich im Hinblick auf die Konzernproblematik die Frage, in welchem Ausmaß sich eine Anteilsmehrheit in Siehe oben Erster Teil I.D.1. Zu den juristischen Vorarbeiten siehe oben Erster Teil I.B.; zur Ökonomie siehe Erster Teil II.; rechtstatsächliche Veranschaulichung oben Erster Teil III. 1

2

96

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Stimmenmehrheit und damit letztlich in Entscheidungsmacht niederschlagen kann. Ein anteilsmarktlich vermittelter Zusammenhang zwischen Anteilsmehrheit, Stimmenmehrheit und Entscheidungsmacht fehlt im Personengesellschaftsrecht 3 . Es ist daher zu klären, wie durch rechtliche Regeln vorstrukturierte Anreize bei Entscheidungsprozessen der Personengesellschaft einen Anteilsmarktbezug der Entscheidungsmacht des Mehrheitsgesellschafter ersetzen können. Zu untersuchen ist dies anhand der Reichweite des Mehrheitsprinzips, dessen Einschränkungen auch die Durchsetzung einheitlicher Leitung begrenzen könnten. Grundsätzlich wird das gesetzliche Leitbild der Personengesellschaft durch das Einstimmigkeitserfordernis geprägt ( § 7 0 9 Abs. 1 B G B , § 119 Abs. 1 H G B ) . Ausdrücklich festgelegt wird dies durch § 7 0 9 Abs. 1 B G B zwar lediglich für Geschäftsführungsfragen, muss aber dann erst recht für tief greifendere Vertragsänderungen gelten 4 . Das Einstimmigkeitsprinzip ist nicht zwingend. Das Recht der Personengesellschaft zieht jedoch gesellschaftsvertraglich vereinbarten Mehrheitsklauseln und den ihnen zugrunde liegenden

Willensbildungsprozessen

Grenzen. Angesprochen sind die Kernbereichslehre (dazu A.) sowie der Bestimmtheitsgrundsatz (dazu B.), deren Auswirkungen auf den innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess nunmehr zu untersuchen sind. Leitfrage muss hierbei sein, inwieweit die Grenzen der Mehrheitsmacht eine marktbildende Wirkung haben.

A. Der Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft Die Kernbereichslehre entzieht den Kernbereich der Gesellschafterrechte der Mehrheitsmacht, indem sie Mehrheitsentscheidungen über Eingriffe in diesen Kernbereich nur eingeschränkt zulässt 5 . Was die Intensität des Kernbereichsschutzes anbelangt, so sind hier drei abgestufte Regelungsmöglichkeiten denkbar 6 : - Ein Kernbereichseingriff wird nur bei Mitwirkung des betroffenen Gesellschafters an der diesbezüglichen Abstimmung zugelassen (Stimmrechtsfestigkeit). - Ein Kernbereichseingriff ist nur bei gesellschaftsvertraglicher Abbedingung des betroffenen Rechts zulässig (Mehrheitsfestigkeit). - Ein Gesellschafter kann sich auch mit seiner Zustimmung der Verfügung über den Kernbereich seiner Rechte nicht begeben (so genannte Unverzichtbarkeit).

3 Ähnlich zur Abgrenzung gegenüber dem Aktienkonzern, wenngleich ohne Marktbezug Kleindiek 67; im Einzelnen hierzu siehe unten Dritter Teil I. 4 MüKo-£//>«(?)" §709 Rdnr. 50. 5 Baumbach/Hopt § 109 Rdnr.35f. 6 Hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 470-475 (§16 III 3.).

I.

Willensbildung

97

Anhand der Rechtsprechung und Literatur sind die Wurzeln dieses K e r n b e reichsschutzes zu klären (dazu 1., 2.). Erst aus ihnen lassen sich Rückschlüsse auf dessen etwaige marktbildende Wirkungsweise und daraus resultierende G r e n z e n der Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter ziehen. Sie würden gleichzeitig erste Umrisse der organisationsrechtlichen Grenzen einer Verselbständigung der Willensbildung von den Gesellschaftern - wie etwa bei einer K o n z e r n e i n b i n dung im Wege des herkömmlichen aktienrechtlich fundierten Unterordnungskonzerns erforderlich - erkennen lassen (dazu 4.-6.). 1. Interessenabschichtung

als dogmatische

Grundlage

Schon die erste Leitentscheidung des B G H verdeutlicht die theoretischen H i n t e r gründe der Kernbereichslehre 7 . Behandelt wird in dieser Entscheidung die Frage, inwieweit das Stimmrecht eines Kommanditisten in einer idealtypischen Personengesellschaft ausgeschlossen werden kann. D i e in die Kommanditistenstellung einrückenden E r b e n eines Gesellschafters erklären, dass sie als Gesellschafter immer gemeinschaftlich durch einen bestimmten Miterben vertreten werden sollen. D e r B G H hat hier die G r e n z e n einer solchen Stimmrechtsvereinbarung zu beurteilen. Z u r Begründung der sachlichen Schranke des fraglichen Stimmrechtsausschlusses weist er auf parallele Fragestellungen im R a h m e n des § 5 3 Abs. 3 G m b H G hin. In der G m b H werde »... durch einen Stimmrechtsausschluss ... die Rechtsstellung eines Gesellschafters nicht berührt, soweit durch einen Gesellschafterbeschluss in seine Sonderrechte

( § 5 3 A b s . 3 G m b H G ) eingegriffen ...«

werde 8 . M i t der Übertragung dieses Gedankens auf die Personengesellschaft lässt der B G H bereits hier das theoretische Fundament der Kernbereichslehre aufscheinen. D e r B G H begnügt sich in der genannten Leitentscheidung zunächst damit, die bloße Stimmrechtsfestigkeit, nicht aber die Mehrheitsfestigkeit des in Frage stehenden Entnahmerechtes zu statuieren 9 . F ü r den Stimmrechtsentzug aufgrund einer Mehrheitsentscheidung war demnach die bloße Teilnahme des betroffenen Gesellschafters an der diesbezüglichen Beschlussfassung erforderlich. In A n l e h nung hieran wurde die Kernbereichslehre im Schrifttum zunächst als Schranke für den Stimmrechtsausschluss eingestuft 1 0 . Diese bloße Stimmrechtsfestigkeit des Kernbereichs in der idealtypischen Personengesellschaft verdichtet sich in Folgeentscheidungen zur Mehrheitsfestigkeit 1 1 . D a m i t wird aus der verfahrens-

B G H 14.5.1956, B G H Z 20, 363; zu dieser Entscheidung auch Gillot 84-91. B G H 14.5.1956, B G H Z 20, 363, 368 (Hervorhebung der Verf.). 9 B G H 14.5.1956, B G H Z 20, 363, 369. 10 Beuthien, ZGR 1974, 26, 33f.; GroßKommHGB 3 -ft'5c/>er §119 Anm.23; Immenga, Z G R 1974, 385, 416f.; Schlegelberger"-Geßler § 163 Rdnr.4. 11 B G H 29.3.1996, B G H Z 132, 263, 268; O L G Hamm 26.10.1989, D B 1989, 815; zugrunde gelegt auch in B G H 19.11.1984, N J W 1985, 972, 973, in B G H 5.11.1984, N J W 1985, 974 sowie 7

8

98

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

rechtlichen Absicherung der Mitwirkung des Gesellschafters an der Willensbildung ein materieller Bestandsschutz des Kernbereichs seiner Gesellschafterrechte. Noch deutlicher als in der Rechtsprechung wird dies in der Literatur herausgearbeitet. Es entspricht der herrschenden Literaturmeinung, dass im Rahmen des Kernbereichsschutzes ein effektiver Minderheitenschutz nur durch ein zwingendes Zustimmungsrecht, also die Mehrheitsfestigkeit des Kernbereichs, gewährleistet werden könne 12 . Neuere Entscheidungen des B G H zur Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen, die die Klagerechte oder Kontrollrechte der Gesellschafter einschränken, gehen über diese Mehrheitsfestigkeit sogar noch hinaus 13 . Sie stellen die Unverzichtbarkeit der betroffenen Verwaltungsrechte fest. Die Abschichtung der von den in Frage stehenden Mehrheitsentscheidungen betroffenen Interessensphären insbesondere in der Literatur lässt Anklänge an die Sonderrechtstheorien der Vergangenheit erkennen. Auf ihrer Grundlage war im Körperschaftsrecht der Versuch unternommen worden, Individual- und Sozialsphäre durch verbindliche Kriterien zu trennen 14 . Die Sonderrechte der Gesellschafter sollen hiernach die »verbandsfreie Sphäre« der Gesellschafter begründen, die der Mehrheitsherrschaft nicht unterworfen ist. Zwar haben sich die klassischen Sonderrechtstheorien angesichts des sehr viel engeren §35 BGB insgesamt nicht durchsetzen können 1 5 . Gleichwohl haben sie deutliche methodische Spuren in den Ansätzen der Literatur hinterlassen. Im Ansatzpunkt legt die Kernbereichslehre die Unantastbarkeit ausgewählter Gesellschafterrechte ihrer Begründung der Mehrheitsfestigkeit bestimmter Beschlussgegenstände zugrunde. Damit löst sie sich zwar formal von der Unterscheidung zwischen Individualsphäre und Sozialsphäre der alten Sonderrechtstheorien. Gleichwohl dient die Frage nach dem Zustimmungsrecht des Gesellschafters im Ergebnis ebenfalls der Abgrenzung von Einflussspielräumen zwischen Rechtssubjekt und Organisation 16 . Erfasst wird damit in der Sache die Schnittstelle zwischen der Sozialsphäre der Gesellschaft und der Individualsphäre des einzelnen Gesellschafters. Unter Bezugnahme auf die G m b H präzisiert Schäfer die sonderrechtstheoretischen Bezüge der Unterscheidung zwischen Zustimmungs- und bloßen Stimmrechten 17 . Zwar stellt er wegen des heutigen engen Sonderrechtsbegriffs gem. § 35 in OLG Köln 12.1.1994, BB 1994, 455, 456, wenngleich in diesen Entscheidungen Publikumspersonengesellschaften betroffen waren. 12 Hermanns, ZGR 1996, 103, 111; L ö f f l e r , NJW 1989, 2656, 2657; M ü K o - U l m e r §709 Rdnr. 60; M. Nitschke 280-282; Röttger 157f.; Schlegelherger-Martens §109 Rdnr.17; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 472 (§16 III 3. b bb); Späth 92. 13 BGH 10.10.1994, NJW 1995, 194; zu dieser Entscheidung auch Gillot 108-115; BGH 13.2.1995, BB 1995, 692. 14 O.v.Gierke, Genossenschaftstheorie 174-197; O.v.Gierke, Deutsches Privatrecht I 536-538; hierzu Mestmäcker, Verwaltung 9f.; Zöllner, Schranken 109. 15 So auch schon Schäfer 42f. 16 Ebenso schon Wiedemann, Übertragung 32f. 17 Schäfer 42-63; zur Kernbereichslehre im Personengesellschaftsrecht unter der dort dargelegten Prämisse der Abgrenzung von Interessensphären Schäfer 154-160; in den Prämissen ähn-

I. Willensbildung

99

B G B das Scheitern der historischen Sonderrechtstheorien fest. Gleichwohl unterscheidet er für die Begründung von Stimmrechten bzw. Zustimmungsrechten zwischen verbandsbezogenen Rechten der Gesellschafter und »verbandsfreien« Rechten. Seine hieran anknüpfende grundlegende Unterscheidung der Zuordnungsobjekte von Stimm- und Zustimmungsrechten, nämlich die organschaftliche und die individualrechtliche Ebene, lässt die Anlehnung an sonderrechtstheoretische Vorarbeiten erkennen 1 8 . Auch Flume

will Bereich und Schranken der

Privatautonomie im Recht der Personengesellschaften unter verwandten G e sichtspunkten bestimmen. Wolle man die Zulässigkeitsgrenzen des Ausschlusses eines Gesellschafters von der Mitwirkung an dem Geschehen der Gesellschaft abstecken, so sei zwischen dem gesellschaftlichen Geschehen als einem solchen der Gesellschaft als überindividueller Einheit und als einem solchen, durch welches der einzelne Gesellschafter als Person betroffen sei, zu unterscheiden 1 9 . Gemeinsam ist diesen Literaturstimmen zur Kernbereichslehre in ihren A b grenzungen von Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre eine grundlegende Prämisse zur zugrunde liegenden Interessenausrichtung der Beteiligten und der hieraus folgenden Funktion der Willensbildung in der Gesellschaft. D e r Sonderung zwischen verbandsbezogenen von »verbandsfreien« Gesellschafterrechten liegt die Annahme einer Interessenhomogenität in der verbandsbezogenen Sphäre zugrunde 20 . Besonders pointiert formuliert Flume,

dass es nicht um die Wahrung

der Selbstbestimmung für den einzelnen Gesellschafter, sondern nur um die Selbstbestimmung der Gesellschaft als Gruppe gehe 21 . Mit abgeschwächten Positionen gehen andere Autoren zwar ebenfalls vom Gegensatz zwischen verbandsbezogener und »verbandsfreier« Interessensphäre aus, diskutieren jedoch für die »verbandsfreien« Zustimmungsrechte nur in extremen Ausnahmefällen eine treupflichtbedingte Zustimmungspflicht 2 2 . Entsprechend selten sind nach dieser Auffassung die Zustimmungsrechte dem Verbandsinteresse unterzuordnen. Gleichwohl legt der Ansatzpunkt zur Durchbrechung des Mehrheitsprinzips, nämlich die Unterscheidung nach betroffenen Interessensphären, einen wesentlichen Bestimmungsfaktor der personengesellschaftsrechtlichen Konfliktlösung fest. An-

lich Röttger 1—4, der die Abgrenzung zwischen Individualsphäre und kollektiver Verbandsmacht an den Beginn seiner Untersuchung zur Kernbereichslehre stellt. 18 Schäfer 42; mit der Durchgriffsproblematik gewinnt neuerdings die Unterscheidung von Zuordnungsobjekten bei Jung (5 und passim) sogar eine die Verselbständigung einer Gesellschaft konstituierende Bedeutung und sieht sich daher ebenfalls den (nachfolgenden) Einwänden gegen sonderrechtstheoretische Ansätze wegen der Ausblendung des internen Interessenausgleichs ausgesetzt. 19 Flume, Personengesellschaft 209. 2 0 Dies konstatiert auch bereits Mestmäcker (Verwaltung 10) in seiner Kritik an den Sonderrechtstheorien. 21 Flume, Personengesellschaft 208. 2 2 So im Ergebnis z.B. Schäfer 59; ausführlich zu den verschiedenen Fallkonstellationen Sester; im Einzelnen dazu unten C.

100

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

gesprochen ist hier der in der personengesellschaftsrechtlichen Wahrnehmung dominierende Interessenkonflikt zwischen einzelnem Gesellschafter und Personengesellschaft.

2. Prämisse

einer

Interessengleichrichtung

In diesem Interessengegensatz zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zielt die Treubindung des Gesellschafters auf eine Harmonisierung der beteiligten Interessen ab 23 . Die Treuepflicht des Gesellschafters bildet ein prägendes Element seines gesellschaftsbezogenen Verhaltens 24 . Aufgrund dieser Treuepflicht muss der einzelne Gesellschafter in bestimmten Fällen seine Interessen hinter das Verbandsinteresse zurückstellen 25 . Die Bestimmungsfaktoren der Treuepflicht liefern demzufolge auch Aussagen über das Verhältnis zwischen Gesellschafter- und Gesellschaftsinteresse. Als entscheidender Geltungsgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wird früher die enge persönliche Verbundenheit in einem Gemeinschaftsverhältnis 26 sowie mittlerweile die Einwirkungsmöglichkeit auf fremde Interessen hervorgehoben 27 . Insbesondere die gegenseitige gesellschaftsvertragliche Einräumung von Machtbefugnissen zum Eingriff in die Interessen der jeweils anderen Gesellschafter wird in der Literatur als vorrangiger Bestimmungsfaktor für die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht herausgearbeitet 28 . Auch in der Rechtsprechung spielt der Gesichtspunkt der Einwirkungsmöglichkeit des betroffenen Gesellschafters auf die Interessensphäre der Gesellschaft und der Mitgesellschaf-

23 Zu dieser Funktion der Treuepflicht im Personengesellschaftsrecht Zöllner, Schranken 340; zu dieser Harmonisierungsfunktion bei der Willensbildung im Einzelnen siehe unten C. 24 Zu dieser prägenden Bedeutung der Treuepflicht siehe in der Rechtsprechung z.B. R G 22.1.1935, R G Z 146, 385, 395; B G H 9.6.1954, B G H Z 1 4 , 2 5 , 3 8 ; B G H 15.6.1959, B G H Z 30, 195,200f.; B G H 10.6.1965, B G H Z 4 4 , 4 0 , 4 1 f.; B G H 8.11.2004, WM 2005,39; aus der Literatur exemplarisch Baumbach/Hopt §109 Rdnr.23; Hennrichs, AcP 195 (1995) 221-273; Hueck, Treuegedanke 12-15; Lutter, Z H R 153 (1989) 446, 452; M ü K o - U l m e r §705 Rdnr. 181; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000) 564,571-575; Wiedemann, FS Heinsius 949-952; Zöllner, Schranken 336. 25 Zum Verhältnis zwischen persönlichen Gesellschafterinteressen und Treuepflicht in der Rechtsprechung Bartsch 25-32; Uberblick über die einschlägige Rechtsprechung auch bei Winter 23-36. 26 Dies stellen Ballerstedt (JuS 1963, 253, 258), A. Hueck (FS Hübner 72, 80) und R. Fischer ( G r o ß K o m m H G B 3 § 105 Anm.31a a.E.) in den Vordergrund. 27 Vgl. mit Abweichungen im Einzelnen Hüffer, FS Steindorff 59, 74f.; Immenga 265; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 105-116, 120-127; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 587-595 (§20 IV 1.-3.); Winter 15-19; Zöllner, Schranken 337-345. 28 Für die Aktiengesellschaft Fechner 70-83; Hennrichs, AcP 195 (1995) 221,235-239; Lutter, Z H R 153 (1989) 446,454f.; Paschke, FS Serick 313,317f. (bezogen auf die juristische Person); für die personalistische G m b H Immenga 261-275; gesellschaftsformübergreifend Hüffer, FS Steindorff 59, 78; Winter 16-19 (Personengesellschaft); Zöllner, Schranken 335-356.

I.

Willensbildung

101

ter eine hervorgehobene Rolle 2 9 . Demzufolge stellt sich die Treuepflicht als Korrelat zu den Einwirkungsmöglichkeiten des Gesellschafters dar 30 . Mit der Feststellung des Kriteriums der Einwirkungsmöglichkeit als Geltungsgrund für die Treubindung wird allerdings noch keine Aussage über den erforderlichen Bezugspunkt dieser Einwirkungsmöglichkeit getroffen. Besonders greifbar wird die Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der anderen Gesellschafter bei Maßnahmen der Geschäftsführung 3 1 . Maßnahmen ohne unmittelbaren geschäftsführungsbezogenen Gehalt können desto mehr Einfluss auf die Interessen der übrigen Gesellschafter entfalten, je größeren unternehmerischen Bezug und damit Bezug zum gemeinsamen Zweck der Personenhandelsgesellschaft gem. § 105 Abs. 1 H G B sie aufweisen. Demzufolge entscheidet die Zweckverfolgungsnähe über die Intensität der Treubindung des handelnden Gesellschafters 32 . Konsequent erscheint daher jedenfalls für die Treubindung mit Zweckverfolgungsbezug die rechtliche Verankerung der Treuepflicht im Gesellschaftsvertrag bzw. in der zweckbezogenen Förderpflicht des § 705 BGB 3 3 . Wird für Entscheidungen in Zweckverfolgungsnähe ein Interessenausgleich mit Hilfe einer gesteigerten Treubindung hergestellt, so ist dieser Interessenausgleich zugunsten des Gesellschaftsinteresses letztlich die Kehrseite des Interessengleichklangs der Gesellschafter in Bezug auf den gemeinsamen Zweck. Insgesamt erweisen sich die Treuepflichten als Folge der gleichgerichteten Gesellschafterinteressen in Bezug auf den gemeinsamen Zweck. Die Treuepflichten sind nicht Selbstzweck, sondern Folge der wechselseitigen Angewiesenheit der Gesellschafter, wie sie im gemeinsamen Zweck Niederschlag findet 34 . In Anbetracht dieses klaren Ursache-Wirkung-Verhältnisses zwischen gemeinsamem Zweck und Treuepflicht kann das Gesellschaftsinteresse nicht ohne weiteres gegenüber den Gesellschafterinteressen verselbständigt werden 3 5 . Vielmehr wird der gemeinsame Zweck Leitlinie für

29 BGH 5.6.1975, BGHZ 65,15,19 (»ITT«); BGH 1.2.1988, BGHZ 103, 184,194 (»Linotype«); BGH 20.3.1995, BGHZ 129, 136, 142 (»Girmes«). 30 H ü f f e r , FS Steindorff 59, 74f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 593 (§20 IV 2. d); Wellenhofer-Klein 160f.; Zöllner, Schranken 342f. 31 So auch der Anknüpfungspunkt für die Spezifizierung der Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der anderen Gesellschafter in der schon »klassischen« ITT-Entscheidung BGH 5.6.1975, BGHZ 69, 15, 19; in der Literatur Immenga 266-268; Zöllner, Schranken 344f. 32 Hueck, FS Hübner 72, 89; Zöllner, Schranken 344-349; für die GmbH R. Fischer, NJW 1954, 776, 778; Immenga 269. 33 Für Verankerung im Gesellschaftsvertrag Baumbach/Hopt §109 Rdnr. 23; H ü f f e r , FS Steindorff 59,65f.; MüKo-Ulmer §705 Rdnr. 194; Soergel-Hadding § 705 Rdnr. 58; Verankerung in der zweckbezogenen Förderpflicht bei Lutter, AcP 180 (1980) 84,103; demgegenüber für eine Heranziehung des §242 BGB Hennrichs, AcP 195 (1995) 221,228-234; Kombinationslösung bei Wellenhofer-Klein 162; Winter 14. 34 Sinngemäß so auch schon Reuter, FS Lange 707, 725. 35 Zum Verbandsinteresse grundlegend so schon Zöllner, Schranken 18-21; demgegenüber Verselbständigung des Verbandsinteresses gegenüber Gesellschafterinteressen bei Flume, Personengesellschaft 208.

102

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

die Gleichgerichtetheit der Interessen der Gesellschafter. Das Ausmaß der Zweckbindung entscheidet über die Reichweite der Interessenhomogenität.

3. Wahrung individueller Gesellschafterrechte In teressengleich rieh tung

bei

fehlender

Die Vermittlung der Interessenhomogenität durch den gemeinsamen Zweck ist jedoch nicht zwangsläufig. Insbesondere in einer Personengesellschaft, in der sich die Willensbildung gesellschaftsvertraglich nicht nach Köpfen und Einstimmigkeit, sondern nach Kapitalanteilen im Rahmen des Mehrheitsprinzips bemisst, büßt der gemeinsame Zweck diese vermittelnde Funktion unter Umständen ein 36 . Wenn sich die Kapitalmehrheit in der Hand einer festen Gesellschaftergruppe oder gar eines einzigen Gesellschafters befindet, wächst ihr die Machtbefugnis zu, auf die Interessen der Gesellschaftergesamtheit einzuwirken. Die homogenitätsstiftende mitgliedschaftliche Treuepflicht wird überlagert von der mehrheitsbezogenen Treuepflicht als Rechtsausübungsschranke der Mehrheit 3 7 . Damit schwindet die Homogenität der Interessenlage. Die Mehrheitsbildung verliert ihre »Richtigkeitsgewähr«. Unter diesen Vorzeichen, die insbesondere bei der Konzernlage vorherrschen und unter denen die Kernbereichslehre ihren funktionellen Stellenwert zu behaupten hat, geht es nicht um die Abgrenzung der Sozialvon der Individualsphäre, sondern um die individuellen Rechte und den Schutz der Minderheitsgesellschafter vor einer Indienstnahme durch Sonderinteressen der Mehrheit 3 8 . Für einen solchen Gesellschafterschutz durch Individualrechte ist ein tatbestandlich fest fixierter Katalog mehrheitsfester oder sogar unentziehbarer Rechte erforderlich 39 . Entsprechend charakterisiert der B G H in seiner Leitentscheidung die unzulässigen Kernbereichseingriffe als Eingriffe in die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafters 40 . Auch in einer neueren Entscheidung zur Kernbereichslehre stellt der B G H klar, dass zum Kernbereich »... abgesehen von den wenigen, überhaupt unverzichtbaren und schon deshalb unentziehbaren Rechten ... grundsätzlich auch die individuellen, dem Gesellschafter nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zustehenden wesentlichen Gesellschafterrechte, die seine Stellung in der Gesellschaft maßgeblich prägen, gezählt werden ...« müssen 41 . Kritiker der 36 Zu diesem Umschlag der Willensbildung zu einer Mehrheitsherrschaft schon Wiedemann, Gesellschaftsrecht 33; ähnlich Röttger 85. 37 Wiedemann, FS Heinsius 949, 950f. 38 So auch vom Schutz der außenstehenden Gesellschafter beim Abschluss eines Beherrschungsvertrages ausgehend M ü K o H G B - M ü l h e r t , KonzernR Rdnr. 157. 39 Dies postuliert auch Reuter (GmbHR 1981,129,13 7) für die idealtypische Personengesellschaft. 40 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 370. 41 BGH 10.10.1994, NJW1995,194,195; zum durch die Kernbereichslehre vermittelten Individualschutz in dieser Entscheidung auch K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314.

/.

103

Willensbildung

letztgenannten Entscheidung neigen dazu, diesen Stellenwert und Vorteil der tatbestandsmäßig klaren Umschreibung von durch die Kernbereichslehre geschützten Individualrechten für die Rechtssicherheit zu übersehen, wenn sie das Ergebnis mit Erwägungen der Gleichbehandlung begründen wollen 4 2 . Gleichwohl gibt es in der Literatur zahlreiche Versuche, die Kernbereichseingriffe als katalogmäßig aufzählbare Rechtspositionen zu erfassen, wenngleich keine völlige Deckungsgleichheit der genannten geschützten Rechte besteht 43 . Insgesamt erweisen sich individuelle Gesellschafterrechte als der wesentliche Gehalt des Gesellschafterschutzes aufgrund der Kernbereichslehre bei Geltung des Mehrheitsprinzips in der idealtypischen Personengesellschaft.

4. Interessenausgleich

durch individualrechtlich

gestützte

Marktbildung

Verleihung und Schutz von individuellen Gesellschafterrechten aufgrund der Kernbereichslehre treffen noch keine Aussage über den genauen Wirkungsmechanismus dieser Individualrechte im Rahmen der innergesellschaftlichen Willensbildung. Der Wirkungsmechanismus lässt sich anhand des Stellenwertes des Gesellschafterschutzes in der Personengesellschaft bestimmen. Ein solcher Schutz erscheint besonders dringlich im Lichte des Hauptmerkmals des Personengesellschaftsrechts, keinen Kapitalmarkt für Gesellschaftsanteile zu begründen. Dieses Charakteristikum hat ein spezifisches Zusammenspiel von Abwanderung und Widerspruch im personengesellschaftsrechtlichen Interessenausgleich zur Folge. Bereits bei der Operationalisierung des Marktbildungsgedankens drängte sich in Anbetracht der abgeschwächten Abwanderungsoption des Personengesellschafters der Gedanke auf, dieses Kontrolldefizit durch eine Verstärkung der Widerspruchsoption auszugleichen 44 . Anhand der konkret geschützten Gesellschafterrechte ist daher nunmehr der Frage nachzugehen, inwieweit der Kernbereichslehre der Wirkungsmechanismus des Widerspruchs zugrunde liegt. So erklärt der B G H in seiner Grundsatzentscheidung zur Kernbereichslehre den pauschalen Stimmrechtsverzicht mehrerer Kommanditisten zugunsten eines Mitgesellschafters nur insoweit für zulässig, als es um Gesellschafterbeschlüsse gehe, die nicht in die Rechtsstellung der betreffenden Kommanditisten eingreifen 45 . Als Beispiele für unzulässige Kernbereichseingriffe nennt das Gericht die 42 So Flume, ZIP 1995, 651; dieser Kritik zustimmend auch Schäfer 160; ähnlich unter Hinweis auf Verhältnismäßigkeitserwägungen für den besonderen Einzelfall Ott, WuB II.G. §119 HGB 1.95. 43 Grundlegend Röttger 161-209; Schlegelberger-Martens §119 Rdnrn. 25-29; Bestandsaufnahmen auch bei Göbel 116-118; L ö f f l e r , NJW 1989, 2656-2662. 44 Grundlegend zum Gedanken des Widerspruchs als »kompensatorisches oder ergänzendes Instrument« Behrens 263f.; ähnliche Beurteilung des Bestimmtheitsgrundsatzes als Folge der Machtverschiebung bei Geltung des Mehrheitsprinzips, wenngleich ohne Einbeziehung der gezeigten theoretischen Prämissen Menger 90-94; im Einzelnen dazu oben Erster Teil II.C.I.e. 45 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 369f.

104

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Änderung der Beteiligung als Kommanditist oder die der Haftsumme mit den Folgen einer Schmälerung seiner Gewinnbeteiligung oder seines Auseinandersetzungsguthabens 4 6 . Hierbei legt es allerdings seinen Ausführungen, wie bereits oben angesprochen, noch die bloße Stimmrechtsfestigkeit zugrunde 4 7 . In ähnlicher Weise wird in einer instanzgerichtlichen Entscheidung auch die Entscheidung über die Auflösung der Gesellschaft als den Kernbereich der Mitgliedschaft des Gesellschafters betreffend eingestuft 48 . Dort deckt eine Mehrheitsklausel nach Ansicht des Gerichts nicht den zur Stilllegung der einzigen Produktionsstätte der Gesellschaft gefassten Beschluss. In allen genannten Beispielsfällen eines Kernbereichseingriffs hat die Nichtgeltung der Mehrheitsklausel, bzw. des Stimmrechtsausschlusses zur Folge, dass dem Gesellschafter in den genannten Bereichen ein zwingendes Stimm- oder sogar im zweitgenannten Fall ein zwingendes Zustimmungsrecht gewährt wird. Insbesondere mit einem Zustimmungsrecht wird der Gesellschaftermehrheit die Möglichkeit genommen, sich auf der Grundlage einer Mehrheitsklausel über den Einspruch des betroffenen Gesellschafters hinwegzusetzen. Damit erfüllen die bisher erörterten durch die Kernbereichslehre geschützten Rechte die Funktion eines Widerspruchsrechts. In zwei neueren BGH-Entscheidungen werden das Informationsrecht des Kommanditisten 4 9 sowie das Recht, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gerichtlich anzugreifen 50 , als dem Kernbereich zugehörige jedenfalls mehrheitsfeste - die Klagerechte sogar als unentziehbare - Gesellschafterrechte eingestuft. Diese geschützten Rechte des Kernbereichs bilden zwar nicht ein materielles Widerspruchsrecht. Sie sichern aber als Kontrollrechte der Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit zum materiellen Widerspruch ab 51 . Nur mit dem Zugang zu gesellschaftsbezogenen Informationen sowie der Klageerhebung kann ein Gesellschafter sein Widerspruchsrecht tatsächlich realisieren. Folglich erweisen sich die durch die Kernbereichslehre geschützten Rechte als Widerspruchsmechanismen. Sie kompensieren, wie oben gezeigt, die eingeschränkten Abwanderungsrechte der Personengesellschafter. Dadurch vervollständigen sie für die Personengesellschaft die Kontroll- und Disziplinierungsfunktion von Abwanderung und Widerspruch.

46 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 369f.; ähnlich zur Beitragserhöhung kraft Mehrheitsbeschlusses in jüngerer Zeit OLG Stuttgart 19.4.2000, NZG 2000, 835, 836; OLG München 16.6.2004, DB 2004, 1878, 1879. 47 Zur Entwicklung von der Stimmrechts- zur Mehrheitsfestigkeit des Kernbereichs siehe bereits oben 1. 48 OLG Hamm 26.10.1988, DB 1989, 815; zu dieser Entscheidung auch Gillot 121-124. 49 BGH 10.10.1994, NJW 1995, 194. 50 BGH 13.2.1995, BB 1995, 692. 51 Ahnlich zur Funktion der Kontrollrechte, die Ausübung der Mitgliedsbefugnisse durch den Gesellschafter zu ermöglichen, bereits Wiedemann, Gesellschaftsrecht 3 73 f.

I.

a) Verhandlungen

105

Willensbildung

infolge des Kernbereichsschutzes

von

Vermögensrechten

Ungeachtet des einheitlichen Stellenwertes als Widerspruchsmechanismen der durch die Kernbereichslehre geschützten Gesellschafterrechte drängt sich eine Einteilung dieser Rechte in zwei Gruppen auf. So hebt der B G H in seiner jüngsten Entscheidung zur Kernbereichslehre hervor, dass es sich bei dem Recht, rechtswidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gerichtlich anzugreifen, um ein unverzichtbares und unentziehbares Recht handle 52 . Demgegenüber legt die Rechtsprechung früheren Ausführungen zur Kernbereichslehre lediglich die Mehrheitsfestigkeit, im Ausgangspunkt der Entwicklung sogar lediglich die Stimmrechtsfestigkeit der geschützten Rechte zugrunde 53 . Genannt werden in diesem Zusammenhang als Beispiele für einen unzulässigen Kernbereichseingriff die Änderung der Beteiligung oder der Haftsumme, die Schmälerung der Gewinnbeteiligung, die Auflösung sowie die Bestimmung der Grundlage für die Berechnung der Gewinnansprüche im Rahmen der Bilanzfeststellung 54 . Gemeinsam ist den zuletzt genannten Rechten, dass sie Gegenstand der vertraglichen Einigung der Gesellschafter sind. Eine Änderung dieser Einigung stößt im Personengesellschaftsrecht wegen der grundsätzlichen Geltung des Einstimmigkeitsprinzips (§119 Abs. 1 H G B ) auf Schwierigkeiten. Folge und Kehrseite des Einstimmigkeitsprinzips ist die aus ihm resultierende Gefahr von Patt-Situationen bei den Willensbildungsprozessen in der Personengesellschaft. Verbunden ist damit auch die Gefahr der Handlungsunfähigkeit des Verbands 55 oder, positiver formuliert, die der Beibehaltung des Status Quo 5 6 . Indem die Kernbereichslehre ausgewählte individuelle Gesellschafterrechte dem Geltungsbereich des Mehrheitsprinzips entzieht, erspart sie es dem Minderheitsgesellschafter, bei Uneinigkeit die Alles-oder-Nichts-Lösung zu wählen und aus der Gesellschaft gegen Abfindung auszuscheiden. Sie beseitigt die Alternative zwischen Abwanderung und Mehrheitsentscheidung, indem sie den Weg zu Verhandlungen und damit zur Erhaltung des Kooperationsgewinns für die Gesellschafter eröffnet. b) Beaufsichtigung

infolge des Kernbereichsschutzes

von

Kontrollrechten

Neben den oben genannten Gesellschafterrechten, deren konkrete Ausgestaltung zwischen den Gesellschaftern ausgehandelt wird, unterliegen auch die Kontrollrechte, soweit sie zwingend sind, wie das Informationsrecht und Klagerechte, dem Schutz der Kernbereichslehre 57 . So zählt der B G H auch das InformationsB G H 13.2.1995, B B 1995,692. Zur Entwicklung von der Stimmrechts- zur Mehrheitsfestigkeit siehe oben 1. 5 4 Zu diesen Beispielen B G H 14.5.1956, B G H Z 20, 363, 369f.; insbesondere zur Bedeutung der Bilanzfeststellung B G H 29.3.1996, B G H Z 132, 263, 266f. 55 Zum Zusammenhang von Einstimmigkeitsprinzip und Handlungsunfähigkeit des Verbands z.B. Baltzer 215f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 451 (§16 I.2.b). 56 Zöllner, Schranken 94-96. 57 Zu diesen Rechten als »Grundmitgliedschaftsrechte« K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 472 52

53

106

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

recht eines Personengesellschafters zu den von der Kernbereichslehre geschützten Rechten 58 . Außerdem hat der B G H für das Recht eines Personengesellschafters, rechtswidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gerichtlich mit einer Anfechtungsklage angreifen zu können, die Unverzichtbarkeit ausdrücklich klargestellt 59 . Die genannten Entscheidungen des B G H sollen den Anlass dazu bieten, nach den Grenzen der Mehrheitsherrschaft bei einer Beschränkung dieser Kontrollrechte und den Gründen hierfür zu fragen. Auch das in der BGH-Entscheidung vom 10.10.1994 betroffene, über §§118, 166 HGB hinausgehende gesellschaftsvertraglich vereinbarte individuelle Informationsrecht eines Personengesellschafters unterliegt dem Schutz der Kernbereichslehre 60 . Er kann hier jederzeit über die Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft verlangen, sich durch Betriebsbesichtigung informieren, die Geschäftsbücher und Papiere der Gesellschaft überprüfen und sich auf eigene Kosten Bilanzen anfertigen. Was den Sinn und Zweck des Kernbereichsschutzes für Informationsrechte anbelangt, so sind verschiedene Begründungselemente auszumachen. Zum einen wird die Unabdingbarkeit des Informationsrechts mit dem so genannten Selbstschutzprinzip begründet 61 . Insbesondere der persönlich haftende Gesellschafter müsse vor den unüberschaubaren Risiken eines Verzichts auf seine Informationsrechte geschützt werden, da er persönlich für die Gesellschaftsschulden hafte. Zugrunde liegt dieser Argumentation der Gedanke, dass der Personengesellschafter vor unkontrollierbarer Abhängigkeit von anderen Personen zu schützen ist. Zum anderen wird die Hilfsfunktion des Informationsrechts für die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte durch den Gesellschafter hervorgehoben 62 . Erst die ausreichende Information über die Gesellschaftsangelegenheiten ermögliche die sinnvolle Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und Abstimmungen. Schließlich sind Anklänge an Kontrollfunktionen der Informationsrechte zu berücksichtigen 63 . Erst eine ausreichende Informationsgrundlage versetzt hiernach den Gesellschafter in die Lage, sich über Geschäftsführungsangelegenheiten eine Meinung bilden und die Entscheidungsträger der Gesellschaft entsprechend kontrollieren zu können. Eine solche Beaufsichtigung trägt zur sachorientierten Kontrolle der Unternehmensleitung bei. Demzufolge (§ 16 III.3.b bb), 624 ( § 2 1 I l l . l . a ) ; entsprechende Rechte dem Kernbereich zugeordnet auch bei Hermanns, Z G R 1 9 9 6 , 1 0 3 , 1 1 1 - 1 1 3 ; Lockowandt 168-179 (so genannte » p r o z e d u r a l e Rechte«); Röttger 184-205; zur actio pro socio als dem Kernbereich zugehörig Löffler, N J W 1989, 2656, 2660. 58 z u m Informationsrecht B G H 10.10.1994, N J W 1995, 194; zur Bilanzfeststellung B G H 2 9 . 3 . 1 9 9 6 , B G H Z 132, 263, 268. 59 B G H 13.2.1995, N J W 1995, 1218. 60 B G H 10.10.1994, N J W 1995, 194. 61 Immenga, Z G R 1974, 385, 424. 62 Wiedemann, Gesellschaftsrecht 373f.; Teichmann 213-215; im Gegensatz zur Selbständigkeit der Informationsrechte zu ihrer Einordnung als bloße »Hilfsrechte« Röttger 185; K. Schmidt, Informationsrechte 23. 63 Hermanns 105f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 373f.; Wohlleben 2 5 - 2 7 .

I.

Willensbildung

107

kommt sie über höhere Kooperationsgewinne der Gesamtheit der Gesellschafter im Ergebnis zugute. Folglich lässt sich das Informationsrecht, soweit es Kontrollfunktionen erfüllt, durchaus in seiner Zielrichtung als selbst- und gemeinnütziges Recht einstufen 64 . Hiervon zu unterscheiden ist freilich sein Charakter als Individualrecht, das unter Umständen im Lichte des Gesellschaftszwecks begrenzt werden muss 65 . Als entscheidend für die Mehrheitsfestigkeit, wenn nicht sogar die Unverzichtbarkeit 66 des Informationsrechts im Rahmen der Kernbereichslehre müssen daher zwei Schutzrichtungen des Informationsrechts festgehalten werden, der Individualschutz für den einzelnen Gesellschafter sowie der Funktionsschutz durch Beaufsichtigung für die effiziente Unternehmensführung in der Gesellschaft. Erst der Funktionsschutz gewährleistet durch die Beaufsichtigungsmöglichkeiten auf einer gesicherten Informationsgrundlage die Funktionsfähigkeit des innergesellschaftlichen Willensbildungsprozesses67. Die Informationsrechte fungieren hierbei als Mechanismus zur Aufdeckung von Informationen, die zu Beaufsichtigungszwecken genutzt werden. Dieser Aufdeckungsmechanismus tritt innerhalb der Personengesellschaft an die Stelle von Preisen, die im Austauschvertrag auf wettbewerblichen Märkten eine solche Aufgabe zur Informationsvermittlung erfüllen 68 . An dieser Stelle scheint damit wieder der Stellenwert von Organisationen als Kompensationsmechanismen gegen Informationsprobleme bei Funktionsschwächen von Märkten aus der Sicht der Neuen Institutionenökonomie auf69. Insgesamt erweist sich folglich der Kernbereichsschutz von Informationsrechten als ein Instrument zur Schließung von Koordinationslücken im innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess. Auch das Recht des Gesellschafters, rechtswidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gerichtlich angreifen zu können, genießt nach einer jüngeren Entscheidung des B G H den Schutz der Kernbereichslehre 70 . Daher sei es nicht statthaft, die Ausschlussfrist für die Klageerhebung unzulässig zu verkürzen. In diesem Fall habe an die Stelle der unzulässigen Ausschlussfrist eine angemessene Frist zu treten. Die Literatur hält in der Mehrheit für die Geltendmachung von So schon M. Becker 669; Wohlleben 32 f. Dies betont K. Schmidt, Informationsrechte 24. 6 6 Insoweit ist B G H 10.10.1994, N J W 1995, 194 nicht einschlägig, da die Entscheidung ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes zusätzliches Informationsrecht und nicht das gesetzlich vorgegebene (Mindest-)Informationsrecht zum Gegenstand hatte. 6 7 Dies verkennt Menk (127-132), wenn sie den Einsatz des Selbstbestimmungsrechts des Gesellschafters zur Abschaffung seiner Funktionsbedingungen zulassen will, indem sie den Kernbereichsschutz für überflüssig erklärt und für die vollständige Verzichtbarkeit des Stimmrechts plädiert. 68 Zur entsprechenden Funktion von Marktpreisen Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung 103, 115f.; zur Informationsaufdeckung durch Preise auch Schmidtchen, Preise und spontane Ordnung 75, 93-97; hierzu auch schon oben Erster Teil II.A.2.b. 6 9 Hierzu Kräkel 16-69. 70 B G H 13.2.1995, N J W 1995, 1218. 64

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2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Beschlussmängeln im Personengesellschaftsrecht die allgemeine Feststellungsklage für den statthaften Rechtsbehelf 71 . Andere Stimmen plädieren für eine Ubertragung der aktienrechtlichen Regelungen der §§243 ff. AktG auf bestimmte Personengesellschaften, die sich durch Mitgliederzahl 7 2 , körperschaftliche Struktur 7 3 oder durch die Einführung des Mehrheitsprinzips 7 4 auszeichnen. Ungeachtet dieser Unterschiede der Begründungsansätze einer Beschlussmängelklage für Personengesellschafter im Einzelnen besteht doch weitgehend Einigkeit über die Unabdingbarkeit des zugrunde liegenden Rechts, Beschlussmängel gerichtlich geltend zu machen 75 . Lediglich vereinzelt wird die Unverzichtbarkeit der genannten Klagerechte auf die Fälle beschränkt, in denen die betreffenden Klagen Mehrheitsbeschlüsse zum Gegenstand haben, die in den Kernbereich der Gesellschafterrechte eingreifen 76 . Unabhängig von den Differenzierungen hinsichtlich des Ausmaßes der Unabdingbarkeit liegt den Auffassungen eine ähnliche Prämisse zur Schutzfunktion der Beschlussmängelklage zugrunde. Die Unabdingbarkeit dieser Klage wird übereinstimmend als eine Frage des Minderheiten- und Individualschutzes behandelt 77 . Darüber hinaus ist ebenso wie für die Informationsrechte auch für die Beschlussmängelklage ihr Stellenwert als Kontrollrecht abzustecken. Für die actio pro socio ist diese Kontrollfunktion anerkannt 78 . Richtet sich die actio pro socio gegen die gesellschaftsvertragswidrige Vorenthaltung einer Leistung, so zielt die Beschlussmängelklage in ihrer Angriffsrichtung auf das nicht gesetzoder gesellschaftsvertragskonforme Ergebnis eines Beschlussvorgangs ab. Folglich differieren die beiden Rechtsbehelfe lediglich in ihrem Angriffsgegenstand, nicht in ihrem Angriffsziel. In beiden Fällen wird die Ubereinstimmung der Rechtslage mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag beansprucht. Damit ist beiden Klagearten eine Kontrollfunktion immanent. Ebenso wie bereits für die Informationsrechte dargestellt, verfolgt auch die Beschlussmängelklage Kontrollzwecke hinsichtlich des Willensbildungsprozesses innerhalb der Gesellschaft 79 . Ihre Erhebung hat die Aufdeckung von Informationen über die Ausübung der Mehrheitsmacht zur Folge. Eine solche Informationsaufdeckung ersetzt innerhalb der Gesellschaft den auf wettbewerblichen Märkten wirksamen Preismecha71 A. Hueck, OHG 185f.; M. Nitschke 206-213; MüKo-Ulmer § 709 Rdnr.95; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 465; Zöllner., Schranken 382. 72 Grunewald 139, 275f. 73 Köster 106-149; Timm, FS Fleck 365, 370-372; a.A. M. Nitschke 206-213. 74 K. Schmidt, FS Stimpel 217, 236f. 75 Göhel 193; Hermanns 104f.; Schlegelherger-Martens, §119 Rdnr.25; Röttger 204f.; GroßKommHGB-Ulmer § 119 Rdnr. 94; Zöllner, FS GmbHG 85, 122. 76 MüKo-Mmer § 109 Rdnr. 75. 77 Lutter, AcP 180 (1980) 84, 139; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 465; Wiedemann, EWiR 1995, 485, 486; Hermanns 104f. 78 Lutter, AcP 180 (1980) 84, 140; Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975, 40. 79 Zum Kontrollzweck der Informationsrechte siehe oben in diesem Abschnitt.

I.

109

Willensbildung

nismus und erfüllt im Gesamtgefüge der Personengesellschaft wichtige Informationsfunktionen. Damit sorgt die Beschlussmängelklage für die Einbindung der Mehrheitsmacht in ein System marktähnlicher Anreize. Mit dem Schutz des Rechts zur Erhebung der Beschlussmängelklage sichert die Kernbereichslehre nicht nur die Minderheit vor der gesellschaftsvertragswidrigen Indienstnahme durch die Mehrheit, sondern auch als Institutionenschutz den Willensbildungsprozess vor einer Außerkraftsetzung und damit vor dem Verlust der Richtigkeitsgewähr 80 . Dieser Aspekt der Gemeinnützigkeit der Beschlussmängelklage bei der Absicherung marktgemäßer Willensbildungsprozesse innerhalb der Gesellschaft legt den Schutz der in der Regel wirtschaftlich schwächeren Partei durch eine Streitwertprivilegierung in Anlehnung an §247 AktG nahe 81 . c) Marktbildung

durch Kernbereichsschutz

in spieltheoretischer

Perspektive

Besonders deutlich wird der strategische und marktbildende Gehalt des Kernbereichsschutzes bei einer ökonomischen Analyse zum Stellenwert dieses Instruments für die Unternehmensführung in der Personengesellschaft. Der Schutz von Vermögensrechten aufgrund der Kernbereichslehre als Widerspruchsmechanismus lässt sich besonders deutlich mit spieltheoretischen Kategorien beleuchten. Erfasst man die Gesellschafter bei der Entscheidungsfindung unter Geltung des Kernbereichsschutzes als Spieler in einer strategischen Entscheidungssituation, so lässt sich die Erweiterung ihres Strategieraumes, d.h. der ihnen zur Verfügung stehenden Kombinationen aus Strategien, mit Hilfe einer grundlegenden spieltheoretischen Unterscheidung verdeutlichen. Entscheidender Grund für die dominante Strategie des Geständnisses im Gefangenendilemma war die mangelnde Gelegenheit der Gefangenen zur Kommunikation zwecks Koordinierung ihrer Strategien sowie die fehlende Möglichkeit der beiden, eine bindende Vereinbarung über diese Koordinierung zu treffen 82 . Dies kennzeichnet die Verhandlungssituation als nicht-kooperatives Spiel im Gegensatz zu kooperativen Spielen83. Hat der Minderheitsgesellschafter bei uneingeschränkter Geltung des Mehrheitsprinzips ohne Kernbereichsschutz lediglich die Wahl, sich entweder der Mehrheit zu fügen oder aus der Gesellschaft gegen Abfindung auszuscheiden, so lässt sich diese strategische Verhandlungssituation auch als nicht-kooperatives Spiel kennzeichnen. In diesem Szenario kann die Strategievariante, aus der Gesell80 Zum Nebeneinander von Individual- und Institutionenschutz bei den Informationsrechten siehe schon oben in diesem Abschnitt. 81 Für die Anwendung dieser Vorschrift auch im Personengesellschaftsrecht Köster 147f.; M. Becker 525. 82 Zum Gefangenendilemma siehe oben Erster Teil Il.C.l.b. 83 Für die fehlende Kommunikation als Kennzeichen eines nicht-kooperativen Spiels Schotter/Schwödiauer,]. Econ. Literature 18 (1980) 479,487; für die fehlende Bindungsmöglichkeit als Kennzeichen eines nicht-kooperativen Spiels A. Roth 20 Fn. 1; zur Möglichkeit kooperativer Strategien bei kooperativen Spielen Harsanyi 111.

110

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

schaft gegen Abfindung auszuscheiden, nicht bindend ausgeschlossen werden (§723 Abs. 3 BGB). Auch die Kernbereichslehre ändert nichts an der nur beschränkten Selbstbindungskraft der Gesellschafter, die gem. § 723 Abs. 3 BGB mit und ohne Kernbereichslehre ihr Recht, aus der Gesellschaft gegen Abfindung auszuscheiden, nicht ausschließen können. Damit mangelt es nach wie vor an einer extern vorgegebenen Institution, mit deren Hilfe die Gesellschafter ihren Verzicht auf die Abwanderungsoption verbindlich machen können. Gleichwohl begünstigt der Kernbereichsschutz eine Verhandlungslösung, indem er die Gesellschaftermehrheit dazu zwingt, die Zustimmung der Minderheitsgesellschafter zu Eingriffen in vom Kernbereich umfassten und daher geschützten Rechten einzuholen. Insbesondere bei fest gefügten Mehrheitsverhältnissen in der Personengesellschaft versetzt er einzelne Minderheitsgesellschafter in die Lage, auf dem Verhandlungswege Fronten aufzubrechen 84 . Mit dieser Wirkung verstärkt der Kernbereichsschutz den gesellschaftsinternen Entscheidungsmechanismus in einer eine Verhandlungslösung begünstigenden Weise und leistet damit einer Marktbildung Vorschub. Spieltheoretisch lässt sich dieser Mechanismus einer endogenen Verhandlungslösung als »mechanism design« einstufen 85 . Mit seiner Hilfe verbessern sich die Chancen der Gesellschafter, ihre Kooperation aufrechtzuerhalten. Der Schutz des Mitspracherechts des Gesellschafters bei der Änderung der Beteiligung oder Haftsumme, der Schmälerung der Gewinnbeteiligung, der Auflösung sowie der Bilanzfeststellung ebnet demzufolge den Weg zu Verhandlungen bei Eingriffen in die betroffenen Vermögensrechte 86 . Insgesamt entfaltet der Kernbereichsschutz der Vermögensrechte daher eine marktbildende Kraft für den gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess. Auch der Sinn und Zweck der Aufgabe der Informations- und Klagerechte, Informationen bei der Unternehmensführung in der Gesellschaft zu Beaufsichtigungszwecken aufzudecken, lässt sich aus ökonomischer Sicht untermauern. Schon die Anfangsbeiträge zur Theorie der Unternehmung und zur Teamproduktion beleuchten schlaglichtartig die Kernprobleme der Kooperation innerhalb einer Unternehmung 87 . Bei der Teamproduktion nach Alchian/Demsetz kann letztlich lediglich der Akteur selbst die Intensität seiner Arbeitsanstrengun84 Zur Problematik fest gefügter Mehrheitsverhältnisse für die Verhandlungsposition eines einzelnen Minderheitsgesellschafters auch Marburger, NJW 1984, 2252, 2253; Röttger 85. 85 Spieltheoretische Beispiele für die Erzeugung einer endogenen Verhandlungslösung bei Harsanyi 164; Diskussion weiterer nicht-kooperativer Ansätze, die aufgrund der vorgegebenen Entscheidungsstruktur zur so genannten Nash-Lösung, bei der jeder Spieler seinen erwarteten Nutzen maximiert, führen, bei Sutton, Rev. Econ. Stud. 53 (1986) 709-724. 86 Zum Kernbereichsschutz dieser Rechte BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 369f.; BGH 29.3.1996, BGHZ 132, 263, 266f. 87 Hierzu und zum Folgenden Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777-795; in der deutschen Literatur Schauenberg/Schmidf, aus neuerer Zeit überblicksartig im deutschen ökonomischen Schrifttum Kräkel 16-63; Neus 108-115; Richter/Furubotn 359-366; hierzu bereits oben Erster Teil II.B.2.

I.

Willensbildung

111

gen beurteilen. Entscheidend für die Kontroll- und Beaufsichtigungserfordernisse ist bei der Produktion, dass die Erhöhung des individuellen Arbeitseinsatzes zwar das Gesamtergebnis steigert, eine individuelle Zurechnung der Ertragssteigerung jedoch nicht möglich ist. Die daraus resultierenden Gefahren des Trittbrettfahrerproblems lösen Alchian/Demsetz dadurch, dass sie einem Akteur Überwachungsfunktionen und -rechte zuweisen88. Die Zuweisung dieser Überwachungsfunktionen geht bei ihnen einher mit der Zuweisung typischer unternehmerischer Verfügungsrechte. Entscheidend für die effiziente Wahrnehmung der zugewiesenen Überwachungsaufgaben ist die Zuweisung der übrigen Rechte. Als Eigentümer der Teamproduktion hat der Kontrolleur die entscheidenden Anreize, durch seine Überwachung ein möglichst gutes Ergebnis der Teamproduktion ohne Verluste infolge von Trittbrettfahrer-Verhalten zu erzielen. So vermitteln die genannten Verfügungsrechte die maßgeblichen Anreize, die letztlich die Effizienz der Zusammenarbeit im Rahmen des Teams zur Folge haben 89 . In ähnlicher Weise werden durch die Verleihung von Informations- und Klagerechten an die Minderheitsgesellschafter einer Personengesellschaft bestehende Anreize zur Beaufsichtigung genutzt. Als Gesamthandseigentümer und Mitinhaber der Residualrechte am Wirtschaftsergebnis der Gesellschaft haben sie das erforderliche Interesse daran, ein Trittbrettfahrer-Verhalten und die Vorenthaltung eines effizienten Arbeitseinsatzes durch die Mehrheit aufzudecken. So sollte das Informationsrecht in der oben genannten Entscheidung den Gesellschafter dazu in die Lage versetzen, über Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft zu verlangen, sich durch Betriebsbesichtigung zu informieren, die Geschäftsbücher und Papiere der Gesellschaft zu überprüfen und sich auf eigene Kosten Bilanzen anzufertigen oder anfertigen zu lassen90. In der Entscheidung zur Einschränkung des Rechts zur Erhebung einer Beschlussmängelklage geht es um die gerichtliche Überprüfung eines Mehrheitsbeschlusses zur Veränderung der Stimmverhältnisse in der Gesellschaft. In den genannten Entscheidungen fördert die Wahrnehmung von Informations- und Klagerechten Informationen zutage, die die Unternehmensführung unmittelbar berühren. Auf diese Weise tragen Informationsund Klagerechte dazu bei, das optimale Teamergebnis und damit möglichst hohe Kooperationsgewinne zu verwirklichen.

Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777-795. Zur Bedeutung dieser Anreizstruktur in der Theorie der Unternehmung (so genannte Verfügungsrechtstheorie) Furubotn/Pejovich, J. Econ. Lit. 10 (1972) 1137-1162; grundlegend zur Rolle der Verteilung der Verfügungsrechte für die Integration im Rahmen einer Theorie der Organisationsintegration Grossman/ Hart, J. Pol. Econ. 94 (1986) 691-719; im Einzelnen hierzu oben Erster Teil II.B.2. 90 BGH 10.10.1994, NJW 1995, 194. 88

89

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2. Teil: Gesellschaftsinterner

5. Interessenausgleich durch Marktnachahmung Publikumspersonengesellschaft

Interessenausgleich

in der

Die für den Kernbereichsschutz der Vermögensrechte des Gesellschafters entscheidende marktbildende Kraft der Kernbereichslehre sowie ihr Funktionsschutz für die innergesellschaftliche Willensbildung aufgrund des Schutzes von Kontrollrechten verlieren in der Publikumspersonengesellschaft an Bedeutung 9 1 . Sie ist regelmäßig als GmbH &: C o KG körperschaftlich strukturiert 9 2 . Das Kennzeichen des freizügigen Gesellschafterwechsels schlägt sich in der Regel in der freien Veräußerbarkeit der Beteiligung sowie ihrer Verbriefung in einem Zertifikat nieder. Hauptmotiv für den Beitritt zur Gesellschaft war für die Anleger meist die Möglichkeit der Steuerersparnis durch Verlustzuweisung, die allerdings durch § 15a EStG seit 1980 eingeschränkt ist 93 . Wie sich im Einzelnen anhand der Konzerneinbindung zeigen lassen wird, stößt demzufolge eine Kapitalmarktorientierung der Publikumsgesellschaft mangels Sekundärmarktes an Grenzen. Daher bleibt es auch bei der Publikumspersonengesellschaft bei einer gesellschaftsrechtlichen Problemlösung bzw. einer Lösung der Kontrollprobleme mit der Prospekthaftung auf dem Primärmarkt 9 4 . Zu den oben genannten Typusmerkmalen tritt die faktische Haftungsbeschränkung infolge der Einschaltung einer juristischen Person als Komplementärin. Darüber hinaus werden die Beteiligungsrechte der Kommanditisten dadurch in eng umschriebene Bahnen gelenkt, dass sie nur gebündelt über Ausschüsse oder einen Treuhänder wahrgenommen und häufig im Rahmen eines Beirats zum Tragen gebracht werden können 9 5 . In einer so strukturierten Personengesellschaft stößt der Gedanke, mit Hilfe des Kernbereichsschutzes die Widerspruchsmechanismen zugunsten der Minderheitsgesellschafter zu verstärken, auf Schwierigkeiten. Indem sich der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft an eine unbestimmte Zahl von Kapitalanlegern am Kapitalmarkt richtet, löst er zumal bei einer Reduzierung der Mitwirkungsrechte aufgrund einer Beiratsorganisation die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter untereinander auf. Damit entzieht er den Gesell91 Zur Marktbildung durch den Kernbereichsschutz von Vermögensrechten siehe oben 4.a); zum Funktionsschutz siehe 4.b). 92 Zu den typischen Merkmalen von Publikumspersonengesellschaften die Leitentscheidung in BGH 14.4.1975, BGHZ 64,238,241; im Schrifttum Hopt, 51. DJT G 28-G 37; überblicksartige Definition bei Schiarmann, BB 1979, 192. 93 Zur Besteuerung der Kommanditgesellschaften mit personengesellschaftsrechtlicher Anlegerbeteiligung, insbesondere der Publikums-KG Maurer 321-376; zu den steuerrechtlich begründeten Motiven der Anleger-Kommanditisten Dietrich 5-13; zur aus §15a EStG folgenden Beschränkung dieser Verlustzuweisungs- und Verrechnungsmöglichkeiten mit der Konsequenz einer entsprechend geringeren Attraktivität dieser Anlageform (zur Abhängigkeit der Attraktivität von § 15a EStG auch Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr.55). 94 Zu dieser Verzahnung der kapitalmarkt- mit der gesellschaftsrechtlichen Ebene im Recht der Publikumspersonengesellschaft Hopt, FS 50 Jahre BGH 497, 523f.; hierzu Dritter Teil IV. 95 Zur anlegerschützenden Funktion des Beirats in der Publikums-KG Grote.

I.

Willensbildung

113

schaftern die Grundlagen für Verhandlungsprozesse und folglich auch dem Kernbereichsschutz seine Bedeutung als verhandlungsfördernder Widerspruchsmechanismus. Mangels Praktikabilität von Widerspruchsmechanismen bei dieser Konstellation hat Reuter die Möglichkeit geprüft, stattdessen die Publikumspersonengesellschaft als wirtschaftlichen Verein zu qualifizieren und so den Gesellschaftern Abwanderungsrechte auf der Grundlage einer Analogie zu § 3 9 B G B einzuräumen 96 . Ausgleichs- und Disziplinierungsmechanismen werden aber auch durch eine solche Lösung nicht verwirklicht, da insbesondere bei den steuerbegünstigten Abschreibungsgesellschaften ein solcher Austritt mit zu großen Nachteilen für die Gesellschafter verbunden wäre, um tatsächlich eine Kontrollwirkung zu entfalten 97 . Interne Verhandlungsprozesse über die Vermögensrechte der Gesellschafter scheitern demnach in einer solchen Gesellschaft bereits an der hohen Zahl der Gesellschafter 98 . Für eine Steigerung der Teamproduktion der Gesellschaft infolge einer Wahrnehmung der Kontrollrechte durch die Minderheitsgesellschafter fehlt es an der richtigen Anreizstruktur. Bei den Minderheitsgesellschaftern handelt es sich insbesondere in einer Publikums-Personengesellschaft nicht um einen »klassischen Unternehmer«, wie von Alchian/Demsetz zugrunde gelegt 99 . Stattdessen ist der Publikumskommanditist typischerweise ein Gesellschafter mit primären Anlegerinteressen an steuerlichen Abschreibungsvorteilen 100 . Dieser grundlegend anders als in der idealtypischen Personengesellschaft gearteten Interessenstruktur in der Publikums-KG trägt auch die Rechtsprechung zur Kernbereichslehre Rechnung. Statt wie in der idealtypischen Personengesellschaft den Schutz des Minderheitsgesellschafters anhand eines fixierten Katalogs unentziehbarer Rechte zu bestimmen, erhebt sie die Treuepflicht des Anlagegesellschafters zum Bestimmungsfaktor für die Reichweite der Mehrheitsherrschaft 101 . Zwar wird in den beiden einschlägigen Entscheidungen ausdrücklich ein unverfügbarer Kernbereich von Rechten der Gesellschafter anerkannt 102 . Gleichwohl wird als entscheidende Begrenzung dieses Kernbereichs die Treuepflicht der Gesellschafter

Reuter, A G 1979, 321, 324-328. Reuter, A G 1979, 321, 327f. 98 Entsprechend zur ratio der mehrheitlichen Beschlussfassung in Publikumsverbänden anstelle des Einstimmigkeitsprinzips Kalss 3 85 f. 99 Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972) 777, 781-783; hierzu und zu den Auswirkungen auf die Funktion von Kontrollrechten zugunsten der Unternehmer-Eigentümer siehe oben 4.c). 1 0 0 Zu steuerrechtlichen Anreizen der Anleger in Publikumspersonengesellschaften Hopt, 51. D J T G 2 8 - G 33. 101 B G H 5.11.1984, N J W 1985, 972; B G H 19.11.1984, N J W 1985,974; so in der Tendenz die Beurteilung auch bereits bei Reuter, G m b H R 1981, 129, 135. 102 B G H 5.11.1984, N J W 1985,972,973; B G H 19.11.1984, N J W 1985,974; besonders betont von Löffler, N J W 1989, 2656, 2657. 96 97

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2. Teil: Gesellscbaftsinterner

Interessenausgleich

hervorgehoben, so dass aus dem unentziehbaren R e c h t eine bewegliche Schranke der Mehrheitsmacht wird 1 0 3 . Entscheidend für die Anwendung der Kernbereichslehre auf die PublikumsK G im Einzelnen sind daher die Maßstäbe, nach denen sich der Inhalt dieser Treuepflicht bestimmt 1 0 4 . In beiden genannten Entscheidungen verweist der B G H zur Begründung der Zustimmungspflicht des Gesellschafters, die letztlich die Zulässigkeit des Kernbereichseingriffs zur Folge hat, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse in der jeweiligen P u b l i k u m s - K G . So war in beiden Fällen auf Seiten der Gesellschafter im Interesse der Unternehmenserhaltung ein Zinsverzicht bzw. ein Verzicht auf die sofortige Erfüllung von Zinsansprüchen geboten 1 0 5 . D a mit werden die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt zum Bestimmungsfaktor für das Ausmaß gesellschaftsvertraglicher Leistungspflichten. Folglich werden Kapitalmarktmaßstäbe in das Gesellschaftsverhältnis integriert. A n die Stelle der internen Marktbildung in der idealtypischen Personengesellschaft tritt mit dem Kapitalmarktbezug in der P u b l i k u m s - K G die Marktnachahmung als Interessenausgleichsmechanismus. Das wichtige Unterscheidungsmerkmal zwischen idealtypischer und Publikums-Personengesellschaft, das die Schwächung internen Widerspruchs zugunsten einer Integration von Kapitalmarktmaßstäben im Innenverhältnis rechtfertigt, fällt zusammen mit dem entscheidenden

Bestim-

mungsfaktor des Personengesellschaftsrechts. M i t der Möglichkeit, seinen G e sellschaftsanteil zu veräußern, gewinnt der Gesellschafter Abwanderungsoptionen, die eine Schwächung seiner Widerspruchsrechte kompensieren 1 0 6 .

6. Grenzen einer Verselbständigung von Marktbildung und

Marktnachahmung

F ü r die Funktionen des Kernbereichsschutzes in der idealtypischen Personengesellschaft ist daher insgesamt zwischen zwei Arten mitgliedschaftlicher R e c h t e zu unterscheiden: Was die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte der Gesellschafter anbelangt, so entfaltet der Kernbereichsschutz eine marktbildende Kraft für den innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess 1 0 7 . Indem er diese Vermögensrechte dem Geltungsbereich des Mehrheitsprinzips entzieht, ebnet er Verhandlungen zwischen Gesellschaftermehrheit und -minderheit über die Verteilung dieser Rechte den Weg. D u r c h den Schutz von Informations- und Klagerechten gewährleistet der Kernbereichsschutz als Institutionenschutz die Funktionsfähigkeit innergesellschaftlicher Willensbildungsprozesse 1 0 8 . D i e Wahrnehmung Als »bewegliches System« bereits bei Reuter bezeichnet (GmbHR 1981, 129, 135). Im Einzelnen hierzu unten C. 105 B G H 5.11.1984, N J W 1985, 974, 975; B G H 19.11.1984, N J W 1985, 972, 973; zur erstgenannten Entscheidung auch Gillot 99-107. 106 So auch die dritte einschlägige Entscheidung zur Kernbereichslehre in der Publikums-Personengesellschaft O L G Köln 12.1.1994, B B 1994, 455, 456. 107 Siehe oben unter 4. 108 Siehe oben 4.b) und c). 103

104

I.

115

Willensbildung

der genannten Rechte deckt wichtige Informationen auf und stellt auf diese Weise die Beaufsichtigung der Mehrheitsmacht sicher. a) Antizipierte Zustimmung als Legitimationsgrundlagen

und Gestaltungskompetenz des Kernbereichseingriffs

der

Mehrheit

Anhand der aufgezeigten Funktionen des Kernbereichsschutzes lässt sich schließlich der Stellenwert der Zustimmung eines Gesellschafters zu einem Eingriff in den Kernbereich eines Mitgliedschaftsrechtes und die daran gegebenenfalls ablesbare Verselbständigung der Willensbildung bestimmen. Zu differenzieren ist hierbei zwischen einer Einordnung der Einführung des Mehrheitsprinzips als antizipierte Zustimmung zum Kernbereichseingriff 109 und der als Einräumung von Gestaltungskompetenz an die Mehrheit 110 . Die letztgenannte Variante hat insbesondere Martens deutlich herausgearbeitet 111 . Aus Sicht der Lehre von der antizipierten Zustimmung beruht die Geltung eines konkreten Mehrheitsbeschlusses über einen Kernbereichseingriff auf der antizipierten Zustimmung zu dem später gefassten Beschluss. Daher kann nach dieser Auffassung die Zustimmung des Gesellschafters nicht aufgrund bloßer Unterwerfung unter die Mehrheitsentscheidung Eingriffe in den Kernbereich einer Mehrheitskompetenz unterstellen. Insbesondere die schwache Verhandlungsposition des Minderheitsgesellschafters sowie der zwischen der Regelung über die Zulässigkeit der Mehrheitsentscheidung und deren Ausübung liegende Zeitraum sprechen demnach gegen die Richtigkeitsgewähr einer vorherigen Einigung über den Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte aufgrund Mehrheitsbeschlusses 112 . Nach den Gegenstimmen räumt die vorherige Unterwerfung unter die Mehrheitskompetenz durch die Gesellschafter der Mehrheit ein Gestaltungsrecht ein und entfaltet insoweit legitimierende Wirkung für einen Eingriff in den Kernbereich seiner Mitgliedschaftsrechte 113 . Insbesondere Martens verdeutlicht das diesem Ansatz zugrunde liegende Vertrauen auf einen ausreichenden Gesellschafterschutz durch Konsens im Gesellschaftsvertrag 114 . Gleichwohl stellt auch aus dieser Sicht die rechtfertigende Kraft dieses Konsenses für Eingriffe in Rechtspo109 A. Hueck, OHG 390f.; H ü f f e r , ZHR 151 (1987) 396, 408; Immenga, ZGR 1974, 385,419; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 362; unter Bezugnahme auf den Bestimmtheitsgrundsatz Reuter , JZ 1986,16,21 Fn.52 ;H.P. Westermann, AcP 175 (1975) 375,418; Wiedemann,JZ 1978,612. 110 Bötticher 28; zum »ausfüllenden« Charakter von Gestaltungsrechten grundlegend Bötticher, FS Dölle 141,51-54; H ü f f e r , ZHR 151 (1987) 396,407; Marburger, NJW 1984,2252, 2254; Martens 108-110; Mecke, BB 1988, 2258, 2261; Menk 62-68; Röttger 90f. 111 Martens, DB 1973, 413, 414-416. 112 Immenga, ZGR 1974, 385, 425. 113 Baumbach-Hopt, § 119 Rdnr. 36; Bötticher 9, 28-30, 32f.; Erman, in: FS Nipperdey 1,277, 291; H ü f f e r , ZHR 151 (1987) 396, 407; Marburger, NJW 1984, 2252, 2254; Martens, DB 1973, 413, 416-418; Mecke, BB 1988, 2258, 2260f.; Menk 62-68; M. Nitschke 181; Thiele 48; MüKoUlmer §709 Rdnr. 92. 114 Martens, DB 1973, 413, 414.

116

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

sitionen des Kernbereichs besondere Anforderungen an das vorhergehende E i n verständnis der Gesellschafter mit einem solchen Eingriff. N e b e n der Eindeutigkeit der betroffenen Rechtsposition müssen auch Ausmaß und U m f a n g der B e einträchtigung in der Mehrheitsklausel erkennbar sein 1 1 5 . Letztlich hält demnach auch diese Position an der Unentziehbarkeit der zum Kernbereich gehörenden R e c h t e fest, verlagert aber die Möglichkeit zur Zustimmung zum Eingriff vor. Dieser Zusammenhang zwischen Ermächtigung der Mehrheit z u m K e r n b e reichseingriff und späterem Mehrheitsbeschluss eines Kernbereichseingriffs ändert gleichwohl nichts am Geltungsgrund eines solchen Mehrheitsbeschlusses. E s ist dies das Gestaltungsrecht der Mehrheit, »das sich wesensmäßig nicht in einer einzigen Gestaltungserklärung erschöpft, sondern eine fortlaufende Regelung trägt« 1 1 6 . D i e Entwicklung der im Gesellschaftsvertrag verliehenen Mehrheitsbefugnis zu einem Gestaltungsrecht mit fortlaufendem Regelungsgehalt lässt die Frage nach der Normenqualität des zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages Wiederaufleben 1 1 7 . b) Normentheoretische

Prämissen

So lässt die Einordnung der Mehrheitskompetenz als Gestaltungsrecht Anklänge an die in ihrer historischen F o r m überholten, und im Vereinsrecht bedeutenden N o r m e n t h e o r i e erkennen. Die Vereinsautonomie umfasst nach der so genannten strengen N o r m e n t h e o r i e das R e c h t zur Selbstgesetzgebung mit der K o n s e q u e n z der Normqualität der Satzung 1 1 8 . D e r fehlenden formalen Gesetzesqualität der Satzung eines Vereins trägt die herrschende modifizierte N o r m e n t h e o r i e R e c h nung, indem sie zwar den rechtsgeschäftlichen Ursprung der Satzung im G r ü n dungsvertrag anerkennt, gleichwohl von einer Entwicklung dieser rechtsgeschäftlichen Grundlage zu einer »eigenständigen körperschaftlichen N o r m des Vereinslebens« ausgeht 1 1 9 . Verleiht man der Personengesellschaftermehrheit aufgrund des Mehrheitsprinzips Gestaltungsbefugnisse mit fortlaufendem Regelungsgehalt, so lässt diese G e 115 Hüffer, ZHR 151 (1987) 396, 408; Mecke, BB 1988, 2258, 2263f.; MüKo-Ulmer §709 Rdnr. 92; weiter gehend mit seinen Anforderungen an die Konkretheit der Bezeichnung des Eingriffs Löffler, NJW 1989, 2656, 2661; zur parallelen Argumentation im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes siehe unten Zweiter Teil I.B. 116 Bötticher 6; zum »schöpferischen« Moment von Gestaltungsrechten Bötticher, FS Dölle I 41, 51; Martens 109. 117 Bezugnahme auf die normentheoretischen Prämissen auch bei Martens, DB 1973,413,415. 118 v. Gierke, Allgemeiner Teil 142f., 485f.; Hedemann, Arch. f. BürgR 38 (1913) 132; Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/1914) 127-143. 119 BGH 4.10.1956, BGHZ 21, 370, 374; ebenso Meyer-Cording 47-49; MüKo-Reuter §25 Rdnr. 17; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 75-77 (§5 1.1.b); a.A. die Vertreter der so genannten Vertragstheorie: v. Tuhr, Allgemeiner Teil §35 III 505; Ennecerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil § 108 651 f.; Going, FS Flume 1429,43 7; Flume, Die Juristische Person 315-322; Hadding, FS Fischer 165, 188; Soergel-Hadding §25 Rdnrn. 16f.; Nicklisch 24f.; Steinbeck 183-186; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 159-165.

I. Willensbildung

117

staltungsbefugnis ebenfalls Züge eines Übergangs von einer rechtsgeschäftlichen Wurzel zu einer sich eigendynamisch fortentwickelnden N o r m des Innenrechts der Gesellschaft erkennen 1 2 0 . Dies legt die Frage nahe, o b die Parallelen zur E i n ordnung der Vereinssatzung als objektiver N o r m ausreichend tragfähig sind, um auch für die Gestaltungsbefugnis der Mehrheit in einer Personengesellschaft eine solche objektive Geltungsgrundlage zu begründen. Als entscheidend für die L o s lösung der Vereinssatzung vom Gründerwillen und ihre hieraus resultierende objektive Geltung und Auslegung wird auf ihre überpersonale Anlage als Verbandsverfassung oder ihre Ausrichtung an einem überindividuellen Z w e c k hingewiesen 1 2 1 . Ausschlaggebend für eine solche überpersonale Geltung der Verbandsverfassung ist die Auswechselbarkeit der zugrunde liegenden Mitgliedschaften 1 2 2 . Dies legt eine Differenzierung für die Personengesellschaft in der Frage nach der objektiven Geltungsgrundlage der Gestaltungsbefugnis der M e h r heit nahe. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen idealtypischer Personengesellschaft und kapitalistisch strukturierter Personengesellschaft mit übertragbaren Gesellschaftsanteilen 1 2 3 .

c) Anwendung

auf die Personengesellschaft

In der idealtypischen Personengesellschaft ist der Gesellschaftszweck an die Personen der konkreten Gesellschafter gebunden, und die Gesellschafter sind demzufolge wechselseitig aufeinander angewiesen, so dass von einer Auswechselbarkeit der Mitgliedschaft und damit auch von einer überpersonalen Anlage der Verbandsverfassung keine Rede sein kann. Folglich werden in der idealtypischen Personengesellschaft nur die Beteiligten untereinander gebunden. In einer solchen Gesellschaft kann sich die Geltung eines Mehrheitsbeschlusses nur auf die antizipierte Zustimmung der Gesellschafter zu dem später gefassten B e schluss stützen. Allein diese verstärkte Widerspruchsmöglichkeit kann das F e h len der Kontrollwirkung eines Abwanderungsrechts kompensieren 1 2 4 . Anders stellt sich der Mehrheitsbeschluss und sein Geltungsgrund in der kapitalistisch strukturierten P u b l i k u m s - K G dar. D e n

Publikums-Kommanditgesellschaften

liegen Gesellschaftsverträge zugrunde, »die nicht zwischen den Parteien ausgehandelt werden, bei denen vielmehr für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle die künftigen Rechtsbeziehungen einseitig vorweg festgelegt werden« 1 2 5 . D e r G e sellschaftszweck richtet sich hier auf die Kapitalsammlung bei rein kapitalistisch 120 So z.B. Martens, DB 1973, 413, 415 unter Hinweis auf die »regelnde Gestaltung, >die sich wesensgemäß nicht in einer einzigen Gestaltungserklärung erschöpft, sondern eine fortlaufende Regelung trägt«« (Zitat nach Bötticher 6). 121 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 82 (§5 I. 2. b); MüKo-Rrater §25 Rdnr. 10. 122 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 82 (§5 I. 2. b); vgl. auch schon M. Nitschke 171-175. 123 Grundlegend Reuter 62. 124 Zum Verhältnis von Abwanderung und Widerspruch siehe oben Erster Teil II.C.I.e. 125 BGH 14.4.1975, BGHZ 64, 238, 241.

118

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

beteiligten Kommanditisten als Anlagegesellschafter vielfach mit dem Ziel steuerlicher (Sonder-) Abschreibungen 1 2 6 . Hierdurch werden die Anlagegesellschafter auf eine überpersonal angelegte Verbandsverfassung und insbesondere auf rein kapitalmarktorientierte Zielsetzungen festgelegt. Die Kapitalmarktorientierung des überpersonalen Gesellschaftszwecks sowie die des Vertriebs der aktienähnlichen verbrieften Gesellschaftsanteile begründet und begrenzt den Wandel des gesellschaftsvertraglich begründeten Mehrheitsprinzips zur Gestaltungsbefugnis der Gesellschaftermehrheit. Deutlich wird dies in der Argumentation des B G H zum Kernbereichsschutz in der Publikums-KG, die von einer wirtschaftlichen Gestaltungsbefugnis der Mehrheit zur Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt ausgeht. Demzufolge lässt sich für die Publikums-KG die im Gesellschaftsvertrag wurzelnde Gestaltungsbefugnis der Gesellschaftermehrheit als Geltungsgrund des Mehrheitsbeschlusses auffassen. Auf der Grundlage der unterschiedlichen Geltungsgründe eines Mehrheitsbeschlusses in der idealtypischen und in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft lassen sich die Ergebnisse zum Wirkungsmechanismus des Kernbereichsschutzes zusammenfassen. In der idealtypischen Personengesellschaft muss der innergesellschaftliche Willensbildungsprozess marktliche Anreize vermitteln, da kein Anteilsmarkt als Sekundärmarkt zur Verfügung steht und diese Funktion erfüllen kann. Der Beitrag des Kernbereichsschutzes als Widerspruchsmechanismus zu marktähnlichen innergesellschaftlichen Anreizstrukturen liegt in der Schaffung von Verhandlungsanreizen bei der Veränderung von Vermögensansprüchen der Gesellschafter sowie in der Ausnutzung von Beaufsichtigungsanreizen durch den Schutz von Kontrollrechten 127 . Soll der Kernbereichsschutz diese Funktionen erfüllen und eine kontinuierliche Kontrolle der Mehrheitsmacht gewährleisten, so setzt jede den Kernbereich tangierende Beschlussfassung eine zu aktualisierende Zustimmung des betroffenen Gesellschafters voraus 128 . Nur eine solche gegebenenfalls im Einzelnen antizipierte Zustimmung stellt die Deckungsgleichheit zwischen der Selbstbestimmung des einzelnen Gesellschafters und der Ausübung von Mehrheitsmacht im Wege des Mehrheitsbeschlusses sicher. Demgegenüber vermittelt in der kapitalistisch strukturierten Publikums-KG nicht der innergesellschaftliche Willensbildungsprozess Marktanreize, sondern der in Bezug genommene Kapitalmarkt. Er wird zum Maßstab für die Zulässigkeit von Kernbereichseingriffen durch Mehrheitsbeschluss 129 . Sein überpersonaler Bezug, wie er im überindividuellen Gesellschaftszweck der Publikums-KG sowie in der freien Veräußerbarkeit der Gesellschaftsanteile einer Publikums-KG Ausdruck findet, begründet und be126 Zur Kapitalsammlungsfunktion der Publikums-KG Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 405; zur Besteuerung der Publikums-KG Maurer 354-374; 127 Siehe oben 4. 128 Siehe oben 6.c). 129 Siehe oben 5.

I.

Willensbildung

119

grenzt die im Gesellschaftsvertrag wurzelnde Gestaltungsbefugnis der Gesellschaftermehrheit bei Kernbereichseingriffen und damit auch die Verselbständigung der Willensbildung von den Gesellschaftern in der Personengesellschaft.

B. Widerspruchsrechte und Drittmarktmaßstäbe aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes 1.

Ausgangspunkte

Neben der Kernbereichslehre schränkt auch der Bestimmtheitsgrundsatz die Zulässigkeit des Mehrheitsprinzips in der Personengesellschaft ein und ist daher ebenfalls wesentlicher Gestaltungsfaktor des innergesellschaftlichen Willensbildungsprozesses. Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss eine Mehrheitsklausel für ihre Wirksamkeit in dem Vertrag einer Personengesellschaft die dem M e h r heitsprinzip unterliegenden Beschlussgegenstände deutlich benennen, sofern sie insbesondere bei Grundlagengeschäften (§114 H G B ) über laufende Geschäftsangelegenheiten hinausgehen 1 3 0 . Zusammengefasst hat sich hinsichtlich der A n forderungen an die Bestimmtheit einer Mehrheitsklausel in Rechtsprechung und Literatur die folgende »Steigerungstrias« herausgebildet 1 3 1 . Hiernach deckt eine pauschale Mehrheitsklausel lediglich Beschlüsse über die Geschäftsführung 1 3 2 . Darüber hinaus in einer Mehrheitsklausel vorgesehene Vertragsänderungen erfassen nur übliche, nicht außergewöhnliche Änderungen 1 3 3 . Letztere erfordern für die Wirksamkeit einer Mehrheitsklausel eine ausdrückliche Benennung oder zumindest eine zweifelsfreie Ermittelbarkeit im Wege der Auslegung 1 3 4 . Als dogmatische Grundlagen des Bestimmtheitsgrundsatzes lassen sich der Literatur verschiedene Ansatzpunkte entnehmen 1 3 5 . Zum Teil w i r d der Bestimmtheitsgrundsatz dem Erfordernis einer antizipierten Zustimmung angenähert, so dass die Gesellschafter schon mit ihrer Zustimmung zur Mehrheitsklausel späteren Vertragsänderungen im Wege einer Vorausverfügung zustimmen 1 3 6 . In den Augen ihrer Kritiker begünstigt diese Sichtweise die gängige aufwendige Katalogpraxis der Formularbücher 1 3 7 . Andere Stimmen in der Literatur ordnen den Bestimmtheitsgrundsatz als verfahrensrechtliche Absicherung der M i n d e r heit gegenüber der Mehrheit ein, da er die formelle Ermächtigung der Mehrheit Ständige Rechtsprechung seit RG 23.11.1917, RGZ 91, 166, 167f. Martens, DB 1973, 413, 416; Immenga, ZGR 1974, 385, 418. 132 RG 15.10.1926, RGZ 114, 393, 395. 133 BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35, 41; BGH 12.11.1952, NJW 1953, 102, 103. 134 BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35, 41 f.; BGH 12.11.1952, NJW 1953, 102, 103; BGH 23.10.1972, WM 1973, 100, 102. 135 Aktueller Überblick bei Micbalski, WiB 1997, 1, 2; MüKo-Ulmer, §709 Rdnr 88f. 136 A. Hueck, Recht der oHG 390f.; Immenga, ZGR 1974, 385, 419; Reuter, JZ 1986, 16, 21 Fn.52; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 409-412; Wiedemann, JZ 1978, 612. 137 So z.B. Hermanns, ZGR 1996, 103,105; K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 206. 130 131

120

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

verankere 1 3 8 . Der Bestimmtheitsgrundsatz w i r d aus dieser Sicht als eine »formale Begrenzung der Mehrheitskompetenz« aufgefasst 1 3 9 . Die Einordnung einer durch den Bestimmtheitsgrundsatz gedeckten Mehrheitsklausel als eine U n t e r werfung der Minderheit unter die Gestaltungsmacht der Mehrheit trägt demgegenüber materiellrechtliche Züge 1 4 0 . Schließlich ist die starke Strömung kritischer Stimmen zu nennen, die den Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes insgesamt in Zweifel ziehen 1 4 1 . Wie bereits oben zur Kernbereichslehre dargelegt 142 , sichert in der idealtypischen Personengesellschaft die antizipierte Zustimmung zu einem Mehrheitsbeschluss die Funktionsfähigkeit des Kontrollmechanismus von A b w a n d e r u n g und Widerspruch (dazu 2.). Demgegenüber ist der Willensbildungsprozess in einer kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft mit übertragbaren Gesellschaftsanteilen anders einzuordnen. H i e r begründet die überpersonale Anlage der Verbandsverfassung eine objektive Geltungsgrundlage für den Mehrheitswillen (dazu 3.). 2. Widerspruchsrecbte a) Dogmatische

in der idealtypischen

Personengesellschaft

Grundlagen

Für eine klare Herausarbeitung der Unterscheidung zwischen idealtypischer und kapitalistisch strukturierter Personengesellschaft beim Bestimmtheitsgrundsatz ist zunächst insbesondere für die idealtypische Personengesellschaft den Stimmen zur allgemeinen Geltung und Einordnung des Bestimmtheitsgrundsatzes nachzugehen. Ebenso wie bereits im Zusammenhang mit der Kernbereichslehre im Einzelnen aufgezeigt' 4 3 , lassen die Beurteilungen des Bestimmtheitsgrundsatzes im deutschen Gesellschaftsrecht z u m Teil eine gewisse Nähe zu einem Denken in Kategorien von »Sonderrechten« erkennen. So unterscheidet Flume bei den einer Mehrheitsklausel möglicherweise unterfallenden Beschlussgegenständen zwischen überindividuellen Belangen der Gesellschaft und Eingriffen in die Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters 1 4 4 . Letztere seien auch aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zu rechtfertigen 1 4 5 . Damit w i r d ähnlich w i e bereits bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Kernbereichslehre die Abschichtung von Interessensphären zwischen Gesellschaft 138 Hermanns, Z G R 1 9 9 6 , 1 0 3 , 1 0 5 f . ; Leenen, in: FS Larenz, S.371, 375; Schiemann, A c P 185 (1985) 73, 75; K. Schmidt, Z H R 158 (1994) 205-228. 139 K. Schmidt, Z H R 158 (1994) 205, 214. 140 Marburger, N J W 1984, 2252, 2254; Mecke, BB 1988, 2258, 2261. 141 Autenrieth, DB 1983, 1034; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 714f.; Mecke, BB 1988, 2258, 2261-2263; Leenen, FS Larenz II, S.371, 375-393; Hüffer, Z H R 151 (1987) 396, 407; Hadding, Z G R 1979, 642-644; M ü K o - U l m e r , § 7 0 9 R d n r n . 87-89. 142 Siehe oben A.6.c). 143 Siehe oben A . l . 144 Flume, Personengesellschaft 209. 145 Flume, Personengesellschaft 219.

I.

Willensbildung

121

und Gesellschafter zum Bestimmungsfaktor des Bestimmtheitsgrundsatzes 1 4 6 . Ebenso wie schon bei der Kernbereichslehre kann auch für den Bestimmtheitsgrundsatz die dieser Abschichtung zugrunde liegende Prämisse nicht uneingeschränkt überzeugen 147 : Eine Interessenhomogenität der Gesellschafter besteht lediglich im Ausmaß des gemeinsamen Zwecks der Gesellschaft und fasst in diesem Umfang die Gesellschafterinteressen zusammen 1 4 8 . Der Interessengegensatz zwischen Mehrheitsmacht und Minderheitsgesellschafter in der idealtypischen Personengesellschaft kann hierdurch nicht vollends überbrückt werden. Ebenso müssen auch gegen andere dogmatische Ableitungen des Bestimmtheitsgrundsatzes Bedenken geäußert werden. Ordnet man dem Bestimmtheitsgrundsatz allein die verfahrensrechtliche Funktion einer wirksamen Ermächtigung der Mehrheit ein 149 , so setzt dies gedanklich deren Gestaltungsbefugnis voraus. Dies trifft auch für die materiellrechtlich ausgerichtete These zu, dass sich die Minderheit der Gestaltungsmacht der Mehrheit mit der Vereinbarung einer Mehrheitsklausel unterwerfe und der Bestimmtheitsgrundsatz die Reichweite einer solchen Unterwerfung begrenze 150 . Bei einer materiellen Unterwerfung der Minderheit müssen sich nach dem Bestimmtheitsgrundsatz die von der Mehrheitsklausel erfassten Beschlussgegenstände aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben. Die von beiden Ansätzen zugrunde gelegte Gestaltungsbefugnis der Mehrheit erscheint problematisch. Wie bereits im Zusammenhang mit der Kernbereichslehre dargelegt, lässt die Annahme einer mehrheitlichen Gestaltungsbefugnis den Ubergang von einer rechtsgeschäftlichen Grundlage zu einer sich fortentwickelnden N o r m erkennen. Begründet wird damit die Nähe zur modifizierten Normentheorie, deren Geltung eine überpersonale Anlage des zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrags voraussetzt. Gerade an der hierfür erforderlichen überpersonalen Ausrichtung des Gesellschaftsvertrags fehlt es in der idealtypischen und mangels Ubertragbarkeit der Gesellschaftsanteile an die konkreten Gesellschafter gebundenen Personengesellschaft. Zwar mag in der Vergangenheit der bereits angedeutete Unterschied zwischen der Lehre von der Gestaltungsbefugnis und der der antizipierten Zustimmung jedenfalls in der Auseinandersetzung zwischen der Normentheorie und der Vertragstheorie im Vereinsrecht überzogen gewesen sein 151 . Gleichwohl ist auf den grundlegenden Unterschied der oben genannten dogmatischen Einordnungen des Bestimmtheitsgrundsatzes als Einschränkung der mehrheitlichen GestalZur entsprechenden Sachlage bei der Kernbereichslehre siehe oben A.l. Siehe oben A.2. 148 Hierzu siehe oben A.2. 149 Hermanns, ZGR 1996, 103, 105; Leenen, in: FS Larenz II 371, 379-383; Schiemann, AcP 185 (1985) 73, 75; K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 203, 214f., 218. 150 Marburger, NJW 1984, 2252, 2254; Martens, DB 1973, 413, 415; Mecke, BB 1988, 2258, 2261; Menk 63-93. 151 So die Einschätzung auch schon bei Martens, DB 1973, 413, 415. 146 147

122

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

tungsbefugnis und der nun Folgenden hinzuweisen. Anders als die Einstufung der Mehrheitsklausel als Gestaltungsermächtigung nähert sich die Lehre von der antizipierten Zustimmung der Einräumung der Mehrheitsbefugnis mit ausschließlich vertragsrechtlichen Kategorien 152 . Hiernach muss sich die Zustimmung der Gesellschafter zur Mehrheitsklausel auf die späteren hierauf gestützten Mehrheitsbeschlüsse beziehen, so dass der Bezugspunkt der Zustimmung die materiellen Beschlussgegenstände der Mehrheit sind. Mit der engen Verbindung zwischen der Zustimmung der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag und dem Regelungsgegenstand der Mehrheitsbefugnis bleiben die personalen Bezüge des Gesellschaftsvertrages gewahrt. Mit der Bindung des Gesellschaftszwecks an die Personen der konkreten Gesellschafter in der idealtypischen Personengesellschaft ist ihre Bindung untereinander als vertraglich zu charakterisieren 153 . Demzufolge muss sich auch die Geltung eines Mehrheitsbeschlusses auf eine vertragliche Grundlage stützen, die nur nach der Lehre von der antizipierten Zustimmung dogmatisch abgesichert wird. Wie dieser enge Bezug zwischen antizipierter Zustimmung und Beschlussgegenstand der Mehrheit in der Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz abgesichert wird, ist nunmehr anhand der einschlägigen Entscheidungen nachzuvollziehen (dazu b). Darüber hinaus ist der Kreis der dem Bestimmtheitsgrundsatz unterfallenden Beschlussgegenstände näher zu bestimmen und eine Abgrenzung zum Anwendungsbereich der Kernbereichslehre vorzunehmen (dazu c). Die Beantwortung der genannten Fragen wird gleichzeitig die Gelegenheit bieten, die wichtigsten Einwände gegen die Lehre von der antizipierten Zustimmung aufzugreifen. b) Der vertragsrechtliche Regelungsgehalt

im Spiegel der

Rechtsprechung

Schon die Ausgangspunkte des Bestimmtheitsgrundsatzes in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, die insbesondere die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen über Beitragserhöhungen in idealtypischen Personengesellschaften betrafen, verdeutlichen den exakten Bezugspunkt der Zustimmung zum Mehrheitsprinzip 154 . So ordnet die Leitentscheidung in RGZ 91, 166 eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Zustimmung zum Mehrheitsprinzip als »Unterordnung unter einen künftigen Mehrheitsbeschluss« ein155. Dieser Verbindung zwischen der Zustimmung zum Mehrheitsprinzip und der individuellen Beitragspflicht, die mehrheitlich beschlossen werden könne, macht Karsten Schmidt den Vorwurf »der Vermischung des Ermächtigungs- und des Individualschutzpro152 Coing, ZGR 1978, 659, 673; Immenga, Z G R 1974, 385, 419; Reuter, JZ 1986, 21 Fn.51; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 411; Wiedemann, JZ 1978, 612. 153 Hierzu bereits oben A.6.c). 154 InsbesondereRG23.11.1917,RGZ91,166;RG 15.5.1936,RGZ 151,321;RG 13.4.1940, RGZ 163, 385. 155 RG 23.11.1917, RGZ 91,166,168; ebenso im Ansatz in RG 15.5.1936, RGZ 151,321,327; RG 13.4.1940, RGZ 163, 385, 391.

I.

Willensbildung

123

blems« 1 5 6 . Stuft man die Mehrheitsklausel als formelle Ermächtigung ein, ist dieser Vorwurf konsequent, da es sich dann bei der Mehrheitsbefugnis um eine von dem Gesellschaftsvertrag lediglich verfahrensrechtlich abgesicherte Gestaltungsmacht handelt. Von dieser verfahrensrechtlichen Ermächtigung wäre dann die Frage der materiellrechtlichen Verpflichtung des Gesellschafters aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses zu trennen 157 . Gleichwohl trifft das Reichsgericht diese Unterscheidung nicht. Aus seiner Sicht fällt die Einräumung der Mehrheitsbefugnis mit der Zustimmung zum Mehrheitsbeschluss zusammen, da es die Zustimmung zum Mehrheitsprinzip nicht als Ermächtigung, sondern als antizipierte Zustimmung zum künftigen Mehrheitsbeschluss einordnet. Bezugspunkt der Zustimmung ist der Beschlussgegenstand der Mehrheit, nämlich die Erhöhung der Beitragspflicht 158 . Mangels Ermächtigung bleibt dann für den Vorwurf einer Vermischung kein Raum. Bestätigt wird der Bezugspunkt der antizipierten Zustimmung unter dem Bestimmtheitsgrundsatz auch in der Rechtsprechung des BGH. So stellt die Leitentscheidung in BGHZ 8, 35 fest, dass es bei der Unterwerfung der Minderheit unter den Mehrheitswillen der Prüfung bedürfe, ob auch wirklich der erklärte Wille der Gesellschafter bei der Vielfalt der in Betracht kommenden Beschlussgegenstände jeden dieser Gegenstände erfasst habe 159 . Deutlich wird damit, dass Bezugspunkt der Zustimmung der Gesellschafter auch aus der Sicht des B G H der Beschlussgegenstand der Mehrheit und nicht die Ermächtigung derselben ist. Diese Sicht wird für den dort einschlägigen Mehrheitsbeschluss über die Umwandlung der Gesellschaft vertreten. Bestätigt wird sie auch in späteren Entscheidungen über die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen in idealtypischen Personengesellschaften 160 . Deutlich wird in allen Fällen, dass Bezugspunkt der Zustimmung des Gesellschafters zum Mehrheitsprinzip der Gegenstand des Mehrheitsbeschlusses und nicht die Ermächtigung zu ihm ist. Dies trägt der materiellrechtlichen Bedeutung Rechnung, die die Rechtsprechung dem Bestimmtheitsgrundsatz einräumt. Einen materiellrechtlichen Gehalt hat der Bestimmtheitsgrundsatz freilich nicht nur aus Sicht der Lehre von der antizipierten Zustimmung, sondern auch 156

K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 228. Zu dieser Unterscheidung K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 217. 158 RG23.11.1917, RGZ91,166,168; RG 15.5.1936, RGZ 151,321,327; RG 13.4.1940, RGZ 163, 385, 391. 159 BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35, 41; zu dieser Entscheidung auch Gillot 23-36. 160 BGH 14.11.1960, W M 1961, 303, 304 (Übertragung eines Gesellschaftsanteils); BGH 14.4.1966, W M 1966, 707, 708 (liquidationslose Geschäftsübernahme durch einzelnen Gesellschafter); BGH 23.10.1972, W M 1973, 100, 102 (Abberufung eines Gesellschafters aus dem Wirtschaftsbeirat); BGH 10.5.1976, BB 1976, 948; OLG Hamm 21.11.1977, DB 1978,120, 121 (Vorwegvergütung zugunsten eines Gesellschafters); OLG Düsseldorf 25.3.1977, N J W 1977, 2216, 2217 (Verlängerung der Gesellschaft um zwei Jahre); OLG Düsseldorf 10.12.1982, BB 1983, 459, 460 (Umwandlung einer Komplementärstellung in Kommanditistenbeteiligung). 157

124

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

nach den Stimmen, die eine Mehrheitsklausel als materiellrechtlich fundierte Unterwerfung der Minderheit unter die Gestaltungsmacht der Mehrheit einstufen 161 . Gleichwohl lässt der B G H keinen Zweifel am vertragsrechtlichen Regelungsgehalt des Bestimmtheitsgrundsatzes in der idealtypischen Personengesellschaft. Bei der Untersuchung, inwieweit die antizipierte Zustimmung zum Mehrheitsbeschluss bei Vereinbarung der Mehrheitsklausel den fraglichen Beschlussgegenstand bereits ausdrücklich erfassen muss, erklärt er »jeden irgendwie erkennbar erklärten Vertragswillen« für ausreichend und wendet vertragsrechtliche Auslegungsgrundsätze an 162 . Mit einem solchen vertragsrechtlichen Regelungsgehalt der Zustimmungserklärung des Gesellschafters zum Mehrheitsprinzip ist die Annahme einer mehrheitlichen Regelungsmacht, die »... eine fortlaufende Regelung trägt ...«, nicht vereinbar 163 . Mit der Inbezugnahme vertraglicher Auslegungsprinzipien zur Präzisierung des Bestimmtheitserfordernisses begegnet der B G H der im Schrifttum geäußerten Kritik an der auf die Lehre der antizipierten Zustimmung gestützten Katalogpraxis der Formularbücher 1 6 4 . Diese Praxis belaste - so die Kritiker - durch ihren hohen Umfang die Gesellschaftsverträge. Abgesehen von unerfreulichen Auslegungsdiskussionen, verurteile sie die Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes zum Scheitern. Angeschnitten ist damit die Frage nach der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes aus der Sicht der Lehre von der antizipierten Zustimmung. Zutreffend charakterisiert Leenen diese Lehre als eine »nur modifizierte Einstimmigkeitstheorie« 165 . In der Tat lassen sich Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes nur auf der Grundlage der Funktion des Einstimmigkeitsprinzips gem. §119 Abs. 1 HGB in der Personengesellschaft klären 166 . Wie bereits oben zur Kernbereichslehre festgestellt und ausführlich dargelegt, sichert das Einstimmigkeitsprinzip in der Personengesellschaft die Widerspruchsrechte der Gesellschafter 167 . Diese sind wegen nur eingeschränkter Abwanderungsoptionen in der Personengesellschaft als marktähnlicher Kontrollmechanismus für den Interessenausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit unabdingbar. Bei dieser Sachlage beseitigt die Einschränkung des Mehrheitsprinzips durch den Bestimmtheits161

Marburger,

NJW 1984, 2252, 2254; Martens,

DB 1973, 413, 415; Mecke, BB 1988, 2258,

2261. 162 BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35, 42; sinngemäß ebenso BGH 23.10.1972, WM 1973, 100, 102; BGH 10.5.1976, BB 1976, 948; OLG Düsseldorf 25.3.1977, NJW 1977, 2216, 2217; OLG Hamm 21.11.1977, DB 1978, 120, 121. 163 Zur mehrheitlichen Regelungsmacht Martens, DB 1973, 413, 415. 164 Hinweis auf die Katalogpraxis bei Sudhoff-Schulte 117; zur Kritik z.B. anklingend bei BB 1983,713,714; Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 39; R. Fischer, FS Barz 33,41 f.; Hennerkes/Binz, H ü f f e r , ZHR 151 (1987) 396, 407; Leenen, FS Larenz II 387, 388f.; Mecke, BB 1988, 2258, 2262; K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 206; U.H. Schneider, AG 1979, 57, 60; Mülto-Ulmer §709 Rndrn. 87f.; Wiedemann, ZGR 1977, 690, 694. 165 Leenen, FS Larenz II 371, 376f. 166 So auch schon K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 211. 167 Hierzu oben A.4.

I.

Willensbildung

125

grundsatz ebenso wie schon der Kernbereichsschutz von Vermögensrechten die Alternative zwischen Abwanderung und Mehrheitsentscheidung, indem sie den Weg zu Verhandlungen und zur Erhaltung des Kooperationsgewinns für die G e sellschafter ebnet 1 6 8 . So lässt sich der Bestimmtheitsgrundsatz als »Minderheitenschutz durch Verfahren« einstufen 1 6 9 . U n t e r diesen Vorzeichen wird die Warnfunktion bzw. der Vorwurf ihres Versagens beim Bestimmtheitsgrundsatz dem Stellenwert desselben nicht gerecht. Indem der Bestimmtheitsgrundsatz den Widerspruchsrechten der Minderheitsgesellschafter Wirksamkeit verleiht und Verhandlungslösungen den Weg ebnet, entfaltet er eine marktbildende Kraft. Hierbei geht es eher um die Vermeidung einer Frontenverhärtung bei fest gefügten Mehrheitsverhältnissen als um die Warnung eines Marktteilnehmers 1 7 0 .

c) Abgrenzung

zur

Kernbereichslehre

M i t der Parallelisierung von Kernbereichslehre und Bestimmtheitsgrundsatz als Widerspruchsmechanismen drängt sich die Frage nach der Abgrenzung dieser beiden Minderheitenschutzinstrumente auf. Stuft man den Bestimmtheitsgrundsatz als verfahrensrechtliche Absicherung der Ermächtigungsgrundlage

von

Mehrheitsbeschlüssen ein, liegt diese Abgrenzung auf der Hand. D e m Bestimmtheitsgrundsatz wäre die verfahrensrechtliche Sicherung, der Kernbereichslehre der materiellrechtliche Schutz der Minderheit zugewiesen 1 7 1 . Billigt man jedoch dem Bestimmtheitsgrundsatz im Sinne der Lehre der antizipierten Zustimmung einen vertragsrechtlichen und damit materiellen Gehalt zu, so muss der materielle Anwendungsbereich der beiden Schutzinstrumente Aufschluss über ihr Verhältnis zueinander geben. Wie oben gezeigt, sichert der Kernbereichsschutz Verhandlungs- und Kontrollmechanismen in der Personengesellschaft durch den Schutz des Kernbereichs wichtiger Mitgliedschaftsrechte 1 7 2 . Eine Abgrenzung des B e stimmtheitsgrundsatzes hiervon setzt die Präzisierung der vom Bestimmtheitsgrundsatz erfassten Beschlussgegenstände voraus. Einen ersten Hinweis zum Verhältnis zwischen Kernbereichslehre und Bestimmtheitsgrundsatz enthält eine neuere B G H - E n t s c h e i d u n g 1 7 3 . Hier wendet der B G H unter ausdrücklicher Hintanstellung des Bestimmtheitsgrundsatzes die Kernbereichslehre auf einen Mehrheitsbeschluss über die Einschränkung von Informationsrechten eines M i n -

Hierzu und zur spieltheoretischen Fundierung der Strategieraumerweiterung oben A.4.c). So Wiedemann, Gesellschaftsrecht 411; Anklänge auch bei Martens, DB 1973, 413, 414. 170 Entsprechend schon im Rahmen der Kernbereichslehre siehe A.4.c). 171 So z.B. Hermanns, Z G R 1996,103,114f.;K Schmidt, Z H R 158 (1994) 205,227f.; tendenziell ebenfalls auf den formalen Schutz durch den Bestimmtheitsgrundsatz als selbständiges Schutzinstrument neben der Kernbereichslehre abstellend Baumbach/Hopt § 119 Rdnrn. 36,37, 39; die Selbständigkeit implizit im Konzernzusammenhang voraussetzend MüKoHGB-Aiä/bert, KonzernR Rdnr. 157. 172 Siehe oben A.4. 173 B G H 10.10.1994, N J W 1995, 194. 168

169

126

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

derheitsgesellschafters an 1 7 4 . D a m i t impliziert das Gericht eine Auffangfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes im Vergleich zum Schutz spezifischer K e r n b e reichsrechte durch die Kernbereichslehre. Gleichwohl ist die Kernbereichslehre nicht als so genannte »lex specialis« zu verstehen, sondern sie erfasst einen auch außerhalb des Geltungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes liegenden Kreis von Mehrheitsentscheidungen 1 7 5 . Treffender ist es daher, der Kernbereichslehre eine spezifischere Schutzrichtung im H i n b l i c k auf ausgewählte Mitgliedschaftsrechte zuzuweisen. Demgegenüber betrifft der Bestimmtheitsgrundsatz einen Kreis von Mehrheitsentscheidungen, der nicht in spezifische Mitgliedschaftsrechte eingreift, sondern in anderer Weise Festlegungen des Gesellschaftsvertrages verändert. D i e A r t der hier betroffenen Festlegungen gilt es nun anhand der Rechtsprechung herauszukristallisieren. In der Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz zeigt sich eine große Vielfalt v o m Bestimmtheitsgrundsatz betroffener Beschlussgegenstände. D i e Gerichte knüpfen hierbei an die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur Vereinbarkeit einer E r h ö h u n g der Beitragspflichten der Gesellschafter aufgrund eines M e h r heitsbeschlusses

mit

dem

Bestimmtheitsgrundsatz

Bestimmtheitsgrundsatz

an 1 7 6 .

Sie wenden

in der idealtypischen Personengesellschaft

den

auf B e -

schlussgegenstände an, wie die Umwandlung der Gesellschaft von einer A b w i c k lungsgesellschaft in eine werbende Gesellschaft 1 7 7 , auf die Übertragung eines G e sellschaftsanteils 1 7 8 und auf die Umwandlung der Gesellschafterstellung eines Komplementärs in die eines Kommanditisten 1 7 9 . Erfasst werden auch die liquidationslose Ü b e r n a h m e des Geschäfts der Gesellschaft durch einen einzelnen G e sellschafter 1 8 0 sowie die Vorwegvergütung der Gesellschafter 1 8 1 . D i e Rechtsprechung nimmt hierbei die »Ungewöhnlichkeit« des fraglichen Mehrheitsbeschlusses in Bezug 1 8 2 . Insgesamt betreffen die genannten Beschlussgegenstände Fragen des Gesellschaftszwecks sowie solche der Förderungspflichten der Parteien. Beide Bereiche sind in Anbetracht ihrer Zweckverfolgungsnähe in der idealtypischen Personengesellschaft eng mit den konkreten Personen der Gesellschafter verknüpft 1 8 3 . BGH 10.10.1994, NJW 1995, 194, 195. BGH 10.10.1994, NJW 1995, 194, 195; ähnlich auf die Selbständigkeit der Kernbereichslehre und des Bestimmtheitsgrundsatzes als Schutzinstrumente des Minderheitenschutzes hinweisend BayObLG 10.11.2004, NZG 2005, 173, 174. 176 RG23.11.1917, RGZ 91,166; RG 15.10.1926, RGZ 114,393; RG 3.5.1932, RGZ 136,236; RG 15.5.1936, RGZ 151,321; RG 13.4.1940, RGZ 163,385; Beispiele bei Baumbach/Hopt § 119 Rdnr.38. 177 BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35. 178 BGH 14.11.1960, WM 1961,303. 179 OLG Düsseldorf 10.12.1982, BB 1983, 459. 180 BGH 14.4.1966, WM 1966, 707. 181 BGH 10.5.1976, BB 1976, 948; OLG Hamm 21.11.1977, DB 1978, 120. 182 Z.B. BGH 10.5.1976, BB 1976, 948, 949; BGH 15.6.1987, ZIP 1987, 1178, 1179. 183 Zur zugrunde gelegten Zweckverfolgungsnähe siehe oben A.3. und 6.c). 174

175

I.

Willensbildung

127

Rechtlich bezeichnet sind damit die notwendigen Vertragsbestandteile des G e sellschaftsvertrags gem. § 7 0 5 B G B , die essentialia negotii, mit Bezug zum Gesellschaftszweck oder den Förderungspflichten der Parteien 184 . Damit erfordert der Bestimmtheitsgrundsatz die Bestimmbarkeit des Beschlussgegenstandes von Mehrheitsbeschlüssen auf der Grundlage der Mehrheitsklausel, soweit diese notwendigen Vertragsbestandteile betroffen sind. Demgegenüber regelt die Kernbereichslehre nicht Mehrheitsbeschlüsse zu den genannten notwendigen Vertragsbestandteilen,

sondern

lediglich

solche, die den Kernbereich

spezifischer

Mitgliedschaftsrechte berühren. Mit einer solch klaren Reichweite des Bestimmtheitsgrundsatzes erübrigt sich der Vorwurf der umfangreichen Katalogpraxis. Sobald ein notwendiger Vertragsbestandteil mit Bezug zum Gesellschaftszweck oder zu den Förderungspflichten der Gesellschafter im Wege eines Mehrheitsbeschlusses geändert werden soll, greift der Bestimmtheitsgrundsatz ein, es sei denn, eine solche Änderung wurde bereits in der auslegungsfähigen Mehrheitsklausel vorgesehen. Dem Vorwurf spekulativer Auslegung ist an dieser Stelle zu entgegnen, dass auch im Vertragsrecht eine weitreichende Auslegung von Willenserklärungen nicht gegen das Institut der Willenserklärung als solches ins Feld geführt werden kann 185 . Zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen wären die hier erfassten notwendigen Vertragsbestandteile noch im Hinblick auf eine K o n kretisierung des erforderlichen Bezugs zum Gesellschaftszweck oder zu den Förderungspflichten der Gesellschafter zu verfeinern. Gesellschaftszweck und Förderungspflichten der Gesellschafter lassen sich als diejenigen Vertragsbestandteile einordnen, die letztlich unmittelbar die H ö h e des Gewinns für den einzelnen Gesellschafter festlegen. Der Gewinn ist nämlich letztlich das Ergebnis eines für den Gesellschafter günstigen Verhältnisses zwischen Gesellschaftszweck und Förderungspflicht. Die Vorteilhaftigkeit dieses Verhältnisses bestimmt sich nach der Art der von den Gesellschaftern vereinbarten Risikoteilung. Folglich ist diese Risikoteilung wesentlicher Bestimmungsfaktor für die notwendigen Vertragsbestandteile des Gesellschaftsvertrages 186 . Sie ist zu unterscheiden von dem Risiko, dem die Personengesellschaft bei ihrer Wirtschaftstätigkeit ausgesetzt ist. Entsprechend hat auch der B G H bei der Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes differenziert. Während er die mehrheitliche Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels als Frage der Risikoteilung nach dem Bestimmtheitsgrundsatz für unzulässig hält, ist nach seiner Rechtsprechung eine mehrheitlich beschlossene Rücklagenbildung als Problem des Risikomanage-

184 M ü K o - U l m e r §705 Rdnr.128; so erfasst auch in B G H 10.5.1976, B B 1976, 948; O L G Hamm 21.11. 1977, D B 1978, 120, 121. 185 Zur damit einhergehenden Kritik der Katalogpraxis der Formularbücher siehe oben b). 186 Aus betriebswirtschaftswissenschaftlicher Sicht zur Riskoteilung als wohlfahrtssteigerndem Faktor bei der Kooperation im Rahmen eines Unternehmens Neus, Einführung 66-69.

128

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

ments der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zulässig 1 8 7 . Insgesamt ist damit die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Risikoteilung als notwendiger Vertragsbestandteil vergleichbar mit dem Kaufpreis, der beim Kaufvertrag einen entsprechenden Stellenwert als notwendiger Vertragsbestandteil einnimmt 188 . Indem der Bestimmtheitsgrundsatz den Einfluss des einzelnen Gesellschafters auf diesen Bestimmungsfaktor sichert, gewährleistet er einen Interessenausgleich innerhalb der Gesellschaft, der der austauschvertraglichen Preisbildung auf Wettbewerbsmärkten entspricht. Neben dem Einfluss des einzelnen Gesellschafters auf diese notwendigen Vertragsbestandteile des Gesellschaftsvertrages muss der Bestimmtheitsgrundsatz darüber hinaus folgerichtig die Funktionsbedingungen innergesellschaftlicher Willensbildungsprozesse sichern. Für die Effektivität des Bestimmtheitsgrundsatzes ist entscheidend, dass die Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes der Privatautonomie der Gesellschafter entzogen ist. Allerdings trägt der B G H den Funktionsvoraussetzungen privatautonomer Gestaltung im Personengesellschaftsrecht in einer neueren Entscheidung nur im Ergebnis, aber nicht in seiner Begründung Rechnung 1 8 9 . Zu beurteilen war in dieser Entscheidung die Zulässigkeit eines mit drei Vierteln der Stimmen gefassten Mehrheitsbeschlusses, demzufolge künftig eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln für Vertragsänderungen ausreichen sollte. Der B G H stellt hier die Frage, ob durch eine solche Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse der Bestimmtheitsgrundsatz abbedungen werden könne 1 9 0 . Diese Frage ist schon deshalb überraschend, weil eine Abdingbarkeit dem Wesen des Minderheitenschutzes zuwiderläuft 1 9 1 . Entscheidend für das Ergebnis des B G H ist letztlich jedoch nicht die Frage der Abdingbarkeit, sondern die Frage, ob die Mehrheitsklausel die eigene Änderung deckt. Dieses Problem erfasst der B G H mit den Kategorien des Bestimmtheitsgrundsatzes, indem er auf die Ungewöhnlichkeit der Herabsetzung des Mehrheitserfordernisses abstellt 192 . Letztlich wird damit der Bestimmtheitsgrundsatz als Absicherungsinstrument innergesellschaftlicher Willensbildungsprozesse auch zur Absicherung seiner selbst eingesetzt. Die zukünftige Funktionsfähigkeit innergesellschaftlicher Willensbildungsprozesse entzieht sich der Privatautonomie der Gesellschafter. 1 8 7 B G H 10.5.1976, B B 1976, 948f.; kritisch zu dieser Differenzierung Ulmer, B B 1976, 950; mit dem Wunsch nach einer offenen Benennung der Wertungen Wiedemann, Z G R 1977, 690, 694. 1 8 8 Zur Einordnung des Kaufpreises als vertragsnotwendiger Bestandteil der Einigung Palandt-Putzo Einl. v. §433 Rdnr.2. 1 8 9 B G H 15.6.1987, N J W 1988, 411. 190 B G H 15.6.1987, N J W 1988, 411, 412. 191 Vgl. die kritischen Stimmen im Schrifttum zu dieser Entscheidung Marburger, Z G R 1989, 149, 153; Schlegelberger-Martens § 119 Rdnrn. 23; K. Schmidt, Z H R 158 (1994) 205, 219f.; a.A. Brändel, FS Stimpel 95, 104. 192 So auch schon zur »sachgerechten Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes« in der Entscheidung K. Schmidt, Z H R 158 (1994) 205, 220.

I.

3. Drittmarktmaßstäbe

Willensbildung

in der kapitalistisch strukturierten

129 Personengesellschaft

An Grenzen stößt das von Widerspruchsmechanismen geprägte Kooperationsmodell bei den kapitalistisch oder auch körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften. Sie zeichnen sich durch eine Vertragsgestaltung aus, die Strukturelemente einschließt, die für Körperschaften typisch sind 193 . Kennzeichnend für eine solche Personengesellschaft sind insbesondere der von einer Zustimmung der übrigen Gesellschafter unabhängige Gesellschafterwechsel, die Einführung des Mehrheitsprinzips mit einer Abstimmung nach Kapitalbeträgen, d.h. die Abbedingung des §709 Abs. 1 BGB, sowie die Geschäftsführung durch Verwaltungsorgane ebenfalls in Abweichung von §709 Abs. 1 BGB 194 . Den Besonderheiten dieser Struktur für die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes ist anhand der Beispiele der Publikumspersonengesellschaft sowie der Familiengesellschaft nachzugehen. a)

Publikumspersonengesellschaften

Publikumspersonengesellschaften sind regelmäßig als G m b H & Co KG kapitalistisch strukturiert 195 . Der Gesellschaftszweck weist über die konkret beteiligten Gesellschafter hinaus 196 . Bei dieser Sachlage bleibt für eine vertragsrechtlich fundierte Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes kein Raum. Niederschlag findet die Loslösung der Personengesellschaft von den Gesellschaftern auch in der Vorformulierung von Gesellschaftsvertragsbedingungen durch die Gründungsgesellschafter. Daher sind neben den formalen Voraussetzungen für Verhandlungsprozesse unter den Gesellschaftern auch die materiellen Voraussetzungen für die Richtigkeitsgewähr bei der Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge nicht erfüllt 197 . Mangels realistischer Widerspruchsoptionen stellt sich für die Publikumspersonengesellschaft die Frage in besonderer Schärfe, wie ein Interessenausgleich zwischen den Anlegergesellschaftern und den Gründungsgesellschaftern sichergestellt werden kann. Die richterliche Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträ193

Zu diesem Begriff anhand der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft auch schon M. Nitschke lf. 194 Zur typologischen Bestimmung der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft im Einzelnen M. Nitschke 31-115. 195 Zu den typischen Merkmalen von Publikumspersonengesellschaften die Leitentscheidung in B G H , B G H Z 64,238, 241; im Schrifttum Hopt, 51. DJT, G 28-G 37; überblicksartige Definition bei Schiarmann, BB 1979,192; zu den Merkmalen der Publikumspersonengesellschaften im Einzelnen schon oben A.5. 196 Zur überpersonalen Anlage der Verbandsverfassung einer Publikumspersonengesellschaft siehe schon oben A.6.c). 197 Zur Richtigkeitsgewähr privatautonomer Einigung siehe schon oben Erster Teil I.B.3.; Anwendung des Gedankens der Richtigkeitsgewähr auf die richterliche Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen bei Fastrich 51-61, 128f.

130

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

gen ist seit den siebziger Jahren der maßgebliche Problemlösungsansatz 1 9 8 . Entscheidend für diese Untersuchung der Ausgleichsmechanismen in der Personengesellschaft ist die Frage, welchen Maßstab die Rechtsprechung bei ihrem Ausgleich durch Inhaltskontrolle wählt. Der interne Willensbildungsprozess ist hierfür nicht geeignet, da er nicht die erforderliche Richtigkeitsgewähr privatautonomer Einigung bietet. Ebenso wenig steht ein liquider Sekundärmarkt für Gesellschaftsanteile zur Verfügung, der unmittelbar von außen für einen Interessenausgleich sorgen könnte 199 . Mit der Hervorhebung der Bedeutung des Vertriebs der Gesellschaftsanteile auf dem Kapitalmarkt und der hieraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen bezeichnet Hopt schon zu Beginn der nunmehr gefestigten Rechtsprechung den geeigneten Bezugspunkt, nämlich den Kapitalmarkt 200 . Hiernach ist kein rein gesellschaftsimmanent konzipierter Interessenausgleich möglich, sondern es ist auf den Vertrieb abzustellen 201 . Auch in der Rechtsprechung wird das Erfordernis einer Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften im Wesentlichen mit den üblicherweise vorformulierten Vertragsbedingungen begründet, die die Ausübung eines interessenwahrenden Einflusses auf den Vertrag durch die Gesellschafter und die Aushandlung eines Interessenausgleichs ausschlössen 202 . Indem die mehr oder weniger zufällige Zusammenführung der Anlagegesellschafter in der Rechtsprechung als Begründung für das Fehlen eines Interessenausgleichs im Gesellschaftsvertrag angeführt wird, dient der Vertrieb der Gesellschaftsanteile auf dem Kapitalmarkt als entscheidender Bezugspunkt für die Inhaltskontrolle 203 . Gleichwohl geht die Rechtsprechung über die Inbezugnahme des Kapitalmarktes als Vertriebssystem in einem wesentlichen Punkt hinaus: In seiner Entscheidung vom 21.3.1988 begründet der B G H die Unwirksamkeit einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung, die den persönlich haftenden Gesellschaftern einseitig das Recht einräumt, die treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligungen nach freiem Ermessen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu übernehmen, mit der kapitalmarktspezifischen Risikoverteilung: »... Diese Chancen und Risiken folgen aus dem Wesen einer derartigen Kapitalanlage und sind grundsätzlicher Bestandteil des Interessenausgleichs zwischen den an einer Publikums- und Massengesellschaft direkt oder über einen Treuhänder Beteiligten. Unter dem 198 R. Fischer, FS Barz 3 3 ^ 8 ; R. Fischer, DRiZ 1974, 209, 213; Wiedemann, FS H. Westermann, S. 585-601. 199 Zu diesen Hindernissen für einen internen Interessenausgleich aufgrund marktbildender Anreize in der Publikumspersonengesellschaft siehe bereits oben A.5.; demgegenüber zur Sicherung der Teilhaberechte der Aktionäre aufgrund der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte Mestmäcker 32. 200 Hopt, 51. DJT G 84-G 125; Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 410. 201 Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 409. 202 BGH 14.4.1975, BGHZ 64, 238, 241; BGH 9.11.1987, BGHZ 102, 172, 178; BGH 21.3.1988, NJW 1988, 1903, 1904; BGH 10.6.1991, WM 1991, 1502, 1503. 203 BGH 9.11.1987, BGHZ 102, 172, 178; BGH 21.3.1988, NJW 1988, 1903, 1904.

I.

Willensbildung

131

Blickpunkt der Inhaltskontrolle sind deshalb Klauseln grundsätzlich als unzulässig anzusehen, die einen Gesellschafter in die Lage versetzen, die zwischen der Risikoübernahme einerseits und den gewonnenen Chancen andererseits bestehende Verbindung zu lösen und für sich oder Dritte zu Lasten der anderen Beteiligten die mit der Kapitalanlage verbundenen Chancen zu beanspruchen und das Risiko den anderen Beteiligten zu belassen ...« 2 0 4 .

H i e r nimmt der B G H nicht lediglich die Vertriebsgepflogenheiten des Kapitalmarktes in Bezug, sondern bezieht die Risikoverteilung des Kapitalmarktes unmittelbar in die Auslegung des Gesellschaftsvertrages mit ein. Eine solche Integration des Kapitalmarktes in den Interessenausgleich zwischen Anleger und Gründungsgesellschafter ist mangels unmittelbar greifender Marktmechanismen als Marktnachahmung Ersatz für eine gesellschaftsinterne Marktbildung 2 0 5 . Dies entspricht der bereits rechtstatsächlich aufgezeigten Intermediärfunktion der B e teiligungskapital-Gesellschaften 2 0 6 . D e r Kapitalmarkt entfaltet Kontrollwirkungen in Bezug auf den Interessenausgleich innerhalb der Publikumspersonengesellschaft. Aus der Integration des Kapitalmarktes in die gesellschaftsvertragliche Einigung folgt, dass es der Rechtsprechung bei der Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften nicht nur um den Schutz des Anlagegesellschafters vor einer Uberrumpelungsgefahr geht 2 0 7 , sondern vielmehr auch um die Gewährleistung (kapital-)marktgemäßer Konditionen in den Gesellschaftsverträgen 2 0 8 . Demzufolge sind die für die Inhaltskontrolle von A u s tauschverträgen entwickelten Grundsätze nur mit Vorsicht auf die Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften zu übertragen 2 0 9 . Auch der Bestimmtheitsgrundsatz wird durch eine Inhaltskontrolle der M e h r heitsbeschlüsse gem. §§ 1 3 4 , 1 3 8 , 242 B G B ersetzt 2 1 0 . D i e strikte Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes und das daraus resultierende Einspruchsrecht eines jeden Gesellschafters würde eine vernünftige Fortentwicklung der Gesellschaftsunternehmungen, mithin die Änderung krisenhafter Zustände und damit die Anpassung an geänderte Marktbedingungen unmöglich machen 2 1 1 . D i e Inhaltskontrolle eröffnet die Möglichkeit, nicht nur bei der Kontrolle des GesellschaftsB G H 21.3.1988, N J W 1988, 1903, 1905. Zur Operationalisierung von Marktmaßstäben im Rahmen einer marktnachahmenden Gesellschaftsvertragsauslegung siehe schon oben Erster Teil Il.C.l.b. 206 Siehe oben Erster Teil III.C. 207 So aber kritisch Knobbe-Keuk, Steuerrecht 11; Kraft, FS R. Fischer 321, 335f.; Hille 146f.; ansatzweise so auch Coester-Waltjen (AcP 190 [1990] 1, 30), da sie die Einholung klärenden Rechtsrats durch die Anlagegesellschafter für angezeigt hält. 208 B G H 21.3.1988, N J W 1988, 1903, 1904; Fastrich (129-131) erfasst dies zutreffend, bezeichnet allerdings den über die Uberrumpelungsgefahr hinausgehenden Aspekt etwas unscharf als »den Schutz des redlichen Rechtsverkehrs und die Abwehr von Missbräuchen aufseiten der Initiatoren« (131), ohne den Maßstab für die zugrunde liegenden Wertungen zu benennen. 209 B G H 14.4.1975, B G H Z 64, 238, 242. 210 B G H 13.3.1978, B G H Z 71, 53, 59; Kort, DStR 1993, 438. 211 B G H 13.3.1978, B G H Z 71, 53, 58; B G H 19.11.1984, N J W 1985, 972, 973; B G H 24.9.1990, N J W 1991, 691, 692. 204 205

132

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Vertrages, sondern auch bei der Unternehmensführung der Publikumspersonengesellschaft (Dritt-)Marktmechanismen als Kontrollinstrument zum Einsatz zu bringen. So führt der BGH als Begründung für die Möglichkeit einer betragsmäßig nicht begrenzten Kapitalerhöhung durch Mehrheitsbeschluss an, dass eine solche Auslegung der Mehrheitsklausel wegen der Eigenart der Gesellschaft als Kapitalsammelbecken dem Vertragswillen der Gesellschafter entspreche 212 . Damit wird die Funktion der Gesellschaft auf dem Kapitalmarkt zum Auslegungsmaßstab für den zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrag. Im Ergebnis erzielen folglich Drittmarktmaßstäbe den erforderlichen Interessenausgleich zwischen den Gesellschaftern. Darüber hinaus erfüllt insbesondere das Recht zur fristlosen Kündigung für den überstimmten Anlagegesellschafter als Kompensation für die Hinnahme von Mehrheitsentscheidungen in Publikumspersonengesellschaften wichtige Funktionen 213 . Damit treten in der Publikumspersonengesellschaft im Wege der Inhaltskontrolle Kapitalmarktmaßstäbe und die Abwanderungsoption des Anlagegesellschafters an die Stelle der personengesellschaftstypischen Widerspruchsrechte. Letztlich werden die Möglichkeiten des Gesellschafters, aus der Gesellschaft gegen Abfindung auszuscheiden, ähnlich wie im Kapitalgesellschaftsrecht zum Bestimmungsfaktor marktlicher Kontrolle der Mehrheitsentscheidungen in der Publikumspersonengesellschaft 214 . Die beschriebenen Marktmechanismen auf dem Kapitalmarkt bilden nicht nur den Maßstab für die Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften. Sie liefern auch die Begründung für den im Vergleich zur Situation in der idealtypischen Personengesellschaft anderen Wirkungsmechanismus des Bestimmtheitsgrundsatzes in der Publikumspersonengesellschaft. Wie bereits oben angedeutet, fehlt es in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft an den Funktionsvoraussetzungen für eine vertragsrechtlich fundierte Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes im Sinne der Lehre der antizipierten Zustimmung. Konsequent führt der BGH für eine Massenkommanditgesellschaft die von Karsten Schmidt angemahnte Differenzierung zwischen der Ermächtigungsfrage und dem Problem der Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters durch den Mehrheitsbeschluss ein 215 . Entsprechend kommt er zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit einer betragsmäßig nicht begrenzten Kapitalerhöhung durch Mehrheitsbeschluss zulässig sei, eine dementsprechende Anteilserhöhung für den einzelnen Gesellschafter darüber hinaus allerdings dessen zusätzliche Erklärung erfordere 216 . Für die kapitalistisch strukturierte Personengesellschaft

BGH 24.11.1975, BGHZ 66, 82, 86. BGH 12.5.1977, BGHZ 69, 160. 167; BGH 13.3.1978, BGHZ 71, 53, 61. 214 Zur Bedeutung des Abwanderungsrechts als marktgemäßes Kontrollinstrument siehe oben Erster Teil II.C.I.e. 215 BGH 24.11.1975, BGHZ 66, 82, 86; K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 217, 220. 216 BGH 24.11.1975, BGHZ 66, 82, 86. 212

213

I.

Willensbildung

133

wird damit dem Bestimmtheitsgrundsatz eine verfahrensrechtliche, der Kernbereichslehre eine materiellrechtliche Funktion zugewiesen 2 1 7 . b)

Familienpersonengesellschaften

Auch in der körperschaftlich strukturierten Familienpersonengesellschaft stößt die Effektivität des Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Förderung von Vertragskompromissen an Grenzen. So hat der B G H in dem Freudenberg-Urteil vom 15.11.1982 unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes eine gesellschaftsvertragliche Regelung zu beurteilen, derzufolge die Umwandlung der Gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft der Mehrheitsentscheidung unterliegen soll 218 . Bei der Gesellschaft handelt es sich um eine auf 145 Mitglieder in aller Welt angewachsene Familiengesellschaft. Als entscheidendes Kriterium, das gegen die Anwendung des Bestimmtheitserfordernisses auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung spreche, führt das Gericht die körperschaftliche Ausgestaltung der Gesellschaft an 219 . So unterscheide sich der Fall von der bisherigen Rechtsprechung bereits durch die Art der Ermächtigung, die dem fraglichen Mehrheitsbeschluss zugrunde liege. Sie sieht die Möglichkeit zu Vertragsänderungen mit 75% der in der Versammlung anwesenden Stimmen vor und basiert auf einer entsprechenden einstimmigen Änderung des Gesellschaftsvertrages. Entscheidend ist damit die Ubereinstimmung des Willens der Gesellschafter mit dem Umfang der Ermächtigung, wenngleich die Bedeutung des einstimmigen Verzichts auf den Bestimmtheitsgrundsatz in der Entscheidung unklar bleibt 220 . Dem liegt die Bewertung der Gesellschaftsvertragsänderung als »... im Interesse der Gesellschaft dringend gebotene ...« Änderung zugrunde 221 . Einer solchen Orientierung der rechtlichen Würdigung am Kollektivinteresse wird der individualrechtlich ausgerichtete Bestimmtheitsgrundsatz als rechtlicher Entscheidungsmaßstab nicht uneingeschränkt gerecht. Da das Gericht lediglich die Belange der Gesellschaft unter Ausschluss einer Erwägung etwaiger Individualrechte der einzelnen Gesellschafter in seiner Begründung anführt, erscheint es nicht ganz zutreffend, auf der Grundlage des Bestimmtheitsgrundsatzes als einem Instrument zur Wahrung von Individualinteressen zu argumentieren. Rechtlich scheint es mit der Verwirklichung des Gesellschaftsinteresses eher um eine Interessenharmonisierung etwa 217 Zum Stellenwert des Bestimmtheitsgrundsatzes als verfahrensrechtlicher Ermächtigungsregel, wenngleich ohne die hier eingeführte Unterscheidung zwischen idealtypischer und körperschaftlich strukturierter Personengesellschaft, Hermanns, ZGR 1996, 103, 105; K. Schmidt, ZHR 158 (1994) 205, 214-224. 218 BGH 15.11.1982, BGHZ 85, 350; zu dieser Entscheidung Michalski, WiB 1997,1, 5; Gäbet, S. 67-70. 219 BGH 15.11.1982, BGHZ 85, 350, 358f.; allerdings in der späteren Entscheidung des BGH (15.6.1987, N J W 1988, 411) als Begründung nicht übernommen. 220 So kritisch auch Michalski, WiB 1997, 1, 5. 221 BGH 15.11.1982, BGHZ 85, 350, 358.

134

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

aufgrund einer Zustimmungspflicht der Gesellschafter kraft Treubindung zu gehen 222 .

C. Fazit In der idealtypischen Personengesellschaft effektiviert der Bestimmtheitsgrundsatz die Widerspruchsrechte der Minderheitsgesellschafter, indem er für die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses eine ausreichend bestimmt gefasste antizipierte Zustimmung voraussetzt 223 . Bezugspunkt dieser Zustimmung ist der materielle Beschlussgegenstand. Im Unterschied zum Kernbereichsschutz spezifischer Mitgliedschaftsrechte werden vom Bestimmtheitsgrundsatz solche Mehrheitsbeschlüsse erfasst, die die notwendigen Vertragsbestandteile des Gesellschaftsvertrages, die essentialia negotii, verändern, wie insbesondere die Vereinbarung der Gesellschafter über die Risikoteilung 2 2 4 . Damit entspricht die Rolle des Bestimmtheitsgrundsatzes als strategieraumerweiternder Widerspruchsmechanismus in der Gesellschaft dem marktlichen Preismechanismus im Austauschvertrag. Demgegenüber fungiert die Zustimmung zur Mehrheitsklausel in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft als verfahrensrechtliche Ermächtigung der Mehrheit. Demzufolge erfüllt der Bestimmtheitsgrundsatz in diesen Gesellschaften die Funktion, diese Ermächtigung verfahrensrechtlich über ein entsprechendes Bestimmtheitsgebot abzusichern 225 . Diese Funktion ist hier von der Individualschutzfrage zu unterscheiden, ob der einzelne Gesellschafter durch den Mehrheitsbeschluss gegen seinen Willen verpflichtet werden kann. Die Maßstäbe für die Wirksamkeit der Ermächtigung der Mehrheit entnimmt der B G H für die Publikumspersonengesellschaft einem Drittmarkt, nämlich dem Kapitalmarkt 226 . Dies gilt etwa für seine Inbezugnahme der Funktion der Gesellschaft auf dem Kapitalmarkt als Rechtfertigung einer Kapitalerhöhung aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses sowie für das Recht zur fristlosen Kündigung für den überstimmten Anlagegesellschafter als Kompensation für die Hinnahme von Mehrheitsentscheidungen. Damit tritt für diese Gesellschaften an die Stelle unmittelbar zwischen den Gesellschaftern ablaufender Austauschprozesse eine Marktnachahmung anhand von Kapitalmarktmaßstäben. Dies entspricht einer Verselbständigung des Willensbildungsprozesses von den beteiligten Gesellschaftern. Fragen bleiben hingegen bei der Heranziehung des Bestimmtheitsgrundsatzes in der kapitalistisch strukturierten Familiengesellschaft offen. In der Sache geht es hier we222 So auch Anklänge in der Entscheidung B G H 15.11.1982, B G H Z 85,350,356,360; ähnlich auch Göbel 70; im Einzelnen zur Zustimmungspflicht kraft Treubindung sogleich ab C. 223 Siehe 1., 2 . a ) u n d b ) . 224 Siehe 2.c). 225 Siehe 3. 226 Siehe 3.a).

I.

Willensbildung

135

niger um einen an den Individualrechten der Gesellschafter ausgerichteten Ausgleich von Individualrechten, als um eine Interessenbündelung zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks227. Demzufolge erschiene hier weniger ein Begründungsansatz an den Individualrechten auf der Grundlage des Bestimmtheitsgrundsatzes, als vielmehr eine Anknüpfung an einer Interessengleichrichtung aufgrund der Treubindung der Gesellschafter als geeignetes rechtliches Instrumentarium für den Interessenausgleich. D. Die Zustimmungspflicht

kraft

Treubindung

1. Strategisches Verhalten als Problem Mit der Erweiterung des Strategieraums des Minderheitsgesellschafters aufgrund des Kernbereichsschutzes und des Bestimmtheitsgrundsatzes können jedoch auch Probleme entstehen228. Mit seinem Widerspruchsrecht kann der Minderheitsgesellschafter jegliche Beschlussfassung in der Gesellschaft torpedieren. Auf der Grundlage der Marktbildung durch Widerspruch nach der Kernbereichslehre und dem Bestimmtheitsgrundsatz wächst dem Gesellschafter infolge der Erweiterung seines Strategieraums die Macht zu, den Willensbildungsprozess missbräuchlich für gesellschaftsfremde Zwecke zu beeinflussen. Hierdurch kann die Kooperation innerhalb der Gesellschaft empfindlich gestört werden. Bei der Abgrenzung eines solchen Missbrauchs stellt sich die Frage, inwieweit die maßgeblichen Kriterien ebenso wie der als Marktbildung gewürdigte Willensbildungsprozess einer marktlichen Bewertung zugänglich sind229. Den oben erörterten Regelungsmodellen von Kernbereichsschutz und Bestimmtheitsgrundsatz liegt die Prämisse einer funktionierenden Marktbildung bei der Willensbildung zugrunde. Gleichzeitig gefährdet die Strategieraumerweiterung jedoch diese Marktbildung. Sie verleiht nämlich dem Minderheitsgesellschafter mit dem Widerspruchsrecht einen fühlbaren Einfluss auf das Marktergebnis, da dieser mit seinem Widerspruch jede Einigung boykottieren kann. Dieses Dilemma bringt auch Flume zum Ausdruck, wenn er feststellt, dass das Einstimmigkeitsprinzip »... zwar einem jeden Gesellschafter für sich die Selbstbestimmung wahrt, daraus sich aber zugleich für die anderen Gesellschafter hinsichtlich des Geschehens der Gesellschaft eine Fremdbestimmung ergeben kann« 230 . Diese Möglichkeit schafft für den Minderheitsgesellschafter den Anreiz, seine (Markt-)Macht durch strategisches Verhalten auszunutzen.

Siehe 3.b). Zur Strategieraumerweiterung aufgrund der Kernbereichslehre und des Bestimmtheitsgrundsatzes siehe oben A.4., B.2.c). 2 2 9 Herausarbeitung der Marktbildung im Rahmen des Willensbildungsprozesses siehe oben A.4. 230 Flume, Personengesellschaft 208. 227 228

136

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Für die rechtliche Würdigung dieses potenziell strategischen Verhaltens bei der Willensbildung in der Personengesellschaft fragt sich daher, wie die missbräuchliche Ausübung von Widerspruchsrechten von einer interessenausgleichenden Mitwirkung an der Marktbildung im Rahmen innergesellschaftlicher Willensbildung abgegrenzt werden kann. Als Bezugsgegenstände einer etwaigen Zustimmungspflicht sind hierbei Geschäftsführungsmaßnahmen (dazu 2.) und Gesellschaftsvertragsänderungen (dazu 3.) zu unterscheiden, bevor übergreifend die Grenzen einer Zustimmungspflicht (dazu 4.) sowie die Besonderheiten bei der Publikumspersonengesellschaft (dazu 5.) diskutiert werden können. 2.

Geschäftsführungsmaßnahmen

a) Widerspruch gem. §115 Abs. 1 Halbs. 2 HGB Die Kriterien für die rechtliche Abgrenzung eines zulässigen von einem missbräuchlichen Widerspruch werden in der Rechtsprechung erst allmählich deutlich. So beschränkt sich das Reichsgericht darauf, in Ergänzung zum allgemeinen Schikaneverbot die Nichtbeachtlichkeit eines offensichtlich gegen die Gesellschaftstreue verstoßenden Widerspruchs festzustellen 231 . Die genaueren Konturen dieser Treuepflicht werden erst in der Rechtsprechung des B G H herausgearbeitet. Bei einem Widerspruch gegen den Anspruch auf Geschäftsführervergütung stellt der B G H klar, dass das Widerspruchsrecht gem. § 115 Abs. 1 H G B den geschäftsführenden Gesellschaftern nicht zur Wahrung individueller Belange, sondern als Bestandteil des Rechts zur Geschäftsführung zur ausschließlichen Wahrung der Interessen der Gesellschaft eingeräumt sei 232 . In Vorwegnahme eines etwaigen missbräuchlichen Widerspruchs schließt der B G H darüber hinaus den Widerspruch eines Gesellschafters, gegen den ein Anspruch der Gesellschaft geltend gemacht werden soll, von vornherein aus 233 . Er hält es für erwiesen, dass ein Widerspruch des Betroffenen aus lediglich eigensüchtigen Motiven erhoben und daher wegen Verstoßes gegen die gesellschafterliche Treuepflicht unwirksam wäre. Gleichzeitig verkennt der B G H nicht die beschränkte gerichtliche Uberprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen, wie sie insbesondere im Aktienrecht als business judgment rule weitgehend anerkannt ist 234 . So reicht es nach seiner R G 22.10.1938, R G Z 158, 302, 310f. B G H 28.11.1955, L M §105 Nr. 11. 233 B G H 9.5.1974, LM § 115 Nr.3. 234 In der Rechtsprechung grundlegend die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des B G H vom 21.4.1997, B G H Z 135, 244; mittlerweile auch §93 Abs. 1 S.2 AktG in der Fassung des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts: »Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln«; vor der ARAG-Entscheidung zur business judgment rule als Maßstab im deutschen Aktienrecht Hopt, FS Mestmäcker 909, 919; zur genannten Entscheidung im Schrifttum Paefgen 145-149 und passim; M. Roth 2 und passim. 231

232

I.

Willensbildung

137

Auffassung für die Missbräuchlichkeit eines Widerspruchs gegen eine Gehaltserhöhung zugunsten von Mitarbeitern nicht aus, dass auch persönliche Interessen des widersprechenden Gesellschafters mit im Spiele waren 235 . Vielmehr müsse ein mit Eigennutz motivierter Verstoß gegen das Gesellschaftsinteresse bei der Ausübung des Widerspruchs erwiesen sein. Mangels eindeutiger Nachweise für einen solchen ausschließlich durch Eigennutz motivierten Widerspruch verbleibe dem Gesellschafter ein Beurteilungsspielraum 236 . Damit fordert der BGH im Hinblick auf den Verstoß gegen Gesellschaftsinteressen und dem verbleibenden Beurteilungsspielraum des Gesellschafters eine ausschließlich eigennützige Motivation desselben als Voraussetzung für die Annahme eines treuwidrigen Widerspruchs, was den Verschuldenserfordernissen in der Literatur nahe kommt 237 . Das Erfordernis des BGH für die Missbräuchlichkeit eines Widerspruchs, dass nämlich dessen Ausübung keine andere Deutung als die eines Verstoßes gegen die Gesellschaftsinteressen zulasse, spiegelt sich auch in der Literatur wider. So werden hier an die Eindeutigkeit des strategischen Verhaltens unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Das Spektrum reicht von einer sehr restriktiven Handhabung bei Flame über vermittelnde Positionen bis zu der sehr weitgehenden Annahme eines Missbrauchs bei Küster. Flume zieht den Kreis der durch die Privatautonomie des Gesellschafters gedeckten Widerspruchshandlungen sehr weit und hält lediglich offensichtliche Missbräuche oder Schikane wie beim Widerspruch gegen die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung der Gesellschaft für unzulässig 238 . Demgegenüber geht Küster so weit, die Ausübung des Widerspruchsrechts auf ihre objektive Eignung, den Gesellschaftszweck zu fördern, zu überprüfen und für unzulässig zu halten, wenn sie nicht zur Förderung der Gesellschaftsinteressen geeignet ist239. Die vermittelnden Ansichten führen in Ergänzung zur restriktiven Haltung Flumes und zur sehr weitgehenden Annahme von Missbräuchen bei Küster zusätzliche Kriterien ein. So fordern einige Stimmen ein Verschulden bei der zugrunde liegenden Treuepflichtverletzung 240 . Andere stellen auf die Ermessensfehlerhaftigkeit der Ausübung des Widerspruchsrechts ab241. Deutlich wird insbesondere bei der letztgenannten Richtung die Unbestimmtheit des zugrunde zu legenden Maßstabs für die Ermessensüberprüfung. Über die evident missBGH 8.7.1985, NJW 1986, 844. BGH 8.7.1985, NJW 1986,844; ebenso in BGH 11.1.1988, WM 1988,968; Mangel an Eindeutigkeit auch in BGH 19.4.1971, LM § 115 Nr. 2 (Entscheidung über die Entlassung des Sohnes und Nachfolgers des widersprechenden Gesellschafters). 237 Zum Verschuldenselement in der Entscheidung auch Sester 42; zum Verschuldenserfordernis als Voraussetzung für die Annahme eines treuwidrigen Widerspruchs in der Literatur A. Hueck, OHG 131f.; GroßKommHGB3-fisc£i>r § 115 Rdnr.9. 238 Flume, Personengesellschaft 268-270; Flume, FS Rittner 119-132. 239 Küster 87-91. 240 Hueck, OHG 131f.; GroßKommHGB 3 -fiscÄer- § 115 Rdnr.9. 241 Baumbach/Hopt § 115 Rdnr. 3; MüKoHGB-Wmer § 115 Rdnrn. 6f.; Schlegelberger-Martens § 115 Rdnrn. 14 f.; M. Winter 25 f. 235

236

138

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

bräuchlichen Willkür- und Schikanefälle hinaus wird hier zum Teil auf die Verfolgung persönlicher Belange durch den widersprechenden Gesellschafter 242 , zum Teil weiter gehend auf die Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahmen für die Erhaltung der Existenzfähigkeit der Gesellschaft oder ihrer wirtschaftlichen Weiterentwicklung abgestellt 243 . Einigkeit herrscht demgegenüber hinsichtlich der Rechtsgrundlage für eine Begrenzung der Zulässigkeit eines Widerspruchs. Hier wird allgemein in Rechtsprechung und Literatur von einer Treuepflichtverletzung als Tatbestandsvoraussetzung ausgegangen 244 . Bereits oben wurde die Treuepflicht im Personengesellschaftsrecht als ein Mechanismus zum Interessenausgleich in Zweckverfolgungsnähe gekennzeichnet 245 . Indem sie den Gesellschafter bei der Ausübung seines Widerspruchsrechts auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet und hierbei einen rein strategisch begründeten und daher treuwidrigen Widerspruch von der zulässigen Teilnahme am gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess unterscheidet, erweist sie sich als ein Instrument zur Sicherung einer Marktbildung im Rahmen des Willensbildungsprozesses. Soweit hierbei der Beurteilungsspielraum des Gesellschafters bei unternehmerischen Entscheidungen überschritten ist, fragt sich, nach welchen Maßstäben sich der marktbildende Gehalt dieses Prozesses bestimmen lässt. Kurz: Steht auch die Treuepflicht als Rechtsgrundlage für die Begrenzung des Widerspruchsrechts fest, so ist die nähere inhaltliche Bestimmung des Gesellschaftsinteresses in Zweckverfolgungsnähe jedenfalls außerhalb des Beurteilungsspielraums der Gesellschafter bei unternehmerischen Entscheidungen noch offen.

b)

Zustimmung

Schon das Reichsgericht stellt klar, dass die Regeln zum Ausschluss des Widerspruchs gem. § 115 Abs. 1 H G B sinngemäß auf eine etwaige Zustimmungspflicht zu Geschäftsführungsmaßnahmen zu übertragen seien 246 . Abgesehen von dem ungenauen Hinweis auf die Unzulässigkeit einer offensichtlich willkürlichen Zustimmungsverweigerung, enthält die Entscheidung ein weiteres Kriterium für die Abgrenzung einer treuwidrigen von einer zulässigen Zustimmungsverweigerung. Das Reichsgericht hält die Zustimmung bereits deshalb auch unter dem Aspekt der Treuepflicht nicht für geboten, weil die in Rede stehende Bürgschaft nicht als ein notwendiges, sondern sogar als ein gewagtes Geschäft für die Gesell-

Schlegelberger-Martens §115 Rdnr. 14f. M. Winter 26. 244 Einbettung der Problematik in die Frage der Treuepflicht bei Korehnke 26-A2; Sester 57-65. 245 Siehe oben A.2. 246 RG 22.10.1938, RGZ 158,302,310f.; ähnlich zur Zustimmungspflicht zum Widerruf einer Prokura RG 27.1.1940, RGZ 163, 35, 38. 242

243

I.

Willensbildung

139

schaft einzustufen sei 247 . Damit greift das Reichsgericht auf eine marktliche Bewertung der fraglichen Geschäftsführungsmaßnahme zurück. Indem es klarstellt, dass diese Maßnahme auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zwingend zustimmungswürdig war, schließt es eine rein strategische Zustimmungsverweigerung des beklagten Gesellschafters aus 248 . Bereits hier zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung die angegriffene Zustimmungsverweigerung auf eine etwaige Begründbarkeit anhand der Marktverhältnisse untersucht. Erst wenn eine solche von Strategieerwägungen unabhängige Begründungsmöglichkeit ausgeschlossen ist, kommt die Treuwidrigkeit der Zustimmungsverweigerung in Betracht. Bei dieser Abgrenzung von Strategie und Markt ist allerdings noch der für die Bestimmung der Marktverhältnisse in Bezug genommene Markt präzisierungsbedürftig. Offene Fragen verbleiben insoweit auch in der Rechtsprechung des B G H . Der B G H hält die Verweigerung der Zustimmung zur Kündigung eines Prokuristen schon deshalb für vertretbar, weil es aus betriebswirtschaftlicher Sicht die vorteilhaftere Lösungsmöglichkeit gegeben hätte, den Prokuristen dem Unternehmen zu erhalten und damit Einbußen infolge von Abfindungszahlungen zu vermeiden 249 . Auch hier erweist sich die Suche nach Alternativen zu einem ausschließlich strategischen Erklärungsansatz für die Zustimmungsverweigerung als Antwort auf die Frage ihrer Treuwidrigkeit. Uber die allgemeinen betriebswirtschaftlichen Hinweise auf die durch die Kündigung in Kauf genommene Abfindungszahlung ohne Gegenleistung hinaus findet sich allerdings keine Inbezugnahme eines Referenzmarktes für die wirtschaftliche Bewertung der zustimmungsbedürftigen Maßnahme. Insgesamt ist zu dieser nicht sehr umfangreichen Rechtsprechung zur Zustimmungsverweigerung in Geschäftsführungsfragen eine gewisse Parallelität zur Rechtsprechung zum treuwidrigen Widerspruch und der dort bereits beanstandeten Unbestimmtheit der zugrunde gelegten Maßstäbe festzuhalten 250 . Entscheidend ist für die Vertretbarkeit der Zustimmungsverweigerung die betriebswirtschaftliche Plausibilität der damit favorisierten Alternative, ohne dass es hierbei bisher auf einen marktlichen Bewertungsmaßstab im Sinne eines Referenzmarktes ankommt.

RG 22.10.1938, RGZ 158, 302, 311. RG 22.10.1938, RGZ 158, 302, 311. 249 BGH 2.7.1973, WM 1973, 1291, 1294; weitere Entscheidung zur Zustimmungspflicht in Bezug auf Geschäftsführungsmaßnahmen kraft Treubindung in BGH 24.1.1972, NJW 1972, 862, 863f., wo diese einem Gesellschafter auferlegt wird, der über Jahre durch Nichtbeteiligung die Geschäftsführung blockiert hat. 250 Zur Parallelität von treuwidrigem Widerspruch und Zustimmungsverweigerung schon Sester 45. 247 248

140

3.

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Gesellschaftsvertragsänderungen

Deutlich wird die Inbezugnahme eines solchen Referenzmarktes in einigen Entscheidungen zur Zustimmungsverweigerung bei Gesellschaftsvertragsänderungen. So stellt der B G H eine Treuepflichtverletzung eines Kommanditisten fest, wenn dieser sich bei unhaltbarer wirtschaftlicher Lage der Gesellschaft der Notwendigkeit zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs verschließt 251 . Im Einzelnen misst er hierbei die Zustimmungsverweigerung daran, dass das Vorgehen selbst vom Standpunkt der Gläubiger aus wirtschaftlich vernünftig sei 252 . Demgegenüber sei ein etwaiger höherer Kaufpreis für den nicht zustimmungsbereiten Kommanditisten unter keinem wirtschaftlichen Gesichtspunkt von praktischer Bedeutung, da ein höherer Erlös nicht ihm, sondern den Gläubigern zugeflossen wäre 2 5 3 . Dieser Gesichtspunkt hat dazu geführt, dass in der Literatur zu dieser Entscheidung die mitgliedschaftlichen Belange der persönlich haftenden Komplementäre und damit, allgemeiner gesprochen, die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern als maßgeblich für die Zustimmungspflicht herausgestellt werden 2 5 4 . Präziser lässt sich der Maßstab für die Treuwidrigkeit der Zustimmungsverweigerung allerdings erfassen, wenn man in Anlehnung an die genannte Entscheidung des B G H den Standpunkt der Gläubiger zum Verkauf des Geschäftsbetriebs der Kommanditgesellschaft als entscheidend für die Zustimmungspflicht erkennt. Letztlich erweist sich der Kapitalmarkt als Referenzmaßstab für die ausschließlich strategisch motivierte und deshalb treuwidrige Zustimmungsverweigerung der Kommanditisten. In ähnlicher Weise wird auch die Zustimmung zur Fortsetzung einer offenen Handelsgesellschaft vom B G H beurteilt 255 . Hier erkennt er kein Interesse des nicht zustimmungsbereiten Gesellschafters an, sofern dieser aufgrund einer Haftungsbefreiung und Abfindung nicht schlechter gestellt werde als bei einer Abwicklung der Gesellschaft 256 . Durch die Heranziehung des Markterfolgs der Gesellschaft und die des gutachterlich ermittelten Unternehmenswertes bei der Abfindungsbestimmung stellt der B G H auch hier für die Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung den Bezug zum Markt her, auf dem die Gesellschaft tätig ist. Entscheidend für die weitgehende Zustimmungspflicht der Gesellschafter ist letztlich der in Frage stehende Beschlussgegenstand. Betroffen ist jeweils die Stellung des Gesellschaftsunternehmens am Markt, die nicht durch eine Zustimmungsverweigerung verschlechtert werden darf. Mit dieser Prioritätenset251 BGH 17.12.1959, NJW 1960,434; anders hingegen bei einer Erhöhung der eigenen Beiträge, die als Zweckänderung nicht einer Zustimmungspflicht kraft Treubindung unterliege Müller, DB 2005, 95. 252 BGH 17.12.1959, NJW 1960, 434, 435. 253 BGH 17.12.1959, NJW 1960, 434, 435. 254 M. Winter 35; Zöllner 48f. 255 BGH 21.10.1985, WM 1986,68. 256 BGH 21.10.1985, WM 1986, 68, 69.

I.

141

Willensbildung

zung liegt die Rechtsprechung auf einer Linie mit der Literatur, die eine solche Zustimmungspflicht gerade in Fällen für geboten hält, in denen der Bestandsschutz des Gesellschaftsunternehmens eine Vertragsanpassung erfordere 257 . 4. Der gesellschaftsinterne Verbandlungsprozess der Zustimmungspflicht kraft Treubindung

als

Grenze

Grenzen einer Abwägung zwischen Drittmarktmaßstäben und strategischem Gehalt der Zustimmungsverweigerung zeigen sich, wenn Entscheidungen nicht lediglich die Stellung der Gesellschaft am Markt betreffen, sondern auch unmittelbare Auswirkungen auf die Stellung der Gesellschafter innerhalb ihrer Gesellschaft haben. So misst der B G H eine Zustimmung zur Erhöhung der gesellschaftsvertraglich zugesagten Geschäftsführervergütung an Drittmarktmaßstäben, wenn er das Geschäftsführergehalt zu (marktüblichen) Preisen in Bezug setzt und den Markt für die Geschäftsführerdienste im Wege der Kündigungserwägung einbezieht 258 . Gleichwohl komme eine solche Änderung des Gesellschaftsvertrags nur in besonderen Ausnahmefällen und nicht allein aus Billigkeitserwägungen in Betracht, da sie praktisch immer einen Eingriff in die Gewinnbeteiligung darstelle 259 . Im Ergebnis erweist sich damit die Stellung der Gesellschafter innerhalb der Gesellschaft als keiner Modifizierung im Wege einer Zustimmungspflicht zugänglich. Insoweit es hierbei um die Selbstbestimmung für die einzelnen Gesellschafter und nicht um die Selbstbestimmung der Gesellschaft als Gruppe geht, stimmt dieses Ergebnis mit Flumes Ablehnung einer in seinen Augen die Privatautonomie missachtenden Zustimmungspflicht überein 260 . Ahnliches gilt für Vertragsänderungen zur Nachfolgeregelung, bei denen die Sicherung der Kontinuität nicht nur eine Zweckmäßigkeitsfrage sei, die jeder Gesellschafter nach seinem Ermessen entscheiden könne, sondern deren Zweckverfolgungsnähe eine Zustimmungspflicht begründen könne 261 . Die Anerkennung des in die Zukunft gerichteten Anpassungsbedarfs bei der Unternehmensnachfolge als ein eine Zustimmungspflicht tragender Belang wird in der Literatur als Kernstück der Entscheidung hervorgehoben 262 . Gleichwohl erschöpft sie sich darin nicht. Bei der Nachfolgeregelung treffen nicht nur Belange des UnternehSo Schlegelberger-Martens § 119 Rdnr.46; Weipert, Z G R 1990, 142, 152f.; M. Winter 35. B G H 10.6.1965, B G H Z 44,40,42; ähnliche Kriterien auch in einer neueren Entscheidung, in der eine Pflicht zur Zustimmung zu weiter gehenden Entnahmemöglichkeiten des Klägers unter Hinweis auf die Angemessenheit einer Tätigkeitsvergütung und die einer Vergütung für das Haftungsrisiko für den weiter gehend entnahmeberechtigten Komplementär abgelehnt wurde, O L G Hamm 14.6.1999, DStR 2000, 124. 2 5 9 B G H 10.6.1965, B G H Z 44, 40, 42. 257 258

260 261

262

Flume, Personengesellschaft 208, 280.

B G H 20.10.1986, N J W 1987, 952, 954. Weipert, Z G R 1990, 142, 152.

142

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

mensbestandes, sondern auch solche interner Machtverteilung aufeinander. So weist der B G H darauf hin, dass die Ausgestaltung der Nachfolgeregelung und insbesondere die Berücksichtigung der betroffenen Familienstämme im Einzelnen einer darüber hinausgehenden Abwägung der widerstreitenden Interessen bedürften263. Damit erweist sich auch hier die Stellung des Gesellschafters im innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess als ein der Abwägung mit (Dritt-) Marktmaßstäben nicht zugänglicher Belang. Diese Abstufung zwischen Entscheidungen mit Bezug zur Stellung des Gesellschaftsunternehmens am Markt und solchen mit Bezug zur Stellung der Gesellschafter innerhalb des gesellschaftinternen Verhandlungsprozesses fällt zusammen mit einem Vorschlag, den Zöllner zur Differenzierung zur Zustimmungspflicht kraft Treubindung gemacht hat 264 . Er unterscheidet zwischen Anpassungen im Zweckverfolgungsbereich und solchen zur Wahrung von Mitgliedsinteressen265. Bei den erstgenannten, die die Stellung des Gesellschaftunternehmens am Markt zum Gegenstand haben, werfe eine Zustimmungspflicht aufgrund der vorrangigen Bindung an das Gesellschaftsinteresse keine unüberwindbaren Schwierigkeiten auf 266 . Demgegenüber fehle es an einem dem Gesellschaftszweck vergleichbaren Bewertungsmaßstab bei Entscheidungen zur Wahrung von Mitgliederinteressen267. Noch deutlicher als bei Nachfolgeregelungen, die neben dem Unternehmensbestand und damit der Stellung der Gesellschaft am Markt auch die Mitgliederinteressen berühren 268 , wird dies in ausschließlich auf Mitgliederinteressen bezogenen Entscheidungen. Mit dieser Differenzierung zwischen den von einer etwaigen Zustimmungspflicht betroffenen Beschlussgegenständen werden Mängel der übrigen Literaturvorschläge vermieden. So lässt der von einigen Stimmen an die Beurteilung der Zustimmungspflicht angelegte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die fehlende Relativierbarkeit der individuellen Verhandlungsposition des Gesellschafters im Ansatz unberücksichtigt269. Nur soweit die Stellung des Gesellschaftsunternehmens am Markt betroffen ist, können Erforderlichkeitsabwägungen zwischen den Vorteilen für die Gesellschaft und denen für den Gesellschaf -

B G H 20.10.1986, N J W 1987, 952, 954. Zöllner, Anpassung 40-53. 265 Zöllner, Anpassung 49; vergleichbare Gegenüberstellung von Zweckverfolgung und Selbstbestimmung der Gesellschafter, wenngleich unter der bedenklichen Prämisse eines von den individuellen Interessen der Gesellschafter losgelösten überindividuellen Zwecks, der von einem Fremdzweck nicht unterschieden werden könne, bei Lettl, AcP 202 (2002) 3, 14-17. 266 Zöllner, Anpassung 4 0 ^ 9 , 52. 267 Zöllner, Anpassung 49-53. 2 6 8 Zur Einordnung des Gegenstands von Nachfolgeregelungen zwischen Zweckverfolgungsnähe und innergesellschaftlicher Machtverteilung Zöllner, Anpassung 51. 2 6 9 Zu einer solchen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Beurteilung der Zustimmungspflicht kraft Treubindung Hey mann-Emmerich §119 Rdnr. 18; Schlegelherger-Martens §119 Rdnr.46;K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 134 (§5 IV. 5. a); GroßKommHGB-i//mer§ 105 Rdnrn. 240, 246; Westermann, FS Hefermehl 225, 228-236. 263 264

I.

Willensbildung

143

ter überhaupt in Betracht kommen 2 7 0 . Die Mitgliedsstellung des einzelnen Gesellschafters entzieht sich einer solchen Konkretisierung. So übt auch der B G H noch weiter gehende Zurückhaltung bei der Einstufung von Zustimmungsverweigerungen als treuwidrig in den Entscheidungen, die Vertragsänderungen mit ausschließlichem Bezug zur Stellung des Gesellschafters im innergesellschaftlichen Verhandlungsprozess zum Gegenstand haben. Für eine Verpflichtung zur Zustimmung zu einer Veränderung der Gewinnverteilung sei nicht allein die Zumutbarkeit ausreichend, sondern es müssten vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die die Änderung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erforderlich erscheinen ließen 271 . Als Belange seien hier die Zwecke der Erhaltung wesentlicher gemeinsam geschaffener Werte oder die Vermeidung wesentlicher Verluste zu nennen. Ahnlich reicht nach Ansicht des B G H auch bei der Frage der Zustimmung zur Ausschließung eines Gesellschafters die Zumutbarkeit allein nicht aus 272 . Vielmehr hätten Umstände hinzuzutreten, die die Änderung als dringend erforderlich erscheinen ließen 273 . Folglich wird in allen Fällen, in denen die Zustimmung zu einer die Stellung des Gesellschafters im gesellschaftsinternen Verhandlungsprozess betreffenden Vertragsänderung zu beurteilen ist, lediglich die etwaige Gefährdung des Unternehmensbestands oder ähnliche Härten als ausreichend zur Begründung einer Zustimmungspflicht erachtet. Nur für diese Extremfälle, in denen eine etwaige Zustimmungspflicht die Verhandlungsposition des Gesellschafters innerhalb der Gesellschaft unmittelbar beeinträchtigt, erscheinen die ablehnenden Stimmen zur Zustimmung kraft Treubindung als berechtigt. Hier begrenzt der vereinbarte Gesellschaftszweck und das damit einhergehende Verhandlungsgleichgewicht etwaige Änderungen des Gesellschaftsvertrages 274 . Charakterisieren lässt sich dieser Einwand auch als die Feststellung von Grenzen für richterliche Eingriffe in die privatautonome Rechtsgestaltung 275 . Letztlich trifft hier auch der Einwand der Unbestimmtheit der Treuepflicht als taugliches Instrument zur Rechtsanwendung zu 276 , da wie bereits die mögliche Bandbreite unternehmerischer Entscheidungen auch die Gesellschafterstellung innerhalb der Gesellschaft von den Beteiligten, nicht aber von den Gerichten festzulegen ist. Im Ergebnis erweist sich die 270 Zu den hier angesprochenen Erforderlichkeitserwägungen insbesondere hinsichtlich von Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen das Prüfungsschema bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 134 (§5 IV 5. a). 271 BGH 24.4.1954, LM HGB § 105 Nr. 8; vergleichbar BGH 12.1.1956, WM 1956, 351, 352 (keine Pflicht, dem Verzicht auf die Mitarbeit eines Gesellschafters zuzustimmen). 272 BGH 28.4.1975, BGHZ 64, 253, 258. 273 BGH 28.4.1975, BGHZ 64, 253, 258. 274 So die Kritik Kollhossers gegen eine Zustimmungspflicht zu Vertragsänderungen kraft Treubindung (FS Westermann 275, 277f.). 275 So der Einwand Flumes gegen die Zustimmungspflicht zu Vertragsänderungen kraft Treubindung (Personengesellschaft 280f.; FS Rittner 119, 124). 276 So Konzen gegen die Zustimmungspflicht zu Vertragsänderungen kraft Treubindung (AcP 172 [1972] 317, 337).

144

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Stellung des Gesellschafters innerhalb der Gesellschaft als keiner marktlichen Bewertung zugänglich. In diesen Bewertungsschwierigkeiten der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit von Widerspruch und Zustimmungsverweigerung manifestiert sich letztlich der fehlende Anteilsmarktbezug von Personengesellschaftsbeteiligungen.

5. Die Zustimmung des Anlegerkommanditisten Publikumspersonengesellschaft

in der

Stärker relativiert werden die Rechte der Kommanditisten aufgrund der Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt bei der Bewertung von Zustimmungsverweigerungen in Publikumspersonengesellschaften. So sind in zwei Entscheidungen zur Zustimmung von Anlegerkommanditisten zur Stundung ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft bzw. zum Zinsverzicht allein die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt für eine Zustimmungspflicht entscheidend 277 . Auf eine strategische Zielsetzung der nicht zustimmungswilligen Gesellschafter kommt es demgegenüber nicht an. Dies bestätigt die Integration von Kapitalmarktmaßstäben in Publikumspersonengesellschaften, in denen schon allein aufgrund der hohen Zahl der beteiligten Gesellschafter ein innergesellschaftlicher marktähnlicher Willensbildungsprozess auf Durchführungsschwierigkeiten stößt 2 7 8 . Insgesamt zeigt sich bei den dargelegten Entscheidungen zur Zustimmungspflicht bei Vertragsänderungen mit unmittelbarer Auswirkung auf die Stellung des Gesellschaftsunternehmens am Markt wiederum der grundlegende Unterschied beim Interessenausgleich zwischen idealtypischer und kapitalistisch strukturierter Personengesellschaft. N u r bei der erstgenannten fließen die Individualrechte als marktkonstituierende Faktoren in den innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess und damit als separate Abwägungsgröße bei der Bestimmung des strategischen Gehalts der Zustimmungsverweigerung in die Entscheidung ein. D e m gegenüber relativieren sich die Individualrechte der Anlegergesellschafter in der Publikumspersonengesellschaft nach Maßgabe des als Kontrollmaßstab herangezogenen Kapitalmarktes 279 .

E.

Ergebnis

Die Untersuchung der Willensbildung in der Personengesellschaft hat für die Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter Grenzen aufgezeigt. Der Schutz des Minderheitsgesellschafters aufgrund der Kernbereichslehre und des Bestimmt-

B G H 19.11.1984, N J W 1985, 972; B G H 5 . 1 1 . 1 9 8 4 , N J W 1985, 974. Hierzu bereits im Rahmen der Kernbereichslehre oben A.5. 279 Weiteres Beispiel für die Relativierung der Zustimmungsrechte allerdings ohne ausdrückliche Inbezugnahme des Kapitalmarktes in einer körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft in B G H 2 8 . 5 . 1 9 7 9 , W M 1979, 1058, 1060. 277 278

I.

Willensbildung

145

heitsgrundsatzes basiert auf dessen Widerspruchsrechten, die für den gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess marktbildende Anreize vermitteln. Diese Widerspruchsrechte kompensieren über den Schutz von mitgliedschaftlichen Vermögensrechten (Kernbereichslehre) sowie der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Risikoteilung (Bestimmtheitsgrundsatz) die mangels Anteilsmarktes eingeschränkten Abwanderungsoptionen für die Gesellschafter und gewährleisten die Funktionsfähigkeit interner Verhandlungsprozesse 280 . Darüber hinaus entziehen sie über den Schutz mitgliedschaftlicher Kontrollrechte (Kernbereichslehre) und über die Einschränkung einer mehrheitlichen Abdingbarkeit (Bestimmtheitsgrundsatz) die durch sie vermittelten marktbildenden Verhandlungsanreize einer privatautonomen Disposition durch die Gesellschafter 281 . Lediglich in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft, insbesondere in der Publikumspersonengesellschaft, wird diese unmittelbar zwischen den Gesellschaftern ablaufende Marktbildung ersetzt durch eine Kontrolle der Mehrheitsentscheidungen anhand von Dritt- und hier vor allem Kapitalmarktmaßstäben 2 8 2 . Insoweit löst sich die Marktbildung von den beteiligten Gesellschaftern und wird zur Marktnachahmung. In Übereinstimmung mit diesem Unterschied zwischen Marktbildung und Marktnachahmung liegt der Marktbildung als Legitimationsgrundlage die antizipierte Zustimmung der Gesellschafter zugrunde, während die Marktnachahmung auf der anhand von Kapitalmarktmaßstäben zu begrenzenden Gestaltungsbefugnis der Gesellschaftermehrheit basiert 283 . Grenzen lassen sich der individualrechtlich vermittelten Marktbildung durch eine Zustimmungspflicht des Minderheitsgesellschafters kraft Treubindung nur insoweit ziehen, als sie einer marktlichen Beurteilung anhand eines Referenzmarktes zugänglich ist. Auf dieser Grundlage lässt sich insbesondere eine strategische Ausübung des Widerspruchsrechts unterbinden, wenn von der fraglichen Mehrheitsentscheidung die Stellung und das Verhalten der Gesellschaft am Markt betroffen ist 284 . Demgegenüber entziehen sich solche Entscheidungen weitestgehend einer Kontrolle anhand von Treuepflichtmaßstäben, die die Stellung des Gesellschafters im gesellschaftsinternen Verhandlungsprozess zum Gegenstand haben 285 . Insoweit kommt eine Relativierung individueller Mitgliedschaftsrechte durch Mehrheitsentscheidungen nicht in Betracht. Demgegenüber werden an die Zustimmung von Anlegerkommanditisten in der Publikumspersonengesellschaft Kapitalmarktmaßstäbe angelegt, statt auf eine strategische Ausübung des Widerspruchsrechts abzustellen 286 . 280 281 282 283 284 285 286

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

oben oben oben oben oben oben oben

A.4.a) und B.2.b) und c). A.4.b) und B.2.a). A.5. und B.3. A.6.c) und C. D.3. D.4. D.5.

146

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Durchgehend zeigt sich damit für den Willensbildungsprozess in der Personengesellschaft, dass die individualrechtlich vermittelte Marktbildung nur wenigen Einschränkungen unterliegt. Folglich entziehen sich auch die zugrunde liegenden Mitgliedschaftsrechte der privatautonomen Disposition. Lediglich in der kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft kommt eine von Individualrechten abstrahierende Marktnachahmung insbesondere anhand von Kapitalmarktmaßstäben in Betracht.

II. Finanzierung

zwischen Ausschüttung und

Thesaurierung

Als weiteres Anwendungsfeld einer potenziellen Marktbildung innerhalb der Personengesellschaft ist neben der Willensbildung die Finanzierung zu untersuchen. Für die übergreifende Fragestellung der Arbeit nach den Grenzen der Privatautonomie im Hinblick auf die Konzerneinbindung einer Personengesellschaft ist auch für die Finanzierung zu klären, welche Grenzen hier der Mehrheitsmacht gezogen sind. Für die finanzielle Stellung der Personengesellschafter ganz entscheidend sind deren Entnahmerechte im Hinblick auf den erwirtschafteten Gewinn des Unternehmens der Gesellschaft. Mangels liquiden Sekundärmarktes für Personengesellschaftsanteile können Personengesellschafter von der Gesellschaft erwirtschaftete Gewinne nicht ohne weiteres unmittelbar durch Anteilsveräußerung zu Geld machen. Insoweit wirkt in Finanzierungsfragen der vollkommene Kapitalmarkt für die börsennotierte Aktiengesellschaft konfliktbeseitigend 287 . Indem er die Erfolge von Investitionsprojekten im Marktwert des Eigenkapitals reflektiert, gelingt es den Anteilseignern, sich die Vorteile des Projekts anzueignen. In Ermangelung eines mit dem Aktienkurs vergleichbaren Wertmaßstabes für Personengesellschaftsanteile werden Vermögenszuwächse der Gesellschaft für den Personengesellschafter nur dann greifbar, wenn er sie dem Gesellschaftsvermögen entnehmen kann. N u r solche Entnahmen lassen für den anlegenden Personengesellschafter seine Kapitalanlage auch ohne Anteilsveräußerung rentabel erscheinen. Das Fehlen eines Kapitalmarktes für Personengesellschaftsanteile begründet jedoch gleichzeitig auch einer Ausschüttung entgegengesetzte Interessen der Gesellschaft. Da die Personengesellschaft am Kapitalmarkt mangels liquiden Sekundärmarktes für Gesellschaftsanteile kein Eigenkapital aufnehmen kann, bildet die Nichtausschüttung und Thesaurierung erwirtschafteter Gewinne die einzige Möglichkeit einer von Gläubigern unbehelligten Innenfinanzierung 2 8 8 . Mit diesem durch das Fehlen kapitalmarktgängiger Gesellschaftsanteile begründeten Interessengegensatz zeichnet sich auch die maßgebliche Frage der Finanzierung in 287 288

Aus ökonomischer Sicht hierzu Drukarczyk, Theorie und Politik der Finanzierung 27-64. Zu dieser Interessenlage auch schon Barz, FS Knur 25.

II.

Finanzierung

147

der Personengesellschaft ab: Zu klären ist, wie die Ausschüttungsinteressen der kapitalanlegenden Gesellschafter mit dem Interesse der Geschäftsführung an einer Innenfinanzierung ohne Rückgriff auf kapitalmarktliche Interessenausgleichsmechanismen zu einem Ausgleich gebracht werden können. Wichtige Konfliktfelder eines solchen Ausgleichs sind die Entnahmerechte und Ausschüttungsansprüche der Gesellschafter (dazu A.). Weitere maßgebliche Bestimmungsgrößen sind die Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter (dazu B.).

A.

Entnahmerechte

Greifbar wird der innergesellschaftliche Verteilungskonflikt zwischen Ausschüttungsinteressen der Personengesellschafter und Thesaurierungsbedürfnissen der Unternehmensführung insbesondere bei der Frage der Gewinnentnahme der Gesellschafter. Ausgangspunkt für sie sind die gesetzlichen Entnahmerechte der Gesellschafter gem. §§ 122 Abs. 1, 169 Abs. 1 HGB (dazu 1.). Erst vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung lässt sich das ihr zugrunde liegende Verhältnis zwischen Ausschüttung und Thesaurierung anhand von Rechtsprechung und Gesetzgebung genauer herausarbeiten (dazu 2.). Auf dieser Grundlage sind die Anknüpfungspunkte für einen weiter gehenden Ausgleich zwischen Ausschüttung und Thesaurierung zu diskutieren (dazu 3.). Im Lichte dieses Interessenausgleichs lassen sich die Grenzen der privatautonomen Gestaltung der Entnahmerechte anhand des Steuerentnahmerechts aufzeigen (dazu 4.). 1. Gesetzliche

Regelung

Ausgangspunkt für den Ausgleich zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen ist zunächst die gesetzliche Regelung der Entnahmerechte der Gesellschafter in §§ 122, 169 HGB. Für die unbeschränkt haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft unterscheidet § 122 Abs. 1 HGB zwischen dem gewinnunabhängigen Entnahmerecht in Höhe von 4% des letzten Kapitalanteils (§ 122 Abs. 1 Halbs. 1 H G B ) und dem Anspruch auf den Mehrgewinn (§ 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB). Insbesondere der letztgenannte Anspruch auf Vollausschüttung des gesamten Gewinns wird in Rechtsprechung und Literatur allgemein skeptisch beurteilt und als unpassend für die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse eingestuft 289 . Dem liegt die Einschätzung zugrunde, die Eigenkapitalbasis der offenen Handelsgesellschaft durch so weitgehende Entnahmerechte zu gefährden und damit die Wachstumsmöglichkeiten der betroffenen Unterneh289 Z.B. BGH 14.5.1973,MDR1973,1001;Barz, FS Knur25; GroßKommHGB-tZ/OTer§ 122 Rdnr.24; Oppenländer, DStR 1999, 939, 940; Schlegelberger-Martens % 122 Rdnr.2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1388 (§47 IV 3. a); Wiedemann, FS Odersky 925, 926; zum Eigenkapitalbedarf aus bilanzrechtlicher Sicht Priester, FS Quack 373, 375.

2. Teil: Gesellschaftsinterner

148

Interessenausgleich

men einzuschränken 2 9 0 . D e r Wortlaut der Vorschrift des § 1 2 2 Abs. 1 H G B schränkt den Gewinnausschüttungsanspruch lediglich unter der Voraussetzung ein, dass die Auszahlung »... z u m offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht« (§ 122 Abs. 1 Halbs. 2 H G B ) . Demgegenüber wird das gewinnunabhängige E n t nahmerecht in H ö h e von 4 % des letzten Kapitalanteils in § 1 2 2 Abs. 1 Halbs. 1 H G B nicht ausdrücklich eingeschränkt. F ü r die Kommanditisten statuiert § 169 Abs. 1 H G B ein R e c h t auf Ausschüttung des auf sie entfallenden Gewinns, ohne allerdings eine ausdrückliche Entnahmeschranke wie die eines »offenbaren Schadens« gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 2 H G B ausdrücklich vorzusehen. Die Gegenüberstellung des gewinnunabhängigen Entnahmerechts des persönlich haftenden Gesellschafters gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 1 H G B mit dem G e w i n n ausschüttungsanspruch des Kommanditisten verdeutlicht die gesetzgeberische Zielrichtung des gewinnunabhängigen Entnahmerechts in § 122 A b s . 1 Halbs. 1 H G B . Es soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers dem im U n t e r n e h m e n der Gesellschaft persönlich tätigen unbeschränkt haftenden Gesellschafter den L e bensunterhalt sichern 2 9 1 . Demgegenüber können die nicht in die Geschäftsführung eingebundenen Kommanditisten auf die Ausschüttung lediglich der G e w i n ne verwiesen werden. 2. Wertungskriterien und

für das Verhältnis

zwischen

Ausschüttung

Thesaurierung

Z u m allgemeinen Verhältnis zwischen Ausschüttung und Thesaurierung stellt der B G H in einer neueren Entscheidung fest, dass es einen allgemeinen Vorrang der Thesaurierung vor der Ausschüttung nicht gebe 2 9 2 . Vielmehr bilde der Vollausschüttungsanspruch des einzelnen Gesellschafters den Ausgangspunkt des Gesetzes. A u c h die frühere Rechtsprechung bewertet Thesaurierungsmaßnahmen als Eingriff in vertraglich eingeräumte Gesellschafterrechte, geht demzufolge im Ausgangspunkt ebenfalls von den Ausschüttungsrechten der Gesellschafter als vorrangig aus 2 9 3 . Zumindest fordert sie für Einschränkungen der Ausschüttungsrechte gem. §§ 122 Abs. 1 , 1 6 9 Abs. 1 H G B entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen 2 9 4 .

Gegen diesen Ausgangspunkt wehren sich im

Schrifttum zahlreiche Stimmen, die der Thesaurierung den Vorrang gegenüber der Ausschüttung einräumen 2 9 5 . Was den somit streitigen rechtlichen Ausgangs290 Barz, FS Knur 25; Schlegelherger-Martens § 122 Rdnr. 2; Wiedemann, WM-Sonderbeilage 7/1992, 33. 291 Allgemeine Meinung z.B. Barz, FS Knur 25, 26; Baumhach/Hopt §122 Rdnr. 8; GroßKommHGB-Ulmer § 122 Rdnr.2; Oppenländer, DStR 1999, 939; Röhricht/Westphalen-v. Gerkan § 122 Rdnr. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1388 (§47 IV 3. a). 292 BGH 29.3.1996, BGHZ 132, 263, 276. 293 BGH 10.5.1976, BB 1976, 948, 949. 294 BGH 14.5.1973, MDR 1973, 1001; OLG München 30.6.1993, DB 1994, 1465; OLG Hamm 14.6.1999, NZG 2000, 252, 253. 295 Unter Hinweis auf die bilanzrechtliche Vorschrift des § 253 Abs. 4 HGB für einen entspre-

II.

Finanzierung

149

punkt eines Vorrangs der Ausschüttungsrechte der Gesellschafter beim B G H anbelangt, so könnten die Materialien zum Gesetzgebungsprozess erste Hinweise im Hinblick auf die rechtliche Fundierung eines solchen Vorrangs geben. Die Entnahmeregelungen der §§ 122 Abs. 1 , 1 6 9 Abs. 1 H G B entsprechen dem Art. 108 des A D H G B , so dass die dort eingeflossenen gesetzgeberischen Überlegungen für eine Klärung des Verhältnisses zwischen Thesaurierung und Ausschüttung auch für diese Vorschriften herangezogen werden können 2 9 6 . So ergibt sich aus den Protokollen zur Beratung des A D H G B , dass der Anspruch auf U n terhalt nicht lediglich den persönlich in der Gesellschaft tätigen Gesellschaftern, sondern auch den bloßen Kapitalgebern zugute kommen sollte 297 . Dieser Anspruch wurde dann von dem konkreten Unterhaltsbedarf gelöst und als Vorausdividende konzipiert, aus der der heutige §122 Abs. 1 Halbs. 1 H G B hervorgegangen ist 298 . Eine solche bedarfsunabhängige Gestaltung stärkt letztlich die Anspruchsposition des Gesellschafters im Hinblick auf die Vorausdividende als Ausgangspunkt für die privatautonome Entnahmeregelung. Was den Stellenwert der gesetzlichen Entnahmeregelung insgesamt anbelangt, so betonen die Beratungen, dass »... diese Angelegenheit der Vereinbarung unter den Betheiligten anheim zu geben ...« und eine möglichst wenig detaillierte Regelung zu entwerfen sei 299 . Als eine solche wird der Anspruch auf Gewinnausschüttung unter dem Vorbehalt eines offenbaren Schadens der Gesellschaft in die Regelung aufgenommen 300 . E r erweitert die Gewinnausschüttungsansprüche des G e sellschafters, erlegt dem Gesellschafter aber gleichzeitig die Beweislast dafür auf, dass die Ausschüttung der Gesellschaft nicht zum offenbaren Schaden gereicht. Verwirklicht ist damit ein abgestuftes System von Entnahmeberechtigungen, die einerseits bei der Vorausdividende dem Ausschüttungsinteresse gegenüber dem Thesaurierungsinteresse den Vorrang einräumen 301 . Dieser Vorrang wird jedoch für den Gewinnausschüttungsanspruch im Übrigen nicht in vollem Umfang beibehalten. Für ihn muss der Gesellschafter nachweisen, dass er keinen offenbaren Schaden für die Gesellschaft zur Folge hat. Hierdurch wird der Vorrang des Ausschüttungsinteresses zumindest eingeschränkt begründungsbedürftig, so dass beim Gewinnausschüttungsanspruch im Ausgangspunkt beinahe von einem Vorrang des Gesellschaftsinteresses gesprochen werden könnte 3 0 2 . chenden Vorrang der Thesaurierung auch bei der Entnahmeregelung Priester, FS Quack 373, 391; Kritik an fehlender Eigenkapitalvorsorge in den Entnahmeregelungen auch bei Wiedemann, FS Odersky 925, 926. 296 Ausdrücklich zu dieser Entsprechung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beim H G B Reichs-Justizamt, Denkschrift 89. 297 Schubert, Protokolle I 206f. 298 Puchelt Art. 108 A D H G B Anm.5. 299 Schubert, Protokolle III 1025. 300 Schubert, Protokolle III 1025 f. 301 Zur Differenziertheit der Regelung in diesem Sinne auch schon Schön, FS Beisse 471, 473. 302 Ähnlich G r o ß K o m m H G B - W m e r §122 Rdnr.21.

150

2. Teil: Gesellschaftsinterner

3. Ansatzpunkte a)

für einen weiter

gehenden

Interessenausgleich Interessenausgleich

Treuepflicht

D i e bisherigen Ergebnisse zu den gesetzlichen Entnahmevorschriften in §§ 122, 169 H G B lassen wenig R a u m für einen Ausgleich zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen. Lediglich die Begrenzung des Rechts auf G e w i n n e n t nahme gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 2 H G B durch einen offenbaren Schaden der G e sellschaft deutet auf eine Interessenabwägung hin. Diese Beschränkung scheint für das gewinnunabhängige Entnahmerecht in H ö h e von 4 % des letzten Kapitalanteils gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 1 H G B nach der gesetzlichen Regelung nicht zu gelten 3 0 3 . Gleichwohl gibt es in der Literatur schon frühzeitig Stimmen, die das gewinnunabhängige Entnahmerecht im Lichte des gesetzgeberischen Zwecks, den Lebensunterhalt der persönlich haftenden Gesellschafter zu sichern, begrenzen wollen. So vertritt A Hueck

die Auffassung, § 122 Abs. 1 Halbs. 1 H G B wer-

de durch die allgemeine Treuepflicht überlagert 3 0 4 . A u c h im neueren Schrifttum findet diese Ansicht zahlreiche, wenngleich nicht im Einzelnen übereinstimmende Anhänger 3 0 5 . Z u m Teil wird im R a h m e n der allgemeinen Treuepflicht bei der Bestimmung des gewinnunabhängigen Entnahmerechts gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 1 H G B eine Abwägung zwischen den konkreten Bedürfnissen der Gesellschafter im Lichte der Unterhaltssicherung als Gesetzeszweck gefordert 3 0 6 . D e m stehen andere Stimmen entgegen, die auf die allgemeine Treuepflicht zur Begrenzung des gewinnunabhängigen Entnahmerechts unabhängig von konkreten Bedürftigkeitsnachweisen im Lichte des N o r m z w e c k s bei eindeutig überwiegendem G e sellschaftsinteresse zurückgreifen wollen 3 0 7 . V o m Gesetz bereits angelegt ist die Abwägung zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen beim Gewinnausschüttungsanspruch gem. § 122 A b s . 1 Halbs. 2 H G B , da hier die Ausschüttung im Fall eines offenbaren Schadens der Gesellschaft begrenzt wird. Hinsichtlich der tatsächlichen Erfordernisse für einen offenbaren Schaden konkretisiert die Literatur wie folgt: Ubereinstimmend wird die Gewinnausschüttung jedenfalls für die Fälle ausgeschlossen, in denen sie die zur Erhaltung und Fortführung des Unternehmens der Gesellschaft u n b e dingt erforderlichen Beträge entzieht oder die Verwirklichung bereits beschlossener Vorhaben oder die Erreichung des Gesellschaftszwecks oder -bestandes fi-

GroßKommHGB-Ulmer § 122 Rdnr. 8; Heymann-Emmerich § 122 Rdnr. 12. A. Hueck, OHG 249. 305 Baumhach/Hopt § 122 Rdnr. 9; GroßKommHGB-Ulmer § 122 Rdnr. 8; Heymann-Emmerich § 122 Rdnr. 12; Michalski, OHG-Recht § 122 Rdnr. 5; Schlegelberger-Martens § 122 Rdnr. 7. 306 Schlegelberger-Martens § 122 Rdnr. 7; in der Tendenz auch Wiedemann, WM-Sonderbeilage 7/1992, 33. 307 GroßKommHGB-Ulmer § 122 Rdnr. 8; allgemeiner für die Unabhängigkeit von persönlichen Bedürfnissen bei der Bemessung von Ausschüttungen auch Priester, FS Quack 373, 394. 303 304

II.

Finanzierung

151

nanziell gefährdet 308 . Zumutbar ist der Gesellschaft jedoch nach verbreiteter Ansicht die Aufnahme von Fremdkapital 3 0 9 . Ein offenbarer Schaden droht in diesem letztgenannten Fall erst, wenn der erforderliche Kredit hierfür gefährdet wird, die kreditierenden Banken mithin Kreditlinien kürzen 3 1 0 . Die Zumutbarkeit der Fremdkapitalaufnahme beurteilt sich demnach letztlich nach der Reaktion des Kapitalmarktes, der demzufolge als Beurteilungsmaßstab an die interne Finanzierung der offenen Handelsgesellschaft herangetragen wird. Rechtlich behandelt die Literatur überwiegend das Tatbestandsmerkmal des offenbaren Schadens als eine Konkretisierung der allgemeinen Treuepflicht, die letztlich Anhaltspunkte für die Abwägung zwischen den Thesaurierungs- und Ausschüttungsinteressen liefere 311 . Unter Zugrundelegung dieser Einordnung der Entnahmeschranke des offenbaren Schadens unterliegt der Ausschüttungsanspruch der Gesellschafter gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 2 H G B dem Gebot treuepflichtkonformen Gesellschafterverhaltens 312 . Besonders deutlich wird die Heranziehung der allgemeinen Treuepflicht als Instrument für einen billigen Ausgleich wechselseitiger Interessen bei der Bestimmung der Zumutbarkeit eines Entnahmeverzichts im Lichte der konkreten Lebens- und Einkommensverhältnisse der Gesellschafter 313 . Schließlich fehlt in der gesetzlichen Normierung der Ausschüttungsrechte der Kommanditisten gem. §169 Abs. 1 HGB eine mit dem offenbaren Schaden im Rahmen des § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB vergleichbare ausdrückliche Entnahmeschranke. Aus diesem Grunde wird vereinzelt der Vorschlag gemacht, die in § 169 Abs. 1 S. 1 HGB statuierte Nichtanwendbarkeit des § 122 Abs. 1 HGB nicht auf die dort festgelegte Entnahmeschranke des offenbaren Schadens zu beziehen 314 . Demgegenüber greift die überwiegende Literaturmeinung bei der Bestimmung von Entnahmeschranken zu Lasten des Kommanditisten auf dessen allgemeine Treuepflicht zurück, wenn der Kommanditgesellschaft von der Entnahme ein schwerer Schaden droht 315 .

308

Baumbach-Hopt § 1 2 2 Rdnr.13; Heymann-Emmerich § 1 2 2 Rdnr.15; Michalski, O H G §122 Rdnr.7. 309 Schlegelberger-Martens § 1 2 2 Rdnr. 16; unter H i n w e i s auf die Literatur z u m A D H G B Schön, FS Beisse 471, 478. 310 Baumbach-Hopt § 1 2 2 Rdnr.13; unter H i n w e i s auf die diesbezügliche Literatur z u m A D H G B Schön, FS Beisse 471, 478. 311 So ausdrücklich G r o ß K o m m H G B - W m e r § 122 Rdnr. 8 \ H . Westermann, H a n d b u c h 1316. 312 Schlegelberger-Martens § 1 2 2 Rdnr.7. 313 Grundlegend A. Hueck, O H G 249; Schlegelberger-Martens § 122 Rdnr. 7; in der Tendenz auch Barz, FS Knur 25, 35. 314 Barella, D B 1952, 365f.; a.A. Ulmer, FS Hefermehl 207, 222 F n . 5 5 . 315 Baumbach/Hopt § 1 6 9 R d n r . 3 ; G r o ß K o m m H G B - S c M & g § 1 6 9 Rdnr.4; Priester, FS Q u a c k 373, 388f.; Röhricht/Westphalen-v. Gerkan § 169 Rdnr. 10.

152 b)

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Gesellschaftsvertrag

Dem stark treuepflichtgeprägten und einer Interessenabwägung verhafteten Vorgehen stellt Schön in neuerer Zeit eine abweichende Konzeption der Entnahmerechte entgegen 316 . Schön setzt an die Stelle der Abwägung zwischen den Ausschüttungsinteressen der Gesellschafter und den Thesaurierungsinteressen der Gesellschaft eine Abstimmung zwischen Geschäftsführungs- und Finanzierungskompetenzen als entscheidend für die Bilanzierungs- und Ausschüttungspolitik der Gesellschaft 317 . Insbesondere hält er die allgemeine Treuepflicht als Maßstab für die Abwägung zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen für verfehlt 318 . Unter Hinweis auf den historischen Gehalt der §§ 122 Abs. 1,169 Abs. 1 H G B und der Entwicklung vom A D H G B zum H G B meldet er Zweifel daran an, ob die Berücksichtigung der konkreten Situation des Gesellschafters im Einklang mit der gesetzgeberischen Konzeption der Ausschüttungsregelung stehe 319 . So hätten die Regelungsmodelle des Allgemeinen Landrechts mit der jährlichen Gewinnverteilung unter dem Vorbehalt des Gesellschaftsinteresses sowie die der damaligen Wissenschaft mit einer Schlussabrechnung unter dem Vorbehalt dringender Gesellschafterbedürfnisse zwar Eingang in die Entwürfe zum A D H G B gefunden 320 . In den Gesetzgebungsberatungen habe man dann jedoch vorrangig auf den Gesellschafterbeschluss als maßgebliche Leitlinie für die Ordnung der finanziellen Verhältnisse verwiesen und dies in § 108 Abs. 2 A D H G B sowie später in §122 Abs. 1 H G B übernommen 3 2 1 . Aus dieser Vorgeschichte der gesetzlichen Regelung ergibt sich nach Schön das explizite gesetzgeberische Ziel, den Streit über konkrete Unterhaltsbedürfnisse der Gesellschafter der gerichtlichen Entscheidung zu entziehen 322 . Demzufolge sei der offenbare Schaden gem. §122 Abs. 1 Halbs. 2 H G B eine absolute und keine relative Schranke für Entnahmeinteressen 323 . Entscheidender Bezugspunkt für die Ausschüttungspolitik der Gesellschaft ist nach dieser Auffassung die Beschlusslage - sei es aufgrund einer Ein-

316

Schön, F S Beisse 471, 4 7 3 - 4 8 1 .

317

Schön, F S Beisse 4 7 1 , 4 7 3 ; in der Tendenz ähnlich impliziert auch Wiedemann

als maßgeb-

lich die A b g r e n z u n g zwischen Geschäftsführungs- und Finanzierungskompetenz (FS O d e r s k y 925, 934). 318

Schön, FS Beisse 471, 474.

319

Schön, FS Beisse 471, 4 7 4 - 4 7 6 .

320

Schön, FS Beisse 471, 474f. unter Hinweis auf A L R 1 1 7 § 2 6 5 und in der Wissenschaft z . B .

Brinckmann

§ 3 9 X sowie die Art. 2 9 Abs. 2, Dritter Titel A D H G B - E von 1 8 4 8 / 4 9 (siehe

Baums,

E n t w u r f 108). 321

Z u den Gesetzgebungsberatungen Schön, FS Beisse 4 7 1 , 4 7 5 unter Hinweis auf Protokolle

z u m A D H G B , 3. Theil, 1858, X C V I I . Sitzung 9 9 1 . 322

Schön, F S Beisse 471, 4 7 7 unter Hinweis auf die Protokolle z u m A D H G B (3. Theil, 1858,

X X V . Sitzung 2 0 6 f . ) und die diesbezüglichen Ausführungen bei Anschütz/v. Art. 108 A D H G B A n m . II 5; Puchelt, 323

Schön, F S Beisse 471, 4 7 7 .

Art. 108 A D H G B A n m . 5.

Völderndorff,

//.

Finanzierung

153

stimmigkeit gem. § 119 Abs. 1 H G B oder aufgrund mehrheitlich gefasster gesellschaftsvertraglich vorgesehener Beschlüsse bzw. gegebenenfalls die Entscheidungen anderer gesellschaftsvertraglich vorgesehener Organe. An ihnen müsse sich der Gesellschafter auch bei der Geltendmachung seiner Ausschüttungsrechte gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 2 H G B im Sinne eines »venire contra factum proprium« festhalten lassen 324 . Zum eigenen Schutz könnten die Gesellschafter sich eine gemeinschaftliche Finanzplanung gesellschaftsvertraglich vorbehalten 325 . Auch für die Ausschüttungsrechte der Kommanditisten gem. § 1 6 9 Abs. 1 H G B hält Schön den Rückgriff auf die allgemeine Treuepflicht für verfehlt 326 . Vielmehr handele es sich bei dieser Vorschrift insoweit um ein Redaktionsversehen, als sie lediglich als ein Ausschluss des gewinnunabhängigen Entnahmerechts zu verstehen sei, sie aber nicht die Frage etwaiger Entnahmeschranken regele 327 . Damit bleibt es nach Schöns Auffassung im Ergebnis für die §§ 122,169 H G B bei der Maßgeblichkeit der gesellschaftsvertraglichen Regelung der Ausschüttungspolitik. Nur die Bindung der Gesellschafter an eben diese könne aufgrund des Verbots eines »venire contra factum proprium« mit Kategorien der Treuepflicht erfasst werden. Zusammenfassend lassen sich demnach in der Literatur beim Ausgleich zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen Konzeptionen der allgemeinen Treuepflicht und solche des absoluten Vorrangs der gesellschaftsvertraglichen Regelung gegenüberstellen. Konsequenz dieser beiden Richtungen für die konkrete Entscheidungsfindung beim Interessenausgleich ist bei der Konzeption der allgemeinen Treuepflicht die Verweisung dieser Entscheidung an die Gerichte und bei der zweitgenannten Konzeption der Vorrang der privatautonomen Einigung der Parteien. Insbesondere die zweite Variante wirft die Frage auf, ob der Gedanke einer Marktbildung innerhalb der Personengesellschaft als eine Weiterentwicklung auch für den Interessenausgleich bei der Finanzierung fruchtbar gemacht werden kann 3 2 8 . c)

Marktbildung

Für die Frage einer Marktbildung bei der Finanzierung der Personengesellschaft ist entscheidend, inwieweit die Lösung des Konflikts zwischen Ausschüttungsund Thesaurierungsinteressen den Gesellschaftern überantwortet werden kann. So bezeichnet Martens diesen Konflikt besonders deutlich als »Verteilungskonflikt«, in dem sich das zwischen Gesellschaftermehrheit und -minderheit besteSchön, FS Beisse 471, 478. Schön, FS Beisse 471, 479f. 326 Schön, FS Beisse 471, 480f. 327 Schön, FS Beisse 471, 480 unter Hinweis auf die Protokolle zum A D H G B (3. Theil, C X X X I V . Sitzung 1106). 3 2 8 Zur Marktbildung allgemein siehe oben Erster Teil II.C.l.; zur Marktbildung bei der Willensbildung siehe Zweiter Teil I.A.4. 324 325

154

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

hende Spannungsverhältnis widerspiegele 329 . Entsprechend sei eine vertragliche Einschränkung des Vollausschüttungsanspruchs gem. § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB unter dem Aspekt eines angemessenen Minderheitenschutzes vor unzulässiger Verkürzung ihrer Gewinnbeteiligung zu betrachten 330 . Dieser erforderliche Minderheitenschutz wird in den bekannten Kategorien des Interessenausgleichs bei der innergesellschaftlichen Willensbildung verankert: Kernbereichslehre und Bestimmtheitsgrundsatz markieren auch in Finanzierungsfragen die Grenzen der zulässigen Ausübung von Mehrheitsmacht 3 3 1 . Wenn Schön Hinweise für die Kompetenz in Finanzierungsfragen der Abgrenzung zwischen gewöhnlichen Geschäften nach Ermessen der Geschäftsführung und ungewöhnlichen Maßnahmen im Sinne des §116 Abs. 2 H G B entnimmt, macht auch er letztlich die Beschlussfassung der Gesellschafter und die Grenzen der Mehrheitsmacht zum Bestimmungsfaktor der Finanzierungsfrage 3 3 2 . Damit erweisen sich der Gesellschaftsvertrag und die ihn abändernde Beschlussfassung der Gesellschafter als im Ausgangspunkt maßgeblich für den Ausgleich zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen. Entsprechend sind die Rufe in der Literatur nach einer sorgfältigen kautelarjuristischen Gestaltung der Finanzierungspolitik im Gesellschaftsvertrag einzuordnen 333 . Nur die Maßgeblichkeit der gesellschaftsvertraglichen Einigung für die Finanzierungspolitik lässt sie sinnvoll erscheinen. Geboten erscheint sie nach überwiegender Auffassung aufgrund der Unzeitgemäßheit der gesetzlichen Regelung im Lichte des Eigenkapitalbedarfs der Gesellschaft 334 . Gleichwohl drängt sich in Anbetracht der einhelligen Ablehnung des Regelungsinhalts der §§122 Abs. 1, 169 A b s . l HGB und des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher Regelung die Frage nach dem Sinn dieser scheinbar verfehlten Regelung auf. Mit der Begründung weitgehender Entnahme- und Ausschüttungsrechte der Gesellschafter ist der Stellenwert der genannten Regelungen vergleichbar mit dem des Kernbereichsschutzes von Mitgliedschaftsrechten. Wie bereits gezeigt, erweitert der Kernbereichsschutz den Strategieraum des Minderheitsgesellschafters, der bei einem Eingriff in seine geschützten Mitgliedschaftsrechte durch die Mehrheit zusätzlich zur (eingeschränkten) Abwanderungsoption aufgrund

Schlegelberger-Martens §122 Rdnr.2. Schlegelberger-Martens §122 Rdnr.2. 331 GroßKoramHGB-Ulmer § 122 Rdnr. 36; Schlegelberger-Martens § 122 Rdnr. 36; Anwendung dieser rechtlichen Grenzen der Mehrheitsmacht auf Finanzierungsbeschlüsse in der Rechtsprechung BGH 10.5.1976, BB 1976, 948; OLG München 30.6.1993, DB 1994, 1465, 1466. 332 Schön, FS Beisse 471, 478f. 333 Z.B. Barz, FS Knur 25, 26; GroßKommHGB-Wmer §122 Rdnr.24; Michalski, OHG §122 Rdnr. 10; Röhricht/Westphalen-v. Gerkan §122 Rdnr. 13; Schlegelberger-Martens §122 Rdnr. 11; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1388 (§47 IV 3. a); Schön, FS Beisse 471, 480. 334 BGH 14.5.1973, MDR 1973,1001; in der Literatur z.B. Barz, FS Knur 25;iC Schmidt, Gesellschaftsrecht 1388 (§47 IV 3. a); Wiedemann, FS Odersky 925, 926. 329 330

II. Finanzierung

155

dieses Kernbereichsschutzes eine Widerspruchsoption erhält 335 . Ebenso kann sich der nach §§122 A b s . l , 169 A b s . l H G B ausschüttungsberechtigte Minderheitsgesellschafter nicht nur durch Abwanderung, sondern auch durch Widerspruch gegen die Thesaurierungsabsichten der Mehrheit aufgrund seiner weitgehenden Ausschüttungsrechte wehren. Infolgedessen besteht eine wichtige Auswirkung der gesetzlichen Entnahmerechte in der aus ihnen resultierenden Verteilung von Verhandlungspositionen. Insoweit geht ihre Bedeutung über den Stellenwert eines bloßen »Regelungsvorschlages« hinaus 336 . Mit dem von ihnen ausgehenden Zwang für die Mehrheit, sich mit der Minderheit über Ausschüttung und Thesaurierung zu einigen, eignen sie die marktbildende Kraft, die bereits anhand der allgemeinen Widerspruchsmechanismen im Rahmen der innergesellschaftlichen Willensbildung aufgezeigt werden konnte 3 3 7 . Dennoch verbleiben Fragen nach der Schutzrichtung der Entnahmerechte und etwaigem Korrekturbedarf. Bei Kernbereichsschutz und Bestimmtheitsgrundsatz verdeutlichte die Analyse der Strategieraumerweiterung, dass dieser Schutz letztlich als eine endogene Verhandlungslösung die Chancen der Gesellschafter verbessert, ihre Kooperation aufrechtzuerhalten und gemeinsam einen Kooperationsgewinn zu erwirtschaften 338 . Demgegenüber begünstigen die gesetzlichen Entnahmeregeln der §§ 122 Abs. 1,169 Abs. 1 H G B die Ausschüttungsinteressen der (Minderheits-)Gesellschafter. Im Lichte des dringenden Eigenkapitalbedarfs einer Personengesellschaft mangels Zugangs zum (Eigen-)Kapitalmarkt erscheint ein vergleichbarer Stellenwert der Ausschüttungsrechte der Gesellschafter als kooperationsbegünstigende Verhandlungslösung eher zweifelhaft. Es stellt sich die Frage, ob man sich diesen Ausschüttungsrechten tatsächlich individualrechtlich oder nicht eher unter dem Gesichtspunkt des Kollektivinteresses an einer Eigenkapitalerhöhung nähern sollte. Dies entspricht der Alternative einer gesellschaftsvertraglichen oder treuepflichtgeprägten Fundierung der Finanzierungsentscheidung. d) Die Finanzierungsentscheidung

der Gesellschafter

Mit der Finanzierungsentscheidung rücken auch deren ökonomische Grundlagen ins Blickfeld. Im ökonomischen Schrifttum wird die durch Thesaurierung von Gewinnen ermöglichte Innenfinanzierung von Unternehmen unterschiedlich bewertet. Unter Innenfinanzierung oder interner Finanzierung soll hier vereinfacht die interne Bereitstellung liquider Mittel verstanden werden 339 . Letztere

Hierzu im Einzelnen oben Zweiter Teil I.A.4.a. Zur Einordnung der §§ 122, 169 H G B als »Regelungsvorschläge« Wiedemann, FS Odersky 925, 926. 3 3 7 Hierzu oben Zweiter Teil I.A.4. 3 3 8 Hierzu oben Zweiter Teil I.A.4.a. 3 3 9 Uberblicksartig Neus 318-322; mit einer genaueren Differenzierung zwischen zahlungs335

336

156

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

resultieren aus Einzahlungsüberschüssen, die nicht durch laufende Zahlungen, Zinszahlungen auf das Fremdkapital, Steuern und Gewinnausschüttungen wieder abfließen. Empirisch liegt das Volumen der Innenfinanzierung bei deutschen Unternehmen beispielsweise im Vergleich zu US-amerikanischen Unternehmen relativ hoch 340 . Dieser hohe Anteil der Innenfinanzierung wird häufig kritisch beurteilt341. So kritisieren insbesondere Pütz/Willgerodt, dass die Geschäftsführung dazu neige, finanzielle Mittel zur Erhöhung von Marktzutrittsschranken einzusetzen342, stärkere Industrieverflechtung zu betreiben343 sowie Diversifikationsstrategien zu fördern, die die Aufdeckung suboptimaler Bereichsergebnisse erschwerten344. Dies ist vor dem Hintergrund der skeptischen Beurteilung einer internen Finanzierung nach Jensen/Meckling plausibel, wonach die Geschäftsführung primär die eigene Kooperationsrente ggf. auf Kosten der übrigen Anteilseigner maximieren möchte 345 . Als Gegenmittel benennen Pütz/Willgerodt die Beschneidung der stillen Reserven im Wege der Gewinnermittlung und die Anhebung der Ausschüttungsquoten346. Demgegenüber weisen andere Stimmen darauf hin, dass gewisse Handlungsspielräume der Geschäftsführung bei der Bestimmung der Finanzierungsstruktur vorübergehende Engpässe auf den Kapitalmärkten auf effiziente Weise überbrücken könnten 347 . Für die juristische Analyse jedenfalls ist die Entscheidung zwischen Thesaurierung und Ausschüttung nicht mit Hilfe normativer Kriterien zu erfassen. Die Vergrößerung des Handlungsspielraums der Geschäftsführung im Wege der Innenfinanzierung erscheint insbesondere dort naheliegend, wo die Informationsverarbeitung durch Kapitalmärkte an ihre Grenzen stößt, wenn beispielsweise die marktliche Bewertung von Forschung und Entwicklungsleistungen o.Ä. in Rede steht348. Folglich lässt sich die Finanzierungsfrage in der Personengesellschaft wie auch die Frage der Anteilsbewertung nicht aufgrund unmittelbar eingreifender funktionsfähiger Kapitalmärkte lösen349. Stattdessen fragt sich für die Finanzierungsentscheidung zwischen Thesaurierung und Ausschüttung, ob sich Kapitalmarktmaßstäbe als marktbildende Anrei-

orientierten und bilanzorientierten Konzepten der Innenfinanzierung Drukarczyk, Theorie und Politik 398-401. 340 Mit internationalem Vergleich Brealey/Myers 379-382. 341 Grundlegend Pütz/Willgerodt; kritische Bewertung auch bei Neus 322. 342 Pütz/Willgerodt 93. 343 Pütz/Willgerodt 94. 344 Pütz/Willgerodt 96. 345 Jensen/Meckling,}. Fin. Econ. 3 (1976) 305-360. 346 Pütz/Willgerodt 110-116. 347 D. Schneider 555-560; Williamson, J. Fin. 43 (1988) 567, 579-581. 348 Hierzu bereits oben Erster Teil II.B.l. 349 Zur Problematik der Anteilsbewertung bei der Personengesellschaft siehe unten Fünfter Teil.

II.

Finanzierung

157

ze in die finanzierungsrelevante Willensbildung einbeziehen lassen 350 . Nach Pütz/Willgerodt

sind interne Finanzierungsentscheidungen der Kontrolle des öf-

fentlichen Kapitalmarktes entzogen. Die Selektionswirkung des letztgenannten könnte aus dieser Sicht nur dann auf die interne Finanzierungsentscheidung ausstrahlen, wenn erzielte Uberschüsse zunächst ausgeschüttet würden. Diese Uberschüsse flössen dann nur zurück, wenn die Reinvestition in dem betroffenen U n ternehmen die beste Anlagemöglichkeit wäre 351 . Allein schon im Lichte erwünschter Transaktionskostenersparnisse müssen die Gesellschafter jedoch die Möglichkeit haben, Festlegungen zu Thesaurierung und Ausschüttung bereits im Gesellschaftsvertrag zu treffen. N u r so könnten sie es sich ersparen, sich in der Folge mit den Fragen der täglichen Unternehmensführung und Finanzierung befassen zu müssen. Damit hierbei Kapitalmärkte zumindest eine Ausstrahlungswirkung auf diese ursprünglichen Festlegungen entfalten können, sind diese von einer entsprechenden Willensbildung der Gesellschafter abhängig zu machen. Im Ausgangspunkt der gesellschaftsvertraglichen Verhandlungen setzt dies als Prämisse zunächst Ausschüttungs- und Entnahmerechte der Gesellschafter voraus. Entsprechend setzt auch die Rechtsprechung jede Änderung der gesetzlichen Entnahmeregelung in strikten Bezug zur gesellschaftsvertraglichen Regelung 352 . Ergeben sich Lücken in den vertraglichen Regelungen, die durch die dispositiven Regeln der §§ 122 Abs. 1 , 1 6 9 Abs. 1 H G B möglicherweise ergänzt werden müssten, so stützt sich die Rechtsprechung vorrangig auf die ergänzende Vertragsauslegung, um ergänzende Finanzierungsregeln zu entwickeln 353 . Dieses methodische Vorgehen zielt ausdrücklich darauf ab, die Zwecksetzungen der Gesellschafter, z . B . die Gesellschaft finanziell gesund und in Familienbesitz zu erhalten 354 oder die Liquidität im Hinblick auf das Unternehmenswachstum zu schützen 355 , zur Geltung zu bringen. Demzufolge kommt der Privatautonomie der Gesellschafter bei der Festlegung ihrer wirtschaftlichen Ziele Vorrang gegenüber den Einschätzungen des Rechtsanwenders zum Eigenkapitalbedarf zu. Entsprechend skeptisch ist einer Einschränkung der gesetzlichen Entnahmeregelung auf der Grundlage der Treuepflicht des Gesellschafters zu begegnen. Etwas anderes gilt 350 Mit der Analyse interner Finanzierungsentscheidungen auf der Grundlage marktlicher Kategorien befindet sich diese Arbeit im Ansatz in Ubereinstimmung mit ökonomischen Studien, die erstmals interne Kapitalmärkte unter den Gesichtspunkten der ihnen innewohnenden Anreizwirkungen und Informationsaufdeckungspotenzialen untersuchen ( G e r t n e r / S c h a r f s t e i n / Stein, Q.J. Econ. 109 (1994) 1211-1230; Harris!Rctviv, J. Fin. 51 (1996) 1139-1174; Stein, J. Fin. 52 (1997) 111-133; zu den Anreizen auf der Ebene der einzelnen Betriebsabteilungen, in einem solchen internen Kapitalmarkt von der Verwaltungsspitze bevorzugt mit Budget ausgestattet zu werden, Scharfstein/Stein, J. Fin. 55 (2000) 2537-2564).

Pütz/Willgerodt 93. Z.B. B G H 14.5.1973, M D R 1973,1001; O L G München 30.6.1993, D B 1994,1465; O L G Hamm 14.6.1999, N Z G 2000, 252, 253. 353 In der Sache so auch G r o ß K o m m H G B - W m e r § 122 Rdnr. 12. 354 So O L G München 30.6.1993, D B 1994, 1465, 1466. 355 B G H 14.5.1973, M D R 1973, 1001. 351

352

158

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

allenfalls dann, wenn man der Treuepflicht unter enger Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag eine »konkretisierende« Funktion zumisst 356 . Methodisch passender ist die Heranziehung der für den gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess geltenden Regeln zur Einschränkung des Mehrheitsprinzips 357 . Wie bereits oben gezeigt, sichert gerade der Individualschutz der Gesellschafter im Wege der Kernbereichslehre die Verhandlungsposition des einzelnen Gesellschafters für eine solche privatautonome Festlegung der wirtschaftlichen Ziele. Der Verzicht auf die Ausschüttungsrechte gem. §§ 122 Abs. 1, 169 Abs. 1 H G B kommt nach den genannten Regeln bei einer Zustimmungspflicht des Gesellschafters hinsichtlich eines Thesaurierungsbeschlusses kraft Treubindung in Betracht. N u r in diesem Fall, wenn der Gesellschafter schlechthin kein vernünftiges Interesse an der Beibehaltung der Ausschüttungsrechte geltend machen kann, kann eine Einschränkung seiner Verhandlungsposition aufgrund einer solchen Zustimmungspflicht erwogen werden 358 . In diesem Zusammenhang erscheint Wiedemanns methodische Kritik an der BGH-Entscheidung vom 10.5.1976 359 zur Beurteilung der Rücklagenbildung einer Gesellschaft nach Kriterien der kaufmännischen Übung berechtigt. Der B G H begründet hier die Entscheidungsbefugnis der Mehrheit in Bezug auf die Rücklagenbildung ungeachtet entgegenstehender gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen damit, dass die Rücklagenbildung für die Lebensfähigkeit des Unternehmens notwendig sei360. Damit vermenge sie - so die Kritik - die Frage formeller Zuständigkeit mit der inhaltlichen Angemessenheit, da die kaufmännische Sinnhaftigkeit von Beschlüssen zwar kompetenzbeschränkend, aber nicht zuständigkeitsbegründend sein könne 361 . Diese Kriterien könnten allenfalls eine Zustimmungspflicht kraft Treubindung begründen. Folglich legt auch Wiedemann der Thesaurierungsfrage zunächst einmal eine individualrechtliche Würdigung zugrunde, die lediglich ausnahmsweise aus Kollektivinteressen eingeschränkt werden kann. e) Marktnachahmung

in der

Publikumspersonengesellschaft

Wie auch schon im Zusammenhang mit der innergesellschaftlichen Willensbildung muss hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Willensbildungsregeln auch in Finanzierungsfragen eine Einschränkung gemacht werden. Diese Regeln setzen gedanklich Verhandlungspositionen als Widerspruchsmechanismen für markt356

Ähnlich GroßKommHGB-£//mer § 122 Rdnr.8. O L G München 30.6.1993, DB 1994,1465,1466; in der Sache so auch, wenngleich in Bezug auf Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter B G H 29.3.1996, B G H Z 132, 263, 268; zur Kernbereichsrelevanz der Finanzierungsentscheidung auch Ulmer, FS Lutter 935, 944f. 358 Hierzu im Einzelnen oben Zweiter Teil I.C. 359 B G H 10.5.1976, BB 1976,948. 360 B G H 10.5.1976, BB 1976, 948, 949. 361 Wiedemann, FS Odersky 925, 939. 357

IL

Finanzierung

159

ähnliche Austauschprozesse als Ausgleich für im Vergleich zur Aktiengesellschaft eingeschränkte Abwanderungsrechte voraus. An diesen Voraussetzungen fehlt es in der Publikumspersonengesellschaft. Hier steht marktähnlichen Austauschprozessen schon die hohe Anzahl an Gesellschaftern entgegen, die darüber hinaus als Anlagegesellschafter mit veräußerbarem Gesellschaftsanteil in der Regel kurzfristige Anlageziele und nicht den langfristigen Unternehmensbestand im Auge haben 3 6 2 . Diesen Einschränkungen des gesellschaftsinternen Verhandlungsprozesses trägt die Rechtsprechung durch Einschränkungen auch der Verhandlungspositionen aufgrund von Widerspruchsrechten der Anlagegesellschafter Rechnung 3 6 3 . Deutlich wird dies auch bei der Durchsetzung der Ausschüttungsrechte der Gesellschafter als Ausgangspunkt der Entnahmeregelung. So begründet die Rechtsprechung unter Einschränkung des Kernbereichsschutzes die Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters einer Publikumspersonengesellschaft, die vom Beirat geänderte Fälligkeit von Zinszahlungen hinzunehmen, mit der schlechten Liquiditätslage der Gesellschaft 364 . Weiterhin schränkt sie die Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Beurteilung einer Änderung der Verzinsung aufgrund von Konkursgefahren ein 365 . Schließlich erklärt sie einen Ausschüttungsbeschluss für unwirksam, wonach der Gesellschaft liquide Mittel in zu geringem Umfang verblieben, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen 3 6 6 . Insgesamt erweisen sich im Konflikt zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen in der Publikumspersonengesellschaft die Ausschüttungsrechte der Anlagegesellschafter gem. § 169 Abs. 1 H G B als relativierbar. Eine solche Relativierbarkeit ergibt sich in Abhängigkeit von den Erfordernissen des Kapitalmarktes, die sich in der schlechten Liquiditätslage des Unternehmens der Gesellschaft aufgrund konkreter kapitalmarktlicher Gegebenheiten niederschlagen. f)

Zwischenergebnis

Im Ergebnis entfalten die gesetzlichen Entnahmeregeln der §§122 A b s . l , 169 Abs. 1 H G B für die idealtypische Personengesellschaft marktbildende Wirkungen, indem sie Ausschüttungsansprüche der Gesellschafter als Verhandlungsposition beim Ausgleich von Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen gewährleisten 367 . Die gesetzliche Festlegung der Ausschüttungsrechte als Ausgangspunkt von Verhandlungsprozessen sichert hierbei die Offenheit des 3 6 2 Zu diesen Besonderheiten hinsichtlich der Abwanderungsoptionen und der Anreizstruktur in der Publikumspersonengesellschaft siehe oben Zweiter Teil I.B.3.a. 3 6 3 Hierzu im Zusammenhang mit dem Willensbildungsprozess siehe oben Zweiter Teil I.A.5. und B.3.a. 3 6 4 B G H 19.11.1984, N J W 1985,972. 3 6 5 B G H 5.11.1984, N J W 1985, 974. 3 6 6 B G H 21.1.1982, LM Nr.3 zu §169 H G B . 3 6 7 Siehe oben c).

160

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Meinungsbildungsprozesses und damit die Richtigkeitsgewähr für die Finanzierungsstruktur 368 . Die rechtlichen Grundlagen hierfür bilden das Einstimmigkeitsprinzip bzw. bei gesellschaftsvertraglich vereinbarter Geltung des Mehrheitsprinzips Kernbereichsschutz, Bestimmtheitsgrundsatz und Zustimmungspflicht kraft Treubindung 369 . Die Ausschüttungsrechte vermitteln dem einzelnen Gesellschafter demnach Widerspruchsrechte im Rahmen des finanzierungsrelevanten Willensbildungsprozesses in der Gesellschaft. Eine Einschränkung dieser Rechtspositionen der Gesellschafter kommt nur in der Publikumspersonengesellschaft in Betracht, wo Verhandlungsprozesse strukturbedingt nicht greifen 370 . Hier trägt die Rechtsprechung an die Beurteilung des Konflikts zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen Kapitalmarktmaßstäbe heran, die marktnachahmend einen Interessenausgleich sicherstellen. Nur in diesem Rahmen erscheint die richterliche Beurteilung von Ausschüttungs- und Thesaurierungsmaßnahmen aufgrund der Treuepflicht der Gesellschafter systemgerecht. Im Übrigen bleibt es in der idealtypischen Personengesellschaft beim strikten Vorrang der Einigung der Gesellschafter, deren Richtigkeitsgewähr sich aus dem vorangehenden Verhandlungsprozess auf der Grundlage der Ausschüttungsrechte der Gesellschafter gem. §§ 122 Abs. 1,169 Abs. 1 H G B ergibt. Die Grenzen dieser Richtigkeitsgewähr sind nunmehr anhand des Steuerentnahmerechts der Gesellschafter abzustecken. 4. Das Steuerentnahmerecht der Richtigkeitsgewähr der a)

der Gesellschafter als Grenze Finanzierungsentscheidung

Rechtsgrundlagen

Grenzen eines freien Spiels der Kräfte bei der gesellschaftsvertraglichen Bestimmung der Ausschüttungsrechte der Gesellschafter könnten dann erreicht sein, wenn der Gesellschafter auf Ausschüttungen seines Gewinnanteils angewiesen ist, um seine persönliche auf seinen Gewinnanteil entfallende Steuerschuld begleichen zu können 3 7 1 . Zu dieser Frage gibt es drei Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur 372 . So hält die neuere Rechtsprechung des B G H für ein Steuerentnahmerecht der Gesellschafter eine dahingehende ausdrückliche gesellschaftsvertragliche Regelung für erforderlich, da das Gesetz neben § 1 2 2 H G B keine Entnahmerechte vorsehe 373 . Enthält der Gesellschaftsvertrag jedoch eine

Siehe oben c). Siehe oben d). 3 7 0 Siehe oben e). 371 Zu den Einzelnen aus der Beteiligung erwachsenden steuerlichen Verpflichtungen Ernst B B 1961, 377f.; Ganßmüller 1-21. 3 7 2 Von fehlender Rechtssicherheit spricht z.B. Hoch, DStR 1998, 134, 139. 3 7 3 B G H 29.3.1996, B G H Z 132, 263, 277; ähnlich allerdings mit Bezug auf Erbschaft- und Schenkungsteuern B G H 26.3.1990, ZIP 1990,1327,1328f.; im Ausgangspunkt ebenso Barz, FS 368

369

II.

Finanzierung

161

Bestimmung zur Entnahme der für die Steuern benötigten Beträge, so wird diese in minderheitenschützendem Sinne ausgelegt. Die Gesellschafter seien dann in die Lage zu versetzen, diese Beträge nicht aus eigener Tasche begleichen zu müssen 374 . Demgegenüber stützt die Literatur ein Steuerentnahmerecht des einzelnen Gesellschafters auf § 110 HGB 3 7 5 oder leitet ein solches aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht 376 ab. Diese beiden zuletzt genannten Vorschläge sind zunächst gegeneinander abzuwägen, bevor eine abschließende Stellungnahme im Vergleich zum Ansatz der Rechtsprechung möglich ist. Als Aufwendungsersatzanspruch gem. §110 HGB lässt sich ein Steuerentnahmerecht des einzelnen Gesellschafters begründen, sofern man die Entrichtung der auf den Gewinnanteil entfallenden laufenden Steuern als eine Angelegenheit der Gesellschaft betrachtet 377 . Der Gesellschafter müsste mit den laufenden Steuern etwas im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses erbringen, das eigentlich nicht er, sondern die Gesellschaft zu erbringen hätte 378 . Eine solche Betrachtungsweise wird durch die Besonderheiten der Besteuerung im Personengesellschaftsrecht nahegelegt. In der Personengesellschaft lässt sich die Ebene des unternehmerischen Handelns der Gesellschaft nicht von der Ebene, auf der die Gewinnansprüche der Gesellschafter erwirtschaftet werden, trennen, da die Gewinnansprüche der Personengesellschafter nicht in kapitalmarktfähigen Anteilen gebündelt sind 379 . U m bei dieser Sachlage das Einkommen der Personengesellschaft ohne Doppelbelastung möglichst zeitnah in der Person des Gesellschafters zu erfassen, rechnet der Steuergesetzgeber gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Gewinne den Personengesellschaftern unmittelbar im Zeitpunkt des Entstehens bei der Gesellschaft zu 380 . Die Gegenüberstellung mit dem Körperschaftsteuerrecht verdeutliche - so die Befürworter einer Anwendung des § 110 HGB - , dass die BeKnur 25, 27; Heymann-Emmerich §122 Rdnr. 18; vorbehaltlich anders lautenden (auch stillschweigenden) Gesellschafterwillens Hopt, FS Odersky 799, 804 f. 374 BGH 2.6.1977, WM 1977, 1022, 1025; OLG München 30.6.1993, DB 1994, 1465, 1466; zur recht weitgehenden Annahme eines Steuerentnahmerechts aufgrund schlüssiger Vereinbarung auch Ganßmüller 37f. 375 Schön, FS Beisse 471, 487f. unter Hinweis auf H. Lehmann, FS Heymann II 733. 376 Ganßmüller 3 8 ^ 0 ; GroßKommHGB-i//mer § 122 Rdnr.30; Großfeld, NJW 1986, 955, Schlegelherger-Martens § 122 Rdnr. 11; implizit auch Baumbach/Hopt § 122 Rdnr. 17; für eine Interessenabwägung allerdings ohne ausdrückliche Inbezugnahme der Treuepflicht Priester, FS Quack 373,394; in der Rechtsgrundlage auf § 110 HGB und § 707 BGB verweisend Ulmer, FS Lutter 935, 952. 377 So Schön, StuW 1988, 253, 259 unter Hinweis a u f ] . Lehmann, FS Heymann II 733ff. 378 So zur sachlichen Rechtfertigung des Aufwendungsersatzes Müller, JZ 1968,169, 770. 379 Ahnliche Gegenüberstellung zwischen unternehmerischer und kapitalmarktlicher Risikokontrolle bei Schreiher, StuW 1987, 1, 3. 380 Das seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung diskutierte so genannte Optionsmodell, wonach Einzelunternehmen und Personengesellschaften für die Körperschaftsbesteuerung optieren DStR 2000, können, wurde letztlich nicht umgesetzt (§4a KStG-E); hierzu Mentel/Schulz, 489-498.

162

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Steuerung der einbehaltenen Gewinne bei den Personengesellschaftern in der Sache eine solche der Personengesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt ersetzen solle 3 8 1 . Aus dieser Sicht geht es nicht um die Gleichbehandlung von Einzelund Mitunternehmer 3 8 2 , sondern um die rechtsformneutrale Ausgestaltung des Ertragsteuerrechts 3 8 3 . Folglich müsse im Ergebnis auch die Gesellschaft im Wege eines Steuerentnahmerechts der Gesellschafter die aus ihrer Interessensphäre resultierenden Steuern tragen 3 8 4 . Dieser an den steuerrechtlichen Zusammenhängen orientierten Sichtweise und Begründung des Steuerentnahmerechts mit § 110 H G B ist die Konzeption des auf der Treuepflicht basierenden Steuerentnahmerechts des Personengesellschafters gegenüberzustellen. Der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 1 1 0 H G B stützt sich argumentativ letztlich auf die steuerrechtliche Gleichbehandlung von K ö r perschaft und Personengesellschaft und definiert den Konflikt anhand des G e gensatzes zwischen einzelnem Gesellschafter und Gesellschaft. Demgegenüber orientiert sich die Konzeption von der Treuepflicht am Interessengegensatz zwischen Mehrheit und Minderheit 3 8 5 . Nach dieser Auffassung kann die Treuepflicht im Einzelfall gebieten, den Gesellschaftern höhere Entnahmen zu ermöglichen 3 8 6 . Bei einem steuerpflichtbedingten Mehrbedarf kann die Treuepflicht demzufolge ohne einen Gesellschafterbeschluss ein erweitertes Entnahmerecht nach sich ziehen 3 8 7 . Gerade in den Fällen der Mehrheitsmacht droht die Hinausdrängung derjenigen Minderheitsgesellschafter, die finanziell auf die Ausschüttung der Steuerbeträge angewiesen sind. Dieser Interessenkonflikt betrifft weniger den Gegensatz zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, den der Aufwendungsersatz gem. § 110 H G B im Auge hat, sondern den schon von der Willensbildung bekannten K o n flikt zwischen Mehrheit und Minderheit 3 8 8 . Will man bei dieser Sachlage den Minderheitsgesellschafter vor einer Hinausdrängung schützen, so ist dies nur mit der Verleihung einer besonders geschützten Verhandlungsposition möglich. Indem die Konzeption von der Treuepflicht das Steuerentnahmerecht des Minderheitsgesellschafters vor der Uberstimmung durch die Mehrheit schützt, macht sie diese Position mehrheitsfest. In der Sache greift sie hiermit auf den geschützten 381 So bereits 1993 vor der Rechtsprechung zur Selbständigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Knohbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht 362 (§9 1 1.). 3 8 2 So z.B. L. Schmidt, EStG § 15 Rdnr. 161 (»Gleichstellungsthese«). 383 Schön, StuW 1988, 253, 257; Knohbe-Keuk, D B 1990, 905, 907i. 384 Schön, StuW 1988,253,259; Schön, FS Beisse 471, 487f. unter Hinweis aufJ. Lehmann, FS Heymann 733. 385 Binz/Sorg, D B 1996, 969, 972; Ernst, B B 1961, 377, 380; Schlegelherger-Martens §122 Rdnr. 2. 386 Baumbach/Hopt $ 122 Rdnr. 17. 387 Schlegelberger-Martens §122 Rdnr. 11. 3 8 8 Einordnung des Steuerentnahmerechts als Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit auch in O L G München 30.6.1993, D B 1994, 1465, 1466.

II.

Finanzierung

163

Kernbereich zurück, zu dem auch die Treuepflichten gehören 389 . In Anbetracht der allgemein akzeptierten Uberlagerung des Gesellschaftsverhältnisses durch die mit der Kernbereichslehre geschützten Mitgliedschaftsrechte greift daher der Hinweis des B G H auf die abschließende gesetzliche Entnahmeregelung des § 122 HGB nicht 390 . Der B G H legt seiner Entscheidung die Zustimmung aller Gesellschafter zur Entnahmeregelung zugrunde 3 9 1 . Der für die Begründung eines Steuerentnahmerechts eigentlich problematische Fall betrifft jedoch nicht einstimmige Gesellschafterbeschlüsse über die Gewinnverwendung, sondern entsprechende Mehrheitsbeschlüsse 392 . Hier entfaltet die unabdingbare Treuepflicht der Mehrheit eine individualrechtsschützende Wirkung, statt - wie die oben erörterte Treuepflicht des Minderheitsgesellschafters - Kollektivinteressen zu verwirklichen 3 9 3 . Damit fügt sich dieser Lösungsvorschlag argumentativ in das Verständnis der gesellschaftsinternen Willensbildungsprozesse als Verhandlungsprozesse besser ein als die Begründung eines Steuerentnahmerechts mit Aufwendungsersatzansprüchen. Er steht auch nicht im Widerspruch zur oben dargelegten Skepsis gegenüber einer mit der Treuepflicht begründeten Begrenzung der gesetzlichen Entnahmerechte gem. §§ 122 Abs. 1, 169 Abs. 1 HGB 3 9 4 . So legen die Entnahmerechte gem. §§122 A b s . l , 169 Abs. 1 HGB die offene Abwägung zwischen Thesaurierung und Ausschüttung in die Hände der Gesellschafter und überantworten sie der Richtigkeitsgewähr des gesellschaftsinternen Willensbildungsprozesses, anstatt sie an einem nachträglich bestimmten treuepflichtgestützten Kollektivinteresse auszurichten 395 . Demgegenüber handelt es sich beim Steuerentnahmerecht wie schon bei den anderen dem Kernbereichsschutz unterfallenden Mitgliedschaftsrechten um eine notwendige Voraussetzung für die Teilnahme aller Gesellschafter an der diesbezüglichen gesellschaftsinternen Willensbildung. Will man nicht deren Funktionsbedingungen gefährden, so muss man mit der Festschreibung eines Steuerentnahmerechts des Minderheitsgesellschafters für die laufenden auf seinen Gewinnanteil entfallenden steuerlichen Belastungen eine Grenze des gesellschaftsinternen Verhandlungsprozesses markieren. Hierfür bietet sich die Treuepflicht als rechtliche Begründung in besonders geeigneter Weise an, da sie dem Kernbereichsschutz unterfällt und daher im Gegensatz zu §110 HGB nicht der Disposition der Gesellschafter unterliegt 396 . 389 Zum Kernbereichsschutz siehe oben Zweiter Teil I.A.; zur Kernbereichszugehörigkeit der Treuepflichten Röttger 62. 390 BGH 29.3.1996, BGHZ 132, 263, 277. 391 Besonders deutlich bei seinen Ausführungen zu Bilanzierungsmaßnahmen mit Ergebnisverwendungscharakter BGH 29.3.1996, BGHZ 132, 263, 274. 392 So auch Binz/Sorg, DB 1996, 969, 972. 393 Zur Ausrichtung der Treuepflicht an Kollektivinteressen siehe oben Zweiter Teil I.A.2. 394 Siehe oben 3.d). 395 Siehe oben 3.d). 396 Zur Abdingbarkeit des Aufwendungsersatzes gem. § 110 HGB BGH 2.7.1979, NJW1980,

164

b)

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Umfang

Aus der Zielrichtung des Steuerentnahmerechts, die Richtigkeitsgewähr und die Funktionsvoraussetzungen des gesellschaftsinternen Verhandlungsprozesses sicherzustellen, können Anwendungsbereich und -Voraussetzungen gefolgert werden. So beschränkt sich die Entnahmebefugnis des Minderheitsgesellschafters aufgrund seines Steuerentnahmerechts auf die für die Deckung der auf seinen Gewinnanteil entfallenden laufenden Einkommensteuer 3 9 7 . N u r sie ist für die Gewährleistung seiner unbeeinträchtigten Teilnahme am gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess erforderlich. Demgegenüber werden einmalige Steuern, wie Erbschaft- und Schenkungsteuern von dieser Zielrichtung nicht gedeckt 398 . Die Entnahme der für sie erforderlichen Beträge hätte erhebliche Verschiebungen im Verhältnis der Gesellschafterkonten zur Folge 399 . Demzufolge zöge ein so weitgehendes Steuerentnahmerecht die Verfälschung des Willensbildungsprozesses nach sich, anstatt vor einer Verfälschung infolge der Hinausdrängung der Minderheit zu schützen. Darüber hinaus betreffen diese Steuerarten nicht die Kontinuität der bereits begründeten Gesellschaftszugehörigkeit, sondern begründen diese Zugehörigkeit erst. Damit ist der gesellschaftsinterne Verhandlungsprozess von diesen Steuern nicht berührt und insoweit auch nicht schutzbedürftig. Neben diesen Grenzen des Schutzbereichs des Steuerentnahmerechts im Hinblick auf die betroffenen Steuerarten ist das Steuerentnahmerecht außerdem in seiner Höhe an der Schutzbedürftigkeit des Minderheitsgesellschafters auszurichten. Fragen hinsichtlich der erforderlichen Höhe des Steuerentnahmerechts ergeben sich insbesondere aus der Steuerprogression 400 . Als Regelungsmöglichkeiten kommen die isolierte Betrachtung des Einkommens aus der Beteiligung als für die Gesellschaft günstige, weil niedrig liegende Berechnung in Frage sowie die Entnahme in der Höhe der Einkommensteuer, die der Gesellschafter infolge seiner Beteiligung mehr zu zahlen hat, oder die Entnahme desjenigen Betrages, der der auf das Gesamteinkommen des Gesellschafters entfallenden durchschnittlichen Steuerbelastung entspricht 401 . Die Modalitäten des gesetzlichen gesellschaftsvertraglich nicht näher ausgestalteten Steuerentnahmerechts können nur im Lichte der von ihnen ausgehenden Anreize und der Missbrauchsgefahren zutreffend bestimmt werden. Insbesondere die zweit- und drittgenannten, an der in339, 340; Baumhach/Hopt §110 Rdnrn. 14, 18; GroßKommHGB-Wmer §110 Rdnrn. 42 f. 397 GroßKommHGB- Ulmer § 122 Rdnr. 30. 398 Im Ergebnis ähnlich Hans. OLG 17.5. 1963, BB 1963, 1192; ebenso für das Erfordernis ausdrücklicher gesellschaftsvertraglicher Regelung GroßKommHGB-Ulmer § 122 Rdnr. 34; für die Einbeziehung der Erbschaftsteuer beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung hingegen Ganßmüller 23. 399 Barz, FS Knur 25, 32. 400 GroßKommHGB-Ulmer § 122 Rdnr. 26. 401 Im Einzelnen Barz, FS Knur 25, 29f.; Ernst, BB 1961, 377, 379.

II.

Finanzierung

165

dividuellen Einkommenssituation des betroffenen Gesellschafters orientierten Regelungsmöglichkeiten setzen die Kenntnis hinsichtlich der konkreten steuerlichen Belastung des Gesellschafters voraus 4 0 2 . D a h e r hat die Geschäftsführung bei diesen Regelungen nicht ohne weiteres die Möglichkeit, die genaue H ö h e der erforderlichen Ausschüttungen selbst festzustellen. Bei dieser Sachlage erscheint es geboten, den steuerentnahmeberechtigten Gesellschafter hinsichtlich der auf seinen Gewinnanteil entfallenden laufenden Einkommensteuer als nachweispflichtig zu erachten 4 0 3 . Diese Beweislastverteilung vermindert gleichzeitig Missbrauchsgefahren einer pauschalen Inanspruchnahme des Steuerentnahmerechts durch den Minderheitsgesellschafter. Darüber hinaus mag es Anreize dafür schaffen, Steuerentnahmen im Gesellschaftsvertrag auf bestimmte Prozentsätze des Gewinns oder auf Steuersätze nach der höchsten Progression festzusetzen 4 0 4 . M i t dieser Anreizwirkung wäre auch der Forderung des B G H Genüge getan, dass die Regelung des Steuerentnahmerechts im Gesellschaftsvertrag vorzusehen ist 4 0 5 .

B. Bilanzierungsentscheidungen 1. Die

mit

Gewinnverwendungscharakter

Kompetenzfrage

Ein Ausgleich zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen wird auch durch bestimmte Bilanzierungsentscheidungen herbeigeführt. So hat insbesondere die Rücklagenbildung zur Folge, dass nicht ausgeschüttete Gewinne von den Gesellschaftern nicht entnommen werden dürfen, sondern die risikotragende, zur Verlusttragung herangezogene Kapitalbasis vergrößern 4 0 6 . Will man mit der Marktbildung durch Entnahmerechte als Verhandlungspositionen der Gesellschafter Ernst machen, könnte man daher meinen, diese Marktbildung habe sich auch auf thesaurierungsrelevante Bilanzierungsentscheidungen mit der Folge entsprechender Zustimmungsrechte der Gesellschafter zu erstrecken 4 0 7 . Zu unterscheiden ist bei diesen Bilanzierungsentscheidungen zwischen der Aufstellung und der Feststellung des Jahresabschlusses. D i e Aufstellung umfasst die Zusammenstellung des Zahlenmaterials für die Buchführung zum E n d e des Geschäftsjahres nach den Regeln der kaufmännischen Buchführung und die Entscheidungsvorschläge hinsichtlich der Ausfüllung bilanzrechtlicher Beurteilungsrahmen sowie der Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten 4 0 8 . Demgegenüber hat die Feststellung des Jahresabschlusses dessen rechtliche Ver402

Barz, FS Knur 25, 30; GroßKommHGB-Wmer § 122 Rdnr.32.

403

Ganßmüller 40.

Zu einer solchen gesellschaftsvertraglichen Regelung Barz, FS Knur 25, 30. 405 B G H 29.3.1996, B G H Z 132, 263, 277; zum gesellschaftsvertraglichen Regelungsbedarf auch Schlegelberger-Martens § 122 Rdnr. 11. 406 Huber, GS Knobbe-Keuk 203, 207-212. 407 Zur Marktbildung durch Entnahmerechte siehe oben A.3.c). 404

408

Ulmer, FS Hefermehl 207, 210.

166

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

bindlichkeit als Berechnungsgrundlage für die Gewinnausschüttung zur Folge. Im Schnittfeld zwischen Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses ergeben sich Zuständigkeitsfragen. So liegt die Aufstellung des Jahresabschlusses unbestritten im Kompetenzbereich des geschäftsführenden Gesellschafters. Für die Feststellung des Jahresabschlusses herrscht mittlerweile die Auffassung vor, dass sie der Zuständigkeit aller Gesellschafter unterfalle 409 . Nicht geklärt ist mit dieser Zuständigkeitsspaltung zwischen geschäftsführendem Gesellschafter und Gesellschaftergesamtheit die Kompetenz für die Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten und von Beurteilungsermessen. In der Sache ist damit die Frage nach der Stellung dieser Bilanzierungsentscheidungen zwischen Rechnungslegung und Finanzierung aufgeworfen 4 1 0 . Die Meinungen zur Frage, wer für diese Bilanzierungsentscheidungen zuständig ist, gehen auseinander. Eine Position bildet die Annahme der Alleinzuständigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters vorbehaltlich eines Kontrollrechts im Hinblick auf etwaige Willkür 4 1 1 . Zurückhaltendere Stimmen in der Literatur differenzieren hinsichtlich der Art der zugrunde liegenden Bilanzierungsentscheidung. Hiernach steht die Bewertung im Ermessen des geschäftsführenden Gesellschafters vorbehaltlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder anders lautender gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen 4 1 2 . In einer neueren Entscheidung hat der B G H die in Betracht kommenden Bilanzierungsentscheidungen nach ihrer Funktion der Aufstellung oder der Feststellung des Jahresabschlusses zugeordnet 413 . Hiernach unterfallen diejenigen Bilanzierungsentscheidungen, die in der Sache Ergebnisverwendung sind, dem Feststellungsbereich und damit der Entscheidungsbefugnis sämtlicher Gesellschafter 414 . Ihnen stellt der B G H die Bilanzierungsmaßnahmen gegenüber, die nach seiner Auffassung der Darstellung der Lage des Vermögens des Unternehmens im Sinne des §238 Abs. 1 S. 2 HGB dienen und in der Entscheidungskompetenz des geschäftsführenden Gesellschafters liegen 415 . Für die geltende Rechtslage haben Überlegungen zur Kompetenzfrage bei Bilanzierungsentscheidungen im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses an dieser höchstrichterlichen Unterscheidung zwischen Vermögensdarstellung und Gewinnverwendung anzuknüpfen. Vor dem Hintergrund des konzeptionellen Stellenwertes der Zustimmungsrechte der Ge409 Zur Zuständigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters für die Aufstellung des Jahresabschlusses Baumbach/Hopt §164 Rdnr. 3; Röbricht/Westphalen-v. Gerkan §120 Rdnr. 3; zur Zuständigkeit aller Gesellschafter hinsichtlich der Feststellung des Jahresabschlusses Ulmer, FS Hefermehl 207, 210-216; Baumbach/Hopt § 164 Rdnr. 3; Schlegelb erger-Martens § 167 Rdnr. 6. 410 So auch schon Moxter, JZ 1996, 860, 861. 411 OLG Stuttgart 26.10.1994, ZIP 1995, 126, 128. 412 Ulmer, FS Hefermehl 207,219; Hopt, FS Odersky 799, 802-809; Huber 336f.; Schlegelberger-Martens § 167 Rdnr. 7f. 413 BGH 29.3.1996, BGHZ 132, 263. 414 BGH 29.3.1996, BGHZ 132,263,274. 415 BGH 29.3.1996, BGHZ 132,263,272.

II. Finanzierung

167

seilschafter als Widerspruchsmechanismen innerhalb des innergesellschaftlichen Verhandlungsprozesses sind die materiellen Unterscheidungskriterien für die in Frage stehenden Bilanzierungsentscheidungen zu entwickeln (dazu 2.)416. Erst auf dieser Grundlage können die Maßstäbe für diese Bilanzierungsentscheidungen gewonnen werden (dazu 3.). 2. Der Kreis der zustimmungspflichtigen a) Das

Bilanzierungsentscheidungen

Abgrenzungskriterium

Ein wichtiger Kritikpunkt an der genannten Entscheidung des B G H ist der materielle Kern der getroffenen Unterscheidung zwischen Bilanzierungsmaßnahmen mit und ohne Ergebnisverwendungscharakter. Nach dem B G H dienen die Bildung offener Rücklagen, die zusätzlichen Abschreibungen nach §253 Abs. 4 HGB, die Aufwandsrückstellungen gem. §249 Abs.l S.3, Abs. 2 H G B sowie steuerliche Sonderabschreibungen der Ergebnisverwendung 417 . In der Literatur ist auf die Ergebnisauswirkung auch weiterer Bilanzierungsmaßnahmen hingewiesen worden 418 . Als solche weiteren Bilanzierungsmaßnahmen werden die Aktivierung des Geschäfts- oder Firmenwertes gem. §255 Abs. 4 HGB 4 1 9 , die Ausübung des Abschreibungswahlrechts nach §253 Abs.2 S.3 HGB 4 2 0 , die Ausübung des Beibehaltungswahlrechts nach §253 Abs. 5 HGB 4 2 1 , die Aktivierung des Damnums gem. §250 Abs. 3 HGB 4 2 2 sowie die Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs nach §269 HGB 4 2 3 erwogen. Aus der Sicht der genannten BGH-Entscheidung wird dem gewinnverwendenden Charakter der aufgelisteten Bilanzierungsmaßnahmen entgegengehalten, dass es sich bei ihnen um Darstellungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage handle 424 . So sei die Aktivierung und Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwertes in ihren Zielen nicht auf die Minderung des Ausschüttungspotenzials gerichtet, sondern habe primär darstellenden Charakter 425 . Denselben Zwecken dienen demnach auch die außerplanmäßigen Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei voraussichtlich nur vorübergehender Wertminderung gem. §253 Abs.2 S.3 HGB. Die letztgenannten Ab416

Zum konzeptionellen Stellenwert der Zustimmungsrechte als Widerspruchsmechanismen siehe oben Zweiter Teil I.A.4.a. 417 B G H 29.3.1996, B G H Z 132, 263, 274-276. 418 Binz/Sorg, DB 1996, 969, 970. 419 Hoch, DStR 1998, 136, 138; Hofmann/Sauter, DB 1996, 967, 971; Moxter, JZ 1996, 860, 861. 420 Hoch, DStR 1998, 134, 137; begrenzt auf das Sachanlagevermögen Rückle, FS Beisse 433, 441. 421 Hoch, DStR 1998, 134, 137; Rückle, FS Beisse 433, 441. 422 Hoch, DStR 1998, 136, 138; lediglich erwogen bei Schulze-Osterloh, BB 1997,1783,1785. 423 Erwogen bei Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, 1785. 424 Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, 1784f. 425 Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, 1784.

168

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Schreibungen würden demzufolge für die Bilanzierung die Entscheidung eröffnen, in welchem Maße man bei der Bewertung von Gegenständen des Sachanlagevermögens dem Niederstwertprinzip folgen wolle 426 . Für die Einordnung des Beibehaltungswahlrechts nach § 253 Abs. 5 HGB wird eine Differenzierung vorgeschlagen. So seien Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert nach §253 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 HGB als Kehrseite der ursprünglich getroffenen Abschreibungsentscheidung und daher nicht als Gewinnverwendung zu betrachten, während die Rückgängigmachung einer zusätzlichen Abschreibung nach §253 Abs. 4 HGB in den Bereich der Ergebnisverwendung falle 427 . Die Möglichkeit, Kreditkosten auf die Laufzeit des Kredites durch die Aktivierung des Damnums gem. §250 Abs. 3 HGB zu verteilen, weise insgesamt keinen ausreichenden Bezug zur Gewinnverwendung auf 428 . Gänzlich verworfen wird schließlich die Relevanz der Frage nach dem Gewinnverwendungscharakter der betroffenen Bilanzierungsmaßnahme für die Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs nach §269 HGB, da ein solcher Posten für Personenhandelsgesellschaften nicht gebildet werden könne 429 . Für die Uberzeugungskraft der Unterscheidung zwischen den Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter und den oben von SchulzeOsterloh im Einzelnen ausgesonderten Bilanzierungsmaßnahmen ist maßgeblich, ob sich diese Unterscheidung auf gesellschaftsrechtlicher Ebene niederschlägt. Auf der Grundlage solcher greifbarer Unterschiede auf gesellschaftsrechtlicher Ebene lassen sich dann möglicherweise Mitspracherechte sämtlicher Gesellschafter in Bilanzierungsentscheidungen begründen. Auf diese gesellschaftsrechtliche Ebene führt Hopt letztlich seine Ablehnung solcher Zustimmungsrechte sämtlicher Gesellschafter zurück, wenn er das Bilanzierungsermessen des geschäftsführenden Gesellschafters mit dessen persönlichem Geschäftsführungsrecht und seiner unbeschränkten Haftung begründet 430 . Will man die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter in den Gesamtzusammenhang innergesellschaftlicher Widerspruchsmechanismen einbetten, so muss man an dieser Stelle diese Widerspruchsrechte und die von ihnen erfassten Regelungsmaterien Revue passieren lassen. Es fragt sich, ob den Gesellschaftern Widerspruchsrechte zukommen, die von den erörterten Bilanzierungsentscheidungen unmittelbar betroffen sind und die sich auch gegenüber Geschäftsführungsrechten der geschäftsführenden Gesellschafter als Zustimmungsrechte im Hinblick auf die Bilanzierungsentscheidungen durchsetzen. Anhand des Kernbereichsschutzes der Vermögensrechte wurde bereits oben die marktbildende Kraft dieses Regelungsmechanismus anhand der Mitwirkungsrechte der Gesellschafter bei 426 427 428 429 430

Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, Hopt, FS Odersky 799, 806-808.

1784. 1784f. 1785. 1785.

II.

Finanzierung

169

der Änderung der Beteiligung oder Haftsumme und der Schmälerung der Gewinnbeteiligung gezeigt 431 . Unabhängig von ihrer beschränkten Haftung verleiht der Kernbereichsschutz auch den Kommanditisten unabdingbare Mitwirkungsrechte beim gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess, sofern die betroffenen Mehrheitsbeschlüsse die genannten Materien einer Risikoverteilungsänderung zum Gegenstand haben. Es ist nunmehr zu prüfen, inwieweit die einzelnen vom B G H als Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter eingestuften Entscheidungen ebenfalls diesen innergesellschaftlichen Widerspruchsmechanismen unterfallen. b) Die Bildung offener

Rücklagen

Insbesondere die Rücklagenbildung rechnet der B G H der Gewinnverwendung zu. Die Bildung offener Rücklagen aus stehen gebliebenen Gewinnen unterscheidet sich im Personengesellschaftsrecht schon im Ansatz grundlegend von der Rücklagenbildung bei Kapitalgesellschaften gem. §272 Abs. 3 H G B . Sie ist für Personengesellschaften nicht vorgesehen, da § 120 Abs. 2 H G B die Zuschreibung stehen gelassener Gewinne zugunsten der Kapitalanteile der Gesellschafter statuiert 4 3 2 . Demgegenüber wird eine solche Gutschrift in der Kommanditgesellschaft gem. § 167 Abs. 2 H G B auf die H ö h e der Einlage des Kommanditisten begrenzt, so dass die Gewinnanteile dem Kommanditisten auf einem weiteren, von seinem Kapitalanteil getrennten Konto gutgeschrieben werden müssen 4 3 3 . Materiell handelt es sich bei diesem zweitgenannten Konto um Fremdkapital, da der Kommanditist die Auszahlung jedenfalls durch Kündigung erzwingen kann 4 3 4 . In jedem Fall hat die Rücklagenbildung im Hinblick auf stehen gelassene Gewinne eine Veränderung des Status des betroffenen Kapitals zur Folge. Verwendungszweck einer Rücklage ist vor allem die Abdeckung späterer Verluste. Anders als hinsichtlich der auf seinem so genannten »Darlehenskonto« verbuchten Gewinnanteile ( § 1 6 9 Abs. 2 H G B ) wird die Rücklage demzufolge mit späteren Verlusten verrechnet, ohne freilich als »Haftsumme« im Verhältnis zu Außenstehenden in Erscheinung zu treten 4 3 5 . Das auf getrennten Rücklagekonten und nicht auf den für das Außenverhältnis maßgeblichen Festkapitalkonten verbuchte Kapital ist dem Kommanditisten keineswegs sicher, da er seine Auszahlung nicht wie bei auf seinem Darlehenskonto stehen gelassenen Gewinnen jederzeit erreichen kann. Damit erhöht sich für den Kommanditisten durch die Rücklagenbildung seine

Siehe oben Zweiter Teil I.A.4.a. Zur Unterscheidung der Rücklagenbildung in Kapital- und Personengesellschaften Schön, FS Beisse 471, 481 f. 433 Baumbach/Hopt § 167 Rdnr.2. 434 Huber, GS Knobbe-Keuk 203, 206. 4 3 5 Gegenüberstellung von Rücklagen und Haftsumme bei Huber, GS Knobbe-Keuk 203, 216f. 431

432

170

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Beteiligung an den Verlusten 436 . Diese Risikotragungsfunktion der Rücklagen versinnbildlicht den materiellen oder auch effektiven Eigenkapitalcharakter des betroffenen Kapitals 437 . Hieraus folgt bei einer Erhöhung der Rücklagen für die Kommanditisten eine erhöhte Teilnahme an den Verlusten. Insoweit ist die Rücklagenbildung aus stehen gelassenen Gewinnen mit der zustimmungsbedürftigen Erhöhung der Einlage der Gesellschafter (§707 BGB) unmittelbar vergleichbar 438 . Demzufolge kann die durch eine Rücklagenbildung verwirklichte Risikoerhöhung für Kommanditisten nur auf der Grundlage seines auf §707 BGB analog gestützten Zustimmungsrechts umgesetzt werden. Eine diesbezügliche Mehrheitsentscheidung setzt die antizipierte Zustimmung des einzelnen Gesellschafters voraus 439 . c) Ermessensabschreibungen

gem. §253 Abs. 4 HGB

Ganz Paralleles gilt auch für Ermessensabschreibungen gem. §253 Abs. 4 HGB. Sie führen zu stillen Rücklagen, wenn Abschreibungsmethoden gewählt werden, die zu schnelleren Abschreibungen führen 440 . Auch ohne entsprechenden Ausweis in der Bilanz infolge ihres Stellenwertes als »verdeckte« Rücklagen erhöht das hiervon betroffene Kapital in der Sache das zur Verlustdeckung zur Verfügung stehende Eigenkapital und damit die Beteiligung der Kommanditisten an den Verlusten. Das Fehlen eines ausdrücklichen Ausweises in der Bilanz kann diesen sachlichen Stellenwert als »effektives« Eigenkapital nicht in Frage stellen441. Lediglich soweit die Bildung stiller Reserven gem. §253 Abs. 4 H G B nicht der allgemeinen Risikovorsorge, sondern der Abbildung der Risiken einzelner oder einzelner Gruppen von Vermögensgegenständen dienen soll, ist die Einordnung der dadurch verwirklichten Risikovorsorge als »gewöhnliches Geschäft« und die damit einhergehende Geschäftsführungskompetenz der Geschäftsleitung hierfür diskutabel 442 . Im Übrigen setzt auch die Bildung »versteckter« Rücklagen

436

Huber, GS Knobbe-Keuk 203, 209f. Zum Begriff des »effektiven« Eigenkapitals in der Personengesellschaft Großfeld, Bilanzrecht 172 ff. 438 Zur Erfassung von Beiträgen und Nachschüssen durch §707 BGB M ü K o - W m e r §707 Rdnr.3. 439 Mx&o-Ulmer §707 Rdnr.6; ähnlich für die Personengesellschaft im Konzern MüKoHGB-Mülbert KonzernR Rdnr. 97; im Einzelnen zur antizipierten Zustimmung bei Mehrheitsentscheidungen siehe oben Zweiter Teil I.A.6. 440 Beck'scher BÜMiz-Kommentar-Hoyos/Schramm/Ring §253 Rdnr. 649; Tertel, DStR 1986, 118. 441 Großfeld, Bilanzrecht 172ff. 442 Entsprechende Differenzierung zur Unterscheidung von zustimmungspflichtigen und der Geschäftsführungskompetenz unterfallenden Bildung versteckter Rücklagen im Rahmen des §253 Abs.4 H G B Schön, FS Beisse 471, 484f.; implizit MuKoHGR-Mülbert KonzernR Rdnr. 97; Zuordnung zur Ergebnisverwendung nach Maßgabe des betroffenen allgemeinen U n ternehmensrisikos bei Ulmer, FS Lutter 935, 942. 437

II. Finanzierung

171

eine über §707 BGB analog geschützte Zustimmung sämtlicher Gesellschafter voraus.

d) Aufwandsrückstellungen

gem. §249 Abs. 2 HGB

Funktionell vergleichbar mit der Rücklagenbildung sind die vom B G H ebenfalls als Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter erfassten Rückstellungen wegen konkreter zukünftiger Aufwendungen gem. §249 Abs. 2 HGB. Anders als Rücklagen erfüllen solche Rückstellungen allerdings nicht die Aufgaben einer allgemeinen Risikovorsorge, sondern sind vielmehr auf konkrete zukunftsbezogene Aufwendungen gerichtet 443 . Bei den hiervon erfassten Beträgen handelt es sich um zukünftige Ausgaben mit Verpflichtungscharakter gegenüber Dritten, die insbesondere wegen verbleibender Ungewissheit hinsichtlich Grund oder Höhe noch nicht als Verbindlichkeiten passiviert werden können 444 . Gleichzeitig erhöhen diese Bilanzposten das der Verlustdeckung dienende Kapital, indem sie Beträge für die Deckung konkret absehbarer Verbindlichkeiten ausweisen. Insoweit unterscheiden sich die Rückstellungen aus der Sicht der Gesellschafter nur hinsichtlich der Konkretheit des abgedeckten Verlustes, nicht jedoch hinsichtlich seiner Beteiligung an diesem Verlust. Folglich muss dem Gesellschafter in Anbetracht der durch Rückstellungen bewirkten Erhöhung seiner Beteiligung an der Haftungsmasse ein Mitspracherecht zugestanden werden. Eine Ausnahme käme auch hier lediglich für zukünftige Aufwendungen in Betracht, die nicht der allgemeinen Risikovorsorge unterfallen, sondern als gewöhnliches Geschäft innerhalb der Geschäftsführungskompetenz liegen 445 .

e) Steuerliche

Sonderabschreibungen

Nicht nahtlos in den Interessengegensatz zwischen Ausschüttung und Thesaurierung lassen sich steuerrechtliche Abschreibungen einfügen, die der B G H ebenfalls als Bilanzierungsentscheidungen mit Gewinnverwendungscharakter einstuft. Primär geht es hier nicht um die Entscheidung zwischen den Thesaurierungsinteressen der Gesellschaft und den Ausschüttungsbelangen der Gesellschafter, sondern um die Wahrnehmung steuerlicher Vergünstigungen durch eine entsprechende Bilanzierung in der Handelsbilanz 4 4 6 . Das Erfordernis hierfür ergibt sich aus der umgekehrten Maßgeblichkeit gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EStG 447 . Unabhängig von der Ausrichtung der Vorschrift des § 254 HGB an der Interessenwahrung der Gesellschaft 443

Winnefeld D R d n r n . 1245 f. Beck'scher B i l a n z - K o m m e n t a r - C l e m m / E r l e § 2 4 9 Rdnr. 1; Winnefeld D Rdnr. 865. 445 Entsprechend Schön, FS Beisse 471, 486. 446 Schön, FS Beisse 471,486f.; aus diesem Grunde gegen den Ergebnisverwendungscharakter dieser Bilanzierungsentscheidung Binz/Sorg, D B 1 9 9 6 , 9 6 9 , 9 7 1 ; ähnlich für Z u o r d n u n g z u r Geschäftsführungsebene Ulmer, FS Lutter 935, 943. 447 Döllerer, BB 1971, 1333; Krawitz, FS Börner 197, 199-204; Moxter, BB 1997, 195. 444

172

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

gegenüber dem Fiskus zeitigt sie jedoch auch Auswirkungen hinsichtlich der H ö he der zur Verlustdeckung zur Verfügung stehenden Haftungsmasse. In ihrer Zielrichtung soll die Vorschrift dafür sorgen, dass steuerrechtlich begründete niedrigere Wertansätze auf der Aktivseite in der Handelsbilanz zulässig sind, auch wenn sie nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen 4 4 8 . Diese B e wertungsvergünstigungen führen ebenfalls zur Bildung stiller Rücklagen 4 4 9 . Vergrößert wird damit das zur Verlustdeckung zur Verfügung stehende Haftkapital. D a der Kommanditist die Auszahlung des so verbuchten Kapitals nicht erreichen kann, erhöht sich hierdurch auch seine Beteiligung an den Verlusten 4 5 0 . E b e n s o wie in den oben erörterten anderen Fällen der Rücklagenbildung muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen eine solche E r h ö h u n g der Verlustbeteiligung mit einem über § 707 B G B analog geschützten Zustimmungsrecht sämtlicher Gesellschafter einhergehen 4 5 1 . Insgesamt erweisen sich damit diejenigen Bilanzierungsentscheidungen als zustimmungsbedürftig, die aufgrund einer wegen §§ 120 Abs. 2 , 1 6 7 H G B erforderlichen U m b u c h u n g der Gewinnanteile in eine Rücklage über eine Vergrößerung der Haftungsmasse die Verlustbeteiligung auch der Kommanditisten und damit ihre Einlage erhöhen. D i e darüber hinaus gehenden erwogenen Bilanzierungsentscheidungen betreffen demgegenüber keine solche U m b u c h u n g stehen gelassener Gewinne, sondern beschränken sich in ihrem Stellenwert auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und lassen sich daher von den zustimmungspflichtigen Bilanzierungsentscheidungen abgrenzen 4 5 2 . 3. Beurteilungsmaßstäbe

für die Ausübung

der

Bilanzierungskompetenzen

M i t der analogen Heranziehung des § 707 B G B als Widerspruchsmechanismus zur Begründung eines Zustimmungsrechtes sämtlicher Gesellschafter klärt sich auch die dogmatische Grundlage der Bilanzierungskompetenzen der Gesellschafter im H i n b l i c k auf Bilanzierungsentscheidungen, die in den Worten des B G H gewinnverwendenden Gehalt aufweisen. Ein auf § 707 B G B analog gestütztes Z u stimmungsrecht unterliegt dem Kernbereichsschutz, da eine Beitragserhöhung aufgrund Mehrheitsbeschlusses einem Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft gleichkommt 4 5 3 . Demzufolge müssen in eine etwaige Mehrheitsklausel die fraglichen Bilanzierungs- oder zugrunde liegenden Investitionsentscheidungen 448 Baumbach/Hopt §254 Rdnr. 1; Beck'scher Bilanz-Kommentar-C/emm/iW §254 Rdnrn. lf.; Kramer, GmbHR 1988, 270f. 449 Großfeld, Bilanzrecht 178ff. 450 Zur entsprechend erhöhten Verlustbeteiligung des Kommanditisten siehe schon oben a). 451 Zu den weiteren Fällen der Rücklagenbildung und der diesbezüglichen Zustimmungsrechte der Gesellschafter siehe oben b) - d). 452 Zu diesen weiteren Bilanzierungsentscheidungen siehe oben a). 453 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 369f.; Uü^o-Ulmer §709 Rdnr.93; im Einzelnen siehe oben Zweiter Teil I.A.4.a.

II.

173

Finanzierung

in eindeutiger Weise einbezogen werden, damit das antizipierte Einverständnis sämtlicher Gesellschafter mit den daraufhin ergehenden Bilanzierungsentscheidungen zugrunde gelegt werden kann 4 5 4 . Gleichwohl ist auch unter Zugrundelegung des Kernbereichsschutzes für die genannten Bilanzierungsentscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter kraft Treubindung denkbar 4 5 5 . Fände eine solche Zustimmungspflicht auch auf die Zustimmung der Gesellschafter zu den genannten Bilanzierungsentscheidungen breite Anwendung, so hätte dies im Ergebnis eine gewisse Relativierung des Zustimmungsrechts und eine Stärkung des Bilanzierungsermessens auch im R a h men der Feststellung des Jahresabschlusses zur Folge 4 5 6 . D i e Abwägung zwischen Thesaurierung und Ausschüttung im R a h m e n der Bilanzierungsentscheidungen müsste sich dann als Ergebnis der Treubindung der Gesellschafter darstellen lassen 4 5 7 . Wie schon für die Fälle einer allgemeinen Zustimmungspflicht kraft Treubindung gezeigt 4 5 8 , würde dies auch für die Willensbildung hinsichtlich der betroffenen Bilanzierungsentscheidungen voraussetzen, dass sich das E r g e b nis der jeweiligen Bilanzierungsentscheidung in eindeutiger Weise bewerten und sich Abweichungen als ausschließlich strategisch motiviert charakterisieren lassen. So stellt der B G H in der Tat auf die künftige Lebens- und Widerstandsfähigkeit des Unternehmens als eindeutigem Bewertungsmaßstab für Bilanzierungsentscheidungen ab 4 5 9 . D i e Literatur geht zum Teil ebenfalls von einer solchen Eindeutigkeit der B e wertung von Bilanzierungsentscheidungen aus. So lehnt zwar

Schulze-Osterloh

das Vollausschüttungsgebot gem. §§ 122 Abs. 1 , 1 6 9 Abs. 1 H G B als Beurteilungsmaßstab für Bilanzierungsentscheidungen mit

Gewinnverwendungscharakter

ab, doch gelangt er gleichwohl für die gesondert betrachteten Bilanzierungsentscheidungen zu klaren Abwägungsergebnissen 4 6 0 . E r hält steuerliche Sonderabschreibungen, erhöhte Abschreibungen sowie unversteuerte Rücklagen deshalb für berechtigt, weil diese Maßnahmen dem unzweifelhaften Bedürfnis nach einer Minderung der Steuerlast sowie einer N u t z u n g der hieraus folgenden Vorteile zu Investitionszwecken gerecht würden 4 6 1 . Gerade die Favorisierung der N u t z u n g von thesaurierten Gewinnen zu Investitionszwecken gegenüber einer Ausschüttung an die Gesellschafter gilt es jedoch zu begründen, insbesondere zumal der B G H einen Vorrang des Thesaurierungsinteresses grundsätzlich ablehnt 4 6 2 . D a -

454 455 456 457 458 459 460 461 462

Zu diesen Folgen der Kernbereichslehre siehe oben Zweiter Teil I.A.6. Siehe oben Zweiter Teil I.D. So Hopt, FS Odersky 799, 808; Huber, GS Knobbe-Keuk 203, 208f. So Schulze-Osterloh, BB 1995, 2519, 2522. Siehe oben Zweiter Teil I.D. BGH 29.3.1996, BGHZ 132, 263, 276. Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, 1785. Schulze-Osterloh, BB 1995, 2519, 2522f. Ablehnung eines Vorrangs der Thesaurierungsinteressen bei BGH 29.3.1996, BGHZ 132,

174

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

rüber hinaus wird von Schulze-Osterloh die Bildung stiller Reserven wegen der von diesen ausgehenden Verschleierungswirkung nur in Ausnahmefällen gebilligt 463 . An dieser Stelle bezieht Schulze-Osterloh mit der Berücksichtigung des Informationsgehalts der Bilanz gegenüber Dritten in der Sache Gläubigerinteressen in die Entscheidung über den Interessenausgleich ein. Bei den genannten Bilanzierungsentscheidungen ist jedoch in erster Linie das Interesse der Gesellschafter an einer Ausschüttung der Gewinne und einer entsprechenden Verminderung des risikotragenden Kapitals betroffen. Demgegenüber werden in der Kommanditgesellschaft die Gläubigerinteressen vorrangig durch die unbeschränkte Haftung des Komplementärs und nicht durch die Bildung von Stammkapital geschützt 464 . Inwieweit darüber hinaus ein Gläubigerschutz vor der gezielten Aneignung und Vorenthaltung von Haftungsmasse durch die Gesellschafter erforderlich ist, wird die weitere Untersuchung zeigen 465 . Stützt man demgegenüber die Bilanzierungskompetenzen sämtlicher Gesellschafter in den genannten Fällen auf die Zustimmungsbedürftigkeit einer Erhöhung der Beiträge gem. §707 BGB analog und den damit einhergehenden Schutz des Kernbereichs mitgliedschaftlicher Rechte, so beschränkt sich der Kreis der maßgeblichen Interessen auf die Gesellschafterinteressen. Dies erscheint insbesondere im Lichte der herangezogenen Rechtsgrundlage des §707 BGB geboten, da die Geltung dieser Vorschrift auf das Innenverhältnis der Gesellschafter begrenzt ist und demzufolge nach ihrer Zielrichtung lediglich deren widerstreitende Interessen ausgleicht 466 . Mit dem Kernbereichsschutz wird der innergesellschaftliche Willensbildungsprozess zur Leitlinie bei der Beurteilung der Bilanzierungsentscheidungen. Entsprechend befürwortet Schön eine Bindung der Entscheidung über die Rücklagenbildung an die Investitionsentscheidungen der Gesellschafter und an die Beschlusslage im Hinblick auf die laufende Geschäftspolitik des Unternehmens 467 . Im Einzelnen differenziert er allerdings danach, ob die Rücklagenbildung der Finanzierung eines gewöhnlichen Geschäfts oder eines Grundlagengeschäfts dient 468 . Nur im letztgenannten Fall falle sie in die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung 469 . Entsprechendes gelte für die Finanzierung durch Aufwandsrückstellung und die Finanzierung unter Übernahme von steuerlichen

263, 276; zur Offenheit der Finanzierungsentscheidung aus ökonomischer Sicht siehe oben A.3.d). 463 Schulze-Osterloh, B B 1997, 1783, 1786. 464 Wiedemann, Gesellschaftsrecht 539; unter bilanzrechtlichem B l i c k w i n k e l Pauli 102. 465 Siehe unten Vierter Teil. 4 6 6 Zur Geltungsbeschränkung des § 7 0 7 B G B auf das Innenverhältnis MüKo-Ulmer §707 Rdnr.4; Palandt-Sprau § 7 0 7 Rdnr. 1. 467 Schön, FS Beisse 471, 484. 468 H i e r z u schon oben A.3.b). 469 Schön, FS Beisse 471, 485.

II.

Finanzierung

175

Sonderabschreibungen und steuerfreie Sonderposten mit Rücklagenanteil 470 . Nach dem hier vertretenen Ansatz ergibt sich die Zustimmungsbedürftigkeit der Bilanzierungsentscheidung unmittelbar aus der faktischen Beitragserhöhung, die aus der Umbuchung des fraglichen Kapitals auf Rücklagenkonten resultiert. Nur für die zur Finanzierung von gewöhnlichen, in die Kompetenz des geschäftsführenden Gesellschafters fallenden Geschäften lässt sich aus dieser Sicht an eine mit Einräumung der Geschäftsführungsbefugnis einhergehende konkludente antizipierte Zustimmung denken 471 . Im Ergebnis wäre damit Schöns Differenzierung beizupflichten. Insgesamt ist allein die Beschlusslage in der Gesellschaft und nicht die wirtschaftliche Einschätzung der Gerichte als Beurteilungsmaßstab an die Bilanzierungsentscheidungen heranzutragen. Wie bereits oben gezeigt, liegt dem Kernbereichsschutz die Annahme der Richtigkeitsgewähr des innergesellschaftlichen Willensbildungsprozesses zugrunde 472 . Eine gewisse Einschränkung ist hinsichtlich der Zustimmungsrechte der Gesellschafter bei Bilanzierungsentscheidungen aus den bekannten Gründen für Publikumspersonengesellschaften zu machen. Für solche Gesellschaften unterliegen Mehrheitsbeschlüsse zur Kapitalerhöhung nicht den engen Voraussetzungen der Kernbereichslehre. Entsprechende Klauseln müssen daher die mehrheitlich zu beschließenden Kapitalerhöhungen nicht von vornherein betragsmäßig begrenzen 473 . Der B G H begründet dies mit der Eigenart der Publikumspersonengesellschaft als »Kapitalsammelbecken« 474 . Demzufolge ersetzen auch an dieser Stelle von außen herangetragene Kapitalmarktmaßstäbe interne marktähnliche Mechanismen, die aufgrund der hohen Gesellschafterzahl nicht wirksam werden und eine marktähnliche Kontrollfunktion nicht erfüllen können. Entsprechendes hat dann auch für die Ausübung von Bilanzierungskompetenzen aufgrund einer Mehrheitsklausel in der Publikumspersonengesellschaft zu gelten. Auch sie ist in weiteren Grenzen als in der idealtypischen Personengesellschaft zulässig. Die dem Kernbereichsschutz unterfallenden Zustimmungsrechte der Gesellschafter einer Publikumspersonengesellschaft werden insoweit relativiert.

C. Fazit: Grenzen der Mehrheitsmacht

hei der

Finanzierung

Auch die Untersuchung der Finanzierungsgrundlagen der Personengesellschaft ergibt klare Grenzen für die Bestimmungsmacht der Gesellschaftermehrheit. Die

Schön, FS Beisse 471, 486f. Zu den Grenzen einer diesbezüglichen Mehrheitsklausel Barfuß, D B 1977, 571, 572. 4 7 2 Zu den Grenzen richterlicher Kontrolle im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen siehe bereits oben Zweiter Teil I.D. 2. a); zur Richtigkeitsgewähr im Vertragsrecht im Übrigen siehe oben Erster Teil I.B.3. 4 7 3 Zur Benennung einer Obergrenze in Mehrheitsklauseln zur Kapitalerhöhung in der idealtypischen Personengesellschaft Wiedemann, Z G R 1977, 690, 694. 4 7 4 B G H 24.11.1975, B G H Z 66, 82, 86. 470

471

176

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

gesetzlichen Entnahmerechte der Gesellschafter gem. §§122 Abs.l, 169 Abs. 1 H G B verleihen allen Gesellschaftern Widerspruchsrechte gegen eine Thesaurierung der Gewinne 475 . Dieser gesetzliche Ausgangspunkt entfaltet eine marktbildende Kraft, da er die Gesellschafter zu einer einvernehmlichen Verhandlungslösung zur Frage der Gewinnverwendung und zum Ausgleich zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsinteressen zwingt. Damit wird der Willensbildungsprozess in der Gesellschaft zum ausschlaggebenden Bestimmungsfaktor für die Frage, ob Gewinne thesauriert oder ausgeschüttet werden. In Publikumspersonengesellschaften stößt die Richtigkeitsgewähr des gesellschaftsinternen Austauschprozesses allerdings aufgrund der hohen Gesellschafterzahl an funktionelle Grenzen. Hier ersetzt die Herantragung von Kapitalmarktmaßstäben an die mehrheitlichen Gesellschafterbeschlüsse den Individualschutz im Wege der Kernbereichslehre und des Bestimmtheitsgrundsatzes 476 . Grenzen werden dem gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess zugunsten der Minderheit bei der Finanzierung schließlich dadurch gezogen, dass die Mehrheit das auf der Treuepflicht basierende Steuerentnahmerecht des Minderheitsgesellschafters aufgrund von dessen Kernbereichsschutz nicht im Wege eines Mehrheitsbeschlusses ausschließen darf 477 . Für die Inanspruchnahme seines Steuerentnahmerechts ist der Minderheitsgesellschafter hinsichtlich der Höhe nachweispflichtig 478 . Dies vermindert Missbrauchsgefahren und steigert die Anreize für die Gesellschafter, die Frage gesellschaftsvertraglich zu regeln. Der Ausgleich zwischen Ausschüttung und Thesaurierung wird auch durch solche Bilanzierungsentscheidungen, die unmittelbar das risikotragende Kapital erhöhen, im Wege einer Ausübung der betreffenden Bilanzierungskompetenzen durch sämtliche Gesellschafter verwirklicht 479 . Das hierfür erforderliche Zustimmungsrecht lässt sich auf die Zustimmungsbedürftigkeit der Erhöhung der Einlage gem. §707 BGB analog stützen 480 . Gegenstand solcher einlagenerhöhender Bilanzierungsentscheidungen sind die Rücklagenbildung, die Ermessensabschreibungen gem. §253 Abs. 4 HGB, die Rückstellungen wegen konkreter zukünftiger Aufwendungen gem. §249 Abs. 2 H G B sowie steuerrechtliche Abschreibungen gem. §254 HGB. Ihr Beurteilungsmaßstab sind die zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlüsse und nicht die wirtschaftliche Einschätzung der Gerichte. Die Gesellschafterminderheit wird hierbei wiederum durch die Kernbereichslehre vor einer mehrheitlichen Erhöhung der Einlage geschützt. Einschränkungen sind auch hier für die Publikumspersonengesellschaft zu machen, bei der an die Ausübung von Bilanzierungskompetenzen ebenso wie schon an die 475 476 477 478 479 480

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

oben oben oben oben oben oben

A.3.f). A.3.e). A.4. A.4.b). B. B.2.b).

III.

Unternehmensleitung

177

mehrheitlich zu beschließenden Kapitalerhöhungen Kapitalmarktmaßstäbe angelegt werden 4 8 1 .

III. A.

Unternehmensleitung zwischen Schuldrecht und Organisation

Ausgangsfragen

Als dritter Anwendungsbereich potenzieller Marktbildung beim Interessenausgleich der Gesellschafter ist schließlich die Unternehmensleitung auf personengesellschaftsspezifische Organisationsstrukturen zu untersuchen. Bei der Unternehmensleitung in der Personengesellschaft stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit sie sich auf der Grundlage der privatautonomen Gestaltung der Gesellschafter fremdunternehmerischen Einflüssen öffnen kann. So lässt sich in der Praxis ein Interesse von Gesellschaften, externen unternehmerischen, technischen oder juristischen Sachverstand zu nutzen, feststellen. Dies liegt insbesondere für Familienunternehmen auf der Hand, wenn die nachfolgende Generation keine eigene Aktivität in der Gesellschaft entfalten kann oder will 4 8 2 . Aber auch bei den Anlegern einer Publikumspersonengesellschaft liegt ein entsprechender Bedarf nach externem Sachverstand nahe 4 8 3 . Umgekehrt kann der Wunsch nach Dritteinfluss auch von außen an die Gesellschaft herangetragen werden, wenn Banken und sonstige Gläubiger bestrebt sind, über Mitwirkungsrechte auf die Geschäftsund Personalpolitik der Schuldnergesellschaft Einfluss zu nehmen 4 8 4 . Rechtlich umsetzen lässt sich dieser Dritteinfluss in einer Personengesellschaft auf der Grundlage der Einräumung von Mitwirkungsrechten 4 8 5 . Als solche Mitwirkungsrechte kommen insbesondere Stimm- und Kontrollrechte sowie Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse in Betracht 4 8 6 . Siehe oben B.3. Zur Einbindung von Nichtgesellschaftern im Rahmen eines Beirats in der G m b H zur Uberbrückung von Nachfolgeschwierigkeiten Herfs 41; Hölters 3; zur Einbindung Dritter im Beirat von Familienunternehmen aufgrund familienunternehmenstypischer Problemfelder auch Vogler 52-113; Voormann 39-41. 4 8 3 Zur Wahrnehmung der Anlegerrechte in der Publikums-KG durch einen zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern stehenden Beirat und dessen Einrichtung Grote 60-66; zur Bündelung der Anlegermitwirkungsrechte in der kupierten Publikums-KG auf der Grundlage eines Treuhandkonzepts Grundmann 489f.; Maulbetsch 48f.; zur Einbindung Dritter im Rahmen des Beirats einer stillen Publikumspersonengesellschaft Reusch 196-212; zum Beirat in einer Publikumspersonengesellschaft auch Voormann 17-20. 481

482

Helm/Wagner, B B 1979,225,226; für die Einbindung in die G m b H Herfs 43; Westhoff 21 f. Dieser grundlegende Unterschied zum Aktienrecht folgt aus dem im Personengesellschaftsrecht fehlenden Zusammenhang zwischen Kapitalbeteiligung und Stimmenmehrheit und Entscheidungsmacht (aus konzernrechtlicher Sicht GroßKommAktG-WiWfacWer § 1 6 Rdnr.45; Kleindiek 67). 484

485

486

Zu den einzelnen rechtlichen Gestaltungsformen Uberblick bei C. Weber 11-14.

178

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Die Wahrnehmung dieser Befugnisse beim Dritteinfluss weist zum Teil über die oben behandelten rein innergesellschaftlichen Widerspruchsmechanismen bei der Willensbildung und Finanzierung hinaus. So sind bei der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung zwei grundlegend verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Handelt es sich bei der Person des Einflußnehmenden um einen Gesellschafter, bestimmen sich die Grenzen seines Einflusses bei der Unternehmensleitung zwar ebenso, wie dies bereits für die Mehrheitsmacht im Hinblick auf die allgemeine innergesellschaftliche Willensbildung gezeigt worden ist. Auch für Geschäftsführungsfragen sichern Bestimmtheitsgrundsatz, Kernbereichsschutz und Treuepflicht marktersetzende Verhandlungsprozesse innerhalb der Gesellschaft ab und schützen auf dem Wege eines solchen Funktionsschutzes mit der Richtigkeitsgewähr des Willensbildungsprozesses die Minderheitsgesellschafter vor der Mehrheitsmacht 487 . Grundlegend anders stellen sich demgegenüber die Probleme bei der rechtlichen Beurteilung der Beteiligung außenstehender Dritter dar. Im vorgenannten innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess geht es darum, im Verhältnis der Gesellschafter untereinander in der Organisation an die Stelle marktlicher Preismechanismen marktähnliche Widerspruchsmechanismen auf der Grundlage des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Kernbereichsschutzes treten zu lassen. N u r so kann die Mehrheitsmacht der Kontrolle der Gesellschaftergesamtheit unterworfen werden. Demgegenüber steht ein außenstehender Dritter mangels organisationsrechtlicher Gesellschafterstellung in einem marktlichen Verhältnis zur Gesellschaft. Demzufolge ist hier die Frage, wie der Status der Gesellschaft zu diesem Dritten einzuordnen ist. Berührt ist damit der Problemkomplex der Verbandssouveränität 488 . Mit Instrumenten des innergesellschaftlichen Minderheitenschutzes vor der Mehrheitsmacht kann er nicht systemgerecht bewältigt werden 4 8 9 . Es geht nicht darum, innergesellschaftlich marktähnliche Widerspruchsmechanismen als Kontrollmechanismus zu wahren, sondern darum, den Status der Gesellschaft im Ganzen als selbstbestimmte Marktteilnehmerin im Verhältnis zum Dritten zu gewährleisten. Dies lässt die Eigenart des Gesellschaftsvertrages aufscheinen, nicht lediglich in den austauschvertragsähnlichen Ausgleich der Gesellschafter untereinander einzugreifen, sondern darüber hinaus durch die Hervorbringung einer Wirtschaftseinheit eine Statusveränderung hinsichtlich der gemeinsamen Marktteilnahme der Gesellschafter zu bewirken 4 9 0 . Demnach berührt die Frage der U n -

4 8 7 So auch schon Reuter, F S Steindorff 229, 235; Wiedemann, F S Schilling 105, 119; Anwendungsbeispiel einer Vertreterklausel mit entsprechenden Zulässigkeitsgrenzen in B G H 7.12.1972, N J W 1973, 1602; zu diesen Schutzinstrumenten im Einzelnen oben unter I. 488 Wiedemann, FS Schilling 105, 111-118; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 419 (§ 14 III 3. b). 4 8 9 Aus systematischer Sicht daher bedenklich die gegenteilige Sicht bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 351-353; ebenso Haack, B B 1993,1607,1609; die Frage der Verbandssouveränität auf die innergesellschaftliche Ebene beschränkend auch Bergmann 533. 4 9 0 Hierzu schon oben Erster Teil I.B.5.

III.

Unternehmensleitung

179

ternehmensleitung in besonderer Weise die organisationsrechtliche Verfasstheit der Personengesellschaft. Folglich könnte an dieser Stelle die systematische Verknüpfung zwischen dem gesellschaftsinternen Interessenausgleich und der Stellung der Gesellschaft als Marktteilnehmerin zum Tragen k o m m e n 4 9 1 . Das P r o b l e m einer Statusveränderung infolge fremdunternehmerischer U n t e r nehmensleitung stellt sich grundsätzlich anders als etwa bei der Aktiengesellschaft und wirft wichtige Fragen der Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter auf. I m Ausgangspunkt steht der fremdunternehmerischen Unternehmensleitung in einer Aktiengesellschaft im Wege einfacher Satzungsgestaltung grundsätzlich die Satzungsstrenge gem. § 23 Abs. 5 A k t G in Verbindung mit den aktiengesetzlichen Vorkehrungen gegen Einflussnahmen Dritter und gesellschaftszweckwidriger Einflussnahmen seitens der Aktionäre gem. § 76 Abs. 1 A k t G entgegen 4 9 2 . Bei dieser Sachlage eröffnen die § § 2 9 1 ff. A k t G ausnahmsweise für die Konzerneinbindung der A G die Möglichkeit zur »Entselbständigung« der Aktiengesellschaft durch Unternehmensvertrag 4 9 3 . F ü r den Dritteinfluss in der Personengesellschaft k ö n n t e für diese im Umkehrschluss mangels der Geltung eines solchen Grundsatzes der Satzungsstrenge die grundsätzliche Zulässigkeit der Begründung fremdunternehmerischer Leitung auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage naheliegen 4 9 4 . Bei einer Bestimmung der Organisationsstruktur der Personengesellschaft im Lichte ihrer Außenwirkung und der durch diese berührten Marktinteressen regen sich Zweifel an einer solchen allein auf die Binnenverhältnisse der Gesellschaft abstellenden Eröffnung von Gestaltungsspielräumen mit statusverändernden F o l 495

gen

.

Aufgeworfen ist damit die Frage, inwieweit nicht auch im Personengesellschaftsrecht organisationsrechtliche Sperren gegen die Unterwerfung einer Personengesellschaft unter eine fremdunternehmerische Unternehmensleitung bestehen. Hierfür sind zunächst die maßgeblichen Wertungskriterien herauszukris4 9 1 Zu dieser Verknüpfung auf der Grundlage der Außenwirkung der Marktteilnahme der Gesellschaft siehe schon oben Erster Teil I.C. 4 9 2 Zu den Bezugspunkten der Konzerneinbindung einer Aktiengesellschaft zu deren eigenverantwortlicher Leitung Emmerich/Habersack-Emmerich §291 Rdnr. 12; Hommelhoff 304f.; Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 417; zu den Implikationen für eine Konzerneinbindung aufgrund einer entsprechenden Satzungsgestaltung MüKo-Mülbert KonzernR Rdnr. 36f. ; zur Verhinderung der Einbeziehung Außenstehender auf der Grundlage des §23 Abs. 5 AktG, wenngleich unter Verneinung spezifischer auf den Außeneinfluss abzielender Wertungsgesichtspunkte dieser Vorschrift C. Weher 134-140. 4 9 3 Terminologie der Entselbständigung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 508 (§ 17 IV 1.); in der Sache ähnlich Hüffer § 291 Rdnr. 2; Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 428; organisationsrechtlichere Deutung bei Mülbert, Z H R 163 (1999) 1, 24-28. 4 9 4 So auf der Grundlage seiner organisationsrechtlichen Deutung des §291 AktG MüKoMülbert KonzernR Rdnr. 49; unter Bezugnahme auf die legitimierende Willensbildung der Gesellschafter K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 509 (§ 17 IV 3. a). 4 9 5 Zur Bedeutung der Außenwirkung der Marktteilnahme für den Organisationsgehalt der Gesellschaft siehe schon oben Erster Teil I.C.

180

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

tallisieren (dazu B.). Diese sind an den typischen Anwendungsfeldern von D r i t t einfluss in der Personengesellschaft wie statutarisch eingerichteter fremdunternehmerischer Unternehmensleitung, der Bevollmächtigung zur Ausübung von Stimm- und Kontrollrechten sowie der Übertragung von Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnissen zu erproben (dazu C.). A u f dieser Grundlage gilt es, zusätzlich zu den bereits entwickelten Widerspruchsmechanismen als Regelungsstruktur im Personengesellschaftsrecht weitere organisationsspezifische Bausteine der R e c h t s f o r m der Personengesellschaft zu gewinnen (dazu D.). D e n Implikationen dieses Befunds ist dann für den Paradefall der organisationsrechtlichen Einwirkung auf eine Gesellschaft - nämlich ihre Konzerneinbindung - in der Z u sammenschau mit den übrigen Strukturmerkmalen der Personengesellschaft in den folgenden Abschnitten exemplarisch nachzugehen (dazu D r i t t e r Teil).

B. Wertungskriterien

zur Begrenzung

des Dritteinflusses

Wichtiger rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der G r e n z e n zulässigen Dritteinflusses auf die Unternehmensleitung ist auf der E b e n e des einzelnen Gesellschafters und seines individuellen Mitgliedschaftsrechts das Abspaltungsverbot gem. § 7 1 7 S. 1 B G B 4 9 6 . Es ist insbesondere bei einer etwaigen A u s übung von Stimm- und sonstigen Verwaltungs- und Geschäftsführungsrechten durch einen Außenstehenden einschlägig 4 9 7 . N a c h allgemeiner Auffassung ist das Abspaltungsverbot unvereinbar mit der Trennung der einzelnen Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft als zentraler Berechtigung 4 9 8 . O h n e Veränderung des zugrunde liegenden Stammrechts k ö n n e n hiernach die Mitwirkungsrechte nicht abgespalten werden. Herangezogen wird hier zum Teil der Vergleich mit dem Sachenrecht, w o der dingliche Herausgabeanspruch gem. § 9 8 5 B G B mit dem Eigentumsrecht, bzw. der Grundbuchberichtigungsanspruch

mit

dem

Grundeigentum verknüpft ist 4 9 9 . Will man die Vereinbarkeit der im folgenden Abschnitt zu konkretisierenden Gestaltungen zur Einräumung von Dritteinfluss mit § 717 S. 1 B G B bestimmen, so erfordert dies zunächst eine genauere Herausarbeitung der materiellen Schutzzwecke des § 7 1 7 S. 1 B G B . N u r wenn diese nicht konterkariert werden, sind Gestaltungen, die in ihren tatsächlichen A u s w i r k u n gen einer Abspaltung der Mitgliedsrechte von der Mitgliedschaft nahe k o m m e n ,

496 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 560f. (§19 III 4. a); zur Abgrenzung zwischen Verbandssouveränität als Selbstbestimmungsgarantie auf Verbandsebene und Abspaltungsverbot als entsprechende Sicherung auf Individualebene Joussen 129f. 497 Zum weitergefassten Anwendungsbereich des Grundsatzes der Verbandssouveränität im Vergleich zum individualrechtlich ansetzenden Abspaltungsverbot Herfs 53. 498 Zur nicht trennbaren Natur der einzelnen Mitgliedschaftsrechte als Kernaussage des Abspaltungsverbots MaKo-Ulmer §717 Rdnr. 7; Schön, ZHR 158 (1994) 229, 252. 499 Ulmer, FS Fleck 383, 387; H. Westermann, Handbuch I 321 a.E.; Wiedemann, Übertragung 283.

III.

Unternehmensleitung

181

rechtlich unbedenklich 500 . Erst wenn der oben angedeuteten rechtstechnischen Einordnung des § 717 S. 1 B G B , die das Abspaltungsverbot mit der Verknüpfung dinglicher Rechte und Herausgabeansprüche vergleicht, eine materielle Wertung zugrunde liegt, ist diese zu den genannten Gestaltungen in ein Verhältnis zu setzen. 1. Preisgabe

der

Selbstbestimmung

Als entscheidender Normzweck des § 717 S. 1 B G B wird verbreitet das indisponible Verbot der Fremdsteuerung der Personengesellschaft und der Schutz der Mitgesellschafter vor der Mitsprache Dritter ohne deren Einbindung in den Verband hervorgehoben 501 . In neuerer Zeit wird diese Begründung eines Fremdsteuerungsverbots unter Zugrundelegung der Gesellschaft als Interessenverband und des Selbstschutzes der Gesellschafter in Zweifel gezogen 502 . Da auch im Gesellschaftsrecht der in einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Außenstehende liegende Verzicht auf Selbstbestimmung seinerseits ein Akt der Selbstbestimmung sei, müsse demzufolge auch die Abspaltung mitgliedschaftlicher Befugnisse unter Rückbesinnung auf allgemein-privatrechtliche Grundsätze zur Preisgabe von Selbstbestimmung beurteilt werden 503 . Im Ergebnis führt die Heranziehung des Verbots der Selbstentmündigung gem. §138 B G B sowie die des Verbots dinglich wirkender rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung gem. §137 B G B bei C. Weber zu einer über die herrschende Meinung hinausgehenden Zulässigkeit der Übertragung von Mitwirkungsbefugnissen an Außenstehende 504 . Dem liegt die durchgängige Ausblendung von anderweitigen Marktinteressen im Hinblick auf die Personengesellschaft als Organisation zugrunde. C. Weber behandelt die Frage des Dritteinflusses als eine solche des ausschließlich innergesellschaftlichen Interessenausgleichs. Ansatzpunkte für die Berücksichtigung von Marktinteressen im Rahmen der von ihm herangezogenen Rechtsgrundlagen wurden bereits bei den rechtlichen Grundlagen angedeutet505. So weist bereits die Erwägung der Selbstentmündigung gem. § 138 B G B über den gesellschaftsinternen Interessenausgleich als alleinigem Bestimmungsfaktor für die von Außeneinfluss drohenden Gefahren hinaus. Wenn sich der Gesellschafter potenziell durch die Einräumung von Dritteinfluss selbst entmündigt, setzt dies gedanklich seine 500 501

So auch der argumentative Ansatz bei Reuter, Z G R 1978, 633, 634. M ü K o - U l m e r § 717 Rdnr. 7; Reuter213; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 560f. (§ 19 III 4. a);

Ulmer, FS Fleck 383, 388; Wiedemann, 502 C. Weber 156-179. 503 C. Weber 205-228.

FS Schilling 105, 114.

504 q Weber l l l - l l b (Stimmrecht); 277-301 (Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis); 302-337 (Beirat); Uberblick bereits oben Erster Teil I.B.4.; im Einzelnen nachfolgend in diesem Abschnitt. 505 Siehe oben Erster Teil, I.B.5.

182

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

zumindest sektorale Verdrängung bei der Marktteilnahme durch die Gesellschaft voraus 506 . Notwendig geprägt werden von einer solchen jedenfalls partiell verdrängenden Marktteilnahme die Verhältnisse auf dem betroffenen Markt und damit auch die Interessen anderer Marktteilnehmer 507 . Auch die Anwendung des §137 B G B lässt die Hintanstellung etwaiger Marktinteressen aufscheinen, da hier die Mitgliedschaft als Bezugspunkt des Verfügungsverbots der freien gesellschaftsvertraglichen Gestaltung der Gesellschafter anheimgestellt wird. Die Frage der Wirksamkeit dieser gesellschaftsvertraglichen Gestaltung im Außenverhältnis lässt sich jedoch nicht allein unter Hinweis auf die zu beweisende Gestaltungsfreiheit begründen 508 . 2. Materieller

Regelungsgebalt

des Abspaltungsverbots

gem. §717 S. 1 BGB

Die Wertungen der einem Fremdsteuerungsverbot zugrunde liegenden Prämissen könnten zusätzliche Hinweise auf Inhalt und Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit geben. So begründet Teichmann das materielle Anliegen, den Einfluss Außenstehender auf die Willensbildung der Gesellschaft zu verhindern, mit »demokratischen Selbstverständlichkeiten« 509 . Eine solche Übertragung staatsorganisatorischer Wertmaßstäbe auf privatrechtliche Organisationen wird den Spezifika privater Wirtschaftstätigkeit am Markt jedoch nicht gerecht und liefert keine hinreichend klaren Abgrenzungskriterien 510 . Näher kommt man den Besonderheiten privater Wirtschaftstätigkeit mit der Begründung des Fremdsteuerungsverbotes auf der Grundlage von Postulaten der Privatautonomie 511 . Diese Begründung mit der Selbstbestimmung per se lädt jedoch in der Tat zu dem oben angeführten Gedankengang ein, dass sich diese Selbstbestimmung eben auch in ihrer Preisgabe verwirklichen könne 512 . Erst wenn man das Fremdsteuerungsverbot als ein wesentliches Element zur Sicherung der Funktionsbedingungen einer fortdauernden Selbstbestimmung begründen kann, lässt sich die privatautonome Preisgabe der Selbstbestimmung nicht mehr als gangbarer argumentativer Weg aufrechterhalten 513 .

5 0 6 Demgegenüber betont C. Weber (213) die ihm verbleibende Freiheit außerhalb der Gesellschaft, die aber über eine Verdrängung im Hinblick auf Dispositionen über das Gesellschaftsvermögen nicht hinwegtäuschen kann. In dieser Verdrängung hinsichtlich von Dispositionen im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen liegt auch der entscheidende Unterschied zum von Weber (212) herangezogenen Vertretungsrecht als Vergleichsbasis. 5 0 7 Hierzu siehe oben Erster Teil, I.B.5. 5 0 8 Hierzu siehe oben Erster Teil, I.B.4. 509 Teichmann 191. 5 1 0 Ähnliche Bedenken bei Geßler, Z H R 135 (1971) 90, 95; Reuter, Z G R 1978, 633, 640. 511 Flume, Personengesellschaft 236; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 560f. (§19 III 4. a). 5 1 2 C. Weher 174 f., 212. 5 1 3 Zu den Funktionsbedingungen der Vertragsfreiheit Reuter 51-54.

III.

a) Anreizgestützte

Unternehmensleitung

183

Verhaltenssteuerung

Die Sicherung solcher Funktionsbedingungen schwingt in der Beurteilung mit, beim Abspaltungsverbot gehe es darum, mit Hilfe einer bestimmten Korrelation von Mitwirkungs- und Vermögensrechten die inhaltliche Richtigkeitsgewähr der gesellschaftsrechtlichen Willensbildung im Interesse einer sinnvollen Unternehmensleitung sicherzustellen514. Für eine solche Richtigkeitsgewähr sei nicht nur die Verwirklichung der privatautonomen Selbstbestimmung der Beteiligten erforderlich, sondern auch die Vermeidung unverhältnismäßigen Einflusses von Minderheits- oder Drittinteressen auf das gemeinschaftliche Vermögen und damit auf die berechtigten Interessen der übrigen Beteiligten515. In diese Richtung weist auch der BGH, wenn er ausführt, dass die Mitgliedschaft auf eine in sich abgestimmte Einheit von Rechten, Pflichten und Verantwortung hin angelegt sei, so dass eine Abspaltung zu erheblichen Störungen des gesellschaftlichen Gefüges führen könnte516. Gegen dieses materielle Verständnis des Abspaltungsverbotes wendet sich C. Weber mit seinem Ansatz, dass auch die Einbeziehung Außenstehender auf einer privatautonomen Entscheidung beruhe und Legitimationsgrundlage hierfür die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit sei517. Uber diese Zustimmung ginge man hinweg, wenn man eine bestimmte Korrelation von Mitwirkungs- und Vermögensrechten fordere. Man setze so in paternalistischer Weise ein »objektives« Interesse an Stelle eines autonom formulierten 518 . Daher stellt sich die Frage nach einer materiellen Fundierung dieser Interpretation des Abspaltungsverbots. Die bezeichnete »Korrelation von Mitwirkungs- und Vermögensrechten« lässt sich in den ihr zugrunde liegenden Wertungen auf den bereits im Rahmen der rechtlichen Grundlagen erörterten Grundsatz der Selbststeuerung durch Haftungsrisiko in der Personengesellschaft zurückführen 519 . Letzterer beruht auf der Annahme motivationssteigernder Auswirkungen der Haftung auf den Handelnden und bezeichnet eine anreizgestützte Verhaltenssteuerung als grundsätzliches Lenkungsprinzip in der Personengesellschaft520. Unabhängig von einer drohenden Haftung entfaltet auch die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg nach diesen Stimmen Steuerungswirkungen auf die Entscheidungsfindung. Wiedemann fängt diese Motivationslage plastisch in seinem Bild der Personengesellschaft ein, in 514 Fastrich, Funktionales Rechtsdenken 14f.; Fleck, FS Fischer 107, W\\ Jaeniche 2\2i.\ Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 341 f.; Priester, FS Werner 657, 664; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 560f. (§19 III 4 a); Schön, ZHR 158 (1994) 229,257; Ulmer, FS Fleck 383,388; Wiedemann, Übertragung 281; Zöllner, Schranken 36. 515 Schön, ZHR 158 (1994) 229, 257f. 516 BGH 11.10.1976, W M 1976, 1247, 1250. 517 C. Weber 174. 518 C. Weber 174f. 519 Zum Grundsatz der Selbststeuerung siehe oben Erster Teil, I.C.2. 520 Hierzu siehe oben Erster Teil, I.C.2.

184

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

dem der mitfliegende Pilot im Cockpit uns die Zuversicht einer gefahrlosen Reise einflößt 521 . Nach dieser Ansicht beruht die anreizgestützte Verhaltenssteuerung auf dem vermuteten interessenkonformen Verhalten desjenigen, den die Auswirkungen der Entscheidung wirtschaftlich unmittelbar treffen 5 2 2 . Die Bedeutung dieser Steuerungsmechanismen bestätigt sich in der ökonomischen Theorie. Wie bereits oben gezeigt, wird die Wahl zwischen Wertschöpfungsprozessen auf Märkten und Wertschöpfungsprozessen in Organisationen durch das Bestreben bestimmt, die Transaktionskosten niedrig zu halten 523 . Insbesondere anhand der Vorstellungen von Verfügungsrechten und Verträgen wird untersucht, welche Transaktionskosten bei der Integration zweier Unternehmen, d.h. also bei der Umwandlung von Marktaustauschbeziehungen in Organisationshierarchien vermindert werden 524 . Im Ergebnis schafft hiernach die Verteilung der Verfügungs- und Entscheidungsrechte die wichtigsten Investitionsanreize auf Seiten der Eigentümer 5 2 5 . D a der Eigentümer über die Verteilung des Gewinns aus der Nutzung der zugrunde liegenden Ressourcen verbindlich entscheidet, hat er auch den Anreiz zur optimalen Nutzung dieser Ressourcen. Entscheidend für eine Anreizoptimierung durch Organisation ist demzufolge in der Terminologie Harts das Zusammentreffen residualer Risikotragung und residualer Kontrollrechte in einer Person 5 2 6 . Bezeichnet ist damit der Gleichlauf von Anteilseigentum und Unternehmensleitung. Vorbehaltlich anderer marktlicher Kontrollmechanismen kann nur dieser Gleichlauf die Funktionsschwächen von Austauschmärkten kompensieren 5 2 7 . b)

Sckutzricktung

Der auf dieser anreizgestützten Verhaltenssteuerung basierende grundsätzliche Interessengleichlauf der Gesellschafter untereinander wird jedoch nach dem materiellen Verständnis des Abspaltungsverbots durch die Einbeziehung Außenstehender gefährdet. Bedroht wird hierdurch die Richtigkeitsgewähr bei Handeln im eigenen Interesse. Diese Richtigkeitsgewähr trägt nach verbreiteter Ansicht wesentlich zum Selbstschutz der Gesellschafter vor dem Einfluss von Sonderinte521

Wiedemann, J Z 1969, 470, 471. Kühler/Assmann, Gesellschaftsrecht 341; Reuter 154-156; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 413f. (§14 II 2. e); Wiedemann, FS Schilling 107, 111. 5 2 3 Hierzu siehe oben Erster Teil ILA.2. 524 Hart 27f. 525 Grossmann/Hart, J. Pol. Econ. 94 (1986) 691-719; Hart/Moore, J. Pol. Econ. 98 (1990) 1119-1158. 526 Hart, C o l u m . L. Rev. 89 (1989) 1757, 1766. 5 2 7 Als andere marktliche Kontrollmechanismen kommt insbesondere der für die Aktiengesellschaft ins Blickfeld rückende Markt für Unternehmenskontrolle in Betracht (zur Rolle von Marktmechanismen zur Verminderung von so genannten »agency«-Kosten Fama, J . Pol. Econ. 88 [1980] 288-307); zu anderen Kontrollmechanismen siehe oben Erster Teil I.C.3.; zum Ausgleich von Funktionsschwächen von Austauschmärkten durch Organisation z.B. Kräkel 5-69. 522

III.

Unternehmensleitung

185

ressen auf die Unternehmensleitung bei 5 2 8 . Richtet man das Augenmerk beim materiellen Regelungsanliegen des Abspaltungsverbots gem. § 7 1 7 S. 1 B G B ausschließlich auf einen Selbstschutz durch Selbststeuerung, so ergeben sich allerdings Bedenken. Erschöpft sich der Regelungsgehalt des § 7 1 7 S. 1 B G B tatsächlich im Selbstschutz der Gesellschafter vor Dritteinfluss, so könnte dies die Heranziehung allgemein-privatrechtlicher Grundsätze zur Preisgabe von Selbstbestimmung nahelegen 5 2 9 . A u c h die Begründung der G r e n z e n eines Dritteinflusses mit Selbstschutzgrundsätzen konzentriert sich bei der Bestimmung des R e g e lungsgehalts des § 7 1 7 S. 1 B G B auf den innergesellschaftlichen Interessenausgleich, ohne in ihre Schutzrichtung ausdrücklich auch die Marktteilnahme der Gesellschaft mit aufzunehmen. Gerade Marktinteressen könnten ein über den Selbstschutz und die Disposition der Gesellschafter hinausweisendes Fundament für die Begrenzung des Dritteinflusses liefern. So werden durch den Grundsatz der Selbststeuerung als anreizgestützter Verhaltenssteuerung nicht nur die G e sellschafter, sondern auch die übrigen Marktteilnehmer vor einem Missmanagement aufgrund des Einflusses von Sonderinteressen geschützt 5 3 0 . Integriert man in die Schutzrichtung der anreizgestützten Verhaltenssteuerung die Interessen anderer Marktteilnehmer, so ist auch die wertungsmäßige Prämisse des interessenkonformen Verhaltens desjenigen, den die Auswirkungen einer Entscheidung wirtschaftlich treffen, entsprechend über die G r e n z e n der Gesellschaft hinaus auszurichten 5 3 1 . Verwirklichen lässt sich dies auf der Grundlage des Verantwortlichkeitsprinzips, wonach jedem Wirtschaftssubjekt Kosten und N u t zen aus seinen Handlungen zuzurechnen sind 5 3 2 . Dieser Steuerungsmechanismus überschneidet sich mit Euckens

Lenkungsmechanik unbeschränkter Haftung,

wie er dem Grundsatz eines Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung zugrunde liegt 5 3 3 . Letzerer zielt jedoch auf haftungsrechtliche Konsequenzen ab, die im deutschen R e c h t so nicht gezogen werden 5 3 4 . Das Verantwortlichkeitsprinzip stellt, für sich genommen, zunächst einmal im Interesse aller Wirtschaftsteilnehmer sicher, dass Kosten und N u t z e n einer wirtschaftlichen Handlung Eingang in die Entscheidungsfindung finden. Erst auf dieser Grundlage lässt sich die allge528 Herfs 54; Priester FS Werner 657, 663; Teubner, Z G R 1986, 565, 568; Voormann 112; Wiedemann, FS Schilling 105, 112, 114. 5 2 9 So C. Weber 205-223; hierzu bereits oben 1. 5 3 0 So insbesondere K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 413f. (§ 14 II 2. e); K. Schmidt, GS KnobbeKeuk 307, 315; Anklänge bei Wiedemann (Gestaltungsfreiheit 5, 7), der auf einen Gläubigerschutz durch einen verlässlichen Standard der Organisation hinweist. 531 Zur Vermutung des interessenkonformen Verhaltens siehe oben a). 5 3 2 Hierzu als einer »Bedingung der Freiheit« Adams 53; Bitter 181 f.; hierzu schon unter dem haftungsrechtlichen Gesichtspunkt der Risikoverteilung oben Erster Teil, I.C.2. und 3. 533 Zu dieser Lenkungsmechanik schon oben Erster Teil, I.C.2. und 3.; K. Schmidt (Gesellschaftsrecht 419, (§14 II.2.e) hält diesen Steuerungsmechanismus für den richtigen Kern der Lehre vom Gleichlauf von Herrschaft und Haftung. 534 Insbesondere deutlich beim Rektor-Fall des B G H (17.3.1966, B G H Z 45, 204); hierzu schon oben Erster Teil, I.C.2.

186

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

meine Handlungsfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer gewährleisten, ohne hierdurch die individuellen Handlungsfreiheiten anderer zu gefährden. Die Frage der rechtlichen Implementierung ist an dieser Stelle noch offen 5 3 5 . Ihr ist nunmehr anhand typischer Anwendungsfelder der Dritteinflussproblematik ebenso nachzugehen wie der vorgelagerten Frage, inwieweit sich das Wertungskriterium eines über den gesellschaftsinternen Interessenausgleich hinausweisenden materiellen Abspaltungsverbotes in diesen Anwendungsfeldern niederschlägt.

C.

Anwendungsfelder

1. Die Abspaltung

einzelner

Verwaltungsrechte

a) Die Mitgliedschaft als Gegenstand im Sinne des § 137 S. 1 BGB

einer

von der

Mitgliedschaft

Verfügungsbeschränkung

Nach allgemeiner Auffassung ist das Abspaltungsverbot unvereinbar mit der Trennung der einzelnen Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft als zentraler Berechtigung 536 . Als Grundlage für die Unzulässigkeit einer dinglich wirkenden Schaffung vom Mitgliedschaftsrecht losgelöster Mitwirkungsrechte wird zum Teil auf § 137 B G B verwiesen 537 . Hiernach bedürfe es für die Abtretung der Mitverwaltungsrechte eines konstitutiven dinglichen Aktes, durch den das betreffende Verwaltungsrecht aus der Mitgliedschaft herausgelöst werde 538 . Eine solche Schaffung beliebiger Tochterrechte auf sachenrechtlichem Gebiet verstoße jedoch gegen den numerus clausus dinglicher Rechte. Mit diesem Begründungsansatz zeichnet sich bereits der konstruktive Weg zur Möglichkeit einer Umgehung des Abspaltungsverbotes ab: Ausweislich §137 S. 2 B G B erstreckt sich der Geltungsbereich der Einschränkung rechtsgeschäftlicher Verfügungsfreiheit gem. §137 S. 1 B G B nur auf die Herbeiführung dinglicher Rechtswirkungen. Unberührt bleiben demnach bei diesem eher technischen Verständnis des §717 S. 1 B G B die Möglichkeiten, auf dem Wege schuldrechtlicher Verpflichtungen Mitwirkungsrechte auf Außenstehende zu verlagern und hierdurch im Ergebnis eine allerdings nur schuldrechtlich in den Grenzen des § 138 B G B wirkende Abspaltung zu verwirklichen 539 . 5 3 5 Insoweit treffend spricht Goebel (234) freilich unter dem Blickwinkel des Nießbrauchs an Personengesellschaftsanteilen von unterschiedlichen funktionalen Äquivalenten. 5 3 6 Zur nicht trennbaren Natur der einzelnen Mitgliedschaftsrechte als Kernaussage des Abspaltungsverbots JAüKo-Ulmer § 717 Rdnr.7; Schön, Z H R 158 (1994) 229, 252. 537 Teichmann 222; Wiedemann, FS Schilling 105, 114f.; Wiedemann, Übertragung 285-287; Anwendung des §137 B G B offengelassen bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 396; für eine Zulässigkeit der Stimmrechtsabtretung auch nach § 137 S. 1 B G B C. Weher 229-236. 5 3 8 So insbesondere H. P. Westermann, Vertragsfreiheit 396. 5 3 9 So in der Tat der Begründungsgang bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 387, 398, 402-441; Wiedemann, Übertragung 287f.; ähnlich in Bezug auf den Anteilsnießbrauch Goebel lllf.

III.

Unternehmensleitung

187

Fraglich erscheint jedoch, ob diese Anwendung des § 137 BGB die Sachlage der Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten zutreffend erfasst. Hauptzielrichtung dieser Vorschrift ist nach überwiegender Auffassung der Verkehrsschutz im Wege der Sicherung des numerus clausus der dinglichen Rechte, der Wahrung der Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung sowie der allgemeinen Orientierungssicherheit im Rechtsverkehr 540 . Ökonomisch betrachtet sichert § 137 BGB im Wege der Freiheitsbeschränkung mit dem Verkehrsschutz die Funktionsbedingungen der Gütermärkte ab 541 . Mit dem Verbot dinglich wirkender Verfügungsbeschränkungen werden die unabdingbaren Voraussetzungen eines effizienten Güteraustausches sichergestellt. Diese Ausrichtung der Reichweite der Verfügungsfreiheit gem. § 137 BGB an den Bedürfnissen des marktlichen Rechtsverkehrs beim Güteraustausch geht für die Frage des Abspaltungsverbots nach der gesetzlichen Konzeption ins Leere. Der marktliche Austausch der zugrunde liegenden Gesellschaftsanteile wird für die gesetzestypische Personengesellschaft gem. §§ 705ff. BGB nicht vorgesehen, sondern entsprechenden Dispositionen der Gesellschafter gem. §709 BGB vorbehalten 542 . Fraglich ist jedoch, in welchem Maße damit auch der Verkehrsschutz gem. § 137 S. 1 BGB zur Disposition der Gesellschafter gestellt wird. Weitgehend ist im Hinblick auf diese Frage Webers Argument, dass der Rechtsverkehr eine »Typizität« des Mitgliedschaftsrechts nicht erwarten könne 543 . Wiedemann vermeidet diese Frage, wenn er das Abspaltungsverbot unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter und nicht solchen des Verkehrsschutzes auch auf § 137 BGB stützt 544 . Ausgeblendet bleiben damit allerdings die Interessen des Rechtsverkehrs als Wertungskriterium, das dem Abspaltungsverbot zugrunde liegt 545 .

b) Die gesamthänderische Verfügungsbeschränkung als Bestimmungsfaktor rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung gem. § 137 S. 1 BGB Ungeachtet der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter gem. § 709 BGB enthält die gesetzliche Regelung zur Personengesellschaft jedoch auch wichtige Vorgaben mit Relevanz für Verfügungsfreiheit und Verkehrsschutz, nämlich insbesondere die zwingende gesamthänderische Bindung gem. § 719 BGB. Soweit die Mitgliedschaft durch die gesamthänderische Bindung geprägt wird, kann man daher nicht 540 Berger 60-76; Gernhuber, J Z 1995, 381, 383; MüKo-Mayer-Maly § 137 Rdnrn. 5 - 7 ; Staudinger-Kohler § 137 Rdnrn. 5 - 1 0 . 541 Zur ökonomischen Funktion von § 137 B G B im Einzelnen Berger 74-76. 542 Dies räumt auch C. Weber (231 f.) ein, w e n n er darauf hinweist, dass die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers bei der Mitgliedschaft durchaus rechtsgeschäftlichen Einschränkungen unterliege, die Verfügung aber stets zumindest auch vom Gesellschafter abhänge. 543 C. Weber 234. 544 Wiedemann, FS Schilling 105, 113f. 545 H i e r z u siehe oben B.2.b).

188

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

mit Weber die Gestaltung der Mitgliedschaft als außerhalb der Frage der Verfügungszuständigkeit im Sinne des §137 S. 1 BGB liegend erachten546. Stattdessen lässt sich die Frage der Typizität der Mitgliedschaft nicht per se, sondern nur im Lichte der Typizität der gesamthänderischen Bindung gem. §137 S. 1 BGB bestimmen547. Aufgrund dieser Bindung dürfen die Gesellschafter mit den von ihnen eingebrachten Vermögensbeiträgen nicht nach Belieben verfahren 548 . Der gemeinsame Zweck der Personengesellschaft äußert sich rechtlich in Pflichtbindungen bei der Verwendung und Verfügung. Das Vermögen unterliegt einer Individualverfügungssperre, da der einzelne Gesellschafter nicht mehr über den Anteil an den einzelnen Gesamthandsgegenständen verfügen kann (§ 719 Abs. 1 HS 1 2. Var. BGB). Grundsätzlich aber hindert § 137 S. 1 BGB den Rechtsinhaber daran, sich seiner Verfügungsfreiheit mit Wirkung gegenüber Dritten zu begeben und damit die Verkehrsfähigkeit der betroffenen Gegenstände zu beseitigen. Die Vorschrift schließt die Schaffung von »res extra commercium« aus und schützt die Funktionsfähigkeit der Gütermärkte. So entspricht es ganz herrschender Meinung, dass im Zentrum der Vorschrift des § 137 S. 1 BGB die Sicherung des numerus clausus der dinglichen Rechte sowie die der Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung steht549. Wie verhält sich die gesamthänderische Vermögensordnung zu diesem Verbot rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung? Sinn und Zweck der verfügungsbeschränkenden Dimension der gesamthänderischen Vermögensordnung erschließen sich bei einem Blick auf die Entwicklung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Im ersten Entwurf zum BGB war sie rein schuldrechtlich konzipiert. Die Vermögensordnung ließ sich als Bruchteilsgemeinschaft kennzeichnen. Konsequent konnte auf dieser Grundlage jeder Teilhaber über den Anteil nach den Regeln über die Gemeinschaft frei verfügen. Verfügungsverbote entfalteten hiernach nur schuldrechtliche Wirkungen. Diese schuldrechtliche Verpflichtung der Teilhaber, Verfügungen über ihre Anteile an den gemeinschaftlichen Gegenständen zu unterlassen, bildeten den entscheidenden Unterschied zur Gemeinschaft550. Zur Ablehnung einer dinglichen Wirkung dieser Verfügungsbeschränkung findet sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die Vorgängervorschrift des § 137 BGB551. Im Zweiten Entwurf wurde dann die gesamthänderische Bindung mit ihrer dinglichen Wirkung mit dem Ziel eingeführt, der Verfügungsbeschränkung Effektivität zu verleihen552. Damit stellt sich die C. Weber 234. Siehe schon oben Erster Teil, I.B.4. 548 Aus funktionaler Sicht gilt dies unabhängig vom zugrunde gelegten Gesamthandsmodell (.Berger 142-146). 549 Mugdan III 42f., 500f.; Canaris, FS Flume 1371,419f.; Liebs, AcP 175 (1975) 1,23; MüKoMayer-Maly/Armbriister § 137 Rdnrn. 4-7; Raible 75; Thiele 195f., 201; Wiegand, FS Kroeschell 623, 636f. 550 Mugdan II 344. 551 Mugdan II 344. 552 Mugdan II 990f.; Berger 143f. 546 547

III.

Unternehmensleitung

189

Verselbständigung der Gesamthand als die ausnahmsweise Außenwirkung vertraglicher Verfügungsverbote dar. Ihre Einstufung von der »Theorie der geteilten Mitberechtigung« 553 bis zur Zuerkennung der Rechtsfähigkeit 554 lässt sich als eine Verfestigung der Verfügungsbeschränkungen gem. § 137 S. 1 BGB kennzeichnen 555 . Bildet die gesamthänderische Bindung (und nicht das einzelne Mitgliedschaftsrecht) den Bezugspunkt der Ausnahme zum Verbot rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkungen gem. § 137 S. 1 BGB, so umschreibt sie auch die Reichweite möglicher Abweichungen bei der privatautonomen Gestaltung der Mitgliedschaftsrechte 556 . Das einzelne Mitgliedschaftsrecht kann keine von der gesamthänderischen Berechtigung gem. §719 BGB abweichenden Verfügungsbefugnisse vermitteln 557 . Daher kann es auch nicht mit Außenwirkung den Gleichlauf von Vermögensbeteiligung und gesamthänderischer (Mit-)Berechtigung auflösen. Bezeichnet ist damit die unabdingbare Reichweite der anreizgestützten Verhaltenssteuerung, wie sie dem §717 S. 1 BGB zugrunde liegt und eine dingliche Abspaltung einzelner Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft ausschließt. Uber den zwingenden Charakter der gesamthänderischen Bindung gem. § 137 S. 1 BGB finden demzufolge Gesichtspunkte des Verkehrsschutzes Eingang in die mögliche Ausgestaltung der Mitgliedschaft 558 . Damit erweisen sich Marktinteressen als Bestimmungsfaktor zulässiger organisationsrechtlicher Gestaltung der Mitgliedschaftsrechte. 2. Statutarisch vermittelte

Drittorganschaft

U m die aufgezeigten Beschränkungen bei einer Abspaltung einzelner Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft zu vermeiden, diskutiert man darüber hinaus in der Literatur die Möglichkeit, den Einfluss Dritter zusätzlich zu den Gesellschafterrechten bereits im Gesellschaftsvertrag als statutarisch vermittelten Ein-

553 So die Kennzeichnung der Erbengemeinschaft nach Binder III 6-15; Joerges, Z H R 49 (1900) 140f.; Nagler, SächsArch 10, 695, 717f. 554 B G H 29.1.2001, NJW 2001, 1056. 555 Berger 144. 556 Demgegenüber Ansatz beim Mitgliedschaftsrecht bei C. Weber 232-237; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 421^126; Wiedemann, Übertragung 286f.; im Einzelnen hierzu oben a). 557 An diesen Implikationen des §137 S. 1 BGB ändert auch die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der neueren Rechtsprechung (BGH 29.1.2001, N J W 2001, 1056) nichts. Wenngleich sich nun nach außen die Gesellschaft als Zuordnungsobjekt des Gesellschaftsvermögens darstellt, unterscheidet sich die Gesamthandskonstruktion nach wie vor von der juristischen Person (Palandt-Sprau § 718 Rdnr. 1; Ulmer, ZIP 2001, 585, 588). 558 Zum zugrunde liegenden numerus clausus der Gesamthandsgemeinschaften Berger 143; Boehmer 281 f.; Liebs, AcP 175 (1975) 1,41; Schulze-Osterloh 178f.; entsprechend zu § 137 BGB als Hindernis einer rechtsgeschäftlichen Begründung gesamthänderischer Bindungen in der Rechtsprechung RG 5.10.1933, SeuffA 88, 1934, Nr. 8.

190

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

fluss zu verankern 559 . Anders als bei der abgeleiteten organschaftlichen Beteiligung Außenstehender handelt es sich hierbei um eine originäre Drittorganschaft, der nicht, wie es der unmittelbare Wortlaut des § 717 S. 1 BGB für unzulässig erklärt, die Abtretung fremder Verwaltungsrechte, sondern die Begründung zusätzlicher Teilhabebefugnisse zugrunde liegt 560 . Schon bei Zugrundelegung eines materiell verstandenen Abspaltungsverbotes im Sinne eines Interessenverbands der Gesellschafter untereinander stößt diese Gestaltung auf Bedenken. So weist die Literatur im Hinblick auf die G m b H auf die hierbei zu beachtenden Grenzen hin, die aus der organisationsrechtlichen Natur der Satzung resultieren 561 . Hiernach ist die Satzung auf die Ausgestaltung gesellschaftsrechtlicher Beziehungen beschränkt, was die Begründung eines organschaftlichen und damit gesellschaftsrechtlichen Status für Nichtgesellschafter ausschließt 562 . Die Begründung eigenständiger Rechte für Nichtgesellschafter gem. §328 BGB sei bereits wegen §53 Abs. 1 GmbHG ausgeschlossen, da ihre Aufhebung oder Änderung nicht gem. § 328 Abs. 2 BGB von Dritten abhängig gemacht werden könne 563 . Auch eine originäre Treubindung des Nichtgesellschafters als notwendiger Bestandteil gesellschaftsrechtlicher Berechtigung lasse sich nicht begründen 564 . Daher könnten Rechte Außenstehender nur schuldrechtlich vereinbart werden 5 6 5 . Letztlich deuten diese Argumente auf die Grenzen des organisationsrechtlichen Interessenverbands der Gesellschaft hin, für den die Beteiligung als Gesellschafter konstitutiv ist. Auf dieser (vermögensmäßigen) Beteiligung wiederum basiert die oben erörterte anreizgestützte Verhaltenssteuerung, deren organisationsspezifischer Regelungsgehalt sich an dieser Stelle bestätigt 566 . Orientiert man die Ablehnung statutarisch vermittelter organschaftlicher Befugnisse Außenstehender am Interessenverband der Gesellschaft und dem ihm zugrunde liegenden Interessengleichlauf der Gesellschafter untereinander, so setzt man sich allerdings bekannten Einwänden aus. Beschränkt sich der Kreis der von einer organisationsrechtlichen Position Außenstehender betroffenen Interessen auf die der Gesellschafter, ist die Frage offen, warum die Gesellschafter Zu dieser Möglichkeit als Konzernbildungsinstrument Beuthien, ZIP 1993, 1589-1599. Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1596; ähnlich auch Bergmann 547-549, 570. 561 Ulmer, FS Werner 911, 922-925; Ulmer, FS Wiedemann 1297,1309-1320; die damit in Bezug genommene Rechtsnatur blendet Herfs (45) aus, der stattdessen für die GmbH auf die Frage abstellt, ob Einzelpersonen oder Gremien statutarisch eingesetzt werden; a. A. für Körperschaften Beuthien/Gätsch, ZHR156 (1992) 459,469f.; a. A. für die GmbH auch Bürkle 70f.; Hammen, WM 1994, 765, 767; Simon, GmbHR 1999, 257, 259. 562 Ulmer, FS Werner 911, 924f.; demgegenüber Begründung mit der organschaftlichen Verfassung statt mit der organisationsrechtlichen Natur der Satzung bei Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993)483, 485f. Fn. 14. 563 Ulmer, FS Werner 911, 923f.; Ulmer, FS Wiedemann 1297, 1312-1316. 564 Ulmer, FS Werner 911, 925. 565 Ulmer, FS Werner 911, 927f. 566 Zur Verhaltenssteuerung zur Sicherung des Interessengleichlaufs der Gesellschafter siehe oben B.2. 559 560

III.

Unternehmensleitung

191

über diese Interessen nicht selbst disponieren können 567 . Zu klären ist daher, ob durch die Begründung statutarisch vermittelter organschaftlicher Befugnisse zugunsten Außenstehender darüber hinaus auch andere Marktinteressen berührt sind, über die die Gesellschafter nicht ohne weiteres verfügen können. Sobald organschaftliche Mitspracherechte unabhängig von den Verfügungsrechten hinsichtlich der Gesellschaftsanteile begründet werden, verändert dies die gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens und die damit einhergehende Verfügungsbeschränkung zu Lasten der Gesellschafter. Eine solche Veränderung steht jedoch nicht in Ubereinstimmung mit §137 S. 1 BGB, dem ein numerus clausus der Gesamthandsgemeinschaften zugrunde liegt 568 . Damit einher ginge eine Außerkraftsetzung der anreizgestützten Verhaltenssteuerung, die für einen sinnvollen Einsatz knapper Ressourcen erforderlich ist 569 . Diese Verhaltenssteuerung entfaltet Schutzwirkungen - wie sich gezeigt hat - nicht nur zugunsten der Gesellschafter, sondern darüber hinaus zugunsten des Rechtsverkehrs. Daher beeinträchtigt eine gesellschaftsvertraglich begründete Drittorganschaft nicht nur die Gesellschaft als Interessenverband, sondern aufgrund der Veränderung der gesamthänderischen Bindung und der Beeinträchtigung einer Steuerung durch das Verantwortlichkeitsprinzip auch die Interessen des Rechtsverkehrs. Mit dieser grundsätzlichen Interessenlage steht die mitunter als Gegenargument angeführte Bestellung Dritter zu Liquidatoren gem. § 146 Abs. 1 S. 1 H G B im Einklang 570 . Aus rechtlicher Sicht sind in der Abwicklungssituation im Gegensatz zur Lage der werbenden Gesellschaft keine gleichgerichteten Interessen aller Gesellschafter mehr gegeben 571 . Aus ökonomischer Sicht tritt bei Abwicklung an die Stelle der gemeinsamen Tätigkeit am Markt und der hieran anknüpfenden Gewinnverteilungsabsprache die Bewertung des Unternehmens am Markt. Mit diesem Bewertungsmaßstab birgt das Auseinanderfallen von Eigentums- und Verwaltungsrechten nicht mehr die hohen Risiken opportunistischen Verhaltens, wie dies bei der werbenden Tätigkeit der Fall ist. Demzufolge bestätigt § 146 Abs. 1 S. 1 H G B als Ausnahme den Grundsatz des Gleichlaufs von Eigentums- und Verwaltungsrechten und deutet nicht etwa eine Aufweichung dieses Grundsatzes an 572 . Im Übrigen können die Gesellschafter über die auf diesem Gleichlauf basierende anreizgestützte Verhaltenssteuerung nicht privatautonom disponieren. Damit entzieht sich auch die Begründung statutarisch vermittelter

Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1596; C. Weber 168. Siehe oben l.b). 569 Hierzu ausführlich oben B.2.a). 570 Zur Figur des Liquidator als Argument für die Zulässigkeit einer Fremdsteuerung in der Personengesellschaft z.B. Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1595. 571 So zur besonderen Lage in der Abwicklungsgesellschaft anlässlich eines Ausschließungsprozesses BGH 11.7.1960, BGHZ 33, 105, 109. 572 So aber Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1595. 567

568

192

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

organschaftlicher Befugnisse für Außenstehende der privatautonomen Gestaltung der Gesellschafter.

3. Schuldrechtlicbe

Abspaltung durch

Stimmrechtsvollmacht

Offen ist an dieser Stelle die Möglichkeit alternativer Gestaltungen, die Mitwirkungsrechte auf außenstehende Dritte verlagern. Eine Ermächtigung zur Ausübung der Verwaltungsrechte gem. § 185 BGB in der idealtypischen Personengesellschaft stößt auf die Grenzen einer fehlenden Verfügbarkeit der Gesellschafterstellung 573 . Die anderen Gesellschafter werden dem notwendigerweise im eigenen Namen handelnden Ermächtigten mangels Verfügbarkeit und Verbriefung der Gesellschafterstellung die Mitwirkung verweigern 574 . Steht die Unzulässigkeit einer organisationsrechtlich verankerten Fremdsteuerung der Personengesellschaft durch außenstehende Dritte ohne Anteilseigentum nunmehr fest, so stellt sich die Folgefrage, inwieweit der einzelne Personengesellschafter durch Individualvereinbarung mit einem außenstehenden Dritten eine solche Einflussmöglichkeit für den letztgenannten begründen kann.

a) Verdrängende

Vollmacht

Was eine etwaige verdrängende Vollmacht anbetrifft, die dem Rechtsinhaber die Ausübung seiner Stimmrechte verwehrt, so weist Gernhuher darauf hin, dass jedenfalls der Einwand unzulässiger Einschränkung der Verfügungsfreiheit gem. §137 BGB nicht durchschlage, da eine Vollmacht keine Trennung der Rechtszuständigkeit von der Verfügungsmacht zur Folge habe 575 . Noch weiter geht der Einwand gegen die Unzulässigkeit einer verdrängenden Vollmacht, dass die Mitgliedschaft vom Anwendungsbereich des § 137 BGB gar nicht erfasst werde und diese Vorschrift daher gegen die Zulässigkeit einer verdrängenden Vollmacht nicht ins Feld geführt werden könne 576 . Demgegenüber hebt der B G H in seiner Leitentscheidung zum Abspaltungsverbot hervor, dass es für die Wirksamkeit einer Stimmrechtsausübungsregelung nicht entscheidend sein könne, ob die Parteien eine zwingende schuldrechtliche Verpflichtung in der Rechtsform der Vollmacht statt einer dinglich wirkenden Abtretung gewählt hätten 577 . Entscheidend ist hiernach das Ziel der Vereinbarung. Ist sie demnach auf einen Wechsel des Rechtsträgers gerichtet, kommt sie ei573 Daher ungeachtet des § 8 Abs. 4 A k t G f ü r die Legitimationszession insbesondere im A k tienrecht Wiedemann, Ü b e r t r a g u n g 288-290. 574 H.P. 'Westermann, Vertragsfreiheit 401 f. 575 Gernhuher, J Z 1995, 381, 383; Miiller-Freienfels 130f.; Steinbeck 102f.; d e m g e g e n ü b e r stützt sich der B G H bei der Beurteilung einer verdrängenden Vollmacht gleichwohl auf § 137 B G B (13.5.1971, W M 1971,956, 957). 576 C. Weber 280; hierzu bereits oben l . a ) . 577 B G H 10.11.1951, B G H Z 3, 354, 359.

III.

Unternehmensleitung

193

ner wegen §717 S. 1 BGB unzulässigen Stimmrechtsabtretung gleich578. Eine rechtlich unbedenkliche Bevollmächtigung begründe demgegenüber lediglich die Befugnis des Bevollmächtigten zur Rechtsausübung im Namen des Vollmachtgebers und schaffe eine weitere Befugnis in der Person des Bevollmächtigten. Demzufolge werden Vereinbarungen, die in ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung auf eine Abspaltung des Stimmrechts vom Gesellschaftsanteil im Wege einer verdrängenden Vollmacht abzielen und dadurch das Abspaltungsverbot gem. §717 S. 1 BGB umgehen, in der Rechtsprechung als unzulässig beurteilt 579 . Dies geht konform mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum, dass eine verdrängende Vollmacht mit dinglicher Wirkung unzulässig sei580. N u r eine solche Beurteilung wahrt die dem Abspaltungsverbot zugrunde liegenden Wertungen. Demgegenüber wird die Beurteilung einer verdrängenden Vollmacht gem. § 137 S. 1 BGB, die zwar die Bedürfnisse des marktlichen Rechtsverkehrs beim Güteraustausch hervorhebt, diesen dem Abspaltungsverbot als Verbot der Fremdsteuerung zugrunde liegenden Wertungen nicht ohne weiteres gerecht 581 . Der hiermit einhergehende Hinweis auf den Kernbereichsschutz als Mindestschutz der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit kann nicht greifen 582 . Die marktbildende Kraft des Kernbereichsschutzes setzt die über das Abspaltungsverbot geschützte Anreizstruktur des Zusammenhangs zwischen der Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg und der Unternehmensleitung für ihre Funktionsfähigkeit voraus. Sie ist daher für den Schutz im Verhältnis zu Außenstehenden nicht das geeignete Instrument 583 . Der Schutz dieser Anreizstruktur, die auf der Zusammengehörigkeit von Mitgliedschaftsrechten und Verbandszugehörigkeit basiert, liegt wirtschaftlich auch den Stimmen zugrunde, die das Erfordernis des Schutzes der Gesellschafter vor einer Fremdsteuerung von außen insbesondere mit der fehlenden Einbindung der betreffenden Außenstehenden in den Verband und in die damit verbundenen Treuepflichten begründen 584 . Gleichwohl soll hier zusätzlich zum Gesichtspunkt des Schutzes der Gesellschaft als Interessenverband der Schutz der Marktinteressen einbezogen werden 585 . Daher ist eine verdrängende Stimmrechtsvollmacht nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes der Gesellschafter als unzulässig zu erachten, 578

B G H 10.11.1951, B G H Z 3, 354, 358. B G H 14.5.1956, B G H Z 20, 363, 366; B G H 19.6.1985, W M 1985, 1232; Hans. O L G 22.2.1989, ZIP 1989, 298, 300. 580 Erman, FS Nipperdey 277, 281; Flume, Rechtsgeschäft 884; Liebs, AcP 175 (1975) 1, 41; Reuter, FS Steindorff 229, 233; Soergel-Leptien % 168 Rdnr.28; Thiele 188f., 199; Weitnauer, FS Weber 429, 437; Wiedemann, Übertragung 285-287; zusammenfassend Herfs 5\;Jaeniche 92. 581 So H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 421-431. 582 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 431 f. 583 Hierzu bereits oben A. 584 Ulmer, FS Fleck 383, 388. 585 So auch ausdrücklich (»mit Rücksicht auf Gesellschafter- und/oder Verkehrsschutz«) Ulmer, FS Fleck 383, 388. 579

194

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

sondern darüber hinaus als eine gem. §717 S. 1 B G B unzulässige Außerkraftsetzung der anreizgestützten Verhaltenssteuerung im Verhältnis zu den anderen Marktteilnehmern zu würdigen586. Mit der verdrängenden Stimmrechtsbevollmächtigung eines Außenstehenden wäre der anreizrelevante Zusammenhang zwischen der Teilhabe am wirtschaftlichen Gewinn und der Unternehmensleitung zerstört. Letztlich können die Mitgliedschaftsrechte auch nicht aufgrund einer verdrängenden Vollmacht eine hiervon abweichende Verfügungsposition vermitteln. Ansonsten wäre der Stellenwert der Gesamthand als ausnahmsweise wirksame Verfügungsbeschränkung nach dem numerus clausus der Gesamthandsgemeinschaften gem. § 137 S. 1 B G B gefährdet587. Daher muss diese Anreizstruktur über § 717 S. 1 B G B geschützt und eine verdrängende Vollmacht als unzulässig erachtet werden. b) Unwiderrufliche

Vollmacht

Der verdrängenden Vollmacht sehr nahe kommt eine unwiderrrufliche Vollmacht mit gleichzeitigem Stimmrechtsverzicht des betroffenen Gesellschafters. Zwar entfaltet sie keine dingliche Wirkung, verpflichtet aber den Gesellschafter bei Zuwiderhandlung zum Schadensersatz588. Vom rechtstechnischen Gesichtspunkt könnte diese bloß schuldrechtliche Wirkung als entscheidender Gesichtpunkt gegen eine Einstufung als Abspaltung im Sinne von §717 S. 1 B G B und für die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung in den Grenzen des §138 B G B angeführt werden 589 . Uber diese Argumentation hinausgehend, weist Weber darauf hin, dass dem Gesellschafter auch bei einer solchen Vollmacht aufgrund ihrer Anbindung an ein Grundverhältnis jedenfalls die Möglichkeit zum Widerruf aus wichtigem Grund verbleibe, eine Selbstentmündigung daher nicht eintrete und daher diese Bevollmächtigung bei jeder Gesellschaftsform zulässig sein müsse590. Lediglich der Schutz der Mitgliedschaft nach der Kernbereichslehre erfordere eine Abstimmung dahingehend, dass für die dem Kernbereichsschutz unterfallenden Beschlussgegenstände eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht gegenständlich zu beschränken sei 591 . Gleichwohl weist der B G H in seiner Grundlagenentscheidung ungeachtet dieser rechtstechnischen Unterschiede auf die Parallelität der Zielsetzungen zwischen dinglich wirkender Übertragung und schuldrechtlicher Bevollmächtigung bei Unwiderruflichkeit und Stimmrechtsverzicht hin 592 . Beide Gestaltungen seien der Sache nach auf einen Wechsel des Rechtsträgers gerichtet, so dass eine rein formale 586 587 588 589 590 591 592

Zu dieser Schutzrichtung des § 717 S. 1 B G B siehe oben B.2.a). Hierzu siehe oben C.l.b). Darlegung dieser Wirkungen bei B G H 13.5.1971, WM 1971, 956, 957. H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 4 1 2 ^ 1 9 ; Wiedemann, Übertragung 282-284, 364f. C. Weber 242 f. C. Weber 245-252. B G H 10.11.1951, B G H Z 3, 354, 359.

III.

Unternehmensleitung

195

Betrachtung nicht entscheidend sein könne. Auch aus der Sicht des überwiegenden Schrifttums ist für die Abgrenzung einer schuldrechtlichen Vereinbarung von einer dinglich wirkenden Abspaltung nicht die formale rechtliche Einkleidung, sondern die fortdauernde rechtliche Gestaltungsfreiheit des Vollmachtgebers entscheidend 5 9 3 . Gewahrt ist damit in dessen Person letztlich der Gleichlauf zwischen Unternehmensleitung und Teilhabe am wirtschaftlichen Gewinn. Besonders deutlich w i r d die Bedeutung dieses Gleichlaufs zur Gewährleistung einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung bei der großzügigeren W ü r d i g u n g der unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht im Rahmen von Treuhandverhältnissen in der Rechtsprechung 5 9 4 . So w i r d hier die schuldrechtlich vereinbarte A u s ü b u n g des Stimmrechts durch den Treugeber dann für zulässig erachtet, w e n n der Widerruf der zugrunde liegenden Stimmrechtsvollmacht von der Kündigung des zugrunde liegenden Treuhandverhältnisses abhängig gemacht wird 5 9 5 . Entscheidend für diese scheinbare Abschwächung des Abspaltungsverbots ist in der Begründung des B G H die Prämisse des Interessengleichlaufs zur anreizgestützten Verhaltenssteuerung. Der B G H verknüpft in dieser Entscheidung sachlich und zeitlich die Widerruflichkeit der Stimmrechtsvollmacht mit dem Bestand des Treuhandverhältnisses und scheint durch diesen Bestandsschutz der Vollmacht das Auseinanderfallen von Mitgliedschaft und Stimmrecht zu verstärken. Gleichwohl führt dies im Ergebnis zur Stimmrechtsausübung durch den wirtschaftlich interessierten Treugeber, und insoweit trägt hier der B G H w i e schon in den Fällen zur Unzulässigkeit einer unwiderruflichen Vollmacht mit Stimmrechtsverzicht z u m Gleichlauf zwischen Verfügungsbefugnis und Stimmrecht bei. Folglich erfordert die Entscheidung entgegen ihrer Begründung nicht die Durchbrechung des Abspaltungsverbots 5 9 6 , sondern verwirklicht eben jenes, indem sie die formale Kompetenzordnung mit Hilfe der Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Testamentsvollstreckers im Sinne der tatsächlichen wirtschaftlichen Interessen korriS97

giert . Besonders deutlich w i r d die Bedeutung der anreizgestützten Verhaltenssteuerung für die Zulässigkeit der unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht im Treuhandverhältnis bei einer Kontrastierung mit der unwiderruflichen Stimmrechts593 So namentlich MuKo-Ulmer §717 Rdnr.9; in der Tendenz auch Reuter, ZGR 1978, 633, 639; für ein Kündigungsrecht Wiedemann, FS Schilling 105,116; insbesondere zur Unwiderruflichkeit so U. Huber, ZHR 152 (1988) 1, 18; zusammenfassend zur Rechtsprechung Jaeniche 92-95. 594 BGH 13.5.1953, BGHZ 10, 44, 49f.; BGH 18.10.1976, WM 1976, 1247, 1250; BGH 30.3.1987, WM 1987, 811. 595 BGH 18.10.1976, WM 1976, 1247. 596 BGH 18.10.1976, WM 1976, 1247, 1250. 597 So auch Reuter, ZGR 1978, 633, 642; zustimmend z.T. unter besonderer Akzentuierung der Einbeziehung des Vollmachtgebers als »wirschaftlichem Gesellschafter« in den Interessenverband der Gesellschaft daneben auch Baumbach/Hopt §119 Rdnr.20; Fleck, FS Fischer 107, 127; Flume, Juristische Person 207; Herfs 103f.; Wiedemann, WM 1992, Beil. 7, 26.

196

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

vollmacht bei Nießbrauch und Verpfändung. In den beiden letztgenannten Konstellationen w i r d eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht mangels Interessengleichlaufs für unzulässig gehalten 5 9 8 . Neuerdings w i r d hiergegen damit argumentiert, dass sich auch bei Nießbrauch und Verpfändung aus der N u t zungs- und Verwertungsfunktion dieser Rechte ein Eigeninteresse des Nichtgesellschafters ergebe. Daher sei hier die Stimmrechtsvollmacht anhand der vertretungsrechtlichen Maßstäbe ebenso wie bei der Treuhand als zulässig zu erachten 5 9 9 . Gleichwohl ist das Eigeninteresse des Nießbrauchers und das des Pfandgläubigers und die daraus resultierende Verhaltenssteuerung zu unterscheiden von der dem Abspaltungsverbot zugrunde liegenden anreizgestützten Verhaltenssteuerung. Bei Nießbrauch und Verpfändung ist das Eigeninteresse auf die N u t z u n g und Verwertung des zugrunde liegenden Gesellschaftsanteils gerichtet. Dies stimmt nicht notwendigerweise mit einem Eigeninteresse überein, das sich aus dem Gleichlauf zwischen Unternehmensleitung und wirtschaftlicher Teilhabe am Unternehmenserfolg ergibt. Ein solches ist auf die langfristig erfolgreiche Marktteilnahme der Gesellschaft und den damit zu verwirklichenden Kooperationsgewinn gerichtet 6 0 0 . Demgegenüber bilden bei Nießbrauch und Verpfändung nicht allein langfristige Kooperationsinteressen, sondern gleichberechtigt kurzfristige Nutzungsinteressen oder sogar Liquidationsinteressen den Orientierungspunkt für die Entscheidungsfindung 6 0 1 . Nicht dem Unternehmensganzen gilt das Eigeninteresse des Nießbrauchers, bzw. Pfandgläubigers, sondern lediglich einem Teil - notfalls auch auf Kosten der Gesamtheit. Im Ergebnis ist damit die Möglichkeit zur Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht nur dann im Lichte eines zugrunde liegenden Kausalverhältnisses zu eröffnen, w e n n damit dem Interesse eines »wirtschaftlich interessierten« Bevollmächtigten insbesondere im Rahmen eines Treuhandverhältnisses Rechnung getragen wird 6 0 2 . Gerade bei einer Verknüpfung der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten wie im Rahmen eines Treuhandverhältnisses lässt sich ungeachtet der unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht der Gleichlauf des Eigeninteresses aufgrund der Teilhabe am wirtschaftlichen Unternehmenserfolg und der Unternehmensleitung gewährleisten.

598 So für den Nießbrauch OLG Koblenz 16.1.1992, ZIP 1992, 844, 845; Teichmann 232-234; für die Verpfändung so Herfs 109; Teichmann 234. 599 Q Weber 244; darüber hinausgehend für eine Stimmrechtszuordnung zugunsten des Nießbrauchers jedenfalls außerhalb der Grundlagengeschäfte Goebel 264-275. 600 Zu der aus diesem Gleichlauf resultierenden Verhaltenssteuerung siehe oben B.2. 601 Umschrieben als Interesse am Vermögenswert und nicht an der Verwaltung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit bei Teichmann 234; zu diesem Konfliktpotenzial bei der mittelbaren Unternehmensbeteiligung auch Schön, ZHR 158 (1994) 229, 233-236. 602 BGH 13.5.1971, WM 1971, 956, 957; hierzu Jaeniche 96f.

III. Unternehmensleitung

c) Einfache

197

Stimmrechtsvollmacht

Auch über die Unzulässigkeit der Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht mit Stimmrechtsverzicht hinaus stellt sich die Frage nach der Reichweite möglicher zulässiger Vollmachtserteilung durch einen Personengesellschafter an einen außenstehenden Dritten. Hinweise in der Rechtsprechung finden sich nur sehr vereinzelt, wonach eine solche mit §717 S. 1 BGB übereinstimmende Vollmacht zur Stimmrechtsausübung nur an Mitgesellschafter oder jedenfalls lediglich für bestimmte bereits anstehende und daher übersehbare Angelegenheiten erteilt werden darf 603 . Selbst bei Widerruflichkeit wäre demnach eine Generalvollmacht unter dem Gesichtspunkt des Abspaltungsverbots problematisch. Nähere Konkretisierungen dieser angedeuteten Einschränkung zulässiger Bevollmächtigung Außenstehender finden sich im Schrifttum insbesondere bei Reuter. Im Kern hält er eine Vollmachtserteilung an Außenstehende nur für tragbar, wenn der Selbsteintritt, sei es aufgrund der Revidierbarkeit der betroffenen Entscheidungen, sei es aufgrund der Nähe des außenstehenden Bevollmächtigten zu den Gesellschaftern, eine realistische Möglichkeit im Rahmen der ordnungsgemäßen Geschäftsführung bleibt 604 . Grenzen einer Stimmrechtswahrnehmung im Drittinteresse könnten sich aus den Grundsätzen zur Zulässigkeit einer Stimmbindung gewinnen lassen. Ungeachtet ihrer unterschiedlichen rechtlichen Konstruktion zielen sowohl die Stimmrechtsvollmacht als auch die Stimmbindung auf eine Stimmabgabe im Interesse des Begünstigten ab. Daher ist die Literatur zur Frage der Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen auf Abgrenzungskriterien zu untersuchen. Die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen wird insbesondere für die GmbH diskutiert 605 . In der Rechtsprechung hat sich hier die Annahme einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Stimmbindungsvereinbarungen weitgehend durchgesetzt 606 . Insbesondere in der Literatur hat sich hierbei als entscheidendes Konfliktfeld das Spannungsverhältnis zwischen mitgliedschaftlicher und vertraglicher Bindung herauskristallisiert 607 . Als herrschende Argumentationslinie lässt sich die Annahme der »Komplementarität« von Stimmbindung und mitgliedschaftlicher Bindung kennzeichnen 608 , d.h. die vereinbarte Stimmbindung ist im Rahmen der bestehenden Treuepflicht des betroffenen Gesellschafters umzusetzen 609 . BGH 8.10.1953, LM Nr. 6 zu §105 HGB. Reuter, FS Steindorff 229, 235. 605 Aus der unüberschaubaren Literatur z.B. Behrens, FS GmbHG 539-558; Büssemaker; Herfs 166-177; Noack; Zöllner, ZHR 155 (1991) 168-189. 606 BGH 29.5.1967, BGHZ 48, 163; BGH 20.1.1983, NJW 1983, 1910; BGH 7.2.1983, ZIP 1983, 432, 433; BGH 27.10.1986, NJW 1987, 1890. 607 Behrens, FS GmbHG 539, 551; Fleck, FS Fischer 107, 116f.; Flume, Personengesellschaft 231; Herfs 229f.; rechtsvergleichend Kulms, EBOR 2 (2001) 685-701; Noack 146-149; Priester, FS Werner 657, 670; Scholz-K. Schmidt §47 Rdnr.39; Zöllner, ZHR 155 (1991) 168, 172-179. 608 Zöllner, ZHR 155 (1991) 169, 172. 609 Behrens, FS GmbHG 539, 551-554; Herfs 317-360; Lutter/Hommelhoff §47 Rdnr.5; No603 604

198

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

M a c h t man diesen Gedanken der vorrangigen Treubindung des Gesellschafters für die Beurteilung von Stimmbindungsverträgen zwischen Personengesellschaftern und Außenstehenden nutzbar, so ergeben sich erhebliche Einschränkungen für die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen im Personengesellschaftsrecht. A u f grund der Bindung des gemeinsamen Zwecks an die Personen der Gesellschafter bestehen jedenfalls in der idealtypischen Personengesellschaft intensive Treubindungen der Gesellschafter untereinander 6 1 0 . I m Lichte dieser persönlichen B i n dungen der Personengesellschafter stoßen denn auch Stimmrechtsbindungen im Personengesellschaftsrecht auf grundlegende Bedenken im Schrifttum 6 1 1 . Insbesondere die genannten personalen Bindungen in der idealtypischen Personengesellschaft lassen es geboten erscheinen, die Zulässigkeit von Stimmbindungen an die Zustimmung der Mitgesellschafter zu koppeln, da diese auch bei der Anteilsübertragung über den Einfluss Gesellschaftsfremder maßgeblich mitentscheiden können 6 1 2 . Vor dem Hintergrund des Treuepflichtbezugs von Stimmbindungsvereinbarungen könnten einige Abgrenzungen in der Literatur im Einzelnen an Plausibilität gewinnen. So unterscheidet A. Hueck

für die Möglichkeit einer

Treuepflichtverletzung infolge eines Stimmbindungsvertrages mit gesellschaftsfremden Dritten zwischen der Stimmabgabe bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages und einer solchen im Geschäftsführungsbereich 6 1 3 . Mangels Treubindung bei der Entscheidung über Gesellschaftsvertragsänderungen hält er bei diesen Fragen eine Stimmbindung im Gegensatz zur Lage bei der treuepflichtgebundenen Geschäftsführung für statthaft. D i e Ausführungen zur Zustimmungspflicht kraft Treubindung haben jedoch gezeigt, dass auch bei Strukturveränderungen in der Personengesellschaft mitgliedschaftliche Bindungen bei der Stimmabgabe bestehen können. Wiedemann

hält darüber hinaus der Ansicht zur Zuläs-

sigkeit der Stimmbindung für Strukturveränderungen das Interesse daran entgegen, dass jeder Gesellschafter bei anstehenden Beschlüssen über Strukturveränderungen frei bleiben und eine von vornherein feststehende Verhandlungsunfähigkeit vermieden werden sollte 6 1 4 . Insbesondere im Lichte der bereits erzielten Ergebnisse zur gesellschaftsinternen Willensbildung erscheint dieser Einwand plausibel 6 1 5 . I m Personengesellschaftsrecht sichern Widerspruchsmechanismen wie der Bestimmtheitsgrundsatz und die Kernbereichslehre sowie die Zustimmungspflicht kraft Treubindung marktersetzende Willensbildungsprozesse innerhalb der Personengesellschaft ack 146-149; Priester, FS Werner 657, 670; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 620 (§21 II 4. a dd). 610 Zur Treubindung in Zweckverfolgungsnähe als Kennzeichen personengesellschaftsrechtlicher Bindung siehe oben I.A.2. 611 Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 18; MüKo-Wmer §717 Rdnr.24. 612 So auch Baumbach-Hopt § 119 Rdnr. 18; vergleichbar zum Zustimmungserfordernis hinsichtlich der Stimmrechtsvollmacht Wiedemann, Übertragung 350. 613 A. Hueck, FS Nipperdey I 401, 417-420. 614 Wiedemann, FS Schilling 105, 116. 615 Siehe oben I.

III.

Unternehmensleitung

199

zwingend ab 616 . Ihre Funktionsfähigkeit basiert auf dem Verhandlungsspielraum der Gesellschafter. Dem liefe die Freigabe der Stimmbindung der Gesellschafter in diesen Fragen zuwider. Der Fremdeinfluss bei Gesellschaftsvertragsänderungen würde die oben skizzierten Verhandlungsmechanismen innerhalb der Gesellschaft außer Kraft setzen und insoweit wichtige personengesellschaftsrechtliche Regeln konterkarieren. Insoweit ist eine wichtige Einschränkung zur von Zöllner angeregten Parallele zwischen der von der Privatautonomie gedeckten Eingehung kollidierender schuldrechtlicher Verpflichtungen und der Stimmbindung zu machen617. Indem die Stimmbindung nicht nur eine inhaltliche Festlegung bei der Stimmrechtsausübung trifft, sondern darüber hinaus eine durch die anreizgestützte Verhaltenssteuerung geleitete Nutzung von Verhandlungsspielräumen ausschließt, setzt sie den innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess außer kraft. Damit schaltet sie über die Eingehung kollidierender schuldrechtlicher Verpflichtungen hinaus wichtige Funktionsbedingungen der Privatautonomie aus. Dem lässt sich mit dem Vorrang mitgliedschaftlicher Bindungen des Gesellschafters vor etwaigen eingegangenen Stimmbindungen entgegentreten618. Im Ergebnis tragen diese Mitgliedschaftrechte und damit auch das Abspaltungsverbot zur adäquaten Verteilung von Verhandlungsanreizen in gesellschaftsinternen Verhandlungsprozessen bei. In ähnlicher Weise muss sich auch die Zulässigkeit einer Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung und damit auch die Tragweite des zugrunde liegenden Abspaltungsverbotes an der Reichweite mitgliedschaftlicher Bindungen und letztlich an der Funktionsfähigkeit der innergesellschaftlichen Verhandlungsprozesse orientieren. Will man nicht die Funktionsfähigkeit der gesellschaftsinternen Willensbildungsprozesse gefährden, so schließt die grundsätzliche Bedeutung mitgliedschaftlicher Bindungen die Zulässigkeit einer Stimmbindung des Gesellschafters und damit auch die einer Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung für diesen Fragenbereich aus 619 . Wie auch schon bei der Stimmbindung sind die Mitgesellschafter über ein Zustimmungserfordernis zu schützen 620 . Eine Ausnahme von diesem grundsätzlich vorrangigen Schutz ungestörter gesellschaftsinterner Widerspruchsmechanismen kann nur für die Personengesellschaften gelten, Hierzu im Einzelnen oben I. Zöllner, Z H R 155 (1991) 169, 179. 6 1 8 Ebenso ungeachtet der genannten Parallelisierung mit kollidierenden schuldrechtlichen Verpflichtungen Zöllner, Z H R 155 (1991) 168, 179. 6 1 9 Z u m Kernbereichsschutz siehe oben I.A.; zur Unzulässigkeit einer Stimmbindung in diesem Bereich auch M ü K o - W m e r §717 Rdnr.24; Wiedemann, F S Schilling 105, 116; für die G m b H Priester, F S Werner 657, 671 f. 6 2 0 Im Zusammenhang mit der Stimmbindung zum Zustimmungserfordernis in der Personengesellschaft siehe oben in diesem Abschnitt; zur Stimmrechtsvollmacht so auch die herrschende Meinung R G 12.2.1929, R G Z 123,289,299; B G H 10.11.1951, B G H Z 3,354,357; B G H 1.12.1969, W M 1970, 246, 248; Baumbach/Hopt % 109 Rdnr.17; MüKo-Ulmer §709 Rdnr.81; Schlegelberger-Martens §109 Rdnr. 15; Soergel-Hadding §717 Rdnr.22; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 403; Wiedemann, Übertragung 350. 616

617

200

2. Teil: Gesellschaftsinterner Interessenausgleich

in denen diese Mechanismen bereits aufgrund der Ausrichtung der Gesellschaft auf einen äußeren Markt anstelle eines internen eigenen marktähnlichen Willensbildungsprozesses gelten, wie insbesondere für Publikumspersonengesellschaften. Entsprechend erklärt der B G H die Ermächtigung eines Beirats einer Publikums-KG zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages für zulässig 621 . Indem er hierbei die an den Beirat zu richtenden Verhaltensanforderungen auf die Kapitalmarkterfordernisse ausrichtet, verdeutlicht er zugleich, wie hier an die Stelle eines gesellschaftsinternen Verhandlungsausgleichs die Disziplinierung durch den äußeren Kapitalmarkt tritt 622 . d) Die Rechtsfolgen Abspaltungsverbots

unwirksamer Bevollmächtigung und die dadurch verwirklichten

- die Außenwirkung des Kapitalmarktinteressen

Die aufgezeigten Grenzen einer zulässigen Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung treffen noch keine Aussage über die tatsächliche Verwirklichung der dem Abspaltungsverbot des § 717 S. 1 B G B zugrunde gelegten Anreizstruktur 623 . Soll es sich als richtig erweisen, dass durch das Abspaltungsverbot nicht die Privatautonomie per se, sondern eine bestimmte Korrelation von Privatautonomie und Vermögensrecht geschützt werden soll, so müsste dies bei den Rechtsfolgen unzulässiger Bevollmächtigung Niederschlag finden 624 . Erst die Rechtsfolgen geben Aufschluss über die Reichweite des Geltungsanspruchs organisationsrechtlicher Normen im Verhältnis zu Dritten und die daraus resultierenden einem Außeneinfluss effektiv gezogenen Grenzen. Erteilt ein Gesellschafter eine Vollmacht, die einer unzulässigen Abspaltung gem. §717 S. 1 B G B gleichkommt, so wird als Rechtsfolge in Rechtsprechung und Literatur deren Umdeutung gem. §140 B G B in eine Vollmacht mit gerade noch zulässigem Inhalt befürwortet 625 . Insbesondere der B G H stellt die hierfür entscheidenden Interessen klar. Er deutet eine Stimmrechtsermächtigung von Miterben um, die darauf abzielt, die Stimmrechtsausübung durch die Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft auf Dauer unmöglich zu machen 626 . Aufgrund seiner Umdeutung legt das Gericht seiner Würdigung stattdessen stimmrechtslose Kommanditbeteiligungen und entsprechend erhöhte Stimmrechte der Komplementäranteile zugrunde 627 . Für die Frage der Zulässigkeit solcher stimmrechtsloser Gesellschaftsanteile entscheidend ist BGH 19.11.1984, NJW 1985, 972. Hierzu im Einzelnen bereits oben I.B.3.a). 623 Zu dieser Anreizstruktur siehe oben B.2.a). 624 Zu der genannten Schutzrichtung des Abspaltungsverbots siehe oben B.2.b). 625 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 366; BGH 4.12.1967, NJW 1968, 396, 397; Hans. OLG 22.2.1989, ZIP 1989, 298, 300; OLG Koblenz 16.1.1992, ZIP 1992, 844; Baumbach/Hopt § 109 Rdnr. 17; Flame, Personengesellschaft 220f.; Gernhuher, JZ 1995, 381, 388; Mülio-Ulmer § 717 Rdnr.9. 626 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 366. 627 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363, 367-371. 621

622

III.

Unternehmensleitung

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nach den Ausführungen des Gerichts die Haftungsbeschränkung zugunsten der Kommanditisten, die deren Ausschluss vom Stimmrecht als unbedenklich erscheinen lasse. Im Ergebnis privilegiert der BGH damit die weitgehende Bevollmächtigung von Mitgesellschaftern gegenüber einer solchen von gesellschaftsfremden Dritten, deren Unwirksamkeit er seinen Entscheidungen zugrunde legt 628 . In der Literatur stößt die Umdeutung des BGH auf Kritik. So gibt Erman zu bedenken, dass es für einen Gesellschafter interessengerechter sein könne, sich von einem gesellschaftsfremden und daher objektiveren Dritten als von einem seinen eigenen Vorteil innerhalb der Gesellschaft verfolgenden Mitgesellschafter vertreten zu lassen 629 . An anderer Stelle wird die Problembewältigung im Wege der Umdeutung gem. §140 BGB schlicht für eine Umgehung des Abspaltungsverbots gehalten 630 . Diesen Einwänden ist die Kapitalmarktorientierung als stimmige Grundlage der Argumentation des BGH zur Umdeutung einer Bevollmächtigung gem. § 140 BGB entgegenzuhalten. Kapitalmarktinteressen vermögen als maßgeblicher Gesichtspunkt die Außenwirkung des organisationsrechtlichen Abspaltungsverbots gem. §717 S. 1 BGB auch im Hinblick auf schuldrechtliche Vereinbarungen der Gesellschafter mit außenstehenden Dritten zu rechtfertigen. Aufgrund der unbeschränkten persönlichen Haftung des von der Umdeutung begünstigten Komplementärs in der oben angeführten Entscheidung des B G H zur Umdeutung werden Kapitalmarktinteressen durch die Umdeutung nicht beeinträchtigt 631 . Die ungeachtet der veränderten Stimmenverhältnisse ermöglichte Aufrechterhaltung einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung kann die Privilegierung einer Bevollmächtigung eines Mitgesellschafters mit Hilfe der Umdeutung gem. § 140 BGB gegenüber einer solchen eines außenstehenden Dritten legitimieren 632 . Wie bereits oben gezeigt, geht auch die herrschende Meinung in der Literatur davon aus, dass der anreizgestützten Verhaltenssteuerung in der Personengesellschaft eine organisationsprägende Bedeutung zukommt 633 . Sie könne insbesondere das Fehlen von Kapitalgarantien und Insolvenzantragspflichten im Personengesellschaftsrecht erklären 634 . Folglich kommt der persönlichen Haftung der Personengesellschafter grundsätzlich die Aufgabe zu, über ihre kapitalersetzende Anreizfunktion Kapitalmarktinteressen zu verwirklichen 635 . 628 Zur Unwirksamkeit einer unwiderruflichen Bevollmächtigung eines Gesellschaftsfremden z.B. BGH 10.11.1951, BGHZ 3, 354; BGH 8.10.1953, LM Nr. 6 zu § 105 HGB. 629 Erman, FS Nipperdey I 277; 285. 630 Jaeniche 97-103; ähnlich auch Bäh, ZGR 1980, 1, 73. 631 BGH 14.5.1956, BGHZ 20, 363,367-371. 632 Demgegenüber unter Außerachtlassung dieser Kapitalmarktorientierung der Begründung des BGH Erman, FS Nipperdey I 277, 285. 633 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 541f. (§18 IV 2.); Wiedemann, JZ 1969, 470, 471; hierzu oben B.2. 634 K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk 307, 315. 635 Entscheidend ist an dieser Stelle nur die Kapitalmarktrelevanz der verhaltenssteuernden

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2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

Demzufolge stellt die persönliche Gesellschafterhaftung als Verhaltenssteuerungsmechanismus den Zusammenhang zwischen dem Abspaltungsverbot als Ausformung marktwirtschaftlicher Lenkungsmechanismen und dem Kapitalmarkt her. Die Verhaltenssteuerung aufgrund persönlicher Gesellschafterhaftung bildet das entscheidende Kriterium für die Bestimmung einer etwaigen Beeinträchtigung von Kapitalmarktinteressen. Hierauf läuft auch die Entscheidung des B G H hinaus, in der er die Übertragung des Stimmrechts auf einen Nichtgesellschafter als unvereinbar mit dem »Wesen« der Gesamthand einstuft, freilich ohne die hierfür erforderlichen Kriterien zu benennen 636 . Im Ergebnis sichert damit auch die Würdigung der Stimmrechtsvollmacht im Lichte des Abspaltungsverbots gem. §717 S. 1 BGB und der ihm zugrunde liegenden anreizgestützten Verhaltenssteuerung einen numerus clausus personengesellschaftlicher Kooperationsformen für einen funktionsfähigen Kapitalmarkt ab 637 .

Übertragung 4. Die schuldrechtliche Geschäftsführungsbefugnissen

von Vertretungs-

und

Die Zulässigkeit einer schuldrechtlichen Übertragung von Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnissen muss an den organisationsrechtlichen Vorgaben des Grundsatzes der Selbstorganschaft gemessen werden. Auch dieser Grundsatz wurzelt im Abspaltungsverbot gem. §717 S. 1 BGB 6 3 8 . Er bindet das Gesellschaftsverhältnis in der Weise an die Personen der Gesellschafter, dass die Organe einer Personengesellschaft nicht erst wie in den Körperschaften besetzt werden müssen, sondern bereits in ihren Mitgliedern vorhanden sind 639 . Hieraus folgt die notwendige mitgliedschaftliche Legitimation aller Leitungsbefugnisse, so dass jedenfalls eine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch Nichtgesellschafter unzulässig ist 640 . Streitig sind seine Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Gesellschafter, die Geschäftsführung abweichend von dem gesetzlichen Regelungsmodell zu gestalten und durch die schuldrechtliche Übertragung von VerWirkung der persönlichen Haftung, nicht deren Effektivität; kritisch zur Effektivität der Kapitalersatzfunktion persönlicher Haftung aus rechtspolitischer Sicht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 542f. (§18 IV 2. c). 636 BGH 8.10.1953, LM Nr. 6 zu § 105 HGB; mangels greifbarer Kriterien kritisch zum Wesensargument Scheuerle, AcP 163 (1964) 429^(71; Teichmann 3-8; C. Weber 151 f.; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 57-92. 637 Im Ergebnis so auch aus der Sicht des Haftungsrechts BGH 27.9.1999, NJW 1999, 3483, 3484f.; zur Sicherung eines numerus clausus der Gesamthandsgemeinschaften gem. §137 S. 1 BGB gegen dinglich wirkende Abspaltungen siehe oben C.l.b). 638 BGH 22.1.1962, BGHZ 36, 292, 293; Werra 35. 639 M. Nitschke 214f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 410 (§ 14 II 2. a); K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk 307, 310. 640 BGH 6.2.1958, BGHZ 26, 330, 333; BGH 22.1.1962, BGHZ 36, 292, 295; BGH 25.5.1964, BGHZ 41, 367, 369; BGH 9.12.1968, BGHZ 51, 198, 200; Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zur Selbstorganschaft bei Jaeniche 172-203; Werra 57-75.

III. Unternehmensleitung

203

tretungs- und Geschäftsführungskompetenzen auf Dritte de facto eine Drittorganschaft zu verwirklichen. Den Anfang nimmt die rechtliche Anerkennung des Prinzips der Selbstorganschaft mit freilich noch anderer Terminologie bei A. Roth, nach dem »... bei individualistischen Organisationsformen die gesellschaftliche Betätigung gerade durch die Verbindung des Gesellschaftszwecks mit der Persönlichkeitssphäre der Mitglieder ... charakterisiert...« ist641. Zu unterscheiden ist bei der weiteren Entwicklung des Grundsatzes der Selbstorganschaft in der Rechtsprechung des BGH zwischen den hieraus abgeleiteten Vorgaben für die Vertretungsregelung (dazu a) und denen für die Geschäftsführungsregelung (dazu b) in der Personengesellschaft. a)

Vertretungsbefugnisse

Für die Auswirkungen auf die Vertretungsregelung in der Personengesellschaft ergeben sich in der Rechtsprechung folgende Befunde: Die Bindung der Vertretungsmacht des einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafters an die Mitwirkung eines Prokuristen ist hiernach unzulässig 642 . Die Selbstorganschaft erfordere die Selbstvertretung durch mindestens einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter, so dass Nichtgesellschaftern keine organschaftliche Vertretungsmacht und auch Kommanditisten nur rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zukommen könne 643 . Die Klage auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis gegen den einzigen Komplementär wird abgewiesen, da ansonsten weder die aktive noch die passive Vertretung der KG gewährleistet und damit ein rechtlich unmöglicher Zustand verwirklicht werde 644 . Durch die Generalbevollmächtigung eines außenstehenden Dritten kommt diesem nach der Rechtsprechung nicht die gesetzliche (organschaftliche) Vertretung zu, die bei den zur Vertretung berufenen Gesellschaftern verbleibt 645 . Diese Anwendung des Prinzips der Selbstorganschaft auf die Vertretungsregelungen in der Personengesellschaft bestätigt die diesem Prinzip und dem seiner Rechtsgrundlage in § 717 S. 1 BGB zugrunde liegenden Prämissen. Wie schon für das Abspaltungsverbot oben ausgeführt 646 , verwirklicht auch die zwingende Vertretung der Personengesellschaft durch einen persönlich haftenden Gesellschafter 641 LZ 1912, 266f.; in diesem Sinne mit der Bezeichnung als »Selbstorganschaft« auch schon Wieland I 474. 642 BGH 6.2.1958, BGHZ 26, 330, 333. 643 BGH 11.7.1960, BGHZ 33, 105, 108f.; BGH 25.5.1964, BGHZ 41, 367, 369; BGH 20.9.1993, WM 1994,237,238; zur darauf basierenden Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht für einen Kommanditisten unter der Voraussetzung der verbleibenden gesetzlichen Vertretungsmacht des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters BGH 15.1.1968, WM 1968, 509. 644 BGH 9.12.1968, BGHZ 51, 198, 200. 645 BGH 22.1.1962, BGHZ 36, 292, 295. 646 Siehe B.2.a).

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2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

in seiner Auswirkung letztlich eine anreizgestützte Verhaltenssteuerung aufgrund des marktwirtschaftlichen Verantwortlichkeitsprinzips. Nur eine solche anreizgestützte Verhaltenssteuerung sichert die Berücksichtigung von Kosten und Nutzen bei der wirtschaftlichen Entscheidungsfindung. Demzufolge schützt der Grundsatz der Selbstorganschaft mit dem Zusammentreffen von Vertretungsbefugnis zur Unternehmensleitung und unbeschränkter Haftung Mitgesellschafter und den Rechtsverkehr vor vermeidbaren Fehlentscheidungen der vertretungsbefugten Gesellschafter 647 . Damit erweist sich diese anreizgestützte Verhaltenssteuerung, wie schon anhand des Abspaltungsverbots im Allgemeinen gezeigt, als Funktionsbedingung für marktersetzende Kontrollmechanismen. Letztere sind unabdingbare Voraussetzung für einen marktersetzenden Interessenausgleich in und mit der Personengesellschaft 648 . Dieser Interessenausgleich tritt an die Stelle anderer Kontrollmechanismen, die in den Kapitalgesellschaften eine Verhaltenssteuerung bei der Unternehmensleitung im Interesse von Gesellschaftern und Rechtsverkehr gewährleisten. Hier werden in der Literatur insbesondere die Kapitalgarantien im Kapitalgesellschaftsrecht in Bezug genommen 649 . Zwar ersetzt die persönliche Haftung in der Personengesellschaft in ihrem Umfang sicher nicht die Kapitalsicherung 650 . Auch kommt es für die Rechtfertigung des Grundsatzes der Selbstorganschaft nicht entscheidend auf eine etwaige Täuschung des Rechtsverkehrs infolge einer organschaftlichen Vertretungsmacht eines nicht unbeschränkt haftenden Gesellschafters an 651 . Ebenso wenig steht bei der Selbstorganschaft der Gesellschafterschutz vor einer mit der Selbstentmündigung einer natürlichen Person vergleichbaren Entmachtung im Vordergrund des Interesses 652 . Stattdessen stellt die Selbstorganschaft in ihrer Ausprägung durch die Rechtsprechung zur Vertretungsregelung auf Seiten der Unternehmensleitung die personengesellschaftsprägende Anreizstruktur sicher. Für die Anreize der Unternehmensleitung der Personengesellschaft hat dies eine marktwirtschaftstypische Verknüpfung zwischen dem Markterfolg sowie der Vermögenslage des Unternehmens der Gesellschaft und der Vermögenssituation des vertretungsberechtigten Gesellschafters zur Folge. Insoweit ist K. Schmidt darin zuzustimmen, dass in Anbetracht der gesetzgeberisch verankerten Kapitalgarantien und Insolvenzantragspflichten - hinzufügen könnte man den Aktienmarkt als ökonomisch wirkenden Disziplinierungsmechanismus - am Organschaftsmono-

647 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 413f. (§14 II 2. e); Wiedemann, JZ 1969, 471; Zu dieser Schutzrichtung der Verhaltenssteuerung auch schon oben B.2.b). 6 4 8 Hierzu siehe oben anhand der Kategorien von Abwanderung und Widerspruch Erster Teil II.C.l.c). 6 4 9 Siehe z.B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 540f. (§ 18 IV 1. b); hierzu schon oben 3.d). 6 5 0 So die Kritik an der Selbstorganschaft Bürck 125; Reinhardt/Schultz Rdnr. 169, S. 81 f. 6 5 1 Entsprechende Kritik, dass die Täuschungsgefahr ohne Selbstorganschaft nicht größer sei als bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung bei Brox, FS Westermann 21,28; Oldenburg 172-174. 6 5 2 So M. Nitschke 240; kritisch hierzu Knohhe-Keuk, Z H R 137 (1973) 182, 184.

III.

Unternehmensleitung

205

pol des unbeschränkt Haftenden festgehalten werden muss 653 . Demgegenüber ist seine Skepsis einzuschränken, »... ob in all dem ein Strukturprinzip der Personengesellschaft wirksam ist« 654 . Die anreizgestützte Verhaltenssteuerung der Personengesellschafter nicht durch Anreize eines Sekundärmarktes, sondern durch den von den Gesellschaftern selbst konstituierten Marktersatz bildet nach dem derzeitigen Befund ein wesentliches Charakteristikum und Strukturprinzip des Personengesellschaftsrechts 655 . Vor diesem Hintergrund muss einigen Einwänden der Literatur gegen die Selbstorganschaft entgegengetreten werden. So erscheint die Zulässigkeit einer juristischen Person als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan nicht notwendigerweise als inkonsequent 6 5 6 . Das Verhalten der Geschäftsführung dieser juristischen Person und damit auch der betroffenen Personengesellschaft wird durch andere Anreize wie die haftungsauslösende Insolvenzantragspflicht gesteuert. Insofern mag die unmittelbare Verhaltenssteuerung durch Haftungsanreize überlagert werden und in den Hintergrund treten. Inwieweit hierbei der eine Steuerungsmechanismus den anderen zu ersetzen vermag, kann sich letztlich erst aufgrund einer Würdigung der Haftungsfragen ergeben und ist daher den haftungsrechtlichen Erörterungen vorbehalten 657 . Die Folgerichtigkeit anderer Einschränkungen der Selbstorganschaft

er-

schließt sich erst unter Berücksichtigung der wesentlichen Funktionsbedingung für die Steuerungswirkung persönlicher Haftung bei der Unternehmensleitung, nämlich insbesondere der resultierenden Parallelität von Gesellschafter- und Gesellschaftsinteresse. Diese Interessenparallelität reflektiert die personale Bindung des gemeinsamen Zwecks in der idealtypischen Personengesellschaft 658 . Der Funktionszusammenhang zwischen persönlicher Haftung und Interessenparallelität erhellt die Grenzen des Geltungsanspruchs der Selbstorganschaft in der wirtschaftlichen Existenz einer Personengesellschaft. E r besteht nicht bei der Liquidation einer Personengesellschaft. Hier tritt das Interesse an höchstmöglichem Profit auf Seiten aller Gesellschafter an die Stelle der Interessenparallelität 659 . Die Gesellschafter verfolgen nicht mehr gemeinsam das Ziel eines möglichst hohen Kooperationsgewinns mit der Tätigkeit der Gesellschaft am Markt, sondern be-

653 K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk 307, 315; zur Kontrollwirkung des Marktes für Unternehmenskontrolle Manne,]. Pol. Econ. 73 (1965) 110-120; zu den in Betracht kommenden marktlichen Kontrollmechanismen siehe oben Erster Teil I.C.3. 654 K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk 307, 317. 655 Siehe oben Zweiter Teil I.A. 4. und 5. sowie unten Dritter Teil II.B.l., 2. 656 So die implizite Kritik bei Boeseheck 18; Bürck 29; Heidemann 98-102; Ott 247; H. P. Westermann 280. 657 Hierzu Vierter Teil. 658 Mugdan I 395; Zur Uberindividualität der Körperschaften Rittner 210-212; Gegenüberstellung von idealtypischer Vertragsgesellschaft und an einem überindividuellen Leitbild orientierter Satzungsgesellschaft im Personengesellschaftsrecht bei Reuter 60-63. 659 So auch schon Reuter 184.

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2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

finden sich in einem Null-Summen-Spiel bei der Verteilung des vorhandenen Kooperationsergebnisses 660 . Damit entfallen die Funktionsbedingungen für eine Verhaltenssteuerung der Gesellschafter durch Haftungsanreize. Konsequent sieht § 146 HGB die Einsetzung von gesellschaftsfremden Liquidatoren vor. Das Gesetz trägt damit der Ausnahmesituation in der nicht mehr werbenden Gesellschaft Rechnung. Es bestätigt im Umkehrschluss die Bedeutung einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung während der werbenden Tätigkeit einer Personengesellschaft und weicht insoweit keinesfalls den Grundsatz der Selbstorganschaft auf 661 .

b)

Geschäftsführungsbefugnisse

Der Gedanke einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung auf der Grundlage der Selbstorganschaft in der Personengesellschaft ist auch anhand der Bedeutung dieses Grundsatzes für die Regelung der Geschäftsführung in der Personengesellschaft zu überprüfen. So deutet die frühe Rechtsprechung des B G H darauf hin, dass einem Nichtgesellschafter keine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis übertragen werden kann 662 . Seine abgeleitete Geschäftsführungsbefugnis ist demzufolge jederzeit auch ohne wichtigen Grund widerruflich und weisungsgebunden 663 . Durch den Ausschluss von Nichtgesellschaftern von einer organschaftlichen Geschäftsführung verhindert die Rechtsprechung, dass ein Gesellschaftsfremder auf die Unternehmensleitung Einfluss nimmt, ohne in seinem Verhalten aufgrund einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen durch Haftungsanreize gesteuert zu werden. Dies ändert sich bei einer mittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft als stiller Gesellschafter oder Treugeber. Dem trägt die Rechtsprechung dadurch Rechnung, dass sie eine Einräumung umfassender, unabhängiger Geschäftsführungsrechte an diese mittelbar Beteiligten im Innenverhältnis für zulässig hält 664 . In diesen Fällen treten die mittelbar Beteiligten zwar nicht als Gesellschafter nach außen, aber gleichwohl ist aufgrund ihrer vermögensmäßigen Beteiligung ein Interessengleichlauf mit dem Gesellschaftsinteresse und damit auch eine anreizgestützte Verhaltenssteuerung gegeben. Auch eine Entscheidung des B G H zur Einräumung eines Widerspruchs- und Stimmrechts an einen Nichtgesellschafter bricht nicht mit diesem Grundsatz, wenngleich die 6 6 0 A l s N u l l s u m m e n s p i e l bezeichnet man strikt kompetitive Spiele, bei denen der G e w i n n eines Spielers immer auf Kosten des anderen geht {Holler/Illing 56). 661 So aber Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1595f.; Bürck 47; Heidemann 106-110; H.P. Westermann, Gestaltungsfreiheit 333; demgegenüber Einordnung der Liquidation als » m o d i f i z i e r t e Selbstorganschaft« b e i i f . Schmidt, Z H R 1 5 3 (1989) 270,288f.; ähnlich schon zur Einschränkung der Unzulässigkeit einer statutarisch vermittelten Drittorganschaft oben 2. 662 B G H 2 2 . 1 . 1 9 6 2 , B G H Z 36, 292, 293. 663 B G H 12.11.1952, B G H Z 8, 35, 46f.; B G H 2 7 . 6 . 1 9 5 5 , B G H Z 17, 392, 394f. 664 Z u m stillen Gesellschafter: B G H 2 9 . 1 1 . 1 9 5 2 , B G H Z 8, 157,160; B G H 6 . 1 1 . 1 9 6 3 , W M 1964, 296; B G H 18.10.1965, W M 1966, 29, 30; mittelbar auch in B G H 17.12.1984, W M 1985, 284; zur offenen Treuhand B G H 13.5.1953, B G H Z 10, 44.

III.

Unternehmensleitung

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Literatur diese Entscheidung als eine bedeutende Einschränkung der Selbstorganschaft wertet 665 . Mit dem Gesichtspunkt einer Verhaltenssteuerung aufgrund der Selbstorganschaft erscheint die genannte Entscheidung nicht völlig unvereinbar. Es klagt der mit Stimm- und Widerspruchsrechten ausgestattete Wirtschaftsberater auf die Fortzahlung seiner Bezüge. Unmittelbar von der Entscheidung betroffen wird demzufolge die Frage des dienstvertraglichen Vergütungsanspruchs, nicht aber die Frage einer unternehmensleitenden Einwirkung des Wirtschaftsberaters auf die Personengesellschaft 666 . Ungeachtet der Bedenklichkeit der Gestaltung unter dem Gesichtspunkt des Abspaltungsverbots fehlen daher für ein Eingreifen des Grundsatzes der Selbstorganschaft die entscheidenden Ansatzpunkte für eine bei der Marktteilnahme der Personengesellschaft wirksam werdende anreizgestützte Verhaltenssteuerung 667 . Ebenso ist die in der Rechtsprechung herausgearbeitete weitgehende Freiheit der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die Geschäftsführungsrechte der Kommanditisten zu erweitern, auf ihre Vereinbarkeit mit der Leitidee einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung als Grundlage der Selbstorganschaft zu überprüfen. So räumt der B G H den Gesellschaftern die Möglichkeit ein, dem Kommanditisten eine organschaftliche, nur gem. §117 H G B entziehbare Geschäftsführungsbefugnis zu übertragen 668 . Auch kann dem einzigen Komplementär nach der Rechtsprechung anders als im Fall der organschaftlichen Vertretungsmacht durchaus die Geschäftsführungsbefugis durch Klage entzogen werden 669 . Beide Leitentscheidungen betreffen vorrangig das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander. Die erstgenannte Entscheidung betrifft die Befreiung von § 181 BGB, da hier Kommanditisten einer G m b H & Co KG zusätzlich auf Seiten der G m b H beim Eintritt der G m b H in den Gesellschaftsvertrag beteiligt waren 670 . Die zweitgenannte Entscheidung betrifft die Bindung des Komplementärs als Vertretungsorgan im Innenverhältnis an die Mitwirkung der Kommanditisten 671 . Nicht unmittelbar betroffen wird hierdurch die Auswirkung ei665

B G H 22.2.1960, JZ 1960, 490; aus der Literatur kritisch Bäk, Z G R 1980, 1, 50; Helm/ Wagner, BB 1979, 225, 233; H.P. Westermann, Gestaltungsfreiheit 341-360. 666 Ahnlich differenzierend zwischen der organschaftlichen und der dienstvertraglichen Ebene Baumbach/Hopt § 114 Rdnr. 24. 667 Kritisch zu den kritischen Literaturstimmen im Zusammenhang mit dieser Entscheidung auch schon Werra 129; unter Ausblendung der für die Selbstorganschaft maßgeblichen Außenwirkung demgegenüber aus der Binnenbefugnis eine Einschränkung der Selbstorganschaft folgernd Bergmann 254-261. 668 B G H 15.1.1968, W M 1968,509; B G H 4.3.1976, BB 1976,526. 669 B G H 9.12.1968, B G H Z 51, 198; für die G m b H & Co K G B G H 25.4.1983, N J W 1984, 173. 670 B G H 15.1.1968, W M 1968, 509, 510. 671 B G H 9.12.1968, B G H Z 51, 198, 201f. (»Eine Außenwirkung im Rechtsverkehr der Gesellschaft mit Dritten hat die Entziehung nicht ...«); ähnliche Ausrichtung der Reichweite der Selbstorganschaft anhand der Auswirkung im Außen-, bzw. in der genannten Entscheidung im Innenverhältnis bei Reuter 183.

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2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

ner unternehmensleitenden Tätigkeit auf die Marktteilnahme der Gesellschaft. Ein Transfer des unternehmerischen Erfolgs der Gesellschaft zur persönlichen Vermögenssituation des handelnden Gesellschafters kann demzufolge nicht stattfinden. Daher greift hier auch der Gedanke einer etwaigen anreizgestützten Verhaltenssteuerung nicht. c) Grenzen der

Gestaltungsfreiheit

Mit der Gegenüberstellung der Auswirkungen des Grundsatzes der Selbstorganschaft auf die Vertretungs- und auf die Geschäftsführungsregelung wird die primäre Zielrichtung dieses Prinzips deutlich. Die Selbstorganschaft sichert auf Seiten der Unternehmensleitung Anreizmechanismen, die auf dem engen marktwirtschaftstypischen Zusammenhang zwischen dem Markterfolg des Unternehmens und der Vermögenslage des unternehmensleitenden Gesellschafters und der hieraus resultierenden Verhaltenssteuerung beruhen. Diese Zusammenhänge könnten aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen außer Kraft gesetzt werden, wenn die Vertretungs- oder Geschäftsführungsbefugnis einem nicht unbeschränkt haftenden Gesellschafter übertragen wird. Der Grundsatz der Selbstorganschaft greift in solchen Fällen nur dann als Schranke der Gestaltungsfreiheit der Personengesellschafter ein, wenn die unternehmerische Marktteilnahme der Gesellschaft den Anknüpfungspunkt für das Handeln des vertretungs-, bzw. geschäftsführungsbefugten Gesellschafters bildet. Nur bei dieser Konstellation kann sich der Markterfolg der Gesellschaft mit motivationssteigernder Wirkung auf die Teilhabe des handelnden Gesellschafters am wirtschaftlichen Erfolg niederschlagen. Erst bei dieser Sachlage lässt sich von einer potenziellen anreizgestützten Verhaltenssteuerung sprechen. Sie wird durch eine Vertretung oder Geschäftsführung durch einen Nichtgesellschafter außer Kraft gesetzt, womit sich das Verbot einer organschaftlichen Vertretungsund Geschäftsführungsbefugnis für Nichtgesellschafter begründen lässt 672 . Für das Handeln eines Gesellschafters erweist sich dessen Außenbezug zur Marktteilnahme der Gesellschaft als entscheidendes Kriterium für das Wirksamwerden einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung und damit für ein Eingreifen des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Bestätigt wird dies durch die Zulässigkeit organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnisse für den Kommanditisten im Gegensatz zu seiner lediglich rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis 673 . Der Kern des Grundsatzes der Selbstorganschaft zeigt sich beim Handeln eines Gesellschafters erst in dessen Außenwirkung auf die Marktteilnahme der Gesellschaft. Damit lässt sich der Regelungsgehalt dieses organisationsrechtlichen Prinzips erst im Verhältnis zu Dritten bestimmen. Wie bereits bei der Umdeutung gem. § 140 672 BGH 6.2.1958, BGHZ 26,330, 333; BGHZ 33,105, 108; BGH 22.1.1962, BGHZ 36,292, 295; BGH 25.5.1964, BGHZ 41, 367, 369; BGH 9.12.1968, BGHZ 51, 198, 200. 673 BGH 15.1.1968, WM 1968, 509, 510; BGH 9.12.1968, BGHZ 51, 198, 200.

III.

Unternehmensleitung

209

BGB einer aufgrund des Abspaltungsverbots unwirksamen Vollmacht erweisen sich auch für die Anwendung des Grundsatzes der Selbstorganschaft Kapitalmarktinteressen als maßgeblicher Bestimmungsfaktor 674 . Erst wenn sie beeinträchtigt werden durch die Außerkraftsetzung des marktwirtschaftstypischen Zusammenhangs zwischen Markterfolg des Gesellschaftsunternehmens und Vermögenslage der Gesellschafter, beschränkt die Selbstorganschaft die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Damit bezeichnet der Kapitalmarkt die Grenzen personengesellschaftsrechtlicher Typenbildung. Dies reflektieren auch die Ergebnisse insbesondere in der Rechtsprechung, die zwar nicht ausdrücklich die marktlichen Anknüpfungspunkte in Bezug nimmt, in der Sache aber auch auf strikt dogmatischer Grundlage zu ähnlichen, insgesamt stimmigen Ergebnissen gelangt. Damit erscheint der Nachweis einer kapitalmarktlichen, einleitend in dieser Arbeit bereits in ihrer Notwendigkeit hervorgehobenen Legitimation der deutschen Personengesellschaft auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Wettbewerbs der Gesellschaftsformen durchaus möglich. Die personengesellschaftlichen Gestaltungen im deutschen Recht wären demnach ein wichtiges Element der kapitalmarktlichen Erfordernisse, die an die Gesellschaftsformen im deutschen Recht zu stellen sind. (1) Die Holiday Inn-Entscheidung. Die Grenzen einer kapitalmarktlich fundierten Vertragsgestaltung im deutschen Personengesellschaftsrecht werden in der Holiday /««-Entscheidung des BGH erreicht 675 . Gegenstand der Entscheidung ist ein Managementvertrag zwischen einer Hotelkette und einer Familien-KG, auf dessen Grundlage die Hotelkette das Hotel im Namen und für Rechnung der Familien-KG führen soll. Diese Hotelführung geht einher mit weitgehenden weisungsfreien Geschäftsführungsbefugnissen und Bevollmächtigungen der Hotelkette. Kernfrage der Entscheidung ist letztlich, ob diese schuldrechtlich begründeten Geschäftsführungsbefugnisse die Qualität organschaftlicher Befugnisse mit der Konsequenz eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft erreichen 676 . Der BGH verneint dies wegen der spezifischen Abhängigkeit der Hotelkette von den Gesellschaftern der Familien-KG im Hinblick auf die Unternehmensleitung 677 . Die Abhängigkeit begründet er im Einzelnen mit dem vertraglich festgelegten Maßstab für die Hotelführung in Verbindung mit den Mitwirkungs-, Kontroll- und Einsichtsrechten der Familiengesellschafter sowie dem Erfüllungsanspruch, den Schadensersatzansprüchen und den Kündigungsmög-

Zur Umdeutung und den durch sie verwirklichten Kapitalmarktinteressen siehe oben 3.d). BGH 5.10.1981, NJW 1982, 1817. 676 So Werra 97; demgegenüber hier zwischen organisationsrechtlichem und bloßem schuldrechtlichen Managementvertrag klar unterscheidend Bergmann 563f. 677 BGH 5.10.1981, NJW 1982, 1817, 1818. 674 675

210

2. Teil: Gesellschaftsinterner

Interessenausgleich

lichkeiten 678 . Hieraus folgert er, dass die Verantwortung für die Hotelführung bei der Familien-KG geblieben sei, und gesteht ihr ein Kündigungsrecht immerhin dann zu, wenn die Hotelführung über vorübergehende Durststrecken hinaus keinen Ertrag mehr abwerfe 679 . Letzteres sei insbesondere dann der Fall, wenn die Hotelkette ihren Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkommen könne und eine gewisse Rendite des eingesetzten Eigenkapitals nicht mehr gewährleistet sei 680 . Damit ersetzt das Kündigungsrecht der Familien-KG die unmittelbare unternehmerische Steuerung bei der Hotelführung 681 . Indem der BGH dieses Kündigungsrecht jedoch nicht an die eigene unternehmerische Entscheidung der Familien-KG, sondern an die Entwicklung auf dem Kapitalmarkt bindet, ersetzt er den für die Personengesellschaft konstitutiven gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess durch einen Drittmarkt. Hierdurch wird die personengesellschaftstypische anreizgestützte Verhaltenssteuerung der Personengesellschafter aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem Markterfolg des Gesellschaftsunternehmens auf dem betroffenen Sachleistungsmarkt und der Vermögenslage des Gesellschafters zugunsten einer Integration von Kapitalmarktmaßstäben außer Kraft gesetzt. Der Außerkraftsetzung dieser Anreizstruktur trägt U. Huber in seiner Beurteilung des Managementvertrages als nichtig zutreffend mit dem Hinweis Rechnung, dass wegen der Offensichtlichkeit des Interessengegensatzes nicht mit der Wahrung der Eigentümerinteressen gerechnet werden könne 682 . Mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft lässt sich eine solch weitgehende Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen und Bevollmächtigungen bei bloßer kapitalmarktlich gesteuerter Kündbarkeit nicht mehr vereinbaren 683 . Gleichwohl schränkt der BGH die von ihm für ausreichend befundene Kapitalmarktanbindung der Unternehmenskontrolle für die Familien-KG insoweit ein, als er eine Sittenwidrigkeit des Vertrages unter dem Gesichtspunkt eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung für möglich hält 684 . Diese Lücke schließt das OLG München auf Rückverweisung. Konsequent erscheint im Lichte der oben geäußerten Bedenken seine Abweisung der Klage der Hotelkette wegen Sittenwidrigkeit des Managementvertrages gem. §138 BGB 685 . Die Sittenwidrigkeit begründet das Gericht mit dem Missverhältnis zwischen Leis678 BGH 5.10.1981, NJW 1982, 1817, 1818; ähnlich hebt Baumbach/Hopt § 115 Rdnr.24 die Kontroll- und Planungsbefugnis der Gesellschafter hervor; ebenso für den Betriebsführungsvertrag MüKo-Mülbert Konzernrecht Rdnr. 319. 679 BGH 5.10.1981, NJW 1982, 1817, 1818. 680 BGH 5.10.1981, NJW 1982, 1817, 1818. 681 Ahnlich zum Zusammenhang zwischen Widerruflichkeit und Haftung Werra 94. 682 U. Huber, ZHR152 (1988) 1,23; unter Hinweis auf die daraus resultierende konzernrechtliche Verlustausgleichspflicht Windbichler, ZIP 1987, 825, 828f. 683 Kritisch auch Heymann-Emmerich § 114 Rdnr. 28; Jaeniche 50-53; Reuter, JZ 1986, 16, 18; skeptisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 411 f. (§14 II 2. b); GroßKommHGB'-Wmer §109 Rdnr. 35 Fn.59; H.P. Westermann, FS Lutter 955, 965; Zinn 126f. 684 BGH 5.10.1981, NJW 1982, 1817, 1818. 685 OLG München ZIP 1987, 849.

III.

Unternehmensleitung

211

tung und Gegenleistung, da aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen eine Verschlechterung des Betriebsergebnisses die Familien-KG ungleich härter treffe als die Hotelkette 686 . Anders als der B G H legt das O L G München nicht Kapitalmarktmaßstäbe für die Disziplinierung der Beklagten bei der Kündigung an, sondern überprüft deren Kontrolle durch den unmittelbar eingreifenden Sachleistungsmarkt. Letztlich wird damit die Anreizverzerrung bei der Unternehmensleitung als Begründung für die Nichtigkeit des ihr zugrunde liegenden Vertrages herangezogen 687 . Sie ist Konsequenz der Außerkraftsetzung der personengesellschaftstypischen anreizgestützten Verhaltenssteuerung und der darauf basierenden Verletzung des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Im Ergebnis erweist sich bei der Übertragung weitreichender Geschäftsführungsbefugnisse auf Dritte und entsprechender Bevollmächtigungen die freie Widerruflichkeit als eine wesentliche Voraussetzung für eine anreizgestützte Verhaltenssteuerung der Gesellschafter bei der Unternehmensleitung und damit für die Wahrung des Grundsatzes der Selbstorganschaft 688 . (2) Die »faktische« Drittorganschaft durch besondere Geschäftsführungsgestaltungen. Diese Beibehaltung einer anreizgestüzten Verhaltenssteuerung aufgrund einer freien Widerruflichkeit der rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis erscheint allerdings im Lichte mancher gesellschaftsvertraglicher Ausgestaltungen der Geschäftsführung und Vertretung zweifelhaft. Grundsätzlich verwirklicht die Praxis bereits durch die Kombination organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis und Prokuraerteilung auf Seiten des Kommanditisten eine »faktisch« organschaftliche Stellung des Kommanditisten 689 . Gleichwohl schlägt bei dieser Gestaltung infolge der freien Widerruflichkeit der Prokura (§ 52 Abs. 1 S. 1 H G B ) zunächst noch die anreizgestützte Verhaltenssteuerung insbesondere auf die persönlich haftenden Gesellschafter durch 690 . Darüber hinaus gehen allerdings Gestaltungen, bei denen dem Kommanditisten eine nur nach Maßgabe des §117 H G B widerrufliche Prokura erteilt wird 691 . Hier schlägt sich der über die UnterO L G München ZIP 1987, 849, 850. Entsprechender Hinweis auf die nicht gewinn-, sondern bloß umsatzbezogene Vergütungsregelung bei Werra 118. 688 Bürck 117; Helm/Wagner, B B 1979, 225, 229; Reuter, FS Steindorff 229, 236; Werra 119; a.A. Oldenburg 206f.; Ott, Typenzwang 248f.; Teichmann 121,125jH.P. Westermann, Vertragsfreiheit 445. 6 8 9 Beispiele in der Rechtsprechung: B G H 27.6.1955, B G H Z 17, 392; B G H 15.1.1968, W M 1968,509; B G H 4.3.1976, B B 1976,526; entsprechend weitgehende Befugnisse für einen Dritten zugrunde gelegt in der Entscheidung des B G H 20.9.1993, W M 1994, 237, 238; daher hält K. Schmidt (Gesellschaftsrecht 418) die Selbstorganschaft für keine unüberwindliche Schwierigkeit für die >Gestaltungspraxis/jf § 311 Rdnr. 100; lediglich eine Parallelität der Schutzrichtung zugrunde legend Emmerich/Habersack-Habersack §311 Rdnr. 89; auf gemeinsame Wertungsgrundlagen hinweisend auch Paschke, FS Serick 313, 326f.

326

3. Teil: Organisationsrechtliche

Konzerneinbindung

eine parallele Haftung des herrschenden Unternehmens gegenüber einer abhängigen Aktiengesellschaft wegen Treuepflichtverletzung bedenklich 658 . Demgegenüber lassen sich die §§311 ff. AktG aufgrund eines umfassenden treuepflichtbedingten Verbots der nachteiligen Einflussnahme nicht auf die GmbH anwenden 659 . Folglich erfüllt die Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters mit der bei Verletzung resultierenden Schadensersatzpflicht in der abhängigen GmbH die im Aktienrecht von §311 AktG wahrgenommene Ausgleichsfunktion 660 . Statt die Rechtsfolgen einer organisationsrechtlich vermittelten Abhängigkeit löst die Beherrschung einer GmbH die Rechtsfolgen einer tendenziell zumindest auch schuldrechtlich geprägten Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters aus 661 . Dies verdeutlicht, dass die dem herrschenden Gesellschafter gegenüber den außenstehenden Gesellschaftern obliegende Treuepflicht auch Marktverhältnisse und nicht lediglich Verbandsverhältnisse regelt 662 . Dessen ungeachtet kann der Minderheitsgesellschafter zwar Ersatz des durch die Treuepflichtverletzung entstandenen Schadens nur an die Gesellschaft verlangen 663 . Diese Folge der actio pro socio beruht jedoch auf der Fortführung des Organisationsverhältnisses, nicht aber notwendig auf einer ausschließlich verbandsrechtlichen Grundlage des Anspruchs. Wie bereits bei der Nebenleistungs-AG ausführlich gezeigt, lassen sich auch bei der rechtlichen Durchführung von Nebenleistungspflichten in der G m b H gem. §3 Abs. 2 GmbHG ungeachtet ihrer insgesamt gesellschaftsrechtlichen Verankerung schuldrechtliche Regelungselemente ausmachen 664 . Greifbar wird dies etwa bei der Anwendung der §§320ff. BGB sowie kaufrechtlicher Gewährleistungsregeln auf etwaige Leistungsstörungen 665 . Daher lässt sich auch die mehrheitsbezogene Treuepflicht in ihren Rechtsgrundlagen nicht ausschließlich personenrechtlich - wie die Treuepflicht des Minderheitsgesellschafters gegenüber der Gesellschaft - , sondern daneben schuldrechtlich einordnen 666 . Rechtli658 Emmerich/Habersack-Habersack §311 Rdnr. 90; M ü K o A k t G - K r o p f f §317 Rdnr.112; Mülbert, ZHR 163 (1999) 1, 26f. Fn.96; Paschke, FS Serick 313, 326f.; a.A. aber Ehricke 439; Henze, BB 1996, 489, 499; Tröger 210-213; Zöllner, ZHR 162 (1998) 235, 244f. 659 BGH5.6.1975,BGHZ65,15,18f.;Baumbach//faec&-Zö7/«er GmbH-KonzernR Rdnrn. 53a, 55; Lutter/Hommelhoff Anh § 13 Rdnr. 16; Winter 113. 660 Ahnlich für den Gleichordnungskonzern auch schon Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 564-567; Wiedemann, JZ 1976, 392, 395. 661 Zur schuldrechtlichen Prägung der Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters gegenüber den Mitgesellschaftern H ü f f e r , FS Steindorff 59, 66f.; Winter lOf. 662 Zum Nebeneinander dieser Verhältnisse bei der Bestimmung der Treuepflicht OLG Karlsruhe 4.5.1999, NZG 2000, 264, 270. 663 So für die Personengesellschaft Baumbach/Hopt §105 Rdnr. 103; M. Winter 11. 664 Hierzu oben II.B.4.e). 665 Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich §3 Rdnr. 49; Scholz-Emmerich §3 Rdnrn. 56. 666 Vergleichbare Abstufung personenrechtlicher und schuldrechtlicher Treuepflichten schon bei Kulms 43-49; von einer entsprechenden Doppelfunktionalität der Treuepflicht geht auch Wellenhofer-Klein (186f.) aus, mit der sie deren Ubertragbarkeit auf den schuldrechtlichen Zulie-

V. Interessenausgleich

im

Gleichordnungskonzern

32 7

che Grundlage hierfür ist nicht eine neben der G m b H bestehende personengleiche Gesellschaft bürgerlichen Rechts 6 6 7 bzw. eine BGB-Innengesellschaft 6 6 8 . Vielmehr enthält das Gesellschaftsverhältnis

der personalistisch

geprägten

G m b H auch einzelne schuldrechtliche Regelungselemente, die freilich überwiegend durch das Organisationsrecht überlagert werden 669 . Insoweit lässt die Treuepflicht des herrschenden GmbH-Gesellschafters ungeachtet der grundsätzlichen Prägekraft der organisationsrechtlichen Wirkung der GmbH-Satzung, in vergleichbarer Weise wie der organisationsrechtlich wirkende Beherrschungsvertrag gem. § 291 A k t G das Nebeneinander von Organisations- und Schuldrecht im Beherrschungsverhältnis aufscheinen 670 .

3. Interessengleichklang und -ausgleich durch in der Personengesellschaft

Treuepflichten

Für die interessenausgleichende Funktion der Treuepflicht des mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Personengesellschafters gegenüber der Minderheit lassen sich die Befunde zur /TT-Entscheidung fortschreiben. Auch im Personengesellschaftsrecht ist die Treuepflicht des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft von der der Gesellschafter untereinander zu unterscheiden 671 . Die Funktion der erstgenannten Treuepflicht, den Interessengleichklang der Gesellschafter untereinander im Wege einer Zustimmungspflicht kraft Treubindung bei Vertragsänderungen zu gewährleisten, wurde bereits oben herausgearbeitet 672 . Für den Interessenausgleich zwischen einem »herrschenden« Gesellschafter und den außenstehenden Gesellschaftern kann die Treuepflicht hingegen nicht am Interessengleichklang ansetzen, sondern muss die besondere Stellung des Gesellschafters und seine besonderen Einflussmöglichkeiten berücksichtigen. Dieser unterschiedliche Ansatz rückt in der Literatur zum Teil in den Hintergrund, wenn dort die Treuepflicht unterschiedslos als eine Hauptpflicht charakterisiert wird, die jeder Gesellschafter schulde, und als Rechtsgrundlage auf die allgemeine Zweckför-

fervertrag begründet; Ablehnung einer satzungsrechtlichen Grundlage der gesellschafterbezogenen Treuepflicht und stattdessen Zugrundelegung richterlicher Rechtsfortbildung bei Pascbke, FS Serick 313, 318-320. 667 Hachenburg5 Allgemeine Einleitung Rdnr.25; Hoffmann, G m b H R 1963, 61, 63. 668 yerhoeven Rdnr.204, 207; ähnlich auch Reiner 156. 669 Hierzu oben C.2.d); ähnlich zur Beherrschung einer Aktiengesellschaft Sapper 131; zum Hineinwirken schuldrechtlicher Beziehungen in die Bestimmung der Treuepflicht O L G Karlsruhe 4.5.1999, N Z G 2000, 264, 270. 670 Siehe zum Beherrschungsvertrag oben III.B.4. und 5.; Sapper 132; in der Tendenz, wenngleich die Treuepflicht als selbständige Kategorie ablehnend, aber auf schuldrechtlichen Regelungsgehalt hinweisend, Reiner 155f. 671 MüYLo-Ulmer §705 Rdnrn. 226-229; Schlegelberger-K. Schmidt § 105 Rdnr. 162. 672 Siehe oben Zweiter Teil I.C.

328

3. Teil: Organisationsrechtliche

Konzerneinbindung

derungspflicht gem. § 705 B G B hingewiesen wird 6 7 3 . Demgegenüber eröffnet der Rückgriff auf §242 B G B die Möglichkeit, insbesondere bei der Bestimmung der Pflichten des Gesellschafters mit besonderem Einwirkungspotenzial seiner hervorgehobenen Stellung und seinen gesteigerten Einflussmöglichkeiten Rechnung zu tragen und das Gesellschaftsinteresse als gesondert zu bestimmenden Maßstab anzulegen 6 7 4 . Eine vermittelnde Lösung erfasst die besondere Dimension dieser Treuepflicht des Personengesellschafters mit erhöhtem Einflusspotenzial nicht. Sie will lediglich inhaltliche Schranken bei der Ausübung von Gesellschafterrechten mit § 242 B G B begründen, während es nach diesem Ansatz im Übrigen für die Ableitung besonderer Verhaltenspflichten der Gesellschafter aus der Treuepflicht unterschiedslos bei der Förderungspflicht gem. § 705 B G B bleibt 6 7 5 . Was den konkreten Stellenwert der interessenausgleichenden Treuepflicht der Gesellschafter untereinander anbelangt, so lässt er sich anhand der in der Rechtsprechung behandelten Fallkonstellationen zumindest kursorisch für die idealtypische Personengesellschaft nachzeichnen. Als treuwidrig wird die Ausübung eines Ubernahmerechts durch einen Gesellschafter eingestuft, die auf die Erlangung des ungeteilten Liquidationsgewinnes und nicht auf die Fortführung des Unternehmens abzielt 6 7 6 . In ähnlicher Weise sind rechtliche Beanstandungen zu beurteilen, deren Voraussetzungen treuwidrig vom betreffenden Gesellschafter selbst herbeigeführt worden sind 6 7 7 . Schließlich wird aus der mit seinem gesteigerten Einflusspotenzial einhergehenden erhöhten Treuepflicht eines Kommanditisten ein Wettbewerbsverbot zu seinen Lasten gefolgert 6 7 8 . Die genannten Sachverhaltskonstellationen lassen sich durch ein besonderes Einwirkungspotenzial eines Gesellschafters kennzeichnen, das durch dessen Treuepflichtbindung zum Schutz der Minderheitsgesellschafter ausgeglichen werden soll. Demzufolge sorgt die Treuepflicht hier für einen Ausgleich der Einflusspotenziale innerhalb der Gesellschaft, indem sie die Marktinteressen der Gesellschaft als gesonderte 6 7 3 R G 19.2.1935, J W 1935, 1773; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 102f.; SoergeF-Hadding §705 Rdnr. 58. 6 7 4 Begründung der Treuepflicht der Personengesellschafter unter Rückgriff auf §242 B G B z.B. bei Erman-Westermann §705 Rdnr.49; Hüffer, FS Steindorff 56, 64, 70; Schmiedel, Z H R 134 (1970) 173, 182; Staudinger-Kessler Vor §705 Rdnr.42; Zöllner, Schranken 335-337. 675 Häuser 176-183; zustimmend M. Winter 13-15. 6 7 6 B G H 10.7.1958, N J W 1959,432; ähnlich zum treuwidrigen, weil zur Liquidation führenden Verhalten des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts K G 17.2.1999, N Z G 1999, 1055, 1057; in ähnlicher Weise auf die Gefahren einer Kündigung nach freiem Ermessen durch einen Gesellschafter mit besonderen Befugnissen unter Treuepflichtgesichtspunkten hinweisend B G H 25.3.1985, D N o t Z 1986,42,44; B G H 13.7.1981, N J W 1981,2565,2566; zurHinauskündigungsproblematik im Einzelnen siehe Fünfter Teil II. 6 7 7 Zum Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gegen eine Anfechtungsklage, die sich auf die vom betreffenden Gesellschafter selbst herbeigeführte Beschlussunfähigkeit stützt, in Hans. O L G 9.11.1990, N J W - R R 1991, 673, 674. 6 7 8 B G H 4.12.2001, N Z G 2002, 323, 324; für die personalistisch geprägte G m b H & Co K G B G H 5.12.1983, N J W 1984, 1351, 1352; zum Wettbewerbsverbot im Einzelnen siehe bereits oben II.A.2.

V. Interessenausgleich

im

Gleichordnungskonzern

329

und vom treuwidrig handelnden Gesellschafter selbständig zu beurteilende Bezugsgröße absichert 679 . Insoweit erfüllt die Treuepflicht auch in der Personengesellschaft wie schon in der G m b H wichtige Funktionen eines Nachteilsausgleichs, wie von den §§311 ff. AktG bekannt 680 . Während allerdings die §§ 311 ff. AktG die vorübergehende Nachteilszufügung zunächst voraussetzen, sind einer nachteiligen Einflussnahme auf die Personengesellschaft Schranken gezogen 681 . Diese Schranken resultieren letztlich aus dem unabdingbaren Individualrechtsschutz aufgrund von Kernbereichslehre und Bestimmtheitsgrundsatz sowie aus der entscheidenden Bedeutung einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung und dem ihr zugrunde liegenden Gleichlauf von Unternehmensleitung und Anteilseignerinteressen 682 . In ähnlicher Weise wie diese Strukturmerkmale eine ausschließlich organisationsrechtliche Konzerneinbindung unmöglich machen, überlagert deren marktersetzender Regelungsgehalt auch beim Interessenausgleich einen an der organisationsrechtlichen Interesseneinbindung ansetzenden Nachteilsausgleich entsprechend §§ 311 ff. AktG 6 8 3 . An dessen Stelle tritt ein treuepflichtgestützter Interessenausgleich 684 . Auch bei den Interessenausgleichsmechanismen schließt sich folglich der Kreis der organisationsrechtlichen Grenzen einer Konzerneinbindung, wie er bereits bei der Frage der Abhängigkeitsbegründung und dem Nebeneinander schuldrechtlicher und organisationsrechtlicher Elemente eröffnet wurde 685 . Demgegenüber wird der organisationsrechtliche Gehalt der Treuepflicht bei der Geltendmachung von Treuepflichtverstößen eines Gesellschafters deutlich. Hergestellt wird hierbei der Ausgleich gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber einzelnen Gesellschaftern 686 . Dies lässt eine neuere BGH-Entscheidung her679 Vergleichbar auf den fehlenden (marktlichen) Ausgleich als Kern des Treuepflichtverstoßes im Gleichordnungskonzern abstellend Lutter/Drygala, Z G R 1995, 557, 566f.; ähnlich auch zum ausgleichenden Einfluss der Treuepflicht auf die Kräfteverhältnisse beim Zuliefervertrag Wellenhofer-Klein 186. 680 j j e G m b H hierzu siehe oben 2. 681 So auch schon zum Vorrang der Treuepflicht gegenüber dem Nachteilsausgleich gem. §§ 311 ff. AktG Baumbach/Hopt § 105 Rdnr. 103; Bitter 283; Emmerich, FS Stimpel 743, 745f.; G r o ß K o m m H G B - £//mer Anh. §105 Rdnr. 78; Kleindiek, DZWir 1993, 177, 180; Reuter, A G 1986,130,135; Schlegelberger-Martens Anh. § 105 Rdnr. 27; vergleichbar für die G m b H Drygala, G m b H R 1993,317,324; Lütter, Z G R 1982,245,265; Reuter, A G 1986,130, 135; Wedemann, JZ 1976, 392, 395; a.A. und für eine Schadensersatzpflicht nach dem Rechtsgedanken der oder in Analogie zu §§311ff. AktG Kropff, FS Semler 517, 536; U.H. Schneider, ZGR 1980, 511, 530; Stehle 174. 682 Hierzu siehe oben Zweiter Teil I.—III. 683 Ahnlich einen Interessenausgleich aufgrund der Treuepflicht anstelle eines Nachteilsausgleichs gem. §311 AktG zugrunde legend Baumbach/Hopt % 105 Rdnr. 4; MüKoHGB-Mülbert KonzernR Rdnr. 182; hierzu siehe oben II.B.5. und III.A. 684 Eine entsprechende marktersetzende Funktion des treuepflichtgestützten Interessenausgleichs klingt auch an bei Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566f.; Wellenhofer-Klein 186. 685 Siehe oben II.B.4.g) und III.B.5. 686 Baumhach/Hopt § 105 Rdnr. 103; Emmerich, FS Stimpel 743,745f.; G r o ß K o m m H G B - U l mer Anh. § 105 Rdnr. 45; Kleindiek 259; Laule, FS Semler 541, 550f.; Reuter, A G 1986, 130,135;

330

3. Teil: Organisationsrechtliche

Konzerneinbindung

vortreten, in der der gerichtlichen Geltendmachung von Sozialansprüchen wegen Treuepflichtverstoßes nicht der Einwand entgegensteht, der Kläger selbst sei Schuldner vergleichbarer Forderungen der Gesamthand 687 . Mithin fehlt es für einen solchen Einwand an der Gegenseitigkeit der von den Gesellschaftern mit Treuepflichtverstößen begründeten RückZahlungsforderungen. Insoweit überlagert bei dem Modus der Geltendmachung von Treuepflichtverstößen der organisationsrechtliche Handlungsrahmen der actio pro socio etwaige schuldrechtliche Elemente des interessenausgleichenden Regelungsgehalts der Treuepflicht 688 .

4. Kooperation versus Marktaustausch beim Ausgleich fremdunternehmerischer Interessen der Personengesellschafter Uber eine solche Bündelung innerhalb eines organisationsrechtlichen Handlungsrahmens weist eine neuere Entscheidung des O L G Dresden hinaus 689 . Sie behandelt die Frage, ob die zehn Rundfunkanstalten der A R D als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber ihrem elften Mitgesellschafter eine Zustimmungspflicht haben, um ihm eine Ausstrahlung zur Erfüllung eines Gegendarstellungsanspruchs zu ermöglichen 690 . Das Gericht macht deutlich, dass es bei dieser Zustimmung nicht um die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gehe, sondern eine Zustimmungspflicht aus der Treuepflicht gem. §§226, 242 BGB abzuleiten sei 691 . Anders als bei der oben dargelegten Zustimmungspflicht kraft Treubindung, die auf die Wahrung des Interessengleichklangs der Personengesellschafter abzielt, betont das Gericht somit hier die Verwirklichung eigener Ziele des klagenden Gesellschafters auf der Grundlage der begehrten Zustimmung 692 . In tatsächlicher Hinsicht ist hierbei der Umstand bedeutsam, dass der klagende Gesellschafter für eigenes rechtstreues Verhalten auf die Mitwirkung seiner Mitgesellschafter angewiesen ist. Bei dem Zusammenschluss der elf Rundfunkanstalten zur Programmausstrahlung über Satellit handelt es sich zudem um eine Kooperation, aus der sich der klagende Gesellschafter nicht ohne weiteres lösen kann. Demgegenüber werden die Interessen der Beklagten durch eine Zustimmung nicht tangiert 693 . Folglich weist die Treuepflicht zur Zustimmung über die Zweckförderungspflicht gem. §705 BGB hinaus und betrifft die Eigeninteressen der klagenden Schießl 529.

79; Schlegelberger-Martens

Anh. §105 Rdnr.29; U.H. Schneider,

ZGR 1980, 511,

BGH 8.11.1999, NZG 2000, 199. Ahnlich auch schon, wenngleich unter Ausblendung der vorhandenen schuldrechtlichen Regelungselemente M. Winter 11; zur entsprechenden Sachlage bei der GmbH siehe oben 2. 689 OLG Dresden 30.6.2000, NZG 2000, 1217. 690 OLG Dresden 30.6.2000, NZG 2000, 1217. 691 OLG Dresden 30.6.2000, NZG 2000, 1217, 1218. 692 OLG Dresden 30.6.2000, NZG 2000, 1217, 1218. 693 OLG Dresden 30.6.2000, NZG 2000, 1217, 1218. 687 688

V. Interessenausgleich

im

Gleichordnungskonzern

331

Rundfunkanstalt. Daher dient die Treuepflicht hier nicht der Gewährleistung der Interessenhomogenität der Gesellschafter und damit auch nicht der Integration der Beteiligten zu einem Organisationsapparat 694 . Stattdessen begünstigt das Gericht die Kooperation als ein Zusammenwirken der Beteiligten in der Weise, die die wenigsten Kosten für alle entstehen lässt. Mit der Treuepflicht statuiert es eine die Kooperation für die Zukunft absichernde Lösung einer Verhandlungsblockade. Indem die Verhandlungsposition der Klägerin mit dem Anspruch auf Zustimmung gegen die Mitgesellschafter gestärkt wird, ist der Weg zu einer fruchtbaren Fortsetzung der Kooperation gewiesen. Mangels Wahrung wichtiger Eigeninteressen wären ansonsten die diesbezüglichen Anreize seitens der Klägerin torpediert 695 . Der treuepflichtgestützte Anspruch begünstigt damit ein kooperatives Verhalten, das eine eigennutzorientierte Kooperation fördert. Im Ergebnis dient die Treuepflicht hier der Integration fremdunternehmerischer Interessen innerhalb der Kooperation der Gesellschafter. Die Grenzen einer solchen Integration fremdunternehmerischer Interessen auf der Basis der Treuepflicht der Gesellschafter untereinander treten in der schon klassisch gewordenen Gervais-Danone-Entscheidung hervor 696 . In der Entscheidung macht die beherrschte GmbH & Co K G gegen die herrschende Aktiengesellschaft, die zunächst kreditgebende und dann betriebsüberwachende Funktionen erfüllt, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Geschäftsführerverpflichtungen der von der Muttergesellschaft eingesetzten Geschäftsführer geltend. Mit den besonderen Befugnissen der herrschenden Gesellschafterin teilt diese Gestaltung die personalistischen Kennzeichen der hier als idealtypisch eingeordneten Personengesellschaft 697 . Als entscheidende Sachverhaltselemente, die gegen die Lösung des zur Entscheidung anstehenden Interessenkonflikts aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichtdogmatik sprächen, verweist der B G H auf die anderweitige unternehmerische Tätigkeit des herrschenden Gesellschafters auf dem gleichen Markt, auf dem auch die beherrschte Personengesellschaft tätig ist 698 . Dies habe zwangsläufig zur Folge, dass der herrschende Gesellschafter dem eigenen Interesse Vorrang vor dem Interesse der Gesellschaft einräume und für den Mitgesellschafter die gesellschaftlichen Verhältnisse un-

6 9 4 Zu den damit einhergehenden integrativen Elementen der Treuepflicht im Rahmen des Zuliefervertrages Wellenhofer-Klein 186. 6 9 5 Zum Zusammenhang zwischen Kooperationsbegünstigung und Eigeninteressenwahrung aus spieltheoretischer Sicht Holler/Illing 28f. 6 9 6 B G H 5.2.1979, N J W 1980, 231. 6 9 7 Zu den Kennzeichen einer personalistischen Gesellschaftsstruktur bei der G m b H & C o K G siehe oben II.B.4.; der Hinweis des B G H (5.2.1979, N J W 1980, 231) auf die fehlende Entsprechung mit dem gesetzlichen Leitbild nimmt nicht die kapitalistische Gesellschaftsstruktur, sondern die beherrschungsvertragliche Bindung, wie sie auch mit einer idealtypischen Gesellschaft eingegangen werden könnte, in Bezug. 6 9 8 B G H 5.2.1979, N J W 1980, 231.

332

3. Teil: Organisationsrecbtlicbe

Konzerneinbindung

durchsichtig und unkontrollierbar würden 6 9 9 . D a m i t stellt das Gericht eine strukturbedingte Konfliktlage fest, die - so der B G H - nicht mit rein gesellschaftsrechtlichen Mitteln bewältigt werden könne 7 0 0 . Stattdessen verweist der B G H auf eine Haftung aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze 7 0 1 . In der Literatur ist diese Haftung zum Teil trotz der genannten einen innergesellschaftlichen Interessenausgleich erschwerenden zusätzlichen Elemente als herkömmliche Treuepflichtverletzung eingeordnet worden 7 0 2 . Diese dogmatische Erfassung kann jedoch die typischen Gefahren der Beherrschung im Lichte der involvierten fremdunternehmerischen Interessen nicht bewältigen. In A n b e tracht der Tätigkeit der beteiligten U n t e r n e h m e n als Wettbewerber auf demselben M a r k t sind ihre marktlichen Interessen schlicht einander entgegengesetzt und können nicht mit Hilfe einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht z u m A u s gleich gebracht werden 7 0 3 . Eine solche Treuepflicht des herrschenden U n t e r n e h mensgesellschafters ginge mit der Verpflichtung einher, Maßnahmen mit zwangsläufigem Schaden des eigenen Unternehmens zu ergreifen. Dies käme der Verpflichtung zum Treuepflichtverstoß in der betroffenen weiteren Gesellschaft gleich. Lösen könnte sich der Verpflichtete hieraus nur durch die Bildung eines nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch rechtlichen Einheitsunternehmens 7 0 4 . Orientiert sich der dem Konzerntatbestand zugrunde liegende U n t e r n e h m e n s begriff an konfliktbegründenden Marktverhältnissen zwischen den Beteiligten, so hat dies im H i n b l i c k auf die Rechtsfolgen ebenso zu gelten 7 0 5 . D a h e r sind die rechtlichen Haftungsregeln an dem zwischen den Beteiligten bestehenden wettbewerblichen Marktverhältnis zu orientieren. Letztlich entspricht dies dem oben dargelegten Ansatz, mit Hilfe eines treuepflichtgestützten Schädigungsverbots über § § 3 1 1 ff. A k t G hinaus die Marktinteressen der Gesellschaft als gesonderte und v o m herrschenden Gesellschafter selbständig zu beurteilende Bezugsgröße zu schützen 7 0 6 . Dies setzt der B G H durch den Rückgriff auf marktliche Sorgfaltsmaßstäbe gem. § § 2 7 6 , 278 B G B in Abweichung v o m innergesellschaftlichen Maßstab gem. § 708 B G B konsequent, wenngleich ohne ausdrückliche B e g r ü n dung um. Demgegenüber begründet er den Sinn und Z w e c k des § 708 B G B mit BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231,232. BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231. 701 BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231,232. 702 Baumgartl 36; Ehrhardt 125-130; wohl auch Löffler 102f.; nicht ganz so deutlich Schießt 80 Fn. 8. 703 Reuter, ZHR 146 (1982) 1, 20; weniger deutlich, da von einer qualifizierten faktischen Konzernierung ausgehend, aber gleichwohl die Haftung ausschließlich auf schuldrechtliche Grundsätze stützend, Emmerich, FS Stimpel 743, 752. 704 Zum Gegensatz rechtlicher Vielheit und wirtschaftlicher Einheit im Konzern siehe oben I. 705 Zur entsprechenden Bestimmung des Unternehmensbegriffs im Rahmen des §17 AktG anhand der Konzerngefahr siehe oben ILA. 706 So mit der Heranziehung der §§280,276,278 BGB auch Baumbach/Hopt § 105 Rdnr. 104; MüKoHGB-Mäftert KonzernR Rdnrn. 203,219; für den Gleichordnungskonzern Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566f.; hierzu auch schon oben 3. 699 700

V. Interessenausgleich

im

Gleichordnungskonzern

333

dem im Gegensatz zum Austauschvertrag bei der Gesellschaft anzutreffenden engen persönlichen Vertrauensverhältnis, das die Gesellschafter veranlasse, sich so zu nehmen, wie sie sind 707 . Diese Gegenüberstellung austauschvertraglicher und gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse bei der Bestimmung des Anwendungsbereiches des § 708 BGB legt den Schluss nahe, dass für den B G H auch in der Gervais/ Danone-Entscheidung das austauschvertragliche Moment im Vordergrund steht und er deshalb das Verhältnis zwischen herrschendem Gesellschafter und Gesellschaft marktlichen (und damit austauschvertraglichen) Grundsätzen unterstellt. Paralleles gilt für die auf Marktverhältnisse zwischen voneinander unabhängigen Parteien ausgerichtete Beweislastumkehr des BGH 7 0 8 . Indem er auf seine Entscheidung zur Beweislastumkehr in BGHZ 48, 310 verweist, nimmt er die dortige Beweislastumkehr beim Werkvertrag in Bezug 709 . Ob man diese Beweislastumkehr wie dort auf die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung stützt oder stattdessen §282 BGB a.F. analog (§280 Abs. 1 S.2 BGB) als Rechtsgrundlage heranzieht 710 , ändert nichts an ihrer schuldrechtlichen Fundierung im Recht der Austauschverträge. Die Orientierung am Marktverhältnis zwischen den Beteiligten schließt demgegenüber eine organschaftliche Begründung der Beweislastumkehr in Analogie zu §§ 93 Abs. 2 S . 2 , 3 0 9 A b s . 2 S . 2 AktG aus 711 . Insgesamt begrenzt damit das Wettbewerbsverhältnis der Beteiligten die Möglichkeiten zur gesellschaftsrechtlichen Lösung 712 . Der äußere Markt prägt die Interessen in einer Weise, die eine organisationsrechtlich verankerte Lösung ausschließt 713 . Insoweit wirkt das ursprünglich zwischen den Beteiligten bestehende Kreditverhältnis in seiner Eigenschaft als Austauschvertrag nach. Insgesamt resultiert die Pflichtenstellung des herrschenden Gesellschafters primär aus dem Beherrschungsvertrag. Im Lichte der austauschvertraglichen Elemente dieses Vertrages im Zusammenwirken mit dem vorhergegangenen und nachwirkenden Kreditverhältnis kann man diese Pflichtenstellung als Treuepflicht gem. §242 BGB im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses begründen. Fortgesetzt wird damit die Entwicklung solcher Treuepflichten zunächst für das Arbeitsverhältnis 714 , und ihre Weiterentwicklung in neuerer Zeit auch für moderne langfristige Vertriebsformen 715 . Ungeachtet der schuldrechtliRG 18.1.1934, RGZ 143, 212, 215. BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231, 232. 709 BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231, 232. 710 Zu den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung BGH 12.10.1987, BGHZ 48, 310, 312; für eine Analogie zu §282 BGB a.F. Reuter, ZHR 146 (1982) 1, 20. 711 Für eine Analogie zu § 309 Abs. 2 S. 2 AktG T. Kaiser, ZGR 1980, 558,565; für eine Orientierung an §93 Abs.2 S.2 AktG U.H. Schneider, ZGR 1980, 511, 535. 712 Ähnlich auch schon Reuter, ZHR 146 (1982) 1, 20. 713 Vergleichbar zum strukturell angelegten Interessengegensatz in der Holiday Inn-Entscheidung schon U. Huber, ZHR 152 (1988) 1, 23. 714 A. Hueck, Treuegedanke 13. 715 Kulms 43^19 (Arbeitsverhältnis), 240-247 (moderne Vertriebsverträge); WellenhoferKlein 153-166; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000) 564, 578-582. 707 708

334

3. Teil: Organisationsrechtliche

Konzerneinbindung

chen Ausgangsbasis lassen sich auch bei dieser Treuepflicht gem. §242 BGB personen- und organisationsrechtliche Elemente nachweisen 716 . Gleichwohl ist auf die völlige Herauslösung der Treuepflicht in der Gerwiiw-Dawowe-Entscheidung aus dem Kooperationszusammenhang als entscheidendem Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Entscheidung des O L G Dresden hinzuweisen 7 1 7 . Eine in die Zukunft weisende Kooperation lässt sich hier nicht mehr fördern, die Sanierungsbemühungen sind bereits gescheitert 718 . Demzufolge fehlen tatsächliche Anhaltspunkte, die die Beteiligten kooperationsorientiert verklammern könnten. Ist aber der Kooperationszusammenhang zwischen den Beteiligten mangels Erfolgsaussichten gelöst, so muss die austauschvertragliche Dimension ihres Verhältnisses letztlich organisationsrechtliche Regelungselemente überlagern. Insgesamt erweist sich die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als ein Ausgangspunkt für den Interessenausgleich in der in einen Gleichordnungskonzern eingebundenen Personengesellschaft. Einen echten Ausgleich kann sie freilich nur in ihrer auch schuldrechtlichen Ausprägung gem. §242 BGB verwirklichen. An Grenzen stößt sie, soweit es um den Interessenausgleich zwischen zwei auf gleichen Märkten tätigen Gesellschaften geht. Hier ist die Treuepflicht als vorrangig schuldrechtliche Rechtsfolge des Beherrschungsvertrages einzuordnen, vergleichbar mit den Treuepflichten, die für langfristige Schuldverhältnisse entwickelt worden sind. Der Grund ist damit gelegt für einen Gleichordnungsvertrag gem. §705 BGB in seiner schuld- und organisationsrechtlichen Dimension. Im Ergebnis eröffnet der Gleichordnungsvertrag für die idealtypische Personengesellschaft die Möglichkeit, nicht durch die Zuordnung der Mitgliedschaftsrechte, sondern durch eine solche der betroffenen Ressourcen, der Zusammenfassung von Unternehmen im Konzern. An die Stelle organisationsrechtlicher Beherrschung tritt daher der Interessenausgleich zwischen Konzernleitung und Konzernunternehmen auf der Grundlage eines Vertrages nach §705f. BGB mit dem damit einhergehenden Nebeneinander von organisations- und schuldrechtlichen Regelungselementen 719 . Damit sind der Anwendung konzernrechtsspezifischer Regelungselemente Grenzen gezogen. An die Stelle einer vorübergehenden Nachteilszufügung mit erst anschließendem Ausgleich (§311 A k t G ) tritt ein treuepflichtgestützter Interessenausgleich 720 . Mit zunehmendem Interessengegensatz zwischen herrschendem Gesellschafter und beherrschter Gesellschaft kann es immer weniger gelingen, die fremdunternehmerischen Interessen mit Hilfe einer am Interessengleichklang orientierten Treuepflicht im Sinne der allge716 Auch Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000) 564, 582 impliziert dies mit dem Hinweis auf den gemeinsamen Zweck als Basis für die Treuepflicht, wenngleich sie sich von einer gesellschaftsrechtlichen Begründung distanziert. 717 Zur Entscheidung des OLG Dresden siehe oben in diesem Abschnitt. 718 Hierzu der Sachverhalt BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231. 719 Siehe oben A. 720 Siehe oben B.3.

V. Interessenausgleich

im

Gleichordnungskonzern

335

meinen Zweckförderungspflicht nach § 705 B G B zu integrieren. Die Marktinteressen der Gesellschaft gegenüber den gesonderten fremdunternehmerischen Interessen des herrschenden Gesellschafters lassen sich demgegenüber nur auf der Grundlage allgemeiner Rechtsgrundsätze w i e einer Treuepflicht nach §242 B G B zur Geltung bringen. Je nach Kooperationszusammenhang und daraus resultierender Möglichkeit einer kooperationsorientierten Verklammerung der Beteiligten überwiegen die personenrechtlichen bzw. im Falle fehlender Erfolgsaussichten eines Kooperationszusammenhangs die schuldrechtlichen Elemente dieser Treuepflicht nach § 242 BGB 7 2 1 . Insoweit ist von einem Kontinuum einer Integration fremdunternehmerischer Interessen innerhalb der Kooperation der Gesellschafter einerseits und der Überlagerung organisationsrechtlicher Regelungselemente durch die austauschvertragliche Dimension der Treuepflicht nach §242 B G B bei einer Auflösung des Kooperationszusammenhanges der Beteiligten andererseits auszugehen. Dieser Ubergang z u m Austauschvertrag lässt sich auch anhand der nach der Rechtsprechung anwendbaren Regelungen nachvollziehen: So tritt an die Stelle des personengesellschaftsrechtlichen Verschuldensmaßstabs gem. § 7 0 8 B G B der austauschvertraglich marktliche Sorgfaltsmaßstab nach §§276, 278 BGB. In ähnlicher Weise ist für eine etwaige Beweislastumkehr auf schuldrechtliche und nicht auf organschaftlich ausgerichtete Begründungen zu rekurrieren, da nur so die Parteien als voneinander unabhängige Marktteilnehmer bei der Beweisführung berücksichtigt werden können. Letztlich erweist sich dieser primär schuldrechtlich wirkende Gleichordnungsvertrag als ein wichtiger Baustein zur Kennzeichnung der personalistischen Gesellschaftsstruktur im Konzernzusammenhang, bei der unterschiedliche fremdunternehmerische Interessen der Gesellschafter z u m Ausgleich gebracht werden müssen. Dem ist eine kapitalistische Gesellschaftsstruktur als Baustein einer zumindest organisationsähnlichen Verselbständigung gegenüberzustellen. Diese Weichenstellung überlagert in ihrem Aussagewert die herkömmliche Klassifizierung der Konzernleitungsstrukturen in der Personengesellschaft (Leitungsmacht eines Unternehmens als persönlich haftender und geschäftsleitender Gesellschafter, die mittelbare Leitung über eine nicht selbst unternehmerisch tätige Komplem e n t ä r - G m b H und die Leitungsmacht als Kommanditist mit Sonderrechten) 7 2 2 . Ihr könnte wegweisende Bedeutung für die Abstufung organisationsrechtlicher Verselbständigung der Personengesellschaft zukommen, und sie könnte für die allgemeinen Grundlagen des Personengesellschaftsrechts den Übergang von verselbständigter Organisation und personengebundener Kooperation über die Frage der Rechtspersönlichkeit hinaus genauer klären.

721 722

Siehe oben B.4. Zur genannten Klassifizierung siehe oben Erster Teil I.D.2.

336

3. Teil: Organisationsrechtliche

Konzerneinhindung

VI. Die Konzerneinbindung der Personengesellschaft zwischen Markt und Organisation Als grundlegender Anknüpfungspunkt für die konzernrechtliche Einordnung von Personengesellschaften mit einem mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Gesellschafter hat sich die personalistische bzw. kapitalistische Gesellschaftsstruktur erwiesen. Schon bei der Konkretisierung des Abhängigkeitstatbestandes in Anlehnung an § 1 7 A k t G kristallisiert sich diese Struktur als Indiz für eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Annäherung an eine anteilsmarktliche Steuerung heraus 7 2 3 . So lässt sich anhand der Zuordnung der Mitgliedschaftsrechte in der kapitalistisch strukturierten G m b H & C o K G die Annäherung an eine anteilsmarktliche Steuerung aufzeigen. Bei der rechtlichen Würdigung der Beitrittsentscheidung und der Auslegung des Gesellschaftsvertrages werden insbesondere bei der Publikumspersonengesellschaft

Kapitalmarktmaßstäbe

inte-

griert 7 2 4 . Dies führt zu einer Ablösung der Mitgliedschaftsrechte von den Personen der Gesellschafter und damit zu deren Verselbständigung, die einer gewissen organisationsrechtlichen Einwirkung durch einen Gesellschafter mit besonderen Befugnissen zugänglich ist. U m f a n g und Grenzen dieser organisationsrechtlichen Einwirkung durch einen Gesellschafter mit besonderen Befugnissen, paradigmatisch verdeutlich im K o n z e r n , lassen auch für die allgemeinen Grundlagen der Personengesellschaft wichtige Schranken für eine organisationsrechtliche Verselbständigung aufscheinen. Ungeachtet der Vielfalt der Begründungsansätze für die Haftung des G e schäftsführers der K o m p l e m e n t ä r - G m b H gegenüber der G m b H & C o K G lassen sich diese G r e n z e n für die G m b H Sc C o K G noch nicht präzise festlegen. D e n B e gründungen war jedoch zweierlei gemeinsam: Z u m einen vermochten sie das N e beneinander schuldrechtlicher und organschaftlicher Einwirkung des Geschäftsführers nicht in seiner Gesamtheit zu erfassen. A u ß e r d e m konnten sie das P r o blem der Typenmischung von G m b H und Kommanditgesellschaft, dem die Außerkraftsetzung der für die Kommanditgesellschaft wesentlichen anreizgestützten Verhaltenssteuerung Geschäftsführer

gegenüber

zugrunde liegt, letztlich nicht lösen, da der den

nur beschränkt

haftenden

Gesellschaftern

weisungsgebunden ist 7 2 5 . Insoweit vermag erst eine etwaige Haftung der weisungserteilenden Gesellschafter mit der damit einhergehenden anreizgestützten Verhaltenssteuerung die organisationsrechtlichen G r e n z e n einer privatautonomen Veränderung der personengesellschaftsspezifischen Anreizstrukturen zu bezeichnen.

723 724 725

Siehe oben II.B.2.-5. Siehe oben IV.A. Siehe oben IV.B.2.

VI. Konzerneinbindung

zwischen Markt und Organisation

337

Demgegenüber rücken bei der Konzerneinbindung der idealtypischen personalistisch strukturierten Personengesellschaft andere Anreizmechanismen ins Blickfeld 726 . Sie verstärken sich bei der Untersuchung der Möglichkeit einer beherrschungsvertraglichen Konzerneinbindung der idealtypischen Personengesellschaft. Hier stößt die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter aufgrund ihrer unabdingbaren Individualrechte und der Vorgabe einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung aufgrund des § 137 S. 1 BGB an Grenzen 727 . Eine mit dem aktiengesetzlichen Beherrschungsvertrag gem. §291 Abs. 1 AktG vergleichbare Statusveränderung einer »beherrschten« idealtypischen Personengesellschaft übersteigt die privatautonome Gestaltungsmacht der Gesellschafter. Stattdessen ist die Begründung besonderer Befugnisse zugunsten eines Gesellschafters als Gleichordnungsvertrag gem. §705 BGB einzuordnen 728 . Mangels einer gesellschaftsinternen Annäherung an eine Anteilsmarktsteuerung werden nicht die Mitgliedschaftsrechte in einer idealtypischen Personengesellschaft zur Begründung besonderer Befugnisse eines Gesellschafters zugeordnet, sondern die zugrunde liegenden Ressourcen im Unternehmen 729 . Für die allgemeinen Grundlagen des Personengesellschaftsrechts liefert dies Anhaltspunkte für die Grenzen organisationsrechtlicher Verselbständigung in der idealtypischen Personengesellschaft. Das aus diesen Grenzen resultierende Nebeneinander schuldrechtlicher und organisationsrechtlicher Regelungselemente lässt sich beim Interessenausgleich mit einer austauschvertraglich ausgerichteten Treuepflicht bewältigen 730 . Diesen allein an den Grenzen der privatautonomen Gestaltungsfreiheit im gesellschaftsinternen Interessenausgleich ausgerichteten Befund gilt es in der Folge, auch anhand der Außenwirkung dieses Interessenausgleichs nachzuzeichnen. Inwieweit unterliegt die Privatautonomie der Personengesellschafter bei der Herbeiführung organisationsrechtlicher Wirkungen im Hinblick auf die Marktteilnahme der Gesellschaft Grenzen?

726 727 728 729 730

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

oben oben oben oben oben

II.B.4.e)-g). III.A.2.-5. III.B.5. III.A., V.A. V.B.

Vierter Teil

Haftung als Grenze der organisationsrechtlichen Wirkung des Gesellschaftsvertrages Mit der Frage nach der privatautonom begründeten Außenwirkung und der so herbeigeführten organisationsrechtlichen Gestaltung bei der Markttcilnahme der Personengesellschaft ist die Reichweite der Haftung im Außenverhältnis angesprochen. Die Außenwirkung gesellschaftsvertraglicher Gestaltung manifestiert sich in der Haftungsbeschränkung gegenüber den Gläubigern. Nur wenn es in der Gestaltungsmacht der Gesellschafter liegt, die Haftungskonsequenzen auf der Grundlage ihrer gesellschaftsvertraglichen Gestaltung zu bestimmen, unterliegt auch die Außenwirksamkeit ihrer Gestaltung und damit das Ausmaß der organisationsrechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft ihrer Bestimmungsmacht. Die außenwirksame Konzerneinbindung treibt die Verselbständigung einer Konzerngesellschaft auf die Spitze und markiert letztlich auch die Grenzen organisationsrechtlicher Verselbständigung der Personengesellschaft. Wie bereits oben gesehen, lässt sich das Ausmaß dieser Verselbständigung in Abhängigkeit von der personalistischen bzw. kapitalistischen Gesellschaftsstruktur als Kontinuum vom Schuldrecht des Gleichordnungsvertrages zum Organisationsrecht des Beherrschungsvertrages erfassen. Diesen Ubergang gilt es nunmehr anhand der Haftungsgrundlagen des Personengesellschaftsrechts nachzuzeichnen. Ebenso wie beim gesellschaftsinternen Interessenausgleich die Herausarbeitung seiner grundlegenden Strukturen im Personengesellschaftsrecht den Weg zur organisationsrechtlichen Würdigung der Personengesellschaft im Konzern bereitete, soll nunmehr die außenwirksame Verselbständigung im Konzern auf den Haftungsgrundlagen im allgemeinen Personengesellschaftsrecht aufbauen (I.). Folglich ist von der ausgeprägt personalistischen OHG und den bei ihr möglichen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten auszugehen (dazu I.A.), bevor dann auf die zunehmend kapitalistisch strukturierte KG (dazu I.B.) und schließlich die GmbH & Co KG mit einer kapitalistischen Struktur als Endpunkt organisationsrechtlicher Verselbständigung im Personengesellschaftsrecht (I.C.) eingegangen werden kann. Erst die Bestimmung der Grenzen organisationsrechtlich wirksamer Haftungsgestaltung in der unverbundenen Personengesellschaft leitet über zu den haftungsrechtlichen und damit auch organisationsrechtlichen Grenzen wirksamer Konzerneinbindung im Personengesellschaftsrecht (dazu II.), wo wiederum zwischen personalistischer (H.A.) und kapitalistischer (II.B.) Struktur zu unterscheiden sein wird.

340

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

I. A. Haftungsbeschränkung

Wirkung

Gesellschafterhaftung in der

OHG

1. Der Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung - Grundlagen und Ausgangspunkte im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts I m Ausgangspunkt ist für die Grundlagen des Personengesellschaftsrechts zunächst zu klären, inwieweit die Gesellschafter der personalistisch geprägten O H G aufgrund einer umfassenden außenwirksamen Haftungsvereinbarung zugunsten ihres Privatvermögens die Haftungsverhältnisse im Wege privatautonomer Gestaltung beeinflussen können. Als Ausgangsnorm ordnet § 128 H G B die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter einer O H G für die Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft als unabdingbar an. Die genannte Vorschrift bildet das Pendant zu § 1 2 4 H G B , der die Fähigkeit zur selbständigen Rechtsträgerschaft für die O H G statuiert und die Gesellschaft daher als Zurechnungsendpunkt von Verbindlichkeiten festlegt 1 . D i e Wertungsgrundlagen der Haftungsakzessorietät erhellen sich insbesondere bei einem kurzen Blick auf die neuere Entwicklung der Haftung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, w o sich die Haftungsakzessorietät erst in jüngerer Zeit als Grundsatz durchsetzen konnte 2 . Zwei neuere E n t scheidungen des Bundesgerichtshofs zur Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden den vorläufigen Abschluss einer Entwicklung, die in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wesentlich vorbereitet wurde 3 . F ü r die Frage der Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind im Wesentlichen drei Richtungen im Schrifttum zu unterscheiden, die in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Prämisse zur Verselbständigung der Gesellschaft zu würdigen sind 4 . Hinsichtlich dieser Prämisse ist zu unterscheiden zwischen der Annahme einer Rechtssubjektivität nur der Gesellschafter (traditionelle Gesamthandslehre) (dazu 1.) und der einer rechtssubjektiven Verselbständigung der G e sellschaft (dazu 2.). Erst im Lichte dieser dogmatischen Differenzierungen lassen sich Rückschlüsse für die Wertungsgrundlagen der O H G ziehen (dazu 3.).

a) Traditionelle

Gesamthandslehre

Legt man der Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die ausschließliche Rechtssubjektivität der Gesellschafter zugrunde, so können auch nur die Gesellschafter selbst Schuldner der im Zuge der unternehmerischen AktivitäZum Nebeneinander von §§ 124, 128 HGB Dauner-Lieb 35. BGH 29.1.2001, NJW 2001, 1056. 3 BGH 27.9.1999, BGHZ 142, 315; BGH 29.1.2001, NJW 2001, 1056; in jüngerer Zeit KG Berlin 3.6.2004, GmbHR 2004, 1018. 4 Zum Ineinandergreifen von Haftungsverfassung und Verselbständigung im Schrifttum zur BGB-Gesellschaft besonders deutlich Dauner-Lieb 57f.; Dauner-Lieb, DStR 1999, 1992-1994; Peifer, NZG 2001, 192, 193-197. 1

2

I.

Gesellschafterhaftung

341

ten der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen sein 5 . D i e Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen kann sich aus dieser Sicht nur in Abhängigkeit von der konkreten Vereinbarung mit dem jeweiligen Gläubiger und dessen Zustimmung ergeben 6 . Die von einigen Stimmen gleichwohl befürwortete Möglichkeit einer einseitigen Haftungsbeschränkung aufgrund einer entsprechend eingeräumten Vertretungsmacht ist mit den rechtlichen Regeln der Stellvertretung unvereinbar 7 . Zwar kann mangels Vertretungsmacht des handelnden Gesellschafters die Eingehung einer Verbindlichkeit zu Lasten der übrigen Gesellschafter von vornherein unterbunden werden. N i c h t aber können die Stellvertretungsregeln gem. § § 1 6 4 f f . B G B dazu führen, dass zwar eine Schuld aller Gesellschafter begründet, aber die daraus resultierende Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt wird 8 . Demzufolge ergibt sich für die Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der traditionellen Gesamthandslehre keine Möglichkeit zur einseitigen Haftungsbeschränkung seitens der Gesellschafter.

b) Verselbständigung der Gesellschaft Gegenüberzustellen ist diesem Lösungsansatz die A n n a h m e einer rechtssubjektiven Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 9 . U n t e r dieser Prämisse zumindest einer Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Analogie zu § 124 H G B wird die Gesellschaft selbst zum Zurechnungsendpunkt der im R a h m e n der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten. Angesichts des Zusammenhangs zwischen Schuld und H a f tung folgt aus dieser Stellung der Gesellschaft zunächst einmal, dass lediglich das Gesellschaftsvermögen für diese Verbindlichkeiten haftet und dass die Haftung der Gesellschafter demgegenüber einer besonderen Rechtfertigung bedarf 1 0 . Was 5 Vertreter dieser traditionellen Gesamthandslehre insbesondere Cordes, JZ 1998, 545-552; Huber 61f.; Hueck, FS Zöllner 275-294; Raab, WM 1999, 1596, 1598; Schulze-Osterloh 13-29; Zöllner, FS Gernhuber 563-578; Zöllner, FS Kraft 701-718. 6 Dauner-Lieb, DStR 1998, 2014, 2016; Peifer, NZG 2001, 193, 194f. 7 Die Möglichkeit einseitiger Haftungsbeschränkung wird aus dieser Sicht vertreten von Nicknig 22f.; /. Wolf, Haftungsbeschränkungen 40; unter der Prämisse einer weiter gehenden Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts so auch Habersack, BB 2001, 477, 482; zur Unvereinbarkeit mit dem Recht der Stellvertretung Aderhold 192; Dauner-Lieb 523; Heckelmann, FS Quack 243, 245. 8 Dauner-Lieb 523; Peifer, NZG 2001, 193, 195. 9 Grundlegend für Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft Flume, ZHR 136 (1972) 177-207; Flume, Personengesellschaft 314f.; MüKo-Ulmer §705 Rdnrn. 253; Wiedemann, WM 1994, Sonderbeil. 4, S. 4; Wiedemann, ZGR 1996,286,289f.; aus der neueren Lehre für eine noch weiter gehende Annäherung an die juristische Person MUlbert, AcP 199 (1999) 38,47-52; T. Raiser, AcP 194 (1994) 495, 504f.; Timm, NJW 1995, 3209, 3210f. 10 Zum Zusammenhang von Schuld und Haftung z.B. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil §21 Rdnrn. 27-30; zur daraus resultierenden Haftung des Gesellschaftsvermögens Dauner-Lieb 524; Dauner-Lieb, DStR 1999, 1992 f.

342

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

die Frage dieser Rechtfertigung angelangt, so ist hierbei zwischen der Doppelverpflichtungstheorie (dazu a) und der Akzessorietätstheorie (dazu b) zu unterscheiden. (1) Doppelverpflichtungstheorie. Nach der Doppelverpflichtungstheorie ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher mit §128 H G B vergleichbarer Haftungsanordnung für die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Gesellschafter erforderlich 11 . Dieses Erfordernis zusätzlicher rechtsgeschäftlicher Verpflichtung relativiert sich allerdings jedenfalls für die unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. So wird nämlich ein entsprechender Verpflichtungswille in den im Namen der Gesellschaft abgegebenen Willenserklärungen nach der Verkehrsauffassung gem. §§ 133,157 B G B oder den Grundsätzen zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht zugrunde gelegt 12 . Entscheidend für die Kennzeichnung des Argumentationsgangs ist zunächst die Eröffnung der Möglichkeit für die Gesellschafter, auch ohne Zwischenschaltung einer juristischen Person das Privatvermögen von einer Haftung freizustellen 13 . Erst mit dem zweiten Argumentationsschritt, dass nur die Offenkundigkeit der Haftungsbeschränkung einen entsprechenden Verpflichtungswillen ausschließe, kehrt die Doppelverpflichtungslehre im Ergebnis ihre Wertungsgrundlagen um. Hierbei setzt sie nämlich für das Nichtvorhandensein eines besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungsgrundes zu Lasten der Gesellschafter ein zusätzliches Handeln derselben voraus, um die Offenkundigkeit der Haftungsbeschränkung zu gewährleisten 14 . Diese Anforderungen an die Offenkundigkeit der Haftungsbeschränkung können es jedoch nicht ausschließen, dass die Gesellschafter auf der Grundlage eines unzweifelhaften Namenszusatzes wie »Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne persönliche Gesellschafterhaftung« einseitig ihre Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränken können. Fraglich ist jedoch, ob die Gesellschaftsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. § 705ff. B G B den Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung zur Disposition der Gesellschafter stellt 15 . An der Geltung des Grundsatzes der unbeschränkten Vermögenshaftung für die wirtschaftliche Tätigkeit einer Einzelperson besteht nach allgemeiner Auffas-

11 Brandes, W M 1994, 569, 571 f.; Grunewald, Gesellschaftsrecht 3 30-33 (1. Teil A. Rdnrn. 56-61); Habersack, B B 1999,61-63; Hadding, FS Rittner 133,137-140; Hommelhoff, ZIP 1998, 8, 13f.; MüTLo-Ulmer §714 Rdnrn. 25-30; anders allerdings seit Ulmer, ZIP 1999, 554-565. 12 MüKo-Ulmer §714 Rdnrn. 35-37. 13 So ausdrücklich aufgezeigt bei Dauner-Lieb 525. 14 Zu diesen Zusammenhängen Dauner-Lieb 530f.; Peifer, N Z G 2001, 192, 196. 15 Zu dieser Fragestellung schon Dauner-Lieb, DStR 1999, 1992, 1993; zum Zusammenhang zwischen dem Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung und Rechtsform der Gesellschaft auch Peifer, N Z G 2001, 192, 197.

I.

Gesellschafterhaftung

343

sung kein Zweifel 16 . Mit der Schuldverpflichtung unterwirft ein Schuldner grundsätzlich sein gesamtes Vermögen dem Zugriff seines Gläubigers 17 . In Zweifel gezogen wird jedoch, ob dieser Grundsatz auch für Geschäfte gilt, die »in Gemeinschaft mit anderen« betrieben werden 1 8 . Der Grundsatz der Privatautonomie mache hier eine rechtsgeschäftliche Legitimation für die wirksame Verpflichtung eines Mitglieds der Gemeinschaft durch ein anderes erforderlich, es sei denn, eine gesetzliche Regelung ersetze die fehlende Vertretungsmacht 19 . Die so verstandene Privatautonomie der Gesellschafter ist nicht nur mit dem Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung in Einklang zu bringen, sondern auch mit der Privatautonomie der Gläubiger 20 . Mit einer einseitigen Haftungsbeschränkung würde dem Gesellschafter insbesondere einer unternehmenstragenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Möglichkeit eröffnet, unternehmerisch tätig zu werden, ohne die daraus resultierenden Risiken zu tragen, die stattdessen auf die Gläubiger abgewälzt würden 2 1 . Aus einem bloßen Namenszusatz können die anderen Marktteilnehmer nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs nicht ohne weiteres auf ein Verhandlungspotenzial im Hinblick auf die zur Verfügung gestellte Haftungsmasse schließen. Stattdessen werden sie eher von einer einseitigen Haftungsbeschränkung durch zulässige Rechtsformwahl ausgehen 22 . Unterlaufen würde durch ein solches Vorgehen insbesondere die Privatautonomie der betroffenen Marktteilnehmer und deren Schutz vor einer Risikoabwälzung zu ihren Lasten. Eine vorformulierte Risikobegrenzung macht verantwortliche unternehmerische Dispositionen für die Gesellschafter in der Folge entbehrlich 23 . Außer Kraft gesetzt wird dabei der Zurechnungszusammenhang von Kosten und Nutzen unternehmerischer Tätigkeit und damit auch das Verantwortlichkeitsprinzip als Grundlage marktwirtschaftlicher Steuerungsmechanismen 24 .

16 Zur dogmatischen Einordnung Dauner-Lieb 30-36; M ü K o - K r a m e r Einl. §§241, 241a Rdnr. 47. 17 Larenz/WolfS21 Rdnr.29. 18 Canaris 207 Fn.33 (§9 Rdnr. 18). 19 Canaris 207 Fn. 33 (§ 9 Rdnr. 18); Petersen/Rothenfußer, GmbHR 2000, 757,762f.; ähnliche Prämisse für OHG bei Nagel (NZG 2001, 202, 207), der mit Rechtsscheinvollmacht argumentiert. 20 Zum entgegenstehenden Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung in diesem Zusammenhang Dauner-Lieb, DStR 2001, 356, 361. 21 Zu der Schutzlosigkeit der Gläubiger im Lichte der Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs bei entsprechenden Namenszusätzen im Einzelnen Dauner-Lieb, DStR 2001, 356, 361. 22 Dauner-Lieb, DStR 2001,356, 361; aus diesem Grunde ordnet Dauner-Lieb (538) entsprechende Namenszusätze als unzulässig wegen Irreführung ein. 23 Sinngemäß so auch schon Dauner-Lieb, DStR 2001, 356, 361; Peifer, NZG 2001, 192,197; zum Verantwortlichkeitsprinzip als Funktionsbedingung marktwirtschaftlicher Steuerung siehe oben Erster Teil I.C.3. 24 Ahnlich zum Stellenwert persönlicher Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft im »allgemeinen Marktrecht« Wiedemann, JZ 2001, 661, 664.

344

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

(2) Akzessorietätstheorie. Von der Prämisse grundsätzlich notwendiger paralleler Gesellschafterhaftung zusätzlich zur Haftung der Gesellschaft als schuldendem Subjekt geht die Akzessorietätstheorie aus. Auch ihr liegt wie schon der Doppelverpflichtungstheorie die Einordnung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als rechtsfähiger Gruppe oder sogar als juristischer Person zugrunde 25 . Zwar ist nur für die so verstandene Gesellschaft eine Schuld begründet worden, gleichwohl haften hierfür auch die Gesellschafter persönlich nicht kraft Rechtsgeschäfts, sondern in Analogie zu § 128 HGB bzw. aufgrund des Wesens der Gesamthand 26 . Eingeordnet wird der Rückgriff auf § 128 HGB analog als die haftungsrechtliche Neutralisierung der rechtssubjektiven Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog §124 HGB 27 . Der selbstverständliche Ausgangspunkt des historischen Gesetzgebers einer persönlichen Gesellschafterhaftung dürfe nicht durch die einseitige Fortentwicklung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer Zurechnungseinheit unterlaufen werden 28 . Eine solche Fortentwicklung ohne haftungsrechtliche Neutralisierung bewirke ansonsten eine Risikoverlagerung zu Lasten der Gläubiger. Sie stehe im Widerspruch zu dieser gesetzgeberischen Grundannahme persönlicher Gesellschafterhaftung und führe im Ergebnis zur Schaffung einer neuen Gesellschaftsform 29 . Im Verhältnis zum Gläubiger erweist sich damit auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Gleichlauf zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung als ein konstitutives Merkmal, das der Gesetzgeber für die offene Handelsgesellschaft in § 128 HGB ausdrücklich geregelt hat. c) Wertungsgrundlagen

für die

OHG

Dieser Gleichlauf verwirklicht inzidenter den Zurechnungszusammenhang von Kosten und Nutzen unternehmerischer Tätigkeit auf Seiten der Gesellschafter und damit das Verantwortlichkeitsprinzip 30 . Bezeichnet wird damit eine weitere Wertungsdimension der bereits im Innenverhältnis für sittenwidrig gem. § 138 BGB befundenen Freistellungsvereinbarungen zugunsten der außenstehenden persönlich haftenden OHG-Gesellschafter, die - einer sittenwidrigen Selbstentmündigung dieser Gesellschafter gleichkommend - das Insolvenzrisiko bei den freigeZu dieser Einordnung schon oben b). Für eine Analogie zu § 128 HGB BGH 29.1.2001 ,JZ 2001,655,660; BGH 18.2.2002, DStR 2002, 686; Dauner-Lieb 553f.; Reiff 321, 345; Roth, ZHR 155 (1991) 24, 40; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1790f. (§60 III 2); K. Schmidt, NJW 2001,993,998f.; auf das Wesen der Gesamthand stützt Flume (Personengesellschaft 326f.) die akzessorische Haftung. 27 Dauner-Lieb 534f. 28 Dauner-Lieb 534f.; BGH 27.9.1999, BGHZ 142, 315, 319f. 29 Dauner-Lieb 544-547; zum Aspekt der neuen Gesellschaftsform BGH 27.9.1999, BGHZ 142,315,322. 30 Zum Verantwortungsprinzip als marktwirtschaftlichem Steuerungsmechanismus siehe oben Erster Teil I.C.3. 25

26

I.

345

Gesellschafterhaftung

stellten Gesellschaftern belassen 31 . Mit der akzessorischen Haftung gem. §128 HGB im Gläubigerinteresse schützt der Gesetzgeber gleichzeitig das Verantwortlichkeitsprinzip als notwendige Folge der Haftungsakzessorietät 3 2 . Mit einer umfassenden Freistellung des Gesellschafters einer O H G wird dieser im Ergebnis von der vermögensmäßigen Verantwortung für die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft befreit 33 . Damit verdichtet sich die im Innenverhältnis getroffene Freistellungsvereinbarung infolge der Außerkraftsetzung marktwirtschaftlicher Steuerungsmechanismen zwischen Wirtschaftsteilnehmern zu einer organisationsprägenden Regelung bei der Marktteilnahme der Gesellschaft. Die Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit gem. §138 Abs. 1 BGB schützt demnach nicht nur die Selbstbestimmung des betroffenen Gesellschafters im Innenverhältnis, sondern sichert darüber hinaus marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen im Außenverhältnis 34 . Hergestellt ist damit eine wertungsmäßige Verknüpfung zwischen Innen- und Außenverhältnis. Als Kehrseite der Störung des gesellschaftsinternen Interessenausgleichs erweist sich die externe Außerkraftsetzung elementarer Steuerungsmechanismen bei der Marktteilnahme der Gesellschaft. Umgekehrt deutet sich damit ein bestimmtes Ineinandergreifen von Innen und Außen der Gesellschaft als Schlüssel für die Marktteilnahme der Personengesellschaft und damit auch für die Klärung organisationsrechtlicher Verselbständigung an.

2. Individualvertragliche

Haftungsvereinbarung

mit dem

Gläubiger

Notwendige Konsequenz einer solchen marktgerichteten Steuerungswirkung der akzessorischen Gesellschafterhaftung ist ihre Unabdingbarkeit gem. § 128 S. 2 HGB insoweit, als einer einseitigen Haftungsausschlussvereinbarung der Gesellschafter die Wirksamkeit versagt wird. Die Gesellschafter können nicht durch eine interne Vereinbarung äußere Steuerungsmechanismen außer Kraft setzen. Gleichwohl schließt § 128 S.2 H G B nicht eine von § 128 S. 1 HGB abweichende individualvertragliche Haftungsvereinbarung mit einem Gläubiger aus 35 . Auch diese Möglichkeit einer Haftungserleichterung durch abweichende Vereinbarung mit dem Gläubiger wird bereits in der Diskussion zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung anlässlich der neueren BGH-Rechtsprechung argumentativ nutzbar gemacht 36 . So wird mit der rechtlichen Gestaltung einer Siehe oben Dritter Teil III.A.4.b). So auch entsprechend zum durch § 128 HGB geschützten Gleichlauf von Herrschaft und Haftung GroßKommHGB-Hahersack § 128 Rdnr. 1. 33 Hierzu im Einzelnen schon oben Dritter Teil III.A.4.b). 34 Zum Schutz der Selbstbestimmung des Gesellschafters aufgrund der Sittenwidrigkeit der Freistellungsvereinbarung siehe oben Dritter Teil III.A.4.b); zum damit einhergehenden Gläubigerschutz aufgrund der doppelfunktionalen Schutzrichtung einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung siehe oben Dritter Teil III.A.5. 35 Baumbach/Hopt % 128 Rdnr. 38; Schlegelberger-K. Schmidt § 128 Rdnr. 14. 36 Zur genannten Rechtsprechung siehe oben 1. und schon Erster Teil I.C.3. 31

32

346

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

»konkludent vereinbarten Haftungsbegrenzung als Folge beschränkter Vertretungsmacht« die akzessorische persönliche Gesellschafterhaftung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Ergebnis ungeachtet der BGH-Rechtsprechung zum Grundsatz akzessorischer Gesellschafterhaftung in Analogie zu § 128 H G B zurückgedrängt 3 7 . Für eine solche Haftungsbegrenzung soll bereits ein entsprechender Zusatz im Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausreichen, da dem potenziellen Vertragspartner auf diese Weise die Begrenzung der Vertretungsmacht zur Kenntnis gebracht werde. In der Folge liege es dann in der Verantwortung des Verhandlungspartners, dieser Haftungsbegrenzung zuzustimmen oder von einem Vertragsschluss mit der Gesellschaft abzusehen 38 . Freilich sei eine solche Haftungsbegrenzung durch Namenszusatz im Lichte des § 128 S. 2 HGB AGB-rechtlich zu würdigen und im Fall unternehmenstragender Gesellschaften bürgerlichen Rechts als unvereinbar mit § 9 AGBG a.F. (heute §307 BGB) einzustufen 39 . Letztlich wiederholt sich hier unter AGB-rechtlichen Vorzeichen die bereits oben skizzierte Debatte, inwieweit es den Gesellschaftern freigestellt ist, marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen außer Kraft zu setzen, und weiter ob und welche Mitwirkung auf Gläubigerseite als der Marktgegenseite eine solche Außerkraftsetzung kompensiert 40 . Es muss daher auch für die Frage der Abbedingung des § 128 HGB durch eine Haftungsvereinbarung mit dem Gläubiger darauf ankommen, ob diese Vereinbarung als Ergebnis eines marktlichen Austausches, der die Außerkraftsetzung der grundsätzlich akzessorischen Gesellschafterhaftung für den einzelnen Gläubiger ausgleicht, gewertet werden kann. Nur wenn sich der Gläubiger darüber im Klaren ist, dass die Haftungsfrage Teil des Geschäfts ist, wird er in die Lage versetzt, auch diese Frage im Rahmen der Preisbildung zu berücksichtigen 41 . Unter dieser Voraussetzung wird eine kompensationslose Abwälzung von Risiken unternehmerischer Tätigkeit auf den Gläubiger verhindert und seine Privatautonomie 37 Ulmer, ZIP 1999, 554, 561; im Ansatz ähnlich Petersen/Rothenfußer, GmbHR 2000, 757, 760-762. 38 Ulmer, ZIP 1999, 554, 561. 39 Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts so OLG Stuttgart 9.11.2001, NZG 2002, 84; a. A. für den Sonderfall eines Immobilienfonds als reiner Kapitalanlagegesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH 21.1.2002, DStR 2002, 816, 818; R e i f f , ZIP 1999, 1329, 1337f.; Ulmer, ZIP 1999, 554, 561f.; Ulmer, ZGR 2000, 340, 348; weiter gehend für eine Unwirksamkeit einer Haftungsbegrenzung allgemein in der BGB-Gesellschaft Dauner-Lieb 539f.; für das Erfordernis einer individuellen Vereinbarung der Haftungsbeschränkung Armbriister, ZGR 2005, 34, 36-45; sich auf das Umgehungsverbot der AGB-Kontrolle gem. §306a BGB in Bezug auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht stützend, allerdings die Geltung des § 128 HGB ablehnend Canaris, ZGR 2004,69, 88-103; gegen eine formularvertragliche Abdingbarkeit der Haftung bei unternehmenstragenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts Hasenkamp, BB 2004,230,233-235; demgegenüber insgesamt gegen eine Unwirksamkeit Petersen/Rothenfußer, GmbHR 2000, 757, 760-763. 40 Hierzu siehe oben l.b)(l). 41 Zur Kenntnis vom Verhandlungspotenzial schon oben A.2.a).

I.

Gesellschafterhaftung

347

beim Vertragsschluss mit einer Gesellschaft geschützt 4 2 . Unter diesem Gesichtspunkt ist es für die Frage der Abbedingung der akzessorischen Haftung erforderlich, dass der Gläubiger den Namenszusatz »Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit auf das Gesellschaftsvermögen beschränkter Vertretungsmacht« als von seiner Zustimmung abhängige Vertragsbedingung und nicht als Information über die Wahl einer gesetzlich vorgegebenen Gesellschaftsform einordnet 4 3 . Nur im erstgenannten Fall unterliegt die Haftungsausschlussvereinbarung marktlicher Preisbildung zwischen Gesellschaft und Gläubiger. Ordnet der Gläubiger den Namenszusatz stattdessen lediglich als Information über die Wahl einer gesetzlich vorgegebenen Gesellschaftsform ein, so hat er zwar ebenfalls eine Information über die Haftungsbeschränkung, die Eingang in seine Preisbildung finden könnte. Gleichwohl ist diese Information insoweit preisverzerrend, als der Gläubiger seinen Überlegungen die gesetzliche Vorgabe der Rechtsform zugrunde legt 44 . Bildet aber die anreizgestützte Verhaltenssteuerung einen Wesenszug des gesetzlich vorgegebenen Personengesellschaftsrechts, so muss der Gläubiger auch bei einem Namenszusatz der beschriebenen Art von der Beibehaltung dieser gesetzlichen Grundentscheidung ausgehen 45 . Entsprechend unzutreffende Haftungsvorstellungen legt er seiner Preisbildung beim Vertragsschluss mit der Gesellschaft zugrunde. Folglich wird in diesem Fall das erhöhte Risiko eines Haftungsausfalls nicht zugunsten des Gläubigers abgegolten. Die marktliche Preisbildung versagt. Letztlich gefährdet demzufolge auch die Annahme einer »konkludent vereinbarten Haftungsbegrenzung als Folge beschränkter Vertretungsmacht« z.B. bei bloßem Namenszusatz Verhaltenssteuerungsmechanismen

in vergleichbarer

Weise wie das Erfordernis zusätzlicher Verpflichtung der Gesellschafter nach der Doppelverpflichtungstheorie 4 6 . Mit entsprechender Zurückhaltung ist auch der Einigung zwischen O H G und Gläubiger eine konkludente Haftungsbeschränkung in Abweichung von § 128 S. 1 H G B zugrunde zu legen. In Anbetracht der vorausgesetzten Verhaltenssteuerungsfunktion akzessorischer Gesellschafterhaftung in der O H G wird eine stillschweigende Abweichung hiervon nur in äußerst seltenen Fällen einvernehmlich beabsichtigt sein 47 . An dieser Einschätzung än4 2 Zur Gefahr der Abwälzung von Risiken unternehmerischer Tätigkeit auf die Gläubiger im Wege des Haftungsausschlusses und der daraus resultierenden Gefährdung von deren Privatautonomie siehe schon oben l.b)(l) und Erster Teil I.C.3. 4 3 So die Begründung für eine Ablehnung eines entsprechenden Haftungsausschlusses bei Dauner-Lieb, DStR 2001, 356, 361. 4 4 Zur Preisverzerrung durch Informationsasymmetrien im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung am Beispiel der US-amerikanischen Corporation Haar, RabelsZ 64 (2000) 537, 548f. 45 Zu den entsprechenden Eckpunkten des Personengesellschaftsrechts siehe oben 1 .b)(l) und Zweiter Teil III.D. 4 6 Zu dieser Problematik der Doppelverpflichtungstheorie siehe oben l.b)(l). 4 7 Einzige nachweisbare dahingehende Entscheidung B G H 13.6.1956, W M 1956,1089,1090; zum Ausnahmecharakter eines stillschweigenden Haftungsausschlusses so auch schon Baumbach/Hopt § 128 Rdnr.38; Dauner-Lieb 538; Reiff, N Z G 2000, 281, 284; Kenntnis von interner

348

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

dert auch eine in diesem Zusammenhang vielzitierte Entscheidung des B G H nichts 4 8 . Gegenstand dieser Entscheidung ist der nachträgliche stillschweigende Schulderlass zugunsten eines Gesellschafters im Vergleichswege 49 . Demzufolge wird hier nicht die Funktionsfähigkeit der Preisbildung im Hinblick auf die ursprüngliche Verbindlichkeit gefährdet. Insoweit werden keine Risiken der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschafter ex ante abgewälzt, sondern bereits realisierte und preislich von den Vertragsparteien erfasste Risiken verteilt 50 . Für den Regelfall einer ex ante-Abbedingung der akzessorischen Gesellschafterhaftung gem. § 128 H G B ist demgegenüber die Bedeutung dieser akzessorischen Haftung als Verhaltenssteuerungsmechanismus zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde spricht die Vermutung gegen einen stillschweigenden

Haftungsausschluss 5 1 .

Stattdessen muss die »Initiativlast« für eine Abbedingung im Lichte dieses gesetzlich verankerten Leitbilds beim Gesellschafter liegen 52 . Eine solche Verteilung der Verhandlungsgewichte gewährleistet die akzessorische Haftung als Funktionsbedingung für das Verantwortlichkeitsprinzip und damit für die Privatautonomie der Gläubiger 5 3 . N u r bei dem Ausnahmecharakter des Haftungsausschlusses in Abweichung von § 128 H G B ist seine Berücksichtigung bei der Preisbildung seitens der Gläubiger und damit ein marktlicher Interessenausgleich sichergestellt. Im Ergebnis zeichnet sich die Funktionsfähigkeit des marktlichen Interessenausgleichs mit den Gläubigern als Voraussetzung außenwirksamer Haftungsbeschränkung ab 5 4 . Haftungsabrede reicht nach Schlegelberger-K. Schmidt §128 Rdnr. 14 nicht; demgegenüber großzügige Annahme einer Rechtsscheinvollmacht bei Nagel, N Z G 2001,202,207; a.A. für Immobilienfonds als atypische Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wenngleich im konkreten Fall dennoch eine anteilige Haftung der Gesellschafter einer Miteigentümergemeinschaft zugrunde legend B G H 21.1.2002, DStR 2002, 816, 818. 4 8 B G H 28.6.1971, BB 1971,975. 4 9 B G H 28.6.1971, BB 1971,975. 5 0 Auf den entscheidenden Unterschied der Nachträglichkeit des Schulderlasses in der Entscheidung im Gegensatz zu einer ex ante-Abbedingung der Gesellschafterhaftung weist auch Dauner-Lieb (538 Fn.79) hin. 51 Baumbach/Hopt §128 Rdnr. 38; demgegenüber einen Ausnahmefall betrifft die Entscheidung des O L G München 28.4.1995, N J W - R R 1995,1439, in der der Gläubiger Kenntnis von einem Verstoß gegen die familienrechtliche Rücksichtnahmepflicht gem. § 1618a B G B aufgrund der Eingehung hoher Risiken zu Lasten eines allerdings volljährigen Kindes hatte und sich deshalb nicht auf dessen Komplementärhaftung berufen konnte; ähnliche Einschätzung der neueren Rechtsprechung mit entsprechender Skepsis gegenüber den Praktiken der Haftungsbeschränkung bei H.P. Westermann, N Z G 2001, 289, 295. 52 So auch Dauner-Lieb 538; demgegenüber für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mangels einer § 126 H G B entsprechenden Vorschrift für eine Obliegenheit des Vertragspartners, sich über die organschaftliche Vertretungsbefugnis des handelnden Gesellschafters zu vergewissern, Habersack, B B 2001, 477, 482. 53 Zur Verteilung von Verhandlungspositionen durch rechtliche Regeln grundlegend Ayres/ Gertner, Yale L.J. 99 (1989) 87-130. 5 4 Zur vergleichbaren Analyse der Durchgriffshaftung in der Corporation nach US-amerikanischem Recht Haar, RabelsZ 64 (2000) 537, 548f.

I.

3. Haftungsbeschränkung

kraft

Gesellschafterhaftung

349

Vermögenssonderung

Neben der schuldrechtlichen Vereinbarung mit dem Gläubiger könnte sich auch die dingliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens als Rechtsgrund für eine Freistellung des Privatvermögens der Gesellschafter von der Haftung im Sinne des ersten Argumentationsschritts der Doppelverpflichtungstheorie erweisen 55 . Für die Personengesellschaft stellt sich in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, ob die gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens die Gläubiger vor einer Abwälzung unternehmerischer Risiken schützen und daher eine Haftungsbeschränkung rechtfertigen kann 56 . Im deutschen Recht bildet insbesondere die ausschließliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens zu einer juristischen Person als von ihren Mitgliedern losgelöstes Rechtssubjekt die Möglichkeit, das Gesellschaftsvermögen mit Außenwirkung gegenüber den Gläubigern vom Privatvermögen der Mitglieder zu sondern 57 . Diese Sonderung als Verselbständigung des Sondervermögens gegenüber den Mitgliedern wird insbesondere daran deutlich, dass für die Mitglieder an die Stelle eingebrachter Vermögensgüter Mitgliedschaftsrechte treten 58 . Hierdurch werden die Vermögenssphäre der juristischen Person und die des Mitglieds voneinander getrennt. Dies geschieht mit irreversibler Wirkung, da auch in der Auseinandersetzung nur quotale Anrechte, nicht aber Rechte an den früher eingebrachten Gegenständen geltend gemacht werden können (§271 Abs. 1 AktG, § 72 GmbHG) 5 9 . Dies hat die Konsequenz einer Abschottung des Vermögens einer juristischen Person gegen willkürliche Eingriffe der Privatgläubiger der Mitglieder. Diesem positiven Aspekt der Vermögensabschottung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger steht eine Haftungsbeschränkung zu ihren Lasten gegenüber. Zwar kann es auch im deutschen Recht juristische Personen mit zusätzlich haftenden Mitgliedern geben, wie dies etwa bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien der Fall ist 60 . Umgekehrt ist aber keine Enthaftung aller Mitglieder ohne Anerkennung einer juristischen Person möglich 61 . Demzufolge haben die Gesellschafter, wollen sie ihre persönliche Haftung beschränken, für ihre unternehmerische Tätigkeit den »Preis« der ErrichZu diesem Argumentationsschritt siehe oben l.b)(l). Ahnlicher Zusammenhang zwischen gesamthänderischer Bindung und Haftungsbeschränkung bei Dauner-Lieb 548. 57 Gegenüberstellung mit dem französischen Recht, das juristische Personen mit und ohne persönliche Haftung der Gesellschafter kennt, bei Peifer, NZG 2001, 192, 201. 58 Zu diesen Zusammenhängen zwischen Organisationsstatut und Vermögensbindung Ott, Typenzwang 197-199. 59 Unter Hinweis auf das anders gelagerte französische Recht, das Rückerstattungsansprüche keineswegs ausschließt, Wiedemann, WM 1975, Sonderbeil. 4, S. 9. 60 Entsprechendes Beispiel für den Ausnahmefall zusätzlicher persönlicher Haftung der Mitglieder bei einer juristischen Person im deutschen Recht bei Dauner-Lieb 57; zum umgekehrten nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Anerkennung einer juristischen Person und dem Ausschluss persönlicher Haftung der Mitglieder auch T. Raiser, AcP 194 (1994) 495, 505f. 61 Wiedemann, WM 1975, Sonderbeil. 4, S. 11. 55 56

350

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

tung einer juristischen Person zu zahlen, der zum Beispiel in der Einhaltung der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften des Rechts der GmbH besteht 62 . Für die offene Handelsgesellschaft stellt sich daher die Frage, ob mit ihrer Teilrechtsfähigkeit gem. § 124 HGB eine Verselbständigung und Sonderung ihres Vermögens einhergeht, die eine Haftungsbeschränkung zugunsten ihrer Gesellschafter auf das Gesamthandsvermögen rechtfertigen könnten 63 . Für die offene Handelsgesellschaft bewirkt die gesamthänderische Bindung gem. §719 BGB, §105 Abs. 3 H G B eine Sonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter. Wie bereits oben dargestellt, soll sie die ansonsten gem. § 137 S. 1 BGB nur schuldrechtlich im Verhältnis der Gesellschafter untereinander wirkende Verfügungsbeschränkung im Interesse gemeinsamer Zweckverfolgung effektivieren 64 . Dem Gläubigerschutz dient sie nur insoweit, als sie den Zusammenhang zwischen vermögensmäßiger Beteiligung und Mitgliedschaftsrechten wahrt 6 5 . Der Wert dieses Zusammenhangs setzt aus Sicht der Gläubiger jedoch die persönliche Haftung der Gesellschafter als Anreizmechanismus voraus. Demzufolge basiert die Funktionsfähigkeit der gesamthänderischen Bindung auf der persönlichen Haftung der Gesellschafter, ohne durch eine zusätzliche, den Gegebenheiten einer juristischen Person nahekommende Vermögenssonderung eine Haftungsbeschränkung rechtfertigen zu können. N u r diese Anreizstruktur kann gläubigerschädigende Eingriffe der Gesellschafter im kollusiven Zusammenwirken verhindern 66 . Demzufolge ist die persönliche Haftung als Anreizmechanismus der Lenkungsmechanik der offenen Handelsgesellschaft wesensimmanent. Ungeachtet der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der offenen Handelsgesellschaft gem. § 124 HGB, die die Gesellschaft zum Zurechnungsendpunkt eingegangener Verbindlichkeiten macht, hat der Gesetzgeber dieser Lenkungsmechanik in §128 HGB Rechnung getragen 67 . Damit erweist sich die persönliche Gesellschafterhaftung in der offenen Handelsgesellschaft gem. § 128 HGB als Korrelat ihrer organisationsrechtlichen Verselbständigung gem. §124 62

Entsprechend zum »Preis« einer Haftungsbeschränkung BGH 27.9.1999, BGHZ 142,315,

322. 63 Ahnlich weist Peifer (NZG 2001, 192, 201) darauf hin, dass sich die Frage nach der Loslösung einer Organisation von ihren Mitgliedern nicht allein durch die Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit, sondern nur in Abhängigkeit von dem Ausmaß ihrer Selbständigkeit von ihren Mitgliedern beantworten lässt. 64 Hierzu siehe oben Zweiter Teil Ill.C.l.a). 65 Hierzu siehe oben Zweiter Teil III.D.2. 66 Zu diesen Gefahren bei der Gesamthand im Gegensatz zur juristischen Person mit entsprechenden Kapitalsicherungen Dauner-Lieb 49f., 548f. 67 Zum Zusammenhang der §§124, 128 HGB anhand der neueren Rechtsprechung zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts mbH Dauner-Lieb 524-534; Dauner-Lieb, DStR 1999, 1992, 1993f.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 589f.; von dieser Frage zu unterscheiden ist die umgekehrte Abschottung des Gesellschaftsvermögens zur Verhinderung des Zugriffs von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen (dazu Habersack, BB 2001, 477, 480).

I.

351

Gesellschafterhaftung

HGB. Inwieweit dieser Anreizmechanismus durch andere Steuerungsprinzipien mit der Konsequenz einer Haftungsbeschränkung zu Lasten der Gläubiger überlagert werden kann, gilt es nun anhand der gesetzlich geregelten Haftungsausschlüsse, die von einer Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners unabhängig sind, wie die zugunsten des Kommanditisten (dazu II.) sowie des GmbH-Gesellschafters (dazu III.), zu überprüfen 68 .

B. Einlagen- und Kapitalsicherung

in der

1. Einlage und Haftung des Kommanditisten der Fremd und Eigenkapitalqualifizierung

Kommanditgesellschaft als

Grundlagen

Der Grundsatz einer anreizgestützten Unternehmensleitung, wie er sich als Leitlinie für die zwingende Haftung gem. § 128 HGB der Gesellschafter einer O H G erwiesen hat, ist für die Kommanditgesellschaft mit der Ablehnung einer Durchgriffshaftung des unternehmensleitenden Kommanditisten im Rektor-Fall in Einklang zu bringen 69 . Auch für die Kommanditgesellschaft hat sich gezeigt, dass die Übertragung von Mitwirkungsbefugnissen eine anreizgestützte Verhaltenssteuerung nicht vollständig außer Kraft setzen darf 70 . In diese Richtung weist auch die weitere Diskussion der Entscheidung im Schrifttum. Zwar wird eine Haftung aufgrund von Herrschaft und damit eine unmittelbare Korrelation zwischen dem Umfang der Kontrolle über die Unternehmensleitung und der Höhe der daraus resultierenden Haftung abgelehnt 71 . Gleichwohl besteht Einigkeit insoweit, als der Schulrektor seine bereits geleisteten Sanierungsdarlehen nicht hätte zur Konkurstabelle anmelden dürfen 72 . Die Begründung hierfür reicht von Missbrauchserwägungen 73 , der Treuepflicht des Gesellschafters 74 , der Annahme einer konkludenten Rangrücktrittsklausel 75 bis zu rechtsformübergreifenden Konzepten eines Eigenkapitalersatzes 76 . Im Ergebnis besteht damit Einigkeit, dass zwar die Gläubiger nicht unbeschränkt durch eine unmittelbare Korrelation zwischen Herrschaft und Haftung, aber jedenfalls in Höhe der geleisteten Einlagen und Darlehen geschützt werden können. In Abhängigkeit von der Höhe der vom Kommanditisten erbrachten Vermögensleistungen lässt sich 68 Zum Status von GmbH und Kommanditgesellschaft als gesetzliche Privilegien einer fehlenden persönlichen Gesellschafterhaftung BGH 27.9.1999, BGHZ 142, 315, 322f. 69 Zur anreizgestützten Unternehmensleitung als Leitlinie für die Haftung in der OHG siehe oben l.b)(l); zur Re&ior-Entscheidung siehe bereits oben Erster Teil I.C.2. 70 Siehe oben Zweiter Teil III.C.4.c). 71 Hierzu schon oben Erster Teil I.C.2. 72 Fleischer, Finanzplankredite 188-201; Huher, ZGR 1988, 1, 4 0 - J o o s t , ZGR 1987, 370, 394; Rümker, ZGR 1988, 494, 512f.; K. Schmidt, JZ 1985, 301, 304. 73 Huher, ZGR 1988, 1, 40; Ott, Typenzwang 223; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit 298f. 74 Rümker, ZGR 1988, 494, 513f. 75 Rümker, ZGR 1988, 494, 513. 76 Joost, ZGR 1987, 370, 394; K. Schmidt, JZ 1985, 301, 304.

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Wirkung

daher von einer auf dem Eigeninteresse des unternehmensleitenden Kommanditisten beruhenden anreizgestützten Verhaltenssteuerung ausgehen 77 . Aus Gläubigersicht ist bei dieser Sachlage freilich weniger die mittelbare Steuerung der Unternehmensleitung entscheidend als vielmehr das Auffangen der damit verbundenen Risiken durch die Haftung des Kommanditisten mit seiner Einlage 7 8 . Ungeklärt ist jedoch der genaue Ansatzpunkt einer solchen Haftung des unternehmensleitenden Kommanditisten mit den von ihm an die Gesellschaft erbrachten Vermögensleistungen. Grundsätzlich haftet der Kommanditist den Gläubigern gegenüber beschränkt auf die Summe, die das Handelsregister als Einlage ausweist (§§171 Abs. 1 Halbs. 1, 162 Abs. 1 H G B ) . Gleichwohl sind Einlage und Haftung des Kommanditisten strikt voneinander zu unterscheiden 7 9 . Die Einlage beruht auf der Vereinbarung der Gesellschafter über die geschuldeten Beiträge und berührt lediglich das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Demgegenüber bezeichnet die Haftsumme den Höchstbetrag, bis zu dem der Kommanditist den Gläubigern gegenüber haftet. Die Verbindung zwischen der einlagenbezogenen gesellschaftsinternen Ebene und der Haftungsebene im Verhältnis zu den Gläubigern wird erst dadurch hergestellt, dass das Gesetz ungenau in § 162 Abs. 1 H G B die Eintragung der »Einlage« vorsieht, die dann gem. §172 A b s . l H G B haftungsbestimmende Wirkung gegenüber den Gläubigern entfaltet 80 . Gerade dieser Transfer von der gesellschaftsinternen Beitragsvereinbarung zur Haftung gegenüber den Gläubigern wirft jedoch Probleme auf. Verdeutlichen lässt sich dies anhand der §§171 A b s . l Halbs. 2, 172 A b s . 4 H G B , die die gegenüber den Gläubigern haftungsersetzende Wirkung der in das Gesellschaftsvermögen geleisteten Einlage statuieren. Demzufolge fungiert die in das Gesellschaftsvermögen geleistete Einlage als Haft- und damit als Eigenkapital 81 . Damit drängt sich aus Gläubigersicht die Frage auf, ob den Gesellschaftern in ihrer Einwirkung auf die Einlageschuld des Gesellschafters durch gesellschaftsinterne Vereinbarung Grenzen gezogen sind. Dies eröffnet den weiter gehenden Fragenbereich, ob die auf die vereinbarte Einlage gestützte Eigenkapitalqualifizierung im Verhältnis zu den Gläubigern Wirksamkeitseinschränkungen unterliegt. Wenn die Einlage im Lichte der mit ihrer Leistung gem. § 171 Abs. 1 77 Zu dieser begrenzten anreizgestützten Verhaltenssteuerung bei Geschäftsführung des Kommanditisten aufgrund der Haftungsbeschränkung siehe bereits oben Dritter Teil II.B.4.d). 78 Entsprechende Akzentuierung der Risikotragung durch den Kommanditisten bei Ott, Typenzwang 194f. 79 Grundlegend K. Schmidt, Einlage 5f.; terminologisch ebenso z.B. Hopt/Hehl/Vollrath Rdnr.743; Kirsch 6-14; in der Rechtsprechung O L G Naumburg 24.8.2000, N Z G 2000, 1218, 1219; a.A. Ott, Typenzwang 224. 8 0 Zur Uneinheitlichkeit des Einlagenbegriffs im Gesetz schon K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1560f. (§54 I.2.). 81 Zum Eigenkapitalcharakter der Einlage aufgrund des in ihr aufgrund ihrer Verlustbeteiligung verkörperten Haftungspotenzials Huher 248-252; Sieker, Eigenkapital 24^-8.

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Halbs. 1 H G B verbundenen Haftungsbefreiung des Kommanditisten gläubigerschützende Wirkung entfalten soll, muss sie aus Gläubigersicht die Haftungsbefreiung des Kommanditisten wert sein82. Diese Frage stellt sich sowohl hinsichtlich einer Vereinbarung über den gesellschaftsvertraglichen Rechtsgrund der Einlage bei ihrer Aufbringung (dazu B.) als auch hinsichtlich der mit der Einlage bezweckten wertmäßigen Kapitalaufbringung (dazu C.). Insgesamt deutet sich damit im Hinblick auf die Einlagenaufbringung das Problem an, wie die Gläubiger vor einer Manipulation der Haftungsmasse und damit verbundenenen Risikoabwälzungen geschützt werden 83 . Es scheint hier daher eine doppelte Funktionsschwäche von Märkten auf, einmal mangels natürlichen Interessengegensatzes bei der Einwirkung auf die Haftungsmasse auf gesellschaftsinterner Ebene und daneben beim Transfer auf die Gläubigerebene, als Grundlage der Frage nach effektivem Gläubiger- und damit Kapitalmarktschutz 84 . 2. Die Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital bei der Einlagenaufbringung in der KG a) Die gesplittete Einlage in der

Publikums-KG

Die Frage der Haftungsbefreiung des Kommanditisten nach Leistung der Einlage gem. § 171 Abs. 1 Halbs. 1 H G B kann sich bei der Einlagenaufbringung insbesondere dann stellen, wenn der Kommanditist neben seiner Einlage weitere Vermögensleistungen an die Gesellschaft erbringt und deren Haftungsstatus als Eigenkapital im Konkurs in Rede steht. Rechtstatsächlich aktuell geworden ist diese Fallkonstellation zunächst bei der Publikums-KG. Bei ihr ist die Praxis des Einlagensplittings verbreitet. Hierbei beteiligen sich die Anlegerkommanditisten nicht nur mit einer Kommanditeinlage, sondern gewähren der Gesellschaft darüber hinaus ein um ein Vielfaches höheres Darlehen 85 . Diese Gestaltung kommt der Interessenlage der Beteiligten entgegen, da sich mit der formalen Fremdkapitalzufuhr die Verluste der Publikums-KG vergrößern, womit entsprechend erhöhte Verlustzuweisungen zugunsten der Kommanditisten einhergehen, die diese mit Gewinnen aus anderen Einkünften verrechnen können 86 . Aus haftungsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob die Anlegerkommanditisten bei einem Zusammenbruch der Gesellschaft - wie er in der Praxis mit damit einhergehenden wirt-

82

Kirsch If.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1565 (§54 I.3.c). Zu dieser Überlegung als Haftungsgrundlage schon oben Erster Teil I.C.3. 84 Zur doppelten Funktionsschwäche von Märkten als Leitmotiv der US-amerikanischen Durchgriffshaftung im Recht der corporation schon Haar, RabelsZ 64 (2000) 537, 545-552. 85 Zu dieser Praxis anschaulich anhand des so genannten »Bremer Modells« bei Schifffahrtsprojekten sowie zum Rückgang dieser Praxis Fleischer, Finanzplankredite 18f., 21; Kühr 25. 86 Kritisch zum steuerlichen Verlustverrechnungspotenzial zugunsten des Kommanditisten Knobhe-Keuk, Steuerrecht 8; zu den kautelarjuristischen Motiven auch Fleischer, Finanzplankredite 20f. 83

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schaftlichen Schäden in Milliardenhöhe häufig vorkam 87 - ihre Darlehen zur Konkurstabelle anmelden und demzufolge bei der Befriedigung in Konkurrenz zu regulären Drittgläubigern treten können. (1) Rechtsnatur der Darlehensvereinbarung als Ausgangsfrage. Für die rechtliche Würdigung nicht einschlägig erweist sich bei dieser Sachlage der Theorienstreit zwischen Vertrags- und Verrechnungstheorie, wonach für die Frage der Einlagenerbringung entweder auf die Vereinbarung der Gesellschafter (Vertragstheorie) 88 oder auf die Mehrung des Gesellschaftsvermögens (Verrechnungstheorie)89 abzustellen ist90. Nicht die Frage der Existenz einer Vereinbarung über die Einlage ist für die gesplittete Einlage entscheidungserheblich, sondern die Frage der Maßgeblichkeit dieser Vereinbarung gegenüber den Gläubigern. Der Bundesgerichtshof orientiert sich in seinen ersten Entscheidungen zu dieser Frage der gesplitteten Einlage in der Publikums-KG an dem Kriterium, ob die geleisteten Darlehenszahlungen einer Beitragsleistung gleichzusetzen sind 91 . In diesem Fall seien die vereinbarten Darlehensleistungen gesellschaftlicher Art, unterlägen damit den Bedingungen des Gesellschaftsverhältnisses und fielen in die Haftungsmasse92. Unter diesem Gesichtspunkt wird dem Anlegerkommanditisten nicht nur die Kündigung seines Darlehens im Konkurs der Publikums-KG versagt 93 , sondern er wird darüber hinaus dazu verpflichtet, ohne Kündigungsmöglichkeit gem. §610 BGB den Darlehensbetrag auch im Liquidationsstadium noch in das Gesellschaftsvermögen zu zahlen 94 . Die Frage der Zugehörigkeit der Darlehensleistungen zur Haftungsmasse wird demnach hier an die Eigenschaft der Darlehensvereinbarung als gesellschaftsvertragliche Beitragsverpflichtung geknüpft 95 . Damit erweist sich auch bei der Bestimmung der Haftungsmasse - wie schon bei der Einordnung des Dritteinflusses anhand des § 137 S. 1 BGB gezeigt - die »gesellschaftsvertragliche« und folglich organisationsrechtliche Rechtsnatur der zugrunde liegenden Vereinbarung als Bestimmungsfaktor einer Außenwirkung im Verhältnis zu den Gläubigern 96 . Zu entscheiden ist daher, ob es sich bei der Darlehensvereinbarung zwischen der Publikums-KG und dem Anlegerkommanditisten lediglich um eine äußerlich im Gesellschaftsvertrag integrierte, aber in seinem Gehalt davon unabhängige 87

Zu diesen Schäden Kühr 26; U.H. Schneider, Z H R 142 (1978) 228, 231. So Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 416-419. 89 So Furrer 202-211. 90 Grundlegend hierzu Wiedemann, FS Bärmann 1037, 1041-1048. 91 B G H 28.11.1978, B G H Z 70, 61, 63; B G H 3.7.1978, W M 1978, 898. 92 B G H 3.7.1978, W M 1978, 898. 93 So in B G H 28.11.1978, B G H Z 70, 61, 64. 94 B G H 3.7.1978, WM 1978, 898. 95 B G H 28.11.1978, B G H Z 70, 61, 63; B G H 3.7.1978, WM 1978, 898. 96 Zur Frage der organisationsrechtlichen Einordnung des Dritteinflusses siehe oben Zweiter Teil IILC.l.b), D. 88

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schuldrechtliche Vereinbarung oder ob es sich dabei um einen echten Satzungsbestandteil handelt 97 . Grundsätzlich ist in Personengesellschaften auch der Abschluss schuldrechtlicher Verträge zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter ähnlich wie zwischen der Gesellschaft und einem fremden Dritten als Drittgeschäfte möglich. Dies zeigt sich insbesondere an den Gestaltungsvarianten schuldrechtlich oder gesellschaftsrechtlich vereinbarter Geschäftsführungstätigkeit des Kommanditisten 98 . Die damit einhergehende Modifizierung der Durchsetzbarkeit aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht des kontrahierenden Gesellschafters ändert an der schuldrechtlichen Einordnung des Drittgeschäfts nichts 99 . Allerdings ist die eindeutige Bestimmung eines schuldrechtlichen Rechtsgrundes der betreffenden Vereinbarung dann schwierig, wenn die vereinbarte Leistung den gemeinsamen Zweck im Rahmen einer formal getrennten Vertragsbeziehung fördern soll 100 . Welche Kriterien sind heranzuziehen, um den gesellschaftsvertraglichen und damit organisationsrechtlichen Rechtsgrund der Darlehensvereinbarung zu begründen und so die Wahl eines formal schuldrechtlichen Rechtsgrundes der Darlehensverpflichtung seitens der Gesellschafter für unbeachtlich zu erklären? (2) Abgrenzungskriterien. Als zu grobschlächtig und unpräzise erweisen sich die Kriterien irgendeines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Gesellschaftszweck für die Begründung einer Beitragsverpflichtung 101 . Ein solcher Zusammenhang ließe sich auch für jedes Drittgeschäft mit einem fremden Gläubiger konstruieren. Ebenso wenige Kriterien für den erforderlichen Interessenausgleich zwischen Gesellschaftern und Gläubigern lassen sich der Faustregel entnehmen, dass für alle im Gesellschaftsvertrag formal geregelten Leistungspflichten eine Vermutung für deren Beitragscharakter spreche 102 . Der Bundesgerichtshof hebt in seiner Leitentscheidung zur gesplitteten Einlage zwei Merkmale der Darlehensverpflichtung der Kommanditisten als maßgeblich für deren Einstufung als gesellschaftsvertragliche Beitragspflicht hervor. Es handelt sich hierbei um die unterschiedslose Verpflichtung aller beitretenden Kommanditisten und um die Unerlässlichkeit der Darlehensmittel für die Erreichung des Gesellschafts97 Zu der zugrunde liegenden Unterscheidung zwischen materiellen oder bloß formellen Satzungsbestandteilen insbesondere im Hinblick auf die GmbH Winkler, DNotZ 1969,394-414; zu dieser Frage in der Publikums-KG mit Einlagensplitting Fleischer, Finanzplankredite 27-29. 98 Zu diesen Gestaltungsvarianten Bork, AcP 184 (1984) 465, 479f.; A. Hueck, DB 1962, 1363f.; Priester, DB 1975, 1878, 1879f.; hierzu bereits oben Dritter Teil II.B.5.d). 99 Zu diesen Modifikationen der Durchsetzbarkeit RG 26.2.1926, JW 1937, 1986f.; BGH 10.11.1969, WM 1970,280,281, GroßKommHGB-t//mer § 105 Rdnr. 217; A Hueck, OHG 327 Fn.54; Sieker, Eigenkapital 15; Soergel-Hadding §705 Rdnr. 57. 100 Ausführlich Sieker, Eigenkapital 17. 101 So z.B. Wieland 841; einschränkend dagegen Sieker, Eigenkapital 21; ablehnend Fleischer, Finanzplankredite 30. 102 M ü K o - U l m e r , §706 Rdnr. 5; im GmbH-rechtlichen Zusammenhang so auch Lutter/ Hommelhoff § 3 Rdnr. 47; Priester, DB 1979, 681, 684.

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zwecks 103 . Im Schrifttum zur Frage der Abgrenzung zwischen selbständigem Vertrag und Beitragspflicht werden darüber hinaus die Vertragsbedingungen des Drittgeschäfts als entscheidend erachtet 104 . Aus dieser Sicht lassen sich Beitragsverpflichtungen durch ihre Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis 105 , Drittgeschäfte durch ihre diesbezügliche Unabhängigkeit und die Üblichkeit ihrer Vergütung 106 charakterisieren. Demzufolge wird mit diesem Kriterium der Marktbezug der getroffenen Vereinbarung hergestellt 107 . Diese kann sich entweder an der Markttätigkeit und dem Geschäftsergebnis der Gesellschaft ausrichten oder am Markt für die vereinbarte Leistung. Hiergegen ist die Privatautonomie der Gesellschafter ins Feld geführt worden, davon losgelöst auch Bedingungen vereinbaren zu können, die sie keinem Dritten eingeräumt hätten 108 . (3) Interessenausgleich durch Umqualifizierung. Das letztgenannte Argument leitet über zu dem Interessenausgleich, der mit den genannten drei Kriterien gleichmäßige Betroffenheit aller Kommanditisten, Unerlässlichkeit der Darlehensleistung für die Zweckerreichung sowie die Ausrichtung der Vertragsbedingungen am Geschäftsergebnis der Gesellschaft bzw. am Markt der betroffenen Leistung - realisiert werden soll. Es handelt sich bei der Vereinbarung der gesplitteten Einlage nicht lediglich um eine gesellschaftsinterne Vereinbarung, sondern sie betrifft angesichts der Zuordnung der als Beiträge qualifizierten Darlehensleistungen zur Haftungsmasse unmittelbar die Interessen der Drittgläubiger. Dieser Zuordnung der als Beitrag qualifizierten Darlehensleistungen zum Eigenkapital hält Karsten Schmidt begrifflich zutreffend entgegen, dass aus der Beitragseigenschaft noch nicht die Eigenkapitalqualifikation folge 109 . Entscheidend für die Qualifikation der Darlehensleistungen als Eigenkapital sei vielmehr deren Gleichbehandlung mit echten Einlagen 110 . Entscheidend ist auch nach Karsten Schmidts Auffassung für die haftungsrechtliche Gleichstellung der als Darlehen gewährten Mittel mit dem Eigenkapital die Frage nach der Außenwirkung der Vereinbarung der Gesellschafter über die Splittung der vom Anlegerkommanditisten geschuldeten Zahlungen in Einlage und Darlehen 111 . Damit folgt letztlich BGH 28.11.1978, BGHZ 70, 61, 63f. Baumbach/Hopt §109 Rdnr. 11; Fleischer, Finanzplankredite 33; Soergel-Hadding §706 Rdnr. 3; H.P. Westermann, Handbuch I Rdnr. 383; zurückhaltender Sieker, Eigenkapital 21 f. 105 Baumbach/Hopt § 109 Rdnr. 11 -,H.P. Westermann, Handbuch I Rdnr.383. 106 Zu diesen Kennzeichen eines Drittgeschäfts Fleischer 31 f.; ähnlicher Fremdvergleich bei Hillers 114. 107 Die Relevanz von Marktmaßstäben liegt auch bei Wiedemann, WM 1992, Beil. 7, 13 zugrunde. 108 Sieker, Eigenkapital 22 unter Hinweis auf Hillers 114 Fn. 75. 109 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 528f. (§ 18 III.3.); ähnlich auch Wiedemann, W M 1992, Beil. 7, 12. 110 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 529 (§18 III.3.). 111 Zur »funktionellen Gleichbehandlung« als entscheidendes Kennzeichen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 529 (§18 III 3.). 103 104

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auch aus dieser Sicht die Umqualifizierung der Darlehensleistungen in Eigenkapital aus dem Gesellschaftsvertrag, so dass hier ebenfalls eine organisationsrechtliche Rechtsnatur der Vereinbarung als Begründung herangezogen wird. Diese funktionale Herangehensweise auf der Grundlage einer funktionellen Gleichsetzung der Darlehen mit den Einlagen und ihre daraus resultierende Umqualifizierung in Haftkapital wird in späteren Entscheidungen auch vom Bundesgerichtshof praktiziert 1 1 2 . Zwar wiederholt er auch in diesen Entscheidungen seine Einstufung der Darlehen bzw. stillen Beteiligungen als Bestandteil der Beitragspflicht 113 . Gleichwohl stützt er die Umqualifizierung in Haftkapital nicht auf diesen Beitragscharakter, sondern auf die Funktion der überlassenen Mittel, die der von Eigenkapital entspreche 114 . Diese Eigenkapitalfunktion verknüpft er sodann mit den hiervon entscheidend betroffenen Interessen - nämlich denen der Gläubiger, denen die hingegebenen Mittel als Haftungsmasse zur Verfügung stehen müssten 115 . Demzufolge sind die Gläubigerinteressen diejenigen, mit denen die Interessen der darlehensgewährenden Anlegerkommanditisten zum Ausgleich zu bringen sind. In den Worten des Bundesgerichtshofes muss das für die Erreichung des Gesellschaftszwecks unerlässliche Eigenkapital als Grundlage für die notwendige Aufnahme von Fremdkapital zur Verfügung stehen 116 . In Konkurrenz treten damit das Bemühen um eine effiziente Kapitalsicherung und das Interesse am Anlegerschutz 117 . Wie tragen dem die genannten drei Kriterien zur Unterscheidung zwischen schuldrechtlicher und organisationsrechtlicher Darlehensverpflichtung Rechnung? Insbesondere der Fremdvergleich wird wegen der vermeintlich entgegenstehenden Privatautonomie der Gesellschafter bei der Gestaltung der Darlehensbedingungen kritisiert 118 . Gleichwohl verdeutlicht er, dass die Frage des schuldrechtlichen Regelungsgehalts der Darlehensvereinbarungen letztlich am Kapitalmarkt und den dortigen Bedingungen zu messen ist. Im Ergebnis erweist sich folglich der Kapitalmarkt als Abgrenzungskriterium für Eigen- und Fremdkapital. Lediglich ausnahmsweise, wenn sich aus dem vereinbarten Zweck des Darlehens, z.B. als Aufbaudarlehen, das Erfordernis marktunüblicher Konditionen ergibt, wäre ungeachtet der Unkündbarkeit zur Unzeit eine Geltendmachung im Konkurs durchaus diskutabel 119 . In einem solchen Sonderfall wäre dann in der Tat der privatautonomen Vereinbarung kapitalmarktunüblicher Kreditkonditionen trotz Fremdkapitalqualifizierung Geltung zu verschaffen. 112 BGH 5.11.1979, NJW 1980,1522,1523; BGH 10.12.1984, BGHZ 93,159,161; zum funktionellen Ansatz des BGH auch Fleischer, Finanzplankredite 34-40. 113 BGH 5.11.1979, NJW 1980, 1522, 1523; BGH 10.12.1984, BGHZ 93, 159, 161. 114 BGH 5.11.1979, NJW 1980, 1522, 1523; BGH 10.12.1984, BGHZ 93, 159, 161. 115 BGH 5.11.1979, NJW 1980, 1522, 1523; BGH 10.12.1984, BGHZ 93, 159, 164. 116 BGH 5.11.1979, NJW 1980, 1522, 1523. 117 So schon von Fleischer, Finanzplankredite 37 herausgearbeitet. 118 Sieker, Eigenkapital 22 unter Hinweis auf Hillers 114 Fn. 75. 119 So auch schon Wiedemann, WM 1992, Beil. 7, 13.

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Grundsätzlich gilt für den Regelfall der Publikums-KG: N u r wenn die Darlehensvereinbarungen mit der allgemein üblichen Risikoverteilung des Kapitalmarktes übereinstimmen, kann der Anlegerkommanditist auch bei deren Durchsetzung in der Liquidation diese Stellung als Kapitalmarktteilnehmer neben den übrigen Drittgläubigern wahrnehmen. Gewährt er die Darlehen demgegenüber zu ungünstigeren Bedingungen, indem er z.B. auf eine einseitige Kündigungsmöglichkeit während der Dauer des Gesellschaftsverhältnisses verzichtet, sich zur langfristigen Belassung des Darlehens verpflichtet oder eine niedrige Verzinsung vereinbart 120 , so setzt er das als Darlehen gewährte Kapital nicht Kapitalmarktrisiken aus. An deren Stelle treten die Risiken einer guten Verzinsung im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Letztlich wird der Anlegerkommanditist hier an seiner Wahl des Verzinsungsrisikos festgehalten, das im Rahmen einer typisierenden Bemessung anhand der allgemeinen Kapitalmarktverhältnisse bestimmt wird 121 . Die Teilnahme an diesem Risiko folgt aus der Teilnahme an Kapitalmarktgeschäften. Inwieweit der Anleger hierbei zu schützen ist, kann sich nicht durch eine nachträgliche Risikokorrektur zu Lasten der Gläubiger ergeben, sondern muss bereits bei der Entscheidung zur Marktteilnahme ansetzen, wie das bei der Entwicklung der richterlichen Inhaltskontrolle zur Prospekthaftung auch systemgerecht geschehen ist122. b) Die Umqualifizierung

in der personalistischen GmbH & Co KG

(1) Übertragung der Grundsätze zur gesplitteten Einlage. Von einer solchen in den Kapitalmarkt eingebetteten Publikumspersonengesellschaft weg führt schließlich die Grundlegung einer Rechtsprechung der Finanzplankredite in B G H Z 104, 33123. Zu entscheiden ist hier über das Schicksal des Guthabens der Kommanditisten einer personalistischen G m b H & Co KG auf Darlehens-Festkonten im Konkurs, auf denen sie nach dem Gesellschaftsvertrag ständig ein Guthaben von 80% ihrer Kapitaleinlage zu unterhalten hatten. Der Bundesgerichtshof hält die Grundsätze seiner Rechtsprechung zur gesplitteten Einlage in der Publikums-KG für uneingeschränkt übertragbar 124 . Die Publikums-KG sei lediglich das praktisch häufigste Anwendungsgebiet der materiellen Eigenkapitalfunktion von Gesellschafterdarlehen außerhalb der Krise 125 . Entsprechend wen120

So die Beispiele im Rahmen des Fremdvergleichs in B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33, 41. Ahnlich im Hinblick auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Rechtsgrundlage Wiedemann, WM 1992, Beil. 7, 13; ablehnend Fleischer, Finanzplankredite 81-83. 122 So auch in der Grundlegung eines Anlegerschutzes auf die kapitalmarktlichen Gegebenheiten beim Vertrieb der Kapitalanlage abstellend Hopt, 51. DJT G 86-G 88; ähnliche Einbettung des Anlegers und seiner Kapitalanlage in den Kapitalmarkt in neuerer Zeit bei Kalss 1-21; zur Prospekthaftung siehe oben Dritter Teil IV.A.l. 123 B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33. 124 B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33,39. 125 B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33, 39. 121

I. Gesellschafterhaftung

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det der Bundesgerichtshof die von der vorgehend dargestellten Rechtsprechung zur gesplitteten Einlage bekannten Kriterien für eine Umqualifizierung der Darlehen in Haftkapital an. Grundsätzlich sei es zwar die freie Entscheidung der Gesellschafter, ob sich ihre Gesellschaft über Fremd- oder über Eigenkapital finanziere126. Gleichwohl hätte eine Behandlung der Darlehen durch die Gesellschafter wie Einlagen zur Folge, dass diese Darlehen als Grundstock der Haftungsmasse den Gläubigern ungehindert durch eine Konkurrenz der Gesellschafter zur Verfügung stehen müssten127. Als Indizien für eine solche Behandlung als Eigenkapital führt der Bundesgerichtshof die Einräumung günstiger Kreditkonditionen sowie die Unentbehrlichkeit der Darlehen für die Verwirklichung der gesellschaftsvertraglichen Ziele an128. Damit scheinen in der Tat auf den ersten Blick die Rechtsprechungsgrundsätze zur gesplitteten Einlage in der Publikums-KG auch auf die personalistische GmbH Sc Co KG uneingeschränkt anwendbar und in Fortführung dieser Argumentation auch auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft übertragbar129. (2) Sachleistungs- statt Kapitalmarktbezug. Gleichwohl sind einer solchen Ubertragbarkeit bei der Präzisierung des Marktbezuges Grenzen gezogen. So werden bei der gesplitteten Einlage in der Publikums-KG die Darlehensbedingungen am Kapitalmarkt gemessen. Der Anlegergesellschafter wird hierbei in beiden Fällen in dem der Qualifizierung des Darlehens als Fremdkapital und in dem der Umqualifizierung in Eigenkapital - möglichen Kapitalmarktrisiken ausgesetzt. Zunächst ist im Lichte der Kreditbedingungen zu bestimmen, ob das gewährte Darlehen den üblichen Kapitalmarktrisiken unterworfen war130. Andernfalls nimmt der Anlegergesellschafter mit dem gewährten Darlehen am Geschäftsrisiko der Publikums-KG teil, was sich letztlich ebenfalls als Risiko der Kapitalmarktteilnahme darstellt131. Demgegenüber werden zwar auch bei der personalistisch strukturierten GmbH 8i Co KG die Bedingungen von Gesellschafterdarlehen an den kapitalmarktüblichen Kreditkonditionen gemessen. In diesem Lichte wird geprüft, ob sich der Gesellschafter mit seinem Darlehen den kapitalmarktüblichen Risiken unterworfen hat. Ist dies nicht der Fall, so nimmt auch der Gesellschafter einer personalistisch strukturierten GmbH & Co KG mit seinem Darlehen am Geschäftsrisiko teil. Dieses Geschäftsrisiko lässt sich jedoch - anders als B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33, 40. B G H 21.3.1988, B G H Z 1 0 4 , 3 3 , 4 0 . 128 B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33, 41. 129 Zur Ubertragbarkeit der Entscheidung rechtsformübergreifend Fleischer, Finanzplankredite 51-53; auf die gesetzestypische K G tendenziell Koch 41; Mundry 117f.; Wiedemann, W M 1992, Beil. 7, 13. 130 Zur Risikoverteilung im Lichte der kapitalmarktüblichen Kreditkonditionen siehe oben a)(3). 131 Zur rechtlichen Verteilung des Risikos der Kapitalmarktteilnahme insbesondere bei der Prospekthaftung siehe oben Dritter Teil IV.A.l. 126 127

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4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

bei der P u b l i k u m s - K G - nicht als ein Risiko der Kapitalmarktteilnahme fassen. Stattdessen ist dies das Risiko des Marktes, auf dem sich die G m b H & C o KG unternehmerisch betätigt. N u r unter diesem Gesichtspunkt erschließt sich der w i e derholte Hinweis auf den Eigenkapitalbedarf der Gesellschaft, der keine Immobilien zur Besicherung von Fremdkapital zur Verfügung stünden 1 3 2 . Als Element der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft könnten solche Immobilien gegenüber Fremdkapitalgläubigern das Risiko eines Fehlschlags der unternehmerischen T ä tigkeit der Gesellschaft besichern. Treten an die Stelle dieser Immobilien Gesellschafterdarlehen, so nehmen diese am unternehmerischen Risiko der Gesellschaftstätigkeit auf dem betreffenden Sachleistungsmarkt teil. Die Unterschiedlichkeit der Risiken, denen der Anlegerkommanditist und der Kommanditist einer personalistischen G m b H & C o KG mit ihren Darlehen durch die Umqualifizierung in Eigenkapital unterworfen werden, wirft die Frage auf, ob sich hieraus auch weitere Unterschiede für die Kriterien einer U m q u a l i f i zierung ableiten lassen. Für die P u b l i k u m s - K G ist bereits festgestellt worden, dass dem Risiko der Kapitalmarktteilnahme des Anlegerkommanditisten durch die Prospekthaftung ausreichend Rechnung getragen w i r d . Insoweit bildet die Belastung durch eine Umqualifizierung der gesplitteten Einlage im Konkurs der P u b l i k u m s - K G kein zusätzliches Risiko für den Anleger, sondern ist lediglich die Folge seiner gegebenenfalls über die Prospekthaftung zu korrigierenden Kapitalmarktteilnahme 1 3 3 . Einen solchen Schutz beim Beginn der Marktteilnahme gibt es für den Kommanditisten einer personalistischen G m b H & C o KG nicht. Wie lässt sich dann hier die A u f b ü r d u n g des Sachleistungsmarktrisikos durch Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen rechtfertigen ? A u c h bei der G m b H & C o KG treten bei der Frage der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen das Bemühen u m eine effiziente Kapitalsicherung und das Interesse am Gesellschafterschutz in Konkurrenz 1 3 4 . Die H ö h e einer effizienten Kapitalsicherung bestimmt sich in Parallele zur Kapitalsicherung der Publikums-KG nach dem erforderlichen Eigenkapital als Grundlage für die notwendige A u f n a h m e von Fremdkapital 1 3 5 . Dies w i e d e r u m ergibt sich aus dem Risiko, das die G m b H & C o KG mit ihrer unternehmerischen T ä tigkeit auf Sachleistungsmärkten eingeht. Als A n k n ü p f u n g s p u n k t für einen Gesellschafterschutz vor diesem Sachleistungsrisiko kommt im Vergleich zur Publik u m s - K G insbesondere die personalistische Struktur der G m b H & C o KG in Betracht. In der zugrunde liegenden Entscheidung handelt es sich um lediglich drei B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33, 35, 42. Zum Schutz durch Prospekthaftung bei der Kapitalmarktteilnahme siehe oben Dritter Tei1IV.A.1. 134 Zur entsprechenden Konkurrenz zwischen effizienter Kapitalsicherung und Anlegerschutz in der Publikums-KG siehe oben a)(3). 135 Für die Publikums-KG so B G H 5.11.1979, N J W 1980,1522,1523; für die personalistische G m b H & C o KG so B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33, 41. 132 133

361

I. Gesellschafterhaftung

Gesellschafter, die als Teilhaber an der Komplementär-GmbH sowie als Kommanditisten beteiligt sind 136 . Hieraus ergibt sich für die darlehensgewährenden Gesellschafter die Möglichkeit zur Einwirkung auf das von der G m b H & C o K G eingegangene unternehmerische Sachleistungsmarktrisiko. Demzufolge zeichnet sich für die personalistische G m b H & C o K G bei der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital folgende Abwägungstendenz ab: Der Gesellschafter einer personalistischen G m b H & C o K G kann ungeachtet der Haftungsbeschränkung das Risiko einer unzureichenden Kapitalsicherung nicht unbegrenzt auf Kosten der Gläubiger vermeiden. Wenn er bei der Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens nicht die kapitalmarktübliche Risikoverteilung vereinbart, unterliegt dieses Darlehen dem unternehmerischen Geschäftsrisiko der Gesellschaft, auf das er im Lichte der personalistischen Gesellschaftsstruktur Einfluss nehmen kann. Auch für die personalistische G m b H & C o K G zeichnet sich als Haftungstatbestand eine doppelte Marktschwäche ab. Die Marktschwäche bei Vereinbarung kapitalmarktunüblicher Darlehensbedingungen wird über die durch die Darlehen gesicherte Kreditwürdigkeit auf die unbeteiligten Drittgläubiger abgewälzt. c) Die Umqualifizierung

zu Lasten von atypisch stillen

Gesellschaftern

(1) Mitwirkungsrechte der Gesellschafter als Anknüpfungspunkte in der Rechtsprechung. Unterlag das unternehmerische Geschäftsrisiko der Gesellschaft auf dem betroffenen Sachleistungsmarkt bei der G m b H & C o K G schon aufgrund von deren personalistischer Struktur der Einwirkung der darlehensgewährenden Kommanditisten, so ist dieses Einwirkungskriterium nunmehr anhand der Darlehen atypisch stiller Gesellschafter weiterzuverfolgen. In der ersten Entscheidung zur Umqualifizierung der Einlage eines stillen Gesellschafters in Eigenkapital stützt sich der B G H auf die Vereinbarung der Gesellschafter, wonach der stille Gesellschafter in Abweichung vom damaligen §341 H G B , heute §236 H G B , die Einlage im Konkurs erst nach Befriedigung der Gläubiger zurückfordern können soll 137 . Der B G H folgert den Eigenkapitalcharakter der Einlage daher aus der an § 1 0 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 K W G angelehnten Nachrangigkeitsabrede der stillen Gesellschafter und der betroffenen Bank 1 3 8 . Von einer solchen ausdrücklich geregelten gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung des stillen Gesellschafters, seine Einlage zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft zu belassen, grenzt der B G H in einer wenig später folgenden Entscheidung die gesetzestypische Stellung eines stillen Gesellschafters ab 139 . Das Vermögensrecht des stillen Gesellschafters B G H 21.3.1988, B G H Z 104,33, 34. B G H 1.3.1982, B G H Z 83,341. 1 3 8 B G H 1.3.1982, B G H Z 83,341,345; zur Beteiligung Dritter am Ergänzungskapital auf der Grundlage des §10 Abs.4 K W G auch Wiedemann, FS Beusch 893, 911. 139 B G H 21.3.1983, W M 1983, 594, 595. 136 137

362

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

sei hier inhaltlich so ausgestaltet, wie es für ein Kreditverhältnis typisch sei. D a m i t nimmt der B G H die schuldrechtlichen Ausgangspunkte im Sachverhalt der E n t scheidung in Bezug, in der sich nämlich eine Apothekerin als stille Gesellschafterin an der sie beliefernden A r z n e i m i t t e l - G m b H beteiligt 1 4 0 . F ü r eine modifizierende Umqualifizierung dieser schuldrechtlichen Abreden zu einer haftungsbegründenden Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der A r z n e i m i t t e l - G m b H fehle es an entsprechenden besonderen U m s t ä n d e n 1 4 1 . Eine Gelegenheit zur Konkretisierung der hierzu erforderlichen besonderen Umstände erhält der B G H in einer späteren Entscheidung zur stillen Beteiligung an einer P u b l i k u m s - K G 1 4 2 . Entscheidend für die Umqualifizierung der stillen B e teiligung in Eigenkapital sei hier die Stellung der stillen Gesellschafter, die aufgrund weitreichender Befugnisse zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung und Gestaltung der Kommanditgesellschaft eine Gleichstellung des stillen Gesellschafters mit den Kommanditisten rechtfertige 1 4 3 . D a n n müsse auch der stillen Einlage wie der Kommanditeinlage Eigenkapitalcharakter z u k o m m e n . Als besonderes Kriterium für die Gleichstellung führt das Gericht die Möglichkeit der stillen Gesellschafter an, aufgrund ihres Anteils in H ö h e von 5 7 % am stimmberechtigten Kapital die übrigen Gesellschafter zu überstimmen 1 4 4 . M i t einem solchen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft vertrage sich nicht die haftungsrechtliche Behandlung der stillen Gesellschafter als Drittgläubiger 1 4 5 . Folglich arbeitet der B G H in dieser Entscheidung zum ersten Mal deutlich die Bedeutung der Einflussnahme des stillen Gesellschafters auf die Unternehmensleitung der Gesellschaft als Kriterium für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme seiner Einlage heraus. U n t e r dieser Voraussetzung entfalte die Begünstigung der stillen Beteiligung gegenüber der Kommanditbeteiligung keine haftungsrechtliche A u ßenwirkung gegenüber den Gläubigern 1 4 6 . D e m z u f o l g e markiert nach dieser E n t scheidung die Einflussmöglichkeit des stillen Gesellschafters die entscheidende Begrenzung der Privatautonomie der Gesellschafter gegenüber den Gläubi147

gern

.

Dieser Gedanke findet seine Fortsetzung in der Grundsatzentscheidung des B G H zu diesem Fragenkreis der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme der stillen Beteiligung 1 4 8 . H i e r zählt er den stillen Gesellschafter zum Personenkreis, der 140 Der BGH nimmt die »Intensivierung« dieser schuldrechtlichen Geschäftsbeziehungen als Ziel der stillen Beteiligung in Bezug (BGH 21.3.1983, WM 1983, 594, 595). 141 BGH 21.3.1983, WM 1983, 594, 595. 142 BGH 17.12.1984, WM 1985, 284. 143 BGH 17.12.1984, WM 1985, 284. 144 BGH 17.12.1984, WM 1985, 284. 145 BGH 17.12.1984, WM 1985, 284. 146 BGH 17.12.1984, WM 1985, 284. 147 Die Umqualifizierung als Beschränkung der Privatautonomie auch besonders herausgearbeitet bei Habersack, ZHR 161 (1997) 457, 467. 148 BGH 7.11.1988, BGHZ 106, 7.

1.

Gesellschafterhaftung

363

für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung verantwortlich sei 149 . Zwar treffe ihn in der Regel keine Kapitalerhaltungspflicht gem. §30 G m b H G , aber eine atypische Ausgestaltung der stillen Beteiligung könne eine Gleichstellung mit den (GmbH-)Gesellschaftern nahelegen 150 . Aus der Gestaltung der atypischen Befugnisse des stillen Gesellschafters und insbesondere seinem Einfluss auf die Geschäftsführung folgert der B G H hier die Einbeziehung des Stillen in den mitgliedschaftlichen Verband 151 . Auch hier stellt er die Verbindung her zwischen den Rechten, denen im Gläubigerinteresse unabdingbare Pflichten gegenüberstünden 152 . Insgesamt lässt sich als Voraussetzung für eine Umqualifizierung der stillen Beteiligung in Eigenkapital der dargestellten Rechtsprechung die atypische Ausgestaltung der Stellung des Stillen entnehmen. Zumindest ein Widerspruchsrecht gem. § 164 H G B nähert seine interne Stellung der eines Kommanditisten in der Weise an, die eine haftungsrechtliche Einbeziehung seiner Einlage in den mitgliedschaftlichen Verband begründet 153 . Ähnlich wie bei der Stellung des Kommanditisten in der personalistischen G m b H & C o K G zeichnet sich mit der atypischen Ausgestaltung des stillen Gesellschafters auch hier als Voraussetzung für eine Umqualifizierung der Einlage die Möglichkeit zur Einflussnahme auf das unternehmerische Risiko der Gesellschaft ab 1 5 4 . (2) Öffentliche Kundgabe als Qualifizierungskriterium. Demgegenüber hat Schön den Versuch unternommen, die Umqualifizierung einer stillen Beteiligung in Eigenkapital dogmatisch auf die öffentliche Kundgabe des stillen Gesellschaftsverhältnisses zu stützen, sofern die Zuführung der stillen Einlage als Eigenkapital objektiv erforderlich war 1 5 5 . Hierfür zieht er die historische Verwandtschaft der stillen Beteiligung mit der Kommanditbeteiligung heran, die sich durch die öffentliche Eintragung des Kommanditisten im Handelsregister bzw. die Heimlichkeit der Beteiligung des Stillen unterscheiden 156 . Daher könne die Kundgabe der stillen Beteiligung im Rechtsverkehr eine Gleichstellung des Stillen mit einem Kommanditisten und folglich auch die Umwandlung der stillen Beteiligung in gebundenes Haftkapital nach sich ziehen 157 . Im Tatsächlichen knüpft Schön hierbei an einen Hinweis im Sachverhalt der Rechtsprechung zur gesplitteB G H 7.11.1988, B G H Z 106, 7, 9. B G H 7.11.1988, B G H Z 106, 7, 9f. 151 B G H 7.11.1988, B G H Z 106, 7, 10. 152 B G H 7.11.1988, B G H Z 106, 7, 11. 153 Auf ein solches Widerspruchsrecht nimmt das Hans.OLG (13.10.1989, W M 1990, 1292, 1294) ausdrücklich Bezug; ähnlich zu einem Widerspruchsrecht des stillen Gesellschafters gem. §164 H G B als Mindestvoraussetzung einer Umqualifizierung Reusch, B B 1989, 2358, 2361. 154 Zur Einflussnahme des darlehensgewährenden Kommanditisten einer personalistischen G m b H & C o K G auf das unternehmerische Risiko der Gesellschaft siehe oben b)(2). 155 Schön, Z G R 1990, 220-248. 156 Schön, Z G R 1990, 220, 234. 157 Schön, Z G R 1990, 220, 234-239. 149

150

364

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

ten Einlage, und zwar an den Ausweis der stillen Einlagen und Darlehen in den Emissionsprospekten als Eigenkapital an 158 . (3) Kriterienkombination unter dem Blickwinkel einer doppelten Marktschwäche. In Anknüpfung an die funktionale Betrachtung der Umqualifizierung als einer doppelten Marktschwäche im Zusammenhang mit der personalistischen G m b H & C o K G lassen sich die beiden aufgezeigten Gesichtspunkte verbinden. Die Mitwirkungsrechte des stillen Gesellschafters als tragender Gesichtspunkt für eine Umqualifizierung der stillen Beteiligung in der Rechtsprechung deuten darauf hin, dass hier für die Haftung des Stillen dessen Möglichkeit zur Beeinflussung der Finanzierungsentscheidung vorausgesetzt wird. Nur dieser Einfluss legt demnach die Grundlage dafür, dem stillen Gesellschafter die Finanzierung über schuldrechtliche stille Beteiligungen statt - wie nach der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft geboten - über Haftkapital zuzurechnen. Diese Finanzierungsentscheidung, die nicht in Ubereinstimmung mit den marktlichen Erfordernissen steht, setzt auch Schön mit der geforderten »objektiven Erforderlichkeit von Eigenkapital« als Grundlage für seinen an der öffentlichen Kundgabe anknüpfenden Haftungstatbestand voraus 159 . Die öffentliche Kundgabe als weitere Umqualifizierungsvoraussetzung trägt aus funktionaler Sicht einer zweiten Marktschwäche im Verhältnis zu den Gläubigern Rechnung. Der öffentliche Ausweis der stillen Beteiligung als Eigenkapital der Kommanditgesellschaft zieht Informationsasymmetrien zu Lasten der Gläubiger im Hinblick auf die Haftungsmasse nach sich. Mit der Bestätigung der doppelten Marktschwäche als Grundtatbestand der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital stellt sich nunmehr die Frage nach der dogmatischen Einordnung dieser funktionalen Erfassung des Haftungstatbestandes. Ihr soll anhand der Frage nach der Ubertragbarkeit der Umqualifizierung auch auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft nachgegangen werden. d) Ubertragbarkeit auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft im Lichte der Grenzen privatautonomer Eigen- und Fremdkapitalbestimmung und ihrer dogmatischen Grundlage (1) Dogmatische Grundlagen des Rechts der Finanzplankredite. Hinweise für die Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Umqualifizierung auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft lassen sich möglicherweise der neueren Rechtsprechung zu den Finanzplankrediten in der einfachen G m b H und deren dogmatischer Grundlegung eines Rechts der Finanzplankredite entnehmen 1 6 0 . Im zugrunde liegenden Sachverhalt war das Vermögen einer G m b H zu 1/5 durch 158 159 160

Hierzu im Einzelnen kritisch Fleischer, Schön, Z G R 1990, 220, 237f. B G H 28.6.1999, N J W 1999, 2809.

Finanzplankredite 75-78.

I.

Gesellschafterhaftung

365

Einlagen, zu 4/5 durch Gesellschafterdarlehen aufzubringen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verweigert der beklagte Gesellschafter die Zahlung der noch ausstehenden Darlehensbeträge. Der B G H macht hier die Unterscheidung der erstrebten Umqualifizierung von Darlehens- in Einlagenverpflichtungen von dem gesetzlich ausdrücklich geregelten Eigenkapitalersatzrecht der §§32a, 32b GmbHG deutlich 161 . Die Zurechnung der während der Krise gewährten oder stehen gelassenen Gesellschafterleistungen zum Haftkapital aufgrund der Eigenkapitalersatzregeln beruhe auf gesetzlicher Anordnung, nicht aber auf entsprechenden Gesellschafterabreden 162 . Die Vergrößerung der Haftungsmasse könne hierbei lediglich bereits erbrachte Leistungen erfassen, nicht aber eine Nachschusspflicht zur Gewähr weiterer Leistungen begründen und knüpfe tatbestandlich am Fehlen einer Reaktion der Gesellschafter auf die Krise der Gesellschaft an, wie sie der Finanzierungsentscheidung eines ordentlichen Kaufmannes entsprochen hätte 163 . Demgegenüber könne die in der Entscheidung erstrebte weitere Kapitalzuführung lediglich auf die auf gesellschaftsrechtlicher Ebene getroffene Abrede der Gesellschafter gestützt werden 1 6 4 . Entscheidend für die Einlageverpflichtung aufgrund einer Finanzierungsabrede, eines Finanzplankredits, ist demnach der gesellschaftsvertragliche Charakter der zugrunde liegenden Darlehensvereinbarung 1 6 5 . Grundsätzlich sollte man meinen, dass bei der Eingehung einer Darlehensverpflichtung die Beilegung schuldrechtlichen bzw. gesellschafts- oder besser organisationsrechtlichen Charakters in der Hand der Vertragsparteien liegt 166 . Dies wirft die wichtige Frage auf, welche Grenzen der Privatautonomie der Gesellschafter bei der Bestimmung des bloß schuldrechtlichen Charakters ihrer Darlehensvereinbarung gezogen sind und wie diese dogmatisch zu verankern sind. Wie sich aus der im Einzelnen dargelegten Rechtsprechung ergibt, hat der gesellschaftsvertragliche Charakter der Darlehensvereinbarung den Ausschluss der Kündbarkeit bereits geleisteter Darlehen durch deren Bindung 1 6 7 sowie die Nachschusspflicht im Hinblick auf noch nicht ausbezahlte Darlehen aufgrund

BGH 28.6.1999, NJW 1999, 2809, 2810. BGH 28.6.1999, NJW 1999, 2809,2810; deutlich auf die gesetzliche Zurechnung im Rahmen des Eigenkapitalersatzes abstellend auch K. Schmidt, ZIP 1999, 1241, 1244. 163 BGH 28.6.1999, NJW 1999, 2809, 2810. 164 BGH 28.6.1999, NJW 1999, 2809, 2811. 165 Zum Hinüberwirken schuldrechtlicher Finanzierungsabreden in die gesellschaftliche Sphäre beim Finanzplankredit in der Literatur insbesondere Fleischer, DStR 1999, 1774, 1775; Wiedemann, FS Beusch 893, 901. 166 So verweisen in der Tat Michalski/de Vries (NZG 1999, 181,183) auf den rein formalen Unterschied zwischen schuldrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Darlehensgewähr in der älteren juristischen Literatur. 167 So in BGH 28.11.1977, BGHZ 70, 61; BGH 10.12. 1984, BGHZ 93, 159. 161

162

366

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

von deren Haftfunktion 1 6 8 zur Folge 1 6 9 . Auf welcher dogmatischen Grundlage kann nun eine ursprünglich schuldrechtlich intendierte Gesellschaftervereinbarung derart in die gesellschaftliche Sphäre mit der Konsequenz einer entsprechenden Kapitalbindungswirkung hinüberwirken? Die holzschnittartige Unterscheidung bei den Beantwortungsansätzen zu dieser Frage zwischen solchen, die sich primär auf die Vereinbarung der Gesellschafter für die Begründung des Eigenkapitalcharakters des Darlehens stützen, und solchen, die den Eigenkapitalcharakter aufgrund funktionaler Argumente herleiten, führt für die Ermittlung der konkreten Anhaltspunkte für eine konsolidierte Fallgruppe des Finanzplankredits nicht zum Ziel 1 7 0 . So hat die Durchmusterung der Rechtsgeschäftslehre beim Versuch einer dogmatischen Grundlegung eines Rechts der Finanzplankredite bereits die U n ergiebigkeit der Rechtsgeschäftslehre für die Frage schuldrechtlicher bzw. gesellschaftsvertraglicher Qualifikation der Darlehensvereinbarung vor Augen geführt 1 7 1 . Der Umqualifizierung von Darlehen in Haftkapital liegt kein Auslegungsproblem zugrunde, das im Auslegungswege bewältigt werden könnte. Die Umqualifizierung basiert nicht auf einer vor dem Gesetz unzutreffenden B e zeichnung als Fremdkapital 1 7 2 . Vielmehr trägt sie der Verbindung des gewährten Kredits zu der gesellschaftsspezifischen Finanzplanung Rechnung, der eine H e r auslösung des Darlehens aus dem gesellschaftlichen Haftkapital zuwiderliefe 1 7 3 . Bestätigt wird das Erfordernis eines solchen konstitutiven Zusammenhangs zwischen Darlehenszusage und mitgliedschaftlicher Gesellschaftssphäre schon in einer früheren Entscheidung des B G H 1 7 4 . D o r t folgert das Gericht aus dem engen Zusammenhang zwischen dem Darlehensversprechen gegenüber der Treuhandanstalt und dem Anteilserwerb des Darlehensgebers als Gesellschafter den Stel1 6 8 So in B G H 5.11.1979, N J W 1980, 1522; B G H 9.2.1981, N J W 1981, 2251; B G H 17.12. 1985, N J W 1985, 1079; B G H 21.3.1988, B G H Z 104, 33; B G H 1.3.1982, B G H Z 83, 341; B G H 17.12.1984, W M 1985, 284; B G H 7.11.1988, B G H Z 106, 7. 1 6 9 Zusammenfassend so auch schon Michalski/de Vries, N Z G 1999, 181, 183. 170 Zu dieser Unterscheidung Grunewald, FS Großfeld 319,323 unter Hinweis auf Habersack und Sieker als Vertreter der erstgenannten Schwerpunktsetzung und auf Fleischer und Wiedemann als Vertreter einer funktionalen Argumentation. 171 Ausführliche Untersuchung potenzieller Grundlagen der Finanzplankredite in der Rechtsgeschäftslehre bei Fleischer, Finanzplankredite 57-74; in diese Richtung kritisch zur rechtsgeschäftlichen Erfassung des Problems auch K. Schmidt, ZIP 1999, 1241, 1249. 172 Dies legt Altmeppen (NJW 1999, 2812, 2813) nahe, wenn er für eine interessengerechte Auslegung der Darlehenszusage plädiert; ähnlich auch Habersack (ZHR 161 [1997] 457, 479), der auf der Tatbestandsseite von einer Falschbezeichnung spricht, auf der Rechtsfolgenseite ( Z H R 161 [1997] 457, 489f.) dann mit der Unterstellung der Finanzplanmittel unter §§30, 31 G m b H G funktional argumentiert. 173 So auch Fleischer, DStR 1999,1774,1775; K. Schmidt, ZIP 1999,1241, 1249; auch Thümmel (BB 1999, 1672, 1675) legt eine solche mitgliedschaftsrechtliche Verankerung des Finanzplankredits nahe, wenngleich er sich nicht von den Kategorien juristischer Auslegung zur Problemlösung löst. 174 B G H 9.12.1996, DStR 1997, 505, 506.

I.

Gesellschafterhaftung

367

lenwert eines Sanierungsdarlehens als Eigenkapital ohne ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers 175 . Demgegenüber darf sich jedoch auch eine funktionale Argumentation mit der materiellen Eigenkapitalfunktion der Finanzierungshilfen nicht von der vertraglichen Vereinbarung der Gesellschafter vollständig lösen. Ansonsten ließe sie die Inbezugnahme dieser Vereinbarung als Grundlage des Finanzplankredits in der Grundsatzentscheidung des B G H vom 2 8 . 6 . 1 9 9 9 gänzlich außer Acht. Indem der B G H die Umqualifizierung des Finanzplankredits aus der Gesellschaftervereinbarung herleitet, macht er den entscheidenden Unterschied zum Eigenkapitalersatzrecht deutlich. Beim Eigenkapitalersatz beruht die Umqualifizierung auf gesetzlicher Anordnung in §§32a, 32b G m b H G 1 7 6 . Ihr liegt zwar ähnlich wie dem Finanzplankredit die Finanzierungsentscheidung eines Gesellschafters zugrunde. Gleichwohl kann dieser Gesellschafter durch die Ausgestaltung dieser Entscheidung etwa durch eine Modifizierung der Darlehensbedingungen die Rechtsfolge des Eigenkapitalersatzes nicht umgehen. Anknüpfungspunkt für die rechtlich angeordnete eigenkapitalersetzende Funktion ist die Fortsetzung des Darlehensengagements in der Krise, mithin das O b der Kapitalzuführung. Demgegenüber zieht beim Finanzplankredit das Wie der Kapitalzuführung eine Umqualifizierung in Haftkapital nach sich 177 . Diese Inbezugnahme der Darlehensbedingungen schließt notwendigerweise auch eine solche der Gesellschaftervereinbarung mit ein. Den entscheidenden Anknüpfungspunkt in der Gesellschaftervereinbarung für eine Umqualifizierung des Darlehens in Eigenkapital hebt der B G H insbesondere in seiner Entscheidung zum Eigenkapitalcharakter eines Sanierungsdarlehens vom 9 . 1 2 . 1 9 9 6 hervor: Indem die Gesellschafter das Risiko des Fehlschlages des mit Hilfe des Darlehens zu finanzierenden Projektes dem darlehensgewährenden Gesellschafter zuweisen, ist dem Darlehensgeber in der Folge die Berufung auf dieses Fehlschlagen zur Verweigerung seiner Zahlungen abgeschnitten 178 . In ähnlicher Weise wird auch im Schrifttum als entscheidender Unterschied zwischen herkömmlichen Darlehen und Finanzplankrediten das höhere Risiko hervorgehoben, das Letztere gegenüber tatsächlichem Fremdkapital aufweisen 179 . 175 Zum Zusammenhang dieser Entscheidung mit der Rechtsprechung zu den Finanzplankrediten schon Fleischer, DStR 1999, 1774, 1775; ähnlicher Hinweis auf den Brückenschlag zwischen Sanierungsdarlehen und Finanzplankrediten auch bei Wiedemann, FS Beusch 893, 902. 176 So deutlich auch .KT. Schmidt, ZIP 1999, 1241, 1244. 177 Lutter/Hommelhoff §§32a/b Rdnr. 170 bringen dies dadurch zum Ausdruck, dass sie die Haftung des eingelegten Kapitals nicht an die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters knüpfen, sondern an dessen privatautonome Ausübung seiner Finanzierungsfreiheit; Michalski/de ähnliche Differenzierung zwischen Eigenkapitalersatz und Finanzplankredit bei Vries, N Z G 1999, 181, 183. 178 B G H 9.12.1996, DStR 1997, 505, 506. 179 Fleischer, Finanzplankredite 88-92; Michalski/de Vries, N Z G 1999, 181, 183; nahegelegt auch von Lutter/Hommelhoff §§32a/b Rdnr. 169 durch die Bezeichnung von Finanzplankrediten als so genannten »Risikodarlehen«; demgegenüber für eine Anknüpfung an die rechtliche

368

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

Letztlich ausschlaggebend für die Umqualifizierung von Finanzplankrediten ist demzufolge das von den Gesellschaftern in den Darlehensbedingungen in Bezug genommene Risiko, wie es insbesondere in nichtmarktlichen Kreditkonditionen Niederschlag findet 180 . Daher handelt es sich bei der Umqualifizierung nicht um einen »richterlichen oktroi« 181 . Vielmehr müssen sich die Gesellschafter an dem ursprünglich Gewollten, wie es sich in der vereinbarten Risikoverteilung widerspiegelt, festhalten lassen. Hierfür liefert der Gedanke des Verbotes des venire contra factum proprium ein mögliches dogmatisches Fundament 182 . Nahegelegt wird dies bereits von der frühen Rechtsprechung des B G H in der »Lufttaxi«-Entscheidung 183 , die ausdrücklich an das widersprüchliche Verhalten des Gesellschafters zur Haftungsbegründung anknüpft. Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des B G H zur atypischen stillen Beteiligung deutlich geworden, dass der Gesellschafter an dieser Risikoverteilung im Darlehensvertrag mit der Gesellschaft nur dann festgehalten wird, wenn er das Risiko des Finanzierungserfolgs seines Darlehens über atypische Mitwirkungsbefugnisse beeinflussen kann. Hieraus ergibt sich, dass die Reichweite des Verbots widersprüchlichen Verhaltens durch die Wirksamkeit einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung begrenzt wird. An die Stelle der Kapitalbindung im GmbHRecht, auf die zum Teil in der Literatur die Umqualifizierung von Finanzplankrediten in Eigenkapital gestützt wird 184 , tritt im Personengesellschaftsrecht eine solche anreizgestützte Verhaltenssteuerung 185 . Letztlich bildet in der Kommanditgesellschaft demzufolge nicht die Höhe der persönlichen Haftung das unmittelbare Korrelat zur Unternehmensleitung, sondern der durch Eigeninteresse motivierte Einfluss, die anreizgestützte Verhaltenssteuerung. (2) Wertungstransfer auf die Gläubigerebene. Dies leitet über zu einer weiteren Dimension des Finanzplankredits, der mit dem auf die gesellschaftsinterne Darlehensvereinbarung fixierten Verbot widersprüchlichen Verhaltens unzureichend Qualifikation des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts als Beitragsverhältnis Sieker, Eigenkapital 48-59. 1 8 0 Zu dem Gesichtspunkt des marktlichen Risikos bei stillen Einlagen siehe schon oben c)(3). 181 So Joost, Z G R 1987,370,397; skeptisch gegenüber dem privatautonomen Ansatz aus praktischer Sicht auch Dauner-Lieb, EWiR 1999, 843, 844. 182 So auch Wiedemann, FS Beusch 893, 910; Bedenken äußert hieran Fleischer, Finanzplankredite 81-83. 1 8 3 B G H 14.12.1959, B G H Z 31,258,270, wo der B G H ebenfalls mit widersprüchlichem Verhalten argumentiert. 184 So z.B. Hahersack, Z H R 161 (1997) 457,489f.; a.A. unter Bezugnahme auf die Abrede der Gesellschafter K. Schmidt, ZIP 1999, 1241, 1249; zu den damit verbundenen Konsequenzen für die Aufhebbarkeit der Finanzplanbindung Fleischer, Finanzplankredite 162-166; Habersack, Z H R 161 (1997) 457, 477f.; Lutter/Hommelhoff §§32 a/b Rdnr. 181. 185 Zum allgemeinen Stellenwert einer Verhaltenssteuerung im Personengesellschaftsrecht im Vergleich zur Kapitalbindung im GmbH-Recht K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk 307, 315; zur Verhaltenssteuerung auch Wiedemann, J Z 1969, 470, 471.

I. Gesellschafterhaftung

369

erfasst wird 186 . Das genannte Verbot liefert noch keine Begründung dafür, warum die in der Darlehensvereinbarung getroffene Risikobestimmung mit der Umqualifizierung Außenwirkung gegenüber den Gläubigern entfaltet. Bezeichnet ist damit der Transfer der Darlehensvereinbarung von der gesellschaftsinternen auf die Gläubigerebene. Wenn die Rechtsprechung nun neben dem gesellschaftsintern wirkenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens darüber hinaus die Wirksamkeit einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung der Umqualifizierung von Finanzplankrediten zugrunde legt, so spezifiziert sie damit Gläubigerinteressen an der Umqualifizierung 187 . Die Anerkennung eines durch Eigeninteresse motivierten Einflusses als Grundprinzip der personengesellschaftlichen Unternehmensleitung setzt einer Unternehmensleitung auf Kosten der Gläubiger Grenzen 188 . Indem die Gesellschafter am in ihrer Darlehensvereinbarung in Bezug genommenen Risiko aufgrund des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens festgehalten werden, konterkariert die hiermit einhergehende »Symmetrie von Chancen und Risiken« eine Risikoabwälzung zu Lasten der Gläubiger 189 . Bezeichnet ist damit das zweite konstitutive Element eines als Eigenkapital zu qualifizierenden Finanzplankredites, die drohende Spekulation auf Kosten der Gläubiger 190 . Erfasst wird mit der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen folglich eine doppelte Marktschwäche zwischen Gesellschaftern und Gläubigern. Der Inhalt der Gesellschafterdarlehensvereinbarung ist mangels natürlichen Interessengegensatzes manipulierbar, widersprüchliches Verhalten ist daher möglich 191 . Die Außenwirkung dieser Manipulierbarkeit zu Lasten der Gläubiger wird dann durch die drohende Zerstörung des Zusammenhangs zwischen Chancen und Risiken als Grundlage einer anreizgestützen Verhaltenssteuerung begründet. Dieser Zusammenhang wird von der Rechtsordnung für die Personengesellschaft durch die Begrenzung außenwirksamer Verfügungsbeschränkung gem. §137 S. 1 BGB geschützt 192 . Abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen (§137 S.2 BGB) zwischen der Gesellschaft und den Gläubigern bleiben im Einzelfall gleichwohl

186 Dies veranlasst Fleischer (Finanzplankredite 81-83) zu einer Ablehnung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens als dogmatischer Grundlage. 187 Zur dahingehenden Rechtsprechung und dem dort aufgestellten Erfordernis atypischer Mitwirkungsrechte des stillen Gesellschafters siehe oben 2.c). 188 Zum genannten Prinzip einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung im Personengesellschaftsrecht siehe oben Zweiter Teil III.B.2. 189 Zur »Symmetrie von Chancen und Risiken« schon Fleischer, Finanzplankredite 86-91. 190 Siehe die entsprechenden Formulierungen in der Rechtsprechung B G H 14.12.1959, B G H Z 31, 258, 272; B G H 26.3.1984, B G H Z 90, 381, 388; ähnlich bezeichnet Kirsch 2 als Ziel der Einlagenaufbringung eine Gewähr für die Gläubiger, dass die Einlageleistung die Haftungsbefreiung wert sei; zum Gedanken der Risikoabwälzung auch Kleindiek, FS Lutter 876, 881. 191 Zur Manipulierbarkeit des Vertragsinhalts schon Fleischer, DStR 1999, 1774, 1776; entsprechende Verneinung einer Ausrichtung der Risikoneigung des Darlehens am Eigeninteresse der Gesellschafter bei Wiedemann, FS Beusch 893, 909. 192 Hierzu siehe oben Zweiter Teil III.D.2.

370

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

möglich. Vor diesem Hintergrund erscheinen für den Regelfall fehlender abweichender schuldrechtlicher Vereinbarung auch Argumentationen mit einem Vertrauenstatbestand oder §§328ff. BGB im Hinblick auf die andernfalls drohende Risikoabwälzung zu Lasten der Gläubiger als plausibel. Allerdings können sie den Zusammenhang zwischen gesellschaftsinterner Abrede und Außenwirkung gegenüber den Gläubigern nicht in so überzeugender Weise herstellen wie § 137 S . l BGB 193 . Für die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft ergibt sich hieraus Folgendes: Eine solche Umqualifizierung kommt für Gesellschafterdarlehen in Betracht, die eine Risikoausrichtung nicht an den gängigen Kreditkonditionen erkennen lassen, sondern eine gesellschaftergleiche Teilhabe am unternehmerischen Risiko der Gesellschaft begründen. Die Indizien hierfür lassen sich der dargestellten Rechtsprechung entnehmen. So zeigt insbesondere die Grundsatzentscheidung zur personalistischen GmbH & Co KG, dass die Einräumung günstiger Kreditkonditionen sowie die Unentbehrlichkeit des Darlehens für die Verwirklichung der gesellschaftsvertraglichen Ziele auf eine Teilhabe am unternehmerischen gesellschaftsspezifischen Risiko und nicht am gängigen Ausfallrisiko des Kreditmarktes hindeuten 194 . Dies deckt sich weitgehend mit Einschätzungen im Schrifttum, wonach für eine U m qualifizierung die Behandlung der Darlehen durch die Gesellschafter maßgeblich ist 195 . Dies schließt ebenfalls die entscheidende Bedeutung der vereinbarten Risikoverteilung mit ein. Sie spiegelt sich auch in der wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens bei Darlehensgewähr wider, wenn der Gesellschaft von Dritten kein Kredit mehr eingeräumt worden wäre 1 9 6 . Die bloße gesellschaftsinterne Vereinbarung zur Risikoteilnahme des Darlehens vermag für sich allein jedoch noch keine Umqualifizierung zu begründen. Wie anhand der Rechtsprechung zur atypisch stillen Beteiligung und auch zur personalistischen GmbH & Co KG deutlich geworden ist, muss eine Möglichkeit des darlehensgewährenden Gesellschafters zur Beeinflussung des in Bezug genommenen unternehmerischen Risikos der Gesellschaft hinzutreten. Dies kann insbesondere durch die gesetzestypischen Mitwirkungsrechte des Kommanditisten gewährleistet sein 197 . Erst solche Mitwirkungsrechte mit dem einhergehenden Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft am Markt können die Außenwirkung der Risikoverteilung gegenüber den Gläubigern begründen 198 . Entsprechende Argumentationslinien zeigt Fleischer (DStR 1999, 1774, 1779) auf. Hierzu siehe oben 2.b)(2). 195 Wiedemann, FS Beusch 893, 907. 196 Wiedemann, FS Beusch 893, 907. 197 Entsprechende Bewertung in der Entscheidung Hans. OLG 13.10.1989, WM 1990,1292, 1294f. 198 Ebenfalls für eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital, wenn193

194

I. Gesellschafterhaftung 3. Grenzen

der Privatautonomie

bei der

371

Kapitalaufbringung

Bei der vorgehend gewürdigten Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital lassen sich die Grenzen der Privatautonomie anhand des Hinüberwirkens einer schuldrechtlichen Darlehensvereinbarung in die gesellschaftsrechtliche Sphäre bestimmen 199 . Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob die Privatautonomie der Gesellschafter nicht auch bei gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen begrenzt ist, wenn diese in die schuldrechtlichen Beziehungen der Gesellschaft hinüberwirken. Insbesondere bei der Kapitalaufbringung stellt sich die Frage, wie weit die Gesellschafter ihre gesellschaftsinternen Vereinbarungen von den schuldrechtlich begründeten Marktbeziehungen der Gesellschaft zu ihren Gläubigern isolieren können. So ist zu klären, ob eine objektive Wertdeckung bei der Kapitalaufbringung erforderlich ist, die gleichbedeutend wäre mit der Bewertung des Kapitals anhand der im Außenverhältnis maßgeblichen Austauschmarktmaßstäbe 200 . a) Gesellschaftsinterne Bewertungsfreiheit einer offenen Handelsgesellschaft

der

Gesellschafter

Die Frage der objektiven Wertdeckung bei der Kapitalaufbringung stellt sich mit besonderer Dringlichkeit bei der Bewertung der Einlagen. Da klar zu unterscheiden ist zwischen Einlage und Haftung, kann die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung über die Einlagen nur dann Auswirkungen auf die Marktbeziehungen der Gesellschaft zu ihren Gläubigern entfalten, wenn vom Gesetz ein Zusammenhang zwischen Einlage und Haftung hergestellt wird 201 . Demzufolge kann einem solchen Herauswirken der gesellschaftsrechtlichen Einlagenvereinbarung auf die Marktbeziehungen der Gesellschaft dann keine Bedeutung zukommen, wenn die Haftung aller an dieser Vereinbarung beteiligten Gesellschafter einlagenunabhängig unbeschränkt ist. Damit stimmt die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter bei der Bewertung der Einlagen für die Bestimmung der Kapitalanteile in der offenen Handelsgesellschaft überein 202 . Für die Gläubigerbefriedigung ist die Bewertung der Einlagen in Anbetracht der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter unerheblich. Davon zu trennen ist freilich die Frage des Bilanzansatzes der von den Gesellschaftern erbrachten Einlagen, dessen Höhe sich nach den §§253, 255 gleich unter Außerachtlassung der Bedeutung der Mitwirkungsrechte Fleischer 188-202; Koch 41; Mundry 117f.; Sieker, Eigenkapital 48-51; Wiedemann, WM 1992, Beil. 5, S. 13. 199 Zu diesem Hinüberwirken einer schuldrechtlichen Vereinbarung in die gesellschaftsrechtliche Sphäre siehe oben 2.d)(l). 200 Gleichsetzung des wahren Wertes mit dem Marktwert z.B. bei GroßKommHGB-ScÄi'ffircg §171 Rdnr.9. 201 Zum grundsätzlichen Unterschied zwischen Einlage und Haftung schon Reichsjustizamt, Denkschrift l l l f . 202 BGH 21.4.1955, BGHZ 17, 130; BGH 24.22.1958, BB 1959, 92; Baumbach/Hopt $ 120 Rdnr. 17; Pauli 70.

372 HGB

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

bestimmt 2 0 3 . Diese öffentlich-rechtlichen Vorgaben sind nicht gesell-

schaftsvertraglich abdingbar 2 0 4 . Gleichwohl sind die Gesellschafter nicht daran gehindert, gesellschaftsintern eine von diesen bilanzrechtlichen Vorgaben abweichende Bewertung und Anrechnung der Einlagen für die Festsetzung der Kapitalanteile vorzunehmen 2 0 5 . D i e Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Buchungen auf den Kapitalkonten bewirkt letztlich auch eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Bewertung der betroffenen Einlagen 2 0 6 . b) Marktbildende

Anreize

aufgrund

der Maßstabsfunktion

des

Kapitalanteils

Diese Möglichkeit beleuchtet schlaglichtartig die rechtliche Bedeutung des Kapitalanteils gem. § 120 H G B . E r gibt nicht den absoluten Wert der Beteiligung wieder 2 0 7 . Stattdessen ist er nach überwiegender Auffassung »... eine Rechnungsziffer ..., die den Wert der jeweiligen wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck bringen soll, und die deshalb den Maßstab bildet, wenn der Wert dieser Beteiligung rechtlich von Bedeutung wird« 2 0 8 . Mit dieser Maßstabsfunktion macht der Kapitalanteil die entscheidenden Vorgaben für die Verteilung einer Vorausdividende, für E n t n a h m e n und für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens gem. § § 1 2 1 , 122, 155 H G B . D a r ü b e r hinaus kann er auch aufgrund gesellschaftsvertraglicher Abrede zum Maßstab sonstiger mitgliedschaftlicher Rechte und Pflichten, wie insbesondere üblich, des Stimmrechts gemacht werden. D i e gesetzlich gem. § 121 A b s . 2 H G B vorgesehenen variablen Kapitalanteile geben jedoch nicht die verhältnismäßige Beteiligung der Gesellschafter, sondern nur die absolute Wertdifferenz zwischen ihren Vermögensbeteiligungen wieder 2 0 9 . D a die Gesellschafter in der Praxis ihre mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten an der H ö h e des Kapitalanteils anknüpfen, erweist sich hier die Bildung unveränderlicher Kapitalanteile zur Wiedergabe eines Kapitalverteilungsschlüssels vielfach als vorzugswürdig. D i e Bildung der Kapitalanteile entspricht demnach aus funktionaler Sicht unter diesen

203 GroßKommHGB-Wmer §120 Rdnr.26a; Pauli 70-74; Schlegelberger-Martens §120 Rdnr.20. 204 Zum öffentlich-rechtlichen Regelungsgehalt der Bilanzierungsbestimmungen Baumbach/ Hopt §238 Rdnr.4. 205 Entsprechende Unterscheidung zwischen Bilanzansätzen und der Bestimmung der Kapitalanteile bei Baumbach/Hopt § 120 Rdnr. 17; GroßKommHGB-£//mer § 120 Rdnr. 27, 58. 206 Pauli 72. 207 Huber 222 f. 208 A. Hueck, OHG 229; in der Sache ebenso RG 14.6.1927, RGZ 117, 238, 242; BGH 3.5. 1999, NJW 1999, 2438; Baumbach/Hopt §120 Rdnr. 13; GroßKommHGB-Mmer §120 Rdnr. 49; Wiedemann, Übertragung 169; demgegenüber Abstellen auf die Relativität des Wertes im Gegensatz zum sprachlich nahegelegten tatsächlichen Wert Huber 228-220 unter Hinweis auf GroßKommHGB 3 -«. Fischer §120 Rdnr. 22; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1382f. (§47 III 2. a); Einordnung des Kapitalanteils als eigenes Recht bei Schlegelberger4-Geßler § 120 Rdnr. 10. 209 Im Einzelnen Huber 236-238; Wiedemann, FS Odersky 925, 932-936.

I.

Gesellschafterhaftung

373

Umständen der Verteilung von Einfluss auf den gesellschaftsinternen Verhandlungsprozess und entsprechener Verhandlungsmacht. Die Maßstabsfunktion insbesondere des unveränderlichen Kapitalanteils ist folglich Ergebnis der Verhandlungen der Gesellschafter und unterliegt ihrer Gestaltungsfreiheit. Der gesetzliche Ausgangspunkt veränderlicher Kapitalanteile gem. §121 Abs. 2 H G B stellt mit dem damit verbundenen Erfordernis ausdrücklicher Abbedingung sicher, dass die Festlegung unveränderlicher Kapitalanteile als Maßstab für andere G e sellschafterrechte Ergebnis eines Verhandlungsprozesses ist. E r entfaltet damit marktbildende Kraft für die gesellschaftsvertragliche Einigung 210 . Die Bedeutung dieser Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Kapitalanteile für die Frage der Kapitalaufbringung wird besonders deutlich in den so genannten »Einbuchungsfällen« 211 . Diese Fälle ergeben sich, wenn ein Kommanditist ohne eigene Einlageleistung, stattdessen mit Gutschrift der Einlage auf seinem Konto in die Gesellschaft aufgenommen wird. D e r durch die Einbuchung entstandene Fehlbetrag muss durch die Abbuchung von den Kapitalkonten der übrigen Gesellschafter ausgeglichen werden 212 . D a die Einlageleistung gem. §171 Abs. 1 H G B auch für die Außenhaftung des Kommanditisten maßgeblich ist, fragt sich, ob der Kommanditist bei Einbuchung von der Haftung gem. §171 Abs. 1 H G B befreit ist. Über diese Frage wird insbesondere dann gestritten, wenn die Einlageleistung aus dem Vermögen des Komplementärs erbracht, mithin die Haftungsmasse ungeachtet des Kommanditistenbeitritts nicht vermehrt worden ist 213 . Eine entsprechende Kapitalzuführungsgarantie besteht im Recht der G m b H , in dem die Aufnahme neuer Gesellschafter mit neuen Geschäftsanteilen gem. §§55ff. G m b H G nur im Wege der Erhöhung des Stammkapitals zulässig ist 214 . Demgegenüber vertritt die herrschende Meinung für die Kommanditgesellschaft, dass die Einbuchung den Kommanditisten von der persönlichen Haftung befreit, soweit der zu verrechnende Betrag jedenfalls im Anteil des belasteten Komplementärs kapitalmäßig gedeckt ist 215 . Entscheidend kommt es für die haftungsbefreiende Wirkung der Einbuchung auf die Überführung von Vermögens-

210 Zu dieser marktbildenden Funktion von dispositivem Recht Ayres/Gertner, Yale L.J. 99 (1989) 87-130; im Einzelnen siehe oben Erster Teil Il.C.l.b). 211 Zur Einbuchung der Einlage im Einzelnen Huber 200-209; von »Einbuchungsfällen« spricht z.B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1576 (§54 II 4. a); in der Rechtsprechung O L G Köln 22.3.1976, O L G Z 1976, 306; O L G Düsseldorf 27.11.1958, G m b H R 1959, 114. 212 Im Einzelnen mit Anschauungsbeispiel Huber 200f. 213 Dies ist der entscheidende Einwand Steckhans (DNotZ 1974, 69, 71 f.) gegen eine Haftungsbefreiung des Kommanditisten bei Einbuchung; a.A. die h.M. B G H 28.9.1981, N J W 1982, 35; Baumbach/Hopt §171 Rdnr.6; G r o ß K o m m H G B - S c M f o g §171 Rdnr.6; Huber 201 f.; K. Schmidt, Einlage 99f. 214 Zur Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Gesellschaftsanteile Lutter/Hommelhoff § 55 Rdnr. 16ff.; zur Kapitalzuführungsgarantie in Erweiterung der Kapitalaufbringungsgarantie K. Schmidt, Einlage 36. 215 Huber 202; K. Schmidt, Einlage 36.

374

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

gegenständen aus ungebundenem Komplementärvermögen in gebundenes Gesellschaftsvermögen an 2 1 6 . Mit der damit einhergehenden Ablehnung eines Kapitalzuführungsgrundsatzes für die Kommanditgesellschaft trifft die herrschende Auffassung gleichzeitig wichtige Aussagen in Bezug auf die unbeschränkte Komplementärhaftung. Sie verzichtet auf einen Grundsatz der Erhaltung des Komplementärvermögens. Damit trägt sie im Ergebnis dem Umstand Rechnung, dass sich bei der Überlassung von Vermögensleistungen privater und betrieblicher Bereich kaum voneinander abgrenzen lassen 217 . Jedenfalls wenn der Haftungszugriff auf das Privatvermögen unbeschränkt ist, erscheint daher diese Abgrenzung für einen zusätzlichen Gläubigerschutz verzichtbar. Damit stimmt im Ergebnis auch die freie Bewertung der Einlagen für die Bestimmung der Kapitalanteile durch die Gesellschafter in der offenen Handelsgesellschaft überein 218 . Insgesamt zeigt sich wiederum - wie bereits bei der Untersuchung zur Umqualifizierung von Darlehen in Eigenkapital der Kommanditgesellschaft - , dass ein Gläubigerinteresse an der Komplementärhaftung nicht im Hinblick auf die Höhe dieser Haftung, sondern im Hinblick auf die mit ihr verbundenen Anreize als Verhaltenssteuerung geschützt ist 2 1 9 . Dass bei der G m b H & C o K G der Gläubigerschutz mangels Funktionsfähigkeit einer anreizgestützten Verhaltenssteuerung möglicherweise weiter reichen und Anleihen im GmbH-Recht machen muss, liegt auf der Hand, ist aber erst im Rahmen der Besonderheiten der G m b H & C o K G zu erörtern 2 2 0 . c) Die verdeckte Sacheinlage in der

Kommanditgesellschaft

Dass die Frage der Uberführung von Vermögenswerten von der betrieblichen in die private Sphäre dann anders gelöst werden muss, wenn die Gläubiger keinen Zugriff auf das private Vermögen des Gesellschafters haben und folglich auch kein durch Eigeninteresse motiviertes Handeln des Gesellschafters zu erwarten ist, leuchtet unmittelbar ein. Demzufolge rückt das Bedürfnis nach objektiver Wertdeckung bei der Kapitalaufbringung insbesondere im Hinblick auf die nur beschränkte Kommanditistenhaftung ins Blickfeld. Da gem. §171 Abs. 1 H G B Einlagenerbringung durch den Kommanditisten und Haftungsbefreiung Hand in Hand gehen, ist die Außenwirkung einer gesellschaftsinternen Vereinbarung über die Bewertung der Einlage offensichtlich. Daher kann in Anbetracht der Gläubigerinteressen keine freie Bewertung für den Haftungswegfall Platz grei-

Huber 202; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1577 (§54 II.4.a). Zur Abgrenzbarkeit der genannten Bereiche im Hinblick auf den Gläubigerschutz K. Schmidt, Einlage 102. 2 1 8 Hierzu oben a). 2 1 9 Siehe oben 2.d)(2); zum Gläubigerschutz hinsichtlich dieser Anreizstruktur gem. § 137 S. 1 B G B siehe oben Zweiter Teil III.D.2. 2 2 0 Siehe unten III. 216

217

I.

375

Gesellschafterhaftung

fen 2 2 1 . Insoweit sind die Gesellschafter in der Kommanditgesellschaft bei der Vereinbarung gesellschaftsinterner Wertmaßstäbe für die Bestimmung der Kapitalanteile in ihrer Privatautonomie beschränkt. D i e wegen § 171 Abs. 1 H G B unmittelbar von der Einlagenerbringung betroffenen Gläubigerinteressen an einer Befriedigung machen es erforderlich, eine objektive Wertdeckung für die H a f tungsbefreiung gem. § 1 7 1 Abs. 1 H G B vorauszusetzen 2 2 2 . (1) Umgehung

der Sachgründungsvorschriften

im Kapitalgesellschaftsrecht.

Be-

wertungsfragen tauchen vor allem bei der Erbringung von Sacheinlagen auf. F ü r ihre Bewertung ist ihr tatsächlicher Wert und damit ihr Marktwert im Zeitpunkt der Einlagenerbringung entscheidend 2 2 3 . D e m z u f o l g e ist bei der Bewertung von Sacheinlagen eines Kommanditisten die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter, Marktmaßstäbe durch gesellschaftsinterne Verteilungsschlüssel zu ersetzen, beschränkt. Ihre gesellschaftsinternen Vereinbarungen entfalten für die M a r k t b e ziehungen zu den Gesellschaftsgläubigern keine Wirkung 2 2 4 . E s stellt sich die Frage, inwieweit die Gesellschafter dieser Vollwertigkeitsprüfung ihrer Einlagen anhand von Marktmaßstäben entgehen können, indem sie statt einer Sacheinlage eine Bareinlage vereinbaren, die für den E r w e r b einer Sachleistung v o m K o m manditisten verwendet wird. Bekannt ist dieses Umgehungsproblem insbesondere aus dem Kapitalgesellschaftsrecht, in dem eine solche Aufspaltung eines wirtschaftlich zusammengehörenden Vorgangs in Erwerbsgeschäft und Barzeichnung nach den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlagen zu behandeln ist. Grundsätzlich sorgen im Kapitalgesellschaftsrecht die Sachgründungsvorschriften für eine Vollwertigkeitsprüfung bei Sacheinlagen. Dies geschieht im Wege von Offenlegungspflichten im Gründungsbericht (§§ 32 Abs. 2 A k t G , 5 Abs. 4 S. 2 G m b H G ) und registerrechtlicher Kontrolle ( § § 3 8 Abs. 2 A k t G , 9c Abs. 1 G m b H G ) . Selbständig daneben sichert

auch

im

GmbH-Recht

die Differenzhaftung

des Sacheinlegers

(§9

G m b H G ) , im Aktienrecht die Fortdauer der Geldleistungspflicht gem. § 2 7 Abs. 3 S. 3 A k t G die Vollwertigkeit der Kapitalaufbringung ab 2 2 5 . M i t dem Tatbestand der verdeckten Sacheinlage wird nun im Kapitalgesellschaftsrecht der Versuch unternommen, eine U m g e h u n g dieser Vollwertigkeitsprüfung durch die 221 B G H 8.7.1985, B G H Z 95, 188, 195; Baumbach/Hopt % 171 Rdnr.6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1572 (§54 II 3. b). 2 2 2 B G H 8.7.1985, B G H Z 95, 188, 195; Baumbach/Hopt § 171 Rdnr. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1572 (§54 II 3. b). 2 2 3 R G 31.1.1936, R G Z 150,163,165f.; B G H 9.5.1963, B G H Z 39,319,329f.; B G H 8.7.1985, B G H Z 95, 188, 195; GroßKommHGB-ScM&zg § 171 Rdnr. 9. 2 2 4 Zur hiermit verbundenen Fragestellung siehe oben unter c). 2 2 5 Für das Aktienrecht spricht der B G H (13.4.1992, B G H Z 118, 83,101) von einer »dem § 9 G m b H G entsprechenden Differenzhaftung«; zu einem sich ergänzenden System von Wertprüfung und Haftung noch Lutter 270-285; für bloße Differenzhaftung auch im Aktienrecht Grunewald, FS Rowedder 111, 114-118; de lege ferenda auch Brandner, FS Boujong 37, 44^16.

376

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Aufspaltung der an sich gegebenen Sachgründung in eine Bargründung und in ein schuldrechtliches Erwerbsgeschäft mit entsprechender H i n - und Herzahlung zu unterbinden 2 2 6 . D e r Streit um die Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen verdeutlicht die Schwierigkeiten, die die Entlarvung von Umgehungen gläubigerschützender K a pitalaufbringungsvorschriften durch privatautonome Gestaltung der Gesellschafter aufwirft. D a es auch hier bei der Einigung der Gesellschafter über die Einlagenerbringung an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt und die G e sellschafter nur beschränkt haften, ist der Vertragsinhalt - wie auch schon bei der Vereinbarung von Gesellschafterdarlehen zu nichtmarktlichen K o n d i t i o n e n - beliebig manipulierbar 2 2 7 . So sind insbesondere die subjektiven Kriterien, die für eine Umgehung der Sachgründungsvorschriften erforderlich sind, umstritten. Zwar wird ganz überwiegend nunmehr von dem Tatbestandsmerkmal einer U m gehungsabsicht abgesehen 2 2 8 , doch der auf die Verknüpfung von Bareinlage und Umgehungsgeschäft gerichtete Wille gleichwohl für erforderlich gehalten 2 2 9 . A u f der Seite der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen spiegeln sich diese A b g r e n zungsschwierigkeiten bei der Spezifizierung des sachlichen und zeitlichen Z u sammenhangs zwischen dem Erwerbsgeschäft und der Tilgung der Forderung einerseits und der Einlageleistung andererseits wider 2 3 0 . (2) Gefahren

der Nennwertaufrechnung

in der Kommanditgesellschaft.

Anders

als bei der verdeckten Sacheinlage im Kapitalgesellschaftsrecht besteht die Gefahr einer manipulativen Einwirkung auf die Haftungsmasse durch die Gesellschafter bei der Kommanditgesellschaft nicht bereits bei der Gründung. D i e Erbringung der Einlage durch den Kommanditisten kann durchaus erst später erfolgen ( § 1 7 1 Abs. 1 H G B ) . Aus § 171 Abs. 1 H G B sowie aus den Vorschriften zur R ü c k g e w ä h r der Einlage in § 1 7 2 Abs. 4 H G B und dem Fehlen von mit § 3 0 G m b H G , § 5 7 226 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen der verdeckten Sacheinlage BGH 19.4.1982, NJW 1982, 2444, 2446; BGH 15.1.1990, BGHZ 110, 47, 53f.; BGH 13.4.1992, BGHZ 118, 83, 94; BGH 4.3.1996, BGHZ 132, 133, 135; BGH 16.9.2002, NZG 2002, 1172; Henze, ZHR 154 (1990) 105, 106f.; KK-Lutter §66 Rdnr.36-42; für die GmbH BGH 13.10.1954, BGHZ 15, 52, 58; BGH 10.11.1958, BGHZ 28, 314, 319f.; BGH 4.3.1996, BGHZ 132, 133, 135; BGH 16.3. 1998, NZG 1998, 428, 429; BGH 7.7.2003, NJW 2003, 3127, 3128f.; aus der neueren Literatur Einsele, NJW 1996,2681,2682; Habetha, ZGR 1998,305,306-314; Henze, DB 2001,1469,1473; Schöpflin, GrabHR 2003, 57, 61 f. 227 Zur Manipulierbarkeit der Kreditkonditionen bei der gesplitteten Einlage siehe oben 2.a). 228 BGH 15.1.1990, BGHZ 110, 47, 63f.; aus dem Schrifttum z.B. Henze, ZHR 154 (1990) 105, 109f.; Mülbert, ZHR 154 (1990) 145, 188-191. 229 Eine solche wird nach dem BGH (21.2.1994, NJW 1994,1477) durch den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang bei Zahlung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter indiziert; aus der Literatur ebenfalls für eine subjektiv gewollte Verknüpfung als Tatbestandsvoraussetzung Henze, ZHR 154 (1990) 105,109f.; Joost, ZIP1990,549,559; Mülbert, ZHR 154 (1990) 145, 188-191; Ulmer, ZHR 154 (1990) 128, 140. 230 Zu diesem Zusammenhang BGH 4.3.1996, BGHZ 132, 133, 136-138; Lohaus, FS Sandrock 291, 296; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1447; Lutter/Hommelhoff § 5 Rdnrn. 40f.

I.

Gesellschafterhaftung

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AktG vergleichbaren Auszahlungsverboten wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Recht der Kommanditgesellschaft von häufigeren Vermögensfluktuationen zwischen Gesellschafter- und Gesellschaftsvermögen ausgeht als im Kapitalgesellschaftsrecht. Die Gefahr einer manipulativen Einwirkung auf die Haftungsmasse spielt daher erst dann eine besondere Rolle, wenn die Gläubiger den Kommanditisten für seine Haftsumme in Anspruch nehmen, die gem. §171 Abs. 1 HGB an die Nichterbringung der Einlage geknüpft ist. Erst in diesem Zeitpunkt besteht für den Kommanditisten ein Interesse daran, durch eine Verknüpfung seiner Einlageschuld mit einer schuldrechtlichen Forderung, die ihm gegen die Kommanditgesellschaft zusteht, manipulativ auf seine Haftung gegenüber den Gläubigern einzuwirken. Hierfür bietet sich insbesondere die Aufrechnung gegen den Einlageanspruch mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung an. Dies könnte für den Kommanditisten die Möglichkeit begründen, durch Aufrechnung auch im Außenverhältnis eine Haftungsbefreiung zu erlangen (§171 Abs. 1 HGB) 2 3 1 . Unter Hinweis auf die Denkschrift zum Entwürfe eines Handelsgesetzbuches wies schon das Reichsgericht bei der Geldeinlage darauf hin, dass bei Sacheinlagen eine Leistung gegenüber den Gläubigern nur insoweit wirksam sei, als die eingebrachten Gegenstände den Wert des Einlagebetrages wirklich erreichten 232 . Unter dieser Prämisse könne eine Aufrechnung gegen den Haftungsanspruch der Gläubiger gem. § 171 Abs. 1 HGB nur in dem Maße zulässig sein, in dem der Gesellschaft dafür ein Vermögenswert zugeflossen sei 233 . Entscheidend für einen solchen Vermögenszufluss im Rahmen einer Aufrechnung ist nun nach Auffassung des Reichsgerichts der Nennwert der Darlehensforderung, mit der der Kommanditist aufrechnet, weil mit der Darlehenssumme ein entsprechender Wert in das Gesellschaftsvermögen gelangt sei 234 . Für eine Aufrechnung mit einer Kaufpreisforderung sei demgegenüber auf die Höhe des Wertes des an die Gesellschaft verkauften Gegenstandes abzustellen 235 . Unerheblich für den Wert sei aber die Sicherheit der (Darlehens-)Forderung 2 3 6 . Auch der Bundesgerichtshof geht in den Anfängen seiner diesbezüglichen Rechtsprechung von der Möglichkeit des Kommanditisten zur Nennwertaufrechnung gegen den Einlage- bzw. Haftungsanspruch aus 237 . Als entscheidender Gesichtspunkt, in dem sich diese Rechtsprechung zur Nennwertaufrechnung von der späteren Rechtsprechung unterschei231 Parallelisierung einer Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Pflichteinlageanspruch mit einer solchen gegen den Haftungsanspruch bei v. Gerkan, FS Kellermann 67, 70f. 232 RG 2.5.1906, RGZ 63, 265, 266 unter Hinweis auf Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches (Hahn/Mugdan VI 281); grundlegend im Schrifttum zum Erfordernis objektiver Wertdeckung K. Schmidt, Einlage 26f.; Wiedemann, FS Bärmann 1037, 1038. 233 RG 2.5.1906, RGZ 63, 265, 267. 234 RG 2.5.1906, RGZ 63, 265, 267. 235 RG 2.5.1906, RGZ 63, 265, 267. 236 RG 2.5.1906, RGZ 63, 265, 267. 237 BGH 3.3.1969, BGHZ 51, 391, 394; BGH 9.12.1971, BGHZ 58, 72, 76.

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4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

det, ist auf den Zeitpunkt der hier vorgenommenen Vollwertigkeitsprüfung hinzuweisen. In diesen Entscheidungen wird nicht von den Grundsätzen der Kapitalaufbringung per se abgesehen. Das Erfordernis eines Vermögenszuflusses zugunsten des Gesellschaftsvermögens besteht ungeachtet der Nennwertaufrechnung 238 . Problematisch ist dagegen der Zeitpunkt, zu dem die Vollwertigkeit hiernach gegeben sein muss, nämlich der Zeitpunkt der Erbringung der geschuldeten Leistung durch den Kommanditisten 2 3 9 . Demzufolge können sich die Kommanditisten nach dieser früheren Rechtsprechung auf eine Vollwertigkeit ihrer Einlage auch noch in der Krise berufen. (3) Gläubigerschutz durch eine Dynamisierung der Haftungsbefreiung des Kommanditisten. Zwar wird auch bei der Bewertung der Sacheinlage im Kapitalgesellschaftsrecht gem. § 9 Abs. 1 G m b H G auf den Wert der Sacheinlage bei Anmeldung zum Handelsregister statisch abgestellt 240 . U m hier den Wert der Einlage sicherzustellen und zu schützen, verbietet aber der Gesetzgeber jede Aufrechnung gegen den Einlageanspruch der Gesellschaft gem. §19 Abs. 2 S.2 G m b H G , § 6 6 Abs. 1 AktG 2 4 1 . Im Kapitalgesellschaftsrecht wird darüber hinaus durch den Kapitalmarktbezug des Gesellschaftsanteils und seine Veräußerbarkeit sichergestellt, dass sich die Wertentwicklung der Vermögensgegenstände im Gesellschaftsvermögen auch auf die Vermögenssituation der Gesellschafter auswirkt. Insoweit schlägt sich die Wertentwicklung des Gesellschaftsvermögens im Lichte der beschränkten Gesellschafterhaftung in einem entsprechenden Anteilswert der Gesellschaftsanteile nieder. In der öffentlich gehandelten Aktiengesellschaft schlägt sich dieser Wert im Aktienkurs als jederzeit verfügbares Abfindungsguthaben des Anteilsinhabers nieder 242 . In der G m b H berücksichtigt der für die Veräußerung entscheidende Verkehrswert den Substanzwert sowie die künftige Ertragskraft der Gesellschaft 243 . Folglich zahlen die Gesellschafter gegebenenfalls für ihre Haftungsbeschränkung. Diese Verknüpfung zwischen Markterfolg und Anteilswert besteht in der Kommanditgesellschaft so nicht. Es fragt sich daher, ob die Haftungsbefreiung der Kommanditisten nicht möglicherweise in Abhängigkeit von der Marktsituation des Unternehmens der Kommanditgesellschaft dynamisiert werden müsste. Nur so wäre auch hier sichergestellt, dass die Kommanditisten ein angemessenes Entgelt für ihre Haftungsbefreiung entrichten 244 . Dies beinhaltet auch der so genannte »Surrogationsgedanke« (K. Schmidt, Einlage 52f.). Dies klingt auch bei K. Schmidt (Gesellschaftsrecht 1573) in seinem Bezug auf die »Nachträglichkeit« einer Umwidmung in eine haftungsbefreiende Einlage an. 2 4 0 Parallel auch im Aktienrecht Maßgeblichkeit des Anmeldungszeitpunktes siehe Hüffer §27 Rdnr.27. 2 4 1 Zum Zweck der Sicherung realer Kapitalaufbringung mit dem Aufrechnungsverbot siehe Lutter/Hommelhoff § 19 Rdnr. 22; Hüffer § 66 Rdnr. 1. 2 4 2 Zu dieser Funktion des Börsenkurses aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Mestmäcker 32. 2 4 3 Zum Verkehrswert B G H 17.1.1973, N J W 1973, 509, 510. 2 4 4 Zu dieser grundlegenden Gefahr für die Gläubiger einer Kommanditgesellschaft, dass die 238

239

/. Gesellschafterhaftung

379

Den Versuch einer solchen Dynamisierung hat die Rechtsprechung bereits in einer recht frühen Entscheidung unternommen, in der sie zum Teil vom Prinzip der Nennwertaufrechnung abrückt 245 . In dem zugrunde liegenden Sachverhalt versuchen Gläubiger einer GmbH diese durch eine Sanierungsgründung zu retten, bei der sie als Einlage und Haftsumme jeweils einen Betrag in der Höhe ihrer Forderung übernehmen 246 . Die Einlagenerbringung erfolgt durch Aufrechnung, die jedoch nach der Entscheidung des Gerichts nicht haftungsbefreiend wirkt 2 4 7 . Grundsätzlich hält das Gericht zwar eine Nennwertaufrechnung gegen die Einlagenforderung für zulässig, soweit die andere Forderung aus Geschäften der Gesellschafter mit der neu gegründeten Gesellschaft stammt 248 . Für die Aufrechnung mit den Altschulden der GmbH verweist das Gericht jedoch darauf, dass eine Haftungsbefreiung nur im objektiven Wert des Geleisteten im Zeitpunkt, in dem es in das Gesellschaftsvermögen gelangt, eintrete 249 . Daher sei hier auf den Wert der Altforderung im Aufrechnungszeitpunkt abzustellen und gegebenenfalls bei begründeten Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft nach kaufmännischen Grundsätzen ein Abschlag vorzunehmen 2 5 0 . Diese Rechtsprechung wird durch eine spätere Entscheidung endgültig bestätigt, die die Nennwertaufrechnung ablehnt und ausdrücklich von der dahingehenden früheren Rechtsprechung abweicht 251 . Folglich ist der für eine Haftungsbefreiung maßgebliche objektive Wert der Einlage im Zeitpunkt ihrer Erbringung zu bestimmen 252 . Stellt man maßgeblich auf diesen Zeitpunkt für die Wertermittlung ab, so macht es keinen Unterschied mehr, ob man seiner Würdigung die Vertrags- oder die Verrechnungstheorie zugrunde legt 253 . Im Ergebnis kommt dies insbesondere bei zu bewertenden Darlehensforderungen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft einer Bewertung der sich zur Aufrechnung gegenüberstehenden Forderungen und folglich auch der Einlagenforderung nach Kapitalmarktmaßstäben gleich 254 . Damit ist im VerhältEinlage des Kommanditisten nicht die Haftungsbefreiung wert ist, siehe schon Kirsch 2; ähnlicher Zusammenhang hergestellt auch bei K. Schmidt (Gesellschaftsrecht 1563), wonach sich der Kommanditist die Haftungsbefreiung durch das Halten einer Kommanditisteneinlage als haftendes Kapital verdient. 245 BGH 19.6.1973, BGHZ 61, 59. 246 BGH 19.6.1973, BGHZ 61, 59, 60-62. 247 BGH 19.6.1973, BGHZ 61, 59, 71. 248 BGH 19.6.1973, BGHZ 61, 59, 70. 249 BGH 19.6.1973, BGHZ 61, 59, 71. 250 BGH 19.6.1973, BGHZ 61, 59, 71. 251 BGH 8.7.1985, BGHZ 95, 188, 195f.; entsprechende Einschätzung der Entscheidung als neue Regel bei K. Schmidt, ZGR 1986, 152, 154; im Anschluss auch OLG Köln 17.12.1993, BB 1994, 380. 252 So auch im Hinblick auf den Aufrechnungszeitpunkt Wiedemann, FS Bärmann 1038, 1039. 253 Deutlich bei Wiedemann, FS Bärmann 1038, 1039 (Vertragstheorie), 1042 (Verrechnungstheorie). 254 Diese Prämisse liegt auch bei K. Schmidt (Einlage 55) zugrunde, wenn er dort als Aiternati-

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4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

nis zu den Gläubigern gewährleistet, dass die Einlage noch die Haftsumme wert ist 255 . Ein solcher Gläubigerschutz durch marktliche Kontrolle gerät demgegenüber in Ablehnungen der Nennwertaufrechnung unter statischer Bezugnahme auf einen Vertrauensschutz der Gläubiger im Hinblick auf die im Handelsregister veröffentlichte Haftsumme aus dem Blickfeld 2 5 6 . Verwirklicht wird hierdurch eine Dynamisierung der Einlagenschuld und damit auch der Haftsumme in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft nach kapitalmarktlicher Bewertung. Obwohl die Ertragslage der Gesellschaft nicht unmittelbar über einen Anteilswert auf die Kommanditisten durchschlägt, haben diese gleichwohl ein von dieser Bewertung abhängiges Vermögensopfer zu tragen. Mit dieser Dynamisierung der Haftsumme in Abhängigkeit von der Ertragslage der Gesellschaft reduziert die Rechtsprechung zugleich den Spielraum der Kommanditisten für strategisches Verhalten im Hinblick auf den »billigen« E r werb einer schuldrechtlichen Forderung gegen die Gesellschaft 2 5 7 . Damit unterliegt auch der privatautonome Gestaltungsspielraum der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft bei der Umwidmung von schuldrechtlichen Forderungen in gesellschaftsrechtliche Einlageleistungen einer Kontrolle durch Kapitalmarktmaßstäbe 2 5 8 . Es kristallisieren sich die Dynamisierung anhand von Kapitalmarktmaßstäben und die Sicherung der Gläubiger als entscheidende Gesichtspunkte dahingehend heraus, dass die Einlage nach Maßgabe des objektiven Wertes des Geleisteten noch die Haftsumme wert sein muss. Hieraus erschließt sich dann auch die allgemeine Ausnahme zugunsten einer Aufrechnung zum Nennwert ohne Begründungsprobleme. Gemeint sind die nach den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 H G B haftungsrechtlich neutralen Fallkonstellationen, in denen der Kommanditist nach Befriedigung eines Gläubigers in H ö h e seiner Haftsumme mit seiner Regressforderung gem. §§161 Abs. 2, 110 H G B gegen die Einlagefor-

ve zur Sanierungs-KG die Bildung einer stillen Gesellschaft empfiehlt, bei der freilich der Kredit des zu sanierenden Unternehmens nicht wesentlich gestärkt werde. 2 5 5 Vergleich des Wertes der Forderungsablösung durch Aufrechnung mit dem Wert der Enthaftung des Kommanditisten auch bei v. Gerkan, FS Kellermann 67, 71; dies verkennt Mundry 29-38, der die Aufrechnung zum Nennwert nicht dynamisiert an der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, sondern nur punktuell auf die Frage der Konkurseröffnung ausrichten will. 2 5 6 Zum Vertrauensschutz als Begründung für eine Ablehnung der Nennwertaufrechnung Müßigbrodt 73-80. 2 5 7 Deutlich auch in der Entscheidung B G H 10.11.1975 (NJW 1976, 418), wo die Aufrechnung mit einer von einem Drittgläubiger erworbenen wertlosen Forderung des Kommanditisten mangels entsprechender Werterhöhung des Gesellschaftsvermögens nicht haftungsbefreiend wirkt; ähnlich im Hinblick auf eine Sanierungsgründung in B G H 18.11.1976, D B 1977,394; entsprechend spricht auch K. Schmidt (Einlage 54f.) von der Bedenklichkeit einer Nennwertaufrechnung bei absichtlicher Schaffung einer Aufrechnungslage in Sanierungsgründungsfällen; ähnlich Müßigbrodt, B B 1982, 338, 340. 2 5 8 Zur entsprechenden kapitalmarktlichen Kontrolle bei der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital siehe oben 2.a)(3).

I. Gesellschafterhaftung

381

derung der Gesellschaft aufrechnet 259 . Hier stellt die Leistung der Haftsumme an den Gläubiger sicher, dass die daraus resultierende Regressforderung des Kommanditisten die Einlageforderung der Gesellschaft gegen ihn wert ist. Insgesamt unterliegt die Einlagenerbringung demnach auch hinsichtlich der objektiven Wertdeckung jedenfalls dann marktlicher Kontrolle, wenn sie Außenwirkung gegenüber den Gläubigern insbesondere als Maßstab für die Haftsumme gem. § 171 Abs. 1 H G B entfaltet. Um einen Interessenausgleich zu verwirklichen, muss hier im Verhältnis zu den Gläubigern sichergestellt sein, dass die Einlage des Kommanditisten seine Haftungsbeschränkung wert ist 260 . Eine solche objektive Wertdeckung ist vor allem dann gefährdet, wenn der Kommanditist gegen die Einlagenforderung der Gesellschaft mit einer wertlosen Forderung gegen die Gesellschaft zum Nennwert aufrechnet. Hier tritt nach der im Laufe der Entwicklung geänderten Rechtsprechung eine haftungsbefreiende Wirkung nur in Höhe des nach kaufmännischen Grundsätzen zu ermittelnden tatsächlichen Wertes der schuldrechtlichen Forderung ein. Damit unterliegt auch die Kapitalaufbringung hinsichtlich der Einlagenforderungen der Gesellschaft Kapitalmarktmaßstäben. Insoweit wird die Haftung des Kommanditisten dynamisiert und der Ertragslage der Gesellschaft angepasst. Ebenso wenig wie die Einlagenerbringung beliebig in ein schuldrechtliches Gesellschafterdarlehen umqualifiziert werden kann 261 , kann auch eine schuldrechtliche Leistung in eine gesellschaftsrechtliche Einlagenerbringung umgewidmet werden. In beiden Konstellationen wird ein Interessenausgleich zugunsten der an den Absprachen unbeteiligten Gläubiger anhand von Kapitalmarktmaßstäben verwirklicht 262 . 4. Das stehen gelassene als Problem

der

Abfindungsguthaben

Einlagenerhaltung

Nicht nur bei der Einlagen- und Kapitalaufbringung, sondern auch bei deren Erhaltung sind Einschränkungen der Privatautonomie der Gesellschafter zum Schutze der Gläubiger vor einer Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens erforderlich. Nur wenn die Gläubiger auch während der Wirtschaftstätigkeit der Gesellschaft vor verdeckten Entnahmen durch die Gesellschafter geschützt sind, ist ein marktlicher Interessenausgleich zwischen den Gesellschaftern und ihnen im Rahmen von Austauschbeziehungen gewährleistet. Wie auch schon im Rahmen der Einlagen- und Kapitalaufbringung anhand der so genannten Einbuchungsfälle gezeigt 263 , spielt auch die Frage der Einlagen- und Kapitalerhaltung mit ent259 Zu dieser Fallkonstellation als Ausnahme auch Kirsch 71 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1575 (§54 II 3. c cc); v. Gerkan, FS Kellermann 67, 71. 260 Zu diesem Gesichtspunkt schon oben 1. 261 Zu den Grenzen einer Einlagenerbringung durch Darlehen siehe oben 2. 262 Zur Anwendung von Kapitalmarktmaßstäben bei der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital siehe oben 2.a)(3). 263 Zu den Einbuchungsfällen siehe oben b).

382

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

sprechenden Entnahmesperren zugunsten des Gesellschaftsvermögens nur in der Kommanditgesellschaft für die beschränkt haftenden Kommanditisten eine R o l le. In der offenen Handelsgesellschaft mit persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschaftern gibt es ein solches Erfordernis nicht 2 6 4 . Hier tritt an die Stelle eines Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung ein solcher durch eine anreizgestützte Verhaltenssteuerung infolge der Bremsfunktion persönlicher

unbe-

schränkter Haftung 2 6 5 . Bestätigt wird dies auch von der Rechtsprechung, wonach die Haftung eines ausgeschiedenen Kommanditisten nicht wieder auflebt, wenn ihm vom persönlich haftenden Gesellschafter aus dessen eigenem Vermögen ohne Rückgriffsmöglichkeit auf die Kommanditgesellschaft eine Leistung an Gesellschaftsgläubiger vergütet wird 2 6 6 . Anders als bei Auszahlungen aus dem Komplementärvermögen knüpft der § 1 7 2 Abs. 4 H G B an die Zuwendung von Vermögenswerten an Kommanditisten aus dem Gesellschaftsvermögen die Rechtsfolgen einer Rückgewähr der Einlage, d.h. das Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten. Deutlich wird damit, dass der Gläubigerschutz im Recht der Kommanditgesellschaft auch bei der Einlagen- und Kapitalerhaltung nicht wie im Kapitalgesellschaftsrecht durch Auszahlungsverbote wie § 3 0 G m b H G , § 5 7 A k t G , sondern durch Außenhaftung verwirklicht wird. Während für die Frage der Kapitalerhaltung der Abfluss von Kapital aus dem Gesellschaftsvermögen erheblich ist, spielt für die Frage der Einlagenerhaltung die Änderung des Rechtsgrundes einer Vermögensüberlassung zwischen Kommanditist und Gesellschaft die maßgebliche Rolle 2 6 7 . Die Frage, inwieweit die Gesellschafter den Rechtsgrund einer Vermögensüberlassung von der gesellschaftsrechtlichen Einlagengewähr in eine schuldrechtliche Verpflichtung ändern können, stellt sich mit besonderer Dringlichkeit hinsichtlich des stehen gelassenen Abfindungsguthabens des ausscheidenden Kommanditisten. Hier kommt eine Würdigung als Einlagenrückgewähr und Darlehensvereinbarung oder die Versagung einer solchen Möglichkeit zur U m qualifizierung gesellschaftsrechtlicher in schuldrechtliche Vermögensüberlassung in Betracht. N u r die erste Variante geht mit der Möglichkeit zur privatautonomen Aufhebung der Kapitalbindung durch die Gesellschafter von einer Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 H G B und entsprechendem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung aus 268 . Demgegenüber hat nach der herrschenden G e genauffassung die Umwandlung eines stehen gelassenen Abfindungsguthabens 2 6 4 A.A. Riegger, B B 1975, 1282-1284; Steckhan, D N o t Z 1974, 69, 73; differenzierend Balz, B B 1977, 1481-1485; im Einzelnen dazu oben 3.a). 2 6 5 Zum Gläubigerschutz aufgrund anreizgestützter Verhaltenssteuerung siehe oben A.l.c) und Zweiter Teil III.D.2., Vierter Teil I.A.3. 2 6 6 B G H 14.1.1985, B G H Z 93, 246; in der Literatur ebenso Baumhach/Hopt § 172 Rdnr. 7; Kirsch 149f.; Koller, FS Heinsius 357, 368. 2 6 7 Ähnliche Gegenüberstellung schon bei Kirsch 90. 2 6 8 So insbesondere Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 420f.; Konietzko 109f.; Mundry 6f., 91f.; K. Schmidt, Einlage 74-77.

I.

Gesellschafterhaftung

383

des ausscheidenden Kommanditisten in ein Darlehen keine Einlagenrückgewähr im Sinne des §172 Abs. 4 H G B zur Folge 269 . U m die Haftungsfolgen des §172 Abs. 4 H G B zu vermeiden, tritt der Kommanditist im Konkurs mit seinem Abfindungsanspruch gegenüber den Gläubigern zurück 270 . Welche Prämissen liegen diesen Ansätzen zugrunde? a) Prämissen der Literatur im Spiegel von Vertrags- und

Verrechnungstheorie

Besonders deutlich wird dies bei Keuk, deren Lösungsvorschlag der Primat der Privatautonomie der Gesellschafter bei der Festlegung der Reichweite der Bindung des Gesellschaftsvermögens und damit in der Terminologie der Theoriebildung die so genannte Vertragstheorie zugrunde liegt271. In ähnlicher Weise geht auch Karsten Schmidt ohne weiteres davon aus, dass die Beseitigung der Kapitalbindung in der Hand der Gesellschafter liege272. Als maßgeblicher Gegeneinwand wird gegen diesen Lösungsansatz die Gefahr der Risikokumulation erhoben 273 . Danach riskiere der Kommanditist die Einbuße seines stehen gelassenen Darlehensguthabens im Konkurs, gleichzeitig müsse er eine Inanspruchnahme gem. §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 und 2 H G B wegen Einlagenrückgewähr befürchten 274 . Karsten Schmidt begegnet dem mit einer Aufrechnungslösung, die dem Kommanditisten die Möglichkeit gewähre, mit dem Anspruch auf Darlehensrückzahlung gegen die Haftungsansprüche der Gläubiger aufzurechnen 275 . Die Gegenseitigkeit der Forderungen als Voraussetzung für eine Aufrechnungslage mag sich hier über §171 Abs. 2 H G B herstellen lassen, da der Konkursverwalter die Ansprüche der Gläubiger geltend macht 276 . Schwerer wiegen die Bedenken hinsichtlich des Wertes, in dessen Höhe K. Schmidt eine Aufrechnung zulassen will, nämlich zum Nennwert, da hier der Kapitalsicherungsgedanke nicht berührt sei277. Gleichwohl muss auch hier - ebenso wie in den bereits oben erörterten Aufrechnungsfällen - die Frage zulässig sein, ob die Darlehensforderung des Kommanditisten, mit der er hier gegen die Forderung der Gläubiger aufrechnet, auch

269 B G H 9.5.1963, B G H Z 39, 319, 331; Baumbach/Hopt % 172 Rdnr.7; G r o ß K o m m H G B Schilling § 172 Rdnr. 14; Gursky, DB 1978, 1261, 1264; Huber, Z G R 1988, 1, 25; Kirsch 91-105; Tschierschke 20; Wiedemann, FS Bärmann 1037, 1046f. 270 B G H 20.3.1958, B G H Z 27, 51, 59; GroßKommHGB-Scfc'ffing §172 Rdnr. 14; Gursky, DB 1978, 1261, 1264; Kirsch 97-100; Tschierschke 80. 271 Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 416-419; Erfassung in den Kategorien der Vertragstheorie bei Kirsch 92. 272 So z.B. K. Schmidt, Einlage 75; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1582 (§54 III 2. a aa). 273 Gursky, DB 1978, 1261, 1264; Kirsch 101-104. 274 Gursky, DB 1978, 1261, 1264; Kirsch 101. 275 K. Schmidt, Einlage 76. 276 Zu diesem Gegenseitigkeitserfordernis hinsichtlich einer Aufrechnung des Kommanditisten Kirsch 102 f. 277 K. Schmidt, Einlage 76.

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4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

die Haftungsbefreiung wert ist 2 7 8 . Dies lässt sich nur dann bejahen, wenn dem Kommanditisten die fragliche Darlehensforderung in gleicher Weise wie einem Drittgläubiger zusteht 2 7 9 . Gerade dies - die Stellung des ausscheidenden K o m manditisten mit stehen gelassenem Darlehensguthaben - ist jedoch zu beweisen 2 8 0 . Im Hinblick auf diese Stellung nimmt die Einstufung einer privatautonomen Aufhebung der Kapitalbindung als Rückgewähr im Sinne des § 172 Abs. 4 H G B für sich den besonderen Vorteil einer Symmetrie von Einlageleistung und Einlagenrückgewähr in Anspruch 2 8 1 . D a eine Vermögensleistung des Kommanditisten in das Gesellschaftsvermögen aufgrund schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts keine Leistung der Hafteinlage bilde, könne ein solcher schuldrechtlicher Rechtsgrund für die Leistung auch die Haftung des Kommanditisten nicht ausschließen 2 8 2 . Dies habe ebenso spiegelbildlich für die Rückgewähr der Einlage und die dadurch ausgelöste Haftung des Kommanditisten ungeachtet bestehender schuldrechtlicher Leistungsbeziehungen zu gelten 2 8 3 . Die herrschende Meinung beurteilt die Stellung des ausgeschiedenen K o m manditisten mit stehen gelassenem Abfindungsguthaben diametral entgegengesetzt. Hiernach bildet die Umwandlung eines Abfindungsguthabens in ein Darlehen keine Rückgewähr der Einlage gem. § 1 7 2 Abs. 4 H G B 2 8 4 . Gegenüber den Altgläubigern trete der Kommanditist mit seiner Befriedigung im Konkurs zurück, da die Auszahlung seines Guthabens ansonsten zum Wiederaufleben der Haftung wegen § 172 Abs. 4 H G B führe. Diese Sichtweise wird mit der Verrechnungstheorie in Verbindung gebracht, da die herrschende Meinung allein auf die tatsächliche Vermögensbewegung von der Gesellschaft zum Kommanditisten abstelle 285 .

b) Symmetrie zwischen Einlagenleistung und auf grundparalleler Risikoverteilung

-rückgewähr

Als entscheidender Gegensatz der beiden dargestellten Konzeptionen wird allgemein auf die Frage der Symmetrie zwischen Einlageleistung und Einlagenrückgewähr abgestellt. Dogmatisch wird diese Symmetrie an dem Gegensatz zwischen 2 7 8 Zur Aufrechnung zum Realisationswert statt zum Nennwert bei der Kapitalaufbringung siehe oben C.3.b) und c). 2 7 9 Implizit liegt diese Kritik an der vollen Durchsetzbarkeit der Darlehensforderung auch bei Mundry 98 zugrunde, der daher zu einer risikokumulierenden Lösung gelangt (Mundry 97). 2 8 0 Siehe oben unter 4. 281 Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 413. 282 Keuk, Z H R 135 (1971) 410,413; unter bilanziellen Erwägungen so auch neuerdings Cehulla, D S t R 2 0 0 0 , 1 9 1 7 , 1 9 2 3 ; wenngleich unter Zurückweisung der strengen Vertragstheorie im Ergebnis ähnlich Koller/Roth/Morck-Koller §§171/172 Rdnr.23. 283 Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 413; zu dieser Symmetrie auch Kirsch 92. 2 8 4 B G H 14.1.1985, B G H Z 93/39, 246, 251; Baumhach/Hopt § 172 Rdnr. 7; Heymann/Horn §172 Rdnr. 10; GroßKommHGB-Scfe'ffing § 172 Rdnr. 14. 285 Kirsch 92f.; K. Schmidt, Einlage 75f.

I.

Gesellschafterhaftung

385

Vertrags- und Verrechnungstheorie angeknüpft 286 . Allerdings könnte die genannte Symmetrie auch an der Einlageleistung und Einlagenrückgewähr zugrunde liegenden Risikoverteilung ansetzen, deren privatautonomer Gestaltung durch die Gesellschafter Grenzen gezogen sind 287 . Ist die Einlagenrückgewähr demnach symmetrische Kehrseite der Einlageleistung, besteht eine Symmetrie bei der Bestimmungsmacht der Gesellschafter hinsichtlich der Risikoverteilung in Bezug auf das zur Verfügung gestellte Kapital? Diese vorgreifliche Frage, ob den Gesellschaftern die Kompetenz zukommt, die Funktion einer Vermögensleistung als Einlage festzusetzen, weist über den Gegensatz zwischen Vertrags- und Verrechnungstheorie hinaus. Vertrags- und Verrechnungstheorie könnten hiernach eine Alternative aufzeigen, nämlich die Einlagenerbringung und -rückgewähr nach Maßgabe der zugrunde liegenden Kausalvereinbarung oder Einlagenerbringung und -rückgewähr im Lichte der Mehrung bzw. Minderung des Gesellschaftsvermögens, die sich so gar nicht stellt288. Hierfür ist zunächst die Frage zu beantworten, ob die Gesellschafter uneingeschränkt funktionale Bestimmungen hinsichtlich der Einlage- bzw. Darlehensqualität einer Vermögensleistung treffen können. Wie bereits oben gezeigt, sind den Gesellschaftern bei der Einlagenaufbringung Grenzen gezogen 289 . Sie können nicht statt einer Einlageleistung uneingeschränkt schuldrechtliche Rechtsgeschäfte als Grundlage für eine Vermögensleistung des Kommanditisten in das Gesellschaftsvermögen vereinbaren 290 . In diesem Bezugsrahmen bildet nicht der Zusammenhang zwischen Einlageleistung und Außenhaftung des Kommanditisten den Ansatzpunkt für eine Symmetrie zwischen Einlageleistung und Einlagenrückgewähr 291 . Stattdessen ist auf eine Parallelität der Grenzen abzustellen, die der Privatautonomie der Gesellschafter im Lichte dieses Zusammenhangs bei der Vereinbarung dessen, was eine Einlage bzw. ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft bildet, gezogen sind. Demzufolge ist für die Einlagenrückgewähr beim stehen gelassenen Abfindungsguthaben die Frage zu stellen, ob dieses Guthaben aufgrund privatautonomer Vereinbarung der Gesellschafter in Fremdkapital umgewandelt werden kann. Dies liegt als Prämisse den Verfechtern einer Vertragslösung zugrunde 292 . Insbesondere nach Karsten Schmidts Lösungsvorschlag kann der Kommanditist sich von seiner Haftung gegenüber den Gläubigern gem. §§171 Abs.l, 172 Abs.4 H G B durch Aufrechnung mit seiner Darlehensforderung im Hinblick auf sein 286

Besonders deutlich bei Kirsch 92f.; K. Schmidt, Einlage 75. Zu diesen Grenzen bei der Einlagenaufbringung siehe oben 2. 288 Grundlegend Wiedemann, FS Bärmann 1037, 1041 (Vertragstheorie), 1047f. (Verrechnungstheorie). 289 Hierzu oben 2. 290 Siehe in diesem Zusammenhang zur Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital oben 2. 291 So aber Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 413; Kirsch 92f. 292 So insbesondere Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 419-424; K. Schmidt, Einlage 72-77. 287

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Wirkung

stehen gelassenes Abfindungsguthaben befreien und gegebenenfalls die Differenz als Konkursforderung zur Konkurstabelle anmelden 293 . Diese Anmeldung zur Konkurstabelle beleuchtet schlaglichtartig den Status des ausscheidenden Kommanditisten als Drittgläubiger nach dieser Konzeption 294 . Demgegenüber ist aus der Sicht der h.M. eine Aufrechnung mit der Darlehensforderung nicht erforderlich, da der Kommanditist in Höhe der Haftsumme hinter den Forderungen der Altgläubiger im Konkurs zurücktritt 2 9 5 . Eine dem zuwiderlaufende Befriedigung des Kommanditisten würde zum Wiederaufleben seiner Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 HGB führen. Für eine Einordnung der Problematik des stehen gelassenen Abfindungsguthabens als einer Grenze der Privatautonomie der Gesellschafter hinsichtlich der Risikoverteilung ist zunächst die nähere Aufschlüsselung dieses Zurücktretens im Konkurs im Lichte einer Begrenzung der Privatautonomie klärungsbedürftig. c) Das Zurücktreten

im Konkurs als Risikoverteilung

durch

Außenhaftung

Hierzu bedarf die Lösung der h.M. noch näherer Spezifizierung. Der von der h.M. ins Feld geführte Rückgriff auf die Figur des Zurücktretens im Konkurs hinter den Altgläubigern ist in der Literatur teils kritisch 296 , teils mit Zustimmung 2 9 7 mit §237 HGB a.F., der ohne größere sachliche Änderungen durch § 136 Abs. 1 S. 1 InsO ersetzt worden ist 298 , in Verbindung gebracht worden. Die genannte Vorschrift statuiert ein Insolvenzanfechtungsrecht, wenn dem stillen Gesellschafter die Einlage zurückgewährt oder ihm sein Verlustanteil aufgrund einer Vereinbarung im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers erlassen worden ist. Als Gläubigerschutznorm gibt dieser Anfechtungstatbestand dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, masseschmälernde Rechtshandlungen rückgängig zu machen 299 . Mit der Parallelisierung zum stillen Gesellschafter wird auch die Stellung des ausscheidenden Kommanditisten im Vergleich zum noch beteiligten Kommanditisten deutlich. Der noch beteiligte Kommanditist trägt mit seiner Einlage das Risiko, dass sich ihr Wert im Laufe der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft verringert. Seine Verlustbeteiligung erstreckt sich auf seine gesamte Einlage. Diese bildet demnach einen Rechnungsposten für die Ermittlung des Betrages, den der K. Schmidt, Einlage 76. Hierzu bereits oben a). 295 GroßKommHGB-Scfo7&g § 172 Rdnr. 14. 296 Keuk, ZHR 135 (1971) 410, 422f. 297 Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift Kirsch 98-100; für eine analoge Anwendung des § 23 7 HGB a. F. im Konkurs trotz Ablehnung der Konzeption der h. M. hinsichtlich des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung mit Auszahlung des Abfindungsguthabens Mundry 84-88. 298 Zu diesem Verhältnis zwischen §237 HGB a.F. u n d § 1 3 6 A b s . l S. 1 InsO Baumhach/Hopt §236 Rdnr. 6. 299 MüKolnsO-Stodolkowitz § 136 Rdnr. 1; Smid-Zeuner § 136 Rdnr. 1. 293

294

I.

Gesellscbafterhaftung

387

Kommanditist im Rahmen der Auseinandersetzung verlangen kann (§155 Abs. 1 H G B ) 3 0 0 . Hiervon unterscheidet sich die Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters, wie sie in § 236 H G B deutlich wird. Soweit die Einlage des Stillen seine Beteiligung an den bis dahin eingetretenen Verlusten übersteigt, ist der Stille mit seiner Forderung Insolvenzgläubiger 301 . Entsprechend verhält es sich beim ausscheidenden Kommanditisten. Seine Verlustbeteiligung ist nicht mehr in Abhängigkeit vom Geschäftserfolg der Gesellschaft wie beim noch beteiligten K o m manditisten dynamisiert. Stattdessen nimmt er nach Auffassung der h.M. nur noch gegenüber den Altgläubigern mit seiner Einlage an etwaigen Verlusten teil, indem er hinter ihnen zurücktritt 302 . Dies schließt eine Teilnahme als Insolvenzgläubiger mit seiner Forderung auf Auszahlung des Abfindungsguthabens im Übrigen nicht aus 303 . Mit dieser Zweiteilung der Verpflichtungen des ausscheidenden Kommanditisten gegenüber den Altgläubigern einerseits und gegenüber den Neugläubigern andererseits lässt sich jedoch eine Parallele zwischen der Verlustbeteiligung des Stillen und der des ausscheidenden Kommanditisten nur bedingt ziehen. In beiden Fällen handelt es sich, vorbehaltlich anders lautender Vereinbarungen, um statische Rechnungsgrößen. Der Stille ist an den Verlusten nur bis zur H ö h e seiner Einlage beteiligt (§ 232 Abs. 2 S. 1 H G B ) , ein Unterschied zwischen Einlagenerbringung und Haftung besteht nicht 304 . Auch beim ausscheidenden Kommanditisten wird im Verhältnis zu den Altgläubigern seine Verlustbeteiligung in H ö he der Haftsumme statisch, da der Kommanditist an der Fortführung der Geschäfte durch die Gesellschaft und an den daraus resultierenden Geschäftsergebnissen nicht mehr beteiligt ist 305 . Demgegenüber bezeichnet das Abfindungsguthaben als Ergebnis der Auseinandersetzung gem. §§161 Abs.2, 131 Abs. 3, 105 H G B , §§ 7 3 8 - 7 4 0 B G B lediglich im Verhältnis der Gesellschafter untereinander die interne Verlustbeteiligung des Kommanditisten. Mit dem Zurücktreten hinter die Altgläubiger im Konkurs schränkt die statisch im Verhältnis zu den Altgläubigern feststehende Außenhaftung die Wirksamkeit der Abfindungsvereinbarung ein. Dies markiert eine Umkehrung im Vergleich zu den Verhältnissen in der stillen Gesellschaft, in der die Einlagenerbringung die Außenhaftung begrenzt 306 . Demzufolge bezeichnet die Teilnahme mit der Einlage an Verlusten Hillers 184f.; Huber 181f.; Schulze-Osterloh 60f., 67; Sieker, Eigenkapital 26-29. Baumbach/Hopt §236 Rdnr. 1. 302 B G H 20.3.1958, B G H Z 27, 51, 59; B G H 20.10.1975, N J W 1975, 751, 752; GroßKommHGB-Schilling § 172 Rdnr. 14; Tschierschke 80. 303 G r o ß K o m m H G B 3 - U l m e r § 131 Rdnr. 64, Gursky; D B 1978, 1261, 1264. 304 Unter Hinweis auf die Möglichkeit der Vereinbarung entgegen §236 H G B einer stillen Einlage als Teil der Eigenkapitalgrundlage des Inhabers Baumbach/Hopt §236 Rdnr.3. 305 Zur Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten gegenüber Altgläubigern in der Insolvenz B G H 20.3.1958, B G H Z 27, 51, 56; B G H 9.5.1963, B G H Z 39, 319, 321. 306 Dies gilt vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung einer stillen Einlage als Teil der Eigenkapitalgrundlage ( B a u m b a c h / H o p t §236 Rdnr.3). 300 301

388

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

durch ein Zurücktreten hinter die Altgläubiger im Konkurs die Risikoverwirklichung durch Außenhaftung zu Lasten des Kommanditisten. Dies lässt die organisationsrechtliche Prägekraft der Einlagenleistung aufscheinen. f. Grenzen der Privatautonomie bei einer Einwirkung auf die Außenhaftung durch Risikoverteilung Fraglich ist nun, ob die Gesellschafter auf diesen Vorrang der Außenhaftung durch eine schuldrechtliche Darlehensvereinbarung einwirken können. Wie gezeigt, bejaht Karsten Schmidt dies implizit, indem er die Aufrechnung des ausscheidenden Kommanditisten gegen die Haftungsansprüche der Altgläubiger mit seiner umgewandelten Darlehensforderung zum Nennwert zulässt 307 . Damit wird das Risiko einer Wertminderung der Forderung des ausscheidenden Kommanditisten auf Auszahlung seines Guthabens auf die Gläubiger abgewälzt. Wie bereits die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital in der Rechtsprechung sowie die Grenzen einer Aufrechnung zum Nennwert bei der Kapitalaufbringung verdeutlicht haben, kann eine bloße gesellschaftsinterne Vereinbarung eine solche nachträgliche Risikoverlagerung zu Lasten der Gläubiger nicht begründen 308 . Vielmehr muss sich der ausscheidende Kommanditist im Verhältnis zu den Altgläubigern an seiner Möglichkeit zur Einflussnahme auf das unternehmerische Risiko der Gesellschaft aufgrund seiner Mitwirkungsrechte sowie an der Dynamisierung seiner Haftungsbefreiung in Abhängigkeit vom Markterfolg der Gesellschaft festhalten lassen 309 . Nur wenn sein Abfindungsguthaben bei der Haftungsmasse der Gesellschaft verbleibt und mit dem Realisationswert vorrangig zur Befriedigung der Altgläubiger eingesetzt wird, verbleibt das Risiko einer Entwertung bei der Gesellschaft und damit auch beim Kommanditisten als Gläubiger der entwerteten Abfindungsforderung. Insoweit wirkt die Risikoverteilung aufgrund des Gesellschaftsvertrages gegenüber den Altgläubigern nach. Eine Änderung dieser Wirkung kann jedenfalls durch bloßes Stehenlassen des Abfindungsguthabens nicht erreicht werden. Hierfür bedürfte es der expliziten Vereinbarung kapitalmarktüblicher Darlehenskonditionen, etwa im Rahmen einer Novation der Abfindungsforderung 310 . Zumindest bei längerfristigem Stehenlassen, bei dem nach den Umständen auch die Kündbarkeit ausgeschlossen 3 0 7 Zur Nennwertaufrechnung des ausgeschiedenen Kommanditisten nach K. Schmidt siehe oben a). 3 0 8 Zur Risikoverlagerung auf Kosten der Gläubiger beim Finanzplankredit siehe oben 2.d)(2); zu den Grenzen einer Aufrechnung zum Nennwert siehe oben 3.c)(2) und (3). 3 0 9 Zum Gesichtspunkt der Möglichkeit zur Einflussnahme auf das unternehmerische Risiko der Gesellschaft als Voraussetzung für eine Umqualifizierung eines Gesellschafterdarlehens in Eigenkapital siehe oben 2.b)-d); zur Dynamisierung der Haftungsbefreiung durch eine Aufrechnung nicht zum Nennwert, sondern zum Realisationswert siehe oben 3.c)(3). 310 Ritter § 172 Rdnr. 5.

1. Gesellschafterhaftung

389

ist, kann jedoch von einer solchen Kreditvereinbarung zu kapitalmarktgemäßen Konditionen nicht ausgegangen werden 311 . In diesem Fall erfüllt das stehen gelassene Abfindungsguthaben demzufolge keine Kreditfunktion, sondern Eigenkapitalfunktion mit der entsprechenden Risikoverteilung 312 . Dies ergibt sich aus der der Gesellschaftervereinbarung immanenten Risikoverteilung und den Grenzen ihrer Außenwirkung gegenüber den Gläubigern 313 . Im Ergebnis trägt die Haftung des Gesellschafters mit seinem stehen gelassenen Abfindungsguthaben der Manipulierbarkeit der Haftungsmasse Rechnung. Damit kompensiert sie wiederum eine doppelte Marktschwäche, indem sie eine Abwälzung der sich nicht durch Interessengegensätze neutralisierenden Manipulation der Haftungsmasse auf die Gläubiger verhindert. 6. Kapitalerhaltung gem. §172 Abs. 4

durch Außenwirkung HGB

a) Grundlagen der Außenwirkung Kommanditisten an den

von

der

Einlagenrückgewähr

Kapitalrückflüssen

Neben den Beschränkungen der Privatautonomie bei der Beseitigung der Kapitalbindung beim Stehenlassen des Abfindungsguthabens ist für die Frage organisationsrechtlicher Außenwirkung auch die Kapitalerhaltung erheblich, ob nämlich Kapitalrückflüsse an die Gesellschafter gegenüber den Gläubigern Außenwirkung entfalten 314 . Entscheidendes Kriterium für diese Außenwirkung ist bei Vermögensleistungen der Gesellschaft an einen Kommanditisten die Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 H G B . Nach dieser Vorschrift gilt die Einlage bei einer Rückzahlung an den Kommanditisten als nicht geleistet, was die Haftungskonsequenzen des § 171 Abs. 1 Halbs. 2 H G B nach sich zieht 315 . Auch für diese Vermögensverschiebung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter fragt sich, ob die Gesellschafter durch die Vereinbarung eines schuldrechtlichen Rechtsgrundes der Vermögensleistung die gesellschaftsrechtlichen Haftungskonsequenzen umgehen können. Für die haftungsrechtliche Bedeutung von Umsatzgeschäften geht die ganz überwiegende Auffassung dahin, dass hier so lange keine Einlagenrückgewähr im Sinne des § 172 Abs. 4 H G B gegeben ist, wie sich die gegenüberstehen311 Auf solche Guthaben wendet Kirsch 99f. §237 H G B analog an und begründet damit den Ausschluss der Kündbarkeit, der aber letztlich der (auch stillschweigenden) Risikoverteilungsabrede zugrunde liegt. 3 1 2 Entsprechend begründet Kirsch 99 die analoge Anwendung des § 237 H G B auf solche Guthaben mit der Kreditfunktion einer stillen Einlage. 3 1 3 Zur parallelen Begrenzung der Außenwirkung privatautonomer Gestaltung der Personengesellschafter bei der Einlagenaufbringung siehe oben 2.a). 314 Vergleichbare Parallelisierung von Einlagen- und Kapitalerhaltung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1581-1585 (§54 III 2.). 3 1 5 Zum Wortlaut der Vorschrift und ihrer Verweisung auf §171 Abs. 1 Halbs. 2 H G B im Einzelnen Kirsch 108.

390

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

den Ansprüche der Gesellschaft und des Gesellschafters wertmäßig decken 316 . Erst wenn der Kommanditist unter dem Deckmantel eines schuldrechtlichen Verkehrsgeschäftes auf das Gesellschaftsvermögen ohne gleichwertige Gegenleistung zugreift, wird eine Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. §172 Abs. 4 H G B ungeachtet des Rechtsgrundes der Vermögensverschiebung ausgelöst 317 . Damit erweisen sich wiederum Marktmaßstäbe als Kriterium für die Beurteilung der schuld- und organisationsrechtlichen Rechtsnatur der betroffenen Rechtsbeziehungen 318 . Wenn der Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Kommanditist Marktmaßstäben nicht genügt, entfaltet die dem Austausch beigemessene schuldrechtliche Rechtsnatur keine Wirkung gegenüber den Gläubigern. b) Die Außenwirkung dienstvertraglicher und gesellschaftsvertraglicher Tätigkeitsvergütung

organisationsrechtlicher

In besonderer Weise greifen schuldrechtliche und organisationsrechtliche Rechtsbeziehungen der Gesellschafter bei einer Tätigkeitsvergütung des Kommanditisten ineinander. Daher hat hier die Rechtsnatur nicht dieselbe Aussagekraft für die Frage der Einlagenrückgewähr wie im Falle der oben genannten eindeutigen Umsatzgeschäfte 319 . Wie bereits oben im Einzelnen dargelegt, kommen als der Tätigkeitsvergütung zugrunde liegende Vereinbarungen mit dem Kommanditisten schuldrechtliche, nämlich dienstvertragliche, oder organisationsrechtliche Abreden in Betracht 320 . Was die haftungsrechtlichen Implikationen der mit der Geschäftsführungsvereinbarung verbundenen Tätigkeitsvergütung anbelangt, so lassen diese sich für den schuldrechtlichen Dienstvertrag am engsten an die vorherigen Ausführungen anlehnen 321 . Ein solcher Dienstvertrag ist wie ein sonstiges Drittgeschäft zu behandeln 322 . Demzufolge haftet bei dieser Gestaltung der Kommanditist wegen Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 S. 1 HGB, wenn die Tätigkeitsvergütung, 316 O L G Düsseldorf 27.11.1958, G m b H R 1959, 114; GroßKommHGB-Schilling §172 Rdnr.9; Kirsch 109-111; Konietzko 113-118; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1583 (§54 III 2. a bb); a.A. Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 420. 317 B G H 9.5.1963, B G H Z 39, 319, 331; BAG 28.9.1982, ZIP 1983, 170, 172; zur Irrelevanz des Rechtsgrundes für eine Haftung gem. § 172 Abs.4 H G B im Schrifttum Kirsch 109; Einstufung einer Einlagenrückgewähr durch verdeckte Gewinnausschüttung als Ausnahme zur grundsätzlichen Beachtlichkeit der Rechtsnatur bei Konietzko 109; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1583 (§54 III 2. a bb); Schulze-Osterloh, FS Brönner 377, 379; a.A. Keuk, Z H R 135 (1971) 410, 420. 318 Kriterium der Marktüblichkeit auch bei Ebenroth/Boujong/Joost-Strohn §172 Rdnr.26; ähnlich auch die Marktmaßstäbe, die an die Beurteilung der Einlagenaufbringung herangetragen werden, siehe oben B. 319 Siehe soeben 1. 320 Hierzu siehe oben Dritter Teil II.B.5.c)-g). 321 Zu den Drittgeschäften siehe bereits oben 1. 322 So auch Bork, AcP 184 (1984) 465, 484; Kirsch 118; Klingberg 157f.; Priester, DB 1975, 1878, 1881.

I.

Gesellschafterhaftung

391

gemessen an den einschlägigen Marktmaßstäben, überhöht ist. Diese Haftungsfolge können die Gesellschafter nicht durch die Einkleidung ihrer Zuwendung in die Form eines schuldrechtlichen Austauschvertrages verhindern 323 . Insoweit stößt ihre Privatautonomie bei der Wahl zwischen schuldrechtlicher und organisationsrechtlicher Gestaltungsform im Verhältnis zu den Gläubigern an Grenzen, auch der vermeintlich schuldrechtliche Dienstvertrag kann in diesem Fall organisationsrechtliche Haftungsfolgen auslösen. Zu differenzieren ist für eine etwaige Einlagenrückgewähr gem. §172 Abs. 4 HGB die rechtliche Würdigung einer organisationsrechtlich verankerten Tätigkeitsvergütung für den Kommanditisten. So kann nach verbreiteter Auffassung eine organschaftliche Geschäftsführertätigkeit nur über die Gewinnverteilung abgegolten werden 3 2 4 . Haftungsrechtlich wäre eine solche Tätigkeitsvergütung dann nach den Grundsätzen einer etwaigen Uberentnahme gem. § 172 Abs. 4 S.2 HGB zu würdigen 3 2 5 . Daneben ist jedoch auch die Gewährung einer gewinnunabhängigen Festvergütung für die organschaftliche Geschäftsführung des Kommanditisten denkbar 326 . Mit einer gewinnunabhängigen Festvergütung werden die von der Geschäftsführungstätigkeit beeinflussten Marktrisiken der Gesellschaft zugewiesen 3 2 7 . Damit wird die Tätigkeitsvergütung letztlich als Kosten der Gesellschaft behandelt, die die auf die Gewinnbeteiligung der nicht an der Geschäftsführung beteiligten Mitgesellschafter entfallenden Verlustbeträge erhöht 328 . Für die Haftung des Kommanditisten wegen Einlagenrückgewähr gem. §172 Abs. 4 HGB ergibt sich hieraus Folgendes: Handelt es sich aus der Sicht der Gesellschaft bei der Tätigkeitsvergütung um Kosten, die auch in Verlust) ahren für den Betrieb des Gesellschaftsunternehmens aufgewendet werden müssen, so kommt die Würdigung einer solchen Zahlung unter dem Gesichtspunkt einer Ubergewinnentnahme gem. §172 Abs.4 S.2 H G B nicht in Betracht 329 . Stattdessen stellt sich die Tätigkeitsvereinbarung als eine einem Austauschvertrag nahekommende Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Kommanditisten mit der Einschränkung dar, dass der Kommanditist im Konkurs mit seinem Vergütungsanspruch hinter den Drittgläubigern zurücktreten muss. Unterliegt der Status des Kommanditisten als Gläubiger einer Festvergütung solchen Einschrän323 Entsprechend zur überhöhten schuldrechtlich vereinbarten Tätigkeitsvergütung Bork, A c P 184 (1984) 465, 484; Schulze-Osterloh, FS Brönner 377, 379. 324 O L G Celle 2 6 . 3 . 1 9 7 3 , O L G Z 1973,343; Kirsch 115; Riegger, D B 1983,1909f.; demgegenüber für eine Folgerung der Vergütung aus der Rechtsnatur der Geschäftsführung Bork, A c P 184 (1984) 465, 475 F n . 4 3 . 325 Bork, A c P 184 (1984) 465, 485; Kirsch 118; Riegger, DB 1983, 1909, 1910. 326 Zu dieser Möglichkeit im Einzelnen oben Dritter Teil II.B.5.g). 3 2 7 Ahnlich z u m Vergütungsanspruch des Gesellschafters als B e z u g s p u n k t der Leistungsstörungsregel bei einer g e w i n n u n a b h ä n g i g e n Vergütung Hüttemann 354. 328 Entsprechend MüKo-Ulmer § 7 0 9 Rdnr.33. 3 2 9 So auch Bork, A c P 184 (1984) 465, 485.

392

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

kungen im Vergleich zu Drittforderungen, so muss auch der mit ihr verbundene Vermögensabfluss von der Gesellschaft an den Gesellschafter zumindest den für Drittforderungen einschlägigen Beschränkungen und damit insbesondere §172 Abs. 4 S. 1 H G B unterliegen 330 . Entscheidend für die haftungsrechtliche Unbedenklichkeit einer gesellschaftsvertraglichen festen Tätigkeitsvergütung des Kommanditisten ist daher die Angemessenheit ihrer Höhe. Leistungen der Gesellschaft an den Kommanditisten sind so lange gem. § 172 Abs. 4 S. 1 H G B unbedenklich, wie ihnen gleichwertige Gegenleistungen des Kommanditisten gegenüberstehen 331 . Ist die Festvergütung unangemessen hoch, so lebt die Haftung des Kommanditisten gem. § 172 Abs. 4 S. 1 H G B in Höhe des unangemessenen Teils wieder auf 332 . Die Frage der Angemessenheit ist wie schon bei der Würdigung von Drittgeschäften eine solche der Marktgemäßheit 333 . Demzufolge entfaltet auch ein Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Kommandist auf organisationsrechtlicher Grundlage dann keine Außenwirkung gegenüber den Gläubigern, wenn er Marktmaßstäben nicht genügt 334 . c) Konsequenzen für die Haftung wegen gem. §172 Abs. 4 S.l HGB

Einlagenrückgewähr

(1) Wirkungsmechanismus - Haftung ab der Ersten Mark? Mit der Frage der Haftungsschädlichkeit unangemessener fester Tätigkeitsvergütung sowie marktunüblicher Drittgeschäfte zugunsten eines Kommanditisten ist noch nicht die Frage der Höhe der hierdurch ausgelösten Haftung beantwortet. Die herrschende Meinung geht hier nur dann von einer Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 S. 1 H G B aus, wenn das Kapitalkonto des Kommanditisten unter die Haftsumme fällt 335 . Dem stellt Karsten Schmidt ein weiter gehendes Haftungskonzept gegenüber. Er favorisiert einen Kapitalerhaltungsgrundsatz im Rahmen des § 172 Abs. 4 HGB, der den Haftungseintritt nicht an der versprochenen Haftsumme, sondern am »Gesellschaftsvermögen, wie es ist« orientiert, freilich in der Höhe begrenzt auf die Haftsumme 336 . Dies hat zur Konsequenz, dass 330 So auch Ebenroth/Boujong/Joost-Strohn § 172 Rdnr. 29; Stützet, DStR 1996,1596,1597; zu den Beschränkungen von Vermögensverschiebungen an Kommanditisten aufgrund von Drittgeschäften siehe oben a). 331 Zu diesem Erfordernis der Gleichwertigkeit im Rahmen des §172 Abs.4 S.l H G B bei Drittgeschäften siehe oben 1. 332 So auch Baumhach/Hopt § 172 Rdnr.6f.; Bork, AcP 184 (1984) 465, 483. 333 So implizit auch Bork, AcP 184 (1984) 465, 483f., der Gutachten der Industrie- und Handelskammern heranziehen will; zur Angemessenheit bei Drittgeschäften siehe oben a). 334 Zum parallelen Ergebnis im Hinblick auf einen Leistungsaustausch auf schuldrechtlicher Grundlage siehe oben 1.; zur Irrelevanz des Rechtsgrundes des Leistungsaustausches für ein Eingreifen des § 172 Abs.4 S. 1 H G B K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1583 (§54 III 2. a bb). 335 B G H 12.7.1982, B G H Z 84, 383, 387; Baumhach/Hopt § 172 Rdnr. 4; G r o ß K o m m H G B Schilling § 172 Rdnr. 10. 336 K. Schmidt, Einlage 79f.

I.

Gesellschafterhaftung

393

der Kommanditist nur als Gewinne ausgewiesene Zuwendungen ohne Haftungsrisiko von der Gesellschaft annehmen kann 3 3 7 . Kautelarjuristisch verweist Karsten Schmidt

die Kommanditisten auf die Möglichkeit, die Haftsumme überstei-

gende Beträge als Fremdmittel ausweisen zu lassen 3 3 8 . Gleichzeitig weist er ausdrücklich darauf hin, dass diese Konzeption nicht mit der des historischen G e setzgebers übereinstimme 3 3 9 . D a r ü b e r hinaus ergeben sich Brüche eines solch weitgehenden Kapitalerhaltungsgrundsatzes mit den vorgehend aufgezeigten G r e n z e n einer Dynamisierung der Kommanditistenhaftung in Abhängigkeit vom Markterfolg des U n t e r n e h mens der Gesellschaft 3 4 0 . Dasselbe gilt im H i n b l i c k auf die G r e n z e n der Privatautonomie der Gesellschafter bei der Qualifizierung von Kapital als Eigen- bzw. Fremdkapital 3 4 1 . Wie sich bei der Aufrechnung des Kommanditisten gegen die Einlagenforderung gezeigt hat, ist die Haftung des Kommanditisten insoweit in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zu dynamisieren, als hierbei nicht der N e n n w e r t der schuldrechtlichen Forderung, sondern deren realer Wert zugrunde zu legen ist. Als G r u n d für diese Dynamisierung ist hierbei insbesondere das Argument genannt worden, dass nur bei einer solchen Berücksichtigung des realen Wertes sichergestellt sei, dass die Einlage die H a f tungsbefreiung wert sei. Dieser Struktur der Kapitalerbringung trägt man unzureichend Rechnung, wenn man eine Rückgewähr der Einlage gem. § 1 7 2 Abs. 4 S. 1 H G B bereits »ab der Ersten Mark« annimmt. In diesem Fall wäre das G u t h a ben des Kommanditisten einer Dynamisierung in Abhängigkeit vom Markterfolg des Unternehmens der Gesellschaft unterworfen, die über die Gewährleistung einer wertmäßigen Entsprechung zwischen Einlage und Haftungsbefreiung hinausginge. D a m i t entfernt man sich vom selbstbestimmten Kapitaleinsatz der Kommanditisten, wie ihn der Gesetzgeber in § 161 Abs. 1 H G B zugrunde gelegt hat 3 4 2 . D e m lässt sich nicht mit dem Argument entgegentreten, dass es in der H a n d der Gesellschafter liege, die die Haftsumme übersteigenden Beträge als Fremdmittel auszuweisen. D e m stehen die G r e n z e n entgegen, die den Gesellschaftern bei der Beilegung von Fremdkapitalcharakter im H i n b l i c k auf zur Verfügung gestellte Mittel gesetzt sind 3 4 3 . Eine solche beliebige Beilegung von Fremdkapitalcharakter K. Schmidt, Einlage 81. K. Schmidt, Einlage 81. 339 K. Schmidt, Einlage 79; Zweifel de lege lata auch bei Koller, FS Heinsius 357, 366f. 340 Zu diesen Grenzen einer Dynamisierung der Kommanditistenhaftung bei der Kapitalaufbringung siehe oben 3.c)(3). 341 Zur Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital bei der Einlagenaufbringung siehe oben 2. 342 Zur gesellschaftsvertraglichen Festlegung des Kapitaleinsatzes des Kommanditisten MüKoHGB-Grunewald § 161 Rdnr. 1; kritisch unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidung von Haft- und Kapitaleinlage hierzu Ott, Typenzwang 220-227. 343 Hierzu im Einzelnen siehe oben 2.; als Argument auf der Grundlage von Karsten Schmidts 337 338

394

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn die überlassenen Mittel dem unternehmerischen Risiko der Gesellschaft ausgesetzt werden sollen und die Kommanditisten durch die Berufung auf den Fremdkapitalcharakter diese Risikoverteilung zu Lasten der Gläubiger konterkarieren. (2) Höhe der Haftung als Konsequenz von GmbH-rechtlichen Kapitalbindungskonzepten? Über Karsten Schmidts Konzept einer Haftung des Kommanditisten »ab der Ersten Mark« gehen die kritischen Stimmen zur Höhe der nach der h.M. beschränkten Kommanditistenhaftung bei Joost und Mossmann hinaus 344 . Geht Karsten Schmidt mit der herrschenden Meinung von der Beschränkung der Kommanditistenhaftung im Außenverhältnis auf die Höhe der eingetragenen Haftsumme aus, so halten Joost und Mossmann eine solche Beschränkung für unzureichend. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Kommanditist sich seine möglicherweise durch den Geschäftserfolg der Gesellschaft erhöhte Einlage zurückgewähren lasse und lediglich den eingetragenen Betrag mit haftungsbefreiender Wirkung wieder einlege345. Einer solchen Unterlaufung des Gläubigerschutzes will Mossmann mit einer analogen Anwendung des §172 Abs. 4 S. 1 H G B begegnen. Empfange der Kommanditist von der Gesellschaft über die Einlage hinausgehende Zahlungen, so handle es sich zwar nicht um die Rückgewähr seiner Einlage, gleichwohl habe er diese als Rückzahlungen ohne Gegenleistung in Analogie zu § 172 Abs. 4 S. 1 H G B zurückzugewähren 346 . Damit erweitert Mossmann den Haftungstatbestand des § 172 Abs. 4 S. 1 H G B auf eine Haftung für jeglichen Vermögensabfluss von der Gesellschaft an den Kommanditisten 347 . Demgegenüber nähert Joost in seinem Lösungsvorschlag die Haftung gem. §172 Abs. 4 S. 1 H G B den Haftungsgrundsätzen des GmbH-Rechts an 348 . So überträgt er das Konzept des Stammkapitals der GmbH auf die Einlage der Kommanditgesellschaft. Aufgrund des § 172 Abs. 4 S. 1 H G B trete dann eine vergleichbare Kapitalbindung in der Kommanditgesellschaft in Höhe einer bilanziellen Kapitalziffer zugunsten der Gläubiger ein, wenn das Gesellschaftsvermögen unter Einbeziehung der Kommanditeinlagen die Gesellschaftsschulden nicht mehr decke 349 . Joosts Gegenkonzept zur Haftung wegen Einlagenrückgewähr nach der herrschenden Meinung sieht sich demzufolge zwei Einwänden ausgesetzt: Zunächst setzt es für die Haftung des Kommanditisten eine Unterbilanz der Komanders lautender Konzeption einer Behandlung des Gesellschafters als Drittgläubiger freilich nicht einschlägig, hierzu schon oben 4.b). 3 4 4 Zur Haftung »von der Ersten Mark an« (so formuliert bei Koller, FS Heinsius 357, 358; K. Schmidt, Einlage 79f.; zu den weiter gehenden Konzeptionen Joost, Z G R 1987, 370-402; Mossmann 163-190. 345 Joost, Z G R 1987, 370, 385f.; Mossmann 121. 346 Mossmann 166-178. 3 4 7 So kritisch auch schon Joost, Z G R 1987, 370, 383 Fn.56. 348 Joost, Z G R 1987, 370, 386-391. 349 Joost, Z G R 1987, 370. 388-390.

I. Gesellschafterhaftung

395

manditgesellschaft voraus, da erst dann die Summe aller Schulden und der Einlage durch das haftende Vermögen der Gesellschaft nicht mehr gedeckt und die Gläubiger entsprechend gefährdet seien350. Besteht allerdings eine solche Unterbilanz, dann ist die Haftung des Kommanditisten gem. § 172 Abs. 4 S. 1 H G B nach diesem Ansatz in Parallele zur Haftung des GmbH-Gesellschafters nach §31 G m b H G der Höhe nach nicht durch die eingetragene Haftsumme, sondern lediglich durch die Summe der empfangenen Vermögenswerte begrenzt 351 . Sowohl Mossmanns Vorschlag einer Anwendung des § 172 Abs. 4 S. 1 H G B auf Vermögensabflüsse an den Kommanditisten jeder Art als auch Joosts Annäherung der Haftung an die Rückerstattungspflicht des Gesellschafters einer GmbH gem. §31 G m b H G liegt der Versuch zugrunde, den Vermögensbestand der Kommanditgesellschaft im Gläubigerinteresse zu schützen. Dies lässt in beiden Fällen die Prämisse eines statischen Vermögensstatus der Kommanditgesellschaft, losgelöst von den Vereinbarungen der Gesellschafter, ähnlich kapitalgesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsgrundsätzen, aufscheinen352. Ein solch statisches Verständnis könnte jedoch Brüche zu den grundlegenden Steuerungsmechanismen des Personengesellschaftsrechts aufweisen. Im Kapitalgesellschaftsrecht ist das Gesellschaftsvermögen ungeachtet einer statisch betrachteten Kapitalerhaltung einer Bewertung durch Märkte ausgesetzt, da die Gesellschaftsanteile grundsätzlich übertragbar sind. Auf diesem Wege schlägt auch der Geschäftserfolg einer Kapitalgesellschaft ungeachtet der Kapitalerhaltungsgrundsätze über eine marktliche Vermögensbewertung auf die Gesellschafter durch 353 . An die Stelle einer solchen Steuerungswirkung eines Sekundärmarktes für Gesellschaftsanteile tritt im Personengesellschaftsrecht die marktwirtschaftstypische Verknüpfung zwischen Markterfolg und Unternehmensbestand und damit die Bremsfunktion persönlicher Haftung 354 . Schon bei der Kapitalaufbringung hat sich im Hinblick auf das Erfordernis objektiver Wertdeckung die Dynamisierung der Einlagenverpflichtung des Kommanditisten in Abhängigkeit vom Markterfolg des Unternehmens der Kommanditgesellschaft gezeigt355. Begrenzt wurde diese Dynamisierung auf die Höhe der eingetragenen Haftsumme des Kommanditisten 356 . Nur in dieser Höhe nimmt der Kommanditist über seine Einlagenverpflichtung gegen-

Joost, Z G R 1987, 370, 389. Joost, Z G R 1987, 370, 382-384, 390f. 352 An dieser Parallele zum Kapitalgesellschaftsrecht setzt auch die Kritik bei Bitter (256-259) und Koller (FS Heinsius 357, 370) an den vorgestellten Gegenvorschlägen von Mossmann und Joost an. 353 Zu dieser Steuerungswirkung des Sekundärmarktes im Kapitalgesellschaftsrecht Mestmäcker 31 f.; siehe im Einzelnen im Hinblick auf das Dynamisierungserfordernis bei der Haftungsbefreiung des Kommanditisten in Abgrenzung zum Kapitalgesellschaftsrecht schon oben 3.c)(3). 354 Zu dieser marktwirtschaftstypischen Verknüpfung siehe Mestmäcker 33-36. 355 Siehe oben 3.c)(3). 356 Siehe oben 3.c)(3). 350 351

396

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

über der Gesellschaft am wirtschaftlichen Erfolg bzw. Misserfolg der Gesellschaft teil. Aus dieser Beschränkung der Haftungsdynamisierung in Höhe der Einlage leiten Joost und Mossmann Missbrauchsgefahren bei einer Vermögensverschiebung von der Gesellschaft an die Kommanditisten ab, die ähnliche Gefahren wie im Kapitalgesellschaftsrecht zu Lasten der Gläubiger begründen sollen 357 . Zwar ist den Autoren zuzugeben, dass eine unmittelbare Verhaltenssteuerung der Kommanditisten mangels einer unbeschränkten persönlichen Haftung mit der Konsequenz entsprechender Gefahren für die Gläubiger nicht eingreift. Gleichwohl tritt bei dieser Sichtweise ein weiteres wesentliches Steuerungsprinzip der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft in den Hintergrund, nämlich die unbeschränkte persönliche Haftung der Komplementäre. So lehnt der B G H die Übertragung des § 31 G m b H G auf den Kommanditisten unter Hinweis auf die Bremsfunktion der unbeschränkten persönlichen Haftung der Komplementäre ab und knüpft folgerichtig auch an die Einbringung eines überschuldeten Unternehmens keine die Haftsumme übersteigende Haftung des Kommanditisten 3 5 8 . Das Gericht hält einen über die §§171 ff. H G B hinausgehenden Schutz der Gläubiger nicht für erforderlich, da der Komplementär in Anbetracht seiner unbeschränkten Haftung den Kapitalwünschen der Kommanditisten entgegentreten werde 359 . Demzufolge lassen die an der G m b H orientierten Missbrauchsszenarien bei Mossmann und Joost die personengesellschaftsspezifische Lenkungsmechanik persönlicher Haftung außer Acht 3 6 0 . Da bereits die Bremsfunktion der persönlichen Haftung des Komplementärs einen unbeschränkten Vermögensabfluss von der Gesellschaft an die Kommanditisten verhindert, reicht eine Haftung der Kommanditisten wegen Einlagenrückgewähr gem. §172 Abs. 4 S. 1 H G B in Höhe der Haftsumme für einen angemessenen Gläubigerschutz aus. Auf einem anderen Blatt stehen etwaige zusätzliche Schutzbedürfnisse, wenn eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter wie in der G m b H & C o K G fehlt (dazu III.). (3) Haftung wegen Einlagenrückgewähr als Konsequenz ausnahmsweiser Außenwirkung schuldrechtlicher Einlagenvereinbarung. Mit der Bremsfunktion der persönlichen Haftung des Komplementärs als Argument gegen die kapitalgesellschaftsrechtlich orientierten Kapitalerhaltungskonzepte sind wichtige Strukturunterschiede der betroffenen Gesellschaftsformen bei der Haftung ins Blickfeld getreten. Aus den Grenzen zulässiger Einlagenvereinbarungen im Recht der 3 5 7 Zu den aus der Haftungsbeschränkung abgeleiteten Gefahren Mossmann 121-124\ Joost, Z G R 1987, 370, 385f. 3 5 8 B G H 29.3.1973, B G H Z 60, 324, 332. 3 5 9 B G H 29.3.1973, B G H Z 60, 324, 332; so auch Bitter 254f.; mit gewissen Einschränkungen auch Koller, FS Heinsius 357, 367. 3 6 0 Zu diesen Missbrauchsszenarien siehe Mossmann 169f.;/oo5£, Z G R 1987, 370, 386.

/.

Gesellschafterhaftung

397

Kommanditgesellschaft lassen sich möglicherweise weitere Rückschlüsse auf ihre im Vergleich zur GmbH unterschiedliche Wirkungsweise gegenüber den Gläubigern ziehen. So versagt § 172 Abs. 3 HGB Vereinbarungen der Gesellschafter, die den Erlass oder die Stundung der Einlage zugunsten eines Kommanditisten zum Gegenstand haben, die Außenwirkung gegenüber den Gläubigern 361 . Demzufolge entzieht sich die Möglichkeit einer Stundung oder eines Erlasses der Haftsumme mit Wirkung gegenüber den Gläubigern der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. In ähnlicher Weise entfaltet eine weiter gehende Herabsetzung der Einlage gem. §§174, 175 HGB erst mit Eintragung ins Handelsregister und nur gegenüber Gläubigern mit nach der Eintragung begründeten Forderungen Wirksamkeit 362 . Deutlich wird anhand der Vermittlung der Außenwirkung, dass erst die Eintragung der Haftsumme der Vereinbarung der Gesellschafter Außenwirkung verleihen kann. Demzufolge handelt es sich bei einer Gesellschaftervereinbarung zur Einlageleistung zunächst einmal um eine rechtsgeschäftliche Disposition hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens, der gem. § 137 S. 1 BGB keine Wirkung gegenüber Dritten zukommen kann 363 . Die Außenwirkung kann erst durch ein die ausnahmsweise Außenwirkung vermittelndes Regelungselement begründet werden 3 6 4 . Besonders deutlich wird dieses Zusammenspiel von gesellschaftsinterner Vereinbarung und zusätzlichem die Außenwirkung gegenüber den Gläubigern begründendem Regelungselement, wenn man sich die historischen Ursprünge der Kommanditgesellschaft vor Augen führt. Aus historischer Sicht ist die Kommanditgesellschaft eng mit der stillen Gesellschaft verwandt, da eine Trennung dieser beiden Rechtsformen erst im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten zum A D H G B von 1861 vollzogen wurde 3 6 5 . Der Ursprung der Kommanditgesellschaft ist jedoch zunächst in einer der stillen Gesellschaft nahekommenden Rechtsform (commenda) zu sehen, bei der sich ein Geldgeber durch Hingabe von Geld oder Waren an einem Unternehmen beteiligen und so an dessen Gewinn teilhaben konnte, ohne selbst als Unternehmer im Rechtsverkehr in Erscheinung zu treten 366 . Anders als in Frankreich, wo die offene Beteiligung in der »société en commandite« weite Verbreitung fand, dominierte unter dem Einfluss des preußischen

361 Ähnliches Argument im Hinblick auf die Wirkungsweise des §172 Abs. 4 S . l HGB bei Bitter 247; GroßKommHGB-Schilling § 172 Rdnr. 8. 362 Zur Parallelität der Grundannahmen von §172 Abs. 3 HGB und §§174, 175 HGB siehe GroßKommHGB-&M/z'«g §172 Rdnr. 7. 363 Zum Grundsatz der Relativität von Rechtsgeschäften aufgrund des §137 S.l BGB siehe oben Zweiter Teil IILC.l.a) und b). 364 Zum Ausnahmecharakter der Außenwirkung von Rechtsgeschäften im Lichte des §137 S. 1 BGB siehe oben Zweiter Teil Ill.C.l.b). 365 Schubert, Protokolle, Bd. 3 1077f.; hierzu auch schon K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1531 f. (§53 1.2.a). 366 Überblick bei Hueck, Gesellschaftsrecht 147f.; Kirsch 3f.

398

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

ALR die stille Gesellschaft 367 . Erst das A D H G B statuierte deutlich den Unterschied zwischen Kommanditgesellschaft und stiller Gesellschaft, ohne den Vorschlag Preußens, beide zu einer einzigen Rechtsform zusammenzufassen, aufzugreifen 368 . Durch die Eintragung seiner Haftsumme in einem öffentlichen Handelsregister tritt der Kommanditist im Rechtsverkehr als Mitinhaber des Unternehmens der Gesellschaft auf, während sich die Zusammenarbeit in der stillen Gesellschaft ohne Außenwirkung allein zwischen dem Inhaber und dem Stillen vollzieht 369 . Damit bildet die Eintragung der Haftsumme ein Schlüsselelement für die Außenwirkung der Kommanditbeteiligung, die sich ansonsten auf eine Vereinbarung ähnlich der stillen Beteiligung stützt 370 . Verdeutlicht und bestätigt werden folglich an dieser Frage der Kapitalerhaltung die Elemente, die sich bereits für die Einlagenaufbringung bei der Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital als ausschlaggebend erwiesen haben 371 . Neben dem Einfluss des Stillen auf die Unternehmensleitung war auch für die Umqualifizierung in Eigenkapital die öffentliche Kundgabe der Beteiligung entscheidend gewesen 372 . In vergleichbarer Weise ist bei der Kapitalerhaltung für die Außenwirkung einer Gesellschaftervereinbarung zur Einlagenerbringung die öffentliche Kundgabe erforderlich (§§ 174, 175 HGB) 373 . Damit bestätigen sich auch für die Kapitalerhaltung entscheidende ökonomische Grundlagen organisationsrechtlicher Haftungsstruktur. In Anbetracht der Verknüpfung zwischen Einlage und Haftung des Kommanditisten besteht auch bei Gesellschaftervereinbarungen in der Kommanditgesellschaft über eine Herabsetzung der Einlage die Gefahr einer manipulativen Einwirkung auf die Befriedigungsmöglichkeiten der unbeteiligten Gläubiger 374 . Erst die öffentliche Kundgabe kann etwaige Informationsasymmetrien zu Lasten betroffener Gläubiger unterbinden. N u r auf einer solchen Grundlage kann ein manipulativer Rückfluss der Einlage in das Privatvermögen mit der damit verbundenen Risikoabwälzung 367 368

Hueck/Windbichler 199. Zu diesen gesetzgeberischen Grundlagen siehe Lastig, in: Endemann,

Handbuch I 725,

730. 369

Zu diesen gesetzgeberischen Ausgangspunkten siehe Schön, ZGR 1990, 220, 221 f. Ahnlich begründet auch Schön (ZGR 1990, 220, 234) den wesentlichen Unterschied zwischen Kommanditbeteiligung und stiller Beteiligung mit der öffentlichen Zusage des Kommanditisten, den Gläubigern unmittelbar zu haften. 371 Siehe hierzu oben 2.c)(2). 372 Insofern weiter gehend als Schön (ZGR 1990, 220-248), der die Umqualifizierung einer stillen Beteiligung in Eigenkapital primär auf die öffentliche Kundgabe stützt (hierzu bereits oben 2.c)(2). 373 Zu dieser Bedeutung der Eintragung der Haftsumme siehe GroßKommHGB-Sciiffirag §172 Rdnrn. lf. 374 Zur vergleichbaren manipulativen Einwirkung auf die Kapitalaufbringung durch Gesellschaftervereinbarung bei einer Aufrechnung mit gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen siehe oben 3.c)(3). 370

I.

Gesellschafterhaftung

399

zu Lasten der Gläubiger verhindert werden, solange sie noch mit dem Unternehmensrisiko belastet ist 375 . Im Lichte dieser Einbettung der Kommanditbeteiligung in die schuldrechtlichen Zusammenhänge der stillen Gesellschaft und der ökonomischen Zusammenhänge organisationsrechtlicher Haftungsstruktur ergibt sich nunmehr die Einordnung der Unwirksamkeit der Rückgewähr der Einlage gem. §172 Abs. 4 S. 1 HGB. Aufgrund dieser ausdrücklichen Regelung kann die nur im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern schuldrechtlich vereinbarte (§ 137 S. 1 BGB) Rückzahlung der Einlage Außenwirkung gegenüber den Gläubigern entfalten. Die Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 S. 1 HGB kompensiert an dieser Stelle das Fehlen anderer Vorkehrungen gegen eine Manipulation der Haftungsmasse zu Lasten der Gläubiger. Mit dieser nur punktuellen Außenwirkung unterscheidet sich die Einlagenrückgewähr im Recht der Kommanditgesellschaft grundlegend von den zum Teil vergleichsweise in Bezug genommenen Kapitalerhaltungsregeln der §§30, 31 GmbHG 3 7 6 . Die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen zum Betrag des Stammkapitals sowie zum Betrag der von jedem GmbH-Gesellschafter hierauf zu leistenden Einlage gehört gem. § 3 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 GmbHG zum zwingenden materiellen Satzungsinhalt und sind demzufolge bloßen formellen Satzungsbestandteilen von ihrer Rechtsnatur schon im Ansatz gegenüberzustellen 377 . Zwar hängt auch die Außenwirkung der Gründung einer GmbH gem. §13 GmbHG von ihrer Eintragung im Handelsregister ab. Ist aber die GmbH erst einmal als juristische Person und Organisation entstanden, so ergibt sich die Haftungsbeschränkung zugunsten des einzelnen GmbH-Gesellschafters im Gegensatz zur Kommanditistenhaftung nicht aus dem Verhältnis zwischen bereits geleisteter Einlage und eingetragener Haftsumme. Sie ist vielmehr der Organisation der GmbH immanent gem. §13 Abs. 2 GmbHG 3 7 8 . Ungeachtet seiner Einlageverpflichtung haftet ein GmbH-Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich nicht Dritten unmittelbar 379 . Demgegenüber verdeutlicht §172 Abs. 4 S. 1 HGB den fließenden Ubergang im Recht der Kommanditgesellschaft zwischen der einer Rückgewähr zugrunde liegenden Vereinbarung der Gesellschafter und ihrer erst durch § 172 Abs.4 S. 1 H G B bewirkten Außenwirkung gegenüber den Gläubigern. Mit einer solchen rechtsgeschäftlichen Grundlage unvereinbar ist die Übertragung von - wie gezeigt - organisationsrechtlich veran375 Ähnlich zur begrenzten Außenwirkung einer Gesellschaftervereinbarung im Hinblick auf das stehen gelassene Abfindungsguthaben siehe oben 4.d). 376 Hierzu siehe die Konzeption bei Joost, ZGR 1987, 37CM-02; dazu schon oben (2). 377 Zu einer solchen Gegenüberstellung materieller und formeller Satzungsbestandteile siehe Lutter/Hommelhoff §3 Rdnr.2. 378 Zum zugrunde liegenden Trennungsprinzip siehe Lutter/Hommelhoff §13 Rdnr. 3; zum Zusammenhang zwischen organisatorischer Selbständigkeit und funktionsfähiger Haftungsbeschränkung auch schon Ott, Typenzwang 198f. 379 Zum Trennungsprinzip auch Baumhach/Hueck-Hueck/Fastrich §13 Rdnr. 8.

400

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

kerten Kapitalerhaltungsgrundsätzen aus dem Recht der G m b H . Wie bereits vorgehend untersucht, kann dieser rechtsgeschäftliche Kern des Personengesellschaftsrechts jedoch bei einer Grundtypenvermischung wie etwa der G m b H & C o K G zugunsten organisationsrechtlicher Regelungen überlagert werden. Daher gilt es nunmehr, die Möglichkeiten einer solchen Uberlagerung der Haftung gem. §172 Abs. 4 H G B durch die Kapitalerhaltungsgrundsätze der §§30, 31 G m b H G in der G m b H & C o K G zu untersuchen. 7. Fazit: Die Kommanditistenhaftung privatautonomer Gestaltung in der

als Grenze außenwirksamer Kommanditgesellschaft

Für die Kommanditgesellschaft ergibt sich für den Schutz der Gläubiger vor einer Manipulation der Haftungsmasse durch Einwirkung der Gesellschafter Folgendes: Bei der Einlagenaufbringung unterliegt die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter im Hinblick auf die Fremdkapitalqualifizierung eines Gesellschafterdarlehens Einschränkungen 380 . In der Publikums-KG ist sie im Hinblick auf die gesplittete Einlage nur insoweit wirksam, als die Darlehensbedingungen, wie etwa Kündigungsmöglichkeiten und Verzinsung, mit einer kapitalmarktgemäßen Risikoverteilung übereinstimmen 381 . Ahnliches gilt auch für die personalistisch strukturierte G m b H & C o K G und die atypisch stille Gesellschaft 382 . Hier nimmt der darlehensgewährende Gesellschafter mit seinem Betrag dann am Unternehmensrisiko der Gesellschaft teil, wenn er ihn zu nicht kapitalmarktüblichen Konditionen gewährt und durch seine Mitwirkungsrechte die Möglichkeit zur Einwirkung auf das Unternehmensrisiko hat. Diese Rechtsprechungsentwicklungen lassen sich schließlich auch auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft mit natürlicher Person als Komplementär übertragen 383 . Auch hier ist eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital geboten, wenn die zugrunde liegende Gesellschaftervereinbarung keine Ausrichtung an gängigen Kreditkonditionen erkennen lässt und Mitwirkungsrechte dem Gesellschafter Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft vermitteln. Bei der Sicherung der Kapitalaufbringung wird die Außenwirkung von Gesellschaftervereinbarungen dann beschränkt, wenn eine objektive Wertdeckung, wie insbesondere bei der Nennwertaufrechnung, gefährdet ist 384 . Hier kann die zugrunde liegende schuldrechtliche Leistung nicht beliebig in eine außenwirksame Einlagenerbringung umgewidmet werden, sondern ist lediglich in der Höhe des tatsächlichen Wertes für eine Haftungsbefreiung des betroffenen Kommanditisten in Ansatz zu bringen.

380 381 382 383 384

Hierzu Hierzu Hierzu Hierzu Hierzu

im Einzelnen oben 2. oben 2.a). oben 2.b) und c). oben 2.d). oben 3.c).

I.

Gesellschafterhaftung

401

A u c h was die Einlagenerhaltung anbelangt, sind der Außenwirkung von Darlehensvereinbarungen der Gesellschafter Grenzen gezogen 3 8 5 . So verbleibt das stehen gelassene Abfindungsguthaben vorbehaltlich einer diesbezüglichen Vereinbarung kapitalmarktüblicher Darlehenskonditionen im K o n k u r s bei der H a f tungsmasse der Gesellschaft. Umgekehrt k o m m t Kapitalrückflüssen an den Kommanditisten im H i n b l i c k auf die Kapitalerhaltung gem. § 1 7 2 Abs. 4 H G B Außenwirkung mit der Folge eines Wiederauflebens seiner Haftung zu 3 8 6 . Eine Ausnahme gilt hier lediglich für diejenigen Drittforderungen des Kommanditisten, denen gleichwertige Gegenleistungen gegenüberstehen. I m Ergebnis zeichnet sich als Grundtatbestand der Einlagen- und Kapitalsicherung in der Kommanditgesellschaft eine doppelte Funktionsschwäche von M ä r k ten ab. So ist zunächst auf gesellschaftsinterner E b e n e die mangels natürlichen Interessengegensatzes manipulative Einwirkung der Gesellschafter auf die H a f tungsmasse zu erfassen. Es ist zu verhindern, dass infolge einer zweiten F u n k t i onsschwäche im Verhältnis zu den Gläubigern insbesondere aufgrund von Informationsasymmetrien diese Einwirkungen abgewälzt werden. D e r Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter werden bei der Einwirkung auf die Haftungsmasse G r e n z e n gezogen, indem die rechtliche Regelung Vermögenszu- und Vermögensabflüsse mit einer persönlichen Gesellschafterhaftung belegt.

Vergleichbare

Grenzen für eine organisationsrechtliche Einwirkung auf die Gesellschaft haben sich bereits bei der Konzerneinbindung einer idealtypischen Personengesellschaft im Innenverhältnis gezeigt. Diese beschränkte Außenwirkung als kennzeichnende Grundlage der Personengesellschaft auch bei der Gesellschafterhaftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft kann für den Grenzfall außenwirksamer Gesellschaftervereinbarung in der konzerngebundenen Personengesellschaft ebenfalls nicht ohne Bedeutung sein. Insbesondere für die H a f tung des herrschenden Gesellschafters in einer idealtypischen Personengesellschaft werden daher die G r e n z e n seiner Einwirkung und die daraus resultierende Rechtsgrundlage für den Verlustausgleich mit dem hier zunächst für die Grundlagen der Personengesellschaft herausgearbeiteten Regelungsansatz der Gesellschafterhaftung übereinstimmen müssen (dazu H.A.). F ü r die Vervollständigung der Grundlagen der Personengesellschaft fragt sich zuvor allerdings noch, inwieweit die Einbindung der K o m p l e m e n t ä r - G m b H auch für die G m b H & C o K G organisationsrechtliche Ausstrahlungswirkung auf deren Haftungsgrundlagen entfaltet (dazu sogleich B.).

385 386

Hierzu oben 4. Hierzu oben 5.

402

4. Teil: Haftung

als Grenze

C. Die Finanzierungsverantwortung

organisationsrechtlicher

in der GmbH

Wirkung

& Co

KG

Für die rechtliche Würdigung der G m b H & C o K G und ihre Konzerneinbindung werden die bisherigen Ergebnisse zur Haftung des Kommanditisten zahlreiche Fragen aufwerfen. So hat sich gezeigt, dass das Recht der K G nicht von Grundsätzen außenwirksamer Vermögenssonderung beherrscht wird. Eine Trennung zwischen Gesellschafts- und privatem Gesellschaftervermögen besteht nicht, entsprechende Vermögensabflüsse werden nicht verhindert, sondern lediglich mit einer Gesellschafterhaftung belegt. Deutlich werden hieran die engen Grenzen, die einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens von den Gesellschaftern gezogen sind. Schon bei der Untersuchung der Möglichkeit einer organisationsrechtlichen Verselbständigung durch Einbindung in einen Konzern wurden Unterschiede zwischen der Kommanditgesellschaft mit natürlicher Person als Komplementär und der G m b H & C o K G deutlich. Im Gegensatz zur Situation in der idealtypischen Kommanditgesellschaft stehen in der kapitalistisch strukturierten G m b H & C o K G keine Widerspruchsmechanismen einer Konzerneinbindung entgegen 387 . Ungeachtet der einem Dritteinfluss in der Kommanditgesellschaft gezogenen Grenzen kann der Geschäftsführer in der G m b H & C o K G jedenfalls organschaftsähnlich in die Unternehmensleitung eingebunden werden 388 . Für die Frage, inwieweit mit dieser Einbindung die Grenzen einer außenwirksamen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens überschritten und eine organisationsrechtliche Konzerneinbindung verwirklicht werden kann, sind zunächst die Grundlagen der Haftung in der G m b H & C o K G zu untersuchen 389 . Eine organisationstypische Haftungssegmentierung aufgrund außenwirksamer Vermögensabschichtung im Verhältnis zwischen der G m b H & C o K G und ihren Gesellschaftern könnte insbesondere aus einer entsprechenden Ausstrahlungswirkung des Rechts der G m b H auf die gesamte G m b H & C o K G resultieren. Daher ist das Recht der G m b H der geeignete Ausgangspunkt der Untersuchung (dazu 1.), bevor auf die Konsequenzen für die G m b H & C o K G eingegangen werden kann (2.).

1. Die organisationsrechtliche erhaltung in der GmbH

Verankerung der

Stammkapital-

a) Der Zusammenhang zwischen Stammkapital und juristischer Verselbständigung Mit der Rechtsform der G m b H wollte der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen, die finanziellen Ressourcen mehrerer Personen für eine unternehmerische TätigHierzu siehe oben Dritter Teil IV.A. und V.A. So anhand der Geschäftsführerhaftung in der G m b H & C o K G oben Dritter Teil IV.B. 389 Zur offenen Frage der Außenwirksamkeit der Unternehmenszusammenfassung siehe schon oben Dritter Teil IV.B. 387

388

I.

Gesellschafterhaftung

403

keit zu bündeln, ohne den Einzelnen zu überfordern 390 . An die Stelle der grundsätzlich unbeschränkten persönlichen Haftung eines Marktteilnehmers tritt hierbei die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen zugunsten der GmbH-Gesellschafter (§13 Abs. 2 GmbHG). Diese Haftungsbeschränkung soll im Interesse der Gläubiger durch die Gewährleistung des Stammkapitals der G m b H gem. §3 G m b H G als gebundenes Garantiekapital kompensiert werden 391 . Dies entspricht in der kontinentaleuropäischen Rechtstradition dem grundsätzlichen Stellenwert des gebundenen Garantiekapitals, wie es im angloamerikanischen Rechtskreis ungebräuchlich ist 392 . Seiner Absicherung dient zum Gläubigerschutz insbesondere das Auszahlungsverbot der §§30, 31 G m b H G . §30 Abs. 1 G m b H G verbietet die Schmälerung des Aktivvermögens der Gesellschaft durch Auszahlung an einen Gesellschafter, wenn und soweit dadurch eine Unterdeckung oder eine Uberschuldung herbeigeführt bzw. vertieft wird 393 , ohne hierbei freilich die gegenständliche Zusammensetzung, sondern lediglich um den rechnerischen Wert des Gesellschaftsvermögens zu schützen 394 . In ihrer bestandsschützenden Ausrichtung bildet diese Regelung des §30 G m b H G durch die dadurch verwirklichte Stammkapitalerhaltung die notwendige Ergänzung zur Sicherung der Kapitalaufbringung im Recht der G m b H gem. §§5 Abs. 4, 7 Abs. 2 und 3, 8 Abs. 2, 9, 9a, 9b, 19 GmbHG 3 9 5 . Damit stimmt die Einordnung des Rückerstattungsanspruchs gem. §31 G m b H G , der die Stammkapitalerhaltung gem. §30 G m b H G verwirklicht, als wiederaufgelebter Einlageanspruch überein 396 . Die Schaffung einer getrennten Vermögensmasse im Wege der realen Kapitalaufbringung kompensiert im Gläubigerinteresse die Haftungsbeschränkung zugunsten der Gesellschafter. Bei dieser Sachlage können nur Kapitalerhaltungsregeln die Trennung der Vermögensmassen aufrechterhalten, eine nachträgliche Rückführung des Kapitals an die Gesellschafter unterbinden und so die Gläubiger auch im weiteren Geschäftsverlauf der G m b H schützen. Demzufolge dient § 30 Abs. 1 G m b H G dazu, die Trennung zwischen Gesellschaftsund Gesellschaftervermögen abzusichern. So unterbindet die Kapitalerhaltung 390

Entwurf G m b H G 28. Zu diesem Stellenwert des Stammkapitals als Kompensation im Gläubigerinteresse Entwurf G m b H G 39f.; Bruns 192-196; Immenga 403; Goette, DStR 1997, 1495; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I 556. 392 Lutter, Kapital 498-501; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I 558; zum zunehmenden Beschuss, unter den diese Konzeption von internationaler Seite im Zuge der »Centros«-Rechtsprechung und der Verbreitung der International Accounting Standards gerät, Eidenmüller, FS Heldrich 581, 593; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 157f.; Schön, Z H R 166 (2002) 1-5. 393 B G H 5.2.1990, ZIP 1990, 451, 453; Lutter/Hommelhoff §30 Rdnr.2. 394 Joost, Z H R 148 (1984) 27, 43; Lutter, Kapital 332f. 395 Zum Bestandsschutz durch §30 G m b H G schon Stimpel, FS G m b H G 335, 349f.; zur Komplementarität zwischen Kapitalerhaltung und -aufbringung Lutter/Hommelhoff §30 Rdnr. 1; Kleffner 44f. 396 Diese Einordnung z.B. bei Hachenburg-Goerdeler/Müller § 31 Rdnr. 1; Baumbach/Hueck -Hueck/Fastrich §31 Rdnr. 3; Kleffner 134. 391

404

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

gem. § 3 0 Abs. 1 G m b H G bereits den Abfluss des Vermögens von der betrieblichen in die Gesellschaftersphäre, sobald die Stammkapitalgrenze unterschritten wird 397 . Demgegenüber geht es im Personengesellschaftsrecht beim Gläubigerschutz typischerweise nicht um die Vermögenstrennung, sondern um die Erfassung von Vermögensabflüssen zwischen betrieblicher Sphäre der Gesellschaft und privater Sphäre des Gesellschafters 398 . Die Trennung von Vermögensmassen zeichnet sich für die G m b H als Kernelement außenwirksamer Haftungsbeschränkung und Verselbständigung der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern ab. Diese außenwirksame Verselbständigung ist freilich von der Frage der Verselbständigung als juristischer Person zu unterscheiden, die sich nicht an den Gläubigerinteressen, sondern am Akt des Zustandekommens der Gesellschaft orientiert 399 . Insoweit beurteilt sich die Frage der Haftungsbeschränkung unabhängig von der der juristischen Rechtspersönlichkeit 400 . Im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung ist ihren Voraussetzungen einer Trennung und Verselbständigung von Vermögensmassen nunmehr anhand der Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Auszahlungsverbots des § 30 Abs. 1 G m b H G im Einzelnen nachzugehen. Erst auf dieser Grundlage lässt sich prüfen, ob diese Voraussetzungen durch eine etwaige organisationsrechtliche Uberlagerung der Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 H G B auf die Haftungsbeschränkung in der G m b H & C o K G ausstrahlen. b) Der Auszahlungsempfänger und seine organisationsrechtliche

gem. §30 GmbHG Einbindung

Das G m b H G reguliert mit dem Auszahlungsverbot das Verhalten des Geschäftsführers, indem es gem. § § 3 0 Abs. 1, 43 Abs. 3 S. 1 G m b H G dessen Schadensersatzpflicht an eine Auszahlung knüpft 4 0 1 . Wie bereits oben gezeigt 402 , ist mit einer 3 9 7 Zur Zuordnung von Vermögenswerten im Verhältnis zwischen G m b H und Gesellschafter als Funktion des §30 Abs. 1 G m b H G siehe Kleffner 44f. 3 9 8 Siehe hierzu exemplarisch die Erfassung der Einlagenrückgewähr gem. §172 Abs. 4 S. 1 H G B oben B.6.; zur dogmatischen Nähe zwischen dem Rückgewähranspruch gem. §57 AktG und der Haftung des Kommanditisten gem. § 172 Abs. 4 H G B Canaris, FS Fischer 31, 37. 3 9 9 Zur Gegenüberstellung der Frage organisationsrechtlicher Außenwirkung und juristischer Persönlichkeit siehe oben Dritter Teil III.B.4.; so deutlich die Trennung der Frage der Kapitalisierung von der der juristischen Persönlichkeit bei Immenga 403f.; T. Raiser, AcP 194 (1994) 495, 505; T. Raiser, AcP 199 (1999) 104, 135; Einordnung des Trennungsprinzips als Beschreibung der rechtlichen Verselbständigung auch bei Bruns 192. 400 Immenga 403f.; T. Raiser, AcP 194 (1994) 494,505; T. Raiser, AcP 199 (1999) 104,135; hiervon unberührt bleibt die Akzentverschiebung bei der Begründung der Haftungsbeschränkung, wie sie bereits bei der zunehmenden Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Parallelität der §§ 124, 128 H G B hervorgetreten ist (zu dieser Akzentverschiebung im Hinblick auf die Anerkennung der Rechtsfähigkeit und ihre Konsequenzen für eine Haftungsbeschränkung schon Dauner-Lieh 57f.). 401 402

Lutter/Hommelhoff § 30 Rdnr. 2, 37. Siehe oben Dritter Teil IV.B.

I. Gesellschafterhaftung

405

solchen Verhaltenssteuerung durch Schadensersatzpflicht noch keine Aussage über die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Rückerstattungsanspruchs getroffen. Die Schadensersatzpflicht wirkt grundsätzlich allein gegenüber der Gesellschaft. Für die Begründung einer organisationsrechtlichen Außenwirkung stellt sich insbesondere hinsichtlich der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter die Frage, inwieweit sie aufgrund des Empfangs einer Auszahlung gem. § 30 GmbHG gegenüber den Gläubigern Marktrisiken unbeschränkt tragen müssen. (1) Der Gesellschafter. Dies leitet zur Frage über, wer als Auszahlungsempfänger gem. § 30 Abs. 1 GmbHG in Betracht kommt. Der Wortlaut der Vorschrift nimmt ausdrücklich die GmbH-Gesellschafter in Bezug. Darüber hinaus messen Rechtsprechung und Literatur auch dem atypisch stillen Gesellschafter die für eine Empfängerstellung im Rahmen des §30 Abs. 1 GmbHG erhebliche Gesellschaftereigenschaft zu, sofern sein Einfluss auf die Unternehmensleitung aufgrund atypischer Mitwirkungsbefugnisse denen von offenen Gesellschaftern angenähert ist 403 . Daneben werden auch Treugeber, die über einen Treuhänder an der Gesellschaft beteiligt sind, als mögliche Empfänger einer Auszahlung gem. §30 Abs. 1 GmbHG angesehen404. Ebenso werden Dritte eingestuft, die mittelbar an einem Gesellschafter der GmbH mehrheitlich beteiligt sind oder sonst einen beherrschenden Einfluss auf einen Gesellschafter oder die GmbH ausüben405. Diesen erweiternden Tatbeständen geeigneter Empfänger einer Auszahlung gem. §30 Abs. 1 GmbHG ist der Einfluss des jeweiligen Dritten auf die Unternehmensleitung gemeinsam, der eine Charakterisierung als »wirtschaftlicher« Gesellschafter durchaus nahelegt406. Schließlich reicht für die Empfängerstellung im Rahmen des §30 Abs. 1 GmbHG auch ein verwandtschaftliches Näheverhältnis, wie es zwischen dem Gesellschafter und seinen Kindern besteht 407 . Auch ein verwandtschaftliches Näheverhältnis gefährdet mangels natürlichen Interessengegensatzes einen marktlichen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten. Demzufolge lassen sich sowohl die Tatbestandsgruppen des »wirtschaftlichen« Gesellschafters als auch die Fallgruppe des verwandtschaftlichen Näheverhältnisses durch die Gefahr kennzeichnen, dass hier dem Zugriff auf das Stammkapital kein marktlicher Austausch zwischen voneinander unabhängigen Marktteilnehmern zugrunde liegt.

B G H 7.11.1988, WM 1989, 14,15; Kleffner 72; Lütter/Hommelhoff §30 Rdnr.21. B G H 14.12.1959, B G H Z 31, 258, 266f.; B G H 24.11.2003, B G H Z 157, 72, 74f.; Altmeppen, FS Kropff 641, 643f.; Kleffner 72. 4 0 5 B G H 21.9.1981, B G H Z 81,311,315; zu den verschiedenen denkbaren Konstellationen im verbundenen Unternehmen Altmeppen, FS Kropff 641, 648-654; Kleffner 72. 4 0 6 So bezeichnet bei Kleffner 72-74; ähnlich der B G H (24.11.2003, B G H Z 157,72,77), wenn er die zwischengeschaltete Ehefrau als »Strohfrau« in Bezug nimmt. 4 0 7 B G H 28.9.1981, B G H Z 81, 365, 369; Altmeppen, FS Kropff 641, 648; Fleck, FS GmbHG 391, 412-414; Lutter/Hommelhoff % 30 Rdnr.25. 403

404

406

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

(2) Der Sicherheitennehmer. Hiervon lässt sich die Stellung des Sicherheitennehmers bei der Besicherung von Verbindlichkeiten eines GmbH-Gesellschafters durch seine Gesellschaft abgrenzen, wie sie insbesondere für kreditgewährende Banken von Bedeutung werden kann. Diese Konstellation spielt im Konzernzusammenhang eine wichtige Rolle, wenn bei zentraler Konzernfinanzierung an die Obergesellschaft gewährte Kredite durch Vermögenswerte abhängiger Tochtergesellschaften besichert werden 408 . Auch hier bilden die Kapitalbindungsregeln der §§ 30, 31 G m b H G den Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung. Zum Teil wird der Sicherheitennehmer unter den restriktiven Voraussetzungen einer Kollusion in den Empfängerkreis des § 30 Abs. 1 G m b H G einbezogen 409 . Andere Stimmen beurteilen die Wirksamkeit der Sicherheitenbestellung im Lichte des §30 Abs. 1 G m b H G nach Maßgabe der Verkehrsschutzvorschriften des gutgläubigen Erwerbs gem. §§892f., 932ff. B G B , damit der Sicherheitennehmer nicht schlechter stehe als bei einer Zuwendung nach Durchgangserwerb des Gesellschafters 410 . Weitere Vorschläge legen ihren Lösungen einen etwaigen Missbrauch der Vertretungsmacht bei grob fahrlässiger Unkenntnis vom Verstoß zugrunde 411 . Ein anderer Ansatz beurteilt das Verhalten des Sicherheitennehmers als möglicherweise gem. § 138 B G B sittenwidrige Teilnahme am Verstoß der Gesellschaft gegen §30 Abs. 1 G m b H G 4 1 2 . Diesen Begründungsansätzen ist die Einstufung der Rolle des Sicherheitennehmers als Einwirkung von außen auf die G m b H gemeinsam 413 . Demgegenüber stellt Schön die Einwirkung des Sicherheitennehmers auf die innere Vermögensordnung in den Mittelpunkt. Er sieht den Haftungsgrund darin, »... dass der Gläubiger die strukturelle Nachrangigkeit< seiner Forderung gegenüber den Forderungen der Gesellschaftsgläubiger überspielt und für seine Person gleichzeitig die Haftungsmasse der Obergesellschaft und der Untergesellschaft in Anspruch nimmt.« 4 1 4 Nach Schön steht die hierbei von dem Sicherheitennehmer eingenommene Stellung als mit den übrigen Gesellschaftsgläubigern gleichrangiger Gläubiger im Widerspruch zur GmbH-spezifischen Trennung

4 0 8 Einordnung dieser Problematik in den Konzernzusammenhang bei Kühbacher 36, 123f.; Merkel, in: Handbuch der Konzernfinanzierung 529-574. 4 0 9 B G H 20.9.1982, W M 1982,1402; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich § 3 0 Rdnr. 19; Fleck, FS G m b H G 391, 406; a.A. zur genannten BGH-Entscheidung und die Kollusion als lediglich schuldrechtliche Grenze der Besicherung interpretierend Sonnenhol/Groß, Z H R 159 (1995) 388, 406f., 413-416. 410 Canaris, FS Fischer 31, 45; Michalski, A G 1980, 261, 269. 411 Ansatz bei der Pflichtverletzung der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft als Missbrauch der Vertretungsmacht bei Steinbeck, W M 1999, 885, 889-892. 412 Mülbert, Z G R 1995, 578, 608f. 4 1 3 So begründen auch nach Schön ( Z H R 159 [1995] 351, 365) diese Ansätze die Haftung mit der »Teilnahme an fremdem Unrecht«; ähnlich auch nahegelegt von der tatbestandlichen Erfassung bei Früh, G m b H R 2000, 105, 107-109. 414 Schön, Z H R 159 (1995) 351, 366.

I.

Gesellschafterhaftung

407

von Vermögensmassen 415 . Hierauf stützt er letztlich, eine entsprechende Informationslage hinsichtlich der Kapitalisierung der GmbH seitens des Sicherheitennehmers vorausgesetzt, die Finanzierungsverantwortung desselben, die er mit einem Tatbestand der Gläubigergefährdung gem. §138 BGB rechtlich begründet 416 . Dieser Argumentation wird stellenweise der Vorwurf der Inkonsequenz gemacht, da der Tatbestand der Gläubigergefährdung auf stammkapitalmindernde Sicherheiten beschränkt werde und letztlich jede Besicherung einer Verbindlichkeit durch einen anderen rechtlich selbständigen Vermögensträger zu einer Benachteiligung von dessen Gläubigern führe. Dieser Einwand trägt jedoch den institutionellen GmbH-spezifischen Grundlagen in Schöns Argumentation nicht in vollem Umfang Rechnung 4 1 7 . Soll § 30 Abs. 1 GmbHG primär Vermögensabflüsse unterhalb der Stammkapitalgrenze unterbinden, um die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern zu kompensieren 418 , so entspricht dem eine Beschränkung der Sicherheitenbegebung zugunsten von Gesellschaftern nur bei stammkapitalmindernden Sicherheiten. Darüber hinaus bildet die Gläubigerbenachteiligung durch eine Aufhebung der Trennung von Haftungsmassen die GmbH-spezifische, wegen persönlicher Haftung bei einer natürlichen Person so nicht bestehende Gefahrenlage 419 , der gerade §30 GmbHG begegnen soll. Für die Inanspruchnahme eines Sicherheitennehmers gem. §30 Abs. 1 GmbHG stellt sich daher aus dieser Sicht lediglich die Frage, ob dessen Einwirkungsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen im Rahmen des §30 GmbHG für eine Haftungsbegründung ausreichen 420 . Dessen ungeachtet nimmt der B G H noch in einer Entscheidung aus den neunziger Jahren eine Bank als Sicherungsnehmerin vom von §30 GmbHG erfassten Empfängerkreis aus. Eine Tochter-GmbH besicherte zu deren Gunsten Kredite ihrer Mutter-GmbH und Schwester-GmbH 4 2 1 . Für einen Sittenwidrigkeitsverstoß fehle es an einem über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehenden Makel 422 . Weiter gehende Konsequenzen leitet die Literatur demgegenüber aus der neueren Entscheidung des B G H vom 24.11.2003 ab. Der B G H behandelt hier die Darlehensgewähr aus gebundenem Gesellschaftsvermögen an einen »wirt415 Zur institutionellen Einordnung Schön, ZHR 159 (1995) 351, 366; hierzu im Einzelnen MUlbert, ZGR 1995, 578, 607. 416 Zum erforderlichen Informationsstand Schön, ZHR 159 (1995) 351, 367; Zugrundelegung einer gem. §138 BGB sittenwidrigen Gläubigergefährdung auch bei Messer, ZHR 159 (1995) 375, 377; Kühbacher 71. 417 Zu den Einwänden im Einzelnen Mülbert, ZGR 1995, 578, 607. 418 Hierzu im Einzelnen oben a). 419 Gegenüberstellung mit dem Prinzip der Vermögenstrennung im Recht der GmbH siehe oben a). 420 Auch Kleffner 75 begründet die Haftung gem. §30 Abs. 1 GmbHG mit den besonderen Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen. 421 BGH 19.3.1998, WM 1998, 968. 422 BGH 19.3.1998, WM 1998, 968, 970.

408

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

schaftlichen« Gesellschafter ungeachtet der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs als einen Verstoß gegen § 30 G m b H G , ohne allerdings ausdrücklich die Stellung des Sicherheitennehmers zu berücksichtigen. U n t e r Verweis auf

Schön

führt er als tragende Begründung die Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger zugunsten der Gesellschaftergläubiger an, die aus dem hierdurch verwirklichten vorrangigen Zugriff der letztgenannten auf die Vermögenswerte der Gesellschaft resultiere 4 2 3 . Ein ähnlicher Zugriff wird auch einem Sicherheitennehmer eröffnet, wenn dieser der G m b H Haftungsmasse entzieht, Letztere jedoch auf einen späteren schuldrechtlichen Rückgriff verwiesen wird. Eine Erfassung der Sicherheitengewährung mit § 3 0 G m b H G erscheint demnach konsequent 4 2 4 . A u c h beim Sicherheitennehmer erweist sich damit letztlich der Tatbestand des § 30 G m b H G als Konsequenz einer besonderen Einwirkungsmöglichkeit im H i n b l i c k auf das Gesellschaftsvermögen und der damit einhergehenden Teilhabe am Markterfolg der Gesellschaft. Schon die Tatbestandsgruppen des »wirtschaftlichen« Gesellschafters sowie des verwandtschaftlichen Näheverhältnisses im R a h m e n des § 3 0 Abs. 1 G m b H G zeigten, dass hierfür eine Annäherung der Stellung des E m p f ä n gers an eine gesellschafterähnliche Stellung erforderlich ist, die einen Interessenausgleich im Wege von Marktmechanismen konterkariert 4 2 5 . Zu einer solchen Einbeziehung k o m m t es - so die K o n s e q u e n z aus der oben angeführten neueren Rechtsprechung - immer dann, wenn die Sicherheitenbestellung nicht ausnahmsweise im Interesse der Gesellschaft liegt und marktgemäßen Konditionen genügt 4 2 6 . Letztere können mangels Werthaltigkeit des Liquiditätsausgleichs durch die K o n z e r n m u t t e r auch beim zentralen Cash Management in Zweifel gezogen werden 4 2 7 . Wenn der Interessenausgleich zwischen Sicherheitennehmer

und

G m b H insgesamt statt von marktlichen Preis- von gesellschaftsrechtsnahen E i n wirkungsmöglichkeiten oder einem entsprechenden Vermögenszugriff zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger geprägt ist, wandelt sich das vom Sicherheitennehmer übernommene kapitalmarktliche Risiko eines Sicherheitenausfalls zum unternehmerischen Risiko des Einlageverlustes aufgrund des § 3 0 Abs. 1 G m b H G 4 2 8 .

BGH 24.11.2003, BGHZ 157, 72, 76. So Bender, BB 2005,1492,1493; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004,689,696; Roth/Altmeppen §30 Rdnr.99; Wessels, ZIP 2004, 793, 794. 425 Siehe oben (1); entsprechende Würdigung der genannten Entscheidung von 1998 auch bei A. Reuter, NZI 2001, 393, 399. 426 BGH 24.11.2003, BGHZ 157, 72, 77. 427 So OLG München 24.11.2005, BB 2006,286,287; BGH 16.1.2006 Az. II ZR 75/04 und II ZR 76/04, Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 6/2006; sinngemäß in der Literatur Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 149; Goette, ZIP 2005, 1481, 1484f.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 695; Vetter, VGR 2002, 69, 96f.; schwerpunktmäßig auf den Gesichtspunkt der Existenzvernichtungshaftung abstellend Burgard, VGR 2002,45,-67; a.A. Engert, BB 2005, 1951, 1957f.; Schäfer, GmbHR 2005, 133-138; Ulmer, ZHR 169 (2005) 1, 3f. 428 Im Einzelnen zum graduellen Ubergang zwischen stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung Kulms 212-214; ähnliche Ver423

424

I. Gesellschafterhaftung

409

(3) Die mitgliedschaftliche Bindung des Empfängers gem. §30 GmbHG. Insgesamt lässt sich der Empfänger von gegen § 30 Abs. 1 G m b H G verstoßenden Leistungen demnach nicht als Marktteilnehmer, sondern als Gesellschafter oder diesem ähnlicher Beteiligter kennzeichnen. Hieraus ergeben sich wichtige Hinweise für die Art und Weise der § 30 Abs. 1 G m b H G zugrunde liegenden Vermögensverschiebung, wenngleich eine umfassende Würdigung der einzelnen Tatbestände einer verdeckten Gewinnausschüttung an dieser Stelle den Rahmen sprengt 429 . So kann auch ein Gesellschafter wie ein außenstehender Dritter als Marktteilnehmer der Gesellschaft im Rahmen eines Austauschvertrages gegenübertreten. Auch solche Drittgeschäfte können einen stammkapitalschädigenden Vermögensverlust der Gesellschaft hervorrufen. U m alle Formen der Stammkapitalminderung im Gesellschaftsinteresse mit Hilfe des §30 Abs. 1 G m b H G zu erfassen, plädieren daher einzelne Stimmen dafür, auch Drittgeschäfte als Auszahlung im Sinne des §30 Abs. 1 G m b H G zu bewerten 430 . Demgegenüber wendet die herrschende Meinung §30 Abs.l G m b H G dann nicht auf Drittgeschäfte an, wenn hierbei Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind und eine Erfüllung durch den Gesellschafter sicher zu erwarten ist431. Ansonsten liegt es nicht in der Vertragsfreiheit der Gesellschafter, durch die äußere Gestaltung des Geschäfts als Verkehrsgeschäft die mitgliedschaftlichen Bindungen hinsichtlich der Stammkapitalerhaltung hinfällig zu machen 432 . N u r bei der Ausgeglichenheit der Leistungen ist nicht wie bei einer verdeckten Gewinnausschüttung das Gesellschaftsverhältnis (causa societatis), sondern der zugrunde liegende marktliche Austausch ursächlich für die Auszahlung an den Gesellschafter 433 . Bei einer bilanziellen Erfassung der Stammkapitalminderung im Rahmen des §30 Abs. 1 G m b H G schließt die Vollwertigkeit der Gegenleistung des Gesellschafters bereits das Tatbestandsmerkmal der Auszahlung aus 434 .

knüpfung von gesellschaftsrechtlicher Beteiligung und dem Einfluss auf die Geschäftsführung und -politik der Gesellschaft als Voraussetzung für §30 Abs. 1 G m b H G Kleffner 73. 429 Zur historischen Begriffsentwicklung vom Steuerrecht her Schulze-Osterloh, FS Stimpel 487f.; zur steuerrechtlichen Würdigung Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht 642-677 (§ 19 I 1.-3.); erste Untersuchungen zum Recht der G m b H bei Ballerstedt 170-174. 430 Tries 49; Falkenstein 83f.; Fleck, FS G m b H G 391, 400. 431 Am Beispiel der Kreditaufnahme der Gesellschaft bei den Gesellschaftern B G H 26.11. 1979, B G H Z 75, 337; Lutter/Hommelhoff % 30 Rdnr.27. 432 Unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit so auch Huff mann 170. 433 Zum Eingreifen des §30 Abs. 1 G m b H G bei Auszahlungen »causa societatis« B G H 24.3. 1954, B G H Z 13, 49, 54f.; B G H 15.6.1992, ZIP 1992, 1152, 1154; O L G Celle 18.8.1992, G m b H R 1993,363, 364; Ballerstedt 172f.; Baumhach/Hueck-Hueck/Fastrich §30 Rdnr. 14; Immenga 219; Karollus, FS Claussen 199, 201f.; Lutter/Hommelhoff %30 Rdnr.28. 434 Für einen bilanziellen Kapitalschutz im Rahmen des §30 G m b H G Cahn 252-254; Cahn, Der Konzern 2004, 235, 240t; Joost, G m b H R 1983, 285-287; Joost, Z H R 148 (1984) 27-29; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1132 (§37 III 1 b); Relativierung des bilanziellen Denkens in der BGH-Entscheidung vom 24.11.2003, B G H Z 157, 72; so auch schon Stimpel, FS G m b H G 335,

410

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Darüber hinaus kann eine solche Gleichwertigkeit in der Regel auch für die Würdigung von Austauschverträgen als Drittgeschäften und dem daraus folgenden Ausschluss einer Leistung »causa societatis« herangezogen werden 435 . Damit erweist sich der Markt für die ausgetauschten Leistungen als Beurteilungsmaßstab für die Einhaltung der Grenzen des §30 Abs. 1 G m b H G 4 3 6 . Diesem Maßstab genügen auch die von der BGH-Entscheidung vom 24.11. 2003 erfasste Darlehensgewähr sowie die Sicherheitenbestellung zugunsten eines Gesellschafters nicht, da der damit einhergehende Vorrang des Gesellschaftergläubigers gegenüber den Gesellschaftsgläubigern und die entsprechende Kreditverbilligung von den Letztgenannten ohne dahingehenden Marktaustausch getragen wird 4 3 7 . Der Markt wird demnach zum Kriterium für die Frage, ob die Trennung von Haftungsmassen als Kompensation für die Haftungsbeschränkung zugunsten der Gesellschafter aufrechterhalten worden ist 438 . Letztlich sind damit Marktmaßstäbe der Bestimmungsfaktor organisationsrechtlicher Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens 439 . c) Die Rechtsfolgen der Stammkapitalerhaltung durch Rückerstattung gem. §31 GmbHG Als Rechtsfolge einer gegen § 30 Abs. 1 G m b H G verstoßenden Auszahlung sieht §31 G m b H G eine Rückerstattungspflicht des Zahlungsempfängers (Abs. 1) sowie bei Ausfall des Empfängers auch der übrigen Gesellschafter (Abs. 3) vor. Auch auf der Rechtsfolgenseite ergibt sich für den Umfang der Erstattungspflicht (hierzu a), die Absicherung ihrer Werthaltigkeit (hierzu b) sowie den Haftungsumfang der übrigen Gesellschafter gem. § 31 Abs. 3 G m b H G (hierzu c) die Folgefrage, inwieweit bei der Rückerstattung gem. §31 G m b H G eine Trennung der Haftungsmassen ebenfalls aufgehoben wird. (1) Umfang der Erstattungspflicht. Hinsichtlich des Umfangs der Erstattungspflicht ist klärungsbedürftig, ob ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen auch nach Aufzehrung des Stammkapitals bei Uberschuldung der G m b H zu einer Erstattungspflicht in voller Höhe des Empfangenen seitens des begünstigten Gesell353; demgegenüber Zugrundelegung eines gegenständlichen Kapitalschutzes bei Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht Rdnrn. 215-229. 435 Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich §30 Rdnr. 14; Kleffner 79; zum Zusammenspiel von handelsbilanzieller Betrachtungsweise und Eingreifen der Stammkapitalgrenze im Hinblick auf bestimmte Vermögenswerte siehe Huffmann 178 f. 4 3 6 Zum anwendbaren Marktmaßstab bei der Beurteilung von Drittgeschäften im Rahmen des §30 Abs. 1 G m b H G Huffmann 175. 4 3 7 So besonders deutlich Bender, B B 2005, 1492, 1496. 4 3 8 Zum Stellenwert der Trennung von Haftungsmassen bei der Stammkapitalerhaltung gem. §30 Abs. 1 G m b H G bereits oben. 4 3 9 Zur Bedeutung der Vermögenstrennung für die juristische Verselbständigung siehe oben l.a).

/.

Gesellschafterhaftung

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schafters führt. Der B G H hat auf diesen Fall einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen bei Uberschuldung zunächst eine unmittelbare Anwendung der §§30, 31 GmbHG abgelehnt, da die zugrunde liegenden Zahlungen nur noch aus Fremdmitteln, nicht mehr aus dem Stammkapital geleistet worden sein könnten 440 . Demzufolge sei der begünstigte Gesellschafter zwar zur Rückerstattung des Empfangenen verpflichtet, aber die Haftung der Mitgesellschafter gem. §31 Abs. 3 GmbHG lasse sich auf die Grenzen des Kalkulierbaren senken. Ungeachtet der Zustimmung im Schrifttum im Hinblick auf eine Beschränkung der Haftung gem. §31 Abs. 3 GmbHG 4 4 1 ist jedoch zu bedenken, dass auch eine zur Uberschuldung führende oder eine solche vertiefende Ausschüttung das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen gefährdet 442 . Diese erhöhte Gefährdungslage im Vergleich zur bloßen Unterdeckung legt einen Erst-recht-Schluss näher als lediglich einen Analogieschluss bei der Anwendung der §§30, 31 GmbHG auf die Uberschuldungssituation 4 4 3 . Dem trägt die Kritik an der genannten Analogie des B G H sowie mittlerweile auch der B G H mit einer unmittelbaren Anwendung der §§30, 31 GmbHG auf die Uberschuldung Rechnung 4 4 4 . Demzufolge schlägt die Vermögenssituation der Gesellschaft, wie sie sich aus deren Markterfolg ergibt, auch bei einer Uberschuldung bis zur Höhe des Stammkapitals auf die Höhe der Rückerstattungspflicht des begünstigten Gesellschafters gem. §31 A b s . l G m b H G durch. Eine Haftungsbeschränkung zugunsten des Gesellschafters auf der Grundlage einer Trennung von Vermögensmassen greift insoweit im wirtschaftlichen Ergebnis nur im Verhältnis zur Gesellschaft nicht mehr Platz, da die Anspruchsberechtigung nicht bei den Gläubigern, sondern bei der Gesellschaft liegt (§31 A b s . l GmbHG). Verknüpft wird damit infolge einer stammkapitalmindernden Auszahlung gem. § 30 Abs. 1 GmbHG der Markterfolg der Gesellschaft mit der Vermögenssituation des begünstigten Gesellschafters. Im Vorfeld entfaltet daher § 30 GmbHG eine insolvenzprophylaktische Wirkung, die aufgrund entsprechender Anreize auf Seiten der Gesellschafter die Gefahren von Missmanagement und daraus resultierender Uberschuldung vermindert 445 .

440 BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 331; BGH 27.9.1976, BGHZ 67, 171, 174; BGH 13.7. 1981, BGHZ 81, 252, 259. 441 Immenga, ZGR 1975, 487, 491; K. Schmidt, BB 1985, 154, 156f.; zur Frage der Haftung gem. §31 Abs. 3 GmbHG siehe unten (3). 442 So auch Joost, GmbHR 1983,285,287; K. Schmidt, BB 1985, 154, 156; Scholz-H.P. Westermann §30Rdnr. 18. 443 Erst-recht-Schluss siehe auch bei Baumhach/Hueck-Hueck/Fastrich §30 Rdnr. 9; Bitter 234; Goette, DStR 1997, 1495, 1497; Lutter/Hommelhoff % 30 Rdnr. 13. 444 BGH 5.2.1990, NJW 1990,1730,1732; Kritik in der Literatur z.B. bei Baumbach/HueckHueck-Fastrich §30 Rdnr. 9; Immenga, ZGR 1975, 487, 491; K. Schmidt, DB 1973, 2227, 2230; Wilhelm, FS Flume II 337, 361. 445 Im Einzelnen Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942; hierzu auch unten II.B.5.

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(2) Die Werthaltigkeit des Rückerstattungsanspruchs. Besonders deutlich zeigt sich die Verknüpfung zwischen Rückerstattungspflicht und Markterfolg der Gesellschaft an der Diskussion zur Absicherung der Rückerstattung durch ein Aufrechnungsverbot zu Lasten des Gesellschafters in entsprechender Anwendung des §19 Abs. 2 S.2 GmbHG. Außer Frage steht zunächst wegen der Aufrechnungsvoraussetzung der Durchsetzbarkeit der Forderung gem. §§387 a.E., 390 BGB der Ausschluss einer Aufrechnung mit einer Forderung, deren Erfüllung die Gesellschaft gem. §31 GmbHG, §242 BGB verweigern kann und muss 446 . Im Übrigen wird ein Aufrechnungsverbot zu Lasten des zur Rückerstattung verpflichteten Gesellschafters von zahlreichen Literaturstimmen unter Hinweis auf einen Umkehrschluss zur ausdrücklichen Regelung in §19 Abs.2 S.2 GmbHG, die sich in §31 Abs. 4 GmbHG nicht wiederholt, abgelehnt 447 . Demgegenüber verweisen die plausiblen Gegenstimmen auf ein Redaktionsversehen bei der fehlenden Abgleichung der §§19 Abs.2, 31 Abs.4 GmbHG, das nicht einen U m kehrschluss, sondern einen Analogieschluss und damit ein Aufrechnungsverbot zu Lasten des rückerstattungspflichtigen Gesellschafters nahelege 448 . Eine solche Analogie trägt darüber hinaus der Einordnung des Rückerstattungsanspruchs gem. §31 GmbHG als wiederaufgelebter Einlageanspruch Rechnung 4 4 9 . Schließlich bestätigt eine solche Analogie auch den ökonomischen Stellenwert der Rückerstattung gem. §31 GmbHG im Vergleich zur Kommanditeinlage. In der Kommanditgesellschaft ist unter Berücksichtigung des tatsächlichen Wertes der Gegenforderung eine Aufrechnung mit der Einlageforderung möglich 450 . Durch die Berücksichtigung der Werthaltigkeit der Forderung des Kommanditisten gegen die Gesellschaft wird hierbei eine dynamisierte Erfassung von Vermögensabflüssen zwischen betrieblicher Sphäre der Gesellschaft und privater Sphäre des Gesellschafters gewährleistet 451 . Demgegenüber steht im Zentrum der Einlagen- und Kapitalsicherung in der G m b H die Aufrechterhaltung einer Trennung zwischen der betrieblichen Sphäre der Gesellschaft und der Gesellschaftersphäre als Sicherung der Stammkapitalerhaltung und Kompensation für die Haftungsbeschränkung zugunsten des Gesellschafters 452 . Ist zur Sicherung der Einlagen- und Kapitalaufbringung eine Aufrechnung des Gesellschafters gem. §19 Abs.2 S.2 GmbHG nicht zulässig 453 , so muss dies auch für die Frage der Kapitalerhaltung Kleffner 139; Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG 363, 382. OLG Naumburg 19.5.1998, GmbHR 1998, 1180, 1181f.; Baumhach/Hueck-Hueck/Fastrich §31 Rdnr. 18. 448 Hommelhoff, FS Kellermann 165, 176; Kleffner 139f.; Lutter/Hommelhoff §31 Rdnr.24; Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG 363, 380f. 449 Hierzu schon oben m.w.N. 1 .a); entsprechender Hinweis auf die Äquivalenz mit der Einlage bei Rowedder-Pentz §31 Rdnr. 44. 450 Siehe hierzu oben B.3.c)(2) und (3). 451 Zu diesem Grundansatz oben B.3.c)(3). 452 Hierzu siehe schon oben l.a). 453 Zu dieser Schutzrichtung des § 19 Abs.2 S.2 GmbHG BGH 13.10.1954, BGHZ 15, 57. 446

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Gesellschafterhaftung

413

gem. §31 G m b H G gelten 454 . Daher ist auch für den Rückerstattungsanspruch gem. §31 Abs. 1 G m b H G eine Trennung der Gesellschafts- von der Gesellschaftersphäre zu favorisieren, die insbesondere durch ein Aufrechnungsverbot zu Lasten des erstattungspflichtigen Auszahlungsempfängers abgesichert werden kann. Der Vergleich der Rückerstattung gem. §31 Abs. 1 G m b H G mit der dynamisierten Erfassung von Vermögensabflüssen bei der Kommanditgesellschaft aufgrund der Berücksichtigung der Werthaltigkeit einer Gegenforderung lässt darüber hinaus die Grenzen einer Dynamisierung des Rückerstattungsanspruchs als Indiz für eine nachhaltige Vermögenstrennung aufscheinen. Dem trägt der B G H mittlerweile in seiner neueren Balsam/Procedo-Entscheidung Rechnung, wonach ein einmal wegen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 G m b H G entstandener Erstattungsanspruch nicht entfällt, wenn das Gesellschaftskapital zwischenzeitlich anderweit bis zur H ö h e der Stammkapitalziffer nachhaltig wiederhergestellt ist 455 . Hiermit wird die »Zweckerreichungstheorie« verworfen, die sich für den Erstattungsanspruch gem. §31 Abs. 1 G m b H G und seinen möglichen Wegfall am mit dem Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 G m b H G verfolgten Zweck orientiert, das Gesellschaftsvermögen mindestens in H ö h e der Stammkapitalziffer zu erhalten 456 . Stattdessen stützt sich der B G H für den Fortbestand des Rückerstattungsanspruchs unabhängig von der Entwicklung des Stammkapitals auf die funktionale Vergleichbarkeit des Erstattungsanspruchs mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft 457 . Damit wird das im vorliegenden Zusammenhang wichtige Argument einer parallel zu beurteilenden Verselbständigung von Vermögensmassen in Bezug genommen. Nicht die in Abhängigkeit von der Marktentwicklung dynamisierte Erfassung von Vermögensabflüssen von der betrieblichen in die private Sphäre wie bei der Kommanditgesellschaft, sondern die Aufrechterhaltung der Trennung des Gesellschafts- vom Gesellschaftervermögen steht im Zentrum der §§30, 31 GmbHG 4 5 8 . Mit der Beibehaltung einer Verselbständigung von Vermögensmassen als Ziel der genannten Vorschriften stimmt die Einordnung des §31 454 Auf diesen funktionalen Zusammenhang weist nunmehr auch der B G H zur Begründung eines Aufrechnungsverbots im Rahmen des §31 Abs.l G m b H G hin (27.11.2000, N Z G 2001, 272,273); früher unter Hinweis darauf, dass § 19 Abs. 2 G m b H G nicht eine Umgehung der Sacheinlagevoraussetzungen im Auge habe, schon für ein Aufrechnungsverbot im Rahmen des §31 Abs. 1 G m b H G Ulmer, FS 100 Jahre G m b H G 363,380-383; demgegenüber gegen eine Analogie wegen der vermeintlichen Zielrichtung des § 19 Abs. 2 G m b H G , eine Umgehung der Sachgründungsvorschriften zu vermeiden, Lange, N J W 2002, 2293, 2294. 455 B G H 29.5.2000, NJW 2000, 2577; anders noch die »Elektroplan II«-Entscheidung B G H 11.5.1987, N J W 1988, 139. 456 Zugrundelegung der Zweckerreichungstheorie noch in B G H 11.5.1987, N J W 1988, 139, 140; kritisch zu dieser Theorie auch Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich §31 Rdnr.6; Benecke, ZIP 2000,1969,1970f.; Cahn 119-121; Kort, ZGR 2001,615,618; Servatius, G m b H R 2000,1028, 1029; Thümmel, BB 2000, 1485, 1486. 457 B G H 29.5.2000, NJW 2000, 2577, 2578. 458 Zu diesem Unterschied schon oben (2).

414

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Abs. 1 GmbHG als eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Erstattungsanspruch überein 459 . (3) Die Haftung der Mitgesellschafter gem. §31 Abs. 3 GmbHG. Eine letzte Frage der Rückerstattung gem. §31 GmbHG, die die Verselbständigung der GmbH von ihren Gesellschaftern näher konkretisiert, ist die der subsidiären Haftung der Mitgesellschafter gem. §31 Abs. 3 GmbHG. Hierbei ist insbesondere der Uberschuldungsfall klärungsbedürftig, in dem die Trennung der Vermögensmassen zwischen Gesellschaft und Auszahlungsempfänger im Wege einer Haftung des rückerstattungspflichtigen Gesellschafters gem. §31 Abs.l GmbHG bis zur Stammkapitalhöhe im Innenverhältnis aufgehoben wird 460 . Es fragt sich nämlich, ob hier auch die Mitgesellschafter zur Haftung herangezogen werden können und demzufolge auch in Bezug auf diese die Trennung der Vermögensmassen jedenfalls im Innenverhältnis relativiert wird 461 . Die Antwort auf diese Frage könnte weiteren Aufschluss über die Grenzen der Verselbständigung der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern geben. In der Rechtsprechung wurde die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gem. §31 Abs. 3 GmbHG zunächst unter Hinweis darauf eingeschränkt, dass bei Überschuldung eine Analogie zu §§30, 31 GmbHG jedenfalls im Rahmen des §31 Abs. 3 GmbHG nicht tragfähig sei 462 . Stattdessen müsse die Haftung der Mitgesellschafter auf die Grenzen des Kalkulierbaren und daher auf die Höhe des Betrages des Stammkapitals beschränkt werden 463 . Erst später tritt an die Stelle der Analogie die direkte Anwendung der §§30, 31 GmbHG im Uberschuldungsfall 464 . Jedoch wird auch in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gem. §31 Abs. 3 GmbHG nicht zumindest auf bestimmte Höchstsummen zu begrenzen ist 465 . Hier setzt nun die herrschende Meinung im Schrifttum an, die die Ausfallhaftung gem. §31 Abs. 3 GmbHG auf den Betrag des Stammkapitals auch bei Uberschuldung beschränken will 466 . Eine andere Ansicht beschränkt die Ausfallhaftung auf die Höhe der Stammeinlage des Auszahlungsempfängers und daher primär rückerstattungs-

459 Baumhach/Hueck-Hueck/Fastrich §31 Rdnr.3; Hachenburg-Goerdeler/Müller §31 Rdnr.2; Kort, ZGR 2001, 615, 624. 460 Zum Haftungsumfang bei Uberschuldung siehe oben (1). 461 Hierzu als Gesichtspunkt für eine bloße Analogie zu §§30, 31 GmbHG bei Uberschuldung siehe oben (1). 462 BGH 29.3.1973, NJW 1973, 1036, 1038. 463 BGH 29.3.1973, NJW 1973, 1036, 1038. 464 BGH 5.2.1990, NJW 1990, 1730, 1732. 465 BGH 5.2.1990, NJW 1990, 1730, 1732. 466 Altmeppen, ZIP 2002, 961, 963; Baumhach/Hueck-Hueck/Fastrich §31 Rdnr.17; Joost, GmbHR 1983, 285, 289; Lutter/Hommelhoff §31 Rdnr.21; T. Raiser §37 Rdnr.35; Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG 363, 370f.

I.

Gesellschafterhaftung

415

Pflichtigen Gesellschafters 467 . Demgegenüber gibt es freilich auch einzelne Stimmen, die eine Ausfallhaftung auch bei Uberschuldung in voller Höhe favorisieren 468 . Der B G H beschränkt die Haftung nach §31 Abs. 3 G m b H G mittlerweile auf den Betrag der Stammkapitalziffer und erfasst damit nicht den gesamten durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag 469 . Für diese letztgenannte herrschende Meinung werden letztlich Billigkeitserwägungen als entscheidend angeführt, zumal der historische Gesetzgeber bei seinem Wortlaut des §31 Abs. 3 G m b H G den Fall einer Auszahlung im Uberschuldungsstadium nicht bedacht habe 470 . Die herrschende Beschränkung der Ausfallhaftung gem. §31 Abs. 3 G m b H G auf den Betrag des Stammkapitals belässt es für die Mitgesellschafter auch im wirtschaftlichen Ergebnis bei einer Verselbständigung der G m b H gegenüber den Gesellschaftern durch die Aufrechterhaltung der Trennung von Vermögensmassen. Insoweit schlägt auch bei Uberschuldung der G m b H deren Markterfolg bzw. -misserfolg nicht in vollem Umfang auf die Mitgesellschafter durch. Als Kernelement einer Transmission des Markterfolgs auf die Vermögenssituation eines Gesellschafters erweist sich damit bei der Uberschuldung die organisationsrechtlich vermittelte Einwirkung eines Gesellschafters auf die G m b H als Zahlungsempfänger gem. § 30 Abs. 1 G m b H G . Die genannte Entscheidung zum Haftungsumfang der Mitgesellschafter gem. §31 Abs. 3 G m b H G geht darüber insoweit hinaus, als hiernach eine Haftungsbeschränkung in Höhe der Stammkapitalziffer auch bei der Mitwirkung des Mitgesellschafter an einem existenzgefährdenden Eingriff in die Gesellschaft nicht greift 471 . Damit zeichnet sich der Tatbestand des existenzgefährdenden Eingriffs neben dem des Auszahlungsempfangs bereits als Voraussetzung für eine vollumfängliche Aufhebung der Trennung der Vermögensmassen im Hinblick auf Mitwirkende und G m b H ab 472 . Von dieser vollen Haftung bleibt die Mitwirkung an einer Auszahlung ausgenommen, die nicht die Merkmale eines existenzvernichtenden Eingriffs aufweist 473 . In Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung nimmt der B G H diese Fälle ausdrücklich unter Hinweis auf die Haftungsbegrenzung zugunsten des Mitgesell467 K. Schmidt, BB 1985, 154, 157f.; ders., BB 1995, 529, 531 f.; ders., FS T. Raiser 311-339; Scholz-H. P. Westermann §31 Rdnr.30; Geißler, G m b H R 2003, 394, 399. 468 Fabritius, Z H R 144 (1980) 628,635; Gätsch BB 1999, 701, 704-706; Immenga, Z G R 1975, 487, 491; Wilhelm, FS Flume II 361 f.; beschränkt auf der G m b H zurechenbare Auszahlungen Kleffner 177-183. 469 B G H 25.2.2002, B G H Z 150, 61, 65f.; B G H 22.9.2003, NJW 2003, 3629, 3632. 470 B G H 25.2.2002, B G H Z 150, 61, 65f.; kritisch zur historischen Argumentation Altmeppen, ZIP 2002,961,962f.; zustimmend Burgard, N Z G 2002,606; kritisch zu den historischen Erwägungen, aber wegen des ansonsten unkalkulierbaren Risikos in der Sache zustimmend Cahn, Z G R 2003,298,302f.; Henze, BB 2002,1011; weiter gehend für eine teleologische Ausgrenzung des kapitalistisch beteiligten Gesellschafters Jung 381 f. 471 B G H 25.2.2002, B G H Z 150, 61, 67. 472 Hierzu im Einzelnen unten II.B. 473 Zu dieser Ausnahme auch Burgard, N Z G 2002, 606, 607; Henze, BB 2002, 1011.

416

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher Wirkung

schafters aus 474 . Damit wird die organisationsrechtliche Verselbständigung der Vermögensmassen der G m b H bekräftigt, die außer beim direkten Zahlungsempfang nur im krassen Ausnahmefall der Existenzgefährdung aufzuheben ist. Eine organisationsrechtliche Gesellschafterhaftung kann demnach diese Verselbständigung nur dann in Wegfall bringen, wenn auch das Bezugsobjekt, die G m b H , als Marktteilnehmerin in ihrer Existenz bedroht ist. Damit erweist sich die Gesellschafterhaftung gem. §31 Abs.3 G m b H G in doppelter Hinsicht, nämlich im Hinblick auf die Verfasstheit der Gesellschaft als Rechtspersönlichkeit und Marktteilnehmerin sowie im Hinblick auf die Vermögenstrennung, als Sanktion beim Wegfall materieller organisationsrechtlicher Verselbständigung 475 . d) Zwischenergebnis: Kapitalerhaltung in der als Vehikel der Vermögensverselbständigung

GmbH

Im Ergebnis ist für eine Kontrastierung mit der Rechtslage in der Kommanditgesellschaft der Gesichtspunkt der Vermögenstrennung bei der Kapitalerhaltung gem. §§ 30, 31 G m b H G entscheidend: Der Ausgangspunkt für ein Eingreifen der Kapitalerhaltungsgrundsätze ist zunächst die Missachtung der Trennung der Vermögensmassen in der Gesellschaft durch einen gesellschaftsrechtlich vermittelten Zahlungsempfang aus dem das Stammkapital deckenden Gesellschaftsvermögen 476 . Dieser Eingriff wird gem. § 31 G m b H G zwar - anders als bei der Haftung wegen Einlagenrückgewähr gem. §172 Abs. 4 H G B des Kommanditisten - nur im Innenverhältnis kompensiert, so dass es gegenüber den Gläubigern bei einer Aufrechterhaltung der Trennung der Vermögensmassen zur Haftungsbeschränkung zugunsten der Gesellschafter bleibt. Gleichwohl führt die Erstreckung der Haftung des begünstigten Gesellschafters auf das Stammkapital einschließlich einer etwaigen Uberschuldung dazu, dass der begünstigte Gesellschafter im wirtschaftlichen Ergebnis von einer Trennung der Vermögensmassen zur Haftungsbeschränkung wirtschaftlich nicht mehr profitiert 477 . Eine solche Trennung ist lediglich noch zu Lasten des rückerstattungspflichtigen Auszahlungsempfängers zu berücksichtigen, soweit er für die Erfüllung dieser Verpflichtung in Analogie zu § 19 Abs. 2 S.2 G m b H G nicht auf etwaige ihm zustehende Gegenforderungen zurückgreifen kann 478 . Auch eine Dynamisierung des Rückerstattungsanspruchs in Abhängigkeit von der Vermö474 BGH 25.2.2002, BGHZ 150, 61, 67; kritisch zu dieser Abgrenzung zum existenzvernichtenden Eingriff wegen resultierender Schutzlücken Burgard, NZG 2002, 606, 607; Cahn, ZGR 2003, 298, 313f. 475 Demgegenüber setzt Burgard eine solche Verselbständigung stillschweigend voraus, wenn er für eine Haftungsausweitung bei der Mitwirkung an einer verbotenen Auszahlung unter dem Gesichtspunkt der Treupflichtverletzung plädiert. 476 Hierzu oben b) S. 468—475. 477 Siehe oben c)(l). 478 Siehe oben c)(2).

I.

Gesellschafterhaftung

417

genslage der G m b H greift in Anbetracht seines von der Entwicklung des Stammkapitals losgelösten Fortbestands zu seinen Gunsten im Interesse einer vollumfänglichen Vermögenstrennung nicht Platz 479 . Schließlich bleibt es auch zugunsten der gem. § 31 Abs. 3 G m b H G haftenden Mitgesellschafter bei einer Trennung der Vermögensmassen, die nach ganz herrschender Meinung lediglich auf den B e trag des Stammkapitals haften und deren Vermögenssituation insoweit nur beschränkt mit dem Markterfolg der G m b H verknüpft wird 480 . Hier zeichnet sich lediglich für die Mitwirkung an einem existenzgefährdenden Eingriff eine Ausnahme ab 481 . Die Haftung wegen Mitwirkung an einem existenzgefährdenden Eingriff sowie der Zahlungsempfang in der Uberschuldungssituation lassen sich daher als die entscheidenden Tatbestände gem. §§30, 31 G m b H G einer vollumfänglichen Haftung und damit einer Aufhebung der Vermögenstrennung charakterisieren. Folglich bezeichnen sie die Grenzen materieller organisationsrechtlicher Vermögensverselbständigung in der G m b H .

2. Die Ausstrahlungswirkung der Stammkapitalerhaltung gem. §§30, 31 GmbHG auf die GmbH & Co KG Auch in der G m b H & C o K G ist die Haftung der Gesellschafter der Komplement ä r - G m b H sowie die der Kommanditisten beschränkt. Es fragt sich, ob nicht in der G m b H & C o K G ohne natürliche Person als persönlich haftende Gesellschafterin ebenfalls im Ausgleich für diese Haftungsbeschränkung für die Gläubiger die Erhaltung des Stammkapitals gem. §§30, 31 G m b H G gewährleistet werden muss 482 . Zu klären ist hierfür, inwieweit die Kapitalerhaltung der G m b H auf die gesamte G m b H & C o K G ausstrahlt. Für die Prüfung einer solchen Ausstrahlungswirkung ist zwischen verschiedenen Beteiligungskonstellationen in der G m b H Sc C o K G zu unterscheiden (dazu a), bevor auf die Konsequenzen bei der Person des Anspruchsstellers sowie beim Verhältnis zu § 172 Abs. 4 H G B eingegangen werden kann (dazu b).

a)

Beteiligungskonstellationen

J e nach der Nähe des in Anspruch genommenen Gesellschafters zur G m b H lässt sich eine Ausstrahlungswirkung einfacher oder schwieriger begründen. Insbesondere dort, wo der in Anspruch genommene Gesellschafter keine unmittelbare mitgliedschaftlich vermittelte Verbindung zur G m b H aufweist, ist es fraglich, ob mit einer Ausstrahlungswirkung Organisationsgrenzen überbrückt werden können. Ausgangspunkt dieser Begründung muss die Grundsatzentscheidung des B G H sein, wonach aufgrund ähnlicher Haftungsverhältnisse §§30, 31 G m b H G 479 480 481 482

Siehe oben c)(2). Siehe oben c)(3). Siehe oben c)(3) sowie im Einzelnen nachfolgend unter II.B. Zur Kompensationsfunktion der Kapitalerhaltung gegenüber den Gläubigern siehe oben.

418

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

auf die G m b H & C o K G entsprechend anzuwenden sind 4 8 3 . Dies gilt es nun im H i n b l i c k auf die verschiedenen Beteiligungskonstellationen im Einzelnen zu spezifizieren. (1) Unmittelbare

Beteiligung.

A m klarsten liegt die Haftung für einen Gesell-

schafter, der nur an der K o m p l e m e n t ä r - G m b H beteiligt ist, auf der Hand. Fließen einem solchen Gesellschafter stammkapitalschädliche Zahlungen aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft zu, so finden § § 3 0 , 31 G m b H G zumindest entsprechende Anwendung 4 8 4 . D i e Auszahlung greift hierbei entweder über die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft oder über die Haftung als K o m p l e mentärin auch das zur D e c k u n g des Stammkapitals notwendige Vermögen der K o m p l e m e n t ä r - G m b H an 4 8 5 . So kann die in der Bilanz der G m b H aktivierte B e teiligung an der Kommanditgesellschaft durch die Auszahlung insbesondere mangels sonstigen Reinvermögens der K o m p l e m e n t ä r - G m b H so viel an Wert verlieren, dass eine Unterbilanz entsteht 4 8 6 . Daneben kann sich die Ü b e r s c h u l dung der Kommanditgesellschaft dadurch auf das Vermögen der G m b H auswirken, dass die G m b H als Komplementärin für Fehlbeträge ohne realisierbaren Freistellungsanspruch aufzukommen hat 4 8 7 . Vergleichbar liegt die Haftung, wenn es sich bei dem Zahlungsempfänger um einen Kommanditisten handelt, der gleichzeitig Gesellschafter der K o m p l e m e n t ä r - G m b H ist. A u c h hier wirkt eine Auszahlung aus dem Vermögen der K o m manditgesellschaft für die G m b H entweder über ihre Beteiligung oder über ihre Haftung als Komplementärin stammkapitalmindernd 4 8 8 . Hierbei k ö n n t e sich allenfalls die Frage nach einer Differenzierung für die Verantwortlichkeit des K o m manditisten stellen, je nachdem o b er über die K o m p l e m e n t ä r - G m b H Geschäftsführungsbefugnisse ausübt 4 8 9 oder o b er die Auszahlung in seiner Eigenschaft als Kommanditist empfängt 4 9 0 . D e r zweitgenannte Fall macht zwar zunächst ledig-

483 BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324 unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten von Kuhn, FS Heusinger 203, 213-216) und Winkler (NJW 1969, 1009, 1010-1012). 484 Bitter 232f.; für unmittelbare Anwendung des §30 GmbHG Baumbacb/Hueck-Hueck/ Fastrich §30 Rdnr.23; Hunscha, GmbHR 1973, 257, 259; Kuhn, FS Heusinger 203, 214; ScholzH.P. Westermann §30 Rdnr.39; Wächter, GmbHR 2004, 1249, 1251. 485 Grundlegend BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 329; Bitter 232; Bork, AcP 184 (1984) 465, 494f.; Scholz-H.P. Westermann §30 Rdnr.39. 486 BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 329; Rowedder-Pentz §30 Rdnr.71. 487 Dies ist der entscheidende tatbestandliche Gesichtspunkt in BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 330f. 488 BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 328f.; Baumbach/Hopt § 172a Rdnr. 33; Bitter 231 f.; Immenga, ZGR 1975, 487, 490; Lutter/Hommelhoff §30 Rdnr.46; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1656 (§56 V 1 b); Scholz-H.P. Westermann §30 Rdnr.39; Wilhelm, FS Flume II 337, 362f. 489 So der in der Literatur angenommene Standardfall Bitter 231 f.; angedeutet bei Roth/Altmeppen-Altmeppen §30 Rdnr. 75. 490 Für den geschäftsführenden Kommanditisten Bitter 262; Lutter/Hommelhoff §30 Rdnr. 48.

1. Gesellschafterhaftung

419

lieh den Eindruck rein rechtstechnischer Variation, könnte aber auch als das Hinauswirken der §§30, 31 GmbHG über die formalen Grenzen der GmbH interpretiert werden 491 . (2) Mittelbare Beteiligung. Auf die Spitze getrieben und beantwortet wird die letztgenannte Frage nach einem Hinauswirken der §§30, 31 GmbHG über die Organisationsgrenzen der GmbH bei der Behandlung des außenstehenden Kommanditisten, der nicht an der Komplementär-GmbH beteiligt ist. Inwieweit auch Ausschüttungen an ihn den Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30,31 GmbHG unterfallen, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht immer einheitlich beurteilt worden. Den ablehnenden Ausgangspunkt zu dieser Frage in der Rechtsprechung bildet eine obergerichtliche Entscheidung, die für eine Anwendung der §§30, 31 GmbHG auf die GmbH & Co KG zwei Voraussetzungen aufstellt 492 . Hiernach muss von einer den §§30, 31 GmbHG unterfallenden Auszahlung nicht nur das Stammkapital der GmbH über deren Beteiligung oder deren Komplementärhaftung betroffen sein, sondern es muss sich darüber hinaus beim Empfänger der Auszahlung um einen Gesellschafter der GmbH handeln 493 . Die Begründung für das zweitgenannte Erfordernis der Gesellschaftereigenschaft des Empfängers liefert eine spätere Entscheidung desselben Gerichts nach 494 . Für eine Finanzierungsverantwortung gem. §§30, 31 GmbHG müsse die Stellung des Kommanditisten der wirtschaftlichen Position eines GmbH-Gesellschafters entsprechen oder einer solchen - wie etwa beim Geschäftsführer der GmbH oder bei einer atypisch ausgestalteten stillen Beteiligung an der GmbH - nahekommen 495 . Erst die spätere Grundsatzentscheidung des BGH zu dieser Frage hat zur Einbeziehung auch des außenstehenden Kommanditisten in das Ausschüttungsverbot der §§30, 31 GmbHG geführt 496 . Letztlich begründet der BGH hier die Heranziehung der §§30, 31 GmbHG mit der gesellschaftsrechtlichen Interessenverknüpfung, die eine Verantwortung der Kommanditgesellschaft für die Erstattung nach §§ 30,31 GmbHG unzulässiger Zuwendungen nach sich ziehe 497 . In der herkömmlichen Kommanditgesellschaft werde den Kommanditisten eine solche Verantwortung durch die persönlich haftenden Komplementäre abgenommen 498 . Hier gewährleiste die persönliche Haftung eine wirtschaftlich vernünftige UnterAls reine Rechtstechnik eingestuft bei Bitter 262. Hans. OLG 28.1.1983, ZIP 1983, 573. 493 Hans. OLG 28.1.1983, ZIP 1983, 573, 575; zu den Auswirkungen einer Auszahlung auf das Stammkapital über deren Beteiligung oder Komplementärhaftung siehe oben (1). 494 Hans. OLG 16.5.1986, WM 1986, 826. 495 Hans. OLG 16.5.1986, WM 1986,826,828; ähnlich argumentierend bei einer Kreditvergabe an die KG durch die Komplementär-GmbH unter Berücksichtigung der oben erörterten BGH-Entscheidung vom 24.11.2003 (BGHZ 157, 72) Wächter, GmbHR 2004, 1249, 1254. 496 BGH 19.2.1990, BGHZ 110,342. 497 BGH 19.2.1990, BGHZ 110, 342, 357. 498 BGH 19.2.1990, BGHZ 110, 342, 357. 491

492

420

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

nehmensführung und schütze auf diesem Wege vor einer Vermögensaushöhlung zugunsten der Kommanditisten 4 9 9 . Dieser Sicherungsmechanismus fehle in der G m b H & C o K G , da hier kein unbeschränkter Zugriff auf das Privatvermögen der hinter den Gesellschaften stehenden natürlichen Personen offenstehe 5 0 0 . D e r begrenzte Haftungsfonds führe dazu, dass der persönlich haftende Gesellschafter die ihm zugedachte Bremsfunktion nicht übernehmen könne 5 0 1 . Dies begründe letztlich die Finanzierungsverantwortung des Kommanditisten 5 0 2 . I m Ergebnis liegt dieser Verantwortung mangels Bremsfunktion einer sonstigen unbeschränkt haftenden natürlichen Person eine Verhaltenssteuerung zugrunde, da - im Uberschuldungsfall - der Markterfolg der G m b H bis zur D e c k u n g des Stammkapitals auf die Vermögenssituation des Kommanditisten durchschlägt 5 0 3 . D i e Grundlagen für eine solche Verhaltenssteuerung legen die GmbH-spezifischen

Kapitalerhaltungsregeln

in

den

Grenzen

des

§30

G m b H G 5 0 4 . Sie ist bereits oben als Vorbedingung organisationsrechtlicher E i n bindung einer Handelspersonengesellschaft gekennzeichnet w o r d e n 5 0 5 . In der G m b H & C o K G tritt an die Stelle der Verhaltenssteuerung auf Seiten des persönlich haftenden Gesellschafters eine solche des Kommanditisten, eine U b e r s c h u l dung und den Auszahlungstatbestand des § 30 G m b H G im Übrigen vorausgesetzt 5 0 6 . Insoweit relativiert sich der Aussagegehalt der oben dargelegten

Rektor-

Entscheidung für die G m b H &c C o K G 5 0 7 . In seiner Wirkung hebt die Verhaltenssteuerung im R a h m e n des § 3 0 G m b H G gesellschaftsintern im Verhältnis zum rückerstattungspflichtigen Kommanditisten die Trennung von Stammkapital und Gesellschaftervermögen und damit die Verselbständigung der G m b H auf 5 0 8 . D i e Haftung des Kommanditisten gem. § 172 Abs. 4 H G B wird durch die KapitalerBGH 19.2.1990, B G H 2 110, 342, 356. BGH 19.2.1990, BGHZ 110, 342, 357. 501 BGH 19.2.1990, BGHZ 110, 342, 357f. 502 BGH 19.2.1990, BGHZ 110, 342, 357. 503 Ahnlich zur Haftung des Kommanditisten bei unwirksamer Bremsfunktion und fehlendem Zugriff auf das ungebundene Privatvermögen des Komplementärs Koller, FS Heinsius 357, 370. 504 Unter Hinweis auf die Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln auch auf die Mehr-Personen-GmbH ähnlich schon Bitter 268 f. 505 Siehe oben Zweiter Teil III.D. 506 Zu dieser Kompensation des Wegfalls einer natürlichen Person als persönlich unbeschränkt haftendem Gesellschafter durch eine Verhaltenssteuerung der Kommanditisten auf der Grundlage des §30 GmbHG so schon vor BGH 19.2.1990, BGHZ 110, 342 Immenga, ZGR 1975, 487, 489f. 507 Ahnlich zur Diskussionsverkürzung infolge der Äefetor-Entscheidung schon Immenga, ZGR 1975, 487, 489. 508 Kritisch zur Anwendung der §§30, 31 GmbHG auf den Nur-Kommanditisten deshalb Scholz-H.P. Westermann §30 Rdnr.40; Wilhelm (FS Flume II 337, 366 Fn.109) veranlasst dies dazu, stattdessen unter Anerkennung der nurmehr formal, aber nicht mehr in ihrer Anreizstruktur wirksamen Organisationsgrenzen eine Kollusion anzunehmen und insoweit für eine Haftung Willenserklärungen der Beteiligten in Anspruch zu nehmen. 499

500

I. Gesellschafterhaftung

421

haltung gem. §§30, 31 GmbHG ergänzt. Damit strahlt die Verselbständigungswirkung einer Trennung der Haftungsmassen auf der Grundlage der Kapitalerhaltung gem. §§30, 31 GmbHG auf die gesamte GmbH & Co KG aus509. Im Ergebnis ist der Grundstein für eine organisationsrechtliche Einbindung dieser Gesellschaftsgestaltung gelegt. Wie sich diese Einbindung im Verhältnis zu den Gläubigern äußert, ist im Verlauf der weiteren Untersuchung im Lichte der Tatbestände des § 30 GmbHG anhand des Verlustausgleichs zu untersuchen (hierzu im Einzelnen unter II.B.). b)

Konsequenzen

Abschließend sind noch zwei Folgefragen im Hinblick auf die Ausstrahlungswirkung der §§30, 31 GmbHG in der GmbH & Co KG zu klären, nämlich die der Anspruchsberechtigung (dazu [1]) sowie die des Verhältnisses zu §172 Abs. 4 HGB (dazu [2]). (1) Anspruchsberechtigung. Was die Frage der Aktivlegitimation für einen Anspruch aus §§30,31 GmbHG auf Rückerstattung in das Vermögen der Kommanditgesellschaft anbelangt, so kommen hier als Anspruchsinhaber die GmbH sowie die Kommanditgesellschaft in Betracht. Die erste Variante favorisieren zahlreiche Stimmen im Schrifttum unter Hinweis auf den Wortlaut des §31 GmbHG 510 . Etwaige Durchsetzungsprobleme wegen Untätigkeit der GmbH lassen sich hiernach über die actio pro socio lösen511. Dem wird vom Bundesgerichtshof und anderen die Aktivlegitimation der Kommanditgesellschaft entgegengehalten, was freilich an der Geltendmachung durch die GmbH als Komplementärin nichts ändert512. Wenn die Finanzierungsverantwortung in der GmbH Sc Co KG bei der Kommanditgesellschaft liege, dann müsse ihr auch der Anspruch aus §31 Abs. 1 GmbHG zustehen513. Dieses Argument hat auch aus der Sicht der Organisationsverfassung der GmbH & Co KG besonderes Gewicht 514 .

509 Dies Hegt dem Petitum K. Schmidts (Gesellschaftsrecht 1659 §56 V) zugrunde, von einem eigenen Kapitalschutz der GmbH & Co KG und nicht lediglich einem solchen der GmbH zu sprechen. 510 Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich §31 Rdnr.8; Bork, AcP 184 (1984) 465, 495; Hachenburg-Goerdeler/ Müller §31 Rdnr. 8; Scholz-H.P. Westermann § 31 Rdnr. 10; Winkler, NJW 1969, 1009, 1011. 511 Scholz-H.P. Westermann §31 Rdnr. 10; einschränkend auch Baumhach/Hueck-Hueck/ Fastrich §31 Rdnr.8. 512 BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 329f.; Baumbach/Hopt § 172a Rdnr. 35; Immenga, ZGR 1975, 487, 491 f.; Kuhn, FS Heusinger 203, 215. 513 BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 329f. 514 Zur Organisationsverfassung siehe oben a)(2); so wohl auch K. Schmidt (Gesellschaftsrecht 1659 (§56 V)), der einen eigenen Kapitalschutz der GmbH & Co-Kommanditgesellschaft postuliert.

422

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Führen, wie oben gezeigt, die Verhaltenssteuerungsmechanismen bei der Kapitalerhaltung in der G m b H & C o K G dazu, dass die organisationsrechtliche Trennung auch im Verhältnis zu N u r - K o m m a n d i t i s t e n aufgehoben wird 5 1 5 , so liegt eine Anspruchsberechtigung der Kommanditgesellschaft in der K o n s e q u e n z dieses Ansatzes. (2) Verhältnis zu § 172 Abs. 4 HGB.

Schließlich ist noch die Frage nach dem Ver-

hältnis der Kapitalerhaltung gem. § § 3 0 , 31 G m b H G zu § 172 Abs. 4 H G B in der G m b H & C o K G zu stellen. N a c h allgemeiner Auffassung treten die mit den beiden genannten Regeln verknüpften Haftungsregimes nebeneinander, wenn es u m die rechtliche Würdigung von Auszahlungen an einen Kommanditisten geht 5 1 6 . Gleichwohl ergibt sich aus ihrer unterschiedlichen Wirkungsweise z u m Teil kein Konkurrenzverhältnis, sondern ein ergänzendes Nebeneinander. So k ö n n e n die Gläubiger der G m b H & C o K G auf § 172 Abs. 4 H G B einen eigenen Anspruch in Abhängigkeit von der H ö h e der H a f t s u m m e stützen, sobald das Kapitalkonto des Kommanditisten unter den Betrag der Haftsumme sinkt 5 1 7 . Demgegenüber erfordert ein Eingreifen der §§ 30, 31 G m b H G für einen Anspruch der K o m m a n ditgesellschaft eine Schmälerung des Stammkapitals der K o m p l e m e n t ä r - G m b H durch Auszahlung der Kommanditgesellschaft 5 1 8 . Ungeachtet dieser engeren A n spruchsvoraussetzung ist die Rückerstattungspflicht gem. § 3 1 Abs. 1 G m b H G jedoch im Gegensatz zur Rückgewährpflicht gem. § 172 Abs. 4 H G B in ihrer H ö he bei einer Uberschuldung nicht begrenzt 5 1 9 . D a ein Anspruch gem. § 3 1 Abs. 1 G m b H G demnach nicht auf die Hafteinlage begrenzt und insofern weiter reichend ist als der Rückgewähranspruch gem. § 172 Abs. 4 H G B , ist der Kapitalerhaltung gegenüber einer R ü c k g e w ä h r gem. § 172 Abs. 4 H G B dann der Vorrang einzuräumen, wenn eine Auszahlung sowohl das Stammkapital der K o m p l e m e n t ä r - G m b H mindert als auch die Einlage eines Kommanditisten unter die H a f t summe sinken lässt 5 2 0 . Diese Ausstrahlungswirkungen der Kapitalerhaltungsregeln gem. § 30f. G m b H G in der G m b H Sc C o K G lassen die Möglichkeit einer organisationsrechtlichen Einwirkung auf diese Gestaltungsform einer K G und ihre Verselbständigung aufscheinen. Eine solche Möglichkeit wird bei der K o n z e r n einbindung auf die Spitze getrieben. D a h e r soll nunmehr der Frage einer organi-

Hierzu siehe oben a)(2). BGH 29.3.1973, BGHZ 60, 324, 327f.; Bitter 271; Bork, AcP 184 (1984) 465, 495f.; Immenga, ZGR 1975, 487, 491; Lutter/Hommelhoff % 30 Rdnr.46. 517 Hierzu im Einzelnen siehe oben U.E. 518 Zu den Voraussetzungen einer Stammkapitalminderung der Komplementär-GmbH siehe oben. 519 Zur unbegrenzten Rückerstattungspflicht bei Uberschuldung der GmbH siehe oben. 520 Mit Fallbeispiel so auch Bork, AcP 184 (1984) 465, 495f.; Hunscha, GmbHR 1973, 257, 259; Immenga, ZGR 1975, 487, 491. 515 516

II.

Konzernhaftung

423

sationsrechtlichen Konzerneinbindung anhand der Haftungsfrage nachgegangen werden.

II.

Konzernhaftung

Sind die Haftungsgrundlagen für den Kommanditisten in der unverbundenen Kommanditgesellschaft herausgearbeitet, so gilt es nunmehr, die möglicherweise organisationsrechtlich verankerte Finanzierungsverantwortung des herrschenden Gesellschafters in der konzerneingebundenen Kommanditgesellschaft im Rahmen des Verlustausgleichs abzustecken. Wie bereits die grundlegenden U n terschiede zwischen der idealtypischen, weil personalistischen Kommanditgesellschaft und der kapitalistisch strukturierten G m b H & C o K G angedeutet haben, muss dabei die Unterscheidung zwischen diesen Grundtypen auch in der Haftungsfrage fortgeführt werden 5 2 1 . Bei der nicht kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft stehen schon die Funktionsbedingungen der gesellschaftsinternen Interessenausgleichsmechanismen einer organisationsrechtlichen K o n zerneinbindung im Wege 5 2 2 . Die Anzeichen für enge Grenzen einer organisationsrechtlichen Konzerneinbindung verdichteten sich im Lichte der Schranken, die der Freiheit der Gesellschafter bei der Gestaltung einer außenwirksamen Haftungsverfassung gezogen sind 5 2 3 . Diese Grenzen organisationsrechtlicher Einwirkung sind auch für die Grundlagen einer Verlustausgleichspflicht des konzernleitenden Gesellschafters im Auge zu behalten (dazu A.). Demgegenüber deutet die Ausstrahlungswirkung der Kapitalerhaltungsregeln gem. § § 3 0 , 31 G m b H G auch für die G m b H & C o K G auf eine organisationsrechtliche Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens von ihren Gesellschaftern und damit auf die Möglichkeit organisationsrechtlicher Konzerneinbindung hin. Hier könnte die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Gesellschafters die Grenzen einer außenwirksamen materiellen Vermögensverselbständigung bezeichnen (dazu B.).

A. Der Verlustausgleich in der idealtypischen Kommanditgesellschaft als Ergebnis austauschvertraglicher Risikoverteilung Geeigneter Ausgangspunkt für den Verlustausgleich in der idealtypischen K o m manditgesellschaft ist der Diskussionsstand der Literatur. So lassen sich beim Verlustausgleich Unterschiede im Hinblick auf die für einen Verlustausgleich herangezogene Rechtsgrundlage ausmachen. A m engsten an die aktiengesetzliche Regelung ist der Vorschlag einer analogen Anwendung des § 302 A k t G zur B e 521 Zur Weichenstellung hinsichtlich dieser Unterscheidung bereits beim Abhängigkeitsbegriff gem. §§ 15ff. AktG siehe oben Dritter Teil II.B.2.-6. 5 2 2 Dazu oben Zweiter Teil III.A. 5 2 3 Dazu oben I.A. und B.

424

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

gründung eines Verlustausgleichs auch in der konzernierten Kommanditgesellschaft angelehnt (dazu A.l. und 2.)524. Stark personengesellschaftsrechtlich orientiert ist der weitere Ansatz, der eine Verlustausgleichspflicht aus der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens ableiten will (dazu A.3.) 525 . Demgegenüber knüpfen andere Stimmen an die Parallele zur Risikohaftung des Geschäftsherrn für die spezifischen Gefahren der in seinem Interesse erfolgten Tätigkeit in Analogie zu §670 BGB an (dazu B.2.)526. Hierauf baut schließlich eine weitere Richtung auf, die die Verlustausgleichspflicht auf einen allgemeinen rechtsformübergreifenden Grundsatz stützt, wonach die Verlustausgleichspflicht Korrelat der Beherrschbarkeit des Risikos der konzernierten Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen ist (dazu B.3. und 4.)527. 1. Die organisationsrechtliche Einwirkung als Grundlage eines gesellschaftsrechtlich fundierten Verlustausgleichs a) Legitimationsgrundlagen

des Verlustausgleichs

Will man diesen verschiedenen Lösungsansätzen gerecht werden, so ist zunächst an die spezifischste ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 302 AktG anzuknüpfen, um Klarheit hinsichtlich der Leitlinien des Verlustausgleichs nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zu schaffen. In der Diskussion zu den Rechtsgrundlagen des Verlustausgleichs in der konzernierten Personengesellschaft wird vielfach bereits unter Hinweis auf diese Grundlagen eine Analogie zu § 302 AktG abgelehnt. So kompensiere §302 AktG die gem. §291 Abs. 3 AktG außer Kraft gesetzten Kapitalerhaltungsregelungen, und ein solcher Schutzzweck laufe bei einer Kommanditgesellschaft mit einer natürlichen Person als Komplementär mangels personengesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes leer528. Bedenken gegen diese ganz vorrangig auf den Unterschied der Kapitalbindung im Kapital- und Personengesellschaftsrecht gestützte Argumentation wirft die Mehrdimensionalität der Legitimationsgrundlagen des aktienrechtlichen Verlustausgleichs auf 529 . Nach der Begründung zum Aktiengesetz 1965 muss für die Verluste einstehen, wer die Geschicke der abhängigen Gesellschaft bestimmen

524 Baumhach/Hopt § 105 Rdnr. 105 (für Vertragskonzern); Baumgartl 113-117; Emmerich/ Habersack, Konzernrecht 460-462; Gekeler 253-257; Heck 194-196; Kleindiek 136-149; Limmer, G m b H R 1992, 265, 272; Stimpel, Probleme des Konzernrechts 11, 19-25 525 Löffler 92-99; Stimpel, Probleme des Konzernrechts 11, 22f. 526 Laule, FS Semler 541, 558f.; Reuter, A G 1986, 130, 134, 138; Reuter, Z H R 146 (1982) 1, 21 f. 527 G r o ß K o m m H G B - W m e r Anh. § 105 Rdnrn. 72-74; Raiser, Z G R 1980, 558, 564f.; Schlegelberger-Martens §105 Rdnr. 42. 528 G r o ß K o m m H G B - U l m e r Anh. §105 Rdnr. 73; Laule, FS Semler 541, 558; Reuter, Z H R 146 (1982) 1,21. 529 Ähnlicher Einwand bei Bitter 395-400; Kleindiek 136, 140f.

II.

Konzernhaftung

425

kann 5 3 0 . D a m i t erweist sich nach dem gesetzgeberischen K o n z e p t der Gleichlauf zwischen Unternehmensleitung und Haftung als Legitimationsgrundlage des aktiengesetzlichen Verlustausgleichs 5 3 1 . Folglich ist die Konzerneinbindung der abhängigen Gesellschaft im Ganzen mit ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft, die außenstehenden Gesellschafter sowie die Gläubiger zu betrachten, um ein umfassendes Bild von den Grundlagen des Verlustausgleichs zu gewinnen. D e r Verlustausgleich wirkt auch zugunsten des Bestands der abhängigen Gesellschaft, indem er Betriebsmittel- und Haftungsfonds schützt 5 3 2 . Entscheidend für die nähere Präzisierung muss daher die Art der Einwirkung des herrschenden U n t e r nehmens auf die K o n z e r n t o c h t e r sein, um die haftungsauslösenden Gesichtspunkte auch mit vergleichendem Blick auf die Personengesellschaft herauskristallisieren zu können. Hierbei könnte eine Untersuchung der historischen Grundlagen des Verlustausgleichs weiter gehende Klärung bringen. Leitfrage muss dabei sein, welches Element der Einwirkung des herrschenden Unternehmens letztlich als haftungsbegründend angesehen wird und o b dies auf die Personengesellschaft übertragbar ist.

b) Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft als Ausgangspunkt des Verlustausgleichs im AktG 1965 F ü r eine dem Verlustausgleich entsprechende Haftungsbegründung knüpfte die konzernrechtliche Diskussion schon Ende der zwanziger Jahre an die schuldrechtlichen Grundlagen der Konzerneinbindung an 5 3 3 . Zahlreiche Stimmen im Schrifttum legen dem Anspruch auf Freistellung von eingegangenen Verbindlichkeiten sowie dem Anspruch auf Verlustübernahme und Aufwendungsersatz bei Organschaftsverträgen und vertraglicher Konzerneinbindung als Anspruchsgrundlage § 6 7 0 B G B zugrunde 5 3 4 . Dies ist die Konsequenz der damaligen schuldrechtlichen Einordnung der Konzernbeziehung als Dienst-, Werk- oder Auftragsvertrag 5 3 5 . D i e überwiegenden Einwände gegen einen solch weitgehenden Verlustausgleich beleuchten schlaglichtartig wichtige Unterschiede zwischen der aktienrechtlichen Konzerneinbindung und der konzerneingebundenen Personengesellschaft. So wurde die Durchbrechung der Haftungsbeschränkung unter Hinweis auf Diskrepanzen mit der steuerrechtlichen Beurteilung kritisiert 5 3 6 . Kropff AktG 391. Hommelhoff FS Goerdeler 221, 228f.; KK-Cahn §302 Rdnr.4; Kleindiek 137-140; als Normierung des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung eingeordnet bei Rehbinder, FS Fleck 253, 260 und Timm, GmbHR 1987, 8, 12; kritisch Ulmer, AG 1986, 123, 126. 532 Hommelhoff, FS Goerdeler 221, 230; Kleindiek 136f. 533 Diskussionsauslösend war Hamburger, FS Seckel 314-316; Uberblick über die Diskussion bei Spindler 89-94. 534 Brandi 43f.; Hamburger, FS Seckel 261, 314f.; Hamburger 44f.; Kronstein 104f.; Rasch, Deutsches Konzernrecht1 92f. 535 Kronstein 104f.; siehe auch schon oben Dritter Teil III.B.l. 536 Haussmann, Vjschr. f. Steuer- und Finanzrecht 7 (1933) 486, 495-497. 530 531

426

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht ist vor dem Hintergrund des Prinzips der getrennten Besteuerung des Einkommens der Gesellschaft und des der Gesellschafter zu würdigen 5 3 7 . Sie bezeichnet den Tatbestand, dass eine rechtlich selbständige Kapitalgesellschaft als Organ in ein anderes Unternehmen, den Organträger, wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch eingegliedert ist 5 3 8 . Eine solche Unternehmenszusammenfassung eröffnet der Obergesellschaft infolge der fortbestehenden subjektiven Steuerpflicht der Organgesellschaft die M ö g lichkeit, Gewinne manipulativ an der steuerlich für sie günstigsten Stelle im U n ternehmensverbund anfallen zu lassen 539 . Hierauf hat die Finanzrechtsprechung reagiert, indem sie unter den Voraussetzungen der Organschaft Gewinne und Verluste bei der Obergesellschaft zusammenfasst und so eine vom Steuerpflichtigen nicht willkürlich beeinflussbare Steuergrundlage schafft 5 4 0 . Entscheidend ist hierbei die Überlegung, dass das Organ sein Geschäftsergebnis für den Organträger zu erzielen und an ihn abzuführen sich verpflichtet habe und daher sein E r gebnis bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gewinn des Organträgers einzuordnen sei 541 . Zu diesem Zweck statuiert die Finanzrechtsprechung die Gewinn- und Verlustübernahme zwischen Obergesellschaft und Organ als Voraussetzung für die körperschaftsteuerliche

Anerkennung

der Organschaft

(nunmehr

§14

KStG) 5 4 2 . Diese steuerrechtliche Herausbildung der Organschaft wird auch im A k t G 1965 aufgenommen und gesellschaftsrechtlich ausdifferenziert 543 . So wird die O r ganschaft überführt in zwei Typen von Unternehmensverträgen, nämlich den Beherrschungsvertrag

und

den

Gewinnabführungsvertrag

gem.

§291

Abs.l

A k t G 5 4 4 . Diese Regelung hat sich bereits an früherer Stelle als erforderlich erwiesen, damit eine Konzerneinbindung mit der Intensität einer Organschaft in Übereinstimmung mit den aktienrechtlichen Vorgaben des Status der Aktiengesellschaft als selbständiger Marktteilnehmerin gebracht werden kann 5 4 5 . Die Konsequenzen auf der Rechtsfolgenseite eines solchen statusverändernden U n ternehmensvertrages gem. §291 A b s . l A k t G zieht die aktiengesetzliche Rege5 3 7 Entsprechende Einordnung als Zurechnungstatbestand z.B. bei Tipke/Lang 772 (§18 Rdnr.408). 538 Knobbe-Keuk 696 (§20 I); Sonnenschein 42; hierzu bereits oben Dritter Teil I. 539 Mestmäcker, Verwaltung 294f. 5 4 0 Zur Entwicklung der Finanzrechtsprechung im Einzelnen Mestmäcker, Verwaltung 294-300. 541 Gutachten des R F H 26.7.1932 I D 2/31, III D 2/32 R F H E 31,297,301; im Einzelnen Flame, Stbjb 1958/59, 283, 286-290. 5 4 2 Zum Tatbestand der Organschaft im Übrigen sowie im Zuge des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 (BGBl. I 1433) siehe oben Dritter Teil I. 5 4 3 Zur organschaftlichen Grundlage der aktiengesetzlichen Regelung der Unternehmensverträge siehe Hommelhoff, FS Goerdeler 221, 228 f. 5 4 4 Insbesondere zum Verhältnis zwischen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft und dem Gewinnabführungsvertrag Sonnenschein 307-319. 5 4 5 Hierzu im Einzelnen Sapper 85-102; siehe bereits oben Dritter Teil III.B.3.

II.

Konzernhaftung

427

lung des Verlustausgleichs in §302 AktG. Die organisationsrechtlichen Implikationen hinsichtlich des Status des abhängigen Unternehmens kommen allerdings in der oben genannten Begründung nur sehr verkürzt zum Ausdruck 546 . Demzufolge dient der aktiengesetzliche Verlustausgleich gem. §302 Abs. 1 A k t G der tatbestandlichen Fixierung der bereits für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisse herausgebildeten Verlustübernahme. Daher erscheint seine Ubertragbarkeit auf die konzerneingebundene Kommanditgesellschaft mit herrschendem Kommanditisten schon unter dem Gesichtspunkt der Art und Intensität der vorausgesetzten unternehmensvertraglichen Einbindung fraglich 547 . Wie bereits im Rahmen der organisationsrechtlichen Grundlagen der Konzerneinbindung einer Personengesellschaft erörtert, kann eine idealtypische Personengesellschaft aufgrund ihrer zwingenden Willensbildungs- und Verhaltenssteuerungsmechanismen nicht wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch mit der Intensität einer körperschaftsteuerlichen Organschaft in ein anderes Unternehmen eingebunden werden 548 . Dem trägt auch die einkommensteuerrechtliche Ermittlung der Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, die für jeden Gesellschafter getrennt erfolgt, Rechnung 549 . Abgesehen von der Erfassung von Sondervergütungen in der allerdings als G m b H & C o K G verfassten doppelstöckigen Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG, kennt das Einkommensteuerrecht keine mit der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft vergleichbare Ergebniszurechnung 550 . Geklärt ist damit, dass der Verlustausgleich gem. §302 Abs. 1 A k t G für die Personengesellschaft nicht anwendbar sein kann, weil er eine Konzerneinbindung voraussetzt, wie sie sich für die idealtypische Personengesellschaft nicht verwirklichen lässt. c) Die Treuepflicht

als Grundlage

des

Verlustausgleichs

In ähnlicher Weise hat man sich auch dem Versuch zu nähern, dem Verlustausgleich die Treuepflicht als Begründung zugrunde zu legen. So ist stellenweise aus dem Treuepflichtkonzept der /TT-Entscheidung sowie aus der entsprechenden Inbezugnahme der Treuepflicht im mittlerweile überholten Autokran-Urteil - allerdings nur im obiter dictum - gefolgert worden, dass ein solches Treuepflichtkonzept für die konzerneingebundene Personengesellschaft die Begründung für

546 Ähnlich kritisch zur Verkürzung der Komplexität der Konzerneinbindung bei der Verlustausgleichsregelung Hommelhoff, FS Goerdeler 221,228f.; zur in Bezug genommen Begründung zum Aktiengesetz schon oben a). 5 4 7 Zur Präzisierungsfunktion des § 3 0 2 Abs. 1 A k t G Kropff A k t G 390; G r o ß K o m m A k t G 3 Würdinger § 3 0 2 Einleitung. 548 Hierzu im Einzelnen oben Dritter Teil III.A. 549 Zu den steuerrechtlichen Grundlagen der Einkommensermittlung im Rahmen des § 1 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 E s t G L. Schmidt § 15 Rdnrn. 160-175. 550 Zur doppelstöckigen Personengesellschaft bei der Ermittlung der Sondervergütungen L. Schmidt § 15 Rdnr.615.

428

4. Teil: Haftung

als Grenze

organisationsrechtlicher

Wirkung

einen Verlustausgleich liefern könne 5 5 1 . Eingestuft wird hiernach eine solche Verlustausgleichspflicht kraft Treubindung als Korrelat gesteigerter mitgliedschaftlicher Einwirkungsmöglichkeiten auf die beherrschte Gesellschaft 5 5 2 . Gleichwohl stößt die Parallelisierung des Verlustausgleichs für die Personengesellschaft mit den Verhältnissen im G m b H - K o n z e r n jedenfalls für die idealtypische Kommanditgesellschaft mit unternehmensleitendem Kommanditisten auf Bedenken. Wie bereits in der konzernrechtlichen Untersuchung herausgearbeitet, kann eine nicht kapitalistisch strukturierte Personengesellschaft bei der Konzerneinbindung nicht mit einer G m b H verglichen werden 5 5 3 . Die in einer solchen Personengesellschaft interessenausgleichenden Anreizmechanismen unterscheiden sich grundlegend von der Annäherung und Ausrichtung auf anteilsmarktähnliche A n reizsysteme in einer kapitalistisch strukturierten G m b H bzw. G m b H & C o K G 5 5 4 . Dies führt dazu, dass die Konzerneinbindung einer Kommanditgesellschaft mit unternehmensleitendem Kommanditisten nicht primär auf der Grundlage mitgliedschaftlicher Befugnisse begründet werden kann 5 5 5 . Erfolgt jedoch die Beherrschung nicht aufgrund mitgliedschaftlicher Befugnisse, so erscheint die Beurteilung ihrer Rechtsfolgen anhand ausschließlich mitgliedschaftlicher Kategorien ebenfalls zweifelhaft. Sie trägt der Vielfalt privatautonomer Beherrschungsregelung mangels Bezuges auf die konkrete Vereinbarung der Beteiligten nicht in ausreichend spezifischer Weise Rechnung. Will man der schuldrechtlich einzuordnenden Beherrschungsvereinbarung und der in ihr entfalteten Privatautonomie der Gesellschafter auch bei der Bestimmung des Verlustausgleichs Rechnung tragen, so drängt sich stattdessen eine Orientierung an austauschvertraglichen und hier insbesondere auftragsrechtlichen Kategorien auf 556 . Aufgenommen werden damit in Ergänzung zur bereits erörterten schuldrechtlichen Verankerung aktiengesellschaftlicher Beherrschung in der frühen konzernrechtlichen 551 Löffler 92-99; Stimpel, in: Probleme des Konzernrechts 11, 22f. unter Bezugnahme auf Stimpel, A G 1986,117,119f.; zur Rechtsprechungsänderung im Zuge der »Bremer Vulkan«-Entscheidung des B G H siehe unten 3; Begründung der Verlustausgleichspflicht mit der gesellschafterlichen Treuepflicht Baumbach/Hopt § 1 0 5 Rdnr. 104; MÜKOHGB-JMülbert KonzernR Rdnr.182, 205.

Löfßer 94f.; Stimpel, in: Probleme des Konzernrechts 11, 23. Zum grundlegenden Unterschied zwischen gesetzestypischer und kapitalistisch strukturierter Personengesellschaft bei der konzernrechtlichen Beherrschung siehe oben Dritter Teil II.B.2.-6. 5 5 4 Zu den interessenausgleichenden Widerspruchsmechanismen in der idealtypischen Personengesellschaft siehe oben Zweiter Teil I.A.4., B.2.; zur Anteilsmarktausrichtung einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft am Beispiel der Abhängigkeitsstrukturen siehe oben Dritter Teil II.B.4. 552

553

5 5 5 Zur schuldrechtlichen Fundierung einer solchen Beherrschung siehe oben Dritter Teil II.B.4., III.B.4., 5. 5 5 6 Dem gegenüberzustellen ist die am mitgliedschaftlichen Gesellschaftsinteresse orientierte Heranziehung von Treuepflichtansätzen zum Interessenausgleich und zur Sicherung eines gesellschaftsinternen Interessengleichklangs im Gleichordnungskonzern (hierzu oben Dritter Teil V.B.).

II.

429

Konzernhaftung

Diskussion auch deren Folgerungen für die hieraus resultierenden Rechtsfol-

2. Risikoverteilung und Risikovergemeinschaftung im eines beherrschungsvertraglichen Verlustausgleichs

Rahmen

a) Interessengleichlauf als Grundlage einer Risikovergemeinschaftung im Rahmen des aktiengesetzlichen Verlustausgleichs gem. §302 AktG Offen ist allerdings, inwieweit auch die konzernrechtlichen Überlegungen zu einer Anwendung des § 670 B G B ähnlich wie die organisationsrechtlichen Implikationen der Organschaft für die Begründung eines Verlustausgleichs verworfen werden müssen. Hat sich die steuerspezifische Organschaft mit ihrem Verlustübernahmeerfordernis letztlich in §302 A b s . l A k t G niedergeschlagen, so schließt dies eine Heranziehung des § 670 B G B für einen Verlustausgleich in einer anders, nämlich schuldrechtlich eingebundenen Personengesellschaft mit herrschendem Kommanditisten nicht notwendig aus 558 . Hiergegen wendet in jüngerer Zeit Bitter ein, dass § 302 A k t G lediglich die allgemeinen Rechtsgrundsätze fixiere und §302 A k t G und §670 B G B letztlich zwei Seiten ein und derselben Medaille seien 559 . Aufschluss über etwaige Unterschiede zwischen dem in den beiden Rechtsgrundlagen vorgesehenen Ausgleich kann ein Blick auf die jeweils vorausgesetzte Art der Einwirkung auf die beherrschte Gesellschaft geben. Schon oben erwähnt worden ist die Mehrdimensionalität des aktiengesetzlichen Verlustausgleichs, die sich in dessen Ausrichtung an Gesellschafter- und Gläubigerinteressen niederschlägt 560 . Sie resultiert aus dem besonderen Zugriff der Obergesellschaft, dem das Gesellschaftsvermögen der beherrschten Aktiengesellschaft ausgesetzt ist. So ist in der Literatur das Augenmerk insbesondere auf die Aufgabe der Vermögensbindung und die damit verbundene Gläubigergefährdung als Gegenstand des Verlustausgleichs gerichtet worden 5 6 1 . Gleichwohl erscheint der Gläubigerschutz nur als eine Facette der aktiengesetzlichen Vermögensbindung, wie sich aus der Charakterisierung der Art und Weise des Vermögenszugriffs der Obergesellschaft in der frühen Literatur ergibt. So erweist sich die Nutzung des Vermögens der beherrschten Gesellschaft durch die Obergesell5 5 7 Zur konzernrechtlichen Diskussion vor der Anerkennung einer organisationsrechtlichen Beherrschung siehe oben Dritter Teil III.B.l. und 2. 5 5 8 Entsprechend unterschiedliche Facetten eines Verlustausgleichs gem. §302 AktG und eines solchen in Analogie zu §670 B G B impliziert mit der Unterstreichung des Fremdwirkungscharakters im Rahmen des §670 B G B auch K. Schmidt, Heidelberger Konzernrechtstage 109, 113. 559 Bitter 395,401. 5 6 0 Siehe oben l.a). 5 6 1 B G H 14.12.1987, B G H Z 103, 1, 10; Emmerich/Habersack-Emmerich §302 Rdnr.17; Hüffer §302 Rdnr. 3; Mestmäcker, Verwaltung 326, 334; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht §54 Rdnr. 51; Ulmer, A G 1986, 123, 126.

430

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

schaft im Rahmen eines Unternehmensvertrages nicht nur als eine Gefährdung von Gläubigerinteressen am unternehmerischen Erfolg der beherrschten Aktiengesellschaft. Die Beeinträchtigung der eigenunternehmerischen Perspektive durch die Einbindung in die Verwirklichung von Konzerninteressen bedroht zugleich die Eigentumsrechte der Aktionäre 562 . Indem Mestmäcker die vertragliche Grundlage der Einwirkung der Obergesellschaft auf die beherrschte Gesellschaft mit der Pacht und dem Nießbrauch vergleicht, charakterisiert er die ebenfalls für den Verlustausgleich wesentliche mitbegründende Dimension der Substanzerhaltung im Aktionärsinteresse 563 . Sie erscheint als selbstverständliches Pendant zu den umfangreichen Nutzungsbefugnissen des Pächters (§§581, 546 BGB) bzw. Nießbrauchers (§1041 BGB) 564 . Diese Verpflichtung zur Substanzerhaltung im Rahmen der genannten schuldrechtlichen Verträge legt im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch für die intensivere, gleichsam dingliche Einwirkung der Obergesellschaft auf das Vermögen der beherrschten Gesellschaft eine kompensierende Substanzerhaltungspflicht nahe. Da die Obergesellschaft hierbei eigentümerähnlich verfügen kann, verdrängt sie die beherrschte Gesellschaft als eigennützig handelnde Marktteilnehmerin 565 . Der Verlustausgleich bildet bei dieser Sachlage ein Instrument, um den Vermögensstatus der abhängigen Gesellschaft auf Kosten der Obergesellschaft für diese Einwirkung zu kompensieren. Im wirtschaftlichen Ergebnis entspricht dies einer Risikovergemeinschaftung zwischen zwei Marktteilnehmern 566 . Mit dem Verlustausgleich trägt die Obergesellschaft gleichsam Risiken ihrer eigenen Markttätigkeit, die sie über den Betrieb der beherrschten Gesellschaft ausübt. Demzufolge entspricht der Verlustausgleich ihrem Eigeninteresse an der Substanzerhaltung dieser Gesellschaft 567 . b) Austauschvertraglicher Interessenausgleich als Ausgangspunkt für einen Ersatz von Zufallsschäden im Rahmen des auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzes gem. §670 BGB Eine solche Interessenidentität zwischen Obergesellschaft und beherrschter Gesellschaft kann bei einer Analogie zum auftragsrechtlichen Aufwendungsersatz gem. §670 BGB im Ausgangspunkt zunächst nicht zugrunde gelegt werden. So lassen sich aus der Entwicklung von Rechtsprechung und Lehre zum Ersatz von 562 Zur durch die Vermögensbindung vermittelten Interdependenz von Aktionärs- und Gläubigerinteressen siehe Mestmäcker, Verwaltung 326 f. 563 Mestmäcker, Verwaltung 328f.; Hinweis hierauf im neueren Schrifttum, wenngleich unter Ausblendung des Unterschiedes zum Verlustausgleich nach §670 BGB, auch bei Bitter 399. 564 Mestmäcker, Verwaltung 328f. 565 Mestmäcker, Verwaltung 329. 566 Parallele Argumentation zum qualifizierten faktischen Konzern Hommelhoff, Z G R 1994, 395, 409. 567 Zum Interesse der Obergesellschaft an der Substanzerhaltung siehe oben l.a).

II.

Konzernhaftung

431

Zufallsschäden im Rahmen eines Auftragsverhältnisses wichtige Hinweise für die Grundlagen eines Verlustausgleichs entnehmen. Der Ersatz von Zufallsschäden ist im Gegensatz zum Aufwendungsersatz in §670 BGB nicht ausdrücklich geregelt 568 . Da die Rechtsprechung zunächst für eine Aufwendung im Sinne des § 670 BGB ein freiwilliges Vermögensopfer voraussetzt, kommt für einen Ersatz von Zufallsschäden lediglich die ausnahmsweise Erstreckung des Aufwendungsbegriffs auf notwendige Folgeschäden der Geschäftsführung in Betracht 569 . Im Übrigen hilft die Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen mit der Annahme eines stillschweigenden Garantievertrages zugunsten des Beauftragten, um die Ersatzpflicht auch auf Schäden erstrecken zu können, die aus mit der Auftragsausführung verbundenen Gefahren resultieren 570 . Mit einer solchen Annahme eines Garantievertrages legt die Rechtsprechung demzufolge an dieser Stelle der Ersatzpflicht im Ausgangspunkt noch einen austauschvertraglichen Interessenausgleich über eine Risikoverteilung zugrunde und setzt demzufolge die Wahrnehmung jeweils eigener Interessen seitens des Auftraggebers und Auftragnehmers voraus 571 . Dieser argumentative Ausgangspunkt ist dem Gedanken einer durch das Eigeninteresse motivierten Substanzerhaltung, wie er dem konzernrechtlichen Verlustausgleich im Rahmen des §302 AktG immanent ist, diametral entgegengesetzt 572 . Auch die Weiterentwicklung der Rechtsprechung bleibt noch der Idee eines Interessenausgleichs und -gegensatzes zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im Rahmen des §670 BGB verhaftet, indem sie bewusst übernommene Vermögensschadensrisiken entsprechend freiwilligen Vermögensopfern behandelt 573 . Dieser Lösungsansatz stößt an Grenzen, die durch die Anknüpfung an Willenserklärungen oder zumindest Bewusstseinslagen gezogen ist, da er unvorhersehbare Schäden, wie insbesondere durch die Ungewissheit von Marktentwicklungen verursachte Vermögenseinbußen, nicht erfassen kann. Niederschlag finden diese Grenzen einer Anknüpfung an die Willenseinigung der Vertragsparteien auch in den frühen konzernrechtlichen Versuchen, die Rechtsfolgen der Konzernierung aus der zugrunde liegenden Einigung abzuleiten. Insbesondere Hamburger strapaziert den Parteiwillen aufs Äußerste, um eine Verlustausgleichspflicht der Obergesellschaft gegenüber der OrgangesellMotive II, S. 541. RG 21.12.1904, RGZ 122, 298, 303f., 305. 570 RG 31.3.1914, JW 1914,676; RG 28.11.1918, RGZ 94,169,170; RG 20.12.1924,JW 1927, 441; RG 2.11.1936, JW 1937, 152. 571 Zum Charakter des Garantievertrages als Interessenausgleich über eine bestimmte Risikoverteilung Palandt-Sprau §765 Rdnr. 16-21. 572 Zur durch das Eigeninteresse motivierten Substanzerhaltung beim konzernrechtlichen Verlustausgleich siehe oben l.a). 573 RG 7.5.1941, RGZ 167, 85, 89; BGH 28.3.1957, VersR 1957, 388, 390; BGH 23.8.1958, BGHZ 33,251,257; BGH 27.11.1962, BGHZ 38,270,277; BGH 19.5.1969, BGHZ 52,115,116; BGH 10.10.1984, BGHZ 92, 270, 271; BGH 18.9.1984, NJW 1985, 269; BGH 4.5.1993, NJW 1993,2234,2235; im Schrifttum ähnlichFikentscher, Schuldrecht 578f. (§ 82 17 b); demgegenüber für teleologische Extension Staudinger-Wittmann §670 Rdnr. 14. 568

569

432

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher Wirkung

schaft zu begründen, die nicht nur im ursächlichen Zusammenhang mit der Organtätigkeit stehende Verluste abdecken soll 574 . Darüber hinaus stützt er auch den Anspruch der Organgesellschaft auf den Ersatz öffentlicher Abgaben und Abschreibungen auf den Parteiwillen, da diese Beträge zur Substanzerhaltung seitens der Organgesellschaft letztlich im Interesse der Herrschaftsperson aufgewendet würden 575 . Flankiert wird diese auf den Parteiwillen gestützte Verlustausgleichsbegründung durch weitere Zurechnungsüberlegungen, die ebenfalls auf Gesichtspunkten der Vertragsauslegung und rechtsgeschäftlichen Rechtsscheinerwägungen basieren 576 . Diese Überlegungen betreffen insbesondere Dauerschuldverhältnisse mit einer konzernierten Gesellschaft, kartellvertragliche und arbeitsrechtliche Verpflichtungen sowie wettbewerbsrechtlich begründete Unterlassungspflichten im Konzern 5 7 7 . Die überwiegende Kritik an dieser Ableitung von Haftungsfolgen aus dem vermeintlichen Parteiwillen weist im Kern darauf hin, dass im Hinblick auf die Obergesellschaft nicht ohne weiteres von einem entsprechenden Interessengleichlauf mit der Organgesellschaft ausgegangen werden könne. In Orientierung an den haftungsrechtlichen Grenzen der juristischen Person lehnt Meise die aufgezeigten weitgehenden Haftungsfolgen für die Obergesellschaft ab 5 7 8 . Sie begründet dies damit, dass das Auftragsverhältnis keineswegs die Übertragung der Wirkungen jedes einzelnen Rechtsgeschäftes auf den Geschäftsherrn, sondern nur die des bilanzmäßigen Ergebnisses einer Geschäftsbesorgung zur Folge haben dürfe 579 . Zugrunde liegt dieser Kritik letztlich die Prämisse, dass es sich bei Auftraggeber und Beauftragtem um jeweils eigene Rechtspersönlichkeiten mit jeweils eigenen materiellen Interessen an dem abzuschließenden Geschäft handle 580 . Demzufolge scheitert der Versuch einer dem Parteiwillen verhafteten Begründung an der juristisch fundierten Abgrenzung der beteiligten Interessen. c) Risikozurechnung Interessengleichlaufs

aufgrund eines organisationsähnlichen im Rahmen eines auftragsrechtlichen Schadensersatzes

Erst bei neueren Begründungen einer allgemeinen Risikohaftung des Auftraggebers als einer Weiterentwicklung des § 670 B G B tritt diese juristisch fundierte AbHamburger, FS Seckel 261, 315. Hamburger, FS Seckel 261, 315. 576 Zusammenfassend zu dieser Diskussion Spindler 91-94. 577 Im Einzelnen hierzu Kronstein 88f. (Erstreckung kartellvertraglicher Verpflichtungen auf die Produktion von Tochtergesellschaften), 90 (Abhängigkeitsverhältnis als Geschäftsgrundlage eines Dauerschuldverhältnisses), 97f. (Erstreckung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche auf alle Konzerngesellschaften), 127-131 (Erstreckung des Auskunftsrechts des Betriebsrates auch auf andere Konzernbetriebe), 132f. (Erstreckung tarifvertraglicher Bindungen auf abhängige Konzerngesellschaften). 578 Meise 35-37. 579 Meise 35-37; ähnlich Sommer 11 f. 580 Meise 98f. 574 575

II.

Konzernhaftung

433

grenzung der beteiligten Interessen in den Hintergrund. Stattdessen wird ein Zurechnungsgedanke unter Hinweis auf die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur beschränkten Arbeitsnehmerhaftung fruchtbar gemacht, um eine Haftung des Geschäftsherrn für das besondere Tätigkeitsrisiko im Rahmen der Auftragsausführung zu begründen 5 8 1 . An die Stelle der Willenseinigung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem treten hier zwei eine Gefährdungshaftung begründende Zurechnungselemente, nämlich die Setzung einer Gefahr durch den Geschäftsherrn sowie der Nutzen, den der Auftraggeber aus der Auftragsdurchführung zieht 582 . Deutlich ist bei diesen Zurechnungselementen die argumentative Nähe zur Begründung einer Verlustausgleichspflicht mit Hilfe eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, wonach derjenige für die Verluste einstehen muss, der die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann und ihren Gewinn erhält 583 . Demgegenüber bleibt bei einer auftragsrechtlichen Risikozurechnung insoweit deutlicher ein Bezug zur ursprünglichen Auftragsvereinbarung gewahrt, als sich das zurechenbare Risiko nur anhand des spezifischen Tätigkeitsrisikos bei der Auftragsausführung bestimmen lässt 584 . Gleichwohl liegen die Prämissen hinsichtlich dieser ursprünglichen Auftragsvereinbarung beim Risikozurechnungskonzept anders als bei den eingangs erörterten Versuchen, § 670 B G B allein mit Hilfe von Kategorien der Willenseinigung der Parteien der Interessenlage anzupassen 5 8 5 . So ist die Orientierung an der ursprünglichen Willenseinigung für die Begründung eines Schadensersatzes im Rahmen des §670 B G B grundsätzlich der Prämisse einander entgegengesetzter Interessen verhaftet. Demgegenüber lässt sich bei der treffenderen Bestimmung einer Risikozurechnung anhand des auftragsspezifischen Tätigkeitsrisikos die Prämisse einer Interessenparallelität zwischen Geschäftsherrn und Beauftragtem ausmachen. Letztlich basiert der bei einer Risikozurechnung zugrunde gelegte Gleichlauf zwischen Risikobeherrschung und Geschäftsnutzen auf der Beurteilung der damit einhergehenden Anreizstruktur als angemessen für die Risikoverteilung 586 . Mit der Zugrundelegung dieser Anreizstrukturen nähert man sich der bereits an früherer Stelle herausgearbeiteten personengesellschaftstypischen anreizgestützten Verhaltenssteuerung 587 . Die damit einhergehende Interessenparallelität zwischen Geschäftsherrn und Beauf581 Canaris, R d A 1966,41,42—44; unter H i n w e i s auf eine E i n g r e n z u n g in A n l e h n u n g an § 110 H G B Genius, A c P 173 (1973) 481, 5 2 1 - 5 2 6 ; Latenz, Schuldrecht I I / l 4 1 8 f . ( § 5 6 III); s o a u c h B G H 5 . 1 2 . 1 9 8 3 , B G H Z 89, 153. 582 Canaris, R d A 1966, 41, 43. 5 8 3 H i e r z u siehe o b e n l . a ) . 584 Canaris, R d A 1 9 6 6 , 4 1 , 4 3 ; i m H i n b l i c k auf eine D i f f e r e n z i e r u n g z w i s c h e n § 6 7 0 B G B u n d einer allgemeinen R i s i k o h a f t u n g als B e g r ü n d u n g f ü r eine Verlustausgleichspflicht a u c h Bitter 391 f.; G r o ß K o m m H G B - W m e r A n h . § 105 R d n r . 7 4 . 5 8 5 Z u d e n e n t s p r e c h e n d e n K o n z e p t e n eines G a r a n t i e v e r t r a g e s u n d A n k n ü p f u n g e n an eine V e r t r a g s a u s l e g u n g s o w i e an R e c h t s s c h e i n s e r w ä g u n g e n siehe o b e n 2.b). 5 8 6 S o auch Canaris ( R d A 1 9 6 6 , 4 1 , 4 3 ) , der diesen Gleichlauf als » o b j e k t i v e s E l e m e n t « der R i s i k o z u r e c h n u n g f ü r seine K o n z e p t i o n z u g r u n d e legt. 5 8 7 H i e r z u ausführlich o b e n Z w e i t e r Teil III.B.2. u n d D .

434

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

tragtem erscheint daher als eine Annäherung an organisationsrechtliche Regelungsstrukturen. Dies entspricht arbeitsrechtlichen Befunden zum ebenfalls Risikozurechnungsgesichtspunkten verhafteten innerbetrieblichen Sachschadensausgleich 588 . U r sprünglich hat hier die Rechtsprechung zur Begrenzung der Haftung des Arbeitnehmers für die von ihm verursachten Sachschäden aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie aus dem Gebot einer angemessenen Verteilung des Betriebsrisikos die Grundsätze der schadensgeneigten oder auch gefahrgeneigten Arbeit entwickelt 5 8 9 . Mittlerweile nimmt die Rechtsprechung vom Tatbestandsmerkmal der gefahrgeneigten Arbeit Abstand und knüpft die Haftungsbeschränkung bei betrieblicher Tätigkeit des Arbeitnehmers an den Grad des Verschuldens 590 . Diese Haftungserleichterung ist in der Literatur mit dem personengesellschaftsrechtlichen Verschuldensmaßstab des §708 B G B verglichen worden 5 9 1 . Angedeutet ist damit die Entwicklung von einer Risikozurechnung zwischen zwei Parteien eines Austauschvertrages zu einer Risikovergemeinschaftung innerhalb einer Organisation in Gestalt einer Personengesellschaft 592 . Über die Fragen der Haftungserleichterung beim innerbetrieblichen Sachschadensausgleich hinaus lassen auch die personenrechtlichen Elemente in Form einer besonderen Treuepflicht im Arbeitsrecht auf eine Interessengleichrichtung der Parteien schließen, die eine Annäherung an organisationsähnliche Strukturen nahelegt 593 . 3. Risikovergemeinschaftung zwischen

organisationsähnlicher

und Risikozurechnung

heim

Struktur und vertraglicher

Verlustausgleich Einigung

Folgt man für die Begründung des Verlustausgleichs zugunsten der idealtypischen Kommanditgesellschaft mit konzernleitendem Kommanditisten diesem Risikozurechnungskonzept, lässt sich auch hier die Annäherung an organisationsähnliche Strukturen normativ erfassen. So kommt die Verknüpfung der Risikobeherrschung, der Nutznießung und der Verlusttragung auf Seiten des unternehmensleitenden Kommanditisten aufgrund einer Risikozurechnung zwar dem personengesellschaftsspezifischen Verhaltenssteuerungsmechanismus sehr nahe 5 9 4 . Gleichzeitig hat sich die Bestimmung des vom herrschenden Kommanditisten im Wege eines Verlustausgleichs zu tragenden Risikos an der Einigung der Ver5 8 8 Zur Parallelität des arbeitsrechtlichen innerbetrieblichen Sachschadensausgleich und einer Risikozurechnung im Auftragsverhältnis Canaris, RdA 1966,41,44-47; Genius, AcP 173 (1973) 481,497-503. 5 8 9 B A G 25.9.1957, J Z 1958, 254, 255. 5 9 0 Beschluss des B G H 21.9.1993, N J W 1994, 856; B A G 27.9.1994, N J W 1995, 210. 591 Adomeit 11 f.; kritisch hierzu Jochheim 201-208. 592 Zur Risikovergemeinschaftung als Kennzeichen konzern- und damit organisationsrechtlicher Haftung Hommelhoff, Z G R 1995, 395, 409. 5 9 3 Hierzu im Einzelnen Kulms 43-49; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000) 564, 582. 5 9 4 Hierzu im Einzelnen oben Zweiter Teil I I I . B . - D .

II.

Konzernhaftung

tragsparteien zu orientieren. D e r Bundesgerichtshof hat im Gervais-Urteil

435 neben

der Schadensersatzverpflichtung eine Verlustausgleichspflicht zugunsten der k o n zerneingebundenen Gesellschaft aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen gefolgert 5 9 5 . Lediglich für den besonderen Fall der G m b H & C o K G hält das Gericht eine Analogie zu § 302 A k t G obiter für möglich 5 9 6 . I m Ü b r i g e n bestimmt es die von der B e klagten im R a h m e n eines Verlustausgleichs zu tragenden Risiken unter enger B e zugnahme auf die zugrunde liegende Beherrschungs- und Eingliederungsvereinbarung 5 9 7 . So stünden die unkontrollierbaren Eingriffe in die Vermögenssubstanz des abhängigen Unternehmens und die daraus resultierende Existenzgefährdung im Widerspruch zu Sinn und Z w e c k des Beherrschungsvertrages. D e m z u f o l g e dient der Verlustausgleich hier der Abdeckung des beherrschungsvertragsspezifischen Risikos. In der Interessenlage entspricht dies einem Schadensersatz aufgrund der Zurechnung auftragsspezifischer Risiken zu Lasten des Geschäftsherrn. Letztlich ist damit die Risikozurechnung in Erweiterung des § 670 B G B als Rechtsgedanke auf den Verlustausgleich zugunsten der idealtypischen Kommanditgesellschaft mit unternehmensleitendem Kommanditisten anzuwenden. In ihrer Oszillation zwischen organisationsähnlicher Struktur und der Risikobestimmung anhand der vertraglichen Einigung wird sie den Eigenheiten der Einbindung einer idealtypischen Personengesellschaft in einen K o n z e r n in besonderer Weise gerecht. Die Ausrichtung an der konkreten individuellen Risikoverteilung in der Beherrschungsvereinbarung vermeidet die Pauschalität eines abstrakten Gefährdungstatbestandes, wie er durch § 302 A k t G exemplifiziert wird 5 9 8 . D i e Heranziehung der auftragsrechtlichen Risikozurechnung für den Verlustausgleich zugunsten einer idealtypischen Kommanditgesellschaft mit unternehmensleitendem Kommanditisten sichert im Ergebnis eine horizontale Risikoteilung, wie sie bereits allgemein für einen Verlustausgleich im Gleichordnungskonzern vorgeschlagen worden ist 5 9 9 . Sie befindet sich demzufolge im Einklang mit den oben angestellten Überlegungen zum Gleichordnungscharakter der Konzerneinbindung einer nicht kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft 6 0 0 . 595 BGH 5.2.1979, NJW 1980, 231, 232; zum Schadensersatzanspruch siehe oben Dritter Teil V.B.4. 596 BGH 5.2.1979, NJW 1980,231,232; gleichwohl gehen Assmann (JZ 1986,881,887); Gummen (WiB 1994, 217, 219)\ Jahraus (120) von einer eben solchen Analogie in der Entscheidung aus. 597 BGH 5.2.1979, NJW 1980,231,232; ähnlich, wenn auch unter Ausblendung der vertragsspezifischen Risikobestimmung, Bitter 389. 598 Dies ist Bitters Hauptargument gegen eine Anknüpfung an die Leitungsmacht beim Verlustausgleich (400-403); Heranziehung des Beherrschungsvertrages für Ausgleichspflicht des konzernleitenden Unternehmens gegenüber konzernierter Personengesellschaft mit dienendem Verbandszweck auch bei MüKoHGB-iWäftert KonzernR Rdnr. 227. 599 So zum Gleichordnungs-Vertragskonzern K. Schmidt, ZHR 155 (1991) 417, 429; für den einseitigen Verlustausgleich so K. Schmidt, FS Wiedemann 1199, 1218. 600 Zu den Überlegungen zum Gleichordnungscharakter der Konzerneinbindung einer Personenges'ellschaft siehe oben Dritter Teil V.

436

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Darüber hinaus stellt die schuldrechtliche Rechtsnatur als Anspruchsgrundlage sicher, dass im Verhältnis zu den Gläubigern nicht die Haftungsbeschränkung zugunsten der Kommanditisten gem. § 171 Abs. 1 H G B außer Kraft gesetzt und stattdessen eine allgemeine Korrelation von Nutzen und Risiko durch Verlustausgleich auch im Außenverhältnis hergestellt wird 6 0 1 . Aus diesem Grunde verdienen die Stimmen in der Literatur für eine Anwendung des § 303 AktG auch auf den Verlustausgleich der konzerneingebundenen Personengesellschaft aus der Sicht des hier vertretenen schuldrechtlich orientierten Lösungsansatzes keine Zustimmung 602 . Da der Verlustausgleich letztlich allein auf der schuldrechtlichen Beherrschungsvereinbarung der am Konzernverhältnis Beteiligten beruht, vermag er keine Auswirkungen für die Haftungsbeschränkung zugunsten des Kommanditisten gem. §171 A b s . l HGB im Außenverhältnis zu entfalten. Diese Grundlage personengesellschaftsspezifischer Konzerneinbindung kann nicht durch eine analoge Anwendung des § 303 AktG zugunsten der Gläubiger modifiziert werden 6 0 3 . Richtet man den Verlustausgleich in der idealtypischen Kommanditgesellschaft mit konzernleitendem Kommanditisten ungeachtet der Heranziehung allgemeiner organisationsnaher Risikozurechnungskonzepte letztlich an der Risikoverteilung in der Beherrschungsvereinbarung aus, so ergeben sich hieraus wichtige Weichenstellungen im Hinblick auf seinen Umfang 6 0 4 . So ist in der Literatur gegen §670 BGB als Anspruchsgrundlage für einen Verlustausgleich zugunsten der konzerneingebundenen Personengesellschaft eingewendet worden, dass dieser Verlustausgleich lediglich diejenigen Verluste abdecke, die auf die am Konzerninteresse orientierte Leitung durch den herrschenden Gesellschafter zurückzuführen sei 605 . Demgegenüber wird in der Gertws-Entscheidung aus dem Ausmaß der Einwirkungsbefugnis der Beklagten als herrschender Gesellschafterin deren Pflicht, die während der Dauer der Beherrschung entstehenden Verluste der ab-

601 Zu entsprechenden Bedenken einer Unterlaufung der Haftungsbeschränkung durch einen Verlustausgleich und daher nur für eine »Teilanwendung« der allgemeinen Rechtsgrundsätze Bitter 403-407. 602 So G r o ß K o m m H G B - t / W Anh. 105 Rdnr. 79; Kleindiek 235f. 603 So auch die Einwände gegen eine analoge Heranziehung des § 303 AktG bei Laule, FS Semler 541, 559f.; etwas anders begründete, aber letztlich ebenfalls auf die Außenwirkung abstellende Ablehnung einer Analogie zu §303 AktG bei Bitter 416-418; demgegenüber zur Begründung auf das Fehlen eines Vertrauenstatbestandes im Außenverhältnis mangels Publizität abstellend Baumgartl 118-120. 604 Zu Organisationsnähe und einzelvertraglicher Risikoverteilung beim Verlustausgleich in der beherrschten Kommanditgesellschaft siehe oben d). 605 GroßKommHGB-Ulmer Anh. § 105 Rdnr. 73; L ö f f l e r 91; Schießl 91 f.; demgegenüber positiv zu einer solchen Begrenzung des Verlustausgleichs im Interesse einer Kalkulierbarkeit des Risikos Laule, FS Semler 541, 558.

II.

Konzernhaftung

437

hängigen Gesellschaft vollumfänglich zu übernehmen, gefolgert 606 . Mit der Bestimmungsmacht der Unternehmensgesellschafterin über die Produktions-, Absatz- und Investitionspolitik des abhängigen Unternehmens geht hiernach deren Einstandspflicht für die gesamten Verluste einher 607 . Letztlich aus der beherrschungsvertraglichen Risikoverteilung leitet Kleindiek auch einen Liquiditätsschutz mit der Folge ab, dass das herrschende Unternehmen dafür zu sorgen habe, dass die abhängige Gesellschaft über ausreichende Liquidität verfüge, um immer ihre gegenwärtig fälligen Verbindlichkeiten uneingeschränkt erfüllen zu können 608 . Die Risikozuweisungen im Gervais-Urteil sowie auch bei Kleindiek verdeutlichen, dass der Einwand, eine auftragsrechtliche Riskozurechnung könne nur gezielt vom herrschenden Unternehmen steuerbare Vermögensnachteile erfassen, fehlgehen muss 609 . Bringt man im Rahmen des Auftragsrechts ein Risikozurechnungskonzept zum Tragen, so liegt dem als Zurechnungsgedanke nicht die tatsächliche Beherrschbarkeit des verwirklichten Risikos zugrunde, sondern das subjektive Zurechnungselement, dass der herrschende Gesellschafter am ehesten die Möglichkeit einer Beherrschung besitzt 610 . Im Lichte der begrenzten Rationalität aller Marktteilnehmer sind die hier interessierenden eingegangenen Marktrisiken letztlich von niemandem beherrschbar 611 . Beim Verlustausgleich aufgrund einer Risikozurechnung handelt es sich nicht um eine Verschuldenshaftung, sondern um eine Risikozuweisung 612 . Nimmt man den dabei zugrunde gelegten Gleichlauf von Chance und Risiko ernst, so ist eine Verlusttragung durch den konzernleitenden Gesellschafter nicht nur bei tatsächlicher Risikobeherrschung zu bejahen. Stattdessen ist in Ubereinstimmung mit der Gerwi's-Entscheidung darauf abzustellen, ob der von den Verlusten betroffene Geschäftsbereich der Bestimmungsbefugnis des Unternehmensgesellschafters unterliegt 613 . In dem Maße, in dem der Kommanditist durch seine Unternehmensleitungsbefugnisse für das Geschäftsverhalten der konzerneingebundenen Gesellschaft an die Stelle von Markteinflüssen tritt, hat er demzufolge eine Verwirklichung der damit verbundenen

6 0 6 B G H 5.2.1979, NJW 1980, 231, 232; zur Entscheidung bereits oben d) und Dritter Teil V.B.4. 607 B G H 5.2.1979, N J W 1980, 231,232. 608 Kleindiek 162-197. 6 0 9 So ausdrücklich Laule, FS Semler 541, 558. 6 1 0 Deutlich so Canaris, RdA 1966, 41, 43. 611 Zur begrenzten Rationalität als Grundbedingung wirtschaftlichen Handelns Erster Teil II.A.2.a. 6 1 2 Erfasst auch als Gegensatz zwischen Verschuldens- und Strukturhaftung z.B. bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 1236 (§39 III 4 c). 6 1 3 So unter Hinweis auf die Bestimmungsmacht der herrschenden Gesellschafterin über die Produktions-, Absatz- und Investitionspolitik des abhängigen Unternehmens B G H 5.2.1979, N J W 1980, 231,232.

438

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Marktrisiken im Wege des Verlustausgleichs zu tragen 6 1 4 . D a m i t zeigt sich auch an dieser Stelle die der Haftung zugrunde liegende Struktur einer doppelten Marktschwäche, nämlich in der keinen marktlichen Einflüssen unterliegenden Einwirkung des herrschenden Gesellschafters auf die Gesellschaft, deren negative Folgen auf die Gläubiger abgewälzt zu werden drohen 6 1 5 . D i e Risikotragung im Einzelnen versteht sich damit als Ergebnis einer Auslegung der beherrschungsvertraglichen Einwirkungsbefugnisse des herrschenden Gesellschafters. Zieht man für die Bestimmung des Umfangs des Verlustausgleichs die R i s i k o verteilung im zugrunde liegenden Vertrag zwischen Kommanditgesellschaft und herrschendem Kommanditisten heran, so stellt sich die weiter gehende Frage, o b die Parteien diesen Verlustausgleich auch auf null reduzieren, nämlich abbedingen können. Zunächst einmal erscheint eine solche gesellschaftsvertragliche A b dingbarkeit als logische Konsequenz der Maßgeblichkeit der vertraglichen Risikoverteilung für den Anspruchsinhalt 6 1 6 . Gleichwohl rückt bei einer solchen vertraglichen Gestaltung die Lage des unbeschränkt haftenden Komplementärs, insbesondere in seiner Eigenschaft als natürliche Person, ins Blickfeld. Bereits für den außenstehenden O H G - G e s e l l s c h a f t e r ist oben die Sittenwidrigkeit einer B e herrschungsvereinbarung gem. § 1 3 8 Abs. 1 B G B wegen Selbstauslieferung an den herrschenden Gesellschafter erörtert worden 6 1 7 . Hierbei erwies sich wegen des verbleibenden Insolvenzrisikos zu seinen Lasten auch eine Freistellungsvereinbarung als nicht geeignet, die Sittenwidrigkeit zu kompensieren. Wenn schon ein verbleibendes Insolvenzrisiko eine gem. § 1 3 8 Abs. 1 B G B

sittenwidrige

Selbstauslieferung des persönlich haftenden Gesellschafters begründet, so hat dies erst recht auch für einen vollständigen Ausschluss jeglichen Verlustausgleichs der Gesellschaft zu gelten 6 1 8 . Aus der Sicht des Komplementärs fragt sich allerdings, inwieweit nicht ein Freistellungsanspruch gegen den unternehmensleitenden Kommanditisten zu seinen Gunsten das Fehlen einer Verlustausgleichspflicht zugunsten der Gesellschaft kompensieren könnte 6 1 9 . Zwar bietet der individuelle Freistellungsan614 Ähnlich umfassend der Verlustausgleich bei Reuter (ZHR 146 [1982] 1,22), der dem herrschenden Gesellschafter ebenfalls das Risiko des Misserfolgs eines Handelns am Markt unter Unsicherheit zuweisen will. 615 Zur doppelten Marktschwäche als Kennzeichen einer unbeschränkten Haftung des Gesellschafters siehe oben I. 616 Vorbehaltlich genauer umschriebener Ausnahmen für eine grundsätzliche Verzichtbarkeit des Verlustausgleichs Baumbach/Hopt % 105 Rdnr.104; Bitter 408-412; GroßKommHGB-Mmer Anh. § 105 Rdnr. 76; Schlegelherger-Martens Anh. § 105 Rdnr. 41. 617 Hierzu siehe oben Dritter Teil III.A.4.b). 618 Im Ergebnis so auch Baumhach/Hopt § 105 Rdnr. 104; Bitter 409-411; GroßKommHGBUlmer Anh. § 105 Rdnr. 76; Kleindiek 153f.; Laule, FS Semler 541, 559; Reuter, ZHR 146 (1982) 1,22; Schlegelherger-Martens Anh. § 105 Rdnr. 41; ähnlich für die Nichtanerkennung des Willens zur Haftungssegmentierung im Rahmen des Verlustausgleichs gem. §670 BGB K. Schmidt, FS Wiedemann 1199, 1218 f. 619 Ähnlich Schlegelberger-Martens Anh. § 105 Rdnr.41; a.A. Bitter 409f.

II. Konzernhaftung

439

Spruch des Komplementärs der Gesellschaft keinen Schutz vor einer Ausplünderung ihrer Vermögenssubstanz durch den herrschenden Kommanditisten 6 2 0 . D i e sem Schutz dient jedoch auch das Sittenwidrigkeitsurteil gem. § 1 3 8 B G B bei Selbstauslieferung des Komplementärs nicht, da es lediglich auf die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Komplementärs abzielt, nicht aber auf den Erhalt der Kommanditgesellschaft 6 2 1 . Wie bereits anhand der Einlagen- und Kapitalerhaltung in der Kommanditgesellschaft mit natürlichen Personen als Komplementären dargestellt, kennt das R e c h t der Kommanditgesellschaft im Gegensatz zum R e c h t der G m b H keinen Schutz der Vermögenssubstanz, sondern beruht auf der Steuerungsmechanik unbeschränkter persönlicher Haftung 6 2 2 . Insoweit erweist sich der Individualschutz des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft mit konzernleitendem Kommanditisten im Wege eines Verlustausgleichs oder eines Freistellungsanspruchs lediglich als Instrument zur Absicherung dieser Steuerungsmechanik, die auf einem Ineinandergreifen von Unternehmensleitung und persönlicher Haftung beruht 6 2 3 . Schließlich ist noch fraglich, inwieweit sich der Komplementär überhaupt auf die Sittenwidrigkeit der Abbedingung des Verlustausgleichs oder einer gleichwertigen Kompensation in Anbetracht der Sittenwidrigkeit der gesamten Beherrschungsvereinbarung berufen und einen Ausgleich verlangen kann. Bereits oben ist die Sittenwidrigkeit gem. § 1 3 8 B G B einer solchen Beherrschungsvereinbarung an die Weisungsbefugnis des Unternehmensgesellschafters mit entsprechender Nichtigkeitsfolge für die gesamte Beherrschungsvereinbarung geknüpft w o r den 6 2 4 . D i e Argumentation auf der Grundlage einer Teilnichtigkeit gem. § 1 3 9 B G B geht an dieser Stelle fehl, da § 139 B G B eine Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts und die Bestandsfähigkeit des verbleibenden Restgeschäftes nach Abtrennung des nichtigen Teils voraussetzt 6 2 5 . G e h t man jedoch von der Sittenwidrigkeit der gesamten Beherrschungsvereinbarung aus, lässt sie sich nicht unter Hinweis auf § 1 3 9 B G B in Teilen aufrechterhalten. F ü r die Interessenlage der Beteiligten ist freilich zu beachten, dass die Gesamtnichtigkeit der Beherrschungsvereinbarung der Kommanditgesellschaft bzw. dem Komplementär nichts mehr nützt, wenn erst der Verlustfall eingetreten ist 6 2 6 . Ähnlich wie bei in Vollzug gesetzten D a u e r schuldverhältnissen ist bei dieser Sachlage die Unwirksamkeit ex nunc als M ö g lichkeit in Betracht zu ziehen, die Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden Ver-

So die Kritik bei Bitter 409f. Zu dem Schutz dieser wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eines persönlich haftenden Gesellschafters siehe schon oben Dritter Teil III.A.4.b). 622 Hierzu oben A.2. 623 Zu dieser Steuerungsmechanik siehe oben Zweiter Teil III.B. 624 Siehe oben Zweiter Teil III.A.4.b). 625 BGH 14.2.1962, NJW1962,912,913; zu dieser Argumentation Reuter, ZHR 146 (1982) 1, 620 621

22. 626

So auch Reuter, ZHR 146 (1982) 1, 22.

440

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

einbarung geltend zu machen 627 . In Anbetracht der sich aufgrund der Sittenwidrigkeit ergebenden Regelungslücke im Hinblick auf die in Vollzug gesetzte Beherrschungsvereinbarung erscheint eine Regelung nach den Grundsätzen sinnvoll, die der Risikoverteilung der Vertragsparteien zugrunde liegen628. B. Der Verlustausgleich in der kapitalistisch GmbH & Co KG als Grenze ihrer materiellen

strukturierten Verselbständigung

1. Ausgangsfrage: Die Verselbständigung der beherrschten GmbH & Co KG von der zugrunde liegenden Beherrschungsvereinbarung Welche Unterschiede ergeben sich nun aus der kapitalistischen Struktur für den Verlustausgleich in der GmbH & Co KG gegenüber der austauschvertraglich abgeleiteten Risikoverteilung in der konzerneingebundenen Kommanditgesellschaft mit unternehmensleitendem Kommanditisten? Eine solche Unterscheidung hat sich insbesondere an den bereits aufgezeigten strukturellen Unterschieden zwischen idealtypischer personalistisch strukturierter Kommanditgesellschaft und kapitalistisch strukturierter GmbH & Co KG auszurichten. Die Gestaltung des Beherrschungsverhältnisses in der idealtypischen Kommanditgesellschaft ist durch deren personalistische Struktur geprägt 629 . Mangels Zusammenhangs zwischen Stimmrechtseinfluss und Beteiligungshöhe (§§ 709 BGB, 119 HGB) beruht die Konzernleitung hier auf der gesellschaftsvertraglichen, aber nur schuldrechtlich wirkenden Übertragung weitgehender Geschäftsführungsbefugnisse auf den Kommanditisten 630 . Demgegenüber ist in der kapitalistisch strukturierten GmbH & Co KG die Beherrschungsgestaltung bereits mit der kapitalistischen Struktur angelegt. Sie verknüpft die Stimmrechtsmacht mit der kapitalmäßigen Beteiligungshöhe 631 . In Verbindung mit der weitgehenden Geltung des Mehrheitsprinzips zieht dies die Fingierung eines Anteilsmarktes und eine entsprechende Verteilung der daran anknüpfenden faktischen Verfügungsmacht über das Unternehmen nach sich632. Mit dieser Fingierung eines Anteilsmarktes löst sich die beherrschende Gesellschafterstellung in der GmbH & Co KG von einer vertraglichen Risikoverteilung auf der Grundlage der Einräumung weitrei627 Für Gesellschaftsverträge B G H 12.2.1973, WM 1973, 900, 902; B G H 8.4.1976, DB 1976, 2106, 2107; für Arbeitsverträge BAG 10.3.1960, M D R 1960, 612. 628 So auch für langfristige Schuldverträge Kulms 242f. 629 Zur Prägekraft der personalistischen Struktur für die Beherrschungsgestaltung siehe oben Dritter Teil II.B.3. 630 Zum Zusammenhang zwischen Stimmrechtseinfluss, Beteiligungshöhe einerseits und der gesellschaftsvertraglichen Einräumung weitgehender Geschäftsführungsbefugnisse andererseits siehe oben Dritter Teil H.B.4.; zur damit einhergehenden Unterscheidung zwischen Vertragsund Nichtvertragskonzern auf der Grundlage einer beherrschungsvertraglichen Erlaubnis für GmbH-KonzernR Rdnr. 35. die Ausübung der Konzernleitung Baumbach/Hueck-Zöllner 631 Zur kapitalistischen Struktur im Einzelnen siehe oben Dritter Teil II.B.3. 632 Zu diesen Zusammenhängen siehe oben Dritter Teil II.B.3. und 5.

II.

Konzernhaftung

441

chender Geschäftsführungsbefugnisse des herrschenden Gesellschafters, wie sie dem auftragsrechtlichen Verlustausgleich zugrunde liegt 633 . Für die Konzerneinbindung der kapitalistisch strukturierten G m b H & C o K G ist daher die entscheidende Frage, in welchem Umfang dieser fingierte Marktmechanismus eine Verselbständigung der Gesellschaft von der zugrunde liegenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung zur Folge hat. Eine Verselbständigung durch Objektivierung liegt der Auslegung von Gesellschaftsverträgen von Publikumspersonengesellschaften durch die Rechtsprechung zugrunde. Die Zwischenstellung der Publikumspersonengesellschaft zwischen Körperschaft und Personengesellschaft zeigt sich hier insbesondere an der maßgeblichen Unterscheidung, die Karsten Schmidt in Anlehnung an Reuters Klassifizierung in Vertrags- und Satzungsgesellschaften bei der Auslegung trifft 634 . Hiernach bindet eine Satzungsregelung im materiellen Sinne den Gesellschafter kraft Mitgliedschaft, während die bloße Vertragsregelung ihre Verbindlichkeit allein der Vereinbarung der Beteiligten verdankt 635 . Entsprechend unterscheidet auch die Rechtsprechung zur Auslegung der Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften zwischen individualrechtlichen Bestandteilen des Gesellschaftsvertrages und objektiv auszulegenden körperschaftlichen Satzungsbestandteilen 636 . Indem die objektive Auslegung unter Außerachtlassung der Entstehungsgeschichte allein unter Zugrundelegung des Vertragstextes die Rechte und Pflichten der Gesellschafter festlegt, schafft sie Gewissheit über deren Umfang und trifft damit gleichzeitig Festlegungen in Bezug auf die Risikoverteilung zwischen den Gesellschaftern 637 . Die Objektivierung leitet im wirtschaftlichen Ergebnis Markteinflüsse über die Gewinnbeteiligung und etwaige Nachschusspflichten an die Gesellschafter weiter 638 . Grenzen einer solchen Verselbständigung der Mitgliedschaftsrechte durch Objektivierung ergeben sich allerdings aus der Ausstrahlungswirkung der GmbH-spezifischen Kapitalerhaltungsregeln gem. §30, 31 G m b H G auf die G m b H & C o KG 6 3 9 . So führt der Empfang von Zahlungen aus dem Stammkapital bei Überschuldung zur Aufhebung der materiellen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen des betroffenen Gesellschafters 640 . Dasselbe gilt für den an einem existenzgevernichtenden Eingriff mitwirkenden Gesellschafter 641 . Hierzu im Einzelnen siehe A.. Zur genannten Unterscheidung Reuter 62; entsprechende Inbezugnahme bei der Auslegung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 90 (§5 I 4. b). 635 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 82f. (§5 12. c). 636 B G H 27.1.1975, WM 1975, 662. 637 Zu dieser Funktion und Wirkungsweise der objektiven Auslegung im Einzelnen Kulms 197f. 638 Kulms 197f. 639 Hierzu Vierter Teil III. 640 Hierzu oben Vierter Teil III.A.3.a). 641 Hierzu oben Vierter Teil III.A.3.c). 633 634

442

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

Das so umschriebene Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftsvertraglicher Objektivierung und ihren Grenzen aufgrund der Kapitalerhaltungsregeln wird bei der Konzerneinbindung auf die Probe gestellt. Für den Verlustausgleich zugunsten der konzerneingebundenen G m b H & C o K G hätte eine Objektivierung zur Folge, dass die mit einer auftragsrechtlichen Zurechnung für die idealtypische Kommanditgesellschaft mit unternehmensleitendem Kommanditisten in Bezug genommene vertragliche Risikoverteilung nicht mehr maßgeblich sein könnte. Den Umfang einer solchen Verselbständigung gilt es nun im Einzelnen auszuloten. Anhand der früheren Diskussion zum qualifizierten faktischen G m b H - K o n zern sollen zunächst die Ausgangspunkte für Ausmaß und Grenzen der Verselbständigung von ihren Gesellschaftern aufgezeigt werden (dazu 2.). Welcher Art musste hiernach die Ausübung von mitgliedschaftlichen Leitungsbefugnissen durch den herrschenden Gesellschafter sein, um Verlustausgleichsfolgen und damit letztlich eine Aufhebung der Vermögenstrennung herbeiführen zu können? Letztlich beleuchtet die hier anzutreffende Missachtung der Autonomie der G m b H durch deren Gesellschafter schlaglichtartig allgemein gültigere Grenzen einer organisationsrechtlichen Verselbständigung. Daher legt dieser konzernrechtliche Ausgangspunkt erste dogmatische Grundlagen, um schließlich allgemeinere Grenzen der Organisation im G m b H - R e c h t entwickeln zu können (dazu 3.), wie sie sich seit der BGH-Entscheidung » B r e m e r Vulkan«

abzeichnen 6 4 2 .

Den so gewonnenen Bestimmungsfaktor materieller Verselbständigung gilt es schließlich für die Frage nach den Grenzen einer verselbständigten Konzerneinbindung der G m b H & C o K G nutzbar zu machen (dazu 4.).

2. Die Grenzen organisationsrecbtlicher Verselbständigung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern als Ausgangspunkt Zwar ist die Rechtsfigur des qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n s nach der Bremer

-Entscheidung zur Haftung wegen Existenzvernichtung über-

holt 6 4 3 . Bis dahin bezeichnete auch die qualifizierte faktische Konzernierung einer G m b H die Grenze organisationsrechtlicher Konzerneinbindung, wenn das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft unter nachhaltiger Beeinträchtigung von dessen Eigeninteressen ohne beherrschungsvertragliche Grundlage in einer Weise leitete, die mangels Isolierbarkeit der Nachteile einen Einzelausgleich in Gemäßheit der §§311 ff. A k t G unmöglich machte 6 4 4 . Die einschlägige Diskussion beleuchtet demnach schlaglichtartig die Entwicklung von einer B G H 17.9.2001, DStR 2001, 1853. B G H 17.9.2001, DStR 2001, 1853; im Schrifttum so im Vorfeld bereits Mülbert, DStR 2001,1937,1946f.; Röhricht, FS B G H 83,111 f.; im Anschluss an die Entscheidung so Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1838; Bitter, W M 2001, 2133; Hoffmann, N Z G 2002, 68f.; Kessler, G m b H R 2001, 1095, 1097. 6 4 4 Entsprechende Annäherung an den Begriff des qualifizierten faktischen Konzerns bei Emmerich/Habersack-Habersack Anh. II §318 Rdnr. 1; MüKoAktG-Kropff $3\7 Anh. Rdnrn. l f . 642

643

II.

443

Konzernhaftung

objektivierenden Anlehnung an eine beherrschungsvertragliche Grundlage bis zur Herauskristallisierung materieller Kriterien für die G r e n z e n einer außenwirksamen Trennung von Vermögensmassen (dazu a.). Insoweit lassen sich die Entwicklungen zum qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n (dazu b) mit ihrem vorläufigen Abschluss in der Bremer

VW&aw-Rechtsprechung als gedanklich

notwendige dogmatische Schritte zur Klärung der Grenzen organisationsrechtlicher Verselbständigung (dazu c) heranziehen.

a) Bezugspunkte der Ausübung mitgliedscbaftlicber (1) Beherrschungsvertragliche

Anknüpfung

Leitungsbefugnisse

- »Vertragsprinzip«64\

Uber die

Bindung der Haftungsfolgen einer qualifizierten faktischen Konzerneinbindung an beherrschungsvertragliche Risikoverteilungen kann die Anlehnung ihrer Rechtsfolgen an den beherrschungsvertraglichen Verlustausgleich gem. § 3 0 2 A k t G in der Literatur Aufschluss geben. D i e strategische Ausrichtung der U n t e r nehmensleitung im qualifizierten faktischen K o n z e r n bestätigt letztlich die frühe Kritik an der Leistungsfähigkeit der Nachteilsausgleichsregelung der § § 3 1 1 ff. A k t G 6 4 6 . D i e Lösungsvorschläge aus der Sicht des Vertragsprinzips orientieren sich für die Haftung eng am Beherrschungsvertrag und der zugrunde liegenden Prämisse, dass die Minderheit nicht unter Außerkraftsetzung des Haftungssystems der § § 3 1 1 ff. A k t G ohne vollen Nachteilsausgleich geschädigt werden dürfe 6 4 7 . Als Rechtsfolge legt diese Überlegung im wirtschaftlichen Ergebnis eine Parallelität zur Haftungslage im Vertragskonzern mit dem entsprechenden Verlustausgleich gem. § § 3 0 2 f . A k t G nahe 6 4 8 . U m diese Parallelität auch dogmatisch absichern zu können, gehen einige Ansätze zur rechtlichen Würdigung einer qualifizierten faktischen Konzernierung jedenfalls dann von einem konkludent abgeschlossenen Beherrschungsvertrag aus, wenn dieser nicht, wie insbesondere bei der G m b H , an formalen Erfordernissen des Abschlusses etwa im A k t i e n k o n zernrecht ( § § 2 9 3 , 83 Abs. 1 S . 2 und 3 A k t G ) scheitern muss 6 4 9 . Eine ähnliche (beherrschungs-)vertragliche Grundlage setzen auch diejenigen Stimmen voraus, die den Verlustausgleich im qualifizierten faktischen G m b H K o n z e r n auf ein auftragsähnliches Verhältnis und den damit verbundenen A u f wendungsersatz stützen 6 5 0 . Schließlich sind auch diejenigen Autoren beherrschungsvertraglichen Grundlagen verhaftet, die mit einer Pflicht des herrschen645 Unterscheidung zwischen Vertrags- und Faktizitätsprinzip in Anlehnung an Schilling, FS Hefermehl 383, 391-394. 646 Zu dieser Kritik Emmerich/Sonnenschein1206-208; KK-Biedenkopf/Cahn Vorbem. §311 Rdnrn. 4; Martens, DB 1970, 865, 866f.; Mestmäcker, FG Kronstein 129, 139-145; zur neueren Tendenz einer positiveren Beurteilung MüKoAktG-&oß^Vor §311 Rdnrn. 28f. 647 Emmerich, AG 1975, 285, 287. 648 Emmerich, AG 1975, 285, 287. 649 Emmerich, AG 1975, 285, 288f.; Flume, Die juristische Person 130. 650 Altmeppen 74-76; Schilling, FS Hefermehl 383, 389; Wilhelm, DB 1986, 2113, 2116f.

444

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

den Unternehmens zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages argumentieren und hieraus eine Verlustausgleichspflicht nach §302 A k t G ableiten 651 . Dieser Auffassung liegt letztlich das Argument zugrunde, dass die Besserstellung des qualifizierten faktischen Konzerns gegenüber dem Vertragskonzern jedenfalls nicht der gesetzgeberischen Absicht entspreche 652 . Wer sich verhalte, als ob ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen worden sei, müsse sich am beherrschungsvertraglichen Legitimationserfordernis seiner Unternehmensleitung festhalten lassen 653 . Mit dieser Gleichsetzung parallelisiert dieser Ansatz die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten des herrschenden Gesellschafters mit einer beherrschungsvertraglich legitimierten Ausübung von Konzernleitungsmacht. Hierauf stützt er sodann den Verlustausgleich und die damit einhergehende Aufhebung der Trennung von Vermögensmassen. Dabei bleibt jedoch die Frage nach der genauen rechtlichen Qualifizierung der zugrunde liegenden Ausübung von Mitgliedschaftsrechten offen, die eine solche Verlustausgleichspflicht nach sich zieht 654 . (2) Anknüpfung an die materielle Selbständigkeit der Gesellschaft. Von diesem beherrschungsvertraglichen Legitimationserfordernis löst sich der Regierungsentwurf (RE) zu einer umfassenden GmbH-Reform von 1972, der freilich nicht als Gesetz verabschiedet worden ist 655 . § 254 Abs. 2 R E knüpft bereits an die Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf die abhängige Gesellschaft die widerlegliche Vermutung, »... dass ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine zu ihrem Nachteil getroffene oder unterlassene Maßnahme von dem herrschenden Unternehmen veranlasst worden ist ,..« 6 5 6 . Als Rechtsfolge dieser qualifizierten faktischen Konzernierung sieht der Regierungsentwurf in §254 A b s . l eine Ersatzpflicht des herrschenden Unternehmens bei Nachteilszufügung vor 6 5 7 . Mit seiner Charakterisierung des Kriteriums der »Qualifizierung« in §254 Abs. 1 R E

651 Bollmann 44; Ebenroth, A G 1990, 188, 192; Heyder 153f.; Martens, D B 1970, 865, 868f.; MüKoAktG-ifrop/f §317 Anh. Rdnrn. 50-53; Paehler 171. 652 Ebenroth, A G 1990, 188, 193. 6 5 3 M ü K o A k t G - . & o / # § 3 1 7 Anh Rdnr.52. 6 5 4 Ahnlich unter Hinweis auf die Unterschiede aktienrechtlicher beherrschungsvertraglich fundierter Leitungsmacht und der Leitungsmacht in der Personengesellschaft und der G m b H Bitter 429. 6 5 5 BT-Drucks. VI/3088; zur Entwicklung dieser Reform siehe Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich Einl Rdnrn l l f . ; / . Meyer 691-697. 6 5 6 Regierungsentwurf, BT-Drucks. VI/3088, S.69. 6 5 7 Der ausdrücklich geregelte Tatbestand des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns ist nach dieser Vorschrift dann erfüllt, wenn »... ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, (veranlasst), ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne dass es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt ...« (Regierungsentwurf, BT-Drucks. VI/3088, S.69).

II. Konzernhaftung

445

verdeutlicht der die Reform wissenschaftlich begleitende Arbeitskreis GmbHReform die entscheidende Lösung von beherrschungsvertraglichen Legitimationskonzepten 658 . Hiernach gibt die Qualifizierung »... die Grenze an ..., jenseits derer die juristische Person zwar noch formell (in ihrer Rechtsfähigkeit und Organisation), aber nicht mehr materiell als selbständig anerkannt werden kann, weil in wirtschaftlicher Sicht eine Interesseneinheit mit dem herrschenden Unternehmen vorliegt ,..« 659 . Damit ergibt sich ein Gleichlauf zwischen der Eigenständigkeit der wirtschaftlichen Interessen der konzerneingebundenen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen und ihrer materiellen Selbständigkeit. Folglich fällt umgekehrt beim Wegfall wirtschaftlicher Eigenständigkeit die Haftungsfolge mit den Grenzen der materiellen Verselbständigung der Gesellschaft zusammen. Dies läuft darauf hinaus, dass das Bezugsobjekt der qualifizierten Beherrschung - die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Gesellschaft - identisch ist mit dem Bezugsgegenstand der zugrunde liegenden Ausübung von Mitgliedschaftsrechten. Auf der Tatbestands- und der Rechtsfolgenseite des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns findet sich die Selbständigkeit der Gesellschaft als maßgeblicher Bestimmungsfaktor. Wie lassen sich bei dieser Sachlage die Voraussetzungen einer qualifizierten Beherrschung und ihrer Kehrseite, einer materiellen Verselbständigung, autonom bestimmen 660 ? (3) Struktur- und Verhaltenshaftung. In der Literatur stehen sich Ansätze einer Strukturhaftung und solche einer Verhaltenshaftung gegenüber. Die Vertreter einer Strukturhaftung begründen die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern letztlich mit dem mit dem Vertragskonzern des Aktienrechts vergleichbaren Schutzbedürfnis 661 . Die statusverändernde Unterstellung der abhängigen GmbH unter die Konzernleitung des herrschenden Unternehmens ziehe daher einen globalen Ausgleich im Wege des Verlustausgleichs gem. §302 AktG analog nach sich. Anders sieht der Anknüpfungspunkt für die Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern dagegen für die Vertreter einer Verhaltenshaftung aus 662 . Sie leitet zum Teil aus dem Prinzip des Einzelausgleichs im faktischen Konzern die Fehlerhaftigkeit einer Konzerngeschäftsführung ab, die einen solchen Einzelausgleich aufgrund ständiger Eingriffe praktisch ausschließe 663 . 658 Einschlägige Vorschrift im Regierungsentwurf, BT-Drucks. VI/3088, S. 69; wissenschaftliche Begleitung in Arbeitskreis GmbH-Reform 47. 659 Arbeitskreis GmbH-Reform 67. 660 Als Problem im Hinblick auf die Ubertragbarkeit der aktienrechtlichen Regelung angedeutet bei Bitter 429. 661 Z.B. Assmann, JZ 1986,928,934f.;Priester, ZIP 1986,137,142; K. Schmidt, ZGR 1983,513, 519; Ulmer, ZHR 148 (1984) 391, 424f. 662 Z.B. Lutter, ZGR 1982, 244, 266f.; Schwark, JuS 1987, 443, 449; Timm, NJW 1987, 977, 982f. 663 Lutter, ZGR 1982, 244, 264.

446

4. Teil: Haftung als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

A n d e r e S t i m m e n eines V e r h a l t e n s h a f t u n g s k o n z e p t e s s t ü t z e n einen V e r l u s t a u s g l e i c h s a n s p r u c h auf die v e r f a h r e n s r e c h t l i c h e n S c h w i e r i g k e i t e n , s u b s t a n z i i e r t die Voraussetzungen

einer haftungsauslösenden

Treuepflichtverletzung

darzule-

g e n 6 6 4 . D a h e r sei die q u a l i f i z i e r t e K o n z e r n e i n b i n d u n g als G e f ä h r d u n g s h a n d l u n g e i n z u s t u f e n , die m a n g e l s zuverlässiger S c h ä t z b a r k e i t der E i n b u ß e n eine g l o b a l e V e r l u s t a u s g l e i c h s p f l i c h t n a c h sich z i e h e . A u c h diese s t r u k t u r e l l e n b z w . v e r h a l t e n s g e s t e u e r t e n S c h u t z b e d ü r f n i s s e der b e h e r r s c h t e n G m b H lassen die S c h w i e r i g k e i t e n einer v o n d e r z u g r u n d e l i e g e n d e n A u s ü b u n g der M i t g l i e d s c h a f t s r e c h t e l o s g e l ö s t e n t a t b e s t a n d l i c h e n Q u a l i f i z i e r u n g a u f s c h e i n e n . Sie z i e h e n sich als r o t e r F a den d u r c h die R e c h t s p r e c h u n g des B G H .

b) Entscheidungsgrundlagen zum qualifizierten faktischen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

GmbH-Konzern

D i e s e R e c h t s p r e c h u n g o s z i l l i e r t e in seinen G r u n d l a g e n e n t s c h e i d u n g e n z u m q u a lifizierten f a k t i s c h e n G m b H - K o n z e r n z w i s c h e n S t r u k t u r - u n d V e r h a l t e n s h a f t u n g s k o n z e p t e n 6 6 5 . Sie m ü n d e t e in die ab 1 9 9 3 bis z u r Bremer

VW&rfw-Entschei-

dung 2001 maßgebende 77?5-Entscheidung666. I m Vergleich zur vorhergehenden R e c h t s p r e c h u n g z u m q u a l i f i z i e r t e n f a k t i s c h e n G m b H - K o n z e r n ist in d i e s e r E n t s c h e i d u n g die V e r s c h i e b u n g des V e r l u s t a u s g l e i c h s v o n einer s c h w e r p u n k t m ä ß i gen S t r u k t u r h a f t u n g z u einer s c h w e r p u n k t m ä ß i g e n V e r h a l t e n s h a f t u n g e n t s c h e i d e n d 6 6 7 . D i e K o n z e r n h a f t u n g des h e r r s c h e n d e n U n t e r n e h m e n s w i r d n i c h t m e h r

Schulze-Osterloh, Z G R 1983, 123, 153f., 156. B G H 16.9.1985, B G H Z 95, 330 (»Autokran« - Strukturhaftung), stärkere Betonung des Gläubigerschutzes als Zielrichtung des Verlustausgleichs in Analogie zu §302 AktG Assmann, J Z 1986, 928, 936; Einstufung als Mittelweg bei Bitter 436; entsprechende Kennzeichnung des Vorgehens des B G H in zwei Schritten einer Anknüpfung zunächst an der Struktur und dann an der konkreten Geschäftsführung bei Kleindiek 268; ähnlich auch Lutter, ZIP 1985, 1425, 1429; stattdessen Einordnung als Verschuldenshaftung mit Exkulpationsmöglichkeit des herrschenden Gesellschafters bei K. Schmidt, ZIP 1989, 545, 550f.; deutlich bei der Kritik bei H.P. Westermann (Heidelberger Konzernrechtstage 21, 32-35), der Zweifel an der effektiven Gefährdung der Eigeninteressen der Tochtergesellschaft allein durch Organisation und Konzernaufbau äußert; demgegenüber stärker den Gläubigerschutz in das Zentrum des Verlustausgleichs rückend Ulmer, AG 1986, 123, 126; ebenso die Einordnung bei Wiedemann, Unternehmensgruppe 81-84.; B G H 20.2.1989, B G H Z 107,1 (»Tiefbau« - Verbindung von Struktur- und Verhaltenshaftungskonzepten), zu dieser Verbindung in der Literatur als Mittelweg Bitter 436; als Verknüpfung zwischen Struktureingriff und Interessenverletzung eingestuft bei Kleindiek 268; letztlich diese Verbindung zu einer Haftung für pflichtwidrige Konzerngeschäftsführung umformend Lutter, ZIP 1985, 1425, 1430; H.P. Westermann, Heidelberger Konzernrechtstage 21, 32f.; B G H 23.9.1991, B G H Z 115,187 (»Video« - unmittelbare Anknüpfung der Haftung an die bloße Ausübung von Mitgliedschaftsrechten), daher zur Aushebelung des § 13 Abs. 2 GmbHG durch Video Brandner, Heidelberger Konzernrechtstage 207, 214 K. Schmidt, ZIP 1991, 1325, 1329; Sigle, Heidelberger Konzernrechtstage 167, 168f.; H.P. Westermann, Heidelberger Konzernrechtstage 21, 38f. 664

665

666 667

B G H 29.3.1993, B G H Z 122, 123. Ahnlich auch die Einschätzung bei Bitter (462), der allerdings die Vorentscheidungen als

II.

Konzernhaftung

447

an dessen dauernde und umfassende Leitung unter dem Vorbehalt anderweitiger Marktursachen angeknüpft, sondern an das Verhalten des herrschenden Unternehmens, das für eine Haftung als objektiver Missbrauch von Leitungsmacht einzustufen sein muss. Für die Konzernhaftung setzt der B G H in seiner TBB-Entscheidung voraus, dass der herrschende Unternehmensgesellschafter die Interessen der abhängigen Gesellschaft ohne angemessene Rücksichtnahme auf deren Belange und ohne die Möglichkeit eines Einzelausgleichs schädigt668. Neben die Interessenschädigung tritt demzufolge als Haftungsaspekt die fehlende Ausgleichsfähigkeit des zugefügten Nachteils669. Folgert man den Interessenumbruch aus der Unmöglichkeit des Einzelausgleichs, so weist auch dieses Konzept der Nachteilszufügung nicht über eine mitgliedschaftsbezogene Argumentation hinaus670. Problematisch bleibt die autonome Bestimmung der wirtschaftlichen Interessenlage der abhängigen Gesellschaft als Voraussetzung ihrer materiellen Selbständigkeit gegenüber dem herrschenden Unternehmen671. Illustrativ mögen einige typische Fallgruppen einer solchermaßen durch eine nicht ausgleichsfähige Interessenbeeinträchtigung charakterisierten qualifizierten faktischen Konzernierung herangezogen werden: Es handelt sich hierbei insbesondere um Maßnahmen zur weitestgehenden Koordination des Finanzsystems etwa durch die Belastung von Tochtervermögen für Schulden der Muttergesellschaft. Entsprechendes gilt für den unangemessenen Liquiditätsabzug im Rahmen eines konzernweiten Cash Management sowie die Herbeiführung der so genannten »Waschkorblage«, die mangels Dokumentation durch Buchführung die Feststellbarkeit nachteiliger Einwirkungen auf die Gesellschaft hinfällig macht672. Sowohl die finanzielle Steuerung als auch die »Waschkorblage« lassen sich durch ein Verhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen kennzeichnen, in dem eigenständige Interessen der abhängigen Gesellschaft nicht mehr feststellbar sind und sich daher ein Interessenausgleich nicht modifizierte Verhaltenshaftung einstuft; allerdings als »Rückkehr« zu »Autokran« bewertend Drygala, GmbHR 1993, 317, 319; K. Schmidt, ZIP 1993, 549, 551. 668 B G H 29.3.1993, B G H Z 122, 123, 130. 669 Zum Nebeneinander dieser beiden Haftungselemente auch schon Bitter 460f.; Hommelh o f f , Z G R 1994, 395, 400f., 406. 670 Entsprechend von einer Redundanz der Tatbestandsmerkmale des »Versagen des Ausgleichsystems« und der »Nachteilszufügung« ausgehend Mülhert, DStR 2001, 1937, 1940; zur Problematik einer fehlenden Autonomie des Abgrenzungskriteriums für eine qualifizierte Beherrschung siehe oben a). 671 Zu diesem Zusammenhang als Leitfrage des Haftungstatbestandes im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern siehe oben a)(2). 672 Zur Koordination des Finanzsystems als Kennzeichen qualifizierter faktischer Konzernierung Drygala, GmbHR 1993, 317, 324f.; Lutter/Hommelhoff Anh. §13 Rdnr.27;/. Meyer 909; insbesondere zum Cash Management im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern im Einzelnen Hormuth 147-153; Makowski 64-76; zur »Waschkorblage« Drygala, GmbHR 1993, 317, 325f.; Emmerich/Habersack-Habersack §318 Rdnr.23f.; Lutter/Hommelhoff Anh. §13 Rdnr. 31; Mülbert, DStR 2001, 1937, 1944.

448

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrechtlicher

Wirkung

über Marktmechanismen realisieren lässt. Folglich liegt auch der Interessenbeeinträchtigung nach der 77?S-Entscheidung nach wie vor nicht lediglich ein bestimmtes Verhalten des herrschenden Unternehmens, sondern darüber hinaus eine strukturelle Unkontrollierbarkeit der Haftungslage zugrunde 673 . Dies erschwert eine dogmatische Einordnung des Haftungstatbestandes. c) Dogmatische

Einordnungen

der Rechtsprechung

in der

Literatur

(1) Anknüpfung am Eigeninteresse der Gesellschaft. Knüpft man die Globalhaftung an das Eigeninteresse der Gesellschaft, verstanden als deren wirtschaftliches Bestandsinteresse, erscheint dies bedenklich 674 . Aus marktwirtschaftlicher Sicht bildet das Bestandsinteresse einer Gesellschaft einen Fremdkörper bei der rechtlichen Bewertung und Realisierung eines Interessenausgleichs 675 . Die Verknüpfung von Markterfolg und Unternehmensbestand bildet nämlich das entscheidende Element wettbewerblicher Erfolgskontrolle in einer Marktwirtschaft 6 7 6 . Folglich unterläuft der Schutz von unternehmerischen Bestandsinteressen wettbewerbliche Kontrollmechanismen. Wenn die genannten Stimmen der Konzernhaftung als Bestimmungsgröße gleichwohl das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft zugrunde legen, so ist dieser Ausgangspunkt bestimmten Vorstellungen von der juristischen Person verhaftet 677 . Dem Haftungskriterium des Eigeninteresses liegt als Prämisse die Vorstellung von der abhängigen Gesellschaft und damit der juristischen Person als einem autonomen Bezugssubjekt zugrunde, das als Normadressat zwar nicht natürliche Person ist, aber in weitgehender Analogie zu dieser behandelt wird 6 7 8 . Dieser Ansatz steht dem Konzept von der juristischen Person bei Otto von Gierke nahe, der die Theorie der juristischen Person in eine solche der »realen Verbandspersönlichkeit« überführte und damit die juristische Person als geistige Lebenseinheit mit eigener Willens- und Handlungsfähigkeit behandelte 679 . GegenÄhnlich auch Bitter 523f.; Hommelhoff, Z G R 1994, 395, 412-414. Entsprechender Ausgangspunkt bei der Einordnung der Verlustausgleichspflicht in der TBB-Entscheidung als Haftung wegen fehlerhafter Konzerngeschäftsführung bei Lutter,JZ1993, 580f.; Lutter/Hommelhoff Anh. § 13 Rdnrn. 27-29; vor der TBB-Entscheidung bereits entsprechende dogmatische Begründung der Autokran-Entscheidung bei Lutter, ZIP 1985,1425,1429. 6 7 5 Zu diesem Grundsatz Mestmäcker, Organisationen 33; unter besonderem Hinweis auf Arbeitnehmerinteressen und auf Unternehmen mit zentraler sozial- und strukturpolitischer Rolle Reuter 80-82, 85f. 6 7 6 Zur Erfolgskontrolle durch Produkt- und Kapitalmarkt in diesem Zusammenhang Reuter 80, 83 f. 677 V7 Gierke, Wesen 12f., 30; v. Gierke, Deutsches Privatrecht I 467f. 6 7 8 Zur Bedeutung der Konzeption der juristischen Person für die Konzernhaftung Kern 112-114; entsprechend zur Durchgriffshaftung bei der Einmanngesellschaft Schanze 40-42; Zusammenhang zwischen der Personifizierung der Gesellschaft als juristischer Person und dem Kriterium des »Eigeninteresses« auch angedeutet bei Reiner 9. 6 7 9 Zur Einordnung der juristischen Person als »realer Verbandspersönlichkeit« v. Gierke, Deutsches Privatrecht 1470; insbesondere zur Willensfähigkeit der juristischen Person v. Gierke, 673

674

II.

Konzernhaftung

überzustellen ist der germanistischen Schule Otto von Gierkes Savignys

und Windscheidsiw.

449 die Romanistik

Letzterer liegt eine K o n z e p t i o n der juristischen

Person zugrunde, die deren Rechtsfähigkeit als eine bloße Ausdehnung der Rechtsfähigkeit auf »künstliche, durch bloße Fiction angenommene Subjecte« einstuft, die sich von der natürlichen Person rechtsethisch und rechtstechnisch grundlegend unterscheiden 6 8 1 . Das B G B hat sich auf keine der beiden K o n z e p t i o nen festgelegt 6 8 2 . Folglich enthält das dargelegte Haftungskriterium für den qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n mit der Anknüpfung an die Interessenbeeinträchtigung der abhängigen Gesellschaft eine dogmatische Festlegung, die das geltende Recht so nicht getroffen hat. Zudem nimmt es damit eine bestimmte Vorstellung von der Verselbständigung der Gesellschaft in Bezug, o b w o h l sich das Ausmaß einer solchen Verselbständigung erst aufgrund der Rechtsfolge des Verlustausgleichs ergeben soll 6 8 3 . D a r ü b e r hinaus verwischt die Vermischung der Kategorien der Rechtspersönlichkeit und der der Haftungsbeschränkung, wie sie im Haftungskriterium des »Eigeninteresses« der abhängigen Gesellschaft zum Ausdruck k o m m t , den dem G m b H G zugrunde liegenden Stellenwert der Haftungsbeschränkung zugunsten der Gesellschafter. So entspricht zwar das in § 13 Abs. 2 G m b H G normierte Trennungsprinzip der typischen Regelung für juristische Personen im deutschen Recht 6 8 4 . Gleichwohl bildet es lediglich ein spezifisches Kennzeichen der verselbständigten G m b H und ist mit der resultierenden Haftungsbeschränkung der juristischen Person nicht wesensimmanent (siehe etwa als Gegenbeispiel die K G a A nach § 2 7 8 Abs. 1 A k t G ) . So belegt auch die Entstehungsgeschichte des G m b H Gesetzes von 1892, dass die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Haftungsbeschränkung nicht mit der Entscheidung über die juristische Persönlichkeit der G m b H verknüpft war 6 8 5 . Außerdem begegnet die Anknüpfung der Haftung an der Interessenbeeinträchtigung Bedenken hinsichtlich ihrer tatbestandlichen Vollziehbarkeit. So legt nicht nur die Diskussion über den qualifizierten faktischen G m b H - K o n z e r n im Anschluss an die T5.B-Entscheidung die diesem Kriterium immanenten A b g r e n zungsschwierigkeiten offen 6 8 6 . Insbesondere lässt sich wie bereits im R a h m e n der Wesen 30f.; Rittner 249; zu beachten freilich die mögliche Differenzierung zwischen Eigenwillen und Eigeninteresse, die an der weitgehenden Analogie zur natürlichen Person nichts Wesentliches ändert, nach Mülbert 273-275; ähnliche Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Gesellschaftsinteresse bei Reiner 11. 680 Gerade diese beiden Ansätze befassen sich - so K. Schmidt (Gesellschaftsrecht 195 [§8 II 2.a]) - wirklich mit der Rechtssubjektivität der juristischen Person. 681 Savigny II §85, S.236; Windscheid/Kipp 255f. 682 Flume, Juristische Person 19-21; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 186 Fn.21 (§ 8 II. 1.) unter Hinweis auf Mugdan I 395 und 609. 683 Zur Problematik der Inbezugnahme der Verselbständigung auf der Tatbestandsseite siehe oben a)(2). 684 Baumback/Hueck-Hueck/Fastrich §13 Rdnr.8. 685 Entwurf GmbHG 58.

450

4. Teil: Haftung

als Grenze organisationsrecbtlicber

Wirkung

§§311 ff. AktG die Frage stellen, ob das Eigeninteresse als Maßstab für die Begrenzung des beherrschenden Einflusses überhaupt vollziehbar ist, sobald die abhängige Gesellschaft einer am Konzernganzen orientierten Unternehmensleitung unterworfen wird und damit die eigene Gewinnerzielung als Beurteilungsmaßstab entfällt687. Vergleichbare Grenzen betriebswirtschaftlichen Erkenntnisvermögens ergeben sich aus der mangelnden Isolierbarkeit des Beitrags der abhängigen Gesellschaft zum Gesamtkonzern 688 . Diesen Bedenken liegt letztlich das Grundproblem einer Parallelisierung von natürlicher und juristischer Person beim Haftungskriterium des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft und bei dem Versuch seiner Konkretisierung zugrunde. Dieses Grundproblem beruht auf den dem Wesen der Rechtssubjektivität der juristischen Person immanenten Grenzen. So wird für die Rechtssubjektivität zwar einerseits wie bei der natürlichen Person ein autonomes Willenszentrum vorausgesetzt. Andererseits erlaubt die Rechtsordnung jedoch die rechtstechnische Instrumentalisierung der juristischen Person durch externe Willenszentren689. Dies macht Schwierigkeiten der Vollziehbarkeit des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft als Haftungskriterium unabweisbar. Sie sprechen daher ebenso wie bereits die oben geschilderte dogmatische Festlegung auf eine bestimmte Konzeption der juristischen Person gegen die Verselbständigung des Eigeninteresses als operationablem Maßstab zur Haftungsbestimmung690. In einem hierauf aufbauenden Ansatz wird die Pauschalierung des Verlustausgleichs hierbei als das Ergebnis einer Beweiswürdigung für im Einzelnen nicht aufklärbare fremdgesteuerte Geschäftsführungsmaßnahmen eingeordnet691. Hierbei seien aus einer Analyse der Rechtsprechung gewonnene Indizien für den Beweis von Fremdsteuerungsakten zugrunde zu legen692. Reiner hilft mit der Indizwirkung bestimmter Fremdsteuerungsakte ab, indem er aus dem Beweis bestimmter Einzeleingriffe eine Haftungspauschalierung folgert 693 . Diese von Rei6 8 6 Deutlich wird dies anhand der zwangsläufig sehr einzelfallbezogenen Fallgruppenbildung etwa bei Ensthaler/Kreher, B B 1995, 1422,1426-1430; prägnant auch: »... Was aber ist bei einer abhängigen G m b H >normal