Umweltgefährdungshaftung im Konzern [1 ed.] 9783428496563, 9783428096565

Die Autorin untersucht, ob und inwieweit eine Obergesellschaft für Umweltschäden haftet, die durch eine ihrer Tochterges

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German Pages 235 Year 1999

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Umweltgefährdungshaftung im Konzern [1 ed.]
 9783428496563, 9783428096565

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IMKE OSSENBÜHL

Umweltgefährdungshaftung im Konzern

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M ich a e I Klo e p fe r, Berlin

Band 93

Umweltgefährdungshaftung im Konzem Von

Imke Ossenbühl

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ossenbühl, Imke: Umweltgefährdungshaftung im Konzern / von Imke Ossenbüh!. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 93) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09656-8

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-09656-8 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort Die Rechts- und Staatswissenschaftliehe Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn hat die vorliegende Arbeit im Sommersemester 1998 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis Oktober 1998 berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof Dr. Dr. h.c. Marcus Lutter, der das vorliegende Thema angeregt, die Arbeit betreut und wohlwollend unterstützt hat. Herrn Prof Dr. Jürgen Salzwedel danke ich rur die Erstellung des Zweitgutachtens. Besonders Dank sagen möchte ich darüber hinaus dem "Arbeitskreis Wirtschaft und Recht" des Stifterverbandes rur die Deutsche Wissenschaft rur die finanzielle Förderung der Arbeit. Ein herzliches Dankeschön richte ich schließlich an Herrn Dr. Tim Drygala und Herrn Dr. Carsten Jaeger rur konstruktive Gespräche und fruchtbare Anregungen sowie an Frau Regina Picht und Herrn Michael Voß fur die mühsame und zeitintensive Arbeit des Korrekturlesens.

Bonn, im November 1998

Imke Ossenbühl

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel

Einführung und Grundlagen A. Einflihrung in die Thematik ................................................................................ ...... 17

B. Begriff der Umweltgeflihrdungshaftung .................................................................... 20 I.

Begriff der Umwelthaftung ............................................................................... 20

11.

Ausrichtung der zivilrechtlichen Umwelthaftung im System des Umweltschutzes ............................................................................................................. 22

III. Begriff der Umweltgeflihrdungshaftung ........................................................... 25 IV. Umweltgeflihrdungshaftung und konzernrechtliche Strukturen ....................... 27 V.

Primäre und sekundäre Umweltgeflihrdungshaftung ........................................ 29 Zweites Kapitel

Primäre Umweltgefährdungshaftung A. Die Tatbestände der anlagenbezogenen Geflihrdungs- und "Quasigefähr-

dungs"haftung ........................................................................................................... 31 I.

Der Begriff des Anlageninhabers - Bestandsaufnahme der geltenden Regelungen ....................................................................................................... 32 1. Wasserhaushaltsgesetz .................................................................................. 32 2. Umwelthaftungsgesetz .................................................................................. 35 3. Haftpflichtgesetz ........................................................................................... 36 4. Atomgesetz ................................................................................................... 38

11.

Der Begriff des Betreibers - Bestandsaufnahme der geltenden Regelungen .... 39 1. Gentechnikgesetz .......................................................................................... 39 2. Bundesimmissionsschutzgesetz .................................................................... 41

III. Synonyme Definition von Inhaber- und Betreiberbegriff... .............................. 43 I. Rechtsprechung und Literatur. ...................................................................... 43 a) Besonderheiten bei § 14 S. 2 BImSchG ................................................... 44 b) Besonderheiten des GenTG ...................................................................... 45

Inhaltsverzeichnis

8

2. Anhaltspunkte für eine differenzierte Begriffsbestimmung .......................... 46 a) Wasserhaushaltsgesetz............. ...................... ......................... .................. 46 b) Abfallgesetz ............................................................................................. 46 c) Umwelthaftungsgesetz ............................................................................. 47 3. Diskussion und Zusammenfassung ............................................................... 48 B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern ................................................................ 50 I.

Problemstellung ................................................................................................ 50

11.

Die Zurechnungsgründe der Inhaber- bzw. Betreibereigenschaft ..................... 51 I. Zurechnungsgründe der Gefährdungshaftung ............................................... 51 2. Entwicklung der Rechtsprechung zur Haftungszurechnung in der Gefährdungshaftung ................................................................................................ 55 3. Aufsplittung der Zurechnungsmerkmale des Inhaber- und Betreiberbegriffs ......................................................................................................... 56 a) Elemente des Merkmals "Tatsächliche Verfügungsmacht" ...................... 57 aa) Vermögensrechtliche Zuordnung ....................................................... 57 bb) Erhaltung der Anlage ......................................................................... 58 cc) Tatsächliche Nutzung der Anlage .................................... .... ....... ........ 60 b) Wirtschaftlicher Vorteil... ......................................................................... 60 c) Gewichtung der verschiedenen Merkmale ............................................... 61 aa) Gewichtung des Merkmals des wirtschaftlichen Vorteils in der Rechtsprechung .................................................................................. 61 bb) Gewichtung des wirtschaftlichen Vorteils in der Literatur ................ 63 cc) Stellungnahme .................................................................................... 64 d) Zusammenfassung der für die Bestimmung der Inhabereigenschaft maßgeblichen Kriterien ............................................................................ 65

III. IV.

Begriff des Konzerns ........................................................................................ 66 Gemeinsamkeit aller Konzerne: Die einheitliche Leitung ................................ 68 I. Verknüpfung zwischen dem Begriff der einheitlichen Leitung und dem Begriff des Betreibers ............................................................................ 68 2. Ausüben der einheitlichen Leitung und Betreiberbegriff... ........................... 69

V.

Mittel der einheitlichen Leitung ....................................................................... 71 I. Die Weisung als inhaberqualifizierendes Merkmal ...................................... 72 a) Betriebsbezogene Weisungen ................................................................... 72

Inhaltsverzeichnis

9

b) Mittelbar betriebsbezogene Weisungen ................................................... 74 c) Nicht betriebsbezogene Weisungen ............ ........... ... ........ ........................ 75 d) Umfang und Dauer der Weisungen ....................... ................................... 76 e) Bloße Weisungsmöglichkeit.. ................................................................... 77 f) Zusammenfassung ....................................................................... .. ... ........ 79

2. Weisungsverwandte Leitungsmittel .............................................................. 79 3. Andere Leitungsmittel .................................................................................. 80 4. Personal verflechtung .................................................................................... 80 a) Personalverflechtung von unten nach oben .............................................. 81 b) Personalverflechtung von oben nach unten .............................................. 82 c) Mehrheitliche oder vollständige Personalunion ....................................... 83 d) Vermutung zugunsten des Geschädigten ................................................. 84 e) Dokumentationspflicht der Geschäftsführung .......................................... 86 aa) Dokumentationspflicht nach § 52 a BlmSchG ................................... 87 bb) Zusammenfassung ............................................................................. 88 VI.

Bereiche der einheitlichen Leitung .......................................... .. ....................... 89 I. Anlagenwirtschaft ......................................................................................... 91 a) Investitionsplanung .................................................................................. 91 aa) Planung von Anlagen ......................................................................... 91 bb) Errichtung von Anlagen ..................................................................... 91 (I) Eintritt eines Haftungsfalles während der Errichtung .................. 92 (2) Risikoerhöhung durch Nichtbeachtung der einschlägigen technischen Regeln ............................................................................. 92 (3) Finanzielle Ausstattung der Tochter bei Planung und Errichtung .................................................................................... 95 b) Anlagenplanung und -errichtung .............................................................. 96 2. Energiebetriebe ....................................................................... ,..................... 98 3. Forschung und Entwicklung ......................................................................... 98 4. Produktion .................................................................................................... 99 a) Produktion im engeren Sinne ................................................................... 99 b) Leitungs- und Verwaltungsaufgaben ..................................................... 101 aa) Planung ............................................................................................. 101 bb) Organisation .................... ,..... ,.................... ,............................ ,........ 103

10

Inhaltsverzeichnis 5. Personal ...................................................................................................... 103 6. Einkauf........................................................................................................ 105 7. Vertrieb ............................................................................................... .. ...... 106 8. Lagerwesen ................................................................................................. 106 9. Finanzen ...................................................................................................... 106 a) Dezentrale Konzernfinanzierung ........... .............. .... ....... .............. .. ........ 106 b) Zentrale Konzernfinanzierung ................................................................ 107 aa) Cash-Management.. .......................................................................... 108 bb) Zusammenfassung ........................................................................... 109 10. Rechnungswesen ....................................................................................... 109 11. Stabsstellen ............................................................................................... 109 a) Planung und Organisation ..................................................................... 110 b) Technik ..................................... .. ....................................... ................... 110 c) Zusammenfassung ................................................................................. 110 VII. Mindestinhalt der einheitlichen Leitung und konzern interne Umweltgefahrdungshaftung .................................................................................................. 111 I. Enger Konzernbegriff ................................................................................. 111 2. Weiter Konzernbegriff ................................................................................ 112 3. Einheitliche Leitung als Vennutungstatbestand .......................................... 113 4. Zusammenfassung ...................................................................................... 115 VIII. Gemeinsame Inhabereigenschaft von Mutter- und Tochtergesellschaft ......... 115 I. Gesamtschuldnerische Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft nach § 840 Abs. 1 BGB .............................................................................. 116 a) §§ 1, 2 HaftpflG als unerlaubte Handlung .............................................. 117 b) § 1 UmweltHG als unerlaubte Handlung ............................................... 118 aa) Gesetzesgeschichte ..................................................................... .. .... 118 bb) Proportionale Haftung ..................................................................... 119 cc) Gesamtschuldnerische Haftung bei Gleichstufigkeit.. ...................... 119 dd) Gesamtschuldnerische Haftung nach Art und Weise des Zusammenwirkens ..................................................................................... 120 ee) Diskussion ........................................................................................ 120 c) Schadensersatzpflicht nach § 14 S. 2 BImSchG als unerlaubte Handlung ........................................................................................................ 124

Inhaltsverzeichnis

11

2. Gesamtschuldnerische Haftung nach den Sonderregelungen flir die Umweltgefährdungshaftung .............................................................................. 125 a) § 32 Abs. 2 GenTG ................................................................................ 125 b) § 33 Abs. I AtomG ................................................................................ 125 c) § 22 Abs. I WHG ................................................................................... 126 d) Zusammenfassung .................................................................................. 126 3. Voraussetzungen flir eine gesamtschuldnerische Haftung .......................... 126 a) Anwendbarkeit des § 830 BGB als haftungsbegründende Norm ........... 127 aa) § 830 Abs. I S. I und Abs. 2 BGB ................................................... 128 bb) § 830 Abs. I S. 2 BGB .................................................................... 128 b) Nebentäterschaft als haftungsbegründender Tatbestand ........................ 129 c) Haftungsbegründung durch Sonderregelung .......................................... 129 d) Haftungsbegründung durch Erfüllen der Inhabereigenschaft... .............. 130 e) Gesamtschuldnerhaftung als angemessene Lösung ................................ 131 4. Ergebnis ...................................................................................................... 132 5. Innenausgleich zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ........................ 133 a) Sonderregelungen ................................................................................... 133 aa) § 13 Abs. I HaftpflG ........................................................................ 133 bb) § 33 Abs. 2 AtomG .......................................................................... 135 cc) § 32 Abs. 2 S. 2 GenTG ................................................................... 135 b) Innenausgleich bei den nicht sondergesetzlich geregelten umwelthaftungsrechtlichen Tatbeständen ............................................................... 135 aa) § 14 S. 2 BImSchG ........................................................................... 136 bb) § 22 WHG ........................................................................................ 136 cc) Umwelthaftungsgesetz ...................... ............................................... 137 6. Zusammenfassung ...................................................................................... 137 IX. Verschiedene Konzernforrnen ......................................................................... 138 I. Eingliederung .............................................................................................. 138 a) Besonderheiten bei der Verjährung ........................................................ 139 aa) Verjährung während der Zeit der Eingliederung .............................. 139 bb) Verjährung nach Beendigung der Eingliederung ............................. 140 (I) Verjährung gern. § 852 Abs. I BGB .......................................... 141

(2) Verjährung gern. § 32 Abs. I AtomG ........................................ 142

12

Inhaltsverzeichnis (3) Verjährung des Schadensersatzanspruches aus § 14 S. 2 BlmSchG ................................................................................... 142 b) Zusammenfassung .................... ........ .............. ........... ... .......................... 143 2. Vertragskonzern .......................................................................................... 144 a) Beherrschungsvertrag ............................................................................. 144 aa) Unterschied der Primärhaftung zum VerIustausgleich ..................... 145 bb) Stellung der Muttergesellschaft nach Beendigung des Beherrschungsvertrages .............................................................................. 146 (I) Gesellschaftsrechtliche Haftung ................................................. 146 (2) Haftung der Obergesellschaft als Primärschuldnerin ................. 148 (3) Zusammenfassung ...................................................................... 148 b) Gewinnabftihrungsvertrag ...................................................................... 148 c) Geschäftsftihrungsvertrag ....................................................................... 149 d) Andere Unternehmensverträge ............................................................... 150 aa) Gewinngemeinschaft und Teilgewinnabftihrungsvertrag ................. 150 bb) Betriebspachtverträge ...................................................................... 151 cc) Betriebsüberlassung .......................................................................... 153 dd) Betriebsaufspaltung ...................................................... ................... 154 ee) Betriebsftihrungsverträge ................................................................. 155 (1) Herrschendes Unternehmen als Betriebsftihrer .......................... 155 (2) Abhängiges Unternehmen als Betriebsftihrer ............................. 156 3. Faktischer Konzern ................................ :.................................................... 156 a) Einfach faktischer Konzern ...................... ~ ............................................. 157 aa) Faktischer Aktienkonzern ................................................................. 157 bb) Faktischer GmbH-Konzern ............. ... ........... .............. ..................... 158 cc) Zusammenfassung ............................................................................ 159 b) Qualifiziert faktischer Konzern .............................................................. 160 X.

Prozessuale Fragen ......................................................................................... 162 I. Anscheinsbeweis ......................................................................................... 162 2. Beweislastumkehr und Beweisvermutung .................................................. 163 a) Deliktische Produzentenhaftung ............................................................. 164 b) Schäden durch Immissionen ................................................................... 164 c) Beweisvermutung bei § 22 WHG ........................................................... 165

Inhaltsverzeichnis

13

d) § 6 Abs. I UmweltHG und § 34 GenTG ................................................ 166 e) Anwendbarkeit der Beweislastumkehr auch bei der Mitbetreiberhaftung................................................................................................... 166 3. Mildere Beweislasterleichterungsalternativen ............................................ 168 a) Auskunftsansprüche ............................................................................... 169 b) Erleichterungen hinsichtlich der Substantiierungslast... ......................... 170 aa) Substantiierungslast des Klägers ...................................................... 171 bb) Darlegungslast der Beklagten .......................................................... 172 cc) Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen ....................................... 173 C. Tatbestände der Handlungshaftung ......................................................................... 175

I.

§ 22 Abs. I WHG ........................................................................................... 175 I. Zurechnung der Handlung auf die Tochtergesellschaft .............................. 175 2. Zurechnung im Konzern ............................................................................. 177 a) Tathandlungen des § 22 Abs. I WHG als Anknüpfungspunkt... ............ 178 aa) Dauernder unmittelbarer oder mittelbarer Anschluß an ein Gewässer ............................................................................................... 178 bb) Entledigung gewisser Stoffe ............................................................ 179 cc) Zufälliges Einleiten .......................................................................... 179 b) Unterlassen als Handlung LS.d. § 22 Abs. I WHG ................................ 180

11.

§32Abs.IGenTG ......................................................................................... 181

Drittes Kapitel

Sekundäre Umweltgefährdungshaftung A. Eingliederung .................................. ........................................................................ 183 B. Vertragskonzern ...................................................................................................... 183 C. Faktischer Konzern ................................................................................................. 184

I.

Faktischer Aktienkonzern §§ 311 ff. AktG ..................................................... 185 I. Veranlassung ............................................................................................... 185 2. Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte .............................................................. 186 a) Erhaltung und Wartung von Anlagen ..................................................... 186 b) Auslagerung, Umstellung und Aufnahme von Arbeiten mit einer umweltgefährdenden Anlage ....................................................................... 187 c) Handlungshaftung .................................................................................. 187

14

Inhaltsverzeichnis d) Ausgliederung, Abspaltung, Neugründung und Erwerb ........................ 187 e) Ergebnis .................................................................................................. 188 3. Nachteil ....................................................................................................... 188 a) Beeinträchtigung der Verrnögens- oder Ertragslage durch Betreiben einer Anlage ........................................................................................... 188 b) Beurteilungsmaßstab .............................................................................. 191 c) Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage aufgrund einer Risikoerhöhung durch Nichtbeachtung der einschlägigen technischen Regeln .................................................................................................... 193 d) Sorgfaltswidrigkeit bei Nichtbeachtung der einschlägigen technischen Regeln .................................................................................................... 193 e) Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage und Sorgfaltswidrigkeit bei der Handlungshaftung ..................................................... 194 f) Quantifizierbarkeit des Nachteils ............................................................ 195

aa) Kein Nachteil i. S.d. § 311 AktG ...................................................... 195 bb)Nachteil i.S.d. § 311 AktG ............................................................... 196 (I) Ausgleich durch indirekte Vorteile ............................................ 196 (2) Direkter Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. I AktG ....... 196 (3) Kurze Stellungnahme und Ergebnis ........................................... 197 4. Rechte des Ersatzberechtigten .................................................................... 197 5. Beweislast ................................................................................................... 197 6. Ergebnis ...................................................................................................... 198 H.

Faktischer GmbH-Konzern ............................................................................. 198 I. Treuepflicht innerhalb der abhängigen Gesellschaft ................................... 199 a) Verletzung der Treuepflicht im umwelthaftungsrechtlichen Bereich ..... 200 b) Verschulden der Gesellschafter. ............................................................. 201 c) Ergebnis .................................................................................................. 20 I d) Rechte der abhängigen Gesellschaft und des Schadensersatzgläubigers ............................................................................................... 201 e) Beweislast. .............................................................................................. 202 2. Besonderheiten bei der Einmann-GmbH .................................................... 202 a) Keine Möglichkeit der Treuepflichtverletzung ...................................... 202 b) Eigeninteresse der Gesellschaft .............................................................. 203 c) Diskussion .............................................................................................. 203

Inhaltsverzeichnis

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d) Ergebnis ................................................................................................. 205 e) Kein Bestehen eines anderweitigen Bestandsschutzinteresses in der abhängigen GmbH .................................................. ............................... 205 f) Bestandsschutzinteresse in der abhängigen GmbH ................................. 205

g) Ergebnis ................................................................................................. 207 D. Qualifiziert faktischer Konzern ............................................................................... 207 I.

Begründung eines qualifiziert faktischen Konzerns durch Maßnahmen im umwelthaftungsrechtlichen Bereich ................................................................ 207 1. Maßnahmen, die den Betrieb der Anlage betreffen ............. .................. ..... 208

2. Einhaltung der technischen Regeln ............................................................. 209 11. Ergebnis ............................................................................................................. 210 Viertes Kapitel Zusammenfassung

Zusammenfassung ............................................................................................... ......... 212

Literaturverzeichnis .................................... ..... ... ............................................ ........... 216

Sachwortregister ........................................................................................................ 228

Erstes Kapitel

Einführung und Grundlagen A. Einführung in die Thematik Während der Schwerpunkt der umweltrechtlichen Diskussion ursprünglich im öffentlichen Recht lag, hat zu Beginn dieses Jahrzehnts eine Verlagerung auf das Zivilrecht stattgefunden. Die spektakulären internationalen Störfälle, wie z.B. Seveso, Sandoz und Bhopal, haben gezeigt, daß Umweltkatastrophen nicht nur ökologische, sondern auch individuelle Schäden an Leben und Gesundheit sowie Sachschäden hervorrufen. Dieser Umstand entfachte in Deutschland eine politische Diskussion über eine Neugestaltung des Umwelthaftungsrechtes. Um gesetzliche Lücken in diesem Bereich zu schließen, wurden die bereits bestehenden Regelungen durch das Umwelthaftungs- und das Gentechnikgesetz ergänzt. Dadurch wird ein weitgehender gesetzlicher Ausgleich von Schäden, die durch UmweItbelastungen verursacht werden, gewährleistet. Die umwelthaftungsrechtliche Verantwortlichkeit trifft vor allem die Industrie, die einer der Hauptverursacher von durch UmweItbelastung entstehenden Schäden ise. Die Verpflichtung zur Übernahme des Haftungsrisikos trifft sie als Kehrseite von erlaubten gefährlichen Produktionen, da diese mit einem Restrisiko behaftet sind, das sich letztlich oft in unvermeidbaren wie vermeidbaren Unfällen verwirklicht 2. Der Großteil der industriellen Fertigung liegt heute in den Händen von Großkonzernen. Diese sind selbst keine Rechtssubjekte, sondern nur die einzelnen Konzerngesellschaften sind rechtlich selbständig3. Es gilt das Tren-

1 Als weitere Hauptverursacher kommen private Haushalte und der Kfz-Verkehr in Betracht. Siehe zur prozentualen Verteilung auf die Verursacher bei Luftverschmutzungen Wagner, S. 25. 2 Vgl. GerIach, S. 13; Engelhardt, S. 27. 3 Vgl. statt vieler Lutter, FS Stimpel, S. 825,827 ff.; ders., ZGR 1987,324,334; Bork, ZGR 1994, 243 mit vielen weiteren Hinweisen. Die Gegenansicht, nach der der Konzern selbst eigenständiges Rechtssubjekt ist (Isay, S. 96 ff), hat sich nicht durchsetzen können. Auch dem Vorschlag, dem Konzern wenigstens Teilrechtsfähigkeit zuzugestehen, kann nicht gefolgt werden. Dazu Bork, ZGR 1994,243 ff

2 ÜSsenbühl

18

Erstes Kapitel: Einfülmmg und Grundlagen

nungsprinzip4, d.h. rechtsfähig und verantwortlich ist der einzelne Unternehmensträger (z.B. die einzelne Aktiengesellschaft, GmbH). Der Konzern selbst ist weder Haftungssubjekt noch tauglicher Adressat von umweltrechtlichen Maßnahmen. Die Haftung der einzelnen Konzerngesellschaften ist, soweit sie in der Form der juristischen Personen organisiert sind, auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt. Rechtstatsächlich kann damit im Konzern stark vereinfacht folgendes Phänomen auftreten: Einerseits hat die schadenverursachende Gesellschaft die unternehmerische Entscheidung, deren Folgen den Schaden mitverursacht hat, nicht selbst getroffen. Andererseits ist die fiir die unternehmerische Entscheidung verantwortliche Muttergesellschaft nicht ohne weiteres fiir den entstandenen Schaden haftbar zu machen. Dieser Mechanismus könnte bei einer Konzernstruktur durchaus beabsichtigt sein. Rechtlich wirft er die folgenden Fragen auf: - Wie sind die Haftungsrisiken des Umweltrechts innerhalb des Konzerns verteilt? - Haftet die Konzernspitze auch für umwelthaftungsrechtliche Schäden, für die eine ihrer Tochtergesellschaften zur Verantwortung gezogen wird oder kann die Konzernspitze, z.B. durch Gründung oder Ausgliederung von Tochtergesellschaften, die das haftungsträchtige operative Geschäft übernehmen, ihre Haftung vermindern oder ausschließen? Für die betriebswirtschaftliehe Bewertung im Einzelfall wird die Beantwortung dieser Fragen fiir die Beurteilung von Bedeutung sein, ob gegebenenfalls bestehende Umwelthaftungsrisiken die betriebswirtschaftlichen Vorteile, die eine Konzernstruktur bietet, überwiegen können. Es ist abzuwägen, ob die durch Synergieeffekte möglichen Ertragssteigerungen, ein möglicherweise bestehendes Umwelthaftungsrisiko und daraus entstehende Kosten aufwiegen können. Dabei handelt es sich um nicht geringfügige Beträge. Das finanzielle Volumen von Umweltschäden in der Bundesrepublik ist enorm. Im Jahr 1992 betrugen sie z.B. kumuliert 203 Mrd. DM und machten damit 6,8% des Bruttosozialproduktes aus. Wenn das Schadensersatzrisiko zu groß würde, könnte eine Konzernbildung ihren betriebswirtschaftlieh angestrebten Zweck nicht mehr erfüllen. Das könnte im schlimmsten Fall dazu fiihren, daß Konzernstrukturen fiir Unternehmen, die umweltbelastend produzieren, nicht mehr zu empfehlen sind.

4 Vgl. statt vieler LutterlHommelhoff, § 13 GmbHG Rein. 9; Rechtsprechungsübersicht bei Schulte, WM 1979, Sonderbeilage l.

A Einfiihrung in die Thematik

19

Solche Überlegungen sind nur dann anzustellen, wenn die Obergesellschaft für Umwelthaftungsschäden, die durch eine ihrer Tochtergesellschaften verursacht worden sind, haftet. Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob sich durch Konzernbildung die Haftung segmentieren läßt oder ob Haftungsrisiken einer Konzernbildung eher entgegenstehen'. Dieses Problem soll im ersten Abschnitt der Arbeit aus dem Blickwinkel des Umweltrechts betrachtet werden, im zweiten Abschnitt aus Sicht des Konzemrechts.

, Diese Überlegungen wurden schon von Westermann, ZHR 155 (1991), 223 ff., K. Schmidt, UTR Band 26 (1993), S. 69 ff. und U. H. Schneider, ZGR 1996, 225 ff. für die Umwelthaftung; von Hommelhoff, ZIP 1990, 761 ff. und Oehler, ZIP 1990, 1445 ff. für die Produkthaftung angestellt. Mangels bisher bekanntgewordener praktischer Anwendungsfälle ist die Diskussion wieder abgeebbt. Die Frage hat jedoch nach wie vor nicht ihre Brisanz verloren; siehejiingst z.B. BGH DB 1997, 1971. 2*

Erstes Kapitel: Einfiihnmg und Grundlagen

20

B. Begriff der Umweltgefährdungshaftung I. Begriff der Umwelthaftung Die Umwelthaftung ist ein Teilbereich des Umweltrechtes. Dieses wiederum regelt sehr komplexe Sachverhalte. Es läßt sich nicht einer der klassischen Rechtsdisziplinen Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht zuordnen, sondern es Ulnfaßt vielmehr Normen aus allen diesen Rechtsgebieten 6• Der Begriff der "Umwelthaftung" selbst ist noch kein terminus technicus. Eine Beschäftigung mit diesem Rechtsgebiet setzt daher zunächst eine Begriffsbestimmung voraus. Als Umwelthaftung könnte nur die im "neuen" Umwelthaftungsgesetz geregelte Haftung verstanden werden 7• Ursprünglich War es das Ziel der Bundesregierung, durch das Umwelthaftungsgesetz ein in sich geschlossenes Haftungssystem für die Umwelthaftung zu schaffen 8• Unter Aufgabe dieser Zielvorgabe umfaßt das neue Umwelthaftungsgesetz jedoch nur die privatrechtliche Haftung für bestimmte genehmigungsbedürftige Anlagen in einer speziellen und differenzierten gesetzlichen Regelung9 • Die Haftung nach anderen Bestimmungen bleibt nach § 18 Abs. 1 UmweltHG unberührt. Eine zivilrechtliche Haftung für Schäden, die durch umweltrelevante Verhaltensweisen hervorgerufen worden sind, gab es schon vor Inkrafttreten des Umwelthaftungsgesetzes. Da das Umwelthaftungsgesetz nur eine zusätzliche Haftungsgrundlage schafft, hat diese über das Umwelthaftungsgesetz hinausgehende Haftung nicht an Relevanz verloren lO . Der Begriff der Umwelthaftung beschränkt sich daher nicht auf die im Umwelthaftungsgesetz geregelte Haftung. Ebenso wäre eine Beschränkung des Begriffes der Umwelthaftung auf typische Umweltschäden bzw. ökologische Schäden zu eng. Typischer Umweltschaden ist der sogenannte ökologische Schaden. Das ist der Schaden, den das Schutzgut Umwelt erleidet, d.h. jede erhebliche und nachteilige Beeinträchtigung des Naturhaushaltes oder seiner Teile 11 . Da am Naturhaushalt oder Öko-

Vgl. statt vieler Hoppe/Beckmann, S. 26; Salzwedel, S. 9. So Kloepfer, Jura 1993, 590. 8 Siehe Hager, JZ 1990,397; Ganten/Lemke, UPR 1989, l. 9 Balensiefen, S. 38. 10 Das UmweltHG erfaßt nur Fälle von Personen- und Sachschäden. Es beschränkt sich auf den Betrieb bestimmter enumerativ aufgefiihrter Anlagen. Ersatzansprüche wegen immaterieller Schäden können nach wie vor nur nach allgemeinem Zivilrecht verlangt werden. Das WHG sieht als einzige Umwelthafhmgsnorm den Ersatz reiner Vermögensschäden vor. Siehe statt vieler Salje, § 18 UmweltHG Rdn. 4. 11 So auch Ganten/Lemke, UPR 1989, 2; dies ist die sogenannte weite Defmition des "ökologischen Schadens". Eine verbindliche Defmition des Begriffs des 6

7

B. Begriff der UmweltgefährdWlgshafumg

21

system als Zusammenspiel aller Umweltgüter keine subjektiven Rechte bestehen, ist der Naturhaushalt kein Gegenstand des Zivilrechtes 12 . Ein Ausgleich dieser Schäden ist nahezu unmöglich, weil es an einem Anspruchsgegner fehlt. Die Umwelthaftung war und ist deshalb darauf gerichtet, die durch Umweltbeeinträchtigungen entstehenden Personen- oder Sachschäden auszugleichen 13 . Das Umwelthaftungsgesetz schließt sich insoweit den bisher bestehenden umwelthaftungsrechtlichen Normen an. Es werden nur Personen bzw. Sachschäden ersetzt. Eine Ausnahme bildet lediglich § 16 UmweltHG, der einen begrenzten Ersatz ökologischer Schäden regelt. Er gibt einen Anspruch auf Herstellung in Natur bei Sachschäden, die zugleich Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft darstellen 14 . Der Ersatzumfang wird bei einem nach dem Umwelthaftungsgesetz ersatzfähigen Personen- oder Sachschaden auf die gleichzeitig entstandenen ökologischen Schäden erweitere~. Da der ökologische Schaden nicht allein, sondern nur im Zusammenhang mit einem Personen- oder Sachschaden ersatzfähig ist, liegt darin kein Systembruch 16 . Teilweise wird der Begriff der zivilrechtlichen Umwelthaftung auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche ausgedehnt17 . Insoweit kommen Ansprüche aus § 906 Abs. 1 BGB und § 1004 BGB in Betracht. Diese sollen jedoch "ökologischen Schadens" existiert bisher nicht; größtenteils wird jedoch die weite AuffassWlg vertreten: Lytras, S. 31, 183 ff. Wld auch Schulte, JZ 1988, 278, 284 f; Ders., S. 22 ff.; Kaelner, S. 34; Erichsen, S. 25; einen eher engen Begriff "des ökologischen Schadens" vertritt Seibt, S. 27. 12 Lytras, S. 184 ff.; Hager, NJW 1986, 1961; Nawrath, S. 69 f; Diederichsen, Refererat zum 56. DIT, S. L50; Kaelner, Ersatz ökologischer Schäden; Seibt, Zivilrechtlicher Ausgleich ökologischer Schäden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Beeinträchtigoog des Naturhaushaltes auch gleichzeitig einen Personen- oder Sachschaden implizieren kann. So kann z.B. der Eigentümer eines Waldgnmdstückes, welches durch Waldsterben beeinträchtigt wird, dadurch einen Schaden an seinem Eigentum haben. Diese ÜberschneidWlgen sind allerdings nur nach der weiten Defmition des "ökologischen Schadens" möglich, da eine enge Defmition nur die überhaupt nicht individualrechtlich zugeorelneten Naturgüter umfaßt. 13 Lytras, S. 184 ff.; Hager, NJW 1986, 1961; Nawrath, S. 69 f 14 Allerdings auch wiederum nur bei Zugnmdelegen der verbreiteten weiten Definition der Umwelthaftung. l' Salje, § 16 Rein. 1; z.B. die WiederherstellWlg eines zerstörten Biotops, werm dieses sich auf einem Privatgrundstück befmdet. Der Schaden des Eigentümers liegt unter anderem auch in der Zerstörung des Biotops. Eine Erweiterung des Schadensbegriffes liegt insofern vor, als die Unverhältnismäßigkeit der Wiederherstellung in Natur sich nicht allein nach dem wirtschaftlichen Wert der beeinträchtigten Sache bestimmt; siehe auch LandmannIRohmerlRehbinder, § 16 UmweltHG Rein. 2. 16 Kaelner zeigt in seiner Abhandlung Möglichkeiten einer Haftungsausdehnung auf ökologische Schäden auf. 17 Balensiefen, S. 27, 107 ff.

Erstes Kapitel: Einfiihrung und Grundlagen

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nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. Unter Umwelthaftung ist hier vielmehr die gesamte zivilrechtliche Ersatzhaftung für Schäden, die durch eine Umwelteinwirkung oder Umweltbeeinträchtigung entstehen, zu verstehen. Es handelt sich wie bereits dargestellt nicht um ein eigenständiges dogmatisch strukturiertes Gebiees. Die maßgeblichen Anspruchsnormen finden sich in den verschiedensten Regelungsbereichen. Auch öffentlich-rechtliche Gesetze (BlmSchG, WHG) regeln detailliert die zivilrechtliche Haftung für Umweltbeeinträchtigungen.

n. Ausrichtung der zivilrechtlichen Umwelthaftung im System des Umweltschutzes Das Umwelthaftungsrecht leistet zwar nur einen Ausgleich für eine Verletzung von geschützten Rechtsgütern. Als Teilbereich des Umweltrechtes trägt es aber auch zum Umweltschutz mit bei. Das Umweltrecht ist darauf gerichtet, dem Menschen eine Umwelt zu sichern, die es ihm ermöglicht, ein gesundes Leben und ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Die Umweltgüter Boden, Wasser und Luft sowie die Pflanzen- und Tierwelt sollen vor nachteiligen Eingriffen durch Menschen geschützt werden. Bereits eingetretene Schäden oder Nachteile aus Umwelteingriffen sollen weitestgehend beseitigt werden 19. Die Verwirklichung des Umweltschutzes wird auf der Basis von drei tragenden Grundsätzen angestrebt: das Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip20. Diese Prinzipien sind inzwischen zumindest gegenüber staatlichen Stellen zu unmittelbar geltendem Bundesrecht geworden, während sie früher keine Bindungswirkung beinhalteten21 . Inwieweit sich daraus greifbare Konsequenzen für Gesetzgebung und Rechtsprechung ableiten lassen, ist fraglich. Sie besitzen aber nach wie vor eine erhebliche politische Bedeutung und Bindungskraft22 .

So auch Marburger, ACP 192 (1992), 16. Das sind die Zielvorgaben des Umweltprogramms der BWldesregierung von 1971, vgl. BT-Dr. 6/2710, S. 6. Da es sich beim Umweltrecht um eine sehr heterogene RegelWlgsmaterie handelt, lassen sich die dem Umweltrecht zugrunde liegenden Zwecke nur auf einen sehr allgemeinen gemeinsamen Nenner bringen. 20 Vgl. statt vieler Kloepfer, § 4, S. 163. Neben dieser fundamentalen Prinzipientrias werden noch weitere umweltpolitische Prinzipien genannt, die allerdings nur gebietsspezifische Bedeutung haben Wld daher für die vorliegende Thematik keine Bedeutung haben. 21 Siehe zu dieser Rechtsentwicklung Klopfer § 4 Rdn. 4, Rdn. 2 Wld 3, S. 163 ff. Art. 34 EinigWlgsV, Art. l30r EGY. 22 Vgl. hierzu auch Kloepfer, § 4 Rdn. 3; Breuer, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), S.440. 11 19

B. Begriff der UmweltgefährdWlgshaftWlg

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Das Umwelthaftungsrecht zielt hauptsächlich darauf ab, die Beseitigung von Schäden aus Umwelteingriffen zu gewährleisten. Damit entspricht es dem Verursacherprinzip, welches besagt, daß der Verursacher grundsätzlich die sachliche und finanzielle Verantwortung für den Umweltschutz trägt. Dieser kann er durch Vermeidung, Beseitigung oder finanziellen Ausgleich der Umweltbelastung gerecht werden23 . Unmittelbare Schadensersatz- und Haftungspflichten begründet das Verursacherprinzip selbst nichf4 . Ebenso trifft das Verursacherprinzip keine Aussage darüber, wer im Einzelfall als Verursacher eines Umweltschadens anzusehen ist. Es besagt nur, daß nicht das gesamt-gesellschaftliche System mit den Kosten der Beseitigung von Umweltbelastungen und dadurch entstandenen Schäden belastet werden soll. Neben dem Hersteller könnte danach auch der Verbraucher eines Produktes, bei dessen Herstellung Umweltbelastungen auftreten, als Verursacher angesehen werden. Diese Entscheidung überläßt das Verursacherprinzip der konkreten legislativen Ausgestaltung. Der Gesetzgeber hat das Schadens- und Haftungsrecht als Instrument zur Verwirklichung des Verursacherprinzips schon frühzeitig herangezogen 2~. Er hat sich dabei letztlich für eine unternehmensbezogene Umweltgefahrdungshaftung entschieden26 . Dies hat unterschiedliche Gründe. Einer dieser Gründe ist die Tatsache, daß der Aufwand, den Hersteller zur Kostenerstattung für Umweltschäden heranzuziehen, wesentlich geringer ist, als alle Endabnehmer der Produkte zu belasten. Es ist auch sinnvoller, denjenigen zum Schadensausgleich heranzuziehen, der der Verursachung des Schadens am nächsten steht. Die Hersteller wiederum können über die Preisgestaltung die Kosten für eine umweltschonende Produktion an den Verbraucher weitergeben. Durch das Umwelthaftungsrecht wird auch das Vorsorgeprinzip verwirklicht. Danach sollen Umweltgefahren und -schäden so weit wie möglich ver-

23 Vgl. Kloepfer, § 4 Rdn. 29, S. 177; Rehbinder, S. 36. Entgegen früher weit verbreiteter AuffassWlg ist das Verursacheiprinzip kein reines KostenzurechnWlgsprinzip, sondern legt auch die materielle VerantwortWlg für die VermeidWlg, VermindefWlg Wld Beseitigtmg von Umweltbelasttmgen fest; hierzu z.B. Meßerschmidt, S. 87; Ritter, NVwZ 1987, 934; Bullinger, in: BullingerlRincke/Oberhauser/Schmidt, S. 69, 71 f; zuletzt Sendler, JuS 1983,255 ff. 24 Vgl. KloepferlMeßerschmidt, S. 75; Rehbinder, Verursacheiprinzip, S. 161. 2~ So bereits Rehbinder, Verursacheiprinzip, S. 161 ff.; Hoppe/Beckmann, JuS 1989,430; Voigt, WiuVw 1983, 151. 26 Dem Verursacheiprinzip kann letztendlich, da es eine Kausalhafttmg fordert, nur durch eine Mehrtmg gesetzlich angeordneter GefiihrdWlgshaftung RechnWlg getragen werden, siehe Deutsch n, S. 420.

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Erstes Kapitel: Einfiihnmg und Grundlagen

mieden werden27 . Es soll der Verwirklichung einer präventiven Umweltpolitik dienen. Der Gedanke der Prävention läßt sich auch im Haftungsrecht wiederfinden. Vor allem die Verschuldenshaftung hat eine präventive Wirkung. Mit der Zuweisung des Haftungsrisikos an den Unternehmer ist der Anreiz verbunden, möglichst alle Vorkehrungen zu treffen, um Schadensfälle zu verhüten. Die Kosten für die Schadensbeseitigung können immens hoch sein. Die Verhütung von Schadensfällen führt dazu, daß diese Kosten gar nicht oder nur in geringem Maß anfallen. In der Umwelthaftung wird die Verschuldenshaftung immer mehr von der Gefährdungshaftung abgelöse 8 . Da letztere auch bei Zufallsschäden greift, ist streitig, ob ihr Präventivwirkung zugemessen werden kann. Dagegen29 wird eingewandt, daß die Präventivwirkung nur im Zusammenhang mit der vorwertbaren Schadensverursachung bestehe. Nur derjenige, dem ein alternatives sorgfältiges Verhalten möglich sei, sei zur Schadensvermeidung in der Lage. Die Gefährdungshaftung biete aber keine Handlungsalternative, sondern knüpfe ohne Unterschiede an jedes auch noch so sorgfältige Handeln an. Eine Schadensvermeidung sei somit gar nicht möglich. Es wird verkannt, daß zu jeder Handlung die Alternative das Unterlassen dieser Handlung ist. Gerade bei umweltgefährdenden Produktionen sollte der Produzent immer wieder gezwungen sein, zu überprüfen, ob nicht eine weniger gefährliche Produktionsmöglichkeit besteht. Solche Prüfungen wird er dann vornehmen, wenn er dem Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Für ihn ist unerheblich, ob dieses Haftungsrisiko aus verschuldensabhängiger oder verschuldensunabhängiger Haftung resultiert. Da die Gefährdungshaftung ein höheres Haftungsrisiko als die Verschuldenshaftung birgt, führt sie damit sogar eher zu einer sorgfältigeren Suche nach Möglichkeiten, weniger umweltgefährdend zu produzieren. Eine weniger umweltgefährdende Produktion führt immer automatisch zu weniger Schäden aus dieser Produktion und wirkt damit präventiy30. Der präventive Effekt könnte nur durch Übertragung des Haftungsri27 Vgl. statt vieler Kloepfer, § 4 Rdn. 5, S. 166; Breuer, in: Sclunidt-Aßmann (Hrsg.), S. 440 f.; Hoppe, WDStRL 38 (1980), S. 2ll ff, 228 ff; Deutsch II, S. 14 n.w.N. 28 Alle neueren Haftungstatbestände sind Gefährdungshaftungstatbestände, siehe §§ 1 UmweltHG, 32 GenTG, aber auch § 22 WHG; Salje, Ein!. Rdn. 10. 29 Weyers, S. 446 ff Zum Meinungsstand ganz ausführlich: Wagner, VersR 1991, 249,250 Fn. 9-14. 30 Vg!. Salje, § 1,3 UmweltHG Rdn. 6 ff; Vetter, in: Prävention im Umweltrecht, S. 135; die Gesetzesbegriindung zum Umwelthaftungsrecht geht davon aus, daß dadurch, daß der Geschädigte ein Verschulden nicht nachweisen muß, das Haftungsrisiko für den Anlageninhaber steigt und dieser deshalb in höherem Maße schadensvermeidende Maßnalunen treffen wird. Es wird damit sogar von einer besonders hohen PräventivwirklUlg ausgegangen (DE I AB I f.; RegE AB 14).

B. Begriff der Umweltgefahrdungshaftung

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sikos von den Produzenten auf einen Versicherer abgeschwächt werden. Die Versicherungen versichern jedoch nicht jedes Risiko vorbehaltlos, sondern gestalten ihre Prämien risikoadäquat und vereinbaren Selbstbehalte, da gerade im Bereich der Umweltschäden die Ausgleichszahlungen ruinöse Höhen erreichen können. Für den Unternehmer besteht damit ein Anreiz, möglichst umweltschonend zu produzieren3l • Das Umwelthaftungsrecht, unabhängig davon, ob es als Verschuldens- oder als Gefährdungshaftung ausgestaltet ist, erzielt zumindest mittelbar einen präventiven Effekt32 . Zusammenfassend ist festzustellen, daß das Umwelthaftungsrecht ein Teilbereich des Umweltrechtes ist. Indem die Kosten einer Umweltbelastung möglichst umfassend ihrem Verursacher zugeordnet werden, soll dem Geschädigten ein gerechter Ausgleich für die ihm zugefügten Schäden gesichert werden. Des weiteren hat es auch eine präventive Wirkung, die dem Umweltschutz dient. Der Gesetzgeber sieht die Industrie als Verursacher an und hat sich damit für eine unternehmensbezogene Haftung entschieden. Dies klärt aber nicht, welches Unternehmen innerhalb eines Konzerns als Verursacher anzusehen und damit den Haftungsfolgen ausgesetzt ist.

ID. Begriff der Umweltgef3hrdungshaftung Im Umwelthaftungsrecht steht die Haftung ohne Verschulden im Vordergrund. Wegen der unüberschaubaren Risiken im Umwelthaftungsbereich und zum Schutz der Geschädigten geht die Entwicklung immer mehr zu einer verschuldensunabhängigen Haftung. Zum größten Teil handelt es sich um Gefährdungshaftungstatbestände. Die verschuldensunabhängige Haftung umfaßt aber nicht nur Tatbestände der Gefährdungshaftung, sondern auch andere verschuldensunabhängige Tatbestände. Hervorzuheben ist der Anspruch aus

3l Vgl. auch auch die ganz herrschende Meinung, die davon ausgeht, daß durch Haftpflichtversicherungen die Präventionswirkung zwar abgeschwächt, aber nicht völlig beseitigt wird. Koziol, S. 143; Rehbinder, NuR 1989, 151; a.A. Salzwedel, UTR Band 9, S. 162, der meint, daß etwaige Beitragsrückerstattungssysteme nicht ausreichen würden, um Anreizwirkungen in nennenswertem Umfang wiederherzustellen. Dabei ist zu bedenken, daß Risiken ab einer gewissen Höhe gar nicht mehr versicherbar sind. 32 So die ganz herrschende Meinung: Deutsch I, S. 71 f; MiinchKommlMertens, Vorb. § 823 BGB Rdn. 44; Assmann, in: Prävention im Umweltrecht, S. 155 f; Koziol, S. 143; Hager, NJW 1986, 1970; ausführlich zur Steuerungswirkung des Haftungsrechtes Wagner, S. 39; a.A. Esser, Gefiihrdungshaftung.

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Erstes Kapitel: Einfiihnmg und Grundlagen

§ 14 S. 2 BlmSchG, welcher teilweise als "Quasigefährdungshaftung"33 bezeichnet wird34 .

Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die verschuldensunabhängige Haftung, die im weiteren als Umweltgefährdungshaftung bezeichnet wird. Die Haftungsvoraussetzungen der Umweltgefährdungshaftung sind dreistufig aufgebaut. Zentrale Haftungsvoraussetzung ist zunächst das Bestehen einer Gefahrenlage. Diese Gefahr muß sich als zweite Voraussetzung in einer Umwelteinwirkung oder in der Verursachung einer Umweltbeeinträchtigung, d.h. einer negativen Veränderung der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit von Wasser, Boden oder Luft realisieren 3'. Eine Umweltbeeinträchtigung liegt auch dann vor, wenn die natürlichen Bestandteile der natürlichen Umwelt nur als Transportmedien auftreten, wie z.B. bei Lärm, Vibrationen oder Metallstaubimmissionen36 . Diese Umweltbeeinträchtigung bzw. Umwelteinwirkung muß als dritte Haftungsvoraussetzung zu einem Indivi dual schaden führen 37 . Wie bereits dargelegt, sind die naturwissenschaftlich feststellbaren Veränderungen der Umwelt für das Zivilrecht nur insofern relevant, als sie eine Verletzung von geschützten Rechtsgütern zur Folge haben 31 .

33 Vgl auch Salje, Ein!. Rdn. 10, der allerdings das Recht der Störungsabwehr noch als dritte Ebenemiteinbezieht; dies wurde jedoch mangels Haftung im eigentlichen Sinn bereits ausgeschieden. Zur weiteren Erklärung der Bezeichnung von § 14 S. 2 BImSchG als "Quasigefährdungshaftung" siehe auch unten 2. Kap. A.ll.l.a). 34 Neben diesen beiden Ebenen besteht auch im Bereich der Umwelthaftung in seltenen Fällen die Möglichkeit einer vertraglichen Haftung, vg!. hierzu Salje, § 18 UmweltHG Rdn. 46. Diese wird dabei jedoch meistens neben die bestehende deliktische oder Gefährdungshaftung treten. Sie soll nicht mit untersucht werden, da in Fällen der vertraglichen Haftung das Trennungsprinzip gilt, d.h., daß wenn die Tochtergesellschaft den Vertrag abgeschlossen hat, diese auch primär aus dem Vertrag haftet und ein Anspruch gegen die Mutter zunächst nur nach konzernrechtlichen Regeln zustande kommen kann. Es besteht zwar noch die Möglichkeit der Haftung aus c.i.c., wegen Liquiditätszusagen oder Patronatserklärungen, siehe Lutter, Holding-Handbuch, F 19 ff, S. 234 ff Dies wärejedoch keine umweltspezifische Haftung. 3' Siehe dazu KloepferlMeßerschmidt, S. 36, wo allerdings die Umweltbeeinträchtigung in den einzelnen Umweltgesetzen je nach Schutzgut anders defmiert wird; Balensiefen, S. I; Thomas, UTR Band 24 (1991), S. 89; Töpfer, VW 1988,466; Ganten/Lemke, UPR 1989,2. 36 Wie hier § 3 UmweltHG; Wagner, S. 19; Engelhardt, S. 8; Schmidt-Salzer, § 3 UmweltHG Rdn. 6; a.A. Nickel, VW 1987, 1236, allerdings vor Verabschiedung des Umwelthaftungsgesetzes. 37 So auch Balensiefen, S. 24; Lytras, S. 31. 31 Lytras, S. l.

B. Begriff der Umweltgefahrdungshafhmg

27

IV. Umweltgefährdungshaftung und konzernrechtliche Strukturen Bei Unternehmen, die nicht in einen Konzern eingebunden sind, ist unproblematisch festzustellen, wer für das Bestehen einer Gefahrenlage verantwortlich ist. Die haftungsbegriindenden Eigenschaften können dem einzelnen Unternehmen ohne Schwierigkeiten zugeordnet werden. Wenn man den Konzern als rechtliche Einheit ansehen würde, könnte diesem, statt den einzelnen Konzerngliedern die Haftung fiir Umweltschäden zugerechnet werden. Es entspricht aber heute der ganz herrschenden Meinung, daß der Konzern keine Rechtssubjekteigenschaft besitze. Die §§ 15 ff. AktG setzen die Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften voraus. Deshalb kann nicht der Konzern selbst, sondern es können nur die einzelnen Konzernglieder haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Im Unternehmensverbund, der sich durch die verschiedensten rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen auszeichnet, ist die Frage nach dem Schädiger nicht so einfach zu beantworten40 . Bei der Führung von Unternehmensverbindungen stehen häufig nicht die Interessen des einzelnen Unternehmens, sondern die der Unternehmensgruppe im Vordergrund. Das kann zu Interessenkonflikten führen. Dabei besteht die Gefahr, daß der bei einer selbständigen Gesellschaft vorhandene Gleichlauf der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter dadurch gestört wird, daß ein Gesellschafter noch anderweitige unternehmerische Interessen verfolgt und diese durch seine Einwirkungsmöglichkeiten bei der abhängigen Gesellschaft zur Geltung bringt41 . Diese Problematik ergibt sich auch bei der Umweltgefahrdungshaftung in Unternehmensverbindungen. Fraglich ist, was passiert, wenn die unternehmerischen Entscheidungen in einer ande39 Dies ist überhaupt "überall auf der Welt so der Fall", wie Lutter, in Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, Rdn. F 3 bemerkt; siehe vor allem mit umfangreichen Literatumachweisen Bork, ZGR 1994, 243 Fn. 23. Die von Isay, Das Recht am Unternehmen, begründete Gegenansicht, die den Konzern trotz der Verschiedenheit der beteiligten Rechtssubjekte als einheitliches zusammengesetztes Unternehmen ansieht, an dem ein einheitliches subjektives Recht besteht, hat sich nicht durchsetzen können. Auch die Idee Teubners, ZGR 1991, 189, 203, dem Konzern als "polykorporativen Netzwerk" zumindest eine Teilrechtsfahigkeit zuzugestehen, hat bisher vor allem auch aufgrund praktischer Probleme keine weiteren Anhänger emden können. Und der Versuch der Subjektivierung des Konzerns als bürgerlich-rechtlicher Innengesellschaft, wie Harms, S. 174, sie vornimmt, muß zwangsläufig an dem für den Konzern typischen Über- und Unterordnungsverhältnis scheitern. Siehe zu letzterem Bälz, FS Raiser, S. 287,323 ff.; Lutter, FS Stirnpel, S. 825, 829 und mit ausführlicher Begründung Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 77 ff. 40 So auch schon Fabry, S. 95; K. Schmidt, UTR Band 26 (1993), S. 81. 41 Std. Rspr. seit BGHZ 69, 334, 337; vg!. zuletzt BGHZ 122, 123; ausführ!. Lirnmer, S. 5-7.

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Erstes Kapitel: Einfiihrung Wld Gnmdlagen

ren Gesellschaft getroffen werden als in der, die umweltgefahrdend produziert. Hier kann die Verfolgung anderweitiger Interessen dazu führen, daß die abhängige Gesellschaft größere Haftungsrisiken eingeht als eine unabhängige Gesellschaft eingehen würde. Es kann der umweltgefahrdend produzierenden abhängigen Gesellschaft aber auch Haftungsmasse entzogen werden. Es besteht daher ein nachvollziehbares Interesse des Geschädigten, die Einbindung des Schädigers in einen Konzern mitzuberücksichtigen, wenn der Schadensausgleich die Finanzkraft der schädigenden Gesellschaft übersteigt. Haftungsrechtlich ist die Verantwortung für einen Schaden immer zuzurechnen. Sie ist entweder demjenigen zuzurechnen, der die schadensverursachende Handlung vorgenommen hat oder im Falle der Gefahrdungshaftung demjenigen, der die schadensverursachende Situation zu verantworten hat. Im Konzern kann diese Zurechnung nicht nur die abhängige Gesellschaft treffen, die dem Schaden dadurch, daß sie auf den ersten Blick die gefahrliehe Situation zu verantworten hat, vermeintlich am nächsten steht. Es ist vielmehr weiter zu untersuchen, ob die Gefahrensituation und damit der Schaden nicht der hinter ihr stehenden beherrschenden Gesellschaft zuzurechnen ist. Grundfall ist also immer folgender: Eine abhängige Tochtergesellschaft produziert umweltgefahrdend. Diese Gefahren realisieren sich in einem Umwelthaftungsschaden. Kann die hinter der Tochter stehende Muttergesellschaft überhaupt oder unter welchen Umständen kann sie zum Schadensausgleich herangezogen werden? Wobei diese Frage für den Geschädigten besondere Brisanz dann gewinnt, wenn die Tochtergesellschaft zahlungsunfahig ist. Die Tochtergesellschaft kann durch Unternehmenskauf bzw. anderweitigen Anteilserwerb Konzerngesellschaft geworden sein. Sie kann ebenso für die umweltgefahrdende Produktion gegründet worden sein. Auf eine bereits bestehende Tochtergesellschaft kann eine gefahrliehe Produktion übertragen werden. Die Wege, die zu einer Konzernierung bzw. zur Bündelung von gefahrliehen Produktionen in abhängigen Gesellschaften führen können, sind vielfaltig. Für die Beurteilung der haftungsrechtlichen Situation geht es letztlich um ein Verhalten, welches den Schaden ausgelöst bzw. zum Bestehen der gefahrlichen Situation führt. Daher ist vor allem die Art und Weise der Einflußnahme auf die abhängige Gesellschaft und nicht der Weg der Konzernbildung für die Haftung ausschlaggebend. Es ist also zu untersuchen, wie und wie intensiv auf die Tochtergesellschaft Einfluß genommen wird. Um festzustellen, ob und wie die beherrschende Gesellschaft das haftungsauslösende Geschehen beeinflußt hat, bietet sich zum einen eine Untersuchung der Mittel an, mit denen auf die Tochtergesellschaft Einfluß genommen worden ist. Zum anderen sind die Bereiche des Unternehmens der Tochtergesellschaft, auf die Einfluß genommen worden ist, zu untersuchen.

B. Begriff der Umweltgefährd\Ulgshafhmg

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Unterschiede können sich auch im Hinblick auf die verschiedenen Konzernstrukturen ergeben. Im Vertragskonzern kann der Einfluß auf die Tochtergesellschaft anders durchgesetzt werden als im faktischen Konzern. Insofern kann wieder eine Rolle spielen, ob der Konzern allein durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung zustande gekommen ist oder ob ein entsprechender Unternehmensvertrag abgeschlossen worden ist. Es sind die verschiedensten Szenarien denkbar. Sie gehen von einer dezentral geführten Vertriebs-Tochtergesellschaft bis hin zu einer Produktionstochtergesellschaft, die wie eine unselbständige Betriebsabteilung geleitet wird. Dazwischen sind alle Abstufungen möglich. Es ist daher zu untersuchen, welche Einflußnahmen und welche Konzernstrukturen dazu führen können, daß auch die Obergesellschaft für einen Umwelthaftungsschaden zur Verantwortung gezogen werden kann.

v. Primäre und sekundäre Umweltgefährdungshaftung Die Umweltgefahrdungshaftung innerhalb des Konzerns läßt sich in zwei Haftungsebenen aufteilen: Zum einen die primäre (unmittelbare Haftung) der Konzernspitze für Umweltschäden, zum anderen die gesellschaftsrechtliche Haftung der Konzernspitze für Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaften, die aus der Verursachung von Umweltschäden entstehen können. Im Rahmen der primären Umweltgefährdungshaftung ist zu untersuchen, ob und unter welchen Umständen die Konzernspitze aufgrund ihrer Einflußnahme selbst Haftungssubjekt nach Umwelthaftungsrecht ist. Auch wenn auf den ersten Blick die haftungsbegründenden Tatbestände bei einer Tochtergesellschaft verwirklicht werden, kann die Obergesellschaft zusätzlich die Voraussetzungen der jeweiligen umwelthaftungsrechtlichen Norm erfiillen 42 . In einem zweiten Schritt ist dann die Frage zu klären, ob sich aus gesellschaftsrechtlicher Sicht eine Haftung der Konzernspitze ergeben kann. Diese Haftung würde im Gegensatz zur primären Haftung zunächst keinen direkten Anspruch des Geschädigten gegen die Obergesellschaft begründen, sondern über den Umweg der Tochtergesellschaft. Wenn bei dieser Verluste aufgrund von Schadensersatzverpflichtungen entstanden sind, hätte sie Ansprüche auf Verlust- bzw. Nachteilsausgleich. Im Zusammenhang damit ist zu untersu-

42 So auch schon Lutter, Holding-Handbuch, F 25, S. 258; Rehbinder, Konzemaußenrecht, S. 509. Zur Direkthaft\Ulg von Konzernobergesellschaften in den USA nach der Rechtsprech\Ulg zum Altlasten-Superfund siehe ausfiihrlich Ochsenfeld.

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Erstes Kapitel: Einfiihrung Wld Grundlagen

ehen, ob und welche unmittelbaren Ansprüche der Ersatzberechtigte daraus herleiten kann. Damit ist zwischen konzernspezifischen und konzernunabhängigen Haftungstatbeständen zu unterscheiden43 .

43 Diese UnterscheidWlg tri1R auch Fabry, Private Unternehmen als Umweltstörer, S. 97, fiir die Polizeipflichtigkeit im Konzern; so auch schon ähnlich Hommelhoff, ZIP 1990,762 fiir die Produkthafttmg im Konzern.

Zweites Kapitel

Primäre Umweltgefährdungshaftung A. Die Tatbestände der anlagen bezogenen Gefährdungsund "Quasigefährdungs"haftung Im Bereich der Umweltgefahrdungshaftung hat sich ein Modell durchgesetzt, bei dem überwiegend an die Gefahren, die sich aus dem Betrieb von Anlagen ergeben, angeknüpft wird!. Dies gilt nicht nur fiir die seit längerem bestehenden Bestimmungen des § 22 Abs. 2 WHG und der §§ 25 ff. AtG, sondern auch fiir die neueren im Bereich der Umwelthaftung verabschiedeten Gesetze (UmweltHG und GenTG). Ebensowenig setzt § 14 S. 2 BImSchG ein Verschulden voraus. Nach § 3 BImSchG trifft die Haftung den Betreiber der Anlage, die die Imissionen verursacht. Auch damit wird die Haftung an das Betreiben einer Anlage angeknüpft. Der Vollständigkeit halber ist auch § 2 HaftpflG zu nennen. Die Gemeinsamkeit dieser Haftungstatbestände liegt darin, daß der Inhaber bzw. Betreiber der Anlage das Haftungssubjekt ist. Da der Konzern oder die Unternehmensgruppe selbst nicht Rechtssubjekt ist, kann sie auch kein Anlagenbetreiber und damit kein Haftungssubjekt sein. Haftungssubjekte sind die einzelnen Konzernglieder. Im Untemehmensverbund muß die Eigenschaft des Anlageninhabers oder -betreibers daher einer bestimmten Gesellschaft zugewiesen werden, da Anlageninhaber bzw. -betreiber stets das Unternehmen selbst ist. Konkret stellt sich hier die Frage, ob die Obergesellschaft Betreiber oder Inhaber einer Anlage sein kann, die sich im Besitz oder im Eigentum einer abhängigen Tochtergesellschaft befindet. Auf der Suche nach einer Antwort werden zunächst im einzelnen die Haftungstatbestände vorgestellt, welche sich an den Inhaber bzw. Betreiber richten. Da sich einige Haftungstatbestände an den Inhaber und andere an den Betreiber richten, ist in diesem Zusammenhang auch die Frage der synonymen

! Vgl. Rehbinder, NuR 1989, 149, 154 ff.; Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 227; Hager, NJW 1991, 134 ff.; Diederichsen, UTR Band 5 (1988), S. 189 ff. Wobei allerdings sowohl von Westermann, ZHR 155 (1991), 223 ff. als auch von Salje, § 18 UmweltHG Rdn. 31 übersehen wird, daß § 22 Abs. I WHG nicht mit dem Betreiben einer Anlage verknüpft ist, sondern nur auf ein Gewässer gerichtete Handlungen betrifft.

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshaftung

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Auslegung der beiden Begriffe zu klären. Daran anschließend wird die Inhaber- oder Betreibereigenschaft innerhalb des Konzerns erörtert.

J. Der Begriff des Anlageninhabers Bestandsaufnahme der geltenden Regelungen 1. Wasserhaushaltsgesetz

§ 22 Abs. 2 WHG sieht eine Gefährdungshaftung für schädliche Veränderungen der Beschaffenheit des Wassers durch Stoffe, die durch eine Anlage ins Wasser gelangt sind, vor. Der Inhaber wird wegen der typischen Gefährlichkeit der Anlage, welche die Schadstoffe emittiert, zur Verantwortung gezogen2 .

Unter den Anlagenbegriff des Wasserhaushaltgesetzes fallen ortsfeste Anlagen sowie Betriebsstätten und Lager, ferner ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Nebeneinrichtungen3 . Eine Anlage gern. § 22 Abs. 2 WHG muß dazu bestimmt sein, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten. Eine Definition des Inhaberbegriffs gibt es im Wasserhaushaltsgesetz nicht. Auch die Gesetzesbegründung zum Wasserhaushaltsgesetz klärt über die BegrifIswahl und die inhaltliche Ausgestaltung nicht auf. Der Begriff des Inhabers wird in der Gesetzesbegründung nicht weiter erwähnt. In den Vorläufern dieser Regelung, § 24 Abs.l PrWG (1913) und Art.37 Abs.5 BayWG (1907) haftete der Unternehmer für die Verunreinigung des Wassers. Es lassen sich auch keine Erläuterungen des Begriffes des "Unternehmers" finden, insofern können von dort keine Definitionsanregungen übernommen werden. Die Rechtsprechung hat dagegen mehrfach eine Definition des Inhaberbegriffs nach § 22 Abs. 2 WHG vornehmen müssen. Den Begriff des Inhabers gern. § 22 Abs. 2 WHG hat der BGH unter Verweis auf die Rechtsprechung zum Halterbegriff definiert: "Als Inhaber i.S.d. Bestimmung ist - ähnlich wie der Halter im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes und des Luftverkehrsgesetzes sowie der Betriebsunternehmer im Sinne des Reichshaftpflichtgesetzes - detjenige anzusehen, der die Anlage für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt."4 Er stellt

BGH ZfW 1977,44; Schroeder, ZfW 1975, 156. Jarass, § 3 BImSchG Rdn. 50 ff.; siehe zu den einzelnen Beispielsfällen aus der Rechtsprechung Czychowski, § 22 WHG Rdn. 43 ff.; Oehmen, Rdn. 329. 4 BGHZ 80, 1, 4. 2

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A. Anlagenbezogene Gefahrdungs- und "Quasigeflihrdungs"haftung

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darauf ab, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage besitzt und auf ihren Betrieb Einfluß nimmt5. Nach einer anderen Entscheidung ist derjenige Inhaber der Anlage, in dessen Namen und für dessen Rechnung die Anlage betrieben wird. Das ist der, der nach außen hin als der Verantwortliche für die Anlage auftritt6 . Der Inhaber muß die Verfügungsgewalt besitzen, die der Gebrauch der Anlage voraussetzt7• Insgesamt läßt sich den Entscheidungen entnehmen, daß die tatsächliche und wirtschaftliche Sachherrschaft über die Anlage maßgeblich für die Inhabereigenschaft istB• Diese Kriterien sind der Rechtsprechung zum Halterbegriff des StVG und des alten RHG entnommen und es wird ausdrücklich darauf verwiesen, daß der Inhaberbegriff wie der des Halters bzw. des Betriebsunternehmers zu definieren sei9 • Die Literatur hat diese Definition inzwischen weitgehend übernommen lO . Da sich den Gesetzesmaterialien zum Wasserhaushaltsgesetz nichts zum Inhaberbegriff entnehmen läßt, zieht sie zur Auslegung des Inhaberbegriffs § 2 Abs. 1 HaftpflG heran. Das wird damit begründet, daß auch hier Haftungssubjekt der Inhaber ist und der Inhaberbegriff des alten RHG ( jetzigen HaftpflG) als Vorbild für § 22 Abs. 2 WHG diente l1 . Insoweit decken sich Rechtsprechung und Literatur. Gleichermaßen ziehen beide dieselben außerhalb des WHG liegenden Normen zur Definition des Inhaberbegriffes heran. Sogar durch Befehle oder Weisungen kann tatsächlich Einfluß genommen werden. Der BGH hat in einem Fall, in dem es um einen Anspruch aus § 22 Abs. 1 WHG ging, entschieden, daß die tatbestandsmäßige Handlung des Einbringens auch durch Weisung erfolgen kann. Er begründete dies damit, daß die Herrschaft über den Vorgang des Einbringens auch eine geistige, durch Befehle, Anweisungen und dergleichen ausgeübte sein kann 12. Des weiteren könnten die tatsächlichen Verhältnisse durch rechtliche Beziehungen be-

Vgl. z.B. BGHZ 80, 4; OLG Frankfurt ZfW 1987, 196. Vgl. BVerwG ZfW 1988, 350. 7 OLG Köln ZfW 1990,357,358. B Vgl. BVerwG ZfW 1988, 348, 349. 9 Vgl. BGHZ 80, 1,4; siehe dazu auch Schmidt, S. 16. 10 Vgl. Czychowski, § 22 WHG Rdn. 50; Diederichsen/Scholz, Sp. 747; MitteImeier, VersR 1974, 728; Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 41; Staudinger/ Kohler, § 22 WHG Rdn. 66; zur Entwickhmg in der Literatur siehe auch Schmidt, S.17. 11 Vgl. HeB, S. 131. 12 Vgl. BGHZ ZfW 1977,43. 5 6

3 Ossenbühl

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einflußt werden. Die tatsächliche Möglichkeit, etwas zu gebieten oder zu untersagen, hänge vielfach von einer entsprechenden rechtlichen Befugnis ab13 . Diese Überlegung läßt sich auf § 22 Abs. 2 WHG übertragen. Die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage kann durch rechtliche Beziehungen beeinflußt werden. Wer demjenigen, der die tatsächliche Herrschaftsmacht über eine Anlage innehat, Weisungen erteilt, und von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, der muß unter Umständen auch die daraus resultierenden haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der "Inhaber" der Anlage verpflichtet ist, diese Weisungen zu befolgen. Die Nähe zum Geschehen, auf die bei § 22 Abs. 2 WHG abgestellt wird, wird durch das Ausüben der Befehlsgewalt bzw. des Weisungsrechts hergestelle4 . Hingegen soll allein das Bestehen einer Weisungsbefugnis für die Inhaberschaft noch nicht ausreichen. Die Literatur1' beruft sich zur Begründung dieser These auf eine Entscheidung des BGH, in der es um Gewässerverschmutzungen ging, die bei der Löschung von Öl entstanden waren l6 . Eine nähere Erörterung, ob Weisungsbefugnisse für die Inhabereigenschaft ausreichen können, wird für alle umwelthaftungsrechtlichen Tatbestände insgesamt weiter unten unter B. VII.l.d) vorgenommen. Des weiteren gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, daß das Eigentum an der Anlage zwar ein Indiz für die Inhabereigenschaft ist, jedoch nicht zwingend mit dieser verknüpft ist17 . Der Eigentümer ist nicht zwangsläufig auch der Inhaber i.S.d. § 22 Abs. 2 WHG. Die Eigenschaft des Inhabers erfordert immer eine tatsächliche Verbindung zur Anlage. Aus dem Eigentum folgen sowohl rechtliche als auch tatsächliche Herrschaftsmacht. Eigentümer ist aber auch derjenige, der nur die rechtliche Herrschaftsmacht besitzt. Diese reicht für sich genommen aber nicht, um jemanden als Inhaber zu qualifizieren. Er muß auch die tatsächliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht innehaben. Daraus folgt, daß bei Miet- und Pachtverhältnissen in der Regel der Mieter oder der Pächter als Inhaber der Anlage nach § 22 WHG anzusehen sind. Wenn der Eigentümer neben dem Mieter oder Pächter Einfluß auf die Anlage hat, kann er aber neben diesem als Mitinhaber gesamtschuldnerisch

BGHZfW 1977,41,43. So auch Czychowski, § 22 WHG Rdn. 50 i.Y.m. 6a a.E. I' Czychowski, § 22 WHG Rdn. 51. 16 Siehe BGHZ 76, 35, 39. 17 Vgl. BGH ZfW 1986,305; OLG München NJW 1973,2073; LG Hamburg MDR 1967,128; OLG München, BB 1973, 1282; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 51; Huber, VersR 1962,310. 13

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A. Anlagenbezogene GefährdWlgs- Wld "QuasigefährdWlgs"haftWlg

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haftenu. Daraus folgt, daß die Sachherrschaft von mehreren Inhabern gleichzeitig ausgeübt werden kann 19 . Damit ist zusammenfassend festzustellen, daß nach Literatur und Rechtsprechung ausschlaggebend für die Inhabereigenschaft die tatsächliche und wirtschaftliche Sachherrschaft ist, wobei dem Eigentum nur eine Indizwirkung zukommt. Bei der Beurteilung, ob jemand die tatsächliche Sachherrschaft besitzt, sind auch die rechtlichen Beziehungen mit zu berücksichtigen.

2. Umwelthaftungsgesetz Auch nach § 1 UmweltHG ist Haftungssubjekt der Anlageninhaber. Der Inhaber einer Anlage i.S.d. Gesetzes haftet für Personen- oder Sachschäden, die durch eine Umwelteinwirkung dieser Anlage entstehen. Der Tatbestand zählt damit zu den Tatbeständen der Anlagengefahrdungshaftung. Der Anlagenbegriff wird in § 3 UmweltHG definiert. Anlagen sind danach ortsfeste Einrichtungen wie z.B. Betriebsstätten und Lager. Es werden auch Nebeneinrichtungen (§ 3 Abs. 3 UmweltHG) und ortsveränderliche technische Einrichtungen (§ 3 Abs. 3a) UmweltHG) miteinbezogen. Konkretisiert wird der Anlagenbegriff durch den Anhang 1 zu § 1 UmweltHG. Der Anlagenbegriff des UmweltHG lehnt sich an Anlagenbegriff des Bundesimmissionschutzgesetzes an. Er ist mit diesem jedoch nicht völlig identisch. Neben den genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne der §§ 4 ff. BlmSchG i. Y.m. der 4. BlmSchVO werden auch Anlagen nach dem Abfallgesetz sowie kerntechnische Anlagen miteinbezogen2o • Der Inhaberbegriff wird weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung definiert. In der Gesetzesbegründung wurde § 1 UmweltHG zwar mit anderen Gefahrdungshaftungstatbeständen wie § I Abs.l HaftpflG, § 2 Abs.l Satz 1 HaftpflG, § 7 StVG, § 33 LuftVG verglichen21 . Dieser Vergleich bezieht sich

18 Siehe hierzu insbesondere LG Hamburg MDR 1967, 128 Wld OLG Frankfurt ZfW 1987, 197; Heß, S. 194, der GesamthaftWlgsfreistellWlg des Eigentümers fiir nicht richtig hält Wld bei der VerpachtWlg Eigentümer Wld Pächter der Anlage nebeneinander haften lassen möchte. 19 VgL BGHZ 80, 1,4; VersR 1981, 458; OLG SchleswigVersR 1979, 999, 1001. 20 VgL hierzu Salje, §§ 1, 3 UmweltHG Rdn. 30; LandmannIRohmerlRehbinder, § 3 UmweltHG Rdn. 30. Siehe zur KommentiefWlg der weiteren HaftWlgsvoraussetZ1111gen Wld des Anlagenbegriffes neben den bereits Genannten: SchmidtlSalzer, Kommentar zum UmwelthaftWlgsrecht, 1992; Landsberg/Lülling, UmwelthaftWlgsrecht, 1991. 21 VgL BT-Drucks. 1117104, S.16.

3'

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aber nicht auf die Definition des Inhaberbegriffs22 . Stattdessen bezieht er sich darauf, daß bei allen aufgelisteten Tatbeständen die Verletzung derselben Rechtsgüter wie bei § 823 Abs. 1 BGB vorausgesetzt wird23 . Daraus läßt sich jedoch nichts herleiten, was die Inhaberdefinition erleichtern könnte. Es existiert bisher auch keine Rechtsprechung zum Inhaberbegriff des Umwelthaftungsgesetzes. Die Literatur greift daher auf die Definitionen der Rechtsprechung zu § 22 Abs. 2 WHG, § 25 AtomG und § 2 Abs. 1 HaftpflG zurüc~4. Inhaber ist danach derjenige, der die Anlage auf eigene Rechnung benutzt bzw. in Gebrauch hat, die hierfür erforderliche Verfügungsgewalt besitzt und die Kosten für den Unterhalt aufbringt. Die wirtschaftliche Beherrschungsmöglichkeit muß eigenverantwortlich ausgestaltet sein, z.B. indem die Anlage auf eigene Rechnung betrieben wird. Es wird vorwiegend auf die oben2j bereits näher ausgeführten Urteile zum Wasserhaushaltsgesetz verwiesen. Daraus folgt, daß die Definition des Inhaberbegriffs des Umwelthaftungsgesetzes in der Literatur mit der Definition des Inhaberbegriffs des Wasserhaushaltsgesetzes identisch ist.

3. Haftpflichtgesetz

Auch § 2 HaftpflichtG ist ein anlagenbezogener Gefahrdungshaftungstatbestand, da er die Haftung an die bloße Inhaberschaft einer Anlage knüpft26 . Diese Norm ist zwar nicht direkt umweltbezogen, hat aber insoweit umweltschützenden Charakter, als die Verursachung eines Schadens über die Einwirkung auf die Umwelt erfolgt. Es wird für Strornleitungs- und Rohrleitungsanlagen für Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten und Anlagen zur Abgabe dieser Energien oder Stoffe gehaftee 7•

22 Daher ist nicht nachvollziehbar, daß Bigalke, S. 69, der Gesetzesbegriindung entnehmen will, daß sich die Passivlegitimation aus den zitierten Gesetzen ableiten ließe. 23 Vgl. BT-Drucks. 1117104, S. 16 unten: "Wie andere Gefahrdungshaftungstatbestände [..... ] setzt die Hafhmg nach dem Vorbild von § 823 Abs. 1 BGB die Verletzung bestimmter Rechtsgüter voraus." 24 Salje, § 1,3 UmweltHG Rdn. 16 ff.; Schmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 309; LandsbergILülling, § 1 UmweltHG Rdn. 58 ff.; LandmannIRohmerfRehbinder, § I UmweltHG Rdn. 48 ff.; StaudingerlKohler, § 1 UmweltHG Rdn. 82; Paschke, § 1 UmweltHG Rdn. 74; siehe auch Schmidt, S. 18 und Oehmen, Rdn. 218. 2j Siehe oben A.I.I. 26 Vgl. zu § 2 HaftpflG: Filthaut, Haftpflichtgesetz, 4. Aufl., 1994. 27 Zur näheren Defmition des Anlagenbegriffes im Haftpflichtgesetz: Filthaut, § 2 HaftpflG Rdn. 4 ff.

A. Anlagenbezogene Gefährdungs- und "Quasigefährdungs"haftung

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Wie bei den anderen Anlagengefährdungshaftungstatbeständen wird auch hier der Begriff des Anlageninhabers im Gesetz nicht näher erläutert. Es lassen sich aber der amtlichen Begründung Anhaltspunkte entnehmen. Danach ist Inhaber detjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Betrieb der Anlage zusteht28 . Literatur und Rechtsprechung haben diese Definition übernommen und versucht, sie weiter zu konkretisieren29 . Tatsächliche Verfügungsgewalt hat detjenige, der "Herr der Gefahr" ist. Dieser muß die eigenverantwortliche und wirtschaftliche Herrschaft über die Anlage haben. Daraus wird gefolgert, daß er nach außen hin als der für die Anlage Verantwortliche auftreten und sie auf eigene Rechnung betreiben muß. Das Eigentum an der Anlage ist auch hier nur ein Indiz für die Inhabereigenschaft. Wird die Anlage einem anderen im Rahmen eines Miet- oder Pachtverhältnisses oder eines Betriebsführungsvertrages eigenverantwortlich überlassen, so wird grundsätzlich dieser der Inhabe~. Auch hier ist davon auszugehen, daß für den Fall, daß der Eigentümer weiterhin Einfluß auf die Anlage nimmt, letzterer mitverantwortlich ist. Der Inhaberbegriff im Haftpflichtgesetz ist nach der Definition durch Literatur und Rechtsprechung durch die tatsächliche und wirtschaftliche Sachherrschaft gekennzeichnet, wobei dem Eigentum nur Indizwirkung zukommt.

BI-Drucks., 8/108, 12 f. Vgl. LG Aachen VersR 1954, 311; LG Iübingen VersR 1958, 695 m. Anm. Böhmer, allerdings noch für § 1a RHG; Fi1thaut, § 2 HaftpflG Rdn. 43 ff 30 Vgl. OLG Ramm VersR 1991, 338. 28

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4. Atomgesetz Auch § 25 AtomG fügt sich in die Reihe der Anlagengefahrdungshaftungstatbestände mit umweltschützendem Charakter ein 31 . Nach dieser Regelung haftet der Inhaber einer Kemanlage in Verbindung mit dem Pariser Atom-Haftungsübereinkommen für Personen- und Sachschäden, die auf einem von der Kemanlage ausgehenden nuklearen Ereignis beruhen. Der Begriff des nuklearen Ereignisses, der auch in Art. 1 i.Vm. Art. 3 des Pariser Atomhaftungsübereinkommens verwendet wird, umfaßt alle Schäden, die von Kemmaterial, ausgehend durch den Kemspaltungsprozeß oder die Strahlung eines radioaktiven Stoffes, ausgelöst werden 32 . Der Schaden muß weder beim Betrieb der Anlage noch durch Unfall entstehen33. § 31 AtomG sieht für bewaffnete Konflikte sowie schwere Naturkatastrophen aUßergewöhnlicher Art Haftungshöchstgrenzen vor. Bei Schäden, die die Deckungsvorsorge der Inhaber übersteigen, folgt aus §§ 38, 34 AtomG ab 500 Mio. DM eine Freistellung des Inhabers sowie eine Ausfallhaftung, die den Bund in Höhe von DM 500 Mio. trifft. Wird auch dieser Betrag überschritten, haftet der Inhaber der Kemanlage für den Überschreitungsbetrag wieder voll. Als Inhaber gilt nach Art. 1 (a) (vi) des Pariser Atomhaftungsübereinkommens derjenige, der von der zuständigen nationalen Behörde als Inhaber bezeichnet oder angesehen wird (siehe auch § 2 Abs. 3 i.V.m. AnI. 1 Nr. 6 AtG). Um Probleme mit der Feststellung des Inhabers zu vermeiden, sieht § 17 Abs. 6 AtG, der durch das 3. Änderungsgesetz eingefügt wurde, vor, daß derjenige, dem Tätigkeiten genehmigt werden, die zum Betrieb einer Kemanlage berechtigen, im Genehmigungsbescheid ausdrücklich als Inhaber zu bezeichnen ist: Dies ist zwar eine Legaldefinition; da sie jedoch nur an das formale Kriterium der Genehmigung anknüpt, ist sie für das Ausfüllen des Begriffs des Inhabers mit materiellen Kriterien nicht brauchbar. Sie führt allerdings dazu, daß der Inhaber einer Kemanlage in der Praxis somit immer feststellbar ist. Deshalb wird die Frage nach der Definition des Inhabers von Literatur und Rechtsprechung nicht mehr weiter behandelt. Der Bundesrat geht in seiner Begründung davon aus, daß auch hier die tatsächliche Verfügungsbe-

31 Vgl. im einzelnen zu § 25 AtomG: Haedrich, AtomG, 1986 und Fischerhof, AtomG. 32 Fischerhof, § 25 AtomG Rdn. 2 und Vorbem. § 25 AtomG Rdn. 5 ff; Haedrich, § 25 AtomG Rdn. 4. 33 Zu der Defmition der Begriffe "Anlage" und "Unfall" siehe Haedrich, § 25 AtomG Rdn. 3 ff

A Anlagenbezogene GefahrdWlgs- Wld "QuasigefahrdWlgs"hafhmg

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fugnis über die Anlage ausschlaggebend ist. Daher ist der Begriff des Inhabers im Atomgesetz genauso auszulegen ist wie § la RHG (heute § 2 HaftpflGf' .

ll. Der Begriff des Betreibers Bestandsaufnahme der geltenden Regelungen Im Gentechnikgesetz und im Bundesimmissionsschutzgesetz ist der Betreiber einer Anlage das Haftungssubjekt.

1. Gentechnikgesetz

Nach § 32 Abs. 1 GenTG haftet der Betreiber für Personen- oder Sachschäden, die infolge von Eigenschaften eines Organismus, welche auf gentechnischen Arbeiten beruhen, entstehen. Maßgebliche Haftungskriterien sind die Eigenschaften eines Organismus sowie die durch gentechnische Arbeiten bewirkte Veränderung von Erbmaterial. Die Norm hat einen mittelbar umweltschützenden Charakter, da die Schadensverursachung auch durch Einwirkung der Eigenschaften des Organismus auf die Umwelt erfolgt. Es handelt sich auch hier um einen Gefahrdungshaftungstatbestand. Dieser enthält eine mittelbare Anlagen- und Handlungshaftung, nicht nur eine mittelbare Handlungshaftung, wie von einem Teil der Literatur angenommen wird3'. Das Vorliegen einer mittelbaren Anlagenhaftung, läßt sich wie folgt erklären: Haftungsbegründend wirken Organismuseigenschaften, sofern sie auf gentechnischen Arbeiten beruhen. Eine gentechnische Arbeit ist in § 3 Nr. 2 GenTG definiert. Gentechnische Arbeiten können wiederum in gentechnischen Anlagen gern. § 3 Nr. 4 GenTG stattfinden. Eine gentechnische Anlage ist danach eine Anlage, in der gentechnische Arbeiten i.S.d. Nr. 2 im geschlossenen System durchgeführt werden. Bei der Durchführung von gentechnischen Arbeiten im geschlossenen System liegt eine mittelbare Anlagenhaftung vor. Mittelbar ist diese, da es nicht ausreicht, daß sich die Gefahr, die sich aus dem Betrieb der Anlage ergibt, realisiert. Die Haftung setzt zusätzlich eine gentechnische Arbeit als Grundlage voraus, die sich in den Eigenschaften eines Organismus niedergeschlagen haben muß. Es wird für den Betrieb der

34 Vgl. BR-Drucks. 244/58, S. 26. Siehe auch Schindel, S. 22 Fn. 46, sowie Schmidt, S. 18. 3' So Deutsch, UTR Band 14 (1991), S. 118 und Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 32 GenTG Rdn. 11 Wld § 3 GenTG Rdn. 55 ff, die nm von einer mittelbaren Handlungshafhmg ausgehen. Siehe diese auch zu den weiteren VoraussetZWlgen und Kommentierungen des Hafhmgstatbestandes.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrdungshafhmg

Anlage nur dann gehaftet, wenn sich die spezifische Gefahr des in dieser erzeugten veränderten Organismus realisiert. Daneben enthält § 32 Abs. 1 GenTG noch eine mittelbare Handlungshaftung. Diese greift bei der Durchführung von gentechnischen Arbeiten außerhalb geschlossener Systeme und bei Freisetzen (§ 3 Nr. 7 GenTG) oder Inverkehr bringen (§ 3 Nr. 8 GenTG) gentechnischen Arbeiten 36 . Die gentechnische Arbeit im geschlossenen System und der Betrieb der Anlage knüpfen an den Betreiberbegriff an. Haftungssubjekt ist der Betreiber. Das ist derjenige, der eine gentechnische Arbeit in einer gentechnischen Anlage durchführt. Deshalb ist dieser Haftungstatbestand, obwohl es sich um einen Mischtatbestand handelt, in die Reihe der Tatbestände miteinzubeziehen, die die Haftung an die Betreibereigenschaft knüpfen. Eine Legaldefinition des Betreiberbegriffes findet sich in § 3 Nr. 9 GenTG. Danach ist "Betreiber eine juristische oder natürliche Person oder eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung, die unter ihrem Namen eine gentechnische Anlage errichtet oder betreibt, gentechnische Arbeiten oder Freisetzungen durchführt oder Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, erstmalig in Verkehr bringt, ... ". Diese Definition ist in Anlehnung an die Definition des pharmazeutischen Unternehmers nach § 4 AMG entwickelt worden37 • Sie hilft allerdings nicht weiter, da sie genauso unbestimmt ist wie der Begriff des Betreibers selbst. Von der Rechtsprechung ist diese Legaldefinition noch nicht mit Beispielen aus der Praxis gefüllt worden. Die Literatur sieht denjenigen als Betreiber an, der den bestimmenden Einfluß auf die Ausführung und den Betrieb eines gentechnischen Vorhabens ausübt. Das ist derjenige, der über das Ob und das Wie der gentechnischen Arbeit entscheidet. Betreiber ist, wer in eigenem Namen, auf eigene Rechnung sowie in eigener (weisungsfreier) Verantwortung die maßgeblichen Entscheidungen trifft und nach außen als der Verantwortliche auftrites. Diese Definition hat die Literatur der Rechtsprechung zum Inhaberbegriff entnommen39 .

36 Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 32 GenTG Rdn. 11 L anders Kochllbelgaufts, § 32 GenTG Rdn. 15, der nur die Durchführung von gentechnischen Arbeiten unter den Tatbestand faßt. 37 Vgl. BT-Drucks. 1115622, S. 24. 38 Vgl. Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 3 GenTG Rdn. 56. 39 Hier wird BGHZ 80, 1, 4 von Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 3 GenTG Rdn. 56, herangezogen.

A. Anlagenbezogene GefährdlUlgS- lUld "QuasigefährdlUlgs"haftlUlg

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Der Betreiber muß nicht Eigentümer des Grundstücks sein, auf dem die gentechnische Anlage betrieben wird. Vielmehr reicht eine Mieter- bzw. PächtersteIlung bzgl. des Grundstückes, Betriebes oder der gentechnischen Anlage aus40 . Die tatsächliche Verfiigungsgewalt kann wie beim Inhaberbegriff bei mehreren liegen. Wird ein Strohmann als angeblicher Betreiber vorgeschoben, ohne daß er bestimmenden Einfluß auf die maßgeblichen Entscheidungen nehmen könnte, ist der Hintermann Betreiber41 . Betreiber ist schließlich auch derjenige, der, ohne eine Anlage zu betreiben, in einer solchen selbständig und eigenverantwortlich gentechnische Arbeiten durchführt oder durchführen läßt42 .

2. Bundesimmissionsschutzgesetz § 14 S. 2 BlmschG ist strenggenommen kein Gefährdungshaftungstatbestand43 . Er ist genau wie § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nur ein Schutzrecht vor schädigenden Beeinträchtigungen vom Nachbargrundstück exklusiv für Grundstückseigentümer und -besitzer. Die Haftung 1st auf die Schädigung von Nachbargrundstücken einschießlich immobiliar vermittelter Schäden begrenzt. Sie ist aber verschuldensunabhängig. Dadurch handelt es sich um eine verkappte Form der Gefährdungshaftung44 . Zur Bestimmung der Passivlegitimation wird an den Betreiberbegriff angeknüpft.

§ 14 S. 1 BImSchG soll den Bestand genehmigter Anlagen gegenüber Ansprüchen aus allgemeinem Nachbar- oder Deliktsrecht wegen benachteiligender Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück sichern. Die ursprünglich bestehenden zivilrechtlichen Ansprüche werden durch § 14 S. 1 BImSchG eingeschränkt und umgewandelt4~. Statt des Abwehranspruchs erhält der Nachbar einen Anspruch auf Schutzvorkehrung. Wenn entsprechende Schutzvorkehrungen nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind, wandelt sich der Abwehranspruch in einen privatrechtlichen Schadensersatzanspruch um. Der Nachbar, der einen privatrechtlichen Abwehranspruch hat, den er wegen

40 Vgl. KochlIbelgaufts, § 3 GenTG Rdn. 44; HirschiSchmidt~Didczuhn, § 3 GenTG Rdn. 56. 41 Vgl. Jarass, S. 101; HirschiSchmidt-Didczuhn, § 3 GenTG Rdn. 56. 42 Vgl. Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 3 GenTG Rdn. 56 a.E., wobei hier der Unterschied zwn Betrieb der Anlage nicht klar erkennbar ist. 43 Siehe zu dieser dogmatischen EinordnlUlg auch lUlten A.ll.l.a). 44 Vgl. Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 7, der diese NachbarentschädigwtgsanspTÜehe auch als "QuasigefährdlUlgsanspTÜche" bezeichnet, Einl. Rdn. 10. 4~ Vgl. Jarass, § 14 BImSchG Rdn. 1; LandmannIRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 14 BImSchG Rdn. 1.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdWlgshaftung

§ 14 S. 1 BlmschG nicht durchsetzen kann, erhält statt dessen gern. § 14 S. 2 BlmSchG einen privatrechtlichen Schadensersatzanspruch46 . Beide Ansprüche, sowohl der Anspruch auf Schutzvorkehrungen als auch der Anspruch auf Schadensersatz, richten sich in erster Linie gegen den Anlagenbetreiber. Es kann auch ein Dritter, der nicht Anlagenbetreiber ist, verantwortlich sein, wenn er die nachteiligen Wirkungen veraniaßt hat und aufgrund seiner Herrschaft über das emittierende Grundstück die Beeinträchtigung abstellen kann47 . Rechtsprechung zum Betreiberbegriff des Bundesimmissionschutzgesetz existiert nicht. Auch die Gesetzesbegründung geht auf den Betreiberbegriff nicht näher ein. In der Literatur finden sich zahlreiche Ansätze einer Defintion des Betreiberbegriffs. Betreiber ist derjenige, der im Rechtsverkehr die Verantwortung für Beschaffenheit und Betrieb der Anlage übemimmt48 . Nach anderer Definition ist Betreiber diejenige natürliche und juristische Person, die den bestimmenden Einfluß auf den Anlagenbetrieb ausübt, die darüber entscheidet, ob und wie die Anlage betrieben wird49 • Hervorgehoben wird besonders, daß der Betreiber den Betrieb selbständig, d.h. im eigenen Namen, auf eigene Rechnung sowie in eigener Verantwortung führt. Liegen zwei dieser drei Kriterien vor, so läßt sich die Selbständigkeit in der Regel bejahen; ein besonderes Gewicht liegt allerdings auf dem Kriterium der eigenen Verantwortung'o. Eine weitere Ansicht legt großes Gewicht darauf, daß der Anlagenbetreiber die Anlage für eigene Rechnung nutzt und die Unterhaltungskosten der Anlage trägt'l. Der Begriff des Betreibers ist einer der Zentralbegriffe des Immissionsschutzrechts. Dem Betreiber obliegen eine Reihe von Pflichten, die den Betrieb der Anlage betreffen'2. Als Betreiber ist daher derjenige anzusehen, der rechtlich befugt und imstande ist, die Pflichten zu erfüllen, die das BundesImmissionsschutzgesetz und die auf seiner Grundlage erlassenen RechtsvorVgl. BGHZ 102,350,352; Jarass, § 14 BImSchG Rdn. 21. Vgl. BGHZ 102, 350, 352 f.; RGZ 155, 316, 319 es wird dort über § 906 Abs. 2 S. 2 BGB entschieden, da dieser Anspruch wie dargestellt durch § 14 S. 1 BImSchGersetzt wird, kann diese RechtsprechWlg auch hier AnwendWlg fmden; LandmannJRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 14 BImSchG Rdn. 63; a.A. Schmidt, S. 29, der nur auf den Betreiber abstellt. 41 Feldhaus, § 20 BImSchG Rdn. 28. 49 LandmannIRohmerlHansmann, Umweltrecht, § 52 BImSchG Rdn. 38; Jarass, § 3 BImSchG Rdn. 70. '0 Jarass, § 3 BImSchG Rdn. 70. '1 UlelLaubinger, § 51b BImSchG Rdn. C 2. '2 Z.B. § 5 BImSchG: VerpflichtWlg, die Anlage in einer bestimmten Art Wld Weise zu errichten Wld zu betreiben, § 16 BImSchG: MitteilWlgs- Wld Anzeigepflichten. 46 47

A. Anlagenbezogene GefahrdWlgs- Wld "QuasigefahrdWlgs"haftung

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schriften dem "Betreiber" auferlegen. Das ist zunächst derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage innehat~3. Auch dies ist nicht notwendigerweise der Eigentümer, da dieser durch Vertrag (z.B. Miete oder Pacht) seine tatsächliche Verfügungsgewalt übertragen kann54 . § 52 Abs. 2 S. 2 BlmSchG, der "Eigentümer" und "Betreiber" nebeneinander nennt, bestätigt diese Auslegung. Zusammenfassend ist festzustellen, daß Betreiber diejenige (natürliche oder juristische) Person ist, die die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage innehat und den Betrieb selbständig führt.

ill. Synonyme Definition von Inhaber- und Betreiberbegriff Die vorgenannten Tatbestände verbinden die Haftung mit den Inhaber- und Betreiberbegriff und verwenden entweder den Begriff des Betreibers oder den des Inhabers. Passivlegitimiert ist immer der Inhaber bzw. Betreiber. Für die Haftung innerhalb des Konzerns ist damit maßgeblich, welches Unternehmen als Betreiber bzw. Inhaber zu qualifizieren ist. Damit eine Zurechnung erfolgen kann, müssen die Definitions- und Zurechnungskriterien für diese Begriffe weiter konkretisiert werden. In diesem Zusammenhang, ist zunächst die Frage zu klären, ob die Kriterien für jeden Tatbestand der anlagenbezogenen Umwelthaftung neu definiert werden müssen oder ob eine einheitliche Definition des Betreiber- und Inhaberbegriffes vorgenommen werden kann.

1. Rechtsprechung und Literatur Die Begriffe des Inhabers und Betreibers werden in Rechtsprechung und Literatur einheitlich definiert~~. Maßgeblich für die Stellung des Inhabers bzw. des Betreibers ist die rechtliche und tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage. Dem Eigentum soll immer nur eine Indizwirkung zukommen. Für eine einheitliche Begriffsbestimmung könnte auf den ersten Blick sprechen, daß es sich in fast allen Fällen um eine anlagenbezogene Gefabrdungshaftung handelt. Die Kommentierungen der anlagenbezogenen Gefährdungs~3 Vgl. Ule/Laubinger, § 51b BlmSchG Rdn. C2; StaudingerlKohler, § 14 S. 2 BlmschG Rdn. 11. 54 Jarass, § 3 BlmSchG Rdn. 70; UlelLaubinger, § 51b BlmSchG Rdn. C2. ~~ Vgl. Czychowski, § 22 WHG Rdn. 50; LandsbergILülling, § 1 UmweltHG Rdn. 58; Filthaut, § 2 HaftpflG Rdn. 29; BHGZ 80, 1, 4 ff.; StaudingerlKohler, § 14 S. 2 BlmschG, der auf den lnhaberbegriff des UmwelthaftWlgsgesetzes verweist.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrdungshaftung

haftungstatbestände beziehen sich bei der Frage nach dem Ersatzverpflichteten regelmäßig aufeinander.

a) Besonderheiten bei § J4 S. 2 BJmSchG

Auch die Kommentierungen zum Betreiberbegriff in § 14 S. 2 BImSchG beziehen sich bei der Definition des Betreiberbegriffes teilweise auf die anlagenbezogenen Gefährdungshaftungstatbestände'6. Dabei handelt es sich bei § 14 S. 2 BImSchG nicht um eine Gefahrdungshaftung im eigentlichen Sinn, sondern nach der herrschenden Meinung in der Literatur um einen zivilrechtlichen Aufopferungsanspruch'7. Dieser ist jedoch genau wie die Gefahrdungshaftung von Rechtswidrigkeit und Verschulden unabhängig. Ersatz wird für den nicht durchsetzbaren Unterlassungsanspruch und den dadurch entstandenen Schaden gewährt's. Rechtsgrund der Haftung ist nicht das bloße Betreiben der gefahrlichen Anlage, sondern die Entziehung eines an sich bestehenden Unterlassungsanspruches. Es wird der Vorteil ausgeglichen, den der Emittent aufgrund des nicht bestehenden Unterlassungsanspruches hat. Da der Unterlassungsanspruch aber an die Störung durch die Anlage gekoppelt ist, wird damit wieder an die Gefahr angeknüpft, die von der Anlage ausgeht. Der Unterlassungsanspruch ist zwar kein Gefahrdungshaftungstatbestand, da er keinen Schadensersatzanspruch bietet. Dieser fehlende Schadensersatzanspruch wird aber durch § 14 S. 2 BImSchG hinzugefügt. Diese Überlegung rechtfertigt für sich gesehen noch nicht die Einordnung des Schadensersatzanspruches als Gefährdungshaftungstatbestand. Es ist aber auch zu berücksichtigen, daß Gefahrdungshaftung und Aufopferungshaftung eine gemeinsame Wurzel haben. Beide kompensieren Einschränkungen der Unrechtshaftung. Die Aufopferung gleicht die Einschränkung der Abwehrmöglichkeit aus. Die Gefahrdungshaftung hingegen gleicht die funktionale Einschränkung der Fahrlässigkeit durch die Zulassung von Gefahren aus'9.

'6 Siehe Z.B. mit der ausführlichsten Kommentienmg zum Betreiberbegriff UleILaubinger, § 51b BImSchG Rdn. CI. '7 LandmannIRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 14 BImSchG Rdn. 54; Jarass, § 14 Rdn. 7; UlelLaubinger, § 14 Rdn. B 3 (Vorschrift des privaten Nachbarrechts); a.A. offenbar Feldhaus, § 14 BImSchG Anm. 11, der von einer besonderen Art der Gefahrdungshaftung ausgeht, ohne diese Einordnung in irgendeiner Weise zu begründen; Hager, NJW 1986, 1965. " Gerlach, S. 222; Peine, NJW 1990,2445; Hager, NJW 1986, 1965. '9 Deutsch TI, S. 413,462; Hubmann, JZ 58, 489, 492 f; Horst, S. 51.

A. Anlagenbezogene Gefährdungs- und "Quasigefährdungs"haftung

45

Dies läßt eine Anwendung der Grundgedanken der Zurechnung der Gefahrdungshaftung zumindest im Einzelfall zu60 • Auch die Tatsache, daß der Anspruch aus § 14 S. 2 BImSchG grundstücksbezogen ist, zwingt nicht zu einer anderen Defintion des Betreiberbegriffes. Zurückführen lassen sich alle mit § 14 BImSchG verbundenen Ansprüche auf die immissionschutzrechtlichen Gefahren, die mit dem Betrieb von Anlagen verbunden sind. Der Haftungsgrund liegt damit wie in den anderen untersuchten Gesetzen genauso in der typischen Gefahrenlage, die sich aus dem Betrieb einer Anlage ergibt. Haftungssubjekt ist daher richtigerweise derjenige, der maßgeblichen Einfluß auf den Betrieb der Anlage hat61 . Es besteht dieselbe Interessenlage wie bei den anderen anlagenbezogenen Gefahrdungshaftungstatbeständen.

b) Besonderheiten des GenTG

Im GenTG wird der Betreiberbegriff nicht rein anlagenorientiert definiert, da die Haftung gern. § 32 Abs. 1 GenTG keine reine Anlagenhaftung ist 62 . Betreiber ist nicht nur derjenige, der eine gentechnische Anlage errichtet und betreibt, sondern auch derjenige, der gentechnische Arbeiten durchfuhrt, Freisetzungen vornimmt und Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen in Verkehr bringt (§ 3 Nr. 9 GenTG). HirschlSchmidt-Didczuhn definieren den Betreiberbegriff wie den Inhaberbegriff in den anderen umweltrechtlichen Gefährdungshaftungsnormen63 . Da es wie auch sonst um die Zurechnung der Gefahr geht, die von eine·r (gentechnischen) Anlage ausgeht, ist es sachgerecht, für den Betreiber einer gentechnischen Anlage in bezug auf die Person des Betreibers die gleichen haftungsrechtlichen Grundsätze gelten zu lassen.

60 So läßt sich vielleicht auch die besondere Art der Gefährdungshaftung erklären, die Feldbaus, § 14 Anrn. II meint; auch Salje, Einl. UmweltHG Rdn. 10 nennt die Ansprüche aus § 14 BImSchG Quasigefährdungshaftungsansprüche. 61 Jarass, § 3 BImSchG Rdn. 70. 62 Siehe oben A.lI.I. 63 Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 3 GenTG Rdn. 55, bezieht sich auch auf Urteile des BGH zum WHG; KochlIbelgaufts, § 5 GenTG Rdn. 244 und § 32 GenTG Rdn. 33 nimmt keine Definition im eigentlichen Sinne vor.

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

46

2. Anhaltspunkte für eine differenzierte Begriffsbestimmung Andererseits gibt es auch Anhaltspunkte dafür, daß es sich doch um zwei inhaltlich verschiedene Begriffe handeln könnte.

a) Wasserhaushaltsgesetz

Innerhalb des WHG werden der Begriff des Inhabers und der Begriff des Betreibers nebeneinander verwandt. Der Begriff des Inhabers findet sich in § 22 Abs. 2 WHG, der die zivilrechtliche Haftung des Anlageninhabers regelt. Dagegen verwendet § 19 i WHG, der sich auf öffentlich-rechtliche Pflichten bezieht, den Begriff des Anlagenbetreibers. Die Literatur nimmt zu diesem Widerspruch nicht oder nicht ausführlich Stellung. Czychowski ist der Auffassung, daß der Anlagenbetreiber "zumeist" auch der Anlageninhaber ist. Diese Auffassung wird jedoch nicht näher begründet und auch die Aussage "zumeist" definiert er nicht näher64 . Ebenso läßt die Gesetzesbegründung nicht erkennen, warum der Begriff des Betreibers und nicht der Begriff des Inhabers gewählt wurde. § 19 i WHG wurde später in das Gesetz eingefügt und bestimmt die öffentlich-rechtlichen Pflichten. § 22 WHG legt hingegen die zivilrechtliche Haftung fest. Diese Differenzierung zwingt aber nicht zu dem Schluß, daß der Betreiber- und der Inhaberbegriff in ihrer inhaltlichen Definition, d.h. also bei der Frage, wer nun Inhaber bzw. Betreiber ist, unterschiedlich zu beurteilen sind. Ein- und dieselbe Person bzw. ein- und dasselbe Unternehmen können öffentlichrechtliche Pflichten haben und zugleich zivilrechtlich haften. Dies wird auch durch das BImSchG bestätigt, das den Betreiberbegriff auch für die zivilrechtlichen Pflichten gewählt hat6~

b) Ab/al/gesetz

Desgleichen wird im Abfallgesetz sowohl der Begriff des Inhabers als auch der Begriff des Betreibers verwandt. Die doppelte Begriffsbestimmung findet sich sogar in derselben Vorschrift (§ 11 Abs. 4 AbfG). Von der Rechtsprechung wird daher diskutiert, ob eine Differenzierung zwischen dem Anlageninhaber und dem Anlagenbetreiber erforderlich und notwendig ist. Dies wird

64

Czychoswki, § 19i WHG Rdn. 4.

6~ Siehe oben A.II.2.

A. Anlagenbezogene GefährdWlgs- Wld "QuasigefährdWlgs"haftWlg

47

vom OVG Lüneburg und vom HessVGH bejaht66 • In beiden Fällen ging es um bestimmte Mitwirkungspflichten, die den Betreiber einer Abfallentsorgungsanlage gern. § 11 Abs. 4 Satz 5 AbfG treffen können. Es stellte sich in beiden Fällen die Frage, ob diese Pflichten auch den Inhabern von stillgelegten Abfallentsorgungsanlagen auferlegt werden können. Da das Abfallgesetz den Begriff des Inhabers nur im Zusammenhang mit stillgelegten Anlagen verwendet (§§ 10 und 11 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 und 5 AbfG), schließt die Rechtsprechung daraus, daß der Inhaber- und Betreiberbegriff insoweit unterschiedlich sind. Inhaber sei nur derjenige, der die Verfügungsmacht über eine stillgelegte Anlage besitze, während der Betreiber noch aktiv tätig sei 67 . Das OVG Lüneburg und der HessVGH vermischen die Definition des Inhaberbegriffs mit der Frage nach der PflichtensteIlung von Inhabern von stillgelegten Anlagen oder früheren Anlageninhabern. Sie schließen aus der Wahl des Begriffs "Inhaber" im Abfallgesetz darauf, daß dieser nicht die gleichen Pflichten wie der Betreiber habe. Worin sich die Pflichten unterscheiden sollen, wird nicht dargelegt. Eine Unterscheidung der beiden Begriffe ist allenfalls im Hinblick auf die zeitliche Komponente möglich. Selbst das ist aber nicht zwingend. Das zeigt schon § 5 Abs. I BImSchG, welcher dem Betreiber Pflichten auch schon während der Zeit der Anlagenerrichtung auferlegt61 . Zumindest lassen sich aus der Argumentation keine inhaltlichen Unterschiede für die haftungsrechtliche Seite ableiten. Es lassen sich aus der Begriffsbestimmung im Abfallgesetz auch keine Rückschlüsse auf die zivilrechtliche Haftung ziehen, da das Abfallgesetz eine zivilrechtliche Haftung nicht regelt. Es enthält nur Vorschriften, die sich mit den öffentlich-rechtlichen Pflichten des Anlageninhabers bzw. betreibers befassen.

c) Umwelthaftungsgesetz Widersprüche bei der Verwendung des Betreiber- und Inhaberbegriffes zeigen sich auch innerhalb des Umwelthaftungsgesetzes. Nach § I UmweltHG haftet der Inhaber einer Anlage. Im Gegensatz dazu wird in Anhang I zum UmweltHG, der die gefährlichen Anlagen nach § 1 UmweltHG auflistet, der Begriff des Betreibers benutzt.

66 67

68

OVG LiineburgNVwZ 1991,496; Hess VHG ZfW 1990,469. OVG Liineburg NVwZ 1991,498; Hess VGH ZfW 1990,471. Siehe auch Bigalke, S. 125.

Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdWlgshaftWlg

48

Dieser Widerspruch läßt sich durch einen Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte lösen. Ursprünglich war geplant, in § 1 UmweltHG den Begriff des Betreibers zu velWenden. Eine Änderung vom Inhaber- zum Betreiberbegriff war dann während der Gesetzgebungsphase vorgenommen worden, ohne daß hierfür eine Begründung angegeben wurde 69 • Salje geht davon aus, daß der Grund hierfür in § 2 UmweltHG liegt. Diese Vorschrift legt die Haftung für stillgelegte bzw. noch nicht in Betrieb genommene Anlagen fest. Es existiert danach auch eine Haftung für stillgelegte bzw. noch nicht in Betrieb genommene Anlagen. Bei einer Haftung für nicht betriebene Anlagen wäre der Begriff des Betreibers jedoch nicht zutreffend gewesen70 . Auch Rehbinder sieht den Unterschied zwischen Inhaber und Betreiber in der zeitlichen Komponente. Er ist der Ansicht, daß der Inhaberbegriff von seinen zeitlichen Grenzen her weiter reicht als der Betreiberbegriff. Er sieht aber auch einen qualitativen Unterscheid, den er jedoch nicht näher begründet. Aus diesem Grund will er keine synonyme Begriffsbestimmung vornehmen71 • Betreiber ist danach niemals derjenige, der eine stillgelegte Anlage innehat. Dies kann nur der Inhaber sein.

3. Diskussion und Zusammenfassung Der Inhaber- und Betreiberbegriff sind haftungsrechtlich inhaltsgleich zu definieren. Wenn überhaupt ein Unterschied zwischen beiden Begriffen besteht, dann nur im Hinblick auf die zeitlichen Grenzen der Haftung. Die zeitlichen Grenzen überschneiden sich in dem Zeitraum, in dem die Anlage noch in Betrieb ist. Der Inhaberbegriff reicht in einigen gesetzlichen Vorschriften zeitlich weiter, in dem er auch Schäden aus Anlagen miteinbezieht, die noch nicht oder nicht mehr in Betrieb sind. Das ändert die haftungsrechtliche Zuordnung jedoch nicht72 . Gegen die Ansicht Rehbinders, diesen Unterschied qualitativ zu sehen, spricht, daß das Umwelthaftungsgesetz für betriebene und stillgelegte Anlagen einen eigenen Haftungstatbestand geschaffen hat. Nach § 1 UmweItHG haftet der Inhaber genau wie der Betreiber nicht für stillgelegte und noch nicht betriebene Anlagen. Durch die Wahl des Begriffes des Inhabers sollte nur eine WeberlWeber, VersR 1990, 689 Fn. 13. Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 15. 71 LandmannIRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 1 UmweltHG Rdn. 48. 72 So auch im Ergebnis Bigalke, S. 129; K. Schmidt, UfR Band 26 (1993),68, 73; H. P. Westermann, ZHR 155 (1991),223, 233; Schneider, ZGR 1996, 225, 238 f, die alle, ohne weiter darauf einzugehen, den Betreiber- Wld Inhaberbegriff gleich verwenden. 69

70

A. Anlagenbezogene GefährdWlgs- Wld "QuasigefährdWlgs"hafumg

49

einheitliche Begriffsbestimmung innerhalb des Gesetzes vorgenommen werden. Die Wahl des Begriffes des Betreibers hätte wegen der ausdrücklichen Einbeziehung der stillgelegten Anlagen zu Auslegungsproblemen führen können. Dies würde auch erklären, warum die Änderung des Begriffes während des Gesetzgebungsverfahrens des UmweltHG weder kommentiert noch die Anlage zu § 1 UmweltHG entsprechend angepaßt wurde. Bei der Auslegung des Bundesimmissionschutzgesetzes besteht wegen der Wahl des Betreiberbegriffes Unklarheit darüber, wie dessen Pflichtenstellung bei stillgelegten Anlagen zu beurteilen ist. Das legt insgesamt den Schluß nahe, daß die Begriffe sich inhaltlich nicht unterscheiden. Es finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich die Wahl der jeweiligen Bezeichnung nach spezifischen verwaltungsrechtlichen oder technischen Gegebenheiten richtet. Die Unterscheidung zwischen technisch öffentlich-rechtlicher Seite und haftungsrechtlicher Seite, die Salje73 vornimmt, sagt nichts darüber aus, ob die beiden Begriffe sich inhaltlich an denselben Kriterien orientieren. Es ist auch nicht richtig, daß der Betreiberbegriff nur mit öffentlich-rechtlichen Pflichten in Verbindung gebracht werden kann. Sowohl nach dem BImschG als auch nach dem GenTG haften die Betreber zivilrechtlieh. Für die haftungsrechtliche Seite kann nur festgestellt werden, daß beide Begriffe sich von ihrer inhaltlichen Definition her nicht unterscheiden. Sowohl Rechtsprechung als auch Literatur verwenden für die Bestimmung sowohl des Inhaber als auch des Betreibers dieselben Kriterien 74 . Das erscheint auch logisch, da es sich in allen Fällen um eine anlagenbezogene Gefährdungshaftung bzw. Quasigefährdungshaftung handelt, bei der die Zurechnungskriterien für den Ersatzpflichtigen immer auf den gleichen Erwägungen beruhen. Diese Feststellung trifft letztendlich auch Salje, der meint, daß Inhaber und Betreiber letztendlich lediglich "zwei Seiten derselben Medaille" seien7~. Eine einheitliche Definition des Betreiber- bzw. des Inhaberbegriffes für den Konzern ist daher angesichts der haftungsrechtlich gleichen Interessenlage bei allen in Frage kommenden Tatbeständen angemessen.

73

Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 16.

74 Siehe oben A. I. Wld 11. 7~ Salje, §§ 1, 3 UmweltHG Rdn. 18 a.E.; so auch StaudingerlKohler, § 1 UmweltHG Rdn. 83, der zwischen beiden Begriffen keine sachliche Unterscheidung trifft, sondern nur terminologisch zwischen Privatrecht Wld öffentlichem Recht Wlterscheidet. 4 Ossenbühl

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgeflihrd\Ulgshafhmg

50

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern J. Problemstellung Zu der Frage, wer der Inhaber bzw. Betreiber einer Anlage ist, findet sich vergleichsweise wenig Literatur und Rechtsprechung. Die Gesetzesbegründungen geben ebenfalls keine Antwort. Der Gesetzgeber scheint davon ausgegangen zu sein, daß diese Frage unproblematisch zu klären ist. Das ist sicher für den Fall zutreffend, daß eine Einzelperson oder ein einzelnes nicht konzernverbundenes Unternehmen den Haftungsfall herbeigeführt hat. Problematisch wird es hingegen, wenn es sich nicht um ein selbständig isolierbares Unternehmen, sondern um einen Unternehmensverbund handelt, bei dem sich mehrere rechtlich selbständig bleibende Unternehmensträger zu einem Konzern zusammenschließen. Für alle diese Fälle steht fest, daß der Konzern selber nicht Inhaber bzw. Betreiber sein kann, da ihm die dafür erforderliche Rechtspersönlichkeit fehle 6 . Inhaber können nur die einzelnen verbundenen Gesellschaften sein. Die Eigenschaft des Anlageninhabers oder -betreibers muß damit regelmäßig einer bestimmten Gesellschaft zugewiesen werden. Der beliebige Rückgriff auf alle Konzernglieder ist nicht möglich. Aus den umweltrechtlichen Haftungsnormen haftet nur die Gesellschaft direkt, die nach den dort aufgestellten Kriterien Inhaberin der schadensverursachenden Anlage ise 7 . Daraus folgt jedoch nicht automatisch, daß im Konzern nur die Tochtergesellschaft haftet, die die gefährliche Produktion betreibt. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, daß Inhaber ein- und derselben Anlage auch zwei Gesellschaften nebeneinander sein können. Dann wäre neben der produzierenden Tochtergesellschaft, die die Inhabereigenschaft erfüllt, auch noch die Muttergesellschaft Mitinhaberin78 . Eine solche Konstellation ist dann denkbar, wenn die Kostentragung oder die Verfügungsgewalt zwischen den beiden Gesellschaften verteilt ist. Eine solche Teilung der Verfügungsgewalt kann auf dem Wege der Einflußnahme der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft erfolgen. Beide Gesellschaften haften dann nebeneinander als Gesamtschuldner.

Siehe oben l. Kap.B. VI. Vgl. K. Schmidt, UTR Band 26 (1993), S. 81; so auch Oehler in seinem Beitrag zum Produkthaftungsrecht, ZlP 1990, 1445 tf, 1450. 1S Siehe dazu \Ulten B. vm. 16

11

B. Inhaber- 1.DI.d Betreiberbegriff im Konzern

51

Die Mutter- bzw. Schwestergesellschaft haftet primär nur dann, wenn sie auch als Inhaberin bzw. Betreiberin qualifiziert werden kann.

n. Die Zurechnungsgründe der Inhaber- bzw. Betreibereigenschaft Um festzustellen, ob zwei Gesellschaften innerhalb eines Konzerns gemeinsam als Inhaber haften, ist zu untersuchen, ob beide die tatsächliche Herrschaftsmacht über die Anlage haben. Das Merkmal der tatsächlichen Herrschaftsmacht ist unbestimmt und ohne nähere Konkretisierung nicht auf die Verhältnisse im Konzern übertragbar. Eine direkte Subsumtion ist schwierig, da sich allein aus dem Wortlaut des Begriffs nicht klar ableiten läßt, wodurch sich die tatsächliche Herrschaftsmacht auszeichnet. Es bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, die Inhabereigenschaft zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu verteilen. Reicht allein die Möglichkeit die Anlage zu nutzen bzw. über deren Nutzung zu bestimmen? Reicht es aus, wenn eine Gesellschaft den Gewinn aus dem Betrieb der Anlage erzielt? Wie ist die Sachlage, wenn eine Gesellschaft mit der Anlage arbeitet, die andere aber für die Wartung zuständig ist? Dieser Fragenkatalog läßt sich weiter ausdehnen. Um Antworten zu finden anband derer auch die Verteilung der Inhabereigenschaft erfolgen kann, ist nach den Gründen für die Haftungszuweisung zu suchen. Nur anhand der hinter den Haftungsnormen stehenden Prinzipien kann eine Risikoverteilung im Konzern vorgenommen werden oder eine Haftungsegmentierung gerechtfertigt werden. Die Anlagengefährdungshaftung zählt zu einem der wichtigsten Bereiche der Gefährdungshaftung. Dabei handelt es sich bei der Anlagenhaftung um eine Sachhaftung. Ihr Wesen besteht darin, daß der Schaden durch eine Sache (Anlage) verursacht worden ist. Sie ist nicht durch die Vielzahl der bereits geschehenen Unglücksfälle, sondern durch die Unberechenbarkeit der Schadensabläufe und das große Ausmaß eines einzelnen Unglücksfalles gekennzeichnee 9 . Immense Schadenssummen sind charakteristisch für den Bereich der Umweltgefährdungshaftung80 .

1. Zurechnungsgründe der Geiährdungshaftung

Die Gefährdungshaftung hat vielfältige Zurechnungsgründe. Versuche, die Haftung auf ein einheitliches Haftungsprinzip zurückzuführen, sind bis heute Vgl. Heß, S. 130. Hier ist nochmals darauf hinzuweisen, daß im Jahr 1992 die Umwelthafhmgschäden in der B\U1desrepublik DM 203 Mrd. betrugen. 79

10

4'

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafumg

gescheitert81 . Dies liegt unter anderem daran, daß die existierenden Tatbestände der Gefährdungshaftung zu verschieden gestaltet sind82 . Ihre Gemeinsamkeit besteht aber darin, daß es in allen Fällen um die Zurechnung der Haftung für Zufallsschäden geht83 . Diese Zufallsschäden sind auf solche Handlungen oder den Betrieb solcher Anlagen zurückzuführen, bei denen von Beginn an klar ist, daß sie mit einer latenten Gefährlichkeit behaftet sind. Bei der Produktion unter Verwendung von modemen Technologien werden sehr komplexe physikalisch-chemische Vorgänge in Gang gesetzt. Selbst unter Aufwendung der größtmöglichen Sorgfalt sind diese nicht vollständig beherrschbar. Daher müßten sie wegen der Gefährdung der Allgemeinheit vom Gesetzgeber eigentlich verboten werden 84 . Da es sich um unbeherrschbare Gefahren handelt, kann das Verschuldensprinzip dem Schutzbedürfnis der Verkehrsteilnehmer nicht gerecht werden. Es besteht andererseits ein überwiegendes Allgemeininteresse am Bestehen solcher Betriebe, da die dort produzierten Güter gebraucht werden. Deshalb können die Schadensfolgen jedoch nicht unausgeglichen bleiben85 . Die Aufgabe der Rechtsordnung besteht daher darin, eine Lösung zu finden. Zwei mögliche Lösungen liegen auf der Hand: entweder der Schaden verbleibt beim "Opfer" oder derjenige, der den gefährlichen Vorgang in Gang gesetzt hat, muß auch die dadurch entstehenden Risiken tragen 86 . Unsere Rechtsordnung hat sich im Rahmen der Gefahrdungshaftung für den Opferschutz entschieden. Es findet ausnahmsweise eine Entlastung des Opfers vom Zufallsschaden statt, da unbeherrschbare Gefahren aufgrund ihrer 81 Siehe hierzu die verschiedensten Versuche, die GefährdWlgshaftWlg dogmatisch einzuordnen: ZWlächst wurde als ZurechnWlgsgrWld das fingierte Verschulden gesehen, BayOApp-Gericht Seuff.-Archiv 41, Nr. 403; nach Riimelin, S. 31 Wld MüllerErzbach, AcP 106 (1910), 352, 372 liegt der ZurechnWlgsgrWld in der typischen GefährdWlg Wld deren BeherrschWlg; Merkei, S. 302 f, 311 f sieht den ZurechnWlgsgrWld darin, daß jeder die Kosten der DurchsetZWlg seiner Interessen zu tragen habe. Auch heute wird die GefährdWlgshaftWlg zum größten Teil darauf zurückgeführt, daß es der Haftende ist, der die Gefahr beherrscht: vgl. dazu (freilich mit Wlterschiedlicher AkzentsetZWlg): Esser, S. 97 ff; ders., Schuldrecht, § 212, 1; Canaris, NJW 1964, 1990; LarenzJCanaris, S. 604 ff; v. Caemmerer, S. 15; Medicus, Jura 1996,561,562; Deutsch TI, S. 408; Rinck, S. 4, 5; siehe auch BGHZ 24, 21, 26; 37,311,316; kritisch Blaschoczk, S. 53 ff, 65 ff, 70 ff 12 V. Caemmerer, S. 15 hat zutreffend daraufhingewiesen, daß die Rechtfertigung der GefährdWlgshaftWlg in einer Vielzahl von GesichtspWlkten liegt, die jeweils bei den verschiedenen Tatbeständen mehr oder weniger vollständig Wld mit Wlterschiedlicher Intensität zusammenwirken; siehe genauso Deutsch TI, S. 406; Larenz, JuS 1965, 374; LarenzJCanaris, S. 604 ff 83 Esser, S. 69. 84 Kanno, S. 94; v. Caemmerer, S. 15; Deutsch TI, S. 408; Enneccerus-Nipperdey, Alig. Teil, § 217 I. 8~ Kanno, S. 94; Esser, Schuldrecht, § 59 2; Merkei, S. 287. 86 Esser, S. 80; Kanno, S. 94.

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

53

Häufigkeit oder ihrer außergewöhnlichen Folgen die körperliche und wirtschaftliche Existenz des Einzelnen bedrohen87 . Diese Lösung läßt sich auf verschiedene rechtspolitische Gesichtspunkte stützen. Vorrangig ist das Prinzip des Einstehens für übennäßige Gefahren. Dessen Ausgangspunkt ist die "besondere Gefahr". Das ist die bei der Produktion freigesetzte unbeherrschbare Gefahr. Aus dem Begriff der besonderen Gefahr lassen sich allerdings noch keine Rückschlüsse auf den Adressaten ziehen 88 . Um den Adressaten zu bestimmen, wird in der Literatur überwiegend an ein Verhalten angeknüpft. Dies ist an sich nicht korrekt. Da auch bei noch so sorgfaltigern Verhalten gehaftet wird, kann der Zurechnungsgrund der Gefährdungshaftung nicht pflichtwidriges Verhalten sein. Die Anknüpfung wird ungeachtet dessen vorgenommen. Derjenige, der eine Gefahr schafft oder kontrolliert, soll den Schaden tragen, wenn diese Gefahr sich verwirklicht89 . Teilweise wird diesem Ansatz entgegengehalten, daß damit unterschwellig wieder ein Verschuldensmoment mit in die Zurechnung eingebracht würde. Dies läge in der Einschränkung der Willensfreiheit des Betriebsherrn. Für die Haftung sei die Kontrolle der Gefahr nicht ausschlaggebend, da auch bei der bestmöglichen Kontrolle gehaftet werde90 . Die Gefährdungshaftung knüpft zwar nicht an ein pflichtwidriges Verhalten an. Das bedeutet aber nicht, daß sie überhaupt nicht an ein Verhalten anknüpft. Um ein Haftungssubjekt ausmachen zu können, muß zumindest die Zuordnung der Gefahr über ein Verhalten reglementiert werden. Die Gefährdungshaftung ist eine Zufallshaftung. Die Zuordnung der Gefahr kann indes nicht dem Zufall überlassen bleiben. Auch Köndgen geht davon aus, daß der "Eingangsakt", d.h. die Eröffnung der Gefahrenquelle die Identifikation des Betriebsherrn erst ermögliche. Dies gelte auch für die Beherrschbarkeit des RisikoS 91 . Esser nutzt die Gestalt eines "Eingangsaktes" , um doch noch ein Stück Zurechnung zum Willen erreichen. Er sieht die Begründung der Gefährdungshaftung in der Zurechnung der eigenen Einfluß- und Wirkungssphäre. Es gehe dabei um die Einstandspflicht für einen festumrissenen Verantwortungskreis 92 . Entscheidend sei, daß der Haftpflichtige "in einem bestimmten tatbestandsmäßigen Verhältnis" zu der schädigenden Unternehmung ste-

So Heß, S. 174. Köndgen, S. 28. 89 Esser, S. 94; Rinck, S. 4, 5; Merkel, S. 149 ff.; Canaris, NJW 1964, 1990; Hannak, S. 58. 90 Köndgen, S. 31. 91 Köndgen, S. 32 f 92 Esser, S. 99. 87

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshaftWlg

54

he93 . Auch Canaris geht davon aus, daß der Halter bzw. Unternehmer abstrakt gesehen die Gefahr beherrscht, indem er deren Quelle schafft und aufrechterhält; denn bei ihm Hegt die Entscheidung darüber, ob er die gef'ährliche Sache etWirbt und behält94 . Dem ist zuzustimmen. Die Gefährdungshaftung ist zwar auf Opferschutz gerichtet, baut aber auch auf der Möglichkeit der Gefahrsteuerung auf~. Die Merkmale der Beherrschung und des Schaffens der Gefahr sind für die Zurechnung zu einem bestimmten Haftungssubjekt unerläßlich, auch wenn sie letztlich nicht die vollständige Begründung für die Gefährdungshaftung liefern können. Der Betriebsinhaber ist damit detjenige, der die Gefahrenquelle schafft und diese beherrscht, oder - anders formuliert - derjenige, der über die Verwendung der riskanten Anlage sowie über Aufnahme, Art und Dauer des Betriebes bestimmen kann. Er hat durch diese Bestimmungsmöglichkeit eine bessere Position, die mit der Anlage verbundenen Gefahren zu kalkulieren und einzuschätzen. Er darf den gefährlichen Betrieb nur führen, wenn er für die Schäden eintritt, die sich trotz aller verhütenden Maßnahmen nicht haben verhindern lassen. Es ist auch sachgerecht, daß detjenige haftet, der die Gefahrenquelle beherrscht, denn er ist derjenige, der auf Schadensverhütung und Gefahrenminderung hinwirken kann 96 . Ein weiterer Zurechnungsgrund für die Gefährdungshaftung liegt darin, daß detjenige, der die Gefahr beherrscht und zur Produktion nutzt, am Markt-

geschehen beteiligt und somit in der Lage ist, die Kosten des Risikos unter einer Vielzahl von Kunden zu verteilen. Er kann diese Schadensrisiken als Teil seines Geschäftsaufwandes einkalkulieren97 . Dabei darf nicht vergessen werden, daß detjenige, der die Gefahrenquelle beherrscht und nutzt, nicht nur im Allgemeininteresse handelt. Zunächst zieht er selbst die wirtschaftlichen Vorteile aus der Gefahrennutzung. Das Schadensrisiko ist ihm sozusagen als Preis für die Erlaubnis aufzubürden, die Gefahrenquelle überhaupt in Betrieb zu nehmen und damit auch den Gewinn zu erzielen98 . Die Nutzung von gefährlichen Kräften wird so zwar zugelassen. Dies gilt allerdings nur mit der "Maßgabe", daß bei der Verletzung fremder absoluter Rechte und Rechtsgüter Schadensersatz zu leisten ist. Einstehen muß derjenige, der das Risiko schafft, unterhält oder unter Kontrolle hat und es zu eigenem Nutzen einsetzen kann.

Bienenfeld, S. 153. LarenzJCanaris, S. 605. 9' Vgl. Deutsch II, S. 407. 96 Deutsch, S. 408; RÜIne1in, S. 32; Esser, S. 94 f 97 Vgl. v. Caemmerer, S. 16; Mataja, S. 24 tI, der als erster die ökonomischen AuswirkWlgen bei der RisikoverteilWlg der GefährdWlgshaftWlg mit einbezog. 98 Vgl. LarenzJCanaris, S. 600 tI, 605; ferner auch Canaris, NJW 1964, 1990. 93

94

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

55

Daher steht bei der Zuordnung zu einem Haftungssubjekt die faktische Einwirkungsmöglichkeit auf die Gefahrenquelle im Vordergrund. Diese Einwirkungsmöglichkeit ist als tatsächliche Zugriffsmöglichkeit zu verstehen.

2. Entwicklung der Rechtsprechung zur Haftungszurechnung in der Gef"ährdungshaftung Die Rechtsprechung hat versucht, diese theoretischen Zurechnungsgründe durch zahlreiche Entscheidungen für die Praxis handhabbar zu machen. Nach anfiinglichen Schwankungen und einseitiger Betonung von einzelnen Zurechnungsgründen hat sich ein stabiles Merkmalsgerüst herausgebildet. Dieses besitzt in seinen Grundstrukturen heute einen schon fast normativen Charakter99 . Das Reichsgericht legte in seinen frühen Entscheidungen, bei denen es um die Haftung des Eisenbahnunternehmers ging (§ 1 RHG), eine ökonomische Betrachtungsweise zugrunde. Es achtete beinahe ausschließlich darauf, ob der Eisenbahnunternehmer den Betrieb zu seinem eigenen Vorteil betrieb. War dies der Fall, nahm das Gericht eine Haftungszurechnung vor 100 . In späteren Entscheidungen kam der Gefahrbeherrschungsgedanke hinzu. Dieser fand Ausdruck in der Formulierung "Tatsächliche Verfiigungsgewalt"lOl. Die "Formel" des Reichsgerichtes, die angewandt wurde, um den Eisenbahnunternehmers als Haftungssubjekt zu bestimmen, lautete dann folgendermaßen: "... daß Eisenbahnunternehmer derjenige ist, der den Eisenbahnbetrieb für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfiigungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt". Diese "Formel" wurde unverändert auf die Halterfeststellung nach dem StVG übertragen: "Halter eines Kraftfahrzeugs ist, wer es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfiigungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt" 102. Der BGH hat diese "Formel" übernommen und verwendet sie bis heute unverändert weiter 103 .

Siehe dazu HeB, S. 39. So RGZ 1, 6; 1, 174; 12, 145; 12, 207; 12, 197; 15,221; 24, 171. 101 So RGZ 50, 300, 301; 96, 204, 209; 27, 437; 40, 220. Eine DarstellWlg der EntwicklWlg der RechtsprechWlg des Reichsgerichts mit EinzeldarstellWlg der entschiedenen Fälle nimmt HeB, S. 41 ff. vor. 102 RGZ 55, 163; 78, 179, 183; 87, 137, 138; 93, 222, 223; 127, 174, 175; 141, 400, 403. 103 BGHZ 5, 269, 270; 13,351,354; 80, 1,4; siehe oben AI.l. 99

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshaftWlg

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3. Aufsplittung der Zurechnungsmerkmale des Inhaber- und Betreiberbegriffs Wie die bereits vorgenommene DarstellunglO4 von Rechtsprechung und Literatur zu den neue ren Gefährdungstatbeständen gezeigt hat, besteht diese Formel und damit die Definition des Inhaber-, Betreiber- und Halterbegriffes seit der Reichsgerichtsrechtsprechung fast unverändert fort. Eine Anwendung dieser Formel auf andere Fälle ist schwierig. Das liegt daran, daß es sich bei dem Begriff der "VerfügungsgewaIt" und der "eigenen Rechnung", nur um unbestimmte Begriffe handelt. Durch die Formulierung wird nicht klar, wie die VerfügungsgewaIt im einzelnen ausgestaltet sein muß. Die Rechtsprechung hat bisher auch nie einen Versuch unternommen, die Begriffe durch einen Rückgriff auf die allgemeinen Haftungsprinzipien weiter mit Inhalt zu füllen. Sie hat statt dessen neue Merkmalsuntergruppen gebildet l05 . Da sie bis jetzt noch keinen Fall zum Konzern zu entscheiden hatte, findet sich für das hier zu behandelnde Thema kein Präjudiz. Damit eine leichtere Anwendung der von der Rechtsprechung gefundenen Begriffe in der Praxis erfolgen kann, ist es sinnvoll, die Formel in ihre einzelnen Merkmale aufzugliedern. Anhand der Grundgedanken der Gefährdungshaftung können diese wiederum mit Inhalt gefüllt werden 106 .' Ein ähnlicher Gedanke läßt sich auch schon bei Bigalke in einer Abhandlung über die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von Kreditgebern finden. Sie ersetzt allerdings die beiden von der Rechtsprechung gefundenen Begriffe nur durch andere, ebenso wenig greifbare. Den Begriff der "tatsächlichen Verfügungsmacht" hat sie durch das Merkmal "EntscheidungsgewaIt aufgrund wirtschaftlicher Herrschaftsmacht" ersetzt 107 . Das verwirrt eher, als daß es weiterhilft, weil durch den Begriff "wirtschaftlich" der Eindruck entsteht, daß schon der Begriff des wirtschaftlichen Vorteils (Gebrauchen für eigene Rechnung) mithineinspielt. Das Merkmal des "wirtschaftlichen Vorteils" wird von ihr erst an zweiter Stelle genannt\08. Eine wirkliche Präzisierung der Rechtsprechungsformel nimmt sie durch die von ihr gefundenen Begriffsbestimmungen nicht vor.

104 105 106 107 108

Siehe oben A. So auch HeB, S. 54 f. Eine AufgliedefWlg hat auch schon Koch, S. 152 vorgenommen. Bigalke, S. 71 f. Bigalke, S. 72.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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a) Elemente des Merkmals "Tatsächliche Verfiigungsmacht"

Das Merkmal der tatsächlichen Verfügungsmacht ist von seiner Formulierung her schwer greifbar. Es erweckt zwar im ersten Moment den Anschein, daß es die Möglichkeit der exakten Bestimmung des Inhaberbegriffs bietet. Ein Versuch der Subsumtion eines praktischen Sachverhalts unter dieses Merkmal gelingt aber nicht ohne weiteres. Es bietet nur einen Anhaltspunkt, aber keine exakte Anknüpfungsmöglichkeit. Wer hat Z.B. die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Anlage, wenn einer mit der Anlage produziert, ein anderer aber die Weisungen bezüglich der Art und Weise der Produktion erteilt. Dem Merkmal der tatsächlichen Verfügungsgewalt lassen sich mit Koch drei Elemente entnehmen, unter die der Einzelfall leichter zu fassen iseo 9 . Erstens ist nach der "vermögensrechtlichen Zuordnung" der Anlage zu fragen, zweitens danach, wer für die "Erhaltung der Anlage" zuständig ist und drittens nach dem "tatsächlichen Nutzen" an der Anlage.

aa) Vermögensrechtliche Zuordnung Vermögensrechtlich zuordnen läßt sich eine Sache zunächst demjenigen, der über die Sache rechtswirksam verfügen kann l1O . Das ist der Eigentümer. Dieser ist jedoch nicht zwangsläufig deIjenige, der auch tatsächlich Einfluß auf ihren Betrieb hat. Bei Pachtverhältnissen z.B. ist das in der Regel nicht der Fall lll . Diese Sachlage hat der Gesetzgeber in der Begründung der Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes berücksichtigt. Die Begründung enthält einen Hinweis zu der Haftungslage, wenn der Eigentümer selbst die Anlage nicht betreibt. Dann soll als Inhaber haften, wer nach außen hin als der Verantwortliche auftritt 112 . Auch wenn in vielen Fällen der Eigentümer der Anlage haftet, kommt der EigentümersteIlung nur eine Indizwirkung ZU l13 . Der Eigentümer verliert aber mit der Verpachtung nicht automatisch seine Betreibereigenschaft. Er kann neben dem Pächter oder Mieter Betreiber bleiben. Da der Mieter während eines kurzen Mietverhältnisses zumeist keinen Einfluß auf die Beschaffenheit der Sache hat und schon gar nicht auf deren

Koch, S. 152. Siehe auch Koch, S. 152. m Siehe zur Betriebspacht ausführlich unten IX.2.d)bb). 112 Amtliche Begründung des Ändenmgsgesetzes zum Reichshaftpflichtgesetz vom 15.08.1943, DJ 1949,430. 113 Siehe zu den verschiedenen hier zu erörternden Gefahrdungshaftungstatbeständen die Literaturhinweise oben bei A.I. und ll. Ausführlich für den Inhaber nach dem UmweltHG Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 22. 109 110

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Zustand im Zeitpunkt der Übernahme, kann es unangemessen sein, ihn als Alleinbetreiber anzusehen. Diese Ansicht vertritt auch Heß. Er wählt zur Illustration ein Fallbeispiel, in dem es um die Haftung nach § 22 Abs. 2 WHG für undichte Öltanks durch den Mieter eines Hauses ging114 . Der Mieter hatte keine Möglichkeit, den Öltank und dessen Zustand auszuwählen und damit über diesen zu bestimmen. Dies oblag dem Eigentümer. Wenn man die Zurechnungsgründe der Gefährdungshaftung betrachtet, müßte man hier zumindest zu einer Mithaftung des Eigentümers kommen. Einstehen soll der, der das Risiko schafft, unterhält oder es unter Kontrolle hat. Das kann nicht der Mieter sein, der keinen Einfluß auf den technischen Zustand von mitübernommenen Anlagen hat 115 . Daher kann keine Alleinhaftung des Mieters angenommen werden, solange der Eigentümer den Einfluß auf den technischen Zustand der Anlage behält. Im Moment des Schadenseintrittes hat allerdings auch der Mieter die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage. Er hat den jederzeitigen Zugriff und nutzt diesen auch. Deshalb haftet er zusammen mit dem Eigentümer.

bb) Erhaltung der Anlage Der gerade vorgestellte Fall 116 veranschaulicht auch das Merkmal der Erhaltung der Anlage. In dem "Öltankfall" war der Vermieter für die Erhaltung des Öltanks zuständig. Derjenige, der für die Erhaltung der Anlage zuständig ist oder diese bestimmen kann, erfüllt das "Tatbestandsmerkmal" der Erhaltung der Anlage. Die Erhaltung der Anlage hängt eng mit der Gefahrbeherrschung bzw. der Risikokontrolle zusammen. Dies muß bei der Feststellung des Ersatzpflichtigen beachtet werden. Zunächst erscheint dies als Widerspruch zu der Feststellung, daß bei der Gefährdungshaftung für unvermeidbare Risiken gehaftet wird ll7 . Letzteres zeigt sich im übrigen auch darin, daß es keinen Unterschied zwischen Normalbetrieb und Störfallbetrieb gibt 118 .

Siehe HeB, S. 140 f m Auch die Rechtsprechung tendiert in dem Fall, in dem der Eigentümer noch tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Anlage hat, dazu, diesen mithaften zu lassen: OLG Frankfurt Z1W 1987, 197; LG Hamburg MDR 1967, 128; So im Ergebnis auch Koch, S. 62; HeB, S. 14l. Ausführlich zur Betriebspacht siehe unten B.IX.2.d)bb). 116 Siehe oben aa). 111 Blaschczok, S. 66; Köndgen, S. 32; Bienenfeld, S.115; HeB, S. 32. m Zu einer gewissen Aufweichung dieses Prinzips über § 6 UmweltHG, siehe unten B.IX.2.d). 114

B. Inhaber- lUld Betreiberbegriff im Konzern

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Es sollte aber bedacht werden, daß eine Anlage in einem schlechten Zustand eher geeignet ist, einen Schaden zu verursachen. Dieser Gedanke ist z.B. auch von den Haftpflichtversicherungen, die Umwelthaftungsrisiken absichern, aufgegriffen worden. § 19 Abs. 2 UmweltHG sieht eine Deckungsvorsorge für die Umweltschäden unter anderem durch eine Haftpflichtversicherung vor. Die Haftpflichtversicherer wollen einen Ausschluß der Versicherung für den Fall des bewußten Abweichens von Normen oder dem bewußten Unterlassen von Wartung und Reparatur vorsehen. Dies resultiert aus genau dem Gedanken, daß eine Anlage in einem technisch schlechten Zustand ein wesentlich höheres Schadensrisiko beinhaltet 1l9 . Die Zuständigkeit für die "Erhaltung einer Anlage" kann helfen, die haftungsrelevante Beziehung eines Unternehmens zu einer gefährlichen Anlage aufzuzeigen l20 . Es wird zwar nicht direkt für die schlechte Instandhaltung gehaftet. Wenn ein Unternehmen die schlechte Instandhaltung aber zu verantworten hat, weil es für die Erhaltung der Anlage zuständig war, dann hat es dadurch tatsächlichen Einfluß auf die Anlage ausgeübt l2l . Das wiederum kann zu einer Mithaftung führen. Der Einfluß besteht hier darin, die mit der Anlage verbundene Gefahr zumindest zu mindern und auf Schadensverhütung hinzuwirken zu können 122. Deshalb kann auch der Eigentümer zur Mithaftung bei Vermietung oder Verpachtung herangezogen werden. Indirekt dient das Element "Erhaltung der Anlage" damit dem Opferschutz, der sich dem Zufallselement der Gefährdungshaftung entnehmen läßt 123 . Opferschutz soll derjenige zu bewirken haben, der es in der Hand hat, die Gefahrenlage zu beenden oder fortdauern zu lassen. Dieser haftet im Verhältnis zum Opfer auch dann, wenn ein anderes Unternehmen den Betrieb führt l24 .

119 Siehe dazu die Nachweise über das Positionspapier des HUK-Verbandes zur Versichenmg der Betriebe gegen Umweltschäden, Wagner, VersR 1991, 249, 254; siehe auch Balzereit, BB 1996, 117, 124. 120 So auch Koch, S. 153; Köndgen, S. 32; siehe oben B.2.1. 121 Davon zu lUlterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen WartlUlgsarbeiten vertraglich auf außenstehende FremdlUlternehrnen übertragen werden; diese haben keine originäre Zuständigkeit fiir die ErhaltlUlg der Anlage, siehe auch StaudingerlKohler, § I UmweltHG Rdn. 85; Paschke, § 1 UmweltHG Rdn. 76. 122 Koch, S. 153; v. Caemmerer, S. 15. 123 Siehe dazu oben B.II.1. 124 Vgl. Heß, S. 173.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdlUlgshafhmg

cc) Tatsächliche Nutzung der Anlage Die tatsächliche Sachinnehabung indiziert auch die tatsächliche Nutzung der Anlage. Entscheidend ist, wer unmittelbar den Einsatz und die Art und Weise des Gebrauchs der Anlage bestimmt und kontrolliertm. Es finden sich vereinzelt in der Literatur Formulierungen, nach denen die Möglichkeit der jederzeitigen Kontrolle und der technischen Beherrschung auszureichen scheine 26 . Diese Möglichkeit ist eng auszulegen und als jederzeitige Zugriffsmöglichkeit zu sehen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortsinn des Ausdrucks "tatsächliche" Verfügungsgewalt. Tatsächlich verfügen kann nur derjenige, der jederzeitigen Zugriff auf eine Sache hat. Es existiert bisher kein Urteil, in dem die Rechtsprechung die bloße Möglichkeit der Ausübung der Verfügungsgewalt ausreichen läße 27 . Die einzelnen Arbeiter, die mit der Anlage arbeiten, sind nicht deren Inhaber. Sie können den tatsächlichen Einsatz der Anlage nicht bestimmen. Diesen bestimmt die Gesellschaft, für die sie tätig sind. Sie gebrauchen die Anlage zwar unmittelbar, sind aber nur "Gehilfen" bei der tatsächlichen Nutzung. Aus diesen Überlegungen läßt sich ableiten, daß sich auch das Merkmal der tatsächlichen Verfügungsgewalt gegebenenfalls auf zwei verschiedene Unternehmensträger aufteilen läßt: Zum einen auf die Gesellschaft, die die Erhaltung der Anlage bestimmt, und zum anderen auf diejenige, welche direkt mit der Anlage produziert. Beide sind dann Inhaber der Anlage.

b) Wirtschaftlicher Vorteil Der Begriff des Gebrauchs für eigene Rechnung drückt vor allem die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen der Sache aus. Es geht um den Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils aus der Anlage. Derjenige, dem der wirtschaftliche Vorteil aus der Anlage zufließt, soll haften. Dieser Gedanke resultiert wiederum aus dem Opferschutz. Das Unternehmen, welches den wirtschaftlichen Vorteil aus der Produktion zieht, hat auch die Finanzkraft, die aus dem Betrieb der Anlage herrührenden Schäden umfassend zu begleichen. Dadurch kann

m Vgl. Koch, S. 153; dies wird auch oft von der RechtsprechlUlg zur BegründlUlg des Merkmals der tatsächlichen Verfiigungsgewalt angeführt. 126 Siehe vor allem die oben bei AI. lUld ll. im einzelnen zitierte Literatur; siehe z.B. zum WHG Czychowski, § 22 WHG Rdn. 50. U7 Siehe z.B. die meist zitierte Entscheidung BGHZ 80, 1, 4; ansonsten auch OLG Frankfurt Z1W 1987, 195, 197; BGHZ 76, 35, 39 und die oben unter AI. und ll. zitierte Rechtsprechung.

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

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der Schutz der Opfer besser gewährleistet werden 128. Auch ein Unternehmen, das die Anlage nicht unmittelbar aktiv verwendet, kann den wirtschaftlichen Vorteil haben. Dies ist von der Rechtsprechung z.B. bei Leasing eines Kfz angenommen worden. Es hat den Leasinggeber als denjenigen angesehen, der das Kfz wirtschaftlich nutzt 129 .

c) Gewichtung der verschiedenen Merkmale Diese verschiedenen Merkmale sind bei der Bestimmung des Anlageninhabers zu berücksichtigen. Die Bedeutung der einzelnen Merkmale kann dabei von Fall zu Fall variieren 130 . Auch von Caemmerer hat schon festgestellt, daß die Rechtfertigung der Gefahrdungshaftung in einer Vielfalt von Gesichtspunkten liegt, die bei den einzelnen Fällen mehr oder weniger vollständig und mit verschiedener Intensität zusammenwirken 131 . Ein offensichtliches Ergebnis der Schadenszurechnung gibt es nur in dem Fall, in dem alle Eigenschaften ausschließlich bei einem Unternehmen zusammenfallen. Ist dies jedoch nicht der Fall, d.h., erfüllen mehrere Unternehmen nebeneinander verschiedene oder sogar zu verschiedenen Anteilen die gleichen Anknüpfungspunkte, so müssen diese von unterschiedlichen Wertungen getragenen Varianten miteinander abgewogen werden, um zu einer sachgerechten Schadenszurechnung zu kommen. Genau derselbe Abwägungsvorgang ist für den Fall erforderlich, daß mehrere Unternehmen dieselben Merkmale mit unterschiedlicher Intensität erfüllen.

aa) Gewichtung des Merkmals des wirtschaftlichen Vorteils in der Rechtsprechung Bei der Abwägung ist die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichtes und des BGH zu berücksichtigen. Danach reicht allein der wirtschaftliche Vorteil nicht aus, um die Haftung oder die Mithaftung eines Unternehmens zu begründen. Das Reichsgericht hat in einem Fall, in dem es um den Verkauf von Kraftdroschken unter Eigentumsvorbehalt ging, dem OLG Hinweise für die Prüfung der Haltereigenschaft gegeben. Es sah die Mithaftung des Eigentumsvorbe-

128

129 130

l3l

Vgl. Larenz, § 71 I; Esser, S. 100; Heß, S. 174 f. BGHZ 87, 133, 137. Koch, S. 154. Vgl. v. Caemmerer, S. 15.

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haltsverkäufers als Halter der Droschken dabei als nicht gegeben an 132. Der Vorbehaltsverkäufer bezog zwar durch Ratenzahlungen, Zinsen und Ausbesserungskosten den größeren Teil der Betriebseinnahmen. Zudem trug er die Betriebsausgaben, indem er die Prämien für die Haftpflichtversicherung und die Steuern zahlte. Das allein ließ das Reichsgericht jedoch nicht für eine Mithaftung ausreichen. Es verlangte stattdessen auch ein Vorliegen der Verfügungsrnacht über die verkaufte Droschke 133 . In einem Fall des Kfz-Leasings hat der BGH die Mithaltereigenschaft des Leasinggebers verneint. Er begründete dies damit, daß dieser zwar den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Kfz ziehe. Das sei aber unbeachtlich, da er das Kfz ganz aus seiner Verfügungsgewalt gebe und für den Kraftfahrzeugverkehr und die daraus resultierende Haftung nur noch der Leasingnehmer zuständig sei. Durch das Leasing sei ein wirtschaftlicher Zuständigkeitswechsel eingetreten. Obwohl bei der Leasinggeberin Kontroll- und Kündigungsrechte verblieben seien, könne diese nicht als Mithalterin angesehen werden. Letztendlich habe der Leasingnehmer im Verkehr die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug. Dem Leasinggeber habe hinsichtlich des Einsatzes des Fahrzeuges und der einzelnen Fahrten kein Weisungsrecht vertraglich zugestanden!34. Dieses Urteil läßt darauf schließen, daß der BGH es für den Halterbegriff nicht ausreichen läßt, wenn einem möglichen Halter nur der wirtschaftliche Nutzen aus dem Betrieb eines Kfz zugute kommt. Er knüpft die Halterbestimmung an die Bestimmung über den tatsächlichen Einsatz des Fahrzeuges. Auf den ersten Blick sieht es bei den vom BGH zur Kfz-Miete entschiedenen Fällen anders aus. Es wird nicht der Mieter, sondern der Vermieter als Halter qualifiziert. Die Nutzung des Kfz wird hier zunächst in der Erlangung des Mietzinses gesehen. Nach Ansicht des BGH ist ausschlaggebend, daß es sich nur um eine vorübergehende Überlassung der Verfügungsgewalt an den Mieter handelt. Der Überlassungszeitraum ist gerade bei der Kfz-Miete sehr kurzfristig135 . Das Merkmal der tatsächlichen Verfügungsgewalt setzt hingegen eine länger andauernde Verfügungsgewalt voraus!36. Der Entscheidung läßt sich entnehmen, daß ein Rest der Verfügungsgewalt beim Vermieter verbleibt, da es sich nur um eine vorübergehende Überlassung handelt. Mit dieser Argumentation bleibt die Rechtsprechung auf ihrer Linie. Nur die Erlangung des wirtschaftlichen Vorteils reicht nicht zur Qualifikation der Haltereigen-

RGZ 87, 137 ff RGZ 87, 137, 141. 134 BGHZ 87, 133, 137; was aber nicht heißt, daß Weisungsbefugnisse ausreichen, um die Inhabereigenschaft zu begründen; siehe dazu unten B.VII.1.e). m BGH NJW 1952,581. 136 BGHZ 32, 331, 334. 132

133

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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schaft aus. Es muß vielmehr immer auch ein Teil der Verfiigungsgewalt vorliegen, um ein Unternehmen oder eine Person als Halter zu qualifizieren. Bei der Bestimmung des Halters sind die gleichen Zurechnungskriterien maßgeblich, wie bei der Bestimmung des Betreibers. Damit läßt sich dies Ergebnis auch auf die Abwägung hinsichtlich des Betreiberbegriffes übertragen 137. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Rechtsprechung das Ziehen des wirtschaftlichen Vorteils aus einer Sache nur als Indiz für die Inhabereigenschaft ansieht. Um die Halter- oder Betreibereigenschaft einer Person oder eines Unternehmens zu begründen, wird zusätzlich noch ein Mitinnehaben der tatsächlichen Verfiigungsmacht verlangt.

bb) Gewichtung des wirtschaftlichen Vorteils in der Literatur Das Erlangen des wirtschaftlichen Vorteils reicht auch nach den Stimmen der Literatur zur Qualifizierung des Inhabers nicht aus. Heß vertritt zwar die Ansicht, daß bei einer Betonung des Merkmals der Verfiigungsgewalt der Schutz des Opfers unterlaufen würde. Dadurch würde der häufig leistungsfähigere "Beherrscher" eines Betriebes von der Haftung entbunden. Er sieht darin die Gefahr, daß durch Übertragung der haftungsrelevanten Betriebe auf kapitalschwache Unternehmen dem Opfer die Haftungsgrundlage entzogen wird138 . Andererseits spricht er aber ebenso vom Objektbezug, der zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hinzutreten müsse 139 . Eine klare und praktikable Bestimmung des Ersatzpflichtigen sei allein unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Veranlassung nicht möglich. Deshalb sei auf die aus der Leistungsfähigkeit resultierende wirtschaftliche Herrschaftsmacht, die den Ablauf des Betriebes in seinen wesentlichen Zügen zu bestimmen vermag, abzustellen 140 .

Auch Koch sieht in dem Merkmal der wirtschaftlichen Nutzung einen wichtigen Zurechnungsgrund. Er hält aber die tatsächliche Nutzung für ausschlaggebend, da der tatsächliche Nutzer im Zeitpunkt der Schadensentstehung direkten Einfluß auf die Sache nehmen könnte 141 .

137 Siehe oben B.l1.2. Die Rechtsprechung setzt fiir den Kfz-Halter die gleichen Zurechnungskriterien voraus wie fiir den Inhaber- oder Betreiberbegriff. 138 HeB, S. 52. 139 HeB, S. 176. 140 HeB, S. 175 f 141 Koch, S. 154.

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Des weiteren ist auch Köndgen der Ansicht, daß der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils als Zurechnungsgrund bei der Abwägung eher indifferent sei 142.

ce) Stellungnahme Einer der tragenden Grundgedanken der Gefährdungshaftung ist der Opferschutz. Wo unbeherrschbare Gefahren aufgrund ihrer Häufigkeit oder ihrer außergewöhnlichen Folgen die körperliche und wirtschaftliche Existenz des Einzelnen bedrohen, findet ausnahmsweise eine Entlastung des Opfers vom Zufallsschaden statt l43 . Die Zurechnung muß den Urheber dieses Risikos suchen. Dabei spielt zwar auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine Rolle. Die Gefährdung wird jedoch nicht nur aufgrund des Profitinteresses des einzelnen Produzenten, sondern im Dienste eines überwiegend anerkannten Allgemeininteresses erlaube 44 . Auch der Allgemeinheit nützt die gefährliche Produktion. Der Betriebsherr könnte sein Geld auch mit einem weniger gefährlichen Betrieb verdienen. Die Gefahr geht letztendlich von demjenigen aus, der die Gefahrenquelle errichtet und unterhält. Erster Anknüpfungspunkt ist zunächst immer die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Die Gefährdungshaftung ist sachbezogen. Daher läßt sich nicht nur über den Zufluß von finanziellen Vorteilen feststellen, wer die Gefahrenquelle unterhält und beherrscht 145 . Die Gefahrbeherrschung setzt auch voraus, daß technisch und organisatorisch so produziert wird, daß das Risiko der Gefahr minimiert wird. Es wird zwar für unvermeidbare Gefahren gehaftet. Das Risiko eines Schadenseintrittes ist jedoch bei einer technisch sicher ausgestatteten Anlage wesentlich geringer als bei einer schadhaften Anlage l46 • Für die Aufrechterhaltung technisch sicher produzierender Anlagen sind Finanzmittel notwendig. Die Finanzmittel allein sind jedoch nicht ausreichend, Sicherheit zu gewährleisten. Sie müssen entsprechend eingesetzt werden. Den "richtigen Einsatz" kann aber wieder nur der bestimmen, der die Anlage tatsächlich nutzt. Das Risiko kann damit letztlich nur der minimieren, der direkten Einfluß auf die Gefahrenquelle nehmen kann, nicht aber detjenige, der nur den wirtschaftlichen Nutzen zieht.

Köndgen, S. 34. So Heß, S. 174. 144 Kanno, S. 87; Köndgen, S. 30, 34. 14' So im Ergebnis auch Koch, S. 154; Köndgen, S. 34. 146 Koch, S. 153. 142

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B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

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Wenn das Ziehen des wirtschaftlichen Nutzens dazu führt, daß für den tatsächlichen Nutzer nicht mehr die Möglichkeit besteht, die Anlage in einem technisch sicheren Zustand zu betreiben, kann der wirtschaftliche Nutzen in die tatsächliche Verfügungsgewalt "umschlagen". Von diesem Moment an, steht nicht mehr allein der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund, sondern das Merkmal der "Erhaltung der Anlage" wird erfüllt und damit ein Teil der tatsächlichen Verfügungsgewalt 147 . Auch für die Schaffung und Aufrechterhaltung der Gefahrenlage, ist die tatsächliche Einwirkung auf die Gefahrenquelle erforderlich. Derjenige, der den tatsächlichen Einfluß auf die Gefahrenquelle hat, ist zudem der einzige, der die Gefahrenlage beenden kann. Wer lediglich über die Betriebsgewinne entscheidet, hat allein durch diese Entscheidung nicht den erforderlichen tatsächlichen Einfluß auf die Gefahrenquelle. Er kann letztlich auch dem durch die Gefahrdungshaftung erwünschten Opferschutz nicht gerecht werden. Allein die wirtschaftlichen Vorteile in Form von Gewinnen begründen damit noch nicht den zur Begründung der Gefahrbeherrschung erforderlichen Einfluß auf den Betrieb der Anlage. Diesem Zurechnungsmerkmal kann daher allenfalls Indizwirkung zukommen. Daher kann mit Heß festgestellt werden, daß die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit gleichsam nur die eine Hälfte der Haftungsidee ist und sich erst mit Hinzutreten des Objektbezuges eine tragfähige Haftungsgrundlage ergibe 48 .

d) Zusammenfassung der für die Bestimmung der Inhabereigenschafl maßgeblichen Kriterien Für die Bestimmung der Inhabereigenschaft im Konzern lassen sich drei Kriterien heranziehen. Dies sind die vermögensrechtliche Zuordnung, die Erhaltung der Anlage und die tatsächliche Nutzung der Anlage. Das Merkmal des wirtschaftlichen Vorteils liefert hingegen nur ein Indiz für die Inhabereigenschaft. Um die Inhabereigenschaft zu begründen, kann der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils allein nicht ausreichen. Es muß immer noch eines der drei erstgenannten Elemente hinzutreten. Erfüllen mehrere Unternehmen diese Kriterien in Bezug auf dieselbe Anlage, ist zu untersuchen, ob einer der Beteiligten den ausschlaggebenden Einfluß hat. Ist das nicht klar erkennbar, wird die Inhabereigenschaft gemeinschaftlich erfüllt.

147

Siehe dazu noch ausfiihrlich im einzelnen Wlten B.Y.l.a)bb)(2) Wld (3).

148

Heß, S. 175.

5 Ossenhühl

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ill. Begriff des Konzerns Für die herausgearbeiteten Zurechnungsmerkmale ist nach Anknüpfungspunkten im Konzern zu suchen. Konzerne gibt es unter Beteiligung sowohl von Kapital- als auch von Personengesellschaften l49 . Gesetzliche Regelungen finden sich nur für das Aktienkonzernrecht. Das GmbH- und Personengesellschaftskonzernrecht beruhen weitgehend auf Richterreche so . Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf das GmbH- und Aktienkonzernrecht. Das Personengesellschaftskonzernrecht soll nicht behandelt werden. Eine gesetzliche Definition des Konzerns findet sich in § 18 Abs. 1 S. 1 AktG. Danach ist wesentliches Merkmal des Konzerns die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter der einheitlichen Leitung eines anderen Unternehmens. Bei Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist, wird die einheitliche Leitung als gegeben angesehen (§ 18 Abs. 1 S. 2 AktG). Bei nicht vertraglich verbundenen Unternehmen wird die einheitliche Leitung vermutet, wenn ein Unternehmen von dem anderen abhängig ist. Abhängig ist ein Unternehmen dann, wenn ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar auf dieses einen beherrschenden Einfluß nehmen kann (§ 17 Abs. 1 AktG). Das wird wiederum vermutet, wenn ein Unternehmen im Mehrheitsbesitz einer anderen steht (§ 17 Abs. 2 AktG). Der Konzerntatbestand baut auf einer doppelten Vermutung auf. Da viele konzernrechtliche Vorschriften bereits an die Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses anknüpfen, ist § 17 AktG die zentrale Norm des allgemeinen Konzernrechts lSl . Die Vorschriften der §§ 15-19 AktG zu den einschlägigen Begriffen sind rechtsforrnneutral gefaßt. Es ist deshalb unbestritten, daß sie auch im GmbHRecht Anwendung finden lS2. Das Gesetz unterscheidet zwischen Unterordnungs- und Gleichordnungskonzernen 1S3 . Der Gleichordnungskonzern unterscheidet sich gern.

Emmerich/Sonnenschein, S. 28 f; Wiedemann, S. 59. Vgl. Wiedemann, S. 1, 59; Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 6; der 59. Deutsche Juristentag hat sich gegen eine gesetzliche RegelWlg des GmbHKonzernrechts ausgesprochen, vgl. VerhandlWlgen des 59. DIT Bd. II, R 19l. m KölnerKommIKoppensteiner, § 17 AktG Rdn. 13 ff.; Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 8; Emmerich/Sonnenschein, S. 40. m Vgl. statt aller LutterfHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 3. 149

ISO

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§ 18 Abs. 2 AktG vom Unterordnungskonzern dadurch, daß die unter einheitlicher Leitung zusammengefaßten Unternehmen nicht voneinander abhängig sind154 . Innerhalb der Unterordnungskonzerne unterscheidet man aus rechtlicher Sicht vor allem die Vertrags- und die faktischen Konzerne m . Der im Aktiengesetz geregelte Beherrschungsvertrag ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Rechtsgrundlage für die Konzernleitungsmacht. Nur dieser begründet ein echtes Weisungsreche 56 . Für den GmbH-Vertragskonzern werden die Regeln im wesentlichen analog zu den aktienrechtlichen Vorschriften entwikkelt m . Fehlt ein Beherrschungsvertrag und wird bloß faktische Leitungsmacht ausgeübt, liegt ein faktischer Konzern vor 158 . Die Möglichkeiten des herrschenden Unternehmens zur Ausübung von Konzernleitungsmacht sind eingeschränkt. Ob die Ausübung von Leitungsmacht geduldet, erlaubt oder eigentlich verboten ist, ist umstritten 159 . Nach dem Aktiengesetz dürfen nachteilige Weisungen der Obergesellschaft jedoch gegen einen Nachteilsausgleich erfolgen. Dieser ist jeweils für die einzelne nachteilige Maßnahme zu leisten (§§ 311, 317 AktG). Im GmbH-Recht findet sich kein derartig gesetzlich geregelter Schutzmechanismus. Das Weisungsrecht der Gesellschafter ergibt sich aus § 37 GmbHG. Eine Begrenzung wird aus der allgemeinen Treuepflicht hergeleitee 60 . Es können sich im faktischen Konzern Situationen ergeben, die einem Vertragskonzern ähnlich sind und bei denen deshalb die Anwendung der Regeln über den Vertragskonzern angemessen sein kann. Für bestimmte "qualifizierte" Situationen im faktischen Konzern kann der Einzelausgleich nicht den ausreichenden Schutz für das abhängige Unternehmen bieten. Daher m RowedderlKoppensteiner, Anh § 52 Rein 14; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rein. 2; LutterlHommelhoff, Anh § 13 GmbHG Rein. 62. 1~ LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rein. 62. m EmmerichlSonnenschein, S. 61 f 156 Kropff, S. 403; Decher, MÜllchener Handbuch, GmbH, § 69 Rein. 10. 157 RowedderlKoppensteiner, Anh. § 52 GmbHG Rein. 42 ff. Wld 82; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rein. 9; Decher, MÜllchener Handbuch, GmbH, § 69 Rein. 10. m Allgemein gebräuchlicher Ausdruck; siehe statt vieler Decher, MÜllchener Handbuch, GmbH, § 69 Rein. 12. 159 Vgl. KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rein. 16, wo er die Problematik der Vereinbarkeit von § 311 Wld § 18 Abs. 1 S. 3 AktG darstellt. Zusammenfassend Hommelhoff, S. 109 ff. 160 Siehe BGHZ 65, 15, 18; aus der Literatur z.B. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; ganz ausführlich Wlten B.VIll.3.a)bb) Wld 3. Kap. C.Il. 5*

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wurde im GmbH-Konzernrecht der qualifiziert faktische Konzern entwikkelt161 . Die näheren Voraussetzungen für das Vorliegen eines solchen qualifiziert faktischen Konzerns sind nach wie vor nicht abschließend geklärt 162. Man ist sich aber zumindest über die Rechtsfolgen, die in Anlehnung an die gesetzliche Regelung zum Vertragskonzern entwickelt wurden, weitestgehend einig163 . Für alle Konzerne gilt das Merkmal der Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung. Was das im einzelnen bedeutet und worin insbesondere der Mindestgegenstand der einheitlichen Leitung besteht, hat der Gesetzgeber bewußt offen gelassen l64 . Der Begriff der einheitlichen Leitung ist für alle Konzerne konstitutives Wesensmerkmal. Über die einheitliche Leitung erfolgt die Einflußnahme auf die abhängigen Gesellschaften. Über das Ausüben der einheitlichen Leitung könnte die Obergesellschaft zur Mitbetreiberin einer umweltgefährdenden Anlage werden. Ob dies der Fall ist, hängt zunächst davon ab, welche Parallelen oder Verbindungen zwischen Betreiberbegriff und dem Begriff der einheitlichen Leitung bestehen bzw. ob solche überhaupt bestehen.

IV. Gemeinsamkeit aller Konzerne: Die einheitliche Leitung 1. Verknüpfung zwischen dem Begriff der einheitlichen Leitung und dem Begriff des Betreibers Die einheitliche Leitung ist konstitutives Merkmal für das Vorliegen eines Konzerns 16S . Ihr Vorliegen führt dazu, daß bloße Abhängigkeitsverhältnisse als Konzern qualifiziert werden. Die Abhängigkeit gibt dem herrschenden Unternehmen zunächst nur die Möglichkeit, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auszuüben. Unerheblich ist, ob die Beherrschungsmöglichkeit tatsächlich ausgeübt wird. Die Möglichkeit zur Ausübung eines

161 Z.B. BGHZ 95, 330, 345; besondere Rechtsregeln wurden erstmals vom AIbeitskreis GmbH-Reform entwickelt. 162 Vgl. Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 13. 163 Z.B. BGHZ 95, 330, 343; BGHZ 107, 7, 18; SonnenscheinlHoldorf, JZ 1992, 715, 723. Zu einer eventuellen gesellschaftsrechtlichen Hafhmg bei der Verwirklichung von Umwelthafhmgstatbeständen siehe unten 3. Kap. 164 KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 12; Hülfer, § 18 AktG Rdn. 8; Kropff, S.33. 16' WÜfdinger, in Großkomm., § 18 AktG Anm. 4; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 12; GeßlerlHefermehllEckardtJKropff, § 18 AktG Rdn. 6, der neben der einheitlichen Leitung noch eine Zusammenfassung der Konzernunternehmen verlangt; verneinend Dierdorf, S. 86 f; Hülfer, § 18 AktG Rdn. 7; zweifelnd auch Emmerich/Sonnenschein, S. 57; RothiAltmeppen, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 11.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

69

beherrschenden Einflusses muß gesellschaftsrechtlich vermittelt sein 166 . Dabei können auch tatsächliche Umstände im Zusammenwirken mit einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung die Annahme einer beherrschenden Einflußmöglichkeit rechtfertigen. Der Konzern unterscheidet sich vom bloßen Abhängigkeitsverhältnis dadurch, daß dieser beherrschende Einfluß tatsächlich ausgeübt wird167 .Unabhängig davon, welche Mindestanforderungen an das Vorliegen der einheitlichen Leitung gestellt werden, zeichnet sie sich immer dadurch aus, daß eine Beherrschungsmöglichkeit tatsächlich genutzt wird. Darin könnte der Anknüpfungspunkt zum Begriff des Betreibers bzw. Inhabers zu sehen sein. Die Gemeinsamkeit beider Begriffe könnte darin liegen, daß eine Herrschaftsmöglichkeit tatsächlich ausgenutzt wird l68. Der Betreiberbegriff zeichnet sich dadurch aus, daß tatsächlich auf eine Anlage Einfluß genommen wird. Das ist Voraussetzung für die Gefahrbeherrschungsmöglichkeit. Nur wer auch tatsächlich Einfluß auf den Betrieb einer Anlage nimmt, kann die von der Anlage ausgehenden Gefahren abstellen. Nur er kann den Betrieb einstellen, wenn ihm das von der Anlage ausgehende Risiko zu groß erscheint l69 . Während die Betreibereigenschaft die Einflußnahme auf eine Sache - nämlich die Anlage als technisches Instrument - betrifft, geht es bei der einheitlichen Leitung um die Einflußnahme auf eine Gesellschaft. Letztere ist im Gegensatz zu einer umweltgefahrdenden Anlage eine Rechtspersönlichkeit mit komplexen Strukturen. Der Zusammenhang zwischen beiden Begriffen besteht darin, daß über die Ausübung der einheitliche Leitung in der Praxis gleichzeitig die tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Anlage eines Tochterunternehmens hergestellt werden kann.

2. Ausüben der einheitlichen Leitung und Betreiberbegriff Die einheitliche Leitung kann so ausgestaltet sein, daß sie der Muttergesellschaft Zugriff auf und Kontrolle über die gefährliche Anlage der Tochtergesellschaft erlaubt. Dadurch kann diese als Inhaberin der Anlage zu qualifizieren sein.

166 BGHZ 90, 381; Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 29; Lutter/ Hommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 5. 167 Dierdorf, S. 87; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 26. 161 Siehe zur Definition des Betreiberbegriffs oben B.II. und unten B. VI.l.e). 169 Siehe zu den Zurechnungsgründen und Elementen fiir die Gefiihrdungshaftung B.II.1.

Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdWlgshaftWlg

70

Davon geht auch die bisher erschienene Literatur aus. Lutter sieht die Muttergesellschaft selbst als Betreiberin an, wenn sie hinsichtlich des Betriebs der Anlage der Tochtergesellschaft konkret Leitungsmacht ausübt 17 0. Schneider geht davon aus, daß die Konzernlage an sich noch nicht ausreichend ist, um die Betreibereigenschaft der Muttergesellschaft zu begründen. Es muß vielmehr eine konkrete Einflußnahme der Muttergesellschaft auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft vorliegen l7l . Nicht ganz so eindeutig aber auf dieser Linie liegen die Aussagen von Westermann und Michalski 172 • Westermann ist der Ansicht, daß allein die Möglichkeit fiir in den Produktionsprozeß eingreifende Weisungen nicht ausreichen soll, um die Obergesellschaft zur Mitbetreiberin zu machen 173 . Auch hier geht es also um die tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht. Michalski geht nur davon aus, daß die Tochtergesellschaft eigenverantwortlich mit dem betreffenden Aufgabenbereich betraut wird, also weisungsfrei hinsichtlich der technischen Ausstattung und des Einsatzes der Anlage sein muß 174 . Aus dem Ausdruck "weisungsfrei" läßt sich ableiten, daß Leitungsmacht in Form von Weisungen tatsächlich ausgeübt worden sein muß. Auch K. Schmidt spricht davon, daß sich die Obergesellschaft "durch Ausübung ihrer Leitungsmacht zur organisationsrechtlichen Herrin des Anlagenbetriebes" machen kann 17S . Diese Fragestellung ist nicht mit der äußerst kontrovers diskutierten Frage nach dem Mindestinhalt der einheitlichen Leitung zu verwechseln. Von deren Beantwortung hängt die Eigenschaft einer Unternehmensverbindung als Konzern ab. Die vorliegende Untersuchung geht davon aus, daß bei den zu untersuchenden Konzernformen der Mindestinhalt der einheitlichen Leitung erfullt

ise 76 . Es läßt sich somit festhalten, daß die einheitliche Leitung so ausgeübt werden kann aber nicht muß, daß sie das herrschende Unternehmen zum Betreiber einer Anlage in der abhängigen Gesellschaft macht. Es stellt sich nun die Frage: Wie muß die einheitliche Leitung ausgestaltet sein, um so in den BeLutter, Holding-Handbuch, F 24, S. 58. Schneider, ZGR 1996, 225, 239. 172 Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 233 ff.; Michalski, Jura 1995,617,621. 173 Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 239. 174 Michalski, Jura 1995, 617, 621. m K. Schmidt, UTR Band 26 (1993), 69, 84. 176 Zu der Frage, ob es überhaupt der Konzernlage bedarf, damit ein außenstehendes Unternehmen als Betreiberin einer Anlage angesehen werden kann, die im Eigentum eines anderen Unternehmens steht, siehe B. Vll. 170 171

B. Inhaber- lDld Betreiberbegriff im Konzern

71

trieb der Tochtergesellschaft einzugreifen, daß die Muttergesellschaft zur (Mit)Betreiberin gemacht wird? Antworten finden sich hierzu in der Literatur nur sehr ansatzweise und es liegt auch noch keine Rechtsprechung zu dieser Frage vor. Um eine Antwort zu finden, sollen die Mittel und Bereiche vorgestellt werden, durch die und in denen im Konzern die einheitliche Leitung ausgeübt werden kann. Sowohl die Mittel als auch die Bereiche der Konzernleitung sollen daraufhin untersucht werden, wie ihre Ausgestaltung sich auf die Mitbetreiberhaftung der Obergesellschaft auswirkt.

v. Mittel der einheitlichen Leitung Die Mittel der einheitlichen Leitung sind so vielf"ältig, daß der Gesetzgeber bewußt auf eine Detaillierung verzichtet hat. Sie reichen von personellen Verflechtungen über weniger intensive Einwirkungsformen wie gemeinsame Beratungen, Richtlinien etc. bis hin zu verbindlichen Weisungen177 . Letztere sind das einzige zur Durchsetzung einer einheitlichen Leitung gesetzlich (§ 308 Abs. 1 und 2 AktG) geregelte Mittel. Nur gegenüber dem Vorstand einer abhängigen Gesellschaft, mit der ein Beherrschungsvertrag gern. § 291 AktG besteht, sind Weisungen gesetzlich vorgesehen. In der abhängigen GmbH wird § 308 Abs. 1 und 2 AktG entsprechend angewandt, wenn ein Beherrschungsvertrag besteht178 . Ob das. Gesetz die Mittel der einheitlichen Leitung auf verbindliche Weisungen beschränken wollte oder ob auch andere Lenkungsinstrumente zulässig sind, ist bisher noch wenig geklärt. Um zu verhindern, daß Schutzlücken entstehen, wird daher teilweise ein sehr weitgespannter WeisungsbegrifI vertreten 179 . Es entspricht der Konzernpraxis, daß neben der verbindlichen Weisung auch andere Leitungsmittel, die über gemeinsame Beratungen, Richtlinien, Empfehlungen bis hin zu personellen Verflechtungen gehen, angewandt werden l80 . Auch im faktischen oder qualifiziert faktischen Konzern entsprechen Weisungen und andere Leitungsmaßnahmen der konzernrechtlichen Realität. Sie

177 BegriindlDlg Regiertmgsentwurf bei Kropff, S. 33; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 29; GeßlerlHefermehIlEckardtlKropff, § 18 AktG Rdn. 27; Hüffer, § 18 AktG Rdn. 12; Meier, Wpg. 1966, 570, 571 f; Arbeitskreis Krähe, S. 63 ff.; ScheIDer, DB 1985,2005, 2006ff. 171 Wohl allgemeine MeinlDlg; siehe lDlter anderem Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 72 Rdn. 20; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 AktG Rdn. 34; Baumbachl Hueck/Zöllner, GmbH-KonzemR Rdn. 49. 179 Vgl. EmmerichiSonnenschein, S. 316; Hoffinann-Becking, ZHR 150 (1986), 570; U. H Schneider, ZHR 150 (1986), 609. 110 Vgl. Arbeitskreis Krähe, S. 68ff.

Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefiihrdWlgshaftung

72

können von der Leitung eines abhängigen Unternehmens kaum zurückgewiesen werden l8l . Dies hat seinen Grund darin, daß bei der GmbH die Gesellschafter der Geschäftsführung gern. § 37 Abs. 1 GmbH jederzeit Weisungen erteilen können. Der Vorstand der Aktiengesellschaft hat zwar gern. § 76 Abs. 1 AktG die Aktiengesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten. Es erfolgen aber dennoch faktische Einflußnahmen über Personalverflechtung oder die Besetzung des Aufsichtsrates. Daher ist die nach wie vor umstrittene Frage, ob eine derartige Ausübung von Leitungsmacht erlaubt, geduldet oder weitgehend verboten ist, für die vorliegende Untersuchung ohne Belangl82 . Es geht hier darum, festzustellen, wie eine umweltrechtliche Haftung im Rahmen der tatsächlichen Ausübung der Leitungsmacht aussehen könnte.

1. Die Weisung als inhaberqualifizierendes Merkmal

Die Weisungen lassen sich in Bezug auf ihre GefahreIUlähe in drei Gruppen einteilen. Zum einen gibt es Weisungen, die sich direkt auf den Betrieb der umweltgefuhrdenden Anlage richten, weiterhin finden sich Weisungen, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen, und schließlich Weisungen, die mit dem Betrieb der Anlage in keinem Zusammenhang stehen 183 .

a) Betriebsbezogene Weisungen Unter betriebsbezogenen Weisungen sind solche Weisungen zu verstehen, die sich unmittelbar auf den Betrieb der umweltgefährdenden Anlage richten. Darunter fallen z.B. Weisungen, die die technische Überwachung oder den technischen Ab-

Vgl. sinngemäß EmmerichiSonnenschein, S. 338. Nach ganz h.M. steht dem Vorstand kein WeisWlgsrecht gegenüber der abhängigen AG zu, wenn kein BerherrschWlgsvertrag besteht: vgl. hierzu m.w.N. Krieger, Münchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 31; allerdings sollen nach ganz h.M. neben der gesetzlich vorgesehenen WeisWlg andere faktische Durchsetzungsmöglichkeiten grWldsätzlich erlaubt sein, siehe statt vieler Krieger, Münchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 31; GeßlerlHeferrnehllEckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 33. In der GmbH wird diese Frage nicht für 100%ige Tochtergesellschaften, sondern nur für GmbHs mit Minderheitsgesellschaftern relevant, Decher, Münchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 12. GrWldsätzlich kann die GesellschafterversammlWlg WeisWlgen erteilen (§ 37 GmbHG). AufgrWld der Treuepflicht dürfen diese jedoch grWldsätzlich nicht nachteilig sein. Weniger streng kann das bei ZuStimmWlg aller Mitgesellschafter gesehen werden, siehe hierzu LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 13. 183 Westerrnann, ZHR 155 (1991), 223, 238 grenzt allerdings nur die WeisWlgen in Bezug auf die umweltgefährdende Anlage von der dezentralen FührWlg des Konzerns ab. WeisWlgen sind aber auch in einem dezentral geführten Konzern möglich Wld üblich. 111

182

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

73

laufbei der Nutzung der Anlage betreffen. Diese sind vor allem dann anzunehmen, wenn der Entscheidungsspielraum der Tochtergesellschaft hinsichtlich der Anlage auf ein Minimum reduziert wird l84 . Auch Weisungen, die den Einkauf von Ersatzteilen fiir die Anlage oder den Abschluß von Wartungsverträgen mit Dritten beinhalten, sind betriebsbezogen, weil durch sie direkt auf den Zustand der Anlage Einfluß genommen wird. Das gilt ebenso fiir Weisungen mit dem Inhalt, welche finanziellen Mittel fiir welche Anlage im Rahmen der Produktion zur Verfügung stehen sollen. Da dann keine Weisungsfreiheit und eigene Verantwortung der Tochtergesellschaft fiir den Betrieb der Anlage vorliegt, erfüllt die Obergesellschaft das Merkmal der tatsächlichen Verfügungsgewalt in seiner Ausprägung "Erhaltung der Anlage" und "tatsächliche Nutzung" mie ss . Des weiteren können Weisungen, zur Betreuung des Produktionsablaufs Techniker und Ingenieure der Obergesellschaft hinzuzuziehen, betriebsbezogen sein. Dies sieht auch Rehbinder so. Er nimmt eine unmittelbare Beherrschung der Anlage der Tochtergesellschaft dann an, wenn der operative technische Anlagenbetrieb unter unmittelbarer Leitung von Angehörigen der Obergesellschaft stehe 86. Betriebsbezogen ist eine Weisung dann, wenn diese Techniker und Ingenieure nicht dem Direktionsrecht des beherrschten Unternehmens unterliegen, sondern selbständig in die Produktion der Tochtergesellschaft eingreifen. Solche Weisungen fiihren dazu, daß die Obergesellschaft die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage derart übernimmt, daß sie die tatsächliche Nutzung der Anlage mitbestimmt. Dadurch wird sie zur Mitbetreiberin. Dies ist auch das Ergebnis von Westermann, Schneider und Michalski. Eine Differenzierung von verschiedenen Weisungstypen nehmen sie nicht vor. Schneider geht davon aus, daß das abhängige Unternehmen die Anlage in eigener Verantwortung betreibt, wenn das kontrollierende Unternehmen auf laufende Weisungen zur Handhabung der Anlage verzichtee s7 . Er begründet dies damit, daß nur die nicht weisungsgebundene Tochtergesellschaft die von der Anlage ausgehenden Risiken beherrscht und Schäden zu verhindern vermag. Westermann ist von seiner Begründung her nicht ganz so eindeutig. Vom Ergebnis her sieht er aber auch, daß bei in den Produktionsprozeß eingreifenden Weisungen eine Mithaftung der Obergesellschaft in Betracht kommt. Dies kann man seiner Formulierung "die Existenz 114 Dies ergibt sich auch aus dem von Jarass, § 3 BImSchG Rdn. 70, vertretenen mhaberbegriff, der Weisungsfreiheit und eigene Verantwortung hinsichtlich des Betriebes der Anlage voraussetzt. Siehe oben B.n. und auch LandmannfRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 1 UmweltHG Rdn. 52. m Siehe zu den einzelnen Zurechnungsmerkmalen der Gefährdungshaftung oben B.n.3.a)bb)cc). 186 LandmannfRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 1 UmweltHG Rdn. 52, allerdings ohne eine weitere Begründung. 117 Schneider, ZGR 1996, 225, 238.

74

Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefiihrdWlgshathmg

von Weisungen in bezug auf den Betrieb einer umweltgefährdenden Anlage" entnehmen 188 . Auch wenn er zu diesem Fall nicht direkt Stellung bezieht, so kann man doch seinen weiteren Ausfuhrungen entnehmen, daß er dann eine Betreiberhaftung der Obergesellschaft annimmt. Auch Michalski geht davon aus, daß die Tochtergesellschaft weisungsfrei hinsichtlich des Einsatzes der Anlage sein muß 189 . Allen ist den bereits dargelegten Griinden uneingeschränkt zuzustimmen. Es läßt sich festhalten, daß allen Weisungen, die Bereiche betreffen, in denen direkt mit der Anlage gearbeitet und dort steuernd eingreifen, als betriebsbezogen qualifiziert werden können. Solche Weisungen vermitteln dem herrschenden Unternehmen Herrschaftsmacht über die Anlage. Diese wird dann nicht mehr allein durch das Tochtemnternehmen kontrolliert und genutzt. Durch betriebsbezogene Weisungen nimmt das herrschende Unternehmen auf den Betrieb der Anlage Einfluß und ist dadurch an der Schaffung der Gefahr beteiligt. Es kann in diesem Fall das Risiko mitbeherrschen und die Gefahr mitkontrollieren. Da das weisende Unternehmen bei betriebsbezogenen Weisungen in der Lage ist, die Gefahr, die mit der Anlage verbunden ist und der durch die Gefahrdungshaftung begegnet werden soll, mit zu steuern, ist es im Fall betriebsbezogener Weisungen als Mitinhaber zu qualifizieren.

b) Mittelbar betriebsbezogene Weisungen Mittelbar betriebsbezogen sind Weisungen, die nicht direkt in Bezug auf die Anlage erfolgen, aber indirekt doch auf die Funktion der Anlage Einfluß nehmen. Darunter fallen z.B. Weisungen, eine bestimmte Menge oder ganz bestimmte Produkte herzustellen, denn die Produkte werden mit der Anlage hergestellt. Wenn für die Forschung die Nutzung einer Anlage notwendig ist, können deshalb auch Weisungen, bestimmte Forschungen vorzunehmen, mittelbar betriebsbezogen sein. Solche Weisungen qualifizieren das herrschende Unternehmen nicht zwingend als Betreiber, denn die Tochtergesellschaft hat den tatsächlichen Zugriff auf die Anlage, arbeitet mit der Anlage .und nutzt diese damit tatsächlich. Ob auch die Obergesellschaft Mitbetreiberin ist, ist vom Einzelfall abhängig. Die Tochtergesellschaft muß den Spielraum haben, zu entscheiden, ob sie die Verantwortung für die angeordneten Maßnahmen übernehmen kann, denn nur dann entscheidet sie allein hinreichend über die tatsächliche Nutzung der Anlage. Auch Westennann z.B. sieht als entscheidend an, daß die Tochtergesellschaft nicht per Weisung zur Errichtung oder Inbetriebnahme einer Anlage gegen ihren Willen ge-

118

119

Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 237. Michalski, Jura 1995, 623.

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

75

zwungen werden clarf90. Nach Michalski muß die Tochtergesellschaft auch weisungsfrei hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Ausstattung der Anlage sein191 . Auch wenn die Weisungen die Anlage nur mittelbar betreffen, können sie deren Sicherheit mit beeinflußen. Eine Umstellung der Produktpalette kann sich z.B. auf die Sicherheit der Anlage auswirken, wenn diese ursplÜnglich fur die Herstellung eines anderen Produktes konzipiert wurde. Die Tochter muß daher bei den mittelbar betriebsbezogenen Weisungen entscheiden können, ob sie einen Betrieb der Anlage unter vorgegebenen Rahmenbedingungen verantworten kann. Bleibt ihr dieser Vorbehalt nicht, so ist die Mutter Mitbetreiberin.

c) Nicht betriebsbezogene Weisungen Weisungen, die mit dem Betrieb der Anlage in keiner Verbindung stehen, fuhren nicht dazu, daß die Muttergesellschaft zur Mitinhaberin der Anlage wird. Alle Weisungen, die Unternehmensbereiche betreffen, in denen nicht mit der umweltgefuhrdenden Anlagen gearbeitet wird, sind nicht betriebsbezogen l92 . Unter die nicht betriebsbezogenen Weisungen fallen auch Weisungen hinsichtlich der Verwendung finanzieller Mittel in der Tochtergesellschaften. Da die Kosten fur die Unterhaltung, den Bau, den Betrieb, die immissonschutzrechtlichen Vorkehrungen an einer solchen Anlage recht hoch sind, könnte die Muttergesellschaft über die Bestimmung des Einsatzes von finanziellen Mitteln indirekt auf den Betrieb der Anlage Einfluß nehmen. Solange die Tochtergesellschaft aber mit der vorgesehenen finanziellen Ausstattung selbst entscheiden kann, fur welche Maß.nahmen sie die Finanzen einsetzt, ist davon auszugehen, daß die Nähe der Muttergesellschaft zum Betrieb der Anlage nicht vorliegt, um diese als Mitinhaberin zu qualifizieren 193. Wenn der Tochtergesellschaft genau vorgeschrieben wird, wie die finanziellen Mittel in Bezug auf die Anlage im einzelnen zu verwenden sind (z.B. ein bestimmter Betrag fiir die technische Sicherheit der Anlage), liegt schon eine betriebsbezogene Weisung vor. Die Muttergesellschaft bestimmt dann über die "Erhaltung der Anlage" 194

190 191

Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 238. Michalski, Jura 1995, 617, 623

Dazu, welche Bereiche des Unternehmens dies im einzelnen sind, Wlten B.Vl. Zu der Frage, wie die finanzielle AusstattWlg im einzelnen aussehen sollte, siehe Wlten B.Vl.l.a)bb)(3) Wld 9. 194 Siehe zu dem Merkmal ErhaltWlg der Anlage oben B.II.3.a)bb). 192

193

76

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrdungshafhmg

d) Umfang und Dauer der Weisungen

Fraglich ist, welchen Umfang die Weisungen haben müssen und von welcher Dauer sie sein müssen, um die Mitinhaber-Eigenschaft der Muttergesellschaft zu begründen. Produktionen mit umweltgefährdenden Anlagen dauern immer über einen längeren Zeitraum, da sie sich sonst nicht rentieren würden. Deljenige Betreiber, der über die Verwendung der Anlage und die Art und Dauer des Betriebes bestimmt, ist Betreiber. Das setzt eine gewisse Intensität der Einflußnahme auch in zeitlicher Hinsicht voraus. Der BGH hat deshalb in einem Fall zur Kfz-Miete entschieden, daß bei wenigen Stunden der Gebrauchsüberlassung der Mieter nicht das etforderliche Maß einer tatsächlichen Verfiigungsgewalt besitze, weil er nicht über die Verwendung des Fahrzeuges nach Ort und Zeit bestimmen könne 19s . Übertragen auf die Inhaberschaft einer Anlage läßt sich die Verfiigungsgewalt damit nur dann annehmen, wenn durch die Weisung auf die Verwendung der Anlage, bzw. auf die Art und Dauer des Betriebes Einfluß genommen wird196 . Ein solches Maß der Einflußnahme etfordert zunächst Weisungen über einen längeren Zeitraum. Es kann nicht ausreichen, wenn die Muttergesellschaft einzelne Weisungen erteilt, die zwar betriebsbezogen sind, ihr aber letztlich keinen Einfluß auf die Verwendung der Anlage geben. Es kann allerdings andererseits auch so sein, daß die Mutter nur eine betriebsbezogene Weisung erteilt, deren Folgen die Verwendung der Anlage oder die Art und Dauer des Betriebes nachhaltig mitbestimmen. Dies kann z.B. bei Weisungen, die Produktion umzustellen oder zu erhöhen, gegeben sein. Durch ihre Folgewirkungen gewinnt diese Einzelweisung dann wieder eine auch zeitliche Dauer. Sie führt nur solange, wie durch ihre Folge der Betrieb der Anlage mitbestimmt wird, zu einer Mithaftung. Die Weisungen müssen aber nicht die Intensität haben, daß die Bestimmung über die Verwendung der Anlage und die Art und Dauer des Betriebes im Kern auf die Muttergesellschaft übergeht, um eine Mitbetreiberhaftung zu begründen197 . Wie schon dem Begriff des Mitbetreibers zu entnehmen ist, muß sie durch die Weisungen über die Verwendung und Art und Dauer des Betriebes lediglich mitbestimmen.

BGHZ 33, 331, 334. So auch für den Zußuß des wirtschaftlichen Vorteils, der ihrer Ansicht nach von einiger Dauer sein muß, Bigalke, S. 73; siehe auch EsserlWeyers, S. 643. 197 Das war die nach dem Tiefbau-Urteil (BGHZ 107, 7) von Lutter, AG 1990, 179, 183 gefimdene Formulierung, um den Übergang vom faktischen zum qualifiziert faktischen Konzern zu kennzeichnen. 195 196

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

77

e) Bloße Weisungsmöglichkeit Unabhängig von der Frage, wann im Konzern Weisungen rechtlich zulässig sind, besteht im Konzern zumindest die Weisungsmöglichkeit. Diese ergibt sich entweder aufgrund der Beteiligungsverhältnisse oder aufgrund von Verträgen. Sie beinhaltet die Möglichkeit, betriebsbezogene Weisungen zu erteilen. Fraglich ist, ob auch die bloße Möglichkeit, betriebsbezogene Weisungen zu erteilen, ausreichen kann, um die Mitbetreibereigenschaft der Obergesellschaft zu begründen. Nach der Literatur reicht die bloße Weisungsmöglichkeit oder -befugnis nicht aus, um die Inhabereigenschaft zu begründen l98 . Ein Teil der Literatur bezieht sich auf ein Urteil des BGH aus dem Wasserreche 99 . Es ging dabei um eine Gewässerverschmutzung, die bei der Löschung von Öl entstanden war. Es war die Betreiberin einer Löschbriicke verklagt worden. Diese hatte zwar die Möglichkeit gehabt, den Löschvorgang zu überwachen und zu reglementieren. Hingegen hatte sie keine Möglichkeit, unmittelbar auf die Tanker einzuwirken. Das Öl war während des Löschvorganges direkt aus den Tankern ausgetreten. Der BGH hatte entschieden, daß die Betreiberin der Löschbriicke nicht als Inhaberin der Tanker zu qualifizieren sei. Trotz der Weisungsbefugnisse, die sie während des Löschvorganges gehabt habe, habe sie über die Tanker nicht die tatsächliche Gewalt ausgeübf oo . Die Betreiberin der Löschbriicke hatte überhaupt keine Weisungsbefugnisse bezüglich des Betriebs der Tanker, sondern nur Weisungsbefugnisse hinsichtlich des Löschvorganges. Daß diese nicht ausreichen können, um die Inhaber- oder Mitinhaberschaft der Betreiberin der Löschbriicke zu begründen, ist einleuchtend. Sie hätte selbst bei Ausübung ihrer Weisungsbefugnisse nicht die tatsächliche Sachherrschaft über die Tanker erlangen können. Die Entscheidung besagt damit nur, daß die Weisungsbefugnisse in diesem speziellen Fall nicht ausreichend waren. Das resultiert daraus, daß diese Weisungsbefugnisse sich nur auf den Löschvorgang richteten. Die generelle Feststellung, daß Weisungsbefugnisse für die Betreibereigenschaft allein nicht ausreichend sind, wird dadurch nicht getroffen. Die Entscheidung läßt sich daher nicht zur Begründung, daß die bloßen Weisungsbefugnisse nicht zur Inhabereigenschaft führen, heranziehen201 .

191 Salje, §§ 1, 3 UmweltHG Rdn. 17; StaudingerlKohler, § 1 UmweltHG Rdn. 87; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 51; auch Jarass, § 3 BImSchG Rdn. 70 verlangt weisungsfreies Betreiben, woraus sich umgekehrt schließen läßt, daß tatsächlich keine Weisungen erteilt werden dürfen. Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 237 f; U. H. Schneider, ZGR 1996, 225, 238; so im Ergebnis auch für die Haftung der Konzernmutter in den USA Ochsenfeld, S. 284. 199 BGHZ 76, 35, 39. 200 BGHZ 76, 35, 39. 201 So aber Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 17; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 51; wie hier Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 238.

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshaftung

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Eher läßt sich die bereits oben angefiihrte Entscheidung des BGH zur Haltereigenschaft beim Leasing anfuhren, um zu dokumentieren, daß der BGH Weisungsbefugnisse unter Umständen doch ausreichen läßt, um zumindest die Haltereigenschaft zu begründen. Der BGH setzt für eine Mithaltereigenschaft der Leasinggeberin Weisungsbefugnisse voraus: "Irgendwelche Weisungsbefugnisse hinsichtlich des Einsatzes des Fahrzeuges und der einzelnen Fahrten während der Leasingzeit standen der Klägerin vertraglich nicht zu und nur darauf kommt es an,,202. Damit ist allerdings nicht abschließend gesagt, daß die Weisungsbefugnis allein ausreicht, um die Mithaltereigenschaft zu begründen. Man könnte die Entscheidung auch dergestalt verstehen, daß sie die folgende Negativaussage enthält: wer schon die Weisungsmöglichkeit nicht hat, ist in keinem Fall Halter. Die positive Aussage, daß detjenige, der sie hat, Halter ist, ist damit noch lange nicht getroffen. Das kann dann wiederum von weiteren Kriterien, wie z.B. der Ausübung der Weisungsmacht abhängen. Wie schon dargelegt, hat der BGH bisher noch keine Entscheidung getroffen, in der er die bloße Weisungsbefugnis für eine InhabersteIlung als ausreichend angesehen haf° 3 . Er hat vielmehr immer geprüft, ob die Verfiigungsmacht tatsächlich ausgeübt worden ist. Fraglich ist auch, inwieweit diese Leasingfälle überhaupt mit der Lage im Konzern vergleichbar sind. Von einer näheren Auseinandersetzung mit dieser Frage kann jedoch abgesehen werden, da die Zurechnung der Inhabereigenschaft nur aufgrund von Weisungsbefugnissen mit den Grundgedanken der Gefährdungshaftung nicht vereinbar ist. Einer der Grundgedanken der Gefährdungshaftung ist die Herstellung der Einheit von Haftung und Risikobeherrschuni 04 • Die Prinzipien der Gefahrveranlassung und Gefahrbeherrschung stehen im Mittelpunkf°s. Dafür kommt es maßgeblich auf die Einwirkung auf den betrieblichen Ablauf an206 . Eine . solche Einwirkung ist zwar auch durch Weisungen möglich; die bloße Weisungsbefugnis hingegen führt nicht zu einer beherrschenden Position. Wer die Weisungsbefugnis hat, bestimmt nicht direkt, ob und in welchem Maß eine Gefahr aufrechterhalten wird. Diese Bestimmung wird nur dann getroffen, wenn die Weisung tatsächlich erfolgt. Eine Abnahme der Schadensfolgen ist nur gerechtfertigt, wenn sie auch den wirklichen Nutzer der gefährlichen Anlage trifIf° 7 • Wer aber nur die Befugnis hat, Weisungen zu erteilen, und von dieser Befugnis keinen Gebrauch BGHZ 87, 133, 137. Siehe oben B.II.3.a)cc) mit Nachweisen. 204 DiederichseniScholz, Randwörterbuch Umweltrecht, Sp. 747; Filthaut, § 2 RaftpflG Rdn. 29. 20S LarenzJCanaris, S. 605; Esser, S. 94, 97; Kötz, AcP 170 (1970), 20 f; Blaschczok, S. 53, 65 ff., 70 ff. 206 Deutsch 11, S. 406; ähnlich Larenz, JuS 1965, 373, 374; Rfunelin, S. 30, 46; v. Caemmerer, S. 15; Reß mißt diesen Merkmalen fiir die Zurechnung eine nur ergänzende Rolle zu. 207 Reß, S. 172; Deutsch 11, S. 423. 202

203

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

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macht, ist tatsächlich von der Gefahrenquelle so weit entfernt, daß eine Abwälzung des Gefahrenrisikos auf ihn nicht sachgerecht ist. Wenn aber schon die Weisungsbefugnis nicht ausreicht, so muß dies erst recht für die Weisungsmöglichkeit gelten. Denn die Befugnis setzt im Gegensatz zur tat-

sächlichen Möglichkeit die rechtliche Berechtigung voraus. Die bloße Möglichkeit der Untergesellschaft, Weisungen zu erteilen, kann daher nicht ausreichen, um die Mitbetreiberhaftung der Obergesellschaft zu begriinden.

j) Zusammenfassung

Betriebsbezogene Weisungen des herrschenden Unternehmens führen immer zu einer Mitinhaberschaft dieses Unternehmens, wenn sie hinsichtlich ihrer Dauer und Intensität dazu führen, daß über die Verwendung der Anlage bzw. der Art und Dauer des Betriebes der Anlage tatsächlich mitbestimmt wird Nicht betriebsbezogene Weisungen hingegen führen keinesfalls dazu, daß die Muttergesellschaft als Inhaberin einer Anlage der Tochtergesellschaft, angesehen werden kann. Hinsichtlich der mittelbar betriebsbezogenen Weisungen kommt es darauf an, inwieweit ein eigener Spielraum der Tochtergesellschaft bestehen bleibt. Die bloße Weisungsmöglichkeit oder -befugnis ist nicht haftungsrelevant.

2. Weisungsverwandte Leitungsmittel Neben der verbindlichen Weisung gibt es eine Reihe weiterer weisungsverwandter Mittel der Konzemführung, um die Verwirklichung der einheitlichen Leitung zu gewährleisten. Hier sind Anordnungen, Richtlinien, Regeln, Empfehlungen und Ratschläge zu nennen. Sie unterscheiden sich durch den Grad ihrer Verbindlichkeit, der den einzelnen Tochterunternehmensleitungen einen mehr oder weniger großen Spielraum eigener Willensbildung und Entscheidung läßfo8 . Um zu einer Mithaftung fuhren zu können, müssen diese Mittel genau wie die verbindliche Weisung zunächst betriebsbezogen bzw. mittelbar betriebsbezogen sein. Wenn das der Fall ist, ist weiter zu untersuchen, inwieweit dem Tochterunternehmen eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Dieser kann auf Null reduziert

208 Arbeitskreis Krähe, Konzernorganisation, S. 69; Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 68 Rdn. 69; Meier, Wpg. 1966, 570, 571 f.; KölnerKomm/Koppensteiner, § 18 AktG Rdn. 29; GeßlerlHefermehllEckardtlKropff, § 18 Rdn. 27; Hofinann, DB 1982, 2473.

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrdungshafhmg

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sein, wenn Empfehlungen und Ratschläge betriebsbezogen209 sind und befolgt werden. Dann haftet die Obergesellschaft wieder als Mitbetreiberin. Bei Anordnungen, Richtlinien oder Regeln muß der Tochtergesellschaft die Möglichkeit der eigenverantwortlichen Entscheidung hinsichtlich der technischen Sicherheit der Anlage vetbleiben. Wird diese eingeschränkt und die jeweilige Leitungsmaßnahme gegen den Willen der Tochter durchgesetzt, dann ist eine Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft anzunehmen2lO .

3. Andere Leitungsmittel Es existieren noch weitere Mittel, um im Konzern die möglichst weitgehende Zusammenarbeit der verschiedenen Unternehmen zu sichern. Es gibt z.B. Mitteilungen, Berichte und Prüfungen. Diese haben unvetbindlichen Charakter. Deshalb können sie nie zu einer Mithaftung der Muttergesellschaft führen211 . Die Konzernleitung kann sich zusätzlich votbehalten, bestimmte Geschäfte von ihrer Genehmigung abhängig zu machen212 . Diese hat dann nur Kontrollfunktion und fuhrt nicht zu einem Einfluß auf den Betrieb der Anlage.

4. Personalverllechtung Ein weitere Möglichkeit, die einheitliche Leitung wirkungsvoll durchzusetzen, bietet die Personal verflechtung. Durch sogenannte Doppelmandate kann informell auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft Einfluß genommen werden213 . Die Personal verflechtung gibt es bei allen Arten von Konzernen. Sie ist sowohl beim Aktien- als auch beim GmbH-Konzern vorstellbar und existene l4 . Wenn die herrschende Gesellschaft durch Doppelmandate tatsächlich auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft Einfluß nimmt, erhält sie

So zu beurteilen wie bei den Weisungen, siehe oben V.l.a). Ähnlich auch Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 238. 211 Arbeitskreis Krähe, S. 68 f, 70 f 212 Arbeitskreis Krähe, S. 70. 213 Siehe hierzu die Arbeiten von Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzem und Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstandsdoppelmandaten. Des weiteren Holtmann, Personelle Verflechtungen. 214 Decher, S. 28; ders., Miinchener Handbuch, GmbH, § 71 Rdn. 34; Krieger, ZGR 1994, 375, 386; siehe auch BGHZ 107, 7 ff. (Autokran). 209

210

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

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die tatsächliche Verfügungsbefugnis über den Betrieb der Anlage und wird zur Mitbetreiberin. Eine solche Einflußnahme ist im Hinblick auf die Personalunion schwer feststellbar. Ob die abhängige Gesellschaft zentral oder dezentral geleitet wird, oder inwieweit der abhängigen Gesellschaft ein eigener Entscheidungsspielraum in Bezug auf die Anlage verbleibt, läßt sich so nicht erkennen21S . Es kann damit insbesondere durch die personelle Verflechtung auf den Entscheidungsspielraum der Tochtergesellschaft hinsichtlich der Anlage Einfluß genommen werden. Daher ist zunächst zu untersuchen, bei welcher Art von Personalverflechtung diese Gefahr überhaupt besteht. Daran anschließend ist zu klären, ob das Bestehen des Doppelmandats ausreichen kann, um die Mitbetreibereigenschaft zu begründen.

a) Personalverflechtung von unten nach oben Bei den Doppelmandaten kann zum einen zwischen der Verflechtung von "unten nach oben" und der Verflechtung von "oben nach unten" unterschieden werden. Bei der Personalverflechtung von unten nach oben besteht die Geschäftsleitung des Konzerns aus den Leitern der Zentralressorts und den Leitern der Geschäftsbereiche216 . Die Hauptgründe für eine derartige Verflechtung sind: - die Durchsetzung der Konzernpolitik und die Koordinierung und Kontrolle der Konzernunternehmen; - die Berücksichtigung der Tochterinteressen; - die Verbesserung des Informationsaustausches; - die Verbesserung von Synergieeffekten2J7 • Eine Verfolgung dieser Ziele ist hinsichtlich der Anlagenhaftung haftungsneutral. Findet die Personalverflechtung zur Durchsetzung der drei letztgenannten Ziele statt, kommt eine Mithaftung schon deshalb nicht in Betracht, weil es keine Berührungspunkte mit dem Betrieb der Anlage gibt. Aber auch die Durchsetzung und Koordinierung der Konzernpolitik ist, wenn es sich um

m Streyl, S. 113; Slongo, S. 67; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 20. Decher, S. 66 f; Streyl, S. 118. 217 Streyl, S. 121; Holtmann, S. 28 f, 34 f; Decher, S. 72 f; ScheIDer, FS Goerdeler, S. 469,485 ff.; Hoffinann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 578. 216

60ssenbühl

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die Durchsetzung der Unternehmensstrategie des herrschenden Unternehmens handelt, umwelthaftungsrechtlich unproblematisch. Da sie übergeordnete Interessen und normalerweise nicht die Bedingungen des Betriebes einzelner Anlagen zum Ziel hat, besteht keine Gefahr der Einflußnahme. Solange die Geschäftsfuhrung der Tochter in der Entscheidung über das "wie" der Umsetzung der konzernstrategischen Maßnahmen frei bleibt, fuhrt diese Art der Personalverflechtung nicht zu einer Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft.

b) Personalverflechtung von oben nach unten Bei dieser Art der Personalverflechtung werden Mitglieder der Konzerngeschäftsfuhrung in die Organe der Tochtergesellschaft entsandt218 . Auch hier besteht der Hauptgrund in der Integration des Unternehmens in den Konzern und die entsprechende Durchsetzung der Konzernpolitik. Des weiteren bietet sie die Möglichkeit der intensiven Verhaltenskontrolle219 • Bei der einfachen Personalverflechtung ist die Geschäftsfuhrung der abhängigen Gesellschaft mehrheitlich mit nicht verflochtenen Mitgliedern besetzt220 . Eine saubere Trennung von Haftungsrisiken kann vorgenommen werden. Neben dem Doppelmandatsträger sind immer auch noch andere Organmitglieder an der Willensbildung im abhängigen Unternehmen beteiligt. Wenn letztere an den fur den Betrieb der Anlage maßgeblichen Entscheidungen mitwirken, ist nicht von einer Mithaftung der Muttergesellschaft auszugehen. Die anderen Geschäftsfuhrungsmitglieder können ihren Einfluß auf die Entscheidungen hinsichtlich der Anlage geltend machen. Daher ist in diesen Fällen davon auszugehen, daß eine eigenständige Entscheidung der Tochtergesellschaft hinsichtlich der Produktion vorliegt221 . Das gilt auch, wenn die Personalverflechtung in einem Bereich des Unternehmens erfolgt, in dem mit der umweltgefährdenden Anlage gearbeitet wird, z.B. der Ressortleiter fur Technik, Produktion oder Forschung ein Doppel-

218 Streyl, S. 129, die eine Fallgruppeneinteilung vornimmt; Holtmann, S. 102; Decher, S. 81 f 219 Holtmann, S. 103 f 220 Strey I, S. 11 7. 221 Diese Ansicht vertritt auch Streyl, S. 136 im Hinblick auf die Frage, ob diese Art der Verllechtung zur qualifiziert faktischen Konzernierung fiiliren kann. Das ist zwar nicht die vorliegende Fragestellung, aber die Problematik, ob nämlich der jeweilige Doppelmandatsträger zwischen den Geschäften fur die Tochtergesellschaft IUld seinem Amt in der Konzernspitze eine Trennung vornehmen kann, ist auch hier entscheidend.

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

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mandatsträger isf22. Solange die anderen Mitglieder der Geschäftsleitung die jeweiligen Entscheidungen mittragen, ist davon auszugehen, daß es sich um eigenständige Entscheidungen der Tochtergesellschaft handelt. Aber auch, wenn der Doppelmandatsträger diese Entscheidungen allein trifft, kann daraus noch nicht ohne weiteres auf eine Mithaftung der Muttergesellschaft geschlossen werden. Dadurch hat die Muttergesellschaft in diesem Fall noch nicht zwangsläufig über den verlängerten Arm des Doppelmandatsträgers die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage der Tochtergesellschaft. Es sind die gleichen Maßstäbe wie bei der Weisung anzulegen. Allein die Weisungsmöglichkeit reicht fiir die Annahme der Mitbetreiberhaftung noch nicht aus223 . Diese Möglichkeit muß vielmehr auch genutzt werden, damit die tatsächliche Einwirkung auf die Anlage auch vorliegt. Auch bei der Personalunion reicht die bloße Einflußnahmemöglichkeit daher noch nicht aus. Allein die Tatsache, daß der Doppelmandatsträger in zwei Gesellschaften tätig wird, bedeutet noch nicht, daß er fiir diese beiden Gesellschaften nicht jeweils unterschiedliche Konzepte entwickelt. Er kann die Entscheidungen hinsichtlich der Anlage im Interesse und eigenständig fiir die Tochtergesellschaft treffen. Das Organmitglied kann auch zwei Ämter wahrnehmen. Dies ist gesellschaftsrechtlich möglich und auch so vorgesehen224 .

c) Mehrheitliche oder vollständige Personalunion

Die gleichen Überlegungen lassen sich auch fiir die mehrheitliche Verflechtung oder vollständige Personalunion anstellen. Mehrheitliche Personalunion liegt vor, wenn im herrschenden und/oder abhängigen Leitungsgremium Mitglieder ohne weiteres Mandat vorhanden sind, die Doppelmandatsträger aber die Stimmenmehrheit besitzen. Vollständige Personalunion bezeichnet die Personenidentität in beiden Geschäftsfiihrungsgremien22S • Bei der mehrheitlichen Verflechtung ist die gleiche Beurteilung wie bei der einfachen Personal verflechtung geboten. Hier ist ein eigenständiger Betrieb der Anlage insbesondere dann gegeben, wenn sich die mehrheitliche Ver-

222 Siehe dazu, welche Bereiche des Unternehmens besonders "hafhmgssensibel" sind, nachfolgend B. VI. 223 Siehe oben B.Y.l.e). 224 Siehe für die Frage des Vorliegens der faktischen QualifIziefWlg insoweit Streyl, S. 136, Wld für die Situation nach "TBB" bei Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 71 Rdn. 34. m Streyl, S. 143.

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafumg

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flechtung nicht auf die Bereiche des Unternehmens bezieht, in denen mit der Anlage gearbeitet wird226 . Schwieriger wird es, eine eigenständige Betreibereigenschaft der Tochtergesellschaft anzunehmen, wenn eine vollständige Personalunion besteht. Hier haben dieselben Personen, die für die Implementierung des Konzerninteresses zuständig sind, auch gleichzeitig die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage. Daraus läßt sich allerdings noch nicht ableiten, daß diese nicht doch eigenständig durch die Tochtergesellschaft geführt wird. Denn auch hier gilt, daß der Mandatsträger durchaus auch zwei Ämter bekleiden kann. Dem Geschäftsführungsgremium kann nicht unterstellt werden, daß es keine Unterscheidung zwischen den Entscheidungen für die Tochtergesellschaft und für die Obergesellschaft trifft. Auch hier muß daher gelten, daß allein die Möglichkeit der Einflußnahme für eine Mithaftung nicht ausreicht. Diese Feststellung ist so für den Geschädigten nicht tragbar, da sich in der Praxis im Einzelfall schwer nachweisen läßt, ob die Entscheidung über die Anlage tatsächlich im Interesse der Tochtergesellschaft getroffen worden ist. Da die Obergesellschaft jederzeit die Möglichkeit hat, die Verfügungsgewalt auszuüben und sich dies nicht unmittelbar nach außen dokumentiert, ist weiterhin für die Fälle der vollständigen Personalunion zu untersuchen, welche Möglichkeiten für den Geschädigten bestehen, seine Rechte im Schadensfall durchzusetzen.

d) Vermutung zugunsten des Geschädigten

Anders als bei den Weisungen, ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, ob eine Entscheidung hinsichtlich der Produktion oder anderer haftungssensibler Bereiche auch wirklich im Tochterinteresse getroffen wird, oder ob sich letztlich doch das Konzerninteresse durchgesetzt hat und damit eine tatsächliche Einflußnahme der Konzernleitung auf die Anlage vorliegt. Daher ist zu überlegen, ob die Vermutung aufgestellt werden kann, daß bei derartiger Personalverflechtung die herrschende Gesellschaft tatsächlich Einfluß auf den Betrieb der Anlage genommen hat. Ein solcher Vermutungstatbestand läßt sich auf keine gesetzliche Grundlage stützen. Eine analoge Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ist nicht möglich227 , da es hier nicht darum geht, eine Konzernvermutung zu begründen, sondern um die Feststellung der eventuellen Passivlegitimation der Muttergesellschaft. Fraglich ist, ob sich

Siehe dazu im einzelnen unten B. VI. Streyl, S. 117, will diese Vermutung für den Nachweis des qualifiziert faktischen Konzerns schon nicht ausreichen lassen. Bei der Umwelthafumg würde ein solcher Vermutungstatbestand noch viel weiter reichen; siehe auch unten B.VII. 226 227

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

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dennoch bei Vorliegen einer Personalverflechtung gerade aus dem Grund, daß es zu Beweisschwierigkeiten im Prozeß kommen könnte, eine Vermutung für das Vorliegen der Mitbetreibereigenschaft der Muttergesellschaft aufstellen läßt. Bisher läßt sich in der Gefährdungshaftung eine Vermutung für das Vorliegen der Passivlegitimation nicht finden. Die Rechtsprechung hat in Fällen, in denen die Betreibereigenschaft sich nicht eindeutig klären ließ, immer genau das Bestehen der tatsächlichen Umstände geprüft228 . Fraglich ist daher, ob die Notwendigkeit für eine solche Vermutung besteht. Dies läßt sich bei der einfachen Personalverflechtung bezweifeln. Eine solche mit der Vermutung verbundene Beweislastumkehr wäre nur notwendig, wenn sich die Aussage aufstellen lassen würde, daß mit der einfachen Personalverflechtung typischerweise auch die tatsächliche Einflußnahme der Obergesellschaft auf die Anlage der Tochter einhergeht. Dies ist gerade nicht der Fall, wenn der Doppelmandatsträger ein nicht haftungsträchtiges Ressort betreut oder andere Mitglieder der Geschäftsleitung an den Entscheidungen über die Anlage maßgeblich mitwirken. Das ist die Konstellation, die bei der einfachen Personalverflechtung häufig vorkommt. Für den Geschädigten ergeben sich dann zwar unter Umständen Beweisschwierigkeiten. Diese können aber allein nicht ausreichen, um einen Vermutungstatbestand anzunehmen. Es kann ihnen genauso wirkungsvoll mit einer Umkehr der Darlegungslast, auf die später noch zurückzukommen sein wird, begegnet werden. Etwas anders ist die Rechtslage bei der vollständigen Personalverflechtung. Wenn hier keine Anhaltspunkte für eine selbständige Leitung des Betriebes der Anlage bestehen, könnte eine Vermutung der tatsächlichen Einflußnahme durch die Muttergesellschaft gerechtfertigt sein. Aber auch hier kann man nicht typischerweise davon ausgehen, daß die Geschäftsführung keine eigenständigen Entscheidungen für die Tochtergesellschaft trifft. Wenn für die vollständige Personalunion typisch wäre, daß auf die Tochterinteressen keine Rücksicht genommen wird, müßte diese auch immer zur Begründung eines qualifiziert faktischen Konzerns führen. Dies wird aber inzwischen einhellig abgelehnt. Für die Vermutung der Betreibereigenschaft kann man daher auch nicht typischerweise davon ausgehen, daß die Anlage der Tochtergesellschaft nur im Interesse der Muttergesellschaft betrieben wird. Eine solche Vermutung würde die Tatbestände der Gefahrdungshaftung ins Unüberschaubare ausdehnen. Es soll zwar ein möglichst umfassender Opferschutz gewährleistet werden. Für die Annahme eines Vermutungstatbestandes nur zur Beweiserleichterung ist kein Platz, wenn den Interessen des Geschädigten auf eine andere Weise Rechnung getragen werden kann. 228

Siehe z.B. BGHZ 80, 1, 4.

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafumg

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Dem Geschädigten könnte aber in diesen Fällen durch eine Erleichterung seiner Darlegungslast, wie sie der BGH schon im "TBB"-Urteil angenommen haf29 , zur Durchsetzung seines Schadensersatzanspruches verholfen werden. Der beklagten Obergesellschaft ist im Fall der vollständigen Personalverflechtung die Substantiierungslast aufzuerlegen. Da sich die Einflußnahme innergesellschaftlich bei der Tochtergesellschaft vollzieht, ist in diesen Fällen nur der Obergesellschaft der Tatsachenstoff bekannt, der über ihre Eigenschaft als Mitbetreiberin entscheidet. Nur sie hat Einblick in die Organisationsstrukturen und muß daher den Tatsachenstoff vervollständigen. Der Kläger muß nur das Vorliegen der Personalverflechtung vortragen230 . Eine Einführung eines Vermutungstatbestandes für die Fälle der Personalverflechtung ist dann nicht mehr notwendig.

e) Dokumentationspjlicht der Geschäftsfohrung

Da einem Schadensersatzprozeß eine Verlagerung der Darlegungslast zugunsten des Geschädigten erfolgt, muß sich auch bei Vorliegen der einzelnen Personalverflechtungstatbestände nachweisen lassen, daß die jeweiligen Maßnahmen, die die Anlage betreffen, sich auf eigenständige Entscheidungen der Tochtergesellschaft stützen lassen. Anderenfalls besteht die Gefahr einer Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft. Es muß also intern dokumentiert werden, warum und von wem bestimmte Maßnahmen, die die Produktion und mit der Produktion verbundenen Unternehmensbereiche betreffen, getroffen worden sind. Die Geschäftsleitung der abhängigen verflochtenen Gesellschaft muß klar dokumentieren, welche Entscheidungen sie für die Tochtergesellschaft eigenständig getroffen hat. Wenn nach außen keine Trennung ersichtlich wird, muß die herrschende Gesellschaft damit rechnen, als Mitbetreiberin in Anspruch genommen zu werden. Denn dann muß sich die Muttergesellschaft vorwerfen lassen, daß sie quasi über den verlängerten Arm der Personalverflechtung die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit über die Anlage hatte. Auch K. Schmidt sieht bei der Personalunion das Problem, daß die Obergesellschaft dem Einwand ausgesetzt werden könnte, sie übe durch ihre Organe Betreibereigenschaften der Untergesellschaft aus231 . Organisatorisch wäre es daher haftungsneutral, es in der Tochtergesellschaft bei einer einfachen Personalunion zu belassen, welche möglichst ein nicht haftungssensibles Ressort betrifft. Ansonsten müssen die die Anlage beVgl. BGHZ 122, 123. Siehe dazu ausführlich auch für andere Mittel und Bereiche der Einflußnahme bei der Umwelthafumg unten B.X.3. 231 K. Schmidt, UTR Band 26 (1993),84. 229 230

B. Inhaber- \Dld Betreiberbegriff im Konzern

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treffenden Entscheidungen und ihre Grundlagen so sorgfältig wie möglich d(}o kumentiert werden.

aa) Dokumentationspflicht nach § 52 a BImSchG Für den Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem BImSchG ergibt sich eine Pflicht zur OfIenlegung der Betriebsorganisation schon aus § 52 a BImScHG. Gemäß § 52 a Abs. 1 BImSchG besteht bei einer Kapitalgesellschaft, deren vertretungsberechtigtes Organ mehrere Mitglieder hat, die Pflicht, der zuständigen Behörde anzuzeigen, welches von diesen die Betreiberpflichten übernimmt. Diese Pflicht bezieht sich auf die öffentlich-rechtlichen Betreiberpflichten232 . Nach Abs. 2 hat diese Person dann die Pflicht, der zuständigen Behörde mitzuteilen, auf welche Weise sichergestellt ist, daß die dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und vor sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen dienenden Vorschriften und Anordnungen beim Betrieb berücksichtigt werden. Hier geht es nur darum, wie auf das Verhalten der beim Betrieb tätigen Personen Einfluß genommen wird, nicht um die Beschaffenheit oder technische Betriebsweise der Anlage233 . Die Vorschrift gewährleistet eine weitgehende Dokumentation hinsichtlich des Betriebes der Anlage. Sie bezieht sich zwar nur auf die öffentlichrechtlichen Betreiberpflichten, aber sie bezieht sich auch auf den Betrieb der Anlage. Dennoch bietet sie keine geeignete Grundlage, um festzulegen, wer Betreiber der Anlage ist. Die Pflichten nach § 52 a BImSchG treffen nur die Ebene der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft und nicht die Frage, ob und inwieweit die Muttergesellschaft Einfluß genommen har 34 . Dennoch lassen sich die Dokumentationen, die aus der Mitteilungspflicht folgen, für die Feststellung der zivilrechtlichen Haftungsverhältnisse nutzen. Es ist davon auszugehen, daß die Angaben größtenteils nur schriftlich vorgelegt werden könnenm. Um dem Zweck des § 52 Abs. 2 BImSchG gerecht zu werden, wird in jedem Fall ein Organisationsplan für den Betrieb vorzulegen sein. Aus diesem müssen die personelle Besetzung, die Aufgaben der einzel-

LandmannIRohmerlHansmann, Umweltrecht, § 52a BImSchG Rdn. 5. LandmannlRohmerlHansmann, Umweltrecht, § 52a BImSchG Rdn. 8. 234 Rehbinder, UTR Band 26 (1993), 45. m LandmannIRohmerlHansmann, Umweltrecht, § 52a BImSchG Rdn. 8. 232

233

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nen Organisationseinheiten und die Weisungsbefugnisse untereinander hervorgehen236 . Dies legt dann auch die Weisungsbefugnisse, bzw. die Weisungen, die von einer Obergesellschaft gegeben werden, offen. Diese Dokumentationen können daher eine nicht unerhebliche Hilfestellung bei der Untersuchung geben. Es kann leichter festgestellt werden, welche Gesellschaft in welcher Form die Einflußnahme auf den Betrieb der Anlage vorgenommen hat. Da der Anlagenkatalog des BImSchG sich mit dem des Umwelthaftungsgesetzes teilweise überschneidet237 , können diese Dokumentationen auch hier hilfreich sein.

bb) Zusammenfassung Um die Trennung zwischen der Einflußnahme auf die Anlage der Tochtergesellschaft bei der Peronalverflechtung auch nach außen sichtbar zu machen, sollten die die Anlage betreffenden Arbeitsabläufe, Weisungen und Verantwortungsstrukturen sorgfältig dokumentiert werden. Dies gewinnt vor allem vor dem Hintergrund an Bedeutung, daß im Schadenersatzprozeß eine Verlagerung der Beweislast auf die Obergesellschaft erfolgt. Eine solche Dokumentationspflicht trifft Gesellschaften, die Betreiber einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlage sind, schon nach § 52 a BImSehG.

236 LandmannIRohmerJHansmann, Umweltrecht, § 52a BImSchG Rdn. 10 und auch Rdn. 11, wo nochmals genau die einzelnen organisatorischen Maßnahmen, die dokumentationspflichtig sind, beschrieben werden. 237 LandmannJRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 3 UmweltHG Rdn. 30, der darlegt, daß sich der Anlagenkatalog des UmweltHG an die 4. BImSchVanlehnt; Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 38, der von einer Übernahme von 2/3 der aufgeführten Anlagen spricht.

B. Inhaber- lDld Betreiberbegriff im Konzern

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VI. Bereiche der einheitlichen Leitung Eine Annäherung an den Begriff des Bereichs der einheitlichen Leitung ist auf zweierlei Art und Weise möglich. Einerseits kann von der den ganzen Konzern umfassenden Zielkonzeption ausgegangen werden. Hier können die Stadien konzernunternehmerischer Zielverwirklichung untersucht werden. Diese sogenannten Konzernfiihrungsaufgaben umfassen Konzernpolitik, Konzernplanung, Konzernorganisation und Konzernüberwachunt 31 . Für die Untersuchung der Betreibereigenschaft durch die Muttergesellschaft reicht die auschließliche Betrachtung der Konzernfiihrungsaufgaben nicht aus. Es müssen alle Gegenstandsbereiche der möglichen Konzernleitung näher untersucht werden. Nur so kann festgestellt werden, ob auf die Anlage der Tochtergesellschaft so intensiv Einfluß genommen worden ist, daß die Zurechnungskriterien für die Gefahrdungshaftung einschlägig sind. Die Gegenstandsbereiche können dabei sowohl aus dem Blickwinkel der abhängigen als auch der herrschenden Gesellschaft betrachtet werden. Aus dem Blickwinkel der Obergesellschaft läßt sich Konzernleitung in die folgenden Aufgabenbereiche aufgliedern: - Normative Konzernführung - Strategische Konzernführung - Finanzielle Konzemflihrung - Personalflihrung - andere Führungsbereiche, wie Beschaffung, Forschung und Entwicklung, Marketing, Vertrieb, Produktion etc. 239 Aus dem Blickwinkel der Tochtergesellschaft können die einzelnen Aufgabenbereiche des abhängigen Unternehmens daraufhin untersucht werden, inwieweit sie ganz oder teilweise auf die Konzernhauptverwaltung übertragen wurden bzw. durch sie beeinflußt werden240 • So lassen sich dann die einzelnen Leitungsbereiche der Konzernspitze für die jeweilige Tochtergesellschaft herausarbeiten.

231 KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rein. 18; Arbeitskreis Krähe, S. 43; Theisen, S. 203. 239 ScheIDer, S. 39; ders., DB 1985,2005,2009. 240 Siehe hierzu die Darstellung von Arbeitskreis Krähe, S. 75 f[

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdlDlgshafhmg

Im vorliegenden Fall soll untersucht werden, in welche Bereiche das herrschende Unternehmen bei der Tochtergesellschaft eingreifen muß, damit es zum Mitbetreiber der Anlage wird. Daher ist sinnvoll, die Untersuchung bei den Aufgabenbereichen des Tochterunternehmens zu beginnen. Sachlogisch werden sich dann Überschneidungen mit den Aufgabenbereichen der Konzernführung ergeben. Nach dem Arbeitskreis Krähe241 lassen sich in den einzelnen Unternehmen Hauptabteilungen und Stabsstellen unterscheiden: Die Hauptabteilungen umfassen: - Anlagenwirtschaft - Forschung und Entwicklung - Produktion - Personal - Beschaffung - Lagerwesen - Absatz - Finanzen -Rechnungswesen - Steuern Die Stabsstellen umfassen: - Recht - Revision - Organisation - Planung - Technik - Berichtswesen - Verbands- und Wirtschaftspolitik - Öffentlichkeitsarbeit.

241

2009.

Arbeitskreis Krähe, Konzemorganisation; siehe auch SchefDer, DB 1985, 2005,

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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1. Anlagenwirtschaft Anlagenwirtschaft ist der Bereich des Unternehmens, der die Planung, Errichtung, Änderung, Erweiterung von Bauten, von maschinellen und Verkehrsanlagen sowie ihre Unterhaltung umfaßt. Darunter fallen Investitionsplanung, Anlagenplanung, Energie- und Verkehrsbetriebe 242 •

a) Investitionsplanung

Investitionsplanung beinhaltet die Planung von maschinellen Anlagen und der hierzu erforderlichen Aufwendungen. Sie ist ein Teil der strategischen Konzemfiihrung. Die Planung von Bauten und damit auch die Entscheidung für die Herstellung bestimmter Produkte an bestimmten Standorten erfordert eine gesamtkonzernumfassende Zielsetzung243 . Im Regelfall erfolgt diese zentral durch die Obergesellschaft.

aa) Planung von Anlagen Fraglich ist, ob schon allein die Planung von gefährlichen Anlagen für eine Tochtergesellschaft dazu führen kann, daß die Konzernleitung die Tatbestandsvoraussetzungen des Betreiberbegriffes erfüllt. Dazu müßte die Obergesellschaft durch die Planung die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage erhalten. Durch bloße Planung entsteht noch keine Gefahrensituation. Es besteht auch noch keine umweltgefährdende Anlage, über die die tatsächliche Herrschaft ausgeübt werden könnte. Die Planung allein kann deshalb noch keine Haftung der Obergesellschaft begründen. Erst dann, wenn die Planung bei der Errichtung der Anlage umgesetzt wird, kann es zu einer haftungsrelevanten Situation kommen. Die Planung kann deshalb nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur in der Form, in der sie sich in der Errichtung der Anlage niederschlägt. Dadurch wird die Planung nur indirekt haftungsrelevant.

bb) Errichtung von Anlagen Anknüpfungspunkte für eine Haftung der Obergesellschaft können sich erst ab dem Zeitpunkt der Durchführung der Planung ergeben. Die tatsächliche Verfügungsgewalt, die die Obergesellschaft während der Errichtungsphase

242 243

Arbeitskreis Krähe, S. 63. ScheIDer, S. 45; ders., DB 1985,2005,2009.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafumg

hat, endet im Normalfall mit der Fertigstellung der Anlage. Von diesem Zeitpunkt an wird die Anlage von der Tochtergesellschaft übernommen und betrieben. Dann bestehen keine Anhaltspunkte für eine Mithaftung der Obergesellschaft mehr. Die Situation ist wie beim Kauf oder der Pacht zu beurteilen. Die tatsächliche Verfügungsgewalt geht mit dem Zeitpunkt der Übertragung auf den Pächter oder Käufer über. Das schließt auch das Haftungsrisiko mit ein244 . Die Situation ist nicht anders zu beurteilen, wenn die Tochtergesellschaft nach der Planung und Errichtung der Anlage den Betrieb aufnimmt und durchführt. In diesem Fall übernimmt sie dann die tatsächliche Verfügungsgewalt. Hiervon kann es jedoch Ausnahmen geben.

(1) Eintritt eines Haftungsfalles während der Errichtung

Ein Haftungsfall kann schon während der Errichtung der Anlage eintreten. Da die Obergesellschaft zu diesem Zeitpunkt durch die Planung und Errichtung der Anlage über diese die tatsächliche Verfügungsgewalt gehabt hätte, käme ihre Haftung in Betracht. Eine Haftung für noch nicht fertiggestellte Anlagen ist nur in § 2 UmweltHG gesetzlich geregelf4~. Die Obergesellschaft kann somit für einen Schadensfall, der während der Errichtung eintritt, als Betreiberin haften. Voraussetzung ist, daß die Errichtung der Anlagen zusammen mit der Planung zentral durch die Obergesellschaft vorgenommen wird.

(2) Risikoerhöhung durch Nichtbeachtung der einschlägigen technischen Regeln

Eine Mithaftung der Obergesellschaft kann auch dann vorliegen, wenn die Tochtergesellschaft den Betrieb der Anlage bereits aufgenommen hat. Hat die Obergesellschaft bei der Investitionsplanung und Errichtung der Anlage nicht die einschlägigen Regeln der Technik beachtet, dann bestimmt sie weiterwirkend auch nach der Aufnahme des Betriebes mit über den Zustand der Anlage. Zusätzlich zu dem normalen Haftungsrisiko tritt eine Risikoerhöhung dadurch ein, daß die Anlage in einem technisch nicht ordnungsgemäßen Zustand ist bzw. die Betriebspflichten nicht eingehalten worden sind. Dies erhöht die Ge-

244

Siehe oben B.II.3.a)aa).

24~ Bei den anderen vorgestellten Hafumgstatbeständen wird immer das Bestehen

einer Anlage vorausgesetzt; solange diese erst errichtet wird, kommt daher keine HaftWlg in Betracht. Die Problematik ist hier auch anders als die Problematik der Hafumg bei stillgelegten Anlagen. Eine stillgelegte Anlagen ist zumindest eine bereits existierende Anlage. Vgl. auch Bigalke, S. 74.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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fahr des Eintritts eines Schadensfalles. Schon daraus erhöht sich fiir das abhängige Unternehmen das Risiko des Betriebes der Anlage246 • Normalerweise ist im Rahmen der Gefährdungshaftung die Risikoerhöhung nicht selbständig verfolgbar, da nicht fiir Rechtswidrigkeit und Verschulden gehaftet wird. Es kann aber unter Umständen zu Beweiserleichterungen fiir den Geschädigten kommen247 . Der BGH hat einem Geschädigten z.B. fiir Ansprüche aus § 2 Abs. 1 S. 1 HaftpflG Erleichterungen hinsichtlich des Kausalitätsbeweises zugebilligt, weil gegen die einschlägigen technischen Regeln verstoßen worden ~4a. Ein solcher Gedanke läßt sich auch § 2 Abs. 1 S. 3 HaftpflG entnehmen. Danach haftet der Inhaber einer Gas- oder Elektrizitätsanlage auch fiir Schäden, die durch rein mechanische Einwirkungen verursacht worden sind und nicht durch die Wirkungen der Elektrizität oder des Gases. Der Inhaber kann sich allerdings durch den Nachweis entlasten, daß sich die Anlage zur Zeit des Unfalls in ordnungsgemäßem Zustand befand. Diese Voraussetzung ist gern. § 2 Abs. 1 S. 3 HaftpflG dann erfiillt, wenn die Anlage den anerkannten Regeln der Technik entspricht und unversehrt ise49 . Auch Marburger sieht die Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik als Grund an, dem Geschädigten bei der Gefährdungshaftung immer eine Erleichterung des Kausalitätsbeweises zuzubilligen. Dies ist auf den Gedanken zurückzufiihren, daß eine technisch einwandfreie Anlage weniger schnell einen Schaden verursacht als eine, die nicht den einschlägigen technischen Regeln entspriche'o. Daraus ergibt sich auch ein erhöhtes Risiko, einer Schadensersatzpflicht zu unterliegen. Die Nichtbeachtung der einschlägigen Regeln der Technik beim Anlagenbetrieb stellt daher eine Risikoerhöhung im Sinne der Erhöhung des Schadensersatzrisikos dar. Zunächst wird das Risiko der Entstehung eines Schadens erhöht. Aufgrund der Beweiserleichterungen wird dadurch bei entstandenen Schäden fiir den Ersatzpflichtigen das Risiko der Haftung erhöht.

246 Es wurde auch schon bei dem Merkmal der Erhaltung der Anlage dargestellt, daß eine Anlage in einem schlechten Zustand das Haftungsrisiko erhöht. Siehe oben B.II.3.a)bb). 247 Siehe dazu Marburger, S. 487 f. 241 BGH VersR 1966, 586. 249 Die Übereinstimmung mit den "anerkannten Regeln der Technik" läßt sich dadurch belegen, daß die betreffenden Anlage gemäß den DVGW - oder VDE Bestimmungen errichtet und unterhalten worden ist, vgl. hierzu z.B. BGH Rbeil. 19 (1958), 78 und die weiteren Nachweise bei Marburger, S. 488 Fn. 7. 2'0 Marburger, S. 487 f.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshaftung

Dies kann immense Schadensersatzsummen zur Folge haben. Daraus resultiert ein erhöhtes Schadensersatzrisiko der Gesellschaft. Zudem besteht kein Versicherungsschutz bei der Versicherung nach § 19 UmweltHG mehr, wenn bewußt gegen nach dem Stand der Technik einzuhaltende Richtlinien und Gebrauchsanweisungen verstoßen wird bzw. Kontrollen oder Wartungen nicht durchgeführt werdenm. Dadurch tritt bei bewußten Verstößen gegen diese Regelungen eine weitere Risikoerhöhung ein. Ein möglicher Verstoß ist z.B. die Verwendung von günstigen Anlagenteilen, die bei der Errichtung Kosten sparen, aber nicht den technischen Sicherheitsanforderungen genügen. Unter den einschlägigen technischen Regeln sind die Regeln des Rechts der Sicherheitstechnik zu verstehen. Es ist in zahlreiche Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zersplittert. Die technischen Regeln und Normen werden von nichtstaatlichen öffentlich-rechtlichen Ausschüssen und privaten Normungsverbänden aufgestelltm. Die unbestimmten Begriffe des Rechts der Sicherheitstechnik, die sich in den Vorschriften finden lassen, sind die "allgemein anerkannten Regeln der Technik", "Stand von Wissenschaft und Technik" und "Stand der Technik". Die weitaus herrschende Meinung macht den Begriff der "allgemeinen Regeln der Technik" an der Richtigkeitsüberzeugung der Experten fest. Es sind somit Konzentrate mehrheitlich-fachmännischer Richtigkeitsüberzeugung, die sich in der betrieblichen Praxis bewährt haben müssen2H. "Stand der Technik" und "Stand der Wissenschaft und Technik" umfassen dagegen nicht nur technische Verfahrensweisen, die bereits Eingang in die betriebliche Praxis gefunden haben und sich dort bewährt haben, sondern verzichten auf die praktische Erfahruni"'. Des weiteren existieren zahlreiche überbetriebliche technische Normen und technische Regeln, die ebenfalls dem Recht der Sicherheitstechnik zugeordnet werden können. Sie bilden einen Ausschnitt aus der Gesamtmenge der sicherheitstechnisch ordnungsgemäßen Verfahrensweisen, die mit dem normativen

m Salje, § 19 UmweltHG Rdn. 13; BalzereitIKassebohmlKettler, BB 1996, 124. m Siehe dazu ausfiihrlich Marburger, Die Regeln der Technik im Recht. 2H Diese Auslegung geht auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts zu den "allgemein anerkannten Regeln der Baukunst" zurück; vgl. dazu RG GA 39 (1891), 208, 209; RGSt 44, 75, 79 ff.; und die weiteren Hinweise bei Marburger, S. 145 Fn. 1, dieser vertritt selbst einen mehr objektivierten Begriff, S. 154 ff. 2'4 Vgl. ganz ausfiihrlich Marburger, S. 162 f, 164.

B. Inhaber- lDld Betreiberbegriff im Konzern

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Standard "allgemein anerkannte Regeln der Technik" umschrieben sindm . Hierunter fallen z.B. die DIN (Deutsche Industrienorm), VDE (Verband Deutscher Elektrotechniker, VDI (Verband Deutscher Ingenieure e. v.) etc. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß durch die Planung und Errichtung schon der Grundstein für eine Risikoerhöhung gelegt werden kann. Ein Fehler bei Errichtung und Planung der Anlage kann sich genauso auf den Zustand der Anlage auswirken wie ein späterer Wartungsfehler. Die Risikoerhöhung tritt dann ein, wenn die Obergesellschaft die einschlägigen Regeln der Technik nicht beachtet hat. Daher ist es in diesem Fall sachgerecht, diese, die durch ihre Einflußnahme letztendlich den Zustand herbeigeführt hat, als Mitbetreiberin haften zu lassen. Mehr als die Einhaltung der einschlägigen Regeln der Technik kann von der Obergesellschaft allerdings nicht verlangt werden. Das ist auch die Ansicht Westermanns, der keine Mithaftung der Muttergesellschaft annimmt, wenn die Mittel für immissionschutzrechtlich geforderte Schutzmaßnahmen und allgemeine Schutzvorkehrungen vorhanden sind2'6. Dem ist zuzustimmen, denn nur wenn die einschlägigen Regeln der Technik bei der Errichtung der Anlage nicht eingehalten worden sind, unterliegt die Tochtergesellschaft einem meßbar erhöhten Schadensersatzrisiko. Wenn sie nach der Errichtung der Anlage diese ohne weitere Weisungen oder Einflußnahmen der Obergesellschaft betreiben kann und bei der Errichtung die sicherheitstechnischen Maßnahmen beachtet worden sind, ist sie Alleinbetreiberin. Die Muttergesellschaft hat den ihr während der Errichtung der Anlage obliegenden Betreiberpflichten durch die Einhaltung der sicherheitstechnischen Vorschriften genügt.

(3) Finanzielle Ausstattung der Tochter bei Planung und Errichtung Die Tochtergesellschaft muß, wenn sie die Planung und Errichtung der Anlage selbst durchführt, dafür finanziell hinreichend ausgestattet sein. Die Muttergesellschaft kann sonst über die finanzielle Ausstattung über die Anlage mitbestimmen und damit zur (Mit)betreiberin werden. Eine solche Mitbestimmung ist bei Zuweisung der finanziellen Mittel gegeben. Wenn die Mittel ausreichen, um die Anlage den Erfordernissen der Technik entsprechend auszustatten und die Tochter sie allein errichtet und den Betrieb übernimmt, besteht für eine Haftungszuweisung an die Obergesellschaft kein Grund. In diesem Fall ist keine Risikoerhöhung eingetreten. Die Tochtergesellschaft bestimmt über die Errichtung und den Betrieb der Anlage allein und ist somit m Vgl. Marburger, S. 469. Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 238.

2'6

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdlUlgshafumg

Herrin der Gefahr. Eine haftungsrelevante Beziehung der Muttergesellschaft zur Anlage besteht nicht mehr. Diese Beziehung hat sie durch die Hingabe der erforderlichen finanziellen Mittel und der Übertragung der Nutzung der Anlage abgegeben. Die Muttergesellschaft haftet allerdings, wenn sie die Tochtergesellschaft nicht mit den ausreichenden finanziellen Mitteln ausstattet, um die Anlage im Rahmen der einschlägigen Regeln der Technik zu betreiben. Dann besteht für die Tochtergesellschaft ein erhöhtes Haftungsrisiko. Die Muttergesellschaft entscheidet damit weiterwirkend über den Zustand der Anlage mit und behält damit ihre haftungsrelevante Beziehung. Eine Mithaftung der Muttergesellschaft besteht allerdings in dem Fall nicht, daß die Tochtergesellschaft in verschiedenen Unternehmensbereichen finanzielle Mittel benötigt, die Muttergesellschaft aber insgesamt nicht die nötigen Mittel zur Verfügung stellt. Wenn für die Weiterführung des Tochterunternehmens in seinem jetzigen Zustand z.B. DM 500 Mio. benötigt werden, die Muttergesellschaft aber nur DM 250 Mio. zur Verfügung stellen kann, haftet sie nicht. In diesem Fall obliegt es der Entscheidung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft, ob sie z.B. Personal entläßt oder an der sicherheitstechnischen Ausstattung der Anlage spart. Dies ist eine eigenständige Entscheidung der Tochtergesellschaft für die sie alleinige haftungsrechtliche Verantwortung trägt. Die Tochtergesellschaft befände sich in der gleichen Lage, wenn sie aus konjunkturellen Gründen derartige Einsparungen vornehmen müßte. In einem solchen Fall fehlt die für die Gefährdungshaftung erforderliche Nähebeziehung der Obergesellschaft zur Anlage der Tochtergesellschaft, da sie letztlich keinen Einfluß darauf hat, wie die Tochtergesellschaft die finanziellen Mittel verwendet. Eine Mithaftung der Obergesellschaft besteht allerdings dann, wenn sie der Tochtergesellschaft genau vorschreibt, welche finanziellen Mittel für die technische Ausstattung der Anlage genutzt werden dürfen und diese nicht ausreichen, um die Anlage nach den Regeln der Sicherheitstechnik zu betreiben237 •

b) Anlagenplanung und -errichtung

Die Anlagenplanung beinhaltet die Planung der einzelnen Anlagen und Anlagenteile, ihren Standort innerhalb des Werkes, ihre Größe und Leistung, die Anordnung und Ausstattung der einzelnen Gebäude, Maschinen und För-

237 Genauso auch Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 238; ähnlich, aber nicht ganz eindeutig Schneider, ZGR 1996,225,238.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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deranlagen, ferner den Produktionsfluß und dessen Abstimmungm . Darunter fallt auch der Umbau und die Erweiterung von Anlagen. Die Anlagenplanung ist nur noch bedingt Teil der strategischen Konzernplanung. Letztere hat die größere und umfassende Durchsetzung der Konzernpolitik zum Ziel. Die Anlagenplanung liegt dagegen auf der Schnittstelle zu den sonstigen Führungsbereichen und könnte damit schon der Produktionsebene zugeordnet werden. In bezug auf die Anlagenplanung gilt wie bereits dargelegt, daß die bloße Planung noch nicht zu einer Haftung fUhren kann. Erst die AusfUhrung dieser Pläne kann haftungsrelevant werden 259 • Wenn die Planungen umgesetzt werden, handelt es sich hier um einen haftungspezifisch empfindlichen Bereich. Alle durchzuführenden Maßnahmen können den Zustand der Anlage betreffen. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Umsetzung der Investitionsplanung. Daher lassen sich die dort aufgestellten Grundsätze auf die Errichtung und Durchführung der Umbaumaßnahmen an den Anlagen anwenden. Werden die Umbaumaßnahmen von der Muttergesellschaft durchgeführt, dann hat sie zumindest für diesen Zeitraum die Mitverfügungsgewalt über den Betrieb der Anlage. Sie nutzt sie zwar nicht zur Produktion, nimmt aber während dieser Zeit Einfluß auf den Zustand der Anlage und kann daher unter Umständen als Mitbetreiberin anzusehen sein. Wenn die Tochtergesellschaft die Umbaumaßnahmen selbst durchführt, kommt es darauf an, ob die Muttergesellschaft für deren finanzielle Ausstattung verantwortlich ist. Ist das der Fall, müssen die finanziellen Mittel der Tochter ausreichen, um bei den Umbaumaßnahmen die einschlägigen Regeln der Technik einhalten zu können.

m Arbeitskreis Krähe, S. 77. m Siehe oben B.III.l.a)aa). 70ssenbühl

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafumg

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2. Energiebetriebe Je nach Größe und Produktionsrichtung eines Konzerns bestehen eigene Betriebe, die für die Energieversorgung zuständig sind260 • Die Muttergesellschaft haftet für die dort betriebenen Anlagen, wenn die Energiebetriebe zentralisiert sind. Befinden sie sich hingegen bei der Tochtergesellschaft, gelten die gleichen Überlegungen wie zur Anlagenplanung und zur Produktion.

3. Forschung und Entwicklung Dieser Bereich gliedert sich in Grundlagenforschung, Erzeugnisgestaltung und -erprobung. Er zählt nicht zu den grundlegenden Funktionen der Konzemführung, sondern zu den sonstigen Führungsbereichen261 . Bei zentraler Führung der Forschungsabteilung kommt es zunächst darauf an, ob umwelthaftungsrelvante Bereiche betroffen sind. Dies wird vor allem in der chemischen und pharmazeutischen Industrie der Fall sein. Aber auch in anderen Betrieben, die zur Erzeugnisgestaltung und Erprobung Produktionsanlagen benötigen, besteht die Gefahr der Anlagenhaftung. Da die Tochtergesellschaft bei zentraler Durchführung der Forschungen keinen Einfluß auf die tatsächliche Nutzung der für die Forschung benötigten Anlagen hat, haftet die Obergesellschaft als Betreiberin. Das gilt auch dann~ wenn sich die durch die Obergesellschaft zentral geführten Forschungsbetriebe im Eigentum oder auf dem Gelände der Tochtergesellschaft befinden. Das Eigentum an der Anlage hat nur Indizwirkung. Es ist für die Bestimmung des Ersatzpflichtigen nicht mehr ausschlaggebend, wenn der Eigentümer nicht auch die tatsächliche Nutzung bestimmt und die Verantwortung für die Anlage hat. Wenn dementsprechend die Tochtergesellschaft nicht mehr über die tatsächliche Nutzung der Forschungsanlagen bestimmen kann, kann sie auch keine Betreiberin sein. Wenn der Forschungsbereich dezentral bei einer Tochtergesellschaft geführt wird, wird die Muttergesellschaft zur Mitbetreiberin, wenn sie die Erhaltung und die tatsächliche Nutzung der zur Forschung benötigten Anlagen262 bestimmt. Keine Mitbetreiberin ist sie hingegen, wenn sie im Rahmen der strategischen Planung darüber entscheidet, welche Produkte sie in der Zukunft entwickeln möchte und welche Gesellschaften die Entwicklung übernehmen sollen. Durch solche Entscheidungen wird sie weder zur tatsächlichen Nutzerin der Anlage noch bestimmt sie über deren Zustand mit. Ihr fehlt die haftungsrechtlich erforderliche Nähebeziehung. Anders ist dies nur dann zu be260 261 262

Siehe Arbeitskreis Krähe, S. 108. ScheIDer, S. 51; ders., DB 1985,2005,2009. Ein typisches Beispiel für solche Anlagen sind z.B. gentechnische Anlagen.

B. Inhaber- 1.Illd Betreiberbegriff im Konzern

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urteilen, wenn die Tochtergesellschaft die Forschung nicht selbständig durchführt. Wenn sie hier Weisungen unterliegt, deren Durchführung einen direkten Einfluß auf die Forschungsanlage haben, wird die Muttergesellschaft zur Mitbetreiberin. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Zielvorgaben für die Forschungen speziell auf die Anlage bezogen sind. Auch die Weisung zur Durchführung von Forschungsarbeiten, für die die technische Kapazität der jeweiligen Anlage nicht ausgerichtet ist, führt zu einer Mithaftung der Muttergesellschaft263 . Das hat seinen Grund darin, daß die Muttergesellschaft in diesen Fällen zum einen wieder die tatsächliche Nutzung der Anlage bestimmf64 . Sie ist zusätzlich auch für die durch sie verursachte Risikoerhöhung verantwortlich. Auch hier gilt, daß die Muttergesellschaft dann Mitbetreiberin wird, wenn sie die Tochtergesellschaften nicht mit genügend Kapital für die Forschungen ausstattet. Letztere muß über die finanziellen Mittel verfügen, die Forschungsanlagen im Rahmen der einschlägigen technischen Regeln zu betreiben26~.

4. Produktion Bei der Produktion (Gewinnung. Herstellung. Verarbeitung. Fertigung) wird unterschieden zwischen: - der Produktion im engeren Sinne - den Leitungs- und Verwaltungsaufgaben der Erzeugung (Planung, Organisation, Überwachung) 266.

a) Produktion im engeren Sinne Die größten Umwelthaftungsrisiken bestehen im Bereich der Produktion. In diesem Bereich wird mit den Anlagen gearbeitet, die der Anlagenhaftung unterliegen. Die Produktion stellt aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine Führungsaufgabe im Konzern dar. Sie erfordert die tatsächliche Nutzung der Anlage, wobei meist die Erhaltung und Wartung miturnfaßt sind. Die Konzernspitze muß die Produktion zunächst eigenständig von einer Tochtergesellschaft vornehmen lassen, also dezentral produzieren, um nicht Mitbetreiberin

263 So im Ergebnis auch Schneider, ZGR 1996, 225, 238. 264 Siehe oben B.II.3.a)cc). m Siehe oben B.VI.l.a)bb)(3). 266 Arbeitskreis Krähe, S. 82, der allerdings den Begriff Erzeugung verwendet. 7'

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgeflihrdWlgshafhmg

zu werden. Nur so kann die Tochtergesellschaft selbst die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage erhalten. Die Tochtergesellschaft erfüllt bei eigenständiger Durchführung der Produktion die Betreibereigenschaft zunächst allein. Westermann sieht die Konzernspitze erst dann als Inhaber der Anlage an, wenn diese über die Art des Einsatzes der Anlage bestimmf67. Auch Schneider sieht die Muttergesellschaft als Betreiberin an, wenn sie über den Einsatz der Anlage bestimmt, über deren organisatorische und technische Handhabung entscheidef68 . Michalski ist der Ansicht, daß die Tochtergesellschaft hinsichtlich des Einsatzes der Anlage weisungsfrei bleiben muß, damit die Konzernspitze nicht zur Mitbetreiberin wird269 . Alle drei begründen ihre Ansichten nicht näher. Ihnen ist im Ergebnis zuzustimmen. Solange die Konzernleitung nicht über die tatsächliche Ausführung der Produktion mitbestimmt, wird sie auch nicht zur Mitbetreiberin. Dies läßt sich wieder aus dem Prinzip der Gefahrbeherrschung ableiten. Die Produktion ist der Bereich des Unternehmens, in dem hauptsächlich Anlagen genutzt werden. In diesem Bereich besteht daher die größte umwelthaftungsrechtliche Verantwortung. Die Obergesellschaft wird dann nicht zur Mitbetreiberin einer Anlage ihrer Tochtergesellschaften, wenn sie die Gefahr nicht mitbeherrscht. Sie darf weder die tatsächliche Nutzung der Anlage noch den Zustand der Anlage mitbestimmen. Eine solche Mitbestimmung kann über betriebsbezogene Weisungen erfolgen. Dies kann Z.B. die Weisung sein, eine bestimmte Menge Produkte in einer bestimmten Zeit herzustellen270 . Auch bei einer Personalverflechtung im Produktionsbereich kann die Muttergesellschaft zur Mitbetreiberin werden, wenn das Geschäftsführungsmitglied die Anlage nur im Interesse der Obergesellschaft nutzen läßf71 . Dies wäre z.B. der Fall, wenn nur die spezifischen Produktionsvorgaben der Konzernspitze durchgesetzt werden. Dadurch würde die Konzernspitze über die tatsächliche Nutzung der Anlage mitbestimmen272 . Vorstellbar ist auch, daß die Konzernspitze die Tochtergesellschaft anweist, Wartungsarbeiten an der Anlage durch von ihr bestimmte Unternehmen durchzuführen oder zentral eingekaufte Ersatzteile abzunehmen. Dann würde die Konzernspitze über den Zustand der Anlage mitbestimmen. So sind wohl auch Westermann und Michalski zu verstehen, da sie besonderen Wert darauf legen, daß die Tochterge-

267 268 269 270 271 272

Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 239. Schneider, ZGR 1996, 223, 238. Michalski, Jura 1995,623. Siehe oben B.V.l.a). Siehe oben B. V.4. Siehe oben B.Il.3.a)cc).

B. Inhaber- lDld Betreiberbegriff im Konzern

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seIlschaft über die technische Ausstattung der AnJage allein bestimmf73. Die Konzernspitze wird hingegen nicht zur Mitbetreiberin, wenn die Produktion im engeren Sinne von der Werksleitung der Tochtergesellschaft vorgenommen wird. Wenn diese eigenständig über den technischen Ablauf und die sicherheitstechnischen Maßnahmen bestimmen kann, ist eine Mitbetreiberhaftung der Obergesellschaft nicht gegeben274 . Ein zentraler Abschluß von Wartungsverträgen bzw. der Einkauf von Ersatzteilen ist dann haftungsunschädlich, wenn die Geschäftsleitung der Obergesellschaft bei der Entscheidung miteinbezogen wird. Dann entscheidet sie wiederum eigenständig über den Zustand der AnJage.

b) Leitungs- und Verwaltungsaujgaben

Die Obergesellschaft kann auch, wenn die Tochtergesellschaft die Produktion allein betreibt, zur AnJagenmitbetreiberin werden. Diese Möglichkeit besteht dann, wenn erstere Leitungs- und Verwaltungsaufgaben der Produktion umfassend übernimmt. Leitungs- und Verwaltungsaufgaben der Produktion sind deren Planung und Organisation.

aa)Planung Die strategische Zielsetzung und Planung für den Gesamtkonzern kann auch die Planung der Produktion für die einzelnen Konzernunternehmen umfassen. Diese Planung beinhaltet die Veränderung von Produktlinien. Dadurch wird der Umfang und die Art der Produktion festgelegt, die Aufnahme von neuen Produktlinien geplant etc. Des weiteren muß die Produktion in den verschiedenen Gesellschaften aufeinander abgestimmt werden. Dadurch besteht auch ein gewisser Einfluß auf den Betrieb der Anlage der Tochtergesellschaft. Eine Haftung der Obergesellschaft kommt nicht in Betracht, solange die eigentliche Disposition der Erzeugung in den Händen der Geschäftsführung der einzelnen Gesellschaft bleibt. Obliegt dieser die Entscheidung, ob sie mit den sicherheitstechnischen Standards und der Kapazität der Anlage die jeweils geforderten Produktionsvorgaben unter Beachtung der einschlägigen Regeln

273 274

Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 238; Michalski, Jura 1995, 623. So im Ergebnis auch K. Schmidt, UTR Band 26 (1993), 83 f, allerdings sehr

allgemein formuliert, ohne hier nähere Angaben zur Konzernorganisation zu machen; zu den Leitungsmitteln, die geeignet sind, auf die Produktion Einfhill zu nehmen, siehe ausführlich oben B. V.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrdungshafhmg

der Technik erfiillen kann, kommt eine Haftung oder Mithaftung der Obergesellschaft nicht in Betrachtm. Änderungen der Produktion, die ohne Mitwirkung der Werksleitung der abhängigen Gesellschaft vorgenommen werden, bergen dagegen Haftungsrisiken in sich. Zu unterscheiden ist zwischen der Frage der Mitbestimmung hinsichtlich der technischen Kapazität der Anlage und der Frage, ob die Produktion für die Tochtergesellschaft wirtschaftlich sinnvoll ist. In Bezug auf die Kapazität und sicherheitstechnische Ausstattung der Anlage ist eine Abstimmung und eigenverantwortliche Mitentscheidung der Geschäftsführung der Tochter unumgänglich. Wenn bestimmte Produktionen von "oben" angeordnet werden, befindet sich die Frage des "Schaffens der Gefahr" nicht mehr in den Händen der ausführenden Gesellschaft. Zusätzlich wird die Kontrollmöglichkeit eingeschränkt. Es ist nur sachgerecht, daß derjenige haftet, der die Gefahrenquelle beherrscht, wenn dieser auch derjenige ist, der auf Schadensverhütung und Gefahrenverminderung hinwirken kann. Daraus folgt, daß der Tochtergesellschaft die Kalkulation der technischen Risiken obliegen sollte. Ist das nicht der Fall, liegt schon die tatsächliche Nutzung nicht mehr allein in den Händen der Tochter. Die Muttergesellschaft haftet als Mitbetreiberin, wenn der Tochter die Möglichkeit genommen wird, die technischen Risiken selbst zu kalkulieren und Kontrollfunktionen auszuüben. Dagegen berührt die Frage, ob die Produktion betriebswirtschaftlich oder im Konzerninteresse notwendig ist, die Kontrolle über die Anlage nicht direkt. Eine Mitwirkung der Tochtergesellschaft bei dieser Entscheidung ist aus haftungsrechtlichen Aspekten nicht notwendig. Auch bei einer umfassenden Bestimmung der Produktpolitik durch das herrschende Unternehmen besteht die Möglichkeit, daß dieses zum Mitbetreiber wird. Das gilt selbst dann, wenn die Tochtergesellschaft die Nutzung der Anlage allein bestimmf76. Der Einsatz der Anlage und deren organisatorische und technische Handhabung können nicht völlig losgelöst von der Produktpolitik gesehen werden. Die Produktpolitik kann den Einsatz der Anlage auch im sicherheitstechnischen Bereich beeinflußen. Je nach Produktlinie oder Veränderung der Produktlinie können andere sicherheitstechnische Vorkehrungen notwendig sein. Wenn die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft anweist, die Produktlinie zu ändern, muß die Tochtergesellschaft zumindest in bezug auf die sicherheitstechnischen Auswirkungen ein Mitspracherecht haben. Ist das nicht gegeben, bestimmt die Muttergesellschaft über die Instandhaltung m So im Ergebnis auch U. H. Schneider, ZGR 1996,225,238; sogar noch strenger für die Produkthafhmg Hommelhoff, ZIP 1990, 761, 766. 276 So aber U. H. Schneider, ZGR 1996, 225, 238.

B. Inhaber- lDld Betreiberbegriff im Konzern

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der Anlage mit. Eine Mithaftung der Muttergesellschaft ist hingegen ausgeschlossen, wenn ein Mitentscheidungrecht der Tochtergesellschaft gewährleistet isf77 . Die Produktionsplanung ist ein haftungssensibler Bereich. Wenn die Produktion und auch die Disposition über die Produktion mit der jeweiligen Anlage eigenständig von der Tochtergesellschaft gehandhabt wird, ist die Muttergesellschaft nicht als Mitbetreiberin anzusehen.

bb) Organisation Die Organisation der Produktion umfaßt die tatsächliche Nutzung der Anlage. Die Bestimmung über den technischen Ablauf der Produktion beinhaltet einen direkten Zugriff auf die Anlage. Wenn die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft den technischen Ablauf der Produktion vorschreibt, bestimmt sie über die tatsächliche Nutzung der Anlage mit. Dadurch wird sie zur Mitbetreiberin. Die reine Produktionsüberwachung durch die Konzernspitze ist haftungsrechtlich hingegen unerheblich. Sie wird in der Regel durch Berichte, Besuche und Qualitätskontrollen erfolgen. Solange die Produktion in den oben angegebenen Grenzen durch die Tochtergesellschaft eigenständig erfolgt, macht eine zusätzliche Kontrolle die Muttergesellschaft nicht zur Mitbetreiberin. Denn diese Art von Kontrolle ist keine Kontrolle über die Anlage, sondern nur über die Erfüllung der jeweiligen Vorgaben. Es fehlt damit an dem für die Gefahrdungshaftung erforderlichen "Näheverhältnis" zur Gefahrenquelle. Soweit daran neue Maßnahmen hinsichtlich der Produktion anschließen, können die dort dargelegten Haftungsrisiken bestehen271 .

5. Personal Der Erfolg eines Unternehmens und damit auch eines Konzerns hängt wesentlich von der Qualifikation des Managements und der übrigen Mitarbeiter ab. Ohne qualifizierte Mitarbeiter lassen sich Unternehmen und Konzerne nicht erfolgreich führen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ergeben sich daraus originäre personalpolitische Führungsaufgaben der Konzernleitung. Es geht vor allem um die Besetzung der wichtigen Führungspositionen mit entsprechend qualifizierten Managern. Wichtige Führungspositionen lassen sich dadurch charakterisieren, daß sie die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage 277 Dies sieht auch Westermann, ZHR 155 (1991), 238 f so; siehe auch Michalski, Jura 1995,617, 623. 271 Siehe oben VI.4.a).

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdwtgshafhmg

des Konzerns und der Konzernobergesellschaft wesentlich beeinflussen können279 • Diese Bedeutung verlangt einen bestimmenden Einfluß der Konzernleitung bei der Bestellung von Vorstands- oder Geschäftsführungsmitgliedern für Tochterunternehmen. Auch die Besetzung anderer wichtiger Schlüsselpositionen läßt sich hierunter fassen. Soweit es um die Problematik der Personalverflechtung geht, ist auf die oben vorgenommenen Ausführungen zu verweisen280 • Bei den Angestellten ist zwischen Mitarbeitern, die mit der Produktion betraut sind, und anderen Mitarbeitern zu unterscheiden. Haftungsprobleme könnten sich nur hinsichtlich ersterer Gruppe ergeben. Die anderen Mitarbeiter haben keinen direkten Einfluß auf den Betrieb der Anlage. Auch die an der Produktion unmittelbar beteiligten Mitarbeiter (Techniker, Ingenieure etc.) haften nicht persönlich. Die Muttergesellschaft haftet allerdings als Mitbetreiberin, wenn diese technischen Mitarbeiter der Tochtergesellschaft dem Direktionsrecht der Muttergesellschaft unterliegen. Dies ergibt sich wiederum aus dem Gesichtspunkt. daß die Tochtergesellschaft die eigenständige Einwirkungs- und Verfügungsbefugnis über die Anlage haben sollte. Wenn Techniker und Ingenieure aus der Obergesellschaft entsandt werden, um die Produktion zu leiten, geht die eigenständige Verfügungsbefugnis der Tochtergesellschaft verloren. Falls Techniker nicht dem Weisungsrecht der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft, sondern dem der Obergesellschaft unterliegen, erlangt diese sozusagen über den verlängerten Arm dieser Mitarbeiter die tatsächliche Einflußnahme auf die Anlage2ll . Eine tatsächliche Einflußnahme ist spätestens dann anzunehmen, wenn die Mitarbeiter der Muttergesellschaft Zugriff auf die Anlage haben, ohne daß die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft eingreifen kann. Diese Haftungsgefahr sieht auch Schneide?82. Die Nutzung und die Kontrolle über die Anlage liegt dann faktisch in den Händen der Muttergesellschaft. Die Muttergesellschaft beherrscht in diesem Fall die Gefahr, die von der Anlage ausgeht, mit, denn sie bestimmt über ihre Mitarbeiter über den Einsatz der Anlage. Die Bestimmung über die Anlage in eigener Verantwortung durch die Tochtergesellschaft liegt nicht mehr vor. Diese Haftungsgefahr besteht nicht, wenn die Mitarbeiter nur dem Weisungsrecht der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft unterliegen.

279 ScheIDer, S. 48; ders., DB 1985,2005, 2009; Siongo, S. 59 f.; fiir die Holding: Keller, Holding-Handbuch, C 72, S. 142. 280 Siehe dazu ausführlich oben V.4. 281 Ähnlich auch LandmannIRohmerfRehbinder, Umweltrecht, § 2 UmweltHG Rdn.52. m U. H. Schneider, ZGR 1996,225,238, der von einer Alleinhaftwtg der Tochtergesellschaft ausgeht, wenn sie mit eigenen Mitarbeitern die Anlage fährt.

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In Rahmen der Personalführung werden oftmals unternehmensübergreifende Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen angeboten2l3 . Solche Schulungen können sich auf die Arbeit mit den verschiedenen Produktionsanlagen im Konzern beziehen. Sie sind jedoch haftungsrechtlich irrelevant, da keinerlei direkte Einwirkung und auch keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Anlagen in den einzelnen Tochtergesellschaften geschaffen wird.

6. Einkauf Der Einkauf umfaßt die Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Darunter fallt auch die Beschaffung von Einzelteilen für die jeweils produzierenden Anlagen, z.B. Turbinen etc. Die Qualität der Einzel- oder Ersatzteile kann für die technische Sicherheit einer Anlage entscheidend sein. Der Zentraleinkauf dieser Teile macht die Konzernspitze zur Mitbetreiberin, wenn die Tochterunternehmen diese Teile ohne eigene Mitspracherechte abnehmen müssen. Dadurch liegt die Erhaltung der Anlage mit in den Händen der Muttergesellschaft. Diese bestimmt durch die Anschaffung der Teile die Erhaltung und die technische Sicherheit der Anlage der Tochtergesellschaft. Auch wenn die Tochtergesellschaft die Anlage dann allein nutzt, wird die Muttegesellschaft zur Mitbetreiberin, da sie über einen Teil der tatsächlichen Verfügungsbefugnis "die Erhaltung der Anlage" bestimmf84 • Um ein Haftungsisiko auszuschließen, ist eine dezentrale Gestaltung der Beschaffung von Anlagen- und Anlagenersatzteilen notwendig. Wenn aus strategischen Gründen ein zentraler Einkauf erforderlich ist, müssen die Unternehmensleitungen der Tochtergesellschaften über den Einkauf mitentscheiden, damit die Konzernspitze nicht zur Mitbetreiberin wird.

7. Vertrieb Der Vertrieb ist mit dem Absatz der Erzeugnisse des Unternehmens befaßt. Da hierbei keine Anlagen i.S.d. Umwelthaftungsrechtes betroffen sind, existieren in diesem Bereich auch keine Haftungsrisikenm .

ScheIDer, S. 49. Siehe zum Merkmal ,,ErhaltWlg der Anlage" oben B.II.3.a)bb). m So im Ergebnis auch fiir die Produkthaftung im Konzern Hommelhoff, ZIP 1990, 761, 763. 283 284

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8. Lagerwesen Ebenfalls kann die Lagerung von Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffen und Produkten umwelthaftungsrechtlich relevant werden. Das ist zumindest dann der Fall, wenn zur Lagerung der Stoffe Anlagen benötigt werden286 . Nach § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG können z.B. auch Grundstücke Anlagen sein. Zumindest dann, wenn dort Stoffe gelagert werden, die Immissionen verursachen. Für die Lagerung gelten deshalb hinsichtlich des Mithaftungsrisikos der Muttergesellschaft die zur Produktion durchgeführten Überlegungen217 .

9. Finanzen Der Konzernrealität entspricht heute die verbundweite Finanzplanung und Kontrolle. Nur so läßt sich die Erhaltung des Verbundes und die Optimierung des Ertrages realisieren. Es kann zwischen dezentraler und zentraler Konzemfinanzierung unterschieden werden.

a) Dezentrale Konzernjinanzierung

Bei der dezentralen Konzemfinanzierung ist die langfristige Kapitalstruktur organisiert. Die Konzernleitung bestimmt in erster Linie die Gewinnverwendung und die langfristige Investitionsfinanzierung. Darüber hinaus ist im Ralunen der Führungsorganisation jedes Konzernunternehmen selbst für die laufende Finanzierung verantwortlich. Es nimmt selbst Bankdarlehen auf usw.. Die Obergesellschaft sorgt allerdings für eine einheitliche Bankpolitik, für einheitliche Konditionen, und sie stellt u.v. auch Sicherheiten2ll . Eine solche dezentrale Finanzierungsstruktur begründet keine umwelthaftungsrechtlichen Mithaftungsrisiken der Muttergesellschaft. Da die Tochtergesellschaft in diesen Fällen die Anlage alleine nutzt und über ihre Instandhal. tung bestimmt. Sie beherrscht in diesem Fall das von der Anlage ausgehende Risiko. Es fehlt an einer Nähebeziehung der Muttergesellschaft zur Gefahren-

216 Siehe hierzu z.B. Anhang 1 UmweltHG, Nr. 78 ff. (Anlagen zur Lagerwtg, BeWld Entladen von Stoffen). 217 Siehe oben B.V4. 211 U. H. Schneider, ZGR 1984, 497, 498; Arbeitskreis Krähe, S. 104, 105; Theisen, Holdinghandbuch, H 3 ff., S. 405; ScheIDer, in: Theisen, S. 236.

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quelle. Auch die Bestimmung der Muttergesellschaft über die Gewinnverwendung führt nicht zu ihrer Mithaftung. Aufgrunddessen könnte sie zwar den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Betrieb der Anlage ziehen. Dieser allein reicht jedoch nicht aus, um eine Mitbetreiberhaftung zu begründen289 . Der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils kann höchstens eine Indizwirkung haben. Bei zusätzlicher Einflußnahme auf anderer haftungssensible Unternehmensbereiche (insbesondere der Produktion) besteht ein erhöhtes Haftungsrisiko der Muttergesellschaft. Die Finanzführung darf nicht so weitgehend sein, daß sie in das "Innehaben der tatsächlichen Verfügungsgewalt" umschlägt. Wenn durch die Finanzführung allerdings so weit auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft Einfluß genommen wird, daß diese nicht mehr den Regeln der Technik entsprechend betrieben wird, haftet die Muttergesellschaft als Mitbetreiberin. Die Tochter muß mit den dafür ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet bleiben. Andernfalls fließt der Obergesellschaft nicht mehr nur der wirtschaftliche Vorteil zu, sondern es wird zusätzlich Einfluß auf die ,,Erhaltung der Anlage" genommen290 . Das führt wiederum dazu, daß die Muttergesellschaft die tatsächliche Verfügungsgewalt mit innehat und dadurch zur Mitbetreiberin wird. Ein Haftung der Muttergesellschaft ist bei einer dezentralen finanziellen Konzernführung daher nicht gegeben, wenn diese nur die Gewinnverwendung und die langfristige Investitionsfinanzierung umfaßt.

b) Zentrale Konzernjinanzierung

Die zentrale Konzernfinanzierung zeichnet sich dadurch aus, daß die gesamte interne und externe Finanzierung im Konzern koordiniert wird. Bankdarlehen werden nicht von jedem einzelnen Konzernunternehmen, sondern nur von der Muttergesellschaft bzw. einem hierfür zuständigen Konzernunternehmen aufgenommen. Bei Bedarf werden sie an die anderen Konzernunternehmen als konzerninterner Kredit weitergeleitef91 . Allein durch eine solche Koordinierung der Finanzmittel erlangt die Muttergesellschaft noch keinerlei

Siehe ausfiihrlieh oben B.II.3.c)aa) ff. Siehe oben B.II.3.a)bb). 291 Theisen, Holdinghandbuch H 3, S. 404; ScheIDer, in: Theisen S. 236; sowie KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 21, der nicht eindeutig zwischen zentraler Wld dezentraler finanzieUer Fühnmg Wlterscheidet. 289 290

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Einwirkungsmöglichkeiten auf die Anlage der Tochtergesellschaft. Auch hier kann aber durch die Einflußnahme auf die Finanzierung der Anlage die tatsächliche Verfügungsgewalt erlangt werden. Das ist auch hier der Fall, wenn die Tochter nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügen kann, die einen Betrieb der Anlage im Rahmen der einschlägigen Regeln der Technik gewährleisten.

aa) Cash-Management Zusätzlich wird in den meisten Fällen durch ein sogenanntes CashManagement-System zentral die Liquidität sichergestellt und der Zahlungsverkehr abgewickelt. Es wird eine zentrale Liquiditätsplanung, ein konzerninterner Liquiditätsausgleich und eine zentrale Liquiditätsbeschaffung vorgenommen. Dabei werden täglich auf dem Weg des Konzernclearing alle liquiden Mittel der Tochtergesellschaft an die Mutter oder an ein anderes Unternehmen abgeführt. Die einzelnen Konzernunternehmen haben Durchlaufkonten. Alle auf einem solchen Konto eingehenden Zahlungen werden aufgrund eines Dauerauftrages noch am selben Tag mit gleicher WertsteIlung auf ein Konto der Konzemleitungsgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft übertragen. Diese sorgt ihrerseits für die Zahlung auf Forderungen Dritter an die Konzernunternehmen292 . Durch diesen engen Finanzverbund wird die Muttergesellschaft nicht zur Mitbetreiberin der Anlage. Allein durch ein solches Verrechnungssystem hat die Muttergesellschaft noch keinerlei Einfluß auf die Anlage in der Tochtergesellschaft. Auch die Erlangung eines eventuell durch einen solchen Liquditätsausgleich entstehenden wirtschaftlichen Vorteils durch die Mutter reicht, wie oben festgestellt, nicht aus, um diese zur Mitbetreiberin zu machen293. Durch einen solchen Liquiditätsausgleich innerhalb des Konzerns wird zwar die gesamte Liquidität der Tochtergesellschaft, d.h. auch die jeweiligen

Gewinne aus der Produktion, direkt abgezogen. Sie werden jedoch auf dem Konto der Tochtergesellschaft verbucht. Diese hat einen Anspruch in der entsprechenden Höhe gegen die Muttergesellschaft. Die Betriebsergebnisse wer-

292 Siehe hierzu ausführlich Wld mit Graphik U. R Schneider, ZGR 1984, 497, 499, dort auch die weiteren Hinweise in Fn. 4; er sieht das Cash-Management als Voraussetzung für eine zentrale Finanzführung im Konzern an. Die BegriffsbestimmWlg scheint hier nicht ganz einheitlich zu sein; Everling, DB 1981, 2549, 2550; Arbeitskreis Krähe, S. 108; Theisen, Holdinghandbuch H 16 ff., S. 413 ff.; ScheIDer, in: Theisen, S. 239. 293 Vgl. oben B.n.3.c).

B. Inhaber- und Betreiberbegri1f im Konzern

109

den zumindest rein rechnerisch dem Vermögen der Tochtergesellschaft zugeordnet. Die Tochter kann daher bei Eintritt des Haftungsfalls auf ihre bestehenden Forderungen zurückgreifen. In der Praxis führt dies für den Geschädigten erst in dem Fall zu Problemen, wenn die Mutter nicht mehr in der Lage ist, die Ansprüche der Tochter zu befriedigen. Wenn aber auch die Mutter zahlungsunfähig wird, hilft dem jeweiligen Unfallopfer auch ein unter Umständen bestehender Mithaftungsanspruch gegen diese nicht mehr.

bb) Zusammenfassung Durch die Finanzfiihrung im Konzern, unabhängig davon, ob diese zentral oder dezentral erfolgt, erlangt die Obergesellschaft in der Regel keinen direkten Einfluß auf den Betrieb der Anlage in der Tochter. Sie könnte nur dadurch zur Mitbetreiberin werden, daß die finanzielle Führung wieder in die tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Anlage umschlägt. Das ist z.B. der Fall, wenn im Rahmen der Finanzplanung nicht die ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Anlage den Regeln der Sicherheitstechnik entsprechend zu betreiben.

10. Rechnungswesen Das Rechnungswesen ist selbst dann, wenn es zentral geführt wird, nicht geeignet, die herrschende Gesellschaft zur Mitbetreiberin der Anlage einer Tochtergesellschaft zu machen. Es bestehen keine Berührungspunkte mit dem Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft.

11. Stabsstellen Von den Stabsstellen könnten nur die Stellen Planung, Technik und Organisation umwelthaftungsrechtlich problematisch sein.

a) Planung und Organisation

Diese Stellen können haftungsrechtlich nur dann problematisch werden, wenn sie zentralisiert sind. Bedenken bestehen aber nur für den Fall, in dem

110

Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

die Planung und Organisation den Bereich Produktion und Einkauf betrifft. Insoweit kann auf die Ausführung zu Planung und Organisation in diesen Bereichen verwiesen werden294 •

b) Technik

Die Tätigkeit der Stabs stelle kann sich auf die Aufgabengebiete Investition, Produktion und Entwicklung erstreckenm. Haftungsrisiken bestehen nur dann, wenn die Stelle zentral geführt wird. Sie bestehen in dem Umfang wie bei den jeweiligen Hauptabteilungen296 . Selbst wenn die Produktion eigenständig von einer Tochtergesellschaft übernommen wird, kann es daher zu einem Haftungsrisiko kommen, wenn das herrschende Unternehmen planend und organisatorisch über eine TechniksteIle eingreift.

c) Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Muttergesellschaft über die Stabsstellen auf die oben aufgeführten Unternehmensbereiche nur in dem dort bereits dargestellten Maß Einfluß nehmen darf.

294

Vgl. oben B.VI.4. Wld 6.

m Arbeitskreis Krähe, S. 127 f 296 Siehe B. VI. 1 ff.

B. Inhaber- \Dld Betreiberbegriff im Konzern

111

Vll. Mindestinhalt der einheitlichen Leitung und konzerninteme Umweltgefährdungshaftung Die haftungsbegründende Einflußnahme der Obergesellschaft bezieht sich auf alle Unternehmensbereiche und Maßnahmen, die im weiteren Sinne die Produktion betreffen297 . Im Konzern kann diese Einflußnahme über die Ausübung der einheitlichen Leitung erfolgen. Fraglich ist aber, ob diese Einflußnahme zwingend über die Ausübung der einheitlichen Leitung erfolgen muß. Dies wäre dann der Fall, wenn jede Einflußnahme auf den Betrieb der Anlage des abhängigen Unternehmens parallel das Ausüben der einheitlichen Leitung beinhalten würde. Der Begriff der einheitlichen Leitung ist gesetzlich nicht näher definiert. Es ist bisher nicht gelungen, die Anforderungen, die an die einheitliche Leitung zu stellen sind, einheitlich zu definieren. Einigkeit besteht darüber, daß die Zusammenfassung unter die einheitliche Leitung das Unternehmen im Ganzen betreffen muß. Die einheitliche Leitung einzelner Betriebe oder Unternehmensbereiche genügt nichf91 . Welche Gegenstandsbereiche die einheitliche Leitung dabei umfassen muß, ist nicht vollständig geklärt. Nach der Regierungsbegriindung ist nicht erforderlich, daß alle irgendwie wesentlichen Bereiche der unternehmerischen Tätigkeit erfaßt werden. Ausreichend ist vielmehr, daß die Konzernleitung die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften aufeinander abstimmf99 . Diese Anforderungen sind nicht hinreichend konkret. In Bezug auf die Definition der einheitlichen Leitung haben sich daher unterschiedliche Meinungen entwickelt. Grob kann zwischen einem engen und einem weiteren Konzernbegriff unterschieden werden.

1. Enger Konzembegriff Der enge Konzernbegriff betrachtet den Konzern als eine wirtschaftliche Einheit. Das Wesen der einheitlichen Leitung wird aus der Eigenart des Konzerns als wirtschaftlicher Einheit entwickelfO°. Dementsprechend wird das Vorliegen einer

Dazu ausführlich B. V. \Uld VI. Vgl. Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 68 Rdn. 67; GeßlerlHefermehll EckardtlKropft", § 18 AktG Rdn. 17; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 4; NirkIBreniglBachl, Rdn. 927. 299 Begriind\Dlg des Regief\Dlgsentwurfs bei Kropft", S. 33. 300 Vgl. Hüffer, § 18 AktG Rdn. 10; KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 14; ScheIDer, FS Goerdeler, 1987, 469, 473; Zöllner, JuS 1968, 297, 300; annähernd, aber nicht ganz eindeutig dieser Ansicht zuzuordnen Lutter, ZGR 1987, 324, 330 (Ftmktionseinheit). 297

298

112

Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

einheitlichen Leitung nur bejaht, wenn die Konzernspitze für die zentralen unternehmerischen Bereiche eine einheitliche Planung aufstellt und bei den Konzerngliedern ohne Rücksicht auf ihre Selbständigkeit durchsetzt. Als zentraler unternehmerischer Bereich wird dabei vor allem das Finanzwesen angesehen. Nach dieser Auffassung ist immer eine konzernweite Finanzplanung erforderlich, um das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit und damit eines Konzerns zu bejahen301 • Das Vorliegen einer einheitlichen Finanzplanung ist andererseits aber für die Annahme der einheitlichen Leitung auch ausreichend. Für die Primärhafumg der Muttergesellschaft als (Mit-)Betreiberin reicht das nicht aus. Diese kann nur dadurch begründet werden, daß die Obergesellschaft tatsächlich Einfluß auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft nimmt. Solange nur eine einheitliche Finanzplanung vorliegt, ist das nicht gegeben302 . Nach dem engen Konzernbegriff liegt somit kein Konzern vor, wenn die Obergesellschaft nur Einfluß auf den Betrieb der Anlage nimmt, ohne die Finanzplanung zu übernehmen. Konsequenz ist, daß die Gefahr einer Mithaftung eines Unternehmens für den Betrieb der Anlage eines anderen Unternehmens damit nicht nur über die Verwirklichung der einheitlichen Leitung vermittelt wird, sondern auch bei Unternehmen gegeben sein kann, die nicht konzernverbunden sind Es reicht aus, wenn ein Unternehmen seine rechtlich oder tatsächlich gegebenen Einflußnahmemöglichkeiten ausnutzt, um auf den Betrieb der Anlage eines anderen Unternehmens Einfluß zu nehmen. Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit für den Betrieb der Anlage eines anderen Unternehmens kann nach dieser Ansicht unabhängig vom Vorliegen eines Konzern gegeben sein303 •

2. Weiter Konzernbegriff

Der weite Konzernbegriff läßt für das Vorliegen der einheitlichen Leitung die einheitliche Planung oder Koordinierung in einzelnen Funktionsbereichen, wie z.B. Finanz-, Produktions-, Absatz-, Investitions- oder Personalwesen ausreichen304 • Zwar erfiillt eine einheitliche Finanzplanung nach dieser Auffassung die Anforderungen, die an eine einheitliche Leitung gestellt werden, sie ist aber keine zwingende Voraussetzung. Es soll auch ausreichen, wenn eine einheitliche Planung 301 Vgl. KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 20 ff.; Marchand, S. 91 ff., 94; Werner, ZGR 1976, 447, 479 f 302 Siehe oben B.V.I0. 303 So im Ergebnis auch U. H. Schneider, ZGR 1996, 225, 239. 304 Vgl. Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 68 Rdn. 68; Emmerichl Sonnenschein, S. 58 f; GeßlerlHefermehllEckardtJKropff, § 18 AktG Rdn. 29 ff.; Geßler, BB 1977, 1313, 1315; Semler, DB 1977,805; Slongo, S. 187 f

B. Inhaber- Wld Betreiberbegriff im Konzern

113

oder Beeinflussung in einem der anderen zentralen Unternehmensbereiche wie et-

wa Eink:au( Organisation. Personal\Wsen. Produktion oder Absatz vorliegf"~. Eine Kontrollfunktion hinsichtlich dieser Bereiche soll hingegen nicht genügen306 . Es muß eine umfassende Beeinflussung in einem dieser Bereiche vorliegen, durch die eine Ausstrahlung oder Rückwirkung auch auf den finanziellen oder personellen Bereich erfolgf"7. Die Rechtsprechung hat sich, so\Wit erkennbar, diesem \Witen Konzernverständnis angeschlossen30 8. Nach dieser Ansicht ist die Primärhaftung des herrschenden Unternehmens ebenso nicht zwingend mit der Ausübung der einheitlichen Leitung vetbunden. Die Einflußnahme auf die Produktion ist zwar für die einheitliche Leitung ausreichend. Diese kann wiederum auch zur (Mit)haftung der herrschenden Gesellschaft fuhren. Es muß jedoch eine wnfassende Leitung des Bereichs der Produktion vorliegen, um den Begriff der einheitlichen Leitung zu erfiillen. Um das herrschende Unternehmen zur Mitbetreiberin zu machen. ist jedoch keine wnfassende Leitung des Bereichs der Produktion notwendig. Es können auch Weisungen, die sich auf einzelne Produktionsbereiche beziehen, ausreichen, \Wnn dadurch der Betrieb der Anlage tatsächlich beeinflußt wird Auch nach dieser Ansicht kann eine primäre Um\Wlthaftung durch Einflußnahme auf ein anderes Unternehmen vorliegen, ohne daß ein Konzern vorliegen muß.

3. Einheitliche Leitung als Vermutungstatbestand Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß die Ausübung der einheitlichen Leitung nicht zwingend zur Mitbetreibereigenschaft der Muttergesellschaft fuhrt. Daraus folgt damit auch, daß die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG für die Betreibereigenschaft nicht gelten kann. § 18 Abs. 1 S. 3 AktG stellt fur abhängige Unternehmen, zwischen denen kein Beherrschungsvertrag besteht, die Vermutung auf, daß diese mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bilden. Die Widerlegung der Vermutung zielt nicht auf die Abhängigkeit. Sie besteht in der Darlegung von Umständen, aus denen sich ergibt, daß herrschende und abhängige Unternehmen nicht einheitlich geleitet werden. Es wird sozusagen bei Abhängigkeit das Bestehen der einheitlichen Leitung vermutet309 . Würde fur das Vorliegen der Be30~ Slongo, S. 71; Dierdorf, S. 79. 306 Vgl. Krieger, MÜllchener Handbuch, AG, § 68 Rdn. 68; Semler, DB 1977, 805, 808. 307 Vgl. Slongo, S. 71; DierdOIf, S. 79 m.w.N. 308 Vgl. BGH NJW 1992, 1167, 1168; OLG Düsseldorr AG 1979, 318, 319; LG Stuttgart AG 1989, 445, 447; LG Mainz AG 1991,30,31. 309 KölnerKommIKoppensteiner, § 18 AktG Rdn. 34; GeßlerlHefermehllEckardtl Kropff, § 18 AktG Rdn. 63; WÜfdinger, in Großkomm., § 18 AktG Rdn. 6. 80ssenbUhl

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafumg

treibereigenschaft des herrschenden Unternehmens das Ausüben der einheitlichen Leitung genügen, würde dies zumindest für nicht vertraglich verbundene Unternehmen bedeuten, daß das Vorliegen der Betreibereigenschaft genauso vennutet werden könnte310 • Im faktischen Konzern würde sogar eine doppelte Vennutung zur Feststellung der Betreibereigenschaft führen. Zum einen die Vennutung des § 17 Abs. 2 AktG, der bei Mehrheitsbesitz die Abhängigkeit vennutet. Hinzu käme die Vennutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG. Diese Vermutungen zielen darauf ab, daß die Muttergesellschaft die ihr durch die Abhängigkeit gegebene Möglichkeit der einheitlichen Leitung auch tatsächlich nutzt und ausübt. Um diese Vennutung auf die Betreibereigenschaft der Muttergesellschaft zu übertragen, müßte also das Ausüben der einheitlichen Leitung zwangsläufig auch die tatsächliche Einwirkung auf die umweltgefährdende Anlage in der Tochtergesellschaft beinhalten. Das ist jedoch nicht der Fall. Die einheitliche Leitung kann ausgeübt werden, ohne daß die MuttergeseIlschaft gleichzeitig die Betreibereigenschaft erfüllt, deshalb kann die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG nicht für die Vennutung der Betreibereigenschaft ausreichen311 . Gegen eine solche Vennutung spricht weiterhin, daß die einheitliche Leitung eine gesetzliche Voraussetzung für die Feststellung des Konzerntatbestandes ist. Gemäß § 18 Abs. 1 AktG sind Konzerne durch das Gesetz vorgesehen und auch erlaubt. Zum Schutz der Minderheitsaktionäre und der außenstehenden Gläubiger besteht in §§ 302, 303, 311 und 317 AktG ein fein abgestimmtes Haftungssystem für einen bestehenden Konzern. Diese Vorschriften zeigen, daß sich der Gesetzgeber durchaus der Gefahren bewußt war, die mit einer Konzernlage und der damit zusammenhängenden Selbständigkeit seiner Mitglieder verbunden sind und mit den entsprechenden Haftungsregelungen eine gesellschaftrechtliche Lösung für angemessen hielt. Die einheitliche Leitung an sich ist erlaubt. Sie kann deshalb nicht ohne weiteres zu einer weitergehenden oder außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Konzernhaftung liegenden Haftung des herrschenden Unternehmens führen. Zu einer zusätzlichen Haftung kommt es nur, wenn in ihrer Ausübung gleichzeitig auch die Voraussetzungen anderer Haftungstatbestände erfüllt werden. Ob das der Fall ist, ist Gegenstand der weiteren Untersuchung.

Das befürchtet auch U. H. Schneider, ZGR 1996, 225, 239. So auch U. H. Schneider, ZGR 1996, 225, 238 f; LandmannIRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 1 UmweltHG Rdn. 48. 310 311

B. Inhaber- \Dld Betreiberbegriff im Konzern

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4. Zusammenfassung Die primäre Umwelthaftung eines Unternehmens für Umweltschäden, die durch Einfluß auf den Betrieb der Anlage eines anderen Unternehmens verursacht wurden, ist nicht zwingend mit dem Vorliegen eines Konzerns verbunden. Auch wenn keine einheitliche Leitung gern. § 18 Abs. 1 S. 3 AktG vorliegt, kann ein Unternehmen durch Weisungen oder andere Arten der Einflußnahme Mitbetreiberin der Anlage eines anderen Unternehmens werden. Es ist dadurch vorstellbar, daß eine kreditgebende Bank, die in dem oben dargestellten Maß auf den betrieblichen Ablauf ihrer kreditnehmenden Gesellschaft Einfluß nimmt, zur Mitbetreiberin von deren Anlage wird

VIII. Gemeinsame Inhabereigenschaft von Mutter- und Tochtergesellschaft Mutter- und Tochtergesellschaft können, je nachdem wie intensiv der Einfluß der Muttergesellschaft auf die Anlage der Tochtergesellschaft ist, nebeneinander als Inhaber zu qualifizieren sein312 • Diese Möglichkeit wird von der Rechtsprechung im Hinblick auf die Kfz-Halterhaftung angenommen, ohne daß dies weiter problematisiert wird. Für den Inhaber- und Betreiberbegriff gelten, da es sich auch um Gefahrdungshaftungstatbestände handelt, die gleichen Zurechnungskriterien wie bei der Halterfeststellung313. Deshalb wird man diese Feststellung unproblematisch übertragen können. Es ist kaum ein Konzernverbund vorstellbar, der so zentralistisch organisiert ist, daß die Tochtergesellschaft, bei der sich die Anlage befindet, keine der genannten Zurechnungsmerkmale miterfiillt. Dies gilt auch fur den Fall, daß eine reine Strohmanngesellschaft gegründet wird, da die Anlage in dem Fall zunächst von der Strohmanngesellschaft tatsächlich betrieben wird. Diese ist daher "zunächst als tatsächliche Nutzerin haft~14. Es entspricht insgesamt eher der konzernrechtlichen Realität, davon auszugehen, daß die Tochtergesellschaft zunächst die tatsächliche Nutzung der Anlage bestimmen kann und

312 Vgl. schon BGHZ 80, 1, 4; BGHZ 13, 351 fiir die Halterhafumg; auch in der Rechtsprech\Dlg des Reichsgerichtes lassen sich bereits entsprechende Fälle finden: RGZ 75, 7; 146, 340, 341; RG DR 1943, 36; wobei dabei aber regelmäßig dem Gesichtspunkt der Verfügungsgewalt das Hauptgewicht zukommen sollte, RGZ 27, 437; 40,220. 313 Siehe oben AIll. mit Herleitung \Dld weiteren Nachweisen. Des weiteren hat auch schon das Reichsgericht eine Hafhmg mehrerer Personen gesamtschuldnerisch anerkannt, wenn alle Beteiligten sowohl wirtschaftlich als auch technisch den Betrieb bestimmt haben, RG DR 1943, 36; dazu Heß, S. 52; siehe auch Deutsch 11. 314 Vgl. LandsbergILülling, § 1 UmweltHG Rdn. 62.

8'

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdWlgshafhmg

damit ein gewichtiges Kriterium für die Zurechnung der Inhabereigenschaft erfüllt. Es besteht aber die Möglichkeit, daß die Muttergesellschaft zusätzlich die vorgestellten Zurechnungskriterien teilweise oder auch voll erfüllt, so daß auch sie als Inhaberin zu qualifizieren wäre31~. Das würde dann zu dem Ergebnis führen, daß es für ein- und dieselbe Anlage zwei Inhaber gäbe.

1. Gesamtschuldnerische Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft nach § 840 Abs. 1 BGB

Fraglich ist, wie Mutter- und Tochtergesellschaft nebeneinander haften. Für das Deliktsrecht ist § 840 Abs. 1 BGB einschlägig. Diese Vorschrift sieht die gesamtschuldnerische Haftung vor, wenn mehrere nebeneinander für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden verantwortlich sind. Bei den hier vorgestellten Tatbeständen zur Anlagengefährdungshaftung handelt es sich aber um Gefährdungshaftungstatbestände. Ob § 840 Abs. 1 BGB Anwendung findet, hängt davon ab, wie der Begriff der unerlaubten Handlung in dieser Vorschrift zu verstehen ist. Der Begriff der unerlaubten Handlung wird von Rechtsprechung und Literatur im weitesten Sinne ausgelegt. Er Ulnfaßt grundsätzlich auch die spezialgesetzlich geregelten Gefährdungshaftungen316, allerdings nur solange für diese keine Sonderregelungen bestehen. Für das Atomgesetz, das Gentechnikgesetz und das Wasserhaushaltsgesetz gelten spezielle Regelungen, die weiter unten näher untersucht werden 317. § 840 Abs. 1 BGB könnte damit nur noch für die Haftung nach dem Umwelthaftungsgesetz, dem Haftplichtgesetz und in bezug auf § 14 S. 2 BImSchG ausschlaggebend sein.

31~ Siehe die genaue DarstellWlg der vorstellbaren Konstellationen Wld die Möglichkeiten der Muttergesellschaft, als Mitbetreiberin zu haften, im einzelnen oben B.V. ff. 316 Vgl. MÜIlChKommJStein, § 840 BGB Rdn. 5; Staudinger/Schäfer, § 840 BGB Rdn. 4; RGRKlNüßgens, § 840 BGB Rdn. 8; Palandt!Ihomas, §§ 840 BGB Rdn. 1; Erman/Schiemann, § 840 BGB Rdn. 2; speziell zum HaftpflG RGZ 58, 336; 61, 56 Wld BGH LM § 840 BGB Nr. 5. 317 Siehe A.ill.2.

B. Inhaber- lUld Betreiberbegriff im Konzern

117

a) §§ 1,2 HaftpflG als unerlaubte Handlung

Schon das Reichsgericht wandte auf Ansprüche aus dem Haftpflichtgesetz § 840 Abs. 1 BGB an311 . Diese Rechtsprechung ist vom BGH übernommen und auf andere Tatbestände ausgedehnt und weiterentwickelt worden319 . Ein Anhaltspunkt, daß der Begriff der unerlaubten Handlung gern. § 840 Abs. 1 BGB weit auszulegen ist und nicht nur die Verschuldenshaftung umfaßt, ergibt sich aus dem BGB selbst. Der 25. Titel des BGB, der die Überschrift "Unerlaubte Handlungen" trägt, beeinhaltet die Vorschriften §§ 829 und 833 320 . § 829 BGB regelt die Billigkeitshaftung, während § 833 BGB die Gefährdungshaftung des Tierhalters regelt. Die Tatsache, daß diese Vorschriften unter den Titel der unerlaubten Handlung gefaßt sind, spricht dafür, daß das Gesetz auch die Gefährdungshaftung unter den Begriff der unerlaubten Handlung i.S.d. § 840 Abs. 1 BGB fassen wollte. Wenn das der Fall ist, ist es auch gerechtfertigt, die Haftung nach anderen Gefährdungshaftungtatbeständen unter den Begriff der unerlaubten Handlung zu fassen. Der Grundgedanke der Gefährdungshaftung ist bei der Tierhalterhaftung der gleiche wie bei den außerhalb des BGB normierten Gefährdungshaftungtatbeständen. Auch hier wird dem Ersatzpflichtigen die Haftung für die von ihm geschaffene bzw. unterhaltene Gefahrenquelle auferlegt, da der Schutz des Geschädigten auch für Zufallsschäden gewährleistet werden soll321. Es macht keinen Sinn, auf der einen Seite für gefährliches Tun besonders strenge Haftungstatbestände zu normieren, dann aber für den Fall, daß es mehrere Haftungssubjekte gibt, dem Geschädigten die Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber der im BGB geregelten verschuldensabhängigen Haftung wieder zu erschweren. Dem Ersatzpflichtigen muß der Vorteil, daß es ihm überlassen bleibt, gegen wen er bei mehreren Schuldnern seine Ansprüche geltend macht, auch für den Fall der Gefährdungshaftung gegeben werden. Die Tatsache, daß die Vorschrift des § 13 Abs. 1 HaftpflG den Innenausgleich zwischen mehreren Schädigern regelt, zeigt, daß das Gesetz von einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Haftpflichtiger ausgeht. Ein solcher Innenausgleich wäre nicht notwendig, wenn die Schädiger im Außenverhältnis nur nach Anteilen haften würden.

311 RGZ 53, 114, 121. 319 Siehe zum HaftpflGlUlteranderem BGHZ LM § 840 BGB Nr. 5. Der BGH hat den Begriff so weit ausgedehnt, daß er § 840 Abs. 1 BGB sogar beim Zusammentreffen von nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen mit den Ansprüchen aus lUlerlaubter HandllUlg anwendet; vgl. hierzu BGHZ 85, 375, 386. 320 Siehe auch RGZ 53, 114, 121. 321 RGZ 53, 114, 122.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg b) § J UmweltHG als unerlaubte Handlung

Ebenso müßte § 1 UmweltHG den Begriff der unerlaubten Handlung i.S.d. § 840 Abs. 1 BGB erfüllen. Das Umwelthaftungsgesetz selbst enthält keine Spezialregelung für den Fall, daß mehrere schädigende Anlagen oder mehrere Inhaber einer schädigenden Anlage für den Schaden verantwortlich sind.

aa) Gesetzesgeschichte Im Gesetzgebungsprozeß wurde länger über eine entsprechende Regelung diskutiert. Der erste Diskussionsentwurf enthielt in § 9 eine Regelung, die bei genehmigten Anlagen und bei einem Schaden, der im Normalbetrieb entstanden war, den Inhaber der Anlage nur anteilig nach dem Maß seines Ursachenbeitrages haften lassen wollte 322 . Im Laufe des Gesetzgebungsverfahren hat § 9 danach verschiedene Fassungen durchlaufen. § 9 wurde dann durch § 8 gleichen Inhalts ersetzt323 • Der Rechtsausschuß sah in § 8 vor, daß jeder am Schaden beteiligte Inhaber, wenn der Schaden durch den bestimmungsgemäßen Betrieb seiner Anlage verursacht wurde, nach dem Maß seines Ursachenbeitrages haften sollte. Der Bundesrat machte demgegenüber den Vorschlag, daß mehrere Anlagenbetreiber dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner haften sollten. Diesem Vorschlag stimmten die Bundesregierung und der Rechtsausschuß des Bundestages nicht zu. § 8 wurde dann insgesamt im Vermittlungsausschuß gestrichen, ohne daß dies näher begründet wurde324 . Dieser Gang der Gesetzgebung hat nach der Verabschiedung des Gesetzes in der Literatur eine Diskussion darüber entfacht, wie die Haftung bei mehreren Verursachern aussieht. Es wird diskutiert, ob es sich um eine Anteilshaftung oder eine gesamtschuldnerische Haftung handelt32~. Problematisch sind vor allem die Fälle, in denen mehrere Anlagen an den schädlichen Emissionen lediglich beteiligt sind und damit das Schadensgeschehen in additiver oder potenzierender Hinsicht beeinflußt haben, da hier die jeweiligen Schadensanteile schwer quantifizierbar sind.

322 DE I zum Umwelthafhmgsgesetz. 323 BT-Drucks. 11/7881. 324 BT-Drucks. 11/8208, Anlage; 11/7104, S. 28. 32~ Salje, §§ 1, 3 UmweltHG Rdn. 122; Hager, NJW 1991, 139 f; Brüggemeier, UTR 12 (1990),261,268 f; Schmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 218 f[

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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bb) Proportionale Haftung Schmidt-Salzer nimmt fiir die Fälle mehrerer Verursacher nach dem UmweltHG eine dem Mitverursachungsanteil entsprechende proportionale Haftung an316 .

Zu diesem Ergebnis kommt er insbesondere durch Blick auf die sogenannten Summations- und Distanzschäden. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß sie durch massenhaft vorkommende Schadstoffe verursacht werden, ohne daß sich im einzelnen Schadensfall klären läßt, aus welcher Quelle die konkret schädlichen Stoffe stammen. Es besteht seiner Ansicht nach die Gefahr, daß Betriebe allein aufgrund einer Verursachungsvermutung aufs Ganze haften könnten. § 6 UmweltHG sieht fiir den Fall des nicht bestimmungsgemäßen Betriebs eine Ursachenvermutung allein aufgrund der Tatsache vor, daß die Anlage geeignet ist, einen entsprechenden Schaden zu verursachen317 . Eine gesamtschuldnerische Haftung würde im Einzelfall den ortsnah Greifbaren auch bei einem geringen Mitverschuldensanteil zu 100% belasten, ohne daß dieser tatsächlich die Möglichkeit hätte, seine Regreßanspruche im Innenausgleich durchzusetzen. Im Umwelthaftungsrecht sei es bei multikausalen Vorgängen, die örtlich nicht abschließend überschaubar sind, kein Einzelfall, sondern geradezu die Regel, daß Überlagerungen von Emissionen sowie deren Vermischung in den Umweltmedien auftreten. Solche Konstellationen seien in Bezug auf das klassische Deliktsrecht eher Einzelfallvarianten. Wenn in diesen EinzelfaIlen dem rechtswidrig handelnden Täter hier ein Risiko im Innenausgleich aufgebürdet würde, sei dies eben aufgrund des Ausnahmecharakters noch zu rechtfertigen. Im Umweltschadensbereich sei es aber angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten von Umweltschäden kein Einzelfall mehr. Bei Verursachermehrheiten sei es geradezu vorprogrammiert, daß im Fall einer gesamtschuldnerischen Außenhaftung gegenüber dem Geschädigten ein späterer Innenausgleich nicht funktioniere. Daher sei es sachgerecht, bei mehreren Verursachern diese auch im Außenverhältnis jeweils nur auf ihren Mitverursachungsanteil und nicht gesamtschuldnerisch haften zu lassen318 .

cc) Gesamtschuldnerische Haftung bei Gleichstufigkeit Salje dagegen ist der Ansicht, daß der Umfang potentieller Schadensbeteiligung der gesamtschuldnerischen Haftung unterliegen sollte. Er will allerSchmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 258 ff. Schmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 260. 31. Schmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 263; für jeweils abgrenzbare Schadensteile auch Landsberg/Lülling, Umwelthaftungsrecht, S. 93 Rdn. 202. 316 317

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdWlgshafhmg

dings nur gleichstufig gefährliche Handlungen in diese Wertung mit einbeziehen329 . Dabei läßt er nicht ganz klar erkennen, woran genau er diese Gleichstufigkeit festmachen will. Zumindest sieht er diese nicht im Fall des Zusammentreffens von Verschuldens- und Gefährdungshaftung als gegeben an33O • Die Inhaber von umweltgefährdenden Anlagen bilden nach seiner Einteilung dagegen eine einheitliche Klasse von Schädigern, so daß eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht zu ziehen ist. Eine Ausnahme will er für Kleinstbeteiligungen machen 331 .

dd) Gesamtschuldnerische Haftung nach Art und Weise des Zusammenwirkens Hager will es von der Art und Weise des Zusammenwirkens abhängig machen, ob bei einer Mehrheit von Ersatzpflichtigen diese als Gesamtschuldner oder anteilig nach Maß ihres Ursachenbeitrages haften 332 • Er nimmt für den Fall der Bestimmbarkeit des Kreises der Verursacher, den Fall der kumulativen Kausalität und den Fall der alternativen Kausalität, wenn die Gefährdungsakte der beteiligten Anlagen vergleichbar sind, eine gesamtschuldnerisehe Haftung der beteiligten Inhaber an. Nur für den Fall der Unüberschaubarkeit des übrigen Verursacherkreises geht er von einer pro-rata-Haftung aus. In diesem Fall würde der Schädiger bei Annahme der Gesamtschuld über das von ihm gesetzte Risikopotential hinaus belastet und das Opfer überkompensiert. Sachgerecht sei es hier, daß der Anlagenbetreiber für den seiner Anlage zurechenbaren und individualisierbaren Schadensanteil einstehen müsse 333 .

ee) Diskussion Für den hier zu untersuchenden Fall, daß nur eine Anlage den gesamten Schaden verursacht hat, d.h., der Schaden bei Wegfall der Anlage insgesamt entfiele, kämen Salje und Hager zu einer gesamtschuldnerischen Haftung. Wenn zwei Inhaber eine Anlage betreiben und es zu einem durch diese Anlage verursachten Schaden kommt, dann liegt eine gleichstufige Haftung vor. Beide würden nach der Ansicht Saljes gesamtschuldnerisch haften.

329 330

331 332 333

Salje, §§ 1, 3 UmweItHG Rdn. 127. Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 129. Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 130. Hager, NJW 1991, 139. Hager, NJW 1991, 140.

B. Inhaber- \Dld Betreiberbegriffim Konzern

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Nach der Argumentation Hagers läge ein sehr überschaubarer Verursacherkreis vor, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft gemeinsam Inhaber einer Anlage und damit nur zwei Gesellschaften beteiligt sind. Bei dieser Konstellation ist gesichert, daß es hinsichtlich des Innenausgleichs nicht zu Problemen kommen würde, weil der eine Schädiger den anderen kennen würde. Zwar würde eine der beiden Gesellschaften unter Umständen das Insolvenzrisiko der anderen tragen. Das ist aber sachlich richtig, da sich die beiden Anlagenbetreiber in einer besseren Position befinden, die wechselseitigen Verantwortungsbeiträge festzustellen 334 • Auch nach Hagers Ansicht wäre in diesem Fall eine gesamtschuldnerische Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft anzunehmen. Fraglich ist, wie die Tatsache, daß Mutter- und Tochtergesellschaft gemeinsam Inhaber ein- und derselben Anlage sind, nach der Ansicht von SchmidtSalzer zu beurteilen wäre. Streng genommen müßte man wohl zu einer anteilsmäßigen Haftung kommen. Aber es ist schon problematisch, ob eine solche anteilsmäßige Haftung im Außenverhältnis hier rechtstechnisch überhaupt vorstellbar ist. Wenn beide Gesellschaften als Inhaber zu qualifizieren sind, weil beide die Voraussetzungen des Inhaberbegriffs erfüllen, dann haften sie schon nach § 1 UmweltHG jeweils voll für den durch die Anlage verursachten Schaden. Gemäß § 1 UmweltHG ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Dabei ist keine anteilige Haftung für den Fall vorgesehen, daß es mehrere Inhaber gibt, oder eine Gesellschaft den Inhaberbegriff nicht vollständig ausfüllt. Eine mögliche Konstellation ist, daß zwei Gesellschaften jeweils für sich den Inhaberbegriff nicht erfüllen, sondern sie sich erst durch ihre Zusammenarbeit und ihre gemeinschaftliche Produktion mit der Anlage als gemeinsame Inhaber qualifizieren lassen. Selbst in diesem Fall wären die Argumente Schmidt-Salzers für eine pro-rata-Haftung nicht überzeugend. Das Problem, daß nur die ortsnah greifbaren Unternehmen die Ersatzlast tragen, stellt sich hier gerade nicht, da vorher geklärt wurde, wer als Inhaber in Frage kommt und der Schaden nur durch eine Anlage verursacht worden ist. Es existiert auch kein Identiflkationsrisiko, da sich nachverfolgen läßt, wer Einfluß auf die Funktion der Anlage genommen hat. Ob diese Einflußnahme im Einzelfall ausreicht, um das jeweilige Unternehmen als Inhaber zu qualifizieren, muß zunächst geklärt sein. Diese Frage ist nicht mehr Bestandteil der Frage nach der Mitverursachung, sondern setzt schon vorher an. Das liegt an der rechtlichen Konstruktion der Anlagenhaftung. Hier wird nicht für das Verhalten der einzelnen Gesellschaft, sondern für die Einwirkung der Anlage

334

Hager, NJW 1991, 140; ebenso Rehbinder, NuR 1989, 149, 160.

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auf die Umwelt gehaftee3'. Die Frage nach der Art der Mitverursachung darf nicht mit der Frage der Gesamtschuld vermischt werden. Auch um eine gesamtschuldnerische Haftung annehmen zu können, ist zuerst einmal Voraussetzung, daß alle Mitverursacher zweifelsfrei haften. Die Gesamtschuld ist keine Haftungsvoraussetzung, sondern nur eine Frage der Verteilung der Last des Schadensersatzes336 . Diese Trennung wird von der Literatur aber nicht sauber vorgenommen. Da im zu untersuchenden Fall kein Identifikationsrisiko besteht, ist eine gesamtschuldnerische Haftung im Außenverhältnis sachgerecht. Dies ist im Deliktsrecht so vorgesehen. Wenn mehrere durch schuldhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden verursacht haben, soll der Geschädigte dadurch keine Nachteile erleiden, seinen Schaden möglicherweise nicht oder nicht vollständig ersetzt zu bekommen337 . Den Schluß zu ziehen, daß dieser Gedanke sich auf die Gefahrdungshaftung nicht übertragen läßt, ist falsch 338 . Es ist zwar richtig, daß es sich bei der Gefahrdungshaftung um ein anderes Zurechnungssystem handelt. Hier erfolgt unabhängig von der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit des Verhaltens eine Zurechnung der Sach- oder Betriebsgefahr39 . Es ist auch richtig, daß deshalb die Besonderheiten der Verschuldenshaftung nicht unbesehen übertragen werden können 34o • Zu diesen unübertragbaren Besonderheiten der Verschuldenshaftung gehört aber nicht, daß mehrere Ersatzpflichtige nebeneinander als Gesamtschuldner haften. Denn Grund für die Annahme der Gesamtschuld ist nicht nur das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten mehrerer, sondern der Schutz des Geschädigten. Dieser soll nicht auf einem ihm zufällig zugefügten Schaden "sitzenbleiben", nur weil dieser ihm nicht von einem, sondern von mehreren zugefügt wurde. Ihm soll das Insolvenz- und Prozeßrisiko, daß bei einer Geltendmachung seines Schadens gegenüber jedem einzelnen Schuldner getrennt besteht, abgenommen werden. Grund dafür ist nicht nur die Rechtswidrigkeit und das Verschulden der Schädiger, sondern die Tatsache, daß er anders als im Vertragsrecht keinen Einfluß auf die Auswahl der ihm haften-

33' Schmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 249. 336 BGH NJW 1979, 544; MiinchKommlStein, § 840 Rdn. 4; PalandtfIhomas, § 840 Rdn. l. 337 Vgl. statt vieler MiinchKommlStein, § 840 BGB Rdn. 2. 331 So aber Oehmen, Rdn. 280. 339 Larenz/Canaris, S. 608; Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefiihrdungshaftung. 340 So die Argumentation von Schmidt-Salzer, § 1 UmweltHG Rdn. 227; Weckerle, S. 33 f

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den Personen nehmen kann341 . In einem Schadensfall, zu dem er nichts beigetragen hat und der ihn zufällig trifft, soll er wenigstens die Kompensationsmöglichkeit behalten. Das Insolvenz- und Prozeßrisiko soll statt dessen von den Schädigern im Innenverhältnis gemeinsam getragen werden, denn diese haben einen unbeteiligten Dritten geschädigt. Diese Überlegungen treffen auch für die Gefährdungshaftung zu. Hier ist die Haftung sogar wesentlich strenger ausgestaltet als bei der Verschuldenshaftung. Da es sich gerade um besonders gefährliche Tätigkeiten handelt, die nur unter dem Vorbehalt einer besonderen Haftung erlaubt werden, ist erst recht ein Schutz des Geschädigten erforderlich. Die Gefährdungshaftung beruht zu einem Großteil auf dem Gedanken des Opferschutzes. Es wäre widersprüchlich, einerseits gerade zum Schutz des Geschädigten bestimmte Sachund Betriebsgefahren mit der Gefährdungshaftung zu belegen, dem Geschädigten dann aber bei mehreren Schädigern die Durchsetzung seiner Ansprüche wieder zu erschweren, indem der einzelne Inhaber im Außenverhältnis wieder nur seinem "Verursachungsanteil" entsprechend haftet. Auch systematisch schließt der Begriff der unerlaubten Handlung gern. § 840 Abs. 1 BGB die Gefährdungshaftung mit ein342 und zeigt damit, daß die gesamtschuldnerische Haftung nicht auf die Fälle von rechtswidrigem und schuldhaftem Handeln beschränkt sein soll. Dies läßt sich auch den bereits bestehenden sondergesetzlichen Regelungen des § 22 WHG, § 32 GenTG und § 33 AtomG entnehmen, die eine gesamtschuldnerische Haftung im Rahmen der Gefährdungshaftung ausdrücklich normieren und damit anscheinend nicht für systemwidrig halten. Die Gesetzgebungsgeschichte spricht zusätzlich dafür, daß der Gesetzgeber sich dieser Problematik bewußt war, indem er ursprünglich den § 8 schaffen wollte. Daß dieser letztendlich nicht in das UmweltHG aufgenommen worden ist, ist damit als Entscheidung des Gesetzgebers für eine gesamtschuldnerische Haftung zu werten343 . Damit würde sich das Umwelthaftungsgesetz auch insoweit in die bereits bestehenden Regelungen zur Gefährdungshaftung eingliedern, die entweder spezialgesetzlich oder über § 840 Abs. I BGB von einer gesamtschuldnerischen Haftung ausgehen.

341 MÜIlchKommlStein, § 840 BGB Rdn. 2; Hager, NJW 1991, 140; RGRKlNüßgens, § 840 BGB Rdn. 3. 342 Siehe oben B.VI11.l.a). 343 So auch Schmidt-Sa1zer, § 1 UmweltHG Rdn. 223; so im Ergebnis, aber olme BegriindlDlg auch StaudingerlKohler, § 1 UmweltHG Rdn. 86; Paschke, § 1 UmweltHG Rdn. 75, so im Ergebnis aber olme eine AnwendlDlg von § 840 BGB Oehmen, Rdn.282.

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Es ist daher sachgerecht, auch hier § 840 Abs. 1 BGB anzuwenden. Nach der bisherigen Rechtsprechung, die den Begriff der unerlaubten Handlung zum Schutz des Geschädigten auf alle Gefährdungshaftungstatbestände auch außerhalb des BGB angewandt hat, wäre ohnehin zu erwarten, daß sie diese Rechtsprechung auch im Hinblick auf das UmweltHG nicht ändert.

c) Schadensersatzpjlicht nach § 14 S. 2 BlmSchG als unerlaubte Handlung Fraglich ist weiterhin, ob bei mehreren nach § 14 S. 2 BImschG ersatzpflichtigen Betreibem eine gesamtschuldnerische Haftung angenommen werden kann. Aufopferungsansprüche sind keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung und daher auch nicht unter den Begriff der unerlaubten Handlung i.S.d. § 840 Abs. 1 BGB zu fassen. Jeder Ersatzpflichtige haftet grundsätzlich nur entsprechend dem Maß der von ihm ausgehenden Einwirkung344 • Da § 14 S. 2 BImSchG eigentlich ein Aufopferungsanspruch ist, wäre die Konsequenz, daß die Ersatzpflichtigen als Teilschuldner haften. Von diesem Grundsatz machen Rechtsprechung und Literatur eine Ausnahme. Sie nehmen eine gesamtschuldnerische Haftung für den Fall an, daß mehrere Beteiligte für ein- und dieselbe Einwirkung verantwortlich sind und wenden § 840 Abs. 1 BGB entsprechend an34~. Schon das Reichsgericht hat für Aufopferungsansprüche entschieden: "Sind mehrere Personen für ein- und dieselbe Einwirkung verantwortlich, so haftet jeder von ihnen für den Anteil seiner Einwirkung am Gesamtschaden. Sie stehen nebeneinander als Gesamtschuldner (wie in § 840 für unerlaubte Handlung bestirnmt)"346. Der BGH hat diese Rechtsprechung bestätigt und eine gesamtschuldnerische Haftung selbst für den Fall, daß eine Ausgleichspflicht aus unerlaubter Handlung neben der einer nachbarrechtlichen Ausgleichspflicht besteht, angenornmen347 . Auch in diesen Fällen greift der für die Gesamtschuldregelung maßgebende Gesichtspunkt, daß der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre. In dem Fall, daß Mutter- und Tochtergesellschaft gemeinsam Betreiber einer 344 BGHZ 85, 375, 386; MiinchKommlStein, § 840 BGB Rdn. 5; RGRKlNüßgens, § 840 BGB Rdn. 10. 34~ Deutsch n, S. 468; Hubmann, JZ 1958, 489, 493; RGZ 167, 14, 39; BGHZ 85, 375,387. 346 RGZ 167, 14,39. 347 BGHZ 85, 375, 386.

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Anlage sind, sind beide für ein und dieselbe Einwirkung, die von der störenden Anlage ausgeht, verantwortlich. Daher greifen die Gedanken der Rechtsprechung auch hier. Eine gesamtschuldnerische Haftung ist aus den bereits eingehend dargestellten Gründen348 auch in diesem Fall eine angemessene Lösung. Da § 840 Abs. 1 BGB wörtlich nur für unerlaubte Handlungen Anwendung findet, und eine solche nicht vorliegt, ist hier zumindest sein Grundgedanke entsprechend anzuwenden 349 .

2. Gesamtschuldnerische Haftung nach den Sonderregelungen f"tir die Umweltgeiährdungshaftung Einige Gefährdungshaftungstatbestände der Umwelthaftung enthalten Sonderregelungen für den Fall, daß mehrere Haftpflichtige aufgrund desselben Gefährdungshaftungstatbestandes haften. Dies sind die Gefahrdungshaftungstatbestände § 22 WHG, § 32 GenTG und § 33 AtomG.

a) § 32 Abs. 2 GenTG

Gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 GenTG haften mehrere Betreiber als Gesamtschuldner. Die Literatur geht davon aus, daß die Vorschrift sachlich § 840 Abs. 1 BGB entspriche'o. Dem ist zu folgen, da die Vorschrift von ihren Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen mit § 840 Abs. 1 BGB identisch ist. Es soll allerdings ausreichen, daß ein Anspruch nach § 32 GenTG mit Ansprüchen gegen andere Betreiber aus anderen Haftungsnormen zusammentriftt.

b) § 33 Abs. J AtomG

Eine entsprechende Bestimmung enthält § 33 Abs. 1 AtomG. Danach sind mehrere einem Dritten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Schaden durch ein nukleares Ereignis oder in sonstiger Weise durch die Wirkung eines Kemspaltungsvorgangs oder die Strahlen eines radioaktiven Stoffes oder durch die von einem Beschleuniger ausgehende Wirkung ionisierender Strahlen verursacht worden ist. Auch hier kann festgestellt werden, daß es sich um eine mit § 840 Abs. 1 BGB inhaltsgleiche Regelung handelt. Dafür

348 349

3'0

Siehe oben B.vm.l.b)ee). BGHZ 85, 375, 386; Deutsch 11, S. 468. Vgl. Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 32 GenTG Rdn. 30.

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spricht auch, daß § 33 AtomG erst später eingefügt wurde und bis dahin die Regelung des § 840 Abs. 1 BGB angewandt wurde3~1.

c) § 22 Abs. 1 WHG § 22 WHG trifft eine Regelung bezüglich des Abs. 1 der Handlungshaftung, die besagt, daß mehrere, die schädliche Einwirkungen vorgenommen haben, als Gesamtschuldner haften. § 22 Abs. 2 WHG, der die Anlagenhaftung festlegt, verweist in Satz 2 auf die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 WHG. Das bedeutet, daß eine gesamtschuldnerische Haftung besteht, wenn aus mehreren Anlagen Stoffe, welche die Beschaffenheit des Wassers schädlich verändern, in ein Gewässer gelangen3~2. Insoweit ist die Vorschrift wieder inhaltsgleich mit § 840 Abs. 1 BGB.

d) Zusammenfassung

Die spezialgesetzlichen Regelungen sind mit § 840 Abs. 1 BGB inhaltsgleich. Bei allen untersuchten Tatbeständen bestimmt das Gesetz bei mehreren Ersatzpflichtigen, daß diese dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner haften.

3. Voraussetzungen für eine gesamtschuldnerische Haftung § 840 Abs. 1 setzt zunächst voraus, daß jeder Schädiger für den ganzen Schaden verantwortlich istm . § 840 ist damit keine haftungsbegründende Norm. Die Haftung mehrerer muß erst durch Gesetz begründet werden. Dies gilt auch für die entsprechenden Sonderregelungen. Auch hier muß eine Haftung bei den verschiedenen Beteiligten zunächst unabhängig voneinander vorliegen3~. Fraglich ist, ob - wie im Deliktsrecht - § 830 BGB Anwendung fin3~1 Vgl. Fischerhof, § 33 AtomG Rdn. 1; Haedrich, § 33 AtomG Rdn. 5. 3~2 Czychowski, § 22 WHG Rdn. 57.

3~3 Für § 840 BGB: MÜIlChKommlStein, § 840 BGB Rdn. 4; ErmaniSchiemann, § 840 BGB Rdn. l. 3~ Für das WHG: Czychowski, § 22 WHG Rdn. 57 i.V.m. Rdn. 40; und BGHZ 57, 262. Der BGH läßt sogar ausreichen, daß die Verunreinigung ohne das Hinzutreten anderer Verunreinigungen unschädlich gewesen wäre und nur durch das Zusammentreffen zu einem Schaden fuhrt. Dieser Fall kann hier aber nicht zutreffen, da nach der zugrunde gelegten Konstellation die Verunreingung nur von einer Anlage ausgehen würde. Für das GenTG: Hirsch/Schmidt-Diczuhn, § 32 GenTG Rdn. 36; KochlIbelgaufts, § 32 GenTG Rdn. 37.

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det, der die Haftung mehrerer Beteiligter begründet und dem Geschädigten so den Kausalitätsnachweis erleichtert.

a) Anwendbarkeit des § 830 BGB als haßungsbegründende Norm Die Haftung mehrerer Beteiligter an einer unerlaubten Handlung wird durch § 830 BGB begründet. Mittäter, Anstifter, Gehilfen ( § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) und Beteiltigte i.S.d. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB sind jeweils für den Schaden verantwortlich. Für den Fall, daß mehrere Gesellschaften nebeneinander die Inhabereigenschaft für dieselbe Anlage besitzen, ist bei genauer Subsumtion festzustellen, daß diese weder als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen noch als Beteiligte zu qualifizieren sind. Grundsätzlich ist schon fraglich, ob die Regelung des § 830 BGB bei den Tatbeständen der Gefahrdungshaftung überhaupt Anwendung findee~~. Diese Frage muß nicht entschieden werden, wenn § 830 BGB schon rein tatbestandlieh nicht anwendbar ist. Die Regelung des § 830 BGB betrifft den Fall, daß der entstandene Schaden durch mehrere zusammentreffende bzw. zusammenwirkende Kausalverläufe verursacht wird. Der Kausalitätsnachweis ist in diesen Fällen schwierig, wenn nicht sogar unmöglich zu führen, deshalb erleichtert § 830 BGB dem Geschädigten die Rechtsverfolgung3~6: Haben mehrere Personen durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung, also mittäterschaftlieh, einen Schaden verursacht (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB) oder haben neben dem Täter oder den Mittätern weitere Personen als Anstifter oder Gehilfen an der unerlaubten Handlung teilgenommen (§ 830 Abs. 2 BGB) oder läßt sich nicht ermitteln, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat (§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB), so sind alle diese Personen für den Schaden verantwortlich. Gemeinsam ist diesen Fällen, daß an verschiedene Kausalverläufe, die durch die verschiedenen Personen in Gang gebracht worden sind, angeknüpft wird. Dem Geschädigten soll die Schwierigkeit des Nachweises des Kausalverlaufs abgenommen werden3~7.

3~~ Für die Anwendbarkeit des § 830 BGB im Rahmen der Gefährd\Dlgshaft\Dlg siehe ausführlich Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 492 f[ 3~6 Vgl. MiinchKommlStein, § 830 BGB Rdn. 1 f[ mit zahlreichen Nachweisen zu Rechtsprech\Dlg \Dld Literatur; Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 492, insbesondere auch Fn. I, 15. 3~7 BGHZ 55, 86, 93.

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aa) § 830 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB Die mittäterschaftliche Begehung gem. § 830 Abs. 1 S. 1 BGB setzt eine gemeinschaftliche Begehung voraus. Bei der gemeinsamen Inhaberschaft haben sowohl Mutter- als auch Tochtergesellschaft Einfluß auf die Anlage und damit gemeinsam zur Verursachung des Schadens beigetragen. Daher könnte man zunächst annehmen, daß diese Mittäter sind. Der entscheidende Aspekt liegt bei § 830 Abs. I S. 1 und Abs. 2 BGB auf der subjektiven Seite der Tat. § 830 Abs. I S. I und Abs. 2 BGB setzen einen gemeinsamen Vorsatz der Tatbeteiligten voraus. Der Wille des einzelnen Mittäters muß darauf gerichtet sein, die eigene Tat gemeinschaftlich mit anderen zu verwirklichen 338 . Diese müssen sich dann den schädigenden Erfolg zurechnen lassen, weil seine Herbeiführung von ihrem Willen umfaßt ~'9. Ein solches mit dem Vorsatz vergleichbares subjektives Element existiert bei der Gefährdungshaftung nicht. Die Gefährdungshaftung besitzt zwar ein subjektives Element, denn das Schaffen und Unterhalten einer Gefahrenquelle - bei der Anlagenhaftung einer Anlage - setzt natürlich ein Bewußtsein des Betreibers voraus. Dieses subjektive Element läßt sich aber nicht mit dem deliktsrechtlichen Vorsatz vergleichen. Es bezieht sich nur auf die Eigenschaft als Betreiber oder Inhaber einer Anlage, nicht jedoch auf den Schadenseintritt. Mangels des gemeinsamen Vorsatzes existiert bei der Anlagenhaftung jene Mittäterschaft nicht, bei der die Haftung beider Gesellschaften durch § 830 Abs. 1 begründet wird360 •

bb) § 830 Abs. I S. 2 BGB § 830 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, daß mehrere Personen jeweils einzeln einen Haftungstatbestand verwirklicht haben. Es handelt sich um die Fälle der sogenannten alternativen Kausalität. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß sich sich nicht ermitteln läßt, auf welche in Betracht kommenden Quellen der Schaden tatsächlich zurückzuführen ist. Diese Konstellation liegt aber nicht vor, wenn mehrere Inhaber einer Anlage sind. Es wird nur ein Haftungstatbestand., die Verwirklichung der spezifischen Gefahr der Anlage in einem Schaden, durch mehrere gemeinsam verursacht. Der Schaden ist in diesem Fall eindeutig auf eine Quelle, nämlich die Anlage, zurückzuführen. Das ist aber nicht die Konstellation, auf die § 830 Abs. 1 S. 2 BGB zugeschnitten ist. Diese wäre vielmehr dann gegeben, wenn ein Schaden durch mehrere Anlagen ver-

3" BGHZ 17, 327, 333; Eberl-Borges, ACP 196 (1996), 492, 497, 499; MiinchKommlStein, § 830 BGB Rein. 9. 3'9 Siehe MiinchKommlStein, § 830 BGB Rein. 4; FraenckeI, S. 268 ff. 360 So auch Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 492, 497, 499.

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ursacht wurde und nicht zu ermitteln wäre, von welcher Anlage der Schaden wirklich verursacht wurde 361 • Die Frage nach der Verantwortlichkeit für eine Anlage ist damit in dem Fall, in dem es nur um eine Anlage geht, kein Problem des Kausalverlaufs mehr, sondern vielmehr ein Problem der Haftungszurechnung: Wem kann der Betrieb der Anlage und damit auch der in Gang gesetzte Kausalverlauf zugerechnet werden? Dies ist keine Frage, die sich anhand der Regelung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB lösen läßt.

b) Nebentäterschaft als hafiungsbegründender Tatbestand

Wenn zwei Gesellschaften gemeinsam eine Gefahrenquelle halten, handelt es sich auch nicht um einen Fall der Nebentäterschaft. Diese liegt vor, wenn mehrere Deliktstäter durch selbständige Einzelhandlungen ohne bewußtes Zusammenwirken einen Schaden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben. Bei dem gemeinsamen Halten einer Gefahrenquelle liegt hingegen zwar kein vorsätzliches, aber immer ein bewußtes Zusammenwirken vor. Es existiert nur eine Anlage und es ist nicht vorstellbar, daß zwei Gesellschaften, ohne voneinander zu wissen, Einfluß auf diese nehmen. Die Figur der Nebentäterschaft paßt in diesen Fällen nicht.

c) Haftungsbegründung durch Sonderregelung

Die einzelnen umweltrechtlichen Sonderregelungen treffen keine Aussage für den Fall, daß eine Anlage mehrere Betreiber hat. Sie sehen zwar bei Vorhandensein mehrerer Schädiger bzw. schädigender Anlagen eine gesamtschuldnerische Haftung vor. Diese Bestimmungen sind jedoch genau wie § 840 Abs. 1 BGB nicht haftungsbegriindend, sondern nur haftungsverteilend. Bei § 22 Abs. 2 S. 1 2. HS WHG geht Dahme zwar davon aus, daß sich die gesamtschuldnerische Haftung auch auf den Fall bezieht, daß die Verunreinigung durch mehrere Inhaber einer Anlage verursacht wird362 . Über die Haftungsbegriindung in diesem Fall gibt es jedoch keine Aussage.

361 Siehe zu dieser Problematik, ganz speziell auch fiir die einzelnen Gefahrdungshaftungstatbestiinde, Eberl-Borges, ACP 196 (1996), 500 ff., die bei einer Anwendung des § 830 BGB auch bei den GeflihrdWlgshaftungstatbeständen immer davon ausgeht, daß es sich um mehrere Anlagen bzw. Kfz handeln muß. 362 Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 38.

90ssenbühl

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

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§ 32 Abs. 1 GenTG spricht von mehreren Betreibern, die als Gesamtschuldner haften. Dies ist darauf zurückzuführen, daß es sich im GenTG um einen gemischten Tatbestand handelt, der auch die mittelbare Handlungshaftung umfaßt363. Hirsch/Schmidt-Didczuhn gehen davon aus, daß es mehrere Betreiber derselben Anlage geben kann, und sprechen in diesem Fall von Mittäterschaft364. Dies wäre allerdings mangels eines subjektiven Elementes aufTäterseite keine Mittäterschaft, wie § 830 Abs. 1 S. 1 BGB sie voraussetzt und bei der die Vorschrift des § 830 Abs. 1 S. 1 BGB die Haftung begriinden würde36~.

§ 33 AtG spricht nur von mehreren Verursachem und macht damit keine Aussage, ob diese nun mehrere Anlagen betreiben müssen oder ob mehrere eine Anlage gemeinsam betreiben können. Auch hier geht die Literatur davon aus, daß es durchaus möglich ist, daß es mehrere Inhaber derselben Anlage geben kann, ohne allerdings § 830 Abs. 1 S. 1 BGB als haftungsbegriindende Norm in diesem Fall anzuwenden366 .

d) Haftungsbegründung durch Erfollen der Inhabereigenschaft Der Begriff des Betreibers läßt sich in verschiedene Zurechnungselemente aufteilen, die zumindest theoretisch auch von verschiedenen natürlichen oder juristischen Personen nebeneinander erfüllt Werden können. Rein tatsächlich können damit mehrere den Inhaberbegriff erfüllen. Da bei den einzelnen Tatbeständen der Anlagenhaftung die Inhabereigenschaft haftungsbegriindend ist, haftet somit jeder, der diese Eigenschaft erfüllt. Jeder, der Inhaber ist, ist allein für den Schaden verantwortlich. Eine Aufteilung des Inhaberbegriffs in dem Sinne, daß ein Inhaber nur zu 50% Inhaber ist, ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Die Inhabereigenschaft ist eine Tatbestandsvoraussetzung, die erfüllt sein muß, damit überhaupt eine Haftung in Betracht kommt. Die Geschädigten können gegen jeden, der Inhaber bzw. Betreiber ist, vorgehen. Es gibt damit nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Gesellschaft erfüllt die Voraussetzungen des Inhaberbegriffs und haftet dann allein für den Schaden nach den jeweiligen Vorschriften, oder sie erfüllt die Voraussetzungen nicht. Dann wäre sie aber schon tatbestandlich nicht als Inhaber zu qualifizieren. Die Haftungsbegriindung bei der Anlagenhaftung, wenn nur eine Anlage den Schaden herbeigeführt hat, liegt damit ausschließlich in der Er363 Siehe oben A.n.I. 364 So HirschlSchmidt-Didczuhn, § 32 GenTG Rdn. 30. 36~ So auch Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 492, 497. 366 Fischerhof, § 33 AtomG Rdn. 2; Haedrich, § 33 AtomG Rdn. 2.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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füllung der Voraussetzungen des Inhaberbegriffs. Das heißt, es ist neben dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des einzelnen Haftungstatbestandes keine weitere Vorschrift wie § 830 BGB erforderlich, die bei mehreren Mitinhabern noch ausdrücklich eine Haftungsbegründung anordnet. Die Begründung der Haftung und damit die Voraussetzung für eine gesamtschuldnerische Haftung hängt allein von der Erfüllung der oben aufgeführten Kriterien367 ab. Führt dieses dazu, daß beide Gesellschaften Inhaber oder Betreiber sind, haften sie auch gesamtschuldnerisch36l • Jede der Gesellschaften haftet für den Schaden allein. Damit ist die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 840 Abs. 1 BGB und der sondergesetzlichen Regelungen erfüllt.

e) Gesamtschuldnerhaftung als angemessene Lösung

Im Außenverhältnis haften die Gesellschaften dann als Gesamtschuldner nach §§ 421 ff. Dies wird entweder durch § 840 Abs. 1 BGB oder durch einen der oben dargestellten Spezialtatbestände (GenTG, AtomTG, WHG) festgelegt. Eine solche gesamtschuldnerische Haftung ist auch sachgerecht. Auch im Fall der Anlagengefährdungshaftung darf ein Geschädigter nicht schlechter stehen, als er bei einem Alleinschuldner stünde. Es wäre nicht sachgerecht, ihn auf Teilansprüche gegen mehrere pro rata nebeneinander schuldende Gesellschaften zu verweisen und ihn damit das Insolvenz- und Prozeßrisiko tragen zu lassen. Gerade bei der Gefährdungshaftung hat der Geschädigte keinen Einfluß auf die Auswahl der ihm haftenden Personen, so wie ihm diese im vertraglichen Bereich zusteht369 . Zugleich ist es auch sachgerecht, dem Geschädigten eine gewisse Beweiserleichterung dadurch zu verschaffen, daß er nicht gezwungen ist, die Mitverantwortlichkeitsbeiträge der einzelnen an der Schädigung beteiligten Gesellschaften nachzuweisen oder Haftungsbesonderheiten zu berücksichtigen, die das Innenverhältnis betreffen370 • Er vermag in der Regel überhaupt nicht zu beurteilen, in welcher Form und vor allem in welchem Umfang verschiedene Gesellschaften am Anlagenbetrieb beteiligt sind. So, wie diese Grundsätze im Bereich des Deliktsrechtes gelten, müssen sie erst recht Beachtung bei den Tatbeständen der Gefährdungshaftung finden,

Siehe oben B. V und VI. So im Ergebnis auch Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 491, 500. 369 MÜIlchKommlStein, § 840 BGB Rdn. 2; RGRKlNüßgens, § 840 Rdn. 2; siehe auch oben B.VlII.l.a). 370 V. Caemmerer, ZR vgl 68, 85. 367 368

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshaftung

die eine noch strengere Haftung als die reine Verschuldenshaftung normieren371 • Die gesamtschuldnerische Haftung befreit den Geschädigten allerdings nicht von dem Nachweis, daß die Gesellschaft, die er in Anspruch nehmen möchte, Inhaberin bzw. Betreiberin der schädigenden Anlage ist. Insoweit ist der Begründung für die Annahme der Gesamtschuldnerschaft bei Heß nicht zu folgen. Er geht davon aus, daß bei mehreren Haltern eines Kfz dem Geschädigten durch Annahme der gesamtschuldnerischen Haftung der Nachweis abgenommen wird, wer denn nun den Halterbegriff erfüllt. Der Streit um den Umfang der Betriebsbeteiligung sei dann kein Problem des Haftpflichtverhältnisses mehr72 . Dem ist nicht zuzustimmen. Solange der Umfang der Betriebsbeteiligung Anhaltspunkt dafür ist, ob der Beteiligte überhaupt den Halterbegriff erfüllt, ist dieser Nachweis weiterhin vom Geschädigten zu führen. Denn erst die Tatsache, daß jemand Halter bzw. Inhaber der Anlage ist, begründet die Haftung der jeweiligen Person. Erst wenn die Haftung bei verschiedenen Personen oder Gesellschaften unzweifelhaft begründet ist, kann eine Verteilung des Schadens auf die unterschiedlichen Halter vorgenommen werden. Nur so werden die Voraussetzung des § 840 Abs. 1 BGB und die der Sonderregelungen erfüllt. Letztere begründen die Haftung nicht, sondern betreffen den Ausgleich im Außenverhältnis bei mehreren Schädigern, deren Haftung bereits feststeht 373 . Insoweit trifft den Geschädigten immer noch ein Auswahlrisiko. Wenn er diejenige Gesellschaft in Anspruch nimmt, die gar kein Inhaber ist, weil ihr der Betrieb der Anlage bzw. des Kfz nicht zugerechnet werden kann, haftet sie auch nicht gesamtschuldnerisch. Dies wird aber im praktischen Fall gerade der Hauptproblempunkt sein. Die Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft als Gesamtschuldner erfüllt den Zweck der Beweiserleichterung damit nur sehr bedingt.

4. Ergebnis Damit ist davon auszugehen, daß verschiedene Gesellschaften, die den Inhaberbegriff hinsichtlich einer Anlage erfüllen, im Außenverhältnis als Gesamschuldner gern. §§ 421, 840 Abs. 1 BGB bzw. nach den sondergesetzlichen Vorschriften haften. HeB, S. 88. HeB, S. 88. 373 BGH NJW 1979, 544; v. Caemmerer, ZR vgl 68, 85; a.A. für Nebentäter Keuk, AcP 168 (1968), 175, 187. 371

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5. Innenausgleich zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft Da beide als Gesamtschuldner haften, stellt sich die Frage nach der Haftung im Innenverhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaft. Gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. § 426 Abs. 1 BGB ist nur ein subsidiärer Maßstab, der gegenüber anderen Ausgleichsrnaßstäben, die sich sowohl aus Gesetz als auch aus Vertrag ergeben können, zurücktritt314 .

a) Sonderregelungen

Im Bereich der Anlagengefährdungshaftung lassen sich zunächst drei Vorschriften finden, die sich mit dem Innenausgleich mehrerer Haftpflichtiger beschäftigen und insoweit Sonderregelungen enthalten. Dies sind § 13 Abs. 1 HaftpIG, § 33 Abs. 2 AtomG und § 32 Abs. 2 GenTG. Bei diesen Sonderregelungen handelt es sich um gesetzliche Bestimmungen, die für den Innenausgleich eine andere Regelung als die zu gleichen Anteilen treffen und damit etwas anderes i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 12. HS BGB bestimmen.

aa) § 13 Abs. 1 HaftpflG Gemäß § 13 Abs. 1 HaftpflG hängt im Verhältnis der nach §§ 1,2 Ersatzpflichtigen untereinander Pflicht und Umfang zum Ersatz von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen verursacht worden ist. § 13 Abs. 1 HaftpflG ist anwendbar, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft Mitinhaber einer gefährlichen Anlage sind, die einen Schaden verursacht hat. Ob und in welchem Umfang eine Gesellschaft der anderen zur Schadensausgleichung verpflichtet ist, hängt insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Es handelt sich um die Anwendung des in § 254 BGB verwirklichten Grundsatzes3". Bei der Gefährdungshaftung einen Verursachungsbeitrag zu bestimmen, ist problematisch. Hier liegt nur der Betrieb einer gefährlichen Anlage und keine

314 Vgl. statt vieler MÜllchKommlSelb, § 426 BGB Rdn. 6; SoergellWolf, § 426 BGB Rdn. 17. 315 Filthaut, § 13 HaftpflG Rdn. 12; BGH VersR 1956, 409, 410; Gelhaar, DAR 1954,265,266.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrd\D1gshafhmg

Handlung des Haftpflichtigen vor, der den Schaden verursacht hat. Die Anlage hat zwar den Schaden verursacht, der jeweilige Verursachungsbeitrag der einzelnen Gesellschaft ist aber schwer zu bestimmen. Der Verursachungsbeitrag wird als Betriebsgefahr bezeichnee76 . Unter Betriebsgefahr sind die Gefahren zu verstehen, die mit dem Betrieb verbunden sind. Die allgemeinen Betriebsgefahren sind die Gefahren, die regelmäßig mit dem Betrieb verbunden sind. Wenn die allgemeine Betriebsgefahr durch besondere Umstände vergrößert wird, handelt es sich um die sogenannte erhöhte Betriebsgef~77. Das Besondere an der hier zugrundegelegten Konstellation ist, daß Mutterund Tochtergesellschaft für dieselbe Betriebsgefahr verantwortlich sind, da es sich um den Betrieb nur einer Anlage handelt. Das hat zur Folge, daß man nicht bei jeder Gesellschaft die von ihr gesetzte Betriebsgefahr im Rahmen der Abwägung zugrunde legen kann, da nur ein Betrieb und damit eine Betriebsgefahr vorliegt. Die Betriebsgefahr könnte aber intern aufgeteilt werden. Der Begriff des Inhabers bzw. Betreibers läßt sich wie oben dargestellt intern aufteilen. Da die Betriebsgefahr an den Begriff des Inhabers bzw. Betreibers gekoppelt ist, könnte je nach dem, welche Gesellschaft welches Merkmal des Inhaberbegriffs in einer bestimmten Intensität erfüllt, dieses bei der internen Schadensverteilung zu berücksichtigen sein. Wenn die Muttergesellschaft aufgrund ihrer Weisungen oder Einflußnahmen auf die haftungsspezifischen Bereiche einen größeren Anteil an der tatsächlichen Verfügungsgewalt als die Tochtergesellschaft hat, ist dies im Rahmen der Abwägung des § 13 HaftpflG zu berücksichtigten. Des weiteren müßte berücksichtigt werden, wenn eine der beiden Gesellschaften durch ihr Verhalten die Betriebsgefahr erhöht hätte. Es ist zwischen objektiv und subjektiv erhöhter Betriebsgefahr zu unterscheiden. Bei der objektiv erhöhten Betriebsgefahr wird ausschließlich an ein Vorliegen von bestimmten Umständen, die die Gefahren des Betrieb der Anlage erhöhen, angeknüpft. Wie diese Umstände zustande kommen, ist unerheblich. Bei der subjektiven Erhöhung der Betriebsgefahr muß schuldhaftes Verhalten auf Seiten des Haftpflichtigen vorliegen 371 . Beide Gesellschaften können gemeinsam als Inhaber zu qualifizieren sein, eine der beiden Gesellschaften kann aber durch ihr Verhalten die Betriebsgefahr der Anlage erhöht haben. Hier käme z.B. fehlende Wartung oder Beaufsichtigung der Anlage bzw. die Nichteinhaltung der einschlägigen technischen Regeln in Betrache79 . Dies wiirde eine subjektiv erhöhte Betriebsgefahr bedingen. Diese Erhöhung der Betriebsgefahr durch 376 Filthaut, § 4 HaftpflG Rdn. 20. 377 Filthaut, § 4 HaftpflG Rdn. 23 ff.; Böhmer, MDR 1958, 19. 378 Filthaut, § 4 HaftpflG Rdn. 24. 379 Siehe ausfiihrlieh z.B. zur Betriebspacht \D1ten B.IX.2.d)bb).

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

135

Wartungsmängel wäre z.B. auf der Seite der Gesellschaft zu berücksichtigen, die für die Wartung verantwortlich war und diese unterlassen hat.

bb) § 33 Abs. 2 AtomG § 33 Abs. 2 AtomG enthält eine § 13 Abs. 1 HaftpflG entsprechende Regelung. Er bestimmt, daß im Verhältnis der Ersatzpflichtigen die Verpflichtung zum Ersatz von den Umständen, insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist, sofern sich nach dem Pariser Abkommen nicht etwas anderes ergibt.

Auch hier ist zu untersuchen, ob und welche Gesellschaft die Betriebsgefahr erhöht hat, um die Ausgleichspflichten der Gesellschaften untereinander festzulegen3lo .

cc) § 32 Abs. 2 S. 2 GenTG Ebenso enthält § 32 Abs. 2 S. 2 GenTG die Regelung, daß im Verhältnis der Ersatzpflichtigen untereinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Daraus ergibt sich, daß auch hier eine Abwägung unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr vorzunehmen ise11 •

b) Innenausgleich bei den nicht sondergesetzlich geregelten umwelthaftungsrechtlichen Tatbeständen

Die weiteren umweltgefahrdungshaftungsrechtlichen Vorschriften (§ 22 WHG, § 1 UmweltHG und § 14 S. 2 BlmSchG) enthalten keine Regelung über den Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern. Daher gilt § 426 Abs. 1 BGB. § 426 Abs. 1 BGB tritt gegenüber anderen gesetzlichen Ausgleichsmaßstäben zurück. Mangels anderer spezialgesetzlicher Vorschriften kommt als Ausgleichsmaßstab nur § 254 BGB in Betracht. Auch ohne gesetzliche Regelung wird der Rechtsgedanke aus § 254 BGB auf

310 Fischerhof, § 33 AtomG Rdn. 6; Haedrich, § 33 AtomG Rdn. 7, wobei beide davon als einzige in der Anlagengefährdungshafhmg explizit darauf hinweisen, daß es zwei Inhaber ein- und derselben Anlage geben kann. 311 HirschiSchmidt-Didczuhn, § 32 GenTG Rdn. 37 f

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

das Verhältnis mehrerer Ersatzpflichtiger untereinander angewandt. Er kann jedoch nur analoge Anwendung finden, da er in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nur das Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem betrifft und nicht das Verhältnis mehrerer Schädiger untereinander. Der Gedanke der Schadensaufteilung entsprechend der Bewertung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist jedoch auch im Verhältnis mehrerer Schädiger zueinander sinnvo1l 312 . Damit ist auch hier nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen der Gesamtschuldner abzuwägen. Der Verursachungsbeitrag ist bei der Gefährdungshaftung die Betriebsgefahr. Daher ist auch hier die Betriebsgefahr aufzuteilen und abzuwägen.

aa) § 14 S. 2 BImSchG Eine Besonderheit besteht in Bezug auf § 14 S. 2 BlmSchG, der kein Gefahrdungshaftungstatbestand ist. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Ausprägung eines Aufopferungsanspruchs, der im Gegensatz zur Gefährdungshaftung nicht nur die Schaffung einer Gefahrenlage, d.h. einer Betriebsgefahr erfordert, sondern vielmehr einen bewußten Eingriff voraussetze83. Diese tatsächliche Einwirkung ergibt sich wiederum aus dem Betrieb der Anlage. Im Unterschied zu den anderen Gefährdungshaftungstatbeständen soll nach tatsächlichen Verursachungsbeiträgen abgewogen werden, und es wird nicht nur pauschal die Betriebsgefahr bei der Abwägung berücksichtigt. Für die vorliegende Konstellation, daß mehrere Inhaber einer Anlage sind, kann daher bei der Abwägung auf die tatsächlichen Einwirkungen der jeweils tätigen Gesellschaft zurückgegriffen werden.

bb) § 22 WHG Im Ergebnis kommt auch die Literatur zu § 22 WHG im Innenausgleich zu einer Verteilung der Verursachungsbeiträge. Uneinigkeit besteht nur darüber, ob nun § 254 BGB entsprechend oder § 17 Abs. 1 StVG sinngemäß anzuwenden ise84 . Auf das Abwägungsergebnis kann dies letztlich keinen Einfluß ha-

312 SoergellWolf, § 426 BGB Rdn. 30; dies ist inzwischen einhellige Rechtsprechung. Diese hat mit RGZ 77, 251 begonnen, aus der BGH-Rechtsprechung z.B. BGHZ 12,213; 17,222; 59, 103. 313 Vgl. Hubmann, JZ 1958,489,492. 384 Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 26, der fiir den Ausgleich im Innenverhältnis § 426 und § 254 BGB fiir anwendbar hält. Demgegenüber meinen Gieseke, ZfW 1962,4/25 und Czychowski, § 22 WHG Rdn. 41, daß § 17 Abs. I StVG, der eine § 13 HaftpflG entsprechende Vorschrift enthält, sinngemäß angewandt werden sollte,

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

137

ben, da sowohl § 17 Abs. 1 StVG als auch § 254 BGB auf die jeweiligen Verursachungsbeiträge abstellen.

cc) Umwelthaftungsgesetz Da das UmweltHG keine Regelung trifft, ist hier § 426 BGB anzuwenden, wobei § 254 BGB entprechend als andere Regelung herangezogen wird. Die Abwägung wird dann wie bei allen anderen Vorschriften des Umwelthaftungsrechts nach der Höhe und Art des Verursachungsbeitrages und damit der Betriebsgefahr erfolgen38~.

6. Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß bei allen bisher vorgestellten Umwelthaftungstatbeständen Mutter- und Tochtergesellschaft im Außenverhältnis als Gesamtschuldner gern. §§ 421 ff.BGB haften, wenn beide als gemeinsame Inhaber bzw. Betreiber der schädigenden Anlage qualifiziert werden können. Im Innenverhältnis entscheidet eine Abwägung nach dem jeweiligen Verursachungsbeitrag über die jeweiligen Anteile an der Haftung. Dies ergibt sich entweder aus den sondergesetzlichen Regelungen oder aus einer entsprechenden Anwendung des § 254 BGB im Rahmen des § 426 Abs. 1 BGB. Der Verursachungsbeitrag besteht mit Ausnahme zu § 14 S. 2 BImSchG in den jeweils realisierten Anteilen an der Betriebsgefahr der Anlage.

wobei sie auch selber daraufhinweisen, daß die Anwendung von § 254 BGB zum gleichen Ergebnis kommt. 38~ So im Ergebnis auch Schmidt-Salzer, § I UmweltHG Rdn. 279; Landsbergl Lülling, § I UmweltHG Rdn. 209.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

IX. Verschiedene Konzernformen Die bisher aufgestellten Kriterien, die dazu führen könnten, daß die Konzernmutter zumindest als Anlagen(mit)betreiberin haftet, haben Geltung für alle Konzernformen. Das ergibt sich daraus, daß nicht die rechtlichen Befugnisse der Konzernobergesellschaft für den Zugriff auf den Betrieb der Tochtergesellschaft entscheidend sind, sondern die tatsächlichen Verhältnisse bei der Konzemführung. Dennoch soll ein weiterer Blick auf die unterschiedlichen Konzernformen aufzeigen, inwieweit sich hier zusätzlich noch konzernformspezifische Differenzierungen ergeben können. Des weiteren sollen bei den einzelnen Konzernformen die jeweiligen Besonderheiten der Primärhaftung gegenüber einer gesellschaftsrechtlichen Haftung dargelegt werden. Es soll dabei noch nicht auf die Frage eingegangen werden, ob die Muttergesellschaft für Umwelthaftungsschulden in der Tochtergesellschaft unter Umständen auch nach den gesellschaftrechtlichen Haftungsmodellen in Anspruch genommen werden kann. Stattdessen soll zunächst nur aufgezeigt werden, inwieweit sich zwischen diesen beiden Haftungsmodellen generell Unterschiede ergeben.

1. Eingliederung Die rechtlich und faktisch intensivste Stufe einer Konzernverbindung ist die aktienrechtliche Eingliederung (§§ 319--327 AktG). Diese Art des Konzerns, die der Verschmelzung nahekommt, existiert nur im Aktienkonzemrecht. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Eingliederung hundertprozentiger Töchter (§ 319 AktG) und der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß (§ 320 AktGi 86 . Die Eingliederung beZMCkt die nahezu vollständige Herrschaft der Hauptgeseilschaft über die eingegliederte Gesellschaft. Die rechtliche Selbständigkeit der beiden Unternehmen bleibt dennoch erhalten. Die Hauptgesellschaft erhält gern. § 323 AktG die wnfassende Befugnis, die Leitung gegenüber der Tochtergesellschaft auszuüben387 . Dafür haftet sie gern. § 322 AktG gesamtschuldnerisch für sämtliche Alt- und Neuschulden der eingegliederten Gesellschaft. Unerheblich ist, auf welchem Rechtsgrund der Anspruch beruht. Es kann sich SO\Whl um vertragli-

386 Zu den Voraussetzungen im einzelnen siehe z.B. Emmerich/Sonnenschein, S. IU 1[; Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 73 Rdn. I1[ 387 Die Weisungsbefugnis ist nicht inhaltlich begrenzt, insbesondere müssen nachteilige Weisungen nicht durch die Belange der HauptgeseUschaft oder mit ihr konzernverbundener Unternehmen gedeckt sein, vgl. statt vieler Hüffer, § 323 AktG Rdn. 3.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

139

che als auch um deliktische Anspruche handeln388 . Es unterliegen somit auch SchacJensersatzanspriiche aus den Urnweltgefiihrdungshaftungstatbeständen der gesamtschuldnerischen Haftung. Da es sich bei SchacJensersatzanspriichen aus Urnwelthaftung in erster Linie um Geldschulden handelt, hat die heftig diskutierte Frage nach dem Inhalt der Haftung der Hauptgesellschaft hier keine Relevanz389 . Auf den ersten Blick ist kein Unterschied zwischen der Haftung nach § 322 AktG und der Primärhaftung erkennbar. Die Muttergesellschaft haftet auch im Bereich der primären Umwelthaftung für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft.

a) Besonderheiten bei der Verjährung

Unterschiede bestehen jedoch in Bezug auf die Verjährung. Es ist zwischen der Verjährung während des Bestehens der Eingliederung und der Verjährung bei Beendigung der Eingliederung zu unterscheiden.

aa) Verjährung während der Zeit der Eingliederung Gern. § 322 Abs. 2 AktG kann die Hauptgesellschaft sämtliche Einwendungen geltend machen., die auch der eingegliederten Gesellschaft zustehen. Dazu gehören auch solche, die normalerweise im Gesamtschuldverhältnis von § 425 BGB ausgeschlossen werden. Des weiteren können alle Einreden im materiellrechtlichen Sinne, die der eingegliederten Gesellschaft zustehen., geltend gemacht werden. Damit handelt es sich um eine erweiterte Art der Gesamtschuld. Diese ist gerechtfertigt, weil die Gläubiger gegen die Gefiihrdung ihrer Vermögensinteressen., die durch die Auflösung der aktienrechtlichen Vermögensbindung eintritt, geschützt werden sollen390 . In bezug auf die Verjährung hat das zur Folge, daß die Hauptgesellschaft

311 GeßlerlHefermehllEckardtlKropff, § 322 AktG Rdn. 8; Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 73 Rdn. 25. 319 So auch KölnerKommIKoppensteiner, § 322 AktG Rdn. 10. Für die sog. Haftungs- bzw. Einstandstheorie KölnerKommIKoppensteiner, § 322 AktG Rdn. 10; KleylLehm.ann, DB 1972, 1421, 1422; für die Hafumgstheorie die h.M., z.B.: Emmerieb/Sonnenschein, S. 123 f; Rüffer, AktG, § 322 Rdn. 4; Geßler, ZGR 1978, 251, 260 ff. 390 KölnerKommIKoppensteiner, § 322 AktG Rdn. 16; Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 73 Rdn. 26; GeßlerlHefermehlJEckardtlKropff, § 322 AktG Rdn. 11; Rüffer, § 322 AktG Rdn. 9.

140

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

die Einrede der Vetjährung erheben kann, wenn die umwelthaftungsrechtlichen Anspruche gegen die eingegliederte Tochtergesellschaft vetjährt sind391 . Das ist anders, wenn die Obergesellschaft Primärschuldnerin ist. Sie ist dann in ihrer Person verpflichtet, den Schadensersatzanspruch zu erfüllen. Sie haftet gern. oder entsprechend § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch392 mit der Tochtergesellschaft zusammen, wenn beide Mitbetreiber der Anlage sind. Der Ablauf der Verjährungfrist wirkt in diesem Fall gern. § 425 Abs. 1 BGB aber nur in ihrer Person, da § 425 Abs.l BGB hier nicht ausgeschlossen ist. Sie kann sich nicht auf den Ablauf der Vetjährungsfrist gegenüber der Tochtergesellschaft berufen. Vielmehr läuft für sie als Mitbetreiberin eine eigene Vetjährungsfrist. Dies ergibt sich daraus, daß der Beginn der Verjährungsfrist beim Geschädigten unter anderem die Kenntnis des Ersatzpflichtigen voraussetzt393 . Dieser Unterschied besteht schon während des Bestehens der Eingliederung zwischen der Primärhaftung und der Haftung nach § 322 AktG. Damit ist hier anhand der oben aufgestellten Kriterien (haftungssensible Ressorts, betriebsbezogene Weisungen etc.) zu überprüfen, ob die Muttergesellschaft Mitbetreiberin oder sogar Alleinbetreiberin der gefährlichen Anlage ist.

bb) Vetjährung nach Beendigung der Eingliederung Die gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft dauert über die Beendigung der Eingliederung hinaus an. Es gilt dabei die Vetjährungsfrist des § 327 Abs. 4 AktG. Die Ansprüche gegen die frühere Hauptgesellschaft .vetjähren danach spätestens in 5 Jahren seit Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung der Eingliederung. Wie die Haftung der Mutter für etwaige Umwelthaftungsansprüche nach Beendigung der Eingliederung vetjährt, hängt von den Vetjährungsvorschriften der relevanten Umwelthaftungsansprüche ab.

391 Allerdings kann die Hauptgesellschaft die Einrede der Verjährung nicht mehr geltend machen, wenn der Fristablauf ihr gegenüber unterbrochen wurde, ßGHZ 104, 76, 80 f (zu § 129 HGB). 392 Siehe oben B. VIII. 393 Siehe dazu ausführlich sofort folgend bb).

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

141

(1) Verjährung gern. § 852 Abs.l BGB

Für Ansprüche aus § 32 GenTG, § 2 HaftpflG, § 1 UmweltHG, § 22 WHG gilt die "kurze" Verjährungsfrist des § 852 Abs.l BGB. § 32 GenTG, § 2 HaftpflG und § 1 UmweltHG enthalten entsprechende Verweisungsvorschriften: § 32 Abs. 8 GenTG, § 11 HaftpflG und § 17 UmweltHG. Bei § 22 WHG bestand früher Streit bezüglich der Länge der Verjährungsfrist. Dieser ist aber durch den BGH im Sinne einer entsprechenden Anwendung des § 852 Abs. 1 BGB entschieden worden 394 . Die Verjährungsfrist beträgt gern. § 852 Abs. 2 BGB drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte von der Entstehung des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Für die Kenntnis des Schadens genügt, daß der Verletzte Kenntnis vom Eintritt irgendeines Schadens hae 9s . Die Kenntnis der Person des Ersatzpflichtigen beinhaltet nicht nur die Kenntnis des Verursachers - hier des Betreibers -, sondern schließt auch das Wissen um die Umstände ein, aus denen sich die Haftpflicht ergibt. Kenntnis der Einzelheiten ist nicht erforderlich. Der Geschädigte muß allerdings in der Lage sein, eine Schadensersatzklage erfolgversprechend zu begründen396 . Ab Kenntnis des Verletzten beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Daher sieht es zunächst so aus, als wäre die Verjährungsfrist des § 327 Abs. 4 AktG mit ihrer fünfjährigen Laufzeit länger. Während letztere jedoch mit der Eintragung der Beendigung zu laufen beginnt, ist der Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist aus § 852 Abs. 1 BGB, da er auf die Kenntnis abstellt, variabel. Er kann später als zwei Jahre nach Schadenseintritt liegen, und damit in der Praxis zu einer über fünf Jahre hinausgehenden Verjährungsfrist führen. Das ist der Fall, wenn der Geschädigte die erforderliche Kenntnis erst nach zwei oder mehr Jahren erlangt. In Umwelthaftungsfällen kann es vorkommen, daß der Verletzte erst sehr spät Kenntnis von der Schadensursache oder von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Vor allem in multikausalen Schadensfällen ist zunächst zu klären, wer überhaupt als Verursacher in Betracht kommt. Das kann einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Des weiteren kann sich auch erst in einem, vielleicht erfolglosen, Schadensersatzprozeß gegen die vermögenslose Tochtergesellschaft heraus394 Vgl. BGHZ 57, 176 und BGHZ 98, 237. Dazu auch Czychowski, § 22 WHG Rdn. 36, 37. 39' Vgl. BGH VersR 90,277. Zu den einzelnen Anfordenmgen an die Kenntnis, vor allem auch im. Hinblick auf spätere Schadensfolgen, vgl. MiinchKommlStein, § 852 BGB Rdn. 20 ff.; PalandtlIhomas, § 852 BGB Rdn. 8 ff. 396 Dies muß allerdings nicht risikolos sein, BGH NJW 88, 146. Ansonsten vgl. zu den näheren Einzelheiten MiinchKommlStein, § 852 Rdn. 30 ff.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

stellen, daß auch die Muttergesellschaft Betreiberin ist. Der Verletzte würde unter Umständen erst in diesem Prozeß von den Einflußnahmen der Mutter erfahren, die diese zur Mitbetreiberin machen. Es sind demnach Konstellationen vorstellbar, in denen die notwendige Kenntnis des Verletzten erst nach zwei Jahren eintritt und damit die Verjährungsfrist letztendlich über die 5jährige Frist des § 327 Abs. 4 AktG hinausginge. Unabhängig von der Kenntnis des Verletzten beginnt gern. § 852 Abs.l 2. HS BGB eine dreißigjährige Verjährungsfrist zu laufen. Ihr Lauf beginnt mit dem Setzen der Schadensursache und ist immer länger als die Frist des § 327 Abs. 4 AktG. Auch nach Beendigung der Eingliederung besteht für die Muttergesellschaft ein Unterschied zwischen der Primärhaftung als Mitbetreiberin und der gesetzlichen Haftung bei der Eingliederung. Dieser Unterschied besteht in den unterschiedlichen Zeitpunkten, in denen die Verjährungsfristen zu laufen beginnen. Während die Verjährungsfrist der Eingliederung mit der Eintragung in das Handelsregister zu laufen beginnt, kommt es für die Verjährung nach Umwelthaftungsrecht auf die Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen beim Geschädigten an. Es kann sich dadurch unter Umständen eine länger andauernde Haftung der Hauptgesellschaft ergeben, wenn sie als Mitbetreiberin zu qualifizieren ist. Dazu müssen die Voraussetzungen für die Mitbetreibereigenschaft der Obergesellschaft vorliegen.

(2) Verjährung gem. § 32 Abs. J AtomG Gern. § 32 Abs.l AtomG verjähren Ansprüche nach diesem Gesetz innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen. Abgesehen von dieser Kenntnis gilt hier gleichermaßen die 30jährige Verjährungsfrise 97 • Auch hier unterliegt die Hauptgesellschaft als Primärschuldnerin einer anderen Verjährungsfrist als bei Eingliederung.

(3) Verjährung des Schadensersatzanspruches aus § J4 S. 2 BlmSchG Uneinigkeit besteht im Hinblick auf die Laufzeit der Verjährungsfrist eines Schadensersatzanspruches gern. § 14 S. 2 BlmSchG. Ein Teil der Literatur

397 Die Absätze 2-4 des § 32 AtomG enthalten einige Sondervorschriften zur Verjährwtg, die im Hinblick auf die hier erörterte Problematik aber nicht von Bedeutwtg sind.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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und Rechtsprechung geht davon aus, daß sich die Ausgestaltung des Schadensersatzanspruches nach dem jeweils ausgeschlossenen Abwehranspruch richtet. Das führt in der Regel zu einer 30jährigen Vetjährungsfrise 98 . Die andere Ansicht wendet § 852 Abs. I BGB auf den Schadensersatzanspruch nach § 14 S. 2 BImSchG entsprechend an399 . Nach beiden Ansichten kann sich eine längere Vetjährungsfrist für die Muttergesellschaft ergeben, wenn sie gern. § 14 S. 2 BImSchG als Primärschuldnerin haftet. Das gilt zunächst uneingeschränkt für die Ansicht, die eine 30jährige Vetjährungsfrist annimmt. Diese ist immer länger als die fünfjährige Vetjährungsfrist nach § 327 Abs. 4 AktG. Nach der zweiten Ansicht kommt es auf den Zeitpunkt der nach § 852 Abs. 1 BGB notwendigen Kenntnis des Verletzten an. Wenn der Geschädigte die nach § 852 BGB notwendige Kenntnis nach den ersten zwei Jahren nach Eintritt des schadensersatzverursachenden Ereignisses erlangt, wäre die Vetjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB länger als die Vetjährungsfrist nach § 327 Abs. 4 AktG. Ansonsten ist sie kürzer. Da es insoweit immer auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall ankommt, kann keine generelle Entscheidung des Streites etfolgen. Gemeinsamkeit beider Ansichten ist, daß zwischen Vetjährungsfrist bei der Direkthaftung der Muttergesellschaft gern. § 14 S. 2 BImSchG und der gesellschaftsrechtlichen Haftung, die mit der Eingliederung verbunden ist, ein Unterschied besteht.

b) Zusammenfassung

Es ergeben sich bei der Eingliederung Unterschiede zwischen einer Haftung der Hauptgesellschaft nach §§ 322 ff. AktG und einer eventuellen Haftung der Hauptgesellschaft als Mitbetreiberin. Als Primärschuldnerin kann sie sich nicht auf den Ausschluß von § 425 Abs. 1 berufen, sondern die Vetjährungsfristen laufen bei ihr als Gesamtschuldnerin unabhängig von denen der Tochtergesellschaft. Das ist bei der Anwendung des § 322 Abs. 2 AktG nicht der Fall.

391 Die Besonderheit ergibt sich auch aus der besonderen dogmatischen Stellung des Schadensersatzanspruches, siehe oben All.l.a); OLG Ramm NJW 1988, 1031, 1032 f; Jarass, § 14 BImSchG Rdn. 17; Schmat:dNöthlichs, § 14 BImSchG Anm. 7; MiinchKommlSäcker, § 906 BGB Rdn. 139; PalandtIBassenge, § 906 BGB Rdn. 39; LandmannIRohmerfRehbinder, Umweltrecht, § 14 BImSchG Rdn. 66. 399 LG Regensburg NJW 1986, 2768; UleILaubinger, § 14 BImSchG Rdn. D 30; StaudingerfRoth, § 906 BGB Rdn. 232, 238.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

Auch nach Beendigung der Eingliederung kann sich unter Umständen bei Anwendung der einschlägigen Verjährungsfristen des § 852 bzw. § 195 BGB eine längere Haftung der Hauptgesellschaft als Primärschuldnerin ergeben. Die Laufzeit ist gern. § 852 Abs. 1 BGB davon abhängig, wann der Verletzte die notwendige Kenntnis von der Entstehung des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat. Nach § 195 BGB beträgt sie 30 Jahre. Nach § 327 Abs. 4 AktG ist die Haftung der Muttergesellschaft dagegen nach Beendigung der Eingliederung auf maximal fünf Jahre begrenzt. Hinsichtlich der Feststellung, ob die Muttergesellschaft Mitbetreiberin bzw. Alleinbetreiberin der Anlage ist, kann auf die weiter oben entwickelten Kriterien verwiesen werden40o . Da die Hauptgesellschaft gern. § 323 AktG uneingeschränkte Weisungsrechte besitzt, liegt es im Rahmen ihrer Befugnisse, auf den Betrieb der Anlage der Tochtergesellschaft Einfluß zu nehmen. Sie haftet aber nur, wenn sie von dieser Befugnis auch Gebrauch macht.

2. Vertragskonzern Im Vertragskonzern lassen sich gleichermaßen eine Reihe von gravierenden Unterschieden zwischen der aktienrechtlich vorgesehenen Haftung der Obergesellschaft und ihrer Haftung als Mitbetreiberin feststellen.

a) Beherrschungsvertrag

Durch den Beherrschungsvertrag gern. §§ 291 ff. AktG unterstellt eine Gesellschaft die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen. Er verleiht dem herrschenden Unternehmen das Recht, die Leitung der abhängigen Gesellschaft in vollem Umfang an sich zu ziehen (§ 308 AktG). Eine entsprechende gesetzliche Regelung im GmbHG fehlt zwar, dennoch besteht inzwischen Einigkeit darüber, daß auch bei der GmbH die Möglichkeit der Begründung eines Vertragskonzerns durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages besteht40I . Die aktienrechtlichen Vorschriften sind dabei soweit wie möglich entsprechend anzuwenden402 . Durch den Beherrschungsvertrag wird das

Vgl oben B.Vl. Wld Vll. Decher, Münchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 10; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 32; BaumbachIHueck/Zöllner, GmbH-KonzemR Rdn. 36. 402 Hier besteht allerdings hinsichtlich mancher VoraussetZWlgen Wld Rechtsfolgen noch Uneinigkeit, die Verlustausgleichspflicht analog § 302 AktG ist hingegen allgemein anerkannt, LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 32 Wld 48; Hachenburgl UImer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 229. 400

401

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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herrschende Unternehmen in die Lage versetzt, auf den Betrieb der Anlage der Tochtergesellschaft tatsächlich Einfluß zu nehmen. Die Mitbetreibereigenschaft ist dennoch keine zwingende Konsequenz des Vertrages. Die Einflußnahme auf die Anlage muß tatsächlich vorliegen. Die durch den Vertrag vorgegebene Einflußmöglichkeit muß sich hingegen nicht auf den Betrieb der Anlage der Tochter beziehen, sondern kann auch in anderen, nicht haftungssensiblen Bereichen des Tochterunternehmens vollzogen werden403 .

aa) Unterschied der Primärhaftung zum Verlustausgleich Um einen Ausgleich für die Einflußnahme der Obergesellschaft zu gewähren, hat das abhängige Unternehmen gern. § 302 AktG während des Bestehens des Vertrages einen Anspruch auf Verlustausgleich. Dieser Anspruch umfaßt alle Verluste der Tochter404 . Wenn während der Laufzeit eines Beherrschungsvertrages ein Umwelthaftungsschaden zu einem Verlust in der Tochtergesellschaft führt, wird dieser von der Obergesellschaft somit übernommen. Die Verlustausgleichspflicht besteht nur der Tochtergesellschaft gegenüber. Nur diese kann den Anspruch gegen die Obergesellschaft geltend machen40~. Der Ersatzberechtigte hat während des Bestehens des Beherrschungsvertrages keinen direkten Anspruch gegen die Obergesellschaft und auch kein Klagerecht406 . Es besteht für ihn nur die Möglichkeit, sich den Anspruch pfänden und überweisen zu lassen407 . Der Verlustausgleichsanspruch unterscheidet sich in seiner Ausgestaltung grundsätzlich von den Pflichten der Muttergesellschaft als Primärschuldnerin. Wenn die Obergesellschaft Mitbetreiberin ist, hat der Verletzte einen direkten Anspruch gegen die Muttergesellschaft. Dieser besteht unabhängig davon, ob bei der Tochtergesellschaft durch den Schaden überhaupt ein Verlust entstanden ist. Selbst wenn diese finanziell in der Lage ist, den Schaden zu tragen, könnte der Ersatzberechtigte gegen die Muttergesellschaft vorgehen. Ein solcher Fall wird zwar letztendlich keine praktische Relevanz haben. Er veranschaulicht aber die Rechtsstellung der Obergesellschaft. 403 Siehe oben B. V. und VII. 404 Dies ergibt sich bereits aus der Formulienmg des § 302 AktG. 40' KölnerKommIKoppensteiner, § 302 AktG Rdn. 20; Hüffer, § 302 AktG Rdn. 4; Wiirdinger, Großkomm., § 302 AktG Rdn. 6. 406 Ganz herrschende Meinung, vgl z.B. KölnerKommIKoppensteiner, § 302 AktG Rdn. 22; GeßlerlHefermehllEckardUKropff, § 302 AktG Rdn. 46; a.A. Müller, ZGR 1977, 1,5 ff. 407 Kropff, S. 390; GeßlerlHefermehllEckardUKropff, § 302 Rdn. 46, es ist zu beachten, ob ein Verzicht oder Vergleich auch ihm gegenüber gilt. Diese Problematik stellt sich bei einem primären Anspruch nicht. 10 Ossenbühl

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bb) Stellung der Muttergesellschaft nach Beendigung des Beherrschungsvertrages Auch die Stellung der Muttergesellschaft bei Beendigung des Beherrschungsvertrages unterscheidet sich je nachdem, ob sie als Mitbetreiberin oder ob sie gesellschaftsrechtlich haftet. Die Beendigung des Beherrschungsvertrages wirkt sich auf ihre Haftung nicht aus, wenn sie nach Beendigung faktisch weiter auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft Einfluß nimmt. Dann haftet sie weiter als Mitbetreiberin aufgrund ihrer tatsächlichen Einflußnahme. Wenn mit Beendigung des Vertrages auch die Einflußnahme der Muttergesellschaft auf die Anlage in der Tochter endet, haftet diese gesellschaftsrechtlich nur dann, wenn es während der Laufzeit des Vertrages zu einem Umwelthaftungsschaden gekommen ist. Die sich in diesem Fall aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Haftung bietenden Möglichkeiten, gegen die Muttergesellschaft vorzugehen, sind gegenüber denen der direkten Haftung der Obergesellschaft als Mitbetreiberin wesentlich eingeschränkt.

(1) Gesellschaftsrechtliche Haftung

Wird der Schaden erst nach Beendigung des Beherrschungsvertrages geltend gemacht, ist fraglich, ob ein auszugleichender Verlust bei der Tochter noch anfallen kann, nachdem der Jahresabschluß bereits festgestellt ist. Dazu muß man sich kurz die bilanzielle Situation vor Augen führen. Der Schaden führt erst zu einer Verbindlichkeit, wenn er tatsächlich vom Geschädigten geltend gemacht wird. Schon vorher hätte die Tochtergesellschaft aber entsprechende Rücklagen bilden müssen, wenn sie von einem Schadensfall bzw. bestimmten Schadensfolgen, die durch sie verursacht worden sind, gewußt hätte408 . Bei einem Umwelthaftungsschadensfall besteht die Möglichkeit, daß der Tochter dieser Schadenseintritt erst nach Feststellung des Jahresabschlusses bekannt wird409 • Da die entsprechenden Rückstellungen (§ 266 Abs. 3 B.III HGB) nicht gebildet worden sind, liegt eine Überbewertung des Bilanzpostens Eigenkapital (§ 266 Abs. 3 A HGB) vor. Das wiederum könnte zu der Nichtigkeit des Jahresabschlusses gern. § 256 Abs. 5 Nr. 1

401 409

AdlerlDüringlSchmaltz, § 252 HGB Rdn. 39, 76. Siehe oben zur Kenntnis der VeIjährlDlg bei der EingliedeflDlg B.IX.l.a)bb).

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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AktG führen. Danach ist der Jahresabschluß nichtig. wenn ein Posten überbewertet ist. Diese Vorschrift findet auch auf den Jahresabschluß bei der GmbH weitgehend entsprechende Anwendung41O . Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses läge nur dann vor, wenn man der Auffassung wäre, daß der Nichtigkeitsgrund der Überbewertung in § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG ein rein objektiver Tatbestand ist, der im Gegensatz zu § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG keine subjektiven Voraussetzungen hat411 . Dann läge objektiv eine Überbewertung vor. Gegen ein solches rein objektives Überbewertungsverständnis spricht jedoch die Existenz des Instituts der "wertaufhellenden" Tatsachen. Es findet seine gesetzliche Grundlage in § 252 Abs. 1 Ziff. 4 1. HS HGB. Danach muß der Bewertende, sofern er innerhalb des Zeitraums zwischen dem Abschlußstichtag und dem Zeitpunkt des AufsteIlens der Handelsbilanz Informationen erhä1t, die einen Rückschluß auf die Verhä1tnisse am Abschlußstichtag ermöglichen, diese Erkenntnisse in seine Bewertung mit einbeziehen. Die nach der Bilanzaufstellung erworbenen Kenntnisse über die objektiven Verhä1tnisse am Abschlußstichtag können die Wirksamkeit der Bilanz nicht mehr aufheben412 • In Bezug auf Tatsachen ist daher ein subjektives Tatbestandsmerkmal in den § 256 Abs. 5 S.l Nr. 1 AktG hineinzulesen413 . Der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft wäre dann nicht nichtig. wenn ein Umweltschadensfall eingetreten wäre, sie davon keine Kenntnis gehabt hätte und deshalb keine oder keine ausreichenden Rückstellungen gebildet hätte. Es wäre aber auch ein entsprechender Jahresfehlbetrag wegen der Überbewertung nicht ausgewiesen und daher von der Muttergesellschaft auch nicht ausgeglichen worden. Der Verletzte wäre bei Beendigung des Unternehmensvertrages auf seine Rechte aus § 303 AktG zu verweisen. Danach muß die Obergesellschaft gegenüber den Gläubigem, deren Forderungen vor Beendigung der Eintragung begründet worden sind, Sicherheit leisten. Die Gläubiger müssen sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung bei der Oberge4100LG Hamm AG 1992, 233, 234; LutterlHömmelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rdn. 25 ff., § 256 AktG ist mit Ausnahme von Abs. 2 in vollem Umfang auf die GmbH entsprechend anwendbar; BaumbachIHueckiSchulze.Osterloh, § 42a GmbHG Rdn. 22; Schol7JK. Schmidt, § 46 GmbHG Rdn. 36; HachenburglRaiser, Anh. § 47 GmbHG Rdn.68. 4ll So KölnerKommlZöllner, § 256 AktG Rdn. 16, 46; Schilling, in Großkomm., § 256 AktG Rdn. 92 (zu § 256 a.F.); Flume, DB 1981,2505; Roselfelkamp, BB 1977, 1713,1716f 412 Siehe ausführlich zum WertaufhelllDlgsprinzip: Selchert, in: Kütin!}"Weber, § 252 HGB Rdn. 58; Knobbe-Keuk, S. 53 ff.; AdlerlDüringlSchmalz, § 252 HGB Rdn. 39 ff., 76 ff. 413 So auch ausdrücklich Selchert, in Kütin!}"Weber, § 252 HGB Rdn. 60. 10'

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgeflihrdungshafttmg

seIlschaft melden. Gerade bei Umwelthaftungsfällen kann der Zeitraum von sechs Monaten durch den Geschädigten nicht einzuhalten sein. Wenn es sich z.B. um multikausale Sachverhalte handelt, bei denen zunächst erst zu klären ist, wer überhaupt als verursachendes Unternehmen in Betracht kommt, kann der Verletzte die Frist von sechs Monaten nicht einhalten. Gesetzlich hat die Obergesellschaft keine weiteren Pflichten, so daß der Verletzte leer ausgehen könnte414 •

(2) Haftung der Obergesellschaft als Primärschuldnerin Wenn die Obergesellschaft als Primärschuldnerin haftet, dann haftet sie solange für die entstandenen Schäden, bis die jeweiligen Verjährungsfristen des § 852 Abs. 1 BGB bzw. § 195 BGB abgelaufen sind. Die Frist des § 852 Abs. 1 BGB beginnt aber erst bei Kenntnis des Verletzten zu laufen. Dies kann zu einer praktisch sehr langen Haftung der Obergesellschaft als Primärschuldnerin führen415 •

(3) Zusammenfassung Der Geschädigte hat bei gesellschaftsrechtlicher Haftung nach Beendigung des Vertragskonzerns wegen der Sechsmonatsfrist in Umwelthaftungsfällen eine geringe Chance, seine Ansprüche geltend zu machen. Dagegen besteht bei der Geltendmachung der Ansprüche nach den Normen der Umweltgefältrdungshafiung außer der Verjährungsfrist, die von der Kenntnis des Verletzten abhängig ist, keine zeitliche Beschränkung.

b) Gewinnabfiihrungsvertrag In der Regel wird mit dem Beherrschungsvertrag ein Gewinnabführungsvertrag verbunden. Gern. § 291 Abs. 1 S. 1 AktG kann sich eine Aktiengesellschaft verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzu-

414 Emmerich/Sonnenschein, S. 248 f plädiert für nachvertragliche Pflichten in Form von Wiederaufbauhilfen; so auch Martens, S. 42 f und für die Notwendigkeit entsprechender unternehmensvertraglicher Vereinbarungen Hommelhoff, S. 310; eher skeptisch dagegen KölnerKommIKoppensteiner, § 297 AktG Rdn. 40. 415 Siehe oben B.IX.l.a)bb)(1).

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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führen. Seine Bedeutung liegt nahezu ausschließlich im steuerrechtlichen Bereich, da er die Grundlage der steuerrechtlichen Organschaft bildet416 . Bezüglich der Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft ergeben sich hier keine Besonderheiten. Es muß eine tatsächliche Einflußnahme vorliegen. Der Gewinnabführungsvertrag für sich gesehen führt, wenn der Anlagenbetrieb selbständig in den Händen der Tochtergesellschaft liegt, noch nicht zu einer Mitbetreiberhaftung der Obergesellschaft. Er führt unter Umständen dazu, daß der wirtschaftliche Vorteil des Betriebs der Anlage bei der Muttergesellschaft anfällt. Dies ist nicht zwingend so zu sehen, da die Tochtergesellschaft die Betriebsausgaben bestreitet und die Betriebseinnahmen bezieht. Die Abführung des Gewinns könnte deshalb eher lnit der Zahlung der Dividende verglichen werden, zumal nach § 300 AktG bestimmte Regelungen zur Sicherung des Kapitals in der Tochtergesellschaft bestehen. Selbst wenn man im Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages den Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils bei der Obergesellschaft sehen würde, würde dies nicht ausreichen, um sie zur Mitbetreiberin einer Anlage der Tochtergesellschaft zu machen. Für die Betreiberhaftung reicht allein der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils nicht aus, wenn die tatsächliche Verfiigungsgewalt ausschließlich in den Händen einer anderen Gesellschaft liegt417. Insoweit ergeben sich aus dem Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages noch keine Konsequenzen hinsichtlich der Stellung der Obergesellschaft als Mitbetreiberin. Die Obergesellschaft muß vielmehr nach den oben beschriebenen Kriterien Einfluß auf den Betrieb der Anlage in der Untergesellschaft nehmen. Für die weiteren Unterschiede zwischen Primär- und gesellschaftsrechtlicher Haftung der Muttergesellschaft gilt dasselbe wie für den Beherrschungsvertrag.

c) Geschäflsfohrungsvertrag Ein Geschäftsführungsvertrag liegt nach § 291 Abs. 1 S. 2 AktG vor, wenn sich eine AG verpflichtet, ihr ganzes Unternehmen für die Rechnung eines anderen Unternehmens so zu führen, daß Gewinne und Verluste bei der ver-

416 Emmerich/Sonnenschein, S. 146 f; KölnerKommIKoppensteiner, § 291 AktG Rdn.53. 417 Siehe oben B.I1.3.c).

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pflichteten Gesellschaft nicht mehr anfallen. Er hat wirtschaftlich dieselben Konsequenzen wie ein Gewinnabführungsvertrag418. Ein Merkmal des Betreiberbegriffes ist die Führung des Betriebes auf eigene Rechnung. Dieses Merkmal würde für die Tochtergesellschaft bei Abschluß eines Geschäftsführungsvertrages nicht mehr erfüllt werden. Der Betrieb würde in diesem Fall auf Rechnung der Muttergesellschaft geführt. Dies führt dennoch nicht automatisch zur Mitbetreibereigenschaft der Muttergesellschaft. Obwohl die Betriebsausgaben nicht bei der Tochtergesellschaft direkt anfallen, ist der Geschäftsführungsvertrag in seinen wirtschaftlichen Wirkungen dem Gewinnabführungsvertrag sehr ähnlich. Es geht daher auch hier um die Frage, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, wenn der wirtschaftliche Vorteil nicht bei der Tochtergesellschaft, sondern bei der Muttergesellschaft anfallt. Wie bereits festgestellt, reicht nach der bisherigen Rechtsprechung und auch nach dem Grundgedanken der Gefährdungshaftung der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils für die Annahme der Mitbetreiberhaftung nicht aus, solange die tatsächliche Verfügungsgewalt bei der Tochtergesellschaft liegt. Für den Geschäftsführungsvertrag kann damit auf die Ausführungen zum Gewinnabführungsvertrag verwiesen werden.

d) Andere Unternehmensverträge Neben dem Beherrschungs- und dem Gewinnabführungsvertrag regelt das Aktiengesetz in § 292 BGB noch eine Reihe weiterer Unternehmensverträge. Darunter fallen die Gewinngemeinschaft, der Teilgewinnabführungsvertrag, der Betriebspacht- und der Betriebsüberlassungsvertrag. Diese können auch zwischen GmbHs abgeschlossen werden419 . Da sie sich zum Aufbau von Konzernen eignen, sollen sie der Vollständigkeit halber mitbehandelt werden.

aa) Gewinngemeinschaft und Teilgewinnabführungsvertrag

Bei Vorliegen einer Gewinngemeinschaft verpflichtet sich eine Gesellschaft gern. § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen zusammenzulegen. Beim Teilgewinnabführungsvertrag geht es um eine Abführung eines Teils des Gewinns. Solange die tatsächlichen Einwirkungsbefugnisse auf die

411 Siehe statt vieler KölnerKommIKoppensteiner, § 291 AktG Rdn. 57; Geßler/ HefermehllEckardtJKropff, § 291 AktG Rdn. 87. 419 Siehe Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 72 Rdn. 43; LutterlHommeihoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 51.

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Anlage bei der Tochtergesellschaft verbleiben, bestehen allein durch den Abschluß dieser Verträge keine Haftungsrisiken. Durch diese Verträge erhält die Obergesellschaft genau wie beim Gewinnabführungs- oder Geschäftsführungsvertrag nur den "Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils" und keine tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage.

bb) Betriebspachtverträge Der Abschluß eines Betriebspachtvertrages (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG) verpflichtet ein Unternehmen, dem anderen Teil die volle Nutzung des ganzen Unternehmens für die Dauer der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter wird verpflichtet, den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Kennzeichnend für diesen Vertrag ist, daß die Verpächterin ihre gesamten betrieblichen Anlagen gegen Entgelt dem Pächter überläßt. Der führt dann den Betrieb für eigene Rechnung und in eigenem Namen weiter420 . Die wesentlichen Elemente dieses Vertragstyps ergeben sich aus dem Pachtbegriff des BGB421 . Grundsätzlich führen solche Verträge nicht zu einem Mithaftungsrisiko der Verpächterin. Wie bereits bei den einzelnen umwelthaftungsrechtlichen Vorschriften dargelegt, hat das Eigentum nur Indizwirkung422 • Der Eigentümer haftet nicht mehr, wenn er die gesamte wirtschaftliche und tatsächliche Verfügungsgewalt an einen Dritten - hier den Pächter - abgegeben hat. Da auch die betrieblichen Anlagen und damit die u.u. schadensverursachende Anlage mitverpachtet werden, ist dies Ergebnis auch sachgerecht. Wenn die Anlage sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einem technisch nicht einwandfreien Zustand befindet, könnte die Verpächterin ein gewisses Haftungsrisiko treffen. Sie könnte unter dem Gesichtspunkt "Erhaltung der Anlage" mitverpflichtet sein423 . Dagegen läßt sich einwenden, daß in dem Augenblick, in dem der Pächter die Anlage übernimmt, er auch gegenüber Dritten die alleinige Verantwortung übernimmt. Er übernimmt den Betrieb mit allen Risiken und ist vor Inbetriebnahme der Anlage selbst verpflichtet, deren technische Ausstattung zu überprüfen und die Sicherheit zu gewährleisten. Dies wäre auch bei einem Kauf der Anlage nicht anders, und dort ließe es sich auch nicht vertreten, den Verkäufer nach Abschluß des 420 Emmerich/Sonnenschein, S. 177; GeßlerlHefermehJlEckardtlKropff, § 292 AktG Rdn. 61; Würdinger, in Großkomm., § 292 AktG Anm. 18; für die GmbH: HachenburglU1mer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 195; LutterlHommelho1r, Anh. § 33 GmbHG Rdn.51. 421 KölnerKommIKoppensteiner, § 292 AktG Rdn. 64; Hüffer, § 292 AktG Rdn. 18. 422 Siehe oben B.Il.3.a)aa). 423 Siehe oben B.Il.3.a)bb) und Koch, S. 153.

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Kaufvertrages als Mitbetreiber zu qualifizieren424 . Solange der Verpächter das Betriebs- und Investitionsrisiko und die Substanzerhaltungspflicht trägt, wie dies grundsätzlich bei der Betriebspacht der Fall ist425 , besteht somit kein Haftungsrisiko des Verpächters. Eine andere Beurteilung ist geboten, wenn der Verpächter noch irgendwelche Einwirkungsbefugnisse auf die Anlage behält. Diese kann er vor allem aufgrund von Wartungspflichten haben. In diesem Fall liegt die tatsächliche Verfügungsgewalt nicht mehr allein in den Händen der Tochtergesellschaft. Unter dem Gesichtspunkt "Erhaltung der Anlage" wäre zumindest eine Mithaftung anzunehmen, denn er hätte die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Zustand der Anlage426 . Eine Mithaftung des Eigentümers wurde auch vom OLG Frankfurt in einem Fall angenommen, in dem es um die Miete eines Grundstücks und die tatsächliche Verfügungsgewalt des Vermieters über einen auf dem vermieteten Grundstück befindlichen Öltank ging427 . Das Gericht hat den Vermieter als Mitinhaber mit der Begründung angesehen, daß dieser weiterhin tatsächlich in der Lage gewesen sei, das Grundstück zu betreten, Reparaturen auszuführen und einen unsachgemäßen Umgang mit der Anlage zu verhindern. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht trotz der Behauptung des Vermieters, daß er die Wartungspflicht auf seine Mieter übertragen habe428 • Das LG Hamburg lehnte in einem vergleichbaren Fall die Mithaftung des Vermieters nur deshalb ab, weil diesem wirtschaftlich und technisch keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf die Anlage veTblieben waren429 . So weit wie das OLG Frankfurt, das selbst bei Abwälzen der Wartungspflicht auf den Mieter eine Mithaftung des Vermieters annehmen würde, kann bei der Betriebspacht nicht gegangen werden. Hierfür lassen sich auch aus den Grundgedanken der Gefährdungshaftung keine Rechtfertigungsgründe ableiten. Solange sich der Verpächter für den Zeitraum der Verpachtung des Betriebs jeglicher tatsächlicher Einflußnahmemöglichkeit entledigt, haftet er

Vgl. auch LandmannIRohmerlRehbinder, Umweltrecht, § 1 UmweltHG Rdn. 52. Brandmüller, S. 439; BGH NJW 1978, 2390; die Ersatzbeschaffimg Wld SubstanzerhaltWlg kann sowohl durch die Verpächterin als auch die Pächterin erfolgen. Gern. §§ 581 Abs. 2,536 BGB obliegt die ErhaltWlgspflicht dem Verpächter. Für das Inventar sieht § 582 Abs. 1 BGB wiederum die ErhaltWlgspflicht beim Pächter. Die Vorschrift ist dispositiv Wld obliegt daher der jeweiligen VertragsgestaltWlg durch die Parteien, siehe statt vieler PalandtIPutzo, § 582 BGB Rdn. 3; GeßlerlHefermehV EckardtlKropff, § 292 AktG Rdn. 61 ff. 426 Siehe zur näheren BegründWlg, warum die ErhaltWlg der Sache zur tatsächlichen Verfügtmgsmacht zu zählen ist, oben B.II.3.a)bb). 427 OLG Frankfurt Z1W 1987, 195; so im Ergebnis auch Koch, S. 155. 428 OLG Frankfurt Z1W 1987, 195, 197. 429 LG Hamburg MDR 1967, 128. 424

42'

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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nicht. Für den Fall, daß er die Substanzerhaltung übernimmt, behält er aber ein Stück Einflußnahmemöglichkeit. Deshalb besteht dann eine Mithaftung430 .

cc) Betriebsüberlassung Der Betriebsüberlassungsvertrag unterscheidet sich vom Pachtvertrag dadurch, daß der Übernehmer den Betrieb der überlassenden Gesellschaft nicht in eigenem Namen führt, sondern aufgrund einer Vollmacht der überlassenden Gesellschaft in deren Namen auftritt431. Durch die Vollmacht wird die betriebsüberlassende Gesellschaft aus Geschäften Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet und ihr erwachsen entsprechende Herausgabepflichten und LiberationsanspTÜche432. Durch die Konstruktion entsteht der Anschein, als sei die überlassende Gesellschaft für den Betrieb der Anlage der übernehmenden Gesellschaft verantwortlich. Der Übernehmer tritt als Generalbevollmächtigter auf. Damit ist klar, daß er die Entscheidungen treffen kann: Es sieht aber gerade deshalb so aus, als würde er für die überlassende Gesellschaft handeln und als sei diese auch Inhaberin der Anlage. Daher könnte das von Rechtsprechung und Literatur für den Betreiberbegriff geforderte nach außen verantwortliche Auftreten bei der übernehmenden Gesellschaft nicht vorliegen. Dieses Kriterium hat sich vor allem in Bezug auf die beiden öffentlich-rechtlichen Gesetze (Wasserhaushaltsgesetz, Bundesimmissionschutzgesetz) herausgebildet. Dieses findet seine Erklärung darin, daß an den Begriff des Betreibers im Bundesimmissionschutzgesetz noch eine Vielzahl anderer Pflichten geknüpft sind433 . Für die jeweils zuständige Behörde spielt die Transparenz der jeweiligen Zuständigkeiten bei den Gesellschaften eine große Rolle. Diese wird inzwischen allerdings weitestgehend durch § 52a BImSchG und den Auskunftsanspruch des § 9 BImSchG gewährleistet.

430 Eine solche Differenzienmg wird von einem Großteil der Literatur nicht getroffen, siehe z.B. LandmannIRohmerfRehbinder, UmweItrecht, § 1 UmweltHG Rdn. 49; so differenziert auch SaIje, §§ 1,3 UmweItHG Rdn. 21; Heß, S. 140 f 431 GeßIerlHefermehIlEckardUKropff, § 292 AktG Rdn. 72 f; Würdinger, in Großkomm., § 292 AktG Anm. 22 ff. mit Beschreibungen zu den einzelnen Arten der Betriebsüberlassung, der allerdings auch den Betriebsfiihrungsvertrag mit unter die Betriebsüberlassung faßt. Hier sollen beide getrennt behandelt werden. Zu den Betriebsführungsverträgen siehe unten B.IX.2.d)ee). 432 Würdinger, in Großkomm., § 292 AktG Anm. 23; KölnerKommIKoppensteiner, § 292 AktG Rdn. 66; Hüffer, § 292 AktG Rdn. 19. 433 Siehe hierzu UleILaubinger, § 51 b BlmSchG Rdn. C.l a.E.

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Dreh- und Angelpunkt der Gefahrdungshaftung ist nicht nur das Auftreten nach außen, sondern die tatsächliche Verfügungsgewalt. Wenn die überlassende Gesellschaft keinerlei Einwirkungsbefugnisse auf den Betrieb der Anlage hat, kann sie nur allein durch das Überlassen ihres Namens auch nicht zur Mitbetreiberin werden. Auch die Erteilung der Vollmacht hat keinerlei Auswirkungen. Die tatsächliche Einflußnahme im Rahmen des Betreiberbegriffes ist keine Willenserklärung. Sie kann daher weder durch Erteilung einer Vollmacht delegiert werden, noch durch Erteilung einer Vollmacht erfolgen434 . Der Geschädigte kann dadurch geschützt werden, daß die überlassende Gesellschaft im Schadensfall zur Offenlegung der Pächterin verpflichtet wird. Ansonsten würde dieser durch den Betriebsüberlassungsvertrag unangemessen an der Geltendmachung seiner Rechte gehindert. Hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung des Pachtvertrages gilt das unter bb) zu den Betriebspachtverträgen Ausgeführte.

dd) Betriebsaufspaltung Unverzichtbares Merkmal ist auch bei der Betriebsaufspaltung, daß mindestens eines der beteiligten Unternehmen die Betriebsmittel, die es zur Erfüllung seiner betrieblichen Aufgaben benötigt, von Personen zur Verfügung gestellt bekommt, die an diesem Unternehmen beteiligt sind. Diese dürfen nicht zu Eigentum erworben oder von einem Dritten gepachtet oder gemietet werden. Die Nutzungsüberlassung durch die Gesellschafter ist damit kennzeichnendm. Diese. Funktionsteilung bei gleichzeitiger Beteiligungsverflechtung kann sich in der Praxis in ganz unterschiedlichen Formen vollziehen436 . Die vertragliche Verknüpfung der beiden Gesellschaften erfolgt neben der vorhandenen Gesellschafteridentität oder der Beherrschung der Gesellschaft durch bestimmte Gruppen fast ausschließlich durch den Abschluß eines Pacht- oder Überlassungsvertrages437 . Insoweit gelten für die Betriebsaufspaltung hinsichtlich des Mithaftungsrisikos des Verpächters die Grundsätze der Betriebspacht438 • Wird, wie Brandmü/ler es vorschlägt, die Ersatzbeschaffung und die

434 So auch Salje, §§ 1,3 UmweltHG Rdn. 23, auch zur Frage, ob bestimmte Inhaberpflichten delegiert werden können. Das ist bei der BetriebsüberlassWlg typischerweise gerade nicht Vertragsgegenstand. m BFHE 112,391; BFHE 127, 214, 217; BFHE UO, 268; siehe Drygala, S. 3 f. WldFn.23. 436 Das fiihrt dazu, daß es die BetriebsaufspaltWlg im Sinne eines einheitlichen Tatbestandes nicht gibt; siehe zu den Wlterschiedlichen Formen Wld GestaltWlgsmöglichkeiten Drgyala, S. 4 ff.; Brandmüller, S. 32 ff. 437 Brandmüller, S. 252. 431 Siehe B.IX.2.d)bb).

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Substanzerhaltung durch die Besitzgesellschaft durchgeführt439 , dann haftet diese als Mitbetreiberin. Wenn sie für die Wartung und die Erhaltung der Anlage zuständig bleibt, hat sie durch ihre Verpflichtung zur Erhaltung der Anlage auch einen wesentlichen Teil der tatsächlichen Verfügungsgewalt. Andere Formen der Nutzungsüberlassung bei der Betriebsüberlassung sind Miete, Leasing, Leihe, Darlehen und Nießbrauch440 . Bei Miete, Leihe, Leasing und Nießbrauch besteht eine Mithaftung der überlassenden Gesellschaft genau wie bei Pacht- und Überlassungsverträgen nur dann, wenn sie die Instandhaltung mitübernimmt. Der Darlehensgeber hat in der Regel keine Instandhaltungsptlicht und ihn trifft damit auch keine Mithaftung441 . Falls er die Instandhaltungspflicht übernimmt, kann auch für ihn eine Mithaftung bestehen. Die Mithaftung der Besitzgesellschaft kann sich außerdem daraus ergeben, daß sie über die ihr gesellschaftsrechtlich zustehenden Einwirkungsmöglich-

keiten (Beteiligung, personelle Verflechtung) auf den Betrieb der Anlage der Betriebsgesellschaft Einfluß nimmt. Hier gelten die oben442 entwickelten Grundsätze.

ee) Betriebsführungsverträge Der Betriebsführungsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, daß der Übernehmer im Gegensatz zum Betriebsüberlassungsvertrag die Betriebe des Überlassenden nicht nur in dessen Namen, sondern auch für dessen Rechnung führt443 . Schließen konzernverbundene Unternehmen einen Betriebsführungsvertrag, so lassen sich zwei Fälle unterscheiden444 •

(1) Herrschendes Unternehmen als Betriebsfi1hrer

Übernimmt eine herrschende Gesellschaft den Betrieb einer abhängigen Gesellschaft445 , würde die herrschende Gesellschaft als Betreiberin der Anlage Brandmüller, S. 256 f, 443. Brandmüller, S. 154 ff.; zur Leihe siehe auch BGH BB 1991, 1470, zum Darlehen auch Schopp, ZMR 1979, 291. 441 Bigalke, S. 117. 442 Siehe Wlter B. V. Wld VI. 443 Siehe ausführlich Huber, ZHR 152 (1988), 123 ff. Wld Veelken. 444 Huber, ZHR 152 (1988), 125; zu den verschiedenen GestaltWIgsmöglichkeiten siehe Veelken, S. 27 ff. 44' Huber, ZHR 152 (1988), 125; Veelken, S. 35; LutherlHapp, in Althammer, S. 234 ff. 439 440

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der abhängigen Gesellschaft haften. Mit der Führung des Betriebes erhält sie auch die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage. Da der überlassenden Gesellschaft keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Anlage verbleiben, wäre sie sogar als Alleininhaberin zu qualifizieren446 • Eine Mithaftung der Tochter käme allenfalls dann in Betracht, wenn diese die Instandhaltungspflicht übernehmen würde. Eine solche Konstruktion würde damit zwangsläufig zu einer Haftung der Obergesellschaft führen.

(2) Abhängiges Unternehmen als Betriebsfiihrer

Umgekehrt kann auch das herrschende Unternehmen einem abhängigen Unternehmen die Betriebsführung übertragen447 . Es ist zwischen der weisungsgebundenen und der weisungsungebundenen Betriebsführung zu unterscheiden448 . Die weisungsungebundene Betriebsführung ist für das herrschende Unternehmen so lange haftungsunschädlich als auch sonst keine Einflußnahmen in den haftungssensiblen Bereichen vorliegen. Bei der weisungsgebundenen Führung kommt es darauf an, auf welchen Unternehmensbereich sich die Weisungen beziehen. Es kann auf die bereits entwickelten Kriterien verwiesen werden449 . Wenn die abhängige Gesellschaft Betriebsführerin ist, ist es möglich, eine Haftungsabschottung zu erreichen.

3. Faktischer Konzern Trotz Fehlen eines Beherrschungsvertrages entspricht es der gesellschaf.trechtlichen Realität, daß das herrschende Unternehmen Leitungsmacht gegenüber abhängigen Unternehmen ausübt. Inwieweit dies erlaubt, geduldet oder weitgehend verboten ist, ist für die vorliegende Untersuchung bedeutungslos, da es ausschließlich auf die tatsächliche Einflußnahme auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft ankommt. Wenn diese vorliegt, dann haftet die Obergesellschaft, ohne daß es darauf ankommt, ob sie zur Ausübung dieser Einflußnahme gesellschaftsrechtlich befugt war. Bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages kann zwischen faktischen und qualifiziert faktischen Konzernen unterschieden werden.

So auch Salje, §§ 1, 3 UmweltHG Rdn. 22. Huber, ZHR 152 (1988), 125. 441 Dies ist zunächst die bei den selbständigen Unternehmen zu unterscheidende Möglichkeit der Vertragsgestaltung. Sie kann aber auch für den Konzern genutzt werden, Huber, ZHR 152 (1988), 9 f und 125 f 449 Siehe oben B.V. und VI. 446 447

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a) Einfach faktischer Konzern Der faktische Konzern ist für die Aktiengesellschaft in den §§ 311 ff. AktG geregelt. Diese Vorschriften lassen sich nicht ohne weiteres auf den GmbHKonzern anwenden. Daher soll hier zunächst die Situation im faktischen Aktienkonzern untersucht werden, um dann die Unterschiede zum faktischen GmbH-Konzern aufzuzeigen. Auch hier geht es zunächst ausschließlich darum, die Unterschiede der gesellschaftsrechtlichen Haftung zur Primärhaftung der Muttergesellschaft aufzuzeigen und herauszustellen, welche Rechte der Ersatzberechtigte jeweils hat430 .

aa) Faktischer Aktienkonzern

Gemäß § 311 AktG darf ein herrschendes Unternehmen ein abhängiges Unternehmen nicht veranlassen, ein für es selbst nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine nachteilige Maßnahme vorzunehmen. Auf die Frage, ob die Einflußnahme auf eine Anlage in der Tochtergesellschaft überhaupt eine nachteilige Maßnahme sein kann, wird im 3. Kapitel noch weiter einzugehen sein. Falls dies der Fall sein sollte, hätte die abhängige Gesellschaft einen Anspruch auf Ausgleich des Nachteils. Die Ausgleichspflicht ist nach heute h.L. eine Kompensationspflicht eigenen Inhalts431 . Die abhängige Gesellschaft hat jedoch keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf den Nachteilsausgleich432 . Daher kann sich der Gläubiger auch keinen entsprechenden Anspruch pfänden und überweisen lassen. Er hat im Schadensfalle daher keine Möglichkeit, irgendwelche Ansprüche geltend zu machen. Kommt das herrschende Unternehmen seiner Ausgleichspflicht nicht bis zum Jahresende nach, so tritt gern. § 317 AktG an ihre Stelle die Schadensersatzpflicht. Diese ist anders ausgestaltet als die Nachteilsausgleichspflicht. Zwischen beiden können sich Unterschiede in der Höhe des Anspruchs ergeben. Der Anspruch nach § 317 AktG kann sowohl höher als auch niedriger sein als der Ausgleichsanspruch nach § 311 AktG. Der Schadensersatz ist gern. § 249 BGB durch Naturalrestitution zu leisten. Geld kommt nur subsi-

4'0 Zur Frage, ob auch nach gesellschaftsrechtlichen Regeln gehaftet wird, siehe unten 3. Kap. m Hüffer, § 311 AktG Rdn. 37; KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 74; GeßlerlHefermehl!EckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 125; Emmerich/Sonnenschein, S. 347; Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 68 ff. 4'2 Ganz h.M., vgl. z.B. Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 68; KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 76; GeßlerlHefermehIlEckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 156, jeweils m.w.N.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweItgefiihrd\Dlgshafhmg

diär als Ausgleich in Betrachtm. Diesen Schadensersatzanspruch kann der Gläubiger gem. §§ 309 Abs. 4, 311 Abs. 1,4, 318 Abs. 4, 323 Abs. 1 S. 2 AktG direkt geltend machen, wenn er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann. Der Anspruch ist allerdings nach § 311 Abs. 2 AktG ausgeschlossen, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft die gleichen Maßnahmen getroffen hätte4s4 . Praktisch wird der Gläubiger erst bei Insolvenz der Tochtergesellschaft von dieser keine Befriedigung erlangen können. Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 311 Abs. 4, 309 Abs. 5 AktG fiinf Jahre. Im Gegensatz dazu hat der Ersatzberechtigte zu jeder Zeit einen uneingeschränkten direkten Anspruch, wenn die herrschende Gesellschaft als Primärschuldnerin haftet. Der Anspruch besteht insbesondere auch dann, wenn die Anlage ordnungsgemäß betrieben wurde. Für seine Ersatzansprüche ist unerheblich, ob der Betrieb der Anlage eine Geschaftsfiihrungsmaßnahme ist, die auch von dem Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft ergriffen oder unterlassen worden wäre. Der Schadensersatzanspruch verjährt zwar gem. § 852 Abs. 1 BGB innerhalb von drei Jahren, allerdings erst ab Kenntnis des Ersatzberechtigten. Dadurch kann der Ersatzberechtigte u. U. auch länger als fiinf Jahre seine Ansprüche geltend machen4SS •

bb) Faktischer GmbH-Konzern Eine analoge Anwendung des § 311 AktG wird vom BGH und der herrschenden Lehre fiir das GmbH-Recht bisher abgelehnt. Schädigende Einzelmaßnahmen bleiben dem herrschenden Unternehmen verboten4S6 . Veranlaßt das herrschende Unternehmen die Geschäftsleitung der abhängigen GmbH zu nachteiligen Maßnahmen, ohne daß alle Gesellschafter zugestimmt haben, so kann sich jeder Gesellschafter gegen die Durchfiihrung der Maßnahmen wehren bzw. nach Durchfiihrung der Maßnahmen Schadensersatz verlangen. Die-

4'3 Siehe Hüffer, § 317 AktG Rdn. 9; KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 74; aA WÜfdinger, in Großkomm., § 311 AktG Rdn. 5, der die Auffass\Dlg vertritt, der Ausgleich müsse den Schaden decken. 4S4 Zur Bedeut\Dlg dieses Merkmals bei der Konzemhafhmg siehe \Dlten 3. Kap. C.I.3. 4" Siehe oben bei der Einglieder\Dlg B.IX.l.a). 456 BGHZ 95, 330, 340 (Autokran); so auch in der Sache schon BGHZ 65, 15, 18 (l1T); LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 12; BaumbachlHuecklZölIner, GmbH-KonzemR Rdn. 99; RowedderlKoppensteiner, Anh. § 52 GmbHG Rdn. 52; Hommelhoff, S. 252; Lutter, ZGR 1982, 260; aA BäIz, AG 1992, 277, 293.

8. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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ser Anspruch steht der Gesellschaft zum. Der Gläubiger kann sich diesen Anspruch pfänden und überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Wenn die Gesellschaft seine Ansprüche nicht befriedigen kann, kann der Ersatzberechtigte direkt analog §§ 309 Abs. 4, 311 Abs. 1,4,318 Abs. 4, 323 Abs. 1 S. 2 AktG klagen. Es gilt auch hier die fünfjährige Verjährungsfrist4S8 • Dieser rechtliche Weg funktioniert nur, solange die Gesellschaft Minderheitsgesellschafter hat, die gegen die Maßnahmen vorgehen. Handelt es sich indessen um eine 100%ige Tochtergesellschaft, besteht keine eigenständige Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen GmbW s9 . Nur die Grenzen der §§ 30, 31 GmbHG müssen beachtet werden. Das Stammkapital der abhängigen Gesellschaft darf nicht beeinträchtigt werden460 . Dies führt dazu, daß der Gläubiger keine Ansprüche pfänden kann, es sei denn, daß das Stammkapital beeinträchtigt ist. Selbst wenn der abhängigen GmbH ein Bestandsschutz gewährleistet würde461 , bestünde in den seltensten Fällen die Möglichkeit für den Gläubiger, gegen das herrschende Unternehmen vorzugehen. Wenn der Ersatzberechtigte die herrschende Gesellschaft als Primärschuldnerin verklagen kann, ist er hingegen in einer weit besseren Position. Er hat die gleichen Rechte wie im faktischen Aktienkonzern462 .

cc) Zusammenfassung Die Stellung des Ersatzberechtigten ist in jeder Hinsicht besser, wenn er die Muttergesellschaft direkt als Mitbetreiberin in Anspruch nehmen kann. Sein größter Vorteil liegt in eben dieser Möglichkeit der direkten Inanspruchnah-

m Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 70 Rdn. 25; LutterfHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 15; RowedderlKoppensteiner, Anh. § 52 GmbHG Rdn. 52, der daneben auch noch actio pro societate zuläßt. 4,. Vgl. BGHZ 95, 330, 340. 459 Siehe hierzu noch ausführlich lDlten 3.Kap. C.II.2. 460 Vgl. BGHZ 95, 330, 340; BGHZ 119, 257, 262; BGHZ 122, 123, 129; Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 70 Rdn. 28 lDld dort die weiteren Hinweise in Fn. 83; die GegenauffasslDlg bejaht teilweise ein weitergehendes Interesse der abhängigen GmbH, das jede Schädigung verbietet, so z.B. K. Schmidt, S. 1034, Raiser, S. 589, oder jedenfalls einen Bestandschutz der abhängigen GmbH gewährleistet, siehe HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 85; EmmerichiSonnenschein, S. 389; M. Winter, ZGR 1994, 570, 585. Auch die RechtsprechlDlg zum qualifiziert faktischen Konzern läuft tendenziell auf einen Bestandsschutz der abhängigen GmbH hinaus, sie-he zuletzt BGHZ 122, 123 (fBB). 461 Siehe HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 85. 462 Siehe lDlter aa).

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

me. Im Rahmen der Konzernhaftung hat er als Gläubiger dagegen nur in Ausnahmef,illen die Möglichkeit, die Muttergesellschaft selbst in Anspruch zu nehmen. Er kann sich höchstens die Ansprüche der abhängigen Gesellschaft pfänden und übelWeisen lassen. Dies nützt aber nichts in den Fällen, in denen die Tochtergesellschaft selbst auch keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch gegen die Muttergesellschaft hat. Für seine Ansprüche läuft unabhängig von seiner Kenntnis eine fünfjährige Vetjährungsfrist. Hingegen sind bei der Primärhaftung die Vetjährungsfristen von seiner Kenntnis abhängig. Dies kann für ihn zu länger laufenden Vetjährungsfristen führen und ihm die Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtern.

b) Qualifiziertfaktischer Konzern Im faktischen Konzern kann eine Situation eintreten, die der im Vertragskonzern ähnlich ist und in der deshalb auch die Anwendung der Schutzregeln des Vertragskonzerns angemessen sein kann. Die Figur des sogenannten qualifiziert faktischen Konzerns ist inzwischen für die GmbH anerkannt, auch wenn die näheren Voraussetzungen nach wie vor nicht abschließend geklärt sind463 . Weitgehend gesichert sind dagegen die Rechtsfolgen, die in analoger Anwendung der Regeln zum Vertragskonzern entwickelt wurden. Es werden die beim Vertragskonzern untersuchten Vorschriften der §§ 302, 303 AktG entsprechend angewandt464 . Für den Aktienkonzern ist diese Rechtsfolge noch nicht höchstrichterlich anerkannt, es besteht jedoch kein Anlaß für eine abweichende Beurteilung46s . Daher kann für den qualifiziert faktischen Konzern auf die Ausführungen zum Vertragskonzern verwiesen werden. Des weiteren können eine Reihe von Unklarheiten den Gläubiger bei der Durchsetzung seiner Rechte einschränken. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ab welchem Zeitpunkt die Gläubiger bzw. die Gesellschaft die Haftungsgrundsätze geltend machen können. Auch besteht keine Klarheit darüber, ob

463 Besondere Rechtsregeln fiir den qualifIziert faktischen Konzern wurden erstmals im Jahr 1972 vom Arbeitskreis GmbH-Reform (S. 49) entwickelt. Der BGH hat die RechtsfIgur fiir den GmbH-Konzern im Autokranurteil BGHZ 95, 330 anerkannt. Siehe ansonsten zu den verschiedenen Voraussetzungen Decher, MÜDchener Handbuch, GmbH, § 71. 464 Siehe dazu BGHZ 95, 330, 345; 107, 7, 8; 115, 187, 197; Stimpel, ZGR 1991, 144, 152; Emmerich/Sonnenschein, S. 402 f.; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 25; Hachenburg/Ulmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 159; BaumbachIHueck/Zöllner, GmbH-Konzemrecht Rdn. 90 ff. (h.M.); z.T. aA RowedderlKoppensteiner, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 61b. 46' Siehe hierzu Decher, MÜDchener Handbuch, GmbH, § 69 Rdn. 13; Hirte, S. 1, U; Wiedemann, S. 83; abweichend W. Müller, FS Rowedder, S. 277,287.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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auch gegenüber der solventen Tochtergesellschaft eine Verlustausgleichspflicht besteht. In den bisher vom BGH entschiedenen Fällen wurden die Ansprüche stets erst nach der Insolvenz der Gesellschaft geltend gemache 66 • Wenn die Gläubiger ihre Ansprüche ausschließlich im Insolvenzfall geltend machen könnten, würde der Schutz der Gläubiger im qualifiziert faktischen Konzern gegenüber ihrem Schutz im Vertragskonzern stark verkürzt467 • Selbst wenn man das Eintreten einer konkreten Bestanclsgefährdung468 voraussetzen würde, wäre der Schutz des Ersatzberechtigten gegenüber dem Schutz im Vertragskonzern verkürzt. Im Vertragskonzern kann er seine Rechte hingegen auch bei einer gesunden abhängigen Gesellschaft geltend machen. Auch die Stellung des Ersatzberechtigten bei Beendigung des qualifiziert faktischen Konzerns ist nicht völlig geklärt, da der Beendigungszeitpunkt nicht eindeutig feststellbar ist469 . Aufgrund dieser Unsicherheiten ist bei Vorliegen des qualifiziert faktischen Konzerns die Stellung des Ersatzberechtigten weitaus besser, wenn er die Obergesellschaft als Primärschuldnerin direkt in Anspruch nehmenkann.

466 Vgl. Decher, Münchener Handbuch, GmbH, § 71 Rdn. 22 mit weiteren Nachweisen; es gibt hier zum einen die AuffasslUlg, die die Verlustausgleichspflicht auf den Eintritt der Insolvenz der Tochter beschränken will, so etwa Timm, NJW 1992, 2185, 2194; und zum anderen diejenige, die zumindest eine BestandsgefährdlUlg voraussetzt, HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 136; ähnlich Kleindiek, DZWiR 1993, 177, 181. 467 Vgl. HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 136. 461 Vgl. Decher, Münchener Handbuch, GmbH, § 71 Rdn. 22. 469 Vgl. zum Beendigungszeitpunkt HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 162; BaumbachlHueck/Zöllner, GmbH-KonzemR Rdn. 91, insbesondere Rdn.93.

11 Ossenbühl

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdlDlgshathmg

x. Prozessuale Fragen Der Geschädigte muß in einem Schadensersatzprozeß die Voraussetzungen der umwelthaftungsrechtlichen Norm, aus der er seinen Schadensersatzanspruch herleitet, behaupten und beweisen. Das folgt aus der allgemeinen zivilprozessualen Regel, daß jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm behaupten und beweisen muß470.• Der Inhaber bzw. Betreiber ist detjenige, gegen den sich der Anspruch des Geschädigten richtet. Insoweit ist der Geschädigte beweispflichtig dafür, daß sein Klagegegner auch der Betreiber bzw. Inhaber der Anlage ist, die den Schaden verursacht hat. Da der Geschädigte in die konzerninternen Organisationsstrukturen und die internen Weisungspraktiken keinen Einblick hat, wird es ihm im Ernstfall schwer fallen, zu beweisen, daß die Obergesellschaft in einer Weise auf den Betrieb der Tochtergesellschaft Einfluß genommen hat, die sie zur (Mit)betreiberin der emittierenden Anlage macht. Es ist daher zu überlegen, ob dem Geschädigten wegen dieser möglichen Beweisnot Beweiserleichterungen zu ermöglichen sind. Sowohl bei der Konzernhaftung als auch bei der Haftung für Umweltschäden sind bisher von der Rechtsprechung und durch den Gesetzgeber verschiedene Arten der Beweiserleichterung entwickelt worden.

1. Anscheinsbeweis

Eine Beweiserleichterung zugunsten des Klägers stellt der Anscheinsbeweis dar471 . Die Beweislast wird durch diesen nicht verändert472 . Er ist dogmatisch zwar noch nicht geklärt, hat aber dennoch eine erhebliche praktische Bedeutung. 473. Für die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises wird ein typischer Geschehensablauf gefordert. Ein solcher liegt vor, wenn ein bestimmter Tatbe-

470 Vgl. BGHZ 113, 224; RosenberglSchwab, S. 717; BaumbachILauterbachi AlberslHartmann, Anh. § 286 ZPO Rdn. 4. 471 Vgl. Baumgärtel, Rdn. 227; Schmidt-Sa1zer, § 6 UmweltHG Rdn. 86; Stecher, S.95. 472 Vgl. MÜllchenerKommIPrütting, § 286 ZPO Rdn. 50; früher a.A. z.B. Diederichsen, VersR 1966, 214 f

m Vgl. mit Nachweisen zur Rechtsprechung Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Anh. § 286 ZPO Rdn. 15.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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stand feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist474. Bei der Mithaftung für Umweltschäden durch die Obergesellschaft fehlt es an einem solchen typischen Geschehensablauf. Die Konzernobergesellschaft ist gerade nicht typischerweise auch Mitbetreiberin. Um ihre Mitbetreiberhaftung festzustellen, kommt es vielmehr auf die konkrete Einflußnahme im Einzelfall an, da eine Einflußnahmemöglichkeit nicht ausreicht. Es läßt sich aus der Tatsache, daß eine Tochtergesellschaft eine umweltgefahrdende Anlage betreibt, nicht typischerweise ableiten, daß die Obergesellschaft auch die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese mit innehat. Eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis ist daher nicht möglich.

2. Beweislastumkehr und Beweisvermutung Die intensivste Art der Beweiserleichterung ist die Beweislastumkehr. Es wird die eigentlich dem Geschädigten obliegende Beweislast auf den Schädiger abgewälzt. Damit soll der an sich nicht beweisbelasteten Partei das Risiko der Unaufklärbarkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache zugewiesen werden4". Die Beweislastumkehr ist ein Fall der richterlichen Rechtsfortbildung und wurde von der Rechtsprechung z.B. für Fälle der Produkthaftung und der Haftung für Schäden aus Immissionen entwickelt476 . Die gleiche Wirkung wie die Beweislastumkehr haben auch Beweisvermutungen. Bei Eingreifen einer solchen Vermutung steht fest, daß die durch die Vermutungsregel genannte Tatsache vorliegt, solange nicht durch den Beweis des Gegenteils das Vorhandensein der Tatsache widerlegt wird477 . Im UmweltHG ist sie inzwischen für multikausale Schadensfälle in § 6 UmweltHG normiert. Auch die frühere Rechtsprechung zur Konzernhaftung arbeitete mit Vermutungskaskaden, die zu einer Beweislastumkehr führten471 •

474 Z.B. BGH NJW 1984, 432, 433; BGH NJW-RR 1988, 789, 790; Baumgärtel, Rdn. 230; BaumbachILauterbach/Albers/Hartmann, Anh. § 286 ZPO Rdn. 16; MÜIlchenerKommIPrütting, § 286 ZPO Rdn. 47. 4" Baumgärtel, Rdn. 446; MÜIlchenerKommIPrütting, § 286 ZPO Rdn. 118. 476 BGHZ 51, 91; BGHZ 92, 143; Salje, § 6 UmweltHG Rdn. 20; Landsbergl Lülling, § 6 UmweltHG Rdn. 12. 477 Es wird auch angenommen, daß es sich um gesetzlich geregelte Fälle der Beweislastumkehr handelt, BGH NJW 1980, 2186; Baumgärtel, Rdn. 456/457; MÜIlchenerKommlPrütting, § 286 ZPO Rdn. 126; Musielak/Stadler, Rdn. 244 f[ 471 BGHZ 95, 330, 344; BGHZ 115, 187, 194; kritisch Lutter, in: Hommelhoffl Ulmer/Stimpel, S. 83 f[

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

Die hier vorliegende Problematik beschäftigt sich mit der Überschneidung von Konzernstrukturen und Umweltgefahrdungshaftung. Daher soll zunächst untersucht werden, ,ob sich aus den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Fällen Anhaltspunkte für die Behandlung des hier vorliegenden Sachverhaltes entnehmen lassen.

a) Deliktische Produzentenhajtung Der BGH hat im "Hühnerpestfall" wohl die bedeutsamste Sonderregelung der Beweislast geschaffen. Danach muß der Hersteller beweisen, daß ihn hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit seines Produktes kein Verschulden trifft, wenn bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Produktes eine Person oder Sache aufgrund dieses Fehlers einen Schaden erleidet479 . Diese Sonderregel der Beweislast bezieht sich nur auf das Verschuldenselement. Obwohl der BGH formal an der Verschuldenshaftung festhält, führt die Beweislastumkehr damit letztlich zu einer Gefahrdungshaftung des Herstellers4lO • Ihre Rechtfertigung findet sie im wesentlichen im Gedanken des Gefahrenbereichs. Der Hersteller überblickt die Produktionssphäre und den Herstellungsprozeß sowie die Auslieferungskontrolle der Produkte eher als der Verbraucher41l . Da bei der Fehlerhaftigkeit des Gutes die Ursache der Unaufklärbarkeit in seinem Herrschafts- und Organisationsbereich liegt, ist es sachgerecht und zumutbar, ihm insoweit die Beweislast der Fehlerfreiheit aufzuerlegen. Zu dieser Überlegung kommen noch weitere Wertungsgesichtspunkte wie die Zumutbarkeit der Übernahme des Schadensrisikos, die Möglichkeit der Versicherung, das Unternehmerrisiko und unternehmerische Gewinnchancen412 . Der Gedanke des Gefahrenbereichs ist ein Gedanke, der möglicherweise auch für die hier vorliegende Konstellation Anwendung finden kann.

b) Schäden durch Immissionen Auch bei Schäden durch Immissionen kann nach der Rechtsprechung eine Beweislastumkehr in Betracht kommen. In seiner Kupolofen-Entscheidung

BGHZ 51, 91,102,104,106; MÜIlchenerKommIPrütting, § 286 ZPO Rdn. 106. Baumgärtel, Rdn. 465; EsserlWeyers, Schuldrecht, § 55 V 3; Diederichsen, NJW 1978, 1281, 1291. 411 BGHZ 51, 91,105; Lorenz, AcP 170 (1970), 390, 391; Baumgärtel, Rdn. 460. 482 Vgl. Baumgärtel, Rdn. 461. 479 480

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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hat der BGH auf die der Produzentenhaftung vergleichbare Situation verwiesen und die Beweislast für fehlende Rechtswidrigkeit und Verschulden dem emittierenden Unternehmen auferlegt413. In diesem Fall ging es nur um die haftungsausfüllende Kausalität. Ob eine Beweislastumkehr auch für die haftungsbegründende Kausalität gelten kann, hat der BGH ausdrücklich ofIengelassen414 . Eine Rolle bei der Beweislastverteilung spielte wieder der Gefahrbereichsgedanke4". Dieser bedarf im Hinblick auf eventuelle Beweiserleichterungen im vorliegenden Fall noch näherer Betrachtung.

c) Beweisvermutung bei § 22 WHG

In Bezug auf die Anlagenhaftung nach dem Wasserhaushaltsgesetz hat der BGH die Vermutung aufgestellt, daß für den Fall, daß aus mehreren Anlagen schädliche Stoffe in ein Gewässer gelangen, grundsätzlich jeder Inhaber für den vollen Schaden haftet, ohne daß der Geschädigte die Kausalität beweisen muß416 . Die Vermutung greift ein, wenn mehrere Anlagen beteiligt sind. Die Schädiger können diese Beweisvermutung widerlegen. Dies ist eine Beweisvermutung, die sich auf die haftungsbegründende Kausalität bei der Gefahrdungshaftung bezieht. Daraus läßt sich zunächst ableiten, daß der BGH auch für die Gefahrdungshaftung solche Vermutungen grundsätzlich zuläßt. Er beruft sich in dieser Entscheidung allerdings nicht auf den Gefahrbeherrschungsgedanken. Das ist auch nicht möglich, da der einzelne Schädiger keinen Einblick in die Produktion der anderen Schädiger hat. Es ging in diesem Fall vielmehr um die Eignung zur Schadensverursachung. Bei genauer Betrachtung hat diese Beweisvermutung die gleichen Wirkungen wie eine Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Es geht um die Problematik der multikausalen Schadensfalle. Die Nichtaufklärbarkeit der Kausalität soll nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden, wenn feststeht, daß aus einer Anlage Schadstoffe ausgetreten sind, die geeignet waren, den Schaden zu verursachen.

483 BGHZ 92, 143 ff.; BaumgärteVWittmann, § 823 BGB Rdn. 14 ff. 414 Vgl. LandsbergILülling, § 6 UmweltHG Rdn. 15. 48~ Vgl. Schmidt-Salzer, § 6 UmweltHG Rdn. 91; Salje, § 6 UmweltHG Rdn. 20. 486 BGHZ 57, 257, 262; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 40; LandsbergILülling, § 6 UmweltHG Rdn. 19; Salje, § 6 UmweltHG Rdn. 20; LandmannIRohmerlHager, § 6 UmweltHG Rdn. 35a; siehe zu § 6 UmweltHG jüngst auch BGH DB 1997, 1971 ff.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährd\Dlgshathmg

d) § 6 Abs.l Umwe/tHG und § 34 GenTG Das Problem, das der Geschädigte mit dem Nachweis der Kausalität in Umweltschadensfälien haben kann, hat dazu geführt, daß bei den neueren Gesetzen zur Umwelthaftung gesetzliche Vermutungstatbestände mit aufgenommen worden sind. Nach § 6 Abs.l UmweltHG wird vermutet, daß ein Schaden durch eine Anlage verursacht worden ist, wenn die Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet war, den Schaden zu verursachen. Das gilt ausdrücklich auch bei der Beteiligung nur einer Anlage417 . Die Vermutung greift nach Abs. 2 allerdings bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Anlage nicht ein. Nicht eindeutig als Vermutungsregel, aber zumindest als Beweislastverteilungsregelläßt sich § 34 GenTG einordnen4ll . Danach wird vermutet, daß ein Schaden, der durch gentechnisch veränderte Organismen verursacht wurde, durch die Eigenschaften dieser Organismen verursacht wurde. Diese Vermutungen greifen nur hinsichtlich der Kausalitätsfrage. Die Vorschriften zeigen aber, daß sich der Gesetzgeber durchaus der schwierigen Beweislage bewußt war, in die der Geschädigte bei Geltendmachung eines Umwelthaftungsschadens geraten kann419 •

e) Anwendbarkeit der Beweislastumkehr auch bei der Mitbetreiberhaflung Gesetzgeber und auch Rechtsprechung bestätigen durch die Entwicklung der Beweislastumkehr in Produkthaftungs- und Umwelthaftungsfällen und der Regelung der gesetzlichen Vermutungen, daß in diesen Fällen für den Geschädigten besondere Beweisschwierigkeiten auftreten können. Während sich zunächst die Beweislastumkehr nur auf das Verschulden und auf den Fehler im Deliktsrecht490 bezog, wurden entsprechende Beweislastregeln auch im Rahmen der Gefährdungshaftung aufgestellt und auf die haftungsbegründende Kausalität ausgedehnt491 . Ihre Rechtfertigung finden sowohl die gesetzlichen als auch die richterrechtlichen Beweislastumkehrregeln teilweise in dem Gedanken des GefahSchmidt-Sa1zer, § 6 UmweltHG Rdn. 7; Hager, NJW 1991, 134, 138. Vgl. Stecher, S. 104 f 419 Siehe Salje, § 6 UmweltHG Rdn. 6 ff. 490 Beginnend mit BGHZ 51, 91; BGHZ 92,143 (Kupolofen). 491 Bei der Gefährd\Dlgshathmg BGHZ 57, 257, 262 zu § 22 Abs. 2 WHG \Dld §§ 6 UmweltHG, 34 GenTG. 417 411

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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renbereichs492 . Liegt die Ursache der Unaufklärbarkeit im Herrschafts- und Organisationsbereich des Betreibers, dann ist es sachgerecht und zumutbar, diesem auch das Risiko der Unaufklärbarkeit aufzuerlegen. Bei einem bestimmten Sachverhaltsaufklärungsstand ist der in Anspruch Genommene näher am Geschehen und damit besser in der Lage, den restlichen Sachverhalt aufzuklären493. Der Geschädigte muß allerdings zuvor beweisen, daß die Schadensursache nicht außerhalb des Verantwortungsbereichs des Anspruchsgegners gesetzt wurde494 . Davon abgesehen, daß die Gefahrenbereichslehre auch für die Verschuldenshaftung nicht unkritisch hingenommen wird49', ist sie auf den Fall, daß eine Anlage mehrere Inhaber hat, nicht anwendbar. Bei den beiden führenden Entscheidungen des BGH ging es um den Nachweis des Verschuldens496 . Diese Problematik ergibt sich bei der Gefahrdungshaftung wegen des Fehlens des Verschuldenselements nicht. Die Beweislastumkehr bei der Gefahrdungshaftung hat ihren Grund in der Schwierigkeit des Kausalitätsnachweises497 . Insoweit wird zwar die Beweiserleichterung auch auf die haftungsbegriindende Kausalität ausgedehnt. Aber deshalb ist noch keine Vergleichbarkeit mit der hier vorliegenden Konstellation gegeben. Das liegt daran, daß die Frage nach der Inhabereigenschaft zeitlich noch vor der haftungsbegriindenden Kausalität liegt491. Die Frage nach der Verursachung muß gelöst sein, bevor die Frage nach der Inhabereigenschaft geklärt werden kann. Letztere ist aber unabhängig von der Kausalität, da der Kausalverlauf erst durch einen Schadstoffausstoß der Anlage in Gang gesetzt wird. Die Gefahrenbereichslehre wurde bisher auch nur auf Fälle angewandt, in denen es um ein Unternehmen sowie, um den innerorganisatorischen Bereich dieses Unternehmens ging. Sind aber zwei oder mehrere Unternehmen beteiligt, so kann nicht undifferenziert von einem innerorganisatorischen Bereich dieser Unternehmen ausgegangen werden. Da der Konzern nicht ein Unter-

492 Dazu Lorenz, AcP 170 (1970),367,378; Prölss, VersR 1964, 901 1[; Larenz, FS HauB, S. 225; Baumgärtel, Rdn. 461; speziell zum Umwelthafhmgsrecht SchmidtSalzer, § 6 UmweltHG Rdn. 891[; Salje, § 6 UmweltHG Rdn. 61[ 493 BGHZ 51, 91, 104, 105; Baumgärtel, Rdn. 460; Schmidt-Salzer, § 6 UmweltHG Rdn.891[ 494 BGHZ 51, 91, 105. m Kritisch zur Gefahrenbereichslehre Musielak, S. 1651[; Baumgärtel, Rdn. 461; Berg, S. 93. 496 BGHZ 51, 91, 1041[; BGHZ 92, 143 und oben a) und b). 497 BGHZ 57, 262; dazu LandsbergILülling, § 6 UmweltHG Rdn. 19. 498 Siehe oben B. VIII. 3.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährdungshafhmg

nehmen im Rechtssinne ist, sondern es sich um unterschiedliche Rechtsträger handelt, können die Ansätze nicht undifferenziert übertragen werden. Es könnte bei einer Beweislastumkehr sonst zu einer Durchbrechung des Trennungsprinzips kommen. Bei einer Übertragung der Grundsätze des Gefahrenbereichs müßte die Vermutung so aussehen: Bei einem Umweltschadensfall in der Tochtergesellschaft, die konzernrechtlich verbunden ist, müßte die Vermutung aufgestellt werden, daß die jeweilige Obergesellschaft auf den Betrieb der Anlage in dieser tatsächlich so weit Einfluß genommen hat, daß sie zur Mitbetreiberin wird. Die Obergesellschaft müßte sich dann entsprechend entlasten. Da die ObergeseIlschaft den Konzern so leiten kann, daß sie nicht Mitbetreiberin wird499 , wäre eine solche Vermutung sehr weitgehend. Des weiteren ist auch eine Mitbetreibereigenschaft außerhalb von konzernverbundenen Unternehmen möglich'oO Dem dann Geschädigten würde mit dieser Vermutung wieder nicht geholfen werden. Eine solche Vermutungsregelung ist daher abzulehnen. Damit können die Grundsätze der bisher für das Umwelthaftungsrecht bestehenden Beweislastumkehr nicht direkt auf die Problematik der Mitbetreiberhaftung übertragen werden. Allerdings besteht für den Geschädigten auch hier das Problem, daß er in die Organisations- und Leitungsstruktur des Konzerns, in den die schädigende Tochtergesellschaft eingebunden ist, keinen Einblick hat. Es wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend angenommen, daß eine Beweislastumkehr nicht aus Billigkeits- oder Gerechtigkeitsgründen im Einzelfall in Betracht kommt'°l. Eine Beweislastumkehr bedarf einer durch methodische Rechtsfortbildung geschaffenen Norm. Sie ist dort nicht notwendig, wo es andere Beweiserleichterungen gibt, die dem Kläger zur Verfügung gestellt werden können'02.

3. Mildere Beweiserleichterungsalternativen

Zur Erleichterung der Beweislage für den Geschädigten bieten sich neben der Beweislastumkehr noch zwei weniger einschneidende Möglichkeiten an, bei denen die Verteilung der Beweislast nicht verändert wird. Zum einen Siehe dazu oben B.Y. und Vll. Oben B. Vll. '01 Vgl. MÜllchenerKommIPrütting, § 286 ZPO Rdn. 118, 123; Baumgärtel, Rdn. 450--452. '02 MÜllchenerKommIPrütting, § 286 ZPO Rdn. 123; Zöller/Greger, Vor § 284 ZPO Rdn.22. 499

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B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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könnte dem Geschädigten ein Auskunftsanspruch gegen die Obergesellschaft zustehen. Des weiteren könnten ihm auch Erleichterungen hinsichtlich seiner Substantiierungslast gewährt werden.

a) Auskunftsansprüche

Auskunftsansprüche existieren für den Umwelthaftungsbereich bereits im UmweltHG (§ 8 UmweltHG) und im GenTG (§ 35 GenTG). Beide sind von ihren Voraussetzungen her nahezu identisch. Der Geschädigte kann, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, daß eine Anlage oder die gentechnischen Arbeiten einen Schaden verursacht haben, vom Inhaber bzw. Betreiber Auskunft verlangen, soweit dies zur Feststellung seines Schadenersatzanspruches notwendig ist. Diese Ansprüche sind auf den Kausalitätsnachweis gerichtet. Das läßt sich der Formulierung "den Schaden verursacht hat" bzw. "auf gentechnischen Arbeiten beruht" entnehmen. Da es in den zu untersuchenden Fällen nicht um den Kausalitätsnachweis geht, hat der Geschädigte keinen direkten gesetzlichen Auskunftsanspruch. Die Rechtsprechung hat aus § 242 BGB einen Auskunftsanspruch abgeleitet: "in den Fällen, in denen ein Recht auf Auskunft gegenüber dem Verpflichteten die Rechtsverfolgung erleichtert, oft überhaupt erst möglich macht, ist....nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dem Berechtigten ein Anspruch auf Auskunft bei Rechtsverhältnissen zu gewähren, deren Wesen es mit sich bringt, daß der Berechtigte entschuldbarerweise über Bestehen und Umfang seines Rechts im ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskunft zu erteilen,,~o3. Die Rechtsprechung hat diese Formel überwiegend angewandt, wenn der Anspruch dem Grunde nach bestand und nur der Höhe nach offen war. Ausnahmen von diesen Voraussetzungen hat sie nur zugelassen, wenn für den Anspruch gewisse Anhaltspunkte sprachen und zwischen den Parteien eine Sonderrechtsbeziehung bestand~04. Für diese Sonderrechtsbeziehung läßt die Rechtsprechung auch ein gesetzliches Schuldverhältnis ausreichen~o~. Für die Annahme einer solchen rechtlichen Sonderbeziehung muß zwischen den Beteiligten ein Leistungsanspruch zumindest dem Grunde nach bestehen~06. Bei der hier zu untersuchenden Konstellation geht es aber gerade um die Frage, ob ein solcher Leistungsanspruch überhaupt besteht. Dieser besteht je~03 Z.B. BGHZ 10,385,387; BGHZ 55, 378, 380; BGHZ 61, 180, 184.

'04 BGHZ 61, 180 ff.; BGHZ 95, 285, 293. 'o~ Siehe BGHZ 95,274, 279; BGH NJW 1978, 1002 m.w.N.

'06 BGHZ 95, 274, 279.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährd\Dlgshaftung

denfalls dann nicht, wenn die Obergesellschaft nicht Mitbetreiberin der Anlage ist. Das müßte durch den Auskunftsanspruch herausgefunden werden. Der von der Rechtsprechung geforderte Leistungsanspruch besteht zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger den Auskunftsanspruch geltend machen müßte, gerade noch nicht, so daß die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch auch nach § 242 BGB nicht bestehen,07.

b) Erleichterungen hinsichtlich der Substantiierungslast

Es existiert eine inzwischen sogar gefestigte Rechtsprechung des BGH zur gesteigerten Erklärungslast des nicht behauptungs- und beweisbelasteten Beklagten in den Fällen, in denen der Kläger außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufes steht. Dem Beklagten kann in diesen Fällen ein Teil der Substantiierungslast des Klägers auferlegt werden. Das resultiert aus der Pflicht zur redlichen Prozeßführung bei ungleicher Aufklärungsmöglichkeit der Parteien. Wenn der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachkommen kann, weil nur dem Beklagten der entsprechende Tatsachenstoff bekannt ist, muß dieser den Tatsachenstoff vervollständigen und dem Kläger die nur ihm zugänglichen Beweismittel vorlegen. Diese Art der Beweiserleichterung hat schon das Reichsgericht'°l judiziert, sie wurde vom BGH für Wettbewerbssachen weiterentwickelt'°9. Der BGH hat diesen Gedanken im TBB-Urteil auch auf die Konzernhaftung angewandt'lo. Dabei war die Überlegung ausschlaggebend, daß der Kläger bei Fragen der Konzernhaftung im qualifiziert faktischen Konzern außerhalb des Betriebsablaufs der Muttergesellschaft steht und daher nur wenig darüber weiß, wie sich diese im Hinblick auf ihre Tochtergesellschaft weiter verhalten hatm . Vor dem gleichen Problem steht der Geschädigte auch bei der Frage der Mitbetreibereigenschaft der Obergesellschaft. Auch hier geht es darum, zu beweisen, daß die Muttergesellschaft sich in bezug auf die Tochtergesellschaft in einer bestimmten Art und Weise "verhalten", nämlich Einfluß auf den Betrieb von deren Anlage genommen hat. Da der Kläger keinen Einblick in die Weisungsstrukturen und den Organisationsablauf hat, befindet er sich zumeist

'07 So im Ergebnis auch für einen entsprechenden Auskunftsanspruch bei Umweltschäden Salje, Vor §§ 8-10 Rdn. 4; Landmann/RohmerlHager, § 8 UmweltHG Rdn. 5. '01 RGZ 108, 1; RGZ 166,240. '09 Z.B. BGHZ 120, 320, 327; BGH GRUR 1963, 270, 272; siehe auch die Nachweise bei MÜllchenerKommIPeters, § 138 ZPO Rdn. 21. m BGHZ 122, 123, 133. m BGHZ 122, 123, 133; dazu Drygala, GmbHR 1993, 317, 327f; schon vorher Kleindiek, GmbHR 1992, 574, 581 f

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

171

in der Situation, daß ihm die Tatsachen, die zur Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft führen könnten, nicht bekannt sind. Durch eine Trennung von Darlegungs- und Beweislast kann der Beklagte mit zur Beibringung der für die Klageerhebung notwendigen Tatsachen herangezogen werden. Die beklagte Obergesellschaft kann sich, wenn sie die maßgebenden Tatsachen kennt und ihr die Darlegung des Sachverhalts zumutbar ist, nicht mehr auf ein bloßes Bestreiten zurückziehen, sondern muß den Sachverhalt näher substantiieren. Kommt sie dieser Darlegungslast nicht nach, so gilt das Vorbringen des Klägers gern. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestandenm.

aa) Substantiierungslast des Klägers Es sind Anhaltspunkte dafür zu entwickeln, was der Kläger vortragen muß, damit die Darlegungslast auf die Beklagte übergeht. Nach dem TBB-Urteil müßte der Kläger die Eigenschaft der Beklagten als herrschendes Unternehmen darlegenm. Diese Darlegung erübrigt sich bei der Umwelthaftung, da es nicht zwingend erforderlich ist, daß es sich bei dem Einfluß nehmenden Unternehmen um ein herrschendes handelt'14. Bei Vorliegen eines Konzerns könnte man die Ansicht vertreten, daß die Darlegung der Konzernleitung bzw. die Übernahme der Geschäftsführung durch das herrschende Unternehmen ausreicht, um die Darlegungslast hinsichtlich der weiteren Haftungsvoraussetzungen auf die Beklagte übergehen zu lassen'I'. Das käme dann aber wiederum einer Vermutung gleich, daß bei Vorliegen der einheitlichen Leitung die Obergesellschaft Mitbetreiberin ist. Eine solche Vermutung kann wie bereits dargelegt nicht aufgestellt werden. Die Konzernleitung kann so ausgestaltet werden und wird in den meisten Fällen so ausgestaltet sein, daß die Muttergesellschaft keinen Einfluß auf den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft nimmt'16.

m BGHZ 122, 123, 133 m.w.N. m Siehe z.B. HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 144; Drygala, GmbHR 1993, 317, 328. m Siehe oben B.VIII. m So fiir die Konzemhafumg Kleindiek, GmbHR 1992, 574, 581; ähnlich HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 149, der weiterhin an die beim Kläger verbleibende Beweislast geringere Anfordenmgen stellen will; a.A. Drygala, GmbHR 1993, 318, 328; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 27; HachenburgfUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 151; BaumbachIHueck/Zöllner, GmbHKonzernR Rdn. 87. '16 Siehe oben B.IV. Wld VII.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrdungshafhmg

Es müssen deshalb andere Anhaltspunkte vorgetragen werden. Da die Mitbetreiberhaftung nur durch die Einflußnahme auf bestimmte Unternehmensbereiche begründet wird, bietet sich an, dem Kläger aufzuerlegen, Anhaltspunkte für eine Einflußnahme auf diese Bereiche - vornehmlich die Produktion - aufzuzeigen. Eine Erleichterung kann dem Kläger dadurch zugestanden werden, daß es ausreicht, wenn er Anhaltspunkte vorträgt, die eine Einflußnahme "nahelegen"m. Es darf kein allzu strenger Maßstab angelegt werden, weil der Kläger ein völlig außenstehender Dritter ist, der noch weniger Bezug zum schädigenden Unternehmen hat als ein Gläubiger. Der Klägervortrag muß daher nur auf eine solche Einflußnahme schließen lassen. Eine etwas geringere Dichte der Darlegung muß für die Fälle der Personalverflechtung gelten. Es ist zwar keine zwingende Konsequenz, daß diese zur Mitbetreiberhaftung führt m . Da sich aber bei dieser die Einflußnahme innergesellschaftlich bei der Tochtergesellschaft vollziehen kann, kann dem Kläger nicht die Darlegung der Einflußnahme auferlegt werden. Entsprechend den oben gefundenen Kriterien muß der Kläger bei einfacher Personalverflechtung zumindest Anhaltspunkte dafür erbringen, daß diese sich in einem haftungssensiblen Bereich befindet. Für die mehrheitliche bzw. vollständige Personalunion müßte dagegen ausreichen, daß der Kläger deren Bestehen vorträgt, denn er hat in die internen Entscheidungsstrukturen der Tochtergesellschaft keinen Einblickm .

bb) Darlegungslast der Beklagten Die Darlegungslast der beklagten Gesellschaft bezieht sich dann auf die jeweils vom Kläger vorgebrachten Anhaltspunkte'20. Daraus kann sich z.B. eine Pflicht zur Offenlegung ihrer Weisungsstrukturen bzw. hinsichtlich des Organisationsablaufes der Produktion ergeben. Wenn es um den Einkauf von Teilen für die Anlage geht, dann muß sie Unterlagen hinsichtlich dieses Einkaufs vorlegen. Bei der Einflußnahme durch finanzielle Beschränkungen, die die Sicherheit der Anlage betreffen, sind Dokumentationen über die finanziellen Entscheidungen offenzulegen. m So für die Konzemhafhmg "nähere Angaben", BGHZ 122, 123, 133; Decher, MiinchenerHandbuch, GmbH, § 71 Rdn. 20; Drygala, GmbHR 1993,318,328. m Siehe oben B.Y.4. m Anderer Ansicht für die Beweislast bei der gesellschaftsrechtlichen Hafhmg im qualifiziert faktischen Konzern LutterlHommelho1t; Anh. § 13 GmbHG Rdn. 27; HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 151; so wie hier auch für die gesellschaftsrechtliehe Konzemhafhmg Westermann, ZlP 1993, 554, 558; Kleindiek, GmbHR 1992, 574, 581. '20 So für die Konzemhaftung nach TBB Drygala, GmbHR 1993, 317, 328.

B. Inhaber- und Betreiberbegriff im Konzern

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Bei der Personalverflechtung müssen enstprechende Organigramme oder eine Aufstellung über die internen Weisungsbefugnisse oder den technischen Ablauf vorgelegt werden, aus denen sich entnehmen läßt, daß die Tochtergesellschaft eigenständige Entscheidungen hinsichtlich des Betriebes der Anlage trimm.

cc) Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen Bei der Offenlegung der technischen und personellen Abläufe der Produktion können unter Umständen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Konzerns bzw. der jeweiligen Gesellschaften betroffen sein. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Geheimhaltung ein begründetes Interesse des Betriebsinhabers bestehtm. Insoweit sind diese auch von Art. 14 GG als vermögenswertes Gut geschütztm. Eine Offenlegung solcher Daten kann einen intensiven Eingriff in den Betrieb der Beklagten darstellen. Die Auskunftsansprüche nach UmweltHG bzw. GenTG enden deshalb dort, wo das Interesse des Betreibers an der Geheimhaltung dieser Daten das Interesse des Geschädigten an der Aufklärung und dem Erhalt von Schadensersatz überwiegt'24. Dieser Gedanke läßt sich auf die Darlegungslast der Beklagten übertragen. Ein Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses kann aber wohl nur bei geringen Schäden angenommen werdenm, ansonsten wären solche Schadensersatzprozesse nie zu gewinnen, da immer Betriebsinterna der Beklagten betroffen sein werden.

m Siehe z.B. als gesetzliche Regehmg solcher Dokumentationspflichten § 52a BImSchG. m Die Definition wurde von der Rechtsprechwg wd Literatur zum Wettbewerbsrecht entwickelt, siehe BaumbachlHefermehl, § 17 UWG Rdn. 3-8; Salje, § 8 Rdn. 23; LandmannIRohmerlHager, Umweltrecht, § 8 UmweltHG Rdn. 24. m Vgl. Schroeder, UPR 1985, 394, 396 ff. '24 Vgl. § 8 Abs. 2 UmweltHG; § 35 Abs. 3 GenTG. m Bei Personenschäden ist ein Überwiegen wohl nie anzwtehmen, da die körperliche Unversehrtheit i.S. des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein höheres Schutzgut als das Eigentum ist, z.B. BVerlGE 56, 54, 73; BVerlGE 77, 381, 402; für das UmweltHG Salje, § 8 UmweltHG Rdn. 27.

174

Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefährd\Dlgshafhmg

Eine solche Interessenabwägung wird deshalb keine praktische Relevanz haben, da sich ein Unternehmen bei geringen Sach- oder Personenschäden nicht auf einen aufwendigen Prozeß einlassen wird.

C. Tatbestände der Handhmgshafhmg

175

C. Tatbestände der Handlungshaftung Neben den Anlagengefährdungshaftungstatbeständen gibt es zwei Tatbestände der Handlungshaftung. § 22 Abs. 1 WHG normiert zusätzlich zur Anlagenhaftung in Abs. 2 eine Handlungshaftung. § 32 Abs. 1 GenTG enthält neben der mittelbaren Anlagenhaftung auch eine mittelbare Handlungshaftung'26. Da es sich bei § 22 Abs. 1 WHG und § 32 GenTG auch in der Ausgestaltung als Handlungshaftung um Gefährdungshaftungstatbestände handeltm , gelten die oben herausgestellten Zurechnungskriterienm .

I. § 22 Abs.l WHG Nach § 22 Abs. 1 WHG haftet derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder der auf ein Gewässer derart einwirkt, daß die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, auf Ersatz des daraus entstehenden Schadens. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Obergesellschaft neben der Tochtergesellschaft haften kann, wenn diese die Stoffe eingeleitet bzw. eingebracht oder auf das Gewässer eingewirkt hat. Das Problem besteht darin, daß die Haftung an die Handlung und nicht an die tatsächliche Verfügungsbefugnis über eine Anlage anknüpft.

1. Zurechnung der Handlung auf die Tochtergesellschaft

Eine Handlung setzt zunächst ein Tätigwerden einer natürlichen Person voraus. Im Konzern sind aber nur juristische Personen beteiligt. Die jeweilige Verletzungshandlung muß deshalb zunächst der Tochtergesellschaft zugerechnet werden. Für eine Verletzungshandlung ihrer Vertreter haftet sie gern. §§ 31, 89 BGB'29.

'26 Siehe dazu oben A.II.l. m Vgl. BGHZ 98, 237; Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 2; Czychowski,

§ 22 WHG Rdn. 4. m Siehe oben B.II. '29 Vgl. Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 40; Aschenberg, S. 356; Köhler, DRiZ 1972, 17, 19.

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

Wenn einer ihrer Mitarbeiter gehandelt hat, wird ihr dieses Verhalten zugerechnet. In Literatur und Rechtsprechung ist nicht geklärt, ob dies eine Zurechnung für Verrichtungsgehilfen gern. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB ist. Dann könnte eine Exkulpationsmöglichkeit des betroffenen Unternehmens bestehen. Teilweise geht die Literatur von der Anwendbarkeit des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB aus~30. Auch das OLG Köln hat in einer Entscheidung § 831 Abs. 1 S. 1 BGB angeprüft, ohne dabei dessen Anwendbarkeit zu problematisierenm. Er kam in dem zu entscheidenden Fall aber aus anderen Gründen nicht zum Tragen. Eine Entlastungsmöglichkeit gern. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB wird hingegen von der Literatur ausgeschlossenm. Der BGH hat bewußt bis jetzt zu dieser Fragestellung keine Position bezogen. Er hat aber zu der Fragestellung, wer die einzelnen Tathandlungen des § 22 Abs. 1 WHG verwirklichen kann, Stellung genommen. Dabei hat er hervorgehoben, daß mit Einbringen usw. nicht unbedingt die manuelle Tätigkeit gemeint ist. Nach § 22 Abs. 1 WHG könne vielmehr jemand haften, der bei dem Vorgang selbst nicht tätig geworden sei. Dabei brauche nicht auf § 831 Abs.l S.1 BGB zurückgegriffen zu werden, da die Herrschaft über den Vorgang des Einbringens auch eine geistige, durch Befehle, Anweisungen und dergleichen ausgeübte Herrschaft sein könne. Es könnten die tatsächlichen Verhältnisse durch die rechtlichen Beziehungen beeinflußt sein, da die tatsächliche Möglichkeit, etwas zu gebieten oder zu untersagen, vielfach von einer entsprechenden rechtlichen Befugnis abhingem . Daß eine Zurechnung der Handlung bei § 22 Abs. 1 WHG auch außerhalb von § 831 Abs.l S. BGB vorgenommen werden sollte, wird auch teilweise in der Literatur vertreten. So hat Aschenberg schon vor der Entscheidung des BGH bemerkt, daß eine Anwendbarkeit des § 831 Abs.l S.1 BGB nicht erforderlich sei, da der Geschäftsherr im weitesten Sinne die Tatherrschaft über das "Einbringen usw." besitze, indem er den entsprechenden Arbeiter anweise, auch wenn er nicht selbst ein1eite~34.

~30 Cyzchowski, § 22 WHG Rdn. 6a. m OLG Köln Z1W 1988, 374, 375.

m Cyzchowski, § 22 WHG Rdn. 6a, Köhler, DRiZ 1972, 17, 19; dies folgt aus der Tatsache, daß ohne Verschulden gehaftet wird, daher kann auch ein Auswahlverschulden des Geschäftsherm nicht berücksichtigt werden. m BGH Z1W 1977,41,43; dazu auch Schmidt, S. 74 ff. ~34 Aschenberg, S. 352 ff.; Janke-Weddige, Z1W 1988, 381, 382, der dem BGH folgt; zu dem Problemkreis auch Schmidt, S. 74.

C. Tatbestände der Handhmgshafhmg

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Demnach kann der Tochtergesellschaft das Verhalten ihrer Arbeiter in jedem Fall zugerechnet werden, sei es über § 831 Abs. 1 S. 1 BGB oder über den Gedanken der "Herrschaftsmacht" .

2. Zurechnung im Konzern Über den letzteren Gedanken kann aber auch die Obergesellschaft neben der Tochtergesellschaft nach § 22 Abs. 1 WHG haften. Der BGH hat den Gedanken der Herrschaftsmacht angewandt, der auch bei der Anlagenhaftung ausschlaggebend ist. Dieser Gedanke folgt aus dem Zurechnungsgedanken der Gefahrdungshaftung, wonach detjenige, der eine Gefahr scham oder verursacht, für diese auch einstehen muß. Wer bei seiner Produktion eine Gefahr verursacht, die sich in einem Schaden realisiert, muß gegenüber dem unbeteiligten Opfer haften. Diese Gedanken gelten, da es sich ebenso um Gefährdungshaftung handelt, auch im Bereich der Handlungshaftung. Die entsprechende BGH-Entscheidung, die nicht nur auf die manuelle Tätigkeit, sondern auf die "Herrschaft" über das Einleiten abstellt, greift genau diesen Gedanken aufl3~ . Der BGH geht weiter davon aus, daß es sich bei der Tathandlung um einen tatsächlichen Vorgang handeln muß und die Frage nach dem Handelnden aufgrund von tatsächlichen Kriterien zu entscheiden ist'36. Dies entspricht ebenfalls den Voraussetzungen bei der Anlagenhaftung, wo auch an die tatsächliche Herrschaftsmacht angeknüpft wird. Dem BGH ist daher uneingeschränkt zuzustimmen. Eine solche "Tatherrschaft"~37 über das Einbringen usw. ist nicht an die Voraussetzungen des § 831 Abs. 1 BGB geknüpft. Die Herrschaft kann vielmehr auch von einem anderen Dritten durch Befehle, Anweisungen oder Vergleichbares ausgeübt werden. Genau dies hat der BGH in seinem Fall herausgestellt, da es dort um eine Konstellation ging, bei der eine Zurechnung über § 831 Abs. 1 S. 1 BGB mangels GehilfensteIlung gar nicht möglich gewesen wäre~38. Diese Grundsätze können auch auf die Verhältnisse im Konzern An-

m BGH ZiW 1977, 41, 43.

'36 BGH ZiW 1977, 41, 43; Janke-Weddige, ZiW 1988,381,394. m Diesen Begriffverwendet auch Aschenberg, S. 353.

'38 BGHZiW 1977,41,43. 12 Ossenbüh1

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefahrdWlgshafhmg

wendung finden. Die "Herrschaft" kann im Konzern nicht nur über die Anlage einer Tochtergesellschaft ausgeübt werden. Die Obergesellschaft kann nach den oben erarbeiteten Kriterien durch ihre Einflußnahmemöglichkeiten, durch Weisung oder Personalverflechtung den Vorgang des Einbringens miterfüllen.

a) Tathandlungen des § 22 Abs. J WHG als Anknüpfungspunkt Die Zurechnung wird aber dadurch schwieriger, daß es eben nicht nur um die Inhaberschaft einer Anlage, sondern um eine spezielle Handlung im Einzelfall geht. § 22 Abs. 1 WHG erfordert ein zielgerichtetes Handeln. Einbringen und Einleiten sind auf ein Gewässer gerichtete Handlungen, die nach ihrem äußeren Ablauf objektiv geeignet sind, dem Gewässer Schadstoffe zuzuführen. Nicht jede Verursachung des Hineingelangens ist also Einbringen oder Einleitenj39 . Problematisch ist zunächst, überhaupt den Anknüpfungspunkt für den abstrakten Beginn der Gefahrdungshaftung zu finden, da hier nicht auf die Inbetriebnahme einer Anlage abgestellt werden kann. Janke-Weddige hat unter Auswertung der bisherigen BGH-Rechtsprechung drei Fallgruppen gebildet, bei denen er diesen Anknüpfungspunkt näher konkretisiert und an denen sich die Einflußnahmemöglichkeiten im Konzern anschaulich darstellen lassenj4O.

aa) Dauernder unmittelbarer oder mittelbarer Anschluß an ein Gewässer Die erste Fallgruppe umfaßt die Sachverhalte, in denen über installierte Rohrleitungen, Kanalisation, Abflußrinnen, Gräben etc. ein dauernder oder mittelbarer Anschluß mit dem Gewässer besteht. Das ist auch der Fall, wenn betriebliche Abwässer zwar nicht regelmäßig der Kanalisation zugeleitet werden, aber entsprechende Rinnen vorhanden sind, die bestimmt und geeignet sind, betriebliche Wässer oder Abwässer aufzunehmen. Eine Haftung auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 WHG ist dann zu bejahen, wenn irgendwelche schädlichen Wässer oder Chemikalien ihren Weg in ein Gewässer über Leitungen, Rinnen und Abflüsse nehmen, die durch den Betreffenden mit entsprechender Zielrichtung hergestellt oder für seine betrieblichen Zwecke genutzt worden sindj41.

j39 BGH Z1W 1988, 419; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 7; Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 18; Aschenberg, S. 307 f j40 Janke-Weddige, Z1W 1988,381,395 ff. j41 Janke-Weddige, Z1W 1988, 381, 396; der allerdings auch schon als HandlWlg

die ErrichtWlg einer typischerweise das Erdreich verseuchenden Fabrikation

C. Tatbestände der Handhmgshafttmg

179

Für die Obergesellschaft bedeutet dies, daß dementsprechend nur dann eine Mithaftung in Betracht kommen kann, wenn die Errichtung der entsprechenden Leitungen oder Rinnen auf ihre Veranlassung hin erfolgt ist und diese auf ihre Veranlassung genutzt werden. Auch hier kommt es wie bei der Anlagenhaftung auf die tatsächliche Ausführung an. Die reine Befugnis, die Tochtergesellschaft zu entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen, kann nicht ausreichen342 . Die Veranlassung kann sowohl durch Weisung als auch durch andere Leitungsmittel erfolgen. Insoweit kann auf die oben erarbeiteten Kriterien zurückgegriffen werden343 •

bb) Entledigung gewisser Stoffe Die zweite Fallgruppe umfaßt alle diejenigen Fälle, in denen keine wie auch immer geartete Daueranbindung an ein Gewässer vorliegt. Es handelt sich vielmehr um einen einmaligen oder auch wiederholten Vorgang, der als solcher gewollt ist und bei dem es dem Betreffenden darum geht, sich gewisser Stoffe zu entledigen. Auf das Bewußtsein des Handelnden hinsichtlich der Gefährlichkeit der betreffenden Stoffe oder der Gewässerbeeinträchtigung kommt es nicht an""'. Auch hier kann eine Mithaftung der Obergesellschaft nur in Betracht kommen, wenn dieses Entledigen aufgrund ihrer Veranlassung vorgenommen wird. Sie muß die Herrschaft über das entsprechende Verhalten in der Tochtergesellschaft haben. Dies kann sich über Weisungen oder im Wege der Personalverflechtung vollziehen.

cc) Zufälliges Einleiten Die dritte Fallgruppe umfaßt Fälle, in denen weder ein konkreter Bezug zu irgendeinem Gewässer besteht noch der Betreffende sich sonst irgendwelcher Stoffe entledigen möchte. In diesen Fällen fehlt es an einer Handlung, die

(Chemische-Reinigungen, Galvanik-Betriebe, Zinkereien etc.) ausreichen lassen will. Das ist meines Erachtens viel zu früh. Von einer konkreten Bezug zu einer Tathandhmg des § 22 Abs. 1 WHG kann zum Zeitpunkt der Errichtung des Betriebes noch nicht ausgegangen werden. 342 Siehe oben B.V.l.d). 343 Siehe oben B. V. \Uld VI. "'" Janke-Weddige, Z1W 1988,381, 396; ähnlich auch Wernicke, Z1W 1963, 318, 319; Aschenberg, S. 305. 12'

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Zweites Kapitel: Primäre UmweltgefährdWlgshafhmg

nach ihrem äußeren Ablauf geeignet ist, dem Gewässer Schadstoffe zuzuführen. Damit entfällt eine Haftung nach § 22 Abs.l WHG"".

b) Unterlassen als Handlung i.S.d. § 22 Abs. J WHG

Einbringen und Einleiten können auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Das Unterlassen steht nur dann einem Tun gleich, wenn der Unterlassende etwas nicht getan hat, was er hätte tun können, um den Schaden abzuwehren und wenn für ihn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand~. Dabei kann sich aus dem Gedanken des § 823 Abs. 1 BGB eine Verkehrssicherungspflicht ergeben~7. Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern läßt, hat die Verpfliclitung, die ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer abzuwenden. So hat der BGH eine Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde angenommen, in deren Eigentum ein Graben stand, in den Anlieger Jauche geleitet hatten. Durch diese Jauche wurde die Fischzucht des Klägers verseucht. Die Gemeinde hatte es unterlassen, das Einleiten der Jauche zu untersagen, obwohl sie davon wußte und vom Kläger zum Einschreiten aufgefordert worden war. Der BGH hatte die Gemeinde als Eigentümerin des Grabens als verpflichtet angesehen, dieses Einleiten zu verhindern~8. Fraglich ist, ob eine solche Pflicht auch die Obergesellschaft treffen kann. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß auch im Konzern zunächst jede Gesellschaft für die durch sie verursachten Gefahrenquellen allein verantwortlich ist. Das heißt, auch wenn die Obergesellschaft eine gefährliche Produktion von einer Tochtergesellschaft vornehmen läßt, ist diese allein für die Gefahrenquelle verantwortlich. Diese muß die Gefahren, die von ihrer Produktion ausgehen, selbst verantworten. Der BGH hat entsprechende Verkehrssicherungspflichten nur angenommen, wenn jemand für die Gefahrenquelle direkt verantwortlich war. Ausschlaggebend dafür ist, daß das Untätigbleiben im Hinblick auf das Gewässer

~, Janke-Weddige, ZiW 1988,381,397; dies sind Fälle, bei denen die RechtsprechWlg die Hafumg nach § 22 Abs.l WHG wegen fehlender Typizität ausschließt; dies gilt auch für sonstige Unglücksfalle, Z.B. BGHZ 46, 17, 19; BGH BB 1983, 277; BVerwG ZiW 1974,296. ~6 BGH ZiW 1976,275,276; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 8; Aschenberg, Gewässerhafhmg, S. 293. ~7 BGH ZiW 1976,275, 278; BGH ZiW 1986, 304, 308; Czychowski, § 22 WHG Rdn. 8; Janke-Weddige, ZiW 1988,381,383. ~8 BGH ZfW 1976,275,278.

C. Tatbestände der Handhmgshafhmg

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genau wie die Handlung zweckgerichtet sein muß~9. Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn die Obergesellschaft die Gefahrenquelle an die Tochter abgegeben hat. Diese ist eine eigenständige Gesellschaft und damit zunächst für die Gefahrenquelle allein verantwortlich. Die Abgabe einer gefährlichen Produktion und deren weitere Nichtüberwachung ist noch kein zweckgerichtetes Unterlassen. Es fehlt hier am direkten Bezug der Obergesellschaft zu der von der Tochtergesellschaft unterhaltenen Gefahrenquelle, daher kann sich keine Verkehrssicherungspflicht der Obergesellschaft ergeben. In den vom BGH entschiedenen Fällen hatte der Beklagte immer einen direkten Einfluß auf die Gefahrenquelle und konnte auf diese einwirken. Damit war die erforderliche Zweckrichtung hergestellt"o. Das ist aber gerade nicht der Fall, wenn die Obergesellschaft die Tochtergesellschaft grundsätzlich eigenverantwortlich agieren läßt und nur in bestimmten Bereichen, die die Gefahrenquelle gerade nicht betreffen, ihren Einfluß geltend macht. Eine solche Pflicht könnte die Obergesellschaft aber dann treffen, wenn diese durch Weisung etc. auf eine solche für das Wasser schädliche Gefahrenquelle der Tochtergesellschaft Einfluß nimmt. Nur dann, wenn sie tatsächlichen Einfluß auf die Gefahrenquelle hat und sich ein etwaiges Unterlassen damit als zweckgerichtet qualifizieren läßt, trifft sie auch die Pflicht, zu verhindern, daß die Gefahren sich realisieren. Insoweit gilt das bereits zu der Anlagenhaftung Ausgeführtem.

ll. § 32 Abs. 1 GenTG § 32 Abs. 1 GenTG legt neben der mittelbaren Handlungshaftung auch für die nicht in einem geschlossenen System durchgeführten gentechnischen Arbeiten eine mittelbare Handlungshaftung fest 552 • Es wird für Tötung, Verletzung von Körper und Gesundheit und Sachschäden gehaftet, die infolge der durch die gentechnischen Arbeiten erzeugten gentechnisch veränderten Organismen entstehen.

Dabei wird auch für die Freisetzung (§ 3 Nr. 7 GenTG) und das Inverkehrbringen (§ 3 Nr. 8 GenTG) des veränderten Organismus gehaftetm. Voraussetzung ist immer die Durchführung von gentechnischen Arbeiten ~9 Vgl. OLG Nümberg ZJW 1991, 201; Gieseke/WiedemannlCzychowski, § 22 WHG Rdn. 8; Janke-Weddige, ZJW 1988,381,392. 5'0 Czychowski, § 22 WHG Rdn. 8; Sieder/ZeitlerlDahme, § 22 WHG Rdn. 18. m Siehe oben B. V. ff. m Siehe auch oben All. 1. m Vgl. Hirsch/Schmidt-Diczuhn, § 32 GenTG Rdn. 11.

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Zweites Kapitel: Primäre Umweltgefahrd\mgshafhmg

(§ 3 Nr. 2 GenTG). Ein Unterlassen, z.B. in Form der Nichtverhinderung von

Spontanmutationen, genügt nicheSi . Eine Mithaftung der Muttergesellschaft kommt wie bei der Handlungshaftung nach § 22 Abs. 1 WHG nur dann in Betracht, wenn die zur Haftung führenden gentechnischen Arbeiten bzw. deren Freisetzung oder ihr Inverkehrbringen auf ihre Veranlassung hin etfolgt sind. Auch wenn es sich nur um eine mittelbare Handlungshaftung handelt, kommt es auch auf die tatsächliche Durchführung der gentechnischen Arbeiten auf Veranlassung der Muttergesellschaft an. Dies ergibt sich auch hier aus dem Grundgedanken der Gefahrdungshaftungm . Die reine Befugnis, die Tochtergesellschaft zu gentechnischen Arbeiten zu veranlassen, genügt nichtss6 . Die Veranlassung kann auch hier sowohl durch Weisung als auch durch andere Leitungsmittel etfolgen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 22 Abs. 1 WHG und die erarbeiteten Kriterien zurückgegriffen werdenSS7 .

SSi Vgl. Deutsch, UTR Band 14 (1991), S. 115, 118; KochlIbelgaufts, § 32 GenTG Rdn. 14. m Auch § 32 GenTG ist ein Gefahrd\mgshafhmgstatbestand, Deutsch, UTR Band 14 (1991), S. 115, 120; KochlIbelgaufts, § 32 GenTG Rdn. 13; HirschiSchmidtDiczuhn, § 32 GenTG Rdn. 4. "6 Siehe oben B.Y.l.d) \md C. 1I.2.a) zu § 22 Abs. 1 WHG. m Siehe oben B.Y. \md VI. \md C.I.

Drittes Kapitel

Sekundäre Umweltgefährdungshaftung Neben der primären Umweltgefährdungshaftung der Obergesellschaft kann sich auch aus den gesellschaftsrechtlichen Konzernhaftungsregeln eine Haftung ergebenI. Da die gesellschaftrechtlichen Haftungssysteme für die verschiedenen Konzernformen unterschiedlich sind, kommt es darauf an, um welchen Konzerntyp es sich handelt.

A. Eingliederung Die Hauptgesellschaft haftet gern. § 322 AktG gesamtschuldnerisch für sämtliche Alt- und Neuschulden der eingegliederten Gesellschaft. Hierunter fallen auch Schäden aus der Umweltgefährdungshaftung. Die Hauptgesellschaft kann alle Einreden geltend machen, die auch der eingegliederten Gesellschaft gegen den jeweiligen Anspruch zustehen würden2 .

B. Vertragskonzern Während des Bestehens des Vertragskonzerns hat die abhängige Gesellschaft gern. § 302 AktG einen Anspruch auf Ausgleich des Jahresfehlbetrages gegen die Obergesellschaft. Der Gläubiger kann selbst keine Ansprüche geltend machen3 . Aus der Formulierung des § 302 AktG ergibt sich, daß der Verlustausgleich jeden Verlust umfaßt. Die Obergesellschaft trägt damit das gesamte Risiko der Tochtergesellschaft. Wenn die Tochtergesellschaft einen Verlust aufgrund eines Schadensersatzanspruches aus Umweltgefährdungshaftung hat, muß auch

1 Zur Konzemhafhmg in den USA nach der RechtsprechWlg zum Altlasten-Superfimd siehe ausfiihrlich Ochsenfeld. 2 Vgl. dazu mit Literatur oben B.IX.l. mit näherer DarsteUWlg, welche Wlterschiedlichen Rechte der jeweils Geschädigte bei Primär- Wld Selomdärhafhmg geltend machen kann. 3 Siehe dazu oben B.IX.2.a).

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefiihrdungshafhmg

dieser ausgeglichen werden4 . Die Verlustausgleichspflicht besteht allerdings auch nur dann, wenn der Schaden zu einem Verlust bei der Tochtergesellschaft geführt hat. Wenn die Tochtergesellschaft den Schadenersatz leisten kann, ohne daß bei ihr dadurch ein Jahresfehlbetrag entsteht, besteht auch keine Haftung der Muttergesellschaft für die entstandenen Umweltgefahrdungshaftungsschäden' . Für die Haftung bei Beendigung des Vertragskonzerns wird auf die obigen Ausführungen verwiesen 6 .

c. Faktischer Konzern Eine gesetzliche Regelung des faktischen Konzerns gibt es in §§ 311 ff. AktG nur für den faktischen Aktienkonzern. § 311 AktG spricht zwar nur von herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft und nicht vom Konzernverhältnis. Die Entstehungsgeschichte und der gesetzgeberische Sinn des Nachteilsausgleichs zeigen aber, daß die Vorschrift auch und gerade die Fälle treffen soll, in denen die abhängige Gesellschaft ohne Beherrschungsvertrag unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens mit diesem zusammengefaßt ise. Gemäß § 311 Abs. I AktG muß das herrschende Unternehmen, wenn es denn seinen Einfluß dazu benutzt, eine abhängige Aktiengesellschaft zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine für sie nachteilige Maßnahme zu treffen, diesen Nachteil zumindest ausgleichen. Bei Nichtausgleich entsteht ein Schadensersatzanspruch gern. § 317 Abs. 1 AktG.

4 Siehe KölnerKommIKoppensteiner, § 302 AktG Rdn. 9, der ausdrücklich Unglücksfälle miteinbezieht, so auch GeßlerfHefermehl!EckardtlKropff, § 302 AktG Rdn. 9; Würdinger, in Großkomm., § 302 AktG Anm. 2. 'KölnerKommIKoppensteiner, § 302 AktG Rdn. 9; dem anderen Vertragsteil kommen damit auch unerwartet günstige Entwicklungen zugute. 6 Siehe oben B.IX.2.a)aa). 7 GeßlerfHefermehllEckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 4, wodurch noch nicht die Frage geklärt ist, ob damit auch eine rechtliche Anerkennung des faktischen Konzerns vorliegt; dafür z.B. Luchterhand, ZHR 133 (1970), 1, 6 ff., 13; dagegen die h.M., Würdinger, in Großkomm., § 311 AktG Anm. 5, und mit zahlreichen weiteren Nachweisen KölnerKommIKoppensteiner, Vorb. § 311 AktG Rdn. 6. Diese Frage soll hier auch nicht geklärt werden, da faktische Konzerne der gesellschaftrechtlichen Realität entsprechen.

C. Faktischer Konzern

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Für die abhängige GmbH gelten nach BGH und herrschender Lehre diese Vorschriften nicht, schädigende Einzelmaßnahmen bleiben dem herrschenden Unternehmen grundsätzlich verbotenB. Zunächst soll für den faktischen Aktienkonzern untersucht werden, ob,

wann und welche Maßnahmen der Obergesellschaft im Bereich der Umweltgefährdungshaftung nachteilig sein können und damit die Rechtsfolgen der §§ 311 ff. AktG auslösen. Anschließend ist zu klären, welche Betrachtungsweise sich für den GmbH-Konzern ergibt.

I. Faktischer Aktienkonzem §§ 311 ff. AktG § 311 Abs. 1 AktG verbietet dem herrschenden Unternehmen, eine abhängige Aktiengesellschaft zu einer nachteiligen Maßnahme zu veranlassen oder ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden. Für den Bereich der Umweltgefährdungshaftung stellt sich die Frage, wann und ob nachteilige Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte durch die Obergesellschaft veraniaßt werden.

1. Veranlassung Unter Veranlassung ist jede Einflußnahme des herrschenden Unternehmens auf die Mitglieder der Verwaltung oder die Mitarbeiter der abhängigen Gesellschaft zu verstehen, mit der das herrschende Unternehmen das Ziel verfolgt, das Verhalten der abhängigen Gesellschaft zu steuern. Da keine bestimmte Form erforderlich ist, kommen alle Leitungsmittel in Betracht. Die Einflußnahme der Obergesellschaft muß kausal für das Verhalten der abhängigen Gesellschaft sein9• Heute wird dabei auch ganz überwiegend angenommen, daß in dem Bestehen von Personalverflechtungen eine Veranlassung der Obergesellschaft liegen kann, wenn Vorstandsmitglieder des herrschenden Unternehmens im Vorstand der abhängigen Gesellschaft Maßnahmen zu deren Nachteil ergreifen 10 .

3 BGHZ 95, 330,340; BGHZ 116, 37, 42; Lu1terlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rein. 12; Hommelhoff, S. 252; BaumbachIHueck/Zöllner, GmbH-KonzemR Rein. 10; Decher, Miinchener Handbuch, GmbH, § 70 Rein. 23, alle m.w.N. Siehe auch näher unten C.II. 9 Strohn, S. 46 f[; EmmerichlSonnenschein, S. 339; Bollmann, S. 73 f 10 KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rein. 18; GeßlerlHefermehl/Eckardtl Kropff, § 311 AktG Rdn. 99; Wiirdinger, in Großkomm., § 311 AktG Anm.4; EmmerichlSonnenschein, S. 339 f; Strohn, S. 47; Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 69 Rein. 62; anders Hoffinann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 577; nach dieser Ansicht

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefabrdungshafumg

2. Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte Nachteilig können nur die wirtschaftlichen Folgen von Rechtsgeschäften und Maßnahmen der Gesellschaft sein. Für § 311 Abs. 1 AktG ist ohne Belang, ob ein Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme vorliegt. Deshalb können mögliche Maßnahmen und Rechtsgeschäfte aus dem Umwelthaftungsbereich zusammengefaßt werden11 • Rechtsgeschäft kann jede Willenserklärung der Gesellschaft sein 12 . Maßnahmen sind alle Handlungen, die, ohne Rechtsgeschäft zu sein, geeignet sind, das Vermögen oder die Ertragskraft der Gesellschaft in irgendeiner Weise zu berühren 13 . Diese Begriffe umfassen zusammen sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Handlungen, die sich auf das Vermögen und den Ertrag der abhängigen Gesellschaft auswirken können14 •

a) Erhaltung und Wartung von Anlagen Als Rechtsgeschäfte und Maßnahmen im Sinne der §§ 311 ff. AktG kommt aus dem Umwelthaftungsbereich z.B. der Abschluß von Wartungsverträgen für die Anlage in einer Tochtergesellschaft in Betracht. Auch der Kauf von Ersatzteilen und Funktionsprogrammen sind Rechtsgeschäfte, zu denen die Muttergesellschaft die Tochter veranlassen kann. Diese können sich, da sie Kosten der Tochtergesellschaft betreffen, auf den Ertrag auswirken. Des weiteren können auch die Anweisungen, die Anlage in einer bestimmten Art und Weise zu betreiben, z.B. die Auslastung der Anlage zu bestimmen, die Veranlassung zu einer umwelthaftungsrelevanten Maßnahme seinl~. Darunter kann auch die Umstellung der Produktion und die Entsendung von Mitarbeitern oder Technikern etc. fallen. Durch diese Maßnahmen kann der Ertrag in der Tochtergesellschaft beeinflußt werden.

könnte jedoch die Regelung der §§ 311 ff. AktG zu leicht umgangen und damit aus den Angeln gehoben werden. 11 Vgl. Hüffer, § 311 AktG Rdn. 24. 12 KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 37; Linsmann, S. 25. 13 Vgl. z.B. GeßlerlHefermeh1lEckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 106. 14 Vgl. KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 44; Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 60; GeßlerlHefermeh1lEckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 106; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 24. 1~ Wobei der Begriff der" Anweisung" hier untechnisch zu verstehen ist.

C. Faktischer Konzern

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b) Auslagerung, Umstellung und Aufnahme von Arbeiten mit einer umweltgefährdenden Anlage

Ebenso können Veranlassungen zu allen Entscheidungen, die die Produktion mit einer bestimmten Anlage betreffen, Maßnahmen LS.d. § 311 Abs. 1 AktG sein. Darunter ist die Auslagerung der Produktion auf eine Tochtergesellschaft oder die Umstellung der Produktion in der Tochtergesellschaft zu fassen. Angesichts der weitreichenden Anlagenbegriffe kann auch die Weisung zur Lagerung bestimmter Stoffe etc. darunter fallen l6 .

c) Handlungshaftung

Im Hinblick auf die Tatbestände der Handlungshaftung (§ 22 Abs.1 WHG und § 32 Abs.1 GenTG) könnte die Veranlassung zu einer Maßnahme LS.d. § 311 AktG auch die Veranlassung zu einer bestimmten Art der Entsorgung von Stoffen durch Einleiten oder Einbringen in ein Gewässer sein. Die Art und Weise der Entsorgung ist ein Kostenfaktor und berührt dadurch den Ertrag in der Tochtergesellschaft.

d)Ausgliederung, Abspaltung, Neugründung und Erwerb

Die Ausgliederung, Abspaltung oder Neugründung einer Gesellschaft zur Aufnahme einer risikoträchtigen Produktion sind keine Veranlassung zu einer Maßnahme oder einem Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 Abs.1 AktG. Dies setzt die Veranlassung zu einer Maßnahme gegenüber einem abhängigen Unternehmen voraus. Wenn ein solches noch nicht vorhanden ist, sondern erst gegründet, ausgegliedert bzw. erworben wird, kann die Gründung selbst noch keine Maßnahme sein. Die Haftung nach § 311 Abs.1 AktG knüpft an die unangemessene Beeinflussung eines Unternehmens und nicht an die Organisation einer Unternehmensgruppe an. Dafür spricht auch, daß die §§ 311ff AktG nicht nur im Konzern, sondern auch bei reinen Abhängigkeitsverhältnissen gelten. Das gleiche muß auch für den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung oder eines ganzen Unternehmens gelten. In dem Erwerb an sich liegt noch keine Veranlassung des erworbenen Unternehmens zu einer Maßnahme oder einem Rechtsgeschäft, sondern eine Organisationsmaßnahme.

16

Siehe oben B. VI. 8.

188

Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefährdungshafhmg e) Ergebnis

Umwelthaftungsrelevante Maßnahmen und Rechtsgeschäfte sind damit alle Verhaltensweisen, die einen Einfluß auf die Bereiche des Unternehmens haben, die der Umweltgefährdungshaftung unterliegen. Bezüglich der Anlagenhaftung umfaßt dies alles, was die Inhabereigenschaft an der Anlage berührt. Hinsichtlich der Handlungshaftung sind dies alle Veranlassungen, die zur Erfüllung des entsprechenden Tatbestandes führen können.

3. Nachteil

Diese Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte müssen nachteilig für die abhängige Gesellschaft sein. Der Begriff des Nachteils wird in § 311 ff. AktG nicht definiert. Vom Schutzzweck der § 311 ff. AktG ausgehend ist eine Einflußnahme immer dann nachteilig, wenn sich dadurch die Gefahren der Abhängigkeit realisieren17. Das Vermögen der abhängigen Gesellschaft ist gegen jede Beeinträchtigung durch das herrschende Unternehmen zu schützen. Dadurch wird dann auch ein Minderheiten- und Gläubigerschutz gewährleistet. Der Nachteil setzt voraus, daß der Wert des Gesellschaftsvermögens oder die Ertragslage der abhängigen Gesellschaft vermindert oder gefährdet wirdlI.

a) Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage durch Betreiben einer Anlage

Die Veranlassung zu der jeweiligen Maßnahme oder dem jeweiligen Rechtsgeschäft muß die Vermögenslage der. abhängigen Gesellschaft beeinträchtigt haben. Die Folgen der Vornahme oder des Unterlassens von Maßnahmen sind in Geld zu bewerten und vergleichend gegenüberzustellen. Bei den Rechtsgeschäften sind Leistung und Gegenleistung gegenüberzustellen19 • Dieser Vergleich von Vermögenslagen ist bei Maßnahmen und Rechtsgeschäften aus dem umwelthaftungsrechtlichen Bereich nicht ganz einfach. Zunächst ist klarzustellen, daß dieser Bereich sich grundlegend von den sonst in der Literatur behandelten Fällen und Beispielen unterscheidet. Die dort aufgeführten Konstellationen, anhand derer die Nachteilsproblematik illustriert wird, beziehen sich immer nur auf die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen

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11 19

Strohn, S. 10; Emmerich/Sonnenschein, S. 341 f; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 27. Vgl. statt aller Hüffer, § 311 AktG Rdn. 25. Vgl. z.B. Linsmann, S. 29 f

C. Faktischer Konzern

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von unternehmerischen Entscheidungen23 . Hier geht es aber um die haftungsrechtlichen Auswirkungen von unternehmerischen Entscheidungen. Auch diese können für ein Unternehmen große Relevanz haben, da der Wert eines Unternehmens in großem Umfang durch das Haftungsrisiko beeinflußt wird. Das zeigt auch die Relevanz von Haftungsrisiken bei "due diligence "-Prüfungen21 . Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß die unternehmerischen Entscheidungen im Umwelthaftungsbereich keine direkten Auswirkungen auf die Vermögenslage des Unternehmens haben müssen, sondern erst über den Umweg der umweltgefährdenden Anlage zu einem Nachteil für das abhängige Unternehmen führen können. Eine Vermögensbeeinträchtigung kann aber auch bei bloßen Reflexschäden vorliegen22 . Das zeigt, daß sie auch über den Umweg der Haftung des abhängigen Unternehmens gegeben sein kann. Alle Maßnahmen und Rechtsgeschäfte, die die Inhabereigenschaft der Anlage betreffen und zu Kostenersparnissen bzw. Produktionssteigerungen führen, sind zunächst vorteilhaft. Durch den Abschluß eines Wartungsvertrages mit einem günstigen Anbieter oder den Einkauf billiger Ersatzteile kann die abhängige Gesellschaft Kosten sparen, was sich vorteilhaft auf ihre Ertragslage auswirkt. Das gilt auch für die Auslagerung einer Produktion auf die Tochtergesellschaff3, denn durch eine solche erhält sie auch die entsprechenden Gewinne. Auch die Steigerung der Produktionszahlen erhöht zunächst die Gewinnchancen. Ebenso verhält es sich mit der Entsorgung. Diese kann einen enormen Kostenfaktor darstellen. Bei einer Entsorgung über Kanalisation bzw. entsprechende Vorrichtungen kann eine Kostenersparnis eintreten. In allen diesen Fällen ist andererseits zu berücksichtigen, daß durch diese Maßnahmen gleichzeitig das Vermögen der abhängigen Gesellschaft gefährdet

20 Siehe die Beispiele in KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 37 ff.; Emmerich/Sonnenschein, S. 343 ff. 21 Diese sind für den Untemehmenskauf bzw. bei Erstelllmg von Börsenprospekten vorZlDlehmen, um den Wert des Unternehmens zu ermitteln; siehe zur "due diligence" beim UnternehmenskaufMerkt, Will 1996, 145 ff. 22 Siehe KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 28; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 595 ff. 23 Wobei lmerheblich ist, ob die Auslager1mg auf eine bereits bestehende oder noch neu zu gründende Gesellschaft durch Ausglieder1mg oder in einer sonst vorstellbaren gesellschaftsrechtlichen Konstellation etfolgt, da es nur darauf ankommt, daß die Produktion von einer Tochtergesellschaft vorgenommen wird. Es kommt nicht darauf an, wie dies letztlich zustande kommt.

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Drittes Kapitel: Selamdäre UmweltgefährdWlgshafhmg

werden kann. Mit allen Maßnahmen, die Anlagen und die Produktion betreffen, kann eine Begründung oder Erhöhung eines eventuellen Schadensersatzrisikos einhergehen, da die Inhabereigenschaft und das Betreiben von gefahrlichen Anlagen der Gefahrdungshaftung aus den aufgeführten Gefahrdungshaftungstatbeständen unterliegen. Wenn durch den Betrieb einer solchen Anlage ein Schaden entsteht, dann zieht dies meist immense Schadensersatzforderungen nach sich, die dann die Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigung läßt sich im Fall des Schadensersatzrisikos nicht rechnerisch ermitteln, da die Höhe eines eventuellen Schadensfalles nicht kalkulierbar ist. Ebenso ist die Übernahme eines nicht kalkulierbaren Risikos der abhängigen Gesellschaft auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens unabhängig davon, wie wahrscheinlich die Verwirklichung einer Beeinträchtigung ihrer Vermögens- oder Ertragslage ist. Dadurch kann der Verkehrswert der abhängigen Gesellschaft nachteilig beeinflußt werden. Die in der Eingehung eines solchen Risikos liegende Vermögensgefahrdung kann sowohl unter den Nachteils- als auch unter den Schadensbegriff subsumiert werden, denn der Verkehrswert eines solchen mit nicht kalkulierbaren Risiken behafteten Unternehmens kann sinken24 . Wenn der Verkehrswert nicht direkt beeinträchtigt wird, führt schon die bloße Gefahrdung der Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft zu einer Senkung des Verkehrswertes2~. Eine solche Gefahrdung kann bei Eingehung eines hohen Schadensersatzrisikos immer angenommen werden, da gerade im Umwelthaftungsbereich immense Schadensersatzforderungen möglich sind. Das Risiko verringert sich nicht dadurch, .daß im Gentechnikgesetz und im Umwelthaftungsgesetz Haftungshöchstsummen und Deckungsvorsorgepflichten bestehen26 . Diese können zwar das Risiko der Haftung aus diesen Gesetzen beschränken. Weder das Wasserhaushaltsgesetz27 noch das Bundesimmissionsschutzgesetz sehen aber solche Haftungsbegrenzungen oder Deckungsvorsorgen vor.

24 Vgl. Linsmann, S. 39. 2~ KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 28; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 25.

26 Vgl. §§ 15 UmweltHG \Dld 33 GenTG mit einer Hafhmgshöchstgrenze von 160 Mio. DM pro Schadensereignis. Zu bedenken ist auch, daß ja nicht nur das Risiko eines einzigen Schadensereignisses besteht. Siehe auch §§ 36 GenTG Wld 19 UmweltHG zur Declamgsvorsorge Wld § 14 AtomG. 27 Vgl. Czychowski, § 22 WHG Rdn. 56.

C. Faktischer Konzern

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Das Haftpflichtgesetz enthält zwar einige Haftungsbegrenzungen21 , für Schäden wegen KörpelVerletzung wird aber unbegrenzt gehaftet (§ 6 HaftpflG), so daß auch hier letztlich ein unkalkulierbares Haftungsrisiko besteht. Im Schadensfall sind meist auch die Tatbestände des WHG, BImschG oder Haftpflichtgesetzes miterfüllt. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß nicht nur die Gefahr eines einzigen Schadensfalles besteht. Die Haftungshöchstgrenzen gelten aber immer nur für einen Schadensfall. Damit besteht zwar eine Verringerung des Schadensersatzrisikos bezüglich des Umwelthaftungs- und des Gentechnikgesetzes. Dies wird jedoch nicht vollständig aufgehoben und auch nicht kalkulierbar, da eine unbegrenzte Haftung nach BImSehG, WHG und letztendlich auch nach dem HaftpflG besteht.

b) Beurteilungsmaßstab

Nach heute ganz überwiegender Auffassung reicht nicht jede Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft aus, sondern der Nachteil setzt einen Sorgfaltsverstoßder Obergesellschaft voraus29 • Ein Sorgfaltsverstoß liegt immer dann vor, wenn ein sorgfältiger Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft die jeweiligen Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte nicht hätte vornehmen dürfen. Damit wird das Erfordernis des § 317 Abs. 2 AktG zur Nachteilsbestimmung herangezogen. Dies ist auf den ersten Blick irritierend. Das Gesetz scheint durch § 317 Abs. 2 AktG im Gegenteil auszudrücken, daß der Begriff des Nachteils nicht davon abhängt, ob auch ein ordentlicher oder gewissenhafter Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft dieselbe Lage herbeigeführt hätte. § 317 Abs. 2 AktG kann aber auch als reine Beweislastregelung gesehen werden30 • Diese Sichtweise entspricht dem Schutzzweck der §§ 311 ff. AktG, die Gesellschaft vor den Gefahren der Abhängigkeit zu schützen. Denn die Gefahr der Abhängigkeit besteht gerade darin, daß die Geschäftsführung nicht mehr so handelt wie eine sorgfältige Geschäftsführung einer unabhängigen Gesellschaft, sondern eher

28 § 10 HaftpflG begrenzt die Ausgleichspflicht bei Sachschäden auf DM 160.000 Wld § 9 die einem Dritten zu zahlende Geldrente auf DM 30.000 pro Jahr pro verletzter oder getöteter Person. 29 Vgl. GeßlerlHefermehllEckardUKropff, § 311 AktG Rdn. 108; Hommelhoff, S. 118; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 27; Emmerich/Sonnenschein, S. 346 ff.; Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 65, alle m.w.N.; zur früheren GegenauffassWig siehe u.a. GodinlWilhelmi, § 311 Anm. 3; Kellmann, ZGR 1974, 220, 222 ff., neuerdings auch wieder Bollmann, S. 67 f. 30 Siehe GeßlerlHefermehllEckardUKropff, § 311 AktG Rdn. 109; § 317 AktG Rdn. 28; KölnerKommIKoppensteiner, § 311 Rdn. 22; Hommelhoff, S.119 Fn. 41; Wilhelm, S. 232.

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Drittes Kapitel: Selumdäre Umweltgeflihrdungshafhmg

die Interessen der herrschenden Gesellschaft berücksichtigt31. Diese würden aber nicht mehr berücksichtigt, wenn der Nachteilsbegriff rein objektiv bestimmt würde. Des weiteren würde auch die unternehmerische Ermessensfreiheit des Vorstandes der herrschenden Gesellschaft beschnitten, wenn bereits jede objektive Einbuße der abhängigen Gesellschaft zur Nachteilsausgleichspflicht führen würde32 . Es kommt damit darauf an, ob der Vorstand eines Unternehmens in eben der Lage, in der sich die abhängige Gesellschaft befindet, die in Frage stehende Maßnahme hätte durchführen dürfen33 . Fraglich ist, ob die Übernahme des eben dargestellten Schadensersatzrisikos einen Sorgfaltsverstoß darstellt. Entscheidungen des Vorstandes sind unternehmerische Entscheidungen, bei denen in der Regel ein Ermessensspielraum besteht, der verschiedene dieser unternehmerischen Entscheidungen als pflichtgemäß erscheinen läßt34 . Da mit der Inhabereigenschaft an einer gefahrlichen Anlage immer das Risiko der Gefährdungshaftung verbunden ist, könnte man annehmen, daß jeder Betrieb mit einer solchen Anlage und die damit verbundenen Arbeiten pflichtwidrig sind, da sie ein Schadensersatzrisiko bergen. Das dies gerade nicht der Fall ist, läßt sich schon aus dem Wesen der Gefahrdungshaftung ableiten. Diese erlaubt eine gefährliche Produktion unter der Voraussetzung, daß der Unternehmer das hieraus entstehende Risiko übernimmt. Sie ist der Grund, gefahrbehaftete Betriebe zuzulassen. Aus dieser allgemeinen Erlaubnis läßt sich ableiten, daß die Aufnahme einer gefahrlichen Produktion an sich, auch wenn sie ein Risiko beinhaltet, von der Rechtsordnung zunächst gebilligt wird. Jeder Unternehmer kann daher eine solche Produktion aufnehmen, wenn er das entsprechende Risiko übernimmt. Das heißt zunächst, daß die Übernahme des Risikos der Gefährdungshaftung als pflichtgemäße unternehmerische Entscheidung gewertet wird3'. Die Veranlassung des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft zur Aufnahme einer gefährlichen Produktion kann daher noch nicht als pflichtwidrig angesehen werden. Auch ein unabhängiger Geschäftsführer einer nicht abhängigen Gesellschaft könnte diese Entscheidung treffen, ohne pflichtwidrig zu handeln. Das gilt auch für alle anderen Maßnahmen, die den Betrieb der An-

31 KölnerKommIKoppensteiner, § 311 Rdn. 22. 32 Hommelhoff, S. 119 Fn. 41. 33 KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 25; Strohn, S. 73. 34 GeßlerlHefermehl/EckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 158; KölnerKommi Koppensteiner, § 311 AktG Rdn. 33; so wie jetzt BGH ZIP 1997, 883 (ARAG/Garmenbeck). 3' Siehe dazu ausfiihrlich oben 2. Kap. B.n.1. und auch Deutsch, S. 408.

C. Faktischer Konzern

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lage betreffen, da auch insoweit nur das von der Rechtsordnung gebilligte Haftungsrisiko besteht.

c) Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage aufkrund einer Risikoerhöhung durch Nichtbeachtung der einschlägigen technischen Regeln Zusätzlich zu dem normalen Haftungsrisiko kann noch eine Risikoerhöhung eintreten, wenn die Anlage in einem technisch nicht ordnungsgemäßen Zustand ist bzw. die Betriebspflichten nicht eingehalten worden sind. Dies erhöht die Gefahr des Eintritts eines Schadensfalles und kann zu Beweiserleichterungen für die Geschädigten führen. Daraus erhöht sich für das abhängige Unternehmen das Risiko des Betriebes der Anlage36 .

d) Sorgfaltswidrigkeit bei Nichtbeachtung der einschlägigen technischen Regeln Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft müßte bei der Nichteinhaltung dieser einschlägigen Regeln der Technik sorgfaltswidrig handeln. Der Sorgfaltsmaßstab ist derselbe wie bei § 93 Abs. 1 AktG37 • Mit der Sorgfaltspflicht werden alle Pflichten umschrieben, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen einzuhalten haes. Daraus folgt, daß Vorstandsmitglieder stets den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden haben. Der Vorstand hat bei der Erfüllung seiner Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, die in der konkreten Situation erwartet werden kann, zu handeln39 . Da die Nichteinhaltung der einschlägigen Regeln der Technik zu einer Risikoerhöhung bei der Umweltgefährdungshaftung führt, muß der Vorstand, um den daraus drohenden Nachteil abzuwenden, diese Regeln beachten und die technische Sicherheit der Anlage gewährleisten. Da die Gesellschaft bei Beachtung dieser Regeln einem geringeren Schadensersatzrisiko ausgesetzt ist, wäre auch der Vorstand einer unabhängigen Gesellschaft, die eine um-

Siehe ausfiihrlieh zu dieser Art der RisikoerhöhWlg oben 2. Kap. B. VI. I. Vgl. z.B. KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 25; Hüffer, § 311 AktG Rdn.27. 31 LG Hannover AG 1977, 198,200; KölnerKommIMertens, § 93 AktG Rdn. 20; ausfiihrlieh mit weiteren Beispielen aus der RechtsprechWlg Kust, WM 1980, 7581f 39 BGHZ 21, 354, 357; Wiesner, MÜIlchener Handbuch, AG, § 26 Rdn. 6; Schilling, in Großkomm., § 311 AktG Anm. 9; KölnerKommlMertens, § 93 AktG Rdn. 98. 36

37

13 Ossenbüh!

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefährdungshafumg

weltgefährdende Anlage betreibt, verpflichtet, dafür zu sorgen, daß diese Regeln eingehalten werden. Zu den Sorgfaltspflichten gehört, daß der Vorstand alles berücksichtigt, was ihm bei sorgfältiger Tatbestandsklärung hätte bekannt sein müssen. Daher muß er nicht nur die ihm zum Zeitpunkt des Betriebes bekannten Regeln beachten, sondern alle zu diesem Zeitpunkt existierenden. Wenn die gleiche Sicherheit auf andere Weise gewährleistet werden kann, muß auch dies ausreichen. Denn eine strikte Bindung an die "allgemein anerkannten Regeln der Technik" würde jeden technischen Fortschritt ausschließen, wenn technische Lösungen außerhalb der eingefahrenen Bahnen rechtswidrig wären, selbst wenn sie ein höheres Sicherheitsniveau gewährleisten40 • Allerdings trägt der Hersteller oder Betreiber (und damit die abhängige Gesellschaft und hier wiederum der Vorstand), der von den anerkannten Regeln abweichen will, die Beweislast für die Eignung. 41

e) Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage und Sorgfaltswidrigkeit bei der Handlungshaflung

Ebenso ist die Veranlassung zu einer Tatbestandshandlung des § 22 Abs. 1 WHG oder § 32 Abs. 1 GenTG die Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme, denn auch dadurch erhöht sich das· Schadensersatzrisiko. Es kommt zumindest zu einer Gefährdung der Vermögenslage der abhängigen Gesellschaft. Bezüglich der Handlungshaftung besteht die Sorgfaltswidrigkeit für den Vorstand des abhängigen Unternehmens darin, die Verletzungshandlung veranlaßt oder nicht verhindert zu haben, obwohl dies in der Macht des Vorstandes gelegen hätte. In solchen Fällen besteht auch die Möglichkeit, daß die Geschäftsleitung selber haftet42 . Die Pflicht des Vorstandes besteht darin, diese Schäden möglichst von der Gesellschaft abzuwenden und dafür alles Erforderliche zu tun. Dies kann er aber nur, solange dies in seinen Möglichkeiten liegt. Wenn eine Verunreinigung des Wassers aufgrund einer Handlung eines Angestellten oder eines Vorfalls verursacht wird, den die Geschäftsleitung selbst bei sorgfältiger Überwachung nicht hätte verhindern können, dann besteht auch keine Sorgfaltspflichtverletzung. Das gilt auch für die Tathandlungen nach dem GenTG.

40 41

42

Vgl. Marburger, S. 440. Siehe Marburger, S. 440 lUlter Angabe verschiedener Bestimmungen in Fn. 59. Siehe BGH VersR 1970, 625, 626.

C. Faktischer Konzern

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Zunächst erscheint dies als Widerspruch, da die Gefährdungshaftung unabhängig vom Verschulden ist. § 311 AktG setzt jedoch zusätzlich eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus, so daß die Verwirklichung von §§ 22 Abs. 1 WHG und § 32 Abs. 1 GenTG allein nicht ausreicht, sondern die Verhinderung der Verwirklichung durch den Vorstand möglich gewesen sein muß. Da es bei § 22 Abs. 1 WHG auf ein zweckgerichtetes Handeln ankommt, ist es in der Praxis kaum vorstellbar, daß der Vorstand diese Handlungen nicht bemerken könnte43. Daraus folgt, daß das abhängige Unternehmen nicht zu Maßnahmen oder Rechtsgeschäften veranlaßt werden darf, die eine solche zweckgerichtete Verletzungshandlung zur Folge haben. Wenn schon eine Sorgfaltswidrigkeit des Vorstandes des abhängigen Unternehmens darin liegt, nicht alles zu tun, um Verletzungshandlungen zu verhindern, dann liegt auch in der Veranlassung durch das herrschende Unternehmen zu einer solchen Verletzungshandlung eine Sorgfaltswidrigkeit.

j) Quantijizierbarkeit des Nachteils

Das Risiko ist ZU dem Zeitpunkt der Nichtbeachtung der technischen Regeln durch die abhängige Gesellschaft noch nicht kalkulierbar. Es steht noch nicht fest, ob es überhaupt zu einem Schaden kommen wird. Ebenso läßt sich die Höhe eines eventuellen Schadens der abhängigen Gesellschaft nicht kalkulieren. Damit ist aber auch der Nachteil der abhängigen Gesellschaft nicht bewertbar, d.h. quantifizierbar. Dadurch ergeben sich Probleme bei der Ausgleichsfähigkeit des Nachteils, denn nur ein bezifferbarer Nachteil kann ausgeglichen werden44 . Das durch die Nichteinhaltung der technischen Erfordernisse erhöhte Schadensersatzrisiko ist aber nicht bezifferbar. Die Auswirkungen eines unkalkulierbaren Risikos auf den den Verkehrswert beeinflussenden Ertragswert sind gerade aufgrund der Unkalkulierbarkeit nicht abzuschätzen. Es handelt sich somit um ein nicht kalkulierbares Risiko, das sich einem sofortigen Ausgleich nach § 311 Abs.l AktG entzieht.

aa) Kein Nachteil i.S.d. § 311 AktG Da ein Ausgleich, wie § 311 Abs.l AktG ihn vorsieht, in diesen Fällen nicht möglich ist, will eine Ansicht diese Nachteile nicht als Nachteil LS.d. § 311 AktG ansehen, sondern die allgemeinen Regeln der 43 44

13"

Siehe die oben beschriebenen FaUgruppen bei C.I.2.a). KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 31.

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefahrdungshafhmg

§§ 76, 93, 117 AktG anwenden4~. Diese Ansicht ist abzulehnen. Das Risiko unvorhersehbarer zukünftiger Entwicklungen würde im Ergebnis einseitig zu Ungunsten der abhängigen Gesellschaft verteilt, obwohl diese die jeweiligen risikobegründenden oder -erhöhenden Maßnahmen auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens vorgenommen hätte46 . Dies würde auch dem Schutzzweck des § 311 AktG zuwiderlaufen.

bb) Nachteil i.S.d. § 311 AktG Die herrschende Ansicht subsumiert daher auch solche nicht quantifizierbaren Nachteile unter den Nachteilsbegriff des § 311 AktG47 . Es bestehen allerdings unterschiedliche Ansichten über die daraus resultierenden Folgen.

(J) Ausgleich durch indirekte Vorteile

Eine Ansicht will diese nicht quantifizierbaren Nachteile durch andere indirekte Vorteile ausgleichen41 . Der Ausgleich soll nicht direkt, sondern über die Einräumung bestimmter Rechtsansprüche gewährt werden. Es wird z.B. für die Übernahme einer Bürgschaft durch das abhängige Unternehmen die Einräumung eines entsprechenden Freistellungsanspruches vorgeschlagen49 . Bei langfristigen Verträgen, deren Auswirkungen nicht voraussehbar sind, soll zunächst nur ein Rechtsanspruch auf Ausgleich eingeräumt werden. Dessen Höhe wird dann ex post vereinbart~o.

(2) Direkter Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 AktG

Von anderer Seite wird vorgeschlagen, in diesen Fällen keinen Nachteilsausgleich nach § 311 Abs.l AktG vorzunehmen, sondern der abhängigen Ge4~ Linsmann, S. 41; Haesen, S. 98 f; Bollmann, S. 68 f

46 KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 32; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 25. 47 GeßlerlHefermehllEckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 40; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 25; Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 65; Strohn, S. 83 f; KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 31. 41 Vgl. GeßlerlHefermehl!EckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 117 f; ders., DB 1971, 1193, 1194; Müller, ZGR 1977, 1, 16; teilweise auch Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 70, der innemalb der nichtquantifizierbaren Nachteile nochmal differenziert. 49 Müller, ZGR 1977, 1, 16; Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 70. ~o GeßlerlHefermehl!EckardtlKropff, § 311 AktG Rdn. 117; Krieger, MÜIlchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 70.

c. Faktischer Konzern

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sellschaft bei der Realisierung des Risikos direkt einen Schadensersatzanspruch gern. § 317 AktG zu geben~l.

(3) Kurze Stellungnahme und Ergebnis

Für letztere Ansicht spricht, daß die praktische Durchführbarkeit der Art des "Nachteilsausgleichs" durch Einräumung von Rechtsansprüchen problematisch sein kann. Der Nachteil muß nachträglich so zu konkretisieren sein, daß er sich noch ausgleichen läßt. Dazu werden Feststellungen darüber benötigt, wie sich die Vermögens- und Ertragslage des abhängigen Unternehmens ohne die veranlaßte nachteilige Verhaltensweise entwickelt hätte. Das kann im Einzelfall sehr schwierig sein~2. Es ist daher in diesen Fällen dem abhängigen Unternehmen dann, wenn sich diese Risiken realisieren, ein Schadensersatzanspruch gern. § 317 Abs. 1 AktG zuzubilligen.

4. Rechte des Ersatzberechtigten Wie oben bereits festgestellt, kann der Gläubiger diesen Schadensersatzanspruch, der der abhängigen Gesellschaft zusteht, gern. §§ 309 Abs. 4, 317 Abs. 1,4,318 Abs. 4, 323 Abs. 1 S. 2 AktG direkt geltend machen, wenn er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann~3. Dieser Direktanspruch wird damit erst bei Insolvenz der abhängigen Gesellschaft interessant.

5. Beweislast Das abhängige Unternehmen ist in bezug auf die Beweislastverteilung im Vorteil, denn die beklagte Gesellschaft muß beweisen, daß kein Nachteil eingetreten ist. Dies folgt aus § 317 Abs. 2 AktG, der insoweit als Beweislastverteilung zuungunsten des herrschenden Unternehmens greift~. Nach Krop./J muß die abhängige Gesellschaft zusätzlich beweisen, daß aus der Veranlassung zu der Maßnahme ein Schaden entstanden ise~. Dies ist in ~1 KölnerKommIKoppensteiner, § 311 AktG Rdn. 32; Hüffer, § 311 AktG Rdn. 25; Krieger, Miinchener Handbuch, AG, § 69 Rdn. 65. ~2 Siehe dazu das sehr illustrative Beispiel bei Hornmelhoff, S. 127 f ~3 Siehe oben 2. Kap. B.IX.3.a)aa); KölnerKommIKoppensteiner, § 317 AktG Rdn. 29; Möhring, FS Schilling, S. 253, 267 f ~ Vgl. KölnerKommIKoppensteiner, § 317 AktG Rdn. 25. ~~ GeßlerlHefermehllEckardtlKropff, § 317 AktG Rdn. 26.

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefährdwgshafhmg

den Umwelthaftungsfällen schwierig zu trennen, denn der Nachteil besteht gerade darin, daß sich durch die Nichtbeachtung der technischen Regeln ein erhöhtes Schadensersatzrisiko für die Gesellschaft ergibt. Koppensteiner fordert diesen Beweis nicht, da er das Unterlassen des Ausgleichs für das Vorliegen und den Umfang des Schadens als irrelevant ansiehe6. Will man sich dem nicht anschließen, ist es aber interessengerecht, hier der Gesellschaft eine Erleichterung dieses Kausalitätsbeweises zu geben. Dafür spricht der gleiche Grund, der auch schon dem Geschädigten seine Ansprüche gegenüber der abhängigen Gesellschaft erleichtern kann. Eine den Regeln der Technik entsprechende Anlage kann weniger schnell einen Umwelthaftungsschaden verursachen als eine, die technisch nicht einwandfrei arbeitee7• Deshalb ist auch hier der Kausalitätsbeweis dafür, daß die Veranlassung zu Maßnahmen, die die Nichtbeachtung der Regeln der Technik zur Folge hatten, das Risiko des Schadenseintrittes nicht erhöht haben, dem herrschenden Unternehmen aufzuerlegen.

6. Ergebnis Im faktischen Aktienkonzern ist die Veranlassung der Tochter zur Aufnahme einer haftungsträchtigen Tätigkeit kein Nachteil i. S.d. § 311 AktG. Jedoch darf das herrschende Unternehmen das abhängige Unternehmen nicht dazu veranlassen, bei allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften, die mit dem Betrieb von umweltgefahrdenden Anlagen zusammenhängen, die einschlägigen Regeln der Technik nicht zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn dadurch zunächst eine Kostenersparnis bei der Tochtergesellschaft erzielt werden kann. Wenn sie dennoch solche Veranlassungen vornimmt, wird sie gegenüber der Tochtergesellschaft bei Eintritt eines Schadensfalles gern. § 317 Abs.1 AktG schadensersatzpflichtig.

n. Faktischer GmbH-Konzern Ein den §§ 311, 317 AktG entsprechendes Ausgleichs- bzw. Haftungssystem für schädigende Eingriffe des herrschenden Unternehmens in eine GmbH besteht im GmbH-Gesetz nicht. Nach ganz herrschender Lehre und nach der Rechtsprechung des BGH wird eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften bisher abgelehnt. Das hat zur Folge, daß schädigende Einzel-

'6 KölnerKommIKoppensteiner, § 317 AktG Rdn. 26. " Siehe oben 2. Kap. B.VI.l.

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maßnahmen des herrschenden Unternehmens zu unterbleiben haben'B. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist die Treuepflicht. Über diese reguliert der BGH die Ausübung der Konzernleitungsmacht und leitet aus ihr das Schädigungsverbot der abhängigen Gesellschaft ab'9. Die Literatur ist dieser Rechtsprechung gefolgt60.

1. Treuepflicht innerhalb der abhängigen Gesellschaft

Ob eine Weisung oder faktische Einflußnahme des herrschenden Unternehmens für die abhängige GmbH nachteilig ist, bestimmt sich über die Treuepflicht. Diese beinhaltet, daß jeder Mitgesellschafter bei der Ausübung seines Weisungsrechts oder bei rein faktischer Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft die Pflicht hat, die Belange der Mitgesellschafter loyal zu berücksichtigen61 . Das folgt aus der Verknüpfung der Interessen der Mitgesellschafter durch die gemeinsame Beteiligung an dem in der Gesellschaft verselbständigten Sondervermögen. Im Interesse aller Mitgesellschafter ist dieses zu schützen62 . Jede Einflußnahme, durch die die abhängige Gesellschaft geschädigt und die Belange der Mitgesellschafter grundlos verkürzt werden, verstößt gegen die Treuepflicht. Die Gesellschafter haben bei der Wahrnehmung der ihnen zustehenden Rechte grundsätzlich das Gesellschaftsinteresse zu berücksichtigen63 • Auch in der Rechtsprechung wird als häufiger Maßstab das Unternehmensinteresse genannt, wobei dies hier im Sinne des Gesellschaftsinteresses zu verstehen ist64 . Nachteilig ist somit eine

,. Einhellige Ansicht: siehe BGHZ 65, 15, 18; BGHZ 95, 330, 340; Hachenburgl UImer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 55; ScholzlEmmerich, Anh. KonzemR Rdn. 183; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 53; Baumbachl Hueck/Zöllner, GmbH-KonzemR Rdn. 99; Hommelhoff, S. 252; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 12; Lutter, ZGR 1982, 244, 260 f; Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 70 Rdn. 23. '9 BGHZ 65, 15, 18; dazu auch Raiser, ZHR 151 (1987),422,430. 60 Siehe z.B. Lutter, AcP 180 (1980),84, 102 ff.; Hommelhoff, S. 252 f; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 53; ScholzlEmmerich, Anh. KonzemR Rdn. 181; Drüke, S. 120 ff.; kritisch Bälz AG 1992, 277, 293. 61 BGHZ 95, 15, 18 ff.; ScholzlEmmerich, Anh. KonzemR Rdn. 155; § 13 GmbHG Rdn. 37 ff.; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 13; § 14 GmbHG Rdn. 15 ff.; Hachenburg/Raiser, § 14 GmbHG Rdn. 52 ff. 62 Drüke, S. 40 ff., 122; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; ScholzlEmmerich, § 13 GmbHG Rdn. 37 ff.; zahlreiche Beispiele bei Winter, Mitgliedschaftliehe Treue-bindungen im GmbH-Recht. 63 HachenburglUImer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 76; Winter, vorherige Fußnote; BaumbachlHueck, § 13 GmbHG Rdn. 21 ff. 64 Vgl. die Nachweise bei Raiser, ZHR 151 (1987),422, 435 ff.; vgl. zum Unterschied von Gesel1schafts- und Untemehmensinteresse Ziemons, S. 84 ff.

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefährd1Ulgshafhmg

Maßnahme, die gegen dieses Interesse und damit gegen die Treuepflicht verstößt6'. Dies löst unmittelbare Schadensersatzanspriiche der Gesellschaft aus66 • Im Normalfall geht das Gesellschaftsinteresse dahin, daß die Gesellschaft Gewinne erzielt und dadurch über ausreichende finanzielle Rücklagen verfügt, wodurch sich das von ihr betriebene Unternehmen dauerhaft am Markt halten kann. Demzufolge besteht der Inhalt der Treuepflicht darin, alles zu unterlassen, was den Bestand und die Rentabilität der Gesellschaft gefährdet67 •

a) Verletzung der Treuepflicht im umwelthaftungsrechtlichen Bereich Wenn Maßnahmen vorgenommen werden, die das Produktionsrisiko unnötig erhöhen, verstößt das auch in der GmbH gegen das Gesellschaftsinteresse. Dadurch tritt eine Risikoerhöhung ein, die das Vermögen der GmbH gefährdet. Eine solche unnötige Vermögensgefährdung kann wiederum zu Nachteilen für die Mitgesellschafter führen und verstößt damit gegen deren Interessen. Die Nichteinhaltung der einschlägigen technischen Regeln führt beim Betrieb einer umweltgefährdenden Anlage zu einer solchen Risikoerhöhung. Daher verstößt die Nichteinhaltung sowie die Veranlassung zu Maßnahmen, die die Nichteinhaltung nach sich ziehen, gegen das Gesellschaftsinteresse und stellt eine Treuepflichtverletzung gegenüber den Mitgesellschaftern dar. Die Tatsache, daß die Gesellschaft durch solche Maßnahmen zunächst eine Kostenersparnis erlangt, ändert diese Betrachtung nicht. Das Risiko, das durch eventuelle Schadensersatzanspriiche entsteht, ist wesentlich höher, da im Umweltschadensbereich immense Schadensersatzsummen erreicht werden können. Es ist auch nicht kalkulierbar, welches Risiko der Gesellschaft tatsächlich auferlegt wird68 . Da bei Eintritt eines Schadensfalles die Rentabilität der Gesellschaft nachhaltig negativ beeinträchtigt werden kann, sind diese Maßnahmen treuwidrig.

6' Nach Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 70 Rdn. 19 ist jede Schädigmg eine nachteilige Maßnahme. 66 LutterlHommelhoff, Anh. § 13 Rdn. 14; HachenburglUlmer, Anh § 77 Rdn. 90, siehe auch Rdn. 88, 89 zu den anderen möglichen Rechtsfolgen; Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 70 Rdn. 19; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn.53. 67 Ziemons, S. 92 ff 61 Siehe oben C.I.3.f).

C. Faktischer Konzern

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b) Verschulden der Gesellschafter

Ob schuldhaftes Verhalten vorliegt, richtet sich sowohl bei direkter Beeinflussung als auch bei Einflußnahme über die Gesellschafterversammlung nach den zu § 43 GmbHG entwickelten Grundsätzen. Insoweit sind sich die meisten Autoren einig69 . Für die Frage, ob der Verstoß gegen die Treuepflicht schuldhaft war, kommt es damit wieder auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Veranlassungen zu Verstößen gegen die einschlägigen Regeln der Technik sind ebenso wie Veranlassungen zu haftungsbegründendem Verhalten treuwidrig, wenn diese fahrlässig oder vorsätzlich erfolgen. Daraus folgt, daß Maßnahmen in Bezug auf die Anlage der Tochtergesellschaft nur angeordnet werden dürfen, wenn die Regeln der Technik bei Durchführung der Maßnahme noch erfüllt sind.

c) Ergebnis

Es kann insoweit festgestellt werden, daß fur die Nachteiligkeit einer Maßnahme im umwelthaftungsrechtlichen Bereich die gleichen Überlegungen gelten wie bei der abhängigen AG. Nachteilig ist eine Risikoerhöhung im umwelthaftungsrechtlichen Bereich, die über das normale Produktionsrisiko hinausgeht und die der abhängigen Gesellschaft sorgfaltswidrig durch das herrschende Unternehmen zugefugt wird. Das herrschende Unternehmen darf auch die abhängige GmbH nicht zu Maßnahmen und Rechtsgeschäften veranlassen, die den Betrieb einer umweltgefährdenden Anlage betreffen und dazu fuhren, daß die einschlägigen Regeln der Technik nicht eingehalten werden. Für den Bereich der Handlungshaftung gern. § 22 Abs. 1 WHG gilt auch hier, daß das abhängige Unternehmen nicht zu Maßnahmen und Handlungen veranlaßt werden darf, die zu einer Gefährdungshaftung fuhren.

d) Rechte der abhängigen Gesellschaft und des Schadensersatzgläubigers

Bei Veranlassung zu einer solchen nachteiligen Maßnahme hat die abhängige Gesellschaft Schadensersatz- oder UnterlassungsanspTÜche gegen das 69 LutterlHommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 13; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn 55; eine weitergehende Ansicht will zusätzlich zum Verschulden auch fiir die Frage der Rechtswidrigkeit der Einflußnahme über die Gesellschaftetversammlung § 43 GmbHG anwenden, ScholzJSchneider, § 43 GmbHG Rdn. 18 ff.; Scholz/Emmerich, Anh. KonzemR Rdn. 181 ff.; U. H. Schneider, ZGR 1980, 511,534.

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Drittes Kapitel: Sekundäre UmweltgefährdlDlgshafhmg

herrschende Unternehmen. Diese können die außenstehenden Gesellschafter mittels der actio pro socio selbst geltend machen 70 • Der Schadensersatzgläubiger kann sich den Schadensersatzanspruch der Gesellschafter pfänden und überweisen lassen. Bei Vermögenslosigkeit der abhängigen Gesellschaft kann er selbst den Anspruch gern. §§ 309 Abs. 4, 317 Abs. 1,4,318 Abs. 4, 323 Abs. 1 S. 2 AktG direkt geltend machen. Inser weit sind seine Rechte bei der abhängigen GmbH weitergehend als beim einfachen Aktienkonzern71 .

e) Beweis/ast

Die Beweislastverteilung ist die gleiche wie beim faktischen Aktienkonzern. Der Gesellschafter bzw. der Gläubiger hat das Vorliegen der für die abhängige GmbH nachteiligen Maßnahme darzulegen und zu beweisen. Es ist Sache des herrschenden Unternehmens, darzutun, daß die nachteilige Maßnahme nicht von ihm veranlaßt worden ist bzw. kein verschuldeter Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegt72. Für die Beweislast des Schadens gelten dieselben Grundsätze wie beim faktischen Aktienkonzern73.

2. Besonderheiten bei der Einmann-GmbH

Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn das herrschende Unternehmen Alleingesellschafter der abhängigen Gesellschaft ist oder alle Mitgesellschafter unter Inkaufnahme des Nachteils für die abhängige Gesellschaft einverstanden sind. Für diesen Fall lassen sich zwei Standpunkte vertreten.

a) Keine Möglichkeit der Treuepjlichtver/etzung

Nach der heute überwiegenden Ansicht kann in dieser Konstellation keine Treuepflichtverletzung vorliegen, da die Treuepflicht gegenüber den anderen 70 LutterlHommelhoff, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 57; Drüke, S. 123; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 57. 71 BHGZ 95, 330, 340; HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 91; Lutter/ Hommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 15; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 57. 72 Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 70 Rdn. 25; LutterlHommelhoff, Anh. § 13 Rdn. 13; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbH Rdn. 55; Scho1zJEmmerich, Anh. KonzernR Rdn 182. 73 Siehe oben C.1.5.

C. Faktischer Konzern

203

Gesellschaftern und nicht gegenüber der Gesellschaft greiff4 . Danach läge auch bei Veranlassungen des abhängigen Unternehmens zur Nichtbeachtung der einschlägigen Regeln der Technik beim Betrieb ihrer Anlage keine Treuepflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft vor.

b) Eigeninteresse der Gesellschaft Die Gegenansicht nimmt auch bei der Einmann-GmbH eine Treuepflicht an, die vor schädigenden Einflüssen des Alleingesellschafters schützen solC~. Danach könnte auch bei der 100%igen Tochtergesellschaft eine Treuepflichtverletzung im oben angegebenen Rahmen vorliegen. Da in der Einmanngesellschaft keine Mitgesellschafter vorhanden sind, denen gegenüber eine gesellschafterliche Treuepflicht gegeben sein könnte, wird ein von den Gesellschaftern unabhängiges Eigeninteresse der abhängigen GmbH als Bezugspunkt fur entsprechende Treuepflichten angenommen.

c) Diskussion Da die Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern aus der Verknüpfung ihrer Interessen durch die gemeinsame Beteiligung an dem in der Gesellschaft verselbständigten Sondervermögen folgt, muß zur Begründung einer eigenständigen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft ein über das Gesellschafterinteresse hinausgehendes Interesse vOrliegen 76 . Hier werden z.B. die Interessen der Arbeitnehmer oder die Interessen der Gläubiger77 angefuhrt. Diese Interessen müßten dazu fuhren, daß dadurch ein eigenes Bestandsinteresse der GmbH begründet wird, welches sich gegenüber den Gesellschaftern als unverfugbar darstellt". Der Gesellschaft kommt aber gerade kein Bestands- oder Erhaltungsinteresse zu, welches das Gesellschafterinteresse übersteigt. Ein solches ist wegen der unentziehbaren Auflösungsrechte der Gesellschafter zu verneinen. Gemäß § 60 Abs.l Nr. 1 GmbHG kann in den Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung 74 BGHZ 95, 330, 340; BGHZ 119, 257, 262; Drüke, S. 48, 122; Wiedemann, S. 86; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 56; Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Rehbinder, AG 1986, 85,94; Stimpel, ZGR 1991,45, 158. " Hommeihoff, S. 256; Emmerich, GmbHR 1987, 213, 220; Winter, S. 203 ff., 211; Priester, ZGR 1993, 512, 521; Wilhelm, S. 334. 76 Drüke, S. 48, 122. 77 Winter, S. 203 ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 521; ähnlich Hüffer, FS Steindorff, S. 59,71. 71 So Ziemons, S. 96 ff.; Wilhelm, S. 332.

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Drittes Kapitel: Sekundäre UmweltgefährdWlgshafumg

aufgenommen werden, nach der die Gesellschaft nach Ablauf einer bestimmten Zeit aufgelöst wird. Des weiteren kann nach Nr. 2 die Gesellschaft jederzeit durch Beschluß von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen aufgelöst werden. Zusätzlich können gern. § 60 Abs.2 GmbHG andere Auflösungsgründe im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Der Auflösungsbeschluß bedarf keiner zusätzlichen Rechtfertigung. Daraus folgt, daß es kein grundsätzliches Bestandsschutzinteresse der GmbH gibt, sondern die Gesellschafter bei Unrentabilität befugt sein sollen, die einmal begründete Kapitalbindung wieder aufzuheben79. Auch Arbeitnehmerinteressen können sich hiergegen nicht durchsetzen, da der Gesellschaftsvertrag die Beschlußfassung über die Auflösung nicht an andere Organe - wie z.B. den mitbestimmten Aufsichtsrat - delegieren cIarr°. Des weiteren kann auch der Gläubigerschutz in der Einmann-GmbH nicht zu einem unabhängigen Bestandsinteresse der Gesellschaft führen. Voraussetzung wäre hier, daß es vom Gesetz geschützte Gläubigerinteressen gibt, die über das Interesse der Gläubiger an der Erhaltung des Stammkapitals hinausgehen. Solche sind aber nicht ersichtlich. Neben den §§ 30 ff. GmbHG, die den Erhalt des Stammkapitals schützen, lassen sich im Gegensatz zum AktG keine weiteren Gläubigerschutzvorschriften finden ll . Will der Gläubiger einen darüber hinausgehenden Schutz, muß er sich diesen über anderweitige Sicherheiten verschaffen. Daraus folgt, daß Gläubigerinteressen, soweit sie auf ein Interesse am Bestand der Gesellschaft hinauslaufen, vom Gesetz primär nicht geschützt werden, sondern nur einen mittelbaren Schutz durch das Gesellschaftsinteresse finden können rl . Die Treuepflicht und damit die Verpflichtung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsinteresse folgt aus der Verpflichtung der Gesellschafter auf den satzungsmäßigen Gesellschaftszweck. Daraus ergibt sich aber auch eine grundsätzliche Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über diese Bindung, da die Gesellschafterversammlung jederzeit den Gesellschaftszweck ändern kann13. Wenn diese zur jederzeitigen Änderung befugt ist, ist aber für ein

Drüke, S. 48; Lutter, ZGR 1981, 171, 178; Wiedemann, S. 86. Drüke, S. 48. 81 So auch Ziemons, S. 11811:, die zwar ein Eigeninteresse der Gesellschaft bejaht, seine Ableitung aus dem Gläubigerschutzinteresse indes ablehnt; Fleck, ZHR 149 (1985),387,395. 82 Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 395. 83 Winter, S. 197; BaumbachlHueck/Zöllner, Anh. KonzemR Rdn. 100; Wiedemann, S. 86. 79

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C. Faktischer Konzern

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"Eigeninteresse" der Gesellschaft, aus dem sich eine Treuepflicht der Gesellschaft herleiten ließe, kein Platz mehr. d) Ergebnis Somit ist der überwiegenden Ansicht zu folgen, nach der bei der EinmannGmbH bzw. einer 100%igen Tochtergesellschaft kein Treuepflichtverletzung vorliegen kann. Allerdings gibt es innerhalb dieser Ansicht neuere Bestrebungen, den Gläubigerschutz auf andere Art und Weise doch wieder stärker zu berücksichtigen 84.

e) Kein Bestehen eines anderweitigen Bestandsschutzinteresses in der abhängigen GmbH Nach der strengeren Auffassung sind die GmbH-Gläubiger gegenüber Schädigungen der abhängigen GmbH nur über die Anwendung der allgemeinen Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG geschützt·'. Diese schützen nur vor Vermögensverlagerungen vom abhängigen zum herrschenden Unternehmen. Danach wären die eventuellen Schadensersatzgläubiger nicht geschützt, wenn das herrschende Unternehmen eine Erhöhung des Haftungsrisikos veranlassen und sich dieses dann auch realisieren würde. Die abhängige GmbH hätte in diesem Fall keine Ansprüche wegen Verletzung der Treuepflicht gegen das herrschende Unternehmen. Die §§ 30, 31 GmbHG würden hier nicht greifen, da keine Vermögensverschiebungen zuungunsten der abhängigen GmbH stattgefunden haben.

j) Bestandsschutzinteresse in der abhängigen GmbH

Die neuere Auffassung will der abhängigen GmbH trotz der nicht bestehenden Treuepflicht und damit ohne Rückgriff auf die Anerkennung der Eigenständigkeit der Eimnann-GmbH einen Bestandsschutz gewährleisten l6 . Diesen Bestandsschutz leitet sie aus dem durch die §§ 30, 31 GmbHG unzureichend gewährleisteten Gläubigerschutz ab. Sie nimmt zum Schutz der außenstehen-

Siehe im folgenden Wlter f). 85 BGH NJW 1993, 193, 194; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbH-KonzemR Rdn. \00; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 13 GmbHG Rdn. 13; RowedderlKoppensteiner, Anh. nach § 52 GmbHG Rdn. 56; Rehbinder, AG 1986,84,94; Drüke, S. 123. 116 Hachenburg/Ulmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 85 ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 521 ff.; Winter, S. 203 ff. 84

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den Gläubiger an, daß die abhängige GmbH ein zu schützendes Bestandsinteresse habe, welches außerhalb der Treuepflicht liege". Haftungsauslösend sei dabei insbesondere die vorhersehbare (vorsätzliche oder fahrlässige) Herbeiführung der Zahlungsunfahigkeit oder Überschuldung der abhängigen GmbH durch für diese nachteilige Veranlassungen seitens des herrschenden Unternehmens 88 . Aber auch diese Ansicht würde eventuellen Schadensersatzgläubigern nicht weiterhelfen. Die Veranlassung zu Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die die Nichtbeachtung der technischen Regeln zu Folge haben, ist zwar risikoerhöhend. Wenn sich dieses erhöhte Haftungsrisiko realisiert, kommt es zu einem Schaden, so daß die Risikoerhöhung zumindest eine Vermögensgefährdung nach sich zieht. Ob der Schaden jedoch eine Höhe erreichen kann und wird, die nicht nur das Vermögen der Gesellschaft beeinträchtigen kann, sondern auch deren Bestand gefährdet, ist nicht vorhersehbar. Der Schadensfall kann zwar die abhängige Gesellschaft in ihrem Bestand gefährden, er kann sich andererseits genauso gut in einer Höhe bewegen, die von der Gesellschaft unproblematisch ausgeglichen werden kann. Ein Schutz des Bestandsinteresses ist aber nur gegeben, wenn dieses konkret gefährdet und die Gefährdung vorhersehbar ist. Eine solche konkrete Gefährdung nur aufgrund der Nichtbeachtung der technischen Regeln anzunehmen, ist unrealistisch. Die Vorhersehbarkeit kann zwar für die Vermögensgefährdung angenommen werden. Derjenige, der technische Regeln, die die Sicherheit des Betriebes gewährleisten sollen, verletzt, muß damit rechnen, daß sich durch das dadurch erhöhte Risiko die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes erhöht. Ob ein Schaden eintritt und ob dessen Höhe zu einer Zahlungsunfahigkeit der Gesellschaft führt, ist jedoch dem Zufall überlassen und damit keinesfalls vorhersehbar. Eine Bestandsgefährdung des abhängigen Unternehmens kann daher bei dem hier zu untersuchenden Fall auch nach dieser Ansicht nicht angenommen werden, so daß sich eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dieser Ansicht erübrigt.

87 Siehe mit ausführlicher Begriind\Dlg HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 85 f[ für die abhängige GmbH, \Dld Winter, S. 207, der diesen Ansatz sogar für die \Dlabhängige GmbH vertritt. 88 Siehe HachenburglUlmer, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 87.

D. Qualifiziert faktischer Konzern

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g) Ergebnis Dies führt insgesamt zu dem etwas unbefriedigenden Ergebnis, daß der Schadensersatzgläubiger bei Bestehen einer 100%igen Tochtergesellschaft bzw. der Einmann-GmbH weniger intensiv geschützt ist. Das ist jedoch nicht auf die Besonderheiten der Umwelthaftung, sondern auf die allgemeinen konzernrechtlichen Haftungsregeln und die Strukturunterschiede zwischen GmbH und AG zurückzuführen. Dieser Nachteil besteht im faktischen GmbHKonzern immer.

D. QualifIziert faktischer Konzern Für die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern ist für den umwelthaftungsrechtlichen Bereich zunächst zu unterscheiden, ob ein solcher bereits besteht oder ob er durch Maßnahmen im umwelthaftungsrechtlichen Bereich begründet werden kann. Wenn bereits ein qualifiziert faktischer Konzern vorliegt, ergibt sich eine Verlustausgleichspflicht analog §§ 302, 303 AktG I9 . Dies ist für das Vorliegen eines qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns die ganz herrschende Ansicht. Diese Verlustausgleichspflicht umfaßt dann auch die Schäden aus der Umweltgefahrdungshaftung90 . Dies gilt auch im qualifiziert faktischen Aktienkonzern, da insofern für eine abweichende Beurteilung bei der Aktiengesellschaft kein Anlaß besteht.

I. Begründung eines qualifiziert faktischen Konzerns durch Maßnahmen im umwelthaftungsrechtlichen Bereich Somit ist zu untersuchen, ob allein durch die Vornahme vo~ Maßnahmen im umwelthaftungsrechtlichen Bereich die Voraussetzungen für die Haftung nach den Regeln für den qualifiziert faktischen Konzern geschaffen werden können.

89 Dies steht infolge der gefestigten RechtsprechlUlg des BGH als gesicherter Bestandteil des Rechts des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns fest, vgl. BGHZ 95, 330,345; BGHZ 107, 7,17; BGHZ 122, 123, 126. 90 Siehe dazu oben 2. Kap. B.IX.3.b).

208

Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefahrdwtgshafhmg

Bei der Festlegung der hier einschlägigen Haftungsvoraussetzungen soll nicht mehr eine komplette Aufarbeitung des Haftungstatbestandes stattfinden. Insoweit besteht bereits eine sorgfaItige und breite Aufarbeitung durch die Literatur. Für die vorliegende Fragestellung erübrigt sich daher eine nochmalige Darstellung. Es soll vielmehr von den Haftungsvoraussetzungen ausgegangen werden, die in der TBB-Entscheidung des BGH ihren Niederschlag gefunden haben. Diese werden nicht mehr auf ihre grundsätzliche dogmatische Bedeutung untersucht. Es ist vielmehr festzustellen, ob umwelthaftungsrechtliche Maßnahmen eine solche Haftung begründen können.

1. Maßnahmen, die den Betrieb der Anlage betreffen Alle Maßnahmen, die den Betrieb der Anlage betreffen, können schon wegen ihrer mangelnden Nachteiligkeit nicht zur Begründung einer qualifiziert faktischen Konzernhaftung führen 91 . Die Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns wird für erforderlich gehalten, weil das auf den Einzelausgleich angelegte Haftungssystem der §§ 311 ff. AktG und der Treuepflicht nicht mehr funktioniert, wenn das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft infolge der Konzernleitungsmacht nachhaltig beeinträchtigt wird. Insofern besteht eine gewisse Einigkeit92 • Wenn aber der Einzelausgleich schon wegen der fehlenden Nachteiligkeit der Maßnahme gar nicht möglich ist, können durch solche Maßnahmen auch keine nachhaltigen Beeinträchtigungen des Eigeninteresses erfolgen. Dies ist aber bei Maßnahmen, die den Betrieb der Anlage und die Produktion betreffen, der Fal1 93 . Dieses Ergebnis ist unabhängig davon, wie man den NachteilsbegrifI genau auslegt. Wenn man mit Kropff den NachteilsbegrifI auch im qualifiziert faktischen GmbH Konzern an § 317 Abs. 2 AktG anlehnt, besteht schon kein Nachteil94 . Will man einen konzernspezifischen NachteilsbegrifI annehmen, weil die Maßnahmen, solange sie die Tochtergesellschaft nicht unangemessen benachteiligen, auch am Konzerninteresse ausgerichtet sein dürfen, führt dies dazu,

Siehe dazu ausführlich C.I.3. Vgl. Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 71 Rdn. 16; Stimpel, ZGR 1991, 144,146; Drygala, GmbHR 1993, 317, 319 mit weiteren Hinweisen in Fn. 25; Emmerich/Sonnenschein, S. 398 f.; wtdeutlich Roth/Altmeppen, Anh. § 13 GmbHG Rdn.117ff 93 Siehe oben C.I.3.a). 94 Kropff, AG 1993, 485, 489; so auch Schneider, WM 1993, 783. Siehe zur Begründwtg, warum hier der Nachteil entfallt, oben C.I.3.c). 91

92

D. Qualifiziert faktischer Konzern

209

daß der Nachteilsbegriff weiter zu fassen ist als bei §§ 311 ff. AktG 95 . Dann liegt aber in den unternehmerischen Entscheidungen, die den Betrieb der Anlage in der Tochter betreffen, erst recht kein Nachteil.

2. Einhaltung der technischen Regeln Fraglich ist, ob die Veranlassung der Tochtergesellschaft, Maßnahmen durchzuführen, die dazu führen, daß die von ihr betriebene Anlage nicht mehr den einschlägigen Regeln der Technik entspricht, zum Bestehen eines qualifiziert faktischen Konzerns führen kann. Dies könnte an der Subsidiarität der Konzernhaftung scheitern. Der BGH macht die Konzernhaftung im qualifiziert faktischen Konzern ausdrücklich davon abhängig, daß ein einzelner Ausgleich der zugefügten Nachteile nicht möglich ist96 • Er sieht die Notwendigkeit eines besonderen Konzernhaftungsrechtes nur für den Fall, daß sich wegen der durch die Dichte der Einflußnahme des herrschenden Unternehmens unübersichtlich gewordenen Verhältnisse die nachteiligen Maßnahmen nicht mehr isolieren lassen. Eine solche Haftung setzt folglich voraus, daß die sonstigen Haftungsnormen, wie Schadensersatzpflicht wegen Treuepflichtverletzung, als Schutzinstrumente nicht mehr ausreichen97 • Dieser Grundsatz wurde vor der TBB-Entscheidung des BGH lediglich von der Literatur zur Rechtfertigung der Konzernhaftung mit herangezogen91 • Er wird inzwischen als fester Bestandteil des Haftungstatbestandes angesehen99 . Dieses Problem besteht bei Maßnahmen, die zur Nichtbeachtung der technischen Regeln führen, gerade nicht. Da diese wiederum das Schadensersatzrisiko erhöhen, liegt der Nachteil hier in der daraus resultierenden Vermögensgefahrdung. Diese ist wegen der Unkalkulierbarkeit des Nachteils nicht ausgleichsfähig. Wenn sich dieses Risiko jedoch in einem Umwelthaftungsschaden realisiert, dann hat die abhängige Gesellschaft Schadensersatzansprü-

Siehe hierzu Drygala, GmbHR 1993, 317, 324; auch Lutter, ZIP 1985, 1433. BGHZ 122, 123, 127; dazu Drygala, GmbHR 1993, 317, 320; Kleindiek, DZWir, 1993, 177. 97 BGHZ 122, 123, 127; auch schon BGHZ 95, 330, 341 f, wo dieses Merkmal allerdings noch nicht als Bestandteil des Haftungstatbestandes gesehen wurde. 91 Stimpel, ZGR 1991, 144, 146; Kleindiek, GmbHR 1992, 574, 575; Stodolkowitz,ZIP 1992, 1517, 1521. 99 Siehe z.B. Decher, MÜIlchener Handbuch, GmbH, § 71 Rdn. 16 f; Drygala, GmbHR 1993, 317, 320; LutterlHommelho1r, Anh. § 13 GmbHG Rdn 23; Lutter, ZGR 1982, 244, 264; Stimpel, ZGR 1991, 144, 146; HachenburglUlrner, Anh. § 77 GmbHG Rdn. 140. 95 96

14 Ossenbüh1

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Drittes Kapitel: Sekundäre Umweltgefährdungshafumg

che gegen das herrschende Unternehmen (entweder aus Treuepflichtverletzung oder aus § 317 Abs. 1 AktG)lOO. Bei Eintritt eines Schadensfalles läßt sich aber der daraus für das abhängige Unternehmen entstehende Nachteil problemlos isolieren. Dieser besteht nämlich genau darin, daß überhaupt ein Schadensfall eingetreten ist. Die Höhe ihres Schadens entspricht der Höhe der gegen sie geltend gemachten Schadensersatzansprüche, denn diesen wäre sie ohne die Risikoerhöhung durch die Nichtbeachtung der technischen Regeln nicht ausgesetzt gewesen. Ein solcher Schadensfall ist immer einzeln ausgleichbar, da sich ohne Problembe feststellen läßt, wie hoch die gegen das abhängige Unternehmen geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind. Diese Nachteile sind auch noch dann isolierbar, wenn es sich um mehrere Schadensfalle handelt. Es ist auch unerheblich, ob das herrschende Unternehmen die Tochtergesellschaft zu mehreren Maßnahmen veraniaßt hat, die zu einer Nichteinhaltung der technischen Regeln führen. Die Konsequenzen, die ein solcher Einfluß haben kann, sind immer einzeln ausgleichbar. Dies ist in der Aktiengesellschaft gleich zu behandeln. In diesem Fall muß nicht nur die fehlende Ausgleichsfahigkeit nach § 311 AktG zur Subsidiarität führen, sondern auch die fehlende Schadensersatzmöglichkeit. Da das GmbHRecht keinen Einzelausgleich kennt, darf man sich nicht an dem Terminus "Einzelausgleichsfahigkeit" festklammern. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, daß für die analoge Anwendbarkeit der §§ 302, 303 AktG die betroffene Gesellschaft nicht durch andere Regeln geschützt sein darf. Sie ist aber auch bei Bestehen eines Schadensersatzanspruches gern. § 317 Abs. 1 AktG geschützt. Zumindest einen solchen hat aber die abhängige Aktiengesellschaft im vorliegenden Fall 101 . Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Handlungshaftung, denn auch hier ist der entstehende Schaden, der in den gegen das abhängige Unternehmen geltend gemachten Schadensersatzansprüchen besteht, immer isolierbar und damit dem Einzelausgleich zugänglich.

11. Ergebnis Nachteilige Veranlassungen im umwelthaftungsrechtlichen Bereich können wegen des Subsidiaritätsprinzips alleine nie zur Begründung einer Haftung nach den Regeln für den qualifiziert faktischen Konzern führen. Nur wenn aus anderen Gründen der Haftungstatbestand des qualifiziert faktischen Konzerns

Siehe oben C.I.3.d). Siehe oben C.I.3.f). Sie hat unter Umständen nur einen solchen, da § 311 AktG wegen der Unkalkulierbarkeit des Risikos keine Anwendung [mdet. 100 101

D. Qualifiziert faktischer Konzern

211

mit der Folge der analogen Anwendung der §§ 302, 303 AktG gegeben ist, fallen eventuelle gegen das abhängige Unternehmen geltend gemachte umwelthaftungsrechtliche Schadensersatzanspriiche unter den Anspruch auf Verlustausgleich. Dies gilt sowohl für die Aktiengesellschaft als auch für die GmbH.

14*

Viertes Kapitel

Zusammenfassung 1. Umweltgefährdungshaftung ist die gesamte zivilrechtliche verschuldensunabhängige Haftung für Schäden, die durch eine Umwelteinwirkung oder Umweltbeeinträchtigung entstehen.

2. Der wesentliche Teil der Normen der Umweltgefährdungshaftung ist anlagenbezogen, d.h., es haftet der Betreiber oder der Inhaber einer umweltgefährdenden Anlage. Inhaber- und Betreiberbegriff sind synonym zu verstehen. Neben den anlagenbezogenen existieren vereinzelt Umweltgefährdungshaftungsnormen, die eine Handlungshaftung vorsehen. 3. Innerhalb des Konzerns sind bei der Verursachung eines Umwelthaftungsschadens durch eine Tochtergesellschaft zwei Haftungsebenen zu untersc~eiden. Zum einen die primäre (direkte) Haftung der Konzernspitze für einen solchen Umwelthaftungsschaden, wenn sie selbst als Inhaberin der Anlage ihrer Tochtergesellschaft qualifiziert werden kann. Zum anderen die gesellschaftsrechtliche Haftung für die aus Umwelthaftungsschäden resultierenden Verbindlichkeiten der verursachenden (Inhaber-)Tochtergesellschaft. 4. Die wesentlichen Zurechnungskriterien der Gefährdungshaftung sind die Risikobeherrschung und -steuerung und der Opferschutz. Inhaber einer gefährlichen Anlage ist deshalb derjenige, der die von der Anlage ausgehende Gefahr "beherrscht". Das ist derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Betrieb der Anlage innehat. Das Merkmal der tatsächlichen Verfügungsgewalt läßt sich in die folgenden Kriterien aufteilen: die vermögensrechtliche Zuordnung, die Instandhaltung der Anlage und die tatsächliche Nutzung der Anlage. Diese können von Mutter- und Tochtergesellschaft in bezug auf ein- und dieselbe Anlage nebeneinander erfüllt werden. Neben diesen Kriterien läßt sich als Indiz für die Inhabereigenschaft der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils heranziehen. 5. Anknüpfungspunkt für die Inhabereigenschaft im Konzern ist die einheitliche Leitung. Das Ausüben der einheitlichen Leitung führt nicht zwangsläufig dazu, daß die Muttergesellschaft als Mitbetreiberin einer Anlage in der Tochtergesellschaft zu qualifizieren ist. Je nach Ausgestaltung der einheitlichen Leitung kann die Muttergesellschaft aber die genannten Kriterien erfül-

Viertes Kapitel: Zusammenfass\Dlg

213

len und so die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage der Tochtergesellschaft ausüben. Bei der tatsächlichen Einflußnahme ist zwischen den Mitteln der einheitlichen Leitung und den Bereichen der einheitlichen Leitung zu unterscheiden. 6. Mittel der einheitlichen Leitung sind zum einen Weisungen. Diese lassen sich hinsichtlich ihrer Nähe zu der gefahrlichen Anlage unterscheiden: Betriebsbezogene Weisungen, d.h. Weisungen, die auf den Betrieb der Anlage der Tochtergesellschaft gerichtet sind, fUhren zur Mitbetreibereigenschaft der Muttergesellschaft. Nicht betriebsbezogene Weisungen, die den Betrieb der Anlage in der Tochtergesellschaft völlig unberührt lassen, fUhren nicht zu einer Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft. Mittelbar betriebsbezogene Weisungen sind Weisungen, die sich nur mittelbar auf den Betrieb der Anlage der Tochtergesellschaft beziehen. Sie fUhren nur dann zu einer Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft, wenn die Tochtergesellschaft nicht mehr entscheiden darf, ob sie den Betrieb der Anlage unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen verantworten kann. 7. Das weitere wichtigste Leitungsmittel innerhalb des Konzerns, ist die Personalverflechtung. Diese ist grundsätzlich haftungsneutral, da allein die Einflußnahmemöglichkeit auf die Anlage in der Tochtergesellschaft fUr die Qualifikation als Mitbetreiberin noch nicht ausreicht. Um die Trennung zwischen Entscheidungen, die im Hinblick auf die Tochtergesellschaft und solchen, die im Hinblick auf die Muttergesellschaft erfolgen, nach außen sichtbar zu machen, sind die die Anlage betreffenden Arbeitsabläufe, Weisungen und Verantwortungsstrukturen sorgfältig zu dokumentieren. 8. Eingriffe der Muttergesellschaft in die Bereiche des Tochterunternehmens, in denen mit der Anlage gearbeitet wird, können zu einer Mitbetreiberhaftung fUhren. Zu diesen "haftungssensiblen" Bereichen zählen vor allem die Investitionsplanung, Produktion und der Einkauf, soweit er die Beschaffung von Teilen fUr die Anlage betrifft. Auch über Einflußnahmen im Personalbereich kann die Konzernspitze zur Mitbetreiberin werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Mitarbeiter, die fUr die Arbeit mit der Anlage zuständig sind, ausschließlich dem Direktionsrecht der Muttergesellschaft unterliegen. Hingegen fUhren Einflußnahmen auf die Finanzfiihrung der Tochtergeselllschaft nicht per se zu einer Mitbetreiberhaftung der Muttergesellschaft. Sie können allerdings dann zu ihrer Mitbetreiberhaftung fUhren, wenn der Tochter aufgrund der Finanzfiihrung durch die Konzernspitze nicht die ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um die Anlage nach den einschlägigen Regeln der Technik zu betreiben. 9. In einem Schadensersatzprozeß obliegt die Beweislast grundsätzlich dem Geschädigten. Die beklagte Obergesellschaft trägt aber die Substantiierungs-

214

Viertes Kapitel: ZusammenfasslDlg

last, da nur sie die maßgebenden Tatsachen kennt, die zu ihrer Einflußnahme auf die Anlage der Tochtergesellschaft geführt haben. Es erfolgt insoweit eine Trennung von Darlegungs- und Beweislast. 10. Die Muttergesellschaft haftet bei den Tatbeständen der Handlungsgefahrdungshaftung, wenn die zur Tatbestandsverwirklichung führende Handlung der Tochtergesellschaft auf ihre Veranlassung hin erfolgt ist. Die Veranlassung kann dabei über alle Leitungsmittel erfolgen. 11. Ein Vergleich zwischen den Rechtsfolgen der Primärhaftung und einer gesellschaftsrechtlich vermittelten Konzernhaftung der Obergesellschaft ergibt, daß der Geschädigte im Fall der Primärhaftung der Muttergesellschaft günstiger gestellt ist. 12. In bezug auf die Eingliederung weist die gesellschaftsrechtliche Haftung weist vor allem hinsichtlich Vetjährung gegenüber der Primärhaftung Unterschiede auf. Während sich der Beginn der Vetjährungsfrist bei Beendigung der Eingliederung nach der Eintragung der Beendigung in das Handelsregister richtet, beginnt die Vetjährungsfrist bei der Primärhaftung erst ab Kenntnis des Geschädigten von der Passivlegitimation der Muttergesellschaft zu laufen. 13. Während des Bestehens eines Vertragskonzerns hat der Gläubiger keine direkten Ansprüche gegen die Obergesellschaft. Nach Beendigung des Vertragskonzerns kann der Geschädigte nur innerhalb von 6 Monaten Sicherheitsleistung durch die Gesellschaft verlangen. Die Muttergesellschaft als Primärschuldnerin kann er hingegen direkt in Anspruch nehmen und es gelten Vetjährungsfristen von 3 Jahren (§ 852 Abs. 1 BGB) und 30 Jahren (§ 195 BGB). 14. Gewinnabführungsverträge führen nicht zu einer Haftung der Obergeseilschaft als Primärschuldnerin, da allein der Zufluß des wirtschaftlichen Vorteils nicht ausreicht, um die Obergesellschaft als Mitbetreiberin zu qualifizieren. Bei der Betriebspacht und der Betriebsaufspaltung haftet die Muttergesellschaft, wenn sie die Instandhaltungspflichten aus dem Pachtvertrag nicht auf die Tochtergesellschaft übertragen hat. 15. Im Vertragskonzern ist die Obergesellschaft nach der gesellschaftsrechtlichen gesetzlichen Regelung zum Ausgleich aller Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht nur der Tochtergesellschaft gegenüber. Unter die Verlustausgleichspflicht fallen auch die Verbindlichkeiten der Tochter aus Umwelthaftungsschäden. 16. Im faktischen Konzern haftet die Obergesellschaft nach konzernrechtliehen Regeln nur dann, wenn sie das abhängige Unternehmen dazu veranlaßt, beim Betrieb der Anlage die einschlägigen Regeln der Technik nicht zu be-

Viertes Kapitel: Zusammenfass\Ulg

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achten. Dies führt im faktischen Aktienkonzern zu einem Nachteil i.S.d. § 311 AktG. Für die GmbH liegt in einer solchen Veranlassung eine Treuepflichtverletzung. Die Veranlassung zur Aufnahme einer gefährlichen Tätigkeit hingegen führt weder im faktischen Aktienkonzern noch im faktischen GmbH-Konzern zu einer Mithaftung der Muttergesellschaft, da in der Aufnahme der gefährlichen Produktion noch kein Nachteil und auch keine Treuepflichtverletzung zu sehen ist. 17. Nachteilige Veranlassungen im umwelthaftungsrechtlichen Bereich können für sich genommen wegen der Geltung des Subsidiaritätsprinzips nie zu einer Haftung nach den Regeln für den qualifiziert faktischen Konzern führen. Nur wenn der Haftungstatbestand des qualifiziert faktischen Konzerns aufgrund anderer Einflußnahmen bereits besteht, fällt eine Verbindlichkeit wegen eines Umwelthaftungsschaden unter den Anspruch auf Verlustausgleich.

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1S'

Sachwortregister Abfallgesetz 46 f

Anlageninhaber 50

Abspalnmg 187 f

- Atomgesetz 37 f

actio pro socio 202 Aktiengesellschaft 18, 148, 156

- einzelne Zurechnungsmerkmale 56ff

- Konzernbegriff 67 f

- Haftpflichtgesetz 36 ff

- Vorstand 71 ff

- s.a. Betreiberbegriff

Aktienkonzern, s.a. Konzern

- Umwelthaftungsgesetz 35 ff

- Beherrschungsvertrag 144 f

- Verhältnis zum Betreiberbegriff 43 ff

- Eingliederung 138 ff - einheitliche Leinmg 68 f - faktischer 157 f, 184 ff - Gewinnabfiihrungsvertrag 148 f - qualifiziert faktischer 160,207 - Vertragskonzern 144 ff, 183 ff - Weisung 72 f Anlage - Ausgliederung 187 - Auslagerung 187 - Abspalnmg 187 - Beeinträchigung der Vermögensoder Ertragslage 188

- Wasserhaushaltsgesetz 32ff - Weisungsbefugnis 77 ff Anlagenwirtschaft - finanzielle Ausstattlmg 95f - Planung und lnhabereigenschaft 91f - Errichnmg 91f Atomgesetz - gesamtschuldnerische Hafhmg 125 - lnhaberbegriff37 - Innenausgleich 135 - Mitbetreiberhaftung 95 - nukleares Ereignis 38

- Erhalnmg 58 f, 75 f, 98,105, 151 155 '

- Verjährung 142f

- Planung und Errichnmg 96 f - tatsächliche Nutzung 60

Ausgleichspflicht, faktischer Konzern 157 ff

- Weisung 72 ff

Ausgliederung 187f

- WeislDlgsmöglichkeit 77 ff

Auskunftsanspruch 169 ff, 173

Aufopferungsanspruch 44, 136

Anlagenbegriff - Haftpflichtgesetz 45 ff

Beherrschungsvertrag 144

- Umwelthaftungsgesetz 35 ff

Beseitigungsanspruch 22

- Wasserhaushaltsgesetz 32 ff

Bestandsschutzinteresse, GmbH 205 ff

Sachwortregister Betreiberbegriff32, 38 ff., 50

-

Gefahrenbereich 167 ff.

- BlUldesimmissionsschutzgesetz 41 ff.

-

Immissionsschäden 164

-

MitbetreiberhaftlUlg 166 ff.

- einheitliche LeitlUlg 68 ff.

BeweisvermutlUlg

- einzelne ZurechnlUlgsmerkmale 56 ff. - Finanzen 108 f. - gemeinsamer von Mutter- lUld Tochtergesellschaft 116 ff. -

Gentechnikgesetz 39 ff.

- Produktion 99 f.

Wasserhaushaltsgesetz 165 - UmwelthaftlUlgsgesetz 166 -

Gentechnikgesetz 166

Bilanz 146 f. -

s.a. Jahresabschluß

BlUldesimmissionsschutzgesetz

ProduktionsverwaltlUlg 101 f.

- Betreiberbegriff 43 ff.

s.a. Anlageninhaber

- Dokurnentationspflicht 87 f.

Verhältnis zum Inhaberbegriff 43 ff.

- Innenausgleich 135 f. -

- ZurechnlUlgsgriinde 51 ff. Betreibereigenschaft 32,39,51,57, 63, 84, 89, 100 ff., s.a. Betreiberbegriff.

229

QuasigeflihrdlUlgshaftlUlg 49 VeIjähnmg 142f.

Cash-Management 108 f.

BetriebsaufspaltlUlg 154 f. Betriebsfühnmgsvertrag 155 ff.

Darlegwgslast 172

- herrschendes Unternehmen als Betriebsfiihrer 155

- Dokurnentationspflicht 86 f., 173

- abhängiges Unternehmen als Betriebsfiihrer 156

DIN95

Betriebsgefahr 134 Betriebsgeheimnis 173

Darlehensgeber 155 Direktionsrecht 104 Dokurnentationspflicht

Betriebspachtvertrag 151

- nach BlUldesimmissionsschutzgesetz 87 f.

BetriebsüberlasslUlg 153 ff.

-

BetriebslUlternehmer, Inhaberbegriff 32

due diligence 189

Beweislast - faktischer Aktienkonzern 185 - faktischer GmbH-Konzern 198 - KonzernhaftlUlg 198 - UmweltgeflihrdlUlgshaftlUlg 169 f. Beweislastumkehr - anerkannte Regeln der Technik 193 - deliktische ProduzentenhaftlUlg 164

Personallmion 86 f.

Eigentümer 34, 98 Eigentumsvorbehalt 61 f. Einglieder1Ulg 138 ff., 183 -

VeJ.jährlUlg von HaftlUlgsansprüchen 139 ff.

- Unterschiede zur PrimärhaftlUlg 145 Einkauf 105

230

Sachwortregister

Einmann-GmbH 202

-

Auskunftsanspruch 169

-

Bestandsschutzinteresse 205 f.

-

Betreiberbegriff 39 ff.

-

Gesellschaftsinteresse 203

-

Deckungsvorsorge 190

-

Gläubigerschutz 203

- gesamtschuldnerische Haftung 125

- Treuepflicht 202

-

Haftungshöchstsumme 190

Energiebetriebe 98

-

Handlungshaftung 39 f., 181 f.

Erhaltung der Anlage 58 f., 75 f., 98, 105,151,155

-

Innenausgleich 135

-

Verjährung 141 f.

Ersatzberechtigter 158, 159

Geschädigter 28, 84, 131

-

Geschäftsflihrungsvertrag 149 f.

Ansprüche bei sekundärer Umwelthaftung 197,202

Gewinnabflihrungsvertrag 148 f. Finanzen 106 ff., 112 - cash-Managemant 108 f. -

dezentrale Konzernfinanzierung 106 ff. zentrale Konzernfinanzierung 107 ff.

-

Mitbetreiberhaftung 149

Gewinngemeinschaft 150 f. GmbH -

Bestandsschutzinteresse 205 f.

-

Einmann-GmbH 202 ff.

- faktischer Konzern 158, 198 ff.

Finanzplanung 112

-

Forschungsabteilung 98

- qualifziert faktischer Konzern 160, 207 ff.

Gefahrdungshaftung

- Treuepflicht 159, 199 ff.

-

als Quasigefahrdungshaftung nach Bundesimmissionsschutzgesetz 41 f., 46

Leitungsmittel im Konzern 71 ff.

GmbH-Konzern -

einheitliche Leitung 68 f.

-

faktischer 158f, 198 ff.

-

einzelne Tatbestände, s. jeweils dort

-

Erhaltung der Anlage 58 f., 75 f., 98,105,151,155

-

Opferschutz 52, 59, 60 f., 64 f., 123

-

Risikoerhöhung 92 ff.

-

tatsächliche Nutzung der Anlage 60 ff.

Haftpflichtgesetz

-

und Weisung 78 f.

-

-

unerlaubte Handlung 117 ff.

-

Haftungsausschluß 94

-

wirtschaftlicher Vorteil 60

-

Inhaberbegriff. 32, 36 f.

-

Zurechnungsgründe 51 ff., 78 f.

-

Innenausgleich 133 ff.

- qualifiziert faktischer 159 ff., 207 ff. -

Vertragskonzern 144 f., 183.

-

Weisung 72 ff.

Betriebsgefahr 134

Gentechnikgesetz 39 f.

-

unerlaubte Handlung 117 f.

-

-

Verjährung 141 f.

Anlagenhaftung 39

Haftpflichtversicherung 25, 62, 94

Sachwortregister -

gegen Umwelthaftungsschäden 59

-

haftungsausflillende 165

Haftung

-

haftungsbegründende 165, 166 Nachweisschwierigkeiten 167

-

anteilige 118 f.

-

-

Beherrschungsvertrag 146 f.

KFZ-Leasing 62 '

-

Eingliederung 138 ff.

Konzern 27, 50, 170 ff., 207 ff.

-

faktischer Konzern 159 ff., 198 ff.

-

-

gesamtschuldnerische 116 ff.

-

Begriff 66 ff.

-

Gewinnabflihrungsvertrag 148 f.

-

Eingliederung 138 f., 183

231

Arten 66 ff., 138 ff.

-

proportionale 119 f.

-

enger Konzernbegriff 111 f.

-

qualifiziert faktischer Konzern 160 f., 207 ff.

-

faktischer Aktienkonzern 157 ff., 185 ff.

-

Unternehmensverträge 150 fT.

-

faktischer GmbH-Konzern 158 ff., 199 ff.

Halterbegriff -

KFZ-Miete 62

-

Finanzen 106 ff.

-

Rechtsprechung 55 ff., 61

-

Handlungshaftung nach GenTG 181 f.

-

und Inhaberbegriff 32 ff.

-

Handlungshaftung 175 ff.

Handlungshaftung nach WHG 177 ff. Inhaber- und Betreiberbegriff 50 ff.

-

Gentechnikgesetz 40, 181 f

-

Sorgfaltswidrigkeit 194 ff.

-

Leitungsmittel 71 ff.

-

Wasserhaushaltsgesetz 175 fT.

-

Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte 186 ff.

-

Nachteil 188 fT.

Hersteller 164 InhaberbegrifT, s.Anlageninhaber

-

Personalvertlechtung 80 ff.

Inhabereigenschaft, s.a. Betreibereigenschaft 33, 77

-

qualifiziert faktischer 67, 160 ff., 207 ff.

Innenausgleich

-

Veranlassung 185 f.

-

-

Vertragskonzern 67, 183 f.

Mutter- und Tochtergesellschaft 133 ff.

Insolvenz 158, 161

-

Weisung 72 ff.

-

weisungsverwandte Leitungsmittel 79 ff.

-

weiter Konzernbegriff 112 f.

Investitionsplanung 91 f. Jahresabschluß 146 f. -

Kooperationsprinzip 22

Nichtigkeit 146 f.

-

Überbewertung 147

Lagerwesen 106

-

wertaufhellende Tatsachen 147 f.

Leitung, einheitliche 68 ff., 111 fT.

Jahresfehlbetrag 147 Kausalität 165 f., 169

-

bei Eingliederung 138

-

einzelne Unternehmensbereiche 89 ff.

232

Sachwortregister

-

Leitungsmittel 71 ff., 80, 185

-

Mindestinhalt III ff.

-

Mitbetreiber 112 ff.

-

Personal verflechtung 80 ff.

Obergesellschaft, s. Muttergesellschaft

-

und Betreiberbegriff 68 ff.

Opferschutz 52,59,60 f., 64 f., 123

-

Vermutungstatbestand 113 f.

Organschaft, steuerliche 149 f.

-

Weisung 72 ff.

-

weisungsverwandte Leistungsmittel 79 ff.

Nebentäterschaft, gefährliche Anlagen 129

Pächter 35,40,57,92, 151 ff. Personal 103 f. Personalunion, s. Personalverflechtung

Mieter 62 Mitbetreiber 76, 80, 106 ff., 89, 95, 97 ff., 112 ff., 140 ff., 152, 163, 166,171 Muttergesellschaft 19, 23, 31, 50, 68 ff., 75 - als Betriebsflihrer 155 f.

Personalverflechtung 80 ff., 155, 173, 178, 186 -

mehrheitliche Personalunion 83 f.

-

vollständige Personalunion 83 f.

-

von oben nach unten 82 f.

-

von unten nach oben 81 f.

Präventivwirkung 24

-

Ansprüche bei Eingliederung 139

-

Beendigung Beherrschungsvertrag 146

-

Definition 29

einheitliche Leitung 68 f.

-

Unterschied zur Konzernhaftung 138 ff.

-

Unterschied zum Verlustausgleich 145 f.

-

- gesamtschuldnerische Haftung 117ff.

Primärhaftung

- Gewinnabflihrungsvertrag 149 -

Handlungsgefährdungshaftung 177 ff.

Prinzipientrias 22 Produktion

-

Innenausgleich bei Mitbetreiberhaftung 193

-

Leitungs- und Verwaltungsaufgabeil 101 f.

-

Mitbetreiberhaftung 171

-

Mitbetreibereigenschaft 99 ff.

-

Personal verflechtung 80 ff.

-

Organisation 103

-

Sorgfaltspflichtverstoß 193 ff.

-

Planung 101 f.

-

Substantiierungslast 171 ff.

-

Umwelthaftungsrisiko 99 ff.

-

Verlustausgleichspflicht 145 f.

-

und Inhabereigenschaft 99 ff.

Produktpolitik 102 Nachteil, Konzern

Produktionsrisiko 20 I

Beurteilungsmaßstab 191 ff. -

durch Betreiben einer Anlage 188 ff. Quantifizierbarkeit 195 ff.

Rechnungswesen 109 ff. Rechtsfilhigkeit des Konzerns 27, 50

Sachwortregister Regeln, technische 75, 94, 96, 209

Trennungsprinzip 18,27, 168

Risikoerhöhung, Gefährdungshafhmg 93 ff.

Treuepflicht - Einmann-GmbH 202

Rückstellung 147

- im Umwelthafhmgsrecht 200 ff.

233

- GmbH-Konzern 159, 198 ff. Schaden - multikausaler 148

Umweltgefährdungshafhmg 23, 51

- ökologischer 20 f

- Begriff 20 ff., 26

- Personenschaden 20

- konzernrechtliche Strukturen 27 ff.

- Sachschaden 20

- primär 29, 31 ff.

- Summations- und Distanzschaden 119 - Zufallsschaden 52 f Schadensersatzanspruch - Beginn der Verjährungsfrist 141 f - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz 41 f

- Quasigefährdungshafhmg 41,44 -

s.a. Gefährdungshafhmg

-

sekundär 29, 180 ff.

Umwelthafhmg - Begriff 20 ff. - und Umweltschutz 22 ff.

Schädiger 13 6

- zivilrechtliche 20 ff.

Sekundärhafhmg 183 ff.

Umwelthafhmgsgesetz

Sicherheitstechnik 75, 94, 96

- Anlagenbegriff35 ff.

Stabsstellen 109 ff.

- Auskunftsanspruch 169

Störfall17

- Betreiberbegriff 47

Substantiierungslast 86, 170 ff.

- Deckungsvorsorgepflicht 190

Tatsache, wertaufhellende 147 technische Regeln 93 f - Definition 94 Tochtergesellschaft 18, 28, 31,50,69 - Auslagerung der Produktion 187, 189 - finanzielle Ausstattung 95 f

- gesamtschuldnerische Hafhmg 120 ff. - Hafhmgshöchstsummen 190 - Inhaberbegriff38 f - Innenausgleich 135 ff. - proportionale Hafhmg 119f - Regelungsbereich 20 - unerlaubte Handlung 118 f

- Gesamtschuld 115 ff.

- Verjährung 141 f

- Handlungshafhmg 175 ff.

Unterlassen 180

- Innenausgleich 133

Unterlassungsanspruch 22

- Personalverflechtung und Inhabereigenschaft 80 f

Untemehmensträger 18, 48

- Weisung und Inhabereigenschaft 72ff.

VDE95 VDI95

Sachwortregister

234 Vertragskonzern 144 ff, 183 ff

Verursacherprinzip 22 f

- Beherrsch\Ulgsvertrag 144 f

Vorsorgeprinzip 22,24

- Gewinnabfühnmgsvertrag 148 ff - Teilgewinnabfühnmgsvertrag 150 f

WartlUlgsvertrag 186

- andere Untemehmensverträge 150f

Wasserhaushaltsgesetz

- Verlustausgleich 145 f, 184 Verfügungsgewalt, tatsächliche 32 ff, 55 ff, 72, 74, 76, 77, 98, 100, 104, 106, 148, 149, 156

- Anschluß an ein Gewässer 178 f Betreiberbegriff 46 - Einleiten, zufälliges 179 ff - Entledig\Ulg von Stoffen 179

Begriffselemente 57 ff

- Handl\Ulgshafhmg 175 ff

Rechtsprech\Ulg 61 ff

- lnhaberbegriff33 - Innenausgleich 135

VerjährlUlg 148 Atomgesetz 142

- Unterlassen 180

Ausgleich im faktischen Konzern 158

- Verjähnmg 141 f

- B\Uldesimmissionsschutzgesetz 142

Weis\Ulg 33, 70, 162, 178, 181 f als inhaberqualifizierendes Merkmal72f

- Gentechnikgesetz 141 f

betriebsbezogene 72 f

- Haftpflichtgesetz 141 f

mittelbar betriebsbezogene 74 f

- nach Beendig\Ulg Eingliedef\Ulg 140ff

Möglichkeit 33, 77 f

- Umwelthafhmgsgesetz 141 f - während Eingliedef\Ulg 139 ff - Wasserhaushaltsgesetz 141 Verkehrssichef\Ulgspflicht 180 Verlustausgleichspflicht 145

- nicht betriebsbezogene 75 - Umfang \Uld Dauer 77 f - Weis\Ulgsrecht 62,67 Weis\Ulgsmöglichkeit 77 ff wirtschaftlicher Vorteil 60, 61 f, 63ff,149

Vermut\Ulg 84 f - Inhabereigenschaft 84 f Versichef\Ulg, s. f\Ulg Vertrieb 106

Haftpflichtversich~

Zurechn\Ulg - einzelne Zurechn\Ulgsmerkmale 57 ff - Gefährd\Ulgshafhmg 69 ff