Horizontale Haftung im Konzern 9783504383015

Während die vertikale Haftung im Konzern bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen und Untersuchungen war, fand die

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Horizontale Haftung im Konzern
 9783504383015

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Rechtsfragen der Handelsgesellschaften

Band 121

Horizontale Haftung im Konzern von

Dr. Michael Winter

2005

Verlag Dr. OttoSchmidt Köln

BibliografiSche Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Unter den Ulmen 96-98, 50968 Köln Tel.: 02 2119 37 38~01, Fax: 02 2119 37 38-9 43 e-mail: [email protected] www.otto-schmidt.de Neue Adresse ab 1.1. 2005: Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln ISBN 3-504-64673-X

© 2005 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere fiir Vervie!f!iltigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Umschlaggestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Druck Partner Rübelmann, Hemsbach Printed in Germany

Vorwort Die Frage, ob im Konzern auch Schwestergesellschaften füreinander einstandspflichtig werden können, ist bisher kaum untersucht worden. Das Bundesarbeitsgericht jedenfalls hat sie 1998 in einer viel beachteten Entscheidung bejaht und eine Besitzgesellschaft für Verbindlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft, der Betriebsgesellschaft, haften lassen. Diese konzernrechtlich begründete Entscheidung war Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Schon im Hinblick auf die Bremer VulkanEntscheidung von 2001 liegt der Schwerpunkt jedoch nicht auf der Figur des .,qualifiziert faktischen Konzerns", sondern auf den Möglichkeiten des horizontalen Einzelausgleichs und der horizontalen Durchgriffshaftung, auch in Fällen der Konzerninsolvenz. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2003 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurden Rechtsprechung und Literatur, insbesondere auch zwei neuere Festschriftenbeiträge, bis August 2004 eingearbeitet. Meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Martin Henssler danke ich sehr herzlich für die Auswahl des Themas und die freundliche Unterstützung während der Bearbeitung. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Ulrich Hübner bin ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu besonderem Dank verpflichtet. Dem Verlag Dr. Otto Schmidt KG danke ich für die Aufi1ahme der Arbeit in die Reihe "Rechtsfragen der Handelsgesellschaften'". Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern und meiner Familie.

Bonn, im Oktober 2004

Michael Winter

V

Inhaltsübersicht Seite Vorwort .......................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis .......................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XVII Literaturverzeichnis ................................................................................. XXIII

Einführung ..................................................................................................... 1 1. Teil: Horizontaler Einzelausgleich ........................................................ 21 § 1.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen ........................................ 21

§ 2.

Kapitalerhaltung und -ersatz ............................................................ 109

§ 3.

Insolvenzanfechtung ......................................................................... 144

2. Teil: Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung ........................ 151 § 4.

Die Grenzen des Einzelausgleichs ................................................... 151

§ 5.

Der "qualifiziert faktische Konzern" ................................................ 158

§ 6.

Durchgriffshaftung ........................................................................... 197

3. Teil: Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz .......................... 237 § 7.

Vereinigte Staaten ............................................................................ 240

§ 8.

Frankreich ......................................................................................... 262

§ 9.

Deutschland ...................................................................................... 281

Zusammenfassung ..................................................................................... 301 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 307

VII

Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort .......................................................................................................... V Inhaltsübersicht ............................................................................................ VII Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XVII Literaturverzeichnis ................................................................................. XXIII

Einführung ................................................................................................... 1 I.

Die Konzerngefahr ................................................................................. 2

II.

Vertikale Haftung im Konzern ............................................................... 3

III.

Horizontale Haftung im Konzern ........................................................... 8

IV.

Judikatur zum horizontalen Durchgriff.. .............................................. 11 1. Urteil des Bundesarbeitsgerichts ( 1998) ........................................ 11 2. Urteil des OLG Dresden (1999) ..................................................... 15

V.

Gang der Darstellung ............................................................................ 18

1. Teil: Horizontaler Einzelausgleich .................................................... 21 § 1. Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen .. .................................... 21 A.

FaktischerAG-Unterordnungskonzern ........................................... 22

I.

Schwestergesellschaft als "herrschendes" Unternehmen (§§ 311,317 AktG) ............................................................................... 23 1. Unmittelbare, wilischaftliche Beherrschung ................................. 24 a) Zur Interpretation des Urteils des Bundesarbeitsgerichts ....... 25 b) Meinungsstand zur wirtschaftlichen Abhängigkeit.. ............... 27 c)

Stellungnahme ......................................................................... 29

2. Mittelbare Beherrschung ................................................................ 34 3. Zurechnung der Beherrschung durch die Muttergesellschaft.. ...... 36 II.

§ 11 7 AktG ........................................................................................... 3 8 1.

§117Abs.1AktG ......................................................................... 38 IX

Inhaltsverzeichnis

2. III.

§ 117 Abs. 3 AktG ......................................................................... 42

§§ 311, 317 AktG i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog ........................... 44 1. Regelungslücke .............................................................................. 44 2. Anspruchsvoraussetzungen ............................................................ 46 a)

Veranlassung durch die Muttergesellschaft ............................ 47

b) Nachteilige Maßnahme ........................................................... 48 c) Nicht rechtzeitiger Nachteilsausgleich .................................... 49 d) Veranlassung durch die Schwestergesellschaft ....................... 50 e)

Vorteil flir die Schwestergesellschaft ...................................... 52

3. Rechtsfolge ..................................................................................... 52

B.

Faktischer GmbH-Unterordnungskonzern ..................................... 52

I.

Verletzung der gesellschafterliehen Treuepflicht... .............................. 53 1. Der Treuepflichtenansatz der herrschenden Meinung ................... 53 2. Konsequenzen ftir Schwestergesellschaften .................................. 54

II.

Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften .............................. 55 I. Unterordnungskonzern als 8GB-Gesellschaft ............................... 55

2. Der Ansatz Jaschinskis .................................................................. 56 3. Stellungnahme ................................................................................ 57 III.

Treuepflicht i.V.m. §§ 317, 117 Abs. 3 AktG analog .......................... 60 1. Meinungsstand zu §§ 311 ff. AktG analog .................................... 60 2.

Stellungnahrne ................................................................................ 62 a)

Effektivität der §§ 311 ff. AktG .............................................. 63

b) Unangemessenheit des "Schädigungsprivilegs" ..................... 65 c)

Strukturunterschiede ................................................................ 66

d) Ergebnis ................................................................................... 68

C.

Gleichordnungskonzern ..................................................................... 69

I.

Faktischer Gleichordnungskonzern ...................................................... 70 I. Multipler Beteiligungsbesitz des Privatgesellschafters ................. 71

a)

Einordnung als faktischer Gleichordnungskonzern ................ 71

b) Haftungsfolgen ftir Schwestergesellschaften .......................... 73

X

Inhaltsverzeichnis

c) Analogie zu den§§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG ..................... 76 2. Horizontale Betriebsaufspaltung .................................................... 78 3. Personelle Verflechtungen auf Geschäftsleiterebene .................... 80 4. Einheitliche Leitung durch gleichgeordnetes Unternehmen .......... 81 5. Gleichordnungsverhältnis im Unterordnungskonzern ................... 83 a) Einordnung als faktischer Gleichordnungskonzern ................ 83 b) Haftungsfolgen für Schwestergesellschaften .......................... 85 6. Ergebnis ......................................................................................... 87 II.

Vertraglicher Gleichordnungskonzern ................................................. 87

1. Treuepflicht gegenüber Mitgesellschaftern ................................... 88 a) Meinungsstand ........................................................................ 88 b) Stellungnahme ......................................................................... 89 2. Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen .................................... 92 a) Meinungsstand ........................................................................ 92 b) Verlustausgleich entsprechend § 302 AktG ............................ 95 c) Verlustausgleich durch Ergebnisgemeinschaft ....................... 96 d) Einzelausgleich entsprechend§§ 311, 317 AktG ................... 98 e) Einseitige Ausübung von Leitungsmacht... ........................... 105

t)

Weisungsrecht ohne Ergebnisgemeinschaft .......................... 107

§ 2. Kapitalerhaltung und -ersatz .......................................................... 109 I.

Die Erstattungspflicht von Schwestergesellschaften .......................... 110 1. Wirtschaftliches Näheverhältnis zum Gesellschafter .................. 110 2. Stellung als wirtschaftlicher Gesellschafter ................................. 113 3. Vorsorge gegen Zuwendungen societatis causa .......................... 114

Il.

Konkurrenzfragen ............................................................................... 120 1. Faktischer AG-Unterordnungskonzern ........................................ 120

a) Meinungsstand ...................................................................... 120 b) Stellungnah1ne ....................................................................... 121

XI

Inhaltsverzeichnis

2. AG-Vertragskonzern .................................................................... 123 3. GmbH-Vertragskonzern ............................................................... 124 III.

Eigenkapitalersatz ............................................................................... 125 1. Schwestergesellschaft als Adressatin des Eigenkapitalersatz-

rechts ............................................................................................ 127 a) Meinungsstand ...................................................................... 128 b) Stellungnahme ....................................................................... 131 aa) Verhältnis zum Gesellschafter ........................................ 132 bb) Verhältnis zwischen den Gesellschaften ........................ 133 cc) Vereinbarkeit mit dem Zwerganteilsprivileg .................. 135 2. Eigenkapitalersatz aus gebundenem Kapital ............................... 136 a) Meinungsstand ...................................................................... 137 b) Stellungnahme ....................................................................... 138 IV. Vertraglicher Gleichordnungskonzern ............................................... 140 § 3. Insolvenzanfechtung ......................................................................... 144

I.

Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung ........................................ 144

li.

Schwestergesellschaft als nahestehende Person ................................. 145 1. Meinungsstand ............................................................................. 146 2. Stellungnahtne .............................................................................. 147

2. Teil: Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung ................. 151 § 4. Die Grenzen des Einzelausgleichs ................................................... 151 I.

§§ 311, 317 AktG i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog ......................... 151

II.

Kapitalerhaltungsrecht. ....................................................................... 154

III.

Fallgruppen des "qualifiziert faktischen Konzerns" .......................... 156

§ 5. Der "qualifiziert faktische Konzern" ............................................. 158 I.

Horizontaler Verlustausgleich "analog§§ 302 f. AktG" ................... 159 1. Konzepte ...................................................................................... 159

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Unterordnungskonzern .......................................................... 159 b) Horizontale Betriebsaufspaltung ........................................... 161 c) Gleichordnungskonzern ........................................................ 163 2. Stellungnahme .............................................................................. 164 a) Regelungslücke ..................................................................... 165 b) Normzweck und Analogiefähigkeit des§ 302 AktG ............ 166 c) Ähnlichkeit mit dem Vertragskonzern .................................. 172 d) Speziell: horizontale Verlustausgleichspflicht.. .................... 174 aa) Verlustausgleich im Unterordnungskonzern .................. 176 bb) Verlustausgleich bei der Betriebsaufspaltung ................ 178 cc) Verlustausgleich im Gleichordnungskonzern ................. 179 li.

Verlustgemeinschaft analog§§ 713,670, 730 ff. BGB ..................... 180 1. Die Konzeption Karsten Schmidts ............................................... 180 2. Stellungnahme .............................................................................. 181

III.

Künftige Behandlung der Fallgruppen des "qualifiziert faktischen Konzerns" ........................................................................................... 185 1. Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ................... 185 2. Verlustausgleich im Rahmen der§§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG 189 a)

Schadensbemessung bei § 317 AktG .................................... 189 aa) Meinungsstand zum Vertikalverhältnis .......................... 189 bb) Stellungnahme ................................................................ 191 cc) Erstreckung auf Schwestergesellschaft analog § 117 Abs. 3 AktG .......................................................... 194

b) Schadensersatz wegen unterlassenen Vertragsschlusses ...... 195

§ 6. Durcbgriffsbaftung ........................................................................... 197 I.

Vereinbarkeit des horizontalen Durchgriffs mit den DurchgriffsIehren .................................................................................................. 199 1. Durchbrechung des Trennungsprinzips ....................................... 199

XIII

Inhaltsverzeichnis

2. Überblick über die Durchgriffslehren .......................................... 201 3. Folgerungen fur den horizontalen Durchgriff.. ............................ 204 II.

Rechtstechnik der Durchgriffshaftung ............................................... 208 1. Aufhebung der Vermögenstrennung ............................................ 208 2. Restriktion der§§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG ......... 210 3. Erfordernis einer haftungsbegründenden Norm .......................... 211 a) §§ 105, 128 HGB analog ....................................................... 211 b) §242BGB ............................................................................. 212

III.

Fallgruppen ......................................................................................... 216 1. Horizontale Vermögensvermischung ........................................... 216 a) Meinungsstand ...................................................................... 216 b) Stellungnahtne ....................................................................... 218 aa) "Verantwortlichkeit" fur die Vermögensvermischung ... 219 bb) Vorteil aus der Vermögensvermischung ........................ 221 2. Sphärenvermischung .................................................................... 222 3. Unterkapitalisierung ..................................................................... 223 4. Existenzvernichtender Eingriff und Institutsmissbrauch ............. 224 a) Missbrauch der juristischen Person ....................................... 224 b) Horizontaler Durchgriff... ...................................................... 225

IV.

Umgekehrter Haftungsdurchgriff. ...................................................... 228 1. Meinungsstand ............................................................................. 229 2. Stellungnahme .............................................................................. 232

3. Teil: Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz .................. 237 § 7. Vereinigte Staaten ............................................................................ 240 I.

Durchgriffshaftung (piercing the corporate veil) ............................... 240 1. Grundlagen der Durchgriffshaftung ............................................. 241 a) Voraussetzungen ................................................................... 242 b) Rechtsfolge ............................................................................ 244 2. Durchgriff auf Schwestergesellschaften ...................................... 245

XIV

Inhaltsverzeichnis

a) Beherrschung durch die Schwestergesellschaft .................... 246 b) Gemeinsame Abhängigkeit von den Gesellschaftern ........... 24 7 c) Beispielsfälle ......................................................................... 249 d) Kombination aus Durchgriff und umgekehrtem Durchgriff. 251 II.

Konsolidation (substantive consolidation) ......................................... 252 1. Grundlagen der Konsolidation ..................................................... 253 a) Voraussetzungen ................................................................... 254 b) Rechtsfolge ............................................................................ 257 2. Konsolidation mit Schwestergesellschaften ................................ 257

III.

Auswertung ......................................................................................... 260

§ 8. Frankreich ......................................................................................... 262 I.

Fiktivität einer Gesellschaft (fictivite) ................................................ 264

1. Wandlung des Konzepts der Fiktivität... ...................................... 264 2. Fiktivität im Verhältnis zu Schwestergesellschaften ................... 267 3. Rechtsfolge der Insolvenzerstreckung ......................................... 270 II.

Vermögensvermischung (confusion des patrimoines) ....................... 271 1. Begriff der Vermögensvermischung ............................................ 271 2. Vermögensvermischung mit Schwestergesellschaften ................ 274 3. Rechtsfolge der Insolvenzerstreckung ......................................... 275

III.

Klagen nach Art. L 624-3, 624-5 C. com ........................................... 276

IV. Auswertung ......................................................................................... 279

§ 9. Deutschland ....................................................................................... 281 I.

Das (fehlende) Recht der Konzeminsolvenz ...................................... 281

II.

Sachgerechte Verteilung von Haftungsmassen .................................. 283 1. Grundsatz der par condicio creditorum ....................................... 284 2. Gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger einer Wirtschaftseinheit ......................................................................................... 288

XV

Inhaltsverzeichnis

3. "Wirtschaftseinheit" bei künstlicher Unternehmensaufspaltung. 292 4. "Wirtschaftseinheit" bei planmäßigem Vermögenstransfer ........ 295

Zusammenfassung .................................................................................. 301 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 307

XVI

Abkürzungsverzeichnis Aufl.

Auflage

a.A.

anderer Ansicht

Abs.

Absatz

AcP

Archiv fiir die civilistische Praxis

a.F.

alte Fassung

affd

affirmed

AG

Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Amtsgericht

AktG

Aktiengesetz

AnfG

Anfechtungsgesetz

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

ArbG

Arbeitsgericht

Art.

Artikel

Az.

Aktenzeichen

BAG

Bundesarbeitsgericht

BB

Betriebs-Berater

Bd.

Band

BetrAVG

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung

BOB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungssammlung Zivilsachen

B.R.

Bankruptcy Reporter

BRDA

Bulletin Rapide Droit des Affaires

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

des

Bundesgerichtshofes

in

XVII

Abkürzungsverzeichnis

Bull. Joly

Bulletin Joly

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

bzw.

beziehungsweise

CA

Cour d'Appel

ca.

circa

Ca!. L. Rev.

California Law Review

Cass. com.

Chambre commerciale de Ia Cour de cassation

C. civ.

Code civil

C.com.

Code de commerce

Cir.

Circuit

Cornell L. Rev.

Cornell Law Review

D.

Recueil Dalloz

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

Dr. societes

Droit des societes

DStR

Deutsches Steuerrecht

DZWiR

Deutsche Zeitschrift ftir Wirtschafts- und Insolvenzrecht

Einf.

Einftihrung

EURL

entreprise unipersonneUe

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f., ff.

folgende

F.2d

Federal Reporter, Second Series

Fn.

Fußnote

F.R.D.

Federal Rules Decisions

FS

Festschrift

XVIII

a responsabilite limitee

Abkürzungsverzeichnis

F. Supp.

Federal Supplement

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HGB

Handelsgesetzbuch

i.E.

im Ergebnis

insbes.

insbesondere

In sO

Insolvenzordnung

i.S.d.

im Sinne der (des)

i.S.v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

JCP

Juris-classeur periodique (Semaine juridique)

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht; bzw. Kommanditgesellschaft

KO

Konkursordnung

KTS

Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen

LAG

Landesarbeitsgericht

LG

Landgericht

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

XIX

Abkürzungsverzeichnis

N.E.2d

North Eastem Reporter, Second Series

Nr.

Nummer

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht

Nr.

Nummer

n.v.

nicht veröffentlicht

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OHG

offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgeticht

P.2d

Pacific Reporter, Second Series

PSV

Pensionssicherungsverein

RdA

Recht der Arbeit

re. Sp.

rechte Spalte

RegBegr.

Regierungsbegründung

RegE

Regierungsentwurf

reh'g den.

rehearing denied

Rev. soc.

Revue des socü\tes

Rn.

Randnummer

Rev. Jur. Com.

Revue de jurisprudence commerciale

RTDcom.

Revue trimestrielle de droit commercial

S.

Satz; Seite

s.

siehe

SA

societe anonyme

SARL

societe

XX

a responsabilite limitee

Abkürzungsverzeichnis

SCI

societe civile immobiW:re

S.E.2d

Southern Reporter, Second Series

S.W.2d

South Western Reporter, Second Series

szw

Schweizerische Zeitschrift ftir Wirtschaftsrecht

TDM

Tausend Deutsche Mark

Tex. L. Rev.

Texas Law Review

u.a.

und andere; unter anderem

U. Chi.L.Rev.

The University of Chicago Law Review

U.S.

United States Reports

V.

vom; versus

v.a.

vor allem

Verf.

Verfasser

vgl.

vergleiche

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung

WM

Wertpapier-Mitteilungen

z.B.

zum Beispiel

ZfB

Zeitschrift flir Betriebswirtschaft

ZGR

Zeitschrift ftir Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift ftir das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift ftir Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

zit.

zitiert

ZPO

Zivilprozessordnung

ZSR

Zeitschrift ftlr Schweizerisches Recht

XXI

Literaturverzeichnis Albach, Horst, Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur rechtlichen Neugestaltung bei Insolvenz von Konzernen, in: ZfB 1984, S. 773 ff. Altmeppen, Holger, Zur Vennögensbindung in der faktisch abhängigen AG, in: ZIP 1996, S. 693 ff.

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XLIII

Einführung Mit dem Grundsatz, dass sich konzernrechtliche Haftungsansprüche stets gegen das herrschende Unternehmen richten 1, hat das Bundesarbeitsgericht 1998 in einer viel beachteten Entscheidung gebrochen: Es hat mit konzernrechtlicher Begründung die Haftung einer Besitzgesellschaft für Verbindlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft- der Betriebsgesellschaft- bejaht2 • Die konzernrechtlichen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts sind heute durch die Bremer Vulkan-Entscheidung des BGH (200ll überholt. Dennoch bleibt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts bedeutsam, weil es als bisher einzige höchstrichterliche Entscheidung einen horizontalen Durchgriff zugelassen hat und so einem "gesellschaftsrechtlichen Defizit" entgegengetreten ist. Als solches wird verbreitet der Umstand angesehen, dass auf die Gefahren, denen abhängige Gesellschaften in einem Konzern ausgesetzt sind (I.), regelmäßig nur mit einer Haftung in der Vertikalen (II.), nicht jedoch in der Horizontalen (III.) reagiert wird. 4 Neben dem Bundesarbeitsgericht haben bisher- soweit ersichtlich- mit dem AG Eisenach (1995i und dem OLG Dresden (1999) 6 nur noch zwei Instanzgerichte eine Ueweils konzernrechtlich begründete) horizontale Haftung angenommen (IV.). Die vorliegende Arbeit wird nicht nur diese konzern- und durchgriffsrechtlichen Ansätze für

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Henssler ZGR 2000, S. 479, 493 unter Verweis auf§§ 303 i.V.m. 291, 3 I 7 Abs. I AktG; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 377; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2099; Paulus ZIP I 996, S. 2141, 2146; Benecke BB 2003, S. I I 90, I I 91: "Herrschaft gleich Haftung"; zu § 3 I 7 AktG Hüffer § 3 I 7 Rn. 2. BAG v. 8.9.1998- 3 AZR 185/97, ZIP 1999, S. 723 = NJW 1999, S. 2614 =OB I 999, S. I 068. Vorinstanzen: ArbG Sielefeld v. I 0.1.1996- Az. 4 Ca 1659/94 (n.v.), LAG Hamm v. 28.1.1997- Az. 6 Sa 474/96 (n.v.). Besprechungen: Henssler ZGR 2000, S. 479; Janßen DB 1999, S. 1398; BarkEWiR 1999, S. 537; K. Schmidt FS Wiedemann S. 1199, 1213 ff. (jeweils i. E. zustimmend); Windbichler RdA 2000, S. 238 (ablehnend). Aus der Kommentarliteratur Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHKonzernR Rn. 95 (zustimmend). Folgeentscheidung zum gleichen Sachverhalt: BAG v. 31.7.2002-10 AZR 420/01, NZA 2003, S. 213 = ZIP 2002, S. 2137. BGHZ 149, 10; bestätigt durch BGHZ 150, 61 und BGHZ !51, 181- KBV- sowie aus strafrechtlicher Sicht BGH v. 13.5.2004- 5 StR 73/03, AG 2004, S. 450- Bremer Vulkan II. Paulus Z!P 1996, S. 2141,2146 sieht die Ausrichtung der Haftung im Konzern entlang der genealogischen Verbindungen (Mutter- Tochter) unterschwellig durch die Konzernterminologie gesteuert, weil diese ihrerseits an Familienbeziehungen anknüpfe und Geschwister einander schließlich nicht zum Unterhalt verpflichtet seien. Im neueren Schrifttum (nach Bremer Vulkan) halten namentlich Raiser FS Ulmer S. 493 ff. und K. Schmidt FS Wiedemann S. I I 99 ff. die Haftungskonzentration bei der Muttergesellschaft für unbefriedigend. AG Eisenach GmbHR I 995, S. 445. OLG Dresden NZG 2000, S. 598 mit Anm. Grüner.

Einführung

eine horizontale Haftung im Konzern untersuchen, sondern sich daneben auch den Möglichkeiten zuwenden, die insbesondere das geschriebene Konzernrecht (§§ 311 ff. AktG), das Kapitalerhaltungs- und das Insolvenzrecht bieten (näher V.).

I.

Die Konzerngefahr

Eine besondere Konzerngefahr soll sich daraus ergeben, dass der bei einer selbständigen Gesellschaft angenommene Gleichlauf der Interessen von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht mehr gewährleistet ist, wenn der herrschende Gesellschafter noch anderweitig Unternehmerische Interessen verfolgt: Er kann dann nämlich geneigt sein, auf die abhängige Gesellschaft auch zu deren Nachteil Einfluss zu nehmen, wenn dies seinen anderweitigen Unternehmerischen Interessen diene. Als Beispiel mag eine Muttergesellschaft dienen, die an einer ersten Tochtergesellschaft zu 51%, an einer zweiten hingegen zu 100% beteiligt ist. Die Muttergesellschaft wird dann regelmäßig daran interessiert sein, Gewinne möglichst in der Schwestergesellschaft zu realisieren, die ihr zu 100% gehört. Ein probates Mittel zur Gewinnverlagerung aus der einen in die andere Gesellschaft ist die Festlegung von Konzernverrechnungspreisen für die zwischen den Schwestergesellschaften ausgetauschten Waren und Dienstleistungen8. Auch ohne Eingriffe der Muttergesellschaft kann die Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher Einheit und juristischer Vielheit, die den Konzern auszeichnet9, dazu führen, dass Minderheitsgesellschafter und Gläubiger einer Teileinheit nicht immer das erlangen, was sie bei einer selbständigen Gesellschaft erwarten könnten. Der Schweizer Konzernrechtier Druey konstatiert eine "konzerninterne Interessenverquickung", die insbesondere Vermögensverschiebungen zwischen den einzelnen Konzerngliedern begünstige: So werde unter dem anderswo zu erzielenden Preis geliefert, Kapital zur anderweitigen Investition im Konzern weggegeben und damit die eigene 7

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BGHZ 69, 334, 337- Veba/Gelsenberg; 95, 330, 334- Autokran; 122, 123, 126TBB; Rowedder/Schmidt-Leithoff!Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. I; Hachenburg/U/mer Anh § 77 Rn. I; ders. ZHR 148 (1984), S. 391, 396 f.; ders. ZIP 2001, S. 2021, 2023, 2027; Roth!Altmeppen Anh § 13 Rn. 2; K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 420; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 6 IV 2 a, S. 347; Raiser Kapitalgesellschaften § 51 Rn. 2, 4, S. 813 f.; Henssler ZGR 2000, S. 4 79, 482; Hüffer § 15 Rn. 3. V gl. die Beispielsrechnungen bei Wähe Betriebswirtschaftslehre S. 1173 ff.; Wiedemann ZIP 1986, S. 1293, 1302 zur Betriebsaufspaltung: "durch den Doppeleinsatz zwei er wirtschaftlich aufeinander bezogener Organisationseinheiten lässt sich die jeweils günstigste Interessen- oder Gewinnallokation vornehmen". Kirchner ZGR 1985, S. 214, 217; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 II, S. 60 ff.; Cahn Kapitalerhaltung S. 2.

Einftihrung

Durchhaltekraft exponiert. Das alles geschehe in der Erwartung, auch von den anderen Konzerngesellschaften nicht fallen gelassen zu werden und in sachlich und zeitlich weiter Sicht aus dem Konzern einen Ausgleich zu erhalten 10 . Wird diese Erwartung enttäuscht, etwa weil der Konzern insgesamt in eine Krise gerät, stehen Minderheitsgesellschafter und Gläubiger einer "eigentlich reichen" Konzerngesellschaft wegen von dieser erbrachter Vorleistungen möglicherweise schlechter da als bei einer selbständigen Gesellschaft; denn eine selbständige Gesellschaft würde vor (zunächst) nicht kompensierten Vennögensverschiebungen und Verlagerungen von Geschäftschancen eher zurückschrecken. Ähnlich erklärt Lutter die Seltenheit von Haftungsprozessen gegen andere Konzerngesellschaften in der Insolvenz einer Gesellschaft damit, dass man in der Gruppe offenbar zusammenhalte und sich wechselseitig so lange stütze, bis endlich die ganze Gruppe zusammenbreche und sich eine Durchsetzung gegenseitiger Ansprüche nicht mehr lohne 11 • Konzernlagen sind also fiir Außenseiter mit besonderen Gefahren verbunden, die aus Eingriffen der Konzernspitze, aber auch aus einer unmittelbar zwischen den Schwestergesellschaften geübten "Konzernsolidarität" resultieren. Häufig wird sich diese Konzerngefahr gerade in der Konzerninsolvenz, also der gleichzeitigen Insolvenz von Mutter- und Tochtergesellschaften, realisieren.

II.

Vertikale Haftung im Konzern

Auf die Konzerngefahr wird herkömmlich mit einer Haftung in der Vertikalen reagiert. Die Annahme, dass Minderheitsgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger im Konzern einer besonderen Gefährdungslage ausgesetzt sind, hat den Gesetzgeber zur Schaffung des Aktienkonzernrechts veranlasst 12 • Dieses stellt Haftungsansprüche speziell gegen das herrschende Unternehmen bereit: "Herrschaft gleich Haftung" 13 • Der Versuch, in Anlehnung an das AktienI0

II 12 13

Druey ZSR 99 li (I 980), S. 273, 312 f. (Rn. 69); ähnlich zum amerikanischen Recht Wes 65 Cal. L. Rev. 720 (1977), 725: "When related corporations engage in intraenterprise transactions, each affiliate tends to strike friendlier bargains with the others than it would with outside parties"; vgl. zum französischen Recht die RozenblumKonzeption (unten § 8 Fn. 4) und den darauf aufbauenden Vorschlag des Forum Europaeum Konzernrecht ftir eine europäische Konzernrechtsrichtlinie (Le Cannu Rev. soc. 1999, S. 43). Lutter ZGR 1982, S. 244, 272. Regßegr. AktG 1965, abgedruckt bei KropffS. 141 f., 373, 408. Benecke BB 2003, S. 1190, 1191.

3

Einftihrung

konzernrecht Entsprechendes auch fiir die GmbH zu kodifizieren 14 , ist dagegen gescheitert. Rechtsprechung und Lehre sind ganz überwiegend der Ansicht, dass insoweit eine Regelungslücke besteht, die GmbH-spezifisch auszufiillen ist 15 • Die Bemühungen zur Lückenfiillung haben zur Betonung von Treuepflichten des herrschenden Gesellschafters 16 und schließlich zur Entwicklung des "qualifiziert faktischen Konzerns" gefiihrt. Ausgangspunkt der Überlegungen zum "qualifiziert faktischen Konzern" war ein Gesetzgebungsvorschlag des Arbeitskreises GmbH-Reform von 1972, das Konzernrecht der GmbH künftig dreistufig zu regeln: Zwischen die engste Form konzernmäßiger Bindung im Vertragskonzern und die lockere Form des einfachen faktischen Konzerns sollte der "qualifizierte Konzern" treten, bei dem die abhängige Gesellschaft dem herrschenden Unternehmen auch ohne Beherrschungsvertrag vollständig und auf Dauer wirtschaftlich angegliedert ist. Bei nachhaltiger Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft sollte das herrschende Unternehmen zum Ausgleich etwaiger Jahresfehlbeträge verpflichtet sein (E § 255a) 17 • Diese Ideen de lege ferenda haben schließlich auch ohne Umsetzung durch den Gesetzgeber Eingang in die BGHRechtsprechung gefunden, zunächst mit der berühmten AutokranEntscheidung von 1985 18 • Rechtsgrundlage fiir eine Verlustausgleichspflicht bzw. Ausfallhaftung des herrschenden GmbH-Gesellschafters sollten die §§ 303, 322 AktG 19 , in späteren Entscheidungen dann die §§ 302 f. AktGin entsprechender Anwendung sein20 • In der TBB- Entscheidung von 1992 21 bekannte sich der BGH schließlich zu einer auf Ausnahmefälle beschränkten Verhaltenshaftung des herrschenden Gesellschafters: Danach haftet der eine GmbH beherrschende Unternehmensgesellschafter entsprechend §§ 302 f. 14 15 16 17 18 19 20

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4

§§ 230-266 RegE 1971, BT-Drucks. VI/3088. Boujong FS Brandner S.23; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzemrecht § 29 III2, S. 446 ff.; a.A. Kleiner! FS Hehnrich S. 667. BGHZ 65, 15 - ITT; vgl. dazu Wiedemann JZ 1976, S. 392. Arbeitskreis GmbH-Reform Thesen S. 59, 66. BGHZ 95, 330. Kritisch dazu bereits Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 659 f. m.w.N. Diese Idee hatte der Arbeitskreis GmbH-Reform Thesen S. 67 zuvor bereits verworfen: "Die von ganz anderen Voraussetzungen ausgehenden Rechtsfolgen des Vertragskonzems analog heranzuziehen, ist, weil systemwidrig, ausgeschlossen".- Folge der Analogie soll gegenüber der Gesellschaft eine inteme Verlustausgleichspflicht (§ 302 AktG) und gegenüber den Gesellschaftsgläubigem zunächst ein Anspruch auf Sicherheitsleistung (§ 303 AktG) sein. Bei Vermögenslosigkeit der abhängigen Gesellschaft macht die Leistung von Sicherheiten allerdings keinen Sinn, so dass es dann zu einer unmittelbaren Ausfallhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigem kommen soll, BGHZ 95, 330, 347- Autokran. BGHZ 122, 123.

Einführung

AktG, wenn er die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen GmbH nimmt, ohne dass sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren ließe. Im Fall einer Einpersonengesellschaft fehlt es an einer angemessenen Rücksichtnahme, wenn die Gesellschaft infolge der im Konzerninteresse ausgeübten Einwirkungen ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen kann 22 ("TEE-Formel"). Der "qualifiziert faktische Konzern" war damit als Haftungstatbestand in Rechtsprechung und Lehre "fest etabliert" 23 , sowohl im GmbH- 24 als auch im Aktienkonzernrecht25 • In drei Entscheidungen aus den Jahren 2001 und 2002 hat sich der BGH zuerst vorsichtig, dann endgültig von der Figur des "qualifiziert faktischen Konzerns" distanziert. Eingeleitet wurde die Rechtsprechungswende 2001 durch die Bremer Vulkan-Entscheidung26. Der BGH kündigte darin- obiter27 , gleichwohl im Leitsatz - an, dass er den Schutz einer abhängigen GmbH vor Eingriffen ihres Alleingesellschafters 28 künftig nicht mehr über die Analogie zum Aktienkonzernrecht (§§ 302 f. AktG) bewerkstelligen will. Der Alleingesellschafter habe jedoch - zur Vermeidung einer eigenen Haftung - den Bestand der abhängigen GmbH in dem Sinne zu gewährleisten, dass er ihr nicht durch Eingriffe in ihr Vermögen und ihre Geschäftschancen die Möglichkeit neh-

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BGHZ 122, 123, I. Leitsatz und S. 130; diese Rechtsprechung wurde zuletzt bestätigt durch das (klageabweisende) Urteil BGH NJW 2001, S. 370. So Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 I I, S. 462 im Frühsommer 2001; vgl. auch Baumbach/Hueck/Zöl/ner GmbH-KonzernR Rn. I, 76: das Bedürfnis ftir eine spezifische Konzernhaftung sei "kaum mehr ernstlich zweifelhaft". Vgl. nur Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 91 ff.; Baumbach/Hueck!Zö/lner GmbH-KonzernR Rn. 86 ff.,jeweils m.w.N. Vgl. nur Hiif.fer (5. Aufl.) § 302 Rn. 30 m.w.N.; Emmerich/Habersack Anh. § 317 Rn. 5, der auch nach Bremer Vulkan und KBV ftir das Aktienrecht an der Analogie zu §§ 302 f. AktG festhält BGHZ 149, I 0. Besprechungen: u.a. Altmeppen ZIP 200 I, S. 1837; Bitter WM 2001, S. 2133; K. Schmidt NJW 2001, S. 3577; Ulmer ZIP 2001, S. 2021; Römermann/Schröder GmbHR 200 I, S. I 0 15; Hoffmann NZG 2002, S. 68. Der Vorsitzende des II. Zivilsenates Röhricht hatte die Entscheidung durch einen Festschriftenbeitrag vorbereitet (Röhricht FS f. BGH S. 83 ff.). Verklagt war im konkreten Fall nicht der Alleingesellschafter, sondern dessen Vorstandsmitglieder. Um die behauptete Haftung der Vorstandsmitglieder ("analog §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3 AktG") abzulehnen, hätte es keines Rundumschlags gegen den "qualifiziert faktischen Konzern" bedurft. Für die mehrgliedrige GmbH mit mehreren eigenständig handelnden Gesellschaftern sollte es demgegenüber offenbar bei der bisherigen Lösung bleiben; so auch die Interpretation Raisers FS Ulmer S. 493, 501.

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men dürfe, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Der neue, an die Stelle der "§§ 302 f. AktG analog" tretende Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs wurde vorerst nur angedeutet, schon weil nicht der Alleingesellschafter selbst, sondern dessen Vorstandsmitglieder verklagt waren. In der Literatur wurden demgemäß recht unterschiedliche Vorschläge unterbreitet: Sie reichen von einer Haftung des Gesellschafters für "gröblich" sorgfaltswidriges, nämlich existenzvernichtendes Verhalten 29 über eine Haftung wegen Verletzung einer Sonderrechtsverbindung30 bzw. "rudimentären Treuepflicht", wie sie auch dem Alleingesellschafter gegenüber seiner GmbH obliegen soll 31 , bis hin zu einer subsidiären Durchgriffshaftung wegen Rechtsmissbrauchs 32 . Auf eine solche Durchgriffshaftung deutete jedenfalls der in der Bremer Vulkan-Entscheidung enthaltene Satz hin, dass ein bestandsvernichtender Eingriff nur dann zu einer "Haftung des Alleingesellschafters für die Verbindlichkeiten der von ihm beherrschten GmbH" führe, wenn die Rückführung entzogenen Stammkapitals gemäß § 31 GmbHG zur Gläubigerbefriedigung nicht ausreiche33 . Bereits für die TBB-Formel, auf die Bremer Vulkan ausdrücklich Bezug nimme 4, wurde verbreitet angenommen, dass es sich dabei ungeachtet ihrer konzernrechtlichen Einkleidung in Wirklichkeit um eine gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs oder Vermögensvermischung handele 35 • In der Folgeentscheidung vom 25. Februar 2002 36 bezeichnete der BGH die Haftung aus "qualifiziert faktischem Konzern" dann ausdrücklich als aufgegeben. An ihre Stelle sei die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs

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Altmeppen Z!P 2001, S. 1837; ders. NJW 2002, S. 321; Roth/Altmeppen Anh § 13 Rn. 185: Organhaftung des Gesellschafters gemäß § 43 GmbHG, die analog § 93 Abs. 5 S. 2 und 3 AktG für "gröblich" sorgfaltswidriges Verhalten unverzichtbar sein soll; zu Recht kritisch zum Rekurs auf§ 43 GmbHG und § 93 AktG K. Schmidt NJW 2001, S. 3577, 3580 und Ulmer ZIP 2001, S. 2021, 2025 f. K. Schmidt NJW 2001, S. 3577,3580. Ulmer Z!P 200 I, S. 2021, 2026 f. Bitter WM 2001, S. 2133; Hofjinann NZG 2002, S. 68; Wilken DB 200!, S. 2383, 2384.- Auch Röhricht FS f. BGH S. 83 ff. lässt sich in diesem Sinne verstehen, wenn er darauf verweist, dass das Regelsystem, mit dem der Gesetzgeber einen effizienten Gläubigerschutz zu gewährleisten suche, zu seiner Funktionsfähigkeit voraussetze, dass der Gesellschafter sich systemkonform verhalte (S. I 0 I); systemsprengende Verhaltensweisen stellten einen "eindeutigen objektiven Missbrauch der Rechtsform der GmbH" dar (S. I 02, III ). BGHZ 149, 10, 16. BGHZ 149, 10, I. Leitsatz und S. 16. Früher bereits Bitter ZIP 2001, S. 265, 272 f. m.w.N. in Fn. 99; Wiedemann Festgabe 50 Jahre BGH S. 337, 348, 352: möglicherweise Sonderform der Durchgriffshaftung, Verwandtschaft zur Durchgriffshaftung; jetzt auch Wilhelm NJW 2003, S. 175, 176 f. BGHZ ISO, 61.

Einführung

getreten 37 • Der BGH erklärte zudem, dass diese Haftung auch solche Gesellschafter treffen könne, die zwar selbst nichts empfangen, durch ihr Einverständnis mit einem Vermögensabzug aber an der Existenzvernichtung der Gesellschaft mitgewirkt hätten. Im konkreten Fall konnte der BGH jedoch keinen existenzvernichtenden Eingriff erkennen. Erstmals praktiziert wurde die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs in der KBV-Entscheidung vom 24. Juni 2002 38 • Der BGH hat sich zugleich endgültig dafür entschieden, die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs in die traditionelle Durchgriffshaftung einzuordnen: "Die Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH ist unabdingbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG. Zugriffe der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen, welche die aufgrund dieser Zweckbindung gebotene angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Maße vermissen lassen, stellen deshalb einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH dar, der zum Verlust des Haftungsprivilegs führt, soweit nicht der der GmbH durch den Eingriff insgesamt zugefügte Nachteil bereits nach §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden kann.'d 9 Die Rechtsfolge besteht in einer (subsidiären) unmittelbaren Außenhaftung der an den Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen mitwirkenden Gesellschafter gegenüber den Gläubigem der Gesellschaft. 40 Der BGH hat mit Bremer Vulkan, den Folgeentscheidungen vom 25. Februar 2002 und KBV der zuvor "fest etablierten"41 , wenn auch zunehmend ungeliebten Analogie zu den §§ 302 f. AktG eine Absage erteilt. Wilhelm sieht in den Urteilen "die Rückkehr vom Ausflug des BGH in die konzernrechtliche Begründung der Haftung herrschender Unternehmensgesellschafter" und eine Hinwendung zur "alten" Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der juristischen Person 42 • Das Schrifttum hat diese Wende für die GmbH weitgehend nachvollzogen, wenn auch nicht immer zugunsten der Durchgriffshaf-

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BGHZ 150, 61, 68. BGHZ 151, 181; vgl. seither aus strafrechtlicher Sicht BGH v. 13.5.2004 - 5 StR 73/03, AG 2004, S. 450 Bremer Vulkan II - und die Nachweise zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung bei Wahl GmbHR 2004, S. 994. BGHZ 151, 181, I. Leitsatz. BGHZ 151, 181, 2. Leitsatz und S. 187 f. So noch Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 I I, S. 462. Wilhelm NJW 2003, S. 175, 176 f. (unter Einbeziehung auch schon der TEEEntscheidung).

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tung43 • Für die AG will es dagegen verbreitet am bisherigen Konzept der Haftung "analog§§ 302 f. AktG" festhalten 44 • Bremer Vulkan und die Folgeentscheidungen haben jedenfalls in Erinnerung gerufen, dass Konflikte im Konzern nicht auch notwendig mit spezifisch konzernrechtlichen Mitteln gelöst werden müssen, sondern auch allgemeinere Vorschriften (Kapitalerhaltung, Insolvenzrecht) und Rechtsinstitute (Durchgriffshaftung) herangezogen werden müssen.

111. Horizontale Haftung im Konzern Unter "horizontaler Haftung im Konzern" kann man Einstandspflichten der einen Schwestergesellschaft für alle oder bestimmte Schulden einer anderen und sonstige finanzielle Ausgleichspflichten zwischen Schwestergesellschaften verstehen45 • Keine besonderen Probleme bereiten dabei freiwillige Haftungsübernahmen, wie Schuldbeitritte, Bürgschaften oder die Vereinbarung einer Verlustgemeinschaft; dass diese je nach Art der Haftungsübernahme zu Ansprüchen zwischen den Schwestergesellschaften oder aber zu Direktansprüchen von Gläubigern einer Schwestergesellschaft führen, erscheint selbstverständlich. Schwerpunktmäßig ist daher zu untersuchen, inwieweit zwischen Schwestergesellschaften auch ohne besondere Vereinbarung gesetzliche Haftungsverhältnisse bestehen und einen Gläubigerzugriff auf das Vermögen von Schwestergesellschaften erlauben. Die horizontale Haftung kann eine sinnvolle Ergänzung 46 zur- häufig einfacher zu begründenden bzw. wirtschaftlich erfolgversprechenderen -Haftung des herrschenden Gesellschafters sein.

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V gl. außer den Nachweisen oben Fn. 29 - 32 noch Emmerich/Habersack Anh. § 318 Rn. 34 ff.- Gegen eine "Überreaktion", mit der der konzernrechtlich begründete Verlustausgleich vollends aus dem GmbH-Recht vertrieben würde, jedoch namentlich K. Schmidt NJW 2001, S. 3577, 3580; ders. FS Wiedemann S. 1199, 1219; ders. Gesellschaftsrecht § 39 1113, S. 1225. So Emmerich!Habersack Anh. § 317 Rn. 5 ff. (nur) ftir den AG-Konzern; auch Jäger Aktiengesellschaft § 41 Rn. 33 hält es ftir gerechtfertigt, bei einer abhängigen AG weiterhin die §§ 302 f. AktG heranzuziehen; bereits vor Bremer Vulkan hat Heyder Aktienkonzern, insbes. S. 177 ff., die Übernahme der BGH-Rechtsprechung zum "qualifiziert faktischen Konzern" abgelehnt, jedoch eine Analogie zu §§ 302 f. AktG befürwortet.- Hüffer § I Rn. 25, § 311 Rn. 11 will dagegen die für die GmbH entwickelte Lösung für die AG übernehmen will. In Anlehnung an Lutter ZGR 1982, S. 244, 24 7. Verbreitet wurde und wird in der horizontalen Konzernhaftung allerdings keine Ergänzung, sondern eine Alternative zur Konzernhaftung des herrschenden Gesellschafters gesehen; bei natürlichen Personen wird die vertikale Konzernhaftung zum

Einführung

Zwar kann auch über die Haftung des herrschenden Gesellschafters mittelbar auf die Vermögenswerte der Schwestergesellschaft zugegriffen werden; dazu sind lediglich seine Geschäftsanteile an der Schwestergesellschaft zu pfänden und zu verwerten. Dieser mittelbare Zugriff erfasst aber zum einen nicht die von etwaigen Minderheitsgesellschaftern gehaltenen Geschäftsanteile und die darauf entfallenden Vermögenswerte47 ; zum anderen führt er dann nicht weiter, wenn (auch) die Schwestergesellschaft insolvent ist. Die Geschäftsanteile sind dann regelmäßig wertlos, auf das für die Gläubiger der Schwestergesellschaft reservierte Gesellschaftsvermögen kann nicht zugegriffen werden. In dieser Situation erlaubt nur ein Direktanspruch gegen die Schwestergese!lschaft, mit den anderen Gläubigem gleichberechtigt um die Haftungsmasse zu konkurrieren, die etwa bei Besitzgesellschaften durchaus erheblich sein kann. 48 Die Frage, ob auch Schwestergesellschaften im Konzern füreinander einstandspt1ichtig werden können, ist bisher kaum zusammenhängend untersucht worden. Arbeiten aus der Zeit vor Bremer Vulkan beschränken sich meist auf konzernrechtliche Ansätze - insbesondere für die Betriebsaufspaltung49 und den Gleichordnungskonzem 50 - oder behandeln ausschließlich die Kapitalerhaltungs- und -ersatzregeln51 , als deren Adressaten auch Schwestergesellschaften in Betracht kommen. Dabei hat schon die AutokranEntscheidung von 1985 52 Veranlassung gegeben, über Einstandspt1ichten

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Teil als Überreaktion empfunden, vgl. K. Schmidt ZHR !55 (1991), S. 417, 432 ff.; BGHZ 115, 187, 190 f.- Video. Diesen Aspekt hebt schon Kohl MDR 1992, S. 204, 208 f. hervor. In dem Fall BAG ZIP 1999, S. 723 betrug die Konkursquote bei der Vertriebsgesellschaft ftir bevorrechtigte Forderungen I 00%, ftir nicht bevorrechtigte immerhin 35% (vgl. die Folgeentscheidung BAG NZA 2003, S. 213). Drygala Betriebsaufspaltung S. 37 ff. (Kapitalersatz), I 04 ff. (Konzernrecht). Ehlke DB 1986, S. 523; K. Schmidt ZHR (155) 1991, S. 417, der dort gewonnene Erkenntnisse auch auf den Unterordnungskonzern übertragen, also ein "Sonderrecht der in Abhängigkeit gleichgeordneten Konzernschwestern" (S. 424) herausbilden will; ftir ein Nebeneinander von einseitigem und wechselseitigem Haftungsdurchgriff nunmehr ders. FS Wiedemann S. 1199; Wellkamp DB 1993, S. 2517; Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557; Milde Gleichordnungskonzern S. 204 ff.; Keck Gleichordnungskonzerne S. I 03 ff.- Jaschinski Schwestergesellschaften hat demgegenüber eine Untersuchung zum GmbH-Unterordnungskonzern vorgelegt, in der sie jedoch vom Gleichordnungskonzern ausgeht und sich um den Nachweis bemüht, dass die Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns untereinander einen Gleichordnungskonzern bilden; sodann überträgt sie die von Drygala für die Betriebsaufspaltung vorgeschlagene Haftungsordnung (Treuepflichten bzw. §§ 302 f. AktG analog), die als solche jedoch weder kodifiziert noch konsentiert ist. Neben der Kommentarliteratur zu §§ 30, 31 GmbHG bzw. §§ 57, 62 AktG v.a. Cahn Kapitalerhaltung S. 31 ff. (Kapitalerhaltung), 240 ff. (Kapitalersatz). BGHZ 95, 330.

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auch von Schwestergesellschaften nachzudenken: Ehlke meinte bereits wenig später, entgegen dem BGH habe nicht der beklagte wirtschaftliche Alleingesellschafter und Geschäftsfilhrer von sieben Schwestergesellschaften, sondern jede Schwestergesellschaft haften sollen; denn wenn jemand tätigkeitsgleiche GmbHs parallel schalte, einheitlich lenke und auch wirtschaftlich nicht dauerhaft zwischen ihnen unterscheide, könne die formale Trennung der Gesellschaften keinen Bestand haben. In solchen Fällen sei dem Gläubiger der Zugriff auf sämtliche in den Konzern eingebundenen Gesellschaften zu gestatten53 . Ähnlich stellt Wiedemann in seiner "Spätlese zu Autokran" fest, das Problem des Falles habe im horizontalen Durchgriff gelegen, an den sich ein vertikaler erst anschließen konnte 54 • Der BGH hat die Möglichkeit eines horizontalen Haftungsverbundes im "qualifiziert faktischen Konzern" in den Folgeentscheidungen Video, TBB und EDV-Peripherie jeweils kurz angesprochen, aber offen gelassen; ein solcher Haftungsverbund stehe jedenfalls der Konzernhaftung des allein beklagten herrschenden Gesellschafters nicht entgegen55 . In EDV-Peripherie hat der BGH zudem Zweifel erkennen lassen, ob sich ein horizontaler Haftungsverbund mit den Belangen von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigem der einzelnen Gesellschaften vereinbaren lasse 56 •

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Ehlke DB 1986, S. 523, 526 mit dem Vorschlag einer Analogie zu§§ 30, 31 GmbHG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs; kritisch hierzu K. Schmidt ZHR (155) 1991, S. 417, 437, weil sämtliche Schwestergesellschaften insolvent waren und ihre Haftung deshalb nicht ausgereicht hätte. - Dass sich auch (wegen der sonst immerhin möglichen Pfandung der Geschäftsanteile vielleicht gerade!) der Durchgriff auf eine insolvente Schwestergesellschaft lohnen kann, belegt die SAG-Entscheidung zur horizontalen Betriebsaufspaltung, SAG ZIP 1999, S. 723. Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 662. BGHZ 115, 187, 190 f. - Video: Zur Frage, ob das Privatvennögen eines Privatgesellschafters durch einen Haftungsverbund zwischen den Einzelgesellschaften geschont werden könnte, sei nicht Stellung zu nehmen, weil der Beklagte jedenfalls auch ein einzelkaufmännisches Unternehmen betrieben habe; ebenso BGHZ 122, 123, 128-TBB. BGH NJW 1994, S. 446: "Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob es möglich ist und- im Hinblick auf die Belange von an den einzelnen Gesellschaften beteiligten Minderheitsgesellschaftern und der jeweiligen Gläubiger dieser Gesellschaften - gerechtfertigt sein kann, bei ,qualifizierter Gleichordnung' eine Verlustgemeinschaft und damit letztlich einen Haftungsverbund zwischen den von einer natürlichen Person beherrschten Gesellschaften anzunehmen. Dies würde jedenfalls keinen Grund darstellen, den Gesellschafter aus seiner Verantwortung gegenüber den Gläubigern und etwaigen Minderheitsgesellschaftern zu entlassen ... ".

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Zugelassen wurde ein horizontaler Durchgriff auf eine Schwestergesellschaft hingegen bisher durch das AG Eisenach (1995) 57 , das Bundesarbeitsgericht (1998) 58 und wohl auch das OLG Dresden (1999i 9 • Aus der Lehre ist besonders die Einschätzung Raisers von 1995 zu erwähnen, dass die Judikatur auf längere Sicht kaum daran vorbeikommen werde, einen Zugriff der Gläubiger auf Schwestergesellschaften im Konzern zu ermöglichen, wenn das Haftungspolster des Schuldnerischen Unternehmens zugunsten der Schwester ausgehöhlt wurde und das herrschende Unternehmen oder die Konzernleitstelle nicht zahlen kann 60 . Raiser und Karsten Schmidt haben denn auch die Bremer Vulkan-Entscheidung des BGH zum Anlass genommen, erneut über die Haftung einer Schwestergesellschaft fiir die Schulden einer anderen nachzudenken; möglich scheint ihnen eine solche horizontale Haftung auch auf der Grundlage der Bremer VulkanEntscheidung61.

IV. Judikatur zum horizontalen Durchgriff Von den bereits erwähnten "drei viel diskutierten Standardentscheidungen"62 zum horizontalen Durchgriff werden nachfolgend das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1998 (1.) und dasjenige des OLG Dresden von 1999 (2.) näher dargestellt. Die Entscheidung des AG Eisenach von 1995 ist richtigerweise als schlichter Fall eines Zurechnungsdurchgriffs einzuordnen und soll deshalb nur im engeren Zusammenhang der Durchgriffshaftung angesprochen werden 63 . 1.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (1998)

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1998 zur horizontalen Betriebsaufspaltung64 bejaht als bisher einzige höchstrichterliche Entscheidung mit

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AG Eisenach GmbHR 1995, S. 445, betreffend die Sicherung einer BauhandwerkerWerklohnforderung (§ 648a BOB); ablehnend Hüffer § 18 Rn. 21; dazu noch unten § 6 I 3. BAG ZIP 1999, S. 723; dazu sogleich IV I. OLG Dresden NZG 2000, S. 598 mit Anm. Grüner; dazu § I IV 2. Raiser ZGR 1995, S. !56, 161. Raiser FS Ulmer S. 493; K. Schmidt FS Wiedemann S. I I 99. So K. Schmidt FS Wiedernano S. 1199, 1209. Zum Urteil AG Eisenach GmbHR 1995, S. 445 unten§ 6 I 3. BAG ZIP I 999, S. 723 = NJW 1999, S. 26 I 4 = DB 1999, S. I 068.- Besprechungen: Henssler ZGR 2000, S. 479; Janßen DB I 999, S. 1398; BarkEWiR 1999, S. 537; K. Schmidt FS Wiedemann S. I 199, 1213 ff. Qeweils im Ergebnis zustimmend); Windbieh/er RdA 2000, S. 238 (ablehnend). Aus der Kommentarliteratur vgl. Baum-

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(konzemrechtlichen) Durchgriffserwägungen die Haftung einer Gesellschaft flir Verbindlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen einer horizontalen Betriebsaufspaltung hatte eine GmbH & Co. KG ("Produktionsgesellschaft") die Produktion von Wohnmöbeln übernommen, eine andere GmbH & Co. KG ("Vertriebsgesellschaft") den Vertrieb. Während die Produktionsgesellschaft sämtliche Arbeitnehmer beschäftigte, war das gesamte Anlagevermögen Eigentum der Vertriebsgesellschaft. Gemeinsame Komplementärin beider Gesellschaften war eine Verwaltungs-GmbH mit einem von P.H. und B.H. gehaltenen Stammkapital von 50.000 DM. P.H. und B.H. waren zugleich Kommanditisten der Produktions- und Vertriebsgesellschaft, mit Kommanditeinlagen von insgesamt 50.000 DM bei der Produktionsgesellschaft, dagegen 4.000.000 DM bei der Vertriebsgesellschaft. Die Vertriebsgesellschaft war einzige Geschäftspartnerin der Produktionsgesellschaft. Sie beschaffte die erforderlichen Rohstoffe, verkaufte sie zur auftragsbezogenen Produktion an die Produktionsgesellschaft und erwarb von ihr die fertigen Möbel. Die Preise wurden so kalkuliert, dass die Produktionsgesellschaft mit einem geringen Gewinn arbeiten konnte. Ein gesonderter Pachtzins flir die Überlassung des Betriebsgrundstücks und der Anlagen wurde nicht gezahlt. Als 1993 alle drei Gesellschaften in Konkurs fielen, erflillte der Pensionssicherungsverein (PSV) die Versorgungsansprüche von rund 300 Arbeitnehmern der Produktionsgesellschaft. Dadurch gingen gegen die Produktionsgesellschaft gerichtete Ansprüche in Höhe von 8.549.040 DM auf den PSV über. Der PSV klagte gegen den in allen drei Konkursverfahren 65 bestellten Konkursverwalter, die übergegangenen 66 Ansprüche auch zur Konkurstabelle der Vertriebsgesellschaft als einfache Konkursforderung festzustellen 67 . Der Klage wurde in allen drei Instanzen stattgegeben68 . Das BAG erklärt in den Entscheidungsgründen, ein Haftungsdurchgriff komme bei missbräuchlicher Ausnutzung einer haftungsbeschränkenden

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bach/1-Iueck/Zöl/ner Gmbl-1-KonzernR Rn. 95 (zustimmend). - Folgeentscheidung: BAG NZA 2003, S. 213. Ein gemeinsames Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften ist nach deutschem Recht nicht möglich. § 9 Abs. 2 BetrAVG. Vgl. § 146 Abs. I, 5, 7 KO. Vorinstanzen: ArbG Sielefeld v. 10.1.1996, Az. 4 Ca 1659/94 (n.v.); LAG I-lamm v. 28.1.1997, Az. 6 Sa 474/96 (n.v.).

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Rechtsform in Betracht, und subsumiert sodann unter ein Zitat von Schaub aus dem Jahre 198969 : Ein konzernrechtlicher Durchgriff auf das Vermögen der Besitzgesellschaft sei gerechtfertigt, wenn die Betriebsgesellschaft von der Besitzgesellschaft gesteuert werde, nicht für ihre Liquidität vorsorgen und die Besitzgesellschaft nicht darlegen könne, dass sich auch eine unabhängige Gesellschaft auf eine derartige Verhaltensweise hätte einlassen können 70 • Die Vertriebsgesellschaft(= Schwestergesellschaft) habe die Produktionsgesellschaft umfassend beherrscht und gesteuert, weil sie allein über das Anlagevermögen und die Unternehmerischen Außenkontakte verfügt habe und außerdem alleinige Auftraggeberirr und Lieferantirr der Rohstoffe gewesen sei. Die Produktionsgesellschaft sei deshalb und wegen der knappen Preiskalkulation außerstande gewesen, Rücklagen zu bilden und gegen wirtschaftliche Probleme vorzusorgen. Die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer seien dadurch außergewöhnlichen Risiken ausgesetzt worden, wohingegen den Geschäftspartnern der Vertriebsgesellschaft deren Anlagevennögen als Haftungsmasse zur Verfügung stehe71 . Eine nicht konzerneingebundene Gesellschaft hätte eigenes Anlagevermögen gebildet, die Preise nach Eigeninteresse gebildet und die Absperrung vom allgemeinen Markt nicht hingenommen. Die schädlichen Einwirkungen der Vertriebsgesellschaft seien in einer "konzernmäßigen Verknüpfung" erfolgt, die eine rechtsähnliche Anwendung der§§ 303, 322 AktG ennögliche. Im Schlussabsatz der Entscheidung stellt das BAG dann fest, "rechtlich herrschendes Mutterunternehmen" der Produktionsgesellschaft sei zwar die Verwaltungs-GmbH gewesen. Diese habe sich der Vertriebsgesellschaft jedoch bei ihrer auf die Interessen der Produktionsgesellschaft nur unzureichend Rücksicht nehmenden Leitung bedient und dort ihre Vermögensinteressen konzentriert; da die Vorteile planmäßig dorthin gelangt seien, müsse sie auch für die Verbindlichkeiten der Produktionsgesellschaft einstehen. Die Ausgangsinstanz, das Arbeitsgericht Bielefeld, hatte demgegenüber noch die Vertriebsgesellschaft als das herrschende Unternehmen i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG bezeichnet; die Vertriebsgesellschaft habe "über die Komplementärirr und deren Geschäftsführer" einen beherrschenden Einfluss auf die Produktionsgesellschaft ausüben können72 . Das LAG Hamm hat das so nicht wiederholt, sondern ausgeführt, P.H. und B.H. hätten über ihre Anteile an der Komplementär-GmbH allein die Richtlinien für die Geschäftsführung in allen drei Gesellschaften bestimmen können und somit die Leitungsorgane 69 70 7I 72

Schaub NZA I989, S. 5, 8. BAG ZIP I 999, S. 723, 724. BAG ZIP I999, S. 723,725. ArbG Bieiefeid v. I 0.1. I 996, Az. 4 Ca I 659/94 (n.v.), S. 20.

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beider Kommanditgesellschaften beherrscht. Die Geschäfte der Produktionsgesellschaft seien durch P.H. und B.H. über die Besitz- und die Verwaltungsgesellschaft dauernd und umfassend gefiihrt worden. Sodann begründet das LAG Hamm ähnlich wie später das BAG, dass die Produktionsgesellschaft in jeder Hinsicht von der Vertriebsgesellschaft abhängig gewesen sei 73 • Die HAG-Entscheidung ist von Windbichler und Henssler jeweils ausfUhrlieh und kritisch besprochen worden74 • Windbichler75 kritisiert vor allem, dass das BAG nicht sauber unter die nach TBB ftir eine Durchgriffshaftung im "qualifiziert faktischen Konzern" geltenden Voraussetzungen subsumiert und auch die Horizontalhaftung nur rudimentär begründet habe. Eine Haftung der Vertriebsgesellschaft hält sie immerhin fiir möglich unter den Gesichtspunkten der eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung, der Vermögensvennischung oder einer Vertrauenshaftung. Henssler zeigt ebenfalls die fehlende Übereinstimmung der Entscheidung mit den TEEGrundsätzen auf, konzediert der Entscheidung im Ergebnis jedoch durchaus Plausibilitäe6 . Insbesondere der Gedanke einer sachgerechten Verteilung der Insolvenzmassen könne es unter Umständen gebieten, den Gläubigerzugriff auf das Vennögen der Vertriebsgesellschaft zu gestatten 77 . 2002 musste sich das Bundesarbeitsgericht erneut mit dem Sachverhalt befassen, diesmal im Rahmen einer Klage der Bundesanstalt ftir Arbeit 78 . Die Bundesanstalt hatte an die Arbeitnehmer der Produktionsgesellschaft Konkursausfallgeld gezahlt. Im Konkurs der Produktionsgesellschaft war sie mit den übergegangenen Entgeltansprüchen der Arbeitnehmer teilweise ausgefallen. Im Konkurs der Vertriebsgesellschaft erkannte der Konkursverwalter die restliche Forderung zwar (unter dem Eindruck des BAG-Urteils von 1998) als sonstige Forderung an(§ 61 Abs. 1 Nr. 6 KO), bestritt aber eine

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LAG Hamm v. 28.1.1997, Az. 6 Sa 474/96 (n.v.), S. 12 ff.; das LAG Hamm spricht im Obersatz vom "beherrschenden Unternehmen", das es in der weiteren Subsumtion kommentarlos durch die Ve1iriebsgesellschaft ersetzt. Weitere, im Ergebnis jeweils zustimmende Urteilsanmerkungen: Janßen DB 1999, S. 1398; BarkEWiR 1999, S. 537. Aus der Kommentarliteratur zustimmend Baumbach/Hueck!Zö/lner GmbH-KonzernR Rn. 95: "zutreffend BAG ... , wonach Haftung der Besitzgesellschaft eintritt, wenn sie die Betriebsgesellschaft umfassend steuert und nicht ftir deren Liquidität vorsorgt". RdA 2000, S. 238, 242 mit dem Fazit: "Die der Entscheidung zugrunde liegende Gesellschaftskonstruktion vermag keine besonderen Sympathien zu erwecken, die Entscheidung aber auch nicht". ZGR 2000, S. 479,497. ZGR 2000, S. 479,495. BAG NZA 2003, S. 213 (mit Orientierungssätzen) = ZIP 2002, S. 2137.

Einfiihrung

Bevorrechtigung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 K0 79 • Während bevorrechtigte Forderungen zu 100% berichtigt wurden, betrug die Quote für sonstige Forderungen "nur" 35%. Die Bundesanstalt klagte deshalb auf Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle mit dem Rang nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO: Auch wenn die Vertriebsgesellschaft nicht Arbeitgeberin sei, müsse sie sich im Rahmen der Durchgriffshaftung als solche behandeln lassen; denn sie habe tatsächlich die Geschicke der Produktionsgesellschaft und der dort tätigen Arbeitnehmer gesteuert. Das Bundesarbeitsgericht hat dem nicht entsprochen: Die Vertriebsgesellschaft sei nicht Arbeitgeberin und rücke auch nicht wegen des Charakters der Durchgriffshaftung in die Arbeitgeberstellung ein. Eine analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO komme nicht in Betracht, weil jedes Konkursvorrecht eine Ausnahme vom Gebot der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger bilde und Bestimmungen über Konkursvorrechte daher im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger eng auszulegen seien. Deshalb könne die Privilegierung im Konkurs des Arbeitgebers (Produktionsgesellschaft) nicht auf den weiteren Konkurs eines Haftungsschuldners (Vertriebsgesellschaft) übertragen werden 80 • Mit der Frage, ob der im Urteil von 1998 praktizierte horizontale Durchgriff nach der Rechtsprechungsänderung durch Bremer Vulkan noch Bestand haben kann, setzte sich das Bundesarbeitsgericht unter Hinweis auf das vom Konkursverwalter abgegebene Anerkenntnis und die Rechtskraftwirkung der Eintragung in die Konkurstabelle nicht näher auseinander81 •

2.

Urteil des OLG Dresden (1999)

Das - durch Nichtannahme der Revision rechtskräftig gewordene - Urteil des OLG Dresden vom 27. Oktober 1999 82 leidet darunter, dass nicht klargestellt wird, ob das Gericht die S-GmbH letztlich als Schwestergesellschaft oder als herrschendes Unternehmen verurteilt, die Haftung also auf einem horizontalen oder einem vertikalen Verhältnis gründen soll. Die beklagte S-GmbH hatte nämlich im Zuge von Umstrukturierungen des Unternehmensverbundes sämtliche Anteile an ihrer bisherigen Schwestergesellschaft,

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Arbeitsentgeltansprüche gegen den Gemeinschuldner waren nach § 59 Abs. I Nr. 3 lit. a KO zunächst Masseforderungen. Sobald sie auf die Bundesanstalt ftir Arbeit übergingen, wurden sie gemäß § 59 Abs. 2 KO zu einer nach § 61 Abs. I Nr. I KO bevorrechtigten Konkursforderung herabgestuft BAG NZA 2003, S. 213,214 f. BAG NZA 2003, S. 213,214. NZG 2000, S. 598 mit Anm. Grüner; zu diesem Urteil auch K. Schmidt FS WiedemannS.II99, 1211 ff.

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der SBI-GmbH, übernommen und war so zum herrschenden Unternehmen geworden. Gleichwohl stützt das Gericht die Verurteilung der S-GmbH nicht nur auf diese Stellung als Alleingesellschafterin, sondern auch auf die bis zur Umstrukturierung bestehende "horizontale Verflechtung der beiden Gesellschaften unter Vermittlung der S-AG", der gemeinsamen Muttergesellschaft83. Der Entscheidung lag verkürzt folgender Sachverhalt zugrunde 84 : Der Kläger erwarb von der SBI-GmbH zwei noch zu errichtende Eigentumswohnungen. DieSBI-GmbH schaltete die S-GmbH (die spätere Beklagte) als Generalunternehmerin ein, die ihrerseits wiederum verschiedene Subunternehmer beauftragte. Der Vertrag zwischen der SBI- und der SGmbH sah zunächst nur einen Pauschalpreis vor; diese Vergütungsregelung wurde in einer Zusatzvereinbarung später dahin gehend geändert, dass die SGmbH sämtliche anfallenden Kosten zuzüglich eines Aufschlags von 5% fiir ihre Rolle als Generalunternehmerin erhalten sollte. Zudem ließ sich die SGmbH gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Subunternehmer von ihrer Gewährleistungshaftung freistellen. Gemeinsame Muttergesellschaft beider Gesellschaften war bis 1994/95 die S-AG. Sie hielt 100% der Anteile an der S-GmbH und 50% der Anteile an der SBI-GmbH; die anderen 50% wurden von einer H-GmbH gehalten. Alle Geschäftsflihrer der SBI-GmbH waren zugleich auch Geschäftsfiihrer der HGmbH oder Prokurist der S-GmbH. Im Zuge der Umstrukturierung übernahm die S-GmbH von S-AG und H-GmbH sämtliche Anteile an der SEIGmbH und wurde so deren Alleingesellschafterin. Anschließend kehrte die SBI-GmbH ihr einziges freies Kapital in Höhe von ca. 1 Mio. DM an die SGmbH aus. Nach dem Konkurs der SBI-GmbH 1998 verlangte der Kläger von der S-GmbH die Erstattung von Mängelbeseitigungskosten, obwohl nicht diese, sondern die SBI-GmbH seine Vertragspartnerin war. Das OLG Dresden stellt zunächst fest, dass vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die S-GmbH nicht bestünden, insbesondere keine Gewährleistungsansprüche der SBI-GmbH gegen die S-GmbH an ihn abgetreten worden seien. Auch Ansprüche gemäß §§ 30, 31 GmbH könnten nur der SBI-GmbH, nicht dem Kläger zustehen. Sodann bejaht das Gericht eine

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NZG 2000, S. 598, 600. Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72 sprechen mit Blick auf die Urteile des BAG und des OLG Dresden zu Recht von "eigenartigen Fallgestaltungen"; vgl. zur Veranschaulichung der Beteiligungsverhältnisse vor und nach der Umstrukturierung die Skizzen bei Grüner Anm. zu OLG Dresden NZG 2000, S. 598, 601 f.

Einführung

Außenhaftung der S-GmbH im "qualifiziert faktischen Konzern" analog §§ 302, 303 AktG und zugleich eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung. Während das Gericht die Haftung wegen Unterkapitalisierung wohl ausschließlich auf die spätere Gesellschafterrolle der S-GmbH stützen wi11 85 , ist dies bei der Haftung wegen "qualifiziert faktischen Konzerns" anders. Das Gericht zitiert beiläufig das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur horizontalen Betriebsaufspaltung86 und erklärt, über die "Schwesternhaftung" und damit die Frage einer Haftungsgemeinschaft gleichgeordneter Gesellschaften sei höchstrichterlich noch nicht entschieden. Bereits vor der Umstrukturierung habe zwischen den beiden Gesellschaften ein Konzernverhältnis bestanden; beide Gesellschaften seien Tochterunternehmen der S-AG gewesen. Damit sei ,Jedenfalls eine horizontale Verflechtung der beiden Gesellschaften unter Vermittlung der S-AG gegeben", ergänzt durch eine personelle Verflechtung. Sämtliche Gewinne seien bei der S-GmbH konzentriert worden 87 , und zwar durch die Freizeichnung von Gewährleistungsansprüchen, die Änderung der Vergütungsvereinbarung und die Auskehrung des freien Kapitals der SBI-GmbH an die S-GmbH. "Insgesamt liegt somit eine konzernrechtliche Verflechtung vor, deren ,Leitung' beim streitgegenständlichen Bauvorhaben von der S-GmbH ausging, sowohl auf Grund der personellen Verflechtung der Vertragsgestaltenden, als auch auf Grund der finanziellen Situation und später hin auch auf Grund der gesellschaftlichen Position als 100%ige Inhaberinder Anteile ... " 88 • Festzuhalten ist, dass das OLG Dresden die Verurteilung der S-GmbHjedenfalls auch auf eine konzernrechtliche Haftung im Horizontalverhältnis stützt; Urteilspassagen zur Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens 89 dienen lediglich der Absicherung dieses Ergebnisses, wie auch die zusätzlich herangezogene Haftung wegen Unterkapitalisierung.

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OLG Dresden NZG 2000, S. 598, 60 I spricht insofern mehrfach von einer "Haftung der Gesellschafter". AufS. 599 (re. Sp.) wird die Fundstelle BAG ZIP 1999, 723 ff. angeführt. Mit dieser Formulierung knüpft das OLG Dresden an BAG ZIP 1999, S. 723, 725 (unter Il.5) an. NZG 2000, S. 598, 600 (Hervorhebung durch Verf.) Die Ausführungen aufS. 600 (re. Sp.), dass der BGH eine Konzernhaftung auch ftir Forderungen bejahe, die bereits vor der Begründung des qualifizierten Beherrschungszustandes entstanden seien, sprechen ftir eine Haftung als herrschendes Unternehmen; der objektive Missbrauch der beherrschenden Position wird dann aber auch wieder mit Vorgängen begründet, die zeitlich vor der Umstrukturierung lagen (S. 601).

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V.

Gang der Darstellung

Kaum ein Konzern kommt ohne Schwestergesellschaften aus. Da in der Praxis die unterschiedlichsten Konzerngebilde begegnen, gestalten sich auch die Beziehungen zwischen Schwestergesellschaften entsprechend vieWHtig. Die Stofffülle bedingt Einschränkungen des Untersuchungsgegenstandes: Behandelt werden nur GmbH- und AG-Konzerne, bei denen die Schwestergesellschaften in Form einer GmbH oder AG organisiert sind. Der GmbHKonzern ist der in Deutschland mit Abstand häufigste Konzerntyp. Die Einbeziehung auch des praktisch weniger bedeutsamen AG-Konzerns erscheint angezeigt, weil insoweit ein kodifiziertes Konzernrecht existiert (§§ 291 ff., 311 ff. AktG), das möglicherweise auch für die Haftung von Schwestergesellschaften fruchtbar gemacht werden kann, jedenfalls nicht einfach übergangen werden darf. Personengesellschaften sollen nicht behandelt werden, auch wenn sie häufiger als Besitzgesellschaft im Rahmen von Betriebsaufspaltungen anzutreffen sind. So betraf auch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur horizontalen Betriebsaufspaltung von 1998 formal Personengesellschaften, nämlich solche in Form einer GmbH & Co. KG. Für die GmbH & Co. KG ist indessen anerkannt, dass wegen der Haftungsbeschränkung der Komplementärgesellschaft ein ähnlicher Gläubigerschutz wie bei den Kapitalgesellschaften stattfinden muss 90 • Raiser will die GmbH & Co. KG sogar schon als Kapitalgesellschaft einordnen 91 • Die Besonderheiten der GmbH & Co. KG sollen hier vernachlässigt werden 92 . Behandelt werden sowohl Unterordnungs- (§ 18 Abs. 1 AktG) als auch Gleichordnungskonzerne (§ 18 Abs. 2 AktG), jedoch beschränkt auf die jeweiligen Grundkonstellationen: Im Vordergrund steht der faktische, eingliedrige Unterordnungskonzern, bestehend aus einem herrschenden Unternehmen (Muttergesellschaft oder herrschender Gesellschafter) und mehreren Tochtergesellschaften. Der Begriff der Schwestergesellschaften wird eng verstanden und nur auf Gesellschaften bezogen, die tatsächlich die gleiche Mutter, jedenfalls denselben Mehrheitsgesellschafter haben. Auch sollen die Schwestergesellschaften nicht aneinander beteiligt sein, schon gar nicht wechselseitig (vgl. § 19 AktGP 3 . 90 91 92 93

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Vgl. Henssler ZGR 2000, S. 479, 491 f. zur Übertragbarkeit der Konzernhaftung auf die GmbH & Co. KG. RaiserKapitalgesellschaften § 42 Rn. I f., S. 701. Zur GmbH & Co. KG vgl. noch unten§ I Fn. 24 und§ l AI 3. Ist die eine Schwestergesellschaft an der anderen beteiligt, sind mit dieser Gesellschafterstellung insbesondere Ansprüche aus Treuepflichtverletzung, nach Kapital-

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Der - in der Praxis nahezu bedeutungslose - Gleichordnungskonzern ist zu berücksichtigen, weil die Haftung der gleichgeordneten (Schwester-) Unternehmen hier vergleichsweise intensiv diskutiert wird94 : Im Gleichordnungskonzern fehlt ein herrschendes Unternehmen, so dass als Haftungsadressaten von vomherein nur die gleichgeordneten Unternehmen in Betracht kommen. Im 1. Teil der Arbeit werden die Möglichkeiten des horizontalen Einzelausgleichs untersucht. Das spezifische Konzernrecht hält fiir einen horizontalen Einzelausgleich kaum Mittel bereit: Im Aktienkonzernrecht befassen sich die §§ 311 ff. AktG allein mit der Haftung des herrschenden Unternehmens (§ 1 A). Im GmbH-Konzern zieht die herrschende Meinung statt der §§ 311 ff. AktG die Treuepflicht heran, die ebenfalls nur den herrschenden Gesellschafter, nicht auch Schwestergesellschaften trifft (§ 1 B). Nach herrschender Meinung kann es allenfalls im Gleichordnungskonzern zu einer Konzernhaftung von Schwestergesellschaften kommen (§ 1 C). Die Einbeziehung von Schwestergesellschaften in das Kapitalerhaltungs- und -ersatzrecht ist dagegen im Ergebnis anerkannt. Obwohl selbst nicht Gesellschafter, sollen Schwestergesellschaften zur Erstattung verpflichtet sein, wenn sie von einer Schwestergesellschaft eine Zuwendung zu Lasten des gebundenen Kapitals erhalten haben; entsprechend sollen auch von Schwestergesellschaften gewährte Darlehen dem Eigenkapitalersatzrecht unterfallen können(§ 2). Kaum erörtert wurden bisher die Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung gegenüber Schwestergesellschaften (§ 3). Im 2. Teil der Arbeit werden zunächst zusammenfassend die Probleme dargestellt, welche das gesetzliche Konzept des Einzelausgleichs mit sich bringt (§ 4). Die Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung haben dazu gefUhrt, dass in Anlehnung an das Vertikalverhältnis auch flir das Horizontalverhältnis über eine pauschalierende Konzern- oder Durchgriffshaftung nachgedacht bzw. diese sogar praktiziert wird (vgl. die Urteile oben IV.). Vor Bremer Vulkan wurde hierbei meist an den Begriff des "qualifiziert faktischen Konzerns" und die "§§ 302 f. AktG analog" angeknüpft. Spätestens mit der Bremer Vulkan-Entscheidung bedürfen derartige Konzepte auch im Horizontalverhältnis einer kritischen Prüfung (§ 5). Eine Alternative könnte in der horizontalen Durchgriffshaftung liegen, insbesondere nachdem sich mit der KBV-Entscheidung auch die neue Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs als Spielart der Durchgriffshaftung herausgestellt hat (§ 6).

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erhaltungs- und ersatzrecht, aus Insolvenzanfechtung (vgl. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und aus Durchgriffshaftung leichter zu begründen. Vgl. die Nachweise oben Fn. 50.

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Ein Bedürfnis nach einer horizontalen Haftung zeigt sich besonders in Fällen der Konzerninsolvenz, wenn nämlich Mutter- und Tochtergesellschaften gleichzeitig insolvent werden und es letztlich um die sachgerechte Verteilung der Haftungsmassen auf die Gläubiger der verschiedenen Konzerngesellschaften geht. Im 3. Teil der Arbeit wird deshalb der Frage nachgegangen, ob zumindest für den Sonderfall der Konzerninsolvenz eine Umverteilung von Haftungsmassen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften bzw. ein gleichberechtigter Zugriff aller Gläubiger auf sämtliche Konzerngesellschaften begründet werden kann. Anschauungsmaterial für eine derartige Umverteilung liefern das US-amerikanische und das französische Recht: In den Vereinigten Staaten ist der horizontale Durchgriff auch in Fällen der Konzerninsolvenz gängige Praxis; in Ausnahmefallen werden die Gesellschaften sogar konsolidiert, ihre Aktiva und Passiva also zu einer einheitlichen Insolvenzmasse verschmolzen (§ 7). In Frankreich werden ähnliche Ergebnisse über die Insolvenzerstreckung wegen Fiktivität oder Vermögensvermischung erreicht(§ 8). Diese Konzepte und ihre Begründungen werden auf ihre Übertragbarkeit ins deutsche Recht hin überprüft. Aus dem deutschen Insolvenzrecht könnte der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, der par condicio creditorum, einen Ansatzpunkt bieten. Herkömmlich wird dieser Grundsatz allerdings nur auf die Gläubiger eines einzelnen Schuldners, nicht auch auf alle Gläubiger einer aus mehreren Konzerngesellschaften bestehenden Wirtschaftseinheit bezogen(§ 9).

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1. Teil: Horizontaler Einzelausgleich Den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts und des OLG Dresden zur horizontalen Konzernhaftung 1 liegt noch die aus dem Vertikalverhältnis bekannte Figur des "qualifiziert faktischen Konzerns" zugrunde, von der sich der BGH in neueren Entscheidungen distanziert hat2 • Ohnehin waren Kläger mit pauschalen Konzernhaftungskonstruktionen vor dem BGH nach TBB nur noch selten erfolgreich. Sie bekamen vielmehr regelmäßig bescheinigt, dass im konkreten Einzelfall ein Einzelausgleich nach den Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30 f. GmbHG) möglich sei und dieser konzernrechtlichen Ansprüchen vorgehe 3• Für diesen jedenfalls vorrangigen Einzelausgleich kommen im Horizontalund Vertikalverhältnis jeweils ähnliche Anspruchsgrundlagen in Betracht. Neben spezifisch konzernrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§ I) sind dies vor allem die Vorschriften des Kapitalerhaltungs- und-ersatzrechts (§ 2) und die Bestimmungen zur Insolvenzanfechtung (§ 3).

§ 1. Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen Das konzernrechtliche Instrumentarium scheint für einen horizontalen Einzelausgleich zunächst denkbar ungeeignet. Denn zumindest auf den ersten Blick hält das Konzernhaftungsrecht nur Ansprüche für die Vertikale bereit, gerichtet gegen das herrschende Unternehmen bzw. den herrschenden Gesellschafter: Der für AG und KGaA in den§§ 311 ff. AktG kodifizierte Einzelausgleich richtet sich gegen das herrschende Unternehmen; im GmbHKonzern kommt die herrschende Meinung über die "gesteigerte" Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Zu einem horizontalen Einzelausgleich gelangt man daher nur, wenn man die §§ 311 ff. AktG im Einzelfall auch gegen Schwestergesellschaften wenden (A.) bzw. vergleichbare Treuepflichten auch zwischen Schwestergesellschaften annehmen kann (B.). Besser sieht die Situation im Gleichordnungskonzern aus(§§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG): Hier liegt eine Haftung der

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BAG ZIP 1999, S. 723; OLG Dresden NZG 2000, S. 598 mit Anm. Grüner; näher oben Einf. IV. BGHZ 149, 10- Bremer Vulkan; deutlich BGHZ 150, 61, 68; BGHZ 151, 181KBV; aus strafrechtlicher Sicht BGH v. 13.5.2004- 5 StR 73/03, AG 2004, S. 450Bremer Vulkan li. Vgl. zuletzt BGH NZG 2001, S. 126 im Gegensatz zur Vorinstanz OLG München NZG 1999, S. 1169. BGH NJW 1996, S. 1283 hielt eine Konzernhaftung immerhin noch bei GmbH-Stafetten für möglich.

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Horizontaler Einzelausgleich

gleichgeordneten (Schwester-)Unternehmen näher, schon weil ein herrschendes Unternehmen als Anspruchsgegner fehlt (C.).

A.

FaktischerAG-Unterordnungskonzern

Die §§ 311 ff. AktG konzentrieren die konzernrechtlichen Haftungsansprüche beim herrschenden Unternehmen. So verpflichtet § 317 Abs. 1 AktG allein das herrschende Unternehmen zum Schadensersatz, wenn es eine abhängige Gesellschaft zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft bzw. einer nachteiligen Maßnahme veranlasst und den Nachteil nicht rechtzeitig nach § 311 AktG ausgeglichen hat4 • Wohin die mit dem Nachteil korrespondierenden Vorteile fließen und wer die Intervention letztlich veranlasst hat, ist egal. Das gilt auch, wenn eine Schwestergesellschaft das herrschende Unternehmen zu einer Intervention in ihrem Sinne anstiftet und unmittelbar von ihr profitiert. Die Intervention kann zum Beispiel in der Festlegung von Konzernverrechnungspreisen fiir den Leistungsaustausch zwischen den Schwestergesellschaften bestehen: Auch wenn die Preise einseitig im Interesse der einen Schwestergesellschaft kalkuliert werden, muss nicht diese begünstigte Schwestergesellschaft, sondern allein das herrschende Unternehmen fiir einen Nachteilsausgleich sorgen und gegebenenfalls Schadensersatz leisten. "Herrschend" ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vor allem die mit Mehrheit beteiligte Muttergesellschaft, § 17 Abs. 2 AktG. Zwischen Schwestergesellschaften fehlt es an einer (vergleichbaren5) gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Eine Schwestergesellschaft könnte im Einzelfall jedoch aus anderen Gründen als "herrschend" zu qualifizieren sein; das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur horizontalen Betriebsaufspaltung lässt das jedenfalls vermuten (I.). Auch wenn eine Schwestergesellschaft auf eine andere Einfluss gewinnt, dadurch aber nicht zum "herrschenden Unternehmen" wird, kommt immerhin noch eine Schadensersatzpflicht nach der allgemeinen, nicht konzernspezifischen Haftungsnorm des § 117 AktG in Betracht (II.). Schließlich könnte sich die Haftung der Konzernspitze (§§ 311, 317 AktG) auf Schwestergesellschaften "verlängern" lassen, wenn nämlich § 117 Abs. 3 AktG in diesem Zusammenhang analog angewendet werden kann. Nach

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Daneben haften gesamtschuldnerisch auch die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens(§ 317 Abs. 3 AktG). Die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft haften bei Pflichtverletzungen allgemein nach § 93 Abs. 2 AktG (ggf. i.V.m. § 116 AktG) bzw. speziellnach § 318 AktG, wenn sie ihre Berichts- und Prüfungspflichten nach den §§ 312, 3 14 AktG verletzen. Der Fall, dass Schwestergesellschaften aneinander beteiligt sind, soll hier außen vor bleiben, vgl. Einf. Fn. 93.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

dieser Vorschrift haften neben dem Einflussnehmenden auch Dritte, die die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst und von ihr profitiert haben (III.). I.

Schwestergesellschaft als "herrschendes" Unternehmen(§§ 311, 317 AktG)

Wenn sich konzernrechtliche Haftungsansprüche stets gegen das herrschende Unternehmen richten 6 , liegt die Frage nahe, ob eine Schwestergesellschaft "herrschendes Unternehmen" sein kann, auch wenn sie das Leitbild der Mehrheitsbeteiligung(§ 17 Abs. 2 AktG) verfehlt. Auswirkungen hätte das nicht nur für den Einzelausgleich nach den §§ 311, 317 AktG, sondern auch für die Haftung im "qualifiziert faktischen Konzern". Denn auch diese Haftung sucht ihr Haftungszentrum da, wo das konzernrechtliche Leitungszentrum liegt 7• Gleichwohl wurde - zumindest bis Bremer Vulkan - vertreten, dass auch Schwestergesellschaften einander "analog §§ 302 f. AktG" zum Verlustausgleich verpflichtet sein und gegenüber Gläubigem von Schwestergesellschaften in die unmittelbare Ausfallhaftung geraten können. Entsprechende Vorschläge finden sich für den Gleichordnungskonzem8, die horizontale Betriebsaufspaltung9, sogar für den GmbH-Unterordnungskonzem 10 • Habersack hat die §§ 311, 317 AktG für das Aktienrecht als Grundtatbestand der Haftung nach§§ 302 f. AktG analog bezeichnet 11 • Eine Haftung "analog §§ 302 f. AktG" sollte deshalb ebenso wie der Grundtatbestand voraussetzen, dass die zum Ausgleich verpflichtete Schwestergesellschaft die andere in irgendeiner Form "beherrscht" hat 12 • 6 7 8

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II

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Henssler ZGR 2000, S. 479, 493; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 377; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2099. K. SchmidtFS Wiedemann S. 1199, 1217. Wellkamp DB 1993, S. 2517, 2520 f.; Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 568 ff.; diesen zustimmend Hii.ffer § 291 Rn. 35; Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 13, S. 934; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72: kommt in Betracht; zurückhaltend auch Henssler ZGR 2000, S. 479, 499 f. BAG ZIP 1999, S. 723, 725: "rechtsähnliche Anwendung der §§ 303, 322 AktG"; Drygala Betriebsaufspaltung S. 123 f. OLG Dresden NZG 2000, S. 598, 600: "horizontale Verflechtung" von Schwestergesellschaften im Unterordnungskonzern, näher oben Einf. IV 2; Jaschinski Schwestergesellschaften S. 167 ff.; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2102 ff. Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 III 2, S. 4 71, ähnlich § 28 III 1, S. 441. Habersack hält auch nach Bremer Vulkan für die AG daran fest, dass das in §§ 311, 317 AktG geregelte System des Einzelausgleichs durch eine Haftung analog §§ 302 f. AktG zu ergänzen ist (Emmerich!Habersack Anh. § 317 Rn. 5 ff.). Das gilt jedenfalls, wenn man allein an einen "qualifiziert faktischen Konzern" im Verhältnis der Schwestergesellschaften anknüpfen möchte und nicht wie Henssler ZGR 2000, S. 4 79, 499 f. weitere Tatbestandsvoraussetzungen aufstellt. - Ähnlich wie hier Ziegler WM 1989, S. I 077, I 079: Verlustausgleichspflicht des Schwesterun-

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Horizontaler Einzelausgleich

Ähnlich befiirwortet - nach Bremer Vulkan - Raiser eine Verlustgemeinschaft zwischen Schwestergesellschaften und einen Haftungsdurchgriff der Gläubiger, wenn (bei der Betriebsaufspaltung oder im Gleichordnungskonzern) "die zahlungsfähige Schwestergesellschaft, ohne dass sie an der zahlungsunfähigen Schwester gesellschaftsrechtlich beteiligt zu sein braucht, selbst Leitungsmacht über diese ausübt und dabei keine angemessene Rücksicht auf deren Vennögenslage nimmt, so dass die Schwester ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann" 13 . Die erforderliche Beherrschung kann eine unmittelbare (1.), eine mittelbare (2.) oder eine solche kraft Zurechnung (3.) sein. 1.

Unmittelbare, wirtschaftliche Beherrschung

"Herrschend" ist nach der gesetzlichen Definition in § 17 Abs. 1 AktG ein Unternehmen, das umnittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes (damit abhängiges) Unternehmen ausüben kann. Dazu muss es Einfluss auf die Geschäfts- und Personalpolitik des abhängigen Unternehmens nehmen und ihm Konsequenzen für den Fall androhen können, dass seine Wünsche nicht befolgt werden 14 • Zu den in Betracht kommenden Beherrschungsmitteln sagt § 17 Abs. 1 AktG nichts. Nach der heute herrschenden Meinung muss die Einflussmöglichkeit jedoch gesellschaftsrechtlich vermittelt sein, vorzugsweise durch eine Mehrheitsbeteiligung 15 • Bei einem derart eng verstandenen Abhängigkeitsbegriff ist im Unterordnungskonzern neben der Muttergesellschaft kein Platz mehr für eine gleichfalls herrschende Schwestergesellschaft 16 • Eine unmittelbare Abhängigkeit von mehreren, nicht koordinierten Unternehmen zugleich ist nicht möglich 17 •

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ternehmens schwerlich zu begründen, solange dieses nicht selbst die Konzernleitungsmacht ausübt. Raiser FS Ulmer S. 493, 509; dazu näher unten § I C II 2 e. BGHZ 121, 13 7, 146 - WAZ/IKZ; näher Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 3 II 2, S. 45 ff. BGHZ 90,381,395 ff.- BuM; BGHZ 121, 137, 135- WAZ/IKZ; Hüffer § 17 Rn. 9; GK-AktG!Windbichler § 17 Rn. 12; Scholz!Emmerich Konzernrecht Rn. 24; Koppensteiner FS Stimpel S. 811 ff. OLG Düsseldorf ZIP 1993, S. 1791, 1794: Streitet die Vermutungsregel des§ 17 Abs. 2 AktG ftir und gegen ein Unternehmen, das allein eine Mehrheitsbeteiligung hält, kann ein herrschender Einfluss durch ein anderes Unternehmen nur angenommen werden, wenn die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG widerlegt wird. - Eine Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung ist aber nahezu ausgeschlossen: Dass vorhandener Einfluss tatsächlich nicht ausgeübt wird, ist unerheblich, weil schon die Möglichkeit der Einflussnahme Abhängigkeit begründet (Hüffer § 17 Rn. 19). GK-AktG/Windbichler § 17 Rn. 60, 68. Davon zu unterscheiden sind mehrstufige Abhängigkeitsverhältnisse (Mutter - Tochter - Enkelin), bei denen die Enkelin ge-

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

Gerrau diesen Eindruck gleichzeitiger Beherrschung durch die Mutter- und die Schwestergesellschaft vermittelt aber das Urteil des Bundesarbeitsgerichtsvon 1998 18 • a)

Zur Interpretation des Urteils des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht bildet zunächst den Obersatz, eine konzernrechtliche Durchgriffshaftung auf das Vennögen der Besitzgesellschaft sei gerechtfertigt, wenn die Betriebsgesellschaft von der Besitzgesellschaft gesteuert werde, nicht ftir ihre Liquidität vorsorgen könne und sich eine unabhängige Gesellschaft darauf nicht eingelassen hätte 19 • In der Subsumtion ftihrt es unter anderem aus: "Die Produktionsgesellschaft wurde von der Vertriebsgesellschaft in der Art einer unselbständigen Betriebsabteilung beherrscht und gesteuert. Die Produktionsgesellschaft hatte weder Anlagevennögen noch unternehmerische Außenkontakte. Ihr Wohl und Wehe hing davon ab, dass die Vertriebsgesellschaft ihr die erforderlichen Räumlichkeiten und Produktionsmittel zur VerfUgung stellte... Die Produktionsgesellschaft war von Aufträgen, Kaufverträgen und Rohstofflieferungen der Vertriebsgesellschaft abhängig. Eigenständige unternehmerische Aktivitäten der Produktionsgesellschaft waren ausgeschlossen. Sie lagen allein in den Händen der Vertriebsgesellschaft, die über die herzustellenden Möbel, die einzusetzenden Rohstoffe und den Umfang der Produktion entschied" 20 . Weiter konstatiert das BAG eine "umfassende Einbindung der Produktionsgesellschaft in die unternehmerischen Ziele und Vorgaben der Vertriebsgesellschaft" 21 und schließlich: "Die Vertriebsgesellschaft hat verhindert, dass sich die Produktionsgesellschaft so verhielt, wie sich ein konzernunabhängiges Unternehmen im wirtschaftlichen Eigeninteresse notwendigerweise hätte verhalten müssen" 22 . Die wiedergegebenen Urteilspassagen lassen keinen Zweifel, dass nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die Produktionsgesellschaft jedenfalls in irgendeiner Weise durch ihre Schwestergesellschaft, die Vertriebsgesellschaft, beherrscht wurde und darauf mit einer Haftung eben dieser Schwestergesellschaft zu reagieren ist23 . Um eine gesellschaftsrechtlich vermittelte

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mäß § 17 Abs. I AktG mittelbar auch von der Mutter abhängig ist, vgl. Sonnenschein/ Emmerich/Habersack Konzernrecht § 3 Il4, S. 49. BAG ZIP 1999, S. 723; Darstellung der Entscheidung oben Einf. IV I. BAG ZIP 1999, S. 723, 724 (unter I. a.E.). BAG ZIP 1999, S. 723, 724 (unter II.l ). BAG ZIP 1999, S. 723,724 (unter II.l). SAG ZIP 1999, S. 723, 724 (unter 11.2). Auch Henssler versteht das SAG so, dass der erste Leitsatz nicht nur ftir eine - im konkreten Fall nicht gegebene- vertikale Betriebsaufspaltung gelten soll, bei der die

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Horizontaler Einzelausgleich

Beherrschung kann es sich dabei jedoch nicht handeln. Denn gesellschaftsrechtlich herrschendes Unternehmen war allein die Verwaltungs-GmbH als gemeinsame Komplementärin von Produktions- und Vertriebsgesellschaft24 . Das hat das Bundesarbeitsgericht im Gegensatz zu den Vorinstanzen auch erkannt, wenn es im Schlussabsatz der Entscheidung auf die VerwaltungsGmbH als das "rechtlich herrschende Mutterunternehmen der Produktionsgesellschaft"25 zu sprechen kommt. Es geht darüber jedoch mit der Begründung hinweg, die Verwaltungs-GmbH habe sich der Vertriebsgesellschaft schließlich bei ihrer beherrschenden, auf die Interessen der Produktionsgesellschaft unzureichend Rücksicht nehmenden Leitung bedient und die Vorteile dorthin transferiert. Das Bundesarbeitsgericht vermischt damit in der Entscheidung zwei verschiedene Abhängigkeitsbegriffe: Im Hauptteil der Entscheidungsgründe beschreibt das Bundesarbeitsgericht wie schon die Vorinstanzen ausruhrlieh

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Besitzgesellschaft als Muttergesellschaft gesellschaftsrechtlich herrschendes Unternehmen sein kann; vielmehr nennt auch schon der erste Leitsatz "Kriterien ftir einen Haftungsdurchgriff auf die Schwestergesellschaft" (Henssler ZGR 2000, S. 4 79, 487). Ebenso Henssler ZIP 2000, S. 479, 488 f.; Windbichler RdA 2000, S. 238, 240 bezeichnet P .H. als beherrschenden Gesellschafter. - Produktions- und Vertriebsgesellschaft waren beide GmbH & Co. KGs, mit der Verwaltungs-GmbH als gemeinsamer Komplementärin. Eine KG und ihre Komplementär-GmbH bilden für sich betrachtet noch keinen Konzem, wenn sich die GmbH auf die Geschäftsführung dieser einen KG beschränkt. Ist die GmbH jedoch Komplementärin mehrerer KG ("sternfdrmige GmbH & Co. KG"), besteht die Gefahr, dass Geschäftschancen und Gewinne zwischen den jeweiligen geschäftlichen Aktivitäten verlagert werden; diese "Konzerngefahr" lässt die GmbH zum herrschenden Untemehmen werden (Liebscher in: Sudhoff GmbH & Co. KG § 50 Rn. 33, S. I 029; Raiser Kapitalgesellschaften § 42 Rn. 4, S. 701 f., §51 Rn. 6, S. 815; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzemrecht § 33 I! I, S. 504; a.A. K. Schmidt FS Wiedemann S. 1199, 1207: er sieht in der "stemfdrmigen GmbH & Co. KG" ein "Bilderbuchbeispiel ftir den Gleichordnungskonzern" gemäß § 18 Abs. 2 AktG). Das muss auch dann gelten, wenn die beiden KGs wirtschaftlich betrachtet Teil desselben, kUnstlieh aufgespaltenen Untemehmens sind; denn auch die Betriebsaufspaltung stellt einen Konzerntatbestand dar (Hachenburg/ Ulmer Anh. § 77 Rn. 155; Baumbach/Hueck/Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 95; Wiedemann ZIP 1986, S. 1293, 1301).- Im SAG-Fall war die Verwaltungs-GmbH daher unmittelbar herrschendes Unternehmen. Da sie ihrerseits von dem mit 98% beteiligten Unternehmensgesellschafter P.H. beherrscht wurde, war dieser gemäß § 17 Abs. I, 2. Alt. AktG mittelbar herrschendes Unternehmen (vgl. Liebscher in: Sudhoff GmbH & Co. KG §50 Rn. 35 f.). Als Komplementärin haftete die VerwaltungsGmbH gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB ohnehin persönlich, so dass eine konzernrechtliche BegrUndung von vertikalen Ansprüchen nur hinsichtlich des P.H. von Interesse gewesen wäre. BAG ZIP 1999, S. 723, 725 (unter Il.S), Hervorhebung durch Verf.- Die Zuftigung des Wortes "rechtlich" macht nur Sinn, wenn man daneben auch noch eine andere Form der Beherrschung akzeptiert, die zwar keine rechtlich-formale, aber dennoch eine rechtserhebliche ist.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

eine faktische, wirtschaftliche Abhängigkeit der Produktionsgesellschaft von der Vertriebsgesellschaft26 ; im Schlussabsatz wechselt es dagegen unvermittelt zum heute üblichen Abhängigkeitsbegriff, wonach Abhängigkeit gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein muss, mit der Folge, dass als unmittelbar herrschendes Unternehmen und Anspruchsgegner eben nur die Verwaltungs-GmbH in Betracht kommt27 . Um diese Konsequenz nicht ziehen zu müssen, flüchtet sich das Bundesarbeitsgericht in eine Haftung der Vertriebsgesellschaft als missbräuchlich eingesetztes Werkzeug. Wie Henssler in seiner Besprechung des Urteils dargelegt hat, erscheint es jedoch ausgeschlossen, dem Werkzeug das tatbestandsmäßige Handeln des Hintermanns (Verwaltungs-GmbH) zuzurechnen und es hierfiir haftbar machen zu wollen 28 . Erfolgversprechender könnte es sein, das Bundesarbeitsgericht beim Wort zu nehmen und zu untersuchen, ob sich die Haftung der Vertriebsgesellschaft auch mit einer (wirtschaftlichen) Beherrschung der Produktionsgesellschaft durch die Vertriebsgesellschaft begründen ließe 29 .

b)

Meinungsstand zur wirtschaftlichen Abhängigkeit

Die Frage, ob auch ein wirtschaftlicher Einfluss zu Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG fuhren kann, war früher heftig umstritten. Nach § 15 Abs. 2 AktG 1937 konnte ein beherrschender Einfluss "aufgrund von Beteiligungen oder sonst" bestehen. Diese Formulierung legte es nahe, dass der beherrschende Einfluss nicht nur auf einem beteiligungsähnlichen Rechtsverhältnis, sondern auch auf tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Machtpositionen beruhen konnte. Die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 knüpfte an diese Rechtslage an und schloss eine Beherrschung auf tatsächlicher Grundlage jedenfalls nicht schlechthin aus dem Anwendungsbereich des § 17 AktG aus 30 • Allerdings würden rein tatsächli26

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30

Ygl. Hens~iler ZGR 2000, S. 479, 489, der ebenfalls annimmt, dass das BAG aus einer "faktischen wirtschaftlichen Abhängigkeit" rechtliche Schlüsse ziehen wollte. Auch Windbichler RdA 2000, S. 238, 239 spricht von der "wirtschaftlich abhängigen Produktionsgesellschaft". Zur Haftung des Hauptgesellschafters P.H. vgl. oben§ I Fn. 24. Henssler ZGR 2000, S. 479, 494; dazu noch unten§ I AI 3. Vgl. zu diesem Ansatz auch schon Ehlke DB 1986, S. 523, 524, der die sieben Leasingnehmergesellschaften in Autokran als Gleichordnungskonzern einstuft und sodann in Fn. 21 anmerkt: "Es erscheint nicht völlig eindeutig, ob man die YOZInkassogesellschaft in die gleichgeordneten Gesellschaften einreihen kann ... oder ob ihr nicht bereits eine Überordnungsfunktion zukommt; evtl. waren Gewinnabftihrungsverträge geschlossen, außerdem soll die Inkassogesellschaft die kalkulierten Gewinnmargen der anderen Gesellschaften mbH abgeschöpft haben". Im Gegensatz zum Referentenentwurf, der als Möglichkeiten eines beherrschenden Einflusses nur Beteiligungen, satzungsmäßige oder vertragliche Rechte vorsah, lehnte

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Horizontaler Einzelausgleich

ehe Verhältnisse nur selten ausreichen, weil sie es in aller Regel nicht gestatteten, sich das abhängige Unternehmen ohne Rücksicht auf zufällige Entwicklungen und die nicht sichere Mitwirkung anderer zu unterwerfen 31 . In der Literatur wurde die Berücksichti~ung wirtschaftlicher Abhängigkeit teils abgelehne 2, teils aber auch bejaht 3 . Eine Definition wirtschaftlicher Abhängigkeit findet sich bei Dierdorf 34 : Die betroffene Gesellschaft muss auf die Geschäftsbeziehungen zu dem anderen Unternehmen existenziell angewiesen sein; sie darf keine Möglichkeit haben, sich durch ein Ausweichen auf sonstige Geschäftspartner oder durch eine Umstellung ihrer Tätigkeit zu lösen; das andere Unternehmen muss über ein Druckmittel zur Durchsetzung seines Einflusses verfugen, insbesondere mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen drohen können. Mit der RuM-Entscheidung setzte der BGH 1984 einen vorläufigen Schlusspunkt unter die Diskussion. Er lehnte es ab, die §§ 311, 317 AktG auf die WestLB anzuwenden, die Hauptkreditgeberin und mit rund 20% auch Aktionärirr der BuM AG gewesen war und bei dieser die Rückfiihrung von Krediten durchgesetzt hatte 35 . Ein beherrschender Einfluss im Sinne von § 17 AktG müsse gesellschaftsrechtlich bedingt oder zumindest vermittelt sein. Wirtschaftliche Abhängigkeit reiche für sich allein nicht aus, weil die §§ 311 ff. AktG als spezifisch aktienrechtliche Regelungen auf gesellschaftsrechtlich geprägte Sachverhalte zugeschnitten seien. Ihr Zweck bestehe nicht im Schutz vor den allgemeinen Risiken marktwirtschaftlicher Betätigung; sie sollten vielmehr Minderheitsaktionäre innerhalb der abhängigen Gesellschaft vor Nachteilen schützen, die sich aus einer Ausnutzung spezifisch gesellschaftsrechtlicher Möglichkeiten (durch den Mehrheitsaktionär) ergeben könnten und die deshalb auch mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln zu bekämpfen seien36 • Eine Einschränkung machte der BGH jedoch insofern, als wirtschaftlicher Einfluss einen ohnehin schon bestehenden gesellschafts-

31 32 33 34 35 36

28

der Regierungsentwurf es ab, die Beherrschungsmittel abschließend aufzuzählen, weil dies unzweckmäßig bzw. unmöglich sei, Regßegr. zu § 17 AktG, abgedruckt bei Kropf!S. 31; KöhlerNJW 1978, S. 2473,2474. RegBegr. zu § 17 AktG, abgedruckt bei Kropf!S. 31. Ulmer ZGR 1978, 457 m.w.N. Dierdorf Herrschaft; Werner Abhängigkeitstatbestand; Geßler/Hefennehl/Geß/er, § 17 Rn. 56, 59. DierdoifHerrschaft, zusammenfassend S. 195. BGHZ 90, 381, 394 ff. BGHZ 90, 381, 395 f.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

internen Einfluss zu einem beherrschenden Einfluss verstärken könne ("kombinierte Beherrschung")37 . Die Berücksichtigung ausschließlich gesellschaftsrechtlich vermittelter Abhängigkeit wird in jüngerer Zeit wieder zunehmend angegriffen, indem etwa auch die Berücksichtigung wirtschaftlicher oder sogenannter organisationsrechtlicher Abhängigkeit gefordert wird38 . In der Diskussion ist insbesondere eine Ausdehnung der §§ 311, 317 AktG bzw. §§ 302 f. AktG analog auf neue Vertragstypen wie Just-in-Time-Liefervereinbarungen und Franchiseverträge39. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass nach neueren Ergebnissen der Rechtstatsachenforschung Austauschverträge und mitgliedschaftliche Beteiligungen aus Sicht der Marktteilnehmer prinzipiell gleichwertig sind. Hohe Investitionen würden über längere Zeit zwar eher durch Beteiligungsverhältnisse gebunden, während Einzeltransaktionen über Austauschverträge abgewickelt würden; diese für Extremfalle klare Unterscheidung verschwimme jedoch, wenn die Marktteilnehmer zu langfristigen Austauschverträgen wie Just-in-Time- und Franchiseverträgen griffen40 • Derartige Verträge ermöglichten auch ohne Konzerneinbindung eine enge, bis ins Detail abgestimmte wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, auf die der Zulieferer oder Franchisenehmer seine Unternehmensstrukturen ausrichten muss. c)

Stellungnahme

Die Diskussion über eine Einbeziehung wirtschaftlicher Abhängigkeit in den Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG wurde bisher ausschließlich mit Blick auf außenstehende Dritte geführt: Dem notleidenden Kreditnehmer wurde die Hausbank, dem kleinen Zulieferer in der Automobilindustrie der Automobilhersteller gegenübergestellt. Wenn das Konzernrecht tatsächlich Schutz vor dem wirtschaftlichen Diktat eines übermächtigen Geschäftspartners gewähren sollte, müsste dieser Schutz konsequenterweise auch für kon-

37

38 39

40

Für den konkreten Fall wurde das abgelehnt: "Angesichts der Tatsache, dass BuM in der 0. eine mit 44% beteiligte Großaktionärin hatte, wäre eine gleichzeitige und dauerhafte gesellschaftsinterne Abhängigkeit von der Beklagten auch schwer vorstellbar", BGHZ 90, 381,397. Noack Gesellschaftsrecht Fn. 5 zu Rn. 713, S. 277; ausführlich Meyer Haftungsbeschränkung S. 738 ff. Hirte Konzern S. 18 ff.; Nagel/Riess/Theis OB 1989, S. 1505; Meyer Haftungsbeschränkung S. 742; Oechsler ZGR 1997, S. 464 ff.: gegen Anwendung der§§ 311, 317 AktG, jedoch für Anwendung des § 302 AktG analog; ablehnend z.B. GKAktG/Windbichler § 17 Rn. 41 und Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht§ 3 I! 3 a, S. 47,je m.w.N. Oechsler ZGR 1997, S. 464, 467 m.w.N.

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Horizontaler Einzelausgleich

zerninterne Austauschbeziehungen Schwestergesellschaften gelten.

mit

wirtschaftlich

dominierenden

Konzerninterne Wirtschaftsbeziehungen sind regelmäßig noch weit intensiver als solche mit außenstehenden Dritten: Schwestergesellschaften richten sich durch die konzerninterne Aufgabenteilung völlig aufeinander aus, so dass sich zum Beispiel die eine Gesellschaft ganz auf die Forschung und Entwicklung konzentriert, eine andere die Produktion übernimmt, eine dritte den Vertrieb. Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Konzernzugehörigkeit und im Vertrauen auf die "Konzernsolidarität"41 entstehen nahezu zwangsläufig Abhängigkeiten zwischen den Konzerngesellschaften, die gegenüber konzernfremden Dritten nach Möglichkeit vermieden worden wären. Eben eine solche Abhängigkeit beschreibt das Bundesarbeitsgericht, wenn es etwa feststellt, dass die Produktionsgesellschaft von Aufträgen, Kaufverträgen und Rohstofflieferungen der Vertriebsgesellschaft völlig abhängig war42 . Ein Ausweichen auf andere Geschäftspartner kommt noch viel weniger in Betracht, wenn der Großabnehmer oder Kreditgeber (in Form einer Finanzierungstochter) sogar dem eigenen Konzern angehört. Ein Schutz vor konzerninternen nachteiligen Eint1ussnahmen wirtschaftlich übermächtiger Schwestergesellschaften ließe sich unter der Prämisse, dass das Konzernrecht auch vor wirtschaftlicher Abhängigkeit schützt, wie folgt begründen: Zunächst kann es keinen Unterschied machen, ob die vor wirtschaftlicher Machtausübung zu schützende Gesellschaft einem Konzern angehört, nämlich zufallig über einen Gesellschafter verfügt, den man nach dem weiten teleologischen Unternehmensbegriff noch als "herrschendes Unternehmen" bezeichnen kann. Denn den Unternehmensbegriff des Konzernrechts kann auch schon eine natürliche Person erfüllen, die noch an einer weiteren (selbst branchenfremden) Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist43 • Die Schutzbedürftigkeit eines Automobilzulieferers gegenüber dem wirtschaftlichen Diktat eines Automobilherstellers entfällt nicht, nur weil sein Alleingesellschafter gleichzeitig vielleicht auch noch eine Reparaturwerkstatt besitzt und dadurch zum "herrschenden Unternehmen" aufsteigt. Konzerngesellschaften wären daher grundsätzlich ebenso wie konzernfreie vor wirtschaftlicher Abhängigkeit zu schützen; ein solcher Schutz vor wirtschaftlicher Abhängigkeit müsste neben den Schutz vor gesellschaftsrechtlich vermittelter Abhängigkeit treten.

41 42 43

30

V gl. oben Einf. I. BAG ZIP 1999, S. 723, 724 (unter 11.1 ). BGH NJW 1994, S. 446- EDV-Peripherie; Hüffer § 15 Rn. 8 ff. m.w.N.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

Das Schutzbedürfnis wird auch nicht geringer, wenn der übermächtige Geschäftspartner ebenfalls Teil desselben Konzerns ist. Denn die Haftung schon des herrschenden Unternehmens gemäß §§ 311, 317 AktG, auf die hier verwiesen werden könnte, wäre kein vollwertiger Ersatz: Sie hängt von einer Veranlassung des herrschenden Unternehmens ab, deren es bei einer wirtschaftlichen Beherrschung durch die Schwestergesellschaft schon nicht mehr bedarf. Die Veranlassungsvermutung im Rahmen der §§ 311, 317 AktG 44 könnte hier gerade mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Beherrschung durch die Schwestergesellschaft widerlegt werden. Es gibt zudem Konzerne, in denen die Geschäftsbeziehungen zwischen den einzelnen Gesellschaften nach den Regeln der Marktwirtschaft funktionieren45 • Aufträge etwa zu Forschungs- und Entwicklungsarbeiten können dann ausgeschrieben und durchaus auch an konzernexterne Anbieter vergeben werden, wenn diese im Vergleich zur konzerneigenen Gesellschaft das bessere Angebot machen. Wenn sich die Muttergesellschaft aus der Auftragsvergabe durch die Schwestergesellschaft "heraushält", kann es innerhalb eines Konzerns genauso wie außerhalb zu wirtschaftlicher Abhängigkeit kommen. Allerdings werden die Voraussetzungen wirtschaftlicher Abhängigkeit, wie Dierdorf sie definiert hat46 , innerhalb eines Konzerns oft nicht vollständig erfüllt sein. Eine Gesellschaft mag zwar auf die Geschäftsbeziehung zu ihrer Schwestergesellschaft existenziell angewiesen sein und auch keine Möglichkeit haben, sich durch ein Ausweichen auf sonstige Geschäftspartner oder eine Umstellung ihrer Tätigkeit zu lösen; das wird beispielsweise anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft nur Halbfabrikate herstellt und herstellen kann, die außerhalb des Konzerns unverkäuflich sind. Problematisch ist aber die weitere Voraussetzung, dass das andere Unternehmen seinerseits über ein Druckmittel verfügen, insbesondere mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen drohen können muss. Denn Abhängigkeiten im Konzern sind oft keine einseitigen, sondern gegenseitige: Auch der Geschäftspartner, der die anderweitig nicht beziehbaren Halbfabrikate weiterverarbeiten möchte, ist auf die Geschäftsverbindung existenziell angewiesen und kann deshalb nicht einfach mit ihrem Abbruch drohen. Eine solche gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit ist mit dem Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG, folglich auch den §§ 311, 317 AktG oder gar den §§ 302 f. AktG analog nicht sinnvoll zu

44 45 46

Dazu Hüffer § 311 Rn. 20 f. Cahn Kapitalerhaltung S. 62 m.w.N. in Fn. 122; Wiedemann Unternehmensgruppe s. 11 ff. DierdorfHerrschaft, zusammenfassend S. 195.

31

Horizontaler Einzelausgleich

erfassen, weil sich die Rollen des herrschenden und des abhängigen Unternehmens nicht eindeutig verteilen lassen47 • Nur ausnahmsweise könnte dies anders sein, wenn etwa eine Gesellschaft über die notwendigen Ressourcen verfügt, um die bisher von der Schwestergesellschaft übernommenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten künftig selbst durchzuführen, falls diese die diktierten Konditionen für Entwicklungsaufträge nicht akzeptiert. Ähnlich kann man sich bei einer Betriebsaufspaltung vorstellen, dass die Betriebsgesellschaft bewusst ausgezehrt und in die Insolvenz getrieben wird, mit der Perspektive, das Pachtverhältnis anschließend mit einer neuen Betriebsgesellschaft fortzusetzen 48 • In dem vom Bundesarbeitsgericht 1998 entschiedenen Fall ist dafür jedoch nichts ersichtlich. Die von der Vertriebsgesellschaft zu zahlenden Preise waren so kalkuliert, dass der Produktionsgesellschaft jeweils ein geringer Gewinn verblieb, sie also kostendeckend arbeiten konnte49 . Die Insolvenz der Unternehmensgruppe wurde offenbar nicht durch Verluste der Produktionsgesellschaft, sondern durch solche der Vertriebsgesellschaft ausgelöst50 , was darauf hindeutet, dass sich die produzierten Möbel nicht oder nicht mit Gewinn abset47

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32

Ein Ausweg besteht auch nicht darin, beide Gesellschaften als herrschend und abhängig zugleich anzusehen, wie dies § 19 Abs. 3 AktG fiir den Sonderfall der beidseitig qualifizierten wechselseitigen Beteiligung vorsieht. Denn außerhalb von Fiktionen ist eine umfassende, wechselseitige Beherrschung des jeweils anderen nicht möglich, vgl. KK!Koppensteiner § 19 Rn. 22. Dieses Beispiel nennt D1ygala Betriebsaufspaltung S. 123 f. Von einer solchen bewussten Auszehrung könne man ausgehen, "wenn die zwischen Betriebs- und Besitzgesellschaft bestehenden Verträge entweder nach ihrem Inhalt oder nach der Art ihrer praktischen Durchführung der Betriebsgesellschaft die Möglichkeit nehmen, aus eigenen Kräften Liquidität zu bilden und damit die wirtschaftliche Existenzfähigkeit zu erhalten".- Vgl. auch BGHZ 95, 330- Autokran -, wo die VOZ-GmbH über die Factoring-Vergütung den gesamten kalkulatorischen Gewinn der sieben Leasingnehmergesellschaften abschöpfte.- K. Schmidt FS Wiedemann S. 1199, 1219 bejaht auch nach Bremer Vulkan eine Verlustausgleichspflicht der gleichgeordneten Schwestergesellschaft, wenn die andere Gesellschaft ohne die ftir eine Eigentätigkeit erforderlichen Mittel ausschließlich im Dienste und zum ausschließlichen Vorteil ihrer Schwestergesellschaft am Leben gehalten werde. Mit Ausnahme des Jahres 1991, in dem die Produktionsgesellschaft 11.000 DM Verlust machte, gegenliber 797.000 DM Verlust bei der Vertriebsgesellschaft. Die Produktionsgesellschaft wies folgende Gewinne und Verluste aus: für 1988 35 TDM Gewinn, für 1989 3 TDM Gewinn, für 1990 41 TDM Gewinn, ftir 1991 II TDM Verlust, für 1992 44 TDM Gewinn. Demgegenüber wies die Vertriebsgesellschaft aus: für 1988 140 TDM Verlust, für 1989 125 TDM Gewinn, fiir 1990 47 TDM Gewinn, für 1991 797 TDM Verlust, ftir 1992 2.600 TDM Verlust. Die Produktionsgesellschaft hatte laut Konkursbilanz zwar Verbindlichkeiten in Höhe von 18.749 TDM; davon entfielenjedoch 9.800 TDM aufden Sozialplan und 8.549 TDM auf Rentenansprüche und unverfallbare Versorgungsanwartschaften (Tatbestand LAG Hamm v. 28.1.1997, Az. 6 Sa 474/96, n.v.).

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

zen ließen. Der mitgeteilte Sachverhalt spricht jedenfalls eher fiir eine gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von Produktions- und Vertriebsgesellschaft als fiir die vom Bundesarbeitsgericht behauptete einseitige Abhängigkeit der Produktionsgesellschaft - auch die Vertriebsgesellschaft konnte keine anderen Möbel vertreiben als die von der Produktionsgesellschaft produzierten. 51 Selbst wenn man eine Beherrschung der Produktionsdurch die Vertriebsgesellschaft bejahen wollte, bliebe unklar, wodurch konkret die Vertriebsgesellschaft ihr einen Nachteil zugefUgt haben sollte52 • Sollten danach überhaupt Fälle übrig bleiben, in denen es angebracht wäre, von einer (einseitigen) wirtschaftlichen Abhängigkeit im Konzern zu sprechen, so wäre diese dennoch mit der heute herrschenden Meinung nicht unter den Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG zu fassen: Ein allgemeiner Schutz vor wirtschaftlicher Beherrschung durch einen übermächtigen Geschäftspartner würde die Grenzen des Konzernrechts sprengen53. Wirtschaftliche Bindungen begrenzen zwar den äußeren Entscheidungsspielraum eines Unternehmens, greifen aber nicht in einer Weise in den internen Entscheidungsprozeß in der Gesellschaft ein, die spezifisch gesellschaftsrechtliche Schutzvorschriften erfordern würde 54 . Der Vorstand der Gesellschaft ist weiterhin frei darin, die unter den gegebenen wirtschaftlichen Zwängen beste Entscheidung zu treffen 55 ; Schutz vor all51

52

53 54 55

Deshalb und wegen der vorstehenden Zahlen ist zweifelhaft, ob die Annahme K. Schmidts FS Wiedemann S. 1199, 1218 ff. zutrifft, dass im entschiedenen Fall gerade und nur die Produktionsgesellschaft "ausschließlich im Dienste und zum ausschließlichen Vorteil ihrer Schwestergesellschaft am Leben gehalten" wurde. Das BAG deutet allenfalls an, dass die gezahlten Preise nicht marktgerecht gewesen oder Gewinnverlagerungen erfolgt sein könnten, belegt das aber nicht, vgl. Windbichler RdA 2000, S. 238, 240. Auch die Konzentration des Anlagevermögens in der Vertriebsgesellschaft könnte nur ein Element sein, um die wirtschaftliche Beherrschung durch die Vertriebsgesellschaft zu begründen, aber nicht schon der durch die Vertriebsgesellschaft zugefügte Nachteil selbst. Vgl. Emmerich!Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 3 li 3 a, S. 47: Konzernrecht würde "uferlos". Ähnlich bereits Köhler NJW 1978, S. 2473, 2476 f. Das verkennen Werner und Dierdor.f Nach Werner muss der Einfluss "von seiner Bedeutung her als organschaftlieh qualifizierbar" sein, somit Entscheidungen betreffen, die gesellschaftsrechtlich in die Kompetenz der Organe fallen (Abhängigkeitstatbestand S. 143). Durch ein erstes, noch frei abgeschlossenes Rechtsgeschäft (z.B. einen ungünstigen Dauerlieferungsvertrag) könne der Vorstand derart unter den Druck seines Vertragspartners geraten, dass er zu nachteiligen Folgegeschäften gezwungen werde (S. 147 f.). In einer derartigen wirtschaftlichen Zwangslage verhält sich der Vorstand aber gerade rational und marktkonform, wenn er in Ermangelung von Alternativen dem Druck des Geschäftspartners nachgibt; auch der Vorstand einer (wirtschaftlich) unabhängigen Gesellschaft muss sich den Marktgegebenheiten anpassen (§ 317 Abs. 2 AktG). Gleiches gilt für Dierd01j, der meint, das Privileg be-

33

Horizontaler Einzelausgleich

gemeinen Marktzwängen kann die Gesellschaft nicht erwarten. Die Entscheidung verliert ihre Richtigkeitsgewähr erst, wenn gesellschaftsintern, etwa durch den Mehrheitsgesellschafter, Einfluss auf den Prozess der Entscheidungsfindung genommen werden kann, um sich so z.B. Sondervorteile gegenüber anderen Gesellschaftern zu verschaffen. Ist demnach ein allgemeiner Schutz vor wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht anzuerkennen, so kommt auch ein konzernspezifischen Schutz vor wirtschaftlicher Abhängigkeit, der nur zugunsten und zulasten von Unternehmen desselben Konzerns eingreifen würde, nicht in Betracht. Konzernspezifisch ist nicht die wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen Konzerngesellschaften, sondern die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit von der Muttergesellschaft. Eben auf diese gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit reagieren die §§ 311 ff. AktG, indem sie die Haftung des gesellschaftsrechtlich herrschenden Unternehmens anordnen. Als Ergebnis ist festzuhalten: Auch eine noch so dominante Schwestergesellschaft kann kein (unmittelbar) "herrschendes Unternehmen" sein, weil der Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG nur eine gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit erfasst, nicht auch eine wirtschaftliche.

2.

Mittelbare Beherrschung

§ 17 Abs. 1 AktG erwähnt neben der unmittelbaren auch noch die mittelbare Beherrschung. An eine mittelbare Beherrschung durch die Schwestergesellschaft könnte zu denken sein, wenn diese die gemeinsame Muttergesellschaft zuverlässig dazu veranlassen kann, auf andere Konzerngesellschaften in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. So ist es denkbar, dass eine Holdinggesellschaft als Konzernspitze nur "auf dem Papier" existiert, während konzernleitende Entscheidungen in der Realität sämtlich von der Führung der wichtigsten Tochtergesellschaft getroffen werden, weil diese allein über das erforderliche Personal und die fachliche Kompetenz verfügt. Die Rolle der Holding beschränkt sich dann darauf, im Konfliktfall die Vorgaben der Tochtergesellschaft gegenüber den anderen Konzerngesellschaften durchzusetzen.

Bei der mittelbaren Beherrschung steht die Einflussmöglichkeit einem Dritten zu, der von dem (mittelbar) herrschenden Unternehmen veranlasst werden kann, von ihr im Sinne des herrschenden Unternehmens Gebrauch zu

schränkter Haftung in der AG setze funktional die Fähigkeit der Unternehmensorgane voraus, autonom zu handeln, die aber bei jeder Art von Abhängigkeit beeinträchtigt werde (Herrschaft S. 261 ff. ).

34

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

machen 56 . Die Frage der Abhängigkeit ist aus der Sicht des abhängigen Unternehmens zu beurteilen. Deshalb muss die Einflussmöglichkeit des herrschenden Unternehmens nicht durchgängig gesellschaftsrechtlich vermittelt sein; es reicht aus, wenn nur die Einflussmöglichkeit, der sich das abhängige Unternehmen unmittelbar selbst ausgesetzt sieht, gesellschaftsrechtlich geprägt ist57 • Insbesondere muss der Dritte nicht seinerseits vom herrschenden Unternehmen abhängig sein58 ; mittelbare Beherrschung setzt keine durchgehende Beherrschungskette voraus 59 • Wie sich das herrschende Unternehmen den Einfluss auf den Dritten verschafft, ist nachrangig 60 • Die Einflussmöglichkeit, der sich die anderen Schwestergesellschaften ausgesetzt sehen, fußt auf dem Beteiligungsbesitz der Muttergesellschaft und ist somit gesellschaftsrechtlich geprägt. Dass die Muttergesellschaft ihrerseits nicht von der de facto konzernleitenden Schwestergesellschaft abhängig ist, schadet nicht. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Kommentarliteratur zumindest stillschweigend voraussetzt, dass auch die Einflussmöglichkeit des herrschenden Unternehmens auf den Dritten eine rechtliche, nicht nur eine rein faktische ist61 • Diese rechtliche Unterfutterung des Einflusses auf den Dritten soll die mittelbare Einflussmöglichkeit auf die abhängige Gesellschaft so absichern, dass sie beständig ist und nicht von Zufällen abhängt62 . Eine Tochtergesellschaft besitzt gegenüber ihrer Muttergesellschaft kein rechtliches Druckmittel. Auch ein weitgehender Interessengleichlauf zwischen der Muttergesellschaft und einer bestimmten Tochtergesellschaft kann das fehlende Druckmittel nicht ersetzen. Denn der Interessengleichlauf, der beispielsweise durch die Konzentration der Vermögensinteressen in dieser Tochtergesellschaft bedingt sein kann 63 , kann von der Muttergesellschaft 56 57 58 59

60 61

62 63

Geßler/Hefermehl/Geß/er § 17 Rn. 65; GK-AktG!Windbichler § 17 Rn. 57; Hü.ffer § 17 Rn. 6. GK-AktG!Windbichler § 17 Rn. 58. Geßler/Hefermehl/Geß/er § 17 Rn. 66; GK-AktG/Windbichler § 17 Rn. 58. Eine solche Beherrschungskette existiert zwar im Verhältnis Mutter - Tochter Enkelgesellschaft; sie fehlt aber bereits, wenn der Dritte die Beteiligung treuhänderisch fur das herrschende Unternehmen hält und aufgrund des Treuhandvertrages verpflichtet ist, sie nach den Weisungen des herrschenden Unternehmens zu verwalten. GK-AktG!Windbichler § 17 Rn. 58. So auch im Beispiel des Treuhandvertrages (soeben Fn. 59). - Vgl. Geßler/Hefermehl/Geß/er § 17 Rn. 66: "verpflichtet", Beherrschungsmittel nach Weisungen des herrschenden Unternehmens auszuüben; ebenso MüKo-AktG/Bayer § 17 Rn. 73; GK-AktG/Windbichler § 17 Rn. 58 erwähnt Stimmbindungs-, Pool- und Konsortialverträge; KK!Koppensteiner § 17 Rn. 27: vom herrschenden Unternehmen "kontrollierte Dritte"; nach Hü.ffer § 17 Rn. 6 muss die Mitwirkung des Dritten etwa durch Stimmbindungsverträge oder Treuhandabreden sichergestellt sein. Zum Erfordernis der Beständigkeit Hü.ffer § 17 Rn. 6. V gl. BAG ZIP 1999, S. 723, 725 (unter ll.5).

35

Horizontaler Einzelausgleich

einseitig beendet werden, wenn es ihr etwa aus steuerlichen Gründen oder wegen der Aufnahme von Minderheitsgesellschaftern opportun erscheint, ihre Vermögensinteressen künftig in einer anderen Tochtergesellschaft zu konzentrieren. Die Einflussmöglichkeit einer Schwestergesellschaft auf die Muttergesellschaft ist mangels rechtlicher Absicherung nicht beständig und macht sie deshalb nicht zum mittelbar herrschenden Unternehmen. 3.

Zurechnung der Beherrschung durch die Muttergesellschaft

Eine Gesellschaft, die ihre Schwestergesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar beherrscht, erfüllt den Tatbestand der§§ 311, 317 AktG nicht. Zu überlegen bleibt, ob sich die fehlende eigene Tatbestandsverwirklichung durch Zurechnungserwägungen überbrücken ließe: Ist einer Gesellschaft unter bestimmten Umständen die nachteilige Beeinflussung einer Schwestergesellschaft durch die herrschende gemeinsame Muttergesellschaft zuzurechnen? Das Bundesarbeitsgericht scheint dies anzunehmen, wenn es im Schlussabsatz seiner Entscheidung zur horizontalen Betriebsaufspaltung darauf abstellt, dass sich die Verwaltungs-GmbH der Vertriebsgesellschaft bei ihrer beherrschenden, auf die Interessen der Produktionsgesellschaft unzureichend Rücksicht nehmenden Leitung bedient und ihre Vermögensinteressen dort konzentriert habe 64 • Zurechnung ist die Addition tatbestandsrelevanter Verhältnisse bei gleichzeitiger Zuordnung zu einem Rechtssubjekt65 • Dass für ein Rechtssubjekt Rechtsfolgen eintreten sollen, obwohl es den Tatbestand selbst nicht oder nicht voll erfüllt, bedarf einer materiellen Rechtfertigung, die das Bundesarbeitsgericht jedoch allenfalls andeutet: In Betracht kommt zum einen der Einsatz der Vertriebsgesellschaft als "Werkzeug", zum anderen ihre Rolle als Empfängerin der Vorteile eines plamnäßigen Vennögenstransfers aus der Produktionsgesellschaft. Dass die Werkzeugeigenschaft keine Zurechnung zulasten des Werkzeugs begründen kann, hat bereits Henssler dargelegt66 : Die Zurechnung fremden Verhaltens beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Vorteile der Arbeitsteilung für sich in Anspruch nimmt, auch die daraus resultierenden Nachteile tragen muss, vgl. §§ 31, 278, 831 BGB. Deshalb muss sich zwar eine Muttergesellschaft, die sich bei der Leitung einer Tochtergesellschaft 64 65 66

36

BAG ZIP 1999, S. 723, 725 (unter Il.5). BorkZGRl994,S.237,238. ZGR 2000, S. 479, 494.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

einer weiteren abhängigen Gesellschaft bedient, deren Verhalten zurechnen lassen67 ; das Werkzeug tritt dadurch aber nicht auch umgekehrt in die Pflichtenstellung der Muttergesellschaft ein. Im konkreten Fall ist darüber hinaus schon fraglich, inwieweit sich die Verwaltungs-GmbH bei ihrer missbräuchlichen Leitung der Produktionsgesellschaft tatsächlich der Vertriebsgesellschaft bedient haben kann. Denn die Verwaltungs-GmbH war schließlich selbst einzige Komplementärirr und damit Geschäftsführerirr der beiden KG. Die Vertriebsgesellschaft konnte gar nicht anders als durch die Verwaltungs-GmbH handeln; auf Seiten der Produktionsgesellschaft stand ihr als Ansprechpartner wieder nur die Verwaltungs-GmbH gegenüber. Die Vorstellung, dass sich die Verwaltungs-GmbH der von ihr geführten Vertriebsgesellschaft bedient haben könnte, um die ebenfalls von ihr selbst geführte Produktionsgesellschaft zu leiten, erscheint eher fernliegend und zirkulär. Näher liegt die Vennutung, dass das Bundesarbeitsgericht insoweit stillschweigend wieder einen wirtschaftlichen Abhängigkeitsbegriff zugrundelegt, der aber mit der gesellschaftsrechtlichen Beherrschung allein und unmittelbar durch die Verwaltungs-GmbH nichts zu tun hat. Auch der Umstand, dass die Vertriebsgesellschaft von einer missbräuchlichen Leitung der Produktionsgesellschaft profitiert haben könnte, rechtfertigt keine Zurechnung. Eine allgemeine Rechtsregel, dass der Vorteilsempfänger ebenso wie derjenige haften muss, der ihm die Vorteile verschafft hat, gibt es nicht. Eine solche Haftung wird vielmehr nur für Ausnahmekonstellationen angeordnet, so im Aktienrecht in § 117 Abs. 3 AktG, im Bereicherungsrecht in §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB. Dem Gesetzgeber des Aktienkonzernrechts ist durchaus bewusst gewesen, dass von nachteiligen Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens auch andere Konzernunternehmen profitieren können (vgl. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG), ohne dass er daran jedoch eine generelle Haftung auch des Vorteilsempfängers geknüpft hätte. Diese lässt sich daher auch nicht über eine undifferenzierte Zurechnung einführen. Im Ergebnis haftet daher eine Schwestergesellschaft nicht nach den §§ 311, 317 AktG. Sie kann schon diesen aktienrechtlichen "Grundtatbestand"68 der Konzernhaftung nach "§§ 302 f. AktG analog" nicht erfüllen. Damit erscheint auch die weitergehende Haftung nach den "§§ 302 f. AktG analog" im "qualifiziert faktischen Konzern" kaum begründbar69 •

67 68 69

Vgl. MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 76 zur Veranlassung durch Schwestergesellschaften. So Emmerich/Sonnenschein!Habersack Konzernrecht § 31 III 2, S. 471, ähnlich§ 28 III1, s. 441. AusfUhrlieh unten § 5 I.

37

Horizontaler Einzelausgleich

II.

§ 117 AktG

Das Aktiengesetz enthält mit § 117 AktG eine weitere, allgemeine Haftungsnorm, die Aktiengesellschaften vor nachteiliger Einflussnahme schützen soll. Gemäß § 117 Abs. 1 AktG ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer Einfluss auf eine Aktiengesellschaft hat und ihn vorsätzlich dazu benutzt, ein Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten zu einem Handeln zu bestimmen, das die Gesellschaft oder ihre Aktionäre schädigt. Nach § 117 Abs. 3 AktG haftet daneben als Gesamtschuldner, wer die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst und durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat. Die Vorschrift weist gegenüber den §§ 311, 317 AktG zwei wesentliche Unterschiede auf. Zum einen verlangt sie keinen abhängigkeitsbegründenden "beherrschenden Einfluss" i.S.d. § 17 AktG, sondern lediglich "Einfluss". Einfluss hat bereits, wer aufgrund einer rechtlichen oder auch tatsächlichen Machtstellung das Handeln der Gesellschaft mitbestimmen kann 70 • Der Einfluss muss kein gesellschaftsrechtlicher sein, sondern kann auch auf geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen beruhen; rein wirtschaftliche Machtpositionen wichtiger Kreditgeber, Lieferanten oder Abnehmer der Gesellschaft können genügen 71 . Im Aktienkonzern könnte eine wirtschaftlich dominierende Schwestergesellschaft deshalb gemäß § 117 Abs. 1 AktG für die Beeinflussung anderer Schwestergesellschaften haften (1.). Daneben ordnet § 117 Abs. 3 AktG ausdrücklich eine Haftung des Vorteilsemprangers an, wenn er die Einflussnahme veranlasst hat. "Veranlassung" ist weniger als Anstiftung i.S.d. § 830 Abs. 2 BGB 72 ; wer aus der Handlung einen Vorteil zieht, soll schon haften, wenn er um die Handlung weiß und diese wi11 73 • Deshalb könnte die Schwestergesellschaft gegebenenfalls auch für eine Beeinflussung durch die gemeinsame Muttergesellschaft haftbar gemacht werden, wenn sie diese kannte, wollte und durch sie einen Vermögensvorteil erlangt hae 4 (2.). 1.

§ 117 Abs. 1 AktG

Zunächst ist der Fall zu untersuchen, dass eine Schwestergesellschaft selbst nachteiligen Einfluss auf eine andere Schwestergesellschaft nimmt. Dies

70 71 72 73 74

38

MüKo-AktG/Kropff§ 117 Rn. 13. Hüffer § 117 Rn. 3; MüKo-AktG!Kropff§ 117 Rn. 11 ff.; Brüggemeier AG 1988, S. 93, 95. KK/Mertens § 117 Rn. 28; Hi!ffer § 117 Rn. 11; MüKo-AktG/Kropff § 117 Rn. 52. Hüffer § 117 Rn. 11. Ygl. die Überlegungen bei MüKo-AktG!KropJl§ 317 Rn. 71, 108 (im Rahmen des § 317 AktG); Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2104.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

kann unmittelbar geschehen oder mittelbar über die gemeinsame Muttergesellschaft. Einflussnehmer i.S.d. § 117 Abs. 1 AktG ist derjenige, der den Einfluss hat 75 • Eine Schwestergesellschaft kann auf eine andere aus tatsächlichen, meist wirtschaftlichen Gründen Einfluss gewinnen und deshalb beispielsweise in der Lage sein, bei konzerninternen Geschäften unangemessene Konditionen durchzusetzen. Jedoch wird eine derartige Beeinflussung in der Regel schon nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 117 Abs. 1 AktG sein. Denn es kann kein AG-spezifisches Gebot für Geschäftspartner geben, bei Verhandlungen mit einer AG besondere Rücksicht zu nehmen und ihre Verhandlungsmacht nicht auszuspielen 76 . Wenn die Führung der AG den wirtschaftlichen Zwängen nachgibt, weil die Gesellschaft sonst mit empfindlicheren Sanktionen rechnen müsste, verhält sie sich marktwirtschaftlich richtig und handelt nicht zum Schaden der Gesellschaft, wie es § 117 Abs. 1 AktG voraussetzt77 • Eine Schwestergesellschaft, die gegenüber anderen Schwestergesellschaften ihre wirtschaftliche Dominanz ausspielt, haftet daher nicht nach § 117 Abs. 1 AktG. Die herrschende Meinung ist bestrebt, den Adressatenkreis des § 117 Abs. 1 AktG über den unmittelbaren Einflussnehmer hinaus zu erweitern. Das geschieht auf zwei Wegen. Zum einen wird der Einfluss-Begriff in § 117 AktG

75 76 77

Brüggemeier AG I 988, S. 93, 95. KK!Mertens § 117 Rn. 15; vgl. aber auch Meyer Haftungsbeschränkung S. 743, der die Prämisse von der wirtschaftspolitischen Neutralität des AktG ftir fragwürdig hält. Dieses Argument ist bekannt aus der Diskussion um wirtschaftliche Abhängigkeit im Rahmen der §§ 311, 317 AktG: wer notgedrungen Pressionen eines wirtschaftlich herrschenden Unternehmens akzeptiere, handele nicht sorgfaltswidrig i.S.d. § 317 Abs. 2 AktG und verursache deshalb keinen "Nachteil" i.S.d. § 317 Abs. I AktG; deshalb könnten die §§ 311, 317 AktG wirtschaftliche Abhängigkeit schon tatbestandlieh nicht erfassen (Koppensteiner FS Stimpel S. 811, 819; Köhler NJW 1978, S. 2473, 2477 f.). Für die §§ 31 L 317 AktG vermag das nicht zu überzeugen, weil diese Vorschriften sich bereits gegen die Abhängigkeit richten und die Gesellschaft so stellen wollen, als ob sie unabhängig wäre. Gemäß § 317 Abs. 2 AktG ist als Vergleichsmaßstabeine unabhängige Gesellschaft heranzuziehen. Wenn es um die Konsequenzen wirtschaftlicher Abhängigkeit geht, muss folglich auch mit einer wirtschaftlich unabhängigen Gesellschaft verglichen werden: Im Rahmen der§§ 311, 317 AktG ist die wirtschaftliche Abhängigkeit hinwegzudenken. Anders verhält es sich bei § 117 AktG. Dieser verweist nicht auf eine fiktive, völlig unbeeinflusste Gesellschaft als Vergleichsmaßstab. Dass jemand Einfluss auf eine AG erlangt, wird von § 117 AktG akzeptiert; Sanktionen sind erst angezeigt, wenn der Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft benutzt wird. Das Argument mangelnder tatbestandlicher Eignung zur Erfassung wirtschaftlicher Abhängigkeit trifft daher nur ftir § 117 AktG zu.

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Horizontaler Einzelausgleich

ausgedehnt: Es genügt schon ein mittelbarer Einfluss 78 , insbesondere über ein herrschendes Unternehmen auf die abhängige Gesellschaft. Zum anderen wird auf den deliktischen Charakter des § 117 AktG verwiesen und § 830 Abs. 2 BGB angewendet; damit lassen sich Personen, die einen anderen zur Einflussnahme bestimmen, als mittelbare Täter und Anstifter bereits über § 117 Abs. 1 AktG erfassen 79 . Beide Varianten erlauben es, eine einflussnehmende Schwestergesellschaft nach § 117 Abs. I AktG zur Verantwortung zu ziehen, wenn die Muttergesellschaft auf ihre Veranlassung hin eine andere Schwestergesellschaft nachteilig beeinflusst. Die Haftung des Anstifters nach § 830 Abs. 2 BGB setzt allerdings zusätzlich voraus, dass die Muttergesellschaft selbst auch den Tatbestand des § 117 Abs. 1 AktG erfüllt, obwohl sie bereits nach §§ 311, 317 AktG haftet; dies entspricht der herrschenden Meinung, die hier Anspruchskonkurrenz bejaht80 . Der von der herrschenden Meinung befürworteten Erweiterung des Adressatenkreises über den unmittelbaren Einflussnehmer hinaus ist nicht zu folgen. Einflussnehmer i.S.d. § 117 Abs. 1 AktG ist nur, wer selbst Einfluss hat. Schon nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 1 AktG muss der Täter "seinen Einfluss auf die Gesellschaft" benutzen. Systematisch folgt dies aus § 117 Abs. 3 AktG, wonach derjenige, der die Beeinflussung durch einen anderen vorsätzlich veranlasst, nur haftet, wenn er durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt. Diese Vorschrift ist Iex specialis zu§ 830 Abs. 2 BGB und verdrängt auch die Lehre von der mittelbaren Täterschaft. Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des § 117 Abs. 3 AktG. Die Vorläufervorschrift - § 10 I AktG 193 7 - verlangte für den Haupttäter eine vorsätzliche schädigende Einflussnahme "zu dem Zwecke, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen", und bestimmte in Abs. 2 S. 2 für den Hintermann: "Sollte der gesellschaftsfremde Sondervorteil für einen anderen erreicht werden, so haftet auch dieser als Gesamtschuldner, wenn er die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst hat". Damit erfasste§ 101 Abs. 2 S. 2 AktG 1937 ohne weiteres den typischen Fall der Anstiftung, dass nämlich der Hintermann zum eigenen Vorteil den Haupttäter zu einer vorsätzlichen Einflussnahme bestimmt81 • Das Merkmal des An78 79 80 81

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MüKo-AktG/Kropff§ 117Rn.l4. MüKo-AktG/Kropff§ 117 Rn. 52; Hiiffer § 117 Rn. 2 und II; vorsichtig KK!Mertens § 117 Rn. 28. Hüffer § 117 Rn 14; KK/Koppensteiner § 311 Rn. I 08, § 317 Rn. 41; KK/Mertens § 117 Rn. 46; MüKo-AktG/Kropff § 117 Rn. 82. Die Anstifterhaftung ginge insofern über § I 0 I Abs. 2 S. 2 AktG 1937 hinaus, als sie auch den Fall erfassen würde, dass der Hintermann zu einer Tat anstiftet, aus der allein der Haupttäter einen Vorteil ziehen soll(§ 101 Abs. I AktG 1937 i.V.m. § 830 Abs. 2 BGB). Eine solche fremdnützige Absicht des Anstifters dürfte jedoch im Wirt-

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

strebens eines Sondervorteils diente der Identifizierung des mithaftenden Hintennannes, nicht der Qualifizierung. § 101 AktG 193 7 wurde deliktisch ausgestaltet, weil man den Einwand entkräften wollte, dass es keine Treuepflicht des Aktionärs gebe 82 ; es ging nicht darum, für die Vorschrift das deliktsrechtliche Repertoire der mittelbaren Täterschaft und Anstiftung zu eröffnen. Jedenfalls nach damaliger Rechtslage lag deshalb die Idee, den eine Beeinflussung veranlassenden Dritten bereits nach § 101 Abs. 1 AktG 1937 (ggf. i.V.m. § 830 Abs. 2 BGB) haften zu lassen, eher fern. Durch die Aktienrechtsreform 1965 entfiel in § 117 Abs. 1 AktG das subjektive Merkmal des Anstrebens eines gesellschaftsfremden Sondervorteils; infolge dessen kann auch der mithaftende Hintermann nur noch anhand des objektiven Merkmals der tatsächlichen Vorteilserlangung bestimmt werden (§ 117 Abs. 3 AktG). Anstifter und mittelbare Täter haften allein unter dieser qualifizierenden Voraussetzung. Die herrschende Meinung argumentiert nun, eine solche Privilegierung des Anstifters oder mittelbaren Täters lasse sich nicht annehmen 83 . Sie übersieht dabei jedoch, dass es sich bereits bei § 117 Abs. 1 AktG um die Anordnung einer Haftung für den nur mittelbaren Schädiger, den Hintermann handelt. Unmittelbarer Täter ist das Verwaltungsmitglied der AG, das die schädigende Handlung vornimmt 84 . Der Sache nach geht es also um eine Haftung für die bloße Anstiftung zur Anstiftung oder mittelbaren Täterschaft. Es erscheint völlig angemessen, diesen schon sehr weit von der AG entfernten Dritten nur unter der qualifizierenden Voraussetzung der tatsächlichen Vorteilserlangung haften zu lassen. Ein letztes Argument ergibt sich aus § 17 Abs. I AktG: Dort wird die Möglichkeit mittelbaren Einflusses ausdrücklich genannt, während eine solche Erweiterung in § 117 Abs. 1 AktG fehlt. Wenn eine Schwestergesellschaft die Muttergesellschaft dazu bewegen kann, eine andere Schwestergesellschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen, ist Einflussnehmerin deshalb ausschließlich die Muttergesellschaft. Eine Haftung der Schwestergesellschaft kommt nur unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 AktG in Betracht. Gleichzustellen ist der Fall, dass die Schwestergesellschaft die gemeinsame Muttergesellschaft gar nicht erst einschalten muss, sondern in den Verhandlungen mit der Schwestergesellschaft schon der bloße Hinweis auf die Mög-

82 83 84

schafsverkehr noch weniger als im Strafrecht anzutreffen sein und erst recht keine haftungsrechtlichen Sanktionen erfordern. Geßler/HefermehllKropff § 117 Rn. 5. So ausdrücklich KK!Mertens § 117 Rn. 28. § 117 AktG will gerade die Integrität des Verwaltungshandeins schützen, vgl. nur Hüffer § 117 Rn. I.

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Horizontaler Einzelausgleich

lichkeit eines Eingreifens der Muttergesellschaft genügt, um unangemessene Konditionen durchzusetzen. Überzeugend ist der Hinweis nur, wenn die Muttergesellschaft ihre Bereitschaft zum parteiischen Eingreifen bereits irgendwie zum Ausdruck gebracht hat. Ein dahingehendes Verhalten der Muttergesellschaft fällt unter den weiten Veranlassungsbegriff der§§ 311, 317 AktG. Denn hierfiir genügt jedes Handeln, das von der abhängigen Gesellschaft als Ausdruck des Wunsches zu verstehen ist, dass sie sich in bestimmter Weise verhalten möge 85 • Die Äußerung dieser Erwartungshaltung muss sich nicht auf den konkreten Einzelfall beziehen, sondern kann auch in Form von allgemeinen Richtlinien erfolgen. Von Schwestergesellschaften geäußerte "Bitten" sind daher Veranlassung, wenn sie nach der Organisation oder dem Führungsstil der Muttergesellschaft als deren Aufforderung zu verstehen sind 86 • Die Schwestergesellschaft nutzt in diesem Fall ausschließlich fremden Einfluss. Wer sich lediglich auf die Möglichkeit fremder Einflussnahme beruft, kann nicht schärfer haften, als wenn er diese fremde Einflussnahme tatsächlich herbeigeführt hätte. Auch dieser Fall ist deshalb dem § 117 Abs. 3 AktG zuzuordnen. 2.

§ 117 Abs. 3 AktG

Eine Schwestergesellschaft kann nach § 117 Abs. 3 AktG nur haften, wenn die einflussnehmende Muttergesellschaft selbst nach § 117 Abs. 1 AktG haftet. Dies ist zweifelhaft, weil die §§ 311, 317 AktG den allgemeinen Haftungstatbestand des § 117 AktG möglicherweise verdrängen. Überwiegend wird angenommen, dass § 311 AktG in seinem Anwendungsbereich § 117 AktG verdrängt, während bei Nachteilszufiigung ohne angemessenen Ausgleich § 317 AktG und § 117 AktG nebeneinander anwendbar sind87 • Die Muttergesellschaft selbst würde dann auch nach § 117 AktG haften, so dass einer gesamtschuldnerischen Mithaftung der Schwestergesellschaft, die die Beeinflussung veranlasst und daraus ihren Vorteil gezogen hat, nichts im Wege stünde88 • Nach anderer Ansicht sind die §§ 311, 317 AktGinsgesamt Ieges speciales gegenüber§ 117 AktG 89 . Zu folgen ist der zweiten Ansicht. Sie hat bereits die Entstehungsgeschichte der Vorschriften fiir sich. Gemeinsame Vorläufervorschrift war § 101 AktG 1937 mit dem allgemeinen Verbot, zur Verfolgung von Sondervorteilen

85 86 87 88 89

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MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 73. MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 76. Hüffer § 117 Rn 14; KK/Koppensteiner § 311 Rn. I 08, § 317 Rn. 41; KK! Mertens § 117 Rn. 46; MüKo-AktG!Kropff§ 117 Rn. 82 ff. So explizit Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 24 VI 2, S. 399. Brüggemeier AG 1988, S. 93, I 02; Lutter ZGR 1982, S. 244, 259.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

vorsätzlich schädigenden Einfluss auf die AG zu nehmen. Zwischen einer Einwirkung im Rahmen von Abhängigkeits- oder Konzernverhältnissen und sonstigen Fällen faktischer Einflussnahme wurde nicht differenziert. Damit war § 101 AktG 193 7 die entscheidende Beurteilungsgrundlage fiir die Verantwortlichkeit bei Ausübung von Leitungsmacht im Konzern90 . Durch die Aktienrechtsreform 1965 wurde § 101 AktG 1937 in eine allgemeine Haftungsnonn (§ 117 AktG) und eine Sonderrechtsordnung fiir verbundene Unternehmen(§§ 291 ff. AktG) ausdifferenziert. Die§§ 311 bis 318 AktG sind gegenüber § 117 AktG die umfassendere und strengere Regelung desselben Lebenssachverhalts. Deshalb räumen auch Vertreter der ersten Ansicht, die von Anspruchskonkurrenz ausgeht, ein, dass § 117 AktG fiir Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter keine Bedeutung hat, weil § 317 AktG in jeder Hinsicht weiter geht91 . Relevant werde § 117 AktG jedoch fiir die Angestellten des herrschenden Unternehmens und für den Vorteilsempfänger. Dabei handelt es sich aber um marginale Bereiche ohne besondere wirtschaftliche Bedeutung. Der Gesetzgeber hielt es offensichtlich fiir ausreichend, wenn er in § 317 AktG nach dem Vorbild des § 101 AktG 193 7 eine Haftung des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter anordnete. Diese Haftungskonzentration auf das herrschende Unternehmen ist im Normalfall des wirtschaftlich potenten herrschenden Unternehmens auch angemessen92 . Dass die Fälle faktischer Beherrschung anders als die des Vertragskonzerns und der Eingliederung in § 117 Abs. 7 AktG nicht ausdrücklich ausgenommen werden, spricht nicht gegen ein Spezialitätsverhältnis93 • Eine dahingehende Klarstellung konnte wegen der offenkundigen Parallelität der Regelungen in § 117 AktG und §§ 311, 317 AktG unterbleiben. Die Einfluss nehmende Muttergesellschaft haftet deshalb allein nach §§ 311, 317 AktG, nicht nach § 117 AktG. Damit scheidet auch eine direkte Anwendung des § 117 Abs. 3 AktG auf Schwestergesellschaften aus, welche die Beeinflussung veranlasst und von ihr profitiert haben. § 117 AktG fiihrt in seinem originären Anwendungsbereich nicht zur Haftung von Schwestergesellschaften.

90 91 92 93

KK!Mertens § 117 Rn. 9. MüKo-AktG/Krop.ff§ 117 Rn. 82, § 317 Rn. 108; ders. FS Bezzenberger S. 233,245. Zum Ausnahmefall sogleich unten § 1 A III I. A.A. Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 24 VI 2, S. 399: Umkehrschluss.

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Horizontaler Einzelausgleich

III.

§§ 311,317 AktG i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog

Die alleinige Haftung der Muttergesellschaft fiir nachteilige Einflussnahmen gemäß §§ 311, 317 AktG ist dann unbefriedigend, wenn der Schadensersatzanspruch gegen sie nicht durchsetzbar ist. Die mangelnde Durchsetzbarkeit kann darauf beruhen, dass die Muttergesellschaft ihren Sitz im Ausland hat94 oder insolvent geworden ist. In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob sich die abhängige AG nicht ausnahmsweise bei ihrer Schwestergesellschaft schadlos halten darf, wenn diese die Nachteilszufiigung durch die gemeinsame Muttergesellschaft veranlasst und daraus Vorteile erlangt hat. Es geht um eine Ergänzung der §§ 311, 317 AktG durch eine subsidiäre Haftung des Vorteilsempfängers analog § 117 Abs. 3 AktG, wie sie in der Literatur ähnlich bereits vorgeschlagen, aber noch nicht näher begründet wurde 95 . 1.

Regelungslücke

Voraussetzung fiir die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung ist eine Regelungslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Die Lücke ist kein "Nichts", sondern das Fehlen einer bestimmten, nach dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regelung96 . Ist nun im Rahmen der §§ 311, 317 AktG eine Haftung des Vorteilsempfängers zu erwarten, ähnlich der in § 117 Abs. 3 AktG angeordneten? Vor der Aktienrechtsrefonn 1965 diente § 101 AktG 193 7 als allgemeine Haftungsnorm bei nachteiligen Einflussnahmen, gerade auch im Rahmen von Abhängigkeitsverhältnissen (§ 15 Abs. 3 AktG 1937). Damals ordnete § 101 Abs. 2 S. 2 AktG 1937 bereits die gesamtschuldnerische Haftung des begünstigten Dritten an: "Sollte der gesellschaftsfremde Sondervorteil fiir einen anderen erreicht werden, so haftet auch dieser als Gesamtschuldner, wenn er die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst hat". Bei der Ausdifferenzierung des § 101 AktG 193 7 in den § 117 AktG und eine Sonderrechtsordnung fiir verbundene Unternehmen(§§ 291 ff. AktG) wurde die Haftung des Dritten nur in § 117 Abs. 3 AktG übernommen, nicht in § 317 AktG. Diese Entstehungsgeschichte legt nahe, dass sich der Gesetzgeber die Frage gestellt hat, ob er die aus § 101 Abs. 2 S. 2 AktG 1937 bekannte Haftung auch im Rahmen des neuen § 317 AktG fortschreiben möchte. Der Gesetzgeber hat sich dagegen entschieden, weil er die angeordnete umfassende Haftung des herrschenden Unternehmens offenbar für ausreichend hielt. Diese vom Gesetzgeber gewollte Haftungskonzentration auf das herrschende Unternehmen 94 95 96

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Dazu schon MüKo-AktG/Kropff§ 317 Rn. 71, 101 ff. MüKo-AktG/Kropff § 317 Rn. 71: weitgehend ungeklärt; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2104. Larenz Methodenlehre S. 370 ff.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

ist ftir den Regelfall auch angemessen. So wollen die §§ 311, 317 AktG faktische Abhängigkeitsverhältnisse nicht schlechthin verbieten, sondern akzeptieren sie unter der Voraussetzung, dass zugefUgte Nachteile rechtzeitig ausgeglichen werden und ansonsten Schadensersatz durch das herrschende Unternehmen geleistet wird. Wie § 308 Abs. 1 S. 2 AktG zeigt, war dem Gesetzgeber selbstverständlich auch bewusst, dass Einflussnahmen durch das herrschende Unternehmen nicht nur in dessen unmittelbarem Eigeninteresse, sondern auch zugunsten anderer Tochtergesellschaften zu erwarten sind. Dennoch trifft die Ersatzpflicht nach den §§ 311, 317 AktG allein das herrschende Unternehmen. Über die Pfändung und Verwertung der vom herrschenden Unternehmen gehaltenen Geschäftsanteile lässt sich mittelbar auch auf das Vermögen der anderen Konzerngesellschaften zugreifen. Bei § 117 AktG liegen die Verhältnisse insoweit anders, da hier nicht unbedingt mit der wirtschaftlichen Potenz des Einflussnehmers zu rechnen ist. Einflussnehmer kann im Rahmen des § 117 AktG jedermann sein, also z.B. auch eine Privatperson, die nur aufgrund guter persönlicher Beziehungen zu einem Vorstandsmitglied Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gewinne7. Für den Normalfall, dass Ersatzansprüche gegen die Muttergesellschaft durchsetzbar sind, fehlt es deshalb an einer Regelungslücke 98 . Den Ausnahmefall einer Muttergesellschaft mit Sitz im Ausland99 oder gar in der Insolvenz wird der Gesetzgeber hingegen nicht bedacht haben. Denn er wollte durch die Schaffung der §§ 311 bis 318 AktG die abhängige Gesellschaft, ihre außenstehenden Aktionäre und Gläubiger gegenüber der allgemeinen Haftungsnonn des § 101 AktG 1937 I § 117 AktG 1965 gerade besser stellen. So heißt es in der Regierungsbegründung zu§ 317 AktG, die Vorschrift verschärfe die in§ 101 AktG 1937 mitgeregelte Haftung ftir die Ausnutzung eines beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft, weil ein beherrschender Einfluss einerseits besondere gesellschaftsrechtliche Pflichten begründe, andererseits verstärkt die Gefahr eines Missbrauchs mit sich bringe 100 • Die Verschärfung zeigt sich etwa darin, dass die Haftung nach § 317 AktG weder Vorsatz noch die Veranlassung eines Verwaltungsmitgliedes verlangt.

97 Brüggemeier AG 1988, S. 93, I 00 betont den Perspektivwechsel von der handelnden natürlichen Person in § 117 Abs. I AktG hin zum (herrschenden) Unternehmen in § 317 AktG, aus dem sich auch terminologische Unterschiede zwischen beiden Vorschriften erklären lassen. 98 Anders wohl Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 21 04. 99 Problematisch ist insofern nicht das Erstreiten eines Titels, sondern die anschließende Vollstreckung; dazu MüKo-AktG/Kropff § 317 Rn. 103 f. I 00 RegBegr. zu § 317 AktG, abgedruckt bei KropffS. 418.

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Horizontaler Einzelausgleich

Sie greift überdies auch ein, wenn die Beeinflussung durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erfolgt (im Gegensatz zu § 101 Abs. 7 AktG 1937 I § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG). Mit diesem Regelungsziel ist es nicht vereinbar, einen Anspruch gegen den Dritten, der die Beeinflussung veranlasst und aus ihr Vorteile erlangt hat, zu versagen. Anders als der in den §§ 317, 318 AktG ebenfalls nicht übernommene Anspruch gegen die Angestellten der abhängigen AG kann der Anspruch gegen den Dritten wirtschaftlich einen erheblichen Wert haben. Das gilt selbst dann, wenn - wie häufig 101 - gleichzeitig mit der Muttergesellschaft auch die begünstigte Schwestergesellschaft insolvent wird. Denn über die Muttergesellschaft ließe sich dann nur auf die Gesellschaftsanteile dieser Schwestergesellschaft zugreifen, die bei deren Insolvenz im Zweifel wertlos sind. Über den Direktanspruch gegen die Schwestergesellschaft lässt sich dagegen auch auf das für die Gläubiger reservierte Garantiekapital zugreifen. Gerade im Fall der horizontalen Betriebsaufspaltung kann die Besitzgesellschaft die einzige sein, die über eine nennenswerte Haftungsmasse verfügt 102 • Der Gesetzgeber hat die Haftung verschärfen wollen und hierbei übersehen, dass die Einräumung eines Anspruchs allein gegen das herrschende Unternehmen im Ausnahmefall unzureichend sein kann. Deshalb besteht in diesem Ausnahmefall - namentlich bei Insolvenz des herrschenden Unternehmens - eine Regelungslücke, die analog § 117 Abs. 3 AktG durch einen Anspruch gegen den begünstigten Dritten auszufüllen ist 103 • 2.

Anspruchsvoraussetzungen

§ 117 Abs. 3 AktG erfasst den "Mann hinter dem Täter" 104 . Täterirr ist die Muttergesellschaft nur, wenn sie die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 311, 317 AktG erfüllt: Dazu muss sie eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, zu einer nachteiligen geschäftlichen Maßnahme veranlasst haben, ohne den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahres auszugleichen.

101 Vgl. MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 57; K. Schmidt ZHR 1991, S. 417, 437ff. I 02 So im Fall BAG ZIP 1999, S. 723 ff. 103 Vgl. die (auf den Verlustausgleich bezogene) Einschätzung Raisers ZGR 1995, S. 156, 161, wonach die Judikatur kaum daran vorbeikommen wird, einen Zugriff der Gläubiger auf Schwestergesellschaften im Konzern zu ermöglichen, wenn das Haftungspolster des Schuldnerischen Unternehmens zugunsten der Schwestern ausgehöhlt wurde und das herrschende Unternehmen nicht zahlen kann. I 04 KK/Mertens § 117 Rn. 27.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

a)

Veranlassung durch die Muttergesellschaft

Der Veranlassungsbegriff der §§ 311, 317 AktG ist weit auszulegen, um möglichst alle Formen der offenen und verdeckten Einflussnahmen zu erfassen105. Es genügt jedes Handeln, das von der abhängigen Gesellschaft als Ausdruck des Wunsches zu verstehen ist, dass sie sich in bestimmter Weise verhalten möge 106 . Die Frage der Veranlassung ist aus der Sicht der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen; die Vertreter des herrschenden Unternehmens müssen sich deshalb nicht der Tatsache bewusst sein, dass ihr Verhalten von der abhängigen Gesellschaft als Veranlassung interpretiert wird 107 . Die Veranlassung muss zwar vom herrschenden Unternehmen ausgehen, jedoch nicht notwendig durch direkte Kontaktaufnahme seiner gesetzlichen Vertreter oder Angestellten. Es genügt auch eine Veranlassung durch Dritte, wenn sie nur dem herrschenden Unternehmen zuzurechnen ist. Eine Zurechnung ist möglich, wenn die Veranlassung durch den Dritten für die abhängige Gesellschaft gleichbedeutend mit einer unmittelbaren Veranlassung durch das herrschende Unternehmen ist. Dazu genügt es, dass das herrschende Unternehmen die Aufforderung durch den Dritten deckt, wobei wieder die Sicht der abhängigen Gesellschaft maßgebend ist. Von Schwestergesellschaften geäußerte "Bitten" sind daher Veranlassung durch die Muttergesellschaft, wenn sie nach der Organisation oder dem Führungsstil der Muttergesellschaft als deren Aufforderung zu verstehen sind 108 . Relevant wird dies etwa bei konzerninternen Lieferungen zu unangemessenen Preisen. Hier muss die Muttergesellschaft weder mit konkreten Vorgaben in die Vertragsverhandlungeil eingreifen noch überhaupt von ihnen Kenntnis haben. Es genügt, wenn sich eine andere Konzerngesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft plausibel auf (auch allgemeine) Vorgaben der Muttergesellschaft berufen kann. Häufig wird die Muttergesellschaft in der Vergangenheit bereits allgemein zum Ausdruck gebracht haben, dass sie die Belieferung anderer Konzerngesellschaften zu besonders günstigen oder auch besonders hohen Preisen wünscht. Diese Erwartungshaltung kann für die abhängige Gesellschaft schon am konkreten Konzernaufbau ablesbar sein, wenn dieser- wie in Fällen der Betriebsaufspaltung - erkennbar darauf

I 05 Vgl. Druey ZSR 99 II (1980), S. 273, 306 f.: Ratschläge, welche die Mutter der Tochter erteilt, nehmen fast von selber den Charakter zwingender Weisungen an. 106 MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 73; Hüffer § 311 Rn. 16. 107 Hiiffer § 311 Rn. 16; a.A. MüKo-AktG!Kropff§ 317 Rn. 25. "Veranlassen" verlangt keine Finalität, sondern nur Kausalität: Anders als noch bei§ 101 Abs. I AktG 1937 müssen keine gesellschaftsfremden Sondervorteile angestrebt werden; ein Vorsatzerfordernis findet sich nur in § 117 AktG. 108 MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 76.

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Horizontaler Einzelausgleich

angelegt ist, Gewinne in einer bestimmten Konzerngesellschaft zu sammeln und risikobehaftete Aktivitäten auf andere Gesellschaften zu verlagern. Fehlt es im Einzelfall an Anhaltspunkten für einen bestimmten Willen der Muttergesellschaft, kann sich die abhängige Gesellschaft hingegen nicht veranlasst sehen, auf unangemessene Forderungen ihrer Schwestergesellschaften einzugehen. Insoweit fehlt es dann an einer Veranlassung durch die Muttergesellschaft109. Eine "Veranlassung" ist nach herrschender Meinung auch im Falle personeller Verflechtungen zu bejahen, wenn ein gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens zugleich im Vorstand der abhängigen Gesellschaft tätig ist und es äußerer Einflussnahmen somit von vornherein nicht bedarf110 . Der weite Veranlassungsbegriff wird durch eine Veranlassungsvermutung flankiert. Minderheitsaktionäre, erst recht außenstellende Gläubiger, wären in der Regel überfordert, wenn sie konkrete Tatsachen darlegen und beweisen müssten, aus denen sich die Veranlassung durch das herrschende Unternehmen ergibt 111 . Deshalb greift nach herrschender Meinung eine tatsächliche Vermutung ein, dass nachteiliges Handeln vom herrschenden Unternehmen veranlasst ist 112 • b)

Nachteilige Maßnahme

Die infolge der Veranlassung getroffene bzw. unterlassene Maßnahme führt zu einem Nachteil, wenn sie die Vennögens- oder Ertragslage der Gesellschaft mindert. In die Bewertung sind alle Chancen und Risiken für die Gesellschaft einzubeziehen. Es geht also nicht nur um einen bilanziellen Vergleich von Vermögensgegenständen und Schulden, sondern auch um die aus der Gegenüberstellung von Chancen und Risiken abzulesende künftige Ertragserwartung 113 • Der Anwendungsbereich der §§ 311, 317 AktG geht somit über die Vorschriften zur Kapitalerhaltung hinaus und betrifft insbeI 09 Ähnlich Hiiffer § 311 Rn. 18 ftir den Fall mehrstufiger Abhängigkeit. 110 MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 89 ff., insbes. 97; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 25 I 2 b, S. 403: nicht zweifelhaft. 111 Hüffer § 311 Rn. 20. 112 Emmerich/Sannenschein Konzernrecht (6. Aufl.) S. 340; Hüffer § 311 Rn. 21: Vermutung nur bei Konzernverhältnis i.S.d. § 18 AktG; KK/Koppensteiner § 311 Rn. 6: Beweis des ersten Anscheins, ebenso jetzt Emmerich/Sonnenschein!Habersack Konzt:rnrecht § 25 I 3, S. 403 f.; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 4205: nur Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweis last; MüKo-AktG/Kropff § 311 Rn. 86 f.: in Anlehnung an § 312 Abs. I S. 2 AktG ist eine Veranlassung bei nachteiligen Rechtsgeschäften mit verbundenen Unternehmen generell zu vermuten, im Übrigen nur, wenn ein verbundenes Unternehmen aus der Maßnahme Vorteile gezogen hat bzw. erwarten konnte; zustimmend Heyder Aktienkonzern S. 65. 113 MüKo-AktG/Kropff§ 311 Rn. 138; Hiiffer § 311 Rn. 25.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

sohdere auch die Umleitung von Geschäftschancen auf andere Konzernunternehmen: Der Nachteil kann auch darin liegen, dass ein sonst erzielbarer Gewinn nicht eintritt. Wird der Gesellschaft ein neu aufzubauendes, lukratives Geschäftsfeld zugunsten einer anderen Schwestergesellschaft entzogen, kann sich ihre Bilanz infolge der ersparten Investitionen zunächst sogar verbessern. Dennoch ist die Maßnahme nachteilig, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft aus exante-Sicht anders gehandelt hätte(§ 317 Abs. 2 AktG) 114 . Bei der Belieferung zu Konzernverrechnungspreisen entsteht deshalb ein Nachteil in Höhe der Differenz zwischen dem Konzernverrechnungspreis und dem Preis, den der Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft akzeptieren würde 115 • Bei sonstigen Maßnahmen wie der Aufgabe eines Teilmarktes, der Ausgliederung wesentlicher Unternehmensfunktionen auf andere Konzernunternehmen und der Stellung von Kreditsicherheiten ftir andere Konzernunternehmen ist dagegen ein weites unternehmerisches Ennessen zu berücksichtigen 116 .

c)

Nicht rechtzeitiger Nachteilsausgleich

Unerheblich ist, ob der Ausgleich von der Muttergesellschaft selbst oder von einem Dritten gewährt wird, also etwa von der begünstigten Schwestergesellschaft117. Die begünstigte Schwestergesellschaft kann ein Interesse daran haben, Nachteilsausgleich auch ohne eine dahingehende Weisung der Muttergesellschaft zu gewähren, um so die schärfere Schadensersatzhaftung nach §§ 311, 317 AktG i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog zu vermeiden. Solange noch - etwa bei einer Muttergesellschaft mit Sitz im Ausland - die Möglichkeit eines rechtzeitigen Nachteilsausgleichs nach § 311 Abs. 2 AktG besteht, haftet auch die Schwestergesellschaft nicht.

114 MüKo-AktG/Kropff § 311 Rn. 140: Emmerich/Sonnenschein!Habersack Konzernrecht § 25 II I, S. 405 f. 115 Standardmethoden zur Berechnung eines angemessenen Preises sind (a) die Preisvergleichsmethode (Marktpreis, ersatzweise Preisvereinbarungen mit Dritten), (b) die Wiederverkaufspreismethode (Preis des leistungsempfangenden Unternehmens abzüglich eines Gewinnaufschlags) und (c) die Kostenaufschlagsmethode (um Gewinnaufschlag erhöhte Selbstkosten): ausführlich MüKo-AktG!Kropff § 311 Rn. 164 ff; Hüffer § 311 Rn. 30 ff. 116 Hüffer § 311 Rn. 34. 117 Hüffer § 311 Rn. 39. Nachteile müssen durch konkrete Vorteile ausgeglichen werden; ein Ausgleich durch allgemeine Konzernvorteile ist nicht möglich, MüKo-AktG/ KropffVor § 311 Rn. 5.

49

Horizontaler Einzelausgleich

d)

Veranlassung durch die Schwestergesellschaft

Nach § 117 Abs. 3 AktG haftet als Gesamtschuldner, wer durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, sofern er die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst hat. Veranlassung i.S.d. § 117 Abs. 3 AktG ist weniger als Anstiftung, aber mehr als bloße Duldung 118 . Auf das Veranlassungserfordernis kann auch im Rahmen einer Analogie nicht verzichtet werden, weil § 117 Abs. 3 AktG in der Rechtsfolge über die bloße Abschöpfung zugeflossener Vorteile hinausgeht und eine echte Schadensersatzhaftung statuiert 119 • § 117 AktG beruht wie das Deliktsrecht im allgemeinen auf dem Verursachungsprinzip; Schadensersatz kann nur von demjenigen verlangt werden, der den Schaden verursacht hat 120 . Das Veranlassungserfordernis dient der Zurechnung der nachteiligen Maßnahme. Nicht schon jeder Vorteilsempfänger soll haften, sondern nur der, der die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst hat. Verschiebt folglich eine Muttergesellschaft Vermögenswerte aus einer Tochtergesellschaft in eine andere, ohne dass die empfangende Gesellschaft dies veranlasst hätte, haftet die empfangende Gesellschaft nicht analog§ 117 Abs. 3 AktG. "Veranlassung" lässt sich ähnlich weit verstehen wie bei den §§ 311, 317 AktG. Gegenüber der Muttergesellschaft genügt die Äußerung eines Wunsches, diese möge in bestimmter Weise auf eine Schwestergesellschaft einwirken, oder auch die Vorlage eines Businessplans, der Belieferungen zu bestimmten Konzernverrechnungspreisen vorsieht. Gegenüber der Schwestergesellschaft reicht es aus, wenn etwa im Rahmen von Vertragsverhandlungen "Bitten" geäußert werden, die aus Sicht der Schwestergesellschaft als Aufforderung der Muttergesellschaft zu verstehen sind. Auch dieses abgekürzte Vorgehen direkt gegenüber der Schwestergesellschaft ist Veranlassung. Schließlich wird es auch als "Veranlassung" genügen müssen, wenn die Geschäftsleitungen von Mutter- und begünstigter Schwestergesellschaft personell verflochten sind; eine äußere Einflussnahme ist hier nicht festzustellen, die Interessenabstimmung aber besonders naheliegend. Eine generelle Vermutung, dass die nachteilige Einflussnahme der Muttergesellschaft von der hierdurch begünstigten Schwestergesellschaft veranlasst wurde, wäre dagegen nicht gerechtfertigt. Die Veranlassungsvermutung im

118 KK/Mertens § 117 Rn. 28; MüKo-AktG!Kropff § 117 Rn. 52; Hiiffer § 117 Rn. II. 119 Anders wohl Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2104: Durch die analoge Anwendung des § 117 Abs. 3 AktG auf Schwestergesellschaften werde der Zugriff auf die der Schwestergesellschaft zugeflossenen Mittel ermöglicht. Die Haftung setze bereits ein, wenn eines ihrer Organmitglieder um die Handlung wisse und diese wolle. 120 Vgl. Staudinger!Belling/Eberl-Borges § 830 Rn. I zum Deliktsrecht des BGB.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

Verhältnis zur Muttergesellschaft basiert auf der Annahme, dass die Leitung eines Unternehmens nicht aus eigenem Antrieb Maßnahmen ergreifen wird, die für dieses nachteilig sind 121 • Im Gegensatz dazu wird die Muttergesellschaft aber oft völlig frei und ohne vorherige Konsultation ihrer Tochtergesellschaften darüber entscheiden, ob sie Vermögenswerte oder Geschäftschancen aus einer Tochtergesellschaft in eine andere verlagern möchte. Minderheitsaktionäre und Gläubiger haben regelmäßig keinen Einblick in die Innenbeziehungen zwischen Muttergesellschaft und begünstigter Schwestergesellschaft, können deshalb eine Veranlassung durch letztere meist nicht substantiiert darlegen und beweisen. Ihnen ist so weit wie möglich mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die sekundäre Behauptungslast zu helfen. Danach sind Erleichterungen hinsichtlich der Substantiierungslast möglich, wenn der Beklagte im Gegensatz zum Kläger die maßgebenden Tatsachen kennt und ihm die Darlegung des Sachverhalts zuzumuten ist 122 • Die Vorteilsempfängerin muss dann nähere Angaben zur behaupteten Veranlassung machen, weil das diesbezügliche Vorbringen sonsttrotzmangelnder Substantiierung gemäߧ 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Nicht behebbare Informationsdefizite sind durch die Gerichte in angemessener Weise zu berücksichtigen. Eine Veranlassung wird z.B. nahe liegen, wenn die Muttergesellschaft "nur auf dem Papier" existiert und sich auf Holdingfunktionen beschränkt, während die konzernleitenden Entscheidungen faktisch sämtlich von der Führung der Schwestergesellschaft getroffen werden. Da am Veranlassungserfordernis festzuhalten ist, ist es zumindest missverständlich, wenn es in der Literatur heißt, wer aus der Maßnahme seinen Vorteil ziehe, solle schon dann haften, wenn er um die Handlung wisse und diese wolle 123 • Dies beschreibt zutreffend die geringen Anforderungen an den Vorsatz, macht die Veranlassung selbst aber nicht entbehrlich. Eine Gesellschaft, die lediglich weiß, dass die Muttergesellschaft Vermögenswerte einer Schwestergesellschaft auf sie verschiebt, und damit auch einverstanden ist, haftet ohne eigene Veranlassung nicht nach § 117 Abs. 3 AktG analog auf Schadensersatz. Da andererseits der Einflussnehmer im Rahmen der §§ 311, 317 AktG schon selbst nicht vorsätzlich handeln muss (anders als bei § 117 Abs. 1 AktG ), sind auch an den Vorsatz des Dritten keine be-

121 Raiser Kapitalgesellschaften§ 53 Rn. 42, S. 863. 122 Speziell zu § 317 AktG KropffFS Bezzenberger S. 233, 238 f.; allgemein BGHZ 122, 123, 132 f.- TBB; BAG NJW 1994, S. 3244, 3245; BAG AG 1999, S. 184, 185; Zöller!Greger Vor§ 284 Rn. 34 ff. 123 So Hüjfer § 117 Rn. II; aufgegriffen von MüKo-AktG!KropjfFn. 153 zu§ 317; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2104.

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Horizontaler Einzelausgleich

sonderen Anforderungen zu stellen. Deshalb ist die Haftung auch gegeben, wenn die Schwestergesellschaft fahrlässig verkannt hat, dass die Einflussnahme zu einem Nachteil der Gesellschaft fiihrt, oder mit dem rechtzeitigen Ausgleich des Nachteils gerechnet hat 124 .

e)

Vorteil für die Schwestergesellschaft

Jeder Vorteil genügt 125 • Der Vorteil der einen Gesellschaft muss zwar nicht die Kehrseite des bei der anderen Schwestergesellschaft entstandenen Nachteils sein; dem wird aber häufig so sein, etwa beim Transfer von Vermögenswerten oder Geschäftschancen von einer Gesellschaft auf die andere.

3.

Rechtsfolge

Die Rechtsfolge besteht in der Leistung von Schadensersatz. Kropff hat die Frage aufgeworfen, ob diese Haftung im Interesse der Außenseiter der Schwestergesellschaft auf die zugeflossenen Vennögensvorteile zu begrenzen ist; er verneint dies, sofern man die unmittelbare Haftung der Schwestergesellschaft davon abhängig mache, dass die Schwestergesellschaft die Einflussnahme kannte und wollte 126 . Dem ist mit der hier vorgenommenen Einschränkung zuzustimmen, dass auch auf eine Veranlassung durch die Schwestergesellschaft nicht völlig verzichtet werden kann. Die Schwestergesellschaft wird dann für ein Fehlverhalten, nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen heraus zur Verantwortung gezogen. Demgegenüber mag es zwar verlockend erscheinen, auf der Tatbestandsseite des § 117 Abs. 3 AktG auf das schwierig nachzuweisende Element der vorsätzlichen Veranlassung zu verzichten und im Gegenzug auf der Rechtsfolgenseite die Haftung auf die zugeflossenen Vorteile zu begrenzen; dabei würde es sich aber um freie Rechtsfortbildung, nicht um eine Analogie zu § 117 Abs. 3 AktG handeln.

B.

Faktischer GmbH-Unterordnungskonzern

Für die abhängige GmbH existiert kein kodifiziertes Konzernrecht Die herrschende Meinung lehnt eine analoge Anwendung der§§ 311 ff. AktG auf die abhängige GmbH ab und bemüht stattdessen eine "gesteigerte" Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters. Zu prüfen ist zunächst, ob sich diese gesellschafterliche Treuepflicht auf Schwestergesellschaften "verlängern" lässt (I.). Möglicherweise kann man auch unmittelbar zwischen den Schwestergesellschaften selbst Treuepflichten annehmen, bei deren Verletzung dann Schadensersatz zu leisten wäre (II.). Wenn sich eine Haftung von Schwes124 So schon MüKo-AktG/Kropff§ 317 Rn. 71. 125 Hüffer § 117 Rn. 1 1. 126 MüKo-AktG/Kropff§ 317 Rn. 71.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

tergesellschaften mit dem herrschenden Treuepflichtenansatz nicht begründen lassen sollte, ist an eine Übernahme der §§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG ins GmbH-Konzemrecht zu denken (III.). I.

Verletzung der gesellschafterliehen Treuepflicht

1.

Der Treuepflichtenansatz der herrschenden Meinung

Im faktischen GmbH-Konzern wird der Einzelausgleich herkömmlich auf die gesellschafterliehe Treuepflicht gestützt. In der JTT-Entscheidung entschied sich der BGH bereits 1975 gegen eine Analogie zum Aktienkonzernrecht (§ 317 AktG) und für eine GmbH-spezifische Lösung, die den Minderheitsgesellschaftern und Gläubigem der abhängigen GmbH bei schädigenden Eingriffen des herrschenden Unternehmens Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der gesellschafterliehen Treuepflicht gewährt 127 • Dieser Treuepflichtenansatz wurde von der Lehre mit Beifall aufgenommen128 und auch in späteren Urteilen zum GmbH-Konzernrecht bestätigt 129 . Dogmatisch ist die Treuepflicht Bestandteil des Mitgliedschaftsverhältnisses. Die Mitgliedschaft schafft eine Sonderrechtsverbindung sowohl zwischen Mitglied und Gesellschaft als auch zwischen den einzelnen Mitgliedem 130 . Deshalb stößt der Treuepflichtenansatz an seine Grenzen, wenn der Einflussnehmer nicht Mitglied der abhängigen Gesellschaft ist (so bei mehrstufigen Konzernen die Muttergesellschaft im Verhältnis zur Enkelin) oder keine weiteren Gesellschafter beteiligt sind, auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen wäre (so bei der Einmann-GmbH). Zwar wurden im Schrifttum ftir beide Bereiche Lösungsvorschläge auf der Basis des Treuepflichtenansatzes entwickelt 131 . Die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung erkennt aber

127 BGHZ 65, 15- ITT. Der BGH stellte zunächst fest, die Vorinstanz habe Ersatzansprüche wegen Verstoßes gegen§ 317 AktG geprüft und verneint; inwieweit dem gefolgt werden könne, ließ der BGH dahinstehen und sprach stattdessen Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht zu. 128 Vgl. nur die Besprechung von Wiedemann JZ 1976, S. 392 und die heutige Kommentarliteratur, in der die Treuepflicht bei der Kommentierung der Rechtsfolgen faktischer Abhängigkeit meist ganz im Vordergrund steht, z.B. Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff Anh § 13 Rn. 17 ff. 129 BGHZ 95,330, 340- Autokran; BGHZ 122, 123, 127- TBB; BGHZ 150,61, 68. 130 K. SchmidtGesellschaftsrecht § 19 III I, S. 552 ff. 131 Für den mehrstufigen Konzern etwa Stimpel AG 1986, S. 117, 119 f.; Hachenburg/ Ulmer Anh § 77 Rn. 74; Träger Treupflicht S. 37 ff. -Für die Einmann-GmbH vgl. Hachenburg/Wmer Anh § 77 Rn. 75 m.w.N.; ders. ZHR 148 (1984), S. 391, 418; Raiser Kapitalgesellschaften § 53 Rn. 52, S. 867, m.w.N.; ablehnend z.B. Baumbach/Hueck/Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 83: Treuepflicht des Alleingesellschafters läuft leer.

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Horizontaler Einzelausgleich

jedenfalls eine Treuepflicht des Alleingesellschafters, die ihm Schädigungen "seiner" GmbH verbieten würde, nicht an 132 • 2.

Konsequenzen für Schwestergesellschaften

Die Treuepflicht ist eine mitgliedschaftliche; sie besteht im Verhältnis einer Gesellschaft zu ihrem Gesellschafter, aber nicht im Verhältnis zwischen Schwestergesellschaften. Selbst wenn der Gesellschafter sich einer Schwestergesellschaft bedienen sollte, um die andere zu schädigen, kann das nicht zur Haftung des Werkzeugs führen; pflichtwidrig handelt allein der Gesellschafter133. Allerdings wird auch in mehrstufigen Konzernen die Muttergesellschaft für Treuepflichtverletzungen gegenüber ihrer Enkelin haftbar gemacht, ohne selbst Gesellschafterin zu sein. Insoweit ist vorgeschlagen worden, der im Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Mutter und Tochter bestehenden Treuepflicht Schutzwirkung auch zugunsten der Enkelin zuzuerkennen 134 • Schwestergesellschaften treffen schon keine Gesellschafterpflichten, die solcherart verlängert werden könnten. Der "Export" von Treuepflichten in ein anderes Mitgliedschaftsverhältnis vermag ohnehin nicht recht zu überzeugen; statt die Enkelin in die mitgliedschaftliehen Bindungen zwischen Mutter und Tochter einzubeziehen, mit denen sie nicht in Berührung kommt, erscheint generell eher eine Erstreckung der Treuepflicht zwischen Tochter und Enkelin auf die Mutter angezeigt 135 • Dies versucht ein zweiter Vorschlag, der sich dazu des Zurechnungsdurchgriffs bedient 136 • Schon im Vertikalverhältnis leistet der Zurechnungsdurchgriff allerdings wenig mehr als eine Beschrei-

132 Bedenken bereits in BGHZ 95, 330, 340- Autokran; entschieden BGHZ 122, 333, 336: "Der alleinige Gesellschafter einer GmbH schuldet dieser- ebenso wie die Gesellschafter einer mehrgliedrigen GmbH, wenn sie einverständlich handeln - grundsätzlich weder wegen Treuepflichtverletzung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung Schadensersatz, wenn er der Gesellschaft Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird"; ebenso BGH ZIP 1999, S. 1352. Nach BGHZ 149, 10, 16- Bremer Vulkan- hat der Gesellschafter einer GmbH zwar "Rücksicht auf ihre seiner Disposition entzogenen eigenen Belange zu nehmen"; in den Folgeentscheidungen taucht diese (von Ulmer ZIP 2001, S. 2021, 2026 als Hinweis auf eine Treuepflicht verstandene) Formulierungjedoch nicht mehr auf; vgl. Benecke BB 2003, S. 1190, 1192 f. und Drygala GmbHR 2003, S. 729 f. 133 Vgl. oben§ l AI 3. 134 Stimpel AG 1986, S. 117, 119 f.; zustimmend Paschke AG 1988, S. 196, 203 f.; ablehnend Teubner ZGR 1991, S. 189, 209: "abenteuerliche Konstruktion". 135 So schon Limmer Haftungsverfassung S. 71; Träger Treupflicht S. 47 f. 136 Hachenburg/Ulmer Anh § 77 Rn. 74; Rowedder!Schmidt-Leithoff!Koppensteiner Anh nach § 52 Rn. 76; Emmerich/Habersack Anh. § 318 Rn. 28.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

bung des gewünschten Ergebnisses 137 ; eine überzeugende Begründung, warum neben der Tochter als Gesellschafterin auch noch die Mutter haften soll, bietet er nicht. Im Verhältnis zur Schwestergesellschaft fehlt es zudem an einem ausreichenden Zurechnungsgrund: Im mehrstufigen Konzern sollen Treuebindungen auf die Mutter durchschlagen, weil diese als mittelbare Gesellschafterin beteiligungsvermittelte Einflussmöglichkeiten der Tochter für sich in Anspruch nehmen kann. Dieses Bild der mittelbaren Gesellschafterin passt auf das Horizontalverhältnis zwischen Schwestergesellschaften nicht. Festzuhalten ist somit, dass nach dem Treuepflichtenansatz schon die Einbeziehung der Konzernspitze im mehrstufigen Konzern problematisch ist. Eine Möglichkeit, Treuepflichten auch noch auf Schwestergesellschaften auszudehnen, die keinerlei mitgliedschaftliehen Bindungen unterliegen, ist nicht zu erkennen. Auf der Grundlage des herrschenden Treuepflichtenansatzes lässt sich für Schwestergesellschaften im GmbH-Konzern kein konzernrechtlicher Einzelausgleich begründen. II.

Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften

Wenn sich die gesellschafterliehe Treuepflicht nicht auf Schwestergesellschaften "verlängern" lässt, führt nur noch die Annahme weiter, dass auch direkt zwischen den Schwestergesellschaften Treuepflichten existieren, deren Verletzung dann zum Schadensersatz verpflichten könnte. 1.

Unterordnungskonzern als BGB-Gesellschaft

Überholt ist eine Ansicht, die den Unterordnungskonzern insgesamt als BGB-Gesellschaft, und zwar als Innengesellschaft, einordnen wollte 138 . Begründet wurde dies damit, dass die einzelnen Konzernunternehmen eine Interesseneinheit bildeten, deren Zweck es sei, die ökonomische Entwicklung aller Konzernmitglieder zu fördern. Damit ließen sich in der Tat direkte Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften annehmen, eben in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft. Die Einordnung als BGB-Gesellschaft vermag weder für den vertraglichen noch für den faktischen Unterordnungskonzern zu überzeugen: Die Unter137 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. 76, der darauf abstellen will, "dass die Konzernspitze ... stets beteiligungsvermittelte Einflussmöglichkeiten der Tochter für sich in Anspruch nimmt. Es erscheint evident, dass dies nicht ohne Beachtung der Pflichten geschehen kann, die mit der Beteiligung verbunden sind". 138 Harms KonzerneS. 147 ff.; Wilhelm Rechtsform S. 221 ff. (für den faktischen Unterordnungskonzern); BGH WM 1955, S. 413.

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Horizontaler Einzelausgleich

ordnung unter ein herrschendes Unternehmen ist weder mit dem Charakter einer BGB-Gesellschaft zu vereinbaren, noch lässt sich von der (konkludenten) Vereinbarung eines "gemeinsamen Zwecks" sprechen(§ 705 BGB); der "gemeinsame Zweck" wird vielmehr allein durch das herrschende Unternehmen vorgegeben 139 2.

Der Ansatz Jaschinskis

In jüngerer Zeit ist in der Literatur erneut versucht worden, zwischen Schwestergesellschaften eines GmbH-Unterordnungskonzerns Treuepflichten zu statuieren und so zu einer Schadensersatzhaftung von Schwestergesellschaften für Treuepflichtverletzungen zu gelangen: Nach Jaschinski 140 sollen sich Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften schon allein aus dem Konzernverhältnis ergeben, ohne Bezugnahme auf eine mitgliedschaftliche Beteiligung. Erste Voraussetzung der aus § 242 BGB abzuleitenden Treuepflicht sei ein Rechtsverhältnis, das mit der gemeinsamen Konzernzugehörigkeit gegeben sei. Als weitere Voraussetzung für das Bestehen einer Treuepflicht werden nur noch faktische Einwirkungsmöglichkeiten verlangt, die ohne das Konzernverhältnis nicht in dieser Weise gegeben wären 141 • Ausgestaltung und Umfang der Treuepflichten sollen sich nach den konkreten Verhältnissen richten und werden von Jaschinski nicht näher ausgeführt. So heißt es lediglich, eine wirtschaftlich für den Konzern besonders wichtige Schwestergesellschaft sei "verstärkt dazu aufgerufen", schädigende Einflussnahmen auf andere Konzernunternehmen zu unterlassen, die nicht durch sachliche Gründe veranlasst seien; denn für das andere Konzernunternehmen bestehe keine Verpflichtung, solche Beeinträchtigungen hinzunehmen 142 • Weiter ist von einem gegenseitigen Schädigungsverbot die Rede, das bereits dann verletzt sei, wenn eine Schwester ihren auf faktischen Umständen beruhenden Einfluss geltend mache 143 . An anderer Stelle meint Jaschinski wiederum, die Vereinbarung unangemessener Konzernverrechnungspreise erfülle im Regelfall keinen Haftungstatbestand 144 - ob-

139 KK!Koppensteiner § 18 Rn. 7; Werner Abhängigkeitstatbestand S. 66 ff.; KropffFS LutterS. 1133, 1144 m.w.N.; ausfiihrlich Jaschinski Schwestergesellschaften S. 62 ff. m.w.N.; früher schon HP. Westermann Vertragsfreiheit S. 182 ff. 140 Schwestergesellschaften S. 56 ff., 162 ff. 141 So deutlich Jaschinski Schwestergesellschaften S. 59, die im Anschluss an Ausführungen zum Rechtsverhältnis (als erster Voraussetzung) von der "Einwirkungsmöglichkeit, die zur Bejahung einer Treuepflicht führt ... " spricht. 142 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 60, ähnlich nochmals S. 163. 143 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 167. 144 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 168, Fn. 104, unter Berufung auf Michalski/Zeidler NJW 1996, S. 224, 228, die anders als sie aber kein Schädigungsverbot statuieren.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

wohl doch gerade das Hinwirken auf eine derartige Vereinbarung einen Hauptanwendungsfall für die von ihr angenommene Treuepflichtverletzung bilden müsste. 3.

Stellungnahme

Es lassen sich - neben der Herleitung aus konzerninternen Einwirkungsmöglichkeiten, die Jaschinski versucht - zumindest noch zwei weitere Argumente finden, die für die Existenz von Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften und ohne Bezug auf eine mitgliedschaftliehe Beteiligung sprechen könnten: Das erste besteht in den Nonnen zur Kagitalerhaltung (§§ 30, 31 GmbHG; §§ 57, 62 AktG), wenn man mit Cahn 1 5 auch Schwestergesellschaften zu den Normadressaten rechnet. Während der Gesetzgeber bei Geschäften mit Dritten darauf vertraut, dass die Gesellschaft ihre Interessen so gut wie möglich wahrnimmt und nach marktwirtschaftliehen Grundsätzen flir ihre Leistung eine angemessene Gegenleistung erhält, greift eine solche Angemessenheitsvermutung bei konzerninternen Geschäften gerade nicht - gleich, ob der Geschäftspartner ein mitgliedschaftlieh verbundener Gesellschafter oder aber eine gesellschaftsrechtlich nicht beteiligte Schwestergesellschaft ist. Die Kapitalerhaltungsvorschriften spielen schon in der Diskussion um Existenz, Reichweite und Abdingbarkeit gesellschafterlicher Treuepflichten (gerade auch des Alleingesellschafters) eine wesentliche Rolle 146 • Wenn sie sich wie von Cahn vorgeschlagen - vom Gesellschafterstatus ablösen und auf Schwestergesellschaften erstrecken lassen, wären möglicherweise weitergehend auch Schadensersatzansprüche aus Treuepflichtverletzung denkbar, jedenfalls soweit das gebundene Kapital betroffen ist 147 • Ein zweites Argument könnte in der Finanzierungsverantwortung liegen, die von der Rechtsprechung auch Schwestergesellschaften auferlegt wird. So gibt es bei Unternehmensverbindungen i.S.d. §§ 15 ff. AktG dem BGH zufolge typischerweise "Einflussmöglichkeiten der nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen", die es rechtfertigen sollen, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung auch ihnen aufzuerlegen 148 • Dass auch unter Schwestergesellschaften ein gewisses Maß an Loyalität gefragt sein kann, aus dem sich möglicherweise Treuepflichten herleiten ließen, zeigt sich daher weniger an dem von Jaschinski als Beleg 145 Kapitalerhaltung S. 31 ff.; dazu unten§ 2 !3. 146 V gl. nur Martin Winter Treubindungen S. 190 ff. 147 Problematisch wäre insofern, dass die §§ 30, 31 GmbHGunmittelbar nur einen Herausgabeanspruch begründen, aber noch keinen Schadensersatzanspruch. 148 BGH ZIP 1991, S. 366.

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Horizontaler Einzelausgleich

angeführten § 308 Abs. 1 S. 2 AktG 149 als vielmehr im Kapitalerhaltungsund Kapitalersatzrecht Die überwiegenden Gründe sprechen jedoch gegen die Existenz besonderer Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften: Erstens fehlt für die Konstruktion derartiger Treuepflichten jeder normative Anhalt. Jaschinski möchte zwar die Parallele zur gesetzlich ebenfalls nicht geregelten Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern einer GmbH ziehen 150 • Mit der gesellschafterliehen Treuepflicht hat die von ihr angenommene Treuepflicht aber nur den Namen gemein. Für die Existenz einer Sonderverbindung zwischen Gesellschaftern einer GmbH spricht immerhin noch die subsidiäre Mithaftung der Gesellschafter für ausbleibende Einlagenleistungen und unberechtigte Entnahmen von Mitgesellschaftern gemäß §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG 151 • Derartige Rechtsnormen ließen sich für Schwestergesellschaften allenfalls in den Kapitalerhaltungs- und -ersatzvorschriften finden, weshalb Jaschinski für den Nachweis eines Rechtsverhältnisses als rechtsnormgestalteter Beziehung auch allein auf den Gesamtkonzern rekurriert 152 , nicht speziell auf das Verhältnis zwischen den Schwestergesellschaften. Zweitens ist schon der namentlich von Limmer 153 unternommene Versuch auf Kritik gestoßen, zumindest zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen GmbH eine auf Unternehmerische Leitungsmacht gegründete konzernrechtliche Sonderverbindung zu statuieren. Bereits diese Sonderbeziehung zum rechtlich herrschenden Unternehmen ist als bloße petitio principii kritisiert worden 154 ; dieser Vorwurfmuss erst recht zutreffen auf einen Ansatz, der sogar konzernweit Sonderverbindungen zwischen jeweils rechtlich nicht herrschenden und rechtlich nicht abhängigen Schwestergesellschaften herstellen möchte. Exemplarisch zeigt sich dies daran, dass Jaschinski sich einerseits auf das Prinzip des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung beruft 155 , um so die Treuepflicht zu begründen, und andererseits

149 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 57 f.- § 308 Abs. 1 S. 2 AktG erlaubt nachteilige Weisungen, wenn sie den Belangen des herrschenden oder anderer konzernverbundener Unternehmen dienen. Von der angewiesenen Schwestergesellschaft wird hier weniger Solidarität mit Konzernschwestern als vielmehr "Gehorsam" gegenüber dem herrschenden Unternehmen verlangt, das im Gegenzug zum Verlustausgleich verpflichtet ist. 150 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 58. 151 Scholz/Emmerich § 13 Rn. 36; zurückhaltend Martin Winter Treubindungen S. 68 f. 152 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 57. 153 Haftungsverfassung S. 64 ff.; ähnlich Träger Treupflicht S. 52 ff. 154 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner Anh nach § 52 Rn. 76. 155 Von .Jaschinski als Korrespondenz von Einfluss und Verantwortung bezeichnet, Schwestergesellschaften S. 58.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

umgekehrt auf die Treuepflicht, die es gebieten soll, dass Einflussnahmen wirtschaftlich besonders wichtiger und deshalb einflussreicher Schwestergesellschaften nicht sanktionslos bleiben 156 • Drittens könnte die Treuepflichtkonstruktion nur eine Lösung ftir das GmbH-Konzernrecht bieten; mit dem geschriebenen Aktienkonzernrecht ist sie nicht zu vereinbaren. Für das Aktienkonzernrecht wurde oben 157 ausführlich diskutiert, ob eine faktische, wirtschaftliche Abhängigkeit in Konzernverhältnissen den Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG und damit den Tatbestand der §§ 311, 317 AktG erfüllen kann. Dies war zu verneinen. Neben den§§ 311, 317 AktG, die sich als Ausprägung der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens deuten lassen 158 und kodifiziert sind, kann es aber nicht noch ungeschriebene Treuepflichten einflussnehmender Dritter geben. Der GmbH-spezifische Treuepflichtenansatz der herrschenden Meinung stellt eine "Ersatzlösung" dar ftir die nicht gewünschte Übernahme der §§ 311 ff. AktG ins GmbH-Konzernrecht und baut auf einer "gesteigerten" Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters 159 auf. Auch dieser Hintergrund spricht gegen eine Erstreckung der Treuepflicht auf Schwestergesellschaften. Viertens und vor allem lässt sich das Gesellschaftsinteresse als Orientierungsmaßstab für die Treuepflichtschranken gar nicht losgelöst von den hinter der GmbH stehenden Gesellschaftern bestimmen 160 • Existenz und Reichweite der gesellschafterliehen Treuepflicht hängen wesentlich davon ab, ob der Gesellschafter Alleingesellschafter ist oder sich bei Verfolgung eigener Interessen zumindest auf das Einverständnis aller Mitgesellschafter stützen kann 161 • Die Treuepflicht kann mit Zustimmung aller Gesellschafter eingeschränkt oder modifiziert werden 162 • Eine unbestrittene Schranke findet sich insoweit nur in den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG. Ein Eingriff des herrschenden Gesellschafters (zum Beispiel eine das Stammkapital nicht verletzende verdeckte Gewinnausschüttung) kann die abhängige GmbH daher im Einzelfall schädigen, ohne dass dies einen 156 157 158 159

Jaschinski Schwestergesellschaften S. 163. § I AI I. MüKo-AktG/KropffVor§311 Rn.IOO. Vgl. Hachenburg/ Ulmer Anh § 77 Rn. 81; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 30 II I, S. 450. 160 Hachenburg/Ulmer Anh § 77 Rn. 75; Martin Winter Treubindungen S. II f., 63 ff., 194. 161 BGHZ 122, 333, 336; Hachenburg/Ulmer Anh § 77 Rn. 75; Roth/Altmeppen § 13 Rn. 90. 162 Baumbach/Hueck!Zöl/ner GmbH-KonzernR Rn. 81; Martin Winter Treubindungen S.l90ff.

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Horizontaler Einzelausgleich

Schadensersatzanspruch wegen Treuepflichtverletzung auslösen würde 163 . Bei dem Ansatz Jaschinskis bleibt hingegen unklar, wie sich der Inhalt des die Schwestergesellschaften treffenden gegenseitigen Schädigungsverbots bestimmen lassen soll, ohne hierfiir auf die Mitgliedschaft der gemeinsamen Muttergesellschaft Bezug zu nehmen. Dass die Schwestergesellschaft fiir eine Einflussnahme haften soll, die dem herrschenden gemeinsamen Gesellschafter selbst erlaubt wäre, ist kaum vorstellbar. Das gilt vor allem, wenn man die Haftung der Schwestergesellschaften wie Jaschinski gerade mit deren konzerninternen Einwirkungsmöglichkeiten begründen will, die doch jedenfalls hinter denen des herrschenden Gesellschafters zurückbleiben. Im Ergebnis kann die Annahme, dass zwischen Schwestergesellschaften aus dem Konzernverhältnis heraus direkte Treuepflichten bestünden, deshalb nicht überzeugen.

111.

Treuepflicht i. V.m. §§ 317, 117 Abs. 3 AktG analog

Im GmbH-Konzernrecht lässt sich über Treuepflichten keine (ergänzende) Haftung von Schwestergesellschaften begründen, während dies im Aktienkonzernrecht über die §§ 311, 317 AktG i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog möglich ist. Der Gläubiger- und Minderheitenschutz im GmbH-Konzern bliebe damit hinter dem Standard des Aktienkonzernrechts zurück. Damit stellt sich die Frage, ob nicht doch eine - zumindest teilweise - Übernahme des Aktienkonzernrechts angezeigt ist.

1.

Meinungsstand zu§§ 311 ff. AktG analog

"Die Unstimmigkeit der §§ 311 ff. AktG hat dazu geführt, dass Rechtsprechung und Wissenschaft sich außerhalb ihres unmittelbaren Anwendungsbereichs von Anfang an entschlossen von dem aktienrechtlichen Regelungsmodell abgewandt und nach anderen Lösungswegen gesucht haben" 164 . Seit der ITT-Entscheidung basiert das Schutzkonzept des BGH für den einfachen faktischen GmbH-Konzern auf der Schadensersatzpflicht wegen Treuepflichtverletzung, die vom Kapitalerhaltungsrecht und gegebenenfalls deliktsrechtlichen Ansprüchen flankiert wird 165 . Die ITT-Entscheidung erging vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs 1973 166 zur geplanten großen GmbH-Reform, der in den §§ 230 ff. RegE eine "sklavische Nachahmung"167 des Aktienkonzernrechts vorsah. Übernommen werden sollte ins-

163 164 165 166 167

60

BGHZ 122,333, 336. Raiser Kapitalgesellschaften§ 53 Rn. 7, S. 850. BGHZ 65, 15- ITT; 122, 123, 127- TBB. BT-Drucks. 7/253 v. 26.2.1973. Wiedemam1 JZ 1976, S. 392, 394.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

besondere auch der gestreckte Nachteilsausgleich (§ 247 Abs. 2 RegE) und fur Einzelffille 168 die Erstellung eines Abhängigkeitsberichts (§ 248 RegE). Die /TT-Entscheidung mit ihrem Rekurs auf die GmbH-spezifische Treuepflicht lässt sich deshalb auch als Absage an die geplante Übernahme des Aktienkonzernrechts interpretieren 169 • Diese Absage wurde wiederholt durch Autokran 170 und den I. Leitsatz der Bremer Vulkan-Entscheidung: "Der Schutz einer abhängigen GmbH gegen Eingriffe ihres Alleingesellschafters folgt nicht dem Haftungss~stem des Konzernrechts des Aktienrechts (§§ 291 ff., 311 ff. AktG) ... " 71 • Der BGH reagierte damit auf die von den Klägern vorgetragene Rechtsansicht, im "qualifiziert faktischen Konzern" müssten der abhängigen GmbH neben dem herrschenden Unternehmen gemäß § 309 Abs. 1 und 2 AktG bzw. § 317 Abs. 3 AktG analog auch dessen geschäftsführende Organmitglieder haften 172 • Auch das Schrifttum lehnt eine entsprechende Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf die abhängige GmbH ganz überwiegend ab 173 • Zur Begründung werden die Ineffektivität der aktienrechtlichen Regelung 174, das fur den GmbH-Konzern als unangemessen empfundene "Schädigungsprivileg" des § 311 AktG 175 und Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH 176 augefuhrt.

168 Für den jetzt durch § 51 a Abs. 3 GmbHG ausgeschlossenen Fall, dass der Gesellschaftsvertrag die Informationsrechte eines Gesellschafters beschränkt. 169 So vorsichtig Wiedemann JZ 1976, S. 392, 394; vgl. Raiser Kapitalgesellschaften §53 Rn. 7. 170 BGHZ 95, 330, 340. 171 BGHZ 149, 10. 172 V gl. MüKo-AktG/ Krapff Vor § 311 Rn. I 03 für die faktisch abhängige GmbH; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Kappensteiner Anh. nach§ 52 Rn. 74. 173 Wiedemann JZ 1976, S. 392; Lutter/Hammelhaff in Lutter/Hommelhoff Anh § 13 Rn. 16; Baumbach/Hueck!Zöl/ner KonzernR Rn. 12; Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 68, 70; Sannenschein/Emmerich/Habersack Konzernrecht § 29 IJI 2 a, S. 446; Emmerich!Habersack Anh. § 318 Rn. 6; Raiser Kapitalgesellschaften § 53 Rn. 7, S. 850. 174 Ulmer ZHR 148 (1984 ), S. 391, 411 f.; Lehmann ZGR 1986, S. 345, 365 f.; Assmann FS 100 Jal1re GmbHG S. 657, 696 f.; Grüner Anmerkung zu OLG Dresden NZG 2000, S. 598, 601, 602: Überlegenheit der Schadensabwehr durch die Treuepflicht gegenüber dem problematischen Einzelausgleich. 175 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Kappensteiner Anh nach § 52 Rn. 74; Lutter Entwicklungen S. 192,204 f. I76 Ulmer ZHR 148 (1984), S. 39I, 4I I; Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 12; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Kappensteiner Anh. nach § 52 Rn. 5, 74; Hüffer § 3 I 1 Rn. 5 I; Raiser Kapitalgesellschaften § 53 Rn. 16; Röhricht FS f. BGH S. 83, 92 f.

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Horizontaler Einzelausgleich

Eine Analogie zu den §§ 311 ff. AktG befiirworten insbesondere Rowedder, Bälz und Kropf!, mit Unterschieden im Einzelnen 177 • Während die Stellungnahmen von Rowedder und Bälz - gemessen am Entwicklungstempo des Konzernrechts - bereits älteren Datums sind, stammt die entsprechende Kommentierung durch Kropf! aus dem Jahr 2000. Die Autoren halten die unstreitig bestehenden Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH nicht ftir so gravierend, als dass sie einer Analogie entgegenstehen müssten. Eine Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zum pauschalen Verlustausgleich im "qualifiziert faktischen GmbH-Konzern" lasse sich mit den §§ 311, 317 AktG weitaus überzeugender begründen als mit der von der Rechtsprechung bis zur Bremer Vulkan-Entscheidung praktizierten Analogie zum Recht des Aktienvertragskonzerns ("§§ 302 f. AktG analog"). Kropf! meint zudem, auch die §§ 311, 317 AktG ließen sich durchaus als Ausprägung des Grundgedankens der Treuepflicht verstehen; sie seien der unstrukturierten Treuepflicht aber durch ihre Anwendbarkeit auch auf die Einpersonen-Gesellschaft und durch die ausformulierten Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen überlegen. Ob man diese Wertungen des Gesetzgebers im Wege der Teilanalogie 178 oder als gesetzliche Ausprägungen der Treuepflicht heranziehe, könne offen bleiben 179 •

Koppensteiner schließlich will in mehrgliedrigen Gesellschaften auf die Treuepflicht abstellen, im Einmannkonzern dagegen eine in den §§ 311, 317 AktG steckende, auch fiir Einmanngesellschaften geltende konzernrechtliche Wertung bemühen 180 •

2.

Stellungnahme

Das Aktienkonzernrecht ist in seinen Grundlinien rechtsformübergreifend angelegt 181 • Belegt wird dies durch den schließlich gescheiterten Versuch einer !:I-Übertragung im Rahmen der großen GmbH-Reform ebenso wie durch die weitgehende analoge Anwendung der §§ 291 ff. AktG auf Unter177 Rowedder Entwicklungen, S. 20 ff.: auch Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG; Bälz AG 1992, S. 277, 293 f.: Abhängigkeitsbericht vom BGH "stillschweigend gestrichen"; MüKo-AktG/KropffVor § 311 Rn. 96 ff.: keine Übertragung des Abhängigkeitsberichts und des zeitversetzten Ausgleichs. 178 Dafür noch Kropjj' FS Semler, S. 536 ff.; ders. FS Kastner S. 279, 292; zu diesem Vorschlag vgl. Meyer Haftungsbeschränkung S. 878. 179 MüKo-AktG/KropffVor § 311 Rn. 100. 180 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. 51; vgl. auch Meyer Haftungsbeschränkung S. 885 ff., dem zufolge sich die Konzernhaftung im GmbHRecht nicht aus einer Treuepflichtverletzung, sondern aus einem unternehmensverbundrechtlichen Benachteiligungsverbot ergibt, wie es in§§ 311, 317 AktG seinen Ausdruck gefunden hat. 181 Das konzediert auch Assmann FS 100 Jahre GmbHG S. 657,695.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

nehmensverträge mit abhängigen GmbH 182 und schließlich die Analogie zu den §§ 302 f. AktG im Rahmen des "qualifiziert faktischen Konzerns". Eine Analogie zu den § § 311, 317 AktG ist daher angezeigt, wenn Ineffektivität (a), Schädigungsprivileg (b) und Strukturunterschiede (c) dem nicht entgegenstehen sollten. Wie im Aktienkonzernrecht wäre diese Haftung entsprechend § 117 Abs. 3 AktG um die Haftung des Vorteilsempfängers zu ergänzen, wenn sich die Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen nicht durchsetzen lassen; denn die für das Aktienrecht konstatierte Lückenhaftigkeit des § 317 AktG bliebe auch bei seiner Übertragung ins GmbHRecht bestehen 183 • Im Ergebnis könnten dann auch im faktischen GmbHKonzern Schwestergesellschaften gemäß §§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG analog haftbar gemacht werden.

a)

Effektivität der§§ 311 ff. AktG

Die Frage nach der Effektivität der §§ 311 ff. AktG ist zunächst nur eine rechtspolitische, soweit es nämlich um den originären Anwendungsbereich der Vorschriften geht. Für den Aktienkonzern wird die Frage, ob das Einzelausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG in der Praxis funktioniert, in jüngerer Zeit wieder differenzierter beurteilt 184 . Die wirtschaftsrechtliche Abteilung des 59. Deutschen Juristentags 1992 hat nahezu einstimmig einem Beschlussvorschlag zugestimmt, demzufolge "die §§ 311 ff. AktG konzeptio182 Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 32, S. 4 78 ff., insbes. I 2, S. 480 f.: Die Voraussetzungen flir eine Analogie sind bei den meisten Vorschriften der§§ 291 bis 310 AktG erfüllt. 183 Eine analoge Übernahme des kompletten § 117 AktG ins GmbH-Recht kommt dagegen nicht in Betracht. Zwar wurde eine analoge Anwendung des § 117 AktG bereits von Hachenburg/Barz § 13 Anh. I! Rn. 25 m.w.N. (7. Aufl. 1979) erwogen, auch und gerade flir den Konzernbereich; zudem war im Zuge der großen GmbH-Rechtsreform in§ 126 RegE 1971 eine ähnliche Regelung vorgesehen (RegE vom 5.11.1971, SRDrucks. 595/71 ). Mit der gesellschafterliehen Treuepflicht wären eine Begrenzung auf vorsätzliche Schädigungen und das Stimmrechtsprivileg (§ 126 Abs. 8 RegE 1971) aber nicht zu vereinbaren; wegen der jederzeitigen Weisungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung würde die Haftung weitgehend leer laufen. § 117 AktG analog wäre deshalb nicht der richtige Beurteilungsmaßstab flir die Haftung des GmbH-(Mehrheits-)Gesellschafters, mithin auch nicht ftir die Haftung von Schwestergesellschaften: Da in der Gesellschafterhaftung gerade der intendierte Hauptanwendungsfall des § 117 AktG liegen soll (vgl. Lehmann Ergänzende Anwendung S. 59 ff.; MüKo-AktG/Kropff§ 117 Rn. 3), die Vorschrift sich insoweit aber nicht ins GmbH-Recht einfügen lässt, kann auch eine Anwendung auf Nichtgesellschafter und speziell Schwestergesellschaften nicht überzeugen. 184 Hüffer § 311 Rn. 51; MüKo-AktG/Kropff Vor § 311 Rn. 28 f. Die Gerichte haben sich mit Ansprüchen nach §§ 311, 317 AktG bisher nur selten beschäftigt, zuletzt BGH ZIP 1999, S. 708; vgl. die Nachweise bei KropffFS Bezzenberger S. 233, 235 in Fn. 13.

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Horizontaler Einzelausgleich

nell zutreffend angelegt" sind 185 ; Karsten Schmidt spricht von einer "Ehrenrettung der §§ 311 ff. AktG" 186. Die Effektivität einer Regelung in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich gehört nicht zu den Analogievoraussetzungen. Nur wenn die Regelung gerade im GmbH-Konzern aus GmbHspezifischen Gründen nicht funktionieren würde, spräche das gegen eine Vergleichbarkeit von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt und damit gegen einen Analogieschluss; auch der Gesetzgeber würde keine Regelung schaffen wollen, die in der Praxis absehbar nicht funktionieren kann. Die Frage nach dem "Funktionieren" der § § 311, 317 AktG im GmbHKonzern lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern nur mit Blick auf die Alternativen; denn auch wenn das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG Schwachstellen aufweisen mag, ist ein eingeschränkter Schutz immer noch besser als gar keiner. Im Rahmen des Einzelausgleichs liegt die Alternative zu den §§ 311, 317 AktG in der Schadensersatzpflicht des Mehrheitsgesellschafters wegen Treuepflichtverletzung. Effektiver erscheint der Treuepflichtenansatz nur gegenüber dem "Schädigungsprivileg" des § 311 AktG. Der Treuepflichtenansatz fUhrt zu einer Vorverlagerung und Stärkung des Schutzes von Minderheitsgesellschaftern; er will Sonderinteressen neutralisieren, anstatt wie in den §§ 311 ff. AktG bloße Folgentherapie zu betreiben187. Im Übrigen bleibt der Treuepflichtenansatz aber wesentlich hinter dem mit den §§ 311, 317 AktG erreichbaren Schutzniveau zurück. Das gilt nicht nur ftir das Fehlen einer subsidiären Haftung von Schwestergesellschaften (§§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG analog), sondern auch für den Gläubigerschutz in mehrstufigen Abhängigkeitsverhältnissen, der mit Treuepflichten nicht überzeugend zu bewältigen ist. Die herrschende Meinung lehnt sich bei der näheren Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs wegen Treuepflichtverletzung ohnehin so weitgehend an die §§ 311, 317 AktG an 188 , dass etwaige Konstruktionsnachteile der §§ 311, 317 AktG unweigerlich darauf durchschlagen würden: Für die entscheidende Frage, wann eine Einflussnahme zu einer Schädigung führt, soll an die zu §§ 311, 317 AktG entwickelten Maßstäbe anzuknüpfen sein, "weil der Gesetzgeber hier festge-

185 186 187 188

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Sitzungsbericht R S. 191. JZ 1992 S. 856,864. So treffend MüKo-BGB/Reuter Vor§ 21 Rn. 43. Vgl. Bälz AG 1992, S. 277,294: "Im Ergebnis ist die Rechtsprechung mit ,ITT' und , Autokran' der Haftung nach §§ 311 ff. AktG und ihrer Effektuierung in qualifizierten Konzernlagen auch ftir die GmbH voll gerecht geworden."; Meyer Haftungsbeschränkung S. 870 ff. m.w.N.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

legt hat, wie eine abhängige Gesellschaft ... zu führen ist" 189 . Mit den §§ 309 Abs. 4, 317 Abs. 4 AktG wird begründet, dass Gläubiger 190 und Minderheitsgesellschafter191 Ersatzansprüche der Gesellschaft aus Treuepflichtverletzung notfalls selbst verfolgen können, ferner, dass die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft derjenigen gegenüber den Mitgesellschaftern vorgeht 192 Die Regelung der §§ 311 ff. AktG bleibt in ihrer Effektivität nicht hinter dem Treuepflichtenansatz zurück, sondern übertrifft diesen, was mehrstufige Abhängigkeitsverhältnisse und Schwestergesellschaften angeht. Mangelnde Effektivität steht einer Analogie daher nicht entgegen.

b)

Unangemessenheit des "Schädigungsprivilegs"

Ein hinausgeschobener Nachteilsausgleich gemäß § 311 Abs. 2 AktG verbietet sich allerdings, weil schon der Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG nicht auf die GmbH zu übertragen ist 193 . Von GmbH-Geschäftsführern ist wegen ihrer unmittelbaren Abhängigkeit von der Gesellschafterversammlung kaum ein Abhängigkeitsbericht zu erwarten, der die Interessen von Gläubigem und Minderheitsgesellschaftern wirksam schützt. Zudem fehlt es in der GmbH an Abschlussprüfern (§ 313 AktG) und regelmäßig auch an einem Aufsichtsrat, dem die Prüfung des Abhängigkeitsberichts obliegen würde (§ 314 AktG). Ein sofortiger Ausgleich scheint unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung (compensatio lucri cum damno) 194 vertretbar, aber wenig praktikabel. Auch wenn man die von § 311 AktG eröffnete Möglichkeit der

189 Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 73, 80; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 30 Jil 2, S. 454; Emmerich/Habersack Anh. § 318 Rn. 29; Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 3366, S. 262; Meyer Haftungsbeschränkung S. 870. 190 BGHZ 95, 330, 340- Autokran; Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 88; Emmerich/Habersack Anh. § 318 Rn. 32; Hachenburg/Ulmer Anh § 77 Rn. 90 f.; Baumbach/Hueck/Zö/lner GmbH-KonzernR Rn. 82; Meyer Haftungsbeschränkung S. 872; Raiser Kapitalgesellschaften § 53 Rn. 52 ftir die Einmann-GmbH. 191 Lutter!Hommelhojjin Lutter/Hommelhoff Anh § 13 Rn. 22. 192 Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 30 III l b (S. 452 f.); umgekehrte Rangfolge jedoch in BGHZ 65, 15- ITT. 193 Ebenso MüKo-AktG!KropffVor § 311 Rn. 97; a.A. Rowedder Entwicklungen S. 20, 33f. 194 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. 74; Rehbinder ZGR 1977, S. 581, 638; Ulmer ZHR 148 (1984), S. 391, 412 fragt, "worin die Nachteile des konkreten Geschäfts oder der Maßnahme noch bestehen, wenn sie sofort auszugleichen sind, und ob es flir die Zulassung solcher Einflüsse der Berufung auf§ 311 AktG überhaupt bedarf". K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 III 2 c, S. 1222 ist flir Zulässigkeit des Nachteilsausgleichs bei bloßen Abhängigkeitsverhältnissen.

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Horizontaler Einzelausgleich

Schädigung gegen Nachteilsausgleich flir die GmbH mit Blick auf deren partnerschaftliehe Struktur ablehnt, spricht das nur flir eine insoweit erforderliche Anpassung der §§ 311, 317 AktG; die Treuepflicht würde insofern dann rechtsbegrenzend wirken, aber nicht zur Anspruchsgrundlage avancieren. Gegenüber einer Teilanalogie allein zu § 317 AktG sind zwar schon früh Bedenken geäußert worden, weil dadurch die an sich zusammengehörende Regelung der §§ 311 ff. AktG auseinandergerissen werde 195 • Berücksichtigt man jedoch die weitgehende Anlehnung der Schadensersatzpflicht wegen Treuepflichtverletzung an die § § 311, 317 AktG und die sehr viel kühnere Analogie zu den §§ 302 f. AktG im "qualifiziert faktischen GmbHKonzern", erscheinen systematische Bedenken kaum durchgreifend. Das "Schädigungsprivileg" des § 311 AktG ist damit kein entscheidendes Argument gegen eine Analogie zu § 317 AktG.

c)

Strukturunterschiede

Strukturunterschiede bestehen vor allem beim Ausmaß der Kapitalbindung und bei der Stellung von AG-Vorstand und GmbH-Geschäftsflihrern 196 • Die geringere Kapitalbindung bei der GmbH steht einer Analogie nicht entgegen, sondern kann dadurch berücksichtigt werden, dass bei der GmbH nur flir eine das Stammkapital mindernde Nachteilszufligung gehaftet wird 197 Das Stammkapital ist ebenso wie das Grundkapital einer AG vor dem Zugriff der Gesellschafter geschützt. Gravierender ist die unterschiedliche Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aktionären einerseits, Geschäftsflihrer und Gesellschaftern andererseits: Der Vorstand der AG hat die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 AktG), also frei von Weisungen der Aktionäre bzw. des Alleinaktionärs und nach eigenem Ermessen. Er ist auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet und muss die in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und auch der Allgemeinheit sachgerecht wahrnehmen. Er ist weder verpflichtet noch berechtigt, sich allein von den Interessen der Aktionäre leiten zu lassen 198 • Das herrschende Unternehmen

195 Wiedemami JZ 1976, S. 392, 394 f.; beipflichtend Ulmer ZHR 148 (1984), S. 391, 419 in Fn. 99; ähnlich Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 29 III 2 a, S. 446. 196 Rehhinder AG 86, S. 85, 92; Hüffer § 311 Rn. 51; MüKo-BGB/Reuter Vor§ 21 Rn. 44; Röhricht FS f. BGH S. 83, 92. 197 Vgl. MüKo-AktG/Krop.f!Vor § 311 Rn. 98. 198 Hüffer § 76 Rn. 12; Raiser Kapitalgesellschaften§ 14 Rn. 13, S. 142.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

erwirbt ein Weisungsrecht erst durch Abschluss eines Beherrschungsvertrages (§ 308 AktG). Die unabhängige Stellung des Vorstandes wird bei der selbständigen AG zudem durch § 117 AktG abgesichert, bei der abhängigen AG durch die§§ 311 ff. AktG. Der GmbH-Geschäftsführer ist dagegen weisungsabhängig und folgepflichtig. Die Gesellschafterversammlung kann ihm in allen Bereichen der Unternehmensleitung Weisungen erteilen, die er auszuführen hat(§§ 37, 46 Nr. 6 GmbHG) 199 • Das herrschende Unternehmen kann über seine Mehrheit in der Gesellschafterversammlung jederzeit entsprechende Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen; Weisungen des Alleingesellschafters sind auch ohne fOrmliehen Gesellschafterbeschluss verbindlich. Das so verstandene Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens schließt auch die Möglichkeit nachteiliger Weisungen ein, die der Geschäftsführer anders als der Vorstand einer AG nicht mit Hinweis auf eine Pflicht zur eigenverantwortlichen Unternehmensleitung zurückweisen kann. Der Gesetzgeber hat damit die selbständige GmbH für potentiell gläubigergefahrdende Einflussnahmen der Gesellschafter weit geöffnet200 • Im GmbH-Recht fehlt auch eine dem § 117 AktG entsprechende Vorschrift201 , die in Konzernlagen entsprechend den§§ 311 ff. AktG fortgeschrieben werden könnte. Der Alleingesellschafter einer abhängigen GmbH würde also bei Anwendung der §§ 311 ff. AktG fur Einflussnahmen haften, die ihm bei einer selbständigen GmbH ohne weiteres erlaubt wären. Allein die - nach dem teleologischen Unternehmensbegriff oft, wenn nicht regelmäßig zu bejahende - Unternehmenseigenschaft des Alleingesellschafters ist aber kein hinreichender Grund, ihn einem Haftungsregime zu unterwerfen, das bei der selbständigen GmbH keinerlei Entsprechung findet 202 . Einmann-GmbH und (Einmann-)AG sind strukturell derart verschieden, dass sich eine Analogie zu den §§ 311 ff. AktG jedenfalls insoweit verbietet. Der Vorschlag Koppensteiners, in mehrgliedrigen Gesellschaften auf die Treuepflicht abzustellen, im Einmannkonzern dagegen eine in den §§ 311, 317 AktG steckende, auch für Einmanngesellschaften geltende konzernrechtliche Wertung zu bemühen203 , kann deshalb nicht überzeugen. Die §§ 311, 317 AktG enthalten gerade keine besondere konzernrechtliche Wertung, die auch für die Einmann-GmbH gelten würde: Die Haftung des Alleinaktionärs nach den Scholz!Schneider § 37 Rn. 30. So schon Rehbinder AG 1986, S. 85, 92. Dazu schon oben§ I Fn. 183. Wie hier schon MüKo-BGB/Reuter Vor§ 21 BGB Rn. 44; Baumbach/Hueck!Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 83; i.E. auch Röhricht FS f. BGH S. 83, 92 f. 203 Rowedder/Schmidt-Leithoff!Koppensteiner Anh. nach§ 52 Rn. 51.

199 200 201 202

67

Horizontaler Einzelausgleich

§§ 311, 317 AktG ist systemgerecht, eine entsprechende Haftung des Alleingesellschafters einer GmbH wäre dagegen systemwidrig. Anders könnte jedoch fiir die mehrgliedrige GmbH zu entscheiden sein. Denn bereits in der selbständigen mehrgliedrigen GmbH ist der Mehrheitsgesellschafter bei Weisungen an die gesellschafterliehe Treuepflicht gebunden und darf deshalb nicht beliebig Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Von ihm über die Gesellschafterversammlung herbeigefiihrte Weisungsbeschlüsse, die gegen die gesellschafterliehe Treuepflicht verstoßen, sind anfechtbar204 • Der Geschäftsfiihrer muss bei einer treuwidrigen, noch anfechtbaren Weisung die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen und kann je nach dem Ergebnis der Abwägung die Ausfiihrung vorläufig verweigem205 ; ihm erwächst insoweit ein Ermessensspielraum, der im Ansatz durchaus Ähnlichkeit mit dem (freilich weitergehenden) Ermessen des Vorstands einer AG aufweist. Der Mehrheitsgesellschafter einer selbständigen, mehrgliedrigen GmbH kann nicht derart frei schalten und walten, dass eine Haftung entsprechend § 317 AktG in der abhängigen GmbH als Systembruch erscheinen müsste206 • Es ist zudem wenig überzeugend, wenn die herrschende Meinung einerseits eine Analogie zu den §§ 311 ff. AktG mit Hinweis auf strukturelle Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen strikt ablehnt, andererseits aber über eine "gesteigerte" Treuepflicht des herrschenden Unternehmens fiir dieses ein umfassendes Verbot schädigender Einflussnahme begründet207 und so doch wieder zu ganz ähnlichen Ergebnissen gelangt. Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH sind damit zweifellos vorhanden, hindem aber nur fiir die Einmann-GmbH eine entsprechende Anwendung der §§ 311, 317 AktG. Einen zusätzlichen Rekurs auf die gesellschafterliehe Treuepflicht schließt das nicht aus.

d)

Ergebnis

Für die mehrgliedrige GmbH lässt sich eine Haftung von Schwestergesellschaften entsprechend den §§ 317, 117 Abs. 3 AktG begründen. Eine ent-

204 Lutter!Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff § 37 Rn. 22; Scholz!Schneider § 37 Rn. 53a. 205 Lutter/Hommelhoffin Lutter/Hommelhoff § 37 Rn. 22. 206 Ggf. müsste die Haftung unter gegenüber den §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 3 AktG erleichterten Voraussetzungen verzichtbar sein (keine Dreijahresfrist, kein ausdrücklicher Sonderbeschluss der Mitgesellschafter). 207 V gl. nur Scholz/Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 71; Kuhlmann/Ahnis Konzernrecht Rn. 130; Meyer Haftungsbeschränkung S. 870 m.w.N. in Fn. 1405.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

sprechende Anwendung auch der §§ 302 f. AktG im "qualifiziert faktischen Konzern" ist damit nicht präjudiziert. Die Chancen, dass sich eine derartige Lösung fiir die GmbH in der Praxis durchsetzen wird, sind allerdings eher gering zu veranschlagen. Der BGH hat sich mit Bremer Vulkan und den Folgeentscheidungen aus 2002 208 fiir eine insgesamt GmbH-spezifische Lösung entschieden, bestehend aus der Haftung wegen Treuepflichtverletzung einerseits, der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs andererseits. Systematische Erwägungen, neben den §§ 302 f. AktG konsequenterweise auch im einfach-faktischen GmbHKonzern das Recht des einfach-faktischen Aktienkonzerns analog anzuwenden209, gehen seitdem ins Leere. Das von den Beflirwortern einer Analogie zu den §§ 311, 317 AktG herausgestellte Argument, dass sich so auch eine Haftung des Alleingesellschafters begründen lasse210 , hat sich ebenfalls als nicht stichhaltig erwiesen. Es bleibt die Aussicht, entsprechend § 317 AktG auch auf mittelbar herrschende Unternehmen und - i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog - auf Schwestergesellschaften zugreifen zu können. Dies dürfte ftir Rechtsprechung und herrschende Lehre keinen ausreichenden Anreiz darstellen, die mit der JTT-Entscheidung vollzogene "entschlossene Abkehr" von den §§ 311, 317 AktG noch einmal zu überdenken.

C.

Gleichordnungskonzern

"Gleichordnungskonzerne gehören zu den unbekannten Größen des deutschen Konzernrechts. " 211 Das hat seinen Grund auch darin, dass der Gesetzgeber den Gleichordnungskonzern zwar definiert, inhaltlich aber nicht geregelt hat. Nach § 18 Abs. 2 AktG liegt ein Gleichordnungskonzern immer dann vor, wenn selbständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, ohne jedoch voneinander abhängig zu sein. Daneben legt sich der Gesetzgeber nur noch insoweit fest, als ein Vertrag, durch den sich Unternehmen gleichgeordnet unter einheitliche Leitung stellen, jedenfalls kein Beherrschungsvertrag ist(§ 291 Abs. 2 AktG). In Rechtsprechung und Literatur gehen die Ansichten demgemäß auseinander, was ein Gleichordnungskonzern eigentlich ist und wie eine Haftungsordnung ftir die

208 BGHZ 149,10 Bremer Vulkan; 150, 61; 151, 181-KBV. 209 Ohne solche Bedenken Emmerich/Sonnenschein!Habersack Konzernrecht § 31 lil 2, S. 471: im GmbH-Recht sei das auf die Treuepflicht gestützte Schädigungsverbot der "Grundtatbestand" der Haftung nach §§ 302 f. AktG analog. 210 Dieser Haftung hätte es im Rahmen des konzernrechtlichen Einzelausgleichs dringend bedurft, wenn (auch und gerade) der Alleingesellschafter entsprechend§§ 302 f. AktG im "qualifiziert faktischen Konzern" verlustausgleichspflichtig sein soll. 211 Michalski/Zeid/er Syst. Darstell. 4 Rn. 295.

69

Horizontaler Einzelausgleich

gleichgeordneten (Schwester-)Unternehmen auszusehen hat. Verbreitet wird in Anlehnung an den Unterordnungskonzern zwischen faktischen (I.) und vertraglichen Gleichordnungskonzernen (li.) unterschieden212 .

I.

Faktischer Gleichordnungskonzern

Die Existenz faktischer Gleichordnungskonzerne wird heute überwiegend anerkannt. So hat der Kartellsenat des BGH in der WAZ//KZ-Entscheidung von 1993 festgestellt: "es gibt auch den auf keinen vertraglichen Absprachen beruhenden faktischen Gleichordnungskonzern" 213 • Dennoch sind die Sachverhalte, die mit dem Begriff des faktischen Gleichordnungskonzerns erfasst werden sollen, sehr unterschiedliche 214 ; sie sind ebenso wenig konsentiert wie die Haftungsfolgen, die sich aus der Einordnung als Gleichordnungskonzern für die gleichgeordneten Unternehmen ergeben sollen. Fallgestaltungen werden oftmals gerade deshalb als Gleichordnungskonzern eingestuft, weil man damit Rechtsfolgen des Unterordnungskonzerns (insbesondere die Haftung des herrschenden Unternehmens) vermeiden oder aber zusätzliche Ausgleichsansprüche zwischen den Schwestergesellschaften eröffnen möchte, die im Gleichordnungskonzern leichter begründbar erscheinen215. Im ersten Fall geht es um ein Zurückdrängen des weiten teleologischen Unternehmensbegriffs, im zweiten um die Legitimation zusätzlicher Rechtsfolgen. Zu untersuchen ist, welche Fallgestaltungen überhaupt als faktischer Gleichordnungskonzern in Betracht kommen und ob sich aus einer solchen Einordnung Haftungsfolgen ftir Schwestergesellschaften ergeben können. Ein faktischer Gleichordnungskonzern könnte anzunehmen sein, wenn dem Mehrheitsgesellschafter die Unternehmensqualität fehlt und deshalb kein Unterordnungskonzern vorliegt. Diskutiert wird das für den Privatgesell212 Hüffer § 18 Rn. 20 f.; Emmerich/Sonnenschein!Habersack Konzernrecht § 4 IV 2, S. 70 f.; Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 1 f., S. 930; gegen die Unterscheidung von faktischen und vertraglichen Gleichordnungskonzernen GK-AktG!Windbichler § 18 Rn. 45; gegen die Existenz faktischer Gleichordnungskonzerne Baumbach/ Hueck!Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 20a. 213 BGHZ 121, 137, 147; bestätigt durch BGH AG 1999, S. 181, 182- Tukan/Dei!; a.A. Baumbach/Hueck!Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 20a; Keck Gleichordnungskonzerne S. 125 ff.: Keck will den Begriff des faktischen Gleichordnungskonzerns nur ftir Gleichordnungskonzerne verwenden, die zwar auf einer irgendwie gearteten vertraglichen Abrede basieren, der jedoch nicht durch die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung zugestimmt wurde(§ 293 Abs. 1 AktG bzw. § 53 Abs. 2 GmbHG). 214 K. Schmidt ZHR !55 (1991), S. 417, 418 spricht von einer "außerordentlichen Typenvielfalt" des Gleichordnungskonzerns. 215 Vgl. GK-AktG!Windbichler § 18 Rn. 62 und- auf der Basis der Bremer VulkanEntscheidung- Raiser FS Ulmer S. 493, 507.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

schafter, der an mehreren Gesellschaften Mehrheitsbeteiligungen hält (1.), und ftir die horizontale Betriebsaufspaltung (2.). Ein faktischer Gleichordnungskonzern soll auch ohne gemeinsamen Allein- oder Mehrheitsgesellschafter durch personelle Verflechtung auf Geschäftsleiterebene (VorstandsDoppelmandate) entstehen können (3.). Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats kann ein faktischer Gleichordnungskonzern sogar so organisiert sein, dass die Leitung ganz bei einem der zusammengeschlossenen Unternehmen liegt (4.). Denkbar ist schließlich, dass schon das Verhältnis der abhängigen Unternehmen innerhalb eines Unterordnungskonzerns ein Gleichordnungsverhältnis darstellt, mit dem herrschenden Unternehmen als Leitungsinstanz (5.). 1.

Multipler Beteiligungsbesitz des Privatgesellschafters

Die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 nennt als Beispiel ftir einen Gleichordnungskonzern den Fall, dass "die Anteile der Konzernunternehmen in der Hand eines Eigentümers, der kein Unternehmen ist, vereinigt sind" 216 , ein Privatgesellschafter also an mehreren Gesellschaften jeweils Mehrheitsbeteiligungen hält. a)

Einordnung als faktischer Gleichordnungskonzern

Nach herrschender Meinung begründet ein solcher multipler Beteiligungsbesitz bereits einen Unterordnungskonzern, mit dem Gesellschafter als Konzernspitze217. Rechtsprechung und herrschende Lehre verweisen darauf, dass der Gesetzgeber ausweislich der Regierungsbegründung bewusst auf eine nähere Umschreibung des Unternehmensbegriffs verzichtet hat218 und der Unternehmensbegriff daher ein "gesetzlicher Blankettbegriff'219 sei, der mit teleologischen Wertungselementen beliebig ausgefüllt werden könne. Nach dem teleologischen Unternehmensbegriff ist deshalb ein Gesellschafter ohne Rücksicht auf seine Rechtsform Unternehmen, wenn er neben der Beteiligung an der Gesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen aufweist, die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindungen seinen aus der Mitgliedschaft folgenden

216 RegBegr., abgedruckt bei Kropff, S. 33 f. 217 BGHZ 69, 334, 343- VEBA/Gelsenberg; BGHZ 122, 123, 127 f.- TBB; BGH NJW 1994, S. 446- EDV-Peripherie; NJW 1997, S. 943- Mantelkauf; BGH NJW 2001, S. 370 für den Alleingesellschafter und Geschäftsführerzweier GmbHs; Hiiffer § 15 Rn. II; GK-AktG/Windbichler § 15 Rn. 32 ff.; KK/Koppensteiner § 18 Rn. 6; Raiser ZGR 1995, S. 156. 218 RegBegr. zu§ 15 AktG, abgedruckt bei Krop.ffS. 27. 219 Wiedemann!Martens AG 1976, S. 197,201, Fn. 24a.

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Horizontaler Einzelausgleich

Einfluss auf die Gesellschaft nachteilig ausüben220 • Damit kann auch eine natürliche Person zum "herrschenden Unternehmen" werden, wenn sie noch in einer weiteren Gesellschaft Allein- oder Mehrheitsgesellschafter ist. In der Literatur fehlt es nicht an Versuchen, den Privatgesellschafter aus der Unternehmensrolle zu entlassen. Bereits 1976 hat Zöllner die wesentlichen Argumente zusammengestellt221 : So kann ein Rechtsträger sprachlich nicht deswegen zum Unternehmen werden, weil er auf einen anderen Rechtsträger, der Unternehmen ist, beherrschenden Einfluss hat. In systematischer Hinsicht ist § 309 Abs. 1 AktG bedeutsam, der von den "gesetzlichen Vertretern (beim Einzelkautmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens" spricht. Nach Zöllner kommt hierin eine Grundvorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, der die traditionellen Unternehmensformen bis hin zum Einzelkaufmann erfassen wollte 222 , aber eben nicht auch den mehrfach beteiligten Privatgesellschafter223 • Auch Karsten Schmidt konstatiert "Hypertrophien des Unternehmensbegriffs im Konzernrecht", die er darauf zurückführt, dass ungelöste Probleme der Gleichordnung im Konzern kurzerhand zu Problemen des Unterordnungskonzerns erklärt würden; im multiplen Beteiligungsbesitz des Privatgesellschafters sieht er bei einheitlicher Leitung einen Gleichordnungskonzern 224 . So richtig es ist, dass sich der Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes Verständnis des Unternehmensbegriffs festlegen wollte, so viel spricht doch auch dafür, dass er den Einzelkaufmann als Endpunkt der Reihe möglicher Unternehmen angesehen hat. Bedeutsamer als die historischen Vorstellungen des Gesetzgebers ist die Wortbedeutung des Unternehmensbegriffs. Ein eindeutiger Wortsinn ist grundsätzlich bindend; von ihm darf nur abgewichen werden, wenn der Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur

220 BGHZ 69, 334,336 ff.- VEBA/Gelsenberg; Hüffer § 15 Rn. 8 m.w.N. 221 Zöllner ZGR 1976, S. I; Baumbach/Hueck!Zöllner GmbH-KonzemR Rn. II; ihm weitgehend folgend Milde Gleichordnungskonzern S. 19 ff. 222 V gl. dazu auch Hüffer § 15 Rn. 6, wonach der "Begriff als abkürzende rechtsformneutrale Bezeichnung gewählt ist, also Differenzierungen zwischen AG, GmbH, Personengesellschaften usw. entbehrlich machen soll". 223 Zöllner ZGR 1976, S. I, 13 ff. - Ein weiteres Argument hierfür findet sich in der Regierungsbegrlindung, in der es heißt, Unternehmen könnten "alle Rechtsformen, auch die des Einzelkaufmanns, haben" (RegBegr. zu § 15 AktG, abgedruckt bei Kropjf, S. 27). 224 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,432 f. im Anschluss an Ehlke DB 1986, S. 523, 524; ders. AG 1994, S. 189 unter der Überschrift "Die wundersame Karriere des Untemehmensbegriffs im Reich der Konzernhaftung"; zurliekhaltender ders. Gesellschaftsrecht § 31 II I a, S. 936 f.; ders. FS LutterS. 1167, 1179 ff.; daneben sieht ders. FS Wiedemann S. 1199, 1208 nunmehr auch in der sternförmigen GmbH & Co. KG ein "Bilderbuchbeispiel ftir den Gleichordnungskonzern".

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

nahe legt, sondern gebietet225 . Nach allgemeinem und (bis zur Entdeckung des teleologischen Unternehmensbegriffs) auch nach juristischem Sprachgebrauch ist ein Privatgesellschafter vielleicht Unternehmer, aber kein Unternehmen226, auch kein Unternehmensträger227 • Die Frage, ob der Gesetzeszweck ein Abweichen von diesem eindeutigen Wortsinn wirklich gebietet, lässt sich ohne umfassende Untersuchung sämtlicher an den Begriff geknüpften Rechtsfolgen nicht entscheiden. Darauf kann im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden, wenn sich jedenfalls für Schwestergesellschaften in einem derartigen faktischen Gleichordnungskonzern dieselben Haftungsfolgen wie im Unterordnungskonzern ergeben.

b)

Haftungsfolgen für Schwestergesellschaften

Autoren, die für den faktischen Gleichordnungskonzern Haftungsansprüche zwischen Schwestergesellschaften begründen wollen, orientieren sich hierfür am Instrumentarium des Unterordnungskonzerns; die §§ 311 ff. AktG bzw. die Treuepflicht sollen statt auf die Vertikale nunmehr auf die Horizontale Anwendung finden 228 : So meint Kropf!, falls es sich beim multiplen Beteiligungsbesitz des Privataktionärs um einen Gleichordnungskonzern handeln sollte, liege die entsprechende Anwendung der §§ 311 ff. AktG im Verhältnis der Schwestergesellschaften zueinander nahe. Denn dann bestehe die konzerntypische Gefahr, dass der mehrere Unternehmen beherrschende Privataktionär die Interessen des einen Tochterunternehmens zu Lasten des anderen verfolge 229 . Auch Autoren, die (anders als KropfJ) eine Analogie zu den §§ 311, 317 AktG für den GmbH-Unterordnungskonzern ablehnen, halten eine derartige Analogie beim faktischen Gleichordnungskonzern für erwägenswert230 , etwa weil sich

225 BGHZ 2, 176, 184; Palandt!Heinrichs Ein! Rn. 51. 226 Diesen Unterschied verwischt Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 3, S. 70, wenn sie den Privatgesellschafter mit multiplem Beteiligungsbesitz als "Unternehmen (oder besser: Unternehmer) im Sinne des Konzernrechts" bezeichnen. 227 Wo das Gesetz vom Unternehmen spricht, meint es den Unternehmensträger. Zutreffend K. Schmidt Handelsrecht S. 74 ff., insbes. S. 90: "Unternehmensträger ist der Einzelunternehmer (insbesondere der Einzelkaufmann). Kein Einzelunternehmer ist der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder einer Gesamthands-Personengesellschaft. Unternehmensträger ist hier die Gesellschaft, nicht der Gesellschafter, mag er sich auch ,Kaufmann' nennen". 228 Vgl. Hüffer § 291 Rn. 35: "Angesichts der §§ 18 li, 291 li dürfte nichts anderes übrigbleiben, als Lösungen in Anlehnung an für Unterordnungskonzerne bestehende Regeln zu entwickeln"; MüKo-AktG/KropffVor § 311 Rn. 106. 229 MüKo-AktG/Kropf!Vor § 311 Rn. I 07. 230 Grüner Anmerkung zu OLG Dresden, NZG 2000, S. 598, 601, 602; Junker Antrittsvorlesungen S. 169, 184; erwogen, aber zugunsten der Treuepflicht verworfen auch

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Horizontaler Einzelausgleich

eine Treuepflicht im faktischen Gleichordnungskonzern gerade nicht begründen lasse. Lutter/Drygala231 haben ein Treuepflichtenkonzept entwickelt, das für sämtliche Gleichordnungskonzerne Geltung beansprucht. Die Partner schlössen sich regelmäßig zusammen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, würden mitunter sogar Mitglieder einer besonderen konzernleitenden Gesellschaft. Dies lege eine besondere Treuebindung gegenüber dem anderen Teil nahe. Unabhängig davon begründe jedoch schon die Gleichordnungsverbindung an sich eine partnerschaftliehe Zweckgemeinschaft, welche die Beteiligten verpflichte, sich gegenüber dem anderen Teil loyal zu verhalten, auf dessen Interessen Rücksicht zu nehmen und ihn nicht zu schädigen. Deshalb seien sämtliche Rechtsgeschäfte zwischen den Gesellschaften wie zwischen unbeteiligten Dritten abzuwickeln, insbesondere zu marktüblichen Gegenleistungen oder unter Zuweisung anderweitiger Kompensationen; anderenfalls sei Schadensersatz zu leisten. Karsten Schmidt, der den multiplen Beteiligungsbesitz des Privatgesellschafters explizit als Gleichordnungskonzern einstuft, will damit nur im Fall einer "qualifizierten faktischen Gleichordnung" Ausgleichspflichten von Schwestergesellschaften verbinden 232 .

Beide Konzepte ftir einen Einzelausgleich, sowohl die analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG als auch der Treuepflichtenansatz, können nicht überzeugen. Sie knüpfen eine Haftung letztlich schon an die bloße gemeinsame Konzernzugehörigkeit, nicht an das Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses durch die ersatzpflichtige Schwestergesellschaft: Im Verhältnis der Schwestergesellschaften fehlen bezüglich der §§ 311 ff. AktG die Analogievoraussetzungen. Eine derartige Analogie sollte jedenfalls voraussetzen, dass die haftende Schwestergesellschaft die andere in irgendeiner Form beherrscht. Oben wurde bereits ausführlich diskutiert, dass eine von Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 559, 565 f.; Emmerich/Habersack § 18 Rn. 37: bei der AG sei auch an eine Analogie zu den §§ 311 und 317 AktG zu denken; unklar bleibt, ob sich diese Aussage nur auf den vertraglichen Gleichordnungskonzern bezieht (so der Satz davor). 231 ZGR 1995, S. 557, 566; zustimmend jedenfalls für vertragliche Gleichordnungskonzerne Hüffer § 291 Rn. 35. 232 K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 b, S. 1240: Haftungsgemeinschaft der gleichgeordneten Gesellschaften grundsätzlich zu verneinen, jedoch bei qualifizierter faktischer Gleichordnung horizontaler Verlustausgleich nach dem Vorbild der§§ 730 ff. BGB- weitergehend, aber offensichtlich verfehlt Weilkamp DB 1993, S. 2517, 2521, der fiir den vertraglichen Gleichordnungskonzern eine Verlustausgleichspflicht analog § 302 AktG annimmt (dazu unten § I C II 2 b) und diese auch auf den einfachen, nicht weiter qualifizierten faktischen Gleichordnungskonzern übertragen will.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

rein wirtschaftliche Beherrschung dazu nicht ausreicht und eine Zurechnung der Beherrschung durch die Muttergesellschaft - hier: durch den gemeinsamen Privatgesellschafter - ausscheidet233 • Im Gleichordnungskonzern besteht per definitionem (§ 18 Abs. 2 AktG) keine Abhängigkeit von Schwestergesellschaften. Auch am Tatbestandsmerkmal der Veranlassung wird es in diesem Verhältnis fehlen, wenn nicht die Schwestergesellschaft selbst, sondern - so Kropf!- der beherrschende Privataktionär die Interessen des einen Unternehmens zu Lasten des anderen verfolgt. Warum Schwestergesellschaften, letztlich auch deren außenstehende Gesellschafter und Gläubiger, hierfiir nach den §§ 311 ff. AktG einstehen sollten, ist nicht ersichtlich. Dem Treuepflichtenansatz lassen sich im faktischen Gleichordnungskonzern dieselben Einwände entgegenhalten, die oben schon fiir den Unterordnungskonzern geltend gemacht wurden: Es fehlt jeglicher normative Anhalt fiir Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften; es handelt sich um eine Lösung nur fiir den GmbH-Konzern; das jeweilige Gesellschaftsinteresse als Maßstab für die Treuepflicht ist ohne Bezugnahme auf die Gesellschafter nicht zu bestimmen234 • Die Argumentation, mit der Lutter/Drygala das Treuepflichtkonzept auf faktische Gleichordnungskonzerne ausdehnen wollen, leidet zudem darunter, dass sie sich sprachlich an die nur in vertraglichen Gleichordnungskonzernen bestehende BGB-Gesellschaft anlehnt235 und deren Fehlen im faktischen Gleichordnungskonzern nicht berücksichtigt. Nicht erklärt wird schließlich, warum sich die Gesellschaften schädigende Handlungen des Leitungsorgans - hier: des gemeinsamen Privatgesellschafters - zurechnen lassen sollten 236 . Es ist ohne weiteres denkbar, dass der Privatgesellschafter einer Gesellschaft einen Schaden zufügt, ohne dass dies von einer anderen Gesellschaft veranlasst wurde, verhindert werden konnte oder ihr auch nur bekannt war. Versuche, fiir den faktischen Gleichordnungskonzern mittels der §§ 311 ff. AktG oder der Treuepflicht eine unmittelbare Haftung von Schwestergesellschaften zu begründen, fuhren daher nicht weiter.

233 Vgl. oben§ I AI. 234 Ausflihrlich oben § I B !I 3. 235 Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 566: "die Partner schließen sich ... zusammen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen; "schon die Gleichordnungsverbindung an sich begründet eine partnerschaftliehe Zweckgemeinschaft ... "; berechtigte Kritik an dieser Argumentationsweise schon bei Jaschinski Schwestergesellschaften S. 164 f. 236 Vgl. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 391V 2 b, S. 1240.

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Horizontaler Einzelausgleich

c)

Analogie zu den§§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG

Umgekehrt entfällt aber auch die Haftung analog §§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG, wie sie oben ftir die Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns entwickelt wurde 237 , nicht schon durch eine Einstufung des multiplen Beteiligungsbesitzes als Gleichordnungskonzern. Denn in einem derartigen Gleichordnungskonzern müsste die konzernrechtliche Haftung jedenfalls derjenigen im Unterordnungskonzern nachgebildet werden 238 : Bei einer gleichgeordneten AG trifft die Haftung entsprechend§§ 311, 317 AktG dann zunächst den beherrschenden Privatgesellschafter - obwohl Nichtunternehmen - und kann sodann auf Schwestergesellschaften verlängert werden (§ 117 Abs. 3 AktG analog). Gleiches muss ftir die mehrgliedrige GmbH gelten, wenn man insoweit eine entsprechende Anwendung des § 317 AktG bejaht. Zwar verneint Milde in Bezug auf den Privatgesellschafter das Vorliegen einer Regelungslücke, weil der Gesetzgeber einen Gesellschafter nicht bloß aufgrund multiplen Beteiligungsbesitzes zum Regelungsobjekt des Konzernrechts habe machen wollen239 . Dem Gesetzgeber sei es nicht darum gegangen, ausnahmslos jede durch fremdunternehmerische Interessen entstehende Konfliktlage zu erfassen; vielmehr habe er nur die wichtigste und typische Gefahrensituation regeln wollen, wie sie erst bei einem Unternehmen als Gesellschafter entstehe. Eine solche bewusste Selbstbeschränkung des Gesetzgebers lässt sich den Gesetzesmaterialien jedoch nicht entnehmen. Dem Gesetzgeber ging es nicht um die Herausnahme von Privatgesellschaftern mit multiplem Beteiligungsbesitz aus dem Konzernrecht, sondern um die möglichst effektive Abwehr von Konzerngefahren; dass diese Konzerngefahren nicht nur von einem übergeordneten Unternehmen, sondern in gleicher Weise auch bei multiplem Beteiligungsbesitz eines Privatgesellschafters drohen können, hat er schlicht übersehen240 . Die analoge Anwendung der§§ 311, 317 AktG auf den herrschenden Privatgesellschafter als Nichtunternehmen drängt sich geradezu auf:

23 7 238 239 240

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V gl. oben § I A III für die AG, B III für die mehrgliedrige GmbH. V gl. bereits Zöllner ZGR 1976, S. I, 19 ff. Milde Gleichordnungskonzern S. 30 ff. V gl. den Bericht des Wirtschaftsausschusses zu §§ 20, 21 AJ...'iG, abgedruckt bei Krop.f!S. 42: "Bei Beteiligung eines Unternehmens besteht die Gefahr, dass das Unternehmen die Rechte aus der Beteiligung zum Nachteil der Gesellschaft fiir seine unternehmerischen Interessen nutzt. Diese Gefahr besteht bei einem Aktionär, der kein Unternehmen ist, nicht in gleicher Weise".

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

Der Gesetzgeber wollte mit der Kodifizierung des Konzernrechts Gläubiger und außensiehende Gesellschafter des abhängigen Unternehmens vor den Gefahren schützen, die daraus erwachsen, dass unter Konzernbedingungen gesellschaftsfremde Partikularinteressen des herrschenden Unternehmens bestehen und auch wirksam zur Geltung gebracht werden können 241 • Wenn man diesen Interessenkonflikt nicht "teleologisch" in den Unternehmensbegriff hineinliest, sondern beides voneinander trennt242 , wird deutlich, dass nicht die Unternehmenseigenschaft gerade des Nonnadressaten, sondern der (auf den Normadressaten ausstrahlende) Interessenkonflikt zwischen konzernangehörigen Unternehmen über die Anwendbarkeit konzernrechtlicher Vorschriften entscheiden muss243 . Denn der Interessenkonflikt entsteht unabhängig davon, ob die Unternehmerischen Fremdinteressen durch den Normadressaten unmittelbar selbst verfolgt werden - so dass man ihn als "Unternehmen" bezeichnen kann244 - oder aber durch einen vom Normadressaten zu unterscheidenden Rechtsträger, an dem er mehrheitlich beteiligt ist245 • Für die Regelung des Interessenkonflikts hat der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal "Unternehmen" den falschen Anknüpfungspunkt gewählt, weil er unabhängig vom Unternehmensstatus gerade des Normadressaten auftritt. Es genügt, wenn dem Konzern noch ein weiteres Unternehmen angehört, dessen Interessen sich der Nonnadressat gegebenenfalls zu Eigen macht, indem er beispielsweise aus steuerlichen oder haftungsrechtlichen Gründen Vermögen von dem einen in das andere Unternehmen verschiebt. Gefährlich ist der Interessenkonflikt für die Gesellschaft, wenn sie vom Normadressaten abhängig ist. Der Privatgesellschafter mit multiplem Beteiligungsbesitz verfügt aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung über gerrau dieselben Einflussmöglichkeiten wie ein herrschendes Unternehmen im Unter-

241 Hüffer § 15 Rn. 3; RegBegr., abgedruckt bei KropffS. 373 f. 242 Daftir schon K. Schmidt ZIP 1986, S. 146, 147: "Unternehmen und Abhängigkeit sind kumulativ zu prüfende Merkmale des Konzernrechts". 243 Vgl. Ehlke DB 1986, S. 523, 524 Fn. 22, wonach fiir die Begründung eines Gleichordnungskonzerns "die rechtliche Qualität der Steuerungsinstanz (Unternehmen oder nicht) unerheblich ist". 244 Nach Baumbach/Hueck/Zällner GmbH-KonzernR Rn. 11 ist Unternehmen jeder Rechtsträger, der selbst an Märkten anbietend tätig wird. 245 Vgl. Henssler ZGR 2000, S. 479, 499 mit dem Hinweis, bei der horizontalen Betriebsaufspaltung könne der Gleichlauf der Interessen von Betriebsgesellschaft einerseits und Gesellschafter andererseits infolge des "Verbundes" mit der Besitzgesellschaft gestört sein.

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Horizontaler Einzelausgleich

Ordnungskonzern (§ 17 Abs. 2 AktG). Deshalb kann man auch im Verhältnis zum Privatgesellschafter von Abhängigkeit sprechen246 . Im Ergebnis rechtfertigt sich die Analogie mit eben den Überlegungen, die bereits zum teleologischen Unternehmensbegriff geführt haben 247 . Das deutet darauf hin, dass es sich beim teleologischen Unternehmensbegriff um eine "Abkürzung" für Analogieoperationen handelt, wie sie bei einem engeren Unternehmensbegriff erforderlich würden248 . Soweit dies hier untersucht werden konnte, besteht kein Anlass, den Privatgesellschafter mit multiplem Beteiligungsbesitz aus dem Unternehmensbegriff herauszunehmen und als Gleichordnungskonzern einzustufen. Die Haftungsfolgen ftir Schwestergesellschaften blieben jedenfalls die gleichen. 2.

Horizontale Betriebsaufspaltung

Verbreitet wird im Schrifttum im Anschluss an Drygala der Sonderfall der horizontalen Betriebsaufspaltung als faktischer Gleichordnungskonzern eingeordnet, und zwar auch und gerade bei Zugrundelegung des teleologischen Unternehmensbegriffs: Die Gesellschafter verfolgten in beiden Gesellschaften gleichlaufende Interessen, so dass in ihrer Person der konzerntypische Interessenkonflikt nicht auftrete, der sie nach dem teleologischen Unternehmensbegriff erst zum Unternehmen werden lasse 249 . Das erscheint kaum zutreffend: Wenn man in Betriebs- und Besitzgesellschaft zwei verschiedene Unternehmen sieht, zwischen denen ein zu regelnder Interessenkonflikt existiert, färbt dieser nach dem teleologischen Unternehmensbegriff unweigerlich auf den gemeinsamen Gesellschafter ab und macht ihn zur Konzernspitze eines Unterordnungskonzerns 250 . Denn mit der Betriebsaufspaltung bezweckt der Gesellschafter eine Interessen-

246 Das konzediert auch Milde Gleichordnungskonzem S. 131 f.; nur handele es sich nicht um Abhängigkeit von einem ,.herrschenden Unternehmen". 247 Vgl. BGHZ 122, 123, 127f.- TBB; BGH NJW 1994, S. 446- EDV-Peripherie. 248 Vgl. bereits Zöllner ZGR 1976, S. I, 19 ff.; dagegen BGHZ 69, 334, 343: Solche Umwege erübrigten sich bei zweckgerechter unmittelbarer Anwendung jener Vorschriften. 249 Drygala Betriebsaufspaltung S. 112 ff.; ihm folgend Jaschinski Schwestergesellschaften S. 105 ff.; Emmerich!Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 2 b, S. 71; früher auch Raiser Kapitalgesellschaften (2. Aufl.) § 56 Rn. 4, S. 644 m.w.N., anders jedoch in der 3. Aufl. §56 Rn. 6, S. 932. 250 Nach Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 6, S. 932 gilt das auch, wenn die Anteile nicht in den Händen eines Alleingesellschafters, soudem einer Gesellschaftergruppe liegen. Für Annahme eines Unterordnungskonzems bereits Wiedemann ZIP 1986, S. 1293, 1301 f.; Hachenburg/Wmer Anh § 77 Rn. 155; Eschenbruch Rn. 4310; Holzwarth Betriebsaufspaltung S. I 08.

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Konzemspezifische Anspruchsgrundlagen

diversifizierung, die dem Konzernkonflikt vergleichbar ist und gerade deshalb zur Anwendung von Konzernrecht ftihrt 251 . Wenn man den Interessenkonflikt zwischen beiden Gesellschaften hingegen relativiert oder gar verneint, besteht auch kein Grund, über die Annahme eines Gleichordnungskonzern den Anwendungsbereich des Konzernrechts zu eröffnen 252 • Drygala253 hat ftir den Fall der horizontalen Betriebsaufspaltung eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zwischen den Schwestergesellschaften statuiert. Sie bestehe, weil die Gesellschaften sich nicht wie Fremde gegenüberstünden, sondern in ihrer Tätigkeit voneinander abhängig seien, die mittelbare Verbindung durch die gemeinsamen Gesellschafter hinzukomme und auch Dauerschuldverhältnisse Treuepflichten hervorbringen könnten. Jede Gesellschaft treffe die Pflicht, auf Vermögensinteressen der anderen Gesellschaft Rücksicht zu nehmen und Schädigungen zu unterlassen. Damit seien alle Maßnahmen unvereinbar, die eine der beiden Gesellschaften einseitig benachteilige und nicht durch ein legitimes Interesse der Gruppe als Ganzes zu rechtfertigen seien, insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen und die Nichtbeachtung bestehender Verträge. Handlungen der Leitungsinstanz (d.h. der gemeinsamen Gesellschafter) seien den Gesellschaften nach § 31 BGB zuzurechnen und führten zu Schadensersatzansprüchen wegen Treuepflichtverletzung gegen sie.

Die Annahme von Treuepflichten zwischen Schwestergesellschaften überzeugt bei der horizontalen Betriebsaufspaltung so wenig wie sonst auch254 : Wirtschaftliche Abhängigkeiten rechtfertigen keine besonderen Treuepflichten; eine nur mittelbare Verbindung über die gemeinsamen Gesellschafter kann keine unmittelbare Treuepflicht begründen; Treuepflichten während eines Dauerschuldverhältnisses richten sich nach dem Inhalt des frei ausgehandelten Vertrages, können also nicht schon bei Vertragsschluss die Vereinbarung ausgewogener Konditionen erzwingen. Außerdem vermag Drygala nicht zu begründen, warum sich die andere Gesellschaft Handlungen der gemeinsamen Gesellschafter255 nach § 31 BGB zurechnen lassen sollte - wenn ein Gesellschafter auf eine ihm gehörende Gesellschaft Einfluss nimmt, tut er dies in seiner Eigenschaft als Eigentümer eben dieser 251 Wiedemann ZIP 1986, S. 1293, 1302. 252 So sieht Milde Gleichordnungskonzern S. 59 in der Betriebsaufspaltung weder einen Unterordnungs- noch einen Gleichordnungskonzern; Wiedemann Untemehmensgruppe S. 17 bezeichnet die Betriebsaufspaltung als atypische Konzerngestaltung. 253 Betriebsaufspaltung S. 119 ff.; zustimmend Jaschinski Schwestergesellschaften s. 163 f. 254 Vgl. oben§ I B II. 255 Eben diese meint Drygala, wenn er von einem "zentralen Leitungsorgan" spricht, vgl. Betriebsaufspaltung S. 120.

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Horizontaler Einzelausgleich

Gesellschaft, nicht als Organ oder Repräsentant einer anderen, ihm ebenfalls gehörenden Gesellschaft256 • Die horizontale Betriebsaufspaltung ist auf der Basis des teleologischen Unternehmensbegriffs kein Gleichordnungs-, sondern ein Unterordnungskonzern. Besondere Treuepflichten für Schwestergesellschaften existieren nicht.

3.

Personelle Verflechtungen auf Geschäftsleiterebene

Als Beispiel für einen faktischen Gleichordnungskonzern werden häufig personelle Verflechtungen auf der Ebene der Geschäftsleiter genannt, denen keine vertraglichen Absprachen zugrunde liegen257 . Lutter/Drygala halten die Personalverflechtung sogar für das einzige Mittel, um außerhalb der vertraglichen Installation eines Leitungsorgans die notwendige einheitliche Leitung zu begründen258 . Peiner hat in einer Untersuchung zur Konzernbildung bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit festgestellt, dass sich die meisten der untersuchten Versicherungsgruppen als Gleichordnungskonzern verstünden und diese "überwiegend auf faktischen Grundlagen beruhen, die sich zum Teil in mehreren Jahrzehnten kontinuierlich entwickelt haben und in diesen Fällen eine vertragliche Grundlage entbehrlich machen" 259 . In der Praxis erfordert eine personengleiche Besetzung der Geschäftsleitungen regelmäßig das Vorhandensein eines gemeinsamen Allein- oder Mehrheitsgesellschafters260. Ohne einen solchen oder alternativ vertragliche Absprachen besteht kein Anreiz zur Begründung einer einheitlichen Leitung. Der Geschäftsleiter bedarf zudem einer Befreiung vom Wettbewerbsverbot, die bei der AG durch den Aufsichtsrat(§ 88 AktG), bei der GmbH durch die Satzung erfolgt261 , ohne gemeinsame Gesellschafter bzw. vertragliche Absprachen aber kaum zu erreichen sein dürfte262 . Zumindest konkludente

256 Vgl. MüKo-BGB!Reuter § 31 Rn. 26, wonach weder die Mitglieder von Vereinen noch die nicht geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter von OHG, KG und 8GB-Gesellschaft Organ oder Repräsentant sein können; Kritik an der Zurechnung von Fehlverhalten der Konzernspitze nach § 31 8GB auch bei K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 b, S. 1240 undJaschinski Schwestergesellschaften S. 166 f. 257 Hüffer § 18 Rn. 21; Michalski!Zeidler Syst. Darst. 4 Rn. 298; MüKo-AktG!Kropff Vor§ 311 Rn. 112; Feiner Versicherungsvereine S. 185, 189. 258 ZGR 1995, S. 557,559 m.w.N. in Fn. 10. 259 Feiner Versicherungsvereine S. 185, 189. 260 MüKo-AktG!Bayer § 18 Rn. 54; MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 82; vgl. auch Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 2, S. 930. 261 Baumbach/Hueck!Zöllner § 35 Rn. 23. 262 Ausfuhrlieh Keck Gleichordnungskonzerne S. 131 ff., die bei personellen Verflechtungen auf der Ebene der Unternehmensleitungen zumindest stillschweigend ge-

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

vertragliche Absprachen dürften auch der Konzernbildung bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit zugrunde liegen. Personelle Verflechtungen auf Geschäftsleiterebene führen damit regelmäßig nicht zu einem faktischen Gleichordnungskonzern 263 . Existiert ein gemeinsamer Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, so ist ein Unterordnungskonzern264, sonst ein vertraglicher Gleichordnungskonzern anzunehmen.

4.

Einheitliche Leitung durch gleichgeordnetes Unternehmen

Der Kartellsenat des BGH hat in den Entscheidungen WAZIIKZ und Tukan/Dei! von 1993 und 1999 einen faktischen Gleichordnungskonzern auch dann angenommen, wenn die einheitliche Leitung ganz bei einem der beteiligten Unternehmen liegt265 . In der Literatur wird an diese Rechtsprechung zum Teil ausdrücklich angeknüpft und etwa formuliert, von einem faktischen Gleichordnungskonzern spreche man, "wenn sich eine Gesellschaft rein tatsächlich auf Dauer der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt"266.

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264

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schlossene Gleichordnungsverträge annimmt. V gl. Hü.ffer § 18 Rn. 21: fließende Grenze zum konkludenten Abschluss des Gleichordnungsvertrages. Selbst wenn man anders entscheiden wollte, würden Ansprüche wegen Treuepflichtverletzung an der Personenidentität der Geschäftsleitung scheitern, die eine Mitverursachung der geschädigten Gesellschaft begründet, vgl. Windbichler RdA 2000, S. 238, 241. Auch Ansprüche analog §§ 311, 317 AktG kommen entgegen MüKoAktG/Krop.ffVor § 311 Rn. 112 ff. nicht in Betracht: Schon für den Unterordnungskonzern wird heute überwiegend angenommen, dass Vorstandsdoppelmandate keine Abhängigkeit begründen, weder für sich allein, noch zusammen mit einer Minderheitsbeteiligung (KK!Koppensteiner § 17 Rn. 52; MüHdb. AG/ Krieger§ 68 Rn. 47; differenzierend GK-AktG/Windbichler § 17 Rn. 43 ff.). Personelle Verflechtungen erlauben keine Feststellungen darüber, welches Unternehmen als herrschendes und welches als abhängiges zu betrachten ist. Wenn der Doppelmandatsträger eine Entscheidung trifft, die für ein gleichgeordnetes Unternehmen nachteilig ist, tut er das als Geschäftsleiter gerade dieses Unternehmens, nicht auf "Veranlassung" von außen (vgl. §§ 311 Abs. I, 317 Abs. I AktG). Auch die Personalkompetenz und damit die Möglichkeit zur Abberufung des Geschäftsleiters liegt weiterhin bei den Gesellschaftern bzw. dem Aufsichtsrat dieses Unternehmens. Vgl. MüKo-AktG/Bayer § 18 Rn. 55. Der Privatgesellschafter bezweckt und gewährleistet die einheitliche Leitung, gleich, ob er die Gesellschaften unmittelbar selbst leitet oder sich dazu des von ihm ausgesuchten und abhängigen Personals bedient. Wie § 18 Abs. I S. 3 AktG für den Unterordnungskonzern belegt, genügt für die Annahme einer einheitlichen Leitung die Möglichkeit zur Personalauswahl und die Ausübung des dadurch gewährleisteten Einflusses, vgl. GK-AktG!Windbichler § 18 Rn. 27, 34. BGHZ 121, 137, 146 f.- WAZ/IKZ; BGH AG 1999, S. 181- Tukan/Dei!. Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 2, S. 70; vorsichtiger Hü.ffer § 18 Rn. 21.

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Horizontaler Einzelausgleich

Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wird diese Rechtsprechung weithin kritisiert, weil sie die Abgrenzung zwischen Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern unzulässig verwische 267 • Wenn die einheitliche Leitungzweier Unternehmen so organisiert werde, dass sie im Ergebnis in den Händen nur eines von ihnen liege, könne nur ein Unterordnungskonzern gegeben sein268 • Zöllner hält in Tukan/Dei/ die Annahme eines faktischen Gleichordnungskonzerns durch den Kartellsenat für eine "eher pragmatische Aussage" wegen der Problematik, eine konkludente Absprache anzunehmen, wie das im konkreten Fall möglich und geboten gewesen sei 269 • Der Kartellsenat nutzt den faktischen Gleichordnungskonzern als Auffangtatbestand, um eine Zurechnung von Umsätzen und damit eine Zusammenschlusskontrolle (§§ 35 f. GWB) auch dann zu ermöglichen, wenn die Voraussetzungen eines Unterordnungs- oder auch vertraglichen Gleichordnungskonzerns nicht bewiesen sind. Praktisch wird dies insbesondere, wenn die Anteile an den Gesellschaften jeweils von verschiedenen Familienangehörigen gehalten werden, die erkennbar eine gemeinsame Geschäftspolitik verfolgen, ohne dass sich zwischen ihnen jedoch Treuhandverhältnisse oder Stimmbindungsverträge nachweisen ließen, die erst eine Anteilszurechnung ermöglichen würden270 • Die Rechtsprechung des Kartellsenats ist durch die Abwehr von Umgehungsversuchen motiviert; Beweisproblemen sollte durch eine Anteilszurechnung oder die Annahme konkludenter Absprachen begegnet werden. So kann nach der Rechtsprechung des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH auch eine in der Vergangenheit gemeinsam betriebene Unternehmenspolitik Grundlage für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft sein und eine Zurechnung ermöglichen271 • In der TEEEntscheidung wurde dem Ehemann die hundertprozentige Beteiligung seiner Ehefrau an einer GmbH zugerechnet, obwohl die Treuhänderstellung der

267 GK-AktG!Windbichler § 18 Rn. 51 mit Fn. 125, 126; Paschke/Reuter ZHR 158 (1994), S. 390 ff.; Jaschinski Schwestergesellschaften S. 113 ff.; Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 4, S. 931; Baumbach/Hueck!Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 20a. 268 Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 4, S. 931; MüHdb. AG/Krieger § 68 Rn. 81; Milde Gleichordnungskonzern S. 127. 269 Baumbach/Hueck!Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 20a. 270 Deutlich in BGHZ 121, 137, 146 f.- WAZ/IKZ, wo das KG als Vorinstanz einen Unterordnungskonzern angenommen hatte unter dem gemeinsamen beherrschenden Einflusszweier Gesellschafterstämme; der BGH lehnt dies ab, weil die bloße Familienzugehörigkeit keine einheitliche Willensbildung erzwinge und schuldrechtliche Absprachen, insbesondere Treuhandbindungen, nicht festgestellt seien; anschließend rettet sich der BGH in den faktischen Gleichordnungskonzern. 271 BGHZ 80, 69, 73- Süssen; 122, 123, 126- TBB; ebenso Paschke/Reuter ZHR 158 (1994), S. 391,397 ff.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

Ehefrau nicht nachgewiesen war272 • Auch bei Annahme vertraglicher Absprachen wird der Bereich des Gleichordnungskonzerns meist verlassen; eine Vereinbarung, die einem Vertragspartner explizit oder der Sache nach die Befugnis einräumt, über ein anderes Unternehmen einheitliche Leitung auszuüben, wird regelmäßig Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG sein. Die vom Kartellsenat vorgenommene Ausweitung des faktischen Gleichordnungskonzerns ist nicht erforderlich und verwischt unnötig die Grenzen zum Unterordnungskonzern und zum vertraglichen Gleichordnungskonzern.

5.

Gleichordnungsverhältnis im Unterordnungskonzern

Denkbar ist schließlich, dass schon die abhängigen Unternehmen eines Unterordnungskonzerns untereinander in einem Gleichordnungsverhältnis stehen und sich hieraus auf Horizontalebene besondere Haftungsfolgen ergeben.

a)

Einordnung als faktischer Gleichordnungskonzern

Im Schrifttum wird verbreitet angenommen bzw. zumindest für möglich gehalten, dass die von einem herrschenden Unternehmen ausgeübte Konzernleitung zur gleichgeordneten Konzernierung der abhängigen Unternehmen fiihrt 273 • Karsten Schmidt verweist hierfür auf den Wortlaut des § 18 Abs. 2 AktG, wonach mehrere Unternehmen "auch" dann einen Konzern bilden, wenn sich die Konzernleitung nicht in der Hand eines herrschenden Unternehmens befindet. Das schließe nicht aus, dass solche Unternehmen untereinander "erst recht" in einem Gleichordnungsverhältnis stehen, wenn die Gleichordnung in der Hand eines herrschenden Unternehmens liegt. Für die Rechtsfolgen soll es dann jeweils auf das Verhältnis der in Frage stehenden Unternehmen zueinander ankommen, das ein Verhältnis der Gleichoder Unterordnung sein kann274 . Auch das OLG Dresden hat in seinem Ur-

272 BGHZ 122, 123, 125 f. 273 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,421,424, 443; ders. FS LutterS. 1167, 1186 ff.; ihm folgend Jaschinski Schwestergesellschaften S. 119 ff.; Keck Gleichordnungskonzerne S. 66 ff.; Junker Antrittsvorlesungen S. 169, I 84; Grüner in Anm. zu OLG Dresden NZG 2000, S. 598, 60 I, 602; Janßen DB I 999, S. 1398; wohl auch Henssler ZGR 2000, S. 4 79; früher schon Ehlke DB 1986, S. 523, 524 Fn. 22; auf der Basis der Bremer Vulkan-Entscheidung zustimmend Raiser FS Ulmer S. 493, 496 ff., 507 ff. und Emmerich/Habersack § 18 Rn. 33a. 274 K. Schmidt ZHR 155 (I 99 I), S. 4 I 7, 42 I; ders. FS LutterS. 1 I 67, I 186 ff.; Raiser FS Ulmer S. 493, 507 stimmt dem Konzept K. Schmidts grundsätzlich zu und meint, dass der horizontale Durchgriff nach Bremer Vulkan "nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden kann, dass innerhalb eines Unterordnungskonzerns zwischen Schwes-

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Horizontaler Einzelausgleich

teil vom 27. Oktober 1999 eine "horizontale Verflechtung" zwei er Schwestergesellschaften "unter Vermittlung" der gemeinsamen Muttergesellschaft angenommen 275 . Nach herkömmlicher Ansicht darf dagegen keine Abhängigkeit der Konzernunternehmen von der Konzernspitze bestehen, insbesondere ein zur Konzernleitung berufenes Leitungsorgan keine Herrschaftsmacht im Sinne des § 17 AktG ausüben276 • Koppensteiner hält einheitliche Leitung bei fortbestehender Abhängigkeit von einem Dritten für tatbestandlieh ausgeschlossen277; diese Aussage wird dahingehend verstanden, dass die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung durch die betroffenen Unternehmen selbst erfolgen muss 278 . Zum Teil wird auch darauf verwiesen, dass die herrschende Meinung für das Gesellschaftsrecht die Vorstellung eines "Konzerns im Konzern" ablehnt279 , und gefolgert, dass auch die Annahme eines zusätzlichen Gleichordnungskonzerns zwischen mehreren abhängigen Gesellschaften desselben Unterordnungskonzerns ausscheide 280 • Jedenfalls mit dem Problem des "Konzerns im Konzern" hat die Frage nach einem Gleichordnungsverhältnis im Unterordnungskonzern nichts zu tun. Beim "Konzern im Konzern" geht es um die Aufspaltung der einheitlichen Leitung auf verschiedene Konzernebenen, so dass eine Enkelgesellschaft nicht nur von der Muttergesellschaft, sondern daneben auch von der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft "einheitlich geleitet" wird. Die Tochtergesellschaft wird so zur weiteren Leitungsinstanz, zur Konzernspitze eines Teilkonzerns. Beim Gleichordnungsverhältnis im Unterordnungskonzern wird die einheitliche Leitung allein durch die Muttergesellschaft nicht in Frage gestellt; die Muttergesellschaft soll gerade auch das Gleichordnungsverhältnis einheitlich leiten (§ 18 Abs. 2 AktG). Die einheitliche Leitung des

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280

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tergesellschaften keine gleichordnungskonzemrechtlichen Beziehungen bestehen können".- Zwar hat Bremer Vulkan die Haftung in der Vertikalen vom Vorliegen eines Unterordnungskonzerns entkoppelt. Rechtsfolgen für einen Gleichordnungskonzern, der (möglicherweise) Teil eines Unterordnungskonzerns ist, können aber nicht ohne Rücksicht auf das - für die AG in den §§ 311 ff. AktG kodifizierte- Recht dieses Unterordnungskonzerns entwickelt werden. OLG Dresden NZG 2000, S. 598 mit Anm. Grüner. MüKo-AktG/Bayer § 18 Rn. 56; Hü.ffer § 18 Rn. 20 f.; MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 81. KK!Koppensteiner § 18 Rn. 6. GK-AktG/Windbichler § 18 Rn. 63 Fn. 153. MüKo-AktG/Bayer § 18 Rn. 42: einheitliche Leitung lasse sich nicht auf die verschiedenen Ebenen eines Konzerns aufsplitten, für eine fiktive Betrachtung bestehe außerhalb des Mitbestimmungsrechts (vgl. § 5 Abs. I MitbestG 1976) kein Bedürfnis. Milde Gleichordnungskonzern S. 135 f.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

Unterordnungskonzerns und des Gleichordnungsverhältnisses fallen zusammen. Kommt als Leitungsinstanz eines Gleichordnungskonzerns begrifflich auch ein herrschendes Unternehmen in Betracht? Die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 spricht eher daflir, dass der Gesetzgeber Unterordnungsund Gleichordnungskonzern als zwei verschiedene Konzerntypen angesehen hat: Dort heißt es, zum alten Recht sei streitig gewesen, inwiefern § 15 Abs. 1 AktG 1937 auch den Unterordnungskonzern erfasst habe; der Entwurf trenne daher im Interesse größerer Klarheit die Fälle des Unterordnungs- und des Gleichordnungskonzerns281 . Heute wird jedoch verbreitet angenommen, dass die Gegenüberstellung von Unterordnungs- und Gleichordnungskonzernen im Sinne von Alternativen im Gesetz selbst weder angelegt noch aus anderen Gründen einsichtig ist282 • Begrifflich setzt der Gleichordnungskonzern jedenfalls nicht voraus, dass sich die gleichgeordneten Unternehmen freiwillig selbst zusammenschließen, an der einheitlichen Leitung teilhaben und nicht von der Leitungsinstanz abhängig sind: Die passivische Formulierung des § 18 Abs. 2 AktG deutet darauf hin, dass sich die Unternehmen nicht freiwillig selbst zusammenschließen müssen, sondern es auch genügt, wenn sie durch einen Dritten zusammengefasst werden. Das in der Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 genannte Beispiel, dass "die Anteile der Konzernunternehmen in der Hand eines Eigentümers, der kein Unternehmen ist, vereinigt sind" 283 , setzt die Zusammenfassung durch einen Dritten, den Anteilseigner, voraus. Zur Notwendigkeit einer Partizipation an der einheitlichen Leitung und der Frage der Abhängigkeit von der Leitungsinstanz sagt § 18 Abs. 2 AktG ebenfalls nichts; nur "voneinander" dürfen die Konzernunternehmen nicht abhängig sein. Die Definition des § 18 Abs. 2 AktG erlaubt es also durchaus, auch ein herrschendes Unternehmen als Leitungsinstanz eines faktischen Gleichordnungskonzerns anzusehen. Ob das sinnvoll ist, lässt sich nur anhand der Rechtsfolgen beurteilen, die mit dieser Einordnung verbunden sein sollen. b)

Haftungsfolgen für Schwestergesellschaften

Jaschinski hat ihre Ansicht, dass zwischen Schwestergesellschaften eines GmbH-Unterordnungskonzerns direkte Treuepflichten bestünden, auch damit begründet, dass sie untereinander einen faktischen Gleichordnungskon-

281 RegBegr., abgedruckt bei KropjJS. 32. 282 GK-AktG!Windbichler § 18 Rn. 59; K. Schmidt ZHR ISS (1991), S. 417,419,421. 283 RegBegr., abgedruckt bei KropjJS. 33 f.

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Horizontaler Einzelausgleich

zern bildeten284 • Ihr Ansatz wurde oben bereits im Rahmen des Unterordnungskonzerns diskutiert und abgelehnt, weil er sich zumindest mit dem Recht des Unterordnungskonzerns nicht vereinbaren lässe85 • Schon für den faktischen Gleichordnungskonzern, der nicht zugleich in einen Unterordnungskonzern eingebettet ist, lassen sich keine unmittelbar gegen Schwestergesellschaften gerichteten (Einzelausgleichs-)Ansprüche begründen, weder über die §§ 311 ff. AktG noch über den Treuepflichtenansati86 . Erst recht eignet sich der faktische Gleichordnungskonzern nicht als Vehikel, um innerhalb eines Unterordnungskonzerns Rechtsfolgen zu implementieren, die dort nicht passen. Das Gesetz knüpft an den Gleichordnungskonzern überhaupt keine Rechtsfolgen 287 • Die Fallgestaltungen, für die eine Einordnung als faktischer Gleichordnungskonzern vertreten wird, weisen erhebliche Unterschiede auf; Karsten Schmidt spricht von einer "außerordentlichen Typenvielfalt des Gleichordnungskonzerns"288 • Es ist deshalb keineswegs selbstverständlich, dass ungeschriebene Rechtsfolgen, die für einen bestimmten faktischen Gleichordnungskonzern zutreffend erscheinen mögen, gleichermaßen auch für andere Ausprägungen des faktischen Gleichordnungskonzerns passen. Rechtsfolgen für Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns müssten deshalb ohnehin mit Blick auf ihre Einbettung in den Unterordnungskonzern entwickelt werden und sich am - für die abhängige AG sogar kodifizierten - Recht des Unterordnungskonzerns messen lassen. Der Rekurs auf einen zusätzlichen Gleichordnungskonzern bringt daher keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, sondern ist ein unnötiger ar. umweg-?89 . gumentativer Es ist deshalb begrifflich zwar möglich, das Verhältnis der Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns als Gleichordnungsverhältnis einzuordnen; sinnvoll ist das jedoch nicht, weil sich aus einer solchen Einordnung (entgegen der damit verbundenen Intention) keine besonderen Haftungsfolgen für Schwestergesellschaften ergeben. Jaschinski Schwestergesellschaften S. 135 ff. Vgl. oben§ I B II 2 und 3. V gl. oben § I C I I - 4. Die §§ 311 ff. AktG setzen, obwohl herkömmlich als Konzernrecht bezeichnet, gerade keinen Konzern voraus. Im Aktiengesetz und außerhalb wird nur auf den Konzernbegriff insgesamt oder aber speziell auf den Unterordnungskonzern Bezug genommen, dagegen (abgesehen von § 291 Abs. 2 AktG) nicht auf den Gleichordnungskonzern, vgl. GK-AktG/Windbichler § 18 Rn. 8 ff., insbes. Rn. 15. Die "in Abhängigkeit gleichgeordneten Unternehmen" sind ohnehin schon Teil eines Unterordnungskonzerns, so dass die zusätzliche Einordnung als Gleichordnungsverhältnis allenfalls in ihrem Innenverhältnis zu neuen Rechtsfolgen fUhren könnte. 288 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 418; ähnlich MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 78. 289 A.A. wohl Raiser FS Ulmer S. 493, 507 f.

284 285 286 287

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

6.

Ergebnis

Die Figur des faktischen Gleichordnungskonzerns erscheint überflüssig, weil sich die hierfür in Betracht kommenden Fallgestaltungen bereits sachgerecht als Unterordnungskonzern oder als vertraglicher Gleichordnungskonzern erfassen lassen 290 • Die mit der Annahme eines faktischen Gleichordnungskonzerns verfolgten Ziele - Vermeidung der konzernrechtlichen Haftung des herrschenden Unternehmens, Legitimierung zusätzlicher Haftungsfolgen flir Schwestergesellschaften - lassen sich nicht erreichen: Auf einen Privatgesellschafter mit multiplem Beteiligungsbesitz sind die §§ 311, 317 AktG gegebenenfalls analog anzuwenden; auch im faktischen Gleichordnungskonzern haften Schwestergesellschaften einander nicht unmittelbar nach §§ 311 ff. AktG analog oder wegen Treuepflichtverletzung.

II.

Vertraglicher Gleichordnungskonzern

Die Möglichkeit, dass Unternehmen jedenfalls durch Vertrag einen Gleichordnungskonzernbilden können, wird vom Gesetz in den§§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG vorausgesetzt. Von einem vertraglichen Gleichordnungskonzern spricht man, wenn sich die beteiligten Unternehmen durch Vertrag freiwillig unter eine einheitliche Leitung stellen, ohne dadurch jedoch voneinander abhängig zu werden. § 291 Abs. 2 AktG stellt klar, dass ein derartiger Vertrag kein Beherrschungsvertrag ist. Der Vertrag wird, wenn ein engerer Unternehmenszusammenschluss gewollt ist, in aller Regel mit einer Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG) verbunden sein und bedarf dann als Unternehmensvertrag der Zustimmung der Hauptversammlung (§ 293 AktG) 291 . Durch den Gleichordnungsvertrag begründen die Unternehmen untereinander eine BGB-Innengesellschaft (§ 705 BGB) 292 • Als Gesellschafter unterlie290 Die Figur des faktischen Gleichordnungskonzerns wird ebenfalls abgelehnt von Baumbach/Hueck!Zällner GmbH-KonzernR Rn. 20a; Keck Gleichordnungskonzerne S. 125 ff.: Keck verwendet zwar den Begriff des faktischen Gleichordnungskonzerns, setzt insoweit aber eine irgendwie geartete vertragliche Abrede voraus; KK!Koppensteiner § 18 Rn. 7, § 291 Rn. 72: " ... bleibt für die Begründung einer solchen Konzernverbindung nur das Instrument des Vertrages"; zurückhaltend auch Hüffer § 18 Rn. 21: Grenze zum konkludenten Abschluss eines Gleichordnungsvertrages fließend; ebenso, jedoch in sich widersprüchlich Kuhlmann/Ahnis Konzernrecht Rn. 60: "Der faktische Gleichordnungskonzern ist dadurch gekennzeichnet, dass ohne vertragliche Grundlage ... mehrere Unternehmen sich faktisch einheitlich leiten. Da dies nicht ohne entsprechenden Willen und konzertierte Absprachen vonstatten geht, ist die Grenze zum konkludenten Vertrag fließend" (Hervorhebungen durch Verf.). 291 So schon RegBegr. zu§ 291 AktG, abgedruckt bei KropffS. 377. 292 Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 2 a, S. 70; GK-AktG/Windbichler § 18 Rn. 51; Hüffer § 18 Rn. 20.

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gen die Unternehmen im Verhältnis zu ihren Mitgesellschaftern der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Die Treuepflicht findet ihre Grundlage im schuldrechtlichen Gesellschaftsvertrag und kann als gesellschaftsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben verstanden werden oder als eine vertragliche Hauptpflicht, die jeder Gesellschafter schuldet293 • Treuwidriges Verhalten verpflichtet zum Schadensersatz, wenn es sorgfaltswidrig war und bei einem Mitgesellschafter zu einem Schaden geführt hat294 • So sehr über die grundsätzliche Bindung der gleichgeordneten Unternehmen an die allgemeine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Einigkeit besteht, so wenig geklärt sind doch die Einzelheiten (1.). Fraglich ist auch, ob daneben noch weitere, spezifisch konzernrechtliche Ansprüche in Betracht kommen, die in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung weit über den Schadensersatzanspruch wegen Treuepflichtverletzung hinausgehen könnten; im Extremfall könnten die Partner eines vertraglichen Gleichordnungskonzerns sogar zum gegenseitigen Verlustausgleich verpflichtet sein(§ 302 AktG analog) (2.) 295 . 1.

Treuepflicht gegenüber Mitgesellschaftern

a)

Meinungsstand

Lutter/Drygala wollen Ausgleichsansprüche zwischen den gleichgeordneten Unternehmen auf den Gedanken der Treuepflicht stützen. Die Gleichordnungsverbindung bedeute eine partnerschaftliehe Zweckgemeinschaft, die die Beteiligten verpflichte, sich gegenüber dem anderen Teilloyal zu verhalten und auf dessen Interessen Rücksicht zu nehmen. Die Treuebindung begründe zwischen den beteiligten Gesellschaften ein Schädigungsverbot Die Leitungsinstanz dürfe eine gleichgeordnete Gesellschaft im Konzerninteresse nicht ohne alsbaldige Kompensation benachteiligen. Geschehe das doch, sei aufgrund der Treuepflicht Schadensersatz zu leisten. Teil des Schädigungsverbotes sei schließlich auch, dass sämtliche Rechtsgeschäfte zwischen den beteiligten Gesellschaften wie zwischen unbeteiligten Dritten abgewickelt

293 Martin Winter Treubindungen S. 12 ff. m.w.N. 294 Speziell zum Gleichordnungskonzern: Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72; Milde Gleichordnungskonzern S. 204 f.; Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 566 f.; Hüffer § 291 Rn. 35; a.A. Gromann Gleichordnungskonzerne S. 57. Zur Treuepflicht allgemein MüKo-BGB!Ulmer § 705 Rn. 181 ff., insbes. Rn. 188 f., 197a. 295 V gl. außerdem unten § 2 IV zur Möglichkeit einer Haftung nach Kapitalerhaltungsund -ersatzrecht.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

werden, insbesondere zu marktüblichen Gegenleistungen; Ausnahmen seien vor dem Hintergrund alsbaldiger Kompensation denkbar296 . Nach Milde ist die gegenüber den Mitgesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt, wenn ein gleichgeordnetes Unternehmen veranlasst, dass einem Partner zur Erzielung von Konzernvorteilen, an denen es partizipiert, Schädigungen zugefügt werden. Dabei habe es sich die Verhaltensweise der von ihm in die Leitungsinstanz entsandten Verwaltungsmitglieder nach § 31 BGB (gegebenenfalls analog) zurechnen zu lassen. Entsprechend müsse sich aber auch das geschädigte Unternehmen bei der Höhe des Ersatzanspruchs nach§§ 254, 31 BGB ein etwaiges mitwirkendes Verschulden des von ihm selbst in die Leitungsinstanz entsandten Verwaltungsmitglieds entgegenhalten lassen 297 .

b)

Stellungnahme

Lutter/Drygala berufen sich im Gegensatz zu Milde nicht ausdrücklich auf die zwischen den gleichgeordneten Unternehmen bestehende BOB-Gesellschaft. Sie vermeiden den Terminus wohl deshalb, weil sie Treuepflichten zugleich auch für den faktischen Gleichordnungskonzern begründen wollen298, sich dieser aber nicht als BOB-Gesellschaft einordnen lässt. Sprachlich und in der Sache argumentieren Lutter/Drygala gleichwohl mit dem Charakter des vertraglichen Gleichordnungskonzerns als BOB-Gesellschaft. Ihre Argumentation muss sich daher - trotz konzernrechtlicher Einkleidung299 - an dem messen lassen, was mithilfe von Treuepflichten in einer BOB-Gesellschaft nach allgemeinem Gesellschaftsrecht begründbar ist. Lutter/Drygala trennen anders als Milde nicht deutlich zwischen der Leitungsinstanz und den gleichgeordneten Unternehmen: Sie lassen es für die Annahme einer Treuepflichtverletzung durch ein Unternehmen samt Verpflichtung zum Schadensersatz genügen, dass nicht dieses Unternehmen

296 Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 566 f.; zustimmend Hü.ffer § 291 Rn. 35 (unter der Überschrift "Gleichordnungskonzernvertrag", also wohl nur für vertragliche Gleichordnungskonzerne); ähnlich Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72, für den Fall dass die von ihnen für erforderlich gehaltene Zustimmung der Gesellschafter zum Gleichordnungsvertrag fehlt. 297 Milde Gleichordnungskonzern S. 205. 298 Dazu bereits oben § I C I I b. 299 Lutter!D1ygala ZGR 1995, S. 557, 564 ff. orientieren sich am Instrumentarium des Unterordnungskonzerns und wollen die dort für die GmbH anerkannte Treuepflicht (dort: des Mehrheitsgesellschafters) auf den Gleichordnungskonzern übertragen. Begründet wird die Existenz von Treuepflichten im Gleichordnungskonzern aber nicht spezifisch konzernrechtlich, sondern mit der dort bestehenden "partnerschaftlichen Zweckgemeinschaft", also der BGB-Innengesellschaft.

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Horizontaler Einzelausgleich

selbst, sondern die Leitungsinstanz des Gleichordnungskonzerns ein anderes Unternehmen benachteiligt hat 300 • Milde setzt Leitungsinstanz und gleichgeordnete Unternehmen dagegen nicht in eins, sondern bemüht sich um eine Zurechnung des schädigenden Verhaltens der Leitungsinstanz. Was letztlich richtig ist, lässt sich nur entscheiden, wenn man sich zunächst die unterschiedlichen Formen vergegenwärtigt, in der die Leitungsinstanz eines Gleichordnungskonzerns organisiert sein kann 301 : Der Vertrag kann zunächst eine Leitungsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit vorsehen, z.B. eine "Führungs-GmbH". Diese kann ein reines Dienstleistungsunternehmen ohne jeglichen Anteilsbesitz sein. Die Leitungsgesellschaft kann aber auch über Anteilsbesitz verfügen, entweder an den Gleichordnungspartnern selbst ("Dachgesellschaft") oder an zuvor gegründeten Betriebsgesellschaften ("Zwischenholding"). Dann ist streitig, ob die Leitungsgesellschaft aus Sicht der Gleichordnungspartner bzw. Betriebsgesellschaften bereits Unternehmensqualität besitzt, letztlich also ein Unterordnungskonzern vorliege 02 • Es genügt auch, wenn durch den Vertrag nur ein Leitungsgremium ohne eigene Rechtspersönlichkeit geschaffen wird. Die einheitliche Leitung lässt sich bereits im Rahmen der zwischen den gleichgeordneten Unternehmen bestehenden BGB-Gesellschaft durch einen Ausschuss verwirklichen, der die Geschäfte fortan koordiniert und in den die einzelnen Unternehmen Mitglieder entsenden. Am einfachsten ist eine einheitliche Leitung schließlich durch personelle Verflechtung auf der Ebene der Geschäftsleiter zu realisieren. Der Gleichordnungsvertrag sieht dazu die ganz oder teilweise personenidentische Besetzung der Unternehmensleitungen vor, abgesichert durch entsprechende Satzungsklauseln303 . Die von Lutter/Drygala vorgenommene Gleichsetzung von Leitungsinstanz und den anderen beteiligten Unternehmen überzeugt nicht. Im Falle einer Leitungsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt es sich schon um verschiedene Rechtsträger; die Leitungsgesellschaft ist kein Organ des ersatzpflichtigen Unternehmens. Auch mag sie zwar regelmäßig so organi-

300 Deutlich ZGR 1995, S. 557, 566: ". .. gilt daher für das Leitungsorgan des Gleichordnungskonzerns ... dass es den Gesellschaftern nicht erlaubt ist, die abhängige Gesellschaft im Konzerninteresse ohne alsbaldige Kompensation zu schädigen."; S. 571: "Da zudem ... vorrangig der Einzelausgleich für nachteilige Maßnahmen zu suchen ist, setzt eine Verlustausgleichspflicht im Gleichordnungskonzern also voraus, dass das Leitungsorgan fortgesetzt zum Nachteil einer Gesellschaft handelt ... ". 301 Zum Nachfolgenden vgl. MüKo-AktG/Bayer § 18 Rn. 52 ff.; Milde Gleichordnungskonzern S. II 0 ff.; Gromann Gleichordnungskonzerne S. I 0 ff. 302 Näher Hüffer § 15 Rn. I 0; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 2 II 3, s. 34. 303 Vgl. das Vertragsmuster im Münchener Vertragshandbuch, Bd. I, IX. 10.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

siert sein, dass jedes der gleichgeordneten Unternehmen einen Vertreter dorthin entsendet; zwingend ist das aber nicht. Die Unternehmen müssen deshalb an den einzelnen Entscheidungen der Leitungsinstanz gar nicht unmittelbar beteiligt sein. In mehrgliedrigen Gleichordnungskonzernen kann der in einen Leitungsausschuss entsandte Vertreter sogar zusammen mit dem Vertreter des benachteiligten Unternehmens gegen eine Maßnahme gestimmt haben, aber überstimmt worden sein. Die Schädigung eines Unternehmens durch die Leitungsinstanz lässt sich deshalb nicht mit einer schuldhaften Verletzung der Treuepflicht durch die anderen Unternehmen gleichsetzen, mögen diese auch von der Entscheidung der Leitungsinstanz profitiert haben. Deutlich wird das auchim-wohl häufigen- Fall der personellen Verflechtung: Ein Doppelvorstand, dessen Entscheidung ftir eines der Unternehmen nachteilig ist, kann sich nicht als Vorstand des benachteiligten Unternehmens von der Verantwortung ftir diese Entscheidung frei zeichnen und sodann das andere Unternehmen wegen Treuepflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Er trifft seine Entscheidung vielmehr gerade in seiner Funktion als Vorstand des benachteiligten Unternehmens und innerhalb dieses Unternehmens, nicht als außenstehende Leitungsinstanz, deren Tätigkeit sich von der des Vorstands trennen ließe. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen Treuepflichtverletzung müsste wegen der Doppelfunktion zumindest am Mitverschuldenseinwand scheitern304 . Die Position Mildes ist demgegenüber deutlich differenzierter. Er verlangt zu Recht eine Veranlassung der Schädigung durch das ersatzpflichtige Unternehmen, insbesondere durch Zurechnung des Verhaltens des von ihm entsandten Vertreters. Auch diese Zurechnung stößt nach dem Gesagten allerdings an Grenzen, wenn sich die Entscheidungsträger in der Leitungsinstanz nicht mehr einzelnen gleichgeordneten Unternehmen zuordnen lassen, ebenso bei Personenidentität der Geschäftsleitungen. Abgesehen von solchen Zurechnungsproblemen ist die Treuepflicht auch schon tatbestandlieh nicht geeignet, ein wirklich umfassendes Schädigungsverbot zu begründen. Zwar haben die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft bei der Verfolgung eigener Interessen auf die Belange der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen 305 ; eben diese Verfolgung eigener Interessen bleibt ihnen aber unbenommen. Die Unternehmen dürfen sich dazu der Instrumente bedienen, die der Gleichordnungsvertrag vorsieht 306 • Sind dort etwa Mehr304 V gl. Windbichler RdA 2000, S. 238, 241; ablehnend zum Treuepflichtenansatz von Lutter/Drygala auch schon K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 b, S. 1240. 305 MüKo-BGB/Ulmer § 705 BGB Rn. 188. 306 Ähnlich Gromann Gleichordnungskonzerne S. 57, der eine Folgepflicht verneint (S. 58) und sodann weitergehend meint, ein Verstoß gegen Treuepflichten sei beim

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Horizontaler Einzelausgleich

heitsentscheidungen vorgesehen, ohne dass an den überstimmten und gegebenenfalls benachteiligten Partner ein Ausgleich zu leisten wäre, so darf dieser vertraglich festgelegte Normalfall nicht unter Berufung auf die Treuepflicht in sein Gegenteil verkehrt werden. Ebenso selbstverständlich ist, dass die in eine Leitungsinstanz entsandten Vertreter sich zunächst einmal als Interessenvertreter ihres Unternehmens sehen und sehen dürfen. Das Gesetz verlässt sich insoweit darauf, dass die Partner einer Gleichordnungsverbindung ihre Interessen je selbst wahren und wahren können 307 • Deshalb kann die Treuepflicht die Gesellschafter auch nicht dazu verpflichten, bei allen konzerninternen Geschäften - die im Einzelfall auch an der Leitungsinstanz vorbei laufen mögen - die Interessen ihres Verhandlungspartners und Mitgesellschafters mit wahrzunehmen und auf die Vereinbarung einer angemessenen Gegenleistung zu achten, anderenfalls Schadensersatz zu leisten. Eine so weit gehende Inhaltskontrolle der Verträge lässt sich über die Treuepflicht nicht installieren. Die mit der Schadensersatzverpflichtung bewehrte Treuepflicht setzt vielmehr nur eine äußere Grenze: Sie verpflichtet die Gesellschafter einer GbR lediglich, die willkürliche Schädigung ihrer Mitgesellschafter zu unterlassen und bei der Rechtsausübung das schonendste Mittel zu wählen 308 . Im Ergebnis lassen sich Ersatzansprüche zwischen gleichgeordneten Unternehmen daher nur in deutlich geringerem Umfang auf eine Treuepflichtverletzung stützen als das insbesondere von Lutter/Drygala angenommen wird. Die Treuepflicht begründet kein umfassendes Schädigungsverbot für die gleichgeordneten Unternehmen. 2.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

a)

Meinungsstand

Einige Autoren wollen den Gleichordnungsvertrag in Voraussetzungen und Rechtsfolgen dem Beherrschungsvertrag annähern. Grund hierfür ist die Annahme, dass zur effektiven Führung eines Gleichordnungskonzerns ein Weisungsrecht der Leitungsinstanz gegenüber den Unternehmensleitungen erforderlich ist; die Leitungsinstanz müsse im Konzerninteresse auch Entscheidungen treffen und gegebenenfalls durchsetzen können, durch die ein-

Gleichordnungskonzern gar nicht möglich, weil jede Einflussnahme auf dem Gleichordnungsvertrag beruhe und schädigende Maßnahmen bei einem Partner nur durchgesetzt werden könnten, weil und soweit er sich mit der vertraglichen Regelung einverstanden erklärt habe. 307 Lutter/Hommelhojfin Lutter/Hommelhoff Anh § 13 Rn. 76. 308 MüKo-BGB/Ulmer § 705 Rn. 188.

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zeine Unternehmen (punktuell) benachteiligt würden 309 . Das zugestandene Recht zur Erteilung auch nachteiliger Weisungen zwingt zu Folgeänderungen310: Der Gleichordnungsvertrag ist als Unternehmensvertrag einzustufen, der gemäß § 293 Abs. I AktG bzw. § 53 GmbHG der qualifizierten (bei der GmbH möglicherweise sogar einstimmigen) Zustimmung der Gesellschafter bedarf311 . Mit dem Weisungsrecht soll zudem - kraft Gesetzes, also auch ohne ausdrückliche Vereinbarunl 12 - ein umfassender horizontaler Verlustausgleich entsprechend § 302 AktG einhergehen313 . Schuldner des Ausgleichsanspruchs sollen sämtliche gleichgeordneten Unternehmen sein, unabhängig davon, ob sie von Weisungen an andere Unternehmen profitiert oder diese unterstützt haben 314 . Auf einen Einzelausgleich über die Treuepflicht oder entsprechend§§ 311 ff. AktG kann damit verzichtet werden. Karsten Schmidt will einen horizontalen Verlustausgleich nicht über eine Analogie zum Recht des Beherrschungsvertrages, sondern mittels bürgerlich-rechtlicher Vorschriften herbeifiihren. Der Grundgedanke ftir die Verlustausgleichspflicht im Unterordnungskonzern (§ 302 AktG) lasse sich im Auftragsrecht wiederfinden. Die abhängige Gesellschaft ftihre die Geschäfte fiir das herrschende Unternehmen und habe deshalb gemäß § 670 BGB einen AufWendungsersatzanspruch. Im vertraglichen Gleichordnungskonzern als BGB-Innengesellschaft würden die Geschäfte demgegenüber nicht fiir ein herrschendes, sondern fiir alle am Verbund beteiligten Unternehmen gefiihrt. Im Gleichordnungskonzern sei deshalb eine horizontale Risikoteilung nach dem Vorbild der §§ 713, 670, 730 ff. BGB erforderlich. Der horizontale Verlustausgleich müsse mit dem Gleichordnungsvertrag vereinbart werden, um die einheitliche Leitung samt Weisungsrecht der Leitungsinstanz zu

309 A.A. MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 86; Gromann Gleichordnungskonzerne S. 58 ff; Hammelha.ffKonzernleitungspflicht S. 388 f. 310 A.A. wohl nur KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77: Weisungsrecht, mangels Abhängigkeit und Unterwerfung unter fremde Interessen aber keine Schutznormen erforderlich. 311 Weilkamp DB 1993, S. 2517, 2518 f.; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 3, S. 71; Raiser Konzerngesellschaften § 56 Rn. 9 f., S. 933.; a.A. Hammelhoff Konzernleitungspflicht S. 389: "Der Gesetzgeber hat sich nicht dazu durchringen können, die Anregung aufzugreifen, schon Gleichordnungsverbindungen, die auf die einheitliche Leitung beschränkt bleiben, der Hauptversammlungszustimmung zu unterstellen". 312 Weltkamp DB 1993, S. 2517, 2521; das entspräche der Rechtslage bei Beherrschungsverträgen, vgl. dazu RegBegr. zu§ 302 AktG, abgedruckt bei KropffS. 391. 313 Welfkamp DB 1993, S. 2517, 2520 f.; Keck Gleichordnungskonzerne S. 115 ff.; Emmerich!Habersack § 19 Rn. 36; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72. 314 So explizit Keck Gleichordnungskonzerne S. 118 f.

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legitimieren; anderenfalls müssten die gleichgeordneten Gesellschaften Weisungen nur gegen Nachteilsausgleich befolgen315 • Eine Analogie zu den §§ 311 ff. AktG soll in Betracht kommen, wenn die Gesellschafter dem Gleichordnungsvertrag nicht qualifiziert zugestimmt haben. Keck möchte die §§ 311 ff. AktG dann sowohl auf einen AG- als auch auf einen GmbH-Gleichordnungskonzern entsprechend anwenden. Grundsätzlich sei eine anteilige Ausgleichspflicht aller beteiligten Partner anzunehmen, so dass das im Einzelfall geschädigte Unternehmen einen Teil des Nachteils selbst zu tragen habe. Eine Beschränkung auf solche Partner, die die schädigende Maßnahme unterstützt haben, komme nur dann in Betracht, wenn der Gleichordnungskonzern aus mehr als zwei Partnern bestehe und Mehrheitsentscheidungen zulässig seien316 • Nach Emmerich ist jedenfalls bei Aktiengesellschaften an eine Analogie zu den §§ 311, 317 AktG zu denken317 • Krop.ff hält eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG im vertraglichen Gleichordnungskonzern fiir ausgeschlossen, sofern die konzernangehörigen Unternehmen rechtlich verpflichtet sein sollten, auch nachteilige Weisungen der Konzernleitung zu befolgen. Denn die §§ 311 ff. AktG seien auf Unrechtshandlungen zugeschnitten, an denen es im Hinblick auf die rechtlich bindende Kraft der Weisungen fehle 318 • Auf der Basis der Bremer Vulkan-Entscheidung will Raiser auch im vertraglichen Gleichordnungskonzern nicht mehr auf die Vorschriften des Aktienkonzernrechts (§§ 302, 311 ff. AktG) abstellen. Stattdessen hält er die einseitige, rechtswidrige Ausübung von Leitungsmacht flir haftungsbegründend. Hierzu könne es kommen, wenn der Gleichordnungskonzern - abweichend vom Normalfall - tatsächlich nur von einem der gleichgeordneten Unternehmen gefiihrt werde. Ein Verlustausgleich zwischen den Gesellschaften oder eine Durchgriffshaftung gegenüber den Gläubigern einer anderen Gesellschaft finde demnach statt, wenn die zahlungsfähige Gesellschaft selbst Leitungsmacht über die zahlungsunfähige Schwestergesellschaft ausübe und dabei keine angemessene Rücksicht auf deren Vermögenslage nehme, so dass die Schwestergesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen könne. Welche Anforderungen im Einzelnen an die Ausübung

315 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 429 ff., 446; nicht speziell zum vertraglichen Gleichordnungskonzern ders. FS Wiedemalm S. 1199, 1217 ff.; im Ergebnis zustimmend Milde Gleichordnungskonzern S. 152 ff. 316 Keck Gleichordnungskonzerne S. 150 ff. ftir die AG, S. 165 ftir die GmbH. Keck spricht insoweit von "faktischen" Gleichordnungskonzernen (vgl. S. 141). 317 Emmerich!Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72. 318 MüKo-AktG/KropffVor § 3 II Rn. I 08f.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

von Leitungsmacht zu stellen sind, damit sie haftungsbegründend wirkt, lässt Raiser offen 319 . Krieger schließlich verweist ftir die Partner eines AG-Gleichordnungskonzerns auf die Schadensersatzpflicht nach§ 117 AktG 320 •

b)

Verlustausgleich entsprechend§ 302 AktG

Der Vorschlag, im vertraglichen Gleichordnungskonzern eine Verlustausgleichspflicht entsprechend § 302 AktG zu installieren, setzt sich souverän über das Gesetz und den Willen des historischen Gesetzgebers hinweg. So wenig Substanzielles die Vorschrift des § 291 Abs. 2 AktG im Übrigen enthalten mag, so eindeutig sagt sie doch, dass ein Gleichordnungsvertrag jedenfalls kein Beherrschungsvertrag ist. Das kann nur bedeuten, dass die Vorschriften, die tatbestandlieh gerade einen Beherrschungsvertrag voraussetzen, auf den Gleichordnungsvertrag nicht, auch nicht entsprechend anzuwenden sind. § 291 Abs. 2 AktG verbietet es deshalb zwar nicht, auch im Gleichordnungsvertrag einen Unternehmensvertrag zu sehen, der (bei der AG) zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf (§§ 293, 294 AktG). § 291 Abs. 2 AktG verbietet es aber, die speziell an den Beherrschungsvertrag anknüpfenden Vorschriften zu Verlustausgleich und Weisungsrecht (§§ 302, 303, 308 AktG) 321 entsprechend anzuwenden. In der - gegenüber dem eindeutigen Gesetzestext freilich weniger verbindlichen Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 heißt es zum Gleichordnungsvertrag: "Ein solcher Vertrag ist kein Beherrschungsvertrag, weil die Gesellschaft in einem solchen Gleichordnungskonzern selbst an der Willensbildung des Leitungsorgans beteiligt ist und ihr daher nicht die mit einem Beherrschungsvertrag verbundenen Gefahren drohen. Zielt der Vertrag nach Absatz 2 auf einen engeren Unternehmenszusammenschluss hin, so wird er in aller Regel mit einer Gewinngemeinschaft verbunden sein. Er bedarf dann als Unternehmensvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 der Zustimmung der Hauptversammlung. Beherrschungs- und Gewinnabftihrungsverträge durchbrechen begrifflich die für die Einzelgesellschaft geltende Ordnung. Namentlich beschränkt ein Beherrschungsvertrag die sonst vom Gesetz geforderte einheitliche Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand (§ 76)"322 • Aus dieser Passage sind in bezug auf den Willen des historischen Gesetzgebers

319 Raiser FS Ulmer S. 493, 508 f. 320 MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 86. 321 Für entsprechende Anwendung auch der§§ 304 f. AktG Keck Gleichordnungskonzerne S. 117; offen gelassen von Raiser Kapitalgesellschaften§ 56 Rn. 12, S. 934. 322 Regßegr. zu § 291 AktG, abgedruckt bei Kropf! S. 377 (Hervorhebungen durch Verf.).

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drei Schlüsse zu ziehen: Der Gleichordnungsvertrag lässt anders als ein Beherrschungsvertrag das Recht und die Pflicht des Vorstands unberührt, die gleichgeordnete Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 AktG); wenn der Gleichordnungsvertrag nicht mit einer Gewinngemeinschaft verbunden wird, ist er kein Unternehmensvertrag und nicht zustimmungsbedürftig; der Gleichordnungsvertrag ist weniger gefährlich als der Beherrschungsvertrag, so dass das für diesen vorgesehene Instrumentarium nicht anzuwenden ist 323 • Diese gesetzgeberische Konzeption des Gleichordnungsvertrages wird durch den Vorschlag, der Leitungsinstanz ein Weisungsrecht gegenüber den Unternehmensleitungen zu geben, dafür aber auch die Zustimmung der Hauptversammlung und eine Verlustausgleichspflicht vorzusehen, vollständig verlassen. c)

Verlustausgleich durch Ergebnisgemeinschaft

Der Ansatz Karsten Schmidts vermeidet demgegenüber die offene Opposition zu § 291 Abs. 2 AktG. Er will der Leitungsinstanz zwar ebenfalls ein Weisungsrecht gegen Verlustausgleich einräumen324 , den Verlustausgleich jedoch nicht über das Recht des Beherrschungsvertrages, sondern mittels bürgerlich-rechtlicher Vorschriften (§§ 713, 670, 730 ff. BGB) bewerkstelligen. Der Ansatz ist, was den vertraglichen Gleichordnungskonzern angeht, zweistufig: Ein Gleichordnungsvertrag legitimiert nur bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Verlustgemeinschaft ein uneingeschränktes Weisungsrecht der Leitungsinstanz; ein Gleichordnungsvertrag ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Verlustgemeinschaft bleibt ebenfalls möglich, gibt den Unternehmen dann aber das Recht, die Befolgung von Einzelweisungen vom Nachteilsausgleich abhängig zu machen 325 • Dem ist mit einer Modifikation zuzustimmen: Grundlage für Weisungsrecht und Verlustausgleichspflicht ist nicht die Vereinbarung einer Verlustgemein-

323 Vgl. KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77; Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 575: "Das Fehlen von Haftungsregeln im Gleichordnungskonzem beruht ... auf der Annahme, dass die beteiligten Gesellschaften sich durch ihren Einfluss auf das von ihnen mitbesetzte Leitungsorgan selbst vor nachteiligen Einflussnahmen schützen können." 324 K. Schmidt ZHR 155 (1991 ), S. 417, 430 f. 325 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 429 ff., 446; unzutreffend daher Jaschinski Schwestergesellschaften S. 141 ff., die in Auseinandersetzung mit der Ansicht K. Schmidts meint, da der Gleichordnungsvertrag ein BGB-Innengesellschaftsvertrag sei, würden unter den Parteien schon deshalb die Prinzipien der horizontalen Risikoteilung nach §§ 713, 670 BGB gelten, sofem sie nicht eigens abbedungen seien. Das Führen des eigenen Untemehmens ist ohne entsprechende Vereinbarung aber nicht mit einer Geschäftsführung ftir die BGB-Gesellschaft gleichzusetzen; nicht jeder dabei erlittene Verlust ist ersatzfähiger "Aufwand".

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schaft, sondern die einer Gewinn- oder besser Ergebnisgemeinschaft326 • "Ergebnisgemeinschaft" bedeutet die Vergemeinschaftung von Gewinnen und Verlusten; sie wird wie die reine Gewinngemeinschaft von§ 292 Abs. I Nr. I AktG erfasse 27 und ist anders als die isolierte Verlustgemeinschaft nicht nur eine rein theoretische Erscheinung328 • In der Ergebnisgemeinschaft wird vertraglich auch eine Verlustausgleichspflicht vereinbart und insoweit auf Rechtsfolgenseite eine Situation hergestellt, die derjenigen im Beherrschungsvertrag (§ 302 AktG) entspricht. Das rechtfertigt es, fur diesen Sonderfall auch die vertragliche Vereinbarung eines Weisungsrechts fur die Leitungsinstanz zuzulassen. § 29I Abs. 2 AktG steht dem nicht entgegen, weil die Verlustausgleichspflicht nicht mit § 302 AktG begründet wird und nicht fur jeden Gleichordnungsvertrag zwingend vorgeschrieben wird, sondern von der freiwilligen, zusätzlichen Vereinbarung einer Ergebnisgemeinschaft abhängt329 . Der Wille des historischen Gesetzgebers wird respektiert, weil dieser mit der auf einen "engeren Unternehmenszusammenschluss" zielenden Verbindung von Gleichordnungsvertrag und Gewinn- bzw. Ergebnisgemeinschaft eine neue Wertungsstufe-die des zustimmungsbedürftigen Unternehmensvertrages - erreicht sah 330 • Diese neue Wertungsstufe würde durch eine isolierte Verlustgemeinschaft, die von § 292 Abs. I Nr. I AktG nicht erfasst wird331 , nicht erreicht. Wenn Karsten Schmidt dennoch auf den wohl theoretisch bleibenden Fall der Vereinbarung einer reinen Verlustgemeinschaft abstellen und daran eine horizontale Risikoteilung nach dem Vorbild der §§ 7I3, 670, 730 ff. BGB knüpfen will, geschieht dies wohl in erster Linie, um in der Folge auch fur die von ihm so genannte "qualifizierte 326 Ebenso schon Milde Gleichordnungskonzern S. 152 ff.; der vom Gesetzgeber verwendete Begriff der Gewinngemeinschaft kann auch die Ergebnisgemeinschaft meinen, die Vergemeinschaftung der Verluste also mit umfassen, vgl. Emmerich!Habersack § 292 Rn. I 0 ("auch"). 327 MüKo-AktG/Altmeppen § 292 Rn. 15. 328 KK!Koppensteiner § 292 Rn. 32; dass ein Zwang zur Verlustgemeinschaft in der Vertragspraxis zur Ergebnisgemeinschaft führen wird, konzediert auch K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,430. 329 Das ist nach der zuvor diskutierten Ansicht wohl anders, sofern die Gesellschafter dem Gleichordnungsvertrag qualifiziert zugestimmt haben: So heißt es etwa bei Emmerich!Habersack § 18 Rn. 36 f., bei Zustimmung sei die Situation mit der in einem Vertragskonzern vergleichbar. "Dies bedeutet, dass dann nachteilige Weisungen zwar grundsätzlich zulässig sind (entsprechend § 308), jedoch analog den§§ 302 und 303 eine Verlustausgleichspflicht der verbundenen Gesellschaften nach sich ziehen. Ohne Zustimmung der Gesellschafter. .. ist der Gleichordnungskonzern unzulässig". Den Unternehmen und ihren Gesellschaftern wird also ein bestimmter Typ des Gleichordnungsvertrages aufgezwungen, der kraft Gesetzes Zustimmungserfordernisse und Verlustausgleichspflichten auslöst. 330 Vgl. RegBegr. zu§ 291 AktG, abgedruckt bei KropffS. 377. 331 MüKo-AktG!Altmeppen § 292 Rn. 34, 72 f.; Emmerich!Habersack § 292 Rn. 10.

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Gleichordnung" entsprechende Verlustausgleichspflichten begründen zu können332 • Für den "qualifiziert faktischen Gleichordnungskonzern"- so es ihn denn geben sollte - erschiene in der Tat allenfalls eine gesetzliche Verlustgemeinschaft als Folge einer analogen Anwendung der §§ 730 ff. BGB begründbar, jedoch keine Ergebnisgemeinschaft nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Für den vertraglichen Gleichordnungskonzern ist dagegen die Verbindung mit einer Gewinngemeinschaft der überzeugendere Anknüpfungspunkt. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die gleichgeordneten Unternehmen nur dann eine Verlustausgleichspflicht trifft, wenn diese vertraglich als Teil einer Gewinngemeinschaft vereinbart ist; gleichzeitig kann dann auch ein bindendes Weisungsrecht vereinbart werden. Im Gleichordnungskonzern ohne gleichzeitige Gewinngemeinschaft darf den vertragsschließenden Unternehmen eine Verlustausgleichspflicht dagegen nicht aufgezwungen werden. In der Praxis müsste sonst jeder Gleichordnungskonzern mit einer Gewinngemeinschaft einhergehen.

d)

Einzelausgleich entsprechend §§ 311, 317 AktG

Im Gleichordnungskonzern ohne Gewinngemeinschaft kommt ein Einzelausgleich analog § § 311, 317 AktG in Betracht, wie er etwa von Keck für den Fall vertreten wird, dass die Gesellschafter dem Gleichordnungsvertrag nicht zugestimmt haben. Keck legt allerdings die Analogievoraussetzungen nicht dar. Sie untersucht und verneint zunächst die Möglichkeit einer Abhängigkeitsbeziehung i.S.d. § 17 Abs. I AktG sowohl im Verhältnis zu den Schwestergesellschaften als auch im Verhältnis zur Leitungsinstanz. In der Leitungsinstanz entstehe delegierte Herrschaftsgewalt aufgrund eines faktischen Einigungszwanges; insofern könne man zwar von "Abhängigkeit" reden, diese sei aber "qualitativ anders" als die gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeit. Die §§ 311 bis 318 AktG seien nicht anwendbar, schon weil sie ein herrschendes Unternehmen voraussetzten, an dem es fehle 333 . Angesichts dieser Betonung der qualitativen Andersartigkeit der "Abhängigkeit" im Gleichordnungskonzern und des FehJens eines herrschenden Unternehmens ist nicht erkennbar, worin die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit mit Abhängigkeitsverhältnissen im Unterordnungskonzern bestehen soll. Das gilt erst recht, wenn die Ausgleichspflicht mit Keck anteilig alle Konzernpartner

332 Vgl. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 440 ff.; ders. FS Wiedemann S. 1199, 1219; näher zum "qualifiziert faktischen Gleichordnungskonzern" unten § 5 li. 333 Keck Gleichordnungskonzerne S. 27 ff., insbesondere S. 30.

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treffen soll und nicht nur die, die der schädigenden Maßnahme im Einzelfall zugestimmt haben334 . Dann fehlt es zusätzlich an einer Veranlassung i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG durch die ersatzpflichtige Gesellschaft. Ein Einzelausgleich über Regelungen, die speziell auf Abhängigkeitsverhältnisse zugeschnitten sind, erscheint nur vertretbar, wenn man zumindest eine Abhän§igkeit der gleichgeordneten Unternehmen von der Leitungsinstanz bejahe 5 . Das Beherrschungsverhältnis könnte den anderen gleichgeordneten Unternehmen dann womöglich fallweise zugerechnet werden336 • Die für die Zurechnung entscheidende Rollenverteilung von "Werkzeug" und "Hintermann" ist im vertraglichen Gleichordnungskonzern eine andere als im faktischen Unterordnungskonzern. Im Unterordnungskonzern können die Schwestergesellschaften nur Werkzeug des herrschenden Unternehmens sein; im Gleichordnungskonzern könnte dagegen die Leitungsinstanz zum Werkzeug der gleichgeordneten Unternehmen werden. Denn die Leitungsinstanz verfolgt kein unternehmerisches Eigeninteresse, sondern ist für die Willensbildung der Konzernunternehmen eingesetzt337 • Eine Alternative zur Zurechnung könnte darin liegen, zunächst entsprechend §§ 311, 317 AktG eine Haftung der Leitungsinstanz selbst zu begründen und diese sodann wieder gemäß § 117 Abs. 3 AktG auf die gleichgeordneten Unternehmen zu verlängern. Im Ergebnis würde das der Lage im faktischen Unterordnungskonzern nahe kommen 338 • Dieser Ansatz hätte den Vorteil, dass die "Zurechnungsvoraussetzungen" klargestellt sind: Gleichgeordnete Unternehmen müssen, obwohl selbst nicht herrschend, für nachteilige Einflussnahmen der Leitungsinstanz haften, wenn sie diese veranlasst und von ihnen profitiert haben. Eine solche Konstruktion stieße jedoch auf die Schwierigkeit, dass die Leitungsinstanz im vertraglichen Gleichordnungs-

334 Keck Gleichordnungskonzerne S. 152. 335 Vgl. Paschke/Reuter ZHR 158 (1994), S. 390,395 f.: Erst die Störungen des Kompetenzgeftiges, die durch Abhängigkeit von der Leitungsinstanz entstehen, rechtfertigen konzernrechtliche Rechtsfolgen. 336 Die Zurechnung muss nicht zur dauernden Abhängigkeit von den anderen gleichgeordneten Unternehmen führen, die mit der Annahme eines Gleichordnungskonzerns und den§§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktGunvereinbar wäre. Jedes Unternehmen bliebe dauerhaft allein von der Leitungsinstanz abhängig und könnte seine Interessen nur fallweise gegen die der anderen gleichgeordneten Unternehmen durchsetzen.- Vgl. auch MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 79 und Jacob Gleichordnungskonzerne S. 13, denen zufolge Abhängigkeit von der Leitungsinstanz zur mittelbaren Abhängigkeit von den gleichgeordneten Unternehmen führt; auch das ist nicht zwingend, vgl. oben §I A 12. 337 Hüffer § 15 Rn. 10; KK!Koppensteiner § 15 Rn. 35. 338 Vgl. oben§ I A III, B 111.

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konzern nicht unbedingt rechtsf::ihig sein muss 339 ; eine Führungs-GmbH etwa käme als Schuldner von Schadensersatzansprüchen nach §§ 311, 317 AktG analog in Betracht, ein bloßer Ausschuss oder Doppelvorstand dagegen niche 40 . Gerade im letzten Fall personeller Verflechtung zwischen den Geschäftsleitungen ist augenf::illig, dass es an einem "außenstehenden Dritten" fehlt, wie ihn die §§ 311 ff. AktG fiir die Rolle des "herrschenden Unternehmens" voraussetzen341 . Nach herrschender Meinung ist indessen der Gleichordnungskonzern ein Konzern ganz ohne Abhängigkeit, also auch ohne Abhängigkeit von der Leitungsinstanz342 . Dass die Leitungsinstanz erheblichen, auch nachteiligen Einfluss auf die Konzernmitglieder gewinnen kann, wird eingeräumt; dies 339 Zur Untemehmensqualität Emmerich/Habersack § 15 Rn. 20b.- Erstaunlicherweise wird selbst ftir das herrschende Unternehmen oft gar keine Rechtsfahigkeit gefordert (Geßler/Hefermehl/Geß/er § 15 Rn. 61; Hüffer § 15 Rn. 15; Schäfer NJW 1967, S. 1741; Gromann Gleichordnungskonzerne S. 51 f. sieht die Leitungsinstanz auch ohne Rechtsfahigkeit als Untemehmen an). Auch bloße BGB-Innengesellschaften Getzt offen gelassen von Emmerich!Habersack § 15 Rn. II, 20 ff.) und ganze Familienstämme (BGHZ 62, 193, 199 ff.- Seitz; 74, 359, 365 ff.- WAZ; KG WuW/E OLG 4835; Bechtold § 36 GWB Rn. 38) wurden schon als herrschende Untemehmen angesehen. In kartellrechtlichem Zusammenhang mag das angehen, wenn es etwa im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle nur darum geht, welche Untemehmen in die Umsatzbetrachtung einzubeziehen sind (§§ 35 f. GWB). Gesellschaftsrechtlich muss das herrschende Unternehmen aber in der Lage sein, Verträge zu schließen (§§ 291, 292 AktG) und Schadensersatzansprüche zu erfiillen (§§ 311, 317 AktG), und deshalb rechtsfähig sein (KK/ Koppensteiner § 15 Rn. 31 ff.; K. Schmidt ZHR 155 ( 1991 ), S. 417, 425; Milde Gleichordnungskonzem S. I 0 ff.). 340 Die Leitungsinstanz wird als Anspruchsgegner sofort verworfen von Weilkamp DB 1993, S. 2517, 2520; Keck Gleichordnungskonzerne S. 117 ff.; vgl. auch Gromann Gleichordnungskonzerne S. 51, der bezogen auf die Leitungsinstanz meint, das Ausgleichssystemder §§ 311 ff. AktG könne nicht funktionieren. Jedenfalls für eine Führungs-GmbH und mit Blick auf eine mögliche Haftungsverlängerung gemäß § 117 Abs. 3 AktG erscheint das voreilig. Die §§ 311, 317 AktG könnten sogar bei bloßen Ausschüssen und Doppelvorständen dazu dienen, die Pflichten der Verwaltungsmitglieder zu konkretisieren. 341 Die §§ 311, 317 AktG setzen, ebenso wie die Vorstellung von Abhängigkeit, notwendig eine gewisse Verselbständigung der Leitungsinstanz von den Vertretungsorganen des abhängigen Untemehmens voraus. Vgl. Wiedentann Unternehmensgruppe S. 3, der kritisiert, dass das Aktiengesetz das herrschende Unternehmen "wie einen außenstellenden Dritten der abhängigen Gesellschaft gegenüberstellt"; außerdem Welfkamp DB 1993, S. 2517, 2518 und .laschinski Schwestergesellschaften S. 99 ff., die die Leitungsinstanz beide als "extemes Organ" bezeichnen, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem Fall des Doppelvorstandes. Für den faktischen Unterordnungskonzern spricht Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzemrecht § 25 I 2 b, S. 403 bei personeller Verflechtung von "von innen" kommenden Veranlassungen. 342 So z.B. Gromann Gleichordnungskonzerne S. 48 ff.; Hüffer § 18 Rn. 20 und§ 291 Rn. 34; GK-AktG/Windbichler § 18 Rn. 52; KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77; Keck Gleichordnungskonzerne S. 21 ff.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

begründe jedoch keine Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG, sondern allenfalls eine "qualitativ andere", "sonstige Abhängigkeit" 343 . Diese Ansicht wurde zuerst von Karsten Schmidt in Frage gestellt344 • Anlass waren von den Kartellbehörden untersuchte Fälle, in denen Mitglieder von Gleichordnungskonzernen ihren Organen die jeweilige Leitungsbefugnis vollständig entzogen und auf die gemeinsame Leitungsinstanz übertragen hatten345 . Karsten Schmidt stellte hierzu fest, in derartigen Fallgestaltungen lasse es sich leicht denken, dass selbst bei einem Einstimmigkeitserfordernis Unterwerfungseffekte entstehen, sei es durch Gruppenzwang, sei es weil einzelne Mitglieder von einer einstimmig beschlossenen Konzernführungsmaßnahme mit eigenen Kräften nicht mehr loskommen. Bei Zulässigkeil von Mehrheitsentscheidungen schließlich scheine es "überhaupt nicht mehr zweifelhaft, dass hier von Abhängigkeit im Gleichordnungskonzern gesprochen werden müsste: zwar nicht im Sinne von Abhängigkeit eines einzelnen Konzernunternehmens von einem einzelnen anderen, wohl aber doch im Sinne einer Abhängigkeit von der gemeinschaftlichen Konzernleitung"346 • Im Anschluss an Karsten Schmidt wird die Möglichkeit von Abhängigkeit im Gleichordnungskonzern - mit Differenzierungen im Einzelnen - auch von anderen Autoren bejahe 47 • "Abhängigkeit" kann im vertraglichen Gleichordnungskonzern nur eine vertragliche sein, keine faktische. Für den faktischen Unterordnungskonzern

343 So Keck Gleichordnungskonzerne S. 30; vgl. KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77: punktuell nachteilige Einflussnahme; Milde Gleichordnungskonzern S. 129 ff. 344 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,421 ff.; ders. FS Rittner 1991 S. 561,574 ff.Nicht damit zu verwechseln ist die auch zuvor schon diskutierte Frage, ob Abhängigkeit von den anderen Mitgliedsunternehmen und damit ein Unterordnungskonzern entsteht, wenn einzelne Mitgliedsunternehmen dauerhaft übergangen bzw. überstimmt werden, vgl. dazu Gromann Gleichordnungskonzerne S. 47; KK!Koppensteiner § 291 Rn. 73; Milde Gleichordnungskonzern S. 128. 345 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 423 f., unter Verweis auf die Tätigkeitsberichte des Bundeskartellamts flir 1973, BT-Drucks. 7/2250, S. 98 f.- Südmilch; 1979/80, BT-Drucks. 9/565, S. 82 f.; 1981/82, BT-Drucks. 10/243, S. 66 f. 346 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,424. 347 Weilkamp DB 1993, S. 2517 f.; Jaschinski Schwestergesellschaften S. 99 ff.: im Gleichordnungskonzern bestehe schon wegen des Erfordernisses der einheitlichen Leitung stets Abhängigkeit der Konzernpartner von der Leitungsinstanz; nach MüKoAktG/Bayer § 18 Rn. 57 ist in mehrgliedrigen Konzernen bei Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungeil einjederzeitiges Kündigungsrecht erforderlich, um Abhängigkeit zu vermeiden; Paschke/Reuter ZHR 158 (1994), S. 390, 395 f. möchten den Tatbestand des Gleichordnungskonzerns aufFälle einengen, in denen die Beziehungen zwischen den Konzernunternehmen organisationsrechtlich geprägt sind und Abhängigkeit von der Leitungsinstanz besteht; erst die damit verbundenen Störungen des Kompetenzgefüges rechtfertigten konzernrechtliche Rechtsfolgen.

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Horizontaler Einzelausgleich

geht das Gesetz davon aus, dass der Vorstand den Wünschen des Mehrheitsaktionärs regelmäßig schon wegen seines Interesses an einer Wiederbestellung durch den Aufsichtsrat nachkommen wird; ein förmliches Weisungsrecht ist daneben nicht erforderlich348 . Für den vertraglichen Unterordnungskonzern sieht § 308 AktG dagegen ein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens vor, das dieses - wenn es sich nicht zugleich um den Mehrheitsaktionär handelt - auch benötigt, um im Konfliktfall seinen Willen gegen den Vorstand des abhängigen Unternehmens rechtlich durchsetzen zu können. Nach herrschender Meinung ist diese Weisungsbefugnis des § 308 AktG unverzichtbares Merkmal eines Beherrschungsvertrages349 . Die Leitungsinstanz eines Gleichordnungskonzerns hat keinen Einfluss auf die Wiederbestellung der einzelnen Geschäftsleitungen, verfugt damit nicht über die informellen Druckmittel eines Mehrheitsaktionärs350 • Von Abhängigkeit lässt sich daher allenfalls sprechen, wenn der Leitungsinstanz ebenso wie beim Beherrschungsvertrag vertraglich ein Weisungsrecht eingeräumt wird. Eine analoge Anwendung der§§ 311, 317 AktG setzt damit- entgegen Krop.ff 351 - die Annahme eines Weisungsrechts gerade voraus. Dass die §§ 311 ff. AktG auf Unrechtshandlungen zugeschnitten sind, steht nicht entgegen: Denn bei dem Weisungsrecht kann es sich ersichtlich nicht um ein umfassendes Weisungsrecht handeln, auf das dann wie beim Beherrschungsvertrag zwingend mit einer Verlustausgleichspflicht (§ 302 AktG) reagiert werden müsste 352 • Möglich ist vielmehr nur ein inhaltlich stark eingeschränktes Weisungsrecht, das "nachteilige" Weisungen etwa nur gegen (sofortigen 353 ) Nachteilsausgleich erlaubt (§ 311 AktG) 354 . Der Nachteilsausgleich selbst 348 Geßler/Hefermehl/Geß/er § 17 Rn. 30. 349 Hüffer § 291 Rn. II; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § II II 2 a, S. 161; a.A. MüKo-AktG/Altmeppen § 291 Rn. 94 ff. 350 So auch Keck Gleichordnungskonzerne S. 28 ff., die jedoch bei dieser Feststellung stehen bleibt und die Möglichkeit vertraglicher Abhängigkeit außer Acht lässt. 351 MüKo-AktG/KropffVor § 311 Rn. 108 f. 352 A.A. insoweit nur KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77. 353 Für einen gestreckten Nachteilsausgleich wäre die Aufstellung eines "Gleichordnungsberichts" analog§ 312 AktG Voraussetzung; vgl. dazu MüKo-AktG/Bayer § 18 Rn. 59: "De lege ferenda (oder de lege lata im Wege der Rechtsfortbildung?) sollte erwogen werden, der Schädigungsgefahr präventiv durch die Verpflichtung zur Aufstellung eines ,Gleichordnungsberichts' analog § 312 vorzubeugen, wie es teilweise in der Praxis bereits auf freiwilliger Basis vorexerziert wird"; offen gelassen von MüKo-AktG/Kropff Vor § 311 Rn. 115). Jedenfalls im GmbH-Gleichordnungskonzern ist das ausgeschlossen, vgl. oben § 1 B Ili 2 b zum Abhängigkeitsbericht 3 54 Ähnlich K. Schmidt ZHR 155 ( 1991 ), S. 417, 431 f., 446: die ratio des § 311 AktG kann nicht vom Vorhandensein eines herrschenden Unternehmens abhängig sein; gleichgeordnete Gesellschaften unterliegen einer Folgepflicht nur gegen Nachteilsausgleich; im Ergebnis auch Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 566 f. auf der Basis der Treuepflicht.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

beruht dann auf vertraglicher Vereinbarung. Schadensersatz gemäß § 317 AktG ist erst bei Verwirklichung eines Unrechtstatbestandes, nämlich bei Überschreitung des Weisungsrechts zu leisten. Ein "Schädigungsverbot" zwischen den Partnern eines Gleichordnungskonzerns ließe sich dann treffender mit den §§ 311, 317 AktG begründen als mit der insoweit wohl überforderten Treuepflicht355 • Das Bestehen eines Weisungsrechts ist nicht die einzige Voraussetzung fiir "Abhängigkeit" von der Leitungsinstanz: Im vertraglichen Gleichordnungskonzern kann das gleichgeordnete Unternehmen möglicherweise schon das Zustandekommen von nachteiligen Weisungen verhindern. Besteht der Gleichordnungskonzern aus lediglich zwei Partnern, welche die Leitungsinstanz paritätisch besetzen, kann jede Gesellschaft ihr nicht genehme Weisungen dieser Leitungsinstanz zuverlässig verhindern356 • Bei zweigliedrigen Gleichordnungskonzernen mit paritätisch besetzter Leitungsinstanz ist Abhängigkeit denknotwendig ausgeschlossen. Dasselbe gilt, wenn in mehrgliedrigen Gleichordnungskonzernen jede Gesellschaft einen Vertreter in die Leitungsinstanz entsendet und Entscheidungen dort nur einstimmig getroffen werden können. Wenn die einheitliche Leitung schließlich allein durch personelle Verflechtungen auf der Ebene der Geschäftsleiter erreicht wird, ist für Weisungen einer außerhalb des Unternehmens stehenden Leitungsinstanz schon begrifflich kein Raum: Der Doppelmandatsträger kann sich nicht selbst anweisen und hat es in der Hand, eine nachteilige Entscheidung nicht zu treffen. Abhängigkeit von einer Leitungsinstanz kommt daher nur in Betracht, wenn Entscheidungen gegen den Willen der Gesellschaft möglich sind, also nur bei Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen innerhalb der Leitungsinstanz. In den übrigen Fällen handelt es sich um rein wirtschaftliche, wechselseitige Zwänge und Abhängigkeiten, die nicht das Verhältnis zur Leitungsinstanz, sondern das zu den anderen gleichgeordneten Unter355 V gl. dazu oben § I C !I I. 356 Dennoch nimmt Weilkamp OB 1993, S. 2517, 2518 Abhängigkeit an mit der Begründung, "persönlicher Druck, wirtschaftliches Übergewicht und faktisches Durchsetzungsvennögen eines der Partner (könnten) eine Unterordnung unter den Gruppenwillen verursachen". Dabei wird übersehen, dass das Gesetz es auch jedem anderen Verhandlungspartner zumutet, wirtschaftlichem Druck standzuhalten; zudem wird bei zwei Partnern, die sich nicht einigen können, schon die Fonnulierung des Gruppenwillens verhindert, unter den dann erst eine Unterordnung erfolgen könnte. - Jaschinski Schwestergesellschaften S. 103 f. nimmt im vertraglichen Gleichordnungskonzern stets Abhängigkeit an und verweist die Frage, wie Entscheidungen der Leitungsinstanz zustande kommen, allein ins Innenverhältnis der Leitungsinstanz. Nach außen spreche sie mit einer Stimme. Das effektivste Mittel, die Durchsetzung einer Entscheidung abzuwehren, ist aber, schon ihr Zustandekommen zu verhindern. Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis wirkt deshalb gekünstelt.

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Horizontaler Einzelausgleich

nehmen betreffen und den Abhängigkeitsbegriff von vomherein nicht erfüllen357. In den wenigen danach verbleibenden Fällen - Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen einer Leitungsinstanz bei Bestehen eines Weisungsrecht scheitert die Annahme von Abhängigkeit jedenfalls am (unabdingbaren) Recht der gleichgeordneten Unternehmen zur Kündigung aus wichtigem Grund, § 723 BGB. Zwar ist auch die Beendigung eines Beherrschungsvertrages aus wichtigem Grund möglich (§§ 297, 299 AktG), ohne dass dies dort der Annahme von Abhängigkeit entgegenstünde. Im Fall eines Beherrschungsvertrages soll die Erteilung unzulässiger Weisungen aber nur dann ein wichtiger Grund sein, wenn sie sich dauernd wiederholen, wenn es dem Vorstand der Gesellschaft durch das Verhalten des herrschenden Unternehmens schwer fallt zu erkennen, ob sich die Weisungen im Rahmen des Weisungsrechts halten, und schließlich mit allen Mitteln hartnäckig versucht wird, ihre Ausführung durchzusetzen358 . Diese hohen Anforderungen rechtfertigen sich daraus, dass zum einen der Beherrschungsvertrag gerade darauf zielt, dem herrschenden Unternehmen die Erteilung von Weisungen zu ermöglichen (§ 308 AktG), und zum anderen das herrschende Unternehmen über die umfassende Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG letztlich auch die wirtschaftlichen Risiken trägt, die mit möglicherweise unzulässigen Weisungen einhergehen. Der Gleichordnungsvertrag bezweckt dagegen die partnerschaftliehe Zusammenarbeit der gleichgeordneten Unternehmen. Der durch unzulässige Weisungen verursachte Schaden verbleibt hier möglicherweise endgültig beim angewiesenen Unternehmen, wenn er nicht zu beziffern und deshalb auch nicht zuverlässig auszugleichen ist. Beim Gleichordnungsvertrag sind die Hürden für eine Kündigung aus wichtigem Grund deshalb niedriger anzusetzen als beim Beherrschungsvertrag. Wird die Leitungsinstanz etwa als Vehikel eingesetzt, einzelnen Unternehmen den unternehmerischen Willen der anderen aufzuzwingen, stellt dies bereits einen wichtigen Grund für die Kündi?ung der BOB-Gesellschaft dar, die der Gleichordnungskonzern letztlich ist35 . Der Leitungsinstanz eines Gleichordnungskonzerns steht deshalb keine Beherrschungsmacht zu, die ebenso dauerhaft und verlässlich ist wie die des Mehrheitsaktionärs oder des anderen Teils eines Beherrschungsvertrages. 357 V gl. oben § I AI I; das verkennt Wellkamp DB 1993, S. 2517, 2518. 358 So die Aufzählung bei MüKo-AktG/Altmeppen § 297 Rn. 27; Emmerich!Habersack § 297 Rn. 23: "wiederholte hartnäckige Überschreitung" der Grenzen des Weisungsrechts. 359 Wegen des Kündigungsrechts aus § 723 BGB verneinen auch Milde Gleichordnungskonzern S. 130 und GK-AktG/Windbichler § 18 Rn. 52 Abhängigkeit von der Leitungsinstanz.

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Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

In vertraglichen Gleichordnungskonzernen besteht keine Abhängigkeit von der Leitungsinstanz. Ohne Abhängigkeit sind auch die §§ 311, 317 AktG nicht entsprechend anzuwenden. e)

Einseitige Ausübung von Leitungsmacht

Raiser will im Verhältnis der Schwestergesellschaften nicht von Beherrschung und Abhängigkeit, sondern von der einseitigen Ausübung von "Leitungsmacht" sprechen. Er trägt damit dem Umstand Rechnung, dass zwischen gleichgeordneten Unternehmen "ein Verhältnis von Herrschaft und Abhängigkeit im Sinn des § 17 AktG, wie es die direkte oder analoge Anwendung der Haftungsvorschriften der §§ 302, 303 AktG nach allgemeiner Meinung voraussetzt, nicht bestehen kann" 360 • Der stattdessen verwendete Begriff der Leitungsmacht dürfte somit ein Minus gegenüber dem beherrschenden Einfluss i.S.v. § 17 AktG darstellen.

Der Terminus "Leitungsmacht" ist den gesetzlichen Überschriften vor und zu § 308 AktG entlehnt und meint dort das unternehmensvertraglich eingeräumte Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens. Nach Raiser soll Leitungsmacht indessen nicht nur auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen den gleichgeordneten Unternehmen gründen können, sondern auch auf "faktischen Gewichtsverhältnissen", sofern sie dazu führen, dass der Konzern tatsächlich nur von einem der gleichgeordneten Unternehmen geleitet wird361 • Die Leitungsmacht ist dann keine rechtlich fundierte, sondern eine rein tatsächliche. Dem gleichgeordneten Unternehmen stehen gesellschaftsrechtliche Instrumente zur Einflussnahme nicht zu Gebote. Insbesondere verfUgt es nicht über die infonnellen Druckmittel eines Mehrheitsgesellschafters, weil es keinen Einfluss auf die Wiederbestellung der Geschäftsleitung eines Partnerunternehmens hat. Die Leitungsmacht kann daher nur auf einer wirtschaftlichen Machtposition beruhen. Will man den Begriff der Leitungsmacht ausfüllen, bietet es sich deshalb an, hinsichtlich der "faktischen Gewichtsverhältnisse" an die zu § 17 AktG geführte Diskussion zur wirtschaftlichen Abhängigkeit anzuknüpfen 362 • Allerdings wurde im dortigen Kontext bereits festgestellt, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten im Konzern oft wechselseitige sind, also gerade nicht von haftungsbegründender Einseitigkeit. Zudem erscheint die Ausnutzung wirtschaftlicher Zwänge auch im vertraglichen Gleichordnungskonzern nicht ohne weiteres als rechtswidrig, wie dies Raiser weiter verlangt. Soweit die Leitungsmacht ihre Grundlage dagegen in vertraglichen Vereinbarungen finden soll, kann auf die obigen 360 Raiser FS Ulmer S. 492, 496. 361 Raiser FS Ulmer S. 492, 508. 362 Dazu oben § I A I I b und c.

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Horizontaler Einzelausgleich

Untersuchungen zur (fehlenden) Abhängigkeit von der Leitungsinstanz verwiesen werden363 . Auch gleichgeordnete Unternehmen sind nicht vor sich selbst (der eigenen Geschäftsleitung) zu schützen, so dass haftungsbegründende "Leitungsmacht" wohl nur angenommen werden kann, wenn die Unternehmen es nicht selbst in der Hand haben, ihre Schädigung zu verhindern. Dieser Fall kann eintreten, wenn eine Leitungsinstanz Mehrheitsentscheidungen treffen und auf dieser Grundlage verbindliche Weisungen erteilen kann. Eine Weisung wird aber kaum verbindlich, sondern vielmehr treuwidrig sein, wenn sie - so die weitere Haftungsvoraussetzung - keine angemessene Rücksicht auf die Vermögenslage des betroffenen Unternehmens nimmt und zur Folge hat, dass dieses seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann. Das Konzernrecht soll gerade vor den Gefahren schützen, die daraus erwachsen, dass unter Konzernbedingungen gesellschaftsfremde Partikularinteressen bestehen und - wegen bestehender Abhängigkeit - auch wirksam zur Geltung gebracht werden können 364 . Auch im vertraglichen Unterordnungskonzern geht Leitungsmacht (§ 308 AktG) mit Abhängigkeit einher365 . Eine konzernspezifische Haftung wegen einseitiger Ausübung von Leitungsmacht, die weniger als Beherrschung i.S.d. § 17 AktG ist, erscheint im geschriebenen Konzernrecht nicht angelegt und damit auch nur schwer zu vereinbaren. In AG-Gleichordnungskonzernen bleibt die Möglichkeit, § 117 AktG zur Anwendung zu bringen366 . Ein gleichgeordnetes Unternehmen kann danach zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn es seinen infolge der Konzernierung bestehenden Einfluss auf ein anderes gleichgeordnetes Unternehmen zu dessen Nachteil nutzt. Mangels Abhängigkeit besteht kein Vorrang für die §§ 311 ff. AktG als Ieges speciales367 . Jedoch werden die tatbestandliehen Voraussetzungen des § 117 AktG nur selten erfüllt sein, hauptsächlich, weil Vorsatz des Einflussnehmers verlangt wird, ferner auch, weil der Einfluss auf bestimmte Verwaltungsmitglieder ausgeübt werden muss. Auch über § 117 AktG lässt sich deshalb kein zuverlässiges Ausgleichssystem installieren, sondern lediglich im Einzelfall ein Schadensersatzanspruch statuieren.

363 364 365 366 367

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Soeben§ 1 C ll 2 d. Hüffer § 15 Rn. 3. Hüffer § 17 Rn. 12. MüHdb. AG/Krieger§ 68 Rn. 86. Näher oben § 1 A Il2.

Konzernspezifische Anspruchsgrundlagen

f)

Weisungsrecht ohne Ergebnisgemeinschaft

Im vertraglichen Gleichordnungskonzern lässt sich ohne gleichzeitige Ergebnisgemeinschaft weder eine Verlustausgleichspflicht noch ein Einzelausgleichssystem begründen, das Schädigungen der gleichgeordneten Unternehmen durch nachteilige Weisungen zuverlässig verhindem könnte. Als Konsequenz gilt es deshalb, solche Schädigungen schon im Ansatz zu verhindern, indem die Eigenverantwortlichkeit der Vorstände (§ 76 AktG) bestehen bleibt und nicht durch ein Weisungsrecht der Leitungsinstanz durchbrachen wird. Soweit im Schrifttum eine Weisungsbefugnis der Leitungsinstanz bejaht wird, weil sich ein Gleichordnungskonzern sonst nicht effektiv fuhren lasse 368 , wird daran im Allgemeinen eine Verlustausgleichspflicht entsprechend § 302 AktG geknüpft. Lediglich Koppensteiner bejaht eine Folgepflicht ohne damit einhergehenden Verlustausgleich. Den normativen Anhaltspunkt sieht Koppensteiner in§ 291 Abs. 2 AktG: Dieser besage unmissverständlich, dass sich die Gesellschaft einem Leitungswillen unterstellen dürfe, der nicht von ihr (allein) geprägt werde; § 291 Abs. 2 AktG sei daher Iex specialis zu § 76 Abs. I AktG 369 • § 291 Abs. 2 AktG enthält aber keine andere Aussage als die, dass ein Gleichordnungsvertrag kein Beherrschungsvertrag ist. Eine Derogation des § 76 Abs. 1 AktG, mithin ein umfassendes Weisungsrecht entsprechend § 308 AktG, wäre daher nur vertretbar, wenn darauf ebenso wie bei einem Beherrschungsvertrag mit einer umfassenden Verlustausgleichspflicht reagiert werden könnte; das ist nur bei Vereinbarung einer Ergebnisgemeinschaft der Fall. Für die GmbH gilt Entsprechendes: Insoweit fehlt zwar eine dem § 76 Abs. 1 AktGentsprechende Bestimmung, eine Schranke für die Auslagerung von Weisungsrechten auf die Leitungsinstanz eines Gleichordnungskonzerns ergibt sich hier jedoch aus der Rechtsstellung der GmbH-Gesellschafter: Die Kompetenzen der Gesellschafter dürfen nicht bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt und auf Organe verlagert werden, die von den Gesellschaftern nicht kontrolliert werden können370 • Aus konzernrechtlicher Sicht kommt hinzu, dass das Gesetz die Einräumung von Weisungsrechten an ein anderes Untemelunen nur bei genügender Sicherung der außensiehenden Aktionäre und Gläubiger 368 KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77; Weilkamp DB 1993, S. 2517, 2519 f.; Jaschinski Schwestergesellschaften S. I 04. Anders Gromann Gleichordnungskonzerne S. 58 ff., der die praktische Notwendigkeit nachteiliger Weisungen beschreibt, eine Folgepflicht aber dennoch verneint; a.A. auch MüHdb. AG/Krieger § 68 Rn. 86; offen gelassen von Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 11, S. 933 f. 369 KK!Koppensteiner § 291 Rn. 77; zustimmend Milde Gleichordnungskonzern S. 139; dagegen K. Schmidt ZHR (151) 1991, S. 417, 428. 3 70 Lutter!Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff § 45 Rn. 6; Scholz!Schmidt § 45 Rn. I 0; Hösch WiB 1997, S. 231, 233.

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Horizontaler Einzelausgleich

erlaubt (§§ 302 ff. AktG), die sich im Gleichordnungskonzern aber eben nicht verwirklichen lässt. Das mögliche Gegenargument, dass ohne das Recht zur Erteilung auch nachteiliger Weisungen die von §§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG vorausgesetzte einheitliche Leitung im Gleichordnungskonzern nicht nur erschwert, sondern generell ausgeschlossen sein könnte, hat schon Milde widerlegt371 : Auch ohne die Möglichkeit, bei auftretenden Interessenkonflikten die Konzerngeschäftspolitik gegen den Willen der einzelnen gleichgeordneten Unternehmen durchzusetzen, ist von einheitlicher Leitung auszugehen, solange sich die einzelnen Unternehmen tatsächlich dem Konzerninteresse unterordnen. Erst im Konfliktfall ist diese einheitliche Leitung beendet. Eine Stütze findet diese Position in der Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965, in der es (allerdings im Zusammenhang mit dem Unterordnungskonzern nach§ 18 Abs. 1 AktG) heißt, ein Teil des Schrifttums stelle an Ausmaß und Fonn der einheitlichen Leitung zu weitgehende Anforderungen, und weiter: .,Als Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung muss es bereits angesehen werden, wenn die Konzernleitung die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften und sonstige grundsätzliche Fragen ihrer Geschäftsführung aufeinander abstimmt. Diese Abstimmung setzt kein Weisungsrecht voraus"372.

371 Milde Gleichordnungskonzern S. 148 ff. 372 RegBegr. zu§ 18 AktG, abgedruckt bei Krop./JS. 33.

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Kapitalerhaltung und -ersatz

§ 2. Kapitalerhaltung und -ersatz Die Vorschriften über die Kapitalerhaltung wenden sich ihrem Wortlaut nach allein gegen Minderungen des Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gesellschafter: Bei der AG beschränkt § 57 AktG Ausschüttungen an die Aktionäre auf den im Jahresabschluss ausgewiesenen Bilanzgewinn; bei der GmbH verbietet § 30 GmbHG, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszuzahlen. Auch die korrespondierende Erstattungspflicht hat allein die Gesellschafter im Blick: § 62 AktG verpflichtet Aktionäre, verbotswidrig empfangene Leistungen zurückzugewähren. Der passivisch formulierte § 31 Abs. 1 GmbHG nennt zwar nicht ausdrücklich die Gesellschafter als Schuldner der Erstattungspflicht; die Beschränkung auf Gesellschafter ergibt sich jedoch aus der Bezugnahme auf § 30 GmbHG und insbesondere § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG, welcher dem Ernpfauger die "übrigen Gesellschafter" gegenüberstellt 1• Eine nur auf die Gesellschafter fixierte Kapitalbindung könnte durch Zwischenschaltung Dritter leicht unterlaufen werden. Deshalb besteht im Ergebnis Einigkeit, dass auch Zuwendungen an Nichtgesellschafter, namentlich Schwestergesellschaften, gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen und diese zur Erstattung verpflichten können. Die Erstattungspflicht wird im Falle einer GmbH ganz überwiegend auf die extensiv auszulegenden 2 §§ 30, 31 GmbHG gestützt. Bei der AG trifft die Rückgewährpflicht des § 62 AktG nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur Aktionäre. Gegenüber Nichtaktionären wird deshalb meist auf die §§ 812 ff., 985 ff. BGB i.V.m. § 134 BGB ausgewichen, mit§ 57 AktG als Verbotsgesetz 3 • Daneben kommt aber auch eine analoge Anwendung des§ 62 AktGin Betracht4 • Im Folgenden soll zunächst die Einbeziehung von Schwestergesellschaften in das Kapitalerhaltungsrecht näher untersucht werden (1.). Dabei sind auch einige Konkurrenzfragen anzusprechen, die fiir die Haftung von Schwester-

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3 4

Canaris FS FischerS. 31, 54 f.; a.A. Scholz!H. P. Westermann § 31 Rn. 11: mit dem Gesetzestext nicht lösbare Frage; Sonnenhol/Stutzle WM 1983, S. 2, 3: mcht emdeutig. Altmeppen FS Kropff S. 641, 643; Lutter!Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff § 30 Rn. 1; Baumbach!Hueck!Hueck!Fastrich § 30 Rn. 1; Oetker KTS 1991, S. 521, 522; a.A. Canaris FS FischerS. 31, 55: Analogie. KJ(!Lutter § 57 Rn. 62 f. Befiirwortet wird die Anwendung des§ 62 AktG auf Nichtaktionäre etwa gegenüber dem Hintermann des Aktionär-Strohmannes (KK/Lutter § 62 Rn. 13), gegenüber nahen Angehörigen (Hüffer § 62 Rn. 5) und gegenüber Dritten, die kapitalersatzrechtlich einem Aktionär gleichstehen (Ketzer Aktionärsdarlehen S. 194 ff.).

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Horizontaler Einzelausgleich

gesellschaften Bedeutung erlangen können: Für den faktischen Aktienkonzern ist das Verhältnis der Kapitalerhaltungsvorschriften zu den §§ 311, 317 AktG zu klären, ftir Vertragskonzerne die Reichweite des § 291 Abs. 3 AktG (II.). Sodann wird das zweite große Anwendungsgebiet der Kapitalerhaltungsvorschriften, das Kapitalersatzrecht, behandelt; denn auch hier werden Schwestergesellschaften mit in die Haftung einbezogen (III.). Abschließend soll die Frage aufgeworfen werden, ob das Kapitalerhaltungsund -ersatzrecht auch in vertraglichen Gleichordnungskonzernen eine Rolle spielen könnte (IV.).

I.

Die Erstattungspflicht von Schwestergesellschaften

Die herrschende Meinung begründet die Erstattungspflicht von begünstigten Schwestergesellschaften nach Kapitalerhaltungsrecht mit ihrer "wirtschaftlichen Nähe" zum gemeinsamen Gesellschafter (1.). Altmeppen will dagegen nur formale und wirtschaftliche Gesellschafter den Kapitalerhaltungsregeln unterwerfen; Schwestergesellschaften gehören regelmäßig nicht dazu (2.). Cahn schließlich sieht in den Kapitalerhaltungsregeln eine gesetzgeberische Vorsorge gegen Zuwendungen societatis causa: Sie sollen der Gefahr begegnen, dass die Gesellschaft durch unausgewogene Geschäfte mit Gesellschaftern, aber auch mit Schwestergesellschaften, ihren Haftungsfonds aufzehrt (3.). 1.

Wirtschaftliches Näheverhältnis zum Gesellschafter

Die herrschende Meinung möchte in der einen oder anderen Form auf ein wirtschaftliches Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und empfangender Gesellschaft abstellen, welches die Auszahlung als Leistung an den Gesellschafter selbst erscheinen lasse. Für das Näheverhältnis sind die Beteiligungsverhältnisse von entscheidender Bedeutung: Einigkeit besteht darüber, dass jedenfalls die 100%ige Tochtergesellschaft eines Gesellschafters zur Erstattung verpflichtet ist, weil sie mit dem Gesellschafter "de facto identisch" se( Da die Vermögensmehrung der Gesellschaft in diesem Fall ohne weiteres als eine solche des Gesellschafters angesehen werden könne, sei (auch) die Gesellschaft zur Rückgewähr verpflichtet 6 • Ganz überwiegend wird keine völlige Identität des Gesellschafterkreises verlangt, sondern be-

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110

KK!Lutter § 57 Rn. 73; Baumbach/Hueck!Hueck/Fastrich § 31 Rn. 12 mit § 30 Rn. 17; Scholz/H.P. Westermann § 30 Rn. 35; Canaris FS FischerS. 31, 43. Scholz/H.P. Westermann § 30 Rn. 35; ähnlich BGH ZIP 2000, S. 2163, 2164: Konzernunternehmen ist wegen der relevanten Nähe zum Gesellschafter nicht nur Empfänger der Vorteilsgewährung, sondern auch Schuldner des Rückgewähranspruchs gemäߧ 31 GmbHG.

Kapitalerhaltung und -ersatz

reits die maßgebliche Beteiligung eines Gesellschafters an der empfangenden Gesellschaft für ausreichend gehalten, so vor allem, wenn es sich bei ihr um ein mit dem Gesellschafter verbundenes Unternehmen handelt7 . Bereits dann bestehe ein wirtschaftliches Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und Empfänger8, das beide als "wirtschaftliche Einheit"9 erscheinen lasse. Dem wirtschaftlichen Näheverhältnis wird zudem regelmäßig das "persönliche Näheverhältnis" zwischen einem Gesellschafter und seinen nahen Angehörigen gegenübergestellt 10 • Auch bei einem persönlichen Näheverhältnis wird der empfangende Dritte (der nahe Angehörige) für erstattungspflichtig gehalten; begründet wird dies oft mit einer Analogie zu den §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG 11 sowie heute § 138 InsO. Nach teilweiser Ansicht ist diese Analogie auch im Falle eines wirtschaftlichen Näheverhältnisses möglich und führt dann zur Erstattungspflicht verbundener Untemehmen 12 . Die von der herrschenden Meinung für eine Erstattungspflicht von Schwestergesellschaften gegebene Begründung kann nicht überzeugen. Mit dem Gedanken der "wirtschaftlichen Einheit" oder auch einer Analogie zu den §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG lässt sich höchstens eine Haftung des Gesellschafters für Zuwendungen an "seine" Gesellschaft begründen, nicht jedoch die Haftung der Gesellschaft selbst: Dem Abstellen auf ein wirtschaftliches Näheverhältnis liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Gesellschafter von Leistungen an "seine" Gesellschaft profitiert, in der Leistung deshalb mittelbar eine Auszahlung "an den Gesellschafter" (vgl. § 30 Abs. 1 GmbHG) gesehen werden kann 13 . Schon diese Vorstellung erscheint jedoch nicht immer zutreffend: Wegen des bei der 7

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II 12 13

BGHZ 81, S. 311,315 f.; BGH ZIP 1991, S. 366; NJW 1991, S. 1057, 1059; ZIP 2000, S. 2163, 2164; Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 31 Rn. 12; Hachenburg/ Goerdeler!Müller § 31 Rn. 21 mit § 30 Rn. 52; Lutter/Hommelho.ff in Lutter/Hommelhoff § 29 Rn. 55 und § 31 Rn. 5. Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 30 Rn. 17. Hachenburg!Goerdeler!Müller § 31 Rn. 21; GK-AktG!Henze §57 Rn. 92 ff., § 62 Rn. 30. Vgl. etwa die Kommentierung bei Baumbach/Hueck!Hueck!Fastrich § 30 Rn. 17. Persönliches und wirtschaftliches Näheverhältnis werden kombiniert in BGH ZIP 1986, S. 456, 458: Danach besteht der Erstattungsanspruch auch gegenüber einer Gesellschaft, an der lediglich ein naher Angehöriger eines GmbH-Gesellschafters maßgeblich beteiligt ist. BGHZ 81,365,368 f.; Canaris FS FischerS. 31, 38; Hü.ffer §57 Rn. 15, § 62 Rn. 5. Kahler! Gewinnausschüttungen S. 180 ff.; Jaschinski Schwestergesellschaften s. 213 f. Vgl. Fleck FS 100 Jahre GmbHG S. 391, 404, wonach "das Vermögen der Gesellschaft mit dem ihres einzigen Gesellschafters wirtschaftlich identisch und infolgedessen ein Vermögenszuwachs der Gesellschaft zwangsläufig auch ein solcher ihres Gesellschafters ist".

111

Horizontaler Einzelausgleich

Unternehmensbewertung anzuwendenden Ertragswertverfahrens 14 schlägt sich eine Erhöhung des Gesellschaftsvennögens nicht zwangsläufig auch in einer Werterhöhung der vom Gesellschafter gehaltenen Anteile nieder 15 . Der Gesellschafter muss daher gar keinen greifbaren mittelbaren Vorteil 16 erlangt haben, nicht einmal bei Leistung an eine 100%ige Tochtergesellschaft. So kann der zugewendete Gegenstand auch bei der Schwestergesellschaft der Kapitalbindung unterfallen und zur Befriedigung von Gläubigem benötigt werden, die anderenfalls leer ausgingen. Vor allem ist es aber aus Sicht von Gläubigem und Minderheitsgesellschaftern der Schwestergesellschaft schwer verständlich, warum diese einen Vorteil nur deshalb wieder herausgeben muss, weil ihr maßgeblich beteiligter Gesellschafter - nicht die Gesellschaft selbst! - flir die Kapitalerhaltung bei der auszahlenden Gesellschaft verantwortlich ist 17 • Diese Mithaftung flir Pflichtverletzungen des Gesellschafters wäre weder mit dem Trennungsprinzip noch mit der Kapitalbindung in der empfangenden Gesellschaft zu vereinbaren 18 . Auf eine Analogie zu den§§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG sowie§ 138 InsO lässt sich die Haftung in wirtschaftlichen Näheverhältnissen ebenfalls nicht stützen. Gegenüber nahen Verwandten mag die Annahme, der Gesellschafter könne über diese Verwandten ungehindert auf die Leistung zugreifen, gerechtfertigt sein; bei verbundenen Unternehmen ist dies wegen der dort geltenden Vorschriften zum Schutz von Gläubigem und Minderheitsgesellschaftern jedoch anders. § 138 InsO, gerrauer dessen Abs. 2 S. 2, fUhrt nach herrschender Meinung grundsätzlich gerade nicht zur erleichterten Anfechtbarkeit von Vennögensverschiebungen auf Schwestergesellschaften19. Das wirtschaftliche Näheverhältnis zum Gesellschafter kann die empfangende Schwestergesellschaft deshalb nicht zur Erstattung verpflichten, auch nicht unter weiteren V oraussetzun~en wie Veranlassung20 oder Bösgläubigkeit ihres maßgeblichen Vertreters 2 •

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Dazu Hüttemann ZHR 162 (1998), S. 563 ff. Fleck FS I 00 Jahre GmbHG S. 391, 405; Cahn Kapitalerhaltung S. 32; Scholz/H. P. Westermann § 30 Rn. 35; GK-AktG/Henze §57 Rn. 95. Die Feststellung eines greifbaren Vorteils wird z.B. gefordert flir Auszahlungen an andere Verwandte als Ehegatten und minderjährige Kinder, Hachenburg/Goerdeler/ Müller§ 30 Rn. 52. So schon Cahn Kapitalerhaltung S. 39 ff. Vgl. oben§ 1 AI 3 und unten§ 6 IV 2. Dazu unten § 3 I!. FleckFS 100JahreGmbHGS.391,415. Canaris FS Fischer S. 31, 43; KK!Lutter § 57 Rn. 72: Mitwirken in Kenntnis der Situation.

Kapitalerhaltung und -ersatz

2.

Stellung als wirtschaftlicher Gesellschafter

Nach Ansicht Altmeppens haftet der Empfänger nach den Kapitalerhaltungsvorschriften nur dann, wenn er selbst formal oder doch wirtschaftlich Gesellschafter ist22 . Wer auch wirtschaftlich nicht als Gesellschafter angesehen werden könne, weil er nicht mit Risikokapital an der Gesellschaft beteiligt sei, habe mit der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgarantie nichts zu tun 23 • Beleg für diese Auffassung ist die- im Ergebnis wohl unstreitige 24 Haftung des Treugebers, die Altmeppen damit begründet, dass dieser bei wirtschaftlicher Betrachtung im Verhältnis zum Treuhänder als der Gesellschafter angesehen werden müsse (§§ 667, 670 BGB). Für aneinander nicht beteiligte Schwestergesellschaften bedeutet dies, dass sie jedenfalls nach den Kapitalerhaltungsvorschriften nicht erstattungspflichtig sind25 • Eine Erstattungspflicht soll sich insoweit jedoch aus den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts, namentlich den §§ 812 ff., 985 ff. BGB, ergeben können: Der Geschäftsleiter, der entgegen den Kapitalerhaltungsvorschriften Gesellschaftsvermögen auskehre, missbrauche seine Vertretungsmacht; damit kämen die §§ 177 ff. BGB analog zur Anwendung, wenn der Missbrauch für den Empfänger evident war26 . Altmeppen vermeidet mit seiner Konzeption die Schwäche der herrschenden Meinung, die darin besteht, dass sie die Erstattungspflicht der empfangenden Gesellschaft aus ihrem Verhältnis zum Gesellschafter statt aus dem zur auszahlenden Gesellschaft ableiten will. Auch lässt sich der "wirtschaftliche Gesellschafter" noch zwanglos unter die §§ 30, 31 GmbHG bzw. § 57 AktG subsumieren. Da die Kapitalerhaltungsvorschriften als solche dann jedoch weitgehend leer laufen (der Gesellschafter braucht nur einen Dritten vorzuschieben, der seinerseits nicht wirtschaftlicher Gesellschafter ist), ist diese Ansicht nur praktikabel, soweit auf die in die entstehende Lücke stoßenden allgemeinen Vorschriften hinreichend Verlass ist. Hiergegen bestehen jedoch durchgreifende Bedenken. Die Haftung wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht ist bereits deshalb problematisch, weil die §§ 30 GmbHG, 57 AktG nicht die Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft betreffen27 • Das folgt bereits aus ihrer systematischen Stellung im Zweiten Abschnitt des GmbH22 23 24 25 26 27

Altmeppen FS KropffS. 641 ff.; Rotb/Altmeppen § 30 Rn. 22, 29,35 ff. Altmeppen FS Kropff S. 641, 649 f.; anders jedoch der BGH ZIP 1993, S. 1300Pfandgläubiger. Vgl. nur Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 30 Rn. 17; KK!Lutter §57 Rn. 73. Altmeppen FS KropffS. 641,651. Albneppen FS Kropff S. 641, 646. Ablehnend schon Oetker KTS 1991, S. 521,535: § 31 GmbHG als speziellere Sanktionsnorm, auch für Drittbeziehungen; LG Frankfurt a.M. ZIP 1997, S. 1464, 1467 f.; Canaris FS FischerS. 31, 49.

113

Horizontaler Einzelausgleich

Gesetzes bzw. Dritten Teil des Aktiengesetzes, die jeweils mit "Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter" überschrieben sind. Im Einzelfall wird man diese Vorschriften auch Dritten entgegenhalten müssen, ohne dass dies jedoch mit der Vertretungsmacht des Geschäftsführers bzw. Vorstands zu tun hätte. Dass jedenfalls gegenüber dem GmbH-Gesellschafter die Vertretungsmacht nicht fehlt, belegt zudem § 31 GmbHG, der von der Wirksamkeit des Geschäfts ausgeht28 ; die Frage der Vertretungsmacht kann gegenüber Dritten kaum anders zu beurteilen sein. Aus den gleichen Gründen ist das Geschäft - bei der GmbH - auch nicht ohne weiteres verbotsoder sittenwidrig (§§ 134, 138 BGB)29 . Diese Bestimmungen mögen wie auch § 826 BGB oder die Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung und des Anfechtungsgesetzes im Einzelfall eingreifen, können aber nicht den erforderlichen umfassenden Schutz gegen eine AushebeJung der Kapitalerhaltungsvorschriften bieten. Die Auffassung Altmeppens führt, wenn man die Haftung wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht wie hier für nicht gegeben oder zumindest unzuverlässig hält, zu bedenklichen Schutzdefiziten und ist deshalb abzulehnen. 3.

Vorsorge gegen Zuwendungen societatis causa

Cahn begründet die Erstattungspflicht von Schwestergesellschaften mit einer doppelten Zielrichtung der Kapitalerhaltungsvorschriften 30 • Ein erster Zweck bestehe in der Verlängerung der Kapitalautbringungsvorschriften; denn es wäre wenig sinnvoll, wenn die Gesellschafter sich das von ihnen zunächst aufgebrachte Haftkapital sogleich wieder auszahlen lassen könnten. Den zweiten Zweck sieht Cahn in der Vorsorge gegen Gefahren, denen der Haftungsfonds durch unausgewogene Geschäfte der Gesellschaft mit ihren Gesellschaftern ausgesetzt ist. Bei Geschäften mit Dritten vertraue der Gesetzgeber darauf, dass die Gesellschaft ihre Interessen so gut wie möglich wahrnehme und nach marktwirtschaftliehen Grundsätzen für ihre Leistung eine angemessene Gegenleistung erhalte; die Interessen der Gläubiger seien dadurch ausreichend geschützt. Bei Leistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter bestehe eine solche Angemessenheitsvermutung dagegen nicht; die Leistungen könnten hier durch die Gesellschaftereigenschaft des

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LG Frankfurt a.M. ZIP 1997, S. 1464, 1467 f. Nach BGH ZIP 1997, S. 1450, 1451 f. ist neben § 31 GmbHG kein Raum ftir die Anwendung der §§ 134, 812 ff. BGB, auch nicht bei beabsichtigter Umgehung der Kapitalerhaltungsvorschriften; Raiser Kapitalgesellschaften § 37 Rn. 31, S. 642 f. m.w.N. Cahn Kapitalerhaltung S. 51 ff.

Kapitalerhaltung und -ersatz

Empfängers zumindest mitmotiviert sein, also societatis causa erfolgen, und mangels angemessener Gegenleistung das gebundene Kapital schmälern. Der erste Zweck - Verlängerung der Kapitalaufbringungsvorschriften komme nur gegenüber den Gesellschaftern zum Tragen; für die Kapitalaufbringung und damit die ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft seien allein ihre Gesellschafter verantwortlich, nicht die Schwestergesellschaften31. Der zweite Zweck - Vorsorge gegen Zuwendungen societatis causa - sei hingegen auch gegenüber Schwestergesellschaften einschlägig; denn im Verhältnis zu Schwestergesellschaften bestehe häufig die gleiche Motivationslage wie gegenüber Gesellschaftern. Sofern deshalb Zuwendungen zu Lasten des gebundenen Kapitals gerade im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der beiden Gesellschaften (und damit societatis causa) erfolgten, verstießen sie gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften. Entscheidend sei im Verhältnis zu Schwestergesellschaften allerdings nicht das objektive Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, sondern das subjektive Merkmal der Motivation durch die gemeinsame Konzernzugehörigkeit Wenn die auszahlende Gesellschaft selbst Erstattung verlange, habe sie die Motive für ihre Leistung darzulegen und zu beweisen, wobei an den Nachweis bei einem deutlich unausgewogenen Geschäft jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen seien; übernehme hingegen ein Gläubiger die Rolle des Klägers, sei die Empfangergesellschaft "näher dran" und deshalb beweispflichtig32 • An Cahns Begründung fällt auf, dass er die Haftung der Schwestergesellschaft nicht mit dem Vorhandensein gemeinsamer Gesellschafter begründen wi11 33 . Auf die Beteiligungsverhältnisse an den Gesellschaften kommt es nicht an; haftungsbegründend ist allein, dass die eine Gesellschaft der anderen etwas societatis causa zu Lasten des gebundenen Vermögens zuwendet, wobei unter "societas" nicht die einzelne Gesellschaft, sondern der gesamte Konzern verstanden wird 34 .

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34

Ebenso Stimpel FS Goerdeler S. 60 I, 607. Cahn Kapitalerhaltung S. 63. Missverständlich ist insofern Cahns Zusammenfassung auf S. 78, wo er von einer Zuwendung "wegen der Verbundenheit mit einem Gesellschafter" spricht. Im Übrigen stellt Cahn jedoch direkt auf das Verhältnis der Schwestergesellschaften und "ihre" gesellschaftsrechtliche Verbundenheit ab (vgl. S. 62). Er entwickelt seine Argumentation zwar an dem Beispielsfall, dass die beiden Schwestergesellschaften eine gemeinsame Muttergesellschaft M haben; von Bedeutung ist dies aber nur für eine etwaige Haftung der M. Insbesondere kann die Schwestergesellschaft zur Erstattung verpflichtet sein, ohne dass zugleich auch die M haften müsste, Cahn Kapitalerhaltung S. 78. Cahn Kapitalerhaltung S. 62, 274.

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Horizontaler Einzelausgleich

Cahn verlässt mit seiner Konzeption wohl endgültig den Bereich extensiver Auslegung35 der Kapitalerhaltungsvorschriften. Die herrschende Meinung und Altmeppen können sich bei ihrer extensiven Auslegung immerhin noch darauf berufen, dass sie letztlich mittelbare Auszahlungen an den formalen oder wirtschaftlichen Gesellschafter verhindem wollen36. Cahn will Schwestergesellschaften jedoch auch in Fällen zur Erstattung verpflichten, in denen der Gesellschafter weder einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt noch die Auszahlung veranlasst hat, in denen also von einer mittelbaren Auszahlung "an den Gesellschafter" keine Rede sein kann 37 . Da die Ersatzpflicht direkt aus dem Verhältnis der beiden Schwestergesellschaften zueinander folgen soll, kommt - ohne dass dies von Cahn problematisiert würde nur eine Analogie zu den an die Gesellschafter adressierten Kapitalerhaltungsvorschriften in Betrache 8 •

Voraussetzung hierfür ist zunächst eine Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes 39 • GmbH- und Aktiengesetz enthalten keine explizite Regelung für Vermögensverschiebungen auf Schwestergesellschaften zu Lasten des gebundenen Kapitals. Das GmbH-Gesetz regelt das Konzernrecht überhaupt nicht. Im Aktiengesetz finden sich für faktische Konzerne nicht abschließende Bestimmungen in den §§ 311 ff. AktG, welche die Kapitalerhaltungsvorschriften nur teilweise verdrängen40 , sowie gemäß § 291 Abs. 3 AktG abschließende Bestimmungen für Vertragskonzeme. Auch die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts bieten keinen ausreichenden Schutz vor Vermögensverlagerungen auf Schwestergesellschaften41. Ob diese Unvollständigkeit planwidrig oder vielmehr gewollt ist, hängt davon ab, ob der nicht geregelte Fall (Auszahlung an Schwestergesellschaft) dem geregelten (Auszahlung an Gesellschafter) in den für die gesetzgeberische Wertung maßgeblichen Umständen gleich liegt42 .

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Dazu bereits oben § 2 Fn. 2. Auch das ist allerdings schon zweifelhaft, soweit bereits jedes mit dem Gesellschafter oder der Gesellschaft verbundenes Unternehmen ftir die §§ 30, 31 GmbHG einem Gesellschafter gleichgestellt wird, vgl. Fleck FS I 00 Jahre GmbHG S. 391,415. Cahn Kapitalerhaltung S. 39 ff. Generell ftir einen Analogieschluss bei der Erstattungspflicht Dritter schon Canaris FS FischerS. 31, 55. Larenz Methodenlehre S. 373 ff.; Canaris Lücken S. 37 ff. Dazu unten § 2 li I. Vgl.oben§212. Zur Feststellung und Ausfüllung von Gesetzeslücken im Wege der Analogie Canaris Lücken S. 71 ff.

Kapitalerhaltung und -ersatz

Das wird auch von Cahn nicht behauptet, soweit es um den ersten von ihm identifizierten Zweck geht, um die Verlängerung der Kapitalaufbringungsvorschriften. Dieser Zweck ist allein gegenüber den Gesellschaftern einschlägig, weil nur diese sich mit Risikokapital in der Gesellschaft engagieren und zur Kapitalaufbringung verpflichtet sind. Zutreffend ist aber auch, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften daneben noch dem weiteren Zweck dienen, Schmälerungen des Haftkapitals durch unausgewogene Geschäfte entgegenzuwirken. Gegenüber Gesellschaftern ist das eine Selbstverständlichkeit, denn es kann nicht angehen, dass die Gesellschafter das aufgebrachte Kapital zwar nicht durch offene Rückzahlung, aber wirtschaftlich gleichbedeutend durch verdeckte Gewinnausschüttungen zurückerhalten 43 . Als Beleg fiir diesen zweiten Zweck mag daneben der Umstand dienen, dass § 57 AktG neben dem Grundkapital auch die freien Rücklagen (verfahrensmäßig) bindet. Begründet wird das nicht nur mit dem Interesse der Gläubiger, sondern auch mit dem Interesse von Aktionären, die an den sonst möglichen verdeckten Gewinnausschüttungen nicht partizipieren44. Es geht den Kapitalerhaltungsvorschriften also nicht nur um ein Verbot der Einlagenrückgewähr, sondern auch um den Schutz vor Geschäften, bei denen die Gesellschaft mit Rücksicht auf die Gesellschafterstellung des Geschäftspartners ihre Interessen nicht ausreichend wahrt. Entscheidend ist nun, dass dieser zweite Zweck in gleicher Weise auch gegenüber gesellschaftsrechtlich verbundenen Gesellschaften einschlägig ist und verteidigt werden muss. Aus Sicht der Gläubiger und der nicht partizipierenden Aktionäre ist es nämlich ohne Bedeutung, ob eine Auszahlung zu Lasten des gebundenen Vermögens an einen Gesellschafter oder eine Schwestergesellschaft erfolgt. Vielfach wird auch bei Geschäften mit Schwestergesellschaften eine besondere Motivationslage zu unausgewogenen Geschäften fuhren: Druey zufolge bringen es die finanziellen Beziehungen (wie Forderungen oder Schulden gegenüber anderen Konzerngesellschaften) mit sich, dass jede Schwestergesellschaft ein allgemeines Interesse am Wohlergehen des ganzen Konzerns hat und deshalb Leistungen zu besseren als marktkonformen Bedingungen zu berechnen bereit ist45 . Wes konsta-

43

44 45

A.A. wohl nur Reiner Fremdsteuerung S. 84 ff., insbes. S. 130, der den Anwendungsbereich der §§ 57 ff. AktG und 30 f. GmbHG auf offene Einlagenrückgewähr und offene Gewinnausschüttungen beschränken und im Übrigen auf den Missbrauch der Vertretungsmacht zurückgreifen möchte- die Lösung des Gesetzgebers ist das jedenfalls nicht. Hüffer § 57 Rn. I. Druey ZSR 99 II (1980), S. 273, 306 (Beispiel Fn. 81 ).

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Horizontaler Einzelausgleich

tiert Gleiches ftir das amerikanische Recht46 • Die Gefahr, dass durch unausgewogene Geschäfte zwischen Schwestergesellschaften die Haftmasse geschmälert wird, erscheint also durchaus real 47 • Beispielsfälle dürften sich gerade im Bereich horizontaler Betriebsaufspaltungen finden, wenn hier fortlaufend Vermögenswerte aus der Betriebs- in die Besitzgesellschaft transferiert werden und womöglich auch noch die Geschäftsleitungen beider Gesellschaften personengleich besetzt sind. Wenn das Haftkapital ftir die Gläubiger reserviert sein soll, darf es auch nicht an Schwestergesellschaften ausgezahlt werden. Geschieht das dennoch, muss darauf auch mit einem Zugriff auf die Schwestergesellschaft reagiert werden. Es sind nämlich Fälle denkbar, in denen die gemeinsame Muttergesellschaft nicht haftet, sei es weil sie die Zuwendung an die Schwestergesellschaft nicht veranlasst hat, sei es weil sie selbst keinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Zuwendung gezogen hat48 • Die Kapitalerhaltungsvorschriften Jassen diese nach ihrer ratio legis geforderte Zugriffsmöglichkeit auf die Schwestergesellschaft vermissen und sind deshalb planwidrig unvollständig. Die festgestellte Gesetzeslücke ist durch Analogie zu den§§ 30,31 GmbHG bzw. §§57, 62 AktG auszuftillen 49 • Zusätzlich abstützen lässt sich die Konzeption Cahns durch einen Vergleich mit der Rechtsprechung zu kapitalersetzenden Darlehen bei verbundenen Unternehmen 50 • Die Grundsätze sind ftir die GmbH entwickelt worden, mit geringen Modifikationenjedoch auch auf die AG übertragbar51 •

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Wes 65 Ca!. L. Rev. 720 (1977), 725: "When related corporations engage in intraenterprise transactions, each affiliate tends to strike friendlier bargains with the others than it would with outside parties". Im Einzelfall mag das anders sein, wenn die Geschäftsleitungen der einzelnen Konzerngesellschaften gegenüber der Muttergesellschaft ein möglichst gutes Ergebnis präsentieren wollen und deshalb ihre Schwestergesellschaften auch nur zu marktkonformen Bedingungen beliefern. In diesem Fall sind Leistungen nicht societatis causa motiviert und stellen, selbst wenn sie objektiv unausgewogen sein sollten, keinen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften dar. Zu diesen Voraussetzungen ftir die Haftung des Gesellschafters vgl. Cahn KapitalerhaltungS. 31 ff., 64 ff.; Hüffer § 57 Rn. 15; Fleck FS 100 Jahre GmbHG S. 391, 402 ff. Für die AG erscheint die Analogie zu den §§ 57, 62 AktG vorzugswürdig gegenüber den§§ 134, 812 ff., 985 ff. BGB, vgl. Ketzer Aktionärsdarlehen S. 194 ff.- Raiser FS Ulmer S. 493, 507 sieht in der Erstreckung eines dem Gläubigerschutz dienenden Ausgleichsanspruchs der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter auf ein mit diesem verbundenes Unternehmen einen allgemeinen Grundsatz des Kapitalschutzrechts; dieser "allgemeine Grundsatz" müsste dann konsequent nicht nur ftir den (von Raiser in Bezug genommenen) § 31 GmbHG, sondern auch ftir die §§ 57, 62 AktG gelten. Dazu schon Cahn Kapitalerhaltung S. 44 ff. (ablehnend). BGHZ 90,381,385 ff.; Hüffer §57 Rn. 16 ff.

Kapitalerhaltung und -ersatz

Für die GmbH hatte§ 32a Abs. 5 RegE 1977 vorgesehen, dass Forderungen eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens den eigenen Forderungen eines Gesellschafters gleichgestellt werden 52 . Diese Bestimmung floss, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden sein sollte, in den heutigen § 32a Abs. 3 S. I GmbHG ein. Deshalb nimmt die Rechtsprechung und herrschende Meinung verbundene Unternehmen jedenfalls dann in die Finanzierungsverantwortung, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit bilden53 , ein Gesellschafter der GmbH an der Empfängergesellschaft maßgeblich beteiligt ist 54 oder es sich um Konzernunternehmen im Sinne von § 18 AktG handelt55 . Bei Unternehmensverbindungen gebe es typischerweise Einflussmöglichkeiten der nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen, die es rechtfertigten, die Verantwortung flir die Unternehmensfinanzierung auch ihnen aufzuerlegen; die Fragen, gegen wen sich das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG richte und wer außer den Gesellschaftern den Kapitalerhaltungsregeln unterworfen werden könne, seien flir verbundene Unternehmen deshalb gleich zu entscheiden56. Richtigerweise kann die Finanzierungsverantwortlichkeit zumindest nicht weiter reichen als die Erstattungspflicht nach den Kapitalerhaltungsvorschriften57. Wenn nach der Rechtsprechung aneinander nicht beteiligte Konzernschwestern flireinander Finanzierungsverantwortung tragen, müssen sie zu Lasten des gebundenen Vermögens gehende Auszahlungen einander erst recht erstatten. Denn wer schon eigene Mittel nicht zurückfordern darf, die er einer notleidenden Gesellschaft zuvor zur VerfUgung gestellt hat, darf von ihr erst recht keine fremden Mittel annehmen. Cahn bietet somit die im Vergleich überzeugendste Erklärung ftir die Einbeziehung von Schwestergesellschaften in das Kapitalerhaltungsrecht Im Er52 53

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Zit. nach Scholz/K. Schmidt §§ 32a, b Rn. 135. BGHZ 121, 31, 35: "In einem Fall der Betriebsaufspaltung, wie er hier vorliegt, bilden das Besitz- und das Betriebsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit, die es rechtfertigt, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Finanzierung der Betriebsgesellschaft auch der von denselben Gesellschaftern getragenen Besitzgesellschaft aufzuerlegen."; ebenso BGHZ 127, S. 1, 5; ferner BGH ZIP 1992, S. 243, 244; Baumbach/Hueck!Hueck/Fastrich § 32a Rn. 24. BGH GmbHR 1999, S. 916: Mehrheitsbeteiligung grds. ausreichend. Scholz/K. Schmidt §§ 32a, b Rn. 135: Zurechnung unbedenklich. BGH ZIP 1991, S. 366. Rspr. und Literatur beschränken sich meist auf die Aussage, der in § 30 GmbHG einzubeziehende Personenkreis sei nicht notwendig mit dem von § 32a GmbHG erfassten identisch, so BGH ZIP 1991, S. 366; Baumbach!Hueck!Hueck!Fastrich § 30 Rn. 17; Fleck FS 100 Jahre GmbHG S. 391, 412 f.; wie hier schon Cahn KapitalerhaltungS. 45.

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Horizontaler Einzelausgleich

gebnis hat danach die empfangende Gesellschaft zu Lasten des gebundenen Vermögens gehende Auszahlungen ihrer Schwestergesellschaft zu erstatten, sofern diese societatis causa motiviert waren. Sie ist damit fur die Kapitalerhaltung bei der Schwestergesellschaft selbst mitverantwortlich, wenn auch nur in dem Sinn, dass sie keine societatis causa motivierten Zuwendungen annehmen darf.

II.

Konkurrenzfragen

Im Folgenden soll noch auf Konkurrenzfragen eingegangen werden, die sich speziell in faktischen AG-Unterordnungskonzernen (1.) sowie AG- und GmbH-Vertragskonzernen stellen (2. und 3.) und Auswirkungen auch auf die Erstattungspflicht von Schwestergesellschaften haben.

1.

FaktischerAG-Unterordnungskonzern

Bei AG-Unterordnungskonzernen stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen den Kapitalerhaltungsvorschriften und den §§ 311, 317 AktG, die in § 311 Abs. 2 AktG die Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs vorsehen 58.

a)

Meinungsstand

Die wohl herrschende Ansicht differenziert: § 311 AktG verdränge zunächst die Kapitalerhaltungsvorschriften, weil die Pflicht zur sofortigen Rückgewähr nach § 62 AktG mit der zeitlichen Streckung des Nachteilsausgleichs gemäß § 311 Abs. 2 AktG unvereinbar wäre. Neben § 317 AktG sollen die §§57, 62 AktG dagegen Anwendung finden, sofern das herrschende Unternehmen bis zum Ende des Geschäftsjahres noch keinen Nachteilsausgleich bzw. einen Anspruch darauf gewährt hat59 . Weitergehend wird vertreten, dass die §§ 311, 317 AktG insgesamt eine abschließende Sonderregelung darstellen 60 • Dies vermeide ein Auseinanderreißen der §§ 311, 317 AktG; neben § 317 AktG bedürfe es ohnehin keiner weiteren Sanktion nach § 62 AktG.

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60

120

Im (mehrgliedrigen) GmbH-Unterordnungskonzern ist § 311 Abs. 2 AktG dagegen auch nach der hier vertretenen Ansicht nicht anzuwenden, vgl. oben § 1 B III 2. OLG Frankfurt AG 1996, S. 324, 327; KK!Koppensteiner § 311 Rn. 107, § 317 Rn. 40; KK!Lutter, § 57 Rn. 80 f.; Hüjfer § 317 Rn. 17; MüKo-AktG/Kropff § 317 Rn. 106. OLG Stuttgart DB 1994, S. 205; Michalski AG 1980, S. 261,264 f. m.w.N. in Fn. 19.

Kapitalerhaltung und -ersatz

Eine dritte Ansicht möchte die §§ 57, 62 AktG und §§ 311 ff. AktG schließlich uneingeschränkt nebeneinander anwenden61 • Für den zeitlich gestreckten Nachteilsausgleich gemäß § 311 Abs. 2 AktG verbleibe ein Anwendungsbereich, weil nicht jede Nachteilszufiigung mit einer Vermögensverschiebung zugunsten des herrschenden Unternehmens einhergehe 62 . Die herrschende Ansicht fiihre zu ungereimten Ergebnissen: Nach ihr hafte nämlich das herrschende Unternehmen bei Vermögensverschiebungen, die es nicht veranlasst habe, strenger als bei solchen, die es veranlasst habe - nur letztere werden vom Wortlaut des § 311 Abs. 1 AktG erfasst63 .

b)

Stellungnahme

Der Meinungsstreit wirkt sich auch auf Schwestergesellschaften aus: So mag das herrschende Unternehmen eine abhängige AG zu einer Lieferung an ihre Schwestergesellschaft veranlasst haben, die sich wegen unausgewogener Konditionen als Zuwendung societatis causa darstellt. Nach § 311 Abs. 2 AktG hat das herrschende Unternehmen dann die Möglichkeit zum zeitlich gestreckten Nachteilsausgleich; damit erscheint es kaum vereinbar, die begünstigte Schwestergesellschaft entsprechend den §§ 57, 62 AktG zur sofortigen Rückgewähr zu verpflichten. Die ersten beiden Ansichten betonen die mit dem § 311 AktG angestrebte "vorsichtige Öffnung" des Gesetzes gegenüber nachteiligen Einzelmaßnahmen im faktischen Konzem64 , die es erforderlich macht, dem "Privileg" des § 311 Abs. 2 AktG auch einen angemessenen Anwendungsbereich zu eröffnen. Bei freier Konkurrenz mit den §§ 57, 62 AktG wäre dieser nicht gegeben: Der gestreckte Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG kommt von vomherein nur für quantifizierbare Nachteile in Frage65 ; quantifizierbar sind aber in erster Linie die auch von § 57 AktG erfassten verdeckten Gewinnausschüttungen 66 •

61 62 63 64 65 66

Geßler FS FischerS. 131, 138; Geßler/Hefermehl/Geß/er § 292 Rn. 33; Bälz AG 1992, S. 277, 303 f.; Ehricke Konzernunternehmen S. 320 ff.; Altmeppen ZIP 1996, S. 693, 697; Cahn Kapitalerhaltung S. 64 ff. m.w.N. in Fn. 126. Dazu Hüffer § 311 Rn. 30. Ehricke Konzernunternehmen S. 321; Cahn Kapitalerhaltung S. 65 f., dort auch zu einem weiteren Wertungswiderspruch in mehrstufigen Abhängigkeitsverhältnissen. KK!Lutter §57 Rn. 80. Hüffer § 311 Rn. 25, 42 und § 317 Rn. 4. Vgl. die Beispiele bei Hüffer §57 Rn. 8 und§ 311 Rn. 34: Verdeckte Gewinnausschüttungen durch Verkauf unter bzw. Einkauf über Marktpreis oder Honorierung dubioser Serviceleistungen lassen sich beziffern; Nachteile, die durch die Aufgabe eines Teilmarktes, Ausgliederung wesentlicher untemehmerischer Funktionen oder die Um Ienkung von Geschäftschancen entstehen, dagegen kaum.

121

Horizontaler Einzelausgleich

Die dritte Ansicht legt den Akzent dagegen auf die Schadensersatzpflicht des § 317 AktG 67 , die dem herrschenden Unternehmen eine schädigende Einflussnahme grundsätzlich untersagt; Abstriche von den Kapitalerhaltungsvorschriften sind dann nicht angebracht. Der Gesetzgeber ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch von ursprünglichen Vorstellungen, wonach der Vorteils-Nachteils-Ausgleich in einem wirtschaftlich einheitlichen Geschäft erfolgen musste, wieder abgekommen. Im Ausschussbericht zu § 311 AktG heißt es, "die Interessen, die §§ 311 ff. wahren wollen, (werden) genügend geschützt, wenn Nach- und Vorteile innerhalb einer Rechnungsperiode ausgeglichen sein müssen"68 . Die Zulassung des Ausgleichs innerhalb eines Geschäftsjahres sollte den faktischen Konzern bewusst praktikabler gestalten69. Die uneingeschränkte Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften würde diese konzernpolitische Aussage konterkarieren. Zudem hat der zugunsten der dritten Ansicht angeflihrte Wertungswiderspruch zwischen veranlassten und nicht veranlassten Vermögensverschiebungen70 kaum praktische Bedeutung: Das Kriterium der "Veranlassung" ist denkbar weit71 , die Veranlassung wird überdies vermutet 72 . Das herrschende Unternehmen hat kein Interesse, die fehlende Veranlassung darzulegen und dadurch die "strengere" Haftung nach den §§ 57, 62 AktG zu provozieren. Zweifelhaft ist schon, ob die Haftung nach den §§57, 62 AktG tatsächlich strenger ist: Während die Möglichkeit, den Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG zeitlich zu strecken, in der Praxis offenbar kaum genutzt wird 73 , droht nach § 317 AktG eine Schadensersatzhaftung, die weit über die Rückgabe des einmal Erlangten hinausgehen kann 74 . Wegen dieser Unterschiede in Tatbestand und Rechtsfolge ist mit der herrschenden Meinung eine Anwendung der §§ 57, 62 AktG zwar nicht neben § 311 AktG, aber doch neben § 317 AktG zu beflirworten. Für Schwestergesellschaften im faktischen AG-Unterordnungskonzern folgt daraus: Werden Vermögensgegenstände auf Veranlassung der Muttergesellschaft aus einer Schwestergesellschaft in eine andere verschoben, ist die Empfängerin ent-

67 68 69 70 71 72 73 74

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So z.B. Ehricke Konzenmnternehmen S. 321. Abgedruckt bei KropffS. 409. So KropffDB 1967, S. 2147,2149 f. in Auseinandersetzung mit den Gesetzgebungsmaterialien. Cahn Kapitalerhaltung S. 65 f. Für eine "Veranlassung" genügt jede Einflussnahme, sogar die bloße Erwartung eines bestimmten Verhaltens; eine gewisse Nachdrücklichkeit oder auch nur ein Veranlassungsbewusstsein ist nicht erforderlich, Hüffer § 311 Rn. 16. Hüffer § 311 Rn. 20 f. KropffFS Semler S. 517, 537; ders. FS Kastner ( 1992) S. 279 ff. KK!Lutter §57 Rn. 81; MüKo-AktG!Kropff§ 317 Rn. 107.

Kapitalerhaltung und -ersatz

sprechend den §§57, 62 AktG erst dann zur Rückgewähr verpflichtet, wenn der entstandene Nachteil nicht rechtzeitig gemäß § 311 AktG ausgeglichen wurde. 2.

AG-Vertragskonzern

Im AG-Vertragskonzern gelten Leistungen aufgrund des Beherrschungsoder Gewinnabftihrungsvertrages nicht als Verstoß gegen die §§57, 58 und 60 AktG (§ 291 Abs. 3 AktG). Die Vorschrift stellt klar, dass solche Verträge entgegen einer zum früheren Recht vertretenen Ansicht auch und gerade mit einem Aktionär der Gesellschaft abgeschlossen werden können und Leistungen, die aufgrund des Vertrages an den Aktionär erfolgen, nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen. In der Regierungsbegründung heißt es weiter: "Der Schutz der Aktionäre und Gläubiger ... wird bei diesen Verträgen über die besonderen Sicherungen der§§ 300 ff. erreicht" 75 • Richtig ist das nur, wenn und solange das herrschende Unternehmen solvent ist und Jahresfehlbeträge der abhängigen Gesellschaft tatsächlich ausgleichen kann. Bei drohender Insolvenz stellen die §§ 300 ff. AktG hingegen keinen vollwertigen Ersatz für die Kapitalerhaltungsvorschriften dar: Zum einen hängt der Verlustausgleich gemäß § 302 AktG von der Rechnungslegung ab und ist damit zeitlich hinausgeschoben; im Extremfall können 18 Monate bis zur Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs vergehen 76 , in denen sich die Lage des herrschenden Unternehmens weiter verschlechtern kann. Zum anderen richtet sich der Ausgleichsanspruch allein gegen das herrschende Unternehmen, wohingegen nach den Kapitalerhaltungsvorschriften auch Schwestergesellschaften, die Leistungen empfangen haben, rückgewährpflichtig sein können. Eine Einschränkung des § 291 Abs. 3 AktG wird dadurch erreicht, dass Leistungen, die auf einer unzulässigen Weisung des herrschenden Unternehmens beruhen, nicht mehr als Leistungen "aufgrund" des Vertrages gelten und deshalb nach wie vor den §§57, 58, 60 AktG unterfallen 77 • Unzulässig sind in erster Linie Weisungen, die verdeckte Gewinnausschüttungen an nicht zum Konzern gehörende Dritte bezwecken; verdeckte Gewinnausschüttungen zugunsten konzernangehöriger Unternehmen sind dagegen grundsätzlich zulässig und entsprechende Weisungen nicht verbo75 76

77

RegBegr. zu§ 291 AktG, abgedruckt bei Kropf!S. 377 f. Hammelhoff WM 1984, S. II 05, II II; ob der Ausgleichsanspruch bei Feststellung des Jahresabschlusses oder zum Bilanzstichtag entsteht und fallig wird, ist streitig, vgl. Hüffer § 302 Rn. 15 m.w.N. KK!Koppensteiner § 291 Rn. 79; MüKo-AktG/Altmeppen § 291 Rn. 229; Michalski AG 1980, S. 261.

123

Horizontaler Einzelausgleich

ten, wenn sie "im Konzerninteresse" liegen(§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG) 78 • Eine Weisung lässt sich aber auch dann als unzulässig ansehen, wenn das herrschende Unternehmen nicht mehr solvent ist oder insofern Zweifel bestehen. Denn eine Folgepflicht kann nur bestehen, solange das nachteilige Unternehmen auf die Erfüllung seines Verlustausgleichsanspruchs vertrauen kann 79 . Wenn daher im AG-Vertragskonzern eine nicht hinreichend solvente Muttergesellschaft eine abhängige Gesellschaft anweist, Vermögensgegenstände auf eine Schwestergesellschaft zu verlagern, haftet nicht nur die Muttergesellschaft nach den §§ 57, 62 AktG, sondern unter den oben beschriebenen subjektiven Voraussetzungen auch die Schwestergesellschaft. Selbst wenn die leistende Gesellschaft im Zeitpunkt der Weisung noch auf die Solvenz der Muttergesellschaft vertrauen konnte, mit ihrem Verlustausgleichsanspruch aber später ausfällt, ist ein Rückgewähranspruch gegen die empfangende Schwestergesellschaft denkbar: Der Gesetzgeber wollte mit § 291 Abs. 3 AktG lediglich klarstellen, dass auch Aktionäre Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge mit der Gesellschaft abschließen können, und ging davon aus, dass der Verlustausgleichsanspruch gemäß § 302 AktG einen gleichwertigen Ersatz für die Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften darstellt. Dass aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften auch Dritte zur Erstattung verpflichtet sein können, was insbesondere bei Insolvenz des herrschenden Unternehmens Bedeutung erlangt, hat er dabei nicht berücksichtigt. Das legt es nahe, die Sperrwirkung des § 291 Abs. 3 AktG teleologisch auf den Fall zu beschränken, dass sich der Verlustausgleichsanspruch gegen das herrschende Unternehmen durchsetzen lässt, im Übrigen aber Erstattungsansprüche gegen Dritte zuzulassen80 . 3.

GmbH-Vertragskonzern

Ob § 291 Abs. 3 AktG im GmbH-Vertragskonzern entsprechende Anwendung findet, so dass dort die §§ 30, 31 GmbHG (partiell) verdrängt werden, ist streitil 1• Für eine Übernahme des § 291 Abs. 3 AktG wird vor allem angeführt, dass die abhängige GmbH anderenfalls unter stärkerem Schutz

78 79 80 81

124

Vgl. MüKo-AktG/Altmeppen § 308 Rn. 97. MüKo-AktG!Altmeppen § 302 Rn. 38, § 308 Rn. 122. Deren tatbestandliehe Voraussetzungen können ohne weiteres vorliegen;§ 291 Abs. 3 AktG ist nur eine Fiktion, vgl. den Wortlaut und Hüffer § 291 Rn. 36. Für entsprechende Anwendung des§ 291 Abs. 3 AktG Fleck FS 100 Jahre GmbHG S. 391, 395 f.; Scholz/H P. Westermann § 30 Rn. 9, 35; Eschenbruch Rn. 3193, 3377; falls der Anspruch entsprechend § 302 AktG vollwertig ist, auch Oetker KTS 1991, S. 521, 537 ff. und Jaschinski Schwestergesellschaften S. 209 ff.- dagegen Roth/Altmeppen § 30 Rn. 31 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner Anhang KonzernR Rn. 77; Ehricke Konzernunternehmen S. 279 ff.

Kapitalerhaltung und -ersatz

stünde als die abhängige AG 82 . Dagegen wird eingewandt, ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag müsse im GmbH-Vertragskonzern nicht unbedingt die gleichen Rechte vermitteln wie im AG-Vertragskonzern; auch die Annahme einer Verlustausgleichspflicht analog§ 302 AktG berechtige nicht zum Verstoß gegen die§§ 30, 31 GmbHG 83 . Eine Absenkung des Schutzniveaus für die abhängige GmbH ist nur angezeigt, wenn man den Allein- oder Mehrheitsgesellschafter dadurch zum Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages motivieren kann und die für die abhängige GmbH damit einhergehenden Vorteile (analoge Anwendung der§§ 302 ff. AktG) die Nachteile (Außerkraftsetzung der §§ 30, 31 GmbHG) insgesamt überwiegen. Während der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH meist steuerliche Gründe hat 84, erscheint der isolierte Abschluss eines Beherrschungsvertrages angesichts des ohnehin schon bestehenden Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung (§ 37 GmbHG) kaum sinnvoll. Eine Einschränkung der §§ 30, 31 GmbHG könnte insoweit den konzerninternen Leistungsaustausch erleichtern, indem beispielsweise nicht mehr jede Lieferung zu "Konzernverrechnungspreisen" daraufhin kontrolliert werden muss, ob sie das Stammkapital der abhängigen GmbH angreift. Auch der nicht Gesetz gewordene § 230 Abs. 3 RegE 1973 sah die konzernspezifische Aufhebung des Rückzahlungsverbots vor, da anderenfalls der laufende Geschäftsverkehr zwischen den Partnern des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages erheblich beeinträchtigt würde 85 . Eine Analogie zu § 291 Abs. 3 AktG ist deshalb möglich, solange das herrschende Unternehmen solvent ist und Jahresfehlbeträge tatsächlich ausgeglichen werden 86 ; anderenfalls muss es bei den §§ 30, 31 GmbHG verbleiben, auch im Verhältnis zu Schwestergesellschaften.

111.

Eigenkapitalersatz

Der Anwendungsbereich der Kapitalerhaltungsvorschriften erfährt eine bedeutende Ausweitung durch die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts. Dem Eigenkapitalersatzrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass eine notleidende Gesellschaft nicht mit bloßem Fremdkapital "über Wasser gehalten" und die

82 83 84 85 86

Fleck FS I 00 Jahre GmbHG S. 391, 396; Scholz/H P. Westermann § 30 Rn. 35. Ehricke Konzernunternehmen S. 279 ff. Vgl. Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 136 zur Organschaft (§§ 14, 17 KStG). RegBegr. zu§ 230 Abs. 3 GmbHG-RegE 1973, BT Drucks. 7/253, S. 211. Ähnlich Oetker KTS 1991, S. 521, 539: Die Konzernobergesellschaft muss sich bei Auszahlung in einer wirtschaftlichen Situation befinden, die es ihr gestattet, das Stammkapital über den Verlustausgleich zu erhalten.

125

Horizontaler Einzelausgleich

Liquidation hinausgezögert werden darf, weil dadurch der Anschein einer ausreichenden Kapitalausstattung erweckt und Gläubiger gefährdet würden87. Deshalb muss sich ein Gesellschafter bei Verlust des Haftungsfonds entscheiden, ob er die Gesellschaft entweder liquidieren oder ihr neues Haftkapital zufUhren möchte; er darf hingegen nicht in eine Drittgläubigersteilung ausweichen, indem er ihr statt neuen Eigenkapitals Fremdkapital zufUhrt (als "Eigenkapitalersatz") 88 . Die Gewährung von Fremdkapital hätte flir den Gesellschafter den Vorteil, dass er der notleidenden Gesellschaft zunächst ein Weiterwirtschaften ermöglicht und so den Anschein ausreichender Kapitalausstattung erweckt, seine Mittel aufgrund besserer Informationsmöglichkeiten aber rechtzeitiger als andere Gläubiger wieder abziehen oder bei Insolvenz zumindest mit ihnen um die Haftmasse konkurrieren kann 89 . Die Rechtsprechung vereitelt diese Ausweichstrategie durch die Umqualifizierung des gewährten Fremdkapitals in Eigenkapitalersatz und die Unterwerfung von Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen unter die Kapitalerhaltungsvorschriften90 . Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechungsregeln flir die GmbH durch die Novelle von 1980 kodifizieren wollen, was ihm jedoch nur unzureichend gelungen ist. Insbesondere hängen die Rechtsfolgen der neu geschaffenen Vorschriften(§§ 32a, b GmbHG, §§ 135 InsO, 6 AnfG 91 ) von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. einer rechtzeitigen Anfechtung ab und bleiben somit hinter dem Schutzniveau zurück, das die Rechtsprechung damals bereits mithilfe der Kapitalerhaltungsvorschriften erreicht hatte. Es besteht deshalb weitgehende Einigkeit, dass die Rechtsprechungsregeln trotz der damit verbundenen dogmatischen Probleme92 weiterhin ergänzend Anwendung finden 93 und auch aufdie AG übertragbar sind (i.V.m. den§§ 57,62 AktG) 94 .

87 88

89 90 91 92

126

Vgl. die Aufzählung in BGHZ 90, 381, 388 ff. und bei Lutter!Hommelhoffin Lutter/Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 3. Goette ZHR 162 (1998), S. 223, 224; Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 32a Rn. I; Raiser Kapitalgesellschaften§ 38 Rn. 17, S. 654; BGHZ 90, 381, 389- BuMspricht von der "Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung, die ihn in der Krise zwar nicht positiv verpflichtet, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen, der er sich aber nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen kann, dass er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweicht" ("Finanzierungsverantwortung" bzw. "Finanzierungsfolgenverantwortung"). Vgl. BGHZ 90, 381,388 ff.- BuM. Grundlegend BGHZ 31,258- Luft-Taxi (GmbH); BGHZ 90,381- BuM (Übertragung auf die AG). Damals§§ 32a KO, 3b AnfG. Dazu insbesondere Kühler FS Stimpel S. 3 ff.

Kapitalerhaltung und -ersatz

Auch Schwestergesellschaften unterfallen dem Recht des Eigenkapitalersatzes (1.). Besondere Probleme bereiten hier Finanzierungshilfen, die bei der Empfängergesellschaft eigenkapitalersetzend wirken, jedoch aus dem gebundenen Kapital der darlehensgewährenden Schwestergesellschaft stammen (2.). 1.

Schwestergesellschaft als Adressatin des Eigenkapitalersatzrechts

§ 32a Abs. 1 S. 1 GmbHG erfasst zunächst nur eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, die nämlich ein Gesellschafter seiner Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt, in dem ihr ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugefuhrt hätten. Schwestergesellschaften kommen durch § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG ins Spiel, der den Adressatenkreis auf Nichtgesellschafter erweitert und zudem auch andere, der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen mit einbezieht. Der Darlehensgewährung gleichzustellen ist insbesondere die fur die Betriebsaufspaltung typische Nutzungsüberlassung von Anlagegütern 95 . Sie erlaubt es der Betriebsgesellschaft, ohne Einschränkungen tätig zu sein und trotzdem mit dem Mindeststammkapital auszukommen. Soweit die Nutzungsüberlassung eigenkapitalersetzende Funktion hat, kann die Besitzgesellschaft von einer Betriebs-GmbH nach § 30 GmbHG analog kein Nutzungsentgelt beanspruchen und muss sie ein dennoch gezahltes Entgelt nach§ 31 GmbHG analog erstatten96 •

93 94 95

96

Ausfuhrlieh BGHZ 90, 370, 376 ff.; Baumbach/Hueck!Hueck!Fastrich § 32a Rn. 72 ff.; Lutter/Hommelhoffin Lutter!Hommelhoff §§ 32a/b Rn. I 0, I 02 ff.; Raiser Kapitalgesellschaften§ 38 Rn. 14 f., S. 653. BGHZ 90,381, 386 f.; GK-AktG/Henze §57 Rn. 98 ff. Die Überlassung kann das gesamte Anlagevermögen umfassen (BGHZ 121, 31 Lagergrundstück Il) oder nur wesentliche Teile wie Grundstücke oder Großgeräte (BGHZ 127, I - Lagergrundstück III), vgl. zur Nutzungsüberlassung näher Baumbach/Hueck!Hueck/Fastrich § 32a Rn. 32 ff.; Lutter!Homrnelhoff in Lutter!Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 138; Scholz/K. Schmidt §§ 32a, 32b Rn. 120 ff.; Drygala Betriebsaufspaltung S. 45 ff.; Henssler ZGR 2000, S. 479,498. Zu weiteren Rechtsfolgen eigenkapitalersetzender Nutzungsüberlassung vgl. Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 32a Rn. 59a ff. Nach wie vor umstritten ist insbesondere, ob das überlassene Wirtschaftsgut auch seiner Substanz nach als Kapitalersatz gebunden ist. Nach Rspr. und h.M. verändert das Eingreifen der Kapitalersatzregeln nicht die rechtliche Zuordnung (BGHZ 127, I, 8 f.) und besteht auch kein das Eigentum verdrängendes Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters (so aber Drygala Betriebsaufspaltung S. 67 ff, 74). Gegenstand der eigenkapitalersetzenden Leistung ist allein das Nutzungsrecht, das der Gesellschaft und dem Insolvenzverwalter deshalb zunächst zu belassen ist.

127

Horizontaler Einzelausgleich

a)

Meinungsstand

Bereits § 32a Abs. 5 RegE 1977 sah vor, die Forderungen eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens den eigenen Forderungen eines Gesellschafters gleichzustellen97 • Diese Bestimmung ging, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden sein sollte, in der Generalklausel des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG auf'/ 8 • Deshalb wird auch für das geltende Recht verbreitet eine generelle Gleichstellung verbundener Unternehmen mit einem Gesellschafter bejaht99 • Für verbundene Unternehmen stimme der Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts mit dem des Kapitalerhaltungsgebots überein 100 . Denn bei Unternehmensverbindungen gebe es typischerweise Einflussmöglichkeiten der nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen, die es rechtfertigten, die Verantwortung für die Unternehmensfinanzierung auch ihnen aufzuerlegen 101 . Auch unter Umgehungsgesichtspunkten könne nicht hingenommen werden, dass ein Gesellschafter seine Gesellschaft mit Mitteln einer anderen Konzerngesellschaft ausstatte und diese Finanzierung dadurch den Kapitalersatzregeln entziehe 102 . In neueren Entscheidungen stellt der BGH auf die maßgebliche Beteiligung eines Gesellschafters an der darlehensgewährenden Gesellschaft ab; ausreichend sei grundsätzlich bereits eine Mehrheitsbeteiligung, aufgrund deren der Gesellschafter beherrschenden Einfluss ausüben und die Kreditvergabe durchsetzen könne 103 . Die Rechtsprechung bemüht auch die Figur der "wirtschaftlichen Einheit", bezogen entweder auf das Verhältnis zwischen darlehensgewährender Gesellschaft und deren Gesellschafter104 oder - bei der horizontalen Betriebsaufspaltung - auf das

97 BT-Drucks. 8/1347, S. 10; genauer Wortlaut bei Raiser Kapitalgesellschaften § 38 Rn. 26, s. 659. 98 Rechtsausschuss zum RegE 1977, BT-Drucks. 8/3908, S. 74; BGHZ 81,311, 315; ZIP 2001, S. 115 f.; Johlke in: v. Gerkan/Hommelhoff Kapitalersatzrecht Rn. 5.38, S. 137. 99 BGH GmbHR 1999, S. 916; OLG DüsseldorfGmbHR 1997, S. 355; vgl. die zahlreichen Nachweise bei Scholz!K. Schmidt §§ 32a, 32b Rn. 135 Fn. 566. I 00 Karollz1s FS Claussen S. 199, 204 nimmt weitergehend sogar eine generelle Übereinstimmung der Anwendungsbereiche von Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzregeln an. 101 BGH ZIP 1991, S. 366; ablehnend zu einer Finanzierungsverantwortung von Schwestergesellschaften Windbichler RdA 2000, S. 238, 240. l 02 BGH ZIP 1992, S. 242, 244. 103 Zuletzt BGH ZIP 2001, S. 115; GmbHR 1999, S. 916; ebenso GK-AktG!Henze §57 Rn. 139. I 04 So etwa BGHZ I 05, 168, 176.

128

Kapitalerhaltung und -ersatz

Verhältnis zwischen den beiden Schwestergesellschaften 105 • Bei der Betriebsaufspaltung bildeten das Besitz- und das Betriebsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit, die es rechtfertige, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Finanzierung der Betriebsgesellschaft auch der von denselben Gesellschaftern getragenen Besitzgesellschaft aufzuerlegen 106 • In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Tatbestände verbundener Unternehmen Zurechnungsprobleme nur aufwerfen und nicht auch schon lösen 107 , und sodann unterschiedlich differenziert: Lutter/Hommelhoff greifen den Terminus der "wirtschaftlichen Einheit" auf und wollen eine solche - im Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten - im Vertragskonzern unwiderleglich vermuten, während sie bei bloßer Abhängigkeit oder Mehrheitsbesitz des Gesellschafters zusätzlich die (konkret festzustellende) Übernahme der Finanzierungsverantwortung durch den Dritten fordern 108 • Hierzu verweisen sie auf ein Urteil des LG Hamburg, das eine Gesellschaft dem Kapitalersatzrecht unterworfen hat, weil sie eine andere Gesellschaft mit personenidentischen Gesellschaftern und GeschäftsfUhrern umfassend wirtschaftlich gestützt, insbesondere jahrelang durch Abgabe von Überschuldungsgarantien "am Leben erhalten" hatte 109 • Ähnlich wie Lutter/Hommelhoff wollen auch Karsten Schmidt 110 und Raiser 111 in Abhängigkeit vom Konzernierungsgrad Vermutungsregeln aufstellen bzw. eine Einzelfallprüfung vornehmen.

Eine zweite Meinungsgruppe will grundsätzlich nur solche Dritte in das Kapitalersatzrecht einbeziehen, die als Treugeber wirtschaftlich Gesellschafter sind oder als Zahlungsmittler ftir Rechnung des Gesellschafters handeln. Von Bedeutung ist ftir aneinander nicht beteiligte Schwestergesellschaften nur die Fallgruppe des Zahlungsmittlers, die unstreitig jedenfalls diejenigen Fälle abdeckt, in denen die Mittel wirtschaftlich aus dem Vermögen des

105 So BGHZ 121, 31, 35- Lagergrundstück II; Fleischer in: v. Gerkan/Hommelhoff Kapitalersatz Rn. 12.22: bei der Betriebsaufspaltung werde ausnahmsweise zu Recht von einer "wirtschaftlichen Einheit" gesprochen. 106 BGHZ 121, 31, 35; 127, S. I, 5; ferner BGH ZIP 1992, S. 242, 244; Baumbach/Hueck!Hueck!Fastrich § 32a Rn. 24; GK-AktG/Henze § 57 Rn. 140; Johlke in: v. Gerkan/HommelhoffKaptalersatz Rn. 5.46 m.w.N. 107 Scholz/K. Schmidt §§ 32a, 32b Rn. 135. I 08 Lutter/Hommelhoffin Lutter/Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 64. I 09 LG Harnburg GmbHR 1991, S. 531. II 0 K. Schmidt §§ 32a, 32b Rn. 136 f. bejaht eine Gleichstellung mit einem Gesellschafter in Konzernfällen (mit Entlastungsmöglichkeit) und ftir die Betriebsaufspaltung, bei anderen verbundenen Unternehmen, die selbst nicht Gesellschafter sind, aber nur nach Lage des Einzelfalls. III Raiser Kapitalgesellschaften§ 38 Rn. 27 f., S. 659 f.

129

Horizontaler Einzelausgleich

Gesellschafters stammen und von der Schwestergesellschaft nur weitergeleitet werden 112 • Selbst wenn die Mittel wirtschaftlich aus dem Vermögen der Schwestergesellschaft stammen, wird unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Stellvertretung zum Teil angenommen, dass die Schwestergesellschaft den Kapitalersatzregeln unterfalle, weil sie im Interessenbereich des herrschenden Gesellschafters agiere und ihre Bindun§en deshalb über die anderer Kreditgeber hinausgingen 113 . Nach Noack 11 soll es bei horizontaler Finanzierung durch eine Schwestergesellschaft hingegen darauf ankommen, ob das herrschende Unternehmen der Schwestergesellschaft verlustausgleichspflichtig ist 115 oder diese (als Finanzierungstochter) bestimmungsgemäß ftir Finanzierungszwecke eingesetzt wird; in diesen Fällen weise die Schwestergesellschaft Ähnlichkeit zum Zahlungsmittler auf und könne den Kapitalersatzregeln unterworfen werden. Altmeppen wiederum stellt die Vermutungsregel auf, dass eine Schwestergesellschaft, die einer kreditunwürdigen Gesellschaft ein Darlehen gibt, dies ftir Rechnung des Gesellschafters tue, weil sie kein eigenes Interesse an der Darlehensgewährung habe 116 . Cahn schließlich will das Kriterium der causa societatis aus dem Kapitalerhaltungs- in das Kapitalersatzrecht übertragen: Wenn eine Gesellschaft ihrer kreditunwürdigen Schwester das Darlehen gerade im Hinblick auf ihre gesellschaftsrechtliche Verbundenheit gewähre, müsse man sie "beim Wort nehmen" und den Kredit denselben Regeln unterwerfen, die unter diesen Umständen auch ftir einen Gesellschafter gelten würden. Bei der Darlehensvergabe an eine kreditunwürdige Schwester - die also von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte - spreche eine Vermutung daftir, dass der tragende Grund in der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der beiden Unternehmen zu sehen seim. Ganz ähnlich stellt auch Karollus bei Finanzierungsflüssen im Konzern auf die causa societatis ab: In straff geftihrten Konzernen sei eindeutig, dass alle Finanzierungsflüsse, auch solche zwischen Schwestergesellschaften, auf einer "Konzerncausa" beruhten. Diese bilde eine ausreichende Grundlage, um im Verhältnis 112 Noack GmbHR 1996, S. 153; Roth/Altmeppen § 32a Rn. 57 f. bezeichnet den Fall des Zahlungsmittlers als "mittelbare Stellvertretung"; Fleischer in: v. Gerkan/Hommelhoff Kapitalersatz Rn. 12.21: klassischer Umgehungsfall; auch Rowedder/SchmidtLeithoff/Pentz § 32a Rn. 37, der bei verbundenen Unternehmen zudem eine widerlegbare Vermutung des Eigenkapitalersatzes beflirwortet. 113 Ehricke Konzernunternehmen S. 164; Hachenburg/Ulmer § 32a, b Rn. 121. 114 Noack GmbHR 1996, S. 153, 156 ff. 115 Entsprechend§ 302 AktG, ebenso Fleischer in: v. Gerkan/HommelhoffKapitalersatz Rn. 12.25. 116 Roth/Altmeppen § 32a Rn. 67 f.; GK-AktG!Henze §57 Rn. 133: nicht ungewichtiges Indiz. 117 Cahn Kapitalerhaltung S. 240 f.

130

Kapitalerhaltung und -ersatz

aller dieser Konzerngesellschaften zueinander eine gesellschafterähnliche Stellung anzunehmen und daher in alle Richtungen das Kapitalersatzrecht anzuwenden. Bei zentraler Steuerung durch die Konzernspitze könne von einem Handeln aus einer reinen Drittgläubigerposition nicht die Rede sein 118 • b)

Stellungnahme

Der Begriff der verbundenen Unternehmen und auch die Figur der "wirtschaftlichen Einheit" können a11enfa11s ein Ausgangspunkt für weitere Überlegungen sein 119 , liefern aber noch keine Begründung dafür, eine Schwestergesellschaft dem Kapitalersatzrecht zu unterwerfen. Wirtschaftliche Einheit begegnet schließlich im gesamten Konzernrecht, ohne dass sie für sich genommen bereits eine Einheitsbetrachtung oder Gleichstellung einer rechtlich selbständigen Konzerngesellschaft mit dem Gesellschafter einer anderen rechtfertigen könnte 120 • Die aufgeführten Gesichtspunkten rekurrieren teilweise auf das Verhältnis der darlehensgewährenden Gesellschaft zu ihrem Gesellschafter, teilweise aber auch direkt auf das Verhältnis zwischen den beiden Schwestergesellschaften. Von "wirtschaftlicher Einheit" kann man in jedem der beiden Verhältnisse sprechen. Hueck!Fastrich stellen denn auch explizit fest, dass die Gleichstellung mit einem Gesellschafter auf den Beziehungen zu dem einzelnen Gesellschafter und dessen Geschäftsanteil oder auf dem Verhältnis zur Gesellschaft als solcher beruhen könne 121 . Ordnet man die Gesichtspunkte danach, ob sie primär das Verhältnis zum Gesellschafter oder das zwischen den Gesellschaften betreffen, ergibt sich folgendes Bild: Das Verhältnis zum Gesellschafter beschreiben die Aspekte des Umgehungsschutzes und der maßgeblichen Beteiligung, die Differenzierung nach Konzernierungsgraden und die Orientierung an der Figur des Zahlungsmittlers (aa). Das Verhältnis zwischen den Gesellschaften betreffen dagegen der Verweis auf typischerweise vorhandene Einflussmöglichkeiten verbundener Unternehmen, das Erfordernis der konkret festzustellenden Übernahme der Finanzierungsverantwortung und das Kriterium der causa societatis (bb ).

118 Karollus FS Claussen S. 199, 204 ff.; zustimmend Fleischer in: v. Gerkan/HommelhoffKapitalersatz Rn. 12.30, S. 356. 119 In diesem Sinne wollen Lutter/Hommelho.ff in Lutter/Hommelhoff §§ 32alb Rn. 64 und Noack GmbHR 1996, S. 153, 156 die Formel der "wirtschaftlichen Einheit" mit Wertungskriterien ausfüllen. 120 Kritisch zur Figur der "wirtschaftlichen Einheit" Wiedemann Unternehmensgruppe S. 5, 19; vgl. noch unten § 9 TI. 121 Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 32a Rn. 20; ähnlich Hachenburg/Ulmer § 32a,b Rn. 121 für verbundene Unternehmen.

131

Horizontaler Einzelausgleich

aa)

Verhältnis zum Gesellschafter

Der nicht nur von der Rechtsprechung betonte Aspekt des Umgehungsschutzes verdeutlicht zwar die praktische Notwendigkeit, von Schwestergesellschaften gewährte Hilfen jedenfalls in Durchleitungsfällen dem Kapitalersatzrecht zu unterwerfen, kann aber deren Adressatenstellung dogmatisch nicht begründen. Denn Folge einer Gesetzesumgehung könnte nur die Haftung des Normadressaten, also des Gesellschafters, sein, nicht aber die Haftung der als Werkzeug eingesetzten Schwestergesellschaft122 • Diese Kritik trifft insbesondere auch die neuere, auf eine maßgebliche bzw. eine Mehrheitsbeteiligung abstellende Rechtsprechung. Indem sie das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung damit begründet, dass der Gesellschafter dann die Kreditvergabe an die Schwestergesellschaft durchsetzen könne 123 , stützt sie sich letztlich wieder allein auf die drohende Umgehungsgefahr. Aus der Sicht von Gläubigem und Minderheitsgesellschaftern der darlehensgewährenden Gesellschaft ist kaum verständlich, warum ein Kredit, den sie auf Veranlassung ihres Mehrheitsgesellschafters einer kreditunwürdigen Schwestergesellschaft gewährt hat, nun auch noch dem Eigenkapitalersatzrecht unterfallen und damit nicht rückforderbar sein soll, wenn dadurch lediglich eine Umgehung der Kapitalersatzregeln durch den Mehrheitsgesellschafter verhindert werden soll und Ersatz von diesem womöglich nicht mehr zu erlangen ist 124 • Ein ähnliches Begründungsdefizit wurde schon oben bei den Kapitalerhaltungsvorschriften festgestellt und hat dort zu der Erkenntnis geflihrt, dass die Rechtfertigung flir einen gegen die Schwestergesellschaft gerichteten Erstattungsanspruch im Verhältnis zwischen den Schwestergesellschaften selbst, nicht im Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Gesellschafter zu suchen ist 125 •

122 Daraufweist schon Cahn Kapitalerhaltung S. 47 f. hin, m.w.N. in Fn. 72; vgl. auch oben§ 2 I I. 123 BGH GmbHR 1999, S. 916. 124 Karollus FS Claussen S. 199, 206 und Noack GmbHR 1996, S. 153, 156 weisen zu Recht darauf hin, dass es bei Anwendung des Kapitalersatzrechts in Konzemlagen letztlich um einen Konflikt zwischen den Gläubigern der Darlehensnehmerin einerseits und den Gläubigern der Darlehensgeberin andererseits geht. - Roth!Altmeppen § 32a Rn. 68: "Die Schwestergesellschaft ist auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht an der GmbH beteiligt und hat- nicht zuletzt im Interesse ihrer eigenen Gläubiger!- Anspruch darauf, dass der aus ihrem Vermögen stammende Kredit ungeachtet einer Krise der Kreditnehmerin Fremdkapital bleibt"; Altmeppen relativiert diese Aussage jedoch durch eine Vermutung, dass die Schwestergesellschaft für Rechnung ihres Gesellschafters handelt und deshalb nach den Regeln der mittelbaren Stellvertretung haftet.- Vgl. ferner Lutter ZIP 1989, S. 477.480. 125 Vgl. oben§ 2 I 3.

132

Kapitalerhaltung und -ersatz

Wenig mehr leistet die Differenzierung nach unterschiedlichen Konzernierungsgraden. Ein enges Verhältnis der darlehensgewährenden Gesellschaft zu ihrem Gesellschafter, etwa im Vertragskonzern oder "qualifiziert faktischen Konzern", signalisiert im Konzernrecht eher die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Gesellschaft, als dass es die Übernahme zusätzlicher Verpflichtungen bedingen würde. Dem Abstellen auf den Vertragskonzern oder "qualifiziert faktischen Konzern" dürfte zugrunde liegen, dass eine Veranlassung des Gesellschafters insoweit besonders naheliegend ist und die darlehensgewährende Gesellschaft durch eine Verlustausgleichspflicht des Gesellschafters gemäß § 302 AktG (analog) genügend geschützt sein könnte. Dieser Gesichtspunkt findet sich entsprechend auch bei der Figur des Zahlungsmittlers. Die Tatsache, dass eine Gesellschaft, wenn sie denn in Anspruch genommen wird, sich anderweitig möglicherweise schadlos halten kann, wirkt aber nicht schon selbst anspruchsbegründend 126 • Sie gibt nur einen Hinweis darauf, dass das einmal gefundene Ergebnis wertungsmäßig richtig ist. Das Verhältnis der darlehensgewährenden Gesellschaft zu ihrem Gesellschafter bildet gleichsam den Hintergrund, vor dem eine Einstandspflicht der darlehensgewährenden Schwestergesellschaft selbst aber erst noch begründet werden muss.

bb)

Verhältnis zwischen den Gesellschaften

Die Begründung flir die Einstandspflicht der darlehensgewährenden Gesellschaft ist in ihrem Verhältnis zur Schwestergesellschaft zu suchen. Der BGH hat insofern angenommen, dass bei Unternehmensverbindungen typischerweise Einflussmöglichkeiten der nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen bestünden und dass derartige Einflussmöglichkeiten es rechtfertigten, die Verantwortung flir die Unternehmensfinanzierung auch ihnen aufzuerlegen 127 • Oben wurde der Fall diskutiert, dass eine Schwestergesellschaft den Konzern aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung faktisch dominiert, insbesondere weil Entscheidungen mit konzernweiten Auswirkungen faktisch von ihrer Geschäftsleitung getroffen werden, nicht von der rechtlichen Konzernspitze 128 . Dass eine Schwestergesellschaft eine andere derart beeinflussen kann, dürfte jedoch eher die Aus-

126 Ähnlich Cahn Kapitalerhaltung S. 47. 127 BGHZIP199l,S.366. 128 Vgl. oben§ I A llund2.

133

Horizontaler Einzelausgleich

nahme als die Regel sein 129 • Selbst wenn im Einzelfall weitgehende Einflussmöglichkeiten bestehen sollten, wäre noch zu begründen, warum daraus eine Verantwortung fur die Unternehmensfinanzierung folgen soll. Oben wurde bereits gezeigt, dass der faktische, nicht gesellschaftsrechtlich vermittelte Einfluss jedenfalls keine Haftung nach §§ 311, 317 AktG auslösen kann. Übrig bleiben somit die Gesichtspunkte der konkret festzustellenden Übernahme der Finanzierungsverantwortung 130 und der Darlehensgewährung causa societatis 131 • Beide Begriffe erscheinen austauschbar. In der Tatsache der Kreditvergabe selbst kann noch keine Verantwortungsübernahme liegen132; eine zusätzliche Verantwortungsübernahme wird sich nur und gerade dann bejahen lassen, wenn die Darlehensgewährung causa societatis, also gerade im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit erfolgt. In dieser Situation ist der darlehensgewährenden Gesellschaft selbst ein Vorwurf zu machen, nicht nur dem hinter ihr stehenden und die Darlehensgewährung möglicherweise veranlassenden Gesellschafter. Der Vorwurf besteht darin, dass die Gesellschaft wie ein Gesellschafter ihrer notleidenden Schwester aus gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit heraus ein Weiterwirtschaften ermöglicht, durch das die Liquidation hinausgezögert und Gläubiger gefährdet werden. Die Schwestergesellschaft ist dann in der Tat "beim Wort zu nehmen" und den Regeln zu unterwerfen, wie sie auch fur einen Gesellschafter gelten 133 • Die Gesellschaft haftet nicht, weil sie von ihrem Gesellschafter als Werkzeug eingesetzt und zur Gesetzesumgehung missbraucht wird, sondern weil sie selbst sich wie ein Gesellschafter verhält. Dies ist auch die Sicht von Gerkans, dem zufolge es bei der Gleichstellung mit einem Gesellschafter nach § 32a Abs. 3 GmbHG nicht darauf ankommt, ob der einzubeziehende Dritte auf den Nenner einer irgendwie verstandenen Identität mit einem der vorhandenen Gesellschafter gebracht werden kann; der Dritte werde vielmehr neben den vorhandenen Gesellschaftern wie diese als eigenständiger Quasi-Gesellschafter der gesetzlichen Regelung unterworfen134.

129 Auch Scholz/K. Schmidt (7. Aufl.), §§ 32a, 32b Rn. 95, auf den sich der BGH bei seiner Annahme beruft, nimmt nur fiir mehrstufige Untemehmensverbindungen im Verhältnis Mutter-Enkelin derartige Einflussmöglichkeiten an. 130 Daftir Lutter!Hommelhoffin Lutter/Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 64. 131 Daftir Cahn Kapitalerhaltung S. 240 ff.; Karollus FS Clanssen S. 199, 204 ff. 132 Vgl. Cahn Kapitalerhaltung S. 49. 133 Cahn Kapitalerhaltung S. 240 f. 134 V Gerkan GmbHR 1986, S. 218,223.

134

Kapitalerhaltung und -ersatz

cc)

Vereinbarkeif mit dem Zwerganteilsprivileg

Zu prüfen bleibt, wie diese von dem hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter losgelöste Betrachtungsweise mit dem durch das KapAEG neu eingefügten Zwerganteilsprivileg nach § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG zu vereinbaren ist. Die Bestimmung stellt den nur mit einer Kleinbeteiligung von 10% und weniger engagierten, nicht geschäftsführenden Gesellschafter von den Eigenkapitalersatzregeln frei. Für die AG wurde auch bisher schon eine unternehmefische Beteiligung des Gesellschafters verlangt, von der bei einem Aktienbesitz von mehr als 25% des Grundkapitals auszugehen ist 135 . Diese Schwellenwerte führen dazu, dass Gesellschafter bzw. Aktionäre nicht sämtlich dem Kapitalersatzrecht unterfallen, sondern - anders als im Kapitalerhaltungsrecht- nach der Beteiligungsquote zu differenzieren ist 136 • Das könnte es erforderlich machen, auch bei Schwestergesellschaften die Beteiligungsquote ihres Gesellschafters an der empfangenden Gesellschaft zu berücksichtigen, so dass insofern doch wieder auf den Gesellschafter rekurriert werden müsste. Im Unterordnungskonzern ist die Frage nur von theoretischem Interesse (vgl. § 17 Abs. 2 AktG: regelmäßig Mehrheitsbeteiligung)137. Sie kann jedoch bei der Betriebsaufspaltung Bedeutung erlangen, wenn etwa Familienmitglieder in unterschiedlicher, oft entgegengesetzter Weise an Betriebs- und Besitzgesellschaft beteiligt sind 138 • Dem Zwerganteilsprivileg liegt die anhand der Fallgruppe der "Witwen und Erbtanten" entwickelte Vorstellung zugrunde, dass ein solcher Gesellschafter nur nichtunternehmerisch beteiligt sei und deshalb durch die Auferlegung einer Finanzierungsverantwortung überfordert würde 139 • In der Literatur wird verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die Privilegierung nur rechtspolitisch zu erklären sei, das Eigenkapitalersatzrecht dogmatisch nicht auf eine 135 BGHZ 90, 381- BuM. 136 MüKo-!nsO/Stodolkowitz § 135 Rn. 4, 39: "Systembruch". 137 Cahn Kapitalerhaltung S. 45 f. weist für die 25%-Schwelle bei der AG lediglich darauf hin, dass diese Voraussetzung im Konzern im Verhältnis zwischen dem beide Schwestergesellschaften beherrschenden Mutterunternehmen und der das Darlehen empfangenden AG durchweg erftlllt sei. 138 Vgl. BGH ZIP 2001, S. 115, 116, wo ein Gesellschafter an der kreditnehmenden Gesellschaft nur zu 2%, an der kreditgewährenden Gesellschaft dagegen zu 90% beteiligt war. Der BGH unterwirft die Leistungen dem Eigenkapitalersatzrecht und lehnt eine Anwendung des neuen § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG nur deshalb ab, weil diese Vorschrift erst ftlr nach ihrem Inkrafttreten verwirklichte Tatbestände des Eigenkapitalersatzes gelte. - Aus steuerrechtlicher Sicht fehlt es an der ftlr eine Betriebsaufspaltung erforderlichen personellen Verflechtung, wenn die Beteiligungen an Besitz- und Betriebsgesellschaft der Höhe nach extrem entgegengesetzt sind, z.B. 95 zu 5 und 5 zu 95; näher dazu Schmidt/L. Schmidt EStG § 15 Rn. 822 m.w.N. 139 Hommelhojj/Goette Eigenkapitalersatzrecht Rn. 114, S. 84.

135

Horizontaler Einzelausgleich

neue Grundlage stelle und es sich daher verbiete, aus der Neuregelung Schlüsse flir ein treffenderes Verständnis des Kapitalersatzrechts ziehen zu wollen 140 • Aufgrund ihrer begrenzten Intention kann die Neuregelung daher den Ansatz, den Grund flir die Kapitalersatzhaftung einer Gesellschaft in ihrem Verhältnis zur Schwestergesellschaft statt in dem zu ihrem Gesellschafter zu sehen, nicht grundsätzlich irrfrage stellen. Gleichwohl verlangt die Vorschrift (ebenso wie die 25%-Schwelle bei der AG) Beachtung. In das Kriterium der causa societatis lässt sie sich am besten integrieren, indem bei Nichterreichen des Schwellenwertes durch den hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter vermutet wird, dass die Darlehensvergabe nicht durch die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit bedingt ist, einfach weil dieses Band angesichts der geringen Beteiligung des Gesellschafters an der empfangenden Gesellschaft zu schwach ist. Diese Vennutung würde das Gegenstück zu der nach Cahn in Konzernlagen eingreifenden Vermutung bilden, dass der tragende Grund flir die Darlehensvergabe an eine kreditunwürdige Schwester in der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der beiden Unternehmen zu sehen sei 141 . Damit bewirkt das Verhältnis zum Gesellschafter bei klein- bzw. nichtunternehmerisch beteiligten Gesellschaftern ftir die Gesellschaft eine Privilegierung, die es jedoch nicht hindert, die Adressatenstellung für die Kapitalersatzregeln im Grundsatz aus dem Verhältnis zwischen den Schwestergesellschaften herzuleiten. Im Ergebnis ist daher der Auffassung zuzustimmen, dass eine Gesellschaft dem Kapitalersatzrecht unterfällt, wenn sie ihrer kreditunwürdigen Schwestergesellschaft das Darlehen gerade im Hinblick auf ihre gesellschaftsrechtliche Verbundenheit, also societatis causa gewährt. Ein Abstellen auf eine konkrete Übernahme der Finanzierungsverantwortung dürfte regelmäßig zum gleichen Ergebnis führen. 2.

Eigenkapitalersatz aus gebundenem Kapital

Wenn man die Schwestergesellschaften mit der nahezu einhelligen Meinung dem Kapitalersatzrecht unterwirft, kommt es zu einer Kollision zwischen den für beide Schwestergesellschaften geltenden Kapitalerhaltungsvorschriften, soweit die hingegebenen Mittel aus dem gebundenen Kapital der darlehensgewährenden Gesellschaft stammen 142 • Die Darlehensgeberirr

140 MüKo-lnsO/Stodolkowitz § 135 Rn. 4; Veil ZGR 2000, S. 223, 235; Pentz GmbHR 1999, S.437,439. 141 Cahn Kapitalerhaltung S. 240 f. 142 Ein ähnlicher Konflikt entsteht, wenn eine Tochter an ihre kreditunwürdige Muttergesellschaft ein aufsteigendes Darlehen gibt. Dieser Konflikt soll zu Lasten des Kapitalersatzrechts, also zu Lasten der Muttergesellschaft und ihrer Gläubiger, zu lösen sein;

136

Kapitalerhaltung und -ersatz

hat dann aus Kapitalerhaltungsrecht einen Anspruch auf Rückgewähr der Mittel, zugleich verbietet aber das Kapitalersatzrecht der Empfängerirr die Rückzahlung. Diese Konfliktlage kommt vor allem zum Tragen, wenn die Darlehensgeberirr von ihren Gesellschaftern keine Erstattung erlangen kann 143 , und ist dann kaum zufriedenstellend aufzulösen:

Meinungsstand

a)

In der Rechtsprechung finden sich nur die allgemeine Aussage, dass die Interessen der leistenden Gesellschaft und ihrer Gläubiger am Bestand ihrer Rückzahlungsforderung durch die vorrangigen Eigenkapitalersatzregeln verdrängt würden 144 • Inwieweit dies auch fiir den Spezialfall gelten soll, dass der Eigenkapitalersatz aus gebundenem Kapital geleistet wird, ist offen. In der Literatur plädiert Cahn für eine Einzelfallentscheidung, da sich eine generell größere Schutzwürdigkeit einer der beiden Gesellschaften und ihrer Gläubiger nicht begründen lasse. Der Vorrang einer Gläubigergruppe könne sich im Einzelfall bereits aus der rechtsformspezifischen Ausgestaltung der Kapitalbindung ergeben: Während § 30 GmbHG nur einen echten Mindesthaftungsfonds garantiere, beziehe § 57 AktG auch freie Reserven in die Kapitalerhaltung mit ein und betreibe insoweit in erster Linie Minderheitenschutz; wegen des vorgehenden Gläubigerschutzes beanspruchten die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts Priorität, wenn eine AG ihrer nicht kreditwürdigen Schwester-GmbH Darlehen zu Lasten ihrer freien Reserven gewährt habe. In anderen Fällen sei etwa zu berücksichtigen, ob die Darlehensnehmerin gegenüber der Darlehensgeberirr ihre Situation zu günstig dargestellt oder bereits über die empfangenen Mittel disponiert habe 145 . Pentz deutet an, dass der Ersatzanspruch nach § 31 Abs. 3, 6 GmbHG einen Vorrang der Bestimmungen über den Eigenkapitalersatz rechtfertigen könntei46.

Zum schweizerischen Recht findet sich die Ansicht, dass die Umqualifizierung in Eigenkapital eine Korrekturmaßnahme darstelle und beim Konkurs

143 144 145

146

vgl. dazu Cahn Kapitalerhaltung S. 238; Fleischer in: v. Gerkan/Hommelhoff Kapitalersatz Rn. 12.19, S. 356, und Rn. 12.30, S. 356. Vgl. Cahn Kapitalerhaltung S. 243. BGH ZIP 2001, S. 115, 116. Cahn Kapitalerhaltung S. 242 ff. In der Zusammenfassung, S. 286, erklärt Cahn zwar, es sei eine Lösung anzustreben, die die gleichwertigen Interessen der Gläubiger beider Schwestergesellschaften so gut wie möglich zum Ausgleich bringe- im Text behandelt Cahn aber keinen "Ausgleich" zwischen den Gläubigergruppen, sondern zeigt Kriterien auf, die im Einzelfall den Vorrang einer Gläubigergruppe begrUnden sollen. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz § 32a Rn. 37.

137

Horizontaler Einzelausgleich

mehrerer Konzerngesellschaften eine Gläubigergruppe nur in einem solchen Maß davon profitieren sollte, dass als Resultat etwa gleich hohe Konkursdividenden für die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften entstünden 147 .

Karollus schließlich befürchtet einen endlosen Kreislauf von Rückgewähransprüchen. Diesen gelte es dadurch zu vermeiden, dass diejenige Gesellschaft die Rückzahlung verweigern kann, bei der sich die Mittel gerade befinden ("Grundsatz des beatus possidens") 148 •

b)

Stellungnahme

Anhand der Umstände des Einzelfalles dürfte nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Rechtssicherheit und Prognostizierbarkeit, entscheidbar sein, ob im Ergebnis den Gläubigem der Darlehensgeberin oder denjenigen der Darlehensnehmerin der Vorrang einzuräumen ist. Überzeugend ist jedoch Cahns Interessenwertung für den Ausnahmefall der Darlehensvergabe aus freien Reserven einer AG, wonach insoweit dem Kapitalersatzrecht der Vorrang einzuräumen ist.

§ 31 Abs. 3 GmbHG begründet bei der GmbH 149 eine subsidiäre Ausfallhaftung der Gesellschafter, soweit der Erstattungsbetrag vom primär verpflichteten Empfänger nicht zu erlangen ist. Die Haftung trifft sämtliche nicht bereits als Empfänger nach § 31 Abs. 1 GmbHG verpflichteten Gesellschafter. Bei stammkapitalverletzenden Auszahlungen an eine Schwestergesellschaft haftet die Muttergesellschaft regelmäßig bereits als Empfängerin nach § 31 Abs. 1 GmbHG, wenn sie nämlich die Auszahlung veranlasst hat wofür eine widerlegliehe Vermutung spricht 150 - oder durch sie einen ein-

147 Vogel SZW 1993, S. 299, 304. Die Rechtslage in der Schweiz ist der deutschen offenbar ganz ähnlich: in dem von Vogel besprochenen Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19.1.1993 werden die einer Schwester-AG gewährten Darlehen in Eigenkapital umqualifiziert, weil ein Dritter ihr keinen Kredit mehr gewährt hätte und die Darlehensvergabe durch Konzernmitglieder ebenso wie ein Gesellschafterdarlehen ein Weiterwirtschaften der Gesellschaft ermögliche, durch das andere Gläubiger gefährdet würden. De lege ferenda befürwortet Vogel die Einführung eines Konzernkonkurses, de lege lata will er in etwa gleiche Konkursquoten über einen (aufDarlehensteile begrenzten?) Rückforderungsanspruch der darlehensgewährenden Gesellschaft nach Art. 678 Abs. 2 OR (ähnlich den §§ 31 GmbHG, 62 AktG) oder die Konkursanfechtung erreichen, S. 303 f. 148 Karollus FS Claussen S. 199,206 f. 149 Das Aktienrecht kennt keine dem § 31 Abs. 3 GmbHG entsprechende Ausfallhaftung. 150 Cahn Kapitalerhaltung S. 67 f.

138

Kapitalerhaltung und -ersatz

deutig bestimmbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat 151 • § 31 Abs. 3 GmbHG führt daher nur ausnahmsweise weiter, wenn die Muttergesellschaft entweder nicht schon als Empfängerin haftet oder zwar haftet, zur Erstattung aber nicht in der Lage ist, so dass solvente Mitgesellschafter die Ausfallhaftung übernehmen müssen. Für den vermutlichen Regelfall, dass die Muttergesellschaft gemeinsam mit ihren Tochtergesellschaften in die Krise gerät, keine solventen Mitgesellschafter vorhanden sind und es deshalb letztlich um einen Verteilungskonflikt zwischen den Gläubigem der beiden Schwestergesellschaften geht 152 , bietet der Hinweis auf § 31 Abs. 3, 6 GmbHG dagegen keine Lösung. Ein genereller Vorrang der Kapitalersatzvorschriften ist damit nicht zu begründen. Das Eigenkapitalersatzrecht erscheint auch ungeeignet, die Konkursdividenden der Gläubiger insolventer Konzerngesellschaften einander anzugleichen. Die Qualifikation als Eigenkapitalersatz kann nicht von der Verteilung der Haftungsmassen auf die Konzerngesellschaften abhängen. Mit der Qualifikation als Eigenkapitalersatz steht aber bereits fest, dass die Gläubiger der Empfängergesellschaft in der Konzerninsolvenz vorrangig zu befriedigen sind (§ 32a Abs. l und 3 GmbHG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Zu einer Allspruchskonkurrenz kommt es schon nicht mehr 153 • Droht somit ein endloser Kreislauf von Rückgewähransprüchen, zu dessen Durchbrechung man mit Karollus einen besonderen "Grundsatz des beatus possidens" bemühen müsste? Die Mittel befinden sich entweder noch bei der Darlehensnehmerin oder wieder bei der Darlehensgeberin. Im ersten Fall verlangt die Darlehensgeberin ihre Mittel unter anderem nach § 31 GmbHG zurück. Wenn die Darlehensnehmerin bereits insolvent ist, ist die Darlehensgeberin mit ihrem Erstattungsanspruch nur nachrangige Insolvenzgläubigerin (§ 32a Abs. 1 und 3 GmbHG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 Ins0) 154 und muss von daher mit ihrem vollständigen Ausfall rechnen. Vorher kann und muss die Darlehensnehmerin die Erstattung unter Berufung auf das Ausschüttungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG verweigern, soweit der Kredit eine Unterbilanz oder Überschuldung

151 Ausfuhrlieh Cahn Kapitalerhaltung S. 31 ff., 64 ff., 243; vgl. Baumbach/Hueckl Hueck!Fastrich § 30 Rn. 17, § 31 Rn. 12: Gesellschafter haftet als Veranlasser oder mittelbar Begünstigter. 152 V gl. Karollus FS Claussen S. 199, 206 und Noack GmbHR 1996, S. 153, 156. 153 Vgl. Kübler!Prütting!Holzer § 39 Rn. 20; zum Gedanken der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger in der Konzerninsolvenz ausfuhrlieh unten § 9 Il. 154 Vgl. Kübler!Prütting/Holzer § 39 Rn. 20.

139

Horizontaler Einzelausgleich

abdeckt 155 . Im zweiten Fall wurden die Mittel bereits an die Darlehensgeberin zurückgezahlt. Die Darlehensnehmerin kann nunmehr nach den Rechtsprechungsregeln Erstattung verlangen (§ 31 GmbHG analog 156). Auch hier kann und muss die Darlehensgeberin gemäß § 30 Abs. I GmbHG die Erstattung verweigern, soweit der Kredit eine Unterbilanz oder Überschuldung abdeckt. Die Situation ist also in beiden Fällen dieselbe, dass nämlich ein Erstattungsanspruch besteht, dieser aber nicht durchgesetzt werden kann. Bereits § 30 Abs. 1 GmbHG verhindert einen Kreislauf von Rückgewähransprüchen. Die Gesellschaft, bei der sich die Mittel befinden, kann und muss die Rückzahlung verweigern. Diese Lösung ist gesetzlich vorgezeichnet; eine bessere ist nicht erkennbar.

IV.

Vertraglicher Gleichordnungskonzern

Inwieweit die Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzvorschriften auch im vertraglichen Gleichordnungskonzern Bedeutung für den Einzelausgleich zwischen den gleichgeordneten Unternehmen erlangen könnten, ist - soweit ersichtlich - bisher noch nicht untersucht worden. Auf der Basis der herrschenden Meinung erübrigt sich dies wohl auch, jedenfalls was das Kapitalerhaltungsrecht betrifft: Die Gesellschafter der vertraglich gleichgeordneten Unternehmen werden regelmäßig personenverschieden sein, so dass in der Auszahlung an ein anderes gleichgeordnetes Unternehmen nicht zugleich eine Auszahlung an den eigenen Gesellschafter gesehen werden kann. Weniger eindeutig ist die Beurteilung für das Kapitalersatzrecht § 32a Abs. 5 RegE 1977 sah immerhin vor, die Forderungen eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens den eigenen Forderungen eines Gesellschafters gleichzustellen, wobei über die Einstufung als verbundenes Unternehmen die§§ 15 bis 19 AktGentscheiden sollten 157 . Der Verweis auf die§§ 15 bis 19 AktG umfasst auch den Gleichordnungskonzern nach § 18 Abs. 2 AktG. Mit der Gesellschaft verbunden sind auch gleichgeordnete Unternehmen. Die Generalklausel des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG, in die § 32a Abs. 5 RegE 1977 ohne inhaltliche Änderung aufgegangen ist 158 , könnte daher so gelesen werden, dass auch Hilfen, die ein Unternehmen einem anderen in der Krise befindlichen, gleichgeord-

155 Scholz!K. Schmidt §§ 32a, 32b Rn. 77; Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 30 Rn. 21, § 32a Rn. 77; für die AG GK-AktG/Henze §57 Rn. 144. 156 Vgl. Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 32a Rn. 73 a.E. 157 BT-Drucks. 8/1347, S. 10; Wortlaut bei Raiser Kapitalgesellschaften§ 38 Rn. 26, S. 659. 158 Rechtsausschuss zum RegE 1977, BT-Drucks. 8/3908, S. 74; BGHZ 81, 311, 315; ZIP 2001, S. 115 f.; Johlke in: v. Gerkan/HommelhoffKapitalersatz Rn. 5.38, S. 137.

140

Kapitalerhaltung und -ersatz

neten Unternehmen gewährt, dem Kapitalersatzrecht unterfallen; es kann nämlich aufgrund des Konzernverhältnisses wie ein Gesellschafter ein Interesse daran haben, das gleichgeordnete Unternehmen möglichst lange "über Wasser zu halten". Auf den Gleichordnungskonzern passt schließlich auch der Begriff der "wirtschaftlichen Einheit", mit der die Rechtsprechung bei der horizontalen Betriebsauf~altung das Verhältnis der beiden Schwestergesellschaften charakterisiert 15 . Wie bei der Betriebsaufspaltung bilden die gleichgeordneten Unternehmen eine "wirtschaftliche Einheit", die es rechtfertigen könnte, die Verantwortung fiir die ordnungsgemäße Finanzierung eines Unternehmens auch den anderen gleichgeordneten Unternehmen aufzuerlegen. Der skizzierten Argumentation ließe sich auf der Basis der herrschenden Meinung wohl zweierlei entgegenhalten: Zum einen ist § 32a Abs. 5 RegE 1977 nach heutigem Diskussionsstand zu weit geraten, so dass auch bei verbundenen Unternehmen weitere Zurechnungsüberlegungen anzustellen sind, die die Existenz gemeinsamer Gesellschafter erfordern könnten 160 ; zum anderen wird auch bei der Betriebsaufspaltung jedenfalls stillschweigend vorausgesetzt, dass Besitz- und Betriebsgesellschaft von denselben oder doch von einander nahestehenden Gesellschaftern getragen werden. Nach dem hier befiirworteten Konzept Cahns lassen sich Ausgleichsansprüche zwischen Schwestergesellschaften auch dann begründen, wenn sie nicht über gemeinsame Gesellschafter verfugen. Cahn entwickelt seine Argumentation zwar anhand der Konstellation, dass beide Schwestergesellschaften eine gemeinsame Muttergesellschaft haben und mit dieser einen Unterordnungskonzern bilden 161 • Die Haftung der Empfangergesellschaft soll ihren Grund aber ausdrücklich nicht in der Beteiligung der Muttergesellschaft an der Empfängergesellschaft finden, sondern davon abhängen, ob die Leistung societatis causa erfolgt, also durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe motiviert ist 162 • Damit ist der Weg für eine Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften auch im Gleichordnungskonzern eröffnet, wenn dort in gleicher Weise wie im Unterordnungskonzern durch die ge-

159 So BGHZ 121, 31, 35- Lagergrundstück li; Fleischer in: v. Gerkan/Hommelhoff Kapitalersatz Rn. 12.22. 160 V gl. Scholz/K. Schmidt §§ 32a, 32b Rn. 135. 161 S. jedoch auch die Ausführungen Cahns Kapitalerhaltung S. 49 ff. zum "qualifiziert faktischen Gleichordnungskonzern"; u.a. heißt es dort: "Wenn im qualifizierten faktischen Gleichordnungskonzern schon ftir jeden Verlust der Schwester gehaftet würde, müsste dies erst recht für Minderungen ihres gebundenen Vermögens gelten, die auf Zuwendungen an ein derart verbundenes Unternehmen beruhen." 162 Cahn Kapitalerhaltung S. 62, 78 f, 274.

141

Horizontaler Einzelausgleich

meinsame Konzernzugehörigkeit motivierte Zuwendungen an Schwestergesellschaften zu erwarten sind. Die Partner des Gleichordnungsvertrages begründen unter einander eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts 163 ; der Unterordnungskonzern ist dagegen nach herrschender Meinung kein Rechtssubjekt 16\ erst recht keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts 165 . Die Bezeichnung als societas ist für den vertraglichen Gleichordnungskonzern also noch weit mehr gerechtfertigt als für den von Cahn behandelten Unterordnungskonzern. Auch im Gleichordnungskonzern sind Zuwendungen societatis causa zu erwarten. Wenn durch den Gleichordnungsvertrag eine besondere Leitungsinstanz eingerichtet wird, führt das zwischen den Partnern zu einem "faktischen Einigungszwang" 166 und lässt so Konzessionen wahrscheinlicher werden, die durch die gemeinsame Konzernzugehörigkeit motiviert sind. Die enge Zusammenarbeit kann dazu führen, dass ein Unternehmen seine Interessen gegenüber den anderen gleichgeordneten Unternehmen nicht ebenso effektiv vertritt, wie dies gegenüber einem außenstehenden Dritten der Fall wäre. Zum Beispiel könnte es geneigt sein, in der Erwartung späterer Gegenleistungen an seine Partner seine Produkte unterhalb des Marktpreises zu liefern. Wenn die erhofften Kompensationen ausbleiben, werden die Gläubiger des Unternehmens durch dieses Verhalten gefährdet. Gleiches gilt, wenn die einheitliche Leitung durch (ganz oder überwiegend) personengleich besetzte Geschäftsführungen hergestellt wird. Rechtlich ist ein Doppelvorstand dann zwar verpflichtet, als Organ der Gesellschaft A seine Entscheidungen allein nach deren Interesse und ohne Rücksicht darauf zu treffen, dass er zugleich Organ der Gesellschaft B ist. Praktisch wird er diese beiden Rollen aber nicht strikt auseinanderhalten können, so dass gerade in dieser Konstellation Entscheidungen zu erwarten sind, die für den Konzern insgesamt zwar vorteilhaft, für die Gesellschaft A aber nachteilig sind. Die durch die Leitungsinstanz bzw. die personelle Verflechtung bezweckte Ausrichtung auf das Konzernganze begünstigt somit Zuwendungen societatis causa zwischen den gleichgeordneten Unternehmen. Die Motivationslage zwischen den einzelnen Unternehmen ist derjenigen in einem Unterordnungskonzern vergleichbar.

163 GK-AktG/Windbichler § 15 Rn. 51; KK!Koppensteiner § 18 Rn. 7 und§ 291 Rn. 72; Hüffer § 18 Rn. 20; Ennan!H P. Westermmm Vor§ 705 Rn. 42. 164 BorkZGR 1994,S.237,243ff. 165 Vgl.oben§1BIII. 166 Keck Gleichordnungskonzerne S. 30; Weilkamp DB 1993, S. 2517, 2518: persönlicher Druck, wirtschaftliches Übergewicht und faktisches Durchsetzungsvermögen eines der Partner können eine Unterordnung unter den Gruppenwillen verursachen.

142

Kapitalerhaltung und -ersatz

Eine Interpretation der Kapitalerhaltungsvorschriften im Sinne Cahns ermöglicht somit einen weitgehenden Einzelausgleich zwischen den Schwestergesellschaften eines Gleichordnungskonzerns. Für den AG-Gleichordnungskonzern hat dies wegen der strengen Vermögensbindung nach den §§57, 58, 60 AktG besonders weitreichende Konsequenzen: Hier darf nicht societatis causa ein vom Marktpreis abweichender Preis vereinbart werden. Ist gleichzeitig eine Gewinngemeinschaft vereinbart, erfordern die §§ 57, 58, 60 AktG eine angemessene Aufteilung des Gewinns; § 291 Abs. 3 AktG ist nicht entsprechend anwendbar 167 • Im GmbH-Gleichordnungskonzern sind Zuwendungen societatis causa dagegen erst verboten, wenn durch sie das Stammkapital angegriffen wird. Für das Kapitalersatzrecht gilt Entsprechendes: Auch ein gleichgeordnetes Unternehmen, das einer kreditunwürdigen Konzernschwester societatis causa eine Finanzierungshilfe gewährt, kann so dem Kapitalersatzrecht unterworfen werden.

167 Vgl. MüKo-AktG/Altmeppen § 292 Rn. 28.

143

Horizontaler Einzelausgleich

§ 3. Insolvenzanfechtung Ein im Konzernzusammenhang nur wenig diskutiertes 1 Instrument zur Rückabwicklung von Transaktionen zwischen Schwestergesellschaften ist die Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. Ins0 2• Sie hat zum Ziel, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, die zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse führen, rückgängig zu machen 3 •

I.

Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung

Das Anfechtungsrecht steht ausschließlich dem Insolvenzverwalter zu und ist von ihm grundsätzlich im Klagewege geltend zu machen. Inhaltlich ist der Anfechtungsanspruch primär auf Rückgewähr in Natur gerichtet; ist sie nicht möglich, so ist Wertersatz in Geld nach den Regeln der verschärften Bereicherungshaftung zu leisten(§ 143 Abs. 1 InsO). Grundlage jeder Insolvenzanfechtung ist eine Rechtshandlung, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Gläubiger benachteiligt (§ 129 Abs. 1 InsO). Eine "Rechtshandlung" ist schon jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst4 • Nahezu alle konzerninternen Transaktionen stellen eine Rechtshandlung in diesem Sinne dar. Beispielhaft sind die Belieferung zu Konzemverrechnungspreisen, der Transfer von Know-how, die unentgeltliche Vomahme von Dienstleistungen, der Verzicht auf lukrative Geschäfte zugunsten anderer Konzernunternehmen und die Zahlung von überhöhten Entgelten zu nennen 5• Derartige Vorgänge können insbesondere in den Anwendungsbereich der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO) oder unentgeltlicher Leistung (§ 134 InsO) fallen. So liegt Unentgeltlichkeit vor, wenn der Schuldner einen Wert zugunsten eines anderen aufgibt, ohne dass dieser eine ausgleichende Gegenleistung an den Schuldner oder mit dessen Einverständnis an einen Dritten erbringt6 ; dabei ist ausschließlich auf die objektive Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung abzustellen. Gerade in kleineren Verhältnissen dürfte es vorkommen, dass eine Gesellschaft für ihre

2 3 4 5 6

144

Vgl. die Aufzählung der Schutzinstrumente in BGHZ 122, S. 123, 127- TBB; zur Insolvenzanfechtung im Konzernzusammenhang Paulus ZIP 1996, S. 2141; Ehricke Konzernunternehmen S. 15 ff.; ders. KTS 1996, S. 209. Außerhalb der Insolvenz vgl. die (hier nicht behandelten) Vorschriften des Anfechtungsgesetzes. RegBegr. zum Dritten Abschnitt RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443; Zeuner Anfechtung§ 1 Rn. I, S. 1. BGH WM 1975, S. 1182, 1184 zur KO; Zeuner Anfechtung§ 2 Rn. 17, S. 13. Vgl. Paulus ZIP 1996, S. 2141,2146. BGH ZIP 1992, S. 1089, 1091 f.; 1993, S. 1170, 1173, jeweils zur KO.

Insolvenzanfechtung

Schwestergesellschaft unentgeltlich die Bücher führt oder den Vertrieb übernimmt. Nach der früheren Konkursordnung scheiterte eine Anfechtung oftmals an der für den Konkursverwalter ungünstigen Beweislastverteilung und den für moderne Großinsolvenzeil sehr kurzen Anfechtungsfristen. Die Insolvenzordnung hat die Anfechtungsgründe deshalb neu geregelt und zum Teil verobjektiviert. In den §§ 130 bis 133 InsO finden sich zwar nach wie vor subjektive Tatbestandselemente; ihr Nachweis wird jedoch durch Vermutungsregeln für dem Schuldner nahestehende Personen (§ 138 InsO) entschärft: So wird von einer nahestehenden Person vermutet, dass sie bei kongruenter Deckung7 die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte(§ 130 Abs. 3 Ins0) 8 • Bei inkongruenter Deckung wird vermutet, dass die nahestehende Person die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte (§ 131 Abs. 2 S. 2 InsO). § 133 Abs. 2 InsO S. 2 schließlich enthält eine dreifache Vermutung, nach welcher der Vertragsschluss innerhalb der gesetzlichen Frist, der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der nahestehenden Person vermutet wird.

II.

Schwestergesellschaft als nahestehende Person

Transaktionen auf Schwestergesellschaften unterliegen der erleichterten Anfechtbarkeit, wenn Schwestergesellschaften als nahestehende Personen im Sinne des§ 138 Abs. 2 InsO anzusehen sind. Die Sonderstellung der nahestehenden Personen in der Insolvenzanfechtung gründet sich auf einen doppelten Ausgangspunkt: Zum einen können sie sich über die Vermögensverhältnisse des Schuldners regelmäßig besser als außenstehende Dritte informieren, zum anderen sind sie oft eher zu gläubigerschädigenden Transaktionen mit dem Schuldner bereit9 . Für den Schuldner hat der Vermögenstransfer auf nahestehende Personen den Vorteil, dass die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit für ihn meist erhalten bleibt; er kann sein Vermögen so den Gläubigem entziehen, ohne dass es für ihn selbst "verloren" ist 10 .

7

8 9 10

Kongruent ist eine Deckung, wenn der Gläubiger auf die Sicherung oder Befriedigung seiner Forderung einen Anspruch hatte. Inkongruent ist die Deckung, wenn der Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Beachte zudem die Verweisungen auf§ 130 Abs. 3 Insü in§§ 132 Abs. 3, 137 Abs. 2 S. 2 Insü. BGHZ 129, 236, 246 m.w.N.; HK-InsO!Kreft § 138 Rn. 4; Zeuner Anfechtung§ 2 Rn. 59 f., S. 45. Ehricke KTS 1996, S. 209,212.

145

Horizontaler Einzelausgleich

Übertragen auf Konzernverhältnisse steht zu vermuten, dass eine Konzernspitze ihre von der Insolvenz bedrohte Tochtergesellschaft dazu anhalten wird, ihre Vermögenswerte auf die Konzernspitze oder eine Schwestergesellschaft zu transferieren, bei der die Konzernspitze sodann weiter auf die Vermögenswerte zugreifen kann. Ein Transfer auf die Konzernspitze selbst würde regelmäßig der erleichterten Anfechtbarkeit unterliegen: Gemäߧ 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist nahestehende Person, wer - unmittelbar oder mittelbar'' - zu mehr als 25% am Kapital der Insolvenzschuldnerin beteiligt ist. Bei einem Transfer auf eine nicht oder nur gering beteiligte Schwestergesellschaft kommt dagegen nur§ 138 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. InsO in Betracht: Nabestehende Person ist danach auch eine Gesellschaft, die aufgrund einer (der Nr. 1) vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen Verbindung zur Schuldnerin die Möglichkeit hat, sich über deren wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten. Zu klären ist also, ob die Verbindung zwischen Schwestergesellschaften derjenigen zur Muttergesellschaft vergleichbar ist und sich aus ihr besondere Informationsmöglichkeiten ergeben. 1.

Meinungsstand

Die überwiegende Ansicht will§ 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO auf Schwestergesellschaften generell 12 oder doch im Regelfall 13 nicht anwenden, weil es sowohl an einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen Verbindung als auch an besonderen Informationsmöglichkeiten fehle. Sie stützt sich hierbei auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift: § 138 Abs. 2 Nr. 2 Insü sei vom Gesetzgeber nicht als Auffangnorm konzipiert worden, sondern als sprachliche Zusammenfassung zweier im Regierungsentwurf noch getrennter Vorschriften, der§§ 154 Abs. 1 Nr. 3, 155 Nr. 1 RegE. Die erste Vorschrift nannte als nahestehende Personen "Unternehmen, die von dem Schuldner abhängig sind oder von denen der Schuldner abhängig ist(§ 17 des Aktiengesetzes)"; die zweite Vorschrift betraf Personen, die innerhalb des Schuldnerunternehmens tätig waren. Lediglich diese beiden Fälle habe der Gesetzgeber erfassen wollen, als er in § 138 Abs. 2 Nr. 2 Insü schließlich die "vergleichbare gesellschaftsrechtliche oder dienstvertragliche Verbindung zum Schuldner" hineinschrieb. Die Regierungsbegründung zu § 154 Abs. 1 Nr. 3 RegE halte zudem ausdrücklich fest, dass bei von demselben Unternehmen beherrschten

II 12

13

146

Klibler/Prlitting/Pau/us § 138 Rn. 18; Uhlenbruck!Hirte § 138 Rn. 30; Zeuner Anfechtung§ 2 Rn. 71, S. 50. Nerlich/Römermann/Ner/ich § 138 Rn. 22; wohl auch BGH ZIP 1996, S. 83, 85: die Vorschrift solle nach ihrer Entstehungsgeschichte lediglich herrschende und abhängige Unternehmen erfassen; eine Interpretation als Auffangtatbestand zieht der BGH nicht in Erwägung. Klibler/Prlitting/Pau/us § 138 Rn. 22; Zeuner Anfechtung§ 2 Rn. 78, S. 53.

Insolvenzanfechtung

abhängigen Unternehmen nicht unterstellt werden könne, dass auch im Verhältnis der abhängigen Unternehmen zueinander besondere Informationsmöglichkeiten bestünden 14 • Die Gegenansicht 15 möchte § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO trotz dieser Entstehungsgeschichte als Auffangnorm interpretieren, die dann insbesondere auch Schwestergesellschaften erfasst. Dadurch soll der Konzernspitze bewusst der oben angedeutete Weg zur Umgehung des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO verbaut werden: Die Transaktion soll auch dann der erleichterten Anfechtung unterliegen, wenn die Konzernspitze unter Ausnutzung ihres Informationsvorsprungs Vennögenswerte der insolvenzbedrohten Tochtergesellschaft nicht auf sich selbst, sondern auf eine Schwestergesellschaft transferiert. 2.

Stellungnahme

Auszugehen ist von der in der Regierungsbegründung getroffenen Feststellung, dass Schwestergesellschaften im Verhältnis zueinander nicht einfach besondere Informationsmöglichkeiten unterstellt werden können. In der Tat erschiene die Annahme besonderer Informationsmöglichkeiten jedenfalls für Schwestergesellschaften nicht überzeugend, die in weit verzweigten Unternehmensverbindungen und unterschiedlichen Marktsegmenten operieren. Daraus folgt aber nur, dass eine von den tatsächlich bestehenden Informationsmöglichkeiten unabhängige Vermutung, wie sie§ 154 Abs. I Nr. 3 RegE für herrschende und abhängige Unternehmen vorsah, für Schwestergesellschaften nicht gerechtfertigt wäre. Anders als § 154 Abs. 1 Nr. 3 RegE, auf den sich die Regierungsbegründung bezieht, enthält § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO gerade das weitere Merkmal der Informationsmöglichkeit; diese wird nicht einfach unterstellt, sondern ist vom anfechtenden Insolvenzverwalter zu beweisen. Der Verweis auf die in der Regierungsbegründung getroffene Feststellung taugt nicht als Argument für die überwiegende Ansicht, weil sich § 154 Abs. 1 Nr. 3 RegE und § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsOgerade in diesem Punkt wesentlich unterscheiden.

14 15

BT-Drucks. 12/2443 S. 163. Ausführlich Ehricke KTS 1996, S. 209, 220; ders. Konzernunternehmen S. 39 ff.; HK-InsO/Kreft § 138 Rn. 16, für den Fall, dass die wesentlichen Gesellschafter identisch sind. MüKo-InsO/Stodolkowitz § 138 Rn. 32 will auf die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG abstellen: solange diese nicht widerlegt sei, seien von demselben Unternehmen abhängige Schwesterunternehmen nahestehende Personen. Uhlenbruckl Hirte § 13 8 Rn. 43 sieht den Fall, dass am Vertragspartner eine dem Schuldner nahestehende nahestehende Person beteiligt ist, nicht von § 138 Abs. 2 InsO erfasst, will aber gleichwohl eine Nähebeziehung annehmen.

147

Horizontaler Einzelausgleich

Dennoch wäre es ungereimt, bei Schwestergesellschaften generell der Nr. 1 vergleichbare gesellschaftsrechtliche Beziehungen anzunehmen und erst über das Merkmal der Informationsmöglichkeit zu selektieren 16 • Die in§ 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO festgelegte Beteiligungsgrenze von 25% + X knüpft an die damit regelmäßig erreichte Sperrminorität an (vgl. § 179 Abs. 2 AktG, § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass erst die Sperrminorität dem Anteilsinhaber eine besondere (nämlich bei der AG: über § 131 AktG hinausgehende) lnfonnationsmöglichkeit verschafft 17 . Für die GmbH mag die Beteiligungsgrenze zu hoch gewählt sein, weil hier auch schon bei deutlich geringerer Beteiligung umfassende Informationsmöglichkeiten (§§50, 5la GmbHG) und -pflichten (§ 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG) bestehen 18 . Gleichwohl erscheint es aus Gründen der Rechtssicherheit kaum denkbar, von der in der Nr. 1 ausdrücklich festgelegten Beteiligungsgrenze nach unten abzuweichen und bei der GmbH contra legem z.B. schon eine 10%ige Beteiligung genügen zu lassen 19 . Wenn Rechtsprechung und Literatur diese Starrheit der Beteiligungsgrenze dennoch besonders betonen 20 , kann das nur bedeuten, dass sie auch nicht durch Anwendung der Nr. 2 sogleich überspielt werden darf21 • Ein Gesellschafter, der mit exakt 25% an einer GmbH beteiligt ist und somit nicht unter Nr. 1 fällt, weist deshalb trotz bester Informationsmöglichkeiten auch keine vergleichbare gesellschaftsrechtliche Verbindung im Sinne der Nr. 2 auf. Für eine überhaupt nicht oder nur geringfiigig beteiligte Schwestergesellschaft kann regelmäßig nichts anderes gelten. Ausweislich der Entstehungsgeschichte ändert sich die Beurteilung, wenn der Anfechtungsgegner die Schuldnerin beherrscht oder von ihr beherrscht wird (§ 154 Abs. 1 Nr. 3 RegE). Der Begriff der "vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen Verbindung" ist jedoch flexibler als die in § 154 Abs. 1 Nr. 3 RegE zunächst vorgesehene Bezugnahme auf§ 17 AktG. Insbesondere ist damit fiir die Insolvenzanfechtung nicht zwingend der enge Abhängig-

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20

21

148

So aber Ehricke KTS 1996, S. 209, 226 und 229. V gl. Zeuner Anfechtung§ 2 Rn. 73, S. 51. Ehricke KTS 1996, S. 209, 216; Uhlenbruck/Hirte § 138 Rn. 25. A.A. Uhlenbruck/Hirte § 138 Rn. 25: Eine am Zweck des Abs. 2 Nr. I orientierte "Auslegung" spreche daftir, dessen Nr. I schon ab einer Beteiligung von 10% am Stammkapital eingreifen zu lassen. Das gilt unabhängig von der Rechtsform des Schuldners. BGH ZIP 1996, S. 83, 85 zu § 10 Abs. I Nr. 2 GesO (im Vorgriff auf§ 138 InsO); Küb[er/Prütting!Paulus § 138 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Ner/ich § 138 Rn. 20; Zeuner Anfechtung § 2 Rn. 72, s. 51. Ebenso Nerlich/Römermann/Ner/ich § 138 Rn. 21. BGH ZIP 1996, S. 83, 85 prüft ausführlich § I 3 8 Abs. 2 Nr. I In sO und überspringt sodann Nr. 2, I. Alt.

Insolvenzanfechtung

keitsbegriff vorgegeben, wie er dem § 17 AktG zugrunde liegt 22 • An dieser Stelle lässt sich daher erneut der Fall aufgreifen, dass eine Schwestergesellschaft den Konzern wirtschaftlich und faktisch dominiert, weil die Konzernleitung ganz in ihren Händen liegt und die Konzernspitze nur noch für die Umsetzung der von der Geschäftsleitung der Schwestergesellschaft getroffenen Entscheidungen sorgt. So wurden in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur horizontalen Betriebsaufspaltung23 die zentralen Verwaltungsaufgaben (z.B. die Buchftihrung und Finanzierung beider Gesellschaften) sämtlich von der Vertriebsgesellschaft wahrgenommen, die zugleich einzige Auftraggeberin der Produktionsgesellschaft war. In derartigen Fallgestaltungen verfUgt die dominierende Schwestergesellschaft noch weit eher über alle relevanten Informationen als die herrschende Konzernspitze. Das spricht dafür, jedenfalls eine solche faktisch herrschende Schwestergesellschaft dem rechtlich herrschenden Unternehmen gleichzustellen und als nahestehende Person i.S.d. § 138 Abs. 2 Nr. 2 Insü anzuerkennen. Ganz ähnlich meint Paulus, eine Schwestergesellschaft könne ausnahmsweise dann unter § 138 Abs. 2 Nr. 2 Insü fallen, wenn eine "wechselseitige Verknüpfung" wie zwischen einer Einkaufszentrale oder Besitzgesellschaft und der Vertriebsgesellschaft bestehe24 . Sollte sich die Insolvenzanfechtung ausnahmsweise nicht gegen die dominierende, sondern gegen die dominierte Schwestergesellschaft richten, bedarf allerdings deren gesteigerte Informationsmöglichkeit besonderer Prüfung. Entgegen § 154 Abs. 1 Nr. 3 RegE ist die Möglichkeit der Informationsbeschaffung nämlich nur ftlr das herrschende Unternehmen selbstverständlich, nicht für das beherrschte25 •

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V gl. oben § I A I 1. BAG ZIP 1999, S. 723. Kübler!Prütting!Paulus § 138 Rn. 22, ebenfalls mit Verweis auf BAG ZIP 1999, S. 723 in Fn. 4 I. Vgl. Kübler/Prütting/Pau/us § 138 Rn. 22. Eine gesteigerte Informationsmöglichkeit auch des beherrschten Unternehmens wird insbesondere bei personengleicher Besetzung der Geschäftsleitungen bestehen.

149

2. Teil: Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung Der wesentliche Vorzug des im 1. Teil beschriebenen horizontalen Einzelausgleichs liegt in seiner Nähe zum Gesetz: Die Ansprüche lassen sich aus dem Gesetz ableiten, ohne dass es dazu allzu gewagter Analogien, Konzernhaftungs- und Durchgriffskonstruktionen bedürfte. Mit der Nähe zum Gesetz geht jedoch zugleich eine gewisse Lückenhaftigkeit und Schwerfälligkeit einher; in der Praxis wird es dem Gläubiger oder Insolvenzverwalter oftmals nicht gelingen, sämtliche Anspruchsvoraussetzungen im Detail darzulegen und zu beweisen. Diese schon aus dem Vertikalverhältnis bekannten Unzulänglichkeiten des Einzelausgleichs (§ 4) geben Veranlassung, auch für das Horizontalverhältnis über eine pauschale Konzern- (§ 5) oder Durchgriffshaftung (§ 6) nachzudenken.

§ 4. Die Grenzen des Einzelausgleichs Das System des Einzelausgleichs zwischen Schwestergesellschaften basiert wesentlich auf den §§ 311 ff., 117 Abs. 3 AktG (1.) und den Kapitalerhaltungsvorschriften (11.) 1• Für den "qualifiziert faktischen Konzern" wurden drei verschiedene Fallgruppen entwickelt, in denen dieser Einzelausgleich "versagt" und deshalb das Bedürfnis nach einer besonderen (Konzern-)Haftung besteht (lll.).

I.

§§ 311,317 AktG i.V.m. § 117 Abs. 3 AktG analog

Soweit die §§ 311, 317 AktG (direkte oder entsprechende2) Anwendung finden, lassen sich nachteilige Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft zumindest in der Theorie ausgleichen bzw. sanktionieren. Jedes einzelne Geschäft und jede einzelne Maßnahme ist daraufhin zu untersuchen, ob die entstehenden Nachteile durch konkrete Vorteile ausgeglichen sind(§ 311 AktG), anderenfalls ist vom herrschenden Unternehmen Schadensersatz zu leisten (§ 317 AktG). Ist das herrschende

2

Zur Insolvenzanfechtung im Konzern (oben § 3) vgl. Häsemeyer Insolvenzrecht S. 737 Fn. 51, der dem Verlustausgleichsanspruch im "qualifiziert faktischen Konzern" den Vorrang gibt, weil eine insolvenzrechtliche Lösung eine generelle Unterkapitalisierungshaftung voraussetze und dem Insolvenzverwalter einen Hindernislauf zumute. Nach hier vertretener Ansicht ist § 317 AktG auf die abhängige mehrgliedrige GmbH entsprechend anzuwenden, jedoch nicht auf die Einmann-GmbH, vgl. oben § I B Ill.

151

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Unternehmen insolvent, kann unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 AktG analog aufbegünstigte Schwestergesellschaften zugegriffen werden 3 . In der gerichtlichen Praxis haben die §§ 311, 317 AktG indes bisher kaum eine Rolle gespielt4 • Für diesen Befund bietet Kropff verschiedene Erklärungsmöglichkeiten an 5 : Zunächst könnte der faktische Konzern eine "heile Welt" darstellen, in der Verstöße gegen die §§ 311 ff. AktG eben kaum vorkommen und deshalb auch nicht vor die Gerichte gelangen. Eine andere, realistischere Erklärung geht dahin, dass der Vorstand einer abhängigen AG wegen seines Interesses an einer Wiederbestellung durch den Aufsichtsrat und wegen der Gefahr eigener Haftung (§§ 93 Abs. 2, 318 AktG) kaum geneigt sein wird, konzernrechtliche Ersatzansprüche geltend zu machen oder außenstehende Aktionäre und Gläubiger mit den dafiir notwendigen Informationen zu versorgen. Das völlige Fehlen von Einzelklagen durch Aktionäre6, wie sie durch die §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 4 AktG vorgesehen sind, ftihrt Kropff schließlich entscheidend auf das Prozesskostenrisiko zurück: Dem Kostenrisiko steht nur ein geringer materieller Anreiz zur Klageerhebung gegenüber, weil der Aktionär nur Leistung an die Gesellschaft verlangen kann und deshalb von einem Klageerfolg nur durch Werterhöhung seiner (oft geringen) Beteiligung profitiere. Festzuhalten ist, dass der Kläger auf Informationen aus dem Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und herrschendem Unternehmen angewiesen ist, um die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 311, 317 AktG darlegen und beweisen zu können. Zwar wird auf Informationsdefizite mit einer Veranlassungsvermutung8 und mit Erleichterungen der Darlegungs- und Substantiierungslast9 reagiert. Fällen besonders dichter Konzernleitung soll jedoch auch damit nicht beizukommen sein: Verbreitet wird angenommen, dass es bei

3 4 5 6 7 8 9

152

Ausführlich oben § I A 1II und B III. Ausnahme: BGH ZJP 1999, S. 708; Nachweise zu einschlägigen Entscheidungen der Instanzgerichte bei Krop.f!FS Bezzenberger S. 233, 235. Krop.ff FS Bezzenberger S. 233 unter der Überschrift "Der konzernrechtliche Ersatzanspruch- ein zahnloser Tiger?". Ulmer ZHR 163 ( 1999), S. 290, 300 spricht von einer völligen Funktionslosigkeit der Aktionärsklage in den mehr als 30 Jahren ihrer Geltung. Krop.f!FS Bezzenberger S. 233; ebenso Raiser Kapitalgesellschaften § 53 Rn. 44 f., s. 864. V gl. oben § 1 A III 2 a. Die Grundsätze zur Erleichterung der Darlegungs- und Substantiierungslast sind heranzuziehen, wenn der Beklagte im Gegensatz zum Kläger die maßgebenden Tatsachen kennt und ihm die Darlegung des Sachverhalts zuzumuten ist. V gl. speziell zu § 317 AktG Krop.ff FS Bezzenberger S. 233, 238 f.; im Übrigen BGHZ 122, \23, 132 f.- TBB; BAG NJW 1994, S. 3244, 3245; BAG AG 1999, S. 184, \85; Zö11er!Greger Vor§ 284 Rn. 34 ff.

Die Grenzen des Einzelausgleichs

"dauernder, breitflächiger und umfassender Einwirkung" unmöglich ist, die Maßnahmen des herrschenden Unternehmens zu isolieren und in ihrer Wirkung auf die abhängige Gesellschaft zu beurteilen 10 • Selbst den umfassend informierten Kläger stellen die Tatbestandsvoraussetzungen der§§ 311, 317 AktG vor Probleme: Bei anderen Maßnahmen als Rechtsgeschäften 11 ist oft kaum zu ermitteln, ob sie nachteilig sind. Der Vergleichsmaßstab der Geschäftsleitung einer unabhängigen Gesellschaft (§ 317 Abs. 2 AktG) hat sich als wenig praktikabel erwiesen: Die Situation einer in den Konzern integrierten Gesellschaft kann von der einer unabhängigen so stark abweichen, dass sich nicht mit der gebotenen Sicherheit sagen lässt, wie eine vergleichbare unabhängige Gesellschaft auszusehen hätte und wie sich dort ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter verhalten hätte. Die Beurteilung wird noch dadurch erschwert, dass bei Unternehmerischen Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen und die Vertretbarkeit aus ex ante-Sicht zu prüfen ist 12 . Häufig ist auch der durch eine nachteilige Maßnahme verursachte Schaden nicht bezifferbar. Verzichtet eine Tochtergesellschaft z.B. auf Veranlassung der Muttergesellschaft auf die Entwicklung eines erfolgversprechenden neuen Produkts oder die Bearbeitung ganzer Märkte, weil sie dadurch zu einer Schwestergesellschaft in Konkurrenz treten würde, lässt sich der Schaden nicht beziffern. Bei strukturverändernden Maßnahmen können selbst die Anhaltspunkte fehlen, die ftir eine Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO erforderlich wären, soll diese Schätzung nicht völlig "in der Luft hängen". Diese Schwierigkeiten bei der Anwendung der §§ 311, 317 AktG kommen auch beim horizontalen Einzelausgleich zum Tragen, wenn man ihn wie hier als "Verlängerung" der vertikalen Haftung in die Horizontalebene begreift. Erschwerend kommt hinzu, dass zwecks Verlängerung auch die Tatbestandsmerkmale des § 117 Abs. 3 AktG dargelegt und bewiesen werden müssen;

10

11 12

MüKo-AktG/Krop.ff § 317 Anh. Rn. 69: "klassischer Fall des Versagens der§§ 311, 317"; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 III 2, S. 472; kritisch Röhricht FS f. BGH, S. 83, 90 ff. Zur Ermittlung der Nachteiligkeit von Rechtsgeschäften (Lieferungen) vgl. oben § 1 Fn. 115. Hierin sieht Raiser Kapitalgesellschaften § 53 Rn. 45, S. 864, den wesentlichen Grund ftir die praktische Bedeutungslosigkeit der§§ 311, 317 AktG.

153

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

speziell auf das Merkmal der Veranlassung durch die Schwestergesellschaft kann nicht verzichtet werden 13 .

Koppensteiner sieht im Rahmen der §§ 311 ff. AktG "keine Möglichkeit, effektiv zu gewährleisten, dass die abhängige Gesellschaft so steht als wäre sie unabhängig und dadurch zu erreichen, dass Minderheiten und Gläubiger von negativen Folgen der Abhängigkeit bzw. des Konzerns verschont bleiben"14. Abhilfe verspricht deshalb- im Vertikal- wie im Horizontalverhältnis - nur eine pauschalierende Lösung.

II.

Kapitalerhaltungsrecht

Im Vertikalverhältnis haben die Kapitalerhaltungsvorschriften kaum eigenständige Bedeutung, soweit die §§ 311 ff. AktG anwendbar sind: Der Nachteilsbegriff des § 311 AktG erfasst bereits sämtliche Verstöße gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften und geht noch darüber hinaus, weil auch Maßnahmen, die zu keiner Vennögensverschiebung geführt haben, als nachteilig eingestuft werden können. Während nach den Kapitalerhaltungsvorschriften nur Rückgewähr des Empfangenen verlangt werden kann, ist gemäß § 317 AktG auch ein darüber hinausgehender Schaden zu ersetzen 15 . Das bei §§ 311, 317 AktG zusätzlich erforderliche Tatbestandsmerkmal der Veranlassung durch das herrschende Unternehmen wirkt wegen des weiten, zudem durch eine Vermutung flankierten Veranlassungsbegriffs kaum haftungsbegrenzend. Im Horizontalverhältnis wird man eine direkte Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen auf Schwestergesellschaften dagegen in erster Linie auf die Kapitalerhaltungsvorschriften stützen: Die Schadensersatzhaftung der begünstigten Schwestergesellschaft nach den §§ 311, 317, 117 Abs. 3 AktG analog ist gegenüber derjenigen des herrschenden Unternehmens subsidiär und erfordert zudem den Nachweis der Veranlassung durch die Schwestergesellschaft. Für eine Erstattung nach den Kapitalerhaltungsvorschriften genügt dagegen der Nachweis, dass die Auszahlung unter Verstoß gegen die Kapitalbindung und societatis causaerfolgt ist 16 . Entscheidende Bedeutung kommt den Kapitalerhaltungsvorschriften schließlich im GmbH-Konzern zu, wenn man eine Analogie zu § 317 AktG wie hier für die Einmann-GmbH oder mit der herrschenden Meinung für sämtliche

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154

Näher oben§ I A Ill2 d. KK/Koppensteiner Vorb. § 311 Rn. 17. MüKo-AktG/Kropff§ 317 Rn. 107, § 317 Anh. Rn. 37. Näher oben§ 2 I 3.

Die Grenzen des Einzelausgleichs

Gesellschaften mbH ablehnt 17 • Nach den §§ 30 f. GmbHG können schädigende Einflussnahmen des herrschenden Gesellschafters, sofern sie sich nicht unmittelbar in der Bilanz niederschlagen, jedoch regelmäßig nicht sanktioniert werden. Das gilt etwa für den Entzug eines Betätigungsfeldes, die Verlagerung von Geschäftschancen, den Abzug von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen 18 oder personellen Ressourcen diese Vorgänge wirken sich bilanziell nicht unmittelbar aus, können eine Gesellschaft aber gleichwohl in die Insolvenz treiben 19 . Diese rein bilanzielle Betrachtungsweise hat der BGH mit Urteil vom 24. November 2003 20 eingeschränkt. Im entschiedenen Fall hatte eine GmbH ihrem Gesellschafter ein Darlehen aus gebundenem Kapital gewährt, wobei der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter vollwertig, jedenfalls nichts anderes festgestellt war. Damit lag an sich ein ergebnisneutraler, nach den §§ 30 f. GmbHG nicht zu sanktionierender Aktivtausch vor. "Diese rein bilanzrechtliche Betrachtungsweise greift aber mit Rücksicht auf die Bedeutung des in § 30 Abs. 1 GmbHG verankerten Kapitalerhaltungsgrundsatzes zu kurz" 21 . Der BGH bewertete die Kreditgewährung deshalb als verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen und hielt einen Schadensersatzanspruch gegen die Geschäftsführerin der GmbH für möglich. Auch ein solcher, materiell verstandener Schutz des Stammkapitals löst allerdings nicht das Problem, dass Stammkapital regelmäßig nicht offen, sondern verdeckt ausgezahlt wird. Zumindest außenstehende Gläubiger stehen dann (nach Pfändung und Überweisung des zunächst der Gesellschaft zustehenden Ersatzanspruchs) vor denselben Informations- und Beweisproblemen wie im Rahmen der §§ 311 ff. AktG. Oftmals wissen sie nur, dass ihr Geschäftspartner insolvent geworden ist, aber nicht, ob und welche konzerninternen Vermögensverschiebungen zur Insolvenz beigetragen haben. Abhilfe schafft wiederum nur eine pauschalierende Lösung mit Tatbestandsmerkmalen, welche sich auch ohne detaillierte Informationen über das Innenverhältnis darlegen und beweisen lassen.

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20 21

Auch der BGH betont in Konzernsachverhalten immer wieder die Kapitalerhaltungsvorschriften, so in BGHZ 149, 10- Bremer Vulkan. Insoweit besteht ein Bilanzierungsverbot nach § 248 Abs. 2 HGB. Weitere Beispiele bei Röhricht FS f. BGH S. 83, 92 ff.; Emmerich!Habersack Anh. § 318 Rn. 37; Vetter ZIP 2003, S. 601. Wiedemann ZGR 2003, S. 283, 292 sieht eine Lücke des Kapitalschutzes v .a. darin, "dass der begünstigte Gesellschafter nach § 31 GmbHG lediglich auf Erstattung des veruntreuten Vermögenswertes haftet, nicht aber für die Schuldenlast aufkommen muss, die bei einem Dominoeffekt entsteht". BGH ZIP 2004, S. 263; dazu Cahn Der Konzern 2004, S. 235. BGZ ZIP 2004, S. 263, 264.

155

Honzontale Konzern- und Durchgnffshaftung

111.

Fallgruppen des "qualifiziert faktischen Konzerns"

Beim "qualifiziert faktischen Konzern" hat die herrschende Meinung jedenfalls bis zur Bremer Vulkan-Entscheidung drei Fallgruppen unterschieden, in denen das System des Einzelausgleichs "versagt" und deshalb das Bedürfnis nach einer besonderen Haftung besteht: In der ersten, "klassischen" Fallgruppe scheitert der Einzelausgleich an der besonderen Dichte der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens. Dessen "dauernde, breitflächige und umfassende Einwirkung" soll zur Folge haben, dass sich die einzelnen Maßnahmen nicht mehr isolieren und in ihren Wirkungen beurteilen lassen22 • Eine zweite Fallgruppe bilden die mit TBB in den Vordergrund gerückten sogenannten "Waschkorblagen", bei denen eine fehlerhafte Buchführung die Verbundbeziehungen undurchschaubar ("intransparent") werden lässt23 • Die dritte Fallgruppe schließlich umfasst nachteilige Maßnahmen, die sich als solche zwar feststellen und auch isolieren lassen, bei denen aber der verursachte Schaden selbst durch Schätzung nach § 287 ZPO nicht ermittelt werden kann 24 • Diese Fallgruppenbildung ist durch Bremer Vulkan nicht obsolet25 • Denn die heute unter dem Stichwort der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs diskutierten Fälle "weisen eine unübersehbare, in der Natur

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25

MüKo-AktG/Kropff § 317 Anh. Rn. 69; ders. AG 1993, S. 485, 493; Baumbach/ Hueck/Zöllner GmbH-KonzemR Rn. 86; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 III 2, S. 472; K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 442: LeitungsdiChte, die Sich nur noch als organisationsrechtlicher Zustand erfassen lässt. MüKo-AktG/Kropff § 317 Anh. Rn. 71 ff.; ders. AG 1993, S. 485, 493; Drygala GmbHR 1993, S. 317, 320; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 II1 2, S. 472. MüKo-AktG/Kropff§ 317 Anh. Rn. 43 f.; ders. AG 1993, S. 485, 493; Henssler ZGR 2000, S. 479, 484 f.; Scho!z/Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 109. - Emmerichl Sonnenschein/Habersack § 31 II I, S. 466, begründet die Notwendigkeit einer besonderen Konzernhaftung damit, dass sich bestimmte Fallgestaltungen über § 826 BGB und die Durchgriffshaftung nicht ohne weiteres erfassen ließen: "Paradigmatisch smd insoweit konzernintegrative Maßnahmen wie etwa die Ausrichtung der Produktionstätigkeit der abhängigen Gesellschaft auf die Belange des herrschenden Unternehmens, die Abspaltung oder Aufgabe von bislang verfolgten Aktivitäten sowie der Abzug von Ressourcen, die für den Fortbestand der Gesellschaft, nachdem sie aus der Abhängigkeit entlassen wird, von zentraler Bedeutung sind". Wenn sich in diesen Fällen konkret feststellen lässt, welche Weisung etc. des herrschenden Unternehmens zur Produktionsumstellung etc. geführt hat, sind sie allesamt der dritten Fallgruppe zuzuordnen. Vgl. z.B. ftir die Zeit nach Bremer Vulkan Emmerich/Habersack Anh. § 317

Rn. 17ff.

156

Die Grenzen des Einzelausgleichs

der Sache liegende Parallele zu den Fallgestaltungen auf, in denen zuletzt unter der Geltung der früheren TBB-Forrnel noch eine Konzernhaftung in Betracht kam" 26 .

26

Emmerich AG 2004, S. 423, 426.

157

Honzontale Konzern- und Durchgriffshaftung

§ 5. Der "qualifiziert faktische Konzern" Die Lösung der mit dem Einzelausgleich verbundenen Probleme sahen Rechtsprechung und herrschende Lehre jedenfalls bis zur Bremer Vulkan-Entscheidung (2001) 1 in der Figur des "qualifiziert faktischen Konzerns". Bei diesem Haftungstatbestand geht es gerade darum, "besondere Rechtsfolgen flir den Fall zu entwickeln, dass der Grundtatbestand, d.h. das GmbH-rechtliche Schädigungsverbot oder- im Aktienrecht - die §§ 311, 317 AktG, infolge der Art der schädigenden Einflussnahme funktionsunfähig ist" 2 . Die wesentliche Rechtsfolge soll in einer Verpflichtung des herrschenden Gesellschafters bestehen, "analog §§ 302 f. AktG" sämtliche Verluste der abhängigen Gesellschaft auszugleichen 3. In Bremer Vulkan und noch deutlicher in den Folgeentscheidungen vom 25. Februar 2002 und KBr hat der BGH von der Analogie zu den§§ 302 f. AktG Abstand genommen. Die Entscheidungen betreffen zwar unmittelbar nur das Vertikalverhältnis, nicht auch die Horizontale 5. Es istjedoch nicht zu verkennen, dass sich Gerichte und Schrifttum bei ihrem Bemühen, auch im Horizontalverhältnis zu einer Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung von Schwestergesellschaften zu gelangen, in der Vergangenheit meist eng an den jeweiligen Entwicklungsstand der vertikalen Konzernhaftung angelehnt haben; die horizontale Konzernhaftung wurde deshalb in der Regel ebenfalls mit einer Analogie zu den §§ 302 f. AktG begründet. Zu untersuchen ist, ob sich derartige Ansätze flir das Horizontalverhältnis überhaupt eignen und ob sie gegebenenfalls auch noch flir die Zeit nach Bremer Vulkan Geltung beanspruchen können (I.). Dies erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, denn auch flir das Vertikalverhältnis finden sich gewichtige Stimmen, die den konzernrechtlich begründeten Verlustausgleich nicht vollends aus dem

I 2

3 4 5

158

BGHZ 149, 10. Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 III 2, S. 4 71 (Hervorhebung Im Original). Nach Bremer Vulkan und KBV will Habersack ftir den AG-Konzern an der Analogie zu §§ 302 f. AktG festhalten, fiir den GmbH-Konzern dagegen die vom BGH entwickelte Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs übernehmen (Emmerich!Habersack Anh. § 317 Rn. 5, Anh. § 318 Rn. 34 ff.). Näher ftir das Vertikalverhältnis bereits oben Einf. II. BGHZ 150, 61; 151, 181-KBV. In BGHZ 151, 181 - KBV- war zwar neben den Gesellschaftern auch eine Auffanggesellschaft verklagt (Beklagte zu 1). Deren Haftung spielte aber zumindest in der RevisiOnsinstanz keine Rolle mehr, weil sie zwischenzeitlich ebenfalls Konkurs angemeldet hatte und die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt worden war.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

Konzernrecht verbannen6 oder zumindest fiir den Aktienkonzern weiter daran festhalten wollen 7• Erfolgversprechender könnte heute die Konzeption Karsten Schmidts sein: Er will fiir das Horizontalverhältnis auf bürgerlichrechtliche statt auf konzernrechtliche Vorschriften zurückgreifen, um so bei "qualifizierter Gleichordnung" eine Verlustgemeinschaft zwischen Konzernschwestern zu begründen (II.). Schließlich wird zu überlegen sein, ob einschlägige Fälle künftig sämtlich über die Durchgriffshaftung zu lösen sind oder daneben auch der "Grundtatbestand" der §§ 311, 317 AktG in Betracht kommt, mit entsprechenden Folgen fiir das Horizontalverhältnis (III.).

I.

Horizontaler Verlustausgleich "analog§§ 302 f. AktG"

Die nachfolgenden Konzepte fiir eine Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung im Horizontalverhältnis sind vor Bremer Vulkan in bewusster Anlehnung an die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens entwickelt worden und gründen damit ebenfalls auf eine Analogie zu den §§ 302 f. AktG (1.). Diese Analogie erscheint fiir das Horizontalverhältnis jedoch noch weitaus kühner als im Vertikalverhältnis (2.).

1.

Konzepte

Die am weitesten gehende Ansicht wollte sogar im faktischen Unterordnungskonzern einen Verlustausgleich zwischen Schwestergesellschaften entsprechend §§ 302 f. AktG zulassen, auch zusätzlich zur Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens (a). Für den Sonderfall der horizontalen Betriebsaufspaltung hat nicht nur das Bundesarbeitsgericht eine entsprechende Haftung der Besitzgesellschaft bejaht (b ). Auf Zustimmung stößt auch heute noch der Vorschlag eines horizontalen Verlustausgleichs fiir faktische Gleichordnungskonzerne (c).

a)

Unterordnungskonzern

Das OLG Dresden hat in seiner Entscheidung vom 27.10.1999 eine Gesellschaft analog §§ 302 f. AktG verurteilt, dem Kläger anstelle ihrer in Konkurs

6 7

K. Schmidt NJW 2001, S. 3577, 3580 f.; ders. FS Wiedemann S. 1199, 1219; ders. Gesellschaftsrecht § 39 III 3, S. 1225. Emmerich/Habersack Anh. § 317 Rn. 5 ff.; auch Jäger Aktiengesellschaft § 41 Rn. 33 hält es für gerechtfertigt, bei einer abhängigen AG weiterhin die §§ 302 f. AktG heranzuziehen. Heyder Aktienkonzern, insbes. S. 177 ff. hat sich schon vor Bremer Vulkan gegen eine Übernahme der BGH-Rechtsprechung zum "qualifiziert faktischen Konzern", jedoch für eine Analogie zu §§ 302 f. AktG ausgesprochen.A.A. Hüffer § 1 Rn. 25, § 311 Rn. II, der die neue Rechtsprechung zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs auch für den Aktienkonzern übernehmen will.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

gegangenen Schwestergesellschaft Mängelbeseitigungskosten zu erstatten8. Es hat sich dazu auf eine "horizontale Verflechtung der beiden Gesellschaften unter Vermittlung der S-AG" als der gemeinsamen Muttergesellschaft berufen sowie darauf, dass der gesamte Gewinn in der beklagten Gesellschaft konzentriert wurde. Für einen Verlustausgleich analog §§ 302 f. AktG zwischen den Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns hat sich auch Eschenbruch 9 ausgesprochen, sofern im Verhältnis der Schwestergesellschaften eine "qualifiziert faktische Konzernbeziehung" festzustellen sei. Wenn sich schädigende Einflussnahmen zum Nachteil einer abhängigen Schwestergesellschaft ergäben und nicht nur das Verhältnis zum herrschenden Unternehmen, sondern auch dasjenige zu den Schwestergesellschaften intransparent sei, müsse man das Trennungsprinzip einschränken. Intransparenz liege etwa vor, wenn die Leistungsbeziehungen zu den Schwestergesellschaften völlig undurchsichtig seien und sich Rechte und Vermögenswerte nicht mehr den einzelnen Konzerngesellschaften zuordnen ließen. Dabei hänge der Anspruch gegen die Schwestergesellschaften nicht von der mangelnden Leistungsfahigkeit des herrschenden Unternehmens ab. Auch Jaschinski 10 hat bei "qualifizierter Gleichordnung" im GmbHUnterordnungskonzern für einen Verlustausgleich analog §§ 302 f. AktG plädiert. Die Haftungsvoraussetzungen seien grundsätzlich dieselben wie bei der vertikalen Haftung des herrschenden Unternehmens. Die Haftung beruhe hier wie dort auf einer Interessenverletzung, die einer Tochter- bzw. Schwestergesellschaft zugefügt wurde, und die deshalb zu einer Verlustausgleichspflicht führe, weil das auf der Treuepflicht basierende Einzelausgleichssystem 11 nicht mehr funktioniere 12 • Ausgleichspflichtig sei nur die

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9 I0 II

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NZG 2000, S. 598, 600 mit Anm. Grüner. Der Fall wird dadurch unübersichtlich, dass die Beklagte später sämtliche Geschäftsanteile an ihrer bisherigen Schwestergesellschaft übernahm und das Gericht nicht klarstellt, ob es die Beklagte als herrschendes Unternehmen oder als Schwestergesellschaft verurteilt; näher oben Einf. IV 2. Konzernhaftung Rn. 2105 f. Schwestergesellschaften S. 167 ff. Jaschinski nimmt an, dass nicht nur zwischen Mutter und Tochter, sondern auch direkt zwischen Schwestergesellschaften eine Treuepflicht besteht, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichtet; dazu schon oben § I B II 2 und 3. In Anlehnung an Michalski/Zeidler NJW 1996, S. 224, 228 nennt Jaschinski Schwestergesellschaften S. 168 Fn. I 04 das Beispiel, dass ftir im Konzern erbrachte Leistungen wirksam unangemessene Konzernverrechnungspreise vereinbart worden sind. Ein Haftungstatbestand sei dadurch nicht erftillt, so dass kein Schadensersatz verlangt werden könne. Wenn die Vermögensmasse der Schwestergesellschaft dadurch "ausgesaugt" werde, greife aber die globale Verlustausgleichspflicht- Nach Jaschinskis eigenem Treuepflichtenansatz müsste die Vereinbarung unangemessener Konzernver-

Der "qualifiziert faktische Konzern"

begünstigte Konzernschwester; zu ihrer Ermittlung bedürfe es einer tendenzie11en Erfassung der Vorgänge, die zwischen den Schwestergese11schaften abgelaufen seien. Die Haftung der Schwestergese11schaft bestehe auch neben einer Haftung der Muttergese11schaft. Dafür spreche, dass in dezentral organisierten Konzernen der Haftungstatbestand nicht notwendig von der Muttergese1lschaft herbeigeführt werde, so dass die geschädigte Gese11schaft und ihre Gläubiger ohne horizontale Haftung leer ausgingen. In zentral organisierten Konzernen realisiere sich der Konzernkonflikt bei Vermögensverschiebungen zwischen Schwestergese1lschaften gerade in deren Verhältnis, so dass es gerechtfertigt sei, die Haftungsfolge auch unmittelbar hier eingreifen zu lassen 13 • b)

Horizontale Betriebsaufspaltung

Für den Sonderfa11 der horizontalen Betriebsaufspaltung hat Drygala schon 1991 eine Verlustausgleichspflicht analog§ 302 AktG bei schwerwiegenden und nicht mehr kompensierbaren Benachteiligungen der Betriebsgese11schaft befürwortet 14 . Wenn die bestehenden Verträge der Betriebsgese11schaft nach ihrem Inhalt oder der Art ihrer praktischen Durchführung die Möglichkeit nähmen, aus eigenen Kräften Liquidität zu bilden und damit die wirtschaftliche Existenzfähigkeit zu erhalten, so11e man die Gese11schaften als das behandeln, was sie in Wirklichkeit seien: als ein einziges Unternehmen. Dazu diene die Verlustausgleichspflicht der begünstigten Gese11schaft entsprechend§ 302 AktG 15 •

13 14 15

rechnungspreise aber gerade zum Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzung führen. So ist aufS. 166 zu lesen: "Zwischen den Konzernschwestern bestehen Treuepflichten, die sich in einem gegenseitigen Schädigungsverbot niederschlagen. Dieses wird dann bedeutsam, wenn eine Schwester aufgrund ihrer Stellung im Konzerngefüge einflussreich genug ist, um in schädigender Weise auf andere Konzerngesellschaften einwirken zu können". Wenn nach Jaschinski schon der "Grundtatbestand" der Treuepflichtverletzung nicht erfüllt sein soll, wozu bedarf es dann eines globalen Verlustausgleichs, der nach Jaschinski ebenfalls eine auf dem Schädigungsverbot aufbauende Form der Verhaltenshaftung ist (S. 183)? Jaschinski Schwestergesellschaften S. 170 ff. Drygala versteht die horizontale Betriebsaufspaltung als Gleichordnungskonzern und will so eine Konzernhaftung gemeinsamer Gesellschafter als "herrschendes Unternehmen" vermeiden. An ihre Stelle soll die Haftung der Besitzgesellschaft treten. Drygala Betriebsaufspaltung S. 123 f.- Vorher schon Wüst JZ 1985, S. 817, 822 f., der eine Verlustlibernahme durch die vermögende Anlagegesellschaft analog § 302 AktG "in objektiv definierten Missbrauchsfällen, also bei offensichtlicher Unterkapitalisierung der Betriebsgesellschaft" befiirwortet hat. Die Ausführungen beziehen sich (zumindest auch) auf die horizontale Betriebsaufspaltung, weil Wüst zuvor von "denselben Teilhabern" bei Betriebs- und Anlagegesellschaft und der "regelmäßig vorhandenen Identität der Beteiligungsverhältnisse" spricht.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil von 1998 16 mit der konzernrechtlichen Haftung der Besitzgesellschaft Ernst gemacht, dabei allerdings zwei unterschiedliche Begründungsansätze miteinander vermischt: Im ersten Leitsatz und im Hauptteil der Entscheidungsgründe erscheint die Besitzgesellschaft als herrschendes Unternehmen. Die Regeln über die konzernrechtliche Durchgriffshaftung - das Bundesarbeitsgericht spricht von einer "rechtsähnlichen Anwendung der §§ 303, 322 AktG"- fänden Anwendung, wenn die Betriebsgesellschaft von der Besitzgesellschaft umfassend gesteuert werde, die Betriebsgesellschaft nicht für ihre Liquidität vorsorgen könne und die Besitzgesellschaft nicht darlegen könne, dass sich eine unabhängige Gesellschaft hierauf hätte einlassen können 17 • Im zweiten Leitsatz und im Schlussabsatz der Entscheidungsgründe wird dagegen die gemeinsame Komplementär-GmbH als das herrschende Unternehmen anerkannt. Die Haftung der Besitzgesellschaft wird damit begründet, dass sie der Komplementär-GmbH bei der beherrschenden und rücksichtslosen Leitung der Betriebsgesellschaft als Werkzeug gedient habe und die Unternehmerischen und vermögensmäßigen Interessen bei ihr konzentriert seien. Der erste Begründungsansatz sucht die Rechtfertigung für die Konzernhaftung der Besitzgesellschaft unmittelbar in ihrem (horizontalen) Verhältnis zur Betriebsgesellschaft; der zweite will dagegen die zunächst vertikal das herrschende Unternehmen treffende Haftung auf die Besitzgesellschaft verlängern. Henssler 18 hat bei grundsätzlicher Skepsis gegenüber dem vom BAG gewählten konzernrechtlichen Ansatz - in seiner Urteilsbesprechung diesen zweiten Begründungsansatz aufgegriffen. Er will auf die "Werkzeugeigenschaft" der Besitzgesellschaft als Begründungselement verzichten 19 und nennt als Voraussetzungen für einen auf§ 242 BGB 20 zu stützenden Ausnahmetatbestand: Erstens müsse das die Betriebs- und Besitzgesellschaft beherrschende Unternehmen die Konzernleitungsmacht in der Betriebsgesellschaft in einer Weise ausgeübt und missbraucht haben, dass der Betriebs-

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BAG ZIP 1999, S. 723; vgl. schon oben Einf. IV I, § I AI. Schaub NZA 1989, S. 5, 8, auf den sich das BAG beruft, differenziert nicht zwischen vertikaler und horizontaler Betriebsaufspaltung.- Auch Henssler ZGR 2000, S. 479, 487 versteht das BAG so, dass der erste Leitsatz nicht nur die - im konkreten Fall nicht gegebene- vertikale Betriebsaufspaltung betreffen soll, bei der die Besitzgesellschaft als Muttergesellschaft hen·schendes Unternehmen sein kann; auch schon der erste Leitsatz nennt "Kriterien ftir einen Haftungsdurchgriff auf die Schwestergesellschaft". Henssler ZGR 2000, S. 479, 499 f.; vgl. Raiser FS Ulmer S. 493, 496, 506 ff. mit Modifikationen auf der Basis von Bremer Vulkan; dazu unten § 6 III 4 b. Die Werkzeugeigenschaft eignet sich nicht zur Begründung einer Haftung, dazu schon Henssler ZGR 2000, S. 479, 494 und oben§ I AI 3. Ebenso BarkEWiR § 322 AktG 1/99, S. 537.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

gesellschaft nicht einzelausgleichsfähige Nachteile entstanden seien. Zweitens müssten die mit diesen Nachteilen der Betriebsgesellschaft korrespondierenden Vorteile vom herrschenden Unternehmen planmäßig in die Besitzgesellschaft transferiert worden bzw. dort zur Entstehung gelangt sein. Drittens dürften die Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen wegen dessen Insolvenz nicht durchsetzbar sein. Henssler hat in dem vorgeschlagenen Ausnahmetatbestand eine insolvenzspezifische Ergänzung der Haftung im "qualifiziert faktischen Konzern" gesehen und die Rechtsfolge entsprechend ausgestaltet: Entsprechend § 303 AktG könne der Gläubiger der Betriebsgesellschaft auch von der Besitzgesellschaft Sicherung bzw. Erfüllung seiner Ausgleichsansprüche verlangen. Daneben begründet Henssler die Haftung mit der Besonderheit der Betriebsaufspaltung, dass der Nachteil der Betriebsgesellschaft regelmäßig spiegelbildlich den Vorteil der Besitzgesellschaft bezwecke und nicht den unmittelbaren Vorteil des herrschenden Unternehmens.

c)

Gleichordnungskonzern

Auch für den faktischen Gleichordnungskonzern - so es ihn denn geben sollte21 - finden sich Vorschläge, die aus dem Unterordnungskonzern bekannte Haftung des herrschenden Unternehmens analog §§ 302 f. AktG in die Horizontale umzulenken. Bereits früh hat Wellkamp 22 vertreten, dass injedem Gleichordnungskonzern eine interne Verlustausgleichspflicht entsprechend § 302 AktG und eine Ausfallhaftung gegenüber den Gläubigem entsprechend § 303 AktG bestehe. Die Situation des gleichgeordneten Unternehmens, das im Konzerninteresse einen Vermögensnachteil hinnehmen müsse, sei mit der einer abhängigen Gesellschaft in einem Unterordnungskonzern vergleichbar; auch diese könne einen finanziellen Ausgleich für ihr aufgezwungene Vermögensopfer verlangen.

Lutter/Drygala haben dagegen auf der Basis der TEE-Entscheidung eine Verpflichtung zum pauschalen Verlustausgleich nur für den "qualifizierten" Gleichordnungskonzern angenommen, wenn das Leitungsorgan also fortgesetzt zum Nachteil einer Gesellschaft handelt und dadurch deren Eigeninteressen nachhaltig beeinträchtigt, ohne dass die Nachteile im Wege des

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Zur Kritik am faktischen Gleichordnungskonzern vgl. oben § I C I. DB 1993, S. 2517, 2520 f.

163

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Einzelausgleichs beseitigt werden können23 • Diese Position findet im Schrifttum einige Gefolgschaft, auch nach Bremer Vulkan 24 . 2.

Stellungnahme

Im Vertikalverhältnis hat die bis zur Bremer Vulkan-Entscheidung herrschende Meinung die Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens auf eine schlichte Analogie25 zu den§§ 302 f. AktG gestützt. Auch die Rechtsprechung zur Konzernhaftung verstand sich eher als Gesetzesanwendung denn als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung26 • Im GmbH-Konzern bedarf es dazu sogar einer doppelten Analogie: Insoweit ist nicht nur ein "Vertragskonzern ohne Vertrag" zu konstruieren27 , sondern auch eine aktienrechtliche Regelung auf den GmbH-Konzern anzuwenden. Entsprechend wird man auch fl.ir das Horizontalverhältnis annehmen dürfen, dass die Verlustausgleichspflicht "analog §§ 302 f. AktG" auf einer echten Analogie basieren soll, den §§ 302 f. AktG also nicht nur Stichwortfunktion beizumessen ist; dafür spricht neben der Wortwahl die bewusste Anlehnung an die Konzernhaftung in der Vertikalen. Lediglich Henssler hat in seiner Besprechung des BAG-Urteils zur horizontalen Betriebsaufspaltung klar herausgestellt, dass als Rechtsgrundlage für die vom Bundesarbeitsgericht bejahte horizontale Konzernhaftung nur § 242 BGB in Betracht komme28 • 23 24

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26

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164

Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 568 ff., insbes. S. 571. Emmerich/Habersack § 18 Rn. 38: In besonders engen Gleichordnungskonzernen kommt Verlustausgleichspflicht der beteiligten Unternehmen analog den §§ 302 f. AktGin Betracht. Vor Bremer Vulkan Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 4 IV 4, S. 72; Raiser Kapitalgesellschaften § 56 Rn. 13, S. 934. So MüKo-AktG/Krop.ff§ 317 Anh. Rn. 46. Vgl. für die GmbH: Baumbach/Hueckl Zöllner GmbH-KonzernR Rn. 86, 91; Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 125 ff.; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 29 III 2 b, S. 447; Junker Antrittsvorlesungen S. 169, 184. - Für die AG weiterhin Emmerich!Habersack Anh. § 317, insbes. Rn. 23; auch Jäger Aktiengesellschaft § 41 Rn. 33: "erscheint durchaus gerechtfertigt". Vgl. BVerfG NJW 1993, S. 2600 zur Video-Verfassungsbeschwerde: "Die Begründung des angegriffenen Urteils ... lässt nicht erkennen, dass sich der BGH aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben haben könnte"; zu Autokran vgl. die Methodenkritik von Rehbinder AG 1986, S. 85, 86; BGHZ 115, 187, 192, 194- Video: (Teil-)Analogie; vorsichtiger BGHZ 122, 123, 126 f.- TBB: Der Konzernkonflikt habe den Senat bewogen, " ... in Anlehnung an die aktienrechtlichen Vorschriften zum Vertragskonzern besondere Haftungsregeln zu entwickeln"; auch in BGH NJW 2001, S. 370 wurde noch an einer Haftung "entsprechend den §§ 302, 303 AktG" festgehalten. Dieses Beharren auf einem Analogieschluss dürfte sich damit erklären, dass eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung den Gerichten nur unter besonderen Voraussetzungen erlaubt ist, eine Lückenfüllung durch schlichte Analogie dagegen ohne weiteres, vgl. Larenz Methodenlehre S. 413 ff. So prägnant Rehbinder AG 1986, S. 85, 91. Henssler ZGR 2000, S. 479, 499; ebensoBarkEWiR § 322 AktG 1/99, S. 537.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

Der von Henssler insoweit formulierte Ausnahmetatbestand zeichnet sich indessen dadurch aus, dass er die zunächst im Vertikalverhältnis begründete Haftung des herrschenden Unternehmens unter zusätzlichen Voraussetzungen auf die Besitzgesellschaft verlängert. Dadurch unterscheidet er sich von den anderen Konzeptionen, die die Haftungsachse grundsätzlich aus der Vertikalen in die Horizontalebene "kippen" und deshalb auch die §§ 302 f. AktG direkt gegen die Schwestergesellschaften wenden wollen 29 • Unter einer Analogie versteht man die Übertragung der für einen Tatbestand im Gesetz gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten Tatbestand, der dem geregelten "ähnlich" ist, nämlich in den für die rechtliche Bewertung maßgebenden Hinsichten mit ihm übereinstimmt30 . Voraussetzung ist eine planwidrige Regelungslücke und die anhand des Normzwecks festzustellende Ähnlichkeit der Tatbestände.

a)

Regelungslücke

Teilweise wird die Existenz einer planwidrigen Regelungslücke schon für das Vertikalverhältnis bestritten. Das betrifft in erster Linie das GmbHRecht, das nach dem Scheitern der großen GmbH-Reform schon kein kodifiziertes Konzernrecht kennt 31 , aber auch das Aktienrecht 32 . Soweit die §§ 311, 317 AktG einschlägig sind, ist eine Regelungslücke zumindest für die oben 33 erwähnte dritte Fallgruppe des "qualifiziert faktischen Konzerns" zu bejahen: Diese Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass sich zwar die vom herrschenden Unternehmen veranlasste nachteilige Maßnahme feststellen lässt, aber nicht der dadurch verursachte Schaden, auch nicht durch Schätzung nach § 287 ZPO. Das herrschende Unternehmen verstößt somit gegen § 311 AktG, ohne dass die in § 317 AktG vorgesehene Schadensersatzhaftung greifen würde. Weil der Verstoß gegen § 311 AktG nicht ohne jede Sanktion bleiben kann, liegt insoweit eine Rechtsverweigerungslücke vor34 . Durchaus zweifelhaft ist dagegen, ob auch in den beiden anderen Fallgruppen und bei der Einmann-GmbH eine Regelungslücke vorliegt (auf die Einmann-GmbH finden die §§ 311 ff. AktG von vornherein keine An-

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Deutlich Weilkamp und Lutter/Drygala für den faktischen Gleichordnungskonzern sowie Jaschinski ftir den Unterordnungskonzern. Larenz Methodenlehre S. 381. Kleinert FS Helmrich S. 667; Ehricke Konzernunternehmen S. 389 ff. OLG DüsseldorfNJW-RR 2000, S. 1132. § 4 III. l.E. auch MüKo-AktG/KropJl § 317 Anh. Rn. 28; zur Rechtsverweigerungslücke vgl. Larenz Methodenlehre S. 401, der als Beispiel§ 306 BGB a.F. nennt.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

wendung) 35 • Die herrschende Meinung nimmt jedoch auch insoweit eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke an 36 . Für das Horizontalverhältnis lässt sich das Vorliegen einer Regelungslücke nicht generell "vorab" feststellen. Insoweit kann keine Rechtsverweigerungslücke bestehen - denn § 311 AktG ist im Horizontalverhältnis selbst nicht anwendbar, kann also auch keine offenen Rechtsfragen aufwerfen. Möglich ist jedoch eine teleologische Lücke, bei der Lückenfeststellung und Lückenausfüllung zusammenfallen37 • Ob das Fehlen einer Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung von Schwestergesellschaften planwidrig oder vielmehr gewollt ist, lässt sich erst durch einen Ähnlichkeitsvergleich feststellen. Entscheidend ist, ob das Horizontalverhältnis dem Vertikalverhältnis im "qualifiziert faktischen Konzern" und letztlich dem allein von den §§ 302 f. AktG geregelten Vertragskonzern so ähnlich ist, dass eine Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung geboten erscheint.

b)

Normzweck und Analogiefähigkeit des§ 302 AktG

Über die Ähnlichkeit ist mit Blick auf den Normzweck des § 302 AktG 38 zu entscheiden. Hierzu werden durchaus unterschiedliche Ansichten vertreten, zum Teil auch miteinander kombiniert 39 : Eine erste Ansicht sieht in der Verlustausgleichspflicht einen notwendigen Ausgleich für die dem anderen Teil durch den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag eingeräumten weitgehenden Eingriffsrechte, und zwar beim Beherrschungsvertrag für das fonnelle Weisungsrecht gemäß § 308 35 36

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39

166

Ausführlich oben§ 1 BIll. BGHZ 115, 187- Video; dazu BVerfG NJW 1993, S. 2600: "Der BGH hat sich insbesondere nicht über eine eindeutige Entscheidung oder eine abschließende Regelung des Gesetzgebers hinweggesetzt"; Bol{jong FS Brandner S. 23. -Durch BGHZ 149, 10- Bremer Vulkan- dürfte sich hieran nichts geändert haben: die Regelungslücke bleibt, soll aber nicht mehr durch eine Analogie zum Aktienkonzernrecht ausgefiillt werden, sondern durch die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs; vgl. Michalski/Zeid/er Syst. Darstellung 4 Rn. 261. Zum Verhältnis von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung Larenz Methodenlehre S. 401; Canaris Lücken S. 142. Da § 303 AktGnureinen Flankenschutz zu § 302 AktG gewährleistet und der Vorschrift keine selbständige Ausgleichsidee zugrunde liegt (Rehbinder AG 1986, S. 85, 87), kann sich die Diskussion nachfolgend auf den Normzweck des § 302 AktG konzentrieren. Nach Ehricke Konzernunternehmen S. 447 ff. m.w.N. ist§ 302 AktG nicht monokausal zu erklären; vgl. auch Emmerich!Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 20 V 1 a, S. 291: die Ansicht, dass es sich um einen Ausgleich ftir die durch den Vertrag eröffneten Eingriffsrechte handele, sei "sicher nicht falsch"; wichtiger sei jedoch das Versagen des Kapitalerhaltungssystems; schließlich sei auch noch an eine Parallele zu § 670 BGB zu denken; ebenso Emmerich!Habersack § 302 Rn. 16 f.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

AktG, beim Gewinnabführungsvertrag für die Abführung des ganzen Gewinns40. Sie kann sich dabei auf die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 stützen, in der es heißt, dass derjenige, der die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann oder ihren ganzen Gewinn erhält, auch für ihre Verluste einstehen müsse 41 . Diese erste Ansicht lässt sich fortentwickeln 42 zu einer zweiten, welche den Verlustausgleich als Aufwendungsersatz bei Fremdgeschäftsführung deutet: Die abhängige Gesellschaft führe nicht mehr ihre eigenen, sondern die durch das herrschende Unternehmen bestimmten Konzerngeschäfte, so dass sie auch schon nach allgemeinem Zivilrecht Aufwendungsersatz verlangen könnte(§ 670 BGB)43 . Für diese Deutung als Aufwendungsersatz spricht der Hinweis in der Regierungsbegründung, dass auch schon beim Organschaftsvertrag nach altem Recht "eine Pflicht zur Verlustübernahme aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet" wurde, eben aus§ 670 BGB44 . Eine dritte Ansicht, die Hüjfer in seiner Kommentierung als die "heute wohl herrschende" bezeichnet, wurde schließlich eigens mit Blick auf den "qualifiziert faktischen Konzern" entwickelt. Sie sieht den Grundgedanken des § 302 AktG im Kapitalerhaltungsschutz und verweist hierfür auf den Zusammenhang der Vorschrift mit § 291 Abs. 3 AktG; § 302 AktG wolle im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger die durch § 291 Abs. 3 AktG angeordnete weitgehende Lockerung der Vennögensbindung kompensieren45. Auch für den behaupteten Zusammenhang des § 302 AktG mit dem Kapitalerhaltungsschutz findet sich ein Argument in den Gesetzgebungsmaterialien: Zu § 291 Abs. 3 AktG heißt es dort, dass der Schutz der Aktionäre und Gläubiger, den die Kapitalerhaltungsvorschriften sicherstellen sollen,

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BGHZ 116, 37, 41 - Stromlieferung; KK!Koppensteiner § 302 Rn. 4; MüKoAktG/Altmeppen § 302 Rn. 10 f.; MüKo-AktG!Kropff § 317 Anh. Rn. 46; Emmerich/Habersack § 302 Rn. 16; Versteegen Konzernverantwortlichkeit S. 237 ff. RegBegr. zu§ 302 AktG, abgedruckt bei KropffS. 391. Zwischen beiden Ansichten wird oft nicht weiter unterschieden. So bezeichnet MüKo-AktG!Altmeppen § 302 Rn. 10 ff. die Verlustausgleichspflicht zunächst als "Korrelat für Eingriffsrechte" und fährt dann fort, wenn man sie "rechtlich noch tiefer verankern" wolle, habe man sie als Weiterentwicklung des Aufwendungsersatzes nach §§ 683, 670 BGB zu verstehen. MüKo-AktG/Altmeppen § 302 Rn. 12; Wilhelm DB 1986, S. 2113, 2116; K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,429. RegBegr. zu § 302 AktG, abgedruckt bei Kropff S. 390; vgl. zu dieser früheren Rechtslage Ehricke Konzernunternehmen S. 447. Zuerst Ulmer NJW 1986, S. 1579, 1584; ders. AG 1986, S. 123, 127; BGHZ 107, 7, 18 -Tiefbau; Hüffer § 302 Rn. 3; Emmerich/Sonnenschein!Habersack Konzernrecht § 20 V I a, S. 291; Stimpel FS Goerdeler S. 60 I, 609 f., 613 ff.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

bei Unternehmensverträgen durch die besonderen Sicherungen der§§ 300 ff. AktGerreicht werde46 . Allen drei Ansichten ist gemein, dass sie für die Beschreibung des Normzwecks jedenfalls vordergründig an den Abschluss eines Unternehmens-, speziell eines Beherrschungsvertrages anknüpfen. Die Ansichten stellen jeweils einen Bezug her zum vertraglich eingeräumten Weisungsrecht (§ 308 AktG), zur vertraglichen Indienstnahme für Konzerngeschäfte bzw. zu der mit dem Vertrag einhergehenden Lockerung der Vermögensbindung ( § 291 Abs. 3 AktG). Bei der Beschreibung des Normzwecks wird der von § 302 AktG miterfasste isolierte Gewinnabführungsvertrag weitgehend außen vor gelassen. Das ist auch nicht falsch, weil die Anordnung des Verlustausgleichs insoweit durchaus auf anderen Erwägungen beruhen kann als beim Beherrschungsvertrag, die Figur des "qualifiziert faktischen Konzerns" aber gerade an den durch Beherrschungsvertrag entstandenen Vertragskonzern anknüpfen will. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die insoweit angeführten Normzwecke auch auf den isolierten Gewinnabführungsvertrag passen 47 . Für die Analogiefahigkeit des § 302 AktG ist nunmehr entscheidend, inwieweit sich die vertretenen Normzwecke von ihrem vertraglichen Ausgangspunkt lösen lassen, so dass sie auch ohne Unternehmensvertrag und damit im "qualifiziert faktischen Konzern" einschlägig sein können. Bei der ersten Ansicht ist das nicht der Fall, soweit sie im Verlustausgleich ein Korrelat gerade für vertraglich eingeräumte Eingriffsrechte, nicht für bloße Eingriffsmöglichkeiten sieht. Der für die erste Ansicht als Beleg herangezogene Satz aus der Regierungsbegründung ("Wer die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann ... , muss auch für Verluste einstehen") erinnert zwar an die Formel vom "Gleichlauf von Herrschaft und Haftung"48 ; nach dem Textzusammenhang49 und vor allem der Gesetzessystematik (§§ 291 ff. AktG einerseits, §§ 311 ff. AktG andererseits) ist aber nur die auf Vertrag beruhende Leitungsmacht gemeint, nicht auch eine faktische 50 . Erst wenn man den Verlustausgleich mit der zweiten Ansicht auf den Gedanken des Aufwen-

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RegBegr. zu § 291 AktG, abgedruckt bei Kropf!S. 378; vgl. auch RegBegr. zu§ 302 Abs. 2 AktG, S. 391. A.A. KK!Koppensteiner § 302 Rn. 4, der mit dem isolierten Gewinnabflihrungsvertrag argumentiert. Zu diesem vgl. noch unten § 5 II 2 d bb. Dazu Hüffer § 302 Rn. 2. Die beiden Sätze davor lauten: "Nach Absatz I greift die Pflicht zur Verlustübernahme stets bei Beherrschungs- und Gewinnabflihrungsverträgen ein. Sie ist gesetzlich an das Bestehen solcher Verträge geknüpft, braucht also nicht in den Vertrag aufgenommen zu werden." (RegBegr. zu§ 302 AktG, abgedruckt bei Kropf!S. 391). Vgl. Wiedemann Unternehmensgruppe S. 82.

Der "qualifiziert faktische Konzem"

dungsersatzes bei Fremdgeschäftsführung zurückführt, reicht auch eine Indienstnahme ohne Vertrag aus - dann als Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S. 1, 670 BGB. Auch die dritte Ansicht will es genügen lassen, wenn die Kapitalerhaltungsvorschriften zwar nicht rechtlich durch § 291 Abs. 3 AktG, aber doch faktisch außer Kraft gesetzt werden 51 . Wenn schließlich Karsten Schmidt die Verlustausgleichspflicht als "gesetzliche Konsequenz qualifizierter Abhängigkeit" bezeichnet hat, bringt das nur den Verzicht auf das Vertragserfordernis auf den Punkt, den auch die zweite und die dritte Ansicht vollziehen: Eigentlicher Verpflichtungsgrund soll bei § 302 AktG eine "qualifizierte Abhängigkeit" sein, nicht das Bestehen eines Unternehmensvertrages; das Vertragserfordernis wird damit zurechtgestutzt auf den Status einer einfachen tatbestandliehen Voraussetzung, über die man sich im Rahmen einer Analogie sodann hinwegsetzen darf52 • Unterschiede können sich nur noch bei der Beschreibung dieser "qualifizierten Abhängigkeit" ergeben, die den Vertragskonzern ebenso wie den "qualifiziert faktischen Konzern" kennzeichnen soll. Für das Horizontalverhältnis ist allein die dritte Ansicht erfolgversprechend, die den Normzweck des § 302 AktG im Kapitalerhaltungsschutz sieht. Denn Schwestergesellschaften verfügen anders als das herrschende Unternehmen über keine besonderen Eingriffsrechte und sind nicht "herrschend"53 • Auch der Gedanke des Aufwendungsersatzes bei Fremdgeschäftsführung basiert letztlich auf der Gegenüberstellung von herrschendem und abhängigem Unternehmen, ist deshalb im Horizontalverhältnis nicht einschlägig54 . Probleme des Kapitalerhaltungsschutzes stellen sich dagegen auch direkt im Horizontalverhältnis. Nach dem hier für richtig gehaltenen Konzept Cahns sind die Schwestergesellschaften unmittelbare Adressaten der Kapitalerhaltungsvorschriften. Wenn eine Schwestergesellschaft der anderen etwas societatis causa zu Lasten ihres gebundenen Kapitals zuwendet, ist die andere Schwestergesellschaft deshalb ebenso zur Erstattung verpflichtet wie im

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Gegen diesen Begründungsschritt MüKo-AktG/Kropff § 317 Anh. Rn. 47. K. Schmidt ZGR 1983, S. 513, 516 ff., 534; ders. Gesellschaftsrecht § 31 III 2 d, S. 953 f.; zustimmend UlmerAG 1986, S. 123, 127; ähnlich Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 3482 a.E. Rowedder/Schmidt-Leithoff!Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. 100 sieht in dieser "gesetzlichen Konsequenz qualifizierter Abhängigkeit" wohl einen eigenständigen Erklärungsansatz; K. Schmidt beschreibt aber nur die Konsequenz, die auch die zweite und die dritte Ansicht ziehen (müssen), um im "qualifiziert faktischen Konzem" eine Analogie zu § 302 AktG zu ermöglichen. Vgl.oben§ I Al. V gl. zum Zusammenhang der zweiten mit der ersten Ansicht (Korrelat flir Eingriffsrechte) oben§ 5 Fn. 42 und K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 429; andersjetzt ders. FS Wiedemann S. 1199, 1217 ff. (§ 670 BGB auch im Horizontalverhältnis).

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Vertikalverhältnis ein Gesellschafter55 . Sind Schwestergesellschaften einander solchermaßen direkt für die Kapitalerhaltung verantwortlich, erscheint es auch denkbar, sie ebenfalls zum Adressaten einer - die Kapitalbindung lediglich fortschreibenden - Verlustausgleichspflicht zu erklären5 6 • Die Vorschrift des § 291 Abs. 3 AktG und die zugehörige Gesetzesbegründung deuten daraufhin, dass zwischen Verlustausgleichspflicht und Kapitalerhaltungsschutz jedenfalls ein gewisser Zusammenhang besteht. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass § 291 Abs. 3 AktG erst in einem späteren Stadium der Gesetzgebungsarbeiten eingefügt worden ist und deshalb nicht Grundlage für die ältere Verlustausgleichsbestimmung des § 302 AktG sein könne 57 • Denn die Regierungsbegründung versteht § 291 Abs. 3 AktG als bloße Klarstellung einer Gesetzeslage, wie sie sich bei zutreffendem Gesetzesauslegung auch schon ohne § 291 Abs. 3 AktG ergeben müsste 58 • Dass die klarstellende Vorschrift erst später eingefügt wurde, kann für das materielle Verständnis des § 302 AktG deshalb nicht entscheidend sein59 • Andererseits lässt sich § 302 AktG aber auch nicht allein mit dem Gedanken des Kapitalerhaltungsschutzes erklären: Die Rechtsfolge des § 302 AktG ist in jedem Fall überschießend, weil der Verlustausgleich weit über das hinausgeht, was nach den Kapitalerhaltungsregeln zu leisten wäre. So sind die Kapitalerhaltungsregeln nicht berührt, wenn Verluste rein externe Ursachen haben oder mit den Vennögensnachteilen bei der abhängigen Gesellschaft keine greifbaren Vermögensvorteile bei einer anderen Konzerngesellschaft einhergehen60 . Das wird von den Vertretern der auf den Kapitalerhaltungsschutz abstellenden Ansicht auch durchaus erkannt. Sie wollen den "Kapital-

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Vgl.oben§2I3. Anders Stimpel FS Goerdeler S. 601,607. So aber MüKo-AktG/Altmeppen § 302 Rn. 9. Regßegr. zu § 291 AktG, abgedruckt bei Kropff S. 378: "Es könnte ... die Ansicht vertreten werden, dass sie (die Unternehmensverträge) dann, wenn der andere Vertragsteil ein Aktionär ist, wegen Verstoßes gegen die §§ 57, 58 und 60 des Entwurfs unwirksam sind. Um dies auszuschließen, stellt Absatz 3 klar, dass Leistungen ... nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60 gelten"; vgl. auch MüKo-AktG/Altmeppen § 291 Rn. 226. Für die Argumentation mit dem Kapitalerhaltungsschutz ist ohnehin die Gesetzesbegründung wichtiger als§ 291 Abs. 3 AktG selbst; denn während die Gesetzesbegründung allgemein den Zusammenhang zwischen den Kapitalerhaltungsvorschriften und den §§ 300 ff. AktG herstellt (RegBegr. zu § 29 l AktG, abgedruckt bei Kropf! S. 378), geht es § 291 Abs. 3 AktG nur um die rechtliche Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften, die den Unternehmensvertrag ftir Aktionäre attraktiver machen soll. Zu der ftir die Analogiefähigkeit des § 302 AktGentscheidenden Frage, wie bei einer faktischen Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsregeln verfahren werden soll, verhält sich die Vorschrift gerade nicht. V gl. auch oben § 4 II zur rein bilanziellen Betrachtungsweise.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

erhaltungsschutz" deshalb nicht formell, sondern materiell verstehen, also inhaltlich gerade nicht auf die in Konzernlagen für "unzureichend" gehaltenen Kapitalerhaltungsregeln beschränken61 . Gerade in diesem materiellen Verständnis liegt aber das überschießende Element, durch das sich der allein für den Vertragskonzern vorgeschriebene Verlustausgleich vom Kapitalerhaltungsschutz, wie er im Übrigen verwirklicht ist, unterscheidet. Die Verlustausgleichspflicht schreibt die außerhalb des Vertragskonzerns vorzufindenden Kapitalerhaltungsvorschriften nicht nur fort, sondern verschärft sie zugleich; die Erklärung dafür kann nicht in einer allgemeinen Idee des Kapitalerhaltungsschutzes liegen, sondern ist im Vertragskonzern selbst zu suchen. Überschießend ist die Verlustausgleichspflicht auch, wenn man sie allein auf den Gedanken des AufWendungsersatzes bei Fremdgeschäftsführung zurückfUhren wollte: Die abhängige Gesellschaft lässt sich nicht immer und in jeder Beziehung als Fremdgeschäftsftihrerin begreifen. Auch ist der nach § 670 BGB geschuldete AufWendungsersatz auf die spezifischen Aufwendungen und Risiken aus der Fremdgeschäftsführung beschränkt und gestattet ebenfalls nicht die Abwälzung von Verlusten, die beispielsweise auf die allgemeine konjunkturelle Entwicklung zurückzufUhren sind. Nicht jeder Verlust ist ersatzfahiger AufWand62 . Die Verlustausgleichspflicht lässt sich also nicht ausschließlich auf allgemeine, auch außerhalb des Vertragskonzerns vorzufindende Prinzipien zurückfUhren. Neben den Gesichtspunkten des AufWendungsersatzes bei Fremdgeschäftsführung und des Kapitalerhaltungsschutzes muss deshalb für die Anordnung des Verlustausgleichs in§ 302 AktGauch eine Rolle gespielt haben, dass ein Unternehmensvertrag geschlossen wird, der dem herrschenden Unternehmen als Gegenleistung weitgehende Eingriffsrechte einräumt, im Falle des Beherrschungsvertrages das formelle Weisungsrecht nach§ 308 AktG. Dass die §§ 302 f. AktG tatbestandlieh an das Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages anknüpfen, ist somit kein Zufall. Kann man den Normzweck des § 302 AktG also nicht abschließend mit Gesichtspunkten der Kapitalerhaltung oder des AufWendungsersatzes wegen Fremdgeschäftsführung erklären, so muss eine Analogie, die sich beim "qua-

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Deutlich UlmerAG 1986, S. 123, 127; KK!Koppensteiner § 302 Rn. 4 bezeichnet die Argumentation Ulmers indessen als "latent widersprüchlich". Wohl deshalb hat BGHZ 107, 7, 18, 20- Tiefbau- dem herrschenden Unternehmen den Entlastungsbeweis ermöglichen wollen, dass die eingetretenen Verluste mit der Ausübung der Leitungsmacht nichts zu tun haben, etwa auf "branchenspezifische Einbrüche" zurückzufUhren sind. Gegen die Deutung als Aufwendungsersatz zutreffend schon KK!Koppensteiner § 302 Rn. 4; GK-HGB!Ulmer Anh. § 105 Rn. 73; Schieß! AG 1985, S. 184, 187.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

lifiziert faktischen Konzern" unter Weglassung des Vertragsschlusses allein auf diese Teilaspekte stützen kann, schon von daher zweifelhaft scheinen. c)

Ähnlichkeit mit dem Vertragskonzern

Wenn man die Bedenken an der Analogiefähigkeit der §§ 302 f. AktG für überwindbar hält, ist der "qualifiziert faktische Konzern" näher zu definieren und auf seine Ähnlichkeit mit dem Vertragskonzern hin zu untersuchen. Für das Vertikalverhältnis haben sich Rechtsprechung und Schrifttum vor TEE darum bemüht, die Haftungsvoraussetzungen für den "qualifiziert faktischen Konzern" (abgesehen vom Vertragserfordernis) der Lage im Vertragskonzern anzunähern und strukturelle Gemeinsamkeiten herauszustellen. Der Arbeitskreis GmbH-Reform hat im "qualifiziert faktischen Konzern" einen Fall "vollständiger und auf Dauer angelegter wirtschaftlicher Angliederung des abhängigen Unternehmens" gesehen 63 ; nach anderen Autoren muss das abhängige Unternehmen unter Vernachlässigung seiner rechtlichen Selbständigkeit "wie eine Betriebsabteilung" des herrschenden Unternehmens geführt werden64 . Die Autokran-Entscheidung von 1985 bezeichnet es als entscheidend, dass die Sachlage im faktischen GmbH-Konzern derjenigen ganz ähnlich sein könne, an die beim aktienrechtlichen Vertragskonzern die Schutzvorschriften anknüpften. Es gelte, eine Formel zu finden, wann die Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens eine Intensität und Breite der Einwirkung auf die Belange der abhängigen GmbH annehme, von der ab eine Konzernhaftung in Betracht komme; schon die dauernde und umfassende Geschäftsflihrung durch den herrschenden Gesellschafter könne ausreichen65. Auch in den Folgeentscheidungen hat der BGH die Parallele zwischen dem "qualifiziert faktischen" und dem Vertragskonzern in der dauernden und umfassenden Ausübung der Leitungsmacht gesehen und behauptet, dass diese im Vertragskonzern unwiderleglich vermutet werde 66 • Diesen Versuch, im "qualifiziert faktischen Konzern" die flir den Vertragskonzern angenommenen Konzernstrukturen wiederzufinden und in eine Haftung umschlagen zu lassen, hat der BGH jedoch bereits mit der TEEEntscheidung aufgegeben. Haftungstatbestand sollte danach nicht mehr die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft sein, sondern die Beeinträchtigung ihrer Interessen, die durch den objektiven Missbrauch der Gesellschafterstellung und die Zufügung eines nicht kompensierbaren

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Arbeitskreis GmbH-Reform Thesen S. 66. So z.B. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 III 3 a, S. 1226. BGHZ 95, 330, 343 f. BGHZ 107, 7, 17-Tiefbau; 115,187, 193-Video.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

Nachteils gekennzeichnet ist67 . Grund flir diesen Übergang von der Strukturzur Verhaltenshaftung war die Erkenntnis, dass der Konzerntyp des "qualifiziert faktischen Konzerns" sich nicht so präzise beschreiben lässt, dass daran - wie im Vertragskonzern - schon Haftungsfolgen geknüpft werden könnten68. Im Schrifttum hat die TEE-Entscheidung zu der Ansicht geflihrt, dass es wegen des nunmehr verhaltensbezogenen Ansatzes auf das Merkmal der einheitlichen Leitung und damit auf das Vorliegen eines Konzerntatbestandes nicht mehr ankommen könne, vielmehr schon die bloße Abhängigkeit von einem herrschenden Unternehmen genügen müsse 69 . Mit der so verstandenen TEE-Formel hat der Tatbestand des "qualifiziert faktischen Konzerns" aber jede Ähnlichkeit mit dem Vertragskonzern verloren. Den Vertragskonzern mag - schon nicht zwingend, aber vielleicht typischerweise - eine dauernde und umfassende Leitung auszeichnen; mit einem objektiven Missbrauch der Gesellschafterstellung oder einer Undurchflihrbarkeit des Einzelausgleichs hat er dagegen nichts zu tun. Der TEE-Formel geht es nicht mehr um die Beschreibung eines "Vertragskonzerns ohne Vertrag", sondern um einen völlig anderen Tatbestand, der wie die§§ 311, 317 AktG wieder an ein konkretes Fehlverhalten anknüpft 70 und flir den lediglich die im Vertragskonzern vorgesehene Rechtsfolge der Verlustausgleichspflicht passend erscheine 1• Eine allein auf die Rechtsfolgenseite beschränkte Analogie ist aber nicht möglich. Im Ergebnis kann eine Analogie zu §§ 302 f. AktG flir den "qualifiziert faktischen Konzern" daher schon im Vertikalverhältnis nicht überzeugen, weil es nicht gelungen ist, die strukturelle Ähnlichkeit zum Vertragskonzern so genau zu beschreiben, dass daran bereits eine Haf-

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BGHZ 122, 123, 130 f.; dazu K. Schmidt ZIP 1993, S. 549,551: Die Verhaltenshaftung nach TBB könne zwar mit qualifizierter Beherrschung einhergehen und sich am ehesten in Fällen qualifizierter Beherrschung verwirklichen, aber der Haftungsgrund liege in der Interessenbeeinträchtigung. Eine reine Strukturhaftung wäre deshalb auch ftir das Aktienkonzernrecht verfehlt, vgl. MüKo-AktG/Kropff § 317 Anh. Rn. 19 ff. Hammelhoff ZGR 1994, S. 390, 395; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 31 I 3, S. 465; zahlreiche Nachweise auch zur Gegenmeinung, die am Konzerntatbestand festgehalten hat, bei Altmeppen ZIP 200 I, S. 183 7 in Fn. 4 f. Auf die dogmatische Nähe der TBB-Fonnel zu §§ 311, 317 AktG hat schon MüKoAktG/Kropff § 317 Anh. Rn. 18 hingewiesen. Etwa noch erforderliche Strukturmerkmale (vgl. Baumbach/Hueck!Zöl/ner GmbH-KonzernR Rn. 88 m.w.N.) traten gegenüber den Haftungsvoraussetzungen, die auf ein Fehlverhalten abstellen, jedenfalls ganz in den Hintergrund und konnten deshalb den "qualifiziert faktischen Konzern" nicht mehr charakterisieren, folglich auch nicht über die Ähnlichkeit mit dem Vertragskonzern entscheiden. Vgl. Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 3482 und Kuhlmann/Ahnis Konzernrecht S. 203: § 302 AktG als sachangemessene Reaktion auf die Beweisschwierigkeiten bei besonders intensiven Herrschaftsbeziehungen.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

tung geknüpft werden könnte, und dieser Versuch mit TBB sogar vollends aufgegeben worden ist 72 • Dieses Verdikt trifft in gleicher Weise auch auf das Horizontalverhältnis zu. Die horizontale Verlustausgleichspflicht "analog§§ 302 f. AktG" wurde von ihren Befürwortern in bewusster Anlehnung an die vertikale Konzernhaftung entwickelt, unter Übernahme der für das Vertikalverhältnis jeweils anerkannten Haftungsvoraussetzungen. Deshalb fehlen eigenständige Beschreibungen dessen, was im Horizontalverhältnis unter einem "qualifizierten faktischen Konzern" verstanden werden könnte. Lutter/Drygala haben für den "qualifizierten" Gleichordnungskonzern die TBB-Formel mit ihren Verhaltenselementen übernommen73 ; Jaschinski hat zur "qualifizierten Gleichordnung" im Unterordnungskonzern erklärt, die Haftungsvoraussetzungen seien im Horizontalverhältnis grundsätzlich dieselben wie im Vertikalverhältnis 74 ; Eschenbruch hat die Haftung nach TBB als Intransparenzhaftung bezeichnet, die dann auf das Horizontalverhältnis zu übertragen ist, wenn die Intransparenz auch dieses Verhältnis betrifft75 • Struktur- und Verhaltenshaftung konnten schon für das Vertikalverhältnis nicht überzeugend fonnuliert werden; dieser Mangel bliebe bei einer Übernahme in das Horizontalverhältnis bestehen. d)

Speziell: horizontale Verlustausgleichspflicht

Eine Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung könnte aber auch speziell flir das Horizontalverhältnis nicht überzeugen. Gegen eine Haftung im Horizontalverhältnis wird - unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen - vor allem eingewandt, dass sie die Interessen von etwaigen außenstehendenGesellschafternund Gläubigern der zum Verlustausgleich herangezogenen Schwestergesellschaft verletzen würde 76 ; auch

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Zu Recht kritisch daher schon vor der Bremer Vulkan-Entscheidung Rowedder/ Schmidt-Leithoff!Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. 99 ff.; MüKo-AktG!Kropff § 317 Anh. Rn. 46 f.; Bälz AG 1992, S. 277, 296 ff.; zur Verhaltenshaftung auch K. Schmidt AG 1994, S. 189, 195; ders. Gesellschaftsrecht § 39 III, S. 1224 ff.; noch zur Strukturhaftung Versteegen Konzernverantwortlichkeit S. 23 7 ff. Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557,568 ff., insbes. S. 571. Jaschinski Schwestergesellschaften S. 167 ff. Eschenbruch Konzernhaftung Rn. 2105 f. Lutter Heidelberger Konzernrechtstage S. 183, 192; Hammelhoff ZGR 1994, S. 395, 398; Stimpel FS Goerdeler S. 601, 607; Hachenburg/Ulmer Anh § 77 Rn. 115; Holzwarth Betriebsaufspaltung S. 211. - Weitere Argumente gegen eine horizontale Haftung listet Kulka DZWiR 1995, S. 45, 48 auf. HommelhoffZGR 1994, S. 395, 398 lehnt eine horizontale Haftung ab, weil das Recht der Rechnungslegung(§§ 264 ff. HGB) nicht auf solche Horizontaldurchschläge eingerichtet sei, Lutter GmbH-Kon-

Der "qualifiziert faktische Konzern"

der BGH hat in der EDV-Peripherie-Entscheidung Bedenken geäußert, ob ein horizontaler Haftungsverbund im Hinblick auf diese widerstreitenden Belange zu rechtfertigen wäre 77 • Der Einwand macht deutlich, dass es jedenfalls verfehlt wäre, im horizontalen Zugriff generell ein gegenüber dem Durchgriff auf den Gesellschafter "milderes Mittel" zu sehen78 . Zwar lässt sich so das Privatvermögen des Gesellschafters schonen, aber eben zum Nachteil etwaiger Minderheitsgesellschafter und Gläubiger, deren Gesellschaft bzw. Schuldnerin mit einem Verlustausgleichsanspruch belastet wird. Auch Versuche, den Interessenkonflikt sprachlich zu relativieren, fUhren nicht weiter. So hat Jaschinski gemeint, bei ihrer Konzeption sei die Verlustausgleichspflicht der begünstigten Schwestergesellschaft lediglich die Kehrseite der aus der Konzernsituationen entstehenden Vorzüge, mithin ein Ausgleichsmechanismus, der den durch die Konzernierung ennöglichten Vorteil nur wieder entziehe79 • Diese Argumentation, die sich verbal an das Bereicherungsrecht anlehnt, verschleiert indessen, dass der Verlustausgleich über einen bloßen Ausgleich bzw. die Herausgabe zuvor empfangener Vorteile weit hinausgeht. Die Verlustausgleichspflicht umfasst sämtliche bei der Schwestergesellschaft angefallenen Verluste und damit auch solche, die nicht auf eine Intervention zurückzufuhren sind und mit denen bei der verlustausgleichspflichtigen Gesellschaft auch keine Vorteile korrespondieren. Die Gefährdung der Interessen von außenstehenden Gesellschaftern und Gläubigern ist allerdings kein Spezifikum der horizontalen Konzemhaftung, sondern besteht in gleicher Weise auch bei der vertikalen Konzernhaftung und nunmehr bei der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs. Die

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zern S. 183, 192 auch, weil sie dem in Deutschland abgelehnten Konzern-Einheitskonkurs nahe komme. BGH NJW 1994, S. 446. So aber AG Eisenach GmbHR 1995, S. 445 (unter Berufung auf Ehlke DB 1986, S. 523, 524 Fn. 24): "Wenn also schon der vertikale Durchgriff bis hin zum Durchgriff auf das Privatvermögen möglich ist, so muss erst recht der horizontale Durchgriff auf das Gesellschaftsvermögen der Schwestergesellschaft als das mildere Mittel möglich sein". Jaschinski Schwestergesellschaften S. 174 ff.; ähnlich relativierend auch Kulka DZWir 1995, S. 45, 48, der argumentiert, mit der Zunahme von Risiken bei Verlusten einer Schwestergesellschaft gehe eine Zunahme von Sicherheit bei Verlusten der eigenen Gesellschaft einher. Zum einen kann der Gläubiger aber bewusst mit einer "reichen" Konzerngesellschaft kontrahiert haben, so dass ihm an einem Haftungsverbund mit "armen" Gesellschaften kaum gelegen ist; zum anderen ist eine Interessenverletzung im konkreten Einzelfall nicht damit zu rechtfertigen, dass der Benachteiligte bei anderer Sachverhaltsgestaltung von der- ungerechtfertigten- Haftung profitiert hätte.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Interessen von Gesellschaftern und Gläubigem sind immer berührt, wenn ihre Gesellschaft bzw. ihr Schuldner zum Ausgleich der bei einer anderen Konzerngesellschaft entstandenen Verluste herangezogen wird. Während diese Interessengefährdung in der Vertikalen als unvermeidlich hingenommen wird 80 , avanciert sie bei der horizontalen Konzernhaftung zum zentralen Kritikpunkt Gerechtfertigt ist das nur, soweit eine Schwestergesellschaft fiir Konzernstrukturen oder ein Fehlverhalten des herrschenden Unternehmens haften soll; beides ist ihr nicht zuzurechnen, aufbeides hat sie ebenso wenig Einfluss wie die benachteiligte Schwestergesellschaft81 , so dass sich die Haftung der Schwestergesellschaft von der des herrschenden Unternehmens substanziell unterscheiden würde. Anders ist zu urteilen, wenn die Haftung an ein eigenes Fehlverhalten der Schwestergesellschaft anknüpfen soll; wenn der Schwestergesellschaft eigenes Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, müssen es ihre außensiehenden Gesellschafter und Gläubiger hinnehmen, dass die Gesellschaft dafiir zur Verantwortung gezogen wird. An ein eigenes Fehlverhalten der Schwestergesellschaft knüpfen aber (soweit erkennbar) nur das Bundesarbeitsgericht mit seinem ersten Begründungsansatz (Besitzgesellschaft als "herrschendes" Unternehmen) und Jaschinski an. Alle anderen Konzepte bedürften jedenfalls einer eingehenden Begründung, warum die konkurrierenden Interessen der außensiehenden Gesellschafter und Gläubiger zurücktreten sollten; diese Begründung liefert allein Henssler mit dem Verweis auf Besonderheiten der horizontalen Betriebsaufspaltung. Auf eine nähere Untersuchung dieser konkurrierenden Interessen kann an dieser Stelle 82 verzichtet werden, weil eine horizontale Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung "analog §302 AktG" bei den einzelnen Konzemgestaltungen jedenfalls auch aus anderen Gründen ausscheidet. aa)

Verlustausgleich im Unterordnungskonzern

Dem Rückgriff auf die §§ 302 f. AktG liegt im Vertikalverhältnis ein einfacher Gedanke zugrunde: Wer einen Konzern so fiihrt, wie er das nach dem gesetzlichen Regelungsmodell nur aufgrund eines Beherrschungsvertrages

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Weitergehend BGH NJW 1994, S. 446- EDV-Peripherie -,wonach eine Ausklammerung des Privatvermögens bei der Konzernhaftung des herrschenden Gesellschafters sogar zu einer "nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung der Privatgläubiger" gegenüber der abhängigen Gesellschaft und ihren Gläubigern fuhren würde. V gl. zur fehlenden Zurechenbarkeit der Beherrschung durch das herrschende Unternehmen bereits oben§ 1 AI 3. Zu den Gläubigerinteressen im Fall der Konzerninsolvenz ausfuhrlieh unten § 9 Il.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

darf, der soll auch ohne Vertrag dessen Rechtsfolgen hinnehmen müssen 83 . Anderenfalls würde das herrschende Unternehmen gegenüber einem Unternehmen, das den gesetzlich vorgegebenen Weg des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages wähle, "in unerträglicher Weise privilegiert"84 • Dieser Grundgedanke passt auf das Horizontalverhältnis von vornherein nicht: Der Beherrschungsvertrag, dessen Fehlen bemängelt wird, wäre mit dem herrschenden Unternehmen (der Muttergesellschaft) abzuschließen, nicht mit der Schwestergesellschaft. Das Fehlen eines Beherrschungsvertrages kann man allein der Muttergesellschaft anlasten, aber nicht der Schwestergesellschaft. Die Schwestergesellschaft würde sogar dann, wenn sich das herrschende Unternehmen entsprechend dem gesetzlichen Regelungsmodell verhalten und einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hätte, nicht auf Verlustausgleich haften. Verlustausgleichspflichtig wäre nach § 302 AktG allein das herrschende Unternehmen als der Vertragspartner. Das Vertragskonzernrecht kennt keine Haftung von (begünstigten) Schwestergesellschaften: Nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG darf das herrschende Unternehmen nachteilige Weisungen nicht nur in seinem eigenen Interesse, sondern auch im Interesse anderer konzernverbundener Unternehmen erteilen. Das Gesetz sieht es also als selbstverständlich an, dass Vorteile, die mit dem Nachteil der angewiesenen Gesellschaft korrespondieren, anstatt beim herrschenden Unternehmen auch bei einem anderen Konzernunternehmen entstehen können. Gleichwohl konzentriert § 302 AktG die Verlustausgleichspflicht beim herrschenden Unternehmen und sieht keine - auch nur subsidiäre oder auf Teilbeträge beschränkte - Haftung anderer Vorteilsempfänger vor. Im faktischen Konzern lässt sich dieses Versäumnis durch die entsprechende Anwendung des § 117 Abs. 3 AktG korrigieren 85 • Im Vertragskonzern ist das nicht möglich, weil das pauschale Schutzsystem der §§ 300 ff. AktG das Einzelausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG nicht fortschreibt, sondern demgegenüber ein aliud darstellt. Durch einen horizontalen Verlustausgleich würde im "qualifiziert faktischen Konzern" eine Rechtsfolge installiert, die es gegenüber Schwestergesellschaften selbst im Vertragskonzern nicht gibt86 . Ein horizon-

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Henssler ZGR 2000, S. 479, 483; MüKo-BGB!Reuter Vor§ 21 BGB Rn. 46; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Konzernrecht § 28 II 2, S. 439. Emmerich!Habersack Anh. § 317 Rn. I. V gl. oben § I A III, B III. Diesem Argument kann man nicht dadurch ausweichen, dass man - wie Jaschinski Schwestergesellschaften S. 89 ff. - das Verhältnis der Schwestergesellschaften eines GmbH-Unterordnungskonzerns zum faktischen Gleichordnungskonzern erklärt. Denn die Rechtsfolgen, die an diesen faktischen Gleichordnungskonzern geknüpft werden sollen, dürfen nicht das Recht des Unterordnungskonzerns sprengen, in den der faktische Gleichordnungskonzern schließlich eingebettet ist. Es ist offensichtlich, dass der

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talerVerlustausgleich würde über das Ziel einer Gleichstellung des "qualifiziert faktischen Konzerns" mit dem Vertragskonzern hinausschießen. Schließlich bestehen zwischen den Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns auch keine Verhaltenspflichten, die denjenigen des herrschenden Unternehmens (§§ 311 ff. AktG, "gesteigerte" gesellschafterliehe Treuepflicht) vergleichbar wären 87 . Konzepte, die an ein Fehlverhalten der Schwestergesellschaft anknüpfen, hängen damit gewissermaßen in der Luft, weil schon im Rahmen des Einzelausgleichs kein umfassendes Schädigungsverbot besteht, das für den "qualifiziert faktischen Konzern" fortgeschrieben werden könnte.

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Verlustausgleich bei der Betriebsaufspaltung

Die horizontale Betriebsaufspaltun~ ist nach zutreffender Ansicht ein Sonderfall des Unterordnungskonzerns 8 . Es gehört jedoch zu ihren Besonderheiten, dass der Nachteil der Betriebsgesellschaft regelmäßig spiegelbildlich den Vorteil der Besitzgesellschaft bezweckt und nicht den unmittelbaren Vorteil des herrschenden Unternehmens 89 . Die Betriebsaufspaltung legt es geradezu darauf an, aus der Betriebsgesellschaft sämtliche Gewinne abzuziehen und in die Besitzgesellschaft zu transferieren. Deshalb ist es eine Überlegung wert, ob wenigstens insoweit eine Verlustausgleichspflicht "analog § 302 AktG" begründet werden könnte, und zwar diesmal nicht in Parallele zum Beherrschungsvertrag, sondern zum (isolierten) Gewinnabflihrungsvertrag. Der Gesetzgeber hält die Verlustausgleichspflicht bei Gewinnabführungsverträgen flir so selbstverständlich, dass die Regierungsbegründung hierzu lediglich feststellt, wer den ganzen Gewinn der Gesellschaft erhalte, müsse auch flir ihre Verluste einstehen90 . Koppensteiner begründet die Verlustausgleichspflicht damit, dass ein anderes Verteilungs-

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Gesetzgeber jedenfalls in einem vertraglichen Unterordnungskonzern nicht auch noch den gleichzeitigen Abschluss von Gleichordnungsverträgen zwischen den Schwestergesellschaften erwartet. Vielmehr will er die Haftung im Unterordnungs- und Vertragskonzern grundsätzlich beim herrschenden Unternehmen konzentrieren. Allenfalls lässt sich diese primäre Haftung des herrschenden Unternehmens in Ausnahmefällen (Insolvenz des herrschenden Unternehmens) auf die Horizontalebene verlängern; mit der Haftungskonzentration auf das herrschende Unternehmen ist eine daneben tretende, frei konkurrierende Haftung von Schwestergesellschaften nach dem (angeblichen) Recht faktischer Gleichordnungskonzerne nicht zu vereinbaren. V gl. oben § I B II; die hier befürwortete "Haftungsverlängerung" entsprechend § 117 Abs. 3 AktG und auch die Kapitalerhaltungsregeln bei Vermögensverschiebungen societatis causa betreffen demgegenüber nur einen Ausschnitt. V gl. oben § I C I 2. Henssler ZGR 2000, S. 479,499. RegBegr. zu § 302 AktG, abgedruckt bei KropffS. 391.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

prinzip, das dem Gewinnempfänger alle Chancen einer günstigen Entwicklung zuweisen und ihm zugleich jedes Risiko abnehmen würde, "in höchstem Maße unbillig" wäre91 • Diese Aussagen lassen sich jedoch nicht von ihrem unternehmensvertraglichen Hintergrund ablösen und zu einer Haftung begünstigter Konzerngesellschaften fiir die Verluste von "Aschenputtelgesellschaften" verallgemeinern. Das ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz auch einen Teilgewinnabfiihmngsvertrag kennt (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG); obwohl der Teilgewinnabfiihrungsvertrag ebenfalls auf die Abfiihmng fast des gesamten Gewinns hinauslaufen kann, sieht das Gesetz fiir diesen keine Verlustausgleichspflicht vor92 . Wenn das Gesetz schon auf vertragliche Gestaltungen, die in ihrer Wirkung dem Gewinnabfiihmngsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG nahe kommen, nicht mit einer Verlustausgleichspflicht reagiert, kann der Normzweck des § 302 AktG erst recht keine faktischen Gewinnverlagerungen erfassen. Auch im Sonderfall der Betriebsaufspaltung haftet deshalb die Besitzgesellschaft (entgegen Drygala und dem ersten Begründungsansatz des BAG) nicht "analog§§ 302 f. AktG". Beim zweiten Begründungsansatz des BAG, den Henssler zu einem Ausnahmetatbestand ausformuliert hat, ist fraglich, inwieweit er nach der Rechtsprechungsänderung durch Bremer Vulkan noch weiter verfolgt werden soll; schließlich setzt er die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens als bestehend voraus und will diese unter gewissen Voraussetzungen auf die Besitzgesellschaft erstrecken93 . Schon die Haftung des herrschenden Unternehmens analog §§ 302 f. AktG konnte aber nach dem oben Gesagten nicht überzeugen. Zudem trifft auch auf diesen Ansatz das bereits zum Unterordnungskonzern vorgebrachte Argument zu, dass mit dem horizontalen Verlustausgleich eine Rechtsfolge installiert würde, die es gegenüber Schwestergesellschaften selbst im Vertragskonzern nicht gibt. cc)

Verlustausgleich im Gleichordnungskonzern

Auch im "qualifizierten Gleichordnungskonzern" - seine Existenz einmal unterstellt94 - besteht keine Verlustausgleichspflicht analog § 302 AktG; denn eine solche lässt sich nach der hier vertretenen Ansicht nicht einmal fiir den vertraglichen Gleichordnungskonzern begründen. Die gegenteilige Ansicht, nach der mit dem Gleichordnungsvertrag ein Weisungsrecht (entspre91 92 93 94

KK!Koppensteiner § 302 Rn. 4. KK!Koppensteiner § 291 Rn. 53. V gl. aber Raiser FS Ulmer S. 493, 506 ff., der den Ansatz Hensslers auf der Basis der Bremer Vulkan-Entscheidung fortführt und modifiziert; dazu unten § 6 III 4 b. V gl. oben § I C I, § 5 I I c.

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chend § 308 AktG) und eine Verlustausgleichspflicht (entsprechend § 302 AktG) einhergehen soll, ist mit § 291 Abs. 2 AktG unvereinbar; diese Vorschrift stellt ausdrücklich fest, dass der Gleichordnungsvertrag kein Beherrschungsvertrag ist, so dass die den Beherrschungsvertrag charakterisierenden Rechtsvorschriften keine, auch keine entsprechende Anwendung finden können 95 • Der "qualifizierte Gleichordnungskonzern", nach Wellkam/ 6 sogar jeder Gleichordnungskonzern, würde bei Annahme einer Verlustausgleichspflicht analog § 302 AktG daher einem vertraglichen Gleichordnungskonzern angenähert, den es in dieser Form gar nicht gibt. Die Haftungsfolgen ließen sich auch nicht, wie von Lutter/Drygala angestrebt, in einen Einzelausgleich und eine Globalhaftung zweiteilen. In einem faktischen Gleichordnungskonzern gibt es keinen konzernrechtlichen Einzelausgleich, weil zwischen faktisch gleichgeordneten Gesellschaften weder besondere Treuepflichten bestehen, noch die§§ 311, 317 AktG einschlägig sind 97 . Im Ergebnis erscheint es somit in sämtlichen untersuchten Konzerngestaltungen ausgeschlossen, Schwestergesellschaften "analog §§ 302 f. AktG" zum Verlustausgleich und zur Ausfallhaftung verpflichten zu wollen.

II.

Verlustgemeinschaft analog§§ 713, 670,730 ff. BGB

Erfolgversprechender als der Versuch einer Analogie zu §§ 302 f. AktG könnte der Rückgriff auf bürgerlichrechtliche Vorschriften sein. 1.

Die Konzeption Karsten Schmidts

Karsten Schmidt98 will eine Verlustgemeinschaft zwischen "qualifiziert gleichgeordneten" Schwestergesellschaften mittels bürgerlichrechtlicher Vorschriften bewerkstelligen. Dazu führt er die vertikale Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens nach § 302 AktG auf den allgemeinen zivilrechtliehen Gedanken des Aufwendungsersatzes wegen Fremdgeschäftsfiihrung (§ 670 BGB) zurück99 . Dieses Prinzip sei fiir Horizontalverhältnisse "umzudenken", und zwar zunächst fiir den vertraglichen Gleichordnungskonzern: Im vertraglichen Gleichordnungskonzern als BGB95 96 97 98 99

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Vgl.oben§ICII2. DB 1993, S. 2517, 2520 f. V gl. oben § I C I I b. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417; ders. Gesellschaftsrecht § 39 IV, S. 1237 ff.; ders. FS Wiedemann, S. 1199, 1219. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 429; zu dieser Deutung der Verlustausgleichspflicht vgl. oben § 5 II 2 b. K. Schmidt FS Wiedemann S. 1199, 1217 ff. will den Gedanken des § 670 BGB (Aufwendungsersatz) jetzt auch im Horizontalverhältnis nutzbar machen und so einen einseitigen Haftungsdurchgriff begründen.

Der "qualifiziert faktische Konzern"

Gesellschaft würden die Geschäfte nicht für ein herrschendes Unternehmen, sondern für alle gleichgeordneten Gesellschaften geführt. Mit dieser "Geschäftsführung für alle" müsse eine horizontale Risikoteilung nach dem Vorbild der §§ 713, 670, 730 ff. BGB einhergehen, kraft derer Verluste horizontal zu verrechnen seien 100. Erst die Vergemeinschaftung von Verlusten könne die einheitliche Konzernleitung und die Statuierung von Folgepflichten für die gleichgeordneten Gesellschaften legitimieren. Ohne Gleichordnungs- und Verlustgemeinschaftsvertrag bestehe ein Legitimationsdefizit; auf dieses Legitimationsdefizit sei bei "qualifizierter Gleichordnung" mit einer analogen Anwendung der §§ 730 ff. BGB zu reagieren. Karsten Schmidt gelangt somit bei "qualifizierter" faktischer Gleichordnung zu denselben Rechtsfolgen wie bei Abschluss eines Gleichordnungs- und Verlustgemeinschaftsvertrages 101 . Eine "qualifizierte Gleichordnung" soll anzunehmen sein, wenn die gleichgeordneten Gesellschaften bar jeder Eigenverantwortlichkeit und ungetrennt "wie Betriebsabteilungen" geführt werden bzw. "wenn die juristische Selbständigkeit der gleichgeordneten Gesellschaften in der betrieblichen Wirklichkeit keine Entsprechung findet"102. Karsten Schmidt will die Figur der "qualifizierten Gleichordnung" nicht auf den herkömmlichen Gleichordnungskonzern beschränken, sondern auch auf die Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns übertragen, so dass es bei "qualifizierter Gleichordnung" auch dort zu einer Verlustgemeinschaft von Schwestergesellschaften kommen kann.

2.

Stellungnahme

Die Konzeption Karsten Schmidts weist gegenüber der oben als unpassend kritisierten Übernahme der"§§ 302 f. AktG analog" ins Horizontalverhältnis einige Vorzüge auf. Zunächst trägt sie dem Umstand Rechnung, dass Adressat der §§ 302 f. AktG ausschließlich das (vertraglich) herrschende Unternehmen ist. § 302 AktG wendet sich auch bei entsprechender Anwendung nicht an Schwestergesellschaften, die selbst nicht herrschen und auch nicht Vertragspartner eines Beherrschungsvertrages würden. I 00 Zu diesem Modell für den vertraglichen Gleichordnungskonzern bereits oben § I C II 2 c. 101 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 440 ff. mit dem Hinweis, dass die§§ 730 ff. BOB auch bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend herangezogen würden, ohne dass ein Gesellschaftsvertrag bestünde oder fingiert würde (z.B. BGHZ 84, 388, 391): K. Schmidt bezeichnet das als "von der Vertragsfiktion befreite Methode" (Fn. 139). 102 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 442; ders. Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 c, s. 1241.

181

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Außerdem gerät der Verlustausgleich bei Karsten Schmidt nicht zur bloßen "Einbahnstraße": Er statuiert nicht eine einseitige Verlustausgleichspflicht der jeweils begünstigten Schwestergesellschaft 103 , wie sie § 302 AktG in Anlehnung an die (einseitige) Haftung des herrschenden Unternehmens allenfalls leisten könnte, sondern eine echte Verlustgemeinschaft zwischen den Schwestergesellschaften. Bei gleichzeitiger Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften werden die bei den einzelnen Gesellschaften entstandenen Verluste miteinander verrechnet, was im Zweifel zu gleichen Insolvenzquoten führt 104 . Die Gläubiger der unterschiedlichen Konzerngesellschaften werden also so behandelt, als ob sie es mit einem einzigen, einheitlichen Unternehmen zu tun hätten; sie werden gleichbehandelt Bei der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG ist das anders, weil sie ihrer Natur nach einseitig ist. So hält Jaschinski allein die "begünstigte" Schwestergesellschaft für verlustausgleichspflichtig, wobei es für deren Ermittlung darauf ankommen soll, welche "Tendenz" die zwischen den Schwestergesellschaften abgelaufenen Vorgänge hatten und wer von ihnen "letztlich profitiert" hat 105 . Die "tendenziell" begünstigte Schwestergesellschaft muss auch für Verluste aufkommen, mit denen bei ihr keine Vorteile korrespondieren; Verlustausgleich nach § 302 AktG ist eben weit mehr als die bloße Entziehung zuvor entstandener Vorteile 106 . Er benachteiligt die Gläubiger der verlustausgleichspflichtigen Schwestergesellschaft, weil diese eine überproportionale Schmälerung der eigentlich für sie reservierten Haftmasse ihrer Schuldnerin hinnehmen müssen, im Gegenzug aber nicht einmal an der Haftmasse der "tendenziell" benachteiligten Schwestergesellschaft beteiligt werden 107 • Ein weiterer Vorteil der Konzeption Karsten Schmidts ist schließlich, dass sie kein umfassendes Einzelausgleichssystem zwischen den Schwestergesell-

l 03 Für einen (neben das hier diskutierte Konzept tretenden) einseitigen Haftungsdurchgriff nach dem Vorbild des § 670 BGB allerdings jetzt K. Schmidt FS Wiedemann S. I I 99, 12 I 7 ff.: "Wird im Gleichordnungskonzern eine Gesellschaft ohne die für ihre Eigenständigkeit erforderlichen Mittel ausschließlich im Dienste und zum ausschließlichen Vorteil ihrer Schwestergesellschaft am Leben gehalten, so ist die Schwestergesellschaft kraft Gesetzes zur Übernahme ihrer Verluste verpflichtet." 104 K. Schmidt ZHR !55 (I 991), S. 417,443. I 05 Jaschinski Schwestergesellschaften S. I 69; ähnlich Drygala Betriebsaufspaltung S. 123 f. I 06 Anders zu Unrecht Jaschinski Schwestergesellschaften S. I 74 f. 107 Das übersieht Drygala Betriebsaufspaltung S. 124, der meint, über eine Verlustausgleichspflicht der Besitzgesellschaft ließen sich die Gesellschaften als das behandeln, "was sie dann in Wirklichkeit sind, nämlich ein einziges Unternehmen". Diesem Bild des einheitlichen Unternehmens kommt die von K. Schmidt vorgeschlagene Verlustgemeinschaft viel näher.

182

Der "qualifiziert faktische Konzern"

schaften voraussetzt (Treuepflichten, §§ 311 ff. AktG), das im faktischen Konzern so nicht existiert 108 • Vielmehr wird akzeptiert, dass Unternehmensteile zu einzelnen Handelsgesellschaften verselbständigt und auch isoliert liquidiert werden können 109, ohne dass wegen eines umfassenden Schädigungsverbotes jedes einzelne Geschäft mit Schwestergesellschaften auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen wäre. Erst bei "qualifizierter Gleichordnung" schlägt die grundsätzliche Haftungstrennung in eine Verlustgemeinschaft um. Lutter/Drygala haben zwar auf der Basis der TEE-Rechtsprechung an der Konzeption Karsten Schmidts kritisiert, dass es sich um eine reine Strukturhaftung handelt, obwohl sich die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass nur die nachgewiesene Verletzung von Eigeninteressen der Gesellschaft eine Konzernhaftung rechtfertigen könne 110 • Zwischen Schwestergesellschaften gibt es jedoch keine umfassenden Verhaltenspflichten, deren "gesteigerte" Verletzung zu einer Verlustausgleichspflicht führen könnte 111 • Auch die Konzeption Karsten Schmidts wirft aber die Frage auf, wieso Schwestergesellschaften für Strukturen, die sie nicht selbst geschaffen haben, einstehen sollenm. Karsten Schmidt selbst bezeichnet die Zustandsoder Strukturhaftung 113 (bezogen auf das Vertikalverhältnis) als "Konsequenz eines von den Beteiligten geschaffenen objektiven Organisationstatbestands und der sich aus ihm ergebenden Risikoordnung" 114 • Auch für das Horizontalverhältnis formuliert Karsten Schmidt an einer Stelle, die Schwesterunternehmen dürften dem Risikoausgleich nicht entgehen, "wenn ohne Gleichordnungsvertrag in ihnen zurechenbarer Weise eine qualifizierte Gleichordnung entstanden ist" 115 • Dieses Zurechnungserfordernis wird von

108 109 110 111 112

113 114 115

Vgl. oben§ 1 B. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,443 f. Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557, 568 ff. Vgl. soeben zum Fehlen eines Einzelausgleichssystems und oben§ 1 B II; vgl. außerdem Henssler ZGR 2000, S. 479,495 zur horizontalen Betriebsaufspaltung. Vgl. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 b, S. 1240 zum Konzept von Lutter/ Drygala: "Soweit eine Haftung im Horizontalverhältnis vorgeschlagen wird, wenn das Leitungsorgan fortgesetzt zum Nachteil einer der parallelgeschalteten Gesellschaften handelt, wird nur die seit dem ,TBB'-Urteil dominierende Konzernverhaltenshaftung in die Horizontalebene umgeleitet und das Fehlverhalten der Konzernspitze den Gesellschaftern im Verhältnis zueinander zugerechnet, womit diese von Schutzsubjekten der Haftung zu Haftungssubjekten werden"; diese Zurechnung werde nicht begründet. - In gleicher Weise verlangt aber auch das Einstehenmüssen flir durch die Konzernspitze geschaffene Strukturen eine Begründung! Nach K. Schmidt ZHR 155 (1991 ), S. 417, 439 Fn. 127 sind die Begriffe synonym. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417,439 (Hervorhebung durch Verf.). K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 441 f. (Hervorhebung durch Verf.).

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Karsten Schmidt jedoch nicht weiter ausgefiihrt 116 und erscheint auch mit den von ihm genannten dogmatischen Grundlagen der horizontalen Verlustgemeinschaft unvereinbar: Karsten Schmidt wertet die ungetrennte Führung von Schwestergesellschaften "wie Betriebsabteilungen" als Verstoß gegen ein "organisationsrechtliches Trennungsgebot" 117 , das jeder Schwestergesellschaft ein Mindestmaß an Eigenständigkeit erhalten soll; die horizontale Verlustgemeinschaft soll den Verstoß gegen dieses Trennungsgebot sanktionieren118. Während Adressat des Trennungsgebotes jedenfalls der herrschende Gesellschafter ist 119 , der es allein in der Hand hat, wie viel Eigenständigkeit er seinen Gesellschaften zubilligt, trifft die Sanktion zunächst die in die Verlustgemeinschaft einbezogenen Schwestergesellschaften; Karsten Schmidt bezieht die Sanktion materiell aber auch auf den herrschenden Gesellschafter, der hinter diesen Schwestergesellschaften steht und durch ihre Einbeziehung wirtschaftlich getroffen wird. Er diskutiert die "qualifizierte Gleichordnung" ausschließlich unter dem Aspekt, ob man dem herrschenden Gesellschafter die Haftungssegmentierung "durchgehen" lassen oder mangels Eigenständigkeit der Gesellschaften, also wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot, versagen soll. So meint er mit Blick auf den Alleingesellschafter des Autokran-Falles, wenn allein die Gesellschaften Nr. I bis 3 insolvent geworden wären, "hätte sich die Frage gestellt, ob er sein Risiko durch Gründung von sieben Schwestergesellschaften m.b.H. erfolgreich segmentiert hatte, also die Gesellschaften Nr. 4-7 retten konnte"120. Bei dieser Perspektive kann es nicht darauf ankommen, ob neben dem herrschenden Gesellschafter auch die Schwestergesellschaften selbst etwas zur Entstehung der "qualifizierten Gleichordnung" beigetragen haben. Der Umstand allein, dass sie "wie eine Betriebsabteilung" geführt werden, kann jedenfalls keine Zurechnung zu ihren Lasten rechtfertigen. Auch bei der vertikalen Konzernhaftung wird eine qualifizierte Abhängigkeit nicht der

116 Auch in K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV, S. 1232 ff., wird das Zurechnungserfordernis nicht wiederholt. 117 K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 443 ff.; ders. FS Wiedemann S. 1199, 1221: "Ein wechselseitiger Haftungsdurchgriff unter Konzernschwestern ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn das rechtlich gebotene Mindestmaß an getrennter Unternehmensftihrung nicht gewahrt und deshalb ftir gemeinsame Rechnung operiert wird". 118 Vgl. K. Schmidt ZHR !55 (1991 ), S. 417, 446; K. Schmidt FS Wiedemann S. 1199, 1221. 119 Das gilt im Unterordnungskonzern, aber auch im faktischen Gleichordnungskonzern, soweit man den multiplen Beteiligungsbesitz eines Privatgesellschafters mit Karsten Schmidt als solchen einordnen möchte; dazu oben § I C I I. 120 K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV I b (Beispiel Nr. 13), S. 1239 zu BGHZ 95, 330- Autokran; ähnlich die Formulierung aufS. 1241 f. (Beispiel Nr. 15).

184

Der "qualifiziert faktische Konzern"

abhängigen Gesellschaft angelastet, sondern dem herrschenden Unternehmen. Welche sonstigen Umstände eine Zurechnung rechtfertigen könnten, ist nicht ersichtlich. Ohne eine solche Zurechnung bzw. Verantwortlichkeit fiir die Strukturen lässt sich jedoch auch eine Strukturhaftung nicht rechtfertigen 121 •

111.

Künftige Behandlung der Fallgruppen des "qualifiziert faktischen Konzerns"

Die mit dem "qualifiziert faktischen Konzern" gemeinhin assoziierte Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung "analog §§ 302 f. AktG" ist auch im Horizontalverhältnis nicht aufrechtzuerhalten. Die Konzeption Karsten Schmidts, der für das Horizontalverhältnis auf bürgerlichrechtliche Vorschriften (§§ 730 ff. BGB) abstellen will, erscheint ebenfalls nicht überzeugend. Damit bestehen die Probleme fort, zu deren Lösung der "qualifiziert faktische Konzern" angetreten ist. Bevor man die hierzu gebildeten Fallgruppen (hohe Leitungsdichte, "Waschkorblagen", nicht quantifizierbarer Schaden) 122 jedoch in totoder neuen Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs zuordnet 123 , ist zu überlegen, ob derartigen Fällen- in der Vertikalen wie in der Horizontalen - nicht bereits mit der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung (1.) oder dem ,,Grundtatbestand" der §§ 311, 317 AktG (2.) beizukommen ist.

1.

Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung

Der Vorsitzende des II. Zivilsenats des BGH Röhricht hat im Vorfeld der Bremer Vulkan-Entscheidung ausgeführt, dass eine besondere Konzernhaftung jedenfalls fiir die Fallgruppen der hohen Leitungsdichte und der "Waschkorblagen" entbehrlich erscheine, weil insofern auf die allgemeine Durchgriffshaftung wegen Vennögensvermischung zurückgegriffen werden könne 124 :

121 Die Kritik von K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 b, S. 1240, dass die gleichgeordneten Gesellschaften bei der Verhaltenshaftung nach Lutter/Drygala von "Schutzsubjekten der Haftung zu Haftungssubjekten" würden, trifft deshalb in gleicher Weise auf die von ihm entwickelte Strukturhaftung zu. 122 Näher oben § 4 III. 123 Zur Vergleichbarkeit des jeweils diskutierten Fallmaterials Emmerich AG 2004, S. 423, 426 f.; nach Drygala GmbHR 2003, S. 729 ist der Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs identisch mit dem des "qualifiziert faktischen Konzerns" nach TBB. 124 Röhricht FS f. BGH S. 83, 89 ff.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

In den "Waschkorblagen" bleibe der Anwendungsbereich der Konzernhaftung hinter dem der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung zurück, weil die TBB-Fonnel noch den zusätzlichen Nachweis eines Eingriffs in die Fähigkeit der abhängigen Gesellschaft zur Befriedigung ihrer Gläubiger voraussetze. Beim "klassischen Fall" der hohen Leitungsdichte handele es sich schon nicht um eine eigenständige Kategorie; wenn die Einzeleingriffe tatsächlich nicht mehr festgestellt und isoliert werden könnten, liege eine "Waschkorblage" vor, die mit der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung zu bewältigen sei 125 . Die dritte Fallgruppe (nicht quantifizierbarer Schaden) wird von Röhricht nicht eigens behandelt; zumindest bei der GmbH hält er offenbar die von ihm - im Vorgriff auf die Bremer Vulkan-Entscheidung - befurwortete Haftung des Gesellschafters wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs fur einschlägig und ausreichend. Schon früher wurde in der Literatur verschiedentlich darauf hingewiesen, dass sich die Konzernhaftung mit der TBB-Formel der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung angenähert habe 126 . Sie unterscheide sich auf Voraussetzungsseite im Wesentlichen nur noch durch ihre Beschränkung auf Konzemsachverhalte, auf Rechtsfolgenseite durch das Nebeneinander von internem Verlustausgleich und externer Ausfallhaftung 127 • Zu einer weiteren Annäherung fuhrt ein Ansatz Stimpels aus dem Jahre 1987: Danach sollten die Durchgriffstatbestände der Vermögensvermischung und des "qualifiziert faktischen Konzerns" jeweils Fälle einer gesetzlich ungeregelten, "gesteigerten" Verletzung des Kapitalsicherungsrechts sein; wegen dieser Verwandtschaft der Rechtsgrundlagen erscheine es sodann sachgerecht, auch die Rechtsfolgen einander anzugleichen und bei allen Durchgriffstatbeständen zu einer Innen- und Außenhaftung nach dem Vorbild der §§ 302 f. AktG zu gelangen 128 . Der Analyse Röhrichts kann für "Waschkorblagen" und Fälle hoher Leitungsdichte gefolgt werden 129 . Zwar ist die Durchgriffshaftung anders als die Konzernhaftung nur auf den Schutz von Gläubigem, nicht auch von Minder-

125 Röhricht FS f. BGH S. 83, 89 ff. 126 So etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. 103; Kowalski GmbHR 1993, S. 253, 258; Röhricht FS f. BGH S. 83, 89 ff.; Bitter ZIP 200 I, S. 265, 273; zur Ausfallhaftung nach Autokran bereits Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 661. 127 Kowalski GmbHR 1993, S. 253, 258. 128 Stimpel FS Goerdeler S. 60 I, insbes. S. 612 ff.; vgl. dazu noch unten § 6 I! 3 b. 129 Vgl. Roth/Altmeppen Anh § 13 Rn. 185: "In den meisten Fällen, für die der BGH auf der Grundlage seines neuen Haftungskonzeptes eine Durchgriffshaftung befürwortet ( ... ), dürfte der Fall der Vermögensvermischung vorliegen"; ähnlich Benecke BB 2003, S. 1190, 1193.

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Der "qualifiziert faktische Konzern"

heitsgesellschaftern ausgelegt; das gilt jedenfalls, wenn man sie mit der herrschenden Meinung als Außenhaftung ausgestaltet 130 • Der Schutz außenstehender Gesellschafter ist beim "qualifiziert faktischen Konzern" der GmbH bisher aber ohnehin nicht praktisch geworden 131 . Auch Fälle hoher Leitungsdichte spielen in der Rechtsprechung keine Rolle mehr, seit TBB klargestellt hat, dass die dauernde und umfassende Ausübung der Leitungsmacht durch das herrschende Unternehmen nicht mehr die Vennutung mangelnder Rücksichtnahme begründen sollte 132 . Kläger, die (auch) zum Nachweis besonderer Leitungsdichte schädigende Einzelmaßnahmen vorgebracht haben, sind vom BGH nach TBB jeweils darauf verwiesen worden, dass die aufgezählten Einzelmaßnahmen allesamt dem Einzelausgleich zugänglich seien 133 • Haftungsrelevant konnte daher nach TBB nur noch der Nachweis einer "Waschkorblage" oder die fehlende Quantifizierbarkeit des verursachten Schadens sein. Die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ist der bisher praktizierten Konzernhaftung auch nicht methodisch unterlegen, eben weil sich die Konzernhaftung nicht in einwandfreier Weise auf eine Analogie zu den §§ 302 f. AktG stützen lässt 134 . Grundsätzliche Kritik an der Rechtstechnik des Durchgriffs äußert etwa Karsten Schmidt: Die Durchgriffshaftung vertrage sich schlecht mit einer technisch ausgereiften und auf Rechtssicherheit bedachten Privatrechtsordnung 135 . Verlustausgleich nach beziehungsweise analog § 302 AktG sei hingegen "rechtstechnisch Welten vom Haftungsdurchgriff entfernt", auch wenn er im Ergebnis als ein "geordneter Haf-

130 Z.B. Bark ZGR 1994, S. 237, 256 f.; a.A. Stimpel FS Goerdeler S. 601, 613 f.: zunächst Innenhaftung. Röhricht FS f. BGH S. 83 lässt die Rechtfolgen der von ihm befürworteten Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs zwar ausdrücklich offen (S. 111 Fn. 69), spricht in der Zusammenfassung aber neben der "Ausfallhaftung" gleichwohl auch von einer "Verlustübernahmepflicht" (S. 121 f.). 131 AltmeppenZIP2001,S.1837, 1838. 132 BGHZ 122, 123, 2. Leitsatz. Auch MüKo-AktG/Krap.ff§ 317 Anh. Rn. 69, der den Fall hoher Leitungsdichte als eigenständige Fallgruppe ansehen möchte, sieht sich durch TBB zu der Einschränkung veranlasst, dass in der "durch die Leitungsintensität verursachten Unkontrollierbarkeit als solcher" noch kein Nachteilliege 133 Eine konzernrechtliche Haftung hat der BGH nach BGHZ 122, 123- TBB- nur noch im Fall einer Existenzvernichtung durch Ressourcenabzug fiir möglich gehalten, BGH NJW 1996, S. 1283; vgl. auch Bitter ZIP 2001, S. 265,273. 134 Anders noch Bark ZGR 1994, S. 237, 259: "Wenn Durchgriffshaftung auch in dem Sinne subsidiär ist, dass nicht nur die unmittelbare, sondern auch die analoge Normanwendung vorgeht, dann ist es völlig richtig, wenn beispielsweise Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen Konzern nicht mit Hilfe einer Durchgriffshaftung gewährt wird, sondern durch analoge Anwendung der §§ 302, 303 AktG"; Drax Durchgriffsund Konzernhaftung S. 29; Ehricke AcP 199 (1999), S. 257, 259. 135 K. SchmidtGesellschaftsrecht § 9 I I a, S. 219.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

tungsdurchgriff' funktioniere 136 • Auch Altmeppen hat erklärt, die Durchgriffshaftung befinde sich noch immer "auf dem Stand der Dogmatik, den die Rechtsprechung bereits Mitte des vergangeneu Jahrhunderts erreicht hatte" und der den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werde 137 . Jedoch hat die Rechtsprechung gerade den Durchgriffstatbestand der Vermögensvermischung in den letzten Jahren mit einigem Erfolg ausdifferenziert138. Der zugrunde liegende Gedanke, dass sich ein Gesellschafter nicht auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG berufen kann, wenn er selbst nicht zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen trennt, überzeugt auch heute noch 139 • Ob die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung allerdings auch im Horizontalverhältnis, somit gegenüber Schwestergesellschaften als Nichtgesellschaftern, Anwendung finden kann, ist noch zu untersuchen 140 • Nicht zum Ziel fuhrt die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung dagegen in der dritten Fallgruppe, die sich dadurch auszeichnet, dass die nachteilige Maßnahme zwar feststellbar und dokumentiert ist, jedoch der verursachte Schaden nicht quantifiziert werden kann. Bei der GmbH wird hier in extremen Fällen die neue Haftung des Gesellschafters wegen existenzvernichtenden Eingriffs zur Anwendung kommen. Bei dieser gehört allerdings die Zerstörung der Lebensfahigkeit und des Bestandes der Gesellschaft als Haftungsträger zum haftungsauslösenden Tatbestand 141 . Für die abhängige AG überzeugt eine solche auf existenzvernichtende Eingriffe beschränkte Haftung nicht: Hier ist bereits jeder Verstoß gegen § 311 AktG zu sanktionieren, unabhängig davon, ob der Eingriff des herrschenden Unternehmens sogar die Existenzvernichtung der abhängigen AG zur Folge hat. Wenn die in § 317 AktG vorgesehene Schadensersatzhaftung nicht greift, weil flir eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO die notwendigen Anhalts136 K. Schmidt ZIP 1993, S. 549, 552; K. Schmidt möchte die Konzernhaftung analog § 302 AktG allerdings im Gegensatz zu TBB als Strukturhaftung ausgestalten und auf wirkliche Extremfalle beschränken. 137 Altmeppen ZIP 2001, S. 1837, 1842; die Fallgruppe der Vermögensvermischung erkennt jedoch auch Altmeppen an, vgl. Roth/Altmeppen Anh § 13 Rn. 25 ff. 138 BGHZ 95, 330, 334- Autokran; BGH ZIP 1994, S. 867; OLG Celle GmbHR 2001, S. 1042; vgl. auch die positiven Einschätzungen von Ulmer ZIP 2001, S. 2021, 2026 und Röhricht FS f. BGH S. 83, 89. 139 Ebenso Kühler Gesellschaftsrecht § 23 I I, S. 312. 140 Unten § 6, insbes. III I. 141 Röhricht FS f. BGH S. 83, I 15. BGH v. 13.5.2004- 5 StR 73/03, AG 2004, S. 450, 451 differenziert terminologisch zwischen dem existenzvernichtenden Eingriff (Zivilrecht) und dem existenzgefährdenden Eingriff (Strafrecht), sieht jedoch "keinen wesentlichen Unterschied in den Anwendungsvoraussetzungen". Zur Frage, ob nur solche Eingriffe zählen, mit denen die GmbH "an die Wand gefahren wird", vgl. Bruns WM 2003, S. 815, 819; Hoffmann NZG 2002, S. 68, 69.

188

Der "qualifiziert faktische Konzern"

punkte fehlen, liegt eine Rechtsverweigerungslücke vor, die ausgefiillt werden muss 142 • Nach der hier vertretenen Ansicht gilt das auch fiir die abhängige mehrgliedrige GmbH, bei der die (lückenhaften) §§ 311, 317 AktG entsprechend anzuwenden sind 143 .

2.

Verlustausgleich im Rahmen der§§ 311,317, 117 Abs. 3 AktG

Der Versuch einer Lückenflillung sollte nach den mit der Analogie zu den §§ 302 f. AktG gemachten Erfahrungen unmittelbar bei den §§ 311, 317 AktG selbst ansetzen. Wenn sich im Rahmen der §§ 311, 317 AktG eine pauschale Haftung des herrschenden Unternehmens begründen lassen sollte, kann diese möglicherweise (wie beim Einzelausgleich 144) entsprechend § 117 Abs. 3 AktG auf Schwestergesellschaften "verlängert" werden.

a)

Schadensbemessung bei§ 317 AktG

Bereits in der Anfangsphase der Konzernhaftungsdiskussion ist vorgeschlagen worden, auf die im "qualifiziert faktischen Konzern" auftretenden Probleme des Einzelausgleichs nicht mit neuen Anspruchsgrundlagen, sondern mit Mitteln des Beweisrechts zu reagieren. Der Jahresfehlbetrag ließe sich dann im Rahmen des § 317 AktG möglicherweise als "pauschalierter Schadensersatz" oder geschätzter "Mindestschaden" ansehen. Analog § 117 Abs. 3 AktG könnte er dann auch von Schwestergesellschaften zu ersetzen sem.

aa)

Meinungsstand zum Vertikalverhältnis

Schulze-Osterloh 145 hat schon 1983 angeregt, die Ersatzpflicht aus § 317 AktG mit Hilfe der richterlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO "durchzusetzen". Wenn die abhängige Gesellschaft "nach Art einer Betriebs142 Vgl. schon Arbeitskreis GmbH-Reform Thesen S. 66 f., wo fiir den "qualifizierten Konzern" eine Restriktion des § 311 AktG erwogen wird. "Mit einer solchen Restriktion entsteht jedoch eine ohne legislatorische Hilfe nicht zu bewältigende Regelungslücke: es fehlt dann eine entsprechende Sanktions- und Verfahrensnorm". 143 Vgl. oben § I BIll; vgl. auch Emmerich AG 2004, S. 423, 427, der meint, dass "sich der Tatbestand des existenzgefährdenden Eingriffs im Grunde mit dem der Nachteilszufügung i.S.d. § 311 AktG deckt". 144 Vgl. oben§ I A III, B III. 145 Schulze-Osterloh ZGR 1983, S. 123, 152 ff.; ders. hat später in ZIP 1993, S. 1838 zu TBB ausdrücklich offen gelassen, "ob der Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern wirklich nur durch einen schwer begründbaren Rückgriff auf § 303 AktG gewährleistet werden kann, ob sich nicht eine Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens als Ergebnis einer Schadensersatzpflicht entweder aus Treuepflichtverletzung oder aus einer Analogie zu § 317 AktG mit Schadensschätzung nach § 287 ZPO besser begründen lässt".

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abteilung" geführt werde 146, könne als Anhaltspunkt für die richterliche Schadensschätzung nur die wirtschaftliche Lage der abhängigen Gesellschaft insgesamt genommen werden, wie sie sich während des Einflusses des herrschenden Unternehmens entwickelt habe. Da sich nicht zuverlässig sagen lasse, wie sich die abhängige Gesellschaft bei Beachtung ihrer rechtlichen Selbständigkeit entwickelt hätte, bleibe nur die Möglichkeit, den Schaden mit dem Betrag zu schätzen, um den sich die wirtschaftliche Lage der abhängigen Gesellschaft verschlechtert habe. Im Ergebnis laufe das auf eine Pflicht zum Ausgleich der jeweiligen Jahresfehlbeträge entsprechend § 302 AktG hinaus. Koppensteiner 147 hat die Umstände weiter konkretisiert, die es dem Richter ennöglichen sollen, den Schaden der Gesellschaft nach § 287 ZPO gerade auf den Jahresfehlbetrag zu schätzen: Den Jahresverlust könne man dann als Mindestschaden anerkennen, wenn die Gesellschaft zuvor zumindest ausgeglichen bilanziert habe und nicht dargetan werde, dass sich das bei Erhaltung des status quo geändert hätte. Zwar könne auch die Schätzung nach § 287 ZPO nicht zu einem ersatzpflichtigen Schaden führen, wenn unwahrscheinlich sei, dass ein Schaden mindestens der geschätzten Höhe tatsächlich eingetreten sei; die genannten Umstände lieferten jedoch eine ausreichende Schätzgrundlage.

Schließlich meint auch Bälz 148 , die Haftung nach §§ 311, 317 AktG sei dadurch praktikabel zu machen, dass man erforderlichenfalls die Summe der Einzelbeeinträchtigungen des abhängigen Unternehmens und die Summe seiner demgegenüber vom herrschenden Unternehmen erlangten Einzelvorteile auf Jahresschluss zu einem "Gesamtverlust" saldiere. Die herrschende Meinung 149 hat diese Versuche, im "qualifiziert faktischen Konzern" mit den §§ 311 ff. AktG (bzw. bei der GmbH der Treuepflicht 150 ) auszukommen und den Schaden nach § 287 ZPO zu pauschalieren, als untauglich abgelehnt. Denn die Vorschrift des § 287 ZPO betreffe nicht die

146 So das Verständnis des "qualifiziert faktischen Konzerns" bei Schulze-Osterloh ZGR 1983, S. 123, 154. 147 Zum Aktienrecht KKJKoppensteiner § 317 Rn. 19; zum GmbH-Recht Rowedder!Schmidt-Leithoff!Koppensteiner Anh. nach § 52 Rn. I 04. 148 AG 1992, S. 277,293. 149 MüKo-AktG!KroP.ff § 317 Anh. Rn. 49 m.w.N.; Stodolkowitz ZIP 1992, S. 1517, 1521: "schwer begründbar"; Ulmer ZHR 148 (1984), S. 391, 425; Rehbinder AG 1986, S. 85, 91; differenzierend Reiner Fremdsteuerung S. 287 ff. und Bitter Durchgriffshaftung S. 509 ff. ISO Nach Schulze-Osterloh und Koppensteiner soll die Schadensschätzung nach § 287 ZPO bei der AG im Rahmen der §§ 311 ff. AktG, bei der GmbH im Rahmen des Schadensersatzes wegen Treuepflichtverletzung zum Zuge kommen.

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Der "qualifiziert faktische Konzern"

Tatbestands-, sondern allein die Rechtsfolgenseite: Ein Geschädigter müsse zunächst den konkreten Haftungsgrund nach den allgemeinen Regeln des Beweisrechts (und damit zur vollen richterlichen Überzeugung, § 286 ZPO) beweisen, bevor der entstandene Schaden nach § 287 ZPO geschätzt werden könne 151 . Im "qualifiziert faktischen Konzern" lägen die Probleme aber regelmäßig schon beim Nachweis des konkreten Haftungsgrundes, eben weil sich bei "hoher Leitungsdichte" oder in "Waschkorblagen" die schädigenden Einzeleingriffe 152 des herrschenden Unternehmens nicht mehr feststellen und isolieren ließen. Außerdem sei nicht zu begründen, warum die Schadensschätzung nach § 287 ZPO zur Annahme eines Schadens gerade in Höhe der Jahresfehlbeträge fuhren sollte. bb)

Stellungnahme

Die Kritik der herrschenden Meinung ist berechtigt, soweit sie die Fallgruppen der "hohen Leitungsdichte" und der "Waschkorblagen" betrifft. Denn Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten treten hier schon auf der Tatbestandsseite der§§ 311, 317 AktG auf. Einschlägig ist damit nicht§ 287 ZPO, sondern§ 286 ZP0 153 • Bei der hier diskutierten dritten Fallgruppe steht hingegen fest, dass die abhängige Gesellschaft durch bestimmte isotierbare Eingriffe geschädigt wurde; allein der dadurch verursachte Schaden ist nicht zu beziffern. Die Probleme liegen also gerade nicht beim Nachweis des konkreten Haftungsgrundes, sondern bei der Schadensschätzung und damit im Anwendungsbereich des § 287 ZPO. Das Argument, der Anwendungsbereich des § 287 ZPO sei gar nicht eröffnet, passt auf die dritte Fallgruppe nicht; allerdings stammt das Argument auch aus der Zeit vor TBB, als man unter einem "qualifiziert faktischen Konzern" allein Fälle dauernder Einflussnahme verstand, nicht auch besonders schwerwiegende Einzeleingriffe 154 •

151 Dazu MüKo-ZPO!Prütting § 287 Rn. 8, 14; Zöller!Greger § 287 Rn. 3 m.w.N. 152 Anders insofern Schieß! AG 1985, S. 184, 187 f., der den konkreten Haftungsgrund nicht in den Einzeleingriffen, sondern bereits in der "qualifizierten faktischen Konzernierung" sehen will, eben um die Probleme mit § 287 ZPO zu vern1eiden. - Mit der TBB-Formel oder auch § 317 AktG ist das nicht zu vereinbaren. 153 Vgl. MüKo-ZPO!Prütting § 287 ZPO Rn. 8, 14; Zöller!Greger § 287 ZPO Rn. 3 m.w.N; Thomas!Putzo!Reichold § 287 ZPO Rn. 2. 154 Vgl. Scholz!Emmerich Anh. Konzernrecht Rn. 109.- Zu BGHZ 122, 123- TBB- ist zunächst von Kropf! AG 1993, S. 485, 494 darauf hingewiesen worden, dass der dort durch die Mithaftungserklärung entstandene Schaden möglicherweise durchaus ex post geschätzt werden konnte (§ 287 ZPO); ebenso Reiner Gesellschaftsinteresse S. 288; Bitter Durchgriffshaftung S. 513. Das hätte aber nur zur Konsequenz, dass im TBB-Fall kein "qualifiziert faktischer Konzern" vorlag; dass sich der entstandene

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Auch nach § 287 ZPO ist eine Schätzung allerdings unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte "völlig in der Luft hängen" würde. Denn das Gesetz nimmt zwar in Kauf, dass das Ergebnis der Abschätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; die Schätzung soll aber immerhin möglichst nahe an die Wirklichkeit heranfUhren 155 • Diesen Anforderungen wird der Vorschlag von Schulze-Osterloh, den Schaden auf den jeweiligen Jahresfehlbetrag zu schätzen, nicht gerecht. Der Jahresfehlbetrag eignet sich nicht als Anknüpfungstatsache, weil er mit den tatsächlich entstandenen Schäden in keiner Weise korrelieren muss, sondern erheblich größer sein kann - wenn ein schlechtes wirtschaftliches Umfeld hinzukommt - oder auch kleiner - wenn die Gesellschaft ohne Einflussnahme des herrschenden Unternehmens Gewinne erzielt hätte. Deshalb muss auch eine Saldierung auf einen "Gesamtverlust" (so Bälz) ausscheiden, weil in den Jahresfehlbetrag Faktoren einfließen, die mit der Konzernlage nichts zu tun haben. Auch eine zuvor zumindest ausgeglichene Bilanzierung der abhängigen Gesellschaft (so Koppensteiner) gewährleistet noch keinen ausreichenden Realitätsbezug der Schätzung. Die weitere Einschränkung Koppensteiners ist eine negative: Es dürfe nicht dargetan sein, dass sich an der ausgeglichen Bilanzierung etwas geändert hätte. Das erinnert an den Entlastungsbeweis, den der BGH dem herrschenden Unternehmen in der TiejbauEntscheidung156 zunächst eröffnen wollte, und der eben deshalb wieder verworfen wurde, weil er praktisch nicht zu fUhren ist. So wenig sich der etwa durch eine strukturverändernde Maßnahme entstehende Schaden schätzen lässt, so wenig kann auch das herrschende Unternehmen dartun, wie sich die abhängige Gesellschaft ohne Umstrukturierung entwickelt hätte. Brauchbare Anknüpfungstatsachen sind von dieser Negativvoraussetzung nicht zu erwarten. Letztlich läuft deshalb auch der Vorschlag Koppensteiners auf eine unbesehene Übernahme des Jahresverlusts hinaus. Das Argument, es sei nicht zu begründen, warum ein Schaden gerade in Höhe der Jahresfehlbeträge entstanden sein sollte, trifft also zu. Zu überlegen ist aber, ob man sich über diese Bedenken nicht gleichwohl hinwegsetzen und die Anforderungen an den Schadensnachweis entsprechend verringern sollte. Die Rechtsprechung hat dies auf einem anderen Rechtsgebiet bereits vorexerziert: Im Wettbewerbsrecht ist es bei Verletzung eines Patent- oder Urheberrechts etc. mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass der

Schaden immer nach § 287 ZPO schätzen ließe, wird von diesen Autoren gerade nicht behauptet. 155 BGHZ 91, 243, 256 f.; MüKo-ZPO/Prütting § 287 Rn. 14; Zöller/Greger § 287 ZPO Rn. 4. 156 BGHZ 107, 7.

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Der "qualifiziert faktische Konzern"

Verletzte seinen Schaden nicht nur konkret, sondern auch abstrakt nach der entgangenen Lizenzgebühr berechnen kann 157 • Er hat also auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr als Schadensersatz. Der Anspruch setzt zwar voraus, dass nach der Lebenserfahrung die Entstehung eines tatsächlichen Schadens wahrscheinlich ist 158 ; in der Höhe muss der zugesprochene Schadensersatz aber nicht dem wirklich eingetretenen Schaden entsprechen 159 . Die Rechtsprechung geht hier über den Ausgleichsgedanken hinaus und bestimmt den Schaden unter dem Gesichtspunkt der Prävention und Sanktion normativ 160 . Sie berechnet die angemessene Lizenzgebühr nach dem, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber verlangt und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte - auch wenn ein solcher Lizenzvertrag tatsächlich gar nicht zustande gekommen wäre. Begründet wird diese nonnative Schadensberechnung mit dem Schutzbedürfnis des Verletzten, der seinen Schaden häufig nicht konkret berechnen könne, und dem weiteren Billigkeitsargument, dass der Verletzer nicht besser gestellt sein darf, als er bei ordnungsgemäß nachgesuchter und erteilter Erlaubnis gestanden hätte 161 . Eben diese Erwägungen treffen auch auf die Fälle zu, in denen der Verstoß des herrschenden Unternehmens gegen § 311 AktG feststeht, der Schaden aber nicht beziffert werden kann: Die abhängige Gesellschaft ist schutzbedürftig, Probleme bei der Schadensfeststellung dürfen nicht zu ihren Lasten gehen 162 ; wer einen Konzern ohne Vertrag so fUhrt, wie er dies nur aufgrund eines Beherrschungsvertrages darf, muss auch ohne Vertrag dessen Rechtsfolgen hinnehmen 163 • Deshalb erscheint es angezeigt, die konstatierte Rechtsverweigerungslücke in Anlehnung an diese Rechtsprechung zum

157 Baumbach!Hefermehl Ein!. UWG Rn. 381, 383; HaberstumpfUrheberrecht Rn. 358 ff.; vgl. den Hinweis bei Zöller/Greger § 287 ZPO Rn. 4. Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch ist beispielsweise im Urheberrecht§ 97 Abs. l S. I UrhG. 158 BGH GRUR 1972, 180, 183; Baumbach!Hefermehl Ein!. UWG Rn. 381. 159 Vgl. BGH NJW 1992, S. 2753, 2754- Tchibo/Rolex li -,wo angenommen wird, dass Rolex durch den Verkauf von 500.000 billigen Rolex-Imitationen deshalb ein Schaden entstanden ist, weil einzelne Käufer ohne diese Verkaufsaktion zur Befriedigung ihres Prestigebedürfnisses das hundertfach(!) teurere Original gekauft hätten. 160 Baumbach!Hefermehl Ein!. UWG Rn. 3 83. - Insbesondere bedarf es keiner (feststellbaren) Vermögenseinbuße beim Verletzten, HaberstumpfUrheberrecht Rn. 3 59. 161 BGHZ 57, 116, 119; BGH NJW 1992, S. 2753, 2756- Tchibo/Rolex li; Baumbach!Hefermehl Ein!. UWG Rn. 381; Schricker/Wi/d § 97 UrhG Rn. 60. 162 Vgl. zu§ 302 AktG analog Rehbinder AG 1986, S. 85, 98, demzufolge "es sich bei der Verlustdeckung um eine pauschalierte Fonn des (internen) Schadensersatzes (handelt), die sich damit rechtfertigen lässt, dass ... ein Einzelnachweis konkreter Schäden nicht zu führen ist und dieses Risiko zu Lasten der Obergesellschaft gehen muss". 163 Henssler ZGR 2000, S. 479,483.

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Wettbewerbsrecht durch eine normative Bemessung des Schadensersatzes auszufiillen. Die vertragliche Gegenleistung des herrschenden Unternehmens bestünde beim Beherrschungsvertrag in der Verlustübernahme nach § 302 AktG; darauf muss sich auch der Schadensersatz nach § 317 AktG richten. Schadensersatz nach § 317 AktG ist daher durch Verlustübernahme zu leisten, und zwar im Unterschied insbesondere zu Koppensteiner nicht, weil mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden gerade in Höhe der Jahresfehlbeträge entstanden wäre, sondern weil der Schaden nonnativ zu bemessen ist - so, wie es die Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht vorgemacht hat 164 .

cc)

Erstreckung auf Schwestergesellschaft analog§ 117 Abs. 3 AktG

Akzeptiert man diese normative Schadensbemessung, ist fraglich, ob auch die so erreichte Pauschalhaftung entsprechend § 117 Abs. 3 AktG auf Schwestergesellschaften erstreckt werden kann. Rechtstechnisch wäre das möglich, weil die Anspruchsgrundlage unverändert in § 317 AktG besteht und die Haftung nach dieser Vorschrift auf Schwestergesellschaften "verlängert" werden kann, wenn der Anspruch gegen das herrschende Unternehmen nicht durchzusetzen ist und die zusätzlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 AktG erfüllt sind 165 • Die Verlängerung wäre sogar nur konsequent, wenn man die Haftung mit Koppensteiner auf eine echte Schadensschätzung nach § 287 ZPO stützen und den Jahresfehlbetrag als wahrscheinlichen Mindestschaden ansehen wollte. Vorliegend wurde die Haftung auf den Jahresfehlbetrag jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeitsüberlegungen begründet, sondern normativ mit Billigkeitserwägungen. Insbesondere soll das herrschende Unternehmen, das gegen § 311 AktG verstößt, nicht besser stehen als bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages. Auf Schwestergesellschaften treffen diese Billigkeitsargumente nicht in gleicher Weise zu, mögen sie die Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen auch veranlasst und von ihr profitiert haben. Denn sie haben es anders als das herrschende Unternehmen nicht in der Hand, mit der benachteiligten Gesellschaft einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, und würden anders als das herrschende Unternehmen auch im Vertragskonzern nicht auf Verlustausgleich haften 166 • Wegen dieser grundsätzlichen Unterschiede erschiene es nicht gerechtfertigt, eine für das herrschende Unternehmen begründete Pau164 Im Wettbewerbsrecht wird die Schadensbemessung anhand einer angemessenen Lizenzgebühr nicht als dogmatisch fragwürdig oder zu weitgehend kritisiert, sondern im Gegenteil als zu "lax": sie berge die Gefahr der "Selbstbedienung" in sich, weil der Verletzer bei seiner Entdeckung auch nur das zahlen müsse, was er bei rechtmäßigem Verhalten ohnehin hätte zahlen müssen, vgl. SchriekerlWild § 97 Rn. 69 ff. 165 Ausfuhrlieh zum Einzelausgleich oben § I A III, B III. 166 Zu diesen Argumenten schon oben § 5 II 2 d.

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Der "qualifiziert faktische Konzern"

schalhaftung entsprechend § 117 Abs. 3 AktG auch auf Schwestergesellschaften zu erstrecken.

b)

Schadensersatz wegen unterlassenen Vertragsschlusses

Kunstvoll gelangt Kropff 67 im Rahmen der §§ 311, 317 AktG zum Verlustausgleich, ohne dafür § 287 ZPO heranziehen zu müssen: Wenn ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss in einer Weise ausüben wolle, die den Einzelausgleich nach den §§ 311 ff. AktG funktionsunfähig mache, sei es nach dem Sinn und Zweck der §§ 311, 317 AktG bei ihrer durch die Treuepflicht gebotenen Auslegung verpflichtet, spätestens bei der ersten dahingehenden Maßnahme einen Beherrschungsvertrag abzuschließen. Wenn das herrschende Unternehmen diesen vorgeschriebenen Beherrschungsvertrag nicht abschließe, begehe es eine Pflichtverletzung durch Unterlassen. Gemäß § 317 AktG sei dann Schadensersatz zu leisten und die abhängige Gesellschaft nach § 249 S. 1 BGB so zu stellen, wie sie stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, sprich: ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen worden wäre; dann aber könnte die anhängige Gesellschaft Verlustausgleich verlangen. Kropff statuiert also bei drohender Funktionsunfahigkeit der §§ 311 ff. AktG eine Pflicht zum Vertragsschluss, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichtet, wobei der zu leistende Schadensersatz eben in der Verlustübernahme besteht. Den naheliegenden Einwand, dass der Abschluss eines Beherrschungsvertrages nicht allein in der Hand des herrschenden Unternehmens liege, will Kropff nicht gelten lassen, weil eine solche Argumentation des herrschenden Unternehmens jedenfalls treuwidrig wäre. Dieser Vorschlag Kropffs hat den Vorzug, dass er in der Tat ohne§ 287 ZPO auskommt und deshalb nicht nur für die dritte, sondern für alle Fallgruppen des "qualifiziert faktischen Konzerns" Geltung beanspruchen kann. Das gelingt allerdings nur, weil Kropffin ein und demselben Verhalten des herrschenden Unternehmens eine doppelte Pflichtverletzung sieht: Ein Eingriff, der das Einzelausgleichssystem funktionsunfahig werden lässt, ist zugleich Pflichtverletzung durch aktives Tun (Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu einer nachteiligen Maßnahme) und durch Unterlassen (des gebotenen Vertragsschlusses). Der Grund für diese Verdopplung liegt darin, dass der Schadensersatzanspruch - ohne Bemühung eines normativen Schadensbegriffs - nur hinsichtlich der Pflichtverletzung durch Unterlassen auf Verlustausgleich gerichtet ist 168 • Bei unbefangener Lektüre handeln die §§ 311, 167 MüKo-AktG/Kropff§ 317 Anh. Rn. 50 f. 168 Nach § 249 S. I BGB ist der Zustand herzustellen, der ohne Pflichtverletzung bestünde. Nach § 317 AktG ist daher zunächst nur der durch die Veranlassung zu einer

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

317 AktG aber allein von der Pflichtverletzung durch aktives Tun, nicht von der durch Unterlassen. Das Unterlassen eines Vertragsschlusses erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale des § 317 AktG, so dass es ungereimt scheint, dennoch im Rahmen dieser Vorschrift Schadensersatz für die Pflichtverletzung durch Unterlassen zusprechen zu wollen. Die Rechtsgrundlage für die angenommene Pflicht zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages und die damit einhergehende Schadensersatzpflicht dürfte deshalb eher in der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens zu suchen sein als in den §§ 311, 317 AktG selbst 169 • Auch wenn man dem Vorschlag Kropffi für das Vertikalverhältnis folgen wollte, ließe sich die Verlustausgleichspflicht, obwohl auf § 317 AktG gestützt, nicht entsprechend § 117 Abs. 3 AktG auf Schwestergesellschaften verlängern. Eindeutiger noch als oben im Rahmen des normativen Schadensbegriffes ergibt sich dies aus der von Krop.ffvorgenommenen Aufspaltung in eine Pflichtverletzung durch aktives Tun und eine solche durch Unterlassen: Die Schwestergesellschaft begeht selbst keine Pflichtverletzung durch Unterlassen, weil die Pflicht zum Vertragsschluss allein das herrschende Unternehmen trifft. Auch die Treuepflicht, auf die ergänzend abgestellt werden mag, trifft allein das herrschende Unternehmen. Eine vorsätzliche Veranlassung ( § 117 Abs. 3 AktG) wird sich allein auf die nachteilige Beeinflussung der Schwestergesellschaft beziehen, nicht zugleich auf die Frage des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages durch das herrschende Unternehmen. Im Ergebnis kann deshalb eine Pauschalhaftung des herrschenden Unternehmens auch dann, wenn sie auf § 317 AktG gestützt wird, jedenfalls nicht auf Schwestergesellschaften verlängert werden.

nachteiligen Maßnahme konkret entstandene Schaden auszugleichen, der sich eben nicht feststellen lässt. Nimmt man aber zugleich die Verletzung eine Pflicht zum Vertragsschluss an, ist die abhängige Gesellschaft so zu stellen, wie sie mit Beherrschungsvertrag stünde: es ist Verlustausgleich zu leisten. 169 Dieser Ansatz wird von Kropf! abgelehnt, weil er namentlich bei der Einpersonengesellschaft auf dogmatische Bedenken stoße, MüKo-AktG!Kropff § 317 Anh. Fn. 127 m.w.N.- Da die Treuepflicht allein das herrschende Unternehmen treffen würde, ließe sich aus ihr keine Haftung von Schwestergesellschaften ableiten.

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Durchgriffshaftung

§ 6. Durchgriffshaftung In Deutschland wird unter dem Stichwort "Durchgriffshaftung" regelmäßig nur die ausnahmsweise Haftung des (herrschenden) Gesellschafters fiir Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft diskutiert. Die üblichen Definitionen des Haftungsdurchgriffs sind ganz auf das Vertikalverhältnis zugeschnitten. So heißt es bei Emmerich: "Vom Haftungsdurchgriff (,durch' die Gesellschaft hindurch auf die Gesellschafter) spricht man in Fällen einer persönlichen Haftung der Gesellschafter fiir die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne besonderen Verpflichtungsgrund, d.h. in Abweichung von § 13 Abs. 2 GmbHG" 1• Auch Wiedemann formuliert seinen "Durchgriffstatbestand" mit Blick auf die Gesellschafter: "Mitglieder der Verbandsperson haften fiir die Schulden des Sondervermögens, wenn die Voraussetzungen fiir die vermögensmäßige Selbständigkeit nicht erfiillt sind oder die Haftungsbeschränkung zweckwidrig missbraucht wird" 2• Die vertikale Zielrichtung der Durchgriffshaftung erscheint so selbstverständlich, dass die Frage, ob daneben möglicherweise auch ein horizontaler Durchgriff auf Schwestergesellschaften in Betracht kommt, kaum gestellt und noch seltener bejaht wird3 . Brände! etwa lehnt die Idee eines horizontalen Durchgriffs mit der Begründung ab, der Haftungsdurchgriff könne sich "seinem Wesen nach" nur gegen Mitglieder der juristischen Person richten, nicht auch gegen Schwestergesellschaften und sonstige Dritte 4 • Ganz unzweifelhaft ist diese Berufung auf das "Wesen" des Haftungsdurchgriffs nicht, wenn man berücksichtigt, dass sich jedenfalls die amerikanischen Gerichte in keiner Weise gehindert sehen, in geeigneten Fällen auch auf Schwestergesellschaften durchzugreifen 5 . Die amerikanische Rechtsprechung zum piercing the corporate veil hat die deutsche Durchgriffsdiskussion maßgeblich beeinflusst6 • Treffend bemerkt Karsten Schmidt, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sei der bereits vorhandenen deutschen Durchgriffs-Rechtsprechung in Auswertung anglo-amerikanischer RechtsI 2 3

4 5 6

SchoizJEmmerich § 13 Rn. 76. Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 III I, S. 221. Ablehnend Stimpel FS Goerdeler S. 601, 607; Hachenburg!Mertens Anh. § 13 Rn. 51; GK-AktG/Brändel § I Rn. 104 (je zur Vermögensvermischung); bejahend v.a. Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 79 ff. zur Vermögensvermischung, S. 86 f. zur Sphärenvermischung. Überlegungen auf der Basis von Bremer Vulkan bei Raiser FS Ulmer S. 493 und K. Schmidt FS Wiedemalm S. 1199. GK-AktG/Brändel § I Rn. 104. Ausführlich unten § 7 I 2. Nach wie vor sind die meisten Arbeiten zur Durchgriffshaftung rechtsvergleichend angelegt, vgl. nur Serick Rechtsform; Rehbinder Konzernaußenrecht, insbes. S. 125 ff.; Driike Haftung der Muttergesellschaft; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 47 ff.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

grundsätze "eine dogmatische Grundlage nachgeschoben" worden 7• Es bedarf deshalb zumindest einer näheren Begründung, weshalb der in den Vereinigten Staaten anstandslos praktizierte horizontale Durchgriff mit dem deutschen Durchgriffsverständnis unvereinbar sein soll. Die Einschätzung Brändels wird denn auch in der Literatur nicht durchgängig geteilt. Scheel bezeichnet es geradezu als Vorteil der Durchgriffshaftung gegenüber der nach TBB praktizierten Konzernhaftung, dass die (deutsche) Durchgriffslehre einen direkten Haftungsdurchgriff auf das Vermögen der Schwestergesellschaften eröffue 8. In Anlehnung an die amerikanische Rechtsprechung will vor allem Drüke den horizontalen Durchgriff in der wichtigen Fallgruppe der Vermögensvermischung zulassen 9 . Den Grenzbereich zwischen Konzern- und Durchgriffshaftung betrifft das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1998, das die Besitzgesellschaft für Verbindlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft (der Betriebsgesellschaft) haften ließ 10 • Henssler versteht die Entscheidung so, dass das BAG einen eigenständigen - horizontalen - Durchgriffstatbestand entwickeln wollte, mit § 242 BGB als allein möglicher Rechtsgrundlage 11 • Windbichler hat angemerkt, dass der vom BAG entschiedene Sachverhalt nicht ohne Anhaltspunkte für eine Vermögensvermischung sei; möglicherweise habe der Fall daher treffender über eine "Querhaftung" wegen Vermögensvermischung gelöst werden können 12 • Raiser und Karsten Schmidt schließlich nehmen die Bremer VulkanEntscheidung zum Anlass, auf dieser Grundlage über einen horizontalen Durchgriff neu nachzudenken 13 • Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die deutsche Durchgriffslehre (wie von Scheel behauptet) tatsächlich einen direkten Haftungsdurchgriff auf das Vermögen von Schwestergesellschaften eröffnet. Dabei wird sich zeigen, dass es "die" Durchgriffslehre schon nicht gibt, sondern nach wie vor sehr unterschiedliche Durchgriffslehren vertreten werden. In diese traditionellen K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 I I a, S. 218 unter Hinweis auf die Untersuchungen von Serick und Drobnig. 8 Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 381 f.: Der horizontale direkte Haftungsdurchgriff erspare die Pfändung von Gesellschaftsanteilen bei der Konzernspitze und schone dort etwaiges Privatvennögen; er könne die aus dem Aktiengesetz abgeleiteten Haftungsansprüche ergänzen und in den meisten Fällen sogar den Verlustausgleich wegen qualifiziert faktischer Konzernierung ersetzen. 9 Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 79 ff. zur Vermögensvermischung, S. 86 f. zur Sphärenvermischung; vorsichtig zustimmend Windbichler RdA 2000, S. 238, 242; differenzierend Jaschinski Schwestergesellschaften S. 191 ff. 10 BAG ZIP 1999, S. 723; dazu oben Einf. IV I,§ I AI,§ 51. II Henssler ZGR 2000, S. 479, 487, 499. 12 Windbichler RdA 2000, S. 238, 240, 242. 13 Raiser FS Ulmer, S. 493; K. Schmidt FS Wiedemann, S. 1199. 7

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Durchgriffshaftung

Durchgriffslehren fügt sich ein horizontaler Durchgriff nicht ohne weiteres ein (I.). Auch seine rechtstechnische Umsetzung bereitet Probleme (II.). Wirklich naheliegend erscheint der horizontale Durchgriff zudem nur in den Fällen einer horizontalen Vennögensvermischung. Durch die Entscheidungen Bremer Vulkan und KBV könnte der existenzvernichtende Eingriff als weitere Fallgruppe hinzugekommen sein (III.). Schließlich gilt es auch über eine mögliche Alternative zum horizontalen Durchgriff nachzudenken: die Kombination zweier vertikaler Durchgriffe. Dabei wird zunächst wie gewohnt "nach oben" auf den gemeinsamen Gesellschafter durchgegriffen, sodann von diesem umgekehrt, nämlich "nach unten", auf die Schwestergesellschaft (IV.).

I.

Vereinbarkeit des horizontalen Durchgriffs mit den Durchgriffslehren

Neben dem vertikalen lässt sich auch der horizontale Durchgriff als Durchbrechung des Trennungsprinzips verstehen (1.). In die traditionellen, zum Vertikalverhältnis entwickelten Durchgriffslehren (2.) fügt er sich jedoch nicht ohne weiteres ein (3.). 1.

Durchbrechung des Trennungsprinzips

Thema der Durchgriffshaftung ist die "Beseitigung" 1\ "Durchbrechung" 15 oder doch "Relativierung" 16 des Trennungsprinzips. Das Trennungsprinzip ergibt sich für die GmbH aus § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG 17 , für die AG aus § 1 Abs. 1 AktG. Es besagt, dass die Gesellschaft und ihre Gesellschafter verschiedene Rechtspersönlichkeiten sind 18, mit je eigenen Vermögen und Verbindlichkeiten 19 . Die Gesellschafter "sind" nicht die Gesellschaft und umgekehrt. Zu trennen ist eine Gesellschaft indessen nicht nur von ihren Gesellschaftern, sondern auch von ihren Schwestergesellschaften. Entsprechend kann man das Trennungsprinzip allseitig statt nur zweiseitig verstehen: Das Trennungsprinzip zieht dann nicht nur eine "Decke" zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ein, sondern gibt der Gesellschaft auch "Seitenwände", die sie von ihren Schwestergesellschaften abgrenzen. Eine solche allseitige Abgrenzung nehmen schon die §§ 13 Abs. 1 und 2 GmbHG, 1 14 15 16 17 18 19

SoBausckeBB 1975,S.1322, 1323. So Coing NJW 1977, S. 1793, 1796; Roth LM § 13 GmbHG Nr. 24 BI. 6 R. So Hachenburg!Mertens Anh. § 13, Überschrift vor Rn. 28. Lutter/Hommelhoffin Lutter/Homme1hoff § 13 Rn. I. Scho1zJEmmerich § 13 Rn. 61. Drax Durchgriffs-und Konzemhaftung S. 9.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Abs. 1 AktG vor: Die Vorschriften erschöpfen sich nicht in einem bloßen Haftungsausschluss zugunsten der Gesellschafter (dem "Haftungsprivileg"). Sie geben der Gesellschaft weitergehend eine eigene Rechtspersönlichkeit und statuieren ihre alleinige Haftung nur fiir ihre Verbindlichkeiten. Diese Aussagen sind auch auf das Horizontalverhältnis zu beziehen. Denn dass Schwestergesellschaften auch dann, wenn sie Teil einer einzigen wirtschaftlichen Unternehmung sind, rechtlich selbständig bleiben und ihren Gläubigern jeweils getrennt haften, ist durchaus der Erwähnung wert. Nicht umsonst betonen die§§ 15 ff. AktG die rechtliche Selbständigkeit verbundener Unternehmen. Zu einem solchen weiten Verständnis des Trennungsprinzips passt es, wenn Wiedemann fiir den Konzern das Bild einer "durch Dämme unterteilten Landschaft" gebraucht und von einer "Parzellierung der Vermögenslandschaft" spricht20 . Ganz ähnlich meint Lehmann, das Prinzip der beschränkten Haftung wirke "wie Schotten in einem angeschlagenen Konzernschiff, die verhindern, dass der Misserfolg eines Konzernteilbereichs den Untergang eines ganzen Unternehmensverbands bedeutet" 21 . Aus dieser Perspektive ist dann zu fragen, ob das - allseitig verstandene Trennungsprinzip nicht auch in der Horizontalen durchbrochen und "durch die Seitenwand" der Schuldnergesellschaft auf das Vermögen von Schwestergesellschaften zugegriffen werden kann. So hat Wiedemann schon in seiner Besprechung der Autokran-Entscheidung erklärt, das eigentliche Problem des Falles habe nicht im vertikalen, sondern im horizontalen Durchgriff gelegen, an den sich der vertikale erst anschließen konnte 22 . Nach Karsten Schmidt schließlich muss bei der Zergliederung eines Unternehmens ein "organisationsrechtliches Trennungsgebot" beachtet werden, und zwar nicht nur im Verhältnis zur Konzernspitze (den Gesellschaftern), sondern - zur Abwendung eines horizontalen Ausgleichs - auch zwischen den Schwestergesellschaften23. Auch der horizontale Durchgriff dient somit der Durchbrechung des (weit verstandenen) Trennungsprinzips.

20 21 22 23

200

Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 I 3 a, S. 20 I, § 4 I 3 b, S. 203 f. Lehmann ZGR 1986, S. 345,352. Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 662; zustimmend Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 377 f. und Windbichler RdA 2000, S. 238, 242. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 444; ders. FS Wiedemann, S. 1199, 1219; vgl. auch Henssler ZGR 2000, S. 479, 498 f. zur Möglichkeit einer Lockerung des Trennungsgedankens in der Konzerninsolvenz.

Durchgriffshaftung

2.

Überblick über die Durchgriffslehren

Bei den - sämtlich fiir das Vertikalverhältnis entwickelten - Durchgriffslehren wird zwischen Missbrauchs- und institutionellen Durchgriffslehren einerseits, Normanwendungslehren andererseits unterschieden24 . Die Missbrauchs- und die institutionellen Durchgriffslehren sind "echte Durchgriffslehren", weil ihr Lösungskonzept bei der juristischen Person ansetzt. Sie beruhen auf dem Gedanken, dass die Selbständigkeit des Rechtsträgers und damit das Trennungsprinzip von der Rechtsordnung nicht in jeder Konsequenz anerkannt wird, sondern an gewisse Voraussetzungen, insbesondere den "richtigen" Gebrauch der juristischen Person durch ihre Mitglieder, geknüpft ist. Die Missbrauchslehre geht in ihrer subjektiven Variante auf Serick zurück. Er hat 1955 in einem groß angelegten Werk den Versuch unternommen, den Durchgriff als ein spezifisches, dem Trennungsprinzip entgegengesetztes Rechtsinstitut zu entwickeln. Danach ist der Durchgriff nur gerechtfertigt, wenn die Rechtsform der juristischen Person objektiv wie subjektiv zu Zwecken missbraucht wird, zu denen sie von der Rechtsordnung nicht geschaffen ist, oder Dritte fraudulös geschädigt werden. Rechtsfolge eines solchen subjektiven Missbrauchs soll die Missachtung der juristischen Person, das Beiseiteschieben ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit sein25 . Die objektive Variante der Missbrauchslehre meint demgegenüber, auf einen subjektiven Missbrauchswillen könne es schon wegen der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten nicht ankommen; ein Durchgriff sei bereits bei objektiv zweckwidriger Verwendung der juristischen Person geboten 26 . Diese objektive Missbrauchslehre fiihrt hin zur institutionellen Durchgriffs lehre, die den Durchgriff nicht mehr als "Strafe" fiir Manipulation und Rechtsungehorsam versteht. Nach ihr ist der Durchgriff zuzulassen,

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26

Vgl. zum Folgenden K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 II, S. 221 ff.; Hachenburg/ Mertens Anh. § 13 Rn. 28 ff.; Baumbach!Hueck!Hueck/Fastrich § 13 Rn. 10. Serick Rechtsform, insbes. S. 38 f., 206 f.; seitdem z.B. Bauschke BB 1975, S. 1322. Auch nach Serick soll ausnahmsweise ein bloß objektiver Missbrauch genügen, wenn gegen eine grundlegende Norm des Körperschaftsrechts verstoßen wird (S. 104 ff., 204 ff.). Dass Serick im Übrigen auf der engen Voraussetzung des auch subjektiv nachgewiesenen Missbrauchs besteht, erklärt sich aus dem Ausnahmecharakter des Durchgriffs: "Wenn der Gesetzgeber die juristische Person in einer bestimmten Form ausgestaltet hat, so hat er damit zu erkennen gegeben, dass er sie, abgesehen von den Fällen des Missbrauchs, die der Gesetzgeber niemals schützt, auch stets so beachtet sehen will." (jraus omnia corrumpit, S. 206). MüKo-BGB/Reuter Vor§ 21 Rn. 19 f. m.w.N. in Fn. 75, 76; G. Kuhn FS Fischer S. 351, 354.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

wenn die Trennung zwischen Verband und Mitglied der Rechtsordnung widerspricht27 • Die von Müller-Freienfels angeführten Normanwendungslehren sehen demgegenüber in der Durchgriffsproblematik kein generalisierbares Problem der juristischen Person, sondern ein Problem der richtigen Anwendung von Einzelnormen auf sie. Die juristische Person ist nur ein besonderes Prinzip der Rechtsanwendung, eine gedankliche Zusammenfassung von Tatbeständen, Beziehungen und Normen (eine "konstruktive Abbreviatur"i 8 • Für die Falllösung ist von den jeweils anwendbaren gesetzlichen oder vertraglichen Vorschriften auszugehen und zu fragen, ob ihr Zweck es erfordert, dass die durch die Denkfigur der juristischen Person eingeführte Trennung nicht beachtet wird. Die Normanwendungslehren lassen sich nur insoweit den Durchgriffslehren zuordnen, als sie sich nicht in der Abhandlung von Einzelproblernen erschöpfen, sondern daneben auch die Grenzen des Rechtsträgers und das Trennungsprinzip thematisieren. Das ist zumindest dann der Fall, wenn in die Normzweckbetrachtung auch die das Trennungsprinzip festschreibende Norm selbst einbezogen und teleologisch reduziert wird. So formuliert Rehbinder, "die abstrakt-generell alle Tatbestände der juristischen Person erfassende Norm" - eben § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 AktG - werde "so korrigiert, dass sie auf solche Tatbestände nicht mehr anwendbar ist, für die sie ihrem Zweck nach nicht passt" 29 • Zunehmend finden sich daneben vermittelnde Lehren, welche die verschiedenen Gesichtspunkte miteinander verbinden30 • Hadding etwa geht von den Normanwendungslehren aus, will in einigen Fällen des objektiven Missbrauchs der Rechtsfigur der juristischen Person aber gleichwohl auf ein Sonderrecht der juristischen Person im Sinne eines institutionellen Durch-

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Vgl. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 II I a, S. 222, m.w.N.; Rehbinder Konzernaußenrecht S. 119 ff.; Franzmann Durchgriffstatbestände, zusammenfassend S. 171: Es sei ein angemessener interessengerechter Risikoausgleich herbeizuführen; die Aufgliederung eines Unternehmens in mehrere miteinander verflochtene Gesellschaften dürfe nicht einseitig zu Lasten des Geschäftspartners gehen. Müller-Freienfels AcP !56 (1957), S. 522, 529; außerdem etwa Coing NJW 1977, s. 1793. Rehbinder FS Fischer S. 579, 580; nach ScholzJEmmerich § 13 Rn. 80 m.w.N. ist "Kern der verschiedenen Normzwecklehren ... eine teleologische Reduktion des§ 13 Abs. 2 GmbHG in bestimmten Fallgruppen, die durch die Missachtung der gesetzlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung oder durch deren zweckwidrigen Missbrauch gekennzeichnet sind; ähnlich Kühler Gesellschaftsrecht § 23 II 3, S. 313. Baumbach/Hueck!Hueck!Fastrich § 13 Rn. 10: "zunehmende Tendenz" in der Literatur; K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 II I c, S. 224, spricht von einem Überwiegen der Mischtheorien.

Durchgriffshaftung

griffs zurückgreifen 31 . Wiedemann schließlich sieht in den Durchgriffslehren nur "zwei Seiten ein und derselben Medaille", da die Durchgriffsentscheidung letztlich anhand derselben Wertungen getroffen werde 32 . Die Rechtsprechung äußert sich zu den dogmatischen Grundlagen der von ihr praktizierten Durchgriffshaftung nur zurückhaltend, teils auch widersprüchlich33. Der BGH hat es bisher vermieden, sich ausdrücklich zu einer der aufgezählten Durchgriffslehren zu bekennen34 . Stattdessen finden sich formelhafte Wendungen, die an die Rechtsprechung des Reichsgerichts anknüpfen, aber so unbestimmt sind, dass jede Durchgriffslehre einzelne BGH-Urteile ftir sich reklamieren kann35 . So heißt es etwa, schon das Reichsgericht habe ausgesprochen, "dass die juristische Person und ihr Alleingesellschafter dann als eine Einheit behandelt werden müsse, wenn die Wirklichkeit des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen es dem Richter gebieten, die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit der GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters hintanzusetzen (... ). Der alleinige Gesellschafter ist der Gesellschaft da gleichgestellt worden, wo die Berufung auf die förmliche Verschiedenheit gegen Treu und Glauben verstößt" 36 . Auch könne "die Rechtsfigur der juristischen Person nur in dem Umfang Beachtung finden, in dem ihre Verwendung dem Zweck

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Soergei!Hadding Vor§ 21 Rn. 40; ähnlich Rehbinder Konzernaußenrecht S. 109 f., 119 ff.: "Die Treue zum überkommenen Zivilrechtssystem verbietet den Rückgriff auf die generalklauselartige Durchgriffsforme I..., falls es hierzu an einem zwingenden Bedürfnis fehlt". Wiedemann Unternehmensgruppe S. 20 f. stellt deshalb die systematische Einteilung der Durchgriffstatbestände in Zurechnungsfälle und Haftungstatbestände in den Vordergrund; dazu Hachenburg/Mertens Anh. § 13 Rn. 31 f., 38. Nirk FS Stimpel S. 443, 453: BGH lässt eine einheitliche oder wenigstens nach Fallgruppen geordnete Rechtsprechung vermissen; Lehmann ZGR 1986, S. 345, 362; Bitter Durchgriffshaftung S. 86 m.w.N. Boujong FS Odersky S. 739, 741; Kübler Gesellschaftsrecht § 23 I 2, Fn. I 0, S. 313. So MüKo-BGB/Reuter Vor § 21 Rn. 19 flir die objektive Missbrauchslehre unter Berufung auf BGHZ 20, 4, 14; 31, 258, 271; Stimpel FS Goerdeler S. 601, 604 erkennt eine Übereinstimmung von BGHZ 95, 330, 333 f. - Autokran- und BGH ZIP 1985, S. 29 mit der Normanwendungs lehre. Der Vlll. Senat fordert neben objektiven Umständen grundsätzlich noch ein zusätzliches subjektives Moment, so BGH WM 1958, S. 460, 462; BGHZ 68, 312, 315 f.; dazu Nirk FS Stimpel S. 443, 447. In BGHZ 68, 312, 315 heißt es zugleich aber auch, der BGH habe entgegen der Auffassung von Serick bei der Behandlung von Durchgriffsproblemen weitgehend auf einen objektiven Missbrauch der Rechtsform der Gesellschaft abgestellt und den Nachweis einer Missbrauchsabsicht nicht verlangt. BGHZ 22, 226, 230 unter Berufung auf RGZ 99, 232, 234; 129, 53, 54; 103, 66; ebenso BGHZ 102, 95, 102 f. Hachenburg!Mertens § 13 Anh. Rn. 42 m.w.N. bezeichnet den ersten Satz als "peinliche Sentenz".

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der Rechtsordnung entspricht"37 . Diese Formeln sind offenbar nicht rechtstechnisch gemeint, so dass man aus ihnen kaum etwas zu Anspruchsgrundlage und Funktionsweise des Haftungsdurchgriffs folgern kann. Rechtstechnische Ausfiihrungen finden sich erst in der Autokran-Entscheidung; hierauf ist noch zurückzukommen38 • 3.

Folgerungen für den horizontalen Durchgriff

Die Argumente, die sich für und gegen die einzelnen Durchgriffslehren anfuhren lassen, sollen hier nicht erneut referiert und diskutiert werden 39 . Für das Vertikalverhältnis fiihren die Lehren durchweg zu ähnlichen Ergebnissen, weil sie sich dem Problem zwar von unterschiedlichen Ausgangspunkten nähern, es letztlich aber anhand derselben Wertungen entscheiden müssen 40 . Zutreffend erscheint deshalb die Einschätzung Wiedemanns, der bei der Entscheidung fiir oder gegen einen Durchgriff lediglich einen "rechtspsychologischen Beweisvorteil" der einen oder anderen Lehre annimmt, weil diese das Regel-Ausnahme-Verhältnis unterschiedlich formulieren: Sieht man die juristische Person mit den Normanwendungslehren als bloße Denkfigur, liegt der Durchgriff sehr viel näher, als wenn man ihr mit den Missbrauchslehren einen Eigenwert zuerkennt41 • In der Praxis scheinen sich diese Unterschiede in der Begründung nicht auszuwirken, weil der Durchgriff auch von den Vertretern der Normanwendungslehren als "ultima ratio" verstanden wird. Wenn man schließlich zu den Normen, die gegebenenfalls der Korrektur bedürfen, auch die das Trennungsprinzip festschreibenden Normen(§§ 13 Abs. l und 2 GmbHG, l Abs. I AktG) zählt, ist auch bei den Nonnanwendungslehren der Schritt zu einem Sonderrecht der juristischen Person getan. Auch die Rechtsfolgen des Haftungsdurchgriffs werden durch die verschiedenen Durchgriffslehren nicht vorgezeichnet42 . Die Durchgriffslehren wurden entwickelt, um den vertikalen Durchgriff auf die "hinter" der Gesellschaft stehenden Gesellschafter zu begründen. Sie sind auf den horizontalen Durchgriff nicht zugeschnitten, hindem ihn aber auch nicht unbedingt:

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BGHZ 20, 4, 14; 22,226, 231; 68,312, 315. Unten§6II3 a. V gl. zur Kritik - außer den bereits zu den einzelnen Durchgriffslehren nachgewiesenen Werken- noch Ehricke AcP 1999, S. 257; ders. Konzernunternehmen S. 145 ff.; Wilhelm Rechtsform S. 308 ff., 330 ff.; Drax Durchgriffs-und Konzernhaftung S. 72 ff.; Bitter Durchgriffshaftung S. 82 ff.; Hüffer § I Rn. 18. Kühler Gesellschaftsrecht § 23 I 3, S. 313: "Der Unterschied liegt in der Blickrichtung, die freilich das methodische Vorgehen beeinflussen kann". Wiedemann Unternehmensgruppe S. 20 f. Nirk FS Stimpel S. 443, 456.

Durchgriffshaftung

Problematisch muss der horizontale Durchgriff zunächst für die verschiedenen Missbrauchslehren sein. Die Missbrauchslehren wollen mit dem Durchgriff auf eine subjektiv bzw. objektiv missbräuchliche Verwendung der juristischen Person reagieren; sie verstehen den Durchgriff als "Strafe" für Manipulation und Rechtsungehorsam43 • Diese Strafe sollte dann aber auch den Verantwortlichen treffen - das ist der (herrschende) Gesellschafter. Regelmäßig wird nur in Fällen, in denen das Vermögenzweier Schwestergesellschaften vennischt wurde, diskutiert, ob die Vermögensvermischung auch den Schwestergesellschaften selbst zum Vorwurf gemacht werden kann44 . Im Übrigen ist nicht recht einzusehen, warum die Sanktion für ein missbräuchliches Verhalten des gemeinsamen Gesellschafters die Schwestergesellschaft, ihre außenstehenden Gesellschafter und Gläubiger treffen sollte, mag man darin auch mittelbar eine Bestrafung des gemeinsamen Gesellschafters sehen45 . Auffällig ist jedoch, dass Serick als Hauptvertreter der subjektiven Missbrauchslehre den "umgekehrten Haftungsdurchgriff' vom Gesellschafter auf die Gesellschaft ohne weiteres zulassen will und meint, dogmatisch könnten hiergegen "keinerlei Bedenken" bestehen46 ; auch beim umgekehrten Haftungsdurchgriff richtet sich die Sanktion ja nicht gegen den missbräuchlich handelnden Gesellschafter, sondern gegen das Werkzeug. Dass Serick dennoch wie selbstverständlich den umgekehrten Haftungsdurchgriff zulässt, dürfte mit den von ihm angenommenen Rechtsfolgen zusammenhängen: Nach Serick kann der Durchgriff u.a. zur "Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter" 47 bzw. zur "Gleichsetzung des Korporationsvermögens mit dem Vermögen der Gesellschafter"48 führen. Wenn Gesellschaft und Gesellschafter miteinander gleichzusetzen sind, versteht es sich in der Tat, dass auch für Schulden des Gesellschafters auf das Gesellschaftsvermögen zugegriffen werden kann. Für den horizontalen Durchgriff könnte man diesen Gedanke dahin fortentwickeln, dass ein horizontaler Durchgriff zulässig ist, wenn der gemeinsame Gesellschafter mehrere Gesellschaften zugleich missbräuchlich verwendet und deshalb mit jeder der Gesellschaften zu iden-

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So treffend K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 !I I a, S. 222. Ausführlich unten § 6 III I. Vgl. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 39 IV, S. 1239 ff., der in den Beispielen Nr. 13 und 15 die Mithaftung von Schwestergesellschaften bei "qualifizierter Gleichordnung" allein unter dem Aspekt diskutiert, ob der Gesellschafter im Autokran-Fall sein Risiko erfolgreich segmentiert habe und einen Teil seiner Gesellschaften retten könne; dazu schon oben § 5 !I 2. Serick Durchgriffsprobleme S. 26; vgl. ausführlicher unten§ 6 IV. Serick Durchgriffsprobleme S. 26. Serick Rechtsform S. 207.

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tifizieren ist; denn dann wird man auch die Gesellschaften untereinander gleichsetzen können. Letztlich geht es hier um eine Kombination aus einem vertikalen Durchgriff auf den gemeinsamen Gesellschafter und einem "umgekehrten Durchgriff' von diesem auf die Schwestergesellschaft49 • Die institutionellen Durchgriffslehren verzichten auf einen Vorwurf gegenüber dem Durchgriffsschuldner. Nach ihnen erscheint der Durchgriff vielmehr als Problem einer interessengerechten Risikoverteilung. Diese interessengerechte Risikoverteilung könnte es aber erforderlich machen, den Durchgriff auf eine Schwestergesellschaft zu gestatten, wenn diese, ihre außenstehenden Gesellschafter und Gläubiger im Einzelfall weniger schutzwürdig sein sollten als die Gläubiger der Schuldnergesellschaft50 • Denken ließe sich das etwa, wenn bei der horizontalen Betriebsaufspaltung zugunsten von Arbeitnehmern auf die Besitzgesellschaft durchgegriffen werden soll oder allgemein, wenn zuvor Vermögenswerte aus der Schuldnergesellschaft in die Schwestergesellschaft verschoben wurden51 • Wenn man den Durchgriff mit den institutionellen Durchgriffslehren nicht mehr als Strafe begreift, muss er sich möglicherweise auch nicht mehr gegen den (abzustrafenden) Gesellschafter richten 52 • Die Normanwendungslehren schließlich wollen nicht bei der juristischen Person ansetzen, sondern bei den jeweils auf diese anzuwendenden Einzelnormen. Bei der jeweiligen Einzelnorm ist danach zu fragen, ob ihr Zweck es rechtfertigt, die durch die Denkfigur der juristischen Person eingeführte Trennung unbeachtet zu lassen. Mit "Trennung" ist zunächst wieder nur diejenige zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gemeint. Wenn man sich den Konzern jedoch als "durch Dämme unterteilte Landschaft" vorstellt und

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Dazu unten § 6 IV. Pranzmann Durchgriffstatbestände S. 125 ff. befiirwortet beiläufig den horizontalen Durchgriff fiir den Fall, dass bei § 648 BGB Bestellerin und Grundstückseigentümerin auseinanderfallen, nämlich Schwestergesellschaften sind (ausdrücklich S. 125 Fn. 412). Objektiver Anknüpfungspunkt fur eine interessengerechte Abwägung müsse dann "der objektive Tatbestand einer kapitalmäßigen und (oder) organisatorischen Verbindung zwischen Besteller- und Baugrundstückseigentümergesellschaft" sein. Durch die Aufspaltung seien die Risiken nicht mehr angemessen verteilt. Die Eigentümergesellschaft habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie die zusätzlichen Vermögenswerte ohne Sicherungsanspruch des Bauhandwerkers erhalte. Drobnig Haftungsdurchgriff S. 60 f., 66 versteht den Haftungsdurchgriff beispielsweise allgemein als haftungsrechtlichen Ausgleich von gläubigergefährdenden Vermögensverschiebungen. Wenn man den Haftungsdurchgriffals Problem des Schutzes der Gläubigergesamtheit ansieht und auf Vorwerfbarkeit verzichtet, ist es naheliegend, Vermögensverschiebungen direkt zwischen den daran beteiligten Gesellschaften rückabzuwickeln. V gl. jedoch unten § 6 IV 4.

Durchgriffshaftung

es außerdem fur möglich hält, dass ein einheitliches Unternehmen "künstlich" aufgespalten wird, muss nach dem Normzweck vielleicht auch einmal die Trennung zwischen zwei konzernangehörigen Schwestergesellschaften unbeachtet bleiben. Meist wird es sich dabei allerdings um Fälle des sogenannten Zurechnungsdurchgriffs handeln, die keinen Durchgriff im technischen Sinn erfordern, sondern bereits durch die Zurechnung von Eigenschaften, Erklärungen und Verhaltensweisen zu lösen sind53 • Ein Beispiel hierfiir ist § 648 BGB: Bei der Anwendung dieser Vorschrift kann sich die Frage stellen, ob der Werkunternehmer die Einräumung einer Sicherungshypothek auch dann verlangen kann, wenn das Baugrundstück nicht der auftraggebenden Gesellschaft, sondern einer Schwestergesellschaft gehört. Der BGH hat fiir den Fall, dass das Grundstück einem (dort zu 95% beteiligten) Gesellschafter gehört, entschieden, dass Grundstückseigentümer und Besteller aus Gründen der Rechtssicherheit nicht nur "wirtschaftlich", sondern auch "formaljuristisch" dieselben Personen sein müssen; gleichwohl hat der BGH gemäß § 242 BGB auf den Gesellschafter durchgegriffen und ihn im Ergebnis wie einen Besteller behandelt54 • Das Urteil ist damit zwar als Durchgriffsentscheidung formuliert, der Sache nach aber ein Normanwendungsfall; der BGH hat lediglich eine schlagwortartige Begründung mit einem "wirtschaftlichen" Bestellerbegriff abgelehnt55 • Der Fall, dass das Baugrundstück einer Schwestergesellschaft der Bestellerirr gehörte, wurde 1995 vom AG Eisenach entschieden: Das Gericht hat einen "qualifiziert faktischen Gleichordnungskonzern" zwischen den Schwestergesellschaften angenommen, um so die Eintragung einer Sicherungshypothek zu ermöglichen56 . Hüffer hat hierzu angemerkt, dass die vom Gericht gegebene konzernrechtliche Begründung nicht überzeuge, das Ergebnis (Anwendung des § 648a BGB) aber als Normanwendungsdurchgriff richtig sein könne 57 • Gemeint ist ein Zurechnungs-

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Zur Unterscheidung zwischen Haftungsdurchgriff und Zurechnungsdurchgriff vgl. Wiedemann Unternehmensgruppe S. 21; die Einteilung wurde weithin übernommen, z.B. Raiser Gesellschaftsrecht § 29, S. 489 ff. BGHZ I 02, 95; dazu K Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 lii 2 b, S. 229; Palandt/Sprau § 648 BGB Rn. 3 m.w.N. K Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 III2 b, S. 229. AG Eisenach GmbHR 1995, S. 445; näher dazu K Schmidt FS Wiedernano S. 1199, 1210 f. Hü.ffer § 18 Rn. 21 a.E.; vgl. zu § 648 BGB auch Pranzmann Durchgriffstatbestände S. 125 ff. und oben§ 6 Fn. 50.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

durchgriff, bei dem sich die Grundstückseigentümerin die Auftragsvergabe durch ihre Schwestergesellschaft zurechnen lassen muss 58 . Nach den Normanwendungslehren könnte ein horizontaler Durchgriff möglicherweise mit den Kapitalerhaltungsvorschriften zu begrUnden sein, da diese nicht nur Gesellschafter, sondern auch Schwestergesellschaften verpflichten59 und ihr Normzweck bei Durchgriffsentscheidungen besonders zu beachten ist60 • Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die traditionellen Durchgriffslehren auf den horizontalen Durchgriff nicht zugeschnitten sind, sich aber möglicherweise (in unterschiedlichem Maße) in diese Richtung fortentwickeln lassen. Das "Wesen" der Durchgriffshaftung steht einer solchen Ausdehnung in das Horizontalverhältnis jedenfalls nicht zwingend entgegen.

II.

Rechtstechnik der Durchgriffshaftung

Auch die rechtstechnische Umsetzung eines horizontalen Durchgriffs bereitet Probleme. Denken lässt sich der Haftungsdurchgriff als Aufhebung der Vermögenstrennung (1.) oder als Restriktion der Trennungsnorm (2.), gegebenenfalls unter Ausfüllung durch eine haftungsbegrUndende Norm (3.). 1.

Aufbebung der Vermögenstrennung

Früher hat man sich den vertikalen Durchgriff so vorgestellt, dass dadurch die zuvor künstlich geschaffene Vermögenstrennung zweier an sich zusammengehörender Vermögensmassen zumindest gedanklich61 wieder aufgehoben wird. "Künstlich getrennt" sind im Fall des vertikalen Durchgriffs das Privatvermögen des Gesellschafters und das Gesellschaftsvermögen. So hat das OLG Karlsruhe in einem Urteil aus dem Jahr 1942 erklärt, das Privatvermögen des Gesellschafters K. und das Vermögen der GmbH könnten, "trotzdem sie sich rechtlich selbständig gegenüberstehen, hier nicht so beurteilt werden, als ob sie verschiedenen Rechtssubjekten gehörten; vielmehr sind sie für den Zugriff der Gläubiger sowohl des K. als der GmbH als wirt-

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Ein Haftungsdurchgriff auf die Eigentümergesellschaft würde nicht weiterhelfen, weil die Bestellerin selbst mangels Eigentum nicht die Einräumung einer Sicherungshypothek schuldet, die Eigentümergesellschaft also nicht flir Verbindlichkeiten der Bestellerin in Anspruch genommen werden kann. Vgl. oben§ 2 I 3. Vgl. Kübler Gesellschaftsrecht § 23 113, S. 313. Durch die Gleichstellung von Gesellschaft und Gesellschafter soll die rechtliche Verschiedenheit der beiden Rechtssubjekte nicht in Frage gestellt werden; so ausdrücklich BGHZ 61, S. 380, 383 f.; vgl. auch K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 II 3 b, S. 225 und Hachenburg/Ulmer Anh. § 30 Rn. 52.

Durchgriffshaftung

schaftliehe Einheit zu betrachten"62 . Die Vennögenstrennung relativiert auch der BGH, wenn er in einer viel kritisierten Entscheidung aus dem Jahr 1973 das Gesellschaftsvermögen zum "Sondervermögen" des Gesellschafters erklärt, um im Schaden der GmbH zugleich auch einen Schaden ihres klagenden Alleingesellschafters sehen zu können: "Hat ein Gewerbetreibender... seinem eigenen Unternehmen aus haftungs-, steuerrechtliehen oder anderen Gründen die Rechtsfonn einer GmbH gegeben ( ... ), dann ist diese Gesellschaft, jedenfalls in einem Fall der vorliegenden Art, haftungsrechtlich nur ein in besonderer Form verwalteter Teil seines Vermögens" 63 . Für den horizontalen Durchgriff ließe sich diese Vorstellung, dass "wieder zusammengefUgt wird, was zusammengehört", durchaus fruchtbar machen. Nicht zufällig spricht Wiedemann bezüglich der sieben Schwestergesellschaften des Autokran-Falles von der "künstlichen Aufteilung eines einheitlichen Gewerbebetriebes und einer Ein-Mann-GmbH" und von "geklonten Gesellschaften"64 . Auch fiir das amerikanische Recht interpretiert Blumberg den horizontalen Durchgriff so, dass dadurch die Grenzen des rechtlich aufgespaltenen, in Wirklichkeit aber einheitlichen Unternehmens nachgezeichnet werden sollen65 • Die Vorstellung trägt aber schon fiir das Vertikalverhältnis nicht. Zum einen ist sie nicht wirklich rechtstechnisch, sondern umschreibt eher bildhaft das gewünschte Ergebnis. Anband welcher Normen die künstliche Trennung überwunden werden soll, wird nicht gesagt. Zum anderen gibt es wohl keine im juristischen Sinn "künstlichen" Vermögenstrennungen. Prototypen dafiir müssten Betriebsaufspaltungen, Einmann-Gesellschaften und Konzerngesellschaften überhaupt sein; doch sind diese Gebilde von der Rechtsprechung bzw. dem Gesetz schon lange anerkannt und damit ganz natürlich. Sie sind als getrennte Rechtsträger zu behandeln, ohne dass ersichtlich wäre, weshalb sich das ab einem gewissen Grad der "Künstlichkeit" ändern sollte66 .

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OLG Karlsruhe DR 1943, S. 811 (die verwirrende Zeichensetzung im Original verleitet Drax Durchgriffs- und Konzernhaftung S. 16 zu der Fehlannahme, mit "K." sei der Kläger gemeint). BGHZ 61, S. 380, 384; im Leitsatz wird die Gesellschaft zudem ausdrücklich als "Sondervermögen" bezeichnet, wenn auch in Anführungszeichen; zur Kritik vgl. Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 IIl 2, S. 229, m.w.N. mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit, das Gesellschaftsvermögen (so auch den Schadensersatzanspruch) für die Gläubiger der GmbH zu reservieren. Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 658 f. Blumberg Corporate Groups S. 545 ff.; dazu unten § 7 I 2 b. So i. E. auch Drax Durchgriffs- und Konzernhaftung S. 16; zur Betriebsaufspaltung vgl. Hachenburg/Mertens Anh § 13 Rn. 52; ausführlich unten§ 9 li 3.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

2.

Restriktion der §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG

Verbreitet wird in der vertikalen Durchgriffshaftung die unmittelbare Folge einer teleologischen Reduktion der §§ I Abs. I S. 2 AktG, I3 Abs. 2 GmbHG gesehen67 : Durch die teleologische Reduktion wird "der Schutzschild der Haftungsbeschränkung zur Seite geschoben"68 , der eine persönliche Inanspruchnahme der Gesellschafter bis dahin verhindert hat. "Die Durchbrechung des Grundsatzes, dass ,nur das Gesellschaftsvermögen' den Gläubigem flir die Verbindlichkeiten haftet, flihrte zu der als unproblematisch empfundenen Folgerung, dass in den Durchgriffsfallen (auch) die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen unbeschränkt flir die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger einzustehen haben" 69 . Auch der BGH setzt in der KBV-Entscheidung den "Verlust des Haftungsprivilegs" des § 13 Abs. 2 GmbHG offenbar bereits mit der persönlichen (Durchgriffs-)Haftung der Gesellschafter gleich70 . Für den horizontalen Durchgriff fUhrt die reine Reduktion der §§ I Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHGindessen nicht zum gewünschten Ergebnis 71 • Auf eine zusätzliche, die Haftung ausdrücklich anordnende Norm kann allenfalls im Vertikalverhältnis verzichtet werden. Dort kann man auf den vom BGH mehrfach anerkannten allgemeinen handelsrechtliehen Grundsatz zurückgreifen, dass derjenige, der allein oder mit anderen Geschäfte betreibt, flir die daraus entstehenden Verpflichtungen haftet; dieser Grundsatz gilt solange, wie er nicht durch Gesetz oder Rechtsgeschäft abgeändert wird72 • Die §§ I Abs. I S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG, denen zufolge flir Gesellschaftsverbindlichkeiten "nur" das Gesellschaftsvermögen haftet, ändern diesen Grundsatz ab; dabei geht das Gesetz wie selbstverständlich davon aus, dass die Gesellschafter bei Fehlen dieser haftungsbeschränkenden Regelung persönlich flir Gesellschaftsverbindlichkeiten haften müssten. Für das

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BSG NJW 1984, S. 2117, 2118; wohl auch BGHZ 151, 181, 187- KBV; Nirk FS Stimpel S. 443, 459; Stimpel FS Goerdeler S. 601, 604 f.; Hachenburg/Ulmer Anh. § 30 Rn. 52 (zur Unterkapitalisierung); Roth LM § 13 GmbHG Nr. 24 Bl. 7; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 lii 2, S. 229: methodisch Restriktion des Trennungsgrundsatzes; etwas anders ders. WM 1975, Sonderbeilage 4, S. 17 f.: Die Durchgriffshaftungberuhe "streng genommen" auf Restriktion und Lückenfullung zugleich. Wiedemann WM 1975, Sonderbeilage 4, S. 18. GK-AktG!Brändel § 1 Rn. 123; ebenso Bitter Durchgriffshaftung S. 87. BGHZ 151,181, 187. Das erkennt auch Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 3 82, Fn. 258. BGHZ 134, 333, 335; BGH ZlP 1996, S. 590 (je zur Vor-GmbH); BGH ZIP 1999, S. 1755, 1756 (zur "GbR m.b.H."); speziell zur Durchgriffshaftung Raiser Kapitalgesellschaften§ 29 Rn. 30 m.w.N.; Stimpel FS Goerdeler S. 601, 604 f., dort auch zu dem möglichen Einwand, dass im Rechtssinne nicht der Gesellschafter, sondern die GmbH die Geschäfte "betreibt".

Durchgriffshaftung

Vertikalverhältnis mögen die §§ I Abs. I S. 2 AktG, I3 Abs. 2 GmbHG deshalb konstitutiv 73 sein mit der Folge, dass ein Verlust dieses Haftungsprivilegs bereits die persönliche Haftung der Gesellschafter bedeutee 4 • Für das Horizontalverhältnis sind diese Vorschriften dagegen höchstens klarstellend. Denn dass Gesellschaften fiir Verbindlichkeiten ihrer Schwestergesellschaften einstehen müssen, wäre auch bei einem "Hinwegdenken" der auf die Gesellschafterhaftung zielenden §§ I Abs. I S. 2 AktG, I3 Abs. 2 GmbHG keineswegs selbstverständlich; gegenüber Schwestergesellschaften darf man durchaus eine ausdrückliche Haftungsanordnung erwarten. Das belegt fiir Konzernverhältnisse schon das Aktienkonzernrecht: Dessen Haftungsnormen zielen allein auf das herrschende Unternehmen, nicht auf Schwestergesellschaften. Die teleologische Reduktion der §§ I Abs. I S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG mag somit fiir den Durchgriff im Vertikalverhältnis eine befriedigende Erklärung bieten; ftir das Horizontalverhältnis ist ohne eine haftungsbegründende Norm nicht auszukommen.

3.

Erfordernis einer haftungsbegründenden Norm

Nach Rehbinder geht es beim Durchgriff methodisch um die Restriktion der Trennungsnorm unter Ausftillung durch eine andere Norm 75 • a)

§§ 105, 128 HGB analog

In diesem Sinn werden auch die Ausftihrungen des BGH in Autokran verstanden. Dort heißt es zur Durchgriffshaftung: "Wenn aber ein Ausnahmetatbestand vorliegt, dessentwegen sich die GmbH-Gesellschafter auf die rechtliche Selbständigkeit der GmbH als juristische Person nicht berufen dürfen, so heißt das, dass sie zu behandeln sind, als hätten sie das von der GmbH betriebene Handelsgeschäft selbst ohne Beschränkung der Haftung 73

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Ebenso z.B. Hachenburg!Raiser § 13 Rn. 26; Stimpel FS Goerdeler S. 601, 604 f. Reiner Gesellschaftsinteresse S. 260 f. und Drax Durchgriffs- und Konzernhaftung S. 17 halten die Vorschriften fiir redundant bzw. klarstellend, weil sich die Haftung ohnehin auf die juristische Person beschränke, wenn ihre Erstreckung auf die Gesellschafter nicht eigens gesetzlich angeordnet werde (so im Ausnahmefall der KGaA, vgl. § 278 AktG). Speziell bei der GmbH ist aber schon die "beschränkte Haftung" namensgebend, womit nur die beschränkte Haftung der Gesellschafter gemeint sein kann, denn das Gesellschaftsvermögen selbst haftet ja unbeschränkt. Schon begrifflich ist daher nicht die Verschiedenheit der Rechtssubjekte der Ausgangspunkt, sondern die grundsätzliche Haftung, die durch die gesetzliche Anordnung beschränkt ist (Meyer Haftungsbeschränkung S. 8). So wohl auch BGHZ 151, 181, 187- KBV; a.A. Vetter ZIP 2003, S. 601,602. Rehbinder FS Fischer S. 579, 580; ebenso Wiedemann WM 1975, Sonderbeilage 4, S. 17 f.; Nirk FS Stimpel S. 443, 458.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) geführt. In entsprechender Anwendung der §§ 105, 128 HGB haften sie daher persönlich"76 • Angenommen wird insoweit, dass der BGH die Notwendigkeit einer besonderen anspruchsbegründenden Norm gesehen und deshalb "ergänzend" die §§ 105, 128 HGB analog herangezogen habe 77 • Nachdem der BGH die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs mit der KBV-Entscheidung78 als Durchgriffshaftung ausgestaltet hat, wird vielfach auch hier ein Rückgriff auf die §§ 105, 128, 129 HGB befürwortee9 - in der Entscheidung selbst finden diese Vorschriften allerdings keine Erwähnung. Als haftungsbegründende Norm jedenfalls ist § 128 HGB ungeeignet. Die Vorschrift kann bei der GmbH anders als bei der OHG nicht selbst schon den Anwendungstatbestand und den Rechtsgrund der Haftung liefern, sondern nur die Rechtsfolgen näher bestimmen, sobald feststeht, dass die Durchgriffshaftung eingreift80 . Denn die Situation eines GmbH-Gesellschafters ist in keiner Weise der eines OHG-Gesellschafters vergleichbar; erst die vorgeschaltete Operation des Durchgriffs kann die persönliche Haftung begründen und so die Vergleichbarkeit herstellen, die Voraussetzung für eine Analogie zu § 128 HGB ist 81 • § 128 HGB taugt deshalb schon für das Vertikalverhältnis nicht als haftungsbegründende Norm. Für das Horizontalverhältnis ist die Vorschrift erst recht nicht einschlägig. b)

§ 242 BGB

Als haftungsbegründende Norm kommt nur§ 242 BGB in Frage. Drüke will diese Vorschrift zur Begründung eines horizontalen Durchgriffs in Fällen einer Vermögensvennischung heranziehen. Henssler sieht in § 242 BGB die einzig mögliche Rechtsgrundlage für einen Haftungsdurchgriff, wie ihn das 76 77 78 79

80 81

212

BGHZ 95, 330, 332; ebenso OLG DüsseldorfGmbHR 1990, 44; Boujong FS Odersky S. 739, 743; Lutter/Hommelhoffin Lutter/Hommelhoff § 13 Rn. 10, 13 f., 20. So etwa Bitter Durchgriffshaftung S. 98 ff. BGHZ 151, 181. OLG Jena ZIP 2002, S. 631, 632; Emmerich!Habersack Anh. § 318 Rn. 35; Bitter WM 2001, S. 2133, 2139; Benecke BB 2003, S. 1190, 1193; Vetter ZIP 2003, S. 601, 602 f.; Hüffer § I Rn. 22: "Anspruchsgrundlage gegen Gesellschafter ist gegen GmbH gerichtete Forderung i.V.m. Grundsatz akzessorischer Gesellschafterhaftung nach Vorbild der §§ 128, 129 HGB, der wegen Unanwendbarkeit des § 13 Il zum Tragen kommt". Zutreffend Drax Durchgriffs- und Konzernhaftung S. 12 f.; vgl. auch Lutter DB 1994, S. 129: Rechtsfolge der Durchgriffshaftung ist die unmittelbare persönliche Haftung des Gesellschafters "so, als wenn§ 128 HGB anwendbar wäre". Die "ergänzende" Heranziehung des§ 128 HGB macht deshalb nur Sinn, wenn man gleichzeitig den Grundsatz akzeptiert, dass derjenige, der Geschäfte ohne wirksame Haftungsbeschränkung betreibt, persönlich haftet; nur auf diesen Grundsatz lässt sich die erforderliche Durchgriffsoperation stützen.

Durchgriffshaftung

Bundesarbeitsgericht 1998 bei der horizontalen Betriebsaufspaltung praktiziert hat 82 . Die Heranziehung des § 242 BGB ist problematisch, weil die Vorschrift nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Lehre eine rechtliche Sonderverbindung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner voraussetzt83, an der es im Verhältnis Gläubiger I Schwestergesellschaft aber gerade fehlen könnte. An dem - aus Wortlaut und Gesetzessystematik abgeleiteten - Erfordernis der Sonderverbindung soll festzuhalten sein, weil Treue nicht gegenüber jedermann, sondern nur in bestehenden Sonderverbindungen geschuldet werde; außerhalb von Sonderverbindungen müsse es dagegen bei der Pflicht zur Wahrung des "ethischen Minimums" 84 bewenden. Der Begriff der Sonderverbindung wird allerdings im denkbar weitesten Sinn verstanden. Roth will beispielsweise für die Anwendung des § 242 BGB schon jeden "irgendwie qualifizierten sozialen Kontakt" genügen lassen85. Demgegenüber plädiert Jürgen Schmidt für einen völligen Verzicht auf das Merkmal der Sonderverbindung. Das Merkmal sei schon nach der derzeitigen Rechtsprechungspraxis völlig sinnentleert und auch sachlich nicht zu rechtfertigen. Das Bestehen einer Sonderverbindung sei nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 242 BGB, könne jedoch Einfluss auf das Maß der anzunehmenden Pflichten haben; unbestritten könnten die Pflichten in einer Sonderverbindung über die im allgemeinen "Bürger-Bürger-Verhältnis" hinausgehen 86 . Der BGH hat 1987 in der oben bereits erwähnten Durchgriffsentscheidung zu § 648 BGB ausdrücklich offen gelassen, "inwieweit eine solche besondere Tatbestandsvoraussetzung überhaupt verlangt werden kann. Selbst wenn man als Tatbestandsmerkmal des § 242 BGB etwa mit dem Reichsgericht ,irgendwelche Rechtsbeziehungen' fordert", hätten diese zwischen Unter-

82

83 84 85 86

Henssler ZGR 2000, S. 479,499 und ebensoBarkEWiR § 322 AktG ll99,jeweils zu BAG ZIP 1999, S. 723. -Zu § 242 BGB als Rechtsgrundlage für den vertikalen Durchgriff vgl. Rehbinder Konzernaußenrecht S. 123 f. und Nirk FS Stimpel S. 443, 458. Speziell zur Durchgriffshaftung: Nirk FS Stimpel S. 443, 458; Drax Durchgriffs-und Konzernhaftung S. 17 f.; zu § 242 BGB allgemein: RGZ 160, 349, 357; BGHZ 95, S. 279, 288; Palandt/Heinrichs § 242 Rn. 6; Soergel!Teichmann § 242 Rn. 30 ff. Dieses allgemein zu beachtende "rechtsethische Minimum" wird insbesondere über den Begriff der "guten Sitten" definiert,§§ 138, 826 BGB. MüKo-BGB!Roth § 242 Rn. 72 ff.; zustimmend Palandt!Heinrichs § 242 Rn. 6. Staudinger/.J. Schmidt § 242 Rn. 159 ff.

213

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

nehmer und Grundstückseigentümer jedenfalls bestanden, weil letzterer mit den Arbeiten aufseinem Grundstück einverstanden war87 • Die Existenz einer Sonderverbindung erscheint schon beim vertikalen Durchgriff zumindest dann problematisch, wenn der Gesellschafter nicht als Geschäftsflihrer oder in sonstiger Weise gegenüber den Gläubigem aufgetreten ist. Zwischen den Gläubigem der Schuldnergesellschaft und der Schwestergesellschaft, auf die durchgegriffen werden soll, wird es an einer Sonderverbindung oder einem "irgendwie qualifizierten sozialen Kontakt" erst recht fehlen. Drüke beurteilt dies offenbar anders: Er sieht in der Berufung auf die Vermögenstrennung ein venire contra factum proprium (§ 242 BGB) 88 und bejaht eine Sonderverbindung zunächst flir das Verhältnis zwischen Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaftern. Den Beflirwortem einer Sonderverbindung gehe es lediglich darum, die gesteigerte Pflichtenbindung auf eine abgrenzbare Gruppe von Teilnehmern am Rechtsverkehr zu beschränken; der Kreis der Gesellschaftsgläubiger sei gegenüber der Allgemeinheit aber hinreichend abgegrenzt. Das zum vertikalen Durchgriff gefundene Ergebnis will er sodann auch flir den horizontalen Durchgriff gelten lassen 89 . Mit der Position Roths, auf den sich Drüke insoweit beruft, ist die Annahme einer Sonderverbindung aber nicht zu vereinbaren: Einen "irgendwie qualifizierten soziale Kontakt", wie ihn Roth verlangt, wird man regelmäßig nur zwischen den Gesellschaftsgläubigern und der Gesellschaft, nicht auch zwischen den Gesellschaftsgläubigem und den Gesellschaftern annehmen können. Die zwischengeschaltete Gesellschaft ist Rechtssubjekt90 ; ihre Gläubiger bleiben für die Gesellschafter deshalb Teil der Allgemeinheit ("Jedermann"). Die Argumentation Drükes kann deshalb schon flir den vertikalen Durchgriff nicht überzeugen; beim horizontalen Durchgriff, den Drüke in gleicher Weise auf§ 242 BOB stützen will, versagt sie ganz. Die mit dem Merkmal der Sonderverbindung verbundenen Probleme ließen sich insgesamt vermeiden, wenn man die Durchgriffshaftung nicht als direkte Außenhaftung gegenüber den Gläubigem, sondern zunächst als Innenhaf87 88

89 90

214

BGHZ l 02, 95, I 02. Vgl. nunmehr BGH v. 13.5.2004- 5 StR 73/03, AG 2004, S. 450, 452 f.- Bremer Vulkan II: "Wer der Gesellschaft erst Vermögen entzieht und die Gläubiger dann auf dieses Vermögen verweisen will, setzt sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten. Er muss deshalb für die ungedeckten Schulden der Gesellschaft einstehen und kann vom Gläubiger direkt in Anspruch genommen werden." Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 76 ff. Die Gesellschaft ist Subjekt, nicht "Objekt, durch das die Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger verknüpft und somit von der Allgemeinheit abgegrenzt sind" (so Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 77).

Durchgriffshaftung

tung konstruieren würde. Denn eine "Sonderverbindung im weitesten Sinn" besteht jedenfalls auch zwischen Schwestergesellschaften, schon aufgrund der gemeinsamen Konzernzugehörigkeit bzw. über die gemeinsame Konzernspitze91. Für das Vertikalverhältnis hat Stimpel bereits 1987 die Frage gestellt, ob man sich von dem Begriff des Durchgriffs ohne weiteres und ausschließlich eine Außenhaftung aufdrängen lassen solle. Denn im Übrigen werde das GmbHRecht vom Prinzip des nur mittelbaren Gläubigerschutzes beherrscht. Auch wäre, wenn der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft einen Durchgriffsprozess angestrengt hätte, die Klage wohl kaum wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen worden. Deshalb sollten zunächst der GmbH Ausgleichsansprüche gegen die Gesellschaft zugeordnet werden, gestützt auf eine Analogie zu den Kapitalsicherungsvorschriften und vor allem § 302 AktG 92 • Ähnliche Überlegungen finden sich bei Rehbinder für die von ihm als Durchgriffshaftung eingeordnete Konzernhaftung (auf der Basis der Autokran-Entscheidung): Die Interessenlage spreche für eine Innenhaftung und gegen individuelle Ansprüche einzelner Gläubiger; da diese im Insolvenzverfahren nicht in der Hand des Insolvenzverwalters gebündelt werden könnten, drohe eine Aushöhlung des Insolvenzverfahrens und werde eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger verhindert93 • Für die Durchgriffshaftung hat sich die Innenhaftung - anders als bei der Konzernhaftung in Form des Verlustausgleichs "analog § 302 AktG"- nicht durchsetzen können. Der BGH hat sich mit KBV entschieden, auch die neue Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs als Außenhaftung auszugestalten: Gesellschaftsgläubiger können ihre Forderungen danach "außerhalb des Insolvenzverfahrens" umnittelbar gegen die Gesellschafter geltend machen94. Innerhalb des Insolvenzverfahrens dürfte dagegen der (im Zuge der Insolvenzrechtsreform neu geschaffene) § 93 InsO analog anzuwenden sein mit der Folge, dass nur der Insolvenzverwalter die Durchgriffshaftung gel-

91

92 93 94

Soergei!Teichmann § 242 Rn. 33 bejaht eine Sonderverbindung zwischen Personen, die "sternförmig durch eine gemeinsame Bezugsperson" verbunden sind, beispielsweise Arbeitnehmer durch den gemeinsamen Arbeitgeber. Bei Schwestergesellschaften ergäbe sich die Sonderverbindung folglich über die Konzernspitze. Alternativ könnte man unmittelbar zwischen den Schwestergesellschaften einen "irgendwie qualifizierten sozialen Kontakt" im Sinne Roths annehmen. Stimpel FS Goerdeler S. 60 I, 613 ff.; ähnlich GK-AktG/Brände! § I Rn. 124 ff.; für Innenhaftung bei Unterkapitalisierung auch Banerjea ZIP 1999, S. 1153, 1159; weitere Nachweise bei Scholz!Emmerich § 13 Rn. 85 Fn. 133. Rehbinder AG 1986, S. 85, 97. BGHZ 151, 181, 2. Leitsatz- KBV; zustimmend z.B. Wiedemami ZGR 2003, S. 283, 291; Emmerich AG 2004, S. 423,428.

215

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

tend machen kann 95 • Es bedarf deshalb heute nicht mehr zwingend der Konstruktion einer Innenhaftung, um die Gläubigerrechte bei Insolvenz der Gesellschaft in der Hand des Insolvenzverwalters bündeln zu können. Auch die herkömmliche Erklärung der vertikalen Durchgriffshaftung als Restriktion der §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG spricht gegen eine primäre Ausgestaltung als Innenhaftung. Da somit die Durchgriffshaftung im Vertikalverhältnis Außenhaftung ist, liegt es nahe, hieran auch für einen etwaigen horizontalen Durchgriff festzuhalten. Im Rahmen einer solchen Außenhaftung sollte auf das Merkmal der Sonderverbindung bei § 242 BGB verzichtet werden. Ein solcher Verzicht erscheint nur konsequent, weil das Merkmal schon in der derzeitigen Rechtspraxis die ihm eigentlich zugedachte Abgrenzungsfunktion weitgehend verloren hat. Jürgen Schmidt verdeutlicht das an zahlreichen Beispielen aus dem Wettbewerbs-, Nachbar- und Verfahrensrecht96 • Konkrete Entscheidungen lassen sich ohnehin nicht durch pauschalen Hinweis auf§ 242 BGB bzw. die Existenz oder das Fehlen einer Sonderverbindung begründen, sondern erfordern eine eingehende Abwägung der im Einzelfall betroffenen Interessen 97 • Wenn sich daher feststellen ließe, dass ein horizontaler Durchgriff in bestimmten Fallgruppen unabweisbar geboten ist, sollte man ihn nicht am eher formalen Erfordernis der Sonderverbindung scheitern lassen.

111.

Fallgruppen

Diskutiert wird der horizontale Durchgriff vornehmlich für den Fall der horizontalen Vennögensvermischung (1.), während Fälle der Sphärenvermischung (2.) oder Unterkapitalisierung (3.) insoweit kaum eine Rolle spielen. Durch die Bremer Vulkan-Entscheidung ist der existenzvernichtende Eingriff als weitere Fallgruppe hinzugekommen (4.). 1.

Horizontale Vermögensvermischung

a)

Meinungsstand

Wenn es zwischen Schwestergesellschaften zu nicht mehr aufklärbaren Vermögensverschiebungen kommt, reagiert die herrschende Meinung darauf nicht mit einem Durchgriff auf die beteiligten Schwestergesellschaften, sondern mit einem Durchgriff auf den verantwortlichen Gesellschafter. Die

95

96 97

216

Jawansky DB 2003, S. 2757; Wiedemann ZGR 2003, S. 283, 294 f.; früher schon K. Schmidt ZGR 1996, S. 209, 217; skeptisch nicht im Ergebnis, aber hinsichtlich der Analogie zu § 93 InsO Wahl GmbHR 2004, S. 994, 997 f. Staudinger/.1. Schmidt § 242 Rn. 162. Vgl. Staudinger/.1. Schmidt § 242 Rn. 188; Soergel/Teichmann § 242 Rn. 5.

Durchgriffshaftung

Vermögensvermischung in der Horizontalen führt also zum Durchgriff in der Vertikalen98 • Für einen Durchgriff auf die Schwestergesellschaft fehle der Rechtsgrund; er sei auch wegen der unterschiedlichen Gläubigerinteressen nicht gerechtfertigt. Eine Mindermeinung will den horizontalen Durchgriff zulassen, gestützt auf den Vorwurfselbstwidersprüchlichen Verhaltens(§ 242 BGB): Nach Drüke müssen sich Schwestergesellschaften, die die Regularien ihrer getrennten Vermögenssphären nicht beachten, ein venire contra factum proprium vorhalten lassen, wenn sie in der Insolvenz einer der Gesellschaften ihr Vermögen unter Berufung auf die getrennte Zuordnung von Rechten und Pflichten vor dem Zugriff der Gläubiger der insolventen Gesellschaft retten wollen. Auch wenn die Muttergesellschaft für die horizontale Vermögensvermischung verantwortlich sei, weil etwa die Geschäftsführungsorgane der Schwestergesellschaften auf ihre Anweisung gehandelt hätten, bleibe die Haftung wegen Vermögensvermischung auf eine gegenseitige Einstandspflicht der Schwestergesellschaften untereinander beschränkt. Aus der gegenseitigen Einstandspflicht werde jedoch eine einseitige, wenn eine Schwestergesellschaft per saldo von der Vennögensvennischung profitiert habe; die Gläubiger der durch die Vermögensvermischung begünstigten Schwestergesellschaft müssten sich dann das Fehlen eines Schadens entgegenhalten lassen und dürften nicht ihrerseits auf das Vermögen der benachteiligten Gesellschaft durchgreifen99 •

Jaschinski will anders differenzieren: Nur wenn die Schwestergesellschaften selbst dafür verantwortlich seien, dass es zwischen ihnen zu Vermögensvermischungen gekommen ist, treffe sie auch der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens, wenn sie sich gegenüber Gläubigem auf die getrennte Rechtszuständigkeit berufen wollen. In derartigen Fällen könne es nach § 242 BGB zu einer Haftung kommen. Wenn dagegen die Muttergesellschaft die Ver98

99

GK-AktG/Brändel § I Rn. 104; Stimpel FS Goerdeler S. 601, 607; Hachenburg!Mertens Anh § 13 Rn. 51; Milde Gleichordnungskonzem S. 210 f. BGH ZIP 1985, S. 29 betrifft (entgegen Drax Durchgriffs-und Konzernhaftung S. 87) ebenfalls die Frage des vertikalen Durchgriffs wegen horizontaler Vermögensvermischung; im konkreten Fall wurde eine Vermögensvermischung vemeint, weil die Vermögensbewegungen zwischen den Gesellschaften ordnungsgemäß verbucht worden seien (S. 30).- Allgemein zur Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung: BGHZ 95, 330, 333 f. - Autokran; BGHZ 125, 366, 368 f.; Baumbach/Hueck/Hueck/ Fastrich § 13 Rn. 15 m.w.N.; Raiser Kapitalgesellschaften§ 29 Rn. 23 f., S. 497 f.; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 lii I a, S. 224, unter dem Oberbegriff der Sphärenvermischung; Ulmer ZIP 200 I, S. 2021, 2026; ablehnend Ehricke AcP 199 ( 1999), s. 257, 289 ff. Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 79 ff.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

mögensvermischung zwischen den Schwestergesellschaften veranlasst habe, seien die Haftungsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil sich die Schwestergesellschaften dann ja nicht selbst widersprüchlich verhielten 100 • Windbichler schließlich hat zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur horizontalen Betriebsaufspaltung 101 erklärt, der Sachverhalt weise Anhaltspunkte für eine Vermögensvermischung auf. Die Frage der "Querhaftung" lasse sich entschärfen, weil es (im Anschluss an Drüke) bei einer Vermögensvermischung nicht stets des Durchgriffs auf den die Intransparenz verursachenden Gesellschafter bedürfe, sondern die Behandlung der "ununterscheidbaren" Haftungsmassen als eine einheitliche als Rechtsfolge nahe liege. Der im Interesse der Gläubiger der Zielgesellschaft oft abgelehnte Durchgriff auf eine Schwestergesellschaft könne mit der Identität der Komplementärin und einer darauf gestützten Zurechnung begründet werden 102 •

b)

Stellungnahme

Der horizontale Durchgriff stößt zunächst auf die Schwierigkeit, dass der BGH nach einer grundlegenden Entscheidung von 1994 103 schon vertikal nicht auf jeden, sondern nur auf den für die Vermögensvermischung verantwortlichen Gesellschafter durchgreifen will: Die persönliche Haftung könne nur solche Gesellschafter treffen, die aufgrund ihres (beherrschenden) Einflusses in der Gesellschaft für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich seien. Minderheitsgesellschafter (im damaligen Fall mit 20% beteiligt) bleiben daher regelmäßig von der Haftung verschont - auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der BGH mit der Folgeentscheidung zu Bremer Vulkan vom 25. Februar 2002 gegenüber Minderheitsgesellschaftern wieder eine deutlich schärfere Gangart einschlägt: Die Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs soll danach auch solche Mitgesellschafter treffen, die zwar selbst nichts empfangen haben, aber durch ihr Einverständnis mit dem Vermö~ensabzug an der Existenzvernichtung der Gesellschaft mitgewirkt haben °4 • In der Literatur wird das Erfordernis des "Mitwirkens

I 00 Jaschinski Schwestergesellschaften S. 191 ff.; nach Jaschinski soll in diesem Fall auch die Muttergesellschaft nicht haften, weil ihr eigenes Vermögen nicht an der Vennögensvermischung teilgenommen hat. I 01 BAG ZIP 1999, S. 723; zum Sachverhalt vgl. oben Einf. IV I. I 02 Windbichler RdA 2000, S. 238, 242. 103 BGHZ 125, 366, 368 ff.; dazu K. Schmidt ZIP 1994, S. 837, 840; Baumbach/Hueck!HuecldFastrich § 13 Rn. 15; Scholz/Emmerich § 13 Rn. 91; kritisch Roth LM § 13 GmbHG Nr. 24, Blatt 7; nach Flume AT I 2 § 3 III, S. 84 geht es bei der gesamten Durchgriffsproblematik nur um eine Verhaltenshaftung des herrschenden Gesellschafters. 104 BGHZ 150,61, 2. Leitsatz.

218

Durchgriffshaftung

durch Einverständnis" meist dahin ausgelegt, dass das Einverständnis kausal für die Schädigung geworden sein muss; das sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Mitgesellschafter keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft habe und der schädigende Gesellschafter deshalb auch gegen den Dissens seines Mitgesellschafters den schädigenden Eingriff vorgenommen hätte 105 • Wiedemann will demgegenüber Publikumsaktionäre und Anlagegesellschafter verschonen, Mitunternehmer hingegen unabhängig von einem konkreten Einverständnis in die Pflicht nehmen; Mitunternehmer seien fiir die Finanzverfassung ihres Hauses verantwortlich, weshalb sie eine Statusverantwortung treffe 106 • Wenn schon der - geringfiigig beteiligte - Minderheitsgesellschafter nicht (1994) bzw. nur mit Einschränkungen (2002) der Durchgriffshaftung unterworfen wird, muss die Einbeziehung von Schwestergesellschaften, die mangels Beteiligung über gar keinen innergesellschaftlichen Einfluss verfügen, erst recht problematisch erscheinen. Allerdings erklärt der BGH in der Entscheidung von 1994 auch, es fehle an substantiiertem Vortrag, dass der Minderheitsgesellschafter selbst unmittelbare Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten habe 107 ; daraus wird man schließen können, dass neben dem verantwortlichen auch ein Minderheitsgesellschafter ohne innergesellschaftlichen Einfluss der Durchgriffshaftung zumindest dann unterliegt, wenn er von der Vermögensvennischung unmittelbar profitiert hat 108 • Entsprechend könnte man vielleicht auch den Durchgriff auf eine Schwestergesellschaft zulassen, wenn sie für die Vermögensvermischung "verantwortlich" ist (aa) oder aber zumindest von ihr profitiert hat (bb ).

aa)

"Verantwortlichkeit" für die Vermögensvermischung

Die Autoren, die sich für einen Durchgriff auf Schwestergesellschaften aussprechen, verlangen in der einen oder anderen Form eine Verantwortlichkeit der Schwestergesellschaft: Bei Drüke folgt das aus dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens, der sinnvoll nur bei einer Verantwortlichkeit fiir die Vermögensvennischung erhoben werden kann, bei Windbichler aus der Überlegung, die Identität der Komplementärin könne eine Zurechnung be105 Lutter/Banerjea ZGR 2003, S. 402, 436 ff.; ähnlich Emmerich AG 2004, S. 423, 428 und Bruns WM 2003, S. 815, 821. I 06 Wiedemann ZGR 2003, S. 283, 292. 107 BGHZ 125,366,369. 108 Vgl. Raiser Kapitalgesellschaften § 29 Rn. 24, S. 498. In BGHZ 151, 181, 188KBV - hat der BGH offen gelassen, ob der Beklagte zu 3 von dem der Gesellschaft entzogenen Vermögen mittelbar etwas erlangt hat, weil er als Mehrheitsgesellschafter jedenfalls mit dem Vermögensentzug einverstanden, also bereits - im Sinne von nachfolgend aa)- dafür "verantwortlich" war.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

gründen. Jaschinski will gerade nach der Verantwortlichkeit der Schwestergesellschaft differenzieren, wählt dafür aber das falsche Kriterium: Wenn die Schwestergesellschaften untereinander die Vermögenstrennung nicht aufrechterhalten, ist es gleich, ob dies aus eigenem Antrieb oder auf Veranlassung durch die Muttergesellschaft geschieht; die Veranlassung durch die Muttergesellschaft kann sie nicht entlasten. Bezugspunkt für die Verantwortlichkeit kann nur der eigene Geschäftsbereich sein, nicht derjenige der anderen Schwestergesellschaft. Die Gesellschaft hat es nur in der Hand, für die eindeutige Zuordnung ihres eigenen Vermögens zu sorgen, indem sie ihre eigenen Bücher ordnungsgemäß führt; auf die Buchführung in der Schwestergesellschaft hat sie keinen Einfluss. Entgegen Windbichler eignet sich der Umstand, dass die zwei Schwestergesellschaften im BAG-Fall über eine identische Komplementärin verfügen, nicht dazu, der einen Gesellschaft die Vermögensverschleierung in der anderen zuzurechnen. Denn die Schwestergesellschaft trägt von vomherein keine Verantwortung für die Buchflihrung und das finanzielle Gebaren in der anderen Gesellschaft, so dass auch eine Zurechnung des Organverhaltens nicht weiterhilft 109 ; auch kann ihr das Verhalten der Muttergesellschaft nicht zugerechnet werden 110 • Der Vorwurf des venire contra factum proprium könnte sich daher nur darauf stützen, dass die im Wege der Durchgriffshaftung heranzuziehende Schwestergesellschaft ihre eigenen Bücher nicht ordnungsgemäß geführt hat. Der solchermaßen auf den eigenen Geschäftsbereich begrenzte Vorwurf des venire contra factum proprium ist aber zu schwach, um eine unbegrenzte Haftung der einen Gesellschaft für die Verbindlichkeiten der anderen begründen zu können. Vielmehr erscheint eine gegenständliche Haftungserweiterung gerade auf die Gegenstände ausreichend, die nicht deutlich genug dem einen oder anderen Gesellschaftsvermögen zugeordnet sind: So ist es vorstellbar, dass sich trotz der weitgehenden Vermögensvermischung zwischen den Gesellschaften einzelne Gegenstände noch mit Bestimmtheit einer der Gesellschaften zuordnen lassen, weil sie sich etwa nicht am gemeinsamen Firmensitz, sondern auf dem ausschließlich von einer Gesellschaft genutzten Betriebsgrundstück befinden. Nur selten wird die Vermögensvermischung so total sein, dass sie wirklich die gesamten Vermögensmassen beider Gesellschaften erfasst 111 • Die Schwestergesellschaft verhält sich dann 109 Zutreffend schon Milde Gleichordnungskonzern S. 210 f. 11 0 Vgl. oben § 1 A I 3. 111 Unklarheiten über die Zuordnung einzelner Gegenstände reichen ftir eine Vermögensvermischung nicht aus, der BGH fordert beim Durchgriff auf einen Gesellschafter vielmehr eine "allgemeine" Verschleierung von Gesellschafts- und Privatver-

220

Durchgriffshaftung

nur insoweit widersprüchlich, als sie Gegenstände, die nicht eindeutig zugeordnet sind, nunmehr für sich reklamieren und die Zwangsvollstreckung in diese verhindem möchte (§ 771 ZPO). Es erscheint dagegen nicht widersprüchlich, wenn sie mit dem ihr eindeutig zuzuordnenden, von der Vermögensvermischung nicht betroffenen Restvennögen nicht für die Verbindlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft einstehen möchte, sondern dieses ihren eigenen Gläubigem vorbehält. Die weitergehende Haftung des Gesellschafters auch mit seinem eindeutig privaten Restvermögen basiert auf dessen Verantwortlichkeit für die Vermögensverschleierung gerade in der Schuldnergesellschaft. bb)

Vorteil aus der Vermögensvermischung

Der Durchgriff auf einen Minderheitsgesellschafter erscheint - auch ohne innergesellschaftlichen Einfluss und damit ohne direkte Verantwortung für die Vermögensvermischung -jedenfalls dann angezeigt, wenn er von der Vennögensvennischung unmittelbar profitiert hatll2. Gleiches könnte für Schwestergesellschaften gelten. Roth plädiert bei der vertikalen Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung sogar für "eine verschuldeusunabhängige Strukturhaftung in Reinkultur". Sie müsse grundsätzlich jeden Gesellschafter treffen, weil er auch ohne Verschulden einfach "näher daran" sei, das Risiko zu tragen, als der Gläubiger 113 • Ganz ähnlich spricht Wiedemann bei der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs von einer Statusverantwortung der mitunternehmerischen Gesellschafter 114 •

Dieser Gedanke einer Strukturhaftung führt gegenüber Schwestergesellschaften jedoch nicht weiter: Genauso wenig, wie ihnen die Vermögensverschleierung in der anderen Gesellschaft vorgeworfen werden kann, können sie auch für die dortigen Strukturen verantwortlich gemacht werden. Strukturhaftung verlangt zwar nicht nach einem Verschulden, wohl aber nach Zurechenbarkeit der Strukturen 115 : Deutlich wird das, wenn etwa Karsten Schmidt die von ihm für den "qualifiziert faktischen Konzern" geforderte

112 113 114 115

mögen, vgl. Baumbach!Hueck!Hueck!Fastrich § 13 Rn. 15; K. Schmidt Gesellschaftsrecht§ 9 IV 2 a, S. 234 ff. Aber auch bei einer solchen "allgemeinen" Verschleierung werden sich einzelne Gegenstände noch mit hinreichender Sicherheit dem Privatvermögen des Gesellschafters zuordnen lassen. Vgl. Raiser Kapitalgesellschaften§ 29 Rn. 24, S. 498. Roth LM § 13 GmbHG Nr. 24 BI. 7 R. Wiedemami ZGR 2003, S. 283, 292. Weitergehend stellt Flume AT I 2 § 3 III, S. 84, die Durchgriffshaftung insgesamt als Verhaltenshaftung des herrschenden Gesellschafters hin.

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Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Strukturhaftung als "Konsequenz eines von den Beteiligten geschaffenen objektiven Organisationstatbestands und der sich aus ihm ergebenden Risikoordnung" bezeichnet 116 • Geschaffen wird der Organisationstatbestand auch von den Minderheitsgesellschaftern; sie übernehmen durch den Beteiligungserwerb Verantwortung für die Strukturen in der Gesellschaft 117 • Bei aneinander nicht beteiligten Schwestergesellschaften fehlt ein solcher Schritt, der die Zurechnung der Strukturen rechtfertigen könnte. Mit der Strukturhaftung eng verwandt ist schließlich die Gefährdungshaftung, die dem Gedanken der Gefahrveranlassung und -beherrschung Rechnung tragen will 118 ; auch dieser Gedanke kann allein auf Minderheitsgesellschafter zutreffen, nicht auch auf Schwestergesellschaften. Deren Möglichkeiten zur Gefahrbeherrschung beschränken sich auf den eigenen Geschäftskreis. Bei Minderheitsgesellschaftern rechtfertigt deshalb nicht schon der Vermögenstransfer als solcher den Durchgriff119 • Hinzutreten muss ihre "Verantwortlichkeit" für die Strukturen in der Gesellschaft, die man auf den Beteiligungserwerb stützen kann. Bei aneinander nicht beteiligten Schwestergesellschaften fehlt diese Möglichkeit zur Zurechnung der Strukturen. Im Ergebnis sind deshalb Schwestergesellschaften für eine horizontale Vermögensvermischung nicht in einem solchen Maße verantwortlich, als dass sich darauf eine unbegrenzte Durchgriffshaftung der einen Gesellschaft für die Verbindlichkeiten der anderen stützen ließe. 2.

Sphärenvermischung

Der Begriff der Sphärenvermischung meint - sofern nicht lediglich als Synonym für die Vermögensvermischung verwendet- Fälle, in denen eine Gesellschaft von ihren Gesellschaftern oder auch Schwestergesellschaften organisatorisch nicht deutlich getrennt ist, insbesondere weil sie eine ähnliche Firma, den gleichen Sitz, die gleichen Geschäftsräume, den gleichen Telefonanschluss und die gleichen Bediensteten hat 120 . Nach zutreffender, heute ganz herrschender Ansicht fehlt in solchen Fällen für eine Durch116 K. Schmidt ZHR 155 (1991 ), S. 417, 439; dazu ausfuhrlieh oben § 5 II. 117 Wiedemann ZGR 2003, S. 283, 292 differenziert hier weiter zwischen bloßen Anlagegesellschaftern und Mitunternehmern. 118 Staudinger/Hager Vorbem zu§§ 823 ff. Rn. 28; BGHZ 105, 65, 66; 107, 359, 367: Gefährdungshaftung als Preis ftir das erlaubte Risiko. 119 Denn der Durchgriff ginge in der Rechtsfolge weit über eine reine "Vorteilsabschöpfung" hinaus. Gerade bei der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ist eine Begrenzung der Haftung strukturell unmöglich, vgl. Vetter Z!P 2003, S. 601, 604. 120 Lutter ZGR 1982, S. 244, 251 f.; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 III I a, S. 224; Ehricke AcP 199 (1999), S. 257, 299 ff.

222

Durchgriffshaftung

griffshaftung die erforderliche Regelungslücke, weil die in Betracht kommenden Fälle bereits nach Rechtsscheingesichtspunkten gelöst werden können121. Schwestergesellschaften haften demnach, wenn sie durch ihr Auftreten zurechenbar den Rechtsschein veranlasst haben, sie selbst seien am Geschäftsabschluss beteiligt, der Geschäftspartner darauf vertraut hat und der unzutreffende Rechtsschein für den Vertragsschluss kausal geworden ist 122 • Zu betonen ist das Erfordernis der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins. Wenn etwa der geschäftsführende Gesellschafter zweier annähernd namensgleicher Schwestergesellschaften einen Vertrag schließt, ohne hinreichend deutlich zu machen, welche der beiden Gesellschaften Vertragspartner werden soll, kann neben der eigentlichen Vertragspartnerin auch die andere Schwestergesellschaft haften, weil ihr der durch den eigenen Geschäftsführer geschaffene Rechtsschein zuzurechnen ist 123 • Fehlt hingegen die Zurechenbarkeit des Rechtsscheins oder das Vertrauen des Geschäftspartners, spricht auch nichts für eine Durchgriffshaftung der Schwestergesellschaft. 3.

Unterkapitalisierung

Im Vertikalverhältnis bildet die Fallgruppe der materiellen Unterkapitalisierung nach wie vor einen Diskussionsschwerpunkt In der Literatur wird überwiegend jedenfalls bei "qualifizierter" materieller 124 Unterkapitalisierung eine Durchgriffshaftung gefordert, weil die Kapitalausstattung wenigstens in äußersten Grenzen dem wirtschaftlichen Risiko der Gesellschaft entsprechen müsse 125 • Die Rechtsprechung ist dem überwiegend nicht gefolgt126, vom BSG 127 einmal abgesehen.

121 ScholzJEmmerich § 13 Rn. 86; Ehricke AcP 199 (1999), S. 257,299 ff.; Drax Konzern- und Durchgriffshaftung S. 55 f.; vgl. auch schon Wiedemami Gesellschaftsrecht § 4 I1I I a, S. 224: Grenze fließend; zur Haftung aus sogenanntem Konzernvertrauen Fleischer ZHR 163 ( 1999), S. 461; Baumbach/Hueck/Zöllner KonzernR Rn. 75. 122 Milde Gleichordnungskonzern S. 211 f.; ungenauer Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 86 f. 123 V gl. das Beispiel Nr. 20 bei K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 IV 2 b, S. 236 f. 124 Der bloß nominellen Unterkapitalisierung wird heute mit dem Eigenkapitalersatzrecht begegnet, vgl. ScholzJEmmerich § 13 Rn. 81. 125 Hachenburg/Ulmer Anh. nach § 30 Rn. 50 ff.; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff § 13 Rn. 7; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 III 1 b, S. 224 ff.; Stimpel FS Goerdeler S. 603, 608 f.; Raiser Kapitalgesellschaften § 29 Rn. 29 ff.; Lutter ZGR 1982, S. 244, 24 7 ff.; ablehnend K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 9 IV 4, S. 240 ff.; Ehricke AcP 199 (1999), S. 257, 275 ff. 126 BGHZ 68, 312; 31, 258, 268; BAG ZIP 1999, S. 878; weitere Nachweise bei ScholzJ Emmerich § 13 Rn. 94. 127 BSGE 56, 76; BSG ZIP 1996, S. 1134.

223

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Horizontal kann die Unterkapitalisierung einer Gesellschaft jedenfalls nicht zum Durchgriff auf ihre Schwestergesellschaften fuhren: Verbreitet wird schon fiir das Vertikalverhältnis angenommen, dass diejenigen Gesellschafter nicht haften müssen, die keinen Einfluss auf die Geschäftsfiihrung nehmen konnten 128 . Aneinander nicht beteiligte Schwestergesellschaften haben es erst recht nicht in der Hand, für eine angemessene Kapitalausstattung anderer Schwestergesellschaften zu sorgen; für die Kapitalaujbringung dort sind sie- anders als fiir die Kapitalerhaltung- nicht (mit-)verantwortlich 129 . 4.

Existenzvernichtender Eingriff und Institutsmissbrauch

Mit den Entscheidungen Bremer Vulkan und KBvJ 30 hat der BGH die Haftung des Gesellschafters für schädigende Einwirkungen auf seine GmbH aus dem konzernrechtlichen Kontext gelöst und als Durchgriffshaftung ausgestaltet. Der BGH hat damit zwar "keine neue Haftung erfunden. Es ist die alte Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der juristischen Person" 131 • Er hat aber die Tatbestandsvoraussetzungen soweit konkretisiert, dass sich die Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs vom allgemeinen "Auffangtatbestand" des Institutsmissbrauchs 132 abhebt. Der BGH hat den Durchgriffskatalog fiir die GmbH erweitert 133 • a)

Missbrauch der juristischen Person

Der Missbrauch des Instituts der juristischen Person wird seit jeher als Haftungsgrundlage für Fälle bereitgehalten, in denen die Gesellschafter das Haftungsprivileg bewusst zum Nachteil der Gläubiger einsetzen, um sich ihrer "an sich" bestehenden Haftung zu entziehen. Dabei benutzen sie die Gesellschaft zwar fonnal korrekt, verstoßen hierbei jedoch gegen Ordnungsprinz~ien des geltenden Rechts oder die Anforderungen von Treu und Glauben13 . Als mögliche Anwendungsfalle wurden insbesondere die künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Unternehmens in zahlreiche Gesellschaften 128 Scholz/Emmerich § 13 Rn. 85; Lutter/Hommelhoffin Lutter/Hammelhaff § 13 Rn. 10 ftir die nachträgliche Unterkapitalisierung. 129 Vgl. oben§ 2 I 3 und Windbichler RdA 2000, S. 238, 240: Wegen Unterkapitalisierung könne nur haften, wer eine Finanzierungsverantwortung trage; das sei bei der Schwestergesellschaft nicht der Fall. 130 BGHZ 149, 10; 151, 181. 131 Wilhelm NJW 2003, S. 175, 177; ebenso Drygala GmbHR 2003, S. 729, 731. 132 Vgl. Lutter/Hommelhoffin Lutter/Hammelhaff § 13 Rn. 26. 133 Wiedemann ZGR 2003, S. 283, 290. 134 Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 III I d, S. 227 f.; Raiser Kapitalgesellschaften§ 29 Rn. 32, S. 500 f.; Baumbach/Hueck/Hueck/ Fastrich § 13 Rn. 15; Scholz!Emrnerich § 13 Rn. 87; Lutter/Hornmelhoff in Lutter/Hommelhoff § 13 Rn. 26; kritisch GKAktG!Brändel § I Rn. 114.

224

Durchgriffshaftung

(ähnlich den amerikanischen "Taxi-Fällen") 135 und "GmbH-Stafetten" 136 genannt. So hat Ehlke im Anschluss an Autokran vorgeschlagen, sich dann, wenn jemand tätigkeitsgleiche Gesellschaften mbH parallel schalte, einheitlich lenke und auch wirtschaftlich zwischen ihnen nicht dauerhaft unterscheide, über die formale Trennung der Gesellschaften hinwegzusetzen und dem Gläubiger den Zugriff auf sämtliche Konzerngesellschaften zu gestatten. Technisch wollte Ehlke dies allerdings nicht über eine Durchgriffshaftung, sondern durch eine (nicht näher erläuterte) "teleologische Ausweitung" der §§ 30, 31 GmbHG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs erreichen137. Die "GmbH-Stafetten" zeichnen sich dadurch aus, dass die Gesellschafter den Geschäftsbetrieb nach Insolvenz der alten GmbH einfach im Rahmen einer neuen GmbH fortfUhren, bis auch diese wiederum insolvent wird. Der BGH hat in solchen "GmbH-Stafetten" zunächst einen Hauptanwendungsfall ftir die Haftung im "qualifiziert faktischen Konzern" gesehen 138 • In der KR VEntscheidung hat er eine "GmbH-Stafette" zum Anlass genommen, die (in Bremer Vulkan und dem Folgeurteil vom 25. Februar 2002 zunächst nur angekündigte) neue Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs zu praktizieren: Verschieben die Gesellschafter Vermögenswerte der alten Gesellschaft in eine neue, so dass die alte Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann, liegt darin "ein Missbrauch der Rechtsform der GmbH, der zum Verlust des Haftungsprivilegs ftihren muss", sofern der zugefUgte Nachteil nicht anders ausgeglichen werden kann 139 • b)

Horizontaler Durchgriff

Der (eher allgemeine) Gesichtspunkt des Missbrauchs des Instituts der juristischen Person wurde bisher kaum herangezogen, um eine Durchgriffshaftung auch im Horizontalverhältnis zu begründen. Denn es erscheint naheliegend, dass die Rechtsfolgen eines Institutsmissbrauchs seine Organisatoren treffen sollten, damit die Gesellschafter, nicht auch Parallelgesellschaften 140 •

135 ScholzJEmmerich § 13 Rn. 87; zu den "Taxi-Fällen" vgl. unten§ 7 I 2 c. 136 V gl. Raiser Kapitalgesellschaften § 29 Fn. 59, S. 50 l. 137 Ehlke DB 1986, S. 523, 526; eingehend dazu K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 436 ff. und Jaschinski Schwestergesellschaften S. 194 ff. 138 BGH NJW 1996, S. 1283, 1284. 139 BGHZ 151,181, 187-KBV; vgl. seitherOLG RostockZIP2004, S. 118. 140 Windbichler RdA 2000, S. 238, 239 f.; Jaschinski Schwestergesellschaften S. 197 f.; ebenso - nach Bremer Vulkan - Vetter ZIP 2003, S. 601, 609 und Emme-

225

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Die von Ehlke vorgeschlagene Haftung parallel geschalteter, einheitlich gelenkter Gesellschaften würde auf eine Strukturhaftung hinauslaufen, die der von Karsten Schmidt für den Fall "qualifizierter Gleichordnung" vorgeschlagenen ähnelt und deshalb auch den gleichen Einwänden ausgesetzt ist 141 • Bei "GmbH-Stafetten" lohnt zudem die Auffanggesellschaft meist ebenso wenig als Zugriffsobjekt wie die insolvent gewordene Vorgängergesellschaft. Denn das Stafettenmodell basiert gerade darauf, dass neben der Ausgangs-GmbH auch alle nachfolgenden Gesellschaften nicht ordnungsgemäß mit Kapital ausgestattet sind, deshalb alsbald insolvent und ersetzt werden. Die Vermögenswerte, auf die ein Zugriff lohnen würde, sind hier bei den Gesellschaftern oder in getrennten Besitzgesellschaften konzentriert, nicht in der Auffanggesellschaft. Auf der Basis von Bremer Vulkan hat vor allem Raiser 142 Überlegungen angestellt, wie eine horizontale Durchgriffshaftung nach der in der Vertikalen vollzogenen Rechtsprechungsänderung aussehen kann. Im Anschluss an die Vorarbeiten insbesondere von Karsten Schmidt und Henssler 143 will Raiser eine Verlustgemeinschaft zwischen Schwestergesellschaften und einen Haftungsdurchgriff der Gläubiger einer Schwester gegen eine andere bei der Betriebsaufspaltung und im Gleichordnungskonzern in zwei voneinander unabhängigen Fällen zulassen: In einer ersten Fallgruppe will er - Ehlke, Karsten Schmidt und Lutter/Drygala folgend 144 - an die Ausübung von Leitungsmacht anknüpfen: Die zahlungsfähige Schwestergesellschaft soll haften, wenn sie selbst Leitungsmacht auf die zahlungsunfähige Schwester ausübt und dabei keine angemessene Rücksicht auf deren Vermögenslage nimmt, so dass die Schwester ihre Verbindlichkeit nicht mehr begleichen kann 145 • Raiser empfiehlt damit die Ansätze der genannten Autoren auch nach Bremer Vulkan als Muster für die rechtsfortbildende Judikatur. Raiser rechnet allerdings - auf der Basis von Bremer Vulkan -noch die Abhängigkeit der GmbH von einem Alleingesellschafter zu den Tatbestandsmerkmalen der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs 146 . Dieses Erfordernis der (konzernrechtlichen)

141 142 143 144 145 146

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richJHabersack Anh. § 318 Rn. 36, positiver jedoch ders. Anh § 318 Fn. 126; vgl. auch Milde Gleichordnungskonzern S. 2 I 0 f. (dort zur Vermögensvermischung). Vgl. oben§ 511. FS Ulmer, S. 493. K. Schmidt ZHR 155 (1991 ), S. 417; Henssler ZGR 2000, S. 479, jeweils noch zum "qualifiziert faktischen Konzern". Ehlke DB 1986, S. 523; K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417; Drygala Betriebsaufspaltung; Lutter/Drygala ZGR 1995, S. 557. Raiser FS Ulmer, S. 493, 507 ff. FS Ulmer S. 493, 500.

Durchgriffshaftung

Abhängigkeit mag es nahe legen, im Horizontalverhältnis den ebenfalls konzernrechtlichen Begriff der "Leitungsmacht" (vgl. § 308 AktG) heranzuziehen. Der BGH hat das Merkmal der Abhängigkeit in den Folgeentscheidungen vom 25. Februar 2002 und KBV147 fallen gelassen, so dass ein auf die Ausübung von Leitungsmacht abstellendes Haftungskonzept durch die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff jedenfalls nicht bestätigt wird 148 • Wegen der Einzelheiten wird nach oben verwiesen 149 • In der zweiten Fallgruppe will Raiser- in Anlehnung an Henssler 150 - einen horizontalen Durchgriff auf die zahlungsfähige Schwester zulassen, wenn der Haftungsdurchgriff gegen den beide Schwestern beherrschenden Gesellschafter scheitert, weil er nicht erreichbar oder nicht zahlungsfähig ist, und wenn er Vermögenswerte auf die zahlungsfähige Schwester übertragen hat, die bei angemessener Rücksichtnahme auf die Belange der Schuldnerischen Schwester dieser zugestanden hätten. Die speziellen Haftungsvoraussetzungen und der Inhalt der Haftung, die Henssler noch am Tatbestand des "qualifiziert faktischen Konzerns" ausgerichtet hatte, sollen sich nunmehr nach den Tatbestandsmerkmalen des existenzvernichtenden Eingriffs richten. Raiser verweist darauf, dass auch im Falle des § 31 GmbHG ein dem Gläubigerschutz dienender Ausgleichsanspruch gegen einen Gesellschafter auf ein mit diesem verbundenes Unternehmen erstreckt werde; gerechtfertigt werde dies mit der wirtschaftlichen Verbundenheit zwischen dem Gesellschafter und dem Empfänger der Leistung 151 . In der Erstreckung derartiger Ansprüche könne man einen allgemeinen Grundsatz des Kapitalschutzrechts sehen 152 • Schon bei dem von Raiser zum Vergleich herangezogenen Ausgleichsanspruch nach § 31 GmbHG kann die Erstattungspflicht der Schwestergesellschaft aber richtigerweise nicht mit dem wirtschaftlichen Näheverhältnis zum Gesellschafter begründet werden: Eine Mithaftung der Schwestergesellschaft flir Pflichtverletzungen des Gesellschafters verstieße gegen das Trennungsprinzip und die Kapitalbindung in der empfangenden Gesellschaft 153 . Die Erstattungspflicht nach § 31 GmbHG beruht vielmehr darauf, dass die empfangende Schwestergesellschaft durch die Annahme einer societatis causa motivierten Zuwendung eine eigene Pflicht verletzt; denn sie ist inso147 148 149 !50 !51

BGHZ 150, 61; 151, 181. Ähnlich Vetter ZIP 2003, S. 601, 609. Oben§ I C !I 2 e. ZGR 2000, S. 479. Daneben nennt Raiser noch den Gesichtspunkt der Gesetzesumgehung und des Missbrauchs der Gestaltungsfreiheit (FS Ulmer S. 493, 506, Rechtsprechungsnachweise in Fn. 35); zu § 31 GmbHG ausfUhrlieh oben § 2 I. !52 Raiser FS Ulmer S. 493, 506 f., 509. !53 Näher oben § 2 I I.

227

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

weit fiir die Kapitalerhaltung bei der auszahlenden Schwestergesellschaft mitverantwortlich, als sie solche Zuwendungen nicht annehmen darf154 . Entsprechend kann auch die Durchgriffshaftung der Schwestergesellschaft nicht mit einer Pflichtverletzung (allein) des gemeinsamen Gesellschaftersdem existenzvernichtenden Eingriff- gerechtfertigt werden. Der Schwestergesellschaft ist der existenzvernichtende Eingriff in der zweiten Fallgruppe Raisers gerade nicht vorzuwerfen. Ein solcher Vorwurf wäre aber erforderlich: Schon vertikal wird nicht auf jeden Mitgesellschafter durchgegriffen, sondern nur auf solche, deren Einverständnis mitursächlich fiir die Schädigung war 155 . Wenn man mit Wiedemann die Haftung auf jeden mitunternehmerischen Gesellschafter ausdehnen will, weil diese "fiir die Finanzverfassung ihres Hauses verantwortlich" seien 156 , so trifft Schwestergesellschaften eine solche umfassende Verantwortung fiir das "gesamte Haus" gerade nicht. Ohne eine solche Statusverantwortung dürfte der Umstand, dass die Schwestergesellschaft von dem Vermögenstransfer profitiert hat, für sich allein nicht genügen, einen horizontalen Durchgriff zu rechtfertigen; denn dieser ginge in der Rechtsfolge weit über eine bloße Vorteilsabschöpfung bzw. Erstattungspflicht (§ 31 GmbHG) hinaus 157 . Gegen einen horizontalen Durchgriff bei existenzvernichtendem Eingriff sprechen letztlich dieselben Gründe, die oben bereits für Fälle einer horizontalen Vermögensvermischung angeführt wurden 158 •

IV.

Umgekehrter Haftungsdurchgriff

Ein Durchgriff auf Schwestergesellschaften lässt sich möglicherweise auch mit Hilfe des sogenannten umgekehrten Haftungsdurchgriffs erreichen: Zunächst wäre - wegen Vennögensvennischung, existenzvernichtenden Eingriffs etc. - "nach oben" auf den gemeinsamen Gesellschafter durchzugreifen, sodann von diesem "umgekehrt", nämlich "nach unten", auf die Schwestergesellschaft 159 .

!54 Ausführlich oben§ 2 I 3. !55 V gl. BGHZ !50, 61, 2. Leitsatz; Lutter/Banerjea ZGR 2003, S. 402, 436 ff. und oben § 6 III I b. !56 Wiedemann ZGR 2003, S. 283,292. !57 Vgl. zum Vertikalverhältnis Wiedemann ZGR 2003, S. 283, 292, wonach "derbegünstigte Gesellschafter nach § 31 GmbHG lediglich auf Erstattung des veruntreuten Vermögenswertes haftet, nicht aber für eine Schuldenlast aufkommen muss, die bei einem Dominoeffekt entsteht. Hier eröffnet die Durchgriffshaftung eine neue Dimension."

!58 Vgl. oben§ 6 III l b; ebenfalls ablehnend Vetter ZIP 2003, S. 601,609. 159 Zum umgekehrten Haftungsdurchgriff im amerikanischen Recht vgl. unten § 7 I 2 d.

228

Durchgriffshaftung

1.

Meinungsstand

Der BGH hat in den fünfziger Jahren in Aufrechnungsfallen einen umgekehrten Haftungsdurchgriff zu Lasten von "Kriegsgesellschaften" praktiziert160: Das Reich hatte - teilweise zusammen mit Privaten 161 Gesellschaften gegründet, die in privatrechtlicher Form meist als GmbH organisiert waren, jedoch hoheitliche Aufgaben bzw. solche der Kriegs- und Rüstungsindustrie wahrnehmen sollten. Nach dem Krieg machten diese Gesellschaften Forderungen gegen Geschäftspartner geltend, die daraufhin mit gegen das Reich gerichteten Forderungen die Aufrechnung erklärten 162 . Der BGH hat die Aufrechnung trotz mangelnder Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) jeweils zugelassen und die Klagen der "Kriegsgesellschaften" abgewiesen. Zur Begründung führte er insbesondere aus, die Berufung auf die Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter könne der Gesellschaft nach Treu und Glauben verwehrt sein, wenn sie von ihrem Gesellschafter derart beherrscht werde und im Rechtsverkehr in einer solchen Weise auftrete, dass sie als unselbständiges Werkzeug dieses Gesellschafters erscheine 163 . Eine Übertragung dieses Grundsatzes auf andere als "Kriegsgesellschaften" hat der BGH bereits 1957 ausdrücklich abgelehnt 164 : die Aufrechnungsrechtsprechung beruhe maßgeblich darauf, dass die "Kriegsgesellschaften" nach dem Krieg Forderungen gerade aus dem Funktionsbereich des Reiches geltend machten, während andererseits für gegen das Reich gerichtete Forderungen keine Erfüllung zu erlangen war. Die Beeinträchtigung der Haftungsgrundlage dieser Gesellschaften durch die Zulassung der Aufrechnung sei 160 BGHZ 3, 316; 10, 205; 17, 19; dazu Hachenburg!Mertens Anh § 13 Rn. 41; Wiedemann Gesellschaftsrecht S. 228 m.w.N. 161 Die Beteiligung des Reiches an derartigen Kriegsgesellschaften war durchaus unterschiedlich: in BGHZ 3, 316 hielt das Reich- über die Reichswerke fur Binnenschiffahrt Hermann Göring - lediglich 25% des Stammkapitals, in BGHZ 10, 205 befanden sich dagegen sämtliche Geschäftsanteile in der Hand des Rüstungsministeriums. 162 Anschaulich BGHZ I 0. 205: DieKlägerin-eine GmbH- forderte von der Beklagten Zahlung für zwei Baracken, die sie zur Unterbringung von Rüstungsarbeitern geliefert hatte; die Beklagte, die mit Rüstungsaufträgen für das Reich beschäftigt gewesen war, hatte hieraus noch uneinbringliche Forderungen gegen das Reich in Höhe von 900.000 RM. 163 BGHZ 17, 19, 23; von BGHZ 26, 31, 34 f. als "der maßgebliche Gesichtspunkt" bezeichnet. 164 BGHZ 26, 31: Die Beklagte wollte gegenüber der klagenden GmbH mit einer Forderung aufrechnen, die ihr gegen die Firma N.-Werkstätten zustand; die GmbH sei mit dieser anderen Firma identisch, weil deren Inhaber rechtlich und wirtschaftlich maßgeblich an der GmbH beteiligt sei. Den Ausnahmecharakter der Aufrechnungsrechtsprechung gegenüber Kriegsgesellschaften betont auch BGH WM 1961, S. II 03, 1104.

229

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

nur gerechtfertigt, weil Gläubiger solcher Gesellschaften keine bessere Stellung erwarteten und erwarten konnten, als sie Reichsgläubiger hatten. Das Gesellschaftsvermögen sei allein der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger vorbehalten und dürfe daher den Gläubigem des herrschenden oder alleinigen Gesellschafters nicht haften, wenn kein besonderer Anlass bestehe, den Gläubigerschutz wegfallen zu lassen 165 • Der Bundesgerichtshofhat diese Linie in neueren Entscheidungen beibehalten und den umgekehrten Haftungsdurchgriff ftir unvereinbar mit den Kapitalerhaltungsvorschriften erklärt; zumindest offen gelassen wurde jedoch, "ob dieser Grundsatz in besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen eng umgrenzte Durchbrechungen erleiden könnte" 166 • Instanzgerichte haben Drittwiderspruchsklagen (§ 771 ZPO) von EinmannGesellschaften wiederholt mit Durchgriffsüberlegungen abgewiesen: So kann sich nach einem Urteil des OLG Hamm eine Einmann-GmbH nicht auf ihr Eigentum an einem gepfändeten Pkw berufen, wenn er wirtschaftlich dem Vennögen des Alleingesellschafters zuzuordnen und dieser Schuldner der der Pfändung zugrundeliegenden Forderung ist 167 • Entscheidend sei nicht die rechtlich-fonnale Konstruktion, sondern die wirtschaftliche Zugehörigkeit des Fahrzeugs zum Vermögen der Alleingesellschafterin; "bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die alleinige Gesellschafterin, zu deren Privatvermögen alle Geschäftsanteile der GmbH und damit auch deren Vermögensgegenstände gehören, Eigentümerindes Kraftfahrzeugs" 168 • In einem ähnlich ~elagerten Fall ist das OLG Düsseldorf zu dem gleichen Ergebnis gelangt 1 9 : Zwar bestünden Zweifel, ob die formal-rechtliche Eigentumszuordnung bei einer Vollstreckung gegen den Alleingesellschafter immer

165 BGHZ 26, 31,36 f. 166 BGH NJW-RR 1990, S. 738, 739; weitergehend BGHZ 78, 318, 333: "Regelmäßig ist... auch umgekehrt die Haftung der juristischen Person flir Verbindlichkeiten des hinter ihr stehenden Berechtigten (Gesellschafters) ausgeschlossen. Eine Ausnahme muss jedoch dann gelten, wenn die Anwendung dieses Grundsatzes zu Ergebnissen führen würde, die mit Treu und Glauben nicht in Einklang stehen, und wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen einen Rechtsmissbrauch bedeutet."; vgl. auch die von Goette DStR 1996, S. 974 und 1999, S. 1822 kommentierten Nichtannahmebeschlüsse des BGH; ohne die Einschränkung flir Ausnahmekonstellationen OLG Dresden NZG 2000, S. 32, 34. 167 OLG Hamm NJW 1977, S. 1159 mit abl. Anm. Wilhelm S. 1887; zustimmend z.B. Baumbach/Lauterbach/Hartmann § 771 ZPO Rn. 18 "Gesellschaft"; i.E. auch Zö11er!Herget § 771 ZPO Rn. 14 "Einmann-GmbH": Widerspruchsklage ist rechtslogisch begründet, wird wegen der großen Missbrauchsgefahr (Hin- und Herschieben der Vermögenszuordnung) jedoch versagt. 168 OLG Hamm NJW 1977, S. 1159, 1160. 169 OLG DüsseldorfGmbHR 2000, S. 283 mit abl. Anm. Emde.

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Durchgriffshaftung

einer rein wirtschaftlichen Betrachtung weichen müsse, weil so die Gefahr bestehe, dass die GmbH zugunsten der Gläubiger des Alleingesellschafters "leergepfändet" werde. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die Gesellschaft Vermögenswerte zurückhalte, die "eigentlich" dem Gesellschafter zustünden; so habe die GmbH darauf verzichtet, den gepfändeten Pkw zu veräußern, um mit dem Erlös offenstehende Gehaltsforderungen des geschäftsfiihrenden Alleingesellschafter bezahlen zu können. Dieser habe sich damit hinsichtlich seines Privatvermögens bewusst schlechter gestellt und den eigentlich ihm zustehenden Wert im Vermögen der Gesellschaft belassen 170 • Die neuere Literatur lehnt den umgekehrten Haftungsdurchgriff ganz überwiegend ab, weil er gegen das Trennungsprinzip (§ 13 Abs. 1 und 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 AktG) und die Kapitalbindung (§ 30 GmbHG, § 57 AktG) verstoße 171 • Die Gläubiger des Gesellschafters seien zudem durch die Möglichkeit, in die vom Gesellschafter gehaltenen Geschäftsanteile zu vollstrecken, bereits genügend geschützt 172 • Ein Verfechter des umgekehrten Haftungsdurchgriffs ist Serick: Dogmatisch könnten keine Bedenken bestehen, bei einer Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter auch von oben nach unten, vom Gesellschafter auf die Gesellschaft, zuzugreifen. Auch die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft stünden dem nicht entgegen; denn wie etwa die Regelung des gutgläubigen Eigentumserwerbs zeige, müsse das Recht oft zwischen den Interessen zweier Parteien wählen. Es sei nicht unbillig, wenn der später berechtigte Gläubiger der Gesellschaft hinter dem früher berechtigten Gläubiger des Gesellschafters zurücktreten müsse 173 • Auch Drobnig möchte den umgekehrten Haftungsdurchgriff ebenso anerkennen wie den direkten, jedoch unter der weiteren Voraussetzung, dass die (vorrangig vorzunehmende) Verwertung der Geschäftsanteile erschwert sein

170 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, S. 283, 285. 171 Scholz!Emmerich § 13 Rn. 96 mit dem Hinweis, das italienische Recht sehe einen umgekehrten Haftungsdurchgriff ausdrücklich vor (Fn. 160); Baumbach/Hueck! Hueck!Fastrich § 13 Rn. 18; Lutter/Hommelhoffin Lutter/Hommelhoff§ 13 Rn. 28; Hachenburg!Mertens Anh § 13 Rn. 24; MüKo-AktG/Heider § I Rn. 63; ausführlich Rehbinder Konzernaußenrecht S. 355 ff.; Wiedemann Gesellschaftsrecht S. 228; Wilhelm NJW 1977, S. 1887; Müller-Freienfels AcP 1957, 522, 542. 172 Wilhelm NJW 1977, S. 1887; Rehbinder Konzernaußenrecht S. 355; aus der Rechtsprechung OLG Dresden NZG 2000, S. 32, 34. 173 Serick Durchgriffsprobleme S. 25 f.; ders. Rechtsform S. 207 zu möglichen Rechtsfolgen des Durchgriffs: "Denkbar ist weiterhin die Gleichsetzung des Korporationsvermögens mit dem Vermögen der Gesellschafter, um Gläubigem der Gesellschaft den Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft oder um Gläubigern eines Gesellschafters die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zu ermöglichen."

231

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

muss 174 . Drobnig sieht im Haftungsdurchgriff allgemein einen haftungsrechtlichen Ausgleich von gläubigergefährdenden Vermögensverschiebungen. So werde im Falle des Haftungsdurchgriffs auf den Gesellschafter nur der dort durch unlautere Machenschaften entstandene Vermögenszuwachs ausgeglichen, der zwar auch seine persönlichen Gläubiger begünstige, aber eben ohne rechtlichen Grund. Die Erwartungen dieser Gläubiger würden durch den Haftungsdurchgriff nur wieder auf ihr berechtigtes Maß zurückgeflihrt 175 • 1995 hat Messer erklärt, die Möglichkeit des umgekehrten Haftungsdurchgriffs könne gegeben sein, wenn eine Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft gegründet hat, um auf diese Vermögen auszulagern und es so dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger der Muttergesellschaft zu entziehen 176 • Henssler hat in seiner Besprechung der BAG-Entscheidung zum horizontalen Durchgriff darauf hingewiesen, dass die gegenüber dem umgekehrten Haftungsdurchgriff bestehenden Bedenken fiir den Fall eines horizontalen Durchgriffs auf die Besitzgesellschaft nicht einschlägig wären; denn das Vermögen der Besitzgesellschaft sei nur aufgrund eines von der herrschenden Verwaltungsgesellschaft gesteuerten Transfers von der Betriebs- in die Besitzgesellschaft entstanden. Anders als in der Grundkonstellation des umgekehrten Durchgriffs könne den Gläubigem des herrschenden Unternehmens (Gesellschafters) der Zugriff auf dieses "künstlich" zur Besitzgesellschaft verschobene Vermögen nicht mit dem Hinweis auf die Kapitalerhaltungsvorschriften verwehrt werden 177 •

Schließlich hat der umgekehrte Haftungsdurchgriff im Ausland einige Anerkennung gefunden 178 .

2.

Stellungnahme

Der umgekehrte Haftungsdurchgriff lässt sich jedenfalls nicht mit dem bloßen Hinweis auf das Trennungsprinzip, die Kapitalbindung und die Möglichkeit der Pfarrdung von Geschäftsanteilen ablehnen.

174 Drobnig Haftungsdurchgriff S. 68 ff. 175 Drobnig Haftungsdurchgriff S. 60 f., 66. 176 Messer ZHR 159 (1995), S. 375, 376 unter Hinweis auf BGHZ 118, 151; ähnlich schon Freese NJW 1956, S. 283 zur Einmann-GmbH. 177 Henssler ZGR 2000, 479, 500. 178 Für das italienische Recht vgl. den Hinweis bei Scholz!Emmerich § 13 Rn. 96, Fn. 160; zum amerikanischen Recht vgl. unten§ 7 I 2 d.

232

Durchgriffshaftung

Dem Trennungsprinzip und der Kapitalbindung kann beim umgekehrten Haftungsdurchgriff kaum ein höherer Stellenwert beigemessen werden als beim direkten Durchgriff: Zum einen ist es gerade der Zweck eines jeden Haftungsdurchgriffs, das Trennungsprinzip zu durchbrechen, gleich, ob dies "von unten nach oben" oder "von oben nach unten" geschieht. Zum anderen ist auch beim direkten Durchgriff die Kapitalbindung berührt, wenn nämlich die Gläubiger einer Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft durchgreifen wollen 179 ; denn auch das Kapital der Muttergesellschaft ist allein fiir ihre eigenen Gläubiger reserviert. Die Berufung auf das Trennungsprinzip und die Kapitalerhaltung verdeutlicht demnach nur, dass eine Durchgriffshaftung immer nur in Ausnahmefällen Platz greifen kann; genau fiir solche Ausnahmefälle hat aber der BGH die Möglichkeit eines umgekehrten Haftungsdurchgriffs ausdrücklich offen gelassen. Die strikte Ablehnung des umgekehrten Haftungsdurchgriffs überrascht, wenn man sich die Argumentation in Erinnerung ruft, mit der die herrschende Meinung Schwestergesellschaften in das Kapitalerhaltungsrecht einbezieht: Zwar sei fiir die Kapitalerhaltung in der leistenden Gesellschaft nur der Gesellschafter verantwortlich, nicht auch die Schwestergesellschaft; wegen ihres wirtschaftlichen Näheverhältnisses zum Gesellschafter müsse die Schwestergesellschaft empfangene Leistungen aber gleichwohl erstatten. Bei dieser Argumentation erscheinen Trennungsprinzip und Kapitalbindung in ähnlicher Weise verletzt wie beim umgekehrten Haftungsdurchgriff180 • Der Verweis auf die Möglichkeit der Pfändung von Geschäftsanteilen ist insofern richtig, als fiir einen umgekehrten Haftungsdurchgriff kein Bedürfnis besteht, wenn Gläubiger bereits durch Zugriff auf das Vermögen des Gesellschafters oder auf die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile Befriedigung erlangen können. Umgekehrt erscheint die Möglichkeit eines umgekehrten Haftungsdurchgriffs zumindest diskussionswürdig, wenn Gesellschafter und Gesellschaft insolvent, die Geschäftsanteile somit wertlos sind. Für Gläubiger der Schwestergesellschaft ist der umgekehrte Haftungsdurchgriff daher ausschließlich in der Konzerninsolvenz von Interesse, wenn nämlich neben ihrer direkten Schuldnerirr auch die gemeinsame Muttergesellschaft und die Schwestergesellschaft insolvent sind. Serick und Drobnig sehen im umgekehrten Haftungsdurchgriff das natürliche Gegenstück zum direkten Durchgriff. Der umgekehrte Durchgriff hält sich - anders als der zuvor untersuchte horizontale - an die "genealogischen

179 Zutreffend schon Rehbinder Konzernaußenrecht S. 356 Fn. 636. 180 Ausführlich oben § 2 I I.

233

Horizontale Konzern- und Durchgriffshaftung

Verbindungslinien" im Konzern 181 • Die Einstandspflicht könnte ihre Grundlage deshalb im Beteiligungsverhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft finden. Die Gemeinsamkeiten zwischen dem direkten und dem umgekehrten Durchgriff sind allerdings schnell erschöpft: Unterschiede ergeben sich zunächst bei der rechtstechnischen Umsetzung. Der direkte Durchgriff wird als Restriktion des HaftungsJirivilegs gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG interpretiert' 2. Entsprechend ließe sich der umgekehrte Durchgriff als teleologische Reduktion der Kapitalerhaltungsvorschriften (§§57 AktG, 30 GmbHG) verstehen, wenn man mit Drobnig, Messer und Henssler an "künstliche" Vermögensverschiebungen zwischen den Gesellschaften anknüpfen will: Es liegt nahe, die zugunsten der Gesellschaftsgläubiger geltende Kapitalbindung dann einzuschränken, wenn das Gesellschaftsvermögen wesentlich erst durch "künstliche" Verschiebungen aus Mutter- oder Schwestergesellschaften entstanden ist und deren Gläubiger nunmehr leer auszugehen drohen. Die "künstlichen" Vermögensverschiebungen bedingen die teleologische Reduktion der Kapitalerhaltungsvorschriften in der Empfängergesellschaft. Allerdings stützt sich der direkte Durchgriff wesentlich auch auf den handelsrechtliehen Grundsatz, dass derjenige, der ohne wirksame Haftungsbeschränkung Geschäfte betreibt, fiir die daraus entstehenden Verbindlichkeiten haften muss 183 • In der umgekehrten Richtung fehlt ein solcher Grundsatz. Deshalb wäre hier § 242 BOB als Anspruchsgrundlage heranzuziehen, was allerdings nur bei einem Verzicht auf die Sonderverbindung als Tatbestandsmerkmal 184 möglich ist. Eine Sonderverbindung wird zwischen Durchgriffsgläubiger (Geschäftspartner der Mutter- bzw. Schwestergesellschaft) und Durchgriffsschuldner (Gesellschaft) regelmäßig fehlen. Auch die zum direkten Durchgriff entwickelten Fallgruppen könnten nicht einfach übernommen werden, sondern müssten mit dem Gedanken der "künstlichen" Vermögensverschiebungen abgestimmt werden, der erst eine teleologische Reduktion der Kapitalerhaltungsvorschriften rechtfertigen könnte. Es ist evident, dass beispielsweise die Unterkapitalisierung einer Tochtergesellschaft kein Grund fiir einen umgekehrten Haftungsdurchgriff auf sie sein kann. Anders könnte im Fall der Vermögensvermischung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu entscheiden sein, wenn man etwa

181 182 183 184

234

Vgl. Pau!us ZIP 1996, S. 2141, 2146 zur Konzernhaftung. Näher oben § 6 II 2. Dazu oben § 6 II 2. Vgl. oben§ 6 II 3 b.

Durchgriffshaftung

der Argumentation Drükes folgen wollte, wonach es ein venire contra factum proprium darstellt, wenn sich Gesellschaften, die die Regularien ihrer getrennten Vermögenssphären nicht beachten, in der Insolvenz auf die getrennte Zuordnung von Rechten und Pflichten berufen wollen 185 • Dieser, von Drüke für den direkten und den horizontalen Durchgriff entwickelte Ansatz müsste konsequent auch auf den umgekehrten Durchgriff übertragen werden. Das Problem des umgekehrten (wie auch des horizontalen) Durchgriffs besteht darin, dass der Durchgriffsschuldner für den Umstand, der zu seiner Durchgriffshaftung führen soll, regelmäßig selbst nicht verantwortlich gemacht werden kann. Die Tochtergesellschaft ist weder für ihre eigene Unterkapitalisierung verantwortlich, noch für eine solche ihrer Mutter- oder Schwestergesellschaft. Auch gegen "künstliche" Vermögensverschiebungen kann sie sich möglicherweise nicht wehren, wenn diese von der Muttergesellschaft initiiert wurden. Auf Konzemstrukturen, an die eventuell eine Durchgriffshaftung wegen Institutsmissbrauchs geknüpft werden könnte, hat sie keinen Einfluss. Diese fehlende Verantwortlichkeit steht dem umgekehrten Durchgriff regelmäßig entgegen. Ob zumindest im Sonderfall der Konzerninsolvenz etwas anderes gelten könnte, dort also ein umgekehrter oder horizontaler Durchgriff auf Schwestergesellschaften auch allein mit den Interessen der beteiligten Gläubiger gerechtfertigt werden könnte, ist im 3. Teil der Arbeit zu klären.

185 Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 73 ff.; näher dazu oben § 6 III I.

235

3. Teil: Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz Praktische Bedeutung gewinnt die Haftung von Schwestergesellschaften regelmäßig erst in der Konzerninsolvenz, worunter hier - mangels Insolvenzfähigkeit des Gesamtkonzerns - die gleichzeitige Insolvenz der Schwestergesellschaften und ihrer gemeinsamen Muttergesellschaft verstanden werden soll: Von der Insolvenz der benachteiligten Schwestergesellschaft ist auszugehen, weil schon der Vorstand einer AG wegen seines Interesses an einer Wiederbestellung und der Gefahr eigener Haftung(§§ 93 Abs. 2, 318 AktG) kaum geneigt sein wird, gegen den Willen der Muttergesellschaft Ersatzansprüche gegenüber Schwestergesellschaften geltend zu machen oder außenstehende Aktionäre und Gläubiger mit den dafür notwendigen Informationen zu versorgen; vom Geschäftsführer einer GmbH kann dies erst recht nicht erwartet werden. Regelmäßig wird sich deshalb erst ein Insolvenzverwalter, der Zugriff auf die Geschäftsunterlagen hat, ein ausreichendes Bild von den Beziehungen der Gesellschaft zu Schwestergesellschaften machen und Ansprüche durchsetzen können. Für Gläubiger besteht überdies kein Grund zum Zugriff auf Schwestergesellschaften, solange ihr eigener Schuldner noch leistungsfähig ist 1• Die Insolvenz der gemeinsamen Muttergesellschaft kann unterstellt werden, weil bei Leistungsfähigkeit der Muttergesellschaft der Zugriff auf sie näher liegen würde als der Zugriff auf Schwestergesellschaften. Er kann sogar aus Rechtsgründen vorgehen: Das Konzernhaftungsrecht der §§ 291 ff. AktG konzentriert die Haftung beim herrschenden Unternehmen, unabhängig davon, welche Konzerngesellschaft von der Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft profitiert hat (vgl. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG). Eine Regelungslücke lässt sich daher nur dann annehmen, wenn der Zugriff auf die Muttergesellschaft wegen deren Insolvenz ausnahmsweise nicht zum Erfolg führt. Auch die Haftung im "qualifiziert faktischen Konzern" und die Durchgriffshaftung zielen zunächst nur auf die Muttergesellschaft als herrschende Gesellschafterin, während die Einbeziehung von Schwestergesellschaften in eine derartige Haftung mindestens zweifelhaft ist2 • Über die Haftung der Muttergesellschaft kann man schließlich auch auf die Schwestergesellschaften zugreifen, indem die Geschäftsanteile an diesen gepfändet und verwertet werden. I 2

V gl. Nirk FS Stimpel S. 443, 461 m.w.N. zur (vertikalen) Durchgriffshaftung. AusfUhrlieh oben §§ 5 und 6.

237

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Der letztgenannte Weg fUhrt dann nicht weiter, wenn gleichzeitig auch die Schwestergesellschaft insolvent ist und die Geschäftsanteile wertlos sind. Rechtstatsächlich dürfte die gleichzeitige Insolvenz von Mutter- und Tochtergesellschaften der Regelfall sein 3 . Lutter fUhrt die Seltenheit von Haftungsprozessen gegen andere Konzerngesellschaften darauf zurück, dass man im Konzern offenbar "zusammenhalte" und sich wechselseitig so lange stütze, bis endlich der ganze Konzern zusammenbreche und sich die Durchsetzung gegenseitiger Ansprüche nicht mehr lohne4 . Als Beleg hierftir kann der Autokran-Fan dienen, in dem gleich sieben Schwestergesellschaften insolvent wurden 5• Die Begründung von Direktansprüchen gegen eine Schwestergesellschaft erweist sich gerade im Fall ihrer Insolvenz als sinnvoll: Nur über solche Direktansprüche kann man nämlich unmittelbar mit den übrigen Gläubigem der Schwestergesellschaft um die Haftungsmasse konkurrieren6 • Die in den einzelnen Schwestergesellschaften zu erwartenden Quoten können gerade bei einer horizontalen Betriebsaufspaltung sehr unterschiedlich sein, wenn die Vermögenswerte in der Besitzgesellschaft, die Verbindlichkeiten dagegen überwiegend in der Betriebsgesellschaft konzentriert wurden7 . Gläubiger der Betriebsgesellschaft können daher ein erhebliches Interesse daran haben, auch auf die Besitzgesellschaft zugreifen zu dürfen 8 • Bei Insolvenz der in die Haftung einzubeziehenden Schwestergesellschaft vereinfacht sich zudem die Bewertung der konkurrierenden Interessen: Während regelmäßig auf die Interessen von Gläubigem und etwaigen Minderheitsgesellschaftern Rücksicht zu nehmen ist9, berührt der Zugriff auf eine insolvente Gesellschaft regelmäßig nur die Interessen ihrer Gläubiger; denn die von etwaigen Minderheitsgesellschaftern gehaltenen Geschäftsanteile sind ohnehin wertlos. Henssler zufolge geht es deshalb beim Zugriff auf eine Besitzgesellschaft

3

4 5 6 7 8

9

238

So die übereinstimmenden Einschätzungen von MüKo-AktG/Kropff § 311 Rn. 57; K. Schmidt ZHR !55 (1991 ), S. 417, 437ff.; Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 79 (bezogen auf Schwestergesellschaften); Versteegen Konzernverantwortlichkeit S. 158; Lutter ZGR 1982, S. 244, 272; ders. ZfB 1984, S. 781, 787; Timm ZIP 1983, S. 225,236. Lutter ZGR 1982, S. 244, 272. BGHZ 95, 330. Daraufweist auch Vetter Z1P 2003, S. 601, 609 hin. So im Fall BAG ZIP 1999, S. 723. Wenn keine der Gesellschaften über nennenswertes Vermögen verfügt (so wohl im Autokran-Fall), führt der Zugriff auf andere, ebenfalls insolvente Schwestergesellschaften hingegen naturgemäß nicht weiter. Darauf hat schon K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 437 in Auseinandersetzung mit Ehlke DB 1986, S. 523, 524 hingewiesen. V gl. schon Lutter ZGR 1982, S. 244, 272.

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

wirtschaftlich "um die Frage der korrekten Zuordnung eines rechtlich aufgespaltenen Haftungsfonds zu jener Gläubigergemeinschaft, die Forderungen gegenüber einer wirtschaftlichen ,Unternehmenseinheit' hat"; hierbei könne es der Gedanke einer sachgerechten Verteilung von Haftungsmassen unter Umständen gebieten, den Gläubigerzugriff auf das Vermögen der Besitzgesellschaft zu gestatten 10 • Die Haftung von Schwestergesellschaften erweist sich damit als im Kern insolvenzrechtliche Fragestellung, bei der die Interessen von Minderheitsgesellschaftern weitgehend ausgeklammert werden können 11 • Für einen Ansatz, der sich auf die Haftbannachung insolventer Schwestergesellschaften beschränkt, spricht noch ein weiterer Grund: Die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften und die vermögensmäßige Trennung zwischen ihnen soll gerade verhindern, dass der Misserfolg eines Konzernteils den Untergang des gesamten Konzerns bedeutet. Die "Lokalisierung" dient daher der Schadensbegrenzung durch Haftungssegmentierung, zu Lasten der Gläubiger und zugunsten der Fortexistenz des Konzerns 12 • Wenn die Schwestergesellschaft, auf die zugegriffen werden soll, ebenfalls insolvent ist, ist dieser Versuch der Schadensbegrenzung ohnehin gescheitert. Anschauungsmaterial für eine Einschränkung des Trennungsprinzips in der Konzerninsolvenz 13 liefern das US-amerikanische (§ 7) und das französische Recht (§ 8). Beide erlauben insbesondere in Fällen der Konzerninsolvenz den Zugriff auf Schwestergesellschaften- eine Möglichkeit, die dem deutschen Konzerninsolvenzrecht bisher fremd ist(§ 9).

I0 II

12 13

Henssler ZGR 2000, S. 479, 495; ähnlich Windbichler RdA 2000, S. 238, 242: Problem des (fehlenden) Konzerninsolvenzrechts. Ganz gelingt dies nicht, wenn etwa der Minderheitsgesellschafter fiir die Schulden seiner Gesellschaft auch die persönliche Haftung übernommen hat (z.B. mittels Bürgschaft); der Gläubiger kann dann seinen durch die geringere Quote erhöhten Ausfall auf den Gesellschafter abwälzen. Lehmann ZGR 1986, S. 345, 352; Lutter ZGR 1982, S. 244, 247 (vgl. aber auch s. 272). Vgl. Henssler ZGR 2000, S. 479, 496.

239

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

§ 7. Vereinigte Staaten Auch nach US-amerikanischem Recht ist nicht der Konzern als solcher, sondern nur die einzelne Konzerngesellschaft insolvenzfähig. Grundsätzlich gilt das Trennungsprinzip, wonach jede Gesellschaft selbständiger Träger von Rechten und Pflichten ist und deshalb auch allein fur ihre Verbindlichkeiten haftet. Das Trennungsprinzip lässt sich im Einzelfall jedoch überwinden, so dass Gläubiger einer insolventen Konzerngesellschaft auch auf das Vermögen anderer Konzernglieder zugreifen können: Zu einer punktuellen Durchbrechung der rechtlichen Selbständigkeit von Konzerngesellschaften fuhrt die Durchgriffshaftung (1.), bekannt als piercing the corporate veil, als Durchstoßen des die Gesellschaft umgebenden Schleiers. Der Haftungsdurchgriff ist ein Instrument des allgemeinen Gesellschaftsrechts, ein "beinahe allumfassender Lösungssatz" 1, der auch in Insolvenzverfahren (unmodifiziert2) Anwendung findet. Der Haftungsdurchgriff ist wie das Gesellschaftsrecht Sache der einzelnen Bundesstaaten und variiert deshalb in Terminologie und Prüfungsautbau. Ein insolvenzspezifisches Rechtsinstitut ist demgegenüber die Konsolidation (substantive consolidation) (II.). Sie erlaubt die Verschmelzung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von mehreren Konzerngesellschaften; ihre rechtliche Selbständigkeit wird zur Gänze aufgehoben. Die Konsolidation bezweckt die billige und gerechte Behandlung aller Gläubiger. Sie ist Teil des Insolvenzrechts, das bundeseinheitlich im Bankruptcy Code (Titel 11 des United States Code) kodifiziert ist. Durchgriffshaftung und Konsolidation können auch Schwestergesellschaften treffen und so zu einer horizontalen Haftung in der Konzerninsolvenz ftihren3.

I.

Durchgriffshaftung (piercing the corporate veil)

Die Vereinigten Staaten sind das Land der Durchgriffshaftung4 • Die Durchgriffshaftung ist dort dasjenige Gebiet des Gesellschaftsrechts, auf dem die meisten Prozesse gefuhrt werden 5• Eine Datenbankrecherche unter den Suchbegriffen "piercing the corporate veil" und "disregard of corporate I 2 3

4 5

240

Rehbinder Konzernaußenrecht S. 130. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 113 ff.; Tschernig Konzerninsolvenz S. 54 f. Zu dem weiteren Instrument der equitable subordination, die eine Rangrückstufung konzerninterner Forderungen ermöglicht, ausführlich Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 129 ff.; Tschernig Konzerninsolvenz S. 55 ff. Wiedemann Gesellschaftsrecht § 4 III I, S. 223. Thompson, 76 Cornell L. Rev. 1036 (1991).

Vereinigte Staaten

entity" listete im Jahr 1990 rund 2.000 Entscheidungen auf, davon 1.600 auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet6 • 183 Fälle betrafen den Haftungsdurchgriff auf Schwestergesellschaften. Mit einer Erfolgsquote von 41,5% waren Klagen gegen Schwestergesellschaften sogar erfolgreicher als Klagen gegen Muttergesellschaften (3 7%)7• Im Folgenden werden zunächst die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Durchgriffs dargestellt, wie sie auch für den Durchgriff auf den Gesellschafter gelten (I.). Im Anschluss wird auf Besonderheiten beim Durchgriff auf Schwestergesellschaften eingegangen (2.).

1.

Grundlagen der Durchgriffshaftung

Die Lehre vom piercing the corporate veil erklärt sich wesentlich aus den unzureichenden amerikanischen Vorschriften zur Kapitalautbringung und -erhaltung. So verfügt die corporation (als Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft8) über eine eigene Rechtspersönlichkeit, die Haftung für Verbindlichkeiten beschränkt sich auf das Gesellschaftsvermögen. Dem Haftungsprivileg steht jedoch kein wirksames System zur Kapitalautbringung und -erhaltung gegenüber. Dieses Defizit hängt direkt mit der Gesetzgebungskompetenz der Bundesstaaten für das Gesellschaftsrecht zusammen: Die Bundesstaaten wetteifern mit möglichst liberalen Gesellschaftsrechten um die Ansiedlung von Unternehmen; um Investoren anzulocken und so ihre Konzessionseinnahmen zu erhöhen, verzichten sie entweder ganz darauf, den Unternehmen ein Mindestkapital vorzuschreiben, oder verlangen doch nur Beträge bis 1.000 US-$ 9 . Die Aufgabe, die Interessen von Gesellschaftern und Gläubigem zu einem gerechten Ausgleich zu bringen, fällt damit den amerikanischen Gerichten zu. Die Lehre vom piercing the corporate veil ermöglicht es ihnen, in Ausnahmefällen die rechtliche Eigenständigkeit einer Gesellschaft zu übergehen und auf die dahinter stehenden Gesellschafter bzw. andere Unternehmensteile durchzugreifen.

6 7 8

9

Thompson, 76 Cornell L. Rev. 1036, 1036 Fn. I, 1044 (1991). Thompson, 76 Cornell L. Rev. 1036, 1057 Tabelle 7 (1991). Die corporation ist in erster Linie Publikumsgesellschaft; für close corporations mit geschlossenem Mitgliederkreis gibt es Sonden·egeln. Zu weiteren Gesellschaftsformen vgl. Hay U.S.-amerikanisches RechtS. 212 ff.; zum DurchgriffaufGesellschafter einer close corporation oder limited partnership vgl. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. I 05 ff., III f. Von Arnim NZG 2000, S. 1001, 1005; Scheel Konzerninsolvenzrecht, S. 86 f.

241

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

a)

Voraussetzungen

Die Gerichte verwenden meist einen zwei- oder dreistufigen Prüfungsaufbau. Der zweistufige Prüfungsaufbau beschreibt beide Gesellschaften als eine (alter ego doctrine), während der dreistufige die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses in den Vordergrund rückt und damit von zwei getrennten Gesellschaften ausgeht (instrumentality rule) 10 • Als Voraussetzungen für den Haftungsdurchgriff werden genannt: ( 1)

eine solche Einheitlichkeit der finanziellen Interessen und Beteiligungsverhältnisse (unity of interest and ownership), dass Gesellschaft und Durchgriffsschuldner keine getrennte Existenz mehr führen 11 ;

(2)

ungerechte oder unbillige Ergebnisse bei einem Festhalten an der Haftungstrennung 12 ;

bzw.: (1)

eine so weitgehende Beherrschung (control) durch die Muttergesellschaft, dass die Tochtergesellschaft zu einem bloßen Werkzeug (instrumentality) der Muttergesellschaft geworden ist;

(2)

ein betrügerisches oder unrechtes Verhalten, das die Muttergesellschaft durch ihre Tochtergesellschaft begangen hat;

(3)

ein unbilliger Verlust oder Schaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist 13 •

I0 II

12

242

Blumberg Corporate Groups S. 112 ff.; Tschernig Konzerninsolvenz S. 45; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 61 f. m.w.N. hält schon die Bezeichnungen alter ego doctrine und instrumentality rufe für austauschbar. Diese Voraussetzung darf nach Blumberg Corporate Groups S. 129 ff. (m.w.N. auch zu abweichenden Gerichtsentscheidungen) nicht dahingehend verstanden werden, dass auf Tatbestandsseite nunmehr das Fehlen einer separaten Existenz der Gesellschaft nachzuweisen wäre. Dadurch würde die Lehre vom piercing the corporate veil zu Unrecht auf Fälle reduziert, in denen die Gesellschaft eine bloße Scheingesellschaft ist (sham, shell). Es handelt sich vielmehr um eine Umschreibung der Rechtsfolgenseite, dass nämlich - bezogen auf den eingeklagten Anspruch - zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft nicht mehr zu trennen ist. "In order to pierce the corporate veil: (I) there must be such unity of interest and ownership that the separate personalities of the corporation and the individual no Ionger exist, (2) and circumstances must be such that an adherence to the fiction of a separate corporate existence would promote injustice or inequitable consequences."Pederson v. Paragon Pool Enterprises, 574 N.E.2d 165, 168 (III. App. 1991); Firstmark Capitol Corp. v. Hempel Financial Corp., 859 F.2d 92, 94 (9'h Cir. 1988); Gallagher v. Reconco Builders, Inc., 415 N.E.2d 560, 563 (III. App. 1980); Scheel Konzerninsolvenzrecht, S. 61 m.w.N.; von Arnim NZG 2000, S. 1001, 1006; Wiedemann Gesellschaftsrecht S. 223.

Vereinigte Staaten

In der Sache sollen die verschiedenen Formulierungen nicht zu Unterschieden fuhren; alter ego doctrine und instrumentality rufe werden als austauschbar angesehen 14 • Es dürfte gerade die Ausübung einer übermäßigen Beherrschung sein, welche die beherrschte Gesellschaft (im Ergebnis) nicht mehr als eigenständige rechtliche Einheit erscheinen lässt 15 • Das erforderliche Ausmaß der Beherrschung wird häufig dahingehend umschrieben, dass die mehrheitliche oder alleinige Inhaberschaft der Geschäftsanteile nicht genügt, sondern auch die Finanzen und die Geschäftspolitik der Gesellschaft so vollständig kontrolliert werden müssen, dass die Gesellschaft keinen eigenen Willen und keine eigene Existenz mehr hat 16 • Die Bewertung, ob im Einzelfall eine solche übermäßige Beherrschung ausgeübt wurde, erfolgt anhand einer langen Liste von Einzelfaktoren. Nach dem Recht von Illinois spielen beispielsweise die folgenden Faktoren eine besondere Rolle 17 : das Fehlen einer adäquaten, getrennten Buchhaltung und die Nichteinhaltung gesellschaftlicher Fonnalien; die Vermischung von Vennögenswerten; die Unterkapitalisierung der Gesellschaft 18 ; die Behandlung von Vermögenswerten einer anderen Gesellschaft als eigene. 13

14 15 16

17 18

"(1) control by the parent to such a degree that the subsidiary has become its mere

instrumentality; (2) fraud or wrong by the parent through its subsidiary; (3) unjust loss or inju~ to the claimant".- In the Matter of Bowen Transports, Inc., 551 F.2d 171, 179 (7 1 ' Cir. 1977); C M Corp. v. Oberer Dev. Co. 631 F.2d 536, 538 (7tl' Cir. 1980); In the Matter of Palmer Trading, lnc., 695 F.2d 1012, 1014 (7111 Cir. 1982); weitere Formulierungen bei Scheel Konzerninsolvenzrecht, S. 59 f. und Blumberg ZGR 1991, S. 327,336. Blumberg Corporate Groups S. 111, 120: "Utilization of one test or the other does not appear to Iead to a difference in the result."; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 61; Tschernig Konzerninsolvenz S. 46 f. Vgl. Blumberg ZGR 1991, S. 327, 336, insbes. Fn. 20; ders. Corporate Groups S. 119: "control is undoubtedly included in 'unity of ownership and interest'". "Control, not merely majority or complete stock control, but complete domination, not only of finances, but of policy and business practices in respect to the transaction attacked so that the corporate entity had at the time no separate mind, will, or existence, of its own."- Lowendahl v. Saltimore & O.R.R., 247 A.D. 144, 157, 287 N.Y.S. 62, 76 (Ist Dep't), affd 272 N.Y. 360, 6 N.E.2d 56 (1936), zit. nach Blumberg ZGR 1991, S. 327, 336 Fn. 19. Van Dorn Co. v. Future Chemical and Oil Corp., 753 F.2d 565, 570 (71h Cir. 1985); Sea-Land Services, Inc. v. Pepper Source, 941 F.2d 519,521 (71h Cir. 1991). Die Zuordnung der Unterkapitalisierung zu den einzelnen Prüfungsstufen variiert; manche Gerichte prüfen sie bereits im Rahmen der "übermäßigen Beherrschung", andere erst auf der Stufe des "ungerechten Verhaltens", vgl. Scheel Konzerninso1venzrecht S. 85.

243

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Andere, wesentlich längere Faktorenlisten nennen an erster Stelle die Gesellschafterstellung des Durchgriffsschuldners, darüber hinaus die Täuschung von Vertragspartnern über die Einbindung der Gesellschaft in einen Konzern, die Einflussnahme auch auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb, insbesondere über personelle Verflechtungen, sowie den Entzug und die Verschiebung von Vermögenswerten 19 . Die genannten Faktoren sind nicht als Fallgruppen zu verstehen 20 ; es müssen vielmehr mehrere Kriterien zusammentreffen, um aus einer Gesamtschau heraus einen Durchgriff zu rechtfertigen21. Die Gewichtung der Einzelfaktoren bleibt dabei jedoch weitgehend im Dunkeln22 . Der Durchgriff setzt weiter voraus, dass dem Gesellschafter ein unrechtes Verhalten vorzuwerfen ist bzw. ein Festhalten an der rechtlichen Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter zu einem unbilligen Ergebnis führen würde 23 • Zum Nachteil des Gesellschafters wirkt sich insbesondere eine erhebliche Unterkapitalisierung seiner Gesellschaft aus 24 ; hier zeigt sich der enge Zusammenhang der Durchgriffshaftung mit den unzureichenden Kapitalisierungsvorschriften des US-amerikanischen Rechts. Die bloße Tatsache, dass der Gläubiger ohne den Haftungsdurchgriffmit seiner Forderung ausfallt, ist aber noch kein "unbilliges Ergebnis", sondern lediglich die notwendige Folge des Trennungsprinzips 25 • b)

Rechtsfolge

Die Rechtsfolge des Durchgriffs wird bildhaft so beschrieben, dass "ein Loch in die Wand der Haftungsbeschränkung gebohrt wird, die durch die Gesellschaftsform errichtet wurde; für andere Zwecke als denjenigen, für

19

20 21 22 23

24 25

244

Der bekannteste Kriterienkatalog stammt von Powell, abgedr. bei Blumberg Corporate Groups S. 138 ff. Die Entscheidung Laya v. Erin Hornes Inc., 352 S.E.2d 93, 97 (W.Va. 1986) listet 19 Kriterien auf, wiedergegeben bei von Arnim NZG 2000, S. 1001, 1006. Die Entscheidung C M Corp. v. Oberer Dev. Co., 631 F.2d 536, 539 (7th Cir. 1980) nennt II Kriterien für den Durchgriff auf die Muttergesellschaft Ausführlich zu den Einzelfaktoren Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 66 ff. VonArnimNZG2000,S.1001, 1006. Blumberg Corporate Groups S. 140, 144. Scheel Konzerninsolvenzrecht, S. 79 f. Einige Gerichte verzichten auf diese zweite Stufe und damit den Vorwurf unrechten Verhaltens. Sie ordnen den Durchgriff bereits an, wenn eine Ausübung übermäßiger Beherrschung durch die Muttergesellschaft oder den herrschenden Gesellschafter festgestellt ist. Die Gesellschaft sei dann nicht wirklich existent und als Scheingesellschaft (sham, shell) einzustufen, vgl. Blumberg Corporate Groups S. 123 f. m.w.N. Scheel Konzerninsolvenzrecht, S. 85 ff. Sea-Land Services, Inc. v. Pepper Source, 941 F.2d 519 (71h Cir. 1991).

Vereinigte Staaten

den das Loch gebohrt wurde, bleibt die Wand hingegen bestehen" 26 . Die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft wird also nicht generell aufgehoben, sondern nur in Bezug auf den eingeklagten Anspruch: Dieser kann nunmehr sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegenüber dem Durchgriffsschuldner geltend gemacht werden. Der Anspruch aus Durchgriffshaftung ist weder auf die Vorteile beschränkt, die dem Durchgriffsschuldner z.B. durch Vennögensverschiebungen oder eine ungenügende anfängliche Kapitalausstattung - tatsächlich erwachsen sind, noch auf den Schaden, der dem Gläubiger gerade aus dem festgestellten Fehlverhalten entstanden ist27 • Die Gerichte vermeiden so die mit einer Bezifferung dieser Vor- und Nachteile verbundenen Probleme. 2.

Durchgriff auf Schwestergesellschaften

In den Vereinigten Staaten wird mit großer Selbstverständlichkeit nicht nur auf Gesellschafter, sondern auch auf Schwestergesellschaften durchgegriffen28. Die Gerichte nehmen überwiegend an, dass auf Schwestergesellschaften, die über die gleichen Gesellschafter verfügen, unter denselben Voraussetzungen durchgegriffen werden kann, unter denen auch der Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter selbst möglich ist29 . Naheliegend ist dies, wenn man mit der alter ego doctrine auf die Einheitlichkeit der Interessen und Besitzverhältnisse abstellt; denn von einer unity of interest and ownership lässt sich nicht nur im Verhältnis zu einem Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sprechen, sondern auch bei Schwestergesellschaften, die denselben Gesellschaftern gehören und zusammen eine Wirtschaftseinheit bilden30 • Die instrumentality rufe ist dagegen in ihrer Formulierung auf

26 27 28 29

30

Mesler v. Bragg Management Co., 216 Cal. Rptr. 443, 449, 702 P.2d 601, 607 ( 1985), zit. nach Blumberg Corporate Groups S. 131 f. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. I 03 f. Vgl. Blumberg Corporate Groups S. 160 ff., 545 ff. mit zahlreichen Nachweisen; nur in "vereinzelten Entscheidungen" sei die Möglichkeit eines Durchgriffs auf Schwestergesellschaften abgelehnt worden (S. 161 Fn. 2). In the Matter of Palmer Trading, Inc., 695 F.2d I 012, I 017 (7'11 Cir. 1982); ebenso zuvor schon In the Matter of Bowen Transports, Inc., 551 F.2d 171, 179 (7th Cir. 1977); C M Corporation v. Oberer Development Co., 631 F.2d 536, 539 (7th Cir. 1980); vgl. Blumberg Corporate Groups S. 160 ff., 545 ff.; Hamilton 49 Tex. L. Rev. 979 (1979), 991 m.w.N. in Fn. 46: "technisch" werde damit zwar ein Nichtgesellschafter in die Verantwortung genommen; wegen des einen finanziellen Interesses, das die Schwestergesellschaften repräsentiertem, fanden aber dieselben Prinzipien Anwendung; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. I 09. Vgl. die Entscheidung Pederson v. Paragon Pool Enterprises, 574 N.E.2d 165 (Ill. App. I Dist. 1991 ), die den Umstand, dass auf eine Schwestergesellschaft durchgegriffen werden sollte, nicht besonders problematisiert; die Tatsache, dass die Gesell-

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

das Ausnutzen eines zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses zugeschnitten (undue contro[). Deshalb bleibt bei ihr zunächst offen, ob für den Durchgriff auf eine Schwestergesellschaft die gemeinsame Abhängigkeit von der Muttergesellschaft genügen soll oder ob gerade die Schwestergesellschaft als Durchgriffsschuldnerin die andere übermäßig beherrschen muss. Gerichtsentscheidungen, die einen Durchgriff auf Schwestergesellschaften zulassen, weisen in diesem Punkt durchaus Unterschiede auf, die jedoch nicht problematisiert werden. Dies dürfte mit der "für das anglo-amerikanische Rechtsdenken typischen Vernachlässigung dogmatischer Bemühungen" zu tun haben, wie sie Rehbinder im Zusammenhang mit der Durchgriffshaftung konstatiert31 • Die nachfolgend versuchte Differenzierung mag deshalb eher deutschem als amerikanischem Rechtsdenken entsprechen: a)

Beherrschung durch die Schwestergesellschaft

Wenn auf Schwestergesellschaften tatsächlich unter denselben Voraussetzungen wie auf Gesellschafter zugegriffen werden soll, lässt das vermuten, dass auch Abhängigkeit gerade von dieser Schwestergesellschaft vorliegen muss. In diese Richtung gehen Ausführungen des District Court im Fall In the Matter ofPalmer Trading, Inc. 32 : Der Insolvenzverwalter der Palmer Trading wollte für diese eine Steuerrückerstattung vereinnahmen, die eigentlich ihrer Schwestergesellschaft GNB zustand. GNB war die Vorgängerin der Palmer Trading im Geschäft mit Optionen für die Warenbörse gewesen, konnte wegen ihrer mangelhaften Buchführung jedoch eine für die Fortführung des Geschäfts benötigte Lizenz nicht erhalten. Sie übertrug deshalb ihre Vermögenswerte, Kunden- und Optionslisten auf Palmer Trading und stellte ihre Geschäfte ein. Die daraus resultierende Steuerrückerstattung für GNB sollte nach dem Willen des Insolvenzverwalters an Palmer Trading ausgezahlt werden, weil sich die Bücher von Palmer Trading und GNB nicht mehr trennen ließen und GNB nur noch ein alter ego von Palmer Trading sei. Der District Court nahm an, dass GNB Palmer Trading beherrschte und infolgedessen beide Gesellschaften nicht mehr als getrennte und unabhängi-

31 32

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schaften aneinander nicht beteiligt waren, erscheint lediglich als ein Faktor unter mehreren, der in diesem Fall gegen einen Durchgriffsprach (S. 167, 170). Rehbinder Konzernaußenrecht S. 128. In the Matter of Pahner Trading, Inc., 15 B.R. 276, 279 (N.D.lll. 1981), aff'd, 695 F.2d I 012 (7 111 Cir. 1982).

Vereinigte Staaten

ge Einheiten funktionierten. Die weitere Voraussetzung eines unrechten Verhaltens könne jedoch nur erfüllt sein, wenn GNB gerade durch Palmer Trading ein Unrecht begangen habe. Die Geschäftsübertragung auf Palmer Trading habe jedoch eher Gläubiger der GNB als solche von Palmer Trading geschädigt und komme hierfür nicht in Betracht. Der District Court lehnte einen Durchgriff deshalb ab und wurde vom Court of Appeals 33 darin bestätigt, wenn auch mit anderer Begründung. Ein ähnlicher Gedankengang findet sich in Missouri Portland Cement Co. v. WalkerBarge Fleeting Serv., Jnc. 34 , wonach eine Schwestergesellschaft nur unter der - dort nicht gegebenen - Voraussetzung haften soll, dass sie die andere Gesellschaft beherrscht hat. Es lassen sich also Gerichtsentscheidungen nachweisen, in denen eine Beherrschung gerade durch die Schwestergesellschaft verlangt wird; doch scheint dies die Ausnahme zu sein. b)

Gemeinsame Abhängigkeit von den Gesellschaftern

Regelmäßig begnügen sich Durchgriffsentscheidungen mit der gemeinsamen Abhängigkeit der Schwestergesellschaften von den gleichen Gesellschaftern. Gläubiger sollen bei einem Missbrauch der Haftungstrennung durch die Gesellschafter dadurch geschützt werden, dass ihnen der Zugriff auf die Vermögenswerte des gesamten Unternehmens gestattet wird 35 : Nach Blumberg liegt dem Haftungsdurchgriff das Prinzip zugrunde, dass, wenn die Gesellschaften als integrale Bestandteile eines größeren Unternehmens operieren, dann auch sämtliche Vermögenswerte des Unternehmens zur Befriedigung der Verbindlichkeiten einer jeden Gesellschaft zur Verfügung stehen müssten. Wenn deshalb Schwestergesellschaften unter gemeinsamer Beherrschung (" common control ") stünden und als integrale Bestandteile eines größeren Unternehmens funktionierten, scheitere die Haftung nicht daran, dass keine Gesellschaft die andere besitze oder beherrsche. Der Durchgriff auf Schwestergesellschaften hänge auch nicht von der gleichzeitigen Haftbarmachung eines herrschenden Gesellschafters ab. Insbesondere wenn es sich bei diesem Gesellschafter um eine natürliche Person handele, könne die begrenzte Haftung für ihn durchaus angemessen sein. Im

33 34 35

Die Courts of Appeals sind Berufungsgerichte des Bundes, die District Courts erstinstanzliehe Bundesgerichte. Zum amerikanischen Gerichtsaufbau vgl. Hay U .S.amerikanisches RechtS. 47 ff. 561 F. Supp. 12, 15 (W.D.Ky. 1982); ablehnend Blumberg Corporate Groups S. 162 Fn. 2. Vgl. Wes 65 Ca!. L. Rev. 65, 720, 724 Fn. 21.

247

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Verhältnis zu Schwestergesellschaften gehe es hingegen darum, die Grenzen des (wirtschaftlich einheitlichen) Unternehmens nachzuzeichnen 36 • Die von Blumberg für den Durchgriff auf Schwestergesellschaften gegebene Begründung entfernt sich von den Erwägungen, die dem Haftungsdurchgriff auf den Privatgesellschafter und insbesondere dem control-Konzept ursprünglich zugrunde lagen. Es geht nicht mehr um eine unzureichende Kapitalausstattung und Instrumentalisierung gerade durch den Durchgriffsschuldner. Vom gedanklichen Ansatz her rückt der Haftungsdurchgriff auf Schwestergesellschaften in die Nähe der Konsolidation: Wie bei der Konsolidation soll eine Unternehmenseinheit, die von ihren Gesellschaftern als solche geführt wird, auch zugunsten der Gläubiger als haftungsmäßige Einheit behandelt werden 37 . Wenn die Gerichte demgegenüber ausführen, auf Schwestergesellschaften könne unter denselben Voraussetzungen wie auf Gesellschafter durchgegriffen werden 38 , lässt sich dies wohl nur so verstehen, dass zur Subswntion zwar derselbe "Obersatz" verwandt wird, die sich dahinter verbergenden Tatbestandsmerkmale aber durchaus modifiziert werden. Scheel spricht demgegenüber davon, der beklagten Schwester werde die Beteiligung derjenigen Gesellschafter an der Schuldnerin zugerechnet, die an beiden Gesellschaften Anteile halten 39 . Die Zurechnung der Gesellschafterstellung dürfte jedoch weder erforderlich sein - es geht um control, wofür die Gesellschafterstellung nur einer von vielen Faktoren ist noch ausreichend: Auch das unrechte Verhalten der Gesellschafter müsste zugerechnet werden. Die Gerichte nehmen keine Zurechnung vor mit dem Ziel, dass die Schwestergesellschaft die einzelnen Tatbestandsmerkmale nunmehr selbst erfüllt, also insbesondere kraft Zurechnung herrscht und sich unbillig verhält, sondern geben sich damit zufrieden, dass auch die Schwestergesellschaft vom Gesellschafter beherrscht wird und dieser sich unbillig verhält. Es handelt sich daher eher um eine Modifikation des Tatbestandes.

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37 38

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248

Blumberg Corporate Groups S. 545 ff.: "single business enterprise"; ähnlich Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 377; vgl. Landers 42 U. Chi. L. Rev. 589, 624 (1975)

m.w.N. zum "line ofbusiness"-Konzept, das Unternehmen die Möglichkeit abspricht, einzelne Betriebsabteilungen haftungsmäßig zu verselbständigen, jedoch auf die Schwierigkeit trifft, die Grenzen des Unternehmens zu bestimmen. Landers 42 U. Chi. L. Rev. 589, 631 (1975). In the Matter of Palmer Trading, Inc., 695 F.2d I 012, I 017 (7'11 Cir. 1982); ebenso zuvor schon In the Matter of Bowen Transports, Inc., 551 F.2d 171, 179 (7'11 Cir. 1977); C M Corporation v. Oberer Development Co., 631 F.2d 536, 539 (7'h Cir. 1980); vgl. Blumberg Corporate Groups S. 160 ff., 545 ff.; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 109. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 67.

Vereinigte Staaten

c)

Beispielsfälle

Der Gedanke der Unternehmenseinheit, der eine Haftung aller zugehörigen Gesellschaften für Verbindlichkeiten anderer Unternehmensteile rechtfertigen soll, findet sich bereits in den bekannten Taxifällen 40 : In Mull v. Colt Co. 41 war der Kläger in New York von einem Taxi angefahren worden; er erlitt dabei so schwerwiegende Verletzungen, dass er 209 Tage im Krankenhaus verbringen und zwanzig chirurgische Operationen über sich ergehen lassen musste. Die einzigen Vennögenswerte der Taxigesellschaft Colt Co. bestanden in der vorgeschriebenen Mindestversicherung von 5.000 US-$ pro Schadensfall und zwei gebrauchten Taxen. Um Versicherungsprämien zu sparen und zugleich das aus Schadensersatzforderungen etwaiger Unfallopfer erwachsende Risiko zu begrenzen, hatten die Eigentümer großer Taxiflotten mit mehreren Hundert Fahrzeugen nämlich eine Vielzahl kleiner Gesellschaften gegründet, die nominell Eigentümer von jeweils zwei bis vier Taxen wurden; die Taxen wurden jedoch weiterhin zentral betrieben und unterhalten. Der Kläger verklagte deshalb neben Colt. Co. und deren Gesellschaftern auch die übrigen Gesellschaften, deren Taxen am gleichen Standort betrieben wurden. Anträge der Beklagten, die Klage bereits ohne Beweiserhebung abzuweisen, wurden vom District Court zurückgewiesen: Der Kläger wolle die Gesellschaften als eine Wirtschaftseinheit (single economic entity) haftbar machen, die aus von den Eigentümern völlig beherrschten Scheingesellschaften bestehe. Dies sei möglich, wenn er nachweise, dass zwischen den Gesellschaften eine unity of interest and ownership bestehe und eine Haftungstrennung zu dem unbilligen Ergebnis führen würde, dass sich die Wirtschaftseinheit einer Haftung entziehen könnte, zugleich aber vom Betrieb der einzelnen Taxen profitiert. Die Gerichte müssten in derartigen Fällen die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft zugunsten der Wirtschaftseinheit, der sie angehöre, ignorieren. Ein Haftungsdurchgriff auf Schwestergesellschaften ist möglich, ohne dass notwendig auch der gemeinsame Gesellschafter haften müsste: In Amsted Indus., Inc. v. Pollak Indus., Inc. 42 hatte Arnsted Maschinen an Pollak Industries geliefert und nahm nun Pollak Industries, deren Alleinge40

41 42

Vgl. außer dem nachfolgend wiedergegebenen Fall noch Wallace v. Tulsa Yellow Cab Taxi & Baggage Co., 61 P.2d 645 (Supreme Court Oklahoma 1936); diese Entscheidung betrifft die Ausgliederung von Taxen aus einer Muttergesellschaft auf eine unterkapitalisierte Tochtergesellschaft. Mull v. Colt Co., Inc. 31 F.R.D. 154 (S.D.N.Y. 1962). Amsted Indus., Inc. v. Pollak Indus., Inc., 65 Ill. App. 3d 545, 382 N.E.2d 393 (1978); der Fall betrifft eine close corporation, bei der die Geschäftsanteile von wenigen Gesellschaftern gehalten und nur selten gekauft oder verkauft werden (S. 396).

249

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

sellschafter Pollak und die weitere ihm gehörende Gesellschaft Pollak Leasing Co. auf Kaufpreiszahlung in Anspruch. In erster Instanz wurden Pollak und die beiden Gesellschaften entsprechend verurteilt; allein Pollak legte Berufung gegen seine Verurteilung zur Übernahme der persönlichen Haftung ein. Der Appelate Court of Illinois konstatierte enge Beziehungen zwischen den beiden Gesellschaften. Die Verflechtung zwischen beiden Gesellschaften betreffe jedoch eher die Haftung im Verhältnis zwischen den Gesellschaften als die persönliche Haftung Pollaks. Selbst wenn beide Gesellschaften als eine einzige betrieben worden seien, könnten sie doch eine legitime gesellschaftsrechtliche Einheit darstellen, die Pollak vor einer persönlichen Haftung schütze. Im Verhältnis Pollaks zu den beiden Gesellschaften bestehe keine völlige gegenseitige finanzielle Abhängigkeit; auch die Konten Pollaks seien nicht mit denen der beiden Gesellschaften vermischt und Vermögenswerte nicht hin und hergeschoben worden. Die Sache wurde zurückverwiesen. Der Haftungsdurchgriff muss nicht notwendig alle Gesellschaften treffen, die von einem gemeinsamen Gesellschafter beherrscht werden43 : In Tigrett v. Pointer44 klagte Tigrett im April 1974 zunächst gegen die Heritage Building Company. Diese zum damaligen Zeitpunkt bereits insolvente Gesellschaft transferierte im Mai 1974 sämtliche Vermögenswerte auf ihren Alleingesellschafter Pointer, der sie noch am gleichen Tag auf seine neugegründete Heritage Corporation weiter übertrug, um mit dieser die Geschäfte fortzusetzen. Beide Gesellschaften verfUgten nur über das vorgeschriebene Mindeststammkapital von 1.000 US-$ und wurden von Pointer über Gesellschafterdarlehen am Leben gehalten. Nach Verurteilung der Heritage Building Co. ging Tigrett auch gegen Pointer, die Heritage Corp. und weitere Pointer gehörende Gesellschaften gerichtlich vor. Der Court of Civil Appeal of Texas sah in der Heritage Building Co., der Heritage Corp. und einigen weiteren Gesellschaften bloße alter egos von Pointer; Pointer benutze sie eher als Werkzeuge fiir seine persönlichen Zwecke denn als separate Unternehmen. Ausgenommen hiervon wurde die First North Corporation, die zwar ebenfalls von Pointer beherrscht wurde, bezüglich derer aber nicht zu erkennen sei, dass sie zur Verschiebung von Vermögenswerten zum Nachteil von Gläubigem eingesetzt wurde.

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250

Blumberg Corporate Groups S. 547. Tigrett v. Pointer 580 S.W.2d 375 (Tex. Civ. App. 1979).

Vereinigte Staaten

d)

Kombination aus Durchgriff und umgekehrtem Durchgriff

Ein Durchgriff auf eine Schwestergesellschaft ließe sich auch dadurch erreichen, dass zunächst "nach oben" auf den gemeinsamen Gesellschafter durchgegriffen wird und sodann von diesem "nach unten" auf die Schwestergesellschaft45. Entsprechend argumentierte die Klägerirr des Verfahrens Sea-Land v. Pepper Source 46 • Sea-Land hatte fiir Pepper-Source Pfeffer transportiert und verlangte nach Auflösung der Pepper-Source Zahlung der Frachtkosten nicht nur von deren Alleingesellschafter Marchese, sondern auch noch von vier weiteren Gesellschaften, die Marchese vollständig bzw. in einem Fall zur Hälfte gehörten. Hierzu wollte sie den Schleier der Gesellschaft PepperSource durchstoßen und zunächst Marchese persönlich fiir die Frachtkosten in Anspruch nehmen, sodann aber auch im Wege des "umgekehrten Haftungsdurchgriffs" (" reverse pierce ") auf die anderen Gesellschaften zugreifen47. Der "umgekehrte Haftungsdurchgriff', bei dem eine Gesellschaft fiir Schulden des Gesellschafters bzw. der Muttergesellschaft haftet, ist von amerikanischen Gerichten zugelassen worden mit der Maßgabe, dass die Gläubiger der Gesellschaft vor den Gläubigern des Gesellschafters zu befriedigen sind48 . Begründen lässt sich der "umgekehrte Haftungsdurchgriff' damit, dass in einem ersten Schritt nicht mehr die Gesellschafterstellung des Durchgriffsschuldners als entscheidend angesehen wird, sondern die Ausübung übermäßiger Beherrschung durch ihn 49 ; in einem zweiten Schritt soll

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Zum umgekehrten Haftungsdurchgriff im deutschen Recht vgl. oben§ 6 IV. Sea-Land Services, Inc. v. Pepper Source, 941 F.2d 517 (7th Cir. 1991). Sea-Land Services, Inc. v. Pepper Source, 941 F.2d 517, 518 (7th Cir. 1991): "SeaLand sought by this suit to pierce PS's corporate vei1 andrender Marchese personally liable for the judgment owed to Sea-Land, and then 'reverse pierce' Marchese's other corporations so that they, too, would be on the hook for the $87,000". Jackson v. M.H. Thomas Inv. Co., Inc., 46 F.2d 252. 253-254 (5 1h Cir. 1931); Blumberg Corporate Groups S. 161 f., 543 ff.; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 107 f., jeweils m.w.N.; vgl. auch Tschernig Konzerninsolvenz S. 52 f. Blumberg Corporate Groups S. 132 ff. So genügte es in Firstmark Capital Corp. v. Hempel Financial Corp. 859 F.2d 92 (91h Cir. 1988) für das Beteiligungserfordernis (ownership of an interest in the corporation), dass die in Anspruch genommene Ehefrau mit ihrem zu 95% beteiligten, nicht pfändbaren Ehemann in Gütergemeinschaft lebte; eine Haftung wurde allein deshalb verneint, weil sie keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung genommen hatte. Gleichwohl kommt es eher selten vor, dass Gesellschafter mit geringeren Beteiligungsquoten dem Haftungsdurchgriff unterworfen werden. Nach Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 68 war in den meisten Entscheidungen, in denen der Haftungsdurchgriff gestattet wurde, die Muttergesellschaft mit 90% oder mehr an der Tochtergesellschaft beteiligt.

251

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

es dann auch nicht mehr darauf ankommen, ob der Durchgriffsschuldner selbst herrscht oder aber beherrscht wird50 . Es genügt das bloße Bestehen einer Beherrschungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Durchgriffsschuldner. Der Durchgriff auf Schwestergesellschaften ließe sich daher mit der doppelten Beherrschungsbeziehung und einem unrechten Verhalten des Gesellschafters begründen. In Sea-Land v. Pepper Source setzte sich der Court of Appeals mit solchen rechtskonstruktiven Fragen jedoch nicht auseinander, sondern begnügte sich mit der Anwendung der alter ego doctrine51: Er nahm eine unity of interest and ownership infolge von Buchhaltungsmängeln, Vermögensvermischungen und Unterkapitalisierung der Pepper Source an, verlangte aber noch zusätzliche Nachweise für ein unrechtes Verhalten von Marchese oder eine ungerechtfertigte Bereicherung der anderen Gesellschaften und verwies die Sache deshalb zurück.

II.

Konsolidation (substantive consolidation)

Die amerikanischen Insolvenzgerichte (bankruptcy courts) 52 stützen sich bei der Anordnung der Konsolidation meist auf Sec. 105 (a) B.C., welcher die Gerichte allgemein dazu ermächtigt, ,jede Anordnung zu erlassen, die zur Ausführung der Vorschriften dieses Titels (Titel 11 des US. Code: Bankruptcy) notwendig oder angemessen ist" 53 • Konsolidation bedeutet die Verschmelzung der Vermögenswerte von zwei oder mehr Gesellschaften54 zu einem Pool, aus dem sich die Gläubiger der konsolidierten Gesellschaften gleichmäßig befriedigen können. Die Gesellschaften verlieren ihre selbstän-

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Blumberg Corporate Groups S. 160 ff., 545; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 108. Sea-Land Services, Inc. v. Pepper Source, 941 F .2d 517 (7th Cir. 1991 ). Insolvenzsachen unterliegen der ausschließlichen Bundeskompetenz und werden durch Insolvenzrichter entschieden, die den District Courts vorgeschaltet sind, aber deren Aufsicht unterliegen, vgl. Hay U.S.-amerikanisches RechtS. 47. "Sec. 105. Power of court: (a) The court may issue any order ... necessary or appropriate to carry out the provisions of this title .... "; Epstein!Nickles/White Bankruptcy § 2-4; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 248 m.w.N.- Die Befugnis zur Konsolidation von Konzerngesellschaften kann dagegen nicht aus Sec. 302 (b) B.C. abgeleitet werden, der allein Ehegatten betrifft: "Sec. 302. Joint cases: (a) A joint case ... is commenced by filing with the bankruptcy court of a single petition ... by an individual. .. and such individual's spouse .... (b) After the commencement of a joint case, the courtshall determine the extent, if any, to which the debtors' estates shall be consolidated." Die Konsolidation beschränkt sich grundsätzlich auf Gesellschaften. In Ausnahmefällen wurde jedoch auch schon mit einer natürlichen Person konsolidiert, wenn diese etwa persönliche Vermögenswerte in betrügerischer Absicht auf eine ihr vollständig gehörende Gesellschaft übertragen hatte, so in Sampsell v. Imperial Paper & Color Corp. 313 U.S. 215,218, reh'g den., 313 U.S. 600 (1941), dazu Wes 65 Cal. L. Rev. 720, 739 ( 1977); Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 30 I f.

Vereinigte Staaten

dige rechtliche Existenz und bilden nunmehr eine Einheit; alle gegenseitigen Forderungen werden eliminiert55 . Der Begriff der substantive consolidation wird benutzt, um diese Art der Konsolidation von der joint administration (auch: administrative consolidation) abzugrenzen, welche zwar die Verfahren und die Verwaltung für zwei oder mehr Schuldner zusammenlegt, die Vermögenswerte und Schulden eines jeden Schuldners jedoch getrennt belässt56.

1.

Grundlagen der Konsolidation

Bei der Konsolidation insolventer Gesellschaften steht nicht der Interessenkonflikt zwischen den Gläubigem und den Konzerngesellschaften nebst Gesellschaftern im Vordergrund, sondern ein Konflikt zwischen Gläubigem verschiedener Konzerngesellschaften, die nunmehr um den gemeinsamen Pool konkurrieren57 . Die Verschmelzung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten führt zu einer Umverteilung zwischen den Gläubigern der Gesellschaften, weil bei den verschiedenen Gesellschaften das Verhältnis von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten nahezu immer unterschiedlich sein wird, ihre Gläubiger jedoch gleichmäßig 58 aus der konsolidierten Masse befriedigt werden. Die Gläubiger einer Gesellschaft, die über große Vermögenswerte, aber nur geringe Verbindlichkeiten verfügt, verlieren durch die Konsolidation mit Gesellschaften, bei denen dieses Verhältnis ungünstiger ist59 . Gleichwohl ist es Anspruch und Ziel der Konsolidation, alle Gläubiger billig und gerecht zu behandeln60 . Dem soll die Zusammenfassung der einzelnen Gesellschaften zu einer Unternehmenseinheit und damit die Anpassung an 55 56

57

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Eastgroup Properties v. Southern Motel Assoc., Ltd., 935 F.2d 245, 248 (II th Cir. 1991 ); Epstein/Nickles/ White Bankruptcy § 2-4. Wes 65 Ca!. L. Rev. 720, 721 Fn. 4 (1977); vgl. die Unterscheidung in In the Matter of Seatrade Corporation, 255 F.Supp. 696, 699 (S.D.N.Y. 1966), wo sich die Kritik nicht gegen die Zusammenlegung der Verfahren und der Verwaltung richtete, sondern gegen die Verschmelzung der Verbindlichkeiten und Vermögenswerte der Gesellschaften. Wes 65 Ca!. L. Rev. 720, 725 (1977); Epstein/Nickles/White Bankruptcy § 2-4: "Unlike piercing the corporate veil, substantive consolidation does not seek to hold shareholders liable for acts of their incorporated entity"; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 257; Tschernig Konzerninsolvenz S. 53 f., 73. Sampsell v. Imperial Paper Corp., 313 U.S. 215,219 (1941): "the theme ofthe Bankruptcy Act is equality of distribution". In re Snider Bros., Inc., I 8 B.R. 230, 234 (Bankr.D.Mass. I 982); Eastgroup Properties v. Southern Motel Assoc., Ltd., 935 F.2d 245,248 (I J'h Cir. 1991); Wes 65 Ca!. L. Rev. 720,725 (1977); Landers 42 U. Chi. 589,630 (1975); Epstein/Nickles/White Bankruptcy § 2-4, § I 1-40. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 241; Tschernig Konzerninsolvenz S. 73.

253

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

die wirtschaftlichen Gegebenheiten dienen: Da es den Gesellschaftern nicht auf den Ertrag jeder einzelnen Gesellschaft ankommt, sondern auf den Ertrag des gesamten Unternehmens, besteht die Gefahr, dass Vermögenswerte allein aus steuerlichen oder haftungsrechtlichen Gründen zwischen den einzelnen Gesellschaften hin und her geschoben und Gewinne verlagert werden. Diese Gefahr ist zwischen konzernangehörigen Gesellschaften noch größer als zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern61 • Derartige Vermögensverschiebungen schädigen, wenn sie überwiegend in einer Richtung erfolgen, die Gläubiger der benachteiligten Gesellschaft und begünstigen die Gläubiger der bevorzugten Gesellschaft62 • Eine Aufgabe der Konsolidation ist es daher, Vermögensverschiebungen und Gewinnverlagerungen zwischen den Gesellschaften im Interesse der geschädigten Gläubiger auszugleichen. a)

Voraussetzungen

Den amerikanischen Gerichten ist es bisher nur unzureichend gelungen, die Voraussetzungen der Konsolidation herauszuarbeiten. Klar ist, dass eine substantive consolidation in verfahrensmäßiger Hinsicht eine gemeinsame Verwaltung der Insolvenzmassen (Joint administration) erfordert63 • Eine Konsolidation setzt zwar nicht zwingend voraus, dass alle zu konsolidierenden Gesellschaften insolvent sind 64 ; dies wird jedoch regelmäßig der Fall sein, weil eine solvente Gesellschaft selbst keinen Insolvenzantrag stellen wird und einem durch Gläubiger gestellten Insolvenzantrag widersprechen kann. Auch eine insolvente Muttergesellschaft hat kein Interesse, eine noch solvente Tochtergesellschaft zur Konsolidation zu bewegen, weil die Tochtergesellschaft häufig gerade mit dem Ziel betrieben wird, Vermögenswerte des Konzerns vor dem Gläubigerzugriff zu retten 65 •

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254

Landers 42 U. Chi. 589, 591, 596-597 (1975); in Eastgroup Properties v. Southern Motel Assoc., 985 F .2d 245, 248-249 ( II th Cir. 1991) heißt es: "There is, however, a 'modern' or 'liberal' trend toward allowing substantive consolidation, which has its genesis in the increasedjudicial recognition ofthe widespread use ofinterrelated corporate structures by subsidiary corporations operating under a parent entity's corporate umbrella for tax and business purposes". Wes 65 Ca!. L. Rev. 720,726 (1977). Landers 42 U. Chi. 589, 643 (1975). Sampsell v. Imperial Paper Corp., 313 U.S. 215, 219, reh'g den., 313 U.S. 600 ( 1941 ); zum Ausnahmefall einer Konsolidation mit solventen Gesellschaften ausführlich Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 306 ff; weitere Nachweise bei Epstein/Nickles/ White Bankruptcy § 11-40 Fn. I. In einem weiteren Ausnahmefall wurde zwecks Reorganisation eines städtischen Verkehrsnetzes sogar die Konsolidation von Gesellschaften mit gänzlich verschiedenen Gesellschaftern angeordnet, In re Pittsburgh Rys. Co., 155 F.2d 477 (3d Cir.), cert. denied, 329 U.S. 731 (1946). Sampsell v. Imperial Paper Corp., 313 U.S. 215, 218, reh'g den., 313 U.S. 600 ( 1941 ); Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 310.

Vereinigte Staaten

Mangels gesetzlicher Regelung stützen sich die Gerichte ebenso wie beim Haftungsdurchgriffhäufig aufFaktorenlisten, etwa diejenige aus In re Vecco Construction Industries, Inc. 66 ; abgestellt wird dort auf den Zustand der Buchfiihrung, das Vorhandenein einer unity of interest and ownership zwischen den Gesellschaften, die gegenseitige Stellung von Sicherheiten, die mit der Vermögenstrennung verbundenen Schwierigkeiten, Vermögenstransfers unter Missachtung gesellschaftsrechtlicher Formalien, die Vermischung von Vermögenswerten und Geschäftsfunktionen und die im Falle der Konsolidation möglichen Einsparungen. Die Unterkapitalisierung einer Gesellschaft soll kein Grund für eine Konsolidation sein, weil sie nämlich allein den Gesellschaftern angelastet werden kann, aber nicht das Verhältnis der Gläubiger untereinander betrifft67 . In neueren Entscheidungen wird eine Konsolidation beftirwortet, wenn der Antragsteller anhand der Einzelfaktoren zeigen kann, dass (1)

die Gesellschaften im wesentlichen faktisch identisch sind (substantial identity) und

(2)

die Konsolidation zur Verhinderung eines Nachteils oder zur Erzielung eines Vorteils erforderlich ist68 •

Hieraus folge eine Vermutung, dass die Gläubiger nicht auf die Kreditwürdigkeit gerade einer bestimmten Gesellschaft vertraut hätten. Ein Gläubiger, der dem Antrag auf Konsolidation widerspreche, müsse daher nachweisen, dass (1)

er ausschließlich auf die Kreditwürdigkeit einer bestimmten Gesellschaft vertraut (etwa bewusst gerade mit ihr kontrahiert) habe und

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durch die Konsolidation einen Schaden erleiden würde 69 .

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4 B.R. 407 (Bankr. E.D.Va. 1980); In re Food Fair, Inc. 10 B.R. 123 (Bankr. S.D.N.Y. 1981 ); Eastgroup Properties v. Southern Motel Assoc., 985 F.2d 245, 249250 (11'11 Cir. 1991): "We stress, however, that we mention the specific factors ... only as examples of information tl1at may be useful to courts charged with deciding whether there is a substantial identity between the entities to be consolidated and whether consolidation is necessary to avoid some harm or to realize some benefit"; Epstein!Nickles/White Bankruptcy § 2-4. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 257 f. Eastgroup Properties v. Southern Motel Assoc., 985 F.2d 245, 249 (11'11 Cir. 1991): "the proponent of substantive consolidation must show that (I) there is substantial identity between the entities to be consolidated; and (2) consolidation is necessary to avoid some harm or to realize some benefit". Eastgroup Properties v. Southern Motel Assoc., 985 F.2d 245, 249 (11 111 Cir. 1991) m.w.N.; diese Entscheidung zeigt auch, dass ein Vertrauen der Gläubiger auf getrennte Haftung kaum beweisbar ist, weil dafür insbesondere ein selbständiges Auftreten

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Gerichte und Literatur haben erkannt, dass dem Gläubigervertrauen, also der Frage, inwieweit Gläubiger in schutzwürdiger Weise auf die Getrenntheit oder aber Einheit der Gesellschaften vertraut haben, für die Bewertung des Interessenkonflikts und damit die Anordnung der Konsolidation besondere Bedeutung zukommen muss 70 • In Gerichtsentscheidungen heißt es, die Konsolidation dürfe nur zurückhaltend eingesetzt werden, weil die Gefahr bestehe, dass Gläubiger unfair behandelt würden, die nur mit einer Gesellschaft zu tun und von der Verflechtung mit anderen Gesellschaften keine Kenntnis hatten 71 . In der Literatur wird im Gläubigervertrauen zum Teil sogar das alleinentscheidende Kriterium gesehen: So soll nach einer Ansicht die Anordnung der Konsolidation von Konzerngesellschaften den Regelfall darstellen und nur ausnahmsweise unterbleiben, wenn ein Gläubiger auf die getrennte Existenz einer Gesellschaft vertraut hat 72 ; nach einer anderen Ansicht, die sich eher mit den Ergebnissen der Rechtsprechung deckt, bleibt die Konsolidation auf Ausnahmefalle beschränkt, in denen ein Gläubiger auf eine größere Kapitalausstattung vertrauen durfte 73 . Beide Ansichten vermögen keine Lösung für Fälle anzubieten, in denen verschiedene Gläubiger in gegensätzlicher Weise auf die Getrenntheit bzw. Einheit der Gesellschaften vertraut haben. Deshalb wird vorgeschlagen, auf das Vertrauenskriterium ganz zu verzichten und über die Konsolidation anband der Vermögensflüsse zwischen den Gesellschaften zu entscheiden: Wenn die festgestellten Vermögensflüsse, über längere Zeit betrachtet, eine Gesellschaft in substanziel-

70

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72 73

256

der Gesellschaften gegenüber Geschäftspartnern noch nicht ausreicht: "That GPH and SMA may have, in general, held themselves out to the public and to their creditors as separate corporations does not mean that appellants did not rely on the credit of both companies" (S. 252).- Zur üblichen Rollenverteilung bei Anträgen auf Konsolidation vgl. Wes 65 Cal. L. Rev. 720, 725 Fn. 24 (1977). Chemical Bank New York Trust v. Kheel 369 F.2d 845 (2d Cir. 1966): "Equality among creditors who have lawfully bargained for different treatment is not equity, but its opposite"; Tschernig Konzerninsolvenz S. 80. In re Flora Mir Candy Corp., 432 F.2d 1060, 1063; Chemical Bank New York Trust v. Kheel 369 F.2d 845 (2d Cir. 1966): "The power to consolidate should be used sparingly ... ". Landers 42 U. Chi. L. Rev. 589 (1975). Posner 43 U. Chi. L. Rev. 499 (1976); ähnlich restriktiv Epstein/Nickles/White Bankruptcy § 11-41, die eine Konsolidation nur zulassen wollen, wenn (I) zwischen den Einzelgesellschaften keine gewichtigen Forderungen bestehen und bei Liquidation alle ungesicherten Gläubiger der Gesellschafter in etwa dasselbe erhalten würden, mit und ohne Konsolidation, oder (2) die Kosten einer Trennung sehr hoch wären und die einer Konsolidation widersprechenden Gläubiger die Gesellschaften früher selbst als Einheit behandelt haben. Wer die Konsolidation beantragt, muss ggf. beweisen, dass hierdurch kein Gläubiger geschädigt wird. Damit wird die Konsolidation aufseltene Ausnahmefälle beschränkt und eignet sich kaum noch zum Ausgleich ftir frühere konzerninterne Vermögensverschiebungen.

Vereinigte Staaten

ler Weise einseitig schädigten, solle dieser Gesellschaft, ihrem Insolvenzverwalter und ihren Gläubigem eine Konsolidation ermöglicht werden; Voraussetzung sei der Nachweis eines Netto-Defizits aus solchen konzerninternen Transaktionen74 • b)

Rechtsfolge

Die Konsolidation führt zur materiell-rechtlichen Zusammenlegung von Vermögen und Verbindlichkeiten mehrerer Konzerngesellschaften zu einer Insolvenzeinheit Dadurch werden alle zwischen den Gesellschaften bestehenden Forderungen eliminiert; die Ansprüche von Gläubigem der einzelnen Gesellschaften richten sich nunmehr gegen den gemeinsamen Vermögensfonds 75 . Für alle Ansprüche einer Rangklasse wird eine einheitliche Befriedigungsquote festgelegt 76 • 2.

Konsolidation mit Schwestergesellschaften

Die Konsolidation von Konzerngesellschaften dürfte nahezu immer auch Schwestergesellschaften einbeziehen77 • Ein anschauliches Beispiel bietet der Fall Seatrade Corporation, in dem das Vermögen und die Verbindlichkeiten der Seatrade Corporation mit denen anderer Schifffahrtsgesellschaften verschmolzen wurden 78 • Der Insolvenzrichter begründete die Konsolidation so: "Die Schuldner, alle im Schifffahrtsgeschäft tätig, gehörten, direkt oder indirekt, nahezu vollständig Manuel E. Kulukundis und seiner Frau. Sie wurden unter häufiger Missachtung der gesellschaftlichen Formalien betrieben und besaßen eine einheitliche Verwaltung. Sie wurden als wirtschaftliche Einheit geführt, ihre Geldmittel wurden im wesentlichen gepoolt. Die Schuldner erhielten von einander Geldmittel ohne die üblichen rechtlichen Formalitäten. Vermögenswerte wurden von Schuldnern ohne Gegenleistung auf andere übertragen. Die Schuldner kamen ebenso wie Kulukundis selbst für Drittverbindlichkeiten der anderen Schuldner auf. So gab es häufig Garantien der 74 75 76 77 78

Wes 65 Cal. L. Rev. 720, 726 (1977); vgl. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 268 f. m.w.N., der Vermögensverschiebungen als einen von mehreren Faktoren auflistet, die ftir eine Konsolidation sprechen können. Chemical Bank N.Y. Trust Co. v. Keel, 369 F.2d 845, 847 (2d Cir. 1966). Wes, 65 Cal. L. Rev. 720, 721 (1977). Vgl. Soviero v. Franklin National Bank ofLong Island, 328 F.2d 446 (2d Cir.1964): 14 Gesellschaften mit dem Namensbestandteil "Raphan". In the Matter of Seatrade Corporation, 255 F.Supp. 696 (S.D.N.Y. 1966); aff'd in Chemical Bank N.Y. Trust Co. v. Keel, 369 F.2d 845 (2d Cir. 1966), dazu Wes 65 Cal. L. Rev. 720, 733-735 (1977); Landers 42 U. Chi. L. Rev. 589, 636-637 (1975); Epstein/Nickles/White Bankruptcy § 11-41; Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 272 f.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Schuldner und von Kulukundis für fremde Verbindlichkeiten. Buchhalterisch wurden alle Schuldner wie eine Gesellschaft behandelt. Deshalb wäre es unvernünftig, sowohl wegen der Kosten als auch der erforderlichen Zeit, die Gesellschaften zu trennen; dies erschiene sogar praktisch unmöglich. Selbst die erwogenen Buchprüfungsmaßnahmen würden keine Gewähr dafür bieten, dass die Bücher die Situation der Schuldner adäquat wiedergeben. Wenn die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten verschmolzen würden, wäre hingegen keine vollständige Buchprüfung mehr nötig. Schließlich wurden keine Beispiele dafür aufgezeigt, dass einzelne Gläubiger im Falle einer Konsolidation unfair behandelt würden ... " 79 • Der amerikanische Staat hatte als Großgläubiger die Konsolidation der Gesellschaften beantragt. Die Chemical Bank New York Trust Company widersprach dem als Treuhänderin einer Gruppe von gesicherten Gläubigern. Diese besaßen ein Pfandrecht an einem Schiff der Seatrade Corporation, fürchteten jedoch, dass sich dieses Pfandrecht als unwirksam erweisen könnte; für diesen Fall wollten sie lediglich mit den anderen Gläubigern der Seatrade Corporation um das Vermögen dieser Gesellschaft konkurrieren, nicht jedoch mit den Gläubigern sämtlicher Gesellschaften um das verschmolzene Vermögen aller Gesellschaften. Hierzu argumentierten sie, ein Gericht dürfe die Konsolidation nur anordnen, wenn die Gläubiger von den engen Beziehungen zwischen den Gesellschaften der Gruppe wussten und hinsichtlich ihrer Befriedigung darauf vertrauten, dass die Gruppe eine Einheit bildete80 • Der Court of Appeals verwarf diesen Einwand und bestätigte die Konsolidation. Er begründete dies mit dem enonnen Aufwand, der für eine Wiederherstellung der finanziellen Vorgänge zwischen den Gesellschaften, der Verbindlichkeiten und Besitzverhältnisse betrieben werden müsste. Wo die Innenbeziehungen einer Gruppe derart undurchsichtig seien, dass die Kosten für eine Trennung die Vermögen der Gesellschaften aufzehren würden, sei es besser, einigen Gläubigern annähernde Gerechtigkeit wiederfahren zu Jassen, als sie allen zu verweigern 81 • Die Entscheidung erwähnt allerdings nicht, dass die Konsolidation insbesondere dem amerikanischen Staat zugute kam, der ungesicherten Gläubigern bei Insolvenz kraft gesetzlicher Anordnung im

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In the Matter ofSeatrade Corporation, 255 F.Supp. 696,697 f. (S.D.N.Y. 1966). Chemical Bank N.Y. Trust Co. v. Keel, 369 F.2d 845, 847 (2d Cir. 1966). " ... equity is not helpless to reach a rough approximation of justice to some rather than deny any to all"; Chemical Bank N.Y. Trust Co. v. Keel, 369 F.2d 845, 847 (2d Cir. 1966).

Vereinigte Staaten

Rang vorgeht und deshalb an einer Vergrößerung der Insolvenzmasse besonders interessiert ist82 • Einen Fall der Betriebsaufspaltung betrifft Eastgroup Properfies v. Southern Motel Assoc., Ltd. 83 : Eine GPH corporation befasste sich ausschließlich mit dem Betrieb von Motels, welche einer limited partnership (KG) namens SMA gehörten bzw. von dieser geleast wurden. GPH und SMA gehörten im Ergebnis denselben Gesellschaftern und verfugten über das gleiche Personal und die gleichen Büroräume. Zwischen beiden Gesellschaften wurde Vermögen hin- und hergeschoben; GPH bezahlte möglicherweise Verbindlichkeiten der SMA. Gegenüber einem Gläubiger, der Arbeiten auf einem Grundstück ausftihrte, erklärte GPH sogar, dass das Grundstück ihr gehöre, obgleich es in Wirklichkeit der SMA gehörte. Bankruptcy und District Court ließen sich bei der Anordnung der Konsolidation von dem Gedanken leiten, dass ohne Konsolidation nach Zahlung aller Verbindlichkeiten der SMA dort möglicherweise noch Vermögen übrig bliebe, das dann an die Gesellschafter der SMA verteilt würde, während die Gläubiger der GPH leer ausgingen. Auf die Berufung eines Gläubigers der SMA hin bejahte der Court of Appeals -unter Anwendung des oben erwähnten zweistufigen Tests - die faktische Identität (substantial identity) der beiden Gesellschaften und wog sodann die Vor- und Nachteile der Konsolidation gegeneinander ab: Die Vorteile sah der Court of Appeals insbesondere darin, dass GPH möglicherweise Verbindlichkeiten der SMA bezahlt habe und die Konsolidation es venneiden helfe, dass Gläubiger der GPH durch solche Transaktionen ohne Gegenleistung geschädigt würden. Auch Gläubiger, die durch GPH unzutreffend über die Eigentumsverhältnisse informiert worden waren, würden durch die Konsolidation geschützt, ebenso wie alle anderen Gläubiger der GPH. Was etwaige Nachteile angehe, habe der Gläubiger der SMA zwar bewiesen, dass er durch die Konsolidation geschädigt werde, aber nicht, dass er ausschließlich auf die getrennte Kreditwürdigkeit der SMA vertraut habe. Insbesondere, dass GPH und SMA einer Zeugenaussage zufolge gegenüber Geschäftspartnern getrennt auftraten, bedeute nicht, dass diese nicht doch auf eine Befriedigung durch beide Gesellschaften vertrauten.

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Darauf weist bereits Richter Friendly in seinem (der Entscheidung im Ergebnis zustimmenden) Votum hin, Chemical Bank N.Y. Trust Co. v. Keel, 369 F.2d 845, 848 (2d Cir. 1966). Deramerikanische Kongress hat ftir gegenüber dem Bundesstaat bestehende Schulden Priorität gegenüber ungesicherten Gläubigern gewährt, vgl. den Federal Tax Lien Act. 935 F.2d 245 (ll'h Cir. 1991); zu einer vertikalen Betriebsaufspaltung vgl. Stone v. Eacho 127 F.2d 284 (4'h Cir. 1942).

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111.

Auswertung

Bei der Durchgriffshaftung ist zu berücksichtigen, dass sie in den Vereinigten Staaten einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland besitzt: In den Vereinigten Staaten ist sie- begünstigt durch das Fehlen wirksamer Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften - zum "beinahe allumfassenden Lösungssatz"84 avanciert, in Deutschland dagegen nur ultima ratio 85 • Deshalb kann es in Deutschland auch kaum darum gehen, mittels der Durchgriffshaftung jeweils die Grenzen des wirtschaftlich einheitlichen Unternehmens nachzuzeichnen86 • Ein solcher Ansatz wäre nur schwer mit dem kodifizierten Konzernrecht zu vereinbaren, das in den §§ 291 ff. AktG nicht die Haftung der wirtschaftlichen Einheit Konzern, sondern eben nur die Haftung des herrschenden Unternehmens vorsieht. Diese Haftung basiert nicht auf der Zugehörigkeit zu einem einheitlichen Unternehmen, sondern auf einem Beherrschungsverhältnis. Die gemeinsame Abhängigkeit der Schwestergesellschaften von denselben Gesellschaftern kann in Deutschland kaum Grund ftir einen horizontalen Durchgriff sein: Zwar finden sich vergleichbare Überlegungen etwa bei Karsten Schmidt, der fiir den Fall "qualifizierter Gleichordnung" eine Verlustgemeinschaft zwischen den Konzernschwestern befiirwortet, wobei "qualifizierte Gleichordnung" vorliegen soll, wenn die gleichgeordneten Gesellschaften bar jeder Eigenverantwortlichkeit "wie Betriebsabteilungen" gefiihrt werden bzw. "die juristische Selbständigkeit der gleichgeordneten Gesellschaften in der betrieblichen Wirklichkeit keine Entsprechung findet" 87 . Doch ist mit dieser (auch qualifizierten) Abhängigkeit nicht zu begründen, warum Schwestergesellschaften ftir Strukturen einstehen sollen, die sie nicht selbst geschaffen haben88 . Während die Lehre vom piercing the corporate veil ein missbräuchliches Verhalten der Gesellschafter sanktionieren will, hat die Konsolidation als insolvenzspezifisches Rechtsinstitut allein die Interessen der Gläubigergesamtheit im Blick; sie will einen gerechten Ausgleich zwischen den divergie-

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Rehbinder Konzernaußenrecht S. 130. K. Schmidt ZIP 1994, S. 837, 838; Mertens ZGR 1984, S. 542,555: "Ein Rückfall in ungeschlachtes Durchgriffsdenken kommt daher flir uns nicht in Betracht". So flir das amerikanische Recht Blumberg Corporate Groups S. 545 ff.; ähnlich Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 377. K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 442; ders. Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 c, s. 1235 f. Ausfuhrlieh oben § 5 I!.

Vereinigte Staaten

renden Interessen der verschiedenen Gläubigergruppen schaffen89 • Folgerichtig kann deshalb auch die Unterkapitalisierung einer Gesellschaft kein Kriterium fiir eine Konsolidation sein, weil sie nur den Gesellschaftern, nicht auch den anderen Gläubigern angelastet werden kann90 • Für das deutsche Recht haben sich Versuche, Gesellschaften fiir Vorgänge in ihren Schwestergesellschaften verantwortlich und somit haftbar zu machen, als nur begrenzt tragfahig erwiesen. Neu ist demgegenüber der Ansatz der Konsolidation, die Massen(um)verteilung insolvenzspezifisch mit Gerechtigkeitserwägungen zu begründen, welche direkt das Binnenverhältnis der Gläubiger betreffen. Die richtige Bewertung der meist gegensätzlichen Gläubigerinteressen hat sich allerdings schon in den Vereinigten Staaten als schwierig erwiesen; von Bedeutung soll insbesondere das Vertrauen der Gläubiger in die Einheit oder Getrenntheit der Konzerngesellschaften und der Gedanke eines Ausgleichs fiir vorangegangene Vermögensverlagerungen sein. Will man diese Vorstellungen auch für das deutsche Konzeminsolvenzrecht fruchtbar zu machen, darf indessen nicht übersehen werden, dass die Konsolidation auch in der amerikanischen Rechtspraxis nicht der Nonnalfall, sondern nur ein "extreme remedy der equity jurisdiction, ein äußerster Notbehelf für verfahrene Situationen"91 ist.

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Zur Abgrenzung von Durchgriffshaftung und Konsolidation vgl. In re Cooper, 147 B.R. 678, 684 (Bkrcty. D.N.J. 1992), dazu Tschernig Konzerninsolvenz S. 53 f.; ferner Epstein/Nickles/White Bankruptcy § 2-4. Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 257 f. Mertens ZGR 1984, S. 542, 555. Weitergehende Vorschläge finden sich in der amerikanischen Literatur; so soll nach Landers 42 U. Chi. L. Rev. 589 (1975) die Konsolidation der Konzerngesellschaften den Regelfall darstellen.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

§ 8. Frankreich Das französische Recht kennt kein kodifiziertes, in sich geschlossenes Konzernrecht1. Die Zugehörigkeit einer Gesellschaft zu einer Unternehmensgruppe (groupe de societes) ist zunächst nur ein wirtschaftliches, aber kein juristisches Faktum. Deshalb richtet sich auch in Konzernzusammenhängen der Blick ganz auf die Belange jeder einzelnen Gesellschaft und den Erhalt ihrer organisatorischen und vermögensmäßigen Autonomie. Die Geschäftsleiter einer Gesellschaft sind ausschließlich dem objektiven Interesse ihrer eigenen Gesellschaft verpflichtet; sie bleiben es auch dann, wenn diese Gesellschaft wirtschaftlich Bestandteil einer Unternehmensgruppe ist2 • Das objektive Interesse einer Gesellschaft (interet socia!) besteht in der Erzielung von Gewinnen oder zumindest von Einsparungen (Art. 1832 C. civ.) 3 ; es verbietet die Inkaufuahme wirtschaftlicher Nachteile zugunsten anderer Gesellschaften einer Unternehmensgruppe. Verstöße gegen das interet social werden insbesondere über ein weitreichendes Sonderstrafrecht für Geschäftsleiter sanktioniert4•

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Es gibt jedoch gruppenbezogene Regelungen einzelner Aspekte: so enthalten die Art. 233-1 ff. C. com. (früher Art. 354 ff. des Gesetzes Nr. 66-537) einige Definitionen und Informationspflichten flir Unternehmensgruppen; zu sonstigen gruppenbezogenen Regelungen vgl. Ehricke Konzernunternehmen S. 506 ff.; Cozian/Viandier!Deboissy Societes Nr. 1950 ff. So betont Ehricke Konzernunternehmen S. 503 ff.; vgl. aber auch sogleich § 9 Fn. 4. Art. 1832 C. civ.: «La societe est instituee par deux ou plusieurs personnes qui conviennent par un cantrat d'affecter a une entreprise commune des biens ou leur industrie en vue de partager Je benefice ou de profiterde l'economie qui pourra en resulter. Elle peut etre instituee, dans !es cas prevus par Ia loi, par l'acte de volonte d'une seule personne. Les associes s'engagent a contribuer aux pertes. » Zivilrechtliche Bedeutung könnte insbesondere die Rozenblurn-Entscheidung der Cour de cassation von 1985 (Cass. crim. 4.2.1985 Rev. soc. 1985, S. 648 mit Anm. Bouloc; dazu Rivinius Konzernkonkurs S. 119 ff.; Ehricke Konzernunternehmen S. 548 f.; Lutter FS Kellermann S. 257) entfalten: Obwohl die Entscheidung auf dem Gebiet des Sonderstrafrechts ftir Geschäftsleiter erging, erhebt sie doch den Anspruch, generelle Grundsätze zur korrekten "Konzerngeschäftsfiihrung" und zur Legitimation gruppenbedingter Nachteile zu beschreiben, mit Gültigkeit auch flir das Zivilrecht (Le Cannu Rev. soc. 1999, S. 43, 71 f.). Benachteiligungen einer Gesellschaft, insbesondere Vermögensverschiebungen oder Haftungsübernahmen zugunsten anderer Gesellschaften der Gruppe, sind danach legitim, wenn drei Elemente kumulativ vorliegen: (I) eine gefestigte Gruppenstruktur, (2) eine kohärente Gruppenpolitik und (3) ein Gleichgewicht zwischen den sich aus der Gruppenzugehörigkeit ergebenden Vor- und Nachteilen. Diese Elemente dienen der strafrechtlichen Rechtfertigung von konzernbedingten Verstößen gegen das interet social einer Einzelgesellschaft. Nach Maul NZG 1998, S. 965, 968 hat sich die Cour de cassation zwar nie ausdrücklich zu einer Anwendung der Rozenblurn-Konzeption im Zivilrecht bekannt. Trotzdem ist es denkbar, dass ihre Vorgaben zur korrekten "Konzerngeschäftsftihrung"

Frankreich

Die Einzelbetrachtung einer jeden Gesellschaft setzt sich grundsätzlich auch im Fall der Konzerninsolvenz fort: Wenn mehrere Gesellschaften einer Unternehmensgruppe gleichzeitig zahlungsunfähig werden, werden durch die jeweils zuständigen Gerichte ebenso viele Insolvenzverfahren eröffnet. Mit der Vielzahl der juristischen Personen korrespondiert eine Vielzahl der Verfahren und gerichtlichen Zuständigkeiten5• Von diesem Grundsatz gibt es jedoch gewichtige Ausnahmen: Die richterrechtlichen Institute der Fiktivität einer Gesellschaft (1.) und der Vermögensvermischung (II.) erlauben es ebenso wie die Klagen nach den Art. L. 624-3 und 624-5 C. com. 6 (action en comblement de passifI action en extension de passif, III.), das gegen eine Gesellschaft eröffuete Insolvenzverfahren auf eine oder mehrere andere Gesellschaften einer Unternehmensgruppe zu erstrecken7• Während die Klagen auf die verantwortlichen Geschäftsleiter einer Gesellschaft und damit eher die Muttergesellschaft zielen, ermöglicht die Insolvenzerstreckung wegen Fiktivität oder Vermögensvermischung eine Einbeziehung der Schwestergesellschaften in den Haftungsverbund. Insoweit kennt das französische Recht also eine horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz. Nicht durchgesetzt hat sich der weitere richterrechtliche Insolvenzerstreckungsgrund der "Unternehmenseinheit" (unite d'entreprise, entite economique ). Die Instanzgerichte wollten damit einheitliche Insolvenzverfahren auch dann ermöglichen, wenn es an den Voraussetzungen der

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etwa bei der Frage der Insolvenzerstreckung auf andere Konzerngesellschaften zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt hat die Entscheidung auch den Vorschlag des Forum Europaeum Konzernrecht für eine europäische Konzernrechts-Richtlinie inspiriert (Le Cannu Rev. soc. 1999, S. 43; dazu MüKo-AktG!Krop.ffVor § 311 Rn. 38). Die Unternehmensgruppe selbst ist keine juristische Person und kann deshalb nicht Subjekt eines Insolvenzverfahrens sein; Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte - redressement judiciaire, Nr. 119; Germain!Pariente in : Rep. societes Dalloz, Groupe de societes, Nr. 115. Früher Art. 180 und 182 Loi no. 85-98 vom 25. Januar 1985. Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte - redressement judiciaire, Nr. 120. Die zusammenfassende Bezeichnung als "Insolvenzerstreckung" darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rechtsfolgen durchaus unterschiedlich sind: Nur die Insolvenzerstreckung wegen Fiktivität und Vermögensvermischung ist eine extension veritable, bei der es zu einer förmlichen Erstreckung des Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen auf das Vermögen weiterer Konzerngesellschaften unter Bildung einer einheitlichen Insolvenzmasse kommt. Die action en comblement de passifbestimmt dagegen eine Ausfallhaftung für Geschäftsleiter, während die action en extension de passif die Eröffnung eines eigenständigen Insolvenzverfahrens gegen den Geschäftsleiter vorsieht; zu den unterschiedlichen Rechtsfolgen Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte - redressement judiciaire, Nr. I 04; Honorat/RomaniRev. soc. 1995, S. 100,101, 106 f., Nr. 13.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Fiktivität oder Vermögensvermischung fehlt, zwischen den Gesellschaften jedoch eine "wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit" (interdependance economique) besteht8 . Dazu mussten die Gesellschaften durch ein dichtes Netz finanzieller, geschäftlicher und persönlicher Beziehungen miteinander verbunden sein, welches sie wirtschaftlich solidarisch machte. Dieses Konzept der "Unternehmenseinheit" hat sich jedoch nicht genügend konkretisieren lassen, um einen selbständigen Insolvenzerstreckungsgrund darstellen zu können9 , und wurde deshalb von der Cour de cassation wiederholt verworfen 10 •

I.

Fiktivität einer Gesellschaft (jictivite')

Ein gedanklicher Weg, insbesondere die Muttergesellschaft ftlr Schulden ihrer Tochtergesellschaft haften zu lassen, besteht darin, die Tochtergesellschaft zur bloßen Fiktion zu erklären und an ihre Stelle die Muttergesellschaft als wahre Geschäftsherrin und Schuldnerirr zu setzen ll. Diesen Weg geht das richterrechtliche Institut der Insolvenzerstreckung wegen Fiktivität (jictivite).

1.

Wandlung des Konzepts der Fiktivität

Das traditionelle Konzept der Fiktivität beruht auf der Lehre von der Simulation, der zufolge für rechtliche Außenbeziehungen nicht der Schein, sondern die Realität maßgebend sein soll 12 • Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ftlr die Lehre von der Simulation ist Art. 1321 C. civ. 13 , wonach ein geheimer Vertrag, der einen nach außen hin wirksamen Vertrag ändern oder aufheben soll, nur zwischen den Vertragsparteien Gültigkeit hat; Dritte können sich dagegen wahlweise auf die Realität oder die Simulation berufen. Auch die societe jictive 14 ist nur ein Schein, an dem sich Gläubiger nicht festhalten lassen

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Daigre in : Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte- redressement judiciaire, Nr. I I 9 ff.; Fete! JCP 1992, I, 3617, Nr. 2; Rivinius Konzernkonkurs S. 148 ff.; Ehricke Konzernunternehmen S. 514 f. Saintourens Rev. soc. 1994, S. 326, 328 Nr. 2. So in Cass. com. 20.10.1992 Rev. soc. 1993, S. 449. Hierin liegt der eigentliche Sinn der Fiktiverklärung, deutlich Rouast-Bertier Rev. soc. 1993, S. 725, 749, Nr. 40: « L'effet recherche, et obtenu, par !es demandeurs qui invoquent avec succes Ia fictivite d'une societe ... est en realite non pas Ia nullite de celle-ci ... mais Ia prise en charge de son passif par Ia personne physique ou morale dont ils mettent en avant Ia qualite de maitre de l'affaire. » Rouast-Bertier Rev. soc. 1993, S. 725, 726, Nr. 3 f.; Rivinius Konzernkonkurs S. 43 ff.; Ehricke Konzernunternehmen S. 566 ff. Art. 1321 C. civ.: « Les contre-lettres ne peuvent avoir leureffet qu'entre [es parties contractantes; elles n'ont point d'effet contre !es tiers. » Auch als societe de jac;ade oder societe ecran bezeichnet.

Frankreich

müssen. Sie ist eine Fassade, hinter der sich ein Hintermann (maftre de l'affaire) versteckt, um seinen eigenen Geschäften nachzugehen und im Fall der Insolvenz gleichwohl von der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen profitieren zu können 15 • Der Hintermann, bei dem es sich auch um eine juristische Person handeln kann, gründet dazu gemeinsam mit Strohmännern eine SARL (socü?te aresponsabilite limitee) oder SA (societe anonyme); als Strohmänner fungieren regelmäßig Angestellte oder Familienmitglieder des Hintermannes, die schon im Voraus Blankozessionen bezüglich ihrer Anteile unterschrieben haben und selbst an der Gesellschaftsgründung nicht interessiert sind, sondern nur pro forma mitwirken 16 • Diese Mitgesellschafter sind rein "fiktiv". Der Gesellschaft fehlt deshalb die cif.fectio societatis, die nach französischem Recht Bestandteil einer jeden Gesellschaftsgründung sein muss. Von der Cour de cassation wurde sie dahingehend umschrieben, dass eine tatsächliche Zusammenarbeit der Gesellschafter zur Nutzung des Gesellschaftsvermögens erforderlich ist, im gemeinsamen Interesse und auf gleichberechtigter Basis, um an Erträgen und Verlusten gleichermaßen zu partizipieren 17 • Das Fehlen der affectio societatis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fuhrt zur Fiktivität der Gesellschaft, mit der Folge, dass die fiktive Gesellschaft nichtig ist 18 und der Hintermann als wahrer Geschäftsherr für ihre Verbindlichkeiten einstehen muss. Das Sanierungs- bzw. Insolvenzverfahren gegen die societe fictive wird auf ihn ausgedehnt (extension veritable) 19 • Dieses traditionelle Konzept der Fiktivität ist in mehrfacher Hinsicht problematisch20. Zum einen ist durch Gesetz vom 11. Juli 1985 die EURL (entreprise unipersonneUe a responsabilite limitee) eingeführt worden, das französische Gegenstück zur deutschen Einmann-GmbH; die Haftungsbe15 16 17 18

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Honorat/Romani Rev. soc. 1995, S. I 00, I 04, Nr. 9 ; Cozian/Viander!Deboissy SocietesNr.l95. Cozian/Viander!Deboissy Societes Nr. 195. Cass. com. 3.6.1986, Rev. soc. 1986, S. 585 mit Anm. Guyon; kritisch dazu RouastBertier Rev. soc. 1993, S. 725, 726, Nr. 14. A.A. Honorat!Romani Rev. soc. 1995, S. 100, 106 Nr. 12; Ehricke Konzernunternehmen S. 567: Inexistenz - die Cour de cassation hat jedoch in einer Grundsatzentscheidung entschieden, dass eine societe fictive nichtig und nicht inexistent ist, Cass. com. I 6.6.1992 D. 1993, S. 508 mit Anm. Co/let; Rouast-Bertier Rev. soc. 1993, S. 725, 744 f., Nr. 30 ff.; Cozian!Viander!Deboissy Societes Nr. 195 f. Von Bedeutung ist dies ftir Fragen der Rückwirkung und Verjährung. In der Insolvenzausdehnung liegt der Hauptanwendungsbereich des FiktivitätsKonzepts, jedoch nicht der einzige. Denkbar ist es etwa auch, dass der maitre de l'affaire dazu verurteilt wird, einen Vertrag durchzuftihren, den er durch eine societe fictive abschließen ließ, bzw. wegen dessen Schlechterftillung Schadensersatz zu leisten, vgl. Cass. com. 28.11.1989 Rev. soc. 1990, S. 240 und die dortige Anmerkung. AusfUhrlieh Rouast-Bertier Rev. soc. 1993, S. 725, 732 ff., Nr. 12 ff.

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schränkung auch des Alleingesellschafters ist damit legitim und nunmehr ohne Einschaltung von Strohmännern möglich21 . Zum anderen ist es im Konzern die Regel, dass Anteile an Tochtergesellschaften zu (nahezu) 100% von der Muttergesellschaft gehalten werden; die Fiktivität all dieser Tochtergesellschaften wäre damit die logische, aber unerwünschte und deshalb so nicht gezogene Konsequenz22 . Die Fiktivität einer Gesellschaft kann nicht schon allein aus ihrer Konzernzugehörigkeit folgen 23 . Maßgeblich soll vielmehr sein, ob der Gesellschaft infolge des übermächtigen Einflusses der Muttergesellschaft jegliche Autonomie und damit die Ausrichtung auf ihre "eigenen Interessen" fehlt 24 . Auf eine fehlende Autonomie deuten sowohl organisatorische als auch funktionelle Indizien hin: In organisatorischer Hinsicht ist eine Kapitalmehrheit der Muttergesellschaft bedeutsam, ebenso die Existenz gemeinsamer Geschäftsleiter und Gesellschaftssitze; funktionelle Indizien sind das Fehlen eines eigenständigen Gesellschaftslebens und einer Geschäftstätigkeit, die sich von den Aktivitäten der Muttergesellschaft unterscheiden ließe, möglicherweise auch eine eingetretene Vermögensvermischung25. Die leichter festzustellenden organisatorischen Indizien sind allein nicht ausreichend, sondern müssen durch funktionelle Indizien ergänzt werden. Mit den funktionellen Indizien entfernt man sich jedoch immer weiter von der ursprünglichen Konzeption der Fiktivität, wonach die Fiktivität sich bereits bei Vertragsschluss aus dem Fehlen der affectio societatis ergeben muss; insbesondere eine nachträglich eingetretene Vermögensvermischung kann über das anfängliche Fehlen der affectio societatis kaum etwas aussagen26 . Eine neuere Konzeption der Fiktivität sieht in ihr deshalb eine Sanktion ftir den Missbrauch der juristischen Person27 • Das Prinzip der rechtlichen Selbständigkeit der juristischen Person (Art. 1842 C. civ.) soll nicht triumphieren, wenn die betroffenen Gesellschaften seine Anwendung nicht "verdienen". Schwierigkeiten bereitet naturgemäß die Konkretisierung, wann

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Entsprechend wurde Art. 1832 C. civ. ergänzt: «Elle peut etre instituee, dansdes cas prevus par Ia loi, par l'acte de volonte d'une seule personne ». Gisserot RTD com. 1979, S. 49 Nr. II: « ... il est certain qu'un secteur important de I' economie nationale viendrait il etre demantele si toutes Ies societes fictives etaient rayees dujour au lendemain. »; Cozian/Viandier! Deboissy Societes, Nr. 197. Cass. com. 24.5.1982, Rev. soc. 1983, S. 361 mit Anm. Beguin. Ehricke Konzernunternehmen S. 568 ff.; Rivinius Konzernkonkurs S. 63 ff. Rouast-Bertier Rev. soc. 1993, S. 725, 732 ff., Nr. 12 ff.; Rivinius Konzernkonkurs S. 64 ff. m.w.N. Deutliche Unterscheidung zwischen Fiktivität und Vermögensvermischung bei Cass. com. 8.2.1994, Rev. soc. 1995, S. I 00 mit Anm. Honorat!Romani, S. I 01, I 03, Nr. 6. Rouast-Bertier Rev. soc. 1993, S. 725, 747 ff., Nr. 36 ff.; Romani!Honorat Rev. soc. 1995, S. I 00, I 02, Nr. 4; Rivinius Konzernkonkurs S. 97 ff.

Frankreich

ein solcher Missbrauch der juristischen Person vorliegt. Verdächtig sind jedenfalls Konzemstrukturen, die - wie die Betriebsaufspaltung - darauf abzielen, den Gläubigemjegliche Haftungsmasse vorzuenthalten28 • 2.

Fiktivität im Verhältnis zu Schwestergesellschaften

Das Konzept der Fiktivität beschränkt sich nicht auf das Verhältnis einer Gesellschaft zu ihrer Muttergesellschaft, sondern kann auch zur Insolvenzerstreckung auf Schwestergesellschaften fuhren. Deutlich wird dies zunächst im Fall der horizontalen Betriebsaufspaltung (montage) 29 • Dabei wird das Immobilienvermögen in einer societe civile immobiliere (SCI) angelegt, während eine SA oder SARL die Rolle der Betriebsgesellschaft (societe d'exploitation) übernimmt und die Gebäude von der SCI pachtet. Gewöhnlich haben beide Gesellschaften die gleichen Gesellschafter und Geschäftsleiter, auch die Gesellschaftssitze sind häufig dieselben. Vor allem Instanzgerichte stehen der Betriebsaufspaltung kritisch gegenüber, wenn ihr einziger Zweck darin besteht, die Vermögen zu trennen und das Immobilienvermögen bei Insolvenz der Betriebsgesellschaft vor dem Zugriff ihrer Gläubiger zu schützen30 • So wurde die Fiktivität der SCI schon allein damit begründet, dass die SCI finanziell völlig von den Pachtzahlungen der Betriebsgesellschaft abhänge und lediglich "eine Fiktion, ausgedacht von ihr und für sie"31 , sei. Die Cour de cassation ist der Tendenz der Instanzgerichte zur Verdammung der Betriebsaufspaltung mehrfach entgegengetreten, insbesondere in einer Grundsatzentscheidung von 199632 : Die Tatsache, dass es sich bei der SCI um eine reine Zweckgründung handele, die finanziell ganz auf die Pachtzahlungen der Betriebsgesellschaft angewiesen sei, führe ebenso wenig wie die personelle Verflechtung der Gesellschaften auf Gesellschafter- und Geschäftsleiterebene zur Fiktivität der SCI. Auch die Interessenübereinstimmung zwischen beiden Gesellschaften deutet für sich allein noch nicht auf Fiktivität hin33 • Die mit der Be-

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32 33

CA Paris 19.12.1991, Bull. Joly 1992, S. 325 mit Anm. Ramackers; Rivinius Konzernkonkurs S. 97 ff. Cozian/Viandier/Deboissy Societes Nr. 207; Rivinius Konzernkonkurs S. 78 ff. Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte - redressement judiciaire, Nr. 113 : «La jurisprudence recente des juridictions du fond a tendance a faire Ia chasse au mantage ». « une fiction cons:ue par elle et pour elle », Cass. com. 25.5.1993, Nr. 91-10.998 J, n.v., zit. nach Saintourens Rev. soc. 1994, S. 326, 329 Nr. 4 m.w.N.; CA Versailles, 30.10.1990, Dr. societes 1992, Nr. I 08; Bull. Joly 1991, S. 95 mit Anm. Petel. Defrenois 1996, S. 1297 mit Anm. Hovasse, wiedergegeben bei Cozian/Viandierl Deboissy Societes Nr. 207; Anm. Fete/, JCP 1997, Ed. G, I, 4004, Nr. I. Cozian/Viandier/Deboissy Societes Nr. 207.

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triebsaufspaltung verfolgte Haftungstrennung ist daher legitim34 ; die Betriebsaufspaltung bedeutet grundsätzlich noch keinen Missbrauch der juristischen Person im Sinne der neueren Fiktivitäts-Konzeption. Eine Grenze ist aber möglicherweise dort zu ziehen, wo der Erwerb der Immobilien vollständig von der Betriebsgesellschaft finanziert wurde35 oder völlig überhöhte Miet- oder Pachtzinsen gezahlt werden 36 ; die Feststellung solch "anormaler Finanzflüsse" zwischen Gesellschaften scheint aber eher geeignet, eine Insolvenzausdehnung unter dem- von der Fiktivität zu trennenden- Gesichtspunkt der Vermögensvermischung zu begründen37 . Bei der horizontalen Betriebsaufspaltung werden die Anteile regelmäßig direkt von natürlichen Personen gehalten, so dass es an einer übergeordneten Muttergesellschaft fehlt. Aber auch wenn eine solche vorhanden ist, muss über die Fiktivität einer Gesellschaft im Verhältnis zu ihren Mutter- und Schwestergesellschaften keineswegs einheitlich entschieden werden. Die Beziehungen zu den anderen konzernangehörigen Gesellschaften sind jeweils getrennt zu beurteilen. So ist es möglich, dass zwei Schwestergesellschaften zwar formal unterschiedliche juristische Personen sind, nach dem Konzept der Fiktivität in Wahrheit aber eine Einheit bilden - ohne dass in diese Einheit notwendig auch die gemeinsame Muttergesellschaft mit einbezogen sein müsste 38 . Ein naheliegender Beispielsfall ist die Betriebsaufspaltung, sofern man die Besitzgesellschaft als fiktiv ansehen möchte: Wenn die Muttergesellschaft über eine Tochtergesellschaft verfügt, die selbständig einer eigenen Geschäftstätigkeit nachgeht und deshalb im Verhältnis zur Muttergesellschaft nicht fiktiv ist, und diese Tochtergesellschaft sodann in eine Betriebs- und eine Besitzgesellschaft aufgespalten wird, betrifft die Fiktivität der Besitzgesellschaft nur das Verhältnis zur Betriebsgesellschaft, nicht jedoch ihr gemeinsames Verhältnis zur Mutter oder zu anderen Schwestergesellschaften. Betriebs- und Besitzgesellschaft bilden untereinan-

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Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte - redressement judiciaire, Nr. 113, 118; Petel JCP 1991, Ed. G, 3617 Nr. I; Fete! JCP 1997, Ed. G, I, 4004, Nr. I. So Fete! JCP 1997, Ed. G, I, 4004, Nr. I mit der Begründung, die Betriebsaufspaltung erlaube es sonst, den Gläubigern Vermögenswerte zu entziehen, in die diese "normalerweise" die Zwangsvollstreckung betreiben könnten. - Dies ist aber Sinn und Zweck einer jeden Betriebsaufspaltung. Vgl. Rivinius Konzernkonkurs S. 78 ff. Vgl. Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte- redressement judiciaire, Nr. 113, 118; Fete! JCP 1991, Ed. G, 3617 Nr. I; Ntel JCP 1997, Ed. G, I, 4004, Nr. I. CA Paris 16.11.1993, Bull. Joly 1994, S. 73 mit Anm. Diener; dazu Germain/Pariente, Rep. societes Dalloz, Groupe de societes, Nr. 118; Rivinius Konzernkonkurs S. 80.

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der und gegenüber den anderen Konzerngesellschaften eine Einheie 9• Ein Insolvenzverwalter ist deshalb nicht gehalten, zunächst gegen die Muttergesellschaft vorzugehen, bevor er die Insolvenzerstreckung auf eine Schwestergesellschaft verlangen kann. Eine auf Fiktivität gestützte Haftung von Schwestergesellschaften wird auch für den Fall der- ähnlich aus dem amerikanischen Recht bekannten- singleship companies diskutiert: Hierbei kreieren die Gesellschafter eine Gesellschaft pro Schiff und verhindem so, dass im Fall eines Schiffbruchs die Geschädigten auf ein anderes Schiff als Haftungsmasse zurückgreifen können. In einem von der Cour de cassation 1996 entschiedenen Fall40 gehörten die Transportschiffe Lides und Alexandra III zwei verschiedenen, in Panama registrierten Gesellschaften, die jedoch von derselben Schweizer Gesellschaft geführt wurden. Nach dem Schiffbruch der Lides erwirkten der geschädigte Warenempfanger und seine Versicherung die vorläufige Beschlagnahme der Alexandra III. Die Cour d'appel Aix-en-Provence bestätigte die vorläufige Beschlagnahme, weil beide Gesellschaften eine einzige Unternehmerische Einheit darstellten, die im Wege fiktiver Gesellschaften ihr Vermögen separiere, um ihre Risiken zu minimieren und Klagen ihrer Gläu-

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Komplizierter lagen die Dinge im Fall CA Paris 16.11.1993, Bull. Joly 1994, S. 73: Prestinox, ein Hersteller von Diaprojektoren, war bereits in Form einer Betriebsaufspaltung organisiert: das Grundstück, auf dem Prestinox seine Produktionsanlagen errichtet hatte, gehörte einer SC!. Als Prestinox insolvent wurde, wurden die Aktiva von einem ausländischen Konzern übernommen. Der Konzern errichtete hierzu die Prestinox International S.A., deren Hauptaktionär eine niederländische Holdinggesellschaft wurde. Holding und Prestinox International S.A. gründeten zudem gemeinsam eine socü!te en nom collectif(OHG), die das Betriebsgrundstück erwarb. Damit wurde die ursprüngliche Betriebsaufspaltung mit neuen Partnern fortgesetzt: mit der OHG als Besitzgesellschaft, der Prestinox International S.A. als (nunmehr an ihrer Schwester beteiligten) Betriebsgesellschaft und der niederländischen Holding als gemeinsamer Mutter. Zwischen der Prestinox International S.A. und der OHG bestand kein Pachtvertrag, auch wurde die von der OHG geschuldete Grundsteuer von der Prestinox International S.A. gezahlt. Als die Prestinox International S.A. nach zwei Jahren ebenfalls insolvent wurde, beantragte deren Insolvenzverwalter die Insolvenzerstreckung auf die OHG, weil diese rein fiktiv sei und nur dazu diene, den Gläubigem der Prestinox International S.A. Haftmasse zu entziehen. Die Cour d' Appel gab dem statt: Die Fiktivität könne in einer Unternehmensgruppe nicht nur das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, sondern auch dasjenige zwischen Schwestergesellschaften betreffen. Zwei Schwestergesellschaften könnten trotzdes Anscheins formell verschiedener juristischer Personen in Wahrheit ein einheitliches Unternehmen bilden, ohne dass sie zugleich auch mit ihrer Mutter eine Einheit bilden müssten. Die Schwestergesellschaften unterlägen deshalb einem einheitlichen Verfahren, wobei das Vermögen gemeinsame Haftmasse für die Gläubiger beider Gesellschaften werde. Cass. com. 19.3.1996, Rev. soc. 1996, S. 267 mit Anm. Le Cannu; dazu auch Cozian/Viandier!Deboissy Societes Nr. 208.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

biger zu vereiteln. Die Cour de cassation hob die Entscheidung auf, weil die gemeinsame Geschäftsleitung lediglich ein Indiz fiir die Fiktivität einer Gesellschaft sei, fiir sich allein jedoch nicht ausreiche. In einer früheren, ebenfalls singte-ship companies betreffenden Entscheidung von 1989 hat die Cour de cassation Fiktivität hingegen bejaht41 : Eine Gesellschaft, die dieselben Gesellschafter, Geschäftsfiihrer und Gesellschaftssitze wie eine andere Gesellschaft habe und lediglich gegründet worden sei, um aus der Haftungsseparierung Vorteile zu ziehen, sei nur eine socü~te fictive ohne wirkliche Autonomie. Die andere Gesellschaft wurde dazu verurteilt, Schadensersatz fiir eine beim Schiffstransport entstandene Fehlmenge zu leisten, obwohl das transportierende Schiff nicht ihr, sondern der societe fictive gehörte. Ausschlaggebend waren auch in diesem Fall nicht die organischen Kriterien (gemeinsame Gesellschafter etc.), sondern die Tatsache, dass die societe fictive wie ein bloßer Befehlsempranger der anderen Gesellschaft funktionierte. 3.

Rechtsfolge der Insolvenzerstreckung

Die Insolvenzerstreckung wegen Fiktivität bedeutet eine extension veritable: Es kommt zu einer förmlichen Erstreckung des Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen auf das Vermögen weiterer Konzerngesellschaften unter Bildung einer einheitlichen Insolvenzmasse. Es kann sowohl von der fiktiven auf die tatsächlich bestehende als auch von der tatsächlich bestehenden auf die fiktive Gesellschaft erstreckt werden42 . Die Folgen fiir die unterschiedlichen Gläubigergruppen werden kaum diskutiert. Vorgeschlagen wurde, dass die Einheitlichkeit der Insolvenzmasse gutgläubigen Gläubigem nicht entgegengehalten werden könne, so dass diese sich zu ihrem Vorteil weiterhin auf die Trennung der Vermögen berufen könnten; begründet wurde dies mit allgemeinen Regeln der Lehren von der Simulation und der apparence 43 • Diese Regeln sollen jedoch unanwendbar sein, weil es fiir die Simulation an einem verdeckten Geschäft (contre-lettre) fehle und die Lehre von der apparence im Insolvenzverfahren wegen des vorrangigen Prinzips der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht zur Anwendung kommen könne44 • Die Rechtsprechung hat gelegentlich dingliche Sicherheiten zugunsten der so

41 42 43 44

270

Cass. com. 28.11.1989, Rev. soc. 1990, S. 240; dazu Le Cannu Rev. soc. 1996, s. 267,272. Rivinius Konzernkonkurs S. 166. Houin, zitiert nach Daigre in : Rep. societes Dalloz, Entreprisesen difficulte- redressementjudiciaire, Nr. 105. Daigre in : Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte - redressement judiciaire, Nr. 106 f.; CA Paris 1.12.1976, D. 1977, IR 120.

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gesicherten gutgläubigen Gläubiger von der Insolvenzerstreckung ausgenommen45.

II.

Vermögensvermischung (confusion des patrimoines)

Neben der Fiktivität erlaubt auch das Konzept der Vermögensvermischung (confusion des patrimoines) eine Insolvenzerstreckung, und zwar auf sämtliche Gesellschaften, mit denen die insolvente Gesellschaft "vermischt" ist46 . 1.

Begriff der Vermögensvermischung

Hannoun sieht in der Vermögensvermischung einen "Begriff ohne Kriterien und ohne Grundlage". Nichts erlaube es, den Integrationsgrad gerrau zu bestimmen, ab dem zwei Gesellschaften fiir vermischt erklärt werden müssen47. Die juristische Grundlage fiir die Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung ist weitgehend ungeklärt. Verbreitet wird in der Existenz eines getrennten Vermögens die Voraussetzung fiir die Anerkennung als juristische Person gesehen; die Vermögensvermischung wäre dann nichts anderes als Ausdruck bzw. Unterfall der Fiktivität einer juristischen Person 48 • Andere Erklärungsversuche gehen dahin, in der Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung eine Sanktion fiir den Missbrauch der juristischen Person zu sehen49 bzw. anzunehmen, dass eine Gesellschaft bei Eingebung einer Verpflichtung zugleich auch die anderen Gesellschaften der Gruppe, in der eine Vermögensvermischung besteht, repräsentiert und mitverpflichtet50 . Hannoun meint, schon der Begriff des Vermögens beruhe auf der Korrelation von Aktiva und Passiva einer Gesellschaft; das Vermögen werde auseinandergerissen, wenn es zwischen Gesellschaften zu ständigen und

45 46 47

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Daigre in : Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte- redressement judiciaire, Nr. 108; Cass. com. 16.12.1964 RTD com. 1965 S. 461 mit Anm. Houin. Guyon Konzernrecht im Ausland, S. 76, 91; zum Folgenden vgl. Rivinius Konzernkonkurs S. 103 ff.; Hannoun Groupes de societes Nr. 369 ff. Hannoun Groupes de societes, Nr. 370. Hannoun stellt sogar die Frage, ob die Vermögensvermischung nicht einfach nur ein Mittel ist, um im Nachhinein das gewünschte Ergebnis zu rechtfertigen, Nr. 384 - dies dürfte er i.E. jedoch verneinen, indem er in der Folge die Figur der Vermögensvermischung mithilfe seiner ,,theorie de Ia transparence" zu erklären versucht, Nr. 3 85 ff. Vgl. Hannoun Groupes de societes, Nr. 376; gegen die Gleichsetzung von Fiktivität und Vermögensvermischungjedoch Cour. cass. 8.2.1994 Rev. soc. 1995, S. 100 mit Anm. Honorat/Romani. Artz RTD com. 1975, S. 15 f., Nr. 13. Bellenger Rev. Jur. Com. 1962, S. 175, Nr. 40.

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substantiellen Transfers ohne Gegenleistung komme 51 ; die Zusammenführung der beiden Gesellschaften erlaube es, diese ungerechtfertigten Transfers ohne Gegenleistung zu annullieren und die dadurch bewirkte Verarmung und Bereicherung der Gesellschaften auszugleichen 5 2 • Die Rechtsprechung hat sich für die Annahme einer Vermögensvermischung zunächst auf ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild der Gesellschaften gestützt: auf gemeinsame geschäftliche Aktivitäten und Gesellschaftssitze, den häufigen Austausch von Personal53 • Da diese äußeren, eng mit der Theorie der apparence verbundenen Indizien als unzureichend erkannt worden sind, wird nunmehr zusätzlich nach Anhaltspunkten im Innenleben der Gesellschaften gesucht: Die Richter untersuchen die Innenbeziehungen zwischen den Gesellschaften; sofern diese für eine Gesellschaft einen "anormalen Charakter" aufweisen, sind sie geneigt, die Gesellschaften für vermischt zu erklären. Von besonderer Bedeutung ist die Existenz bzw. das Fehlen einer vorschriftsmäßigen und getrennten Buchhaltung für die Gesellschaften, aber auch, ob die Gesellschaft z.B. eigenständige Gesellschafterversammlungen abgehalten hat und ihre Gesellschafter regelmäßig informiert wurden 54 . Die jüngere Rechtsprechung hat den Begriff der Vermögensvermischung präzisiert und seinen Anwendungsbereich erweitert. 1993 hat die Cour de cassation entschieden, dass das Vorhandensein gemeinsamer Gesellschafter oder Geschäftsleiter, gleicher Geschäftszwecke, die Zentralisierung der Geschäftleitung an einem Ort, ständige Geschäftsbeziehungen zwischen den Gesellschaften und eine gemeinsame Kundschaft nicht ausreichen, um eine Vermögensvermischung zu begründen; denn die Gesellschaften hätten jeweils eine unabhängige Geschäftstätigkeit bewahrt, verfugten über eine getrennte Buchftihrung und auch "anormale Finanzflüsse" (jlux financiers anormaux) seien zwischen ihnen nicht festzustellen 55 • Eine Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung setzt somit eine Konfusion der Aktivitäten, eine Konfusion der Aktiva und Passiva oder aber die Feststellung anormaler Finanzflüsse voraus. Der neue Begriff der flux financiers 51 52 53 54 55

272

Hannoun Groupes de societes, Nr. 396 : « la rupture permanente et substantielle de la correlation actif/passif ». Hannoun Groupes de societes, Nr. 391. Nachweise zu dieser älteren Rechtsprechung bei Hannoun Groupes de societes, Nr. 371 f.; vgl. auch Germain!Pariente in: Rep. societes Dalloz, Groupe de societes, Nr. !II f. Hannoun Groupes de societes, Nr. 374 f.; Nachweise bei Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte- redressement judiciaire, Nr. 114. Cass. com. 11.5.1993 Bull. Joly 1993, S. 1050 mit Anm. Petel; dazu Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte- redressement judiciaire, Nr. 91, 117.

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anormaux erweitert den bisherigen Begriff der Vermögensvermischung. Es geht insoweit nicht mehr darum, auf eine vorgefundene unentwirrbare tatsächliche Situation zu reagieren, in der eine Separierung der Vermögen praktisch unmöglich erscheint. Die Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung wird vielmehr zur Sanktion für ein missbräuchliches Verhalten, das die Autonomie des Gesellschaftsvermögens und damit der juristischen Person selbst verletzt.

Die Feststellung solcher anormaler Finanzflüsse setzt eine eingehende Beschäftigung mit den Beziehungen zwischen den Konzerngesellschaften voraus; sämtliche Finanzflüsse sind auf ihre (fehlende) Ausgeglichenheit hin zu untersuchen56 • Gedacht ist hierbei vor allem an völlig unangemessene Mietoder Pachtzahlungen, überhöhte Rechnungen für konzerninterne Dienstleistungen und Warenkäufe und -verkäufe zu einem Preis weit über oder unter dem Marktpreis57 • Kennzeichen für die Anormalität der Finanzflüsse ist das Fehlen einer angemessenen Gegenleistung 58 . Hierüber sind die anormalen Finanzflüsse von der einfachen vertraglichen Zusammenarbeit zwischen Konzerngesellschaften zu unterscheiden59 • Erforderlich ist zudem eine gewisse Regelmäßigkeit, so dass ein isolierter Akt - wie etwa das vorübergehende Nichtgeltendmachen von Pachtforderungen bei drohender Insolvenz der Betriebsgesellschaft60 - für eine Vermögensvermischung noch nicht ausreicht 61 . Zum Teil wird angenommen, dass auch die anormalen Finanzflüsse in einen Zustand unentwirrbarer Verflechtung (etat d 'imbrication inextricable) zwischen den Gesellschaften münden müssen, damit von einer Vermögensvermischung gesprochen werden kann 62 • Nach verbreiteter Ansicht können anormale Finanzströme eine Vermögensvermischung aber auch dann begründen, wenn eine Abrechnung zwischen den Parteien durchaus noch mög-

56 57 58 59 60 61

62

Randoux Rev. soc. 1995, S. 757, 761, Nr. 5. Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte- redressement judiciaire, Nr. 91; speziell zu Betriebsaufspaltungen Randoux Rev. soc. 1995, S. 757,761, Nr. 5. Vgl. hierzu Rivinius Konzernkonkurs S. 135 f. Zur Notwendigkeit der Abgrenzung vgl. Honorat/Romani Rev. soc. 1995, S. 100, 103, Nr. 7. Ntel JCP 1997, Ed. G, I, 4004, Nr. !; Randoux Rev. soc. 1995, S. 757,761, Nr. 3. Hannoun Groupes de societes Nr. 392 mit Fn. 108: Die Vermögensvermischung betreffe eher solche Beziehungen zwischen Gesellschaften, die einer Gewohnheit entsprächen und strukturellen Charakter hätten. Das Kriterium der Dauer sei notwendig, um die Vermögensvermischung von der Insolvenzerstreckung nach Art. L. 624-5 C. com. (früher Art. 182 L 85) zu unterscheiden. Rivinius Konzernkonkurs S. 137, anders jedoch ftir das systematische Aussaugen einer Konzerngesellschaft (S. 138) und die Betriebsaufspaltung (S. 143).

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

lieh wäre63 • Ein weiterer Autor meint, entscheidend sei nicht die Unmöglichkeit, die Aktiva und Passiva beider Parteien im Nachhinein wieder herzustellen, sondern die Tatsache, dass die Parteien selbst die Vermögen nicht auseinander gehalten haben; bereits die Notwendigkeit der Rekonstruktion der Konten zeige die stattgefundene Vermögensvermischung64 • Gegen das Erfordernis eines Zustands unentwirrbarer Verflechtung spricht jedoch die oben zitierte Entscheidung der Cour de cassation von 1993, welche die anormalen Finanzflüsse als selbständiges Element neben die Vermischung der wirtschaftlichen Aktivitäten und der Aktiva und Passiva stellt. Gerade im Bereich der Betriebsaufspaltung wird in der Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung ein Sanktionsinstrument gesehen, das ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, etwa durch Zahlung völlig überhöhter Pachtzinsen, im Gläubigerinteresse wieder ausgleichen soll; diese Sanktion kann kaum davon abhängen, ob die Vermögensverschiebungen im Pachtvertrag und in den Büchern der Gesellschaft korrekt aufgezeichnet wurden oder nicht. 2.

Vermögensvermischung mit Schwestergesellschaften

Die Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung betrifft sämtliche Gesellschaften, deren Vermögen vermischt bzw. zwischen denen anormale Finanzflüsse festzustellen sind. Die Vermögensvermischung wird häufig mehrere Konzerngesellschaften gleichzeitig betreffen, so dass im Regelfall auch Schwestergesellschaften in den Haftungsverbund mit einbezogen werden65. Der häufige Fall der Betriebsaufspaltung begründet für sich noch keine Vermögensvermischung66 •

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Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte : redressement judiciaire, Nr. 91, 117; Fete! JCP 1997, Ed. G, I, 4004, Nr. I m.w.N.; Hannoun Groupes de societes Nr. 393 ; undeutlich Ehricke Konzernunternehmen S. 572 f.: trotz organisatorischer Verquickung zweier Unternehmen und deren wiitschaftlichem Gleichlauf könne eine Vermögensvermischung ausscheiden, wenn wenigstens die Buchführung genau getrennt "und/oder" kein anormaler Vennögensfluss festzustellen sei. Randoux Rev. soc. 1995, S. 757, 761, Nr. 4. Vgl. Rivinius Konzernkonkurs S. 138: In "echten" Konzernfallen steht der Sanktionsgedanke ftir das systematische Aussaugen einer Konzergesellschaft (vampirisme financier) im Vordergrund; die Cour von Aix-en-Provence 7.5.1992, Dr. societes 1992, Nr. 252, hat eine Vermögensvermischung zwischen zwei Gesellschaften angenommen, weil die eine das Geschäft der anderen ohne Vertrag und Entgelt betrieb, außerdem erst einen Monat nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens über die andere Gesellschaft errichtet und eingetragen wurde. Saintourens Rev. soc. 1994, S. 326, 329, Nr. 4.

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Anders kann bei Hinzutreten "anormaler" Begleitumstände, insbesondere bei deutlich überhöhten Pachtzinsen, zu entscheiden sein67 : In einem von der Cour de cassation 1991 entschiedenen Fall68 hatten die Gesellschafter einer SARL eine SCI mit einem Kapital von 10.000 FF gegründet, die zum Erwerb einer Immobilie einen Kredit über 5.000.000 F aufnahm und die Immobilie sodann sofort an die SARL verpachtete. Der von der SARL zu zahlende Pachtzins lag 1.500% über dem marktüblichen Zins und ermöglichte die Rückzahlung des Kredits. Schließlich nahm die SARL selbst einen Kredit auf, um die Immobilie weiter auszustatten, wobei diese Ausstattung nach den Bedingungen des Pachtvertrages ohne Entschädigung von der SCI erworben werden sollte. Die Cour de cassation nahm hier eine Vermögensvermischung an, welche die Erstreckung des gegen die SARL gerichteten Insolvenzverfahrens auf die SCI rechtfertigte. Die Begründung für die Insolvenzausdehnung lag in den Vermögensverschiebungen ohne (angemessene) Gegenleistung, die dazu führten, dass das Vermögen der SARL zugunsten der SCI völlig ausgesaugt wurde; die SCI wurde Eigentümerirr der vollständig ausgestatten Immobilie, ohne hierfür auch nur einen Pfennig auszugeben69. In einer Entscheidung von 1993 begründete die Cour de cassation die Insolvenzerstreckung auf die Besitzgesellschaft (SCI) damit, dass Verträge für dieselben Arbeiten an den Gebäuden auf dem Pachtgrundstück wahllos von der einen oder anderen Gesellschaft abgeschlossen wurden, ohne dass sich bestimmen ließe, welcher Anteil an den Arbeiten auf welche Gesellschaft entfallen sollte; zudem sei die SCI von den Pachtzahlungen der Betriebsgesellschaft völlig abhängig gewesen und hätten beide Gesellschaften nur über ein gemeinsames Vermögen verfügt70 .

3.

Rechtsfolge der Insolvenzerstreckung

Die Insolvenzerstreckung wegen Vennögensvermischung führt ebenso wie diejenige wegen Fiktivität zu einer extension veritable. Wegen der Gleichheit der Rechtsfolgen wird oft auch auf der Voraussetzungsseite nicht deutlich zwischen Fiktivität und Vermögensvermischung unterschieden. 67 68

69 70

Saintourens Rev. soc. 1994, S. 326, 329, Nr. 3: der Pachtzins ist das Hauptindiz für eine zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft bestehende "anormale Situation". Cass. com. 17.12.1991, JCP 1992, Ed. E, 166 Nr. I, dazu Ntel JCP 1992, Ed. G, I, 3617 Nr. I; ähnlich Cass. com. 28.3.1995 BRDA 1995-7, S. 5; weitere Nachweise zur Betriebsaufspaltung bei Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprises en difficulte redressementjudiciaire, Nr. 118. Fete/ JCP 1992, Ed. G, I, 3617 Nr. I. Cass. com. 12. 10.1993, Rev. soc. 1994, S. 326 mit Anm. Saintourens; ähnlich CA Paris 11.1.1994, Bull. Joly 1994, S. 317 mit Anm. Pariente.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Diskutiert wird, ob die Insolvenzerstreckung wegen Vennögensvermischung auch die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, auf die erstreckt werden soll, voraussetzt. So erscheine es rechtlich und wirtschaftlich wenig sinnvoll, die Insolvenz auf eine zahlungskräftige Gesellschaft zu erstrecken und das gemeinsame Insolvenzverfahren nach Zahlung sogleich wieder zu schließen; ein besserer Weg liege in der Verurteilung der anderen Gesellschaft zur bloßen Schuldenübemahme71 • Nach der Rechtsprechung impliziert jedoch die Zahlungseinstellung der ersten Gesellschaft bereits, dass sich das gesamte Vermögen der vermischten Gesellschaften in demselben Zustand befindet, so dass eine gesonderte Feststellung der Zahlungsunfähigkeit auch der anderen Gesellschaften nicht notwendig ist72 •

111.

Klagen nach Art. L. 624-3, 624-5 C. com.

Dieaction en comblement de passifgemäß Art. L. 624-3 C. com. 73 sieht eine Ausfallhaftung für Geschäftsleiter vor, die durch einen Geschäftsleitungsfehler zur Überschuldung der Gesellschaft beigetragen haben. Sie haben die Haftungsmasse der Gesellschaft um einen Geldbetrag aufzustocken, der vom Gericht nach eigenem Ermessen festgelegt wird und nur nach oben durch den Fehlbestand an Aktiva begrenzt ist. Die action en extension de passif gemäß Art. L. 624-5 C. com. 74 stellt dagegen einen besonderen Insolvenz-

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Rivinius Konzernkonkurs S. 170 ff. m.w.N. CA Paris 15.4.1988, Rev. soc. 1988, S. 436 mit Anm. Honorat; Ehricke Konzernunternehmen S. 573 f. m.w.N. Art. L. 624-3 C. Com. (früher Art. 180 L 85): « Lorsque Je redressementjudiciaire ou Ia liquidationjudiciaire d'une personne morale fait apparaitre une insuffisance d'actif, le tribunal peut, en cas de faute de gestion ayant contribue a cette insuffisance d'actif, decider que !es dettes de Ia personne morale seront supportees, en tout ou en partie, avec ou sans solidarite, par tous !es dirigeants de droit ou de fait, remuneres ou non, ou par certains d'entre eux .... Les sommes versees par !es dirigeants ... entrent dans Je patrimoine du debiteur ... En cas de cessation ou de Iiquidation, ces sommes sont reparties entre tous !es creanciers au marc le franc. » Art. L. 624-5 C. Com. (früher Art. 182 L 85): «I. En cas de redressement judiciaire ou de Iiquidation judiciaire d'une personne morale, le tribunal peut ouvrir une procedure de redressement judiciaire ou de Iiquidation judiciaire a I' egard de tout dirigeant de droit OU de fait, remunere Oll non, contre JequeJ peut etre releve un des faits ciapres: I o Avoir dispose des biens de Ia personne morale comme des siens propres ; 2° Sous Je couvert de Ia personne morale masquant ses agissements, avoir fait des actes de commerce dans un interet personne I ; 3° Avoir des biens ou du credit deIapersonne morale un usage Contraire a l'interet de celle-ci a des fins personnelies ou pour favoriser une autre personne morale ou entreprise dans laquelle il etait interesse directement ou indirectement;

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eröffnungsgrund dar; gegen den Geschäftsleiter wird durch die Verurteilung wegen der dort aufgezählten Handlungen ein eigenständiges Insolvenzverfahren eröffnet, an dem - neben etwaigen Privatgläubigem des Geschäftsleiters - kraft Gesetzes auch die Gläubiger der geschädigten Gesellschaft teilnehmen. Durch die Eröffnung eines weiteren, separaten Insolvenzverfahrens unterscheidet sich diese "Insolvenzerstreckung" deutlich von der extension veritable bei Fiktivität oder Vermögensvermischung, bei der die Massen im Rahmen eines einzigen Verfahrens zu einer einzigen Masse verschmolzen werden75 • Beide Vorschriften betreffen den rechtlichen oder faktischen Geschäftsleiter (dirigeant de droit ou de fait), bei dem es sich grundsätzlich auch um eine juristische Person handeln kann 76 • Rechtliche Geschäftsleiter sind die ordnungsgemäß zu gesetzlichen Organen der juristischen Person bestellten Personen. In Konzernen kann zwar auch eine Gesellschaft rechtliche Geschäftsleiterin einer anderen Gesellschaft sein77 ; der Geschäftsfiihrer einer SARL sowie der PDG und die Vorstandsmitglieder einer SA müssen jedoch natürliche Personen sein 78 • Faktischer Geschäftsfiihrer ist, wer frei und unabhängig durch positives Tun Geschäftsfiihrungs- oder Leitungstätigkeiten ausübe 9 . Dabei kann es sich insbesondere um einen Gesellschafter, mithin auch um eine Muttergesellschaft handeln, die sich in die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft einmischt80 • Betrachtet man die Tatbestandsvarianten

75 76 77 78 79

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4 o Avoir poursuivi abusivement, dans un interet personne I, une exploitation deficitaire qui ne pouvait conduire qu' it Ia cessation des paiements de Ia personne morate; 5° Avoir tenue une comptabilite fictive ou fait disparaltre des documents comptables de Ia personne morale ou s'etre abstenu de tenir toute comptabilite conforme aux regles legales ; 6° Avoir detourne ou dissirnute tout ou partie de l'actif ou frauduleusement augmente le passif de Ia personne morale ; 7° Avoir tenu une comptabilite manifestement incomplete ou irreguliere au regard des dispositions legales. II. En cas de redressement judiciaire ou de Iiquidation judiciaire prononce en application du present article, le passif comprend, outre le passif personne I, celui de Ia personne morale. Ill.- IV .... » Ehricke Konzernunternehmen S. 556 f.; Rivinius Konzernkonkurs S. 201. Vgl. Art. L. 624-4 C. com. Rivinius Konzernkonkurs S. 205; zur Muttergesellschaft Cozian!Viandier!Deboissy Societes Nr. 1974. Art. L. 223-18 C. com. ftir die SARL, Art. L. 225-4 7, 225-53 und 225-59 für die SA. Cass. com. 9.5.1978 D. 1979, S. 419 mit Anm. Vasseur; 1.7.1997 RTD com. 1998, S. 162 mit Anm. Champaud!Danet; ausfuhrlieh m.w.N. Daigre in: Rep. societes Dalloz, Entreprisesen difficulte- redressementjudiciaire, Nr. 376 ff. Cozian/Viandier/Deboissy Societes Nr. 1974.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

des Art. L. 624-5 C. com., handelt die Muttergesellschaft insbesondere tatbestandsmäßig, wenn sie Vermögen der Tochtergesellschaft unter Verstoß gegen deren Eigeninteresse auf eine Schwestergesellschaft verschiebt (Nr. 1 und 3) 81 • Die Art. L. 624-3 und 624-5 C. com. begründen bei solchen horizontalen Vermögensverlagerungen jedoch keine Haftung der begünstigten Schwestergesellschaft, sondern nur eine Haftung der Muttergesellschaft in ihrer Eigenschaft als dirigeant de fait. Möglicherweise käme auch eine Schwestergesellschaft als dirigeant de fait in Betracht. So wird angenommen, dass die faktische Geschäftsleitung eine Vorstufe, ein Minus zu Fiktivität und Vermögensvermischung darstellt. Der maitre de l 'affaire sei immer auch faktischer Geschäftsleiter. Ebenso sei zur Durchführung der flux financiers anormaux, die eine Vermögensvermischung kennzeichnen, eine Machtposition und -ausübung erforderlich, welche die Kriterien der faktischen Geschäftsleitung erfülle82 • Dirigeant de fait wird in derartigen Fällen aber regelmäßig der gemeinsame Gesellschafter oder die Muttergesellschaft sein, nicht die Schwestergesellschaft83 . Anders könnte dies sein, wenn die Konzernleitung faktisch nicht bei der Mutter-, sondern bei einer dominierenden Schwestergesellschaft liegt. Die rechtliche Abhängigkeit dieser Schwestergesellschaft von der Muttergesellschaft dürfte dem nicht entgegenstehen. Denn das Erfordernis der "Freiheit und Unabhängigkeit" des dirigeant de fait ist eher auf natürliche Personen zugeschnitten und soll höhere Angestellte von der Haftung ausnehmen; wenn ihre Stellung im Einzelfall jedoch so stark ist, dass sie die Entscheidungsgewalt an sich ziehen, werden auch sie als dirigeant de fait eingestuft84 . Praktisch scheinen solche Überlegungen indes bisher nicht geworden zu sein. In einer bereits etwas älteren Untersuchung zu 204 die Haftung des dirigeant de fait betreffenden Urteilen waren regelmäßig natürliche Personen verklagt. Die Muttergesellschaft bzw. deren Direktor waren nur in je zwei Fällen betroffen, Schwestergesellschaften kommen in der Aufstellung gar nicht vor85 .

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Ausführlich Ehricke Konzernunternehmen S. 557 ff. Rivinius Konzernkonkurs S. 215 f. Vgl. einerseits die Ausführungen zur horizontalen Vermögensverlagerung, andererseits aber auch die bereits zitierte Formulierung « une fiction con.yue par elle et pour elle », wobei "elle" die Besitzgesellschaft ist, die somit als maitre de l 'a.ffaire erscheint. CA Paris 20.2.1978, Rev. soc. 1979, S. 122; Zahn Geschäftsleiterhaftung S. 103 f. Untersuchung von Sayag/Serbat, zitiert nach Zahn Geschäftsleiterhaftung S. 106 f.: als dirigeant defait wurden hauptsächlich Verwandte (71 Fälle), Gesellschafter (56), ehemalige Geschäftsleiter (36), Freunde (23) und Angestellte der Gesellschaft (16) verklagt.

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IV.

Auswertung

Auf der Rechtsfolgenseite weist die Insolvenzerstreckung wegen Fiktivität und Vermögensvermischung Verwandtschaft mit der Konsolidation des amerikanischen Rechts auf: Aus den Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften wird jeweils eine einheitliche Insolvenzmasse gebildet (extension veritable). Bei der Fiktivität führt der Weg dorthin jedoch über eine Fiktiv- bzw. Nichtigerklärung von Konzerngesellschaften, die dem deutschen Recht vollständig fremd ist. Das Konzept der Fiktivität basiert zudem wesentlich auf dem Autonomiegedanken: Bei Konzerngesellschaften soll darauf abzustellen sein, ob sie noch autonom sind oder aber - etwa bei der Betriebsaufspaltung - die Ausrichtung auf das "eigene Interesse" fehlt. In Deutschland finden sich ähnliche Erwägungen zur gesellschaftlichen Autonomie schon in der Autokran-Entscheidung86 und in der Formel, Tochtergesellschaften seien bar jeder Eigenverantwortlichkeit "wie Betriebsabteilungen" geführt worden 87 . Mit einem Autonomiedefizit ist nach deutschem Recht indessen höchstens die Haftung des herrschenden Gesellschafters zu begründen, der seine Gesellschaften "an die kurze Leine nimmt", nicht dagegen die Mithaftung von weiteren, ebenfalls nicht hinreichend autonomen Gesellschaften88 . Bemerkenswert ist dagegen die Erweiterung des Begriffs der Vermögensvermischung um den Gesichtspunkt "anormaler Finanzflüsse" (jlux financiers anormaux) zwischen den Konzerngesellschaften. Anders als im deutschen Recht geht es nicht mehr nur darum, auf eine unentwirrbare tatsächliche Situation zu reagieren, sondern auch um einen Ausgleich für Vermögensverlagerungen zwischen den Gesellschaften, mögen diese buchmäßig

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BGHZ 95, 330, 341 f.: "Dem gesetzlichen Leitbild, das von einer autonomen Gesellschaft ausgeht, die ihre Belange nach eigenständigen Zielvorstellungen verfolgt, entspricht ein solcher Zustand nicht, und es liegt auf der Hand, dass in einem Geschäftsbetrieb, in dem die Selbständigkeit der GmbH nur noch eine formale Hülle ist, auch die Schutzvorkehrungen... nicht dem gesetzlichen Leitbild entsprechend funktionieren"; nach K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 17 I 1 a, S. 493 f., entspricht der Konzern generell nicht mehr der Vorstellung der Rechtsordnung von der Autonomie des Rechtssubjekts. So zur "qualifizieiten Gleichordnung" K. Schmidt ZHR 155 (1991), S. 417, 442; ders. Gesellschaftsrecht § 39 IV 2 c, S. 1235 f. Ausführlich oben § 5 II; kritisch zum Autonomiegedanken insgesamt Windbichler RdA 2000, S. 238, 239: Der aus dem Aktiemecht stammende Gesichtspunkt des Autonomieverlustes sei schon bei der GmbH weniger überzeugend, bei der KG vollends zweifelhaft.

279

Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

auch genau erfasst sein. Die Folgen, die dieser Ansatz für die verschiedenen Gläubigergruppen mit sich bringt, werden in Frankreich allerdings kaum diskutiert.

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Deutschland

§ 9. Deutschland Henssler hat in seiner Besprechung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts von 1998 1 die insolvenzrechtlichen Bezüge einer Haftbarmachung von Schwestergesellschaften herausgestellt: Die Entwicklung zusätzlicher Durchgriffstatbestände gegen Schwestergesellschaften werde zwangsläufig eine Lockerung des Trennungsgedankens in der Konzerninsolvenz bewirken. Wenn eine wirtschaftliche Schieflage sukzessive den gesamten Unternehmensverbund erfasse, ftihre die Trennung der Vermögensmassen ohnehin nicht immer zu allseits befriedigenden Ergebnissen. Wirtschaftlich gehe es in solchen Fällen "um die Frage der korrekten Zuordnung eines rechtlich aufgespaltenen Haftungsfonds zu jener Gläubigergemeinschaft, die Forderungen gegenüber einer wirtschaftlichen ,Unternehmenseinheit' hat. Nur der Gedanke einer sachgerechten Verteilung von Haftungsmassen kann es unter Umständen gebieten, als Rechtsfolge den Gläubigerzugriff auf das Vermögen der Besitzgesellschaft zu gestatten" 2 •

Auch Windbichler ordnet die Haftung von Schwestergesellschaften thematisch dem (fehlenden) Recht fiir die Konzerninsolvenz zu3 . Die Insolvenzordnung ist auf eine Haftbarmachung von Schwestergesellschaften und überhaupt auf Konzernsachverhalte nicht eingerichtet (I.). Eine sachgerechte (Um-)Verteilung von Haftungsmassen zwischen den insolventen Konzerngesellschaften ließe sich daher allenfalls mittels ungeschriebener Durchgriffs-oder Ausgleichsansprüche erreichen (II.).

I.

Das (fehlende) Recht der Konzerninsolvenz

Ein Blick in die Insolvenzordnung macht sehr schnell deutlich, dass es bei dem Versuch, Schwestergesellschaften mit dem dort verfiigbaren Instrumentarium zu konsolidieren bzw. in das Insolvenzverfahren einer anderen Konzerngesellschaft mit einzubeziehen, nur um eine Diskussion de lege ferenda gehen könnte 4 : Die Insolvenzordnung hat die Insolvenz verbundener Unternehmen weder im Text noch konzeptionell berücksichtigt5 . Nach § 1 Insü dient das Insolvenzverfahren dazu, "die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt" wird. Schuldner ist nur die einzelne Konzerngesell-

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Henssler ZGR 2000, S. 479, unter der Überschrift: ",Konzeminsolvenz' in Fällen der Betriebsaufspaltung?". Henssler ZGR 2000, S. 479, 495 ff. Windbichler RdA 2000, S. 238, 242. Ebenso Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 80. Noack Gesellschaftsrecht Rn. 712. Zur Insolvenzanfechtung vgl. bereits oben § 3.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

schaft, nicht der Konzern als ganzer. § II InsO enthält eine abschließende Aufzählung der Personen und Organisationen, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffuet werden kann; der Konzern gehört nicht dazu. Wenn die Geschäftsleitungen der insolventen Konzerngesellschaften ihren Sitz in verschiedenen Gerichtsbezirken haben, ist nach den §§ 2, 3 InsO nicht einmal die verfahrensmäßige Konzentration bei einem Insolvenzgericht möglich 6 • Die Kommission ftir Insolvenzrecht hat konzerninsolvenzrechtliche Vorstellungen, insbesondere auch eine Übernahme der aus dem amerikanischen Recht bekannten joint administration und substantive consolidation, ausdrücklich abgelehne. Es sei im Rahmen einer Insolvenzrechtsreform nicht sachgerecht, Vorschläge zu entwickeln, die zu einschneidenden Eingriffen in die Struktur des Konzernrechts fuhren oder den Grundsatz der rechtlichen Selbständigkeit verbundener Unternehmen und der Haftungstrennung zur Disposition stellen würden 8 • In der juristischen Literatur wurde diese gesetzgeberische Zurückhaltung ganz überwiegend begrüßt. Viele Autoren sehen in der (Konzern-)Insolvenz geradezu "die Bewährungsprobe" ftir die Vermögenstrennung9 . Karsten Schmidt meint, dass ein Prinzip "ein Konzern, ein Gesamtschuldner, eine Masse"' juristisch nicht umsetzbar wäre und auch an den Bedürfnissen der Praxis vorbei ginge 10 • Nach Stürner wäre eine insolvenzmäßige Gesamthaftung ein schwerer Eingriff in das System des risikobegrenzten Kapitaleinsatzes, das zwar Gläubiger gefährden könne, aber auch wirtschaftliche Dynamik und Innovation fördere 11 •

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282

Uhlenbruck/Hirte § II Rn. 394; MüKo-InsO/Ganter § 3 Rn. 14; a.A. LG Dessau ZIP 1998, S. I 006, I 007 f. Erster Bericht, Leitsatz 2.4.9.13: "Konzernunternehmen. (I) Eine verfahrens-und verwaltungsmäßige Konzentration der Insolvenzverfahren verschiedener Konzernunternehmen ist nicht vorzusehen .... (5) Für den Fall, dass in einem faktischen Konzern eine Mutter- oder Tochtergesellschaft insolvent wird, ist eine konzernrechtliche Regelung nicht erforderlich. Insoweit lösen sich die Fragen der Beendigung der Beziehungen nach Gesellschaftsrecht."; Kommission für Insolvenzrecht Erster Bericht S. 290. Näher zur joint administration Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 5 ff. zum amerikanischen, S. 37 ff. zum deutschen Recht. Kommission für Insolvenzrecht Erster Bericht S. 292; ebenso Lutter ZfB 1984, S. 781, 785; Baur/Stürner Insolvenzrecht § 35 IV, S. 418. Paulus ZIP 1996, 2141, 2145; Mertens ZGR 1984, S. 542, 555; Lutter ZfB 1984, S. 781; Noack Gesellschaftsrecht Rn. 716; Stürner Zwangsvollstreckungsrecht § 35 IV, S. 418; Timm ZIP 1983, 225, 236 f.; ablehnend Albach ZfB 1984, S. 773, 780 aus betriebswirtschaftlicher Sicht. K. Schmidt Wege zum Insolvenzrecht S. 221. Baur/Stürner Insolvenzrecht § 35 IV, S. 418.

Deutschland

Sympathie für die amerikanische substantive consolidation lässt dagegen Scheel erkennen: Er fragt, ob man im deutschen Recht der Haftungstrennung tatsächlich solange "huldigen" solle, bis die Insolvenzmassen der Konzerngesellschaften durch kostspielige Trennungsversuche aufgezehrt seien 12 . Auch Drüke hielte es im Falle der Vermögensvermischung für einfacher, gerechter und kostensparender, ein Konzerninsolvenzverfahren durchzuführen, bei dem die Vermögen der an der Vermögensvermischung beteiligten Gesellschaften als einheitliche Haftungsmasse an die Gläubiger verteilt würden13. Das geschriebene Insolvenzrecht stellt für eine "Konzerninsolvenz" oder "Konzernteilinsolvenz" jedenfalls keine Mittel bereit. Insoweit muss es beim Grundsatz "eine Person, ein Vennögen, eine Insolvenz" 14 bleiben.

II.

Sachgerechte Verteilung von Haftungsmassen

Einem gleichwohl bestehenden Bedürfnis nach einer "sachgerechten Verteilung von Haftungsmassen" 15 könnte man daher allenfalls nachkommen, wenn man - gestützt auf § 242 BGB - speziell für den Fall der Konzerninsolvenz ungeschriebene Durchgriffs- oder Ausgleichsansprüche zugunsten "ärmerer" Konzerngesellschaften und ihrer Gläubiger entwickeln wollte. So sieht Karsten Schmidt durchaus die Möglichkeit, "in Fällen qualifizierter Unternehmensverbindung rechtspolitische Schwächen des atomistischen Modells des Konzerninsolvenzrechts-also das Fehlen eines das Konzernunternehmen ergreifenden Gesamtabwicklungsverfahrens - schuldrechtlich zu überwinden" 16 . Im Horizontalverhältnis scheitern Konzernhaftungs- oder Durchgriffsansprüche nach herkömmlichem Verständnis allerdings regelmäßig an der fehlenden "Verantwortlichkeit" der zum Ausgleich herangezogenen Gesellschaft für die Verhältnisse in ihrer Schwestergesellschaft; Schwestergesellschaften ist hier regelmäßig kein Vorwurf zu machen, der

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Scheel Konzerninsolvenzrecht S. 412 f.; Scheel bezieht sich auf den Fall Seatrade Corpora/ion, in dem die Konsolidation mit hohen Trennungskosten begründet wurde, dazu oben§ 7 II 2; nach Timm ZIP 1983, S. 225,236 f. kommt eine solche unentwirrbare Vermögensvermischung zwischen Konzernunternehmen in der Praxis allerdings kaum vor. Drüke Haftung der Muttergesellschaft S. 79. Uhlenbruck/Hirte § II Rn. 394; Noack Gesellschaftsrecht Rn. 716. Henssler ZGR 2000, S. 479, 495. K. Schmidt ZGR 1983, S. 513, 533 zur Einbeziehung von Zerschlagungsverlusten in die Verlustübernahmepflicht (§ 302 AktG); ders. ZHR 155 (1991), S. 417,443: Die vorgeschlagene Verlustgemeinschaft bei qualifizierter Gleichordnung (§§ 730 ff. BGB analog) komme im praktischen Ergebnis einem "Einheitskonkursverfahren über ,den Konzern'" gleich.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

ihre Einbeziehung in einen horizontalen Haftungsverbund rechtfertigen könnte 17 . An dieser mangelnden Verantwortlichkeit ändert sich auch in Fällen der Konzerninsolvenz nichts. Es bleibt deshalb nur der Versuch, die Umverteilung von Haftungsmassen statt mit der Verantwortlichkeit der Schwestergesellschaften direkt mit den Interessen der hinter ihnen stehenden Gläubiger zu begründen, um die es letztlich geht 18 . Ansatzpunkt für einen solche Konzentration auf die Innenbeziehungen der Gläubiger könnte der insolvenzrechtliche Grundsatz der par condicio creditorum sein, wonach im Falle der Insolvenz alle Gläubiger eines Schuldners gleichmäßig zu befriedigen sind (!.). Möglicherweise lässt sich dieser Grundsatz, der zunächst nur für die Gläubiger ein und desselben Schuldners gilt, in Fällen der Konzerninsolvenz auf die "Wirtschaftseinheit Konzern" beziehen, mit der Folge, dass allein die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger dieser Wirtschaftseinheit "sachgerecht" erscheint (2.). 1.

Grundsatz der par condicio creditorum

Im Insolvenzrecht wird, soweit es um die Gläubiger desselben Schuldners geht, traditionell die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger als gerecht angesehen. Der Grundsatz der par condicio creditorum gilt als der wichtigste Grundsatz des Insolvenzrechts 19 , als "das Kernstück des Konkurses" 20 • Er besagt, dass im Falle der Insolvenz alle Gläubiger gemeinschaftlich befriedigt werden, und zwar gleichmäßig und anteilig 21 . Historisch fußt der Grundsatz auf Gerechtigkeitserwägungen, aber auch auf Ordnungsdenken und pragmatischem Utilitarismus 22 • Die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung soll demnach auch Ordnung in das Verfahren bringen und kollidierende, Unfrieden stiftende Zugriffe einzelner Gläubiger ausschließen. Im Hinblick auf die angestrebte "sachgerechte Verteilung der

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Vgl. ausführlich oben§§ 5 und 6. Auch Henssler ZGR 2000, S. 479, 495 sucht eine Lösung gerade ftir den Fall, dass die Schwestergesellschaft selbst keinen (konzemrechtlichen) Missbrauchstatbestand erfiillt. -V gl. auch Kübler/Prütting/Pau/us § 130 Rn. 2, der die Insolvenzanfechtung bei kongruenter Deckung (§ 130 InsO) ebenfalls auf den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zurückführt: Die Vorschrift sanktioniere Transaktionen, die zwar auf der Grundlage des allgemeinen Vermögensrechts legitim seien, bei denen jedoch die Interessen und Belange der anderen Mitgläubiger bewusst und grob fahrlässig ignoriert würden. Kübler/Prütting/Prütting § 5 Rn. 60; R.H Schmidt AG 1981, S. 35, 37; Berges KTS 1957, S. 49, 56; Baur/Stürner Insolvenzrecht Rn. 5.36: Charakteristikum des Konkurses. BGHZ 88, 147, 151. Kübler/Prütting/Prütting § 5 Rn. 60. Ausführlich Häsemeyer KTS 1982, S. 507, 51! ff.

Deutschland

Haftungsmassen" ist jedoch der materielle Gerechtigkeitsgehalt des Grundsatzes der par condicio creditorum entscheidend: Für Bergei 3 folgt die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zwanglos aus dem Bestehen einer Vorratsgemeinschaft zwischen den Gläubigem des Schuldners. Diese Vorratsgemeinschaft entstehe mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil sich das Schuldnervermögen dann als insgesamt unzureichend zur Befriedigung aller Gläubiger erweise. Warum der durch die Knappheit entstehende Konflikt aber gerade durch eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger gelöst werden soll, wird von Berges nicht weiter untersucht. Reinhard H Schmidt24 hält den Grundsatz der par condicio creditorum fur sachgerecht, weil sich die Gläubiger in einer fiktiven Gesetzesberatung (also losgelöst vom Einzelfall) gerade fur die Geltung dieses Prinzips entscheiden würden. Schmidt nennt dafur vier Gründe: Erstens könnten sich die Gläubiger, die in aller Regel risikoavers sind, so gegen das Risiko eines Totalausfalls absichern; jeder Gläubiger erhält zumindest etwas. Zweitens würden Kosten des Verteilungskampfes gespart, die sozial unnütz wären, weil sie die insgesamt zu verteilende Masse nicht vergrößern. Drittens werde der bestinformierte Gläubiger frühzeitig Insolvenzantrag stellen und so im Interesse aller Gläubiger für eine möglichst große Insolvenzmasse sorgen. Viertens erleichtere die durch den Grundsatz der par condicio creditorum bewirkte Interessenarrgleichung auch die Verfahrensabwicklung selbst. Diese Annahmen sind allerdings nicht zweifelsfrei: Zum einen könnten sich risikoaverse Gläubiger auch anders gegen das Verteilungsrisiko absichern, etwa durch den Abschluss von Versicherungen; zum anderen werden sie im Falle eines Informationsvorsprungs regelmäßig versuchen, ihre Position noch vor einem Insolvenzverfahren glatt zu stellen, statt im Interesse aller Gläubiger frühzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Der Versuch Reinhard H Schmidts, den Grundsatz gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung ökonomisch zu erklären, kann daher nur begrenzt überzeugen 25 .

Allein mit Gerechtigkeitserwägungen begründet schließlich Häsemeyer26 die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung: Seiner Ansicht nach zwingt die mit der Begründung, Verfolgung und Durchsetzung jeder einzelnen Forderung notwendig verbundene Einflussnahme auf das Vermö-

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KTS 1957, S. 49, 52 ff. AG 1981, S. 35, 37ff. Ausführliche Kritik bei Drukarczyk Unternehmen S. 138 ff.; vgl. auch Schäfer/Ott Lehrbuch S. 552 ff. KTS 1982, S. 507, 515 ff.; Insolvenzrecht Rn. 2.24 ff., S. 36 ff.

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gen des Schuldners zur Gleichbehandlung der Gläubiger. Alle Insolvenzgläubiger könnten sich nämlich wechselseitig ihren Einfluss auf die Rechtsund Haftungsverhältnisse des Schuldners vorhalten. Dabei korreliere die Intensität des Einflusses mit der Höhe der jeweiligen Forderung. Die höhere Insolvenzforderung weise stets auch auf den größeren Einfluss und eine folgenreichere Umsetzung im Vermögen des Schuldners hin. Eine Rückrechnung der nutzen- und schadensstiftenden Wirkungen der einzelnen Rechtsverhältnisse erscheine ausgeschlossen, so dass nur die gleichmäßige Befriedigung bleibe. Im Ergebnis sieht Häsemeyer deshalb im Grundsatz der par condicio creditorum ein Gerechtigkeitsprinzip, das den wechselseitigen Gläubigereinfluss auf die Rechtsverhältnisse des Schuldners ausgleicht27 . Allen Deutungen ist gemein, dass sie den Grund fiir die Gleichbehandlung der Gläubiger nicht in ihrem jeweiligen Verhältnis zum Schuldner suchen, sondern im Verhältnis der Gläubiger untereinander: Berges begründet die Gleichbehandlung mit einer Rechtsgemeinschaft28 zwischen den Gläubigem, Reinhard H. Schmidt mit einer fiktiven Regelung durch die Gläubiger selbst, Häsemeyer mit dem Ausgleich des wechselseitigen Gläubigereinflusses. Diese Innenbeziehungen der Gläubiger sollen die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung rechtfertigen, nicht ein vorangegangenes Verhalten des gemeinsamen Schuldners. Das Ideal einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung ist allerdings nicht streng verwirklicht in dem Sinne, dass im Insolvenzfall tatsächlich jeder Gläubiger auf eine einheitliche Insolvenzquote verwiesen würde. Das Insolvenzrecht kennt seit jeher unterschiedliche Rangstufen und privilegierte Gläubiger. Begründet wird das damit, dass neben das Gerechtigkeitsprinzip formaler Gleichheit das Differenzierungsgebot trete, wonach Gleiches gleich, Ungleiches aber ungleich zu behandeln sei 29 . Differenziert wird in erster Linie zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigem. Die Folge ist eine höchst ungleichmäßige Befriedigung dieser beiden Gläubigergruppen im Insolvenzfall: Während die dinglich gesicherten Gläubiger sich aus ihren Kreditsicherheiten abgesondert befriedigen dürfen und bei entsprechender Werthaltigkeit kaum einen Ausfall erleiden, erhalten die ungesicherten Gläubiger aus dem dann noch verbleibenden Restvermögen allenfalls eine Insolvenzquote nahe Null.

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Häsemeyer KTS 1982, S. 507, 517; ders. Insolvenzrecht Rn. 2.24 ff., S. 36 ff. Berges KTS 1957, S. 49, 56 (re. Sp.). MüKo-lnsO/Stürner Ein!. Rn. 62; Baur/Stürner Insolvenzrecht Rn. 5.37, S. 49; Kübler/Prütting!Prütting § 5 Rn. 65.

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Die Lehre steht der Vorwegverteilung der Masse durch Bestellung von Kreditsicherheiten deshalb zum Teil sehr kritisch gegenüber, so auch Häsemeyer: Wer Kredite gebe, könne daraus nur Gewinn ziehen, wenn sein Schuldner mit dem Kredit wirtschafte, also auch Schulden gegenüber anderen begründe. Der Kreditgeber dürfe sein Risiko deshalb nicht mittels umfassender Kreditsicherung auf die anderen Gläubiger abwälzen. Im Verhältnis zu den anderen Gläubigem sei vielmehr an den Grundsatz des venire contra factum proprium zu denken, wenn der Kreditgeber zwar den Nutzen der Geschäfte zwischen seinem Schuldner und anderen Gläubigem in Gestalt der Kreditzinsen einstreiche, die Forderungen der anderen Gläubiger aber durch verstecktes Ansichziehen des Schuldnervermögens gezielt gefährde 30 . Handlungsbedarf sieht auch Meyer, der in seiner Habilitationsschrift darauf hinweist, dass es sich bei Gläubigem, die ihre Ansprüche nicht besonders absichern, nicht um einzelne Unbedarfte, sondern um die große Mehrzahl der Rechtssubjekte handele; deshalb müsse dieser "Normaltypus" den Ausgangspunkt bilden, wenn danach gefragt werde, inwieweit Rechtsregeln zu einer ausgeglichenen Verteilung untemehmerischer Risiken fi.ihrten 31 • Die weitgehende Anerkennung von Kreditsicherheiten in der Praxis 32 lässt sich vor allem mit ökonomischen Überlegungen rechtfertigen: Kreditsicherheiteil erscheinen gesamtwirtschaftlich sinnvoll, weil sie die Informationsund Kontrollkosten der gesicherten Gläubiger senken, ohne diejenigen der ungesicherten Gläubiger in gleichem Maße zu erhöhen; gesicherte Gläubiger können somit preisgünstigere Kredite vergeben33 . Dieser Vorteil würde zunichte gemacht, wenn sich die gesicherten Gläubiger nicht auf die Insolvenzfestigkeit von Kreditsicherheiten verlassen könnten. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung mit Häsemeyer noch am ehesten als Ausgleich fiir nicht rückrechenbare, wechselseitige Gläubigereinflüsse verstanden werden kann. Wie das Beispiel der Kreditsicherheiten zeigt, wird der Grundsatz der par condi-

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Häsemeyer Insolvenzrecht Rn. 2.20, S. 32; Berges KTS 1957, S. 49, 57: übersteigerte Konkursvorrechte; weitere Nachweise zur Kritik an Kreditsicherheiten bei Drukarczyk Unternehmen S. 13 7 Fn. 44, S. 170 Fn. II. Meyer Haftungsbeschränkung S. I. Restriktiv allerdings die Rechtsprechung zur Kollision von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt, welche die Sicherungsmöglichkeiten der Banken zugunsten der Warenkreditgeber einschränkt; Nachw. bei Palandt/Heinrichs § 398 Rn. 24 f. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ausführlich zu diesem und weiteren Vorteilen von Mobiliarsicherheiten Drukarczyk Unternehmen S. 114 ff.; Schäfer/Ott Lehrbuch S. 551 ff.

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cio creditorum allerdings schon auf der Ebene des Einzelschuldners nicht streng durchgeführt.

2.

Gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger einer Wirtschaftseinheit

Möglicherweise kann man den Grundsatz der par condicio creditorum in der Konzerninsolvenz auf die Gläubiger der gesamten "Wirtschaftseinheit" beziehen. Ein entsprechender Vorschlag findet sich zum schweizerischen Recht: Hier meint Vogel, im Fall der Konzerninsolvenz sei "ausgehend vom Postulat der Gleichberechtigung der Gläubiger im Konkurs ... ein Resultat anzustreben, das zu etwa gleich hohen Konkursdividenden für die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften führt". Die Verteilung der Aktiven und Passiven auf die einzelnen insolventen Gesellschaften sei nämlich häufig von Zufälligkeiten bestimmt, welche für die Mehrheit der (Klein-)Gläubiger weder voraussehbar noch beeinflussbar seien34 • In die gleiche Richtung weisen die Ausführungen Hensslers, der von "der korrekten Zuordnung eines rechtlich aufgespaltenen Haftungsfonds zu jener Gläubigergemeinschaft" spricht, "die Forderungen gegenüber einer wirtschaftlichen , Unternehmenseinheit' hat" 35 • Bei dieser Sichtweise verschmelzen die Konzerngesellschaften zu einem einheitlichen Schuldner, die unterschiedlichen Gläubigergruppen zu einer einheitlichen Gläubigergemeinschaft. Sachgerecht kann dann nach dem Grundsatz der par condicio creditorum nur die gleichmäßige Befriedigung dieser Gläubiger sein. Dieser Ansatz lässt sich weiter verfolgen, indem man die Argumentation Häsemeyers von der Ebene des Einzelschuldners auf die Ebene der "Wirtschaftseinheit" überträge 6 : Eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger verschiedener Konzerngesellschaften könnte gerecht sein, wenn ihre jeweiligen Schuldner eine- noch näher zu definierende - Wirtschaftseinheit bilden, in welcher der auf den eigenen Schuldner genommene Einfluss zwangsläufig auch auf die anderen Konzernteile und damit die Gläubiger dieser anderen Konzernteile "durch-

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Vogel SZW 1993, S. 299, 304. Henssler ZGR 2000, S.479, 495. Häserneyer selbst versucht eine solche Übertragung nicht, sondern meint an anderer Stelle zur Konzerninsolvenz, "mit Rücksicht auf unterschiedliche Kapitalausstattungen der einzelnen Mitgliedsgesellschaften müssten zwecks Gleichbehandlung der jeweiligen Gläubiger ohnehin Sondennassen gebildet werden" (lnsolvenzrecht Rn. 32.03, S. 727).

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schlägt". Solche Wechselwirkungen wird man insbesondere bei einer nur formalen Trennung der Konzerngesellschaften annehmen dürfen, die wirtschaftlich keine Entsprechung findee 7• Auch bei einer Betriebsaufspaltung sind Besitz- und Betriebsgesellschaft häufig auf das Engste verknüpft: Beide Gesellschaften beeinflussen dann nicht nur wechselseitig ihre jeweiligen Rechts- und Haftungsverhältnisse, sondern mittelbar tun dies auch die hinter ihnen stehenden Gläubiger. Wenn beispielsweise eine Bank der Besitzgesellschaft gegen entsprechende Sicherheiten einen Kredit gewährt, mit dem die Produktion in der Betriebsgesellschaft aufrechterhalten wird, hat dies Auswirkungen nicht nur auf die anderen (möglicherweise ungesicherten) Gläubiger der Besitzgesellschaft, sondern auch auf die Dispositionen von Lieferanten und Arbeitnehmern der Betriebsgesellschaft38 . Der Bank könnte eine mittelbare "Verantwortung" für diese Dispositionen zugewiesen werden39. Auch die an der Bestellung von Kreditsicherheiten geübte Kritik lässt sich fortschreiben, nämlich auf die haftungsmäßige Separierung der Konzerngesellschaften übertragen. Die Betriebsaufspaltung perfektioniert geradezu die Reservierung von Haftungsmassen ftir einzelne Gläubigergruppen, die schon bei den Kreditsicherheiten kritisiert wird - mit dem Unterschied, dass die Trennlinie nicht mehr (nur) zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigem verläuft, sondern zwischen Gläubigem der Besitzgesellschaft und solchen der Betriebsgesellschaft. Wer mit der Besitzgesellschaft kontrahiert, hat im Insolvenzfall Zugriff auf das Anlagevermögen, wer mit der Betriebsgesellschaft kontrahiert, hat keine Aussicht auf eine nennenswerte Insolvenzquote. Eben diese Schieflage zwischen den verschiedenen Gläubigergruppen kritisiert das BAG in seinem Urteil zur horizontalen Betriebsaufspaltung: "Der Personengruppe, die nach allgemeiner Auffassung besonderen sozialen Schutzes bedarf, stand ein Arbeitgeber gegenüber, der keinerlei Sicherheiten geben konnte. Alle sonstigen Personen, die mit der H.-Gruppe in Rechtsbeziehungen traten, wurden Geschäftspartner der Vertriebsgesellschaft, deren Anlagevermögen als Haftungsmasse zur Verfügung stand" 40 • Auch Henssler hält es für wenig billig, wenn die Gläubiger der Betriebsgesellschaft wegen 37 38

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So z.B. in BGHZ 95, 330- Autokran; näher unten§ 9 II 3. V gl. das Beispiel Häsemeyers KTS 1982, S. 507, 521, dass ein Millionenbetrag versehentlich an einen kurz vor der Insolvenz stehenden Dritten überwiesen wird. Der plötzliche Geldsegen löst möglicherweise eine Vielzahl von Gläubiger-Dispositionen aus, die sich nicht mehr ohne Schaden rückgängig machen lassen. Auch Häsemeyer KTS 1982, S. 507, 51 spricht von einer wechselseitigen "Verantwortung" der Insolvenzgläubiger ftir die nicht vollständige Tilgung aller Forderungen. BAG ZIP 1999, S. 723, 725.

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der geringen Eigenkapitaldecke ihres Schuldners in der Insolvenz der wirtschaftlichen Einheit Konzern leer ausgehen, die Gläubiger der Besitzgesellschaft dagegen mit einer beachtlichen Quote rechnen dürfen41 • Allerdings lassen sich auch ftir die Haftungstrennung im Konzern ökonomische Gründe anfUhren. Die Haftungstrennung ist volkswirtschaftlich erwünscht, weil sie insbesondere die Risikoaversität von Konzernspitze und Gesellschaftern reduziert42 : Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoll, jedes Projekt mit einem positiven Erwartungswert durchzuftihren, bei dem also der durchschnittlich zu erwartende Gewinn den durchschnittlich zu erwartenden Verlust übersteigt. Zumindest natürliche Personen schrecken vor derartigen Projekten jedoch zurück, wenn sie ihnen trotz des positiven Erwartungswertes zu riskant erscheinen; sie werten die Gefahr eines Totalverlustes ihrer Lebensgrundlage nämlich stärker negativ, als sie die betragsmäßig gleich große oder sogar größere Gewinnchance positiv werten. An dieser Stelle greift das Haftungsprivileg korrigierend ein. Als eine Art Insolvenzversicherung der Gesellschafter durch ihre Gläubiger43 beseitigt es die Gefahr des Totalverlustes; es setzt einen Anreiz, volkswirtschaftlich sinnvolle Projekte auch tatsächlich durchzuftihren. Diese zunächst ftir natürliche Personen entwickelte Argumentation lässt sich auf Konzernfälle übertragen: Auch eine Konzernspitze (Muttergesellschaft) würde sich ohne die Möglichkeit der konzerninternen Haftungstrennung vermutlich risikoavers verhalten, also eher davor zurückschrecken, durch riskante Aktivitäten einer Betriebsabteilung, mögen diese auch einen positiven Erwartungswert haben, die Existenz des gesamten Unternehmens zu gefährden44 . Die Haftungstrennung ermöglicht es der Konzernspitze und den dahinter stehenden Gesellschaftern, ihr Risiko durch konzerninterne Diversifikation zu reduzieren. Daneben soll die Haftungstrennung im Konzern auch den Gläubigem einen Transaktionskostenvorteil bieten: Sie müssen zur Einschätzung ihres Risikos nicht den gesamten Konzern überwachen, sondern Informations- und Kon-

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Henssler ZGR 2000, 479, 497 f. Easterbrook/Fischel 52 U.Chi.L.Rev. 89, 97, 111 (1985); Bitter Durchgriffshaftung S. 168 ff.; kritisch Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 671: kein ordnungspolitischer Grund für Sicherung der Gesellschafter durch einen "Mehrfachmantel". Lehmann ZGR 1986, S. 345, 355; Bitter Durchgriffshaftung S. 170. Ausdrücklich Bitter Durchgriffshaftung S. 174 ff.; vgl. auch Nacke Durchgriffshaftung S. 279 f.: risikoscheue Einstellung, die auch bei Konzernmanagern zu beobachten sein wird.

Deutschland

trollkosten nur für die Konzerngesellschaft aufwenden, mit der sie selbst zu tun haben45 • Es gibt also gute Gründe dafür, an der grundsätzlichen Haftungstrennung im Konzern festzuhalten; sie ist im Übrigen auch durch das Aktienkonzernrecht vorgegeben. Möglicherweise ändert sich die Beurteilung jedoch in Fällen der Konzeminsolvenz: Denn wenn Mutter- und Tochtergesellschaften gemeinsam insolvent werden, schwindet das Interesse der Gesellschafter an der Aufrechterhaltung der konzerninternen Haftungstrennung. Die Strategie der Risikoreduzierung durch Diversifikation und der Insolvenzversicherung durch die Gläubiger, der die Haftungstrennung ja dienen sollte, ist nicht aufgegangen; der Verteilungskampf zwischen den verschiedenen Gläubigem rückt in den Vordergrund. Über den Fortbestand der Haftungstrennung auch in der Konzerninsolvenz sollte deshalb vorrangig anhand der Interessen der betroffenen Gläubiger entschieden werden46 • Die Gläubigerinteressen lassen sich zutreffend jedoch nur bewerten, wenn man nicht nur den Verteilungskampf nach eingetretener Konzerninsolvenz im Blick hat, sondern auch das "Normalverhalten" der Gläubiger bis zum Eintritt der Konzeminsolvenz: Bis dahin mussten die Gläubiger schließlich davon ausgehen, dass ihnen allein ihr eigener Schuldner haftet und dieser auch nur für seine eigenen Verbindlichkeiten aufkommen muss. Sie konnten ihr Gläubigerkalkül daher nur am Normalfall der Haftungstrennung ausrichten, nicht am Ausnahmefall der Konzeminsolvenz. Das hat zur Folge, dass ein Kreditgeber die von ihm verlangten Zinsen vennutlich danach berechnet hat, ob ihm als Kreditnehmer eine "arme" oder eine "reiche" Konzerngesellschaft gegenübertritt. Gläubiger armer Konzerngesellschaften erhalten deshalb möglicherweise eine vertragliche Risikoprämie für ihre unzulängliche Sicherung. Umgekehrt haben Gläubiger reicher Konzerngesellschaften die Risiken regelmäßig nicht berücksichtigt, die ihnen aus einer Inanspruchnahme ihres Schuldners durch die Gläubiger anderer Konzerngesellschaften erwachsen würden. Diese Gläubigerkalküle würden entwertet, wenn die konzerninterne Haftungstrennung aufgehoben wird - und diese Aufhebung eben nicht generell und damit kalkulierbar, sondern nur für den nicht antizipierbaren Ausnahmefall der Konzerninsolvenz erfolgt. Aus ökonomischer Sicht spricht deshalb einiges gegen eine Gleichbehandlung der Gläubiger (allein) in der Konzeminsolvenz. Der Systemwechsel von der Haftungstren-

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Nacke Durchgriffshaftung S. 277 f. Vgl. schon oben 3. Teil vor§ 7.

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nung hin zur Haftungseinheit würde Gläubigerkalküle entwerten und zu Friktionen führen. Eine ökonomisch sinnvolle, nämlich effiziente Regelung ist aber nicht notwendig auch gerecht47 • So könnte eine Umverteilung zugunsten von Gläubigem, die dem von Meyer so genannten "Normaltypus" entsprechen und sich eben nicht gegen die aus der Haftungstrennung erwachsenden Gefahren absichern (können) 48 , im Einzelfall durchaus gerecht scheinen, mag sie auch ökonomisch ineffizient sein. In die Gerechtigkeitsbetrachtung müsste jedoch einfließen, dass eine solche Umverteilung massiv mit dem Vertrauensschutz zugunsten der besser infonnierten Gläubiger kollidiert, die sich (wie Banken) ein Gläubigerkalkül bilden und ihr Handeln auch danach ausrichten können. Ihr Vertrauen auf eine bestimmte, aus der Haftungstrennung resultierende Massenverteilung kann kaum durch das fehlende Vertrauen der nicht besonders gesicherten Gläubiger überspielt werden. Das zeigt, dass eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger auch im Fall der Konzerninsolvenz nicht generell geboten, sondern allenfalls in Ausnahmefällen sachgerecht sein kann. Eine Eingrenzung auf solche Ausnahmefälle, in denen eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger allenfalls vertretbar erschiene, ließe sich möglicherweise über den Begriff der "Wirtschaftseinheit"49 erreichen: 3.

"Wirtschaftseinheit" bei künstlicher Unternehmensaufspaltung

Von einer "Wirtschaftseinheit" könnte gesprochen werden, wenn ein einheitliches Unternehmen "künstlich" in mehrere rechtliche Einheiten aufgespalten wurde 50 • Das Vertrauen von Gläubigem, dass es auch im Fall der Konzerninsolvenz bei dieser "künstlichen" Aufspaltung des Einheitsunternehmens bleibt und ihr Schuldner nicht für die Verbindlichkeiten anderer Konzernteile einstehen muss, ist möglicherweise nicht hinreichend schutzwürdig. Aber wann ist eine Unternehmensaufspaltung "künstlich"?

47 48 49 50

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Zum Zusammenhang von Allokationseffizienz und Gerechtigkeit vgl. Schäfer/Ott Lehrbuch S. 6 f. Etwa Arbeitnehmer, kleine Handwerker, Deliktsgläubiger. Bzw. Henssler ZGR 2000, S. 479, 495: wirtschaftliche "Unternehmenseinheit". Druey ZSR 99 II ( 1980), S. 273, 375 erwägt eine Einheitsbetrachtung des Konzerns: "Eine radikale Ausdehnung der Haftung ist... durch die Behandlung des Konzerns als Vermögenseinheit erreicht. Dies ist einzig aber notwendig dann die rechtspolitische Folge, wenn die Unterteilbarkeit des Haftungssubstrats in die juristischen Einheiten negiert wird. Das muss zur Haftung des gesamten Konzernvermögens ftir die von den Einheiten begründeten Verbindlichkeiten ftihren ... "; dazu noch unten§ 9 II 4.

Deutschland

Wiedemann hat in seiner "Spätlese zu Autokran" angeregt, zwischen der Aufgliederung eines - mehr oder weniger zentral geführten - Unternehmensverbundes und dem Betreiben eines Einheitsunternehmens durch mehrere Gesellschaften zu differenzieren. Während der klassische Unternehmensverbund verfassungsrechtlich anerkannt sei, sei gegenüber Gestaltungsformen, die steuer- oder haftungsrechtliche Vorteile ausnutzen, arbeitsrechtliche Vorschriften vermeiden und dadurch die Rechtsordnung instrumentalisieren wollten, Skepsis angebracht. Zu den problematischen Gestaltungsformen zählt Wiedemann die GmbH & Co. KG, die Betriebsaufspaltung in Besitz- und Vertriebsgesellschaft und das Nebeneinandersetzen von multiplen Betriebseinheiten. Deshalb sei auch im Autokran-Fall mit seinen sieben Schwestergesellschaften "nicht das Verhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen problematisch, sondern die künstliche Aufteilung eines einheitlichen Gewerbebetriebes und einer Ein-MannGmbH"51. Ähnlich sieht Henssler Handlungsbedarf in bestimmten Fällen der horizontalen Betriebsaufspaltung: "Nur wenn die Gründung der Betriebsgesellschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht, sondern allein zum Zweck der Schaffung eines Haftungsobjekts erfolgt ist, sind Besitz- und Betriebsgesellschaft als das zu behandeln, was sie eigentlich sind: nämlich ein einziges Unternehmen, das künstlich in zwei Gesellschaften aufgespalten wurde" 52 .

Die künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Unternehmens ist ein zentrales Motiv der amerikanischen Durchgriffslehre und führt dort in der Tat zum Durchgriff auf Schwestergesellschaften bzw. zur Konsolidation 53 . Nach deutschem Recht ist dagegen fraglich, ob eine Unternehmensaufspaltung wirklich "künstlich" sein kann, wenn man diesem Begriff nicht nur (wie wohl Wiedemann und Henssler) Stichwortfunktion beimessen, sondern ihn zu einem Rechtsbegriff für bestimmte, per se missbräuchliche Konzerngestaltungen ausbauen wollte: Die Aufteilung wirtschaftlicher Risiken durch Schaffung verschiedener rechtlicher Einheiten ist nach deutschem Recht grundsätzlich legitim54 . Zur

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52

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Wiedemann ZGR 1986, S. 656, 658 f.; ders. ZIP 1986, S. 1293; ders. Gesellschaftsrecht § 4 III I d, S 228 zu den amerikanischen Taxifällen (hierzu auch oben § 7 I 2 c); vgl. aber auch ders. Unternehmensgruppe S. 5, 19 kritisch zum Begriff der "Wirtschaftseinheit". Henssler ZGR 2000, S. 479, 502. Das Kriterium der fehlenden Gewinnerzielungsahsieht ist problematisch, weil § I GmbHG die Errichtung einer GmbH "zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck" erlaubt, vgl. dazu Versteegen Konzernverantwortlichkeit s. 198 f. Vgl. oben§ 7 I 2, II. Pointiert Lutter ZGR 1982, S. 244, 246 f.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Legitimation tragen wesentlich die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung bei, die in den Vereinigten Staaten so nicht existieren55• Das Etikett "künstlich" passt zudem nicht gut auf Gestaltungsformen, die der Gesetzgeber bewusst zugelassen hat. Wenn der Gesetzgeber die Unternehmensaufspaltung hätte beschränken wollen, wären entsprechende Regelungen im Umwandlungsgesetz zu erwarten, das sich in den §§ 123 ff. UmwG mit der Spaltung von Rechtsträgem befasst. Nach dem Umwandlungsgesetz herrscht eine weite Spaltungsfreiheit56 . Im Spaltungsvertrag bzw. -plan(§§ 126, 136 UmwG) können die Gesellschafter prinzipiell frei bestimmen, welchem Rechtsträger sie welche Gegenstände zuteilen wollen 57 • Das Gesetz verbietet die willkürliche Trennung der Aktiva und Passiva zusammengehöriger Unternehmensteile nicht, sondern verlässt sich auf die steuernde Wirkung der Gesamtschuldanordnung des § 133 UmwG; danach haften die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger fiir die vor der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten noch fiinf Jahre lang als Gesamtschuldner. Sie müssen deshalb daran interessiert sein, dass der "Hauptschuldner", dem die Verbindlichkeiten im Spaltungsvertrag bzw. plan zugewiesen wurden, auch in der Lage ist, diese Verbindlichkeiten zu erfiillen. Die befristete Gesamtschuld verbindet sie zu einer Risiko- und Schicksalsgemeinschaft, aber eben nur auf Zeit, und nur hinsichtlich solcher Verbindlichkeiten, die bereits vor der Spaltung begründet waren. § 134 Abs. 1 UmwG erweitert dieses Gläubigerschutzprogramm noch etwas: Im Falle einer Betriebsaufspaltung haftet die Besitzgesellschaft zeitlich begrenzt auch fiir betriebsverfassungsrechtliche Sozialplan-, Abfindungs- und Ausgleichsansprüche der Arbeitnehmer, die erst nach der Spaltung entstehen. Der Gesetzgeber hat damit auf die Tatsache reagieren wollen, dass Betriebsgesellschaften in der Zeit gleich nach der Unternehmensspaltung in ihrer Existenz besonders gefährdet sind58 . Das Umwandlungsgesetz kennt somit auch eine vorübergehende gesamtschuldnerische Haftung fiir Verbindlichkeiten, die erst nach der Spaltung entstehen, aber nur fiir den Fall der Betriebsaufspaltung und nur fiir spezielle Ansprüche einer besonders schutzwürdigen Gläubigergruppe (Arbeitnehmer). Mit der weiten Spaltungsfreiheit, wie sie das Umwandlungsgesetz gewährt, wäre die Einstufung bestimmter Unternehmensaufspaltungen als per se "künstlich" nur schwer zu vereinbaren. Das gilt insbesondere fiir die Be-

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V gl. oben § 7 I I. Zum Nachfolgenden Hammelhoff in Lutter UmwG § 133 Rn. 15 ff. Priester in Lutter UmwG § 126 Rn. 45. Hammelhoff in Lutter UmwG § 134 Rn. 54.

Deutschland

triebsaufspaltung, die der Gesetzgeber nicht verbietet, sondern mit einer begrenzten Spezialregelung zugunsten von Arbeitnehmern zu zähmen sucht. 4.

"Wirtschaftseinheit" bei planmäßigem Vermögenstransfer

Von einer "Wirtschaftseinheit", die eine Einheitsbetrachtung von Konzerngesellschaften und damit eine Gleichbehandlung ihrer jeweiligen Gläubiger rechtfertigen könnte, kann aber vielleicht gesprochen werden, wenn Vermögenswerte in erheblichem Umfang von einer Konzerngesellschaft in eine andere transferiert wurden. Die "Wirtschaftseinheit" entsteht dann nicht schon durch die Konzernkonstruktion an sich, sondern erst durch Interaktionen zwischen den einzelnen Konzerngliedern. Ein Vermögenstransfer ist auch Bestandteil des vom BAG im Urteil vom 8.9.1998 vor?eschlagenen Haftungsmodells. Auf seiner Grundlage müssteso Henssler 5 - ein Gläubigerdurchgriff im Konzernverbund generell dann bejaht werden, wenn ein herrschendes Unternehmen mehrere abhängige Gesellschaften nach einem Gesamtplan leitet und Vermögenswerte bzw. Erträge nicht bei sich selbst ansammelt, sondern in andere abhängige Gesellschaften verschiebt. Dies erlaube den Zugriff auf eine Besitzgesellschaft, wenn die mit den Nachteilen der Betriebsgesellschaft korrespondierenden Vorteile planmäßig vom herrschenden Unternehmen in die Besitzgesellschaft transferiert worden seien bzw. dort zur Entstehung gelangten. Der Durchgriff sei gerechtfertigt, weil das Vermögen nur aufgrund des vom herrschenden Unternehmen gesteuerten Transfers in der Besitzgesellschaft entstanden sei. Eine ähnliche Überlegung findet sich schon bei Drobnig: Er sieht im Haftungsdurchgriff allgemein einen haftungsrechtlichen Ausgleich von gläubigergefährdenden Vermögensverschiebungen. So werde im Falle des Haftungsdurchgriffs auf den Gesellschafter nur der dort durch unlautere Machenschaften entstandene Vermögenszuwachs ausgeglichen, der zwar auch seine persönlichen Gläubiger begünstige, aber eben ohne rechtlichen Grund. Die Erwartungen dieser Gläubiger würden durch den Haftungsdurchgriff nur wieder auf ihr berechtigtes Maß zurückgeführt60 • Für das schweizerische Recht empfiehlt Druey eine Einheitsbehandlung des Konzerns mit dem Argument, dass "die Einheitlichkeit der Vermögensbewirtschaftung in einer sinnvollen Ordnung die notwendige Folge haben (muss), dass auch das Haftungssubstrat einheitlich ist, soll nicht der einzelne Gläubiger dem Zufall oder der Manipulation bezüglich der ihm haftenden 59 60

ZGR 2000, S. 479, 497 ff. Drobnig HaftungsdurchgriffS. 60 f., 66.

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Vermögenswerte ausgesetzt sein" 61 . Es sei ein grundlegendes Anliegen des Konzernrechts, dass Gläubigern der einzelnen Tochtergesellschaften die Haftungsmasse, auf die sie bei Unabhängigkeit der Gesellschaft zählen könnten, nicht durch konzerninterne Vermögensverlagerungen entzogen werde 62 . Ganz ähnlich hat sich Vogel speziell fiir den Fall der Konzerninsolvenz geäußert63 . Ein Ansatz, der eine Schadloshaltung der Gläubiger gerade bei planmäßigen Vermögenstransfers bezweckt, kann zudem auf Vorbilder im amerikanischen und französischen Recht verweisen. So wird in den Vereinigten Staaten in der Konsolidation auch ein Ausgleich für vorangegangene konzerninterne Transaktionen gesehen. Vorgeschlagen wird, die Konsolidation dann zu ermöglichen, wenn Vermögensflüsse eine Gesellschaft über längere Zeit einseitig in substantieller Weise geschädigt haben; erforderlich sei der Nachweis eines Netto-Defizits aus solchen konzerninternen Transaktionen64 . In Frankreich findet sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Begriff der "anormalen Finanzflüsse" (jlux jinanciers anormaux) 65 , der das bisherigen Verständnis der Vermögensvermischung erweitert. Die Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung setzt damit nicht mehr notwendig eine Konfusion der Aktivitäten oder der Aktiva und Passiva voraus; es genügt die fehlende Ausgeglichenheit der Finanzflüsse zwischen den Konzerngesellschaften. Die Insolvenzerstreckung dient also gerade dem Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen im Gläubigerinteresse66. Einer unbesehenen Übernahme solcher Konzepte ins deutsche Recht steht allerdings entgegen, dass in Deutschland Vermögensverschiebungen zu einem guten Teil schon über die §§ 311 ff. AktG, das Kapitalerhaltungs- und -ersatzrecht sowie die Insolvenzanfechtung rückabgewickelt werden können. Soweit mit diesem differenzierten Instrumentarium ein gerechter Ausgleich zwischen den Gläubigerinteressen zu erreichen ist, besteht kein Anlass zu einer weitergehenden Umverteilung in der Konzerninsolvenz. Werden darüber hinaus zusätzliche Ausgleichsmöglichkeiten eröffuet, droht die Gefahr von Wertungswidersprüchen: Nach dem Recht der Insolvenzanfechtung sind eben nur ganz bestimmte Transaktionen innerhalb bestimmter zeitlicher

61 62 63 64 65 66

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Druey 99 I! (1980), S. 273,364 (Rn. 171). Druey ZSR 99 li (1980), S. 273, 298 (Rn. 42). Vogel SZW 1993, S. 299, 304; näher oben § 9 li 2. Wes 65 Ca!. L. Rev. 720, 726 (1977); vgl. oben § 7 !I I a. Cass. com. 11.5.1993 Bull. Joly 1993, S. 1050 mit Anm. Ntel; näher dazu oben § 8 li 1 und 2. Ausführlich oben § 8 li.

Deutschland

Grenzen rückabzuwickeln; nach dem Kapitalersatzrecht müssen etwa Transfers auf eine in der Krise befindliche Gesellschaft grundsätzlich auch dort verbleiben und dürfen gerade nicht rückgängig gemacht werden. Dass es -jedenfalls aus ökonomischer Sicht - auch in der Konzerninsolvenz grundsätzlich sachgerecht ist, die Haftungstrennung beizubehalten, wurde oben 67 mit dem Gläubigerkalkül begründet: Die Gläubiger mussten bis zum Eintritt der Konzerninsolvenz davon ausgehen, dass ihnen allein ihr eigener Schuldner haftet und dieser auch nur für seine eigenen Verbindlichkeiten aufkommen muss. Auf dieser Grundlage haben sie die von ihnen verlangten Risikoprämien kalkuliert. Es ist deshalb nur konsequent, wenn auch in der Konzerninsolvenz die Geschäftsgrundlage (Haftungstrennung) bestehen bleibt. Anders könnte zu entscheiden sein, wenn die Gläubigerkalküle durch - insbesondere rechtswidrige 68 - Vermögenstransfers zwischen den Konzerngesellschaften "durchkreuzt" wurden, mit dem Ergebnis, dass die Verteilung der Haftungsmassen auf die einzelnen Konzerngesellschaften nicht mehr den jeweiligen Gläubigerkalkülen entspricht: Der Gläubiger der durch den Vermögenstransfer entreicherten Konzerngesellschaft hat den Vermögenstransfer bei der Kalkulation der von ihm verlangten Risikoprämie regelmäßig nicht berücksichtigt - er musste dies auch nicht: Die Haftungstrennung im Konzern soll ja nicht nur den Gesellschaftern zugute kommen, sondern auch den Gläubigem einen Transaktionskostenvorteil bieten; der Gläubiger soll zur Einschätzung seines Risikos eben nicht den gesamten Konzern überwachen müssen, sondern nur die Konzerngesellschaft, mit der er tatsächlich zu tun hat69 . Dieser Transaktionskastenvorteil wäre dahin, wenn der Gläubiger in sein Kalkül doch wieder etwaige Vermögensverschiebungen innerhalb des Konzerns einbeziehen und dagegen Vorsorge treffen müsste 70 • Auch deshalb wollen die §§ 311 ff. AktG den 67 68

69 70

Vgl.§9II2. Der konzernrechtliche Ausnahmetatbestand des BAG, in der Formulierung von Henssler ZGR 2000, S. 479, 499, verlangt jedenfalls nicht nur einen planmäßigen, sondern auch einen rechtswidrigen Transfer, weil die Haftung des herrschenden Unternehmens nach den Regeln des "qualifiziert faktischen Konzern" vorausgesetzt wird. Die Rechtswidrigkeit muss sich nicht gerade aus dem Verhältnis zur Schwestergesellschaft ergeben. Beispielsweise könnte auch ein Vermögenstransfer, der nicht gegen Kapitalerhaltungsrecht, wohl aber gegen die Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters verstößt, in diesem Sinne rechtswidrig sein und deshalb in der Konzerninsolvenz eine Haftung der bevorzugten Schwestergesellschaft begründen. Nacke Durchgriffshaftung S. 277; vgl. oben § 9 II 2. V gl. Nacke Durchgriffshaftung S. 290: ,,Zur Senkung der Informationskosten müssen sie (die Gläubiger) davon ausgehen dürfen, dass die Unternehmung als eigenes profit

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Horizontale Haftung in der Konzerninsolvenz

Gläubiger so stellen, als ob er es mit einer unabhängigen Gesellschaft zu tun hätte, verhindem die Kapitalerhaltungsvorschriften Vermögensverschiebungen auf andere Konzemgesellschaften, haftet der Gesellschafter nach der Bremer Vulkan-Rechtsprechung bei bestandsvernichtenden Eingriffen in das Vermögen und die Geschäftschancen der Gesellschaft 71 • Diese und andere Rechtsbehelfe sollen den Gläubiger gerade davor schützen, dass sein Kalkül nachträglich unterlaufen wird. Sie determinieren so die Grundlagen der Gläubigerkalküle: Der Gläubiger braucht zumindest einen Vermögensabfluss, der nach den §§ 311 ff. AktG, den Kapitalerhaltungsvorschriften, den Regeln der Konzern- und Durchgriffshaftung etc. rechtswidrig ist, nicht mit einzukalkulieren. Umgekehrt erlangt der Gläubiger der durch den Vermögenstransfer begünstigten Konzemgesellschaft, der seinem Kalkül eine "ärmere" Konzerngesellschaft zugrundegelegt und deshalb eine höhere Risikoprämie verlangt hat, einen windfall profit; denn er konnte nicht damit rechnen, dass sich die Haftungsmasse seiner Schuldnergesellschaft durch einen planmäßigen, insbesondere auch rechtswidrigen Vermögenstransfer vergrößern würde. Die skizzierte ökonomische Begründung unterstellt jedoch, dass die Gläubiger ihre Gläubigerstellung sämtlich bereits vor dem Vermögenstransfer erlangt haben. Wer erst nach dem planmäßigen Vermögenstransfer Gläubiger der benachteiligten Konzerngesellschaft wird, ist von Anfang an nur Gläubiger einer "armen" Konzemgesellschaft; als solcher konnte er keine größere Haftmasse erwarten72 • Wer erst nach dem Vermögenstransfer Gläubiger der begünstigten Konzerngesellschaft wird, mag sich hingegen im Vertrauen auf die erkennbar gute wirtschaftliche Lage dieser Gesellschaft mit einer niedrigeren Risikoprämie einverstanden erklärt haben. Einem solchen Gläubiger wird man kaum eine Nachforschungspflicht betreffend die Herkunft des Gesellschaftsvermögens auferlegen können; anderenfalls ginge der Transaktionskostenvorteil verloren, dass Gläubiger zur Einschätzung ihres Risikos eben nicht den Gesamtkonzem, damit auch die wechselseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen Konzemgesellschaften, überwachen müssen 73 •

71 72

73

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center, d.h. ohne verdeckte Gewinnausschüttungen und ohne die primäre Verfolgung anderer als der Unternehmensziele, betrieben wird." BGHZ 149, 10- Bremer Vulkan; 150, 61; 151, 181- KBV. Anders Fleischer ZHR 163 (1999), S. 471 f. ftir den Fall, dass der Gläubiger gleichwohl von einer größeren Haftmasse ausging: "Mag eine Haftungsabschottung im Konzern aus Effizienzerwägungen auch grundsätzlich erwünscht sein, so ist eine Ausnahme jedenfalls bei einer Irreführung über die haftende Vermögensmasse angezeigt, weil sich potentielle Vertragspartner andernfalls zu volkswirtschaftlich verschwendeten Kontrollkosten veranlasst sähen." Vgl. Nacke Durchgriffshaftung S. 277 f.

Deutschland

Durch eine Aufhebung der konzerninternen Haftungstrennung würde das Kalkül dieses Gläubigers entwertet, ohne dass erkennbar wäre, dass er etwa weniger schutzwürdig wäre als die Gläubiger der "entreicherten" Konzerngesellschaft, denen die Aufhebung der Haftungstrennung zugute käme 74 • In der Praxis wird der Fall kaum je vorkommen, dass sämtliche Gesellschaftsgläubiger ihre Gläubigerstellung bereits vor dem planmäßigen Vermögenstransfer erlangt haben. Deshalb würde eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger der Wirtschaftseinheit den Kalkülen und Interessen aller beteiligten Gläubiger nicht besser gerecht als die gesetzlich vorgezeichnete Lösung, der Fortbestand der Haftungstrennung.

74

Vgl. Rehbinder Konzernaußenrecht S. 356, der einen Durchgriff auf eine zu Umgehungszwecken eingesetzte Gesellschaft ablehnt, weil er keine Rücksicht auf die Gläubiger nehme, die mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung getreten seien und ihr nicht ansehen könnten, dass sie zu Umgehungszwecken missbraucht werde. -V gl. auch Cahn Kapitalerhaltung S. 242 zu eigenkapitalersetzenden Darlehen zwischen Schwestergesellschaften: "Es lässt sich nicht begründen, dass die Gläubiger des einen Schwesterunternehmens stets schutzwürdiger oder weniger schutzwürdig wären als die der anderen Partei des Darlehensvertrages."

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Zusammenfassung 1. Der konzernrechtliche Einzelausgleich zielt so, wie er für den Aktienkonzern in den §§ 311 ff. AktG kodifiziert ist bzw. für den GmbH-Konzern mit der gesellschafterliehen Treuepflicht begründet wird, nur auf das herrschende Unternehmen. "Herrschendes Unternehmen" ist allein die Muttergesellschaft, nicht auch die Schwestergesellschaft ohne (vergleichbaren) Beteiligungsbesitz; die faktische, wirtschaftliche Abhängigkeit von einer den Konzern dominierenden Schwestergesellschaft erfüllt noch nicht den Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG. Im Aktienkonzern kann die zunächst für die Muttergesellschaft nach den §§ 311, 317 AktG begründete Haftung jedoch auf eine Schwestergesellschaft "verlängert" werden, wenn der Anspruch gegen die Muttergesellschaft wegen deren Insolvenz nicht durchsetzbar ist und die Schwestergesellschaft die Beeinflussung durch die Muttergesellschaft vorsätzlich veranlasst und von ihr profitiert hat (§ 117 Abs. 3 AktG analog). 2. Im GmbH-Konzern lässt sich die den herrschenden Gesellschafter treffende "gesteigerte" Treuepflicht nicht auf Schwestergesellschaften "verlängern". Auch unmittelbar zwischen den Schwestergesellschaften existieren keine Treuepflichten, auf die eine Schadensersatzpflicht gestützt werden könnte. Zumindest für die mehrgliedrige abhängige GmbH lässt sich das Schutzniveau jedoch an dasjenige des Aktienkonzerns angleichen: Entgegen der herrschenden Meinung kann § 317 AktG hier auf den herrschenden GmbH-Gesellschafter entsprechend angewendet werden; dessen Haftung kann dann wie schon im Aktienkonzern entsprechend § 117 Abs. 3 AktG auf Schwestergesellschaften erstreckt werden. 3. In der Literatur wird ein horizontaler Einzelausgleich vor allem für die gleichgeordneten (Schwester-)Unternehmen eines Gleichordnungskonzerns (§§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG) diskutiert. Die Figur des faktischen Gleichordnungskonzerns erscheint allerdings überflüssig, weil die unter diesem Stichwort erörterten Fallgestaltungen bereits einen Unterordnungsoder einen vertraglichen Gleichordnungskonzern darstellen und die Einordnung als "faktischer Gleichordnungskonzern" nicht zu zusätzlichen Rechtsfolgen führt. Die Möglichkeit eines vertraglichen Gleichordnungskonzerns wird dagegen vom Gesetz vorausgesetzt. Er ist BOB-Innengesellschaft mit der Folge, dass zwischen den Schwestergesellschaften Schadensersatzansprüche auf eine Treuepflichtverletzung gestützt werden können. Eine Verlustausgleichspflicht trifft die Schwestergesellschaften dagegen nur, wenn sie vertraglich als Teil einer Ergebnisgemeinschaft vereinbart ist.

301

Zusammenfassung

4. Praktisch wichtiger als der konzernrechtliche Einzelausgleich ist die Haftung von Schwestergesellschaften nach dem Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzrecht Im Kapitalerhaltungsrecht kann die Erstattungspflicht der Schwestergesellschaft allerdings nicht mit ihrer "wirtschaftlichen Nähe" zum gemeinsamen Gesellschafter begründet werden. Die Erklärung für die Erstattungspflicht liegt nicht im Verhältnis zum Gesellschafter, sondern im Verhältnis zwischen den Schwestergesellschaften selbst: Schwestergesellschaften dürfen nach der ratio der Kapitalerhaltungsvorschriften ebenso wenig wie Gesellschafter Zuwendungen annehmen, die zu Lasten des gebundenen Kapitals gehen und gerade durch die gemeinsame Konzernzugehörigkeit (societatis causa) motiviert sind. Entsprechend unterfällt eine Schwestergesellschaft auch dem Kapitalersatzrecht, wenn sie einer kreditunwürdigen Schwestergesellschaft eine Finanzhilfe gerade im Hinblick auf ihre gesellschaftsrechtliche Verbundenheit (societatis causa) gewährt. Ausgehend von dieser gesellschafterunabhängigen Betrachtungsweise ließe sich das Kapitalerhaltungs- und -ersatzrecht auch für den vertraglichen Gleichordnungskonzern fruchtbar machen. 5. Auch die Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. Insü bietet Möglichkeiten zur Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen zwischen Schwestergesellschaften. Ihre Effektivität hängt jedoch wesentlich davon ab, ob eine Schwestergesellschaft als nahestehende Person i.S.d. § 138 Abs. 2 Nr. 2 Insü angesehen werden kann. Dies erscheint nur ausnahmsweise möglich, wenn die Schwestergesellschaft den Konzern tatsächlich dominiert und damit über dieselben Informationsmöglichkeiten wie die rechtlich herrschende Konzernspitze verfügt. 6. Das System des Einzelausgleichs stößt an seine Grenzen, wenn (1.) sich Einwirkungen des herrschenden Unternehmens nicht mehr isolieren lassen, (2.) die Verbundbeziehungen infolge fehlerhafter Buchführung undurchschaubar werden oder (3.) der durch eine Einwirkung verursachte Schaden nicht bezifferbar ist. Zur Lösung dieser Probleme ist der "qualifiziert faktische Konzern" angetreten. Nach verbreiteter Ansicht soll sich mit dieser Figur auch im Horizontalverhältnis eine Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung gegenüber den Gläubigem anderer Schwestergesellschaften begründen lassen. Diese Konzepte erscheinen durch die Bremer VulkanEntscheidung des BGH zumindest für die GmbH weitgehend überholt. Für das Horizontalverhältnis kann die Haftung "analog §§ 302 f. AktG" noch weniger überzeugen als für das Vertikalverhältnis: Die Haftung soll das Fehlen eines Beherrschungsvertrages sanktionieren, der aber mit dem herrschenden Unternehmen, nicht mit den Schwestergesellschaften abzuschließen wäre; auch im Vertragskonzern würden die Schwestergesellschaften

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Zusammenfassung

nicht aufVerlustausgleich haften. Während in den ersten beiden Fallgruppen im Vertikalverhältnis auf die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung zurückgegriffen werden kann, bietet es sich bei mangelnder Bezifferbarkeit des Schadens an, im Rahmen des § 317 AktG den Schaden normativ mit dem Jahresfehlbetrag zu bemessen; diese Haftung kann jedoch nicht nach § 117 Abs. 3 AktG analog auf Schwestergesellschaften verlängert werden. 7. Ein Durchgriff auf Schwestergesellschaften wird flir Fälle der horizontalen Vermögensvermischung und- nach Bremer Vulkan- des existenzvernichtenden Eingriffs vertreten. Der horizontale Durchgriff kann ebenso wie der vertikale als Durchbrechung des Trennungsprinzips verstanden werden, wobei jedoch nicht die "Decke" der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern, sondern die "Seitenwand" zur Schwestergesellschaft durchstoßen wird. In die herkömmlichen, ganz auf das Vertikalverhältnis zugeschnittenen Durchgriffslehren fUgt sich der horizontale Durchgriff allerdings nicht ohne weiteres ein. Auch bei der rechtstechnischen Umsetzung zeigen sich Unterschiede: Eine Restriktion der §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG fUhrt nicht weiter, vielmehr ist eine anspruchsbegründende Norm erforderlich; als solche kommt nur § 242 BGB in Betracht, und auch das nur, wenn auf das Tatbestandsmerkmal der Sonderverbindung verzichtet wird. Das eigentliche Problem des horizontalen Durchgriffs liegt in der fehlenden Verantwortlichkeit der Durchgriffsschuldnerin flir die Verhältnisse bei ihrer Schwestergesellschaft bzw. für den existenzvernichtenden Eingriff des gemeinsamen Gesellschafters. 8. Schließlich bleibt der Versuch, eine horizontale Haftung insolvenzspezifisch zu begründen. Vorbild ist das U.S.-amerikanische und französische Recht der Konzerninsolvenz: In den Vereinigten Staaten findet die Durchgriffshaftung als "beinahe allumfassender Lösungssatz" auch im Insolvenzverfahren Anwendung; mittels der Lehre vom piercing the corporate veil kann die rechtliche Selbständigkeit von Konzerngesellschaften punktuell - also beschränkt auf den eingeklagten Anspruch - durchbrochen werden. Auf Schwestergesellschaften wollen die Gerichte unter denselben Voraussetzungen durchgreifen, unter denen auch der Haftungsdurchgriff auf die gemeinsamen Gesellschafter möglich ist: Nach der alter ego doctrine müssen beide Gesellschaften als eine einzige erscheinen, nach der instrumentality rule müssen die Gesellschaften von ihren Gesellschaftern jeweils übermäßig beherrscht worden sein. Ein insolvenzspezifisches Rechtsinstitut ist demgegenüber die Konsolidation (substantive consolidation). Sie erlaubt die Verschmelzung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von mehreren Konzerngesellschaften zu einem Pool, 303

Zusammenfassung

aus dem sich die Gläubiger der konsolidierten Gesellschaften gleichmäßig befriedigen können. In neueren Entscheidungen wird eine Konsolidation beilirwortet, wenn die Gesellschaften im wesentlichen identisch sind und die Konsolidation zur Verhinderung eines Nachteils oder Erzielung eines Vorteils erforderlich ist; ausgeschlossen ist die Konsolidation, wenn ein Gläubiger nachweist, dass er gerade auf die getrennte Haftung einer Einzelgesellschaft vertraut hat und durch die Konsolidation einen Schaden erleiden würde. 9. In Frankreich ist die Zugehörigkeit einer Gesellschaft zu einer Unternehmensgruppe juristisch zunächst ohne Bedeutung; Geschäftsleiter müssen ihre Handlungen ganz nach dem objektiven Interesse ihrer jeweiligen Gesellschaft ausrichten. Diese Einzelbetrachtung jeder Gesellschaft setzt sich grundsätzlich auch in der Konzerninsolvenz fort, jedoch mit gewichtigen Ausnahmen: Die richterrechtlichen Institute der Fiktivität einer Gesellschaft und der Vermögensvermischung erlauben es, das gegen eine Gesellschaft eröffnete Insolvenzverfahren auch auf Mutter- oder Schwestergesellschaften zu erstrecken und eine einheitliche Insolvenzmasse zu bilden. Fiktiv soll eine Konzerngesellschaft insbesondere bei Fehlen jeglicher Autonomie sein; Instanzgerichte neigen dazu, bei einer horizontalen Betriebsaufspaltung die Besitzgesellschaft ilir fiktiv zu erklären. Die Insolvenzerstreckung wegen Vermögensvermischung setzt dagegen eine Konfusion der Aktivitäten, der Aktiva und Passiva oder die Feststellung "anormaler Finanzflüsse" zwischen den Gesellschaften voraus. Das letzte Element erweitert den Begriff der Vermögensvermischung gegenüber dem deutschen Recht, weil auch buchmäßig genau erfasste Vermögensverlagerungen - z.B. völlig überhöhte Pachtzahlungen an eine Besitzgesellschaft - zur Insolvenzerstreckung fuhren können. 10. In Deutschland ist das geschriebene Insolvenzrecht auf Konzernsachverhalte und eine Einbeziehung von Schwestergesellschaften nicht eingerichtet. Eine von der vorgefundenen abweichende, "sachgerechtere" Verteilung der Haftungsmassen auf die einzelnen Konzerngesellschaften und ihre Gläubiger ließe sich daher allenfalls mittels ungeschriebener Konzernhaftungsoder Durchgriffsansprüche erreichen (§ 242 BGB). Da es an einer "Verantwortlichkeit" der einen Schwestergesellschaft ilir die Verhältnisse in der anderen regelmäßig fehlt, könnten derartige Ansprüche nur insolvenzspezifisch mit den Interessen der hinter den einzelnen Konzerngesellschaften stehenden Gläubiger gerechtfertigt werden. Ausgehend vom Grundsatz der par condicio creditorum könnte eine Verteilung der Haftungsmassen sachgerecht sein, die zu einer möglichst gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger einer aus mehreren Konzerngesellschaften bestehenden "Wirtschafts-

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Zusammenfassung

einheit" fiihrt. Nahe liegt die Annahme einer solchen "Wirtschaftseinheit" insbesondere im Falle eines planmäßigen, rechtswidrigen Vermögenstransfers zwischen den Konzerngesellschaften. Die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger könnte hier einen Ausgleich schaffen und verhindern, dass die Gläubiger der planmäßig "entreicherten" Konzerngesellschaft weniger, die Gläubiger der "bereicherten" Konzerngesellschaft dagegen mehr erhalten, als sie erwarten durften. Wenn Gläubiger ihre Gläubigerstellung aber erst nach dem Vermögenstransfer erlangt haben, werden sie ihrem Kalkül die neue, durch den Vermögenstransfer geschaffene Vermögensverteilung zugrunde legen; die Herkunft des Gesellschaftsvermögens ist fiir den Neugläubiger der "bereicherten" Konzerngesellschaft regelmäßig nicht erkennbar. Deshalb würde eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger der "Wirtschaftseinheit" jedenfalls das Kalkül dieses Gläubigers entwerten und den Kalkülen und Interessen der Gläubiger insgesamt nicht besser gerecht als die gesetzlich vorgezeichnete Lösung, der Fortbestand der Haftungstrennung auch in der Konzerninsolvenz.

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Stichwortverzeichnis Abhängigkeit

- Sphärenvermischung 221

- im Gleichordnungskonzern 83 ff., 98 ff.

- umgekehrter Durchgriff 228 ff., 251 f.

- wirtschaftliche 27 ff.

- Unterkapitalisierung 223 f. - Vereinigte Staaten 240 ff.

HAG-Entscheidung zur horizontalen Betriebsaufspaltung (1998) 11 ff., 25 ff.

- Vermögensvermischung 185 ff., 216 ff. - Zurechnungsdurchgriff 207 f.

Beherrschung durch Schwestergesellschaft 23 ff. - kraft Zurechnung 36 f.

Eigenkapitalersatz s. Kapitalersatz

- mittelbare 34 ff.

Einzelausgleich, horizontaler 21 ff., 151 ff.

- umnittelbare 24 ff. Betriebsaufspaltung, horizontale 78 ff., 161 ff., 178 f., 289 f. - Frankreich 267 ff., 274 f.

Existenzvernichtender Eingriff 224 ff. flctivite 264 ff.

Bremer Vulkan-Entscheidung 5 ff., 224 f.

Frankreich 262 ff.

confusion des patrimoines 271 ff.

Gleichbehandlung der Gläubiger 284 ff.

Durchgriffshaftung 197 ff. - als Innenhaftung 214 ff. - Durchgriffslehren 199 ff. - existenzvernichtender Eingriff 224 ff.

Gleichordnungskonzern 69 ff. - Abhängigkeit von Leitungsinstanz 83 ff., 98 ff. einheitliche Leitung durch ein gleichgeordnetes Unternehmen 81 f.

- Fallgruppen 216 ff.

- Ergebnisgemeinschaft 96 ff.

- Institutsmissbrauch 224 ff.

- faktischer 70 ff.

- Sonderverbindung bei § 242 BGB 212 ff.

- horizontale Betriebsaufspaltung 78 ff. 307

Stichwortverzeichnis

- im Unterordnungskonzern 83 ff.

Kapitalersatz 125 ff.

- Leitungsinstanz 89 ff., 98 ff.

- aus gebundenem Kapital 136 ff.

- multipler Beteiligungsbesitz des Privatgesellschafters 71 ff.

- Darlehen societatis causa 130 f., 134, 143

- personelle Verflechtung 80 f., 91 f.

- Zwerganteilsprivileg 135 f.

- Verlustausgleich 93 ff., 163 f., 179 f.

Konsolidation 252 ff., 282 f.

- Verlustgemeinschaft analog §§ 730 ff. BGB 96 ff., 180 ff.

KBV-Entscheidung 7 f., 212, 224

Konzerngefahr 2 f. Konzernhaftung

vertraglicher 87 ff., 140 ff.

- horizontale 8 ff., !58 ff.

Weisungsrecht 92 f., 107 ff.

- vertikale 3 ff., 164 ff.

GmbH-Stafette 225 f.

Konzerninsolvenz 23 7 ff., 281 ff.

Haftungsdurchgriff s. Durchgriffshaftung

Nachteilsausgleich, gestreckter 49 f., 65 f., 121 ff.

Haftungstrennung im Konzern 289 ff.

par condicio creditorum 284 ff. piercing the corporate veil 240 ff.

Insolvenzanfechtung 144 ff. Inso Ivenzerstreckung wegen Fiktivität 264 ff.

"Qualifiziert faktischer Konzern" 4 ff., 156 ff. Ähnlichkeit mit Vertragskonzern 172 ff.

- wegen Vermögensvermischung 271 ff.

- Fallgruppen !56 f., 185 ff.

Kapitalerhaltung 109 ff., !54 f.

- Normzweck des§ 302 AktG 166 ff.

- im Vertragskonzern 123 ff., 140 ff.

Verlustausgleich 159 ff.

- Konkurrenz zu§§ 311, 317 AktG 120 ff.

Schadensbemessung bei § 317 AktG 189 ff.

- Zuwendungen societatis causa 114 ff., 140 ff.

Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH 66 ff.

308

Stichwortverzeichnis

substantive consolidation 252 ff., 282 f.

- Vertragskonzern 123 ff.

Taxifalle 249, 269 f.

venire contra factum proprium 214,220,287

Treuepflicht

Veranlassung 47 f., 50 ff.

53 ff., 73 ff., 88 ff.

Vereinigte Staaten 240 ff. Unternehmensbegriff, teleologischer 71 ff.

Verlustausgleich 159 ff., 189 ff.

Unterordnungskonzern

Vermögensvermischung 185 ff., 216 ff., 271 ff.

- faktischer AG-Unterordnungskonzern 22ff., 120ff., 189ff. - faktischer GmbH-Unterordnungskonzern 52 ff., 159 ff.

Vermögenstransfer 295 ff.

Wirtschaftseinheit 249, 288 ff.

- Gleichordnungsverhältnis 83 ff.

309

Lutter (Hrsg.)

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