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German Pages 193 Year 2018
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 299
Der Entherrschungsvertrag im Konzern- und Fusionskontrollrecht
Von
Sebastian Gräler
Duncker & Humblot · Berlin
SEBASTIAN GRÄLER
Der Entherrschungsvertrag im Konzernund Fusionskontrollrecht
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 299
Der Entherrschungsvertrag im Konzern- und Fusionskontrollrecht
Von
Sebastian Gräler
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-15475-3 (Print) ISBN 978-3-428-55475-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85475-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Für Sandra und meine Eltern Petra und Frank
Vorwort Die Abhandlung beruht auf einer Dissertation, die im Dezember 2016 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vorgelegen hat. Literatur, die nach diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Gerald Mäsch möchte ich für das Interesse, das er der Arbeit entgegengebracht hat, und die Unterstützung danken. Frau Prof. Dr. Petra Pohlmann danke ich für die sorgfältige und zügige Zweitbegutachtung der Arbeit. Mein Dank gilt insbesondere meiner Frau und meinen Eltern für ihre Zuversicht, Geduld und Unterstützung. Haltern am See, im April 2018
Sebastian Gräler
Inhaltsübersicht Erster Teil Einleitung
21
§ 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Der Entherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 2 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Zweiter Teil Aktienkonzernrecht
25
§ 3 Aktienkonzernrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Die Bedeutung des Abhängigkeitsbegriffes gemäß § 17 AktG . . . . . . . . . . . . . 25 B. Einheitlicher Abhängigkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 D. Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 A. Motive für den Abschluss eines Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Überblick: Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . 37 C. Die rechtliche Einordnung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 D. Die aktienkonzernrechtliche Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages . . . . . 54 E. Wirksamkeitsvoraussetzungen des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . 58 F. Durchsetzbarkeit des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 G. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von § 17 AktG . . . . 99
10
Inhaltsübersicht H. Die Aufhebung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
§ 5 Ergebnisse des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Dritter Teil Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
115
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 A. Konzernrecht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Der Entherrschungsvertrag im Recht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 § 7 Der Entherrschungsvertrag im Konzernrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . 125 A. Konzernrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Der Entherrschungsvertrag im Recht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . 126 § 8 Ergebnisse des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Vierter Teil Deutsches Fusionskontrollrecht
131
§ 9 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 36 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 A. Die Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 B. Die Verbundklausel und der kartellrechtliche Abhängigkeitsbegriff . . . . . . . . 132 C. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen der Verbundklausel . . . . . . . . . . . . . . 143 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 10 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Der Zusammenschlussbegriff nach § 37 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 11 Ergebnisse des vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Inhaltsübersicht
11
Fünfter Teil Europäisches Fusionskontrollrecht
166
§ 12 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 3 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 A. Der Kontrollbegriff des europäischen Fusionskontrollrechts . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von Art. 3 FKVO . . 169 § 13 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . 172 A. Die Verbundklausel des europäischen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen des Art. 5 Abs. 4 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 § 14 Ergebnisse des fünften Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Sechster Teil Zusammenfassung der Ergebnisse
177
§ 15 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung
21
§ 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Der Entherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 2 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Zweiter Teil Aktienkonzernrecht
25
§ 3 Aktienkonzernrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Die Bedeutung des Abhängigkeitsbegriffes gemäß § 17 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Einheitlicher Abhängigkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Möglichkeit beherrschenden Einfluss auszuüben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Verlässliche Einflussmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Umfassende Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 V. Taugliche Herrschaftsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Anforderungen an die Widerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Keine Herrschaftsmöglichkeit aus dem Gesamtbild der Beziehungen . . . . 33 2. Keine Herrschaftsmöglichkeit bei fehlender Personalkompetenz . . . . . . . 34 3. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 A. Motive für den Abschluss eines Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Überblick: Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . 37
14
Inhaltsverzeichnis C. Die rechtliche Einordnung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Einordnung im materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Organisationsvertrag, Unternehmensvertrag oder schuldrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Die Ansicht von Korsmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Die Ansicht von Bayreuther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Die Ansicht von Pesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Der Entherrschungsvertrag als Organisationsvertrag . . . . . . . . . . . 41 bb) Der Entherrschungsvertrag als Unternehmensvertrag . . . . . . . . . . . 45 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Der Entherrschungsvertrag als Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Der Entherrschungsvertrag als Vertrag zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . 46 4. Ergebnisse zur Einordnung des Vertrages im materiellen Recht . . . . . . . . 47 II. Einordnung im Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Die Ansicht von Becker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Kollisionsrechtliche Beurteilung von Stimmbindungsverträgen . . . . . . 49 b) Kollisionsrechtliche Beurteilung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . 51 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 D. Die aktienkonzernrechtliche Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages . . . . . . . 54 I. Verzicht auf konzernrechtliche Schutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Verstoß gegen § 134 Abs. 1 S. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Verstoß gegen § 136 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 IV. Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Die Ansicht von Hüttemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 E. Wirksamkeitsvoraussetzungen des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Der Abschluss des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Herrschendes Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Erfordernis einer Satzungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Satzungsbestimmung notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (2) Keine Satzungsbestimmung notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (3) Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung 63 (1) Die Ansicht von Möhring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (2) Die Ansicht von Hommelhoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Inhaltsverzeichnis
15
(3) Die Ansicht von Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (4) Übertragung der „Holzmüller-Rechtsprechung“ . . . . . . . . . . . . 65 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Abhängige Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Beteiligung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Information des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Mitwirkung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Abgrenzung zum Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . 69 II. Inhaltliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Beschränkung des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Gegenständliche Reichweite der Stimmrechtsbeschränkung . . . . . . . . . 71 aa) Ausschluss der Teilnahme an der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Weitergehender Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (2) Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Reichweite der Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Abstellen auf Hauptversammlungsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Konkrete Ausgestaltung der „Minus-Eins-Regelung“ . . . . . . . . . . . 75 cc) Kein weitergehender Verzicht erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Mindestdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Ausschluss der ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Sonstige Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Eintragung in das Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Information der Aktionäre und Gläubiger der entherrschten Gesellschaft
79
F. Durchsetzbarkeit des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Durchsetzung mittels Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Beschluss anfechtbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Die Ansicht von Barz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Ansichten in der neueren Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Die Ansicht von Korsmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Beschluss nicht anfechtbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Analyse der möglichen Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Gegen Barz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Gegen Korsmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
16
Inhaltsverzeichnis c) Analyse möglicher Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Die Anfechtbarkeit schuldrechtlicher Nebenbestimmungen nach dem BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Einvernehmliche Satzungsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Rechtslage bei Stimmbindungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 87 (2) Rechtslage beim Entherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (3) Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (a) Venire contra factum proprium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Rechtsmissbrauch und Treuepflichtverletzung . . . . . . . . . . . 93 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 dd) Ergänzende Vertragsauslegung des Entherrschungsvertrages . . . . . 94 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Durchsetzung mittels Leistungsklage und einstweiliger Verfügung . . . . . . . . 96 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 G. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von § 17 AktG . . . . . . 99 I. Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG . . . . . . 99 II. Ausschluss des Abhängigkeitstatbestandes gemäß § 17 Abs. 1 AktG . . . . . . 100 1. Der Ausschluss von Abhängigkeit durch den Entherrschungsvertrag . . . . 100 a) Die herrschende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Die Ansicht von Ernst Geßler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Die Ansichten von Haesen und Timm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Die Ansicht von Götz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 e) Die Ansicht von Korsmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 f) Die Ansicht von Pesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 g) Die Ansicht von K. Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 h) Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Ausschluss von Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Absicherung der Vertragserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Ausschluss weiterer abhängigkeitsbegründender Umstände . . . . . . . . . . . 113 H. Die Aufhebung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
§ 5 Ergebnisse des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Dritter Teil Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
115
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 A. Konzernrecht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Inhaltsverzeichnis
17
B. Der Entherrschungsvertrag im Recht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Abschluss und Aufhebung des Entherrschungsvertrages in der GmbH . . . . . 117 1. Abschluss des Entherrschungsvertrages durch eine herrschende GmbH 118 2. Abschluss des Entherrschungsvertrages durch eine abhängige GmbH . . . 119 3. Aufhebung des Entherrschungsvertrages in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages in der GmbH . . . . . . . 120 1. Umfang der Stimmrechtsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Vertragslaufzeit des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Aufgabe der Geschäftsführerposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Wirkung des Entherrschungsvertrages in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 7 Der Entherrschungsvertrag im Konzernrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . 125 A. Konzernrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Der Entherrschungsvertrag im Recht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . 126 I. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Abschluss und Aufhebung des Entherrschungsvertrages bei den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Anwendung der allgemeinen Vertretungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Kein Grundlagengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Außergewöhnliches Geschäft gemäß § 116 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages bei den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 § 8 Ergebnisse des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Vierter Teil Deutsches Fusionskontrollrecht
131
§ 9 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 36 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 A. Die Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 B. Die Verbundklausel und der kartellrechtliche Abhängigkeitsbegriff . . . . . . . . . . 132 I. Anwendungsbereich der Verbundklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
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Inhaltsverzeichnis III. Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Der Abhängigkeitsbegriff in der kartellrechtlichen Diskussion . . . . . . . . . 135 a) Weitergehender Verbundbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Konzernrechtlicher Abhängigkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Auslegung des Wortlautes von § 36 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 d) Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 e) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 C. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen der Verbundklausel . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Entscheidung des Bundeskartellamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Der Stand der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Abweichende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
§ 10 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Der Zusammenschlussbegriff nach § 37 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Vermögenserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Kontrollerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Anteilserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Wettbewerblich erheblicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Beispiele für den Anwendungsbereich des Entherrschungsvertrages . . . . . . . 153 II. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB . . . . . . 154 1. Stand der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Die Ansicht von Pohlmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Weitere Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Grundsätzliche Eignung eines Vertrages zum Ausschluss von Kontrolle 157 b) Konkrete Ausgestaltung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Anerkennung negativer Kontrolle in § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB . . . . 159 bb) Inhaltliche Gestaltung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . 160 (1) Gegenständliche Reichweite des Stimmrechtsverzichts . . . . . . 160 (2) Reichweite der Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) Laufzeit und weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (4) Sonstige Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Inhaltsverzeichnis
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(5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB . . . . . . 164 IV. Wirkungen bei Beendigung des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . 165 § 11 Ergebnisse des vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Fünfter Teil Europäisches Fusionskontrollrecht
166
§ 12 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 3 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 A. Der Kontrollbegriff des europäischen Fusionskontrollrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von Art. 3 FKVO . . . . 169 I. Anwendungsbereich des Entherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Stand der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 § 13 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . 172 A. Die Verbundklausel des europäischen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen des Art. 5 Abs. 4 FKVO 174 I. Eignung eines Vertrages zum Ausschluss der Verbundklausel . . . . . . . . . . . . 174 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 14 Ergebnisse des fünften Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Sechster Teil Zusammenfassung der Ergebnisse
177
§ 15 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Erster Teil
Einleitung § 1 Problemstellung A. Der Entherrschungsvertrag § 17 Abs. 1 AktG enthält mit der Definition des abhängigen Unternehmens den Zentralbegriff des Konzernrechts1: „Abhängige Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.“
Flankiert wird die Vorschrift von einer Abhängigkeitsvermutung in § 17 Abs. 2 AktG: „Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist.“
Zahlreiche Regelungen knüpfen an den Begriff der Abhängigkeit an und statuieren Verpflichtungen für herrschende und abhängige Unternehmen. Es verwundert daher nicht, dass sich Praxis und Lehre mit Verträgen als Gestaltungsmitteln zum Ausschluss von Abhängigkeit beschäftigt haben. Denn für Unternehmen ist ein zum Ausschluss von Abhängigkeit führender Vertrag ein einfaches und praktikables Mittel, den an § 17 AktG anknüpfenden Rechtsfolgen zu entgehen. Entstanden ist der Entherrschungsvertrag: In diesem verpflichtet sich ein herrschendes Unternehmen gegenüber der abhängigen Gesellschaft, auf die Ausübung eines Teils seiner Stimmrechte zu verzichten, um die Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen und Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1AktG auszuschließen.2 Die Bedeutung eines solchen Vertrages darf nicht unterschätzt werden. Genau wie § 17 AktG ist der Entherrschungsvertrag nicht nur im Aktiengesetz, sondern rechtsgebietsübergreifend von besonderer Relevanz. So konstatierte die Monopolkommission bereits in ihrem ersten Hauptgutachten: 1
Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 2; Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 1; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 2; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 1; Jäger, DStR 1995, 1113; Möhring, FS Westermann, S. 427. 2 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 60 ff.; Götz, S. 1 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65; Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314; Jäger, DStR 1995, 1113; Korsmeier, S. 1 ff.; Pesch, S. 1 ff.
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1. Teil: Einleitung „Bei der Beurteilung von Abhängigkeitsverhältnissen i.S.v. § 17 AktG ist wiederholt die Frage erheblich geworden (§ 23 Abs. 1 S. 2 GWB), unter welchen Voraussetzungen die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG widerlegt werden kann, daß ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen von dem an ihm mit der Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei. Die beteiligten Unternehmen haben sich wiederholt auf Entherrschungs- oder Entflechtungsverträge berufen, um darzutun, daß trotz Mehrheitsbeteiligung ein Abhängigkeitsverhältnis nicht besteht“.3
Obwohl Entherrschungsverträge damit rechtsgebietsübergreifend in Erscheinung treten, sind sie nicht „täglich Brot“4 von Unternehmensrechtlern und erfahren in den verschiedenen Gebieten eine unterschiedliche Behandlung: Im Aktienkonzernrecht ist der Entherrschungsvertrag als taugliches Mittel zum Ausschluss von Abhängigkeit seit längerem überwiegend anerkannt.5 Demgegenüber bezweifelt die herrschende Lehre im deutschen Kartellrecht die Relevanz von Entherrschungsverträgen6 und im europäischen Kartellrecht sind diese kaum untersucht. Ausgehend von diesem Befund hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, den Widerspruch zwischen aktienrechtlicher Akzeptanz und kartellrechtlicher Ablehnung zu untersuchen und zu hinterfragen, ob dieser zu rechtfertigen ist. Dabei wird sich die Arbeit auch mit den zahlreichen Problemen des bislang nicht abschließend diskutierten7 Entherrschungsvertrages beschäftigen, wie Fragen nach der Qualifikation des Entherrschungsvertrages im materiellen Recht und internationalen Privatrecht, sowie nach seinem genauen Inhalt, seiner Wirkung und Durchsetzbarkeit. Neben dem Widerspruch in der rechtsgebietsübergreifenden Behandlung ist auch augenfällig, dass eine rechtsformübergreifende Betrachtung des Entherrschungsvertrages kaum stattfindet. Der Entherrschungsvertrag wird bislang vor allem für die Aktiengesellschaft untersucht.8 Entscheidungen oder Kommentierungen zu weiteren Gesellschaftsformen verweisen oftmals nur auf aktienkonzernrechtliche Ausführungen, ohne den existierenden Besonderheiten und Unterschieden zwischen den verschiedenen Gesellschaftsformen Rechnung zu tragen. Inwieweit eine Übertra3
Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 482. K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985. 5 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 42; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Barz, FS Bärmann, S. 185 ff.; Götz, S. 4 – 8; Hommelhoff, S. 80 ff.; Möhring, FS Westermann, S. 427; a.A. Geßler, in: Geßler/Hefermehl, § 17 Rn. 106; Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 ff. 6 BMWi WuW 79, 499 – „Veba-BP“; Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 482, 483; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 88; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 62; Schulte, in: Schulte/Just, § 36 GWB Rn. 132; Emmerich, AG 1978, 85 (94); Fischer, S. 71; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 62 f.; Möschel, Pressekonzentration, S. 200; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 810; Pesch, S. 180 f.; Steindorff, Wettbewerbliche Einheit, S. 29; Veelken, WRP 2003, 692 (707). 7 Becker, FS Möschel, S. 1119; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247. 8 Siehe beispielsweise die Werke von Götz, S. 1 ff.; Pesch, S. 1 ff.; Korsmeier, S. 1 ff. 4
§ 2 Begriffsklärung
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gung auf andere Gesellschaftsformen zulässig, möglich und welche besonderen Erfordernisse hierbei zu beachten sind, wird ebenfalls Gegenstand der Bearbeitung sein.
B. Gang der Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung ist das Aktienkonzernrecht (zweiter Teil). Für das Verständnis des Entherrschungsvertrages ist eine Erörterung des § 17 AktG unumgänglich (zweiter Teil, § 3). Anschließend werden Zulässigkeit, Voraussetzungen, Durchsetzung und Eignung des Entherrschungsvertrages zum Ausschluss von Abhängigkeit geprüft (zweiter Teil, § 4). Diese konzernrechtlichen Betrachtungen werden durch eine Untersuchung der Bedeutung des Entherrschungsvertrages jenseits der Aktiengesellschaft (dritter Teil), nämlich in der GmbH (dritter Teil, § 6) und im Recht der Personengesellschaften (dritter Teil, § 7), abgerundet. Über das Konzernrecht hinaus wird die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Kartellrecht untersucht. Differenziert wird zwischen deutschem (vierter Teil) und europäischem Kartellrecht (fünfter Teil). Abschließend werden die herausgearbeiteten Ergebnisse zusammengefasst (sechster Teil).
§ 2 Begriffsklärung Im Sinne einer einheitlichen Darstellung sollen vorab einige Begrifflichkeiten festgelegt werden, denn Verträge zum Ausschluss von Abhängigkeit in § 17 AktG haben bereits die verschiedensten Namen getragen: Ausschlussvertrag9, Abhängigkeitsausschlussvertrag10, Beherrschungsausschlussvertrag11, Entflechtungsvertrag12 oder Entherrschungsvertrag13. Mittlerweile hat sich der zuletzt genannte Begriff durchgesetzt und soll daher auch dieser Arbeit zugrunde gelegt werden. Der Begriff des Entherrschungsvertrages wird allerdings nicht mehr ausschließlich für einen Vertrag zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen verwendet, sondern auch für Verträge des herrschenden Unternehmens mit Dritten, seien es Außenstehende oder weitere Gesellschafter.14 Dieser Begriffsbestimmung soll jedoch nicht gefolgt werden. Unter den Begriff des Entherrschungsvertrages fällt 9
So ursprünglich Möhring, FS Westermann, S. 427 ff. Barz, FS Bärmann, S. 185 ff.; Jäger, DStR 1995, 1113 (1114). 11 Barz, FS Bärmann, S. 185 (186): Diese in der Praxis verwendete Bezeichnung sei ungenau. 12 Vgl. etwa Monopolkommission, Hauptgutachten, I S. 482; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 62. 13 Hommelhoff, S. 80. 14 OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 330 (331); Schall, in: Spindler/Stilz § 17 Rn. 52. 10
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1. Teil: Einleitung
im Sinne einer traditionellen Definition nur ein Vertrag, der zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen besteht.15 Verträge des herrschenden Unternehmens mit Dritten werden als Stimmbindungsverträge bezeichnet. Zu unterscheiden ist der Entherrschungsvertrag auch vom Stimmrechtsausschlussvertrag, welcher nicht auf die Beseitigung von Abhängigkeit zielt.16 Auch die vereinzelt verwendete Unterscheidung zwischen einem Entherrschungsvertrag, der lediglich die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG widerlegen, und einem sogenannten Abhängigkeitsausschlussvertrag, der zum Ausschluss von Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG führen soll, wird nicht verwendet.17 Auf die gegebenenfalls notwendigen weitergehenden Voraussetzungen, die zum Ausschluss von Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG und weiterer Regelungen erforderlich sein könnten, wird vielmehr an den entsprechenden Stellen eingegangen.
15 So auch Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 482; Blaum/Scholz, in: BeckFormB BHW VIII. A. 4. Rn. 2; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 60; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65; Hommelhoff, S. 80 ff.; Jäger, DStR 1995, 1113 (1114); Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 62; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62. 16 Reichert/Harbarth, AG 2001, 447 ff. 17 Pesch, S. 75, 85. Korsmeier, S. 13 ff. verwendet auch den Begriff des „Widerlegungsvertrages“.
Zweiter Teil
Aktienkonzernrecht Entherrschungsverträge sind bisher vor allem ein Gestaltungsmittel des Aktienkonzernrechts.18 Dementsprechend ist es zum besseren Verständnis des Entherrschungsvertrages unumgänglich, den normativen Kontext dieses gesetzlich nicht geregelten Vertrages zu beleuchten.
§ 3 Aktienkonzernrechtlicher Hintergrund A. Die Bedeutung des Abhängigkeitsbegriffes gemäß § 17 AktG Die herausragende Bedeutung des Abhängigkeitsbegriffes19 zeigt sich vor allem an den zahlreichen Regelungen, die bereits an den Begriff der Abhängigkeit und nicht erst an den engeren Begriff des Konzerns (§ 18 AktG) anknüpfen. Beispielhaft genannt seien etwa das Verbot der Zeichnung und des Erwerbs von Aktien des herrschenden Unternehmens durch die abhängige Gesellschaft gemäß den §§ 56 Abs. 2, 71d S. 2 AktG oder die Anteilszurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG. Vor allem aber greift das Recht des sogenannten „faktischen Konzerns“ in den §§ 311 – 318 AktG bei Abhängigkeit. § 311 AktG sieht vor, dass ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss nicht dazu benutzen darf, eine abhängige Aktiengesellschaft dazu zu veranlassen, ein nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen, ohne dass der Nachteil ausgeglichen wird. Wird der Nachteil nicht ausgeglichen, sind das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft gemäß § 317 AktG zum Schadensersatz verpflichtet. Daneben haften gemäß § 318 AktG auch die Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft. Schließlich verpflichtet § 312 Abs. 1 AktG deren Vorstand zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichtes. Wird diese Aufstellungspflicht nicht beachtet, so kann dies zur Anfechtung des Entlastungsbeschlusses des Vorstands und Aufsichtsrats führen.20 18
Becker, FS Möschel S. 1119; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247. Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 1; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 2; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 3, 5, 14; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 14; Jäger, DStR 1995, 1113; Möhring, FS Westermann, S. 427; Sura, S. 52. 20 BGH, NJW 1974, 955; OLG Karlsruhe, NZG 1999, 953; OLG Düsseldorf, Urteil v. 22. 07. 1993 – 6 U 84/92, BeckRS 2009, 08316; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 10. 19
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
Schon an dieser Stelle soll der Hinweis nicht fehlen, dass § 17 AktG auch in gesetzlichen Regelungen außerhalb des Aktiengesetzes eine wesentliche Rolle spielt. So verweist mit § 36 Abs. 2 GWB die Verbundklausel des GWB auf § 17 AktG. Auch in weiteren Vorschriften wie § 290 Abs. 1 HGB ist vom „beherrschenden Einfluss“ die Rede. Daneben weist der Begriff der Kontrolle in § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ebenfalls eine gewisse Ähnlichkeit zu § 17 AktG auf. Endlich zieht die Rechtsprechung die Wertung des § 17 AktG in den verschiedensten Konstellationen zu Rate, so zum Beispiel bei der Frage, ob ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen der Grundrechtsbindung unterliegt. Dies sei der Fall, wenn dieses durch die öffentliche Hand „beherrscht“ werde, wobei die Beherrschung insbesondere nach § 17 AktG zu beurteilen sei.21 Hingegen knüpfen Regelungen wie etwa § 29 Abs. 2 WpÜG, wonach Kontrolle das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte darstellt, an einen formaleren Begriff an, der nicht mit dem Begriff der Abhängigkeit in § 17 AktG übereinstimmt.22
B. Einheitlicher Abhängigkeitsbegriff Aufgrund der weitreichenden Rechtsfolgen des Abhängigkeitsbegriffes innerund außerhalb des Aktiengesetzes stellte sich schon früh die Frage, ob von einem einheitlichen Abhängigkeitsbegriff oder unterschiedlich auszulegenden Begriffen auszugehen ist. Während für das Aktienrecht mittlerweile weitestgehend Einigkeit besteht, dass dem Charakter einer vorangestellten Definitionsnorm entsprechend ein einheitlicher Abhängigkeitsbegriff vorliegt,23 stehen sich außerhalb des Aktiengesetzes in nahezu jedem Rechtsgebiet, in dem der Abhängigkeitsbegriff auftaucht, die Vertreter einer einheitlichen aktienrechtlichen Auslegung und die einer am Telos des jeweiligen Rechtsgebiets orientierten Auslegung gegenüber.24 Ob dies für die kartellrechtliche Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB zutreffend ist, wird im späteren Teil der Arbeit untersucht (siehe hierzu vierter Teil, § 9).
21
BVerfG, NJW 2011, 1201 (1203 Rz. 53); BGH, NZG 2012, 1033 (1034). BGH, NZG 2012, 1033 (1034); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 3a. 23 Adler/Düring/Schmaltz, § 17 AktG Rn. 9; Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 2; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 4; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 9; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 3; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 77; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 4; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 3; Köhler, NJW 1978, 2473 (2476); Pesch, S. 9. 24 Korfmacher, S. 175; aus neuerer Zeit beispielsweise BAG, BeckRS 2011, 73927 und Baeck/Winzer, NZG 2011, 944 zu § 54 Abs. 1 BetrVG. Zur kartellrechtlichen Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB siehe die Darstellung bei Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95 ff. 22
§ 3 Aktienkonzernrechtlicher Hintergrund
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C. Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG Abhängigkeit liegt gemäß § 17 Abs. 1 AktG vor, wenn ein Unternehmen (herrschendes Unternehmen) auf ein anderes (abhängiges Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Herrschendes Unternehmen kann hierbei jeder Gesellschafter sein, der neben der Beteiligung an der Gesellschaft noch weitere wirtschaftliche Interessenbindungen aufweist, welche nach Art und Intensität die ernsthafte Besorgnis begründen, er könne ihretwegen seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft geltend machen (teleologischer Unternehmensbegriff).25 Als abhängiges Unternehmen kommt jeder zumindest teilrechtsfähige Rechtsträger in Betracht.26 I. Möglichkeit beherrschenden Einfluss auszuüben Bis heute wird die Unbestimmtheit des Abhängigkeitsbegriffes bedauert.27 Der Begriff setzt sich aus drei Elementen zusammen: Erforderlich ist, dass ein Unternehmen auf ein anderes • unmittelbar oder mittelbar (Modalität), • beherrschenden Einfluss, • ausüben kann (Potentialität).28 Während mit der Modalitätsbestimmung ausgedrückt wird, dass der beherrschende Einfluss auch durch einen Dritten vermittelt werden kann und sich der Potentialitätsbestimmung entnehmen lässt, dass im Unterschied zum Konzernbegriff keine tatsächliche Ausübung des Einflusses gefordert ist,29 stellt das Merkmal des beherrschenden Einflusses das entscheidende Tatbestandsmerkmal des Abhängigkeitsbegriffes dar. Allerdings definiert das Gesetz nicht näher, wann von einem
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BGH, NJW 1979, 2401; NJW 1978, 104; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 15 Rn. 10; Hüffer/Koch, § 15 Rn. 10; Bayer, in: MüKo/AktG, § 15 Rn. 13; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 6. 26 Hüffer/Koch, § 15 Rn. 19; Bayer, in: MüKo/AktG, § 15 Rn. 48; J. Vetter, in: Schmidt/ Lutter, § 15 Rn. 73; Schall, in: Spindler/Stilz, § 15 Rn. 14; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 13. 27 Rittner, DB 1976, 1465: „Das ungewöhnliche Maß an Unbestimmtheit, das § 17 Abs. 1 AktG auszeichnet, steht in einem auffallenden Widerspruch zu seiner Funktion als Definitionsnorm […]“; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 14: „Abhängigkeitstatbestand nur in seinem Kernbereich, nicht dagegen in seinen Rändern sicher geklärt“. 28 Rittner, DB 1976, 1465 (1466). 29 Allg. M.: Begr. RegE bei Kropff, S. 31; BGH, NZG 2012, 1033 (1034); BGH, NJW 1974, 855 (857); Hüffer/Koch, § 17 Rn. 4; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 17; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 11; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 8; Haesen, S. 35 f.; Rittner, DB 1976, 1465.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
beherrschenden Einfluss ausgegangen werden kann. Auch die Gesetzesbegründung zum AktG 1965 trägt wenig zur Aufklärung des Abhängigkeitsbegriffes bei.30 Das Reichsgericht nahm Abhängigkeit erst dann an, wenn das „herrschende Unternehmen über Mittel verfügt, die es ihm ermöglichen, das abhängige Unternehmen seinem Willen zu unterwerfen und diesen bei ihm durchzusetzen.“31
Allerdings erging diese Definition noch zum Aktienrecht alter Fassung. Im heutigen Aktiengesetz existiert die Macht, einer Gesellschaft seinen Willen aufzuzwingen, nur noch bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages.32 Wäre jedoch das Bestehen eines Beherrschungsvertrages zur Annahme von Abhängigkeit gefordert, wären die §§ 311 ff. AktG ohne Anwendungsbereich.33 Abhängigkeit erfordert demnach nicht die Möglichkeit, einer Gesellschaft seinen Willen aufzwingen zu können. Für die konkretisierende Auslegung des Abhängigkeitsbegriffes gemäß § 17 Abs. 1 AktG wird vor allem die Abhängigkeitsvermutung in § 17 Abs. 2 AktG herangezogen.34 Nach § 17 Abs. 2 AktG führt eine Mehrheitsbeteiligung im Regelfall zur Begründung von Abhängigkeit. Der mit einer Mehrheitsbeteiligung einhergehende Einfluss ermöglicht es nicht, eine andere Gesellschaft zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, sondern gestattet es nur, deren Geschäftspolitik zu bestimmen.35 Denn der Mehrheitsaktionär kann aufgrund seines Stimmrechts in der Hauptversammlung den Aufsichtsrat (§ 101 Abs. 1 AktG) und hierüber mittelbar auch den Vorstand (§ 84 Abs. 1 AktG) besetzen (Personalkompetenz). Die derart durch den Mehrheitsaktionär gewählten Organmitglieder werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit und zur Vermeidung persönlicher Nachteile einflusskonform verhalten, da ihnen ansonsten die Abberufung oder Nicht-Wiederwahl droht.36 Ein Unternehmen verfügt demnach über beherrschenden Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG, wenn es die Geschäfts- und Unternehmenspolitik der abhängigen Gesellschaft bestimmen kann.37 Adressat der beherrschenden Einflussnahme ist der
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Begr. RegE bei Kropff, S. 31. RGZ 167, 40 (49) – „Thega“. 32 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 25. 33 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 25; Rittner, DB 1976, 1465 (1468). 34 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 5 ff.; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 11; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 5; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 21 ff.; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 25 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 9 ff. 35 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 21; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 26 f.; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 6; Sura, S. 52 f. 36 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 6 f.; Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 3; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 5; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 26 f.; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 9; Götz, S. 18 ff.; Letixerant, S. 197 ff.; Schnorbus/Ganzer, AG 2016, 565 (566). 37 BGH, NJW 1993, 2114; OLG Düsseldorf, NJOZ 2008, 3758; OLG Karlsruhe, NZG 2004, 334 (335); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 21; Schall, in: 31
§ 3 Aktienkonzernrechtlicher Hintergrund
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Rechtsträger.38 Bezugspunkt des Einflusses ist die Leitungsmacht über die Gesellschaft, § 311 AktG.39 Dies entspricht der Gefahr, die für eine abhängige Gesellschaft besteht: Diese könnte nicht mehr nach ihren Interessen, sondern nach den Interessen des herrschenden Unternehmens und zu Lasten von Gesellschaft, Aktionären und Gläubigern geführt werden.40 Auch für die Rechtsprechung ist es ausreichend, dass das herrschende Unternehmen über gesicherte rechtliche Möglichkeiten verfügt, der Gesellschaft Konsequenzen für den Fall anzudrohen, dass diese dem Willen des herrschenden Unternehmens in Fragen der Personal-, Geschäfts- und Unternehmenspolitik nicht Folge leistet, so dass sich die Gesellschaft letztlich dem Einfluss des herrschenden Unternehmens nicht zu entziehen vermag.41 Eine nähere Konkretisierung dieser Aussage bleibt allerdings dem Einzelfall überlassen. Ob Abhängigkeit vorliegt, ist aus Sicht der möglicherweise abhängigen Gesellschaft zu beurteilen.42 Die Möglichkeit beherrschenden Einfluss auszuüben muss hierbei von demjenigen dargelegt und bewiesen werden, der aus der Abhängigkeit Rechte ableitet.43 Einschränkend gefordert wird allerdings, dass die Möglichkeit der Einflussnahme – wie die Mehrheitsbeteiligung gemäß § 17 Abs. 2 AktG – gesellschaftsrechtlich bedingt, verlässlich und umfassend ist.44 II. Gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit Es entspricht der gesicherten herrschenden Ansicht in aktienrechtlicher Rechtsprechung und Literatur, dass die Einflussmöglichkeit gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein muss. Eine allein auf schuldrechtlicher Vertragsgrundlage, etwa mittels Kredit- oder Lieferverträgen, begründete wirtschaftliche Abhängigkeit reicht nicht aus. Dies ist nicht nur dem Leitbild von Abhängigkeit in § 17 Abs. 2 AktG zu entnehmen, sondern resultiert auch aus eden an § 17 AktG anknüpfenden Folgenormen, wie insbesondere den §§ 311 ff. AktG, die als Reaktion auf innerge-
Spindler/Stilz, § 17 Rn. 9; Korsmeier, S. 34; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 68 Rn. 39. 38 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 17; Rittner, DB 1976, 1465 (1467). 39 Rittner, DB 1976, 1465 (1467). 40 Flume, DB 1959, 190; Sura, S. 16 f. 41 OLG Düsseldorf, NJOZ 2008, 3758 (3761); OLG Karlsruhe, NZG 2004, 334; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 8; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 38. 42 BGH, NZG 2012, 1033 (1034); OLG München, WM 1995, 898; Fett, in: Bürgers/ Körbers, § 17 Rn. 3; Götz, S. 21; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 38. 43 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 99; Möhring, FS Westermann, S. 427 (436). 44 BGH, NZG 2012, 1033 (1034); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 12 ff.; Hüffer/Koch, § 17 AktG Rn. 5 ff.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
sellschaftsrechtlichen Einfluss zu verstehen sind.45 Eine derartige gesellschaftsrechtlich bedingte Herrschaftsmöglichkeit liegt dann vor, wenn der Gesellschafter die Möglichkeit hat, Stimmrechte auszuüben oder kraft Gesellschaftsvertrages oder sonstiger organisationsrechtlicher Verbindung (Beherrschungsvertrag, Eingliederung) Einfluss nehmen kann.46 Allerdings muss der beherrschende Einfluss nicht vollständig gesellschaftsrechtlich vermittelt werden. Überwiegend wird eine sogenannte kombinierte Beherrschung zugelassen, bei der zum gesellschaftsrechtlichen Einfluss wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten hinzustoßen, so dass sich der bestehende gesellschaftsrechtliche Einfluss zu einem beherrschenden Einfluss im Sinne von § 17 AktG verdichtet.47 Zwar wird kritisch hinterfragt, warum unbeachtliche Herrschaftsmittel in Kombination mit gesellschaftsrechtlichen Herrschaftsmitteln plötzlich relevant seien,48 doch kann die Einbeziehung der kombinierten Beherrschung damit gerechtfertigt werden, dass es sinnvoll ist, stärkere Minderheitsgesellschafter mit zusätzlichem großem wirtschaftlichem Einfluss den Regelungen des Konzernrechts zu unterwerfen.49 III. Verlässliche Einflussmöglichkeit Einfluss, dessen Ausübung unsicher ist, kann nicht als „beherrschend“ angesehen werden.50 Die Einflussmöglichkeit muss daher verlässlich bzw. beständig sein. Damit ist gemeint, dass diese nicht bloß punktuell oder zufällig sein darf, die Gesellschaft darf sich der Herrschaft nicht einfach entziehen können.51 Beispielsweise soll eine zufällige Mehrheit in der Hauptversammlung nicht zur Annahme von 45 BGH, NJW 1984, 1893 (1896); OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 11525; OLG Karlsruhe, NZG 2004, 334 (335); Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 9; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 12; Peres/Oschütz, in: Heidel, § 17 Rn. 4; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 4; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 59; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 15; Köhler, NJW 1978, 2473 (2478); Sura, S. 56; Ulmer, ZGR 1978, 457 (468). 46 Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 9 ff.; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 8; J. Vetter, in: Schmidt/ Lutter, § 17 Rn. 15; Mehrbrey/Keul, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 26 Rn. 1. 47 BGH, NJW 1984, 1893 (1896 f.); OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 08316; OLG Karlsruhe, NZG 2004, 334 (335); Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 21; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 40; Peres/Oschütz, in: Heidel, § 17 Rn. 4; J. Vetter, in: Schmidt/ Lutter, § 17 Rn. 16; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 25 ff.; a.A.; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 68; Götz, S. 29 f.; Pesch, S. 48 ff. 48 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 32; Sura, S. 57 f.; Ulmer, ZGR 1978, 457 (468 f.); aus diesem Grund sprechen sich Götz und Pesch gegen die Zulassung einer kombinierten Beherrschung aus. 49 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 32. 50 BGH, NJW 1974, 855 (857); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 20; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1248); Ulmer, ZGR 1978, 457 (461). 51 BGH, NJW 1993, 2114 (2115); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 21; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 20; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 19.
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Abhängigkeit führen.52 Ausreichend ist demgegenüber die sogenannte faktische Hauptversammlungsmehrheit. Eine solche liegt bei einer Minderheitsbeteiligung vor, die aufgrund der erfahrungsgemäß schlecht besuchten Hauptversammlung regelmäßig dazu ausreicht, um für einen längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher Mehrheit durchzusetzen.53 Eine bestimmte Dauer der Einflussmöglichkeit ist hingegen nicht erforderlich.54 IV. Umfassende Herrschaft Nach überwiegender Auffassung muss die Einflussmöglichkeit zudem umfassend sein. Dies bedeutet, dass sich die Einflussmöglichkeit auf den gesamten Tätigkeitsbereich der betroffenen Gesellschaft und nicht nur auf einzelne Geschäftsbereiche erstrecken muss.55 V. Taugliche Herrschaftsmittel Taugliches Herrschaftsmittel ist neben einer Mehrheitsbeteiligung und einer zur gesicherten Hauptversammlungsmehrheit führenden Minderheitsbeteiligung auch das Vorliegen eines Beherrschungsvertrages.56 Als weitere Herrschaftsmittel sind Stimmbindungsverträge anerkannt, kraft derer das herrschende Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte kontrolliert.57 Demgegenüber begründet nach zutreffender herrschender Auffassung das Vorliegen einer Sperrminorität keine Abhän-
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Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 12 f.; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 24; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 42; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 50; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 19. 53 BGH, NZG 2012, 1033 (1034); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 24; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 9; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 41; Larisch/ Bunz, NZG 2013, 1247. 54 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 13; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 21; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 25; Bayer, in: MüKo/ AktG, § 17 Rn. 13; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 19. 55 BGH, NJW 1997, 1855 (1856); BAG, NZA 2011, 866 (868); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 17; Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 3; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 7; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 24; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 12 f.; zweifelnd Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 27; a.A. auch Fett, in: Bürgers/ Körbers, § 17 Rn. 4; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 9 f.: Beeinflussung eines zentralen Unternehmensbereiches ausreichend. 56 Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 9 f., 15; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 17 ff.; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 22 ff.; Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 6 ff.; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 9 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 25 ff. 57 Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 10; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 17; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 46; J. Vetter, in: Schmidt/ Lutter, § 17 Rn. 23.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
gigkeit.58 Die Sperrminorität ermöglicht es nicht – wie die Mehrheitsbeteiligung – die betroffene Gesellschaft zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und die Zulassung als Beherrschungsmittel widerspricht der Einstufung von Abhängigkeit als potentieller Konzernierung.59 Auch das alleinige Vorliegen personeller Verflechtungen in Verwaltungsorganen soll nach wohl überwiegender Auffassung nicht zur Annahme von Abhängigkeit führen.60
D. Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG Gemäß § 17 Abs. 2 AktG wird das Vorliegen von Abhängigkeit bei Mehrheitsbeteiligung vermutet. Eine Mehrheitsbeteiligung liegt nach § 16 Abs. 1 AktG vor, wenn dem beteiligten Unternehmen die Mehrheit der Anteile (Kapitalmehrheit) gehört oder die Mehrheit der Stimmrechte (Stimmrechtsmehrheit) zusteht. Eine nähere Definition der Kapital- und Stimmrechtsmehrheit enthält § 16 Abs. 2 – 4 AktG. I. Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 AktG Mit § 17 Abs. 2 AktG bezweckt der Gesetzgeber eine Einschränkung der Unbestimmtheit des Abhängigkeitstatbestandes und daher ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit.61 Die Vermutung basiert auf dem Gedanken, dass eine Mehrheitsbeteiligung in aller Regel zu beherrschendem Einfluss führt.62 Ihre Bedeutung tritt insbesondere im Rechtsstreit und bei der Abschlussprüfung zu Tage.63 Darlegungs- und beweispflichtig ist derjenige, der die Unabhängigkeit der Aktiengesellschaft trotz Vorliegens einer Mehrheitsbeteiligung behauptet, es tritt also eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast durch § 17 Abs. 2 AktG ein.64 58 Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 14; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 25; Peres/Oschütz, in: Heidel, § 17 Rn. 10; Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 9; Hüffer/ Koch, § 17 Rn. 10; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 43; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 42 ff.; Meilicke/Meilicke, BB 1978, 406; Pesch, S. 45 f. 59 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 25; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 20; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 24; Bayer, in: MüKo/ AktG, § 17 Rn. 42. 60 Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 13; Oetker, in: Erfurter Kommentar z. Arbeitsrecht, § 17 AktG Rn. 3; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 62; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 40 f. 61 Begr. RegE bei Kropff, S. 31 f. 62 Begr. RegE bei Kropff, S. 28 ff. 63 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 45; Geßler, DB 1965, 1691 (1695); Stehle, AG 1996, 233 (234 f.); Werner, S. 171. 64 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG § 17 Rn. 99; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 90; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 51; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 50; Rü-
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Die Vermutung ist, anders als die des § 15 AktG-1937, nach allgemeiner Ansicht widerlegbar.65 Zwar war im Regierungsentwurf zum Aktiengesetz noch eine unwiderlegbare Vermutung vorgesehen, auf Veranlassung von Wirtschafts- und Rechtsausschuss wurde jedoch eine widerlegbare Vermutung eingeführt.66 Die Ausschüsse folgten hier der Meinung von Sachverständigen, um atypischen Sondersituationen Rechnung zu tragen. Es komme nämlich durchaus vor, „daß ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen sich im Verhältnis zu anderen Gesellschaftern vertraglich verpflichtet, die Verwaltungsrechte nur aus einem Teil seiner Aktien auszuüben“.67
II. Anforderungen an die Widerlegung Eine Widerlegung des § 17 Abs. 2 AktG gelingt jedenfalls dann, wenn nachgewiesen ist, dass trotz Mehrheitsbeteiligung ein beherrschender Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG nicht ausgeübt werden kann.68 Nicht ausreichend ist nach dem klaren Wortlaut von § 17 Abs. 1 AktG der Nachweis, dass tatsächlich kein Einfluss ausgeübt wird.69 Umstritten ist allerdings, ob für die Widerlegung der Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG stets Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen ist. 1. Keine Herrschaftsmöglichkeit aus dem Gesamtbild der Beziehungen Ein großer Teil der Lehre verlangt, dass zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG nachzuweisen sei, dass sich aus dem Gesamtbild der Beziehungen keine Herrschaftsmöglichkeiten ergeben, demnach keine Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG vorliege.70 Das Gesetz knüpfe die Abhängigkeitsvermutung bereits an das Bestehen einer bloßen Anteilsmehrheit im Sinne von § 16 genhagen, S. 53; unpräzise Peres/Oschütz, in: Heidel, § 17 Rn. 15 und Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 27. 65 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG § 17 Rn. 68; Möhring, FS Westermann, S. 427 (428). 66 Ausschussbericht und Begründung des Regierungsentwurfes bei Kropff, S. 28 ff. 67 Ausschussbericht bei Kropff, S. 28. 68 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 91; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 59; Möhring, FS Westermann, S. 427 (430 f.). 69 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 101; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 91; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 1; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 59; unzutreffend daher Becker, FS Möschel, S. 1119: „Die Abhängigkeitsvermutung ist widerlegt, wenn das herrschende Unternehmen nachweist, dass es tatsächlich keinen herrschenden Einfluss ausübt.“ 70 Adler/Düring/Schmaltz, § 17 AktG Rn. 98; Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 29; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 40; Geßler, in: Geßler/Hefermehl, § 17 Rn. 99; Peres/Oschütz, in: Heidel, § 17 Rn. 19; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 19; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 95, 96; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 53; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 46; Haesen, S. 45; Happ, S. 433; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (996).
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
AktG, so dass der Nachweis fehlender Stimmrechtsmehrheit nicht ausreichend sei.71 Vielmehr müssten nach Sinn und Zweck der Regelung auch die aus der Anteilsmehrheit folgenden mittelbaren Beherrschungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden.72 Ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen werde nicht nur mittels Beteiligung, sondern auch auf andere Weise versuchen, Einfluss zu nehmen.73 Da ein solcher Beweis „ins Blaue hinein“ jedoch kaum möglich sei, werden Beweisantritte erst dann verlangt, wenn Umstände vorliegen oder vorgetragen werden, aus denen sich eine weitergehende Beherrschungsmöglichkeit ergibt.74 2. Keine Herrschaftsmöglichkeit bei fehlender Personalkompetenz Demgegenüber wird vertreten, die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG könne bereits durch den Nachweis widerlegt werden, dass es dem mehrheitlich beteiligten Unternehmen nicht möglich sei, den Aufsichtsrat zu besetzen, denn die Vermutung knüpfe an die Personalkompetenz an.75 Ob sonstige Beherrschungsmöglichkeiten bestünden, sei eine Frage des § 17 Abs. 1 AktG, die durch keine Vermutung gestützt werde.76 Wortlaut und Systematik des § 17 AktG würden verdeutlichen, dass es auch im Falle einer Widerlegung der Vermutung noch eine Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG gebe. Dies sei jedoch nach erstgenannter Auffassung nicht möglich.77 Auch könne nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, dass das Gesetz die Vermutung an eine bloße Anteilsmehrheit nach § 16 AktG knüpfe und deshalb auch sonstige Beherrschungsmöglichkeiten ausgeschlossen sein müssten. Zwar sei es im Ansatz zutreffend, dass bei einer Anteilsmehrheit die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG eingreife, allerdings gelinge die Widerlegung durch den Nachweis fehlenden Stimmrechts.78 Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift verdeutliche, dass der Sinn der Umgestaltung einer unwiderlegbaren Vermutung in eine widerlegbare gerade
71 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 40; Peres/Oschütz, in: Heidel, § 17 Rn. 19; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 19; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 95, 96; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 53. 72 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 40. 73 Haesen, S. 45. 74 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 40; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 95, 96; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 53. 75 Barz, FS Bärmann, S. 185 (187 ff.); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 71; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 100; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 50; Letixerant, S. 199 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 96. 76 Barz, FS Bärmann, S. 185 (187 ff.); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 71; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 100; ähnlich Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 50; Werner, S. 171 f. 77 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 100; zustimmend: Korfmacher, S. 144. 78 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 102; Geßler, DB 1965, 1691 (1696); Rittner, DB 1976, 1465 (1469).
§ 3 Aktienkonzernrechtlicher Hintergrund
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darin bestand, dass es Anteilsmehrheit ohne Stimmenmehrheit geben könne.79 Vermutungsbasis von § 17 Abs. 2 AktG sei auch nicht die Mehrheitsbeteiligung als solche, sondern vielmehr die Erfahrung, dass die Mehrheitsbeteiligung Einfluss vermittele. Dieser Einfluss beruhe aber auf der Stimmrechtsmehrheit.80 Um die Vermutungsbasis zu erschüttern, könne daher auch nicht verlangt werden, dass andere, nicht von der Vermutungsbasis erfasste, Beherrschungsmittel widerlegt würden.81 Dem entspreche es, dass in dem Fall, indem die Anteils- und die Stimmenmehrheit bei verschiedenen Unternehmen liege, die Vermutung nur zu Gunsten des Unternehmens mit Stimmenmehrheit greife.82 3. Eigene Einschätzung § 17 Abs. 2 AktG stellt eine gesetzliche Rechtsvermutung im Sinne von § 292 ZPO auf.83 Derartige Vermutungen lassen sich nach allgemeinen Regeln widerlegen, indem die Vermutungsbasis erschüttert wird oder hinsichtlich der Vermutungsfolge der Beweis des Gegenteils erbracht wird.84 Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ist Vermutungsbasis der Mehrheitsbesitz im Sinne von § 16 AktG, nicht der mit der Mehrheitsbeteiligung einhergehende Einfluss. Der Einfluss spielt im Rahmen des streng formal zu verstehenden § 16 Abs. 1 AktG keine Rolle. Eine Erschütterung der Vermutungsbasis kann durch den Verweis auf fehlende Stimmrechte damit nicht erreicht werden. Hinsichtlich der Vermutungsfolge deutet der Wortlaut von § 17 Abs. 2 AktG eher darauf hin, dass Abhängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG vollumfänglich widerlegt werden muss. Dennoch dürfte eher die Auffassung überzeugen, die § 17 Abs. 2 AktG als widerlegt ansieht, wenn die fehlenden Stimmrechte nachgewiesen werden. Denn diese Ansicht kann sich auf die Entstehungsgeschichte und den darin zum Ausdruck kommenden Zweck von § 17 Abs. 2 AktG berufen. Die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass die an die Kapitalmehrheit anknüpfende Vermutungsfolge durch den Verweis auf fehlende Stimmrechte widerlegt werden kann.85 Mit dem Ausschluss des Stimmrechts entfällt der Grund für die Vermutung, so dass es zu weit gehen würde, auch eine Widerlegung von Beherrschungsmitteln zu verlangen, die mit der Vermutung nichts zu tun haben.86 Vor diesem Hintergrund ist der 79
Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 102. Korsmeier, S. 17. 81 Werner, S. 171 f. 82 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 102. 83 Zur Anwendung des § 292 ZPO auf Rechtsvermutungen siehe Prütting, in: MüKo/ZPO, § 292 Rn. 11. 84 Bacher, in: BeckOK ZPO, § 292 Rn. 9 ff.; Prütting, in: MüKo/ZPO, § 292 Rn. 20 ff. 85 Barz, FS Bärmann 185, (188); Geßler, DB 1965, 1691 (1696); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 102. 86 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 102. 80
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
zuletzt angeführten Auffassung zu folgen. Für die Widerlegung von § 17 Abs. 2 AktG reicht der Nachweis fehlenden Stimmrechts. Gelingt diese Widerlegung der Vermutung kann sich Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG aus anderen Herrschaftsmitteln als der bloßen Stimmrechtsmehrheit ergeben.87 Den Nachweis des Vorliegens von Abhängigkeit hat dann jedoch derjenige zu erbringen, der aus der Abhängigkeit Rechte herleitet.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht Vor dem Hintergrund der weitreichenden Rechtsfolgen von Abhängigkeit und einer widerlegbaren Vermutung in § 17 Abs. 2 AktG verwundert es nicht, dass sich kurz nach Inkrafttreten der Aktienrechtsreform von 1965 Kautelarpraxis und Lehre mit Verträgen als Mittel zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung und zum Ausschluss von Abhängigkeit beschäftigt haben. Schon Ernst Geßler, als Ministerialdirektor ab 1957 für die Aktienrechtsreform zuständig, führte 1965 aus: „Die Vermutung der Abhängigkeit auf Grund einer Mehrheitsbeteiligung kann niemals durch rein tatsächliche Umstände widerlegt werden. Mindestens müssen vertragliche Abreden vorliegen, die den auf Grund der Mehrheitsbeteiligung an sich bestehenden beherrschenden Einfluss ausschließen. […] In diesem Fall kommt es daneben entscheidend auf die tatsächlichen Umstände, die tatsächliche Handhabung an. […] Ist ein Vertrag, der den beherrschenden Einfluss beseitigen sollte, tatsächlich in diesem Sinne gehandhabt worden, erscheint es nicht gerechtfertigt, ihm diese Wirkung zu nehmen […]. Hat sich aber das eine Unternehmen vertraglich gebunden, seinen Einfluss nicht auszuüben und damit mindestens für die Vertragsdauer auf seine Einflußmöglichkeit verzichtet, so ist dieser Vertragszustand so lange entscheidend, wie er besteht und gehandhabt wird […].“88
Erste umfassende Untersuchungen von Entherrschungsverträgen finden sich dann Mitte der siebziger Jahre bei Möhring89 und Barz90.
A. Motive für den Abschluss eines Entherrschungsvertrages Verschiedene legitime Motive können für den Abschluss eines Entherrschungsvertrages sprechen: So kann das durch den Entherrschungsvertrag verpflichtete, beteiligte Unternehmen die Unabhängigkeit der Geschäftsleitung sichern91, sein 87 88 89 90 91
Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 87. Geßler, DB 1965, 1691 (1696). Möhring, FS Westermann, S. 427 ff. Barz, FS Bärmann, S. 185 ff. Möhring, FS Westermann, S. 427 (432); zustimmend: Hommelhoff, S. 84.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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Vermögen schlicht kapitalistisch verwalten, nicht mit der abhängigen Gesellschaft in Verbindung gebracht werden92 oder seine Unternehmensverfassung verschlanken wollen.93 Denkbar ist auch, dass sich im Kreise der übrigen Gesellschafter kein geeigneter Partner für den Abschluss eines Stimmbindungsvertrages findet, so dass nur ein Vertrag mit der Gesellschaft selbst übrig bleibt.94 Bisweilen wird als ausreichendes Motiv genannt, dass das herrschende Unternehmen die Rechtsfolgen der Abhängigkeit vermeiden will, namentlich wird auf die Pflicht zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts verwiesen.95 Dem ist beizupflichten. Bei Betrachtung der weitreichenden Folgen von Abhängigkeit, nicht nur im Konzernrecht, sondern auch in weiteren Rechtsgebieten wie dem Kartellrecht, wird durchaus verständlich, warum Unternehmen diese vermeiden wollen. Es handelt sich hierbei um ein wirtschaftlich nachvollziehbares und zulässiges Motiv, sofern die Gefahren, vor denen die konzern- und kartellrechtlichen Normen schützen, durch den Abschluss der Vereinbarung auch wirksam gebannt werden. Paradigma ist die Beteiligung von Staaten an Banken im Rahmen der durch die Finanzkrise ausgelösten Bankenrettung, in der die Staaten die Erlangung einer beherrschenden Stellung (z. B. auch zur Vermeidung von Fusionskontrollverfahren) vermeiden wollten.96
B. Überblick: Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages Heute entspricht es der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre, dass Entherrschungsverträge aktienrechtlich zulässig und bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geeignet sind, die Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen und Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen.97 Sofern die Rechtsprechung und einige Autoren den Entherrschungs92
Hommelhoff, S. 84. Korsmeier, S. 3. 94 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 80. 95 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 112; Happ, S. 434; Pesch, S. 59; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (998); a.A. Barz, FS Bärmann, S. 185 (196). 96 So etwa die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung über die Behandlung der Aktienbeteiligung des Finanzmarktstabilisierungsfonds an der Commerzbank AG vom 18. 04. 2013, bei der es sich zwar nicht um klassischen Entherrschungsvertrag handelt, die jedoch auch als Entherrschungsvertrag denkbar gewesen wäre. 97 LAG Bremen, Beschluss v. 9. 8. 2012 – 3 TaBV 19/11; OLG Köln, ZIP 1993, 110 (112) – „Winterthur ./. Nordstern“; LG Mainz AG 1991, 30 ff. – „Massa ./. Asko“; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 42 ff.; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109 ff.; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Barz, FS Bärmann, S. 185 ff.; Götz, S. 22 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65; Hommelhoff, S. 80 f.; Korsmeier, § 3 und § 4; Möhring, FS Westermann, S. 427 93
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
vertrag lediglich im Rahmen von § 17 Abs. 2 AktG erwähnen, muss bedacht werden, dass hierbei ein abweichendes Verständnis zu den Erfordernissen der Widerlegung der Vermutung in § 17 Abs. 2 AktG zugrunde liegt. Wird für § 17 Abs. 2 AktG verlangt, dass zur Widerlegung der Vermutung beherrschender Einflusses im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen ist, folgt aus der Anerkennung des Entherrschungsvertrages bei § 17 Abs. 2 AktG die Anerkennung im Rahmen von § 17 Abs. 1 AktG. Als erforderlichen Mindestinhalt des Entherrschungsvertrages verlangt die herrschende Auffassung, dass das herrschende Unternehmen auf die Ausübung eines Teils seiner Stimmrechte bei den Aufsichtsratswahlen verzichtet, so dass es bei der Hauptversammlung nicht über eine Mehrheit verfügt und dass der Vertrag auf fünf Jahre geschlossen und über den Zeitraum der nächsten Aufsichtsratswahl (§ 102 AktG) hinausgeht. Das Recht zur ordentlichen Kündigung müsse ausgeschlossen sein, wohingegen das Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehen bleiben könne.98 Könne das beteiligte Unternehmen seine Mehrheit nicht einsetzen, fehle es an der Personalkompetenz und die Gesellschaft bleibe unabhängig.99
C. Die rechtliche Einordnung des Entherrschungsvertrages Vor einer Untersuchung, inwieweit diese Ausführungen der herrschenden Auffassung zutreffen, bietet es sich allerdings an, eine rechtliche Einordnung des Vertrages im materiellen Recht und im internationalen Privatrecht vorzunehmen. I. Einordnung im materiellen Recht 1. Organisationsvertrag, Unternehmensvertrag oder schuldrechtlicher Vertrag Im Zuge einer materiell-rechtlichen Einordnung des Entherrschungsvertrages stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei diesem um einen Organisations- oder Unternehmensvertrag gemäß den §§ 291 ff. AktG oder um einen schlichten schuldrechtlichen Vertrag handelt.
(437); Pesch, S. 74 ff.; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (996); offen gelassen von BAG, Beschluss v. 11. 02. 2015 – 7 ABR 98/12, BeckRS 2015, 69307; KG, NZG 2016, 349 (350); Rechtstatsächliche Betrachtung bei Bayer/Hoffmann, AG 2014, R107 ff. 98 Vgl. statt vieler: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 42 ff.; Bayer, in: MüKo/ AktG, § 17 Rn. 99 ff. 99 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99 ff.; Hommelhoff, S. 80 f.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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a) Die Ansicht von Korsmeier Korsmeier kommt in seiner Untersuchung des Entherrschungsvertrages zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesem um einen Organisationsvertrag nach den §§ 291 ff. AktG handele.100 Ein Organisationsvertrag sei ein „Rechtsakt, der Ziel und Organisation einer Körperschaft sowie die Stellung der Mitglieder innerhalb dieser Körperschaft durch die Schaffung objektiver, gesetzesgleicher Normen festlegt oder verändert“.101
Diese Voraussetzungen seien beim Entherrschungsvertrag gegeben.102 Eine Veränderung der Organisation liege bei einem Eingriff in die Verfassung einer Gesellschaft vor.103 Beim Entherrschungsvertrag zeige sich dieser Eingriff darin, dass der Vertrag mit der Herbeiführung der Unabhängigkeit der abhängigen Gesellschaft und der Verdrängung der §§ 311 ff. AktG mittelbar deren Satzung überlagere.104 Im herrschenden Unternehmen sei der Unternehmensgegenstand betroffen, da eine unternehmerische Beteiligung in eine kapitalistische umgewandelt werde.105 Ab einer gewissen Bedeutung der Beteiligung betreibe das herrschende Unternehmen nur noch Beteiligungsverwaltung, es komme daher auch in diesem zu einer Überlagerung der Satzung.106 Eine Änderung des Ziels einer Gesellschaft liege bei einer relevanten Änderung des Gesellschafszweckes vor.107 Dies sei dann der Fall, wenn die Gesellschaft ihre Gewinne für ein anderes Unternehmen erwirtschafte oder dies rückgängig gemacht werde.108 Sowohl die Begründung von Abhängigkeit als auch die Entstehung eines qualifiziert faktischen Konzerns führe zu einer Änderung des Verbandszwecks, der Entherrschungsvertrag verändere dies wiederum, weil er zur Unabhängigkeit führe.109 Weiter käme es auch zu einer Veränderung der Stellung der Aktionäre. In der abhängigen Gesellschaft führe der Entherrschungsvertrag dazu, dass sich die Stellung der Minderheitsaktionäre verbessere, sie erhielten einen Machtzuwachs.110 Im herrschenden Unternehmen erführen die Aktionäre durch den Entherrschungsvertrag
100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110
Korsmeier, S. 203, 313 f. Korsmeier, S. 139. Korsmeier, S. 139 ff., 203. Korsmeier, S. 141. Korsmeier, S. 155. Korsmeier, S. 155 f. Korsmeier, S. 155 f., 314. Korsmeier, S. 141 f. Korsmeier, S. 144. Korsmeier, S. 154 f. Korsmeier, S. 160 ff., 166, 313 f.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
demgegenüber eine Einschränkung ihrer Rechte.111 Letztlich setze der Entherrschungsvertrag die gesetzliche Ordnung einer unabhängigen Gesellschaft wieder in Kraft, indem verschiedene Vorschriften, die bei Vorliegen eines faktischen Konzerns durch die §§ 311 ff. AktG verdrängt würden, wie z. B. die §§ 76, 93, 116, 117 AktG, durch Ausschaltung der §§ 311 ff. AktG erneut Geltung erlangten.112 b) Die Ansicht von Bayreuther Demgegenüber meint Bayreuther, der Entherrschungsvertrag sei aufgrund einer erforderlichen Zustimmung der Hauptversammlung in herrschender und abhängiger Aktiengesellschaft zwar organisationsrechtlich begründet,113 verfüge aber dennoch nur über einen schuldrechtlichen Charakter.114 Hergeleitet wird dieses Ergebnis mit dem Argument, dass der Entherrschungsvertrag „häufig nur pro forma abgeschlossen wird, mit dem Ziel, sich nachteiliger konzernrechtlicher Rechtsfolgen entziehen zu können“.115
Der Entherrschungsvertrag sei noch mehr als gewöhnliche Schuldverträge durch § 117 BGB bedroht.116 c) Die Ansicht von Pesch In neuerer Zeit geht Pesch davon aus, der Entherrschungsvertrag sei schuldrechtlich einzuordnen und könne nicht als Organisationsvertrag begriffen werden.117 Sie differenziert zwischen den Organisationsverträgen des § 291 AktG und den sonstigen schuldrechtlichen Verträgen gemäß § 292 AktG.118 Gegen die Einordnung des Entherrschungsvertrages als Organisationsvertrag spreche, dass der Entherrschungsvertrag seit seiner „Erfindung“ bislang nicht geregelt sei.119 Zudem fehle es an der Vergleichbarkeit zwischen den Verträgen des § 291 AktG und dem Entherrschungsvertrag: Die Verpflichtungen des Großaktionärs beim Entherrschungsvertrag blieben weit hinter denen des herrschenden Unternehmens beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zurück. Es trete keine Strukturänderung ein.120 Auch mit den Unternehmensverträgen des § 292 AktG sei der Entherrschungsvertrag nicht vergleichbar, da es nicht um den Austausch von Leistung und 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120
Korsmeier, S. 167 ff., 175 ff., 314. Korsmeier, S. 179 ff. 203, 314. Bayreuther, S. 140. Bayreuther, S. 142. Bayreuther, S. 140. Bayreuther, S. 141 f. Pesch, S. 68 ff. Pesch, S. 69. Pesch, S. 69. Pesch, S. 69.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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Gegenleistung gehe.121 Zudem bestünde kein Grund den Entherrschungsvertrag anders zu behandeln als den verwandten Stimmbindungsvertrag, dieser sei kein Unternehmensvertrag, weil er nicht zwischen zwei Unternehmen geschlossen werde.122 Die Ansicht Korsmeiers hält sie nicht für überzeugend, da die Stellung der Aktionäre stets Änderungen unterliege und hierin nicht immer eine Überlagerung der Satzung gesehen werden könne.123 Auch die Veräußerung einer Beteiligung durch einen Großaktionär stelle keine Überlagerung der Satzung dar.124 d) Eigene Einschätzung aa) Der Entherrschungsvertrag als Organisationsvertrag Für die vorliegend interessierende Frage, ob es sich beim Entherrschungsvertrag um einen Unternehmens- oder Organisationsvertrag nach den §§ 291 ff. AktG handelt, hilft die von Bayreuther geäußerte Ansicht nicht weiter. Seine Argumentation, die den Entherrschungsvertrag wegen seines befürchteten Scheincharakters als schuldrechtlich einordnet, überzeugt nicht. Der Vorwurf, es handele sich um einen Scheinvertrag (§ 117 Abs. 1 BGB), sagt nichts über die grundsätzliche, abstrakte Charakterisierung eines Vertrages aus. So findet § 117 BGB auch auf Verträge nach den §§ 291 ff. AktG Anwendung.125 Kann § 117 BGB sowohl Unternehmens- als auch schlichten schuldrechtlichen Verträgen entgegenstehen, lässt sich hieraus kein Argument herleiten, welches die Einordnung als schuldrechtlicher Vertrag rechtfertigt. Darüber hinaus ist auch der Vorwurf, dass Unternehmen den Vertrag häufig nur pro forma schließen, nicht nachgewiesen. Wie bereits dargelegt, existieren legitime Motive für den Abschluss eines Entherrschungsvertrages (siehe oben unter § 4 A.). Unumgänglich ist vielmehr eine Analyse der Begriffe „Organisationsvertrag“ und „Unternehmensvertrag“. Der zuletzt genannte Begriff wurde mit dem AktG 1965 eingeführt. Er soll zum Ausdruck bringen, dass Unternehmensverträge typischerweise die Struktur des betroffenen Unternehmens verändern.126 Unter den Begriff fallen die in den §§ 291, 292 AktG aufgezählten Vertragstypen, zentral ist der Beherrschungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG. Obwohl die Begründung des Regierungsentwurfes dies noch offen ließ,127 werden die Unternehmensverträge 121
Pesch, S. 70. Pesch, S. 70. 123 Pesch, S. 72. 124 Pesch, S. 72 f. 125 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 293 Rn. 19. 126 Begr. RegE bei Kropff, S. 376. 127 Begr. RegE bei Kropff, S. 376 ff.: Für die Verträge des § 292 AktG wird im RegE klargestellt, dass es sich um schuldrechtliche Verträge handelt. Für die Verträge des § 291 AktG wurde dies offen gelassen. 122
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
gemäß § 291 AktG hierbei als Organisationsverträge verstanden, während es sich bei den Verträgen nach § 292 AktG um schuldrechtliche Verträge handelt.128 Die Differenzierung wird in der heutigen Praxis vor allem vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Behandlung von fehlerhaften Unternehmensverträgen relevant. So werden auf die Verträge gemäß § 292 AktG die Grundsätze von der fehlerhaften Gesellschaft nicht angewandt.129 Die Unterscheidung soll freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch beim Organisationsvertrag schuldrechtliche Bindungen vorliegen.130 Beiden Vertragstypen ist auch gemein, dass aufgrund ihrer Auswirkungen besondere Regelungen zum Schutze der Gesellschaft, ihrer Aktionäre und Gläubiger erforderlich werden.131 Daher enthalten die §§ 293 ff. AktG besondere Regelungen für beide Vertragstypen. Die Organisationsverträge des § 291 AktG gehen allerdings in ihren Wirkungen über die sonstigen Unternehmensverträge hinaus. So führen die Organisationsverträge zu einem „wirtschaftlichen Fusionstatbestand“ auf Zeit.132 Während bei den Verträgen gemäß § 292 AktG der Eingriff in die Struktur des verpflichteten Unternehmens durch eine Gegenleistung kompensiert wird und daher auch weiterhin eine gewisse Selbständigkeit vorliegt, verfolgt das verpflichtete Unternehmen bei den Verträgen des § 291 AktG wirtschaftlich betrachtet keine eigenen Interessen mehr.133 Rechtlich gesehen liegt die Besonderheit des Organisationsvertrages darin, dass er satzungsgleich den rechtlichen Status der verpflichteten Gesellschaft ändert.134 Der Organisationsvertrag verändert die rechtliche Struktur der juristischen Person, ihrer Verfassung und die Rechtsverhältnisse ihrer Gesellschafter grundlegend.135 Es kommt nicht zu einer Verpflichtung der juristischen Person von außen, sondern zu einer Bindung der Organe innerhalb der Gesellschaft.136 Untersucht man nunmehr den Entherrschungsvertrag unter den angeführten Vorzeichen, ist dieser schuldrechtlich und nicht als Organisationsvertrag im Sinne von § 291 AktG einzuordnen. Entscheidend ist hierbei, dass der Entherrschungsvertrag weder wirtschaftlich noch rechtlich mit den Organisationsverträgen des § 291 AktG übereinstimmt, sodass ein Eingreifen der besonderen Schutzvorschriften 128 Mülbert, in: Großkomm. z. AktG, § 291 Rn. 20; Altmeppen, in: MüKo/AktG, § 291 Rn. 27, § 292 Rn. 7; Langenbucher, in: Schmidt/Lutter, § 291 Rn. 18 f.; Veil, in: Spindler/Stilz, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 25; Pesch, S. 69. 129 Langenbucher, in: Schmidt/Lutter, § 293 Rn. 47. 130 Hüffer/Koch, § 291 Rn. 18; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar, z. AktG Vorb. § 291 Rn. 157; Langenbucher, in: Schmidt/Lutter, § 291 Rn. 18. 131 Würdinger, DB 1958, 1447; Altmeppen, in: MüKo/AktG, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 6. 132 Altmeppen, in: MüKo/AktG, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 7; Mues, RNotZ 2005, 2. 133 Altmeppen, in: MüKo/AktG, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 7. 134 BGH, NJW 1988, 1326; Veil S. 186. 135 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 291 Rn. 26; Altmeppen, in: MüKo/AktG, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 4, 8. 136 Würdinger, DB 1958, 1447 (1451 f.); Veil, in: Spindler/Stilz, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 25; Veil, S. 186.
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der §§ 293 ff. AktG nicht erforderlich ist. Wirtschaftlich betrachtet ähnelt der Entherrschungsvertrag keinem der in § 291 AktG aufgezählten Vertragstypen. Offenkundig ist hierbei, dass es nicht zu einer „wirtschaftlichen Fusion“ zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen kommt, sondern der Abschluss des Entherrschungsvertrages vielmehr in die entgegengesetzte Richtung wirkt, die bis zum Abschluss des Vertrages abhängige Gesellschaft scheidet aus dem Verbund des herrschenden Unternehmens aus.137 Dieses Ausscheiden stellt sich jedoch auch in qualitativer Hinsicht als nicht mit den Verträgen nach § 291 AktG vergleichbar dar. Denn während bei den Verträgen des § 291 AktG durch die Ausrichtung der abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen wirtschaftlich betrachtet eine vollständige Aufgabe der eigenen Interessen stattfindet, verfolgt das beteiligte Unternehmen, das sich nur hinsichtlich bestimmter Beschlussgegenstände und in bestimmtem Umfang bindet, auch nach Abschluss des Entherrschungsvertrages noch eigene, wirtschaftliche Interessen in der nunmehr unabhängigen Gesellschaft. Während also den Verträgen des § 291 AktG eine vollständige Aufgabe der eigenen Interessen gemein ist, findet beim Entherrschungsvertrag nur eine beschränkte Aufgabe der eigenen Interessen statt. Auch rechtlich entspricht der Entherrschungsvertrag nicht den Organisationsverträgen des § 291 AktG. Gemeinsamkeit der Organisationsverträge ist es, dass sich Zweck und rechtliche Struktur des verpflichteten Unternehmens grundlegend verändern.138 Zu prüfen ist daher, ob dies auch auf den Entherrschungsvertrag zutrifft. Verpflichtet wird durch den Entherrschungsvertrag das herrschende Unternehmen. Dieses darf seine Stimmrechte in der Hauptversammlung bei bestimmten Beschlussgegenständen und bis zu einem gewissen Grad nicht ausüben. Eine Änderung von Zweck und Struktur durch den Entherrschungsvertrag kann hierin entgegen Korsmeier, der eine Änderung nur für den Fall zu begründen vermag, dass der Entherrschungsvertrag mit einer abhängigen Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung abgeschlossen wird,139 nicht gesehen werden. Zunächst bewirkt der Entherrschungsvertrag keine Änderung des Gesellschaftszwecks des herrschenden Unternehmens: Dieses verfolgt seinen Gesellschaftszweck (im Regelfall: Gewinnerzielung)140 auch nach Abschluss des Vertrages weiter. Möglicherweise bewirkt der Entherrschungsvertrag jedoch eine Änderung der Struktur des herrschenden Unternehmens. Beim Beherrschungsvertrag als typischem Organisationsvertrag liegt eine Strukturänderung beispielsweise in der Durchbrechung des in § 76 AktG niedergelegten Grundsatzes der eigenverantwortlichen Leitung der abhängigen Gesellschaft durch ihren Vorstand.141 Ähnliche Wirkungen 137
Hommelhoff, S. 96. Altmeppen, in: MüKo/AktG, Vorb. § 291 Rn. 8; Veil, S. 186. 139 Korsmeier, S. 155; ähnlich Hommelhoff, S. 99 f. 140 Hüffer/Koch, § 23 Rn. 22; Pentz, in: MüKo/AktG, § 23 Rn. 71; Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 82 Rn. 12. 141 Altmeppen, in: MüKo/AktG, Vorb. § 291 Rn. 8. 138
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werden durch den Entherrschungsvertrag im herrschenden Unternehmen jedoch nicht hervorgerufen. Die Verfassung des Unternehmens bleibt trotz Änderung einer unternehmerischen in eine kapitalistische Beteiligung unberührt, eine entsprechende Erlaubnis der kapitalistischen Beteiligung in der Satzung (dazu unter § 4 E I. 1. a) aa)) legitimiert diese Berührung des Unternehmensgegenstandes verbandsrechtlich.142 Die fehlende Strukturänderung auf Seiten des herrschenden Unternehmens erscheint besonders offenkundig, wenn der Vertrag mit einer unbedeutenden abhängigen Gesellschaft abgeschlossen wird. Eine andere Einschätzung könnte zwar erwogen werden, wenn der Entherrschungsvertrag mit der einzigen wesentlichen Beteiligung geschlossen wird, indem man annimmt, dass die Organe des herrschenden Unternehmens dann funktionslos werden.143 Jedoch trifft diese Annahme nicht zu, weil weiterhin Gesellschafterrechte ausgeübt werden können und es daneben an der zur Einstufung als Organisationsvertrag kumulativ erforderlichen Änderung des Gesellschaftszwecks fehlt. Der Einordnung als Organisationsvertrag nach § 291 AktG würde es auch widersprechen, wenn nur bestimmte Entherrschungsverträge mit der wesentlichen Beteiligungsgesellschaft als Organisationsvertrag begriffen werden. Die Einordnung als Organisationsvertrag nach § 291 AktG ist abhängig vom Inhalt des Vertrages,144 nicht davon, ob die Gesellschaft mit der er geschlossen wird eine wesentliche oder unwesentliche Beteiligung darstellt. Gegen eine Strukturänderung spricht auch, dass die Aktivitäten einer abhängigen Gesellschaft aufgrund der §§ 311 ff. AktG ohne Vorliegen eines Entherrschungsvertrages nur begrenzt auf das herrschende Unternehmen ausgerichtet sind, die Änderung durch den Abschluss des Entherrschungsvertrages ist daher geringfügig.145 Somit trifft auf den Entherrschungsvertrag die den übrigen Organisationsverträgen zukommende Gemeinsamkeit, dass sich Zweck und Struktur der verpflichteten Gesellschaft grundlegend verändern, nicht zu. Weiter spricht gegen die Annahme eines Organisationsvertrages, dass die Organe der verpflichteten Gesellschaft nicht wie bei den Organisationsverträgen des § 291 AktG146 gebunden werden. Der Entherrschungsvertrag befindet sich außerhalb der Gesellschaftssphäre. Es kommt durch das Herbeiführen der Unabhängigkeit auch nicht zu einer „Überlagerung“ der §§ 311 ff. AktG oder der Satzung der abhängigen Gesellschaft durch den Entherrschungsvertrag. Vielmehr liegt auf Seiten der bis zum Abschluss des Entherrschungsvertrages abhängigen Gesellschaft der Tatbestand des § 17 AktG nicht mehr vor. Zwar könnte erwogen werden, eine mittelbare Verfassungsrelevanz des Entherrschungsvertrages daraus herzuleiten, dass durch das Nicht142
A.A. Korsmeier, S. 156. Hommelhoff, S. 95; Korsmeier, S. 157. 144 Altmeppen, in: MüKo/AktG, § 291 Rn. 45. 145 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 115; Götz, S. 102. 146 Würdinger, DB 1958, 1447 (1451 f.); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 308 Rn. 17; Veil, in: Spindler/Stilz, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 25 ff. 143
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Bestehen von Abhängigkeit die aktienrechtlichen Schutzvorschriften – anders als vorher – nicht mehr eingreifen, das Stimmrecht der Mitaktionäre einen höheren Stellenwert erhält und die Organe der bis dato abhängigen Gesellschaft nunmehr unabhängig agieren können.147 Würde jedoch dieser Gesichtspunkt zur Annahme eines Organisationsvertrages ausreichen, wäre nahezu jede Maßnahme, die Einfluss auf das Bestehen von Abhängigkeit hat, also zum Beispiel auch die Veränderung der Aktionärsstruktur durch Zu- oder Verkäufe oder ein Stimmbindungsvertrag unter Gesellschaftern eine Satzungsüberlagerung und die Anwendung der §§ 293 ff. AktG wäre zu erörtern.148 Nach alledem ist der Entherrschungsvertrag kein Organisationsvertrag im Sinne der § 291 AktG. bb) Der Entherrschungsvertrag als Unternehmensvertrag Beim Entherrschungsvertrag könnte es sich allerdings um einen Unternehmensvertrag im Sinne von § 292 AktG handeln. Dagegen lässt sich nicht einwenden, die Bezeichnung „Unternehmensvertrag“ spreche gegen eine solche Einordnung, da der Unternehmensvertrag die Beteiligung zweier Unternehmen erfordere und bei den, dem Entherrschungsvertrag ähnelnden, Stimmbindungsverträgen nicht notwendigerweise ein Unternehmen beteiligt sein müsse und kein Grund ersichtlich sei, Stimmbindungs- und Entherrschungsvertrag unterschiedlich zu behandeln.149 Bereits aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass für die Annahme eines Unternehmensvertrages der Abschluss zwischen zwei Unternehmen nicht zwingend erforderlich ist.150 Gegen eine Einordnung als Unternehmensvertrag nach den § 292 AktG spricht jedoch, dass es an der Vergleichbarkeit des Entherrschungsvertrages mit den auf den Austausch von Leistung und Gegenleistung basierenden Verträgen gemäß § 292 AktG fehlt.151 cc) Ergebnis Wie ausgeführt handelt es sich beim Entherrschungsvertrag weder um einen Organisations- noch um einen Unternehmensvertrag im Sinne des Aktiengesetzes. Der Entherrschungsvertrag ist ein rein schuldrechtlicher Vertrag.152 147
In diese Richtung Korsmeier, S. 139 ff. Pesch, S. 72; ähnliche Gedanken auch bei Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 115 und Barz, FS Bärmann, S. 185 (200) im Zusammenhang mit der Ablehnung einer Zustimmungspflicht der Hauptversammlung analog § 293 AktG. 149 So aber Pesch, S. 70. 150 Begr. RegE bei Kropff, S. 376. 151 Pesch, S. 70. 152 Im Ergebnis auch Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 80; Bayreuther, S. 142; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1122); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 49; Götz, S. 4; Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (320 f.); Pesch, S. 68 ff.; Schmidt, BWNotZ 1995, 153; a.A.: Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 59 Rn. 28. 148
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2. Der Entherrschungsvertrag als Vertrag sui generis Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, ob sich der Entherrschungsvertrag einem der Vertragstypen des BGB zuordnen lässt. So werden Stimmbindungsverträge unter Gesellschaftern als Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB qualifiziert, wenn sich die Vereinbarung nur auf das Abstimmungsverhalten eines Schuldners bezieht.153 Bei einer wechselseitigen Beteiligung der Gesellschafter an der Stimmbindung soll eine Innen-GbR vorliegen.154 Demgegenüber lässt sich der Entherrschungsvertrag keinem der angeführten Vertragstypen zuordnen. Der Einordnung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zweck Abhängigkeit auszuschließen steht beim Entherrschungsvertrag entgegen, dass es an einer Beitragspflicht der – bis zum Abschluss des Vertrages abhängigen – Gesellschaft fehlt.155 Auch die Einordnung als Geschäftsbesorgungsvertrag kommt für den Entherrschungsvertrag nicht in Betracht. Unter den Begriff der Geschäftsbesorgung fallen schon vom Wortlaut her nur aktive Tätigkeiten.156 Demgegenüber geht es beim Entherrschungsvertrag um die Nichtvornahme einer Tätigkeit, nämlich die Pflicht des herrschenden Unternehmens, seine Stimme nicht abzugeben. Aus dem gleichen Grund ist ein Auftrag abzulehnen.157 Auch sonstige Vertragstypen des BGB kommen dem Entherrschungsvertrag nicht nahe. Insofern handelt es sich um einen Vertrag sui generis. 3. Der Entherrschungsvertrag als Vertrag zu Gunsten Dritter Abschließend stellt sich die Frage, ob es sich beim Entherrschungsvertrag um einen Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 BGB handelt. Es könnte daran gedacht werden, dass der Entherrschungsvertrag zwar lediglich zwischen abhängigem und herrschendem Unternehmen vereinbart, aber zu Gunsten der Mitgesellschafter geschlossen wird. Jeder Mitgesellschafter könnte dann die Rechte aus dem Entherrschungsvertrag nach § 328 Abs. 1 BGB selbst geltend machen. Ob ein abgeschlossener Entherrschungsvertrag einen Vertrag zu Gunsten Dritter darstellt, beurteilt sich mangels besonderer Vereinbarung im Vertrag nach § 328 Abs. 2 BGB. Hierbei gelten die allgemeinen Regelungen zur Auslegung von Verträgen.158 Entscheidend sind die Vorstellungen redlicher, mit den allgemeinen Verkehrssitten vertrauten Parteien.159 Gegen eine Einordnung eines Entherrschungsvertrages als Vertrag zu Gunsten Dritter spricht bei dieser Auslegung, dass es nicht im 153 154 155 156 157 158 159
Drescher, in MüKo/GmbHG, § 47 Rn. 233; Rieckers, in: Spindler/Stilz, § 136 Rn. 46. Drescher, in MüKo/GmbHG, § 47 Rn. 234; Rieckers, in: Spindler/Stilz, § 136 Rn. 46. Korsmeier, S. 123 f. Heermann, in: MüKo/BGB, § 675 Rn. 5; Martinek, in: Staudinger BGB, § 675 Rn. A 10. Korsmeier, S. 127 f. Gottwald, in: MüKo/BGB, § 328 Rn. 33. Gottwald, in: MüKo/BGB, § 328 Rn. 33.
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Interesse des herrschenden Unternehmens liegt, sich einer Vielzahl von wechselnden, unbekannten Berechtigten auszusetzen. Der Vertrag wird bewusst und für die Vertragsgegenseite erkennbar mit dieser geschlossen (§ 157 BGB). Der Entherrschungsvertrag ist daher im Regelfall kein Vertrag zu Gunsten Dritter. Anderes gilt nur dann, wenn im Vertrag explizit vereinbart wird, dass die Ansprüche aus dem Vertrag auch von sonstigen Gesellschaftern geltend gemacht werden können.160 In einem solchen Fall liegt ein Vertrag zu Gunsten der übrigen Aktionäre vor. Dem steht nicht entgegen, dass es im Kreise der begünstigten Dritten zu einer Änderung der beteiligten Personen kommen kann. Denn es ist grundsätzlich ausreichend, dass die Person des Dritten bestimmbar ist.161 Da Dritte nur berechtigt werden, wenn sie Anteile an der Gesellschaft halten oder erwerben, lassen sich diese ohne weiteres ermitteln und sind damit hinreichend bestimmbar. 4. Ergebnisse zur Einordnung des Vertrages im materiellen Recht Der Entherrschungsvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der sich keinem der im BGB aufgeführten Vertragstypen unmittelbar zuordnen lässt. Es handelt sich um einen Vertrag sui generis, der im Regelfall keinen Vertrag zu Gunsten Dritter darstellt, jedoch als ein solcher bei entsprechender Formulierung im Vertrag geschlossen werden kann. II. Einordnung im Kollisionsrecht Neben der Einordnung des Vertrages im materiellen Recht interessiert die kollisionsrechtliche Einordnung des Entherrschungsvertrages, denn grenzüberschreitende Verflechtungen von Unternehmen sind Legion. 1. Die Ansicht von Becker In einer jüngeren Untersuchung wurde eine Einordnung des Entherrschungsvertrages in das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft vorgeschlagen.162 Dieses komme ins Spiel, da der Entherrschungsvertrag Verfassungsrelevanz besitze. Der Vertrag greife zwar nicht in die Organisation der beteiligten Unternehmen ein, beeinflusse aber dennoch das Wirken der Parteien auf allen Führungsebenen. Durch zumindest teilweise Neutralisierung des Einflusses des herrschenden Unternehmens sei die Willensbildung in der Gesellschaft betroffen.163 Darüber hinaus sei der Vertrag 160
So etwa der Vorschlag von Hoffmann-Becking, in: Münchener Vertragshandbuch Bd. 1, S. 1546. 161 BGH, NJW-RR 2008, 683. 162 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1122 ff.); zustimmend: Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 17 Rn. 43. 163 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1122).
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potentiell haftungsregelnd, weil eine unwirksame Entherrschung die für die finanzielle Integrität der abhängigen Gesellschaft bedeutsame Konzernhaftung aufleben lasse.164 Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation spreche auch Art. 1 Abs. 2 lit f. Rom-I-VO und die Einordnung des Konzernkollisionsrechts, welches an das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft anknüpfe.165 Es entspräche dem actus contrarius, Be- und Entherrschungsvertrag gleich zu behandeln.166 Bei einer schuldrechtlichen Qualifikation bestehe die Gefahr, dass die im Grundsatz freie Rechtswahl dazu führe, die abhängige Gesellschaft zu benachteiligen.167 Eine gesellschaftsrechtliche Einordnung ermögliche demgegenüber den wirksamsten Schutz der abhängigen Gesellschaft. Ansonsten müssten die konzernrechtlichen Schutznormen im Wege der Sonderanknüpfung als Eingriffsrecht gemäß Art. 9 Rom I-VO zur Geltung gebracht werden.168 Auch für wesensähnliche Stimmbindungsverträge oder Vereinbarungen unter Gesellschaftern, welche die Haftung gegenüber der Gesellschaft regeln, werde eine Rechtswahl abgelehnt.169 2. Eigene Einschätzung Der Entherrschungsvertrag ist materiell-rechtlich als schuldrechtlicher Vertrag und nicht als Unternehmens- bzw. Organisationsvertrag einzuordnen. Hieraus folgt jedoch nicht zwingend, dass das Vertragsstatut (lex contractus) eingreift. Auch das Gesellschaftsstatut (lex societatis) kann schuldrechtliche Vereinbarungen erfassen.170 Fraglich ist daher, ob der Entherrschungsvertrag kollisionsrechtlich nach Vertragsstatut oder Gesellschaftsstatut zu qualifizieren ist. Die Einordnung als Schuldvertrag hätte eine freie Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO zur Folge. Bei einer Qualifikation unter das Gesellschaftsstatut findet im Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV die Gründungstheorie Anwendung.171 Gleiches gilt für bilaterale Staatsverträge, die eine Anwendung des Rechts des 164
Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123 f.). Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123). 166 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1124). 167 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1122 f.). 168 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123). 169 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123); auch Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 153 spricht sich dafür aus, Stimmbindungsvereinbarungen zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären wie eine Stimmbindungsvereinbarung unter Gesellschaftern zu behandeln. 170 BGH, NJW 1996, 54 (55); Altmeppen, in: MüKo/AktG, Internationales Konzernrecht, Rn. 55; Müller, in: Spindler/Stilz, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 37; Spahlinger/ Wegen, Rn. 319. 171 BGH, NJW 2009, 289 – „Trabrennbahn“; NJW 2005, 1648; Weller, in: MüKo/GmbHG, Einl. Rn. 350 ff.; Palandt/Thorn, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 1, 5; Müller, in: Spindler/Stilz, Internationales Gesellschaftsrecht Rn. 3 ff; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123); Mehrbrey/ Willemer, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 2 Rn. 99. 165
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Gründungsstaates vorsehen, demgegenüber gilt im Verhältnis zu sonstigen Drittstaaten nach der Rechtsprechung des BGH die (modifizierte) Sitztheorie.172 Das anwendbare Recht wäre demnach nicht frei wählbar. Zur Beantwortung dieser Frage ist die Reichweite des Gesellschaftsstatuts in Bezug auf schuldrechtliche Vereinbarungen und die Abgrenzung zum Vertragsstatut zu ermitteln. Ausgehend von der in Deutschland angewendeten Rom-I-VO sticht zunächst deren Art. 1 Abs. 2 lit. f. ins Auge. Nach dieser Vorschrift sind „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Personen“
von der Rom-I-VO und dem Schuldvertragsstatut ausgenommen. Die Vorschrift führt dazu, dass Gesellschafts- und Vereinsrecht kollisionsrechtlich nicht nach der Rom-I-VO, sondern nach dem nicht kodifizierten internationalen Gesellschaftsrecht behandelt werden.173 Der Entherrschungsvertrag könnte als eine derartige, nach dem internationalen Gesellschaftsrecht zu bestimmende „Frage betreffend das Gesellschaftsrecht“ begriffen werden. Vom Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 lit. f der Rom-I-VO erscheint eine solche Auslegung gedeckt, indes ist sie aufgrund der schuldrechtlichen Wirkung des Entherrschungsvertrages und der in der Vorschrift näher genannten Beispiele, die sich vor allem auf Verhältnisse innerhalb einer Gesellschaft beziehen, keineswegs zwingend. Auch schuldrechtliche Verträge mit Bezug zum Gesellschaftsrecht, wie etwa Gründungsvorverträge, können der Rom-I-VO unterfallen.174 Zur Abgrenzung von Schuldvertrags- und Gesellschaftsstatut bietet es sich daher an, die Qualifikation dem Entherrschungsvertrag ähnelnder Sachverhalte zu betrachten. a) Kollisionsrechtliche Beurteilung von Stimmbindungsverträgen Unzweifelhaft richten sich Fragen der Mitgliedschaft nach dem Personalstatut der Gesellschaft.175 Entscheidend ist das Personalstatut der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht. Dieses bestimmt das korporationsrechtliche Verhältnis zwi172 BGH NJW 2009, 289 – „Trabrennbahn“; NJW 2005, 1648; Weller, in: MüKo/GmbHG, Einl. Rn. 328 ff.; Palandt/Thorn, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 1, 5; Müller, in: Spindler/Stilz Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 3 ff; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123); Mehrbrey/ Willemer, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 2 Rn. 99. 173 Martiny, in: MüKo/BGB, Art. 1 Rom-I VO Rn. 63; Palandt/Thorn Rom-I-VO Art. 1 Rn. 12; Staudinger, in: Schulze, Rom-I-VO Art. 1 Rn. 10. 174 Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 44; Spickhoff, in: BeckOK/BGB, Rom-I-VO Art. 1 Rn. 31; Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art. 1 Rom-I-VO Rn. 21; Martiny, in: MüKo/BGB, Art. 1 Rom-I VO Rn. 69. 175 Leible, in: Michalski GmbHG, IntGesR Rn. 139; Kindler, in: MüKo/BGB Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 588; Müller, in: Spindler/Stilz Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 37.
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schen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter, unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Mehrheits- oder Minderheitsgesellschafter handelt.176 Demgegenüber können schuldrechtliche Nebenabreden der Gesellschafter grundsätzlich dem Vertragsstatut unterfallen und sind damit einer Rechtswahl zugänglich.177 Eine Rechtswahl scheidet nach überwiegender Auffassung allerdings aus, wenn eine Vereinbarung in die Struktur der Gesellschaft eingreift, denn in einem solchen Fall sei die Abrede nach dem Gesellschaftsstatut zu qualifizieren.178 In der Literatur wird dies zum Teil noch dahingehend konkretisiert, dass auch ein mittelbarer Eingriff in die Struktur ausreiche.179 Für Stimmbindungsverträge unter Gesellschaftern geht die überwiegende Auffassung davon aus, dass diese nicht der Parteiautonomie unterlägen, sondern dem Gesellschaftsstatut der Gesellschaft zuzuordnen seien, auf die sich die Stimmbindung beziehe.180 Zwar handele es sich um Schuldverträge, die Verträge seien jedoch auf die Willensbildung in der Hauptversammlung gerichtet und könnten die Struktur der betroffenen Gesellschaft erheblich verändern.181 Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zur Anfechtung von Beschlüssen, die gegen schuldrechtliche Nebenabreden aller Gesellschafter verstoßen, könnten diese sogar über quasi-statutarische Wirkung verfügen.182 Darüber hinaus ergebe sich die Notwendigkeit der Beurteilung nach dem Personalstatut aus Schutzvorschriften wie § 136 Abs. 2 AktG, welche Stimmbindungsvereinbarungen entgegenstehen könnten.183 Eine schuldrechtliche Qualifikation ließe sich nicht einheitlich durchführen, bei unangemessenen Lösungen werde auf verschiedene Ausnahmegrundsätze wie den
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Altmeppen, in: MüKo/AktG, Einl. §§ 291 ff. Rn. 38. Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 592; Müller, in: Spindler/Stilz, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 37. 178 BGH, NJW 1996, 54 (55); Leible, in: Michalski GmbHG, IntGesR, Rn. 141; Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 592; Müller, in: Spindler/ Stilz, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 37; Michalksi, NZG 1998, 762 (763). 179 Leible, in: Michalski GmbHG, IntGesR, Rn. 141; Kindler, in: MüKo/BGB Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 592; Müller, in: Spindler/Stilz, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 37; Michalksi, NZG 1998, 762 (763). 180 Leible, in: Michalski GmbHG, IntGesR, Rn. 141; Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 593; Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 152; Michalksi, NZG 1998, 762 (763); Overrath, ZGR 1974, 86 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, § 14 IV 1 b); anders noch RGZ, 161, 296 (298 f.): Für das anzuwendende Recht bei Stimmbindungsverträgen ist in erster Linie der Parteiwille maßgeblich; a.A. auch Mäsch, in: BeckOK/BGB EGBGB, Anh. II Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 77; Grasmann, S. 526 f.; Lübbert, S. 469 ff.; differenzierend Büssemaker, S. 334 ff. 181 Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 593; Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 152; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, § 14 IV 1 b). 182 Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 593. 183 Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 593; Spahlinger/Wegen, Rn. 319; Koppensteiner Internationale Unternehmen, S. 152. 177
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ordre public oder den „reinen Inlandssachverhalt“ zurückgegriffen.184 Eine einheitliche und rechtssichere Lösung werde nur über die gesellschaftsrechtliche Qualifikation erreicht.185 Zur Vermeidung einer Statutenspaltung soll das Gesellschaftsstatut auch für die Regelung von Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Vereinbarung gelten.186 b) Kollisionsrechtliche Beurteilung des Entherrschungsvertrages Untersucht man nunmehr die für eine Qualifikation des Entherrschungsvertrages unter das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft vorgebrachten Argumente, vermag zunächst der pauschale Verweis auf das Konzernkollisionsrecht nicht zu überzeugen. Es ist zumindest verkürzt dargestellt, dass das Konzernkollisionsrecht an das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft anknüpfe. Das Konzernkollisionsrecht knüpft an das Statut der hauptbetroffenen Gesellschaft an.187 Demnach entscheidet über den Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und Gläubiger das Statut der abhängigen Gesellschaft.188 Soweit es demgegenüber um Rechtsinstitute des Konzernrechts geht, die den Schutz des herrschenden Unternehmens betreffen, ist dessen Gesellschaftsstatut berufen. Gedacht wird hier etwa an Zustimmungspflichten der Hauptversammlung.189 Dementsprechend müssen Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge den Voraussetzungen beider Gesellschaftsstatute entsprechen, eine Rechtswahl kommt nicht in Betracht.190 Bezogen auf den Entherrschungsvertrag lässt sich nicht ohne weiteres annehmen, die abhängige Gesellschaft sei hauptbetroffen. Denn der Entherrschungsvertrag hat durch den Verzicht auf Stimmrechte nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf das herrschende Unternehmen und seine Gesellschafter, deren Einfluss infolge des Stimmrechtsverzichts sinkt. Das herrschende Unternehmen und nicht die abhängige Gesellschaft wird durch den Entherrschungsvertrag verpflichtet. Ein alleiniger Blick auf die Gefahren für die abhängige Gesellschaft wird dem Entherrschungsvertrag nicht gerecht.
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Overrath, ZGR 1974, 86 (92 ff.). Overrath, ZGR 1974, 86 (95 f.). 186 Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 615; Spahlinger/Wegen, Rn. 319; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, § 14 IV 1 b). 187 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 90; Leible, in: Michalski GmbHG, IntGesR, Rn. 218. 188 Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 681; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 173, 175. 189 Altmeppen, in: MüKo/AktG, Einleitung vor §§ 291 ff. Rn. 43 f.; Kindler, in: MüKo/ BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 681; Veil, in: Spindler/Stilz, Vorb. §§ 291 ff. Rn. 47. 190 Servatius, in: Henssler/Strohn, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 420 ff. 185
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
Nicht überzeugen kann auch der Vergleich mit der Behandlung des Beherrschungsvertrages und das vorgebrachte actus-contrarius-Argument. Wie bereits angeführt beurteilen sich Beherrschungsverträge nicht ausschließlich nach dem Statut der abhängigen Gesellschaft. Darüber hinaus stehen Beherrschungsvertrag und Entherrschungsvertrag weder in einem actus-contrarius-Verhältnis noch sind sie miteinander vergleichbar. Der dem öffentlichen Recht entnommene actus-contrarius-Gedanke (lat. actus contrarius = gegenteilige Handlung) besagt, dass eine Rechtshandlung, die eine vorherige Handlung aufhebt oder ändert, den gleichen Voraussetzungen unterliegt wie die vorherige Handlung.191 Der Entherrschungsvertrag dient jedoch nicht dazu, einen Beherrschungsvertrag aufzuheben oder rückgängig zu machen. Gegenteilige Handlung zum Beherrschungsvertrag ist die Aufhebung des Beherrschungsvertrages, § 296 AktG. Der Vergleich zwischen § 296 AktG (Aufhebung des Beherrschungsvertrages ohne Zustimmungsbeschluss) und § 293 AktG (Abschluss eines Beherrschungsvertrages nur mit Zustimmung der Hauptversammlung) verdeutlicht im Übrigen auch, dass ein allgemeiner actuscontrarius-Gedanke in diesem Zusammenhang nicht existiert.192 Die fehlende Vergleichbarkeit zwischen Entherrschungs- und Beherrschungsvertrag zeigt sich daran, dass der Beherrschungsvertrag als körperschaftlicher Organisationsvertrag unmittelbar in die Verfassung der abhängigen Gesellschaft eingreift. Demgegenüber bewirkt der Entherrschungsvertrag nur eine schuldrechtliche Verpflichtung, in der sich das beteiligte Unternehmen in seinen Stimmrechten beschränkt. Hieraus folgt dann aufgrund von § 17 Abs. 1 und 2 AktG und den hieran anknüpfenden Rechtsfolgen eine lediglich mittelbare Verfassungsrelevanz für die abhängige Gesellschaft. Überzeugender ist es vielmehr, anknüpfend an die stets vorliegende Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft und ausgehend vom allgemeinen Grundsatz, dass das Gesellschaftsstatut alle gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse erfasst193, auch den Entherrschungsvertrag, seinen Inhalt, seine Zulässigkeit, seine Rechtsfolgen und die Mitwirkungserfordernisse auf Seiten der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen. Denn nur diese Einordnung wird der gesellschaftsrechtlichen Zielrichtung des Entherrschungsvertrages gerecht, die Abhängigkeit der Gesellschaft auszuschließen. Das Interesse der Parteien an einer freien Rechtswahl des anwendbaren Rechts für den Entherrschungsvertrag ist daneben als gering einzuschätzen. Für die Parteien ist vor allem von Interesse, ob ein Entherrschungsvertrag geeignet ist, Abhängigkeit auszuschließen. Diese Frage beurteilt sich jedoch nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft. Dieses entscheidet darüber, ob konzernrechtliche 191
Bleckmann, JuS 1988, 174 f. Grüner, NZG 2001, 35 (36 f.); Khonsari, BB 2010, 2714. 193 BGH, NJW 1957, 1433; Leible, in: Michalski GmbHG, IntGesR, Rn. 137; Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 521; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Anh. zu § 13 GmbHG Rn. 173; Michalski, NZG 1998, 762 (763). 192
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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Schutzvorschriften eingreifen.194 Die Wirkung des Entherrschungsvertrages würde sich damit in jedem Fall nach dem Personalstatut der abhängigen Gesellschaft beurteilen. Doch bestimmen die konzernrechtlichen Schutzvorschriften für die abhängige Gesellschaft nicht nur die Wirkung des Entherrschungsvertrages, sondern auch seinen Inhalt. Der Entherrschungsvertrag muss Abhängigkeit ausschließen. Welche Maßnahmen hierfür erforderlich werden, ob zum Beispiel eine gegenständlich umfassende Stimmrechtsbeschränkung im Vertrag notwendig ist oder der Vertrag der Absicherung bedarf, kann nur nach dem Personalstatut der abhängigen Gesellschaft beurteilt werden, welches das Vorliegen von Abhängigkeit definiert. Eine freie Rechtswahl, die den Entherrschungsvertrag einem anderen Recht als dem der abhängigen Gesellschaft unterstellt, hätte somit stets die Vorgaben des Personalstatuts zu berücksichtigen, damit der Vertrag die intendierten Wirkungen entfalten kann. Werden jedoch Inhalt und Wirkung des Vertrages bereits nach dem Personalstatut der abhängigen Gesellschaft beurteilt, ist das Interesse an einer freien Wahl eines anderen Statuts gering. Die Zuordnung zum Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft gewährleistet daneben auch einen wirksamen Schutz vor Umgehungen der an Abhängigkeit knüpfenden Rechtsfolgen.195 Materiell-rechtliche Schutznormen wie § 136 Abs. 2 AktG deuten darauf hin, dass Verträge zwischen einer Gesellschaft und ihrem Aktionär über die Ausübung der Stimmabgabe nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen sind.196 Darüber hinaus befindet sich die Qualifikation im Einklang mit der Einordnung von Stimmbindungsverträgen.197 Auch bei diesen handelt es sich um schuldrechtliche Verträge, die jedoch wie der Entherrschungsvertrag nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die abhängige Gesellschaft haben können. Weiter würde es eine nicht überzeugende Aufspaltung der für den Entherrschungsvertrag maßgeblichen Regelungen bedeuten, wenn eine Zuordnung zum Vertragsstatut erfolgte. So wären Fragen nach der Durchsetzung des Vertrages zum Teil dem Vertragsstatut, insbesondere hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche, zum Teil nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen, denn dieses ist für die Fragen der Auswirkungen vertragswidriger Stimmabgaben auf einzelne Beschlüsse berufen.198 Eine solche Aufspaltung der Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages lässt sich durch eine Zuordnung des Entherrschungsvertrages zum Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft vermeiden.
194
BGH, NZG 2005, 214 (215); Servatius, in: Henssler/Strohn, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 424; Kindler, in: MüKo/BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 681. 195 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123). 196 Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 153. 197 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1123). 198 Lübbert, S. 477.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
Der Einordnung von Becker in das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft199 kann daher im Grundsatz gefolgt werden. Die Auffassung ist jedoch zu modifizieren, denn, wie geschildert, richtet diese den Blick zu einseitig auf die Auswirkungen des Entherrschungsvertrages in der abhängigen Gesellschaft und vernachlässigt den Schutz des herrschenden Unternehmens und seiner Gesellschafter. Auch diese sind durch den Abschluss des Entherrschungsvertrages betroffen. Denn der Entherrschungsvertrag bindet das bis zu seinem Abschluss herrschende Unternehmen und der Einfluss seiner Gesellschafter auf die Beteiligung sinkt. Demnach gilt Folgendes: Zulässigkeit, Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages sind nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen. Gleiches gilt auch für die Mitwirkung weiterer Gesellschaftsorgane wie etwa der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrates der abhängigen Gesellschaft. Fragen, die für Gesellschafter und Gläubiger des herrschenden Unternehmens von Bedeutung sind, sind hingegen gesondert nach dessen Gesellschaftsstatut zu beurteilen. Von dieser gesonderten Anknüpfung sind beispielsweise die Fragen, ob die Haupt- oder Gesellschafterversammlung mitwirken muss oder eine besondere Erlaubnis in der Satzung notwendig ist, erfasst. 3. Ergebnis Kollisionsrechtlich beurteilen sich Zulässigkeit, Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft. Fragen, die für Gesellschafter und Gläubiger des herrschenden Unternehmens von Bedeutung sind, beurteilen sich hingegen gesondert nach dessen Gesellschaftsstatut.
D. Die aktienkonzernrechtliche Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages Beruft das Gesellschaftsstatut deutsches Recht, stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages im Aktienrecht. Während die Rechtsprechung bisher von der Zulässigkeit von Entherrschungsverträgen ausgeht,200 sind in der Literatur vereinzelt Bedenken laut geworden.201 199 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1122 ff.); zustimmend: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43. 200 BAG, NZA 2007, 999; LAG Bremen, Beschluss v. 9. 8. 2012 – 3 TaBV 19/11; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 12793; OLG Hamm, NZG 2001, 563; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22. 7. 1993 – 6 U 84/92; OLG Köln, ZIP 1993, 110 (112) – „Winterthur ./. Nordstern“; OVG NRW, Beschluss v. 30. 06. 2010 – 13 B 645/10; LG Mainz, AG 1991, 30 ff. – „Massa ./. Asko“; ArbG, Düsseldorf BeckRS 2004, 40924; VG Hannover, Beschluss v. 28. 7. 2011 – 10 B 612/11. 201 Insbesondere Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 ff.; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 62; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 810.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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I. Verzicht auf konzernrechtliche Schutzbestimmungen Gegen die Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages wird eingewandt, die abhängige Gesellschaft könne nicht durch Vertrag auf den zwingenden Schutz, den das Konzernrecht zugunsten Dritter und der Öffentlichkeit vorgesehen habe, verzichten. Die gleiche Interessenlage, die zur Schaffung von zwingenden Regelungen zwischen abhängigen und herrschenden Unternehmen geführt habe, bestehe auch bei Abschluss des Entherrschungsvertrages.202 Diese Ansicht wurde jedoch von Hommelhoff überzeugend widerlegt. Zwar soll mit einem Entherrschungsvertrag das Eingreifen der Schutzvorschriften des Konzernrechts verhindert werden, diese Wirkung tritt aber nur dann ein, wenn der Vertrag die Abhängigkeit wirksam und effektiv beseitigt. Der Entherrschungsvertrag beseitigt nicht die Schutzinstrumente des Gesetzes, sondern vielmehr die Gefahr, vor der das Gesetz schützen will. Es kommt auch nicht auf eine mögliche Abhängigkeit bei Abschluss des Entherrschungsvertrages an, sondern auf das Ergebnis, nämlich die Beseitigung der Gefahr.203 Mit anderen Worten: Gibt es tatbestandlich keine abhängige Gesellschaft, greifen auch die an Abhängigkeit nach § 17 AktG anknüpfenden Vorschriften nicht ein.204 II. Verstoß gegen § 134 Abs. 1 S. 5 AktG Auch ein Verstoß gegen § 134 Abs. 1 S. 5 AktG kann nicht angenommen werden. Dieser verbietet die Einführung von Stimmrechtsbeschränkungen für einzelne Aktionäre in der Satzung. Der Entherrschungsvertrag erfolgt jedoch nicht in Form der Satzung und wirkt, anders als Stimmrechtsbeschränkungen in der Satzung, nur schuldrechtlich (dazu siehe unten unter § 4 F.).205 III. Verstoß gegen § 136 Abs. 2 AktG Bedenken werden auch vor dem Hintergrund des § 136 Abs. 2 AktG geäußert. Gemäß § 136 Abs. 2 AktG ist ein Vertrag, durch den sich ein Aktionär verpflichtet, nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft oder nach Weisung einer abhängigen Gesellschaft das Stimmrecht auszuüben, nichtig. Ebenso ist ein Vertrag nichtig, durch den sich ein Aktionär verpflichtet für 202
Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 62; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 810. 203 Hommelhoff, S. 82, 83 Fn. 10. 204 Der Ansicht Hommelhoffs folgend: Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1124); Götz, S. 7; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (66 f.); Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (319); Jäger, DStR 1995, 1113 (1114); Korsmeier, S. 8; Pesch, S. 119 f. 205 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 80; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1124); Jäger, DStR 1995, 1113 (1114); Pesch, S. 120 ff.
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die jeweiligen Vorschläge des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft zu stimmen. Fraglich ist, ob § 136 Abs. 2 AktG damit auch einem Entherrschungsvertrag entgegensteht. In der Literatur ist dies vereinzelt vertreten worden.206 Der Wortlaut der Norm spricht jedoch klar gegen diese Annahme. Die in § 136 Abs. 2 AktG genannten Fälle erfassen die aktive Ausübung der Stimmabgabe nach Weisung.207 Solche Verpflichtungen werden durch den Abschluss eines Entherrschungsvertrages nicht übernommen.208 Auch nach der Gesetzesbegründung enthält die Norm kein allgemeines Verbot der Einflussnahme, diese soll nur bestimmte Fälle der Abstimmung erfassen.209 Es soll verhindert werden, dass die Verwaltung für Abstimmungsergebnisse sorgt, die ihr genehm sind.210 Dies gelingt der Verwaltung allerdings bei Vorliegen eines Entherrschungsvertrages nicht, da nur das herrschende Unternehmen aus dem Kreis der Abstimmungsberechtigten herausgenommen wird. Insofern steht auch § 136 Abs. 2 AktG dem Abschluss eines Entherrschungsvertrages nicht entgegen. IV. Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung 1. Die Ansicht von Hüttemann Hüttemann sieht im Abschluss eines Entherrschungsvertrages einen Verstoß gegen die gesetzliche Kompetenzordnung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung.211 Diese verbiete jede grenzüberschreitende Einflussnahme. Denn § 134 Abs. 1 AktG verdeutliche, dass selbst die Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft als betroffenes Organ nur in begrenzter Weise auf die Stimmrechtsverhältnisse Einfluss nehmen könne, dies müsse doch „erst recht“ für ein fremdes Organ wie den Vorstand gelten, der den Vertrag abschließe.212 Dieser Grundsatz sei notwendige systemimmanente Voraussetzung des aktienrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips und als solches der vertraglichen Disposition wegen § 23 Abs. 5 AktG entzogen.213 Der Entherrschungsvertrag sei daher nur zu rechtfertigen, wenn hierin eine Maßnahme der Geschäftsführung des Vorstandes liege und es nicht dem Wesensgehalt der horizontalen Organisationsstruktur widerspreche, dass der Vorstand unmittelbar Einfluss auf die Hauptversammlung nehme.214 Die Frage der 206 Geßler, in: Geßler/Hefermehl, § 17 Rn. 106; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 63 f. 207 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (323); Pesch, S. 127. 208 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109; Götz, S. 6. 209 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (322 f.) mit dem zutreffenden Verweis auf den Ausschussbericht bei Kropff, S. 201. 210 Hüffer/Koch, § 136 Rn. 25. 211 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (324). 212 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (324 f.). 213 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (324 f.). 214 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (325).
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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Zusammensetzung des Kreises der Anteilseigner und der Einflussnahme einzelner Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung liege jedoch außerhalb der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstandes.215 Denn aufgrund der bloß schuldrechtlichen Wirkung des Vertrages obliege es dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft, den Großaktionär mittels Erfüllungsklage zum Stimmrechtsverzicht zu bewegen, so dass nur der Vorstand über Abhängigkeit und Unabhängigkeit der Gesellschaft entscheide.216 Entherrschungsverträge sollen daher nach den §§ 23 Abs. 5, 76 AktG nichtig sein.217 Auch eine „Heilung“ infolge einer Mitwirkung der Hauptversammlung komme nicht in Betracht.218 2. Eigene Einschätzung Die Ansicht Hüttemanns ist zu Recht auf Ablehnung gestoßen. Der Entherrschungsvertrag weicht nicht von zwingendem Aktienrecht ab.219 Bereits § 23 Abs. 5 S. 2 AktG verdeutlicht, dass das AktG ergänzende Regelungen zulässt.220 § 134 AktG ist keine abschließende Zuweisung der Kompetenz an die Hauptversammlung zu entnehmen, die eine Maßnahme des Vorstandes verbietet. Die Vorschrift weist der Hauptversammlung die Kompetenz für Stimmrechtsbeschränkungen zu, weil diese in Form der Satzung erfolgen.221 Die Frage, inwieweit der Vorstand Verträge mit Bezug zur Hauptversammlung schließen darf, wird vielmehr von § 136 Abs. 2 AktG geregelt.222 Dieser Vorschrift lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Entherrschungsvertrag unzulässig ist.223 Auch fehlt es an einer strategischen Einflussmöglichkeit des Vorstandes, weil dieser gemäß § 93 Abs. 1 AktG zur Durchsetzung des Vertrages verpflichtet ist.224 V. Ergebnis Bedenken gegen die aktienrechtliche Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages bestehen daher nicht.225 215
Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (325). Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (326). 217 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (328). 218 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (328 f). 219 K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (994). 220 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (67); Jäger, DStR 1995, 1113 (1115). 221 Pesch, S. 132 ff. 222 Pesch, S. 132 ff. 223 Pesch, S. 134. 224 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (67 f.); Jäger, DStR 1995, 1113 (1115); Korsmeier, S. 8; Pesch, S. 136; Seydel, S. 288 Fn. 75. 225 So auch die Rsprg. und die ganz h.L.: BAG, NZA 2007, 999; LAG Bremen, Beschluss v. 9. 8. 2012 – 3 TaBV 19/11; OVG NRW, BeckRS 2010, 50509; OLG Hamm, NZA 2001, 563; OLG Köln, ZIP 1993, 110 (112) – „Winterthur ./. Nordstern“; LG Mainz, AG 1991, 30 ff. – 216
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E. Wirksamkeitsvoraussetzungen des Entherrschungsvertrages Die aktienrechtliche Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages sagt allerdings noch nichts darüber aus, welchen Voraussetzungen der Entherrschungsvertrag genügen muss, um die intendierte Wirkung zu entfalten. I. Allgemeine Voraussetzungen Es dürfte allgemein anerkannt sein, dass zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung und zum Ausschluss von Abhängigkeit ein Vertrag erforderlich ist. Mangels Unverbindlichkeit sind einseitige Erklärungen nicht ausreichend.226 1. Der Abschluss des Vertrages Die Vertretung bei Abschluss des Entherrschungsvertrages obliegt gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich dem Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft. Gleiches gilt für das herrschende Unternehmen, sofern es sich bei diesem ebenfalls um eine Aktiengesellschaft handelt. Fraglich und umstritten sind jedoch die weiteren Anforderungen an den Abschluss des Entherrschungsvertrages, wenn es sich bei beiden Vertragsparteien um Aktiengesellschaften handelt. a) Herrschendes Unternehmen So soll für den Abschluss des Entherrschungsvertrages nach überwiegender Auffassung eine Satzungsbestimmung im herrschenden Unternehmen erforderlich sein, welche die kapitalistische Beteiligung gesondert erlaube.227
„Massa ./. Asko“; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 60; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Happ, S. 432; Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968; Götz, S. 8; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (68). 226 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 37; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109; Barz FS Bärmann, S. 185 (194); Geßler, DB 1965, 1691 (1696); Jäger, DStR 1995, 1113 (1115); Möhring, FS Westermann, S. 427 (432). 227 Hommelhoff, S. 84 ff.; Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 18; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 114; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 109; Schall, in: Spindler/ Stilz, § 17 Rn. 52; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 63; Happ, S. 434; Götz, S. 85 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70 f.); Korsmeier, S. 207.
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aa) Erfordernis einer Satzungsbestimmung (1) Satzungsbestimmung notwendig Nach Hommelhoff bewirkt der Abschluss des Entherrschungsvertrages, dass eine Beteiligung nicht mehr unternehmerisch, sondern schlicht kapitalistisch gehalten werde.228 Es sei das „betonte Ziel des Entherrschungsvertrages, die Rechtsposition der beteiligten Gesellschaft auf die einer bloßen Anlagegesellschafterin zurückzuschneiden.“229
Bei dieser Form der kapitalistischen Beteiligungsverwaltung handele es sich um eine besondere Form der gesellschaftsrechtlichen Betätigung, so dass eine Erlaubnis in der Satzung nötig sei.230 Ohne Satzungsbestimmung würde sich der Vorstand satzungswidrig außerhalb der ihm zugewiesenen eigenverantwortlichen Konzernleitung bewegen, da er in den Kompetenzbereich des Satzungsgebers einbreche, denn der Entherrschungsvertrag greife in den Unternehmensgegenstand der Konzernspitze ein.231 Eine allgemeine Konzernöffnungsklausel, welche die kapitalistische Beteiligung nicht gesondert erlaube, reiche demnach nicht aus.232 Dieser Auffassung hat sich die überwiegende Ansicht in der Literatur angeschlossen, auch soweit eine allgemeine Pflicht zur Konzernleitung abgelehnt wird.233 Ausgehend vom Schutzzweck des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG dürfe sich der Vorstand der Beteiligungsrechte durch den Entherrschungsvertrag nur begeben, wenn der Satzungsgeber ihn hierzu ermächtigt habe.234 Denn mit dem Abschluss des Entherrschungsvertrages verzichte das Unternehmen auf seinen herrschenden Einfluss und die Beteiligung werde nur als Kapitalanlage gehalten. Der Vorstand überschreite seine durch den satzungsmäßigen Geschäftsgegenstand festgelegte Geschäftsfüh-
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Hommelhoff, S. 84. Hommelhoff, S. 84. 230 Hommelhoff, S. 84. 231 Hommelhoff, S. 84; Liebscher, in: Müller/Rödder, Handbuch der AG, § 15 Rn. 20. 232 Hommelhoff, S. 84, 47 f. 233 Hirschmann, in: Hölters, § 17 Rn. 18; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 114; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 109; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Götz, S. 85 ff.; Happ, S. 434; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70 f.); Korsmeier, S. 207; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 63; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 59 Rn. 29; Rehbinder, ZHR 147 (1983), 464 (468 f.); K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (995); in diese Richtung auch Kropff, ZGR 1984, 113 (128); a.A. Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 82: keine verallgemeinernde Aussage ohne Rücksicht auf den konkreten Unternehmensgegenstand und die Bedeutung der Beteiligung möglich. 234 Götz, S. 86; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70 f.); ähnlich K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (995): Einschränkung des strategischen Ermessens des Vorstandes durch den Entherrschungsvertrag bedürfe verbandsrechtlicher Legitimation. 229
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rungsbefugnis, wenn es an einer Erlaubnis der kapitalistischen Beteiligungsverwaltung in der Satzung fehle.235 (2) Keine Satzungsbestimmung notwendig Demgegenüber wird lediglich vereinzelt vertreten, dass eine Satzungsregelung nicht erforderlich sei.236 Auch bei Abschluss des Entherrschungsvertrages handele es sich nicht um eine bloße kapitalistische Beteiligung, da sich das beteiligte Unternehmen nur dazu verpflichte, bei Personalentscheidungen nicht die Mehrheit auszuüben.237 Dieses behalte seine Rechte weiter und könne selbst bei Personalentscheidungen bis zu einer bestimmten Grenze mitwirken.238 (3) Eigene Einschätzung Auch wenn das Fehlen einer Satzungsbestimmung die bestehende Vertretungsmacht des Vorstandes gemäß §§ 78, 82 Abs. 1 AktG nicht beeinträchtigt, so dass der Entherrschungsvertrag auch ohne Vorliegen wirksam wäre,239 handelt es sich bei der Frage nach dem Erfordernis einer Satzungsbestimmung keineswegs um eine nur theoretischer Natur. Satzungswidriges Verhalten eines Vorstandes stellt eine Pflichtverletzung dar, die Schadensersatzansprüche gemäß § 93 AktG oder eine Abberufung nach sich ziehen kann.240 Nicht gefolgt werden kann in Einklang mit der herrschenden Lehre der Auffassung von Hommelhoff, die maßgeblich auf der Idee einer Konzernleitungspflicht fußt. Eine solche Pflicht besteht – insbesondere mangels Weisungsrechts – nicht.241 Auch stellt der Entherrschungsvertrag keinen Eingriff in den Gesellschaftszweck (im Regelfall: Gewinnerzielung242) des herrschenden Unternehmens dar. Rechtlicher Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist vielmehr § 82 Abs. 2 AktG, nachdem der Vorstand die Beschränkungen der Satzung einzuhalten hat. Der Vor-
235 Götz, S. 85 f.; Korsmeier, S. 207; Rehbinder, ZHR 147 (1983), 464 (468 f.); zustimmend Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70 f.). 236 Pesch, S. 139 f. 237 Pesch, S. 139 f. 238 Pesch, S. 140. 239 Adler/Düring/Schmaltz, § 17 AktG Rn. 119; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 82; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 114; a.A.: Götz, S. 88: Mißbrauch der Vertretungsmacht. 240 OLG Köln, NZG 2009, 1233; OLG München, BeckRS 2009, 04379; Fleischer, in: MüKo/GmbHG, § 43 Rn. 29; Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 23 Rn. 38, § 82 Rn. 19; Götz, S. 86; Timm, S. 88. 241 Hölters, in: Hölters, § 76 Rn. 51; Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 27; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 71 Rn. 160; Götz, S. 100 ff.; Götz, AG 1984, 85 (91); K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (991 f.). 242 Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 82 Rn. 12; Timm S. 27.
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stand darf den durch die Satzung begrenzten Unternehmensgegenstand nicht überoder unterschreiten.243 Der geschilderten Mindermeinung, die das Erfordernis einer Satzungsbestimmung ablehnt, ist zwar insoweit beizupflichten, dass aufgrund der begrenzten inhaltlichen Reichweite des Verzichts auf die Stimmrechtsausübung auch weiterhin Einfluss ausgeübt werden kann. Allerdings berücksichtigt diese nicht hinreichend die von der herrschenden Auffassung vollzogene Differenzierung zwischen einer unternehmerischen und einer kapitalistischen Beteiligung. Die rechtlich durchsetzbare Verpflichtung des herrschenden Unternehmens, bei den Aufsichtsratswahlen keine Mehrheit auszuüben, führt nämlich zur Einordnung als kapitalistische Beteiligung. Die Frage, ob eine kapitalistische Beteiligung vorliegt oder nicht, wird im Rahmen der Festlegung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes relevant. Während mittlerweile weitestgehend Einigkeit besteht, dass der Erwerb von Beteiligungen der statutarischen Gestattung vermittels einer sogenannten KonzernKlausel in der Satzung des herrschenden Unternehmens bedarf,244 ist die Reichweite derartiger Klauseln umstritten. Eine übliche Konzern-Klausel oder Konzernöffnungsklausel lautet beispielsweise: „Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann zu diesem Zweck ihre Geschäftstätigkeiten auch durch Tochter-, Gemeinschafts- und Beteiligungsunternehmen ausüben sowie Unternehmens- und Kooperationsverträge mit anderen Unternehmen abschließen.“245
Mit einer solchen Klausel erweitern die Aktionäre den Handlungsspielraum des Vorstandes, so dass dieser nicht verpflichtet ist, den Gegenstand des Unternehmens ausschließlich durch eine eigene operative Tätigkeit auszuüben, sondern hierfür auch Gesellschaften oder Beteiligungen einsetzen darf.246 Aufgrund des Sachverhaltes, in dem ein Entherrschungsvertrag geschlossen wird, kann davon ausgegangen werden, dass eine solche Klausel in der Regel vorliegen wird. Nach verbreiteter Auffassung soll eine Konzernöffnungsklausel nur die unternehmerische, nicht jedoch die kapitalistische Beteiligung an anderen Gesellschaften erlauben, denn der Unternehmensgegenstand sei zum Schutze der Organkompe-
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Hüffer/Koch, § 82 Rn. 9; Spindler, in: MüKo/AktG, § 82 Rn. 34; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, § 23 Rn. 32, § 82 Rn. 13; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 82 Rn. 29 ff.; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 70 Rn. 7; Timm, S. 87. 244 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, Vorb. § 291 Rn. 60; Stein, in: MüKo/ AktG, § 179 Rn. 113; Holzborn, in: Spindler/Stilz, § 179 Rn. 69; Timm, S. 88 ff.; eine Ausnahme gilt für Holding-Gesellschaften und Annex-Tätigkeiten, vgl. Stein, in: MüKo/AktG, § 179 Rn. 110, 113; a. A.: Götz, AG 1984, 85 (90). 245 Beispiel nach OLG Frankfurt, BeckRS 2008, 09332. 246 BGH, NZG 2004, 571 (575); OLG Frankfurt, BeckRS 2008, 09332.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
tenzen im Unternehmen grundsätzlich eng auszulegen.247 Als unternehmerische Beteiligungen werden solche angesehen, die mit einer Beherrschungsmöglichkeit verbunden sind.248 Hieraus erklärt sich, warum die herrschende Ansicht nach Abschluss des Entherrschungsvertrages eine kapitalistische Beteiligung annimmt. Denn mangels Beherrschungsmöglichkeit (§ 17 AktG) liegt keine unternehmerische, sondern eine kapitalistische Beteiligung vor. Die Satzung des herrschenden Unternehmens bedürfte für den Abschluss des Entherrschungsvertrages daher einer Modifikation in dem Sinne, dass eine kapitalistische Beteiligung erlaubt ist. Dennoch kann dem nur dahingehend gefolgt werden, dass nach Abschluss des Entherrschungsvertrages eine kapitalistische und keine unternehmerische Beteiligung vorliegt. Eine Modifikation der Satzung ist dessen ungeachtet nicht notwendig. Nach zutreffender Auffassung erfassen Konzernöffnungsklauseln sowohl die unternehmerische, als auch die kapitalistische Beteiligung.249 Andernfalls würde es darauf hinauslaufen, dass der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung, welche unternehmerischen Einfluss begründet, in einem Schlag zulässig wäre, während der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung, die keinen unternehmerischen Einfluss begründet, mit späterer Aufstockung unzulässig wäre.250 Da dies wenig überzeugt, erfassen Konzernöffnungsklauseln auch die kapitalistische Beteiligungsverwaltung. Der Abschluss eines Entherrschungsvertrages führt – wenn wie im Regelfall eine Konzernöffnungsklausel vorliegt – somit nicht zu einer Überschreitung der Satzung des herrschenden Unternehmens durch den Vorstand. Aber auch eine Unterschreitung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes wird durch den Entherrschungsvertrag nicht bewirkt. Eine Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes liegt vor, wenn das satzungsmäßige Betätigungsfeld dauerhaft nicht ausgeschöpft wird.251 Eine solche Situation kann eintreten, wenn die Veräußerung einer Beteiligung zu einer endgültigen Aufgabe der statutarisch festgeschriebenen Tätigkeit führt.252 Dies ist jedoch bei Abschluss eines Entherrschungsvertrages nicht der Fall. Infolge der Konzernöffnungsklausel ist die mittel247
S. 47 f.
Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, Vorb. § 291 Rn. 64; Hommelhoff,
248 Stein, in: MüKo/AktG, § 179 Rn. 109; Holzborn, in: Spindler/Stilz, § 179 Rn. 66; Hommelhoff, S. 46 f.; der Begriff ist allerdings strittig. Ordnet man den Begriff unternehmerische Beteiligung i.S. einer Beteiligung i.H.v. 25 % ein (so Timm, S. 96 ff.) wäre in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Entherrschungsvertrag mit seiner Stimmrechtsbeschränkung zu einer unternehmerischen oder einer kapitalistischen Beteiligungsverwaltung führt, abhängig davon, inwieweit die Stimmrechte schuldrechtlich begrenzt werden. Kütting, BB 1979, 1120 nimmt wiederum bei Vorliegen bloßer Abhängigkeit eine Finanzbeteiligung an. 249 OLG Frankfurt, BeckRS 2008, 09332; Stein, in: MüKo/AktG, § 179 Rn. 111; in diese Richtung auch Rittner, AcP 183 (1983), 295 (301). 250 OLG Frankfurt, BeckRS 2008, 09332; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 16a, Groß, AG 1994, 266 (270). 251 Hüffer/Koch, § 179 Rn. 9a; Fleischer, in: Spindler/Stilz § 82 Rn. 31; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 70 Rn. 7. 252 Kubis, in: MüKo/AktG, § 119 Rn. 66.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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bare Ausübung der statutarischen Tätigkeit durch Beteiligung an Gesellschaften gedeckt. Darüber hinaus führt der Abschluss des Entherrschungsvertrages auch nicht zu einer endgültigen Aufgabe der eigenen unternehmerischen Tätigkeit des herrschenden Unternehmens, da der Vertrag sowohl zeitlich als auch gegenständlich begrenzt ist und daneben auch stets eine außerhalb der Gesellschaft liegende Interessenbindung des herrschenden Unternehmens existiert (siehe die Definition des Unternehmensbegriffes oben unter § 3 C.).253 Der Entherrschungsvertrag ist mit einer dinglich wirkenden Beteiligungsveräußerung nicht vergleichbar, dieser stellt aufgrund seiner beschränkten inhaltlichen Reichweite vielmehr ein aliud dar, welches weder zu einer Satzungsüber- noch unterschreitung führt. (4) Ergebnis Enthält die Satzung des herrschenden Unternehmens wie im Regelfall eine allgemeine Konzernöffnungsklausel, deckt diese auch den Abschluss eines Entherrschungsvertrages. bb) Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung Äußerst umstritten ist auch die Frage nach einer Zustimmung der Hauptversammlung in der herrschenden Aktiengesellschaft. (1) Die Ansicht von Möhring Schon früh hat Möhring ein Zustimmungserfordernis aus einer Analogie zu den §§ 293, 294 AktG hergeleitet. Bestehe beim Beherrschungsvertrag die Gefahr, dass die Aktionäre der beherrschten Gesellschaft Konzerninteressen geopfert würden und deshalb eine Zustimmung der Hauptversammlung notwendig sei, bestünde für die Anteilseigner des verzichtenden Unternehmens beim Entherrschungsvertrag die Gefahr, dass dieses weniger Gewinn als im Falle der Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft erwirtschafte.254 Dieser Auffassung ist die überwiegende Ansicht jedoch nicht gefolgt.255 Ob ein herrschendes Unternehmen nach Abschluss eines Entherrschungsvertrages weniger Gewinn erwirtschafte, lasse sich in dieser Abstraktheit nicht feststellen. Ganz im Gegenteil bestehe sogar die Möglichkeit, dass eine vormals abhängige Gesellschaft, befreit vom beherrschenden Einfluss, besser agiere und hiervon auch das verzichtende Unternehmen als Gesellschafter profitiere.256 Zudem könne dieses die Ab253
Pesch, S. 140. Möhring, FS Westermann, S. 427 (435 f.); im Ergebnis Möhring folgend: Korsmeier, S. 213 ff. 255 LG Mainz, AG 1991, 30 (31); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 115; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 110; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 64; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Barz, FS Bärmann, S. 185 (199 f.); Götz, S. 96 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70 f.); Pesch, S. 139 ff.; Werner, S. 176. 256 Werner, S. 176. 254
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hängigkeit durch Verkauf seiner Aktien257 oder Abschluss eines Stimmbindungsvertrages258 jederzeit und ohne Zustimmung der Hauptversammlung ändern. Der überwiegenden Auffassung ist beizupflichten. Nach den hier vertretenen Grundsätzen (siehe oben unter § 4 C. I. 1.) unterscheidet sich der Entherrschungsvertrag in Struktur und Wirkung zu sehr von den in den §§ 291 ff. AktG skizzierten Unternehmensverträgen, als dass eine Analogie zu rechtfertigen ist. (2) Die Ansicht von Hommelhoff Ebenfalls auf eine Analogie zu den §§ 293, 294 AktG hat Hommelhoff die Möglichkeit eines Zustimmungsbeschlusses als Alternative zu einer Satzungsänderung gestützt. Seiner Ansicht nach sei eine Analogie geboten, da der Abschluss des Entherrschungsvertrages wie der Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu einem Kompetenzumbruch und einer Interessenverlagerung führe. Das herrschende Unternehmen leite zum einen nicht mehr die Geschäfte der vormals abhängigen Gesellschaft, zum anderen sei deren Aktivität auf den eigenen Gesellschaftszweck und nicht mehr auf den Konzernzweck ausgerichtet.259. Hommelhoff geht allerdings davon aus, dass Entherrschungsverträge, die Beteiligungen von lediglich geringerer Bedeutung zum Gegenstand haben, dem Hauptversammlungsentscheid nicht unterliegen würden.260 Auch dieser Ansicht ist die überwiegende Auffassung nicht gefolgt.261 Der Entherrschungsvertrag bewirke keine vergleichbare Strukturänderung wie der Beherrschungsvertrag, da die Aktivitäten der Gesellschaft aufgrund der §§ 311 ff. AktG ohne Vorliegen eines Entherrschungsvertrages nur begrenzt auf die Konzernspitze ausgerichtet seien, die Änderung durch den Abschluss des Entherrschungsvertrages bleibe damit geringfügig.262 Der Vergleich mit § 293 AktG überzeuge ebenfalls nicht, da auch die Aufhebung des Beherrschungsvertrages gemäß § 296 AktG nicht der Zustimmung der Hauptversammlung unterliege.263 Gegen Hommelhoff sprechen letztlich die gleichen Argumente wie gegen die Auffassung Möhrings. Eine Analogie zu § 293 AktG ist nicht zu rechtfertigen.
257
Barz, FS Bärmann, S. 185 (200); kritisch hierzu Götz, S. 104 Fn. 296 und Korsmeier, S. 208. 258 LG Mainz, AG 1991, 30 (31); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 115; Barz, FS Bärmann, S. 185 (200); Pesch, S. 141; kritisch hierzu Götz, S. 104 Fn. 296. 259 Hommelhoff, S. 94 ff. 260 Hommelhoff, S. 100. 261 LG Mainz, AG 1991, 30 (31); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 115; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 110; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 64; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Götz, S. 96 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70 f.); Pesch, S. 139 ff.; Rehbinder, ZHR 147 (1983), 464 (468 f.); Werner, S. 176. 262 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 115; Götz, S. 102. 263 Rehbinder, ZHR 147 (1983), 464 (468 f.).
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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(3) Die Ansicht von Jäger Vereinzelt wird ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung im herrschenden Unternehmen auch daraus hergeleitet, dass der Entherrschungsvertrag in Geschäftszweck und Unternehmensgegenstand eingreife.264 Gegen diese Auffassung spricht freilich, dass ein Eingriff in den Geschäftszweck nicht vorliegt. Das Unternehmen verfolgt diesen nach Abschluss des Entherrschungsvertrages weiter (siehe oben unter § 4 C. I. 1.) und der Eingriff in den Unternehmensgegenstand wird verbandsrechtlich bereits durch die Konzernöffnungsklausel kompensiert. Im Übrigen widerspräche es der begrenzten Zuständigkeit der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 1 AktG, wenn diese bei jeder Berührung des Unternehmensgegenstandes eingeschaltet werden müsste. (4) Übertragung der „Holzmüller-Rechtsprechung“ Fraglich ist allerdings, ob sich eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung des herrschenden Unternehmens aus den Grundsätzen der sogenannten „HolzmüllerRechtsprechung“ des BGH ergeben kann. Denn auch der Entherrschungsvertrag kann auf Seiten des herrschenden Unternehmens als Maßnahme der Konzernumbildung begriffen werden. In diese Richtung lassen sich Argumente einordnen, die entsprechend dem Rechtsgedanken von § 179a AktG eine Zustimmung der Hauptversammlung dann verlangen, wenn der Entherrschungsvertrag mit einer wichtigen Beteiligung geschlossen wird.265 Der BGH entschied in „Holzmüller“, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre ausnahmsweise gemäß § 119 Abs. 2 AktG verpflichtet sei, eine Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen.266 In der „Holzmüller-Entscheidung“ ging es um die Ausgliederung eines Betriebes, welcher den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens ausmachte, auf eine Tochtergesellschaft.267 Der BGH begründete die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung damit, dass hierdurch der Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre begegnet und der Schutz der Anteilseigner vor einer nachhaltigen Schwächung des Werts ihrer Beteiligung gewährleistet werde.268 Die Zustimmungspflicht gelte nicht nur für die Ausgliederungsmaßnahme selbst, sondern auch für eine spätere Entscheidung über eine Kapitalerhöhung in der
264
Jäger, DStR 1995, 1113 (1117). Becker, FS Möschel, S. 1119 (1126); zuvor bereits Rittner, AcP 183 (1983), 295 (303); Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); Hommelhoff, S. 95; a.A. Götz, S. 90 ff.; unverständlich ist, dass Pesch, S. 142 diesen Gedanken als nicht nachvollziehbar deklariert. Nicht jede Mehrheit an einer Beteiligung führt gleich dazu, dass es sich hierbei um eine für das herrschende Unternehmen wesentliche Beteiligung handelt. 266 BGH, NJW 1982, 1703. 267 BGH, NJW 1982, 1703. 268 BGH, NJW 1982, 1703. 265
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Tochtergesellschaft.269 Allerdings beeinträchtige die Nichteinholung der Zustimmung nicht die Vertretungsmacht des Vorstandes.270 Der betroffene Aktionär könne jedoch auf Feststellung klagen, dass die Maßnahme nichtig oder unzulässig sei und Unterlassung bzw. Rückgängigmachung verlangen.271 Götz lehnt eine derartige Zustimmungspflicht der Hauptversammlung nach den Grundsätzen von „Holzmüller“ ab.272 Bezogen auf den Entherrschungsvertrag bestehe kein rechtfertigendes Schutzbedürfnis für die Aktionäre.273 Die Hauptversammlung könne durch entsprechende Satzungsregelungen für ihre Beteiligung bei künftigen Vertragsschlüssen sorgen oder regeln, dass der Abschluss des Entherrschungsvertrages der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfe.274 Zudem kritisiert er in Folge der „Holzmüller-Entscheidung“ entstehende Rechtsunsicherheiten und sieht § 119 Abs. 2 AktG als falschen Anknüpfungspunkt.275 Bei der Kritik von Götz wird deutlich, dass dieser der Entscheidung grundsätzlich ablehnend gegenüber steht. Eine nähere Untersuchung, ob der Entherrschungsvertrag überhaupt einen „schwerwiegenden Eingriff“ im Sinne von „Holzmüller“ darstellt, findet hingegen nicht statt. Für die Frage, ob eine Zustimmung der Hauptversammlung nach der Rechtsprechung des BGH einzuholen ist, gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass der BGH die „Holzmüller-Rechtsprechung“ in den Entscheidungen „Gelatine I“ und „Gelatine II“ fortgeführt hat.276 Ein Mediatisierungseffekt wie in „Holzmüller“ könne nicht nur bei der Ausgliederung eines wichtigen Betriebes angenommen werden, sondern auch bei Umstrukturierungen des Beteiligungsbesitzes.277 Der BGH stützt die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung nicht mehr auf § 119 Abs. 2 AktG, sondern auf eine Kombination aus § 119 Abs. 2 AktG und dem im Schrifttum vertretenen Ansatz einer Gesamtanalogie zu den Zustimmungspflichten begründenden Vorschriften des Aktiengesetzes.278 Ungeschriebene Zustimmungspflichten sollen danach nur im Innenverhältnis Wirkung entfalten (Element des § 119 Abs. 2 AktG), sich aber an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen orientieren.279 Eine Zustimmungspflicht komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Maßnahme an der Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die 269
BGH, NJW 1982, 1703; kritisch Götz AG 1984, 85 (87 f.). BGH, NJW 1982, 1703; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 25; Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 119 Rn. 47. 271 BGH NJW 1982, 1703; Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 119 Rn. 48. 272 Götz, S. 96. 273 Götz, S. 92. 274 Götz, S. 93. 275 Götz, S. 95 f. 276 BGH, NJW 2004, 1860 – Gelatine I; nachfolgend BGH, NZG 2004, 575 – Gelatine II. 277 BGH, NJW 2004, 1860 (1863) – Gelatine I. 278 BGH, NJW 2004, 1860 (1863) – Gelatine I. 279 BGH, NJW 2004, 1860 (1863) – Gelatine I. 270
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen rühre und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entspreche, der alleine durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden könne.280 Hierfür bedürfe es einer ähnlichen Situation wie in „Holzmüller“.281 Sofern dann ein Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung erforderlich sei, müsse dieser mit Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals gefasst werden.282 Ausgehend von diesen Grundsätzen kann für den Abschluss des Entherrschungsvertrages keine Zustimmungspflicht gefordert werden. Offenkundig ist dies, sofern der Entherrschungsvertrag mit einer unbedeutenderen Beteiligung geschlossen wird. Denn in einem solchen Fall fehlt es an einer vergleichbaren Situation wie in „Holzmüller“. Der Abschluss eines Entherrschungsvertrages mit einer unbedeutenderen Beteiligung bewirkt keine nachhaltige und bedeutende Schwächung der Rechte der Aktionäre. Darüber hinaus tritt jedoch auch bei Abschluss des Entherrschungsvertrages mit einer größeren und wesentlichen Beteiligung nicht ein Zustand nach „Holzmüller“ ein. Infolge des Abschlusses des Entherrschungsvertrages sinkt zwar der Einfluss der Aktionäre des herrschenden Unternehmens auf die Beteiligung. Der Entherrschungsvertrag ist jedoch von seiner Dauer her grundsätzlich beschränkt und bewirkt nur eine schuldrechtliche Verpflichtung, Stimmrechte hinsichtlich bestimmter Beschlussgegenstände nicht auszuüben. Deshalb wird auch der Wert der Beteiligung der Aktionäre nicht, wie bei einer dauerhaften, dinglich wirkenden Ausgliederungsmaßnahme, nachhaltig geschwächt. Die Wirkungen des Entherrschungsvertrages rühren damit nicht an der Kernkompetenz der Hauptversammlung. Daher ist eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung nicht aus den Grundsätzen von „Holzmüller“ und „Gelatine“ herzuleiten. (5) Ergebnis Im Ergebnis bedarf der Abschluss des Entherrschungsvertrages nicht der Zustimmung der Hauptversammlung des herrschenden Unternehmens. b) Abhängige Gesellschaft Eine Zustimmung der Hauptversammlung auf Seiten der abhängigen Gesellschaft ist ebenfalls nicht notwendig.283 Der Vertrag ist für diese nur vorteilhaft, da er den Konzernkonflikt beseitigt und nur den vom Gesetz gewünschten Zustand der Un-
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BGH, NJW 2004, 1860 (1863) – Gelatine I. BGH, NJW 2004, 1860 (1863) – Gelatine I. 282 BGH, NJW 2004, 1860 (1863) – Gelatine I. 283 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 114; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 108; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 64; Happ S. 434; Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250); Pesch, S. 136 f. 281
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
abhängigkeit wiederherstellt.284 Da es somit an einem Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre fehlt ist deren Zustimmung nicht erforderlich.285 c) Ergebnis Weder auf Seiten des herrschenden Unternehmens noch auf Seiten der abhängigen Gesellschaft ist eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich. Eine Satzungsänderung im herrschenden Unternehmen ist gleichfalls nicht notwendig, wenn dessen Satzung bereits eine Konzernöffnungsklausel enthält. 2. Beteiligung des Aufsichtsrates Fraglich ist auch, ob die Aufsichtsräte von herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft bei Abschluss eines Entherrschungsvertrages zu beteiligen sind. a) Information des Aufsichtsrates Vereinzelt wird angenommen, dass der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens vor Abschluss des Entherrschungsvertrages gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4 AktG zu unterrichten sei, denn es handele sich beim Abschluss des Entherrschungsvertrages um ein Geschäft, das für die Rentabilität oder Liquidität des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sein könne.286 Diese Einschätzung überzeugt allerdings nur bedingt. Beispiele für Vorgänge, die der Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG unterfallen sollen, sind laut Regierungsbegründung etwa der Erwerb oder die Veräußerung eines Betriebes, sofern die Maßnahmen nicht nur unerhebliche Auswirkungen auf Rentabilität oder Liquidität haben.287 Auf den Entherrschungsvertrag trifft dies gerade nicht zu: Denn der Abschluss des Entherrschungsvertrages hat keine Auswirkungen auf die Rentabilität oder Liquidität des herrschenden Unternehmens, da dieser dessen Vermögensrechte unberührt lässt. Darüber hinaus handelt es sich bei den in der Gesetzesbegründung genannten Beispielen wie Erwerb und Veräußerung im Gegensatz zum Entherrschungsvertrag um dauerhafte, dinglich wirkende Maßnahmen. Eine Berichtspflicht gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG besteht daher nicht. 284 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 114; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 108; Götz, S. 106; Happ, S. 434; Jäger, DStR 1995, 1113 (1117); Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht S. 968; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (995). 285 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 108; Götz, S. 106; Jäger, DStR 1995, 1113 (1117); Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (995). 286 Götz, S. 94. 287 Begr. RegE zu § 90 bei Kropff, S. 117.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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Der Abschluss eines Entherrschungsvertrages ist wegen seiner Auswirkungen auf das herrschende Unternehmen, dessen Rechte ohne Gegenleistung beschränkt werden, vielmehr als wichtiger Anlass im Sinne von § 90 Abs. 1 S. 3 AktG anzusehen, so dass der Vorsitzende des Aufsichtsrates im Wege eines Sonderberichtes zu informieren ist. Dieser hat gemäß § 90 Abs. 5 S. 3 AktG dem Aufsichtsrat im Rahmen der nächsten Aufsichtsratssitzung zu berichten. Auch auf Seiten der abhängigen Gesellschaft ist entgegen Götz, der eine Berichtspflicht mit Hinweis auf die Vorteilhaftigkeit des Vertrages für die Gesellschaft ablehnt,288 eine Informationspflicht anzunehmen, denn der Abschluss des Entherrschungsvertrages stellt aufgrund der Auswirkungen auf den Status als abhängige Gesellschaft für diese ebenfalls einen wichtigen Anlass im Sinne von § 90 Abs. 1 S. 3 AktG dar. b) Mitwirkung des Aufsichtsrates Über diese Information hinaus kann der Aufsichtsrat auch am Abschluss des Entherrschungsvertrages beteiligt sein. Zwar führt der Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG nicht die Geschäfte der Gesellschaft, sondern hat die Geschäftsführung gemäß § 111 Abs. 1 AktG zu überwachen. Für bestimmte Arten von Geschäften können jedoch gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG Zustimmungsvorbehalte in der Satzung oder durch den Aufsichtsrat festgelegt werden. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt könnte auch für den Entherrschungsvertrag vorgesehen werden.289 Denn der Abschluss des Entherrschungsvertrages stellt auf Grund seiner Wirkung sowohl in abhängiger Gesellschaft als auch im herrschenden Unternehmen eine bedeutende Maßnahme dar (siehe zuvor unter a)). Ein entsprechender Zustimmungsvorbehalt auf Seiten des herrschenden Unternehmens könnte wie folgt lauten: „Der Abschluss eines Vertrages, durch den sich die X-Gesellschaft verpflichtet, ihre Stimmrechte an einem Beteiligungsunternehmen zum Teil nicht auszuüben, um Abhängigkeit (§ 17 AktG) auszuschließen (Entherrschungsvertrag), bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrates.“
Die Nichteinholung einer erforderlichen Zustimmung des Aufsichtsrates führt zu einer Haftung des Vorstandes gemäß § 93 AktG. 3. Abgrenzung zum Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB Aufgrund der weitreichenden Rechtsfolgen von Abhängigkeit gemäß § 17 AktG und im Sinne eines umfassenden Schutzes der abhängigen Gesellschaft herrscht in der Literatur eine gewisse Skepsis, ob Entherrschungsverträge ernst gemeint seien 288 289
Götz, S. 106. Götz, S. 93.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
oder es nur um die Beseitigung der Rechtsfolgen von Abhängigkeit gehe und in Wahrheit entgegen den Verpflichtungen des Entherrschungsvertrages weiterhin beherrschender Einfluss ausgeübt werde.290 Die Wirksamkeit des Entherrschungsvertrages erfordere vor dem Hintergrund des § 117 Abs. 1 BGB daher den Nachweis einer klaren Motivation des herrschenden Unternehmens.291 Dieses dürfe nicht ausschließlich die Folgen von Abhängigkeit vermeiden wollen.292 Zur Abgrenzung von Scheinverträgen sei zu überprüfen, ob der Abschluss des Vertrages aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters analog § 347 HGB, §§ 93, 116 AktG vernünftig und wirtschaftlich gerechtfertigt erscheine.293 Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Es entspricht § 117 Abs. 1 BGB, dass derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Vertrages beruft, diese auch darzulegen hat.294 Vertragspartner müssen nicht darlegen, warum sie einen Vertrag geschlossen haben.295 Darüber hinaus handelt es sich beim Ausschluss von Abhängigkeit um ein zulässiges Motiv (siehe oben unter § 4 A.) Zu beachten ist auch, dass § 117 Abs. 1 BGB nur einschlägig ist, wenn beide Vertragsparteien ein Scheingeschäft wollen. Ein einseitiger geheimer Vorhalt ist unbeachtlich (§ 116 S. 1 BGB), es sei denn, die andere Seite weiß davon (§ 116 S. 2 BGB). Der Vorwurf des Scheingeschäftes im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB soll dann durchgreifenden Erfolg haben, wenn der Gegner darlege, dass der Vertrag nicht eingehalten werde, sich der Vorstand der in Mehrheitsbesitz befindlichen AG weiterhin so verhalte, als sei sie abhängig oder weitgehende Verflechtungen auf Aufsichtsrats- oder Vorstandsebene stattfänden.296 Indes ist der Zeitpunkt, auf den für die Charakterisierung als Scheingeschäft abzustellen ist, nach allgemeinen Regeln der des Abschlusses des Vertrages.297 Besteht bei Abschluss des Vertrages der Wille einen wirksamen Vertrag zu schließen und verstößt das beteiligte Unternehmen aufgrund einer Sinneswandlung erst später gegen den Vertrag, liegt kein Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB vor. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, spätere 290 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 112; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Bayreuther, S. 141 f.; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1120); Happ, S. 433; Jäger, DStR 1995, 1113 (1115); Möhring, FS Westermann, S. 427 (432 f.); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 59 Rn. 28; Barz, FS Bärmann, S. 185 (196) erwähnt § 117 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar. 291 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 112; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Barz, FS Bärmann, S. 185 (196); Becker, FS Möschel, S. 1119 (1120); Möhring, FS Westermann, S. 427 (433 f.). 292 Barz, FS Bärmann, S. 185 (196). 293 Möhring, FS Westermann, S. 427 (434). 294 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 81; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 112; Jäger, DStR 1995, 1113 (1115 f.); Pesch, S. 77; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (997 f.); Zur Beweislast bei § 117 Abs. 1 BGB: BGH, NJW 1980, 1572 (1573); BAG, NJW 1996, 1299 (1300); Armbrüster, in: MüKo/BGB, § 117 Rn. 21 m. w. N. 295 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 112. 296 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 112; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 112; Raiser/Veil, Recht der der Kapitalgesellschaften, § 59 Rn. 28. 297 BGH, NJW-RR 1997, 238; Armbrüster, in: MüKo/BGB, § 117 Rn. 10.
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Verstöße, die sich in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vertragsschluss befinden, als Indiz dafür zu werten, dass von Beginn an ein Scheingeschäft beabsichtigt war.298 II. Inhaltliche Voraussetzungen Wesentlicher Inhalt des Entherrschungsvertrages ist die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens, bei bestimmten Beschlussgegenständen nicht die Mehrheit auszuüben. 1. Beschränkung des Stimmrechts a) Gegenständliche Reichweite der Stimmrechtsbeschränkung Fraglich ist zunächst, bei welchen Beschlussgegenständen die Mitwirkung des herrschenden Unternehmens untersagt werden muss. Denkbar wäre ein kompletter Ausschluss von der Teilnahme an Abstimmungen auf der Hauptversammlung. aa) Ausschluss der Teilnahme an der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates Voraussetzung eines Abhängigkeit ausschließenden Entherrschungsvertrages ist jedenfalls, dass dieser die Stimmrechte des herrschenden Unternehmens bei der Wahl der Hälfte plus eins der Aufsichtsratsmitglieder beschränkt, denn die Aufsichtsratswahlen sind der legitime Weg, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.299 Ein vollständiger Verzicht auf die Mitwirkung bei der Aufsichtsratswahl ist jedoch nicht erforderlich, da das beteiligte Unternehmen, wenn es lediglich weniger als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder stellen kann, nicht als herrschend angesehen wird.300 Neben der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder muss auch ausgeschlossen sein, dass das Unternehmen einen Abberufungsbeschluss der Aufsichtsratsmitglieder, die nicht seine Repräsentanten sind, gemäß § 103 AktG herbeiführen kann. Ansonsten könnte es die von einer möglichen Abberufung „bedrohten“ Aufsichtsratsmitglieder beeinflussen.301
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J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 63. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 100; Barz, FS Bärmann, S. 185 (190); Liebscher, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 15 Rn. 20; Götz, S. 46; Happ, S. 436 f.; Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1249); Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62; Hoffmann-Becking, in: Münchener Vertragshandbuch Bd. 1, S. 1545 ff.; Pesch, S. 78, 87. 300 Barz, FS Bärmann, S. 185 (190 f.); Götz S. 46; offen gelassen von Bayer, in: MüKo/ AktG, § 17 Rn. 100; a.A. Korsmeier, S. 76, Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1249). 301 Götz, S. 47; Pesch, S. 78. 299
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bb) Weitergehender Ausschluss Umstritten ist, ob der Ausschluss von der Teilnahme an Wahl und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ausreicht oder darüber hinaus eine weitergehende Stimmrechtsbeschränkung erforderlich ist. (1) Meinungsstand Eine Auffassung geht davon aus, dass eine Stimmrechtsbeschränkung bei der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates genüge.302 Begründet wird dies mit einem teleologischen Argument: Die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG gewinne ihren Sinn gerade aus dem Einfluss des beteiligten Unternehmens auf die Zusammensetzung der Organe der abhängigen Gesellschaft und müsse widerlegt sein, wenn es daran fehle. Sonstige Beschlüsse würden hingegen nicht den Einfluss vermitteln, der für die Annahme von Abhängigkeit erforderlich sei, da von diesen keine Gefahr einflusskonformen Verhaltens der Organmitglieder ausgehen würde.303 Andere meinen hingegen, dass auch Beschlüsse über grundlegende Angelegenheiten der Geschäftsführung vom Stimmrechtsverzicht erfasst sein müssten.304 Hierzu sollen die Beschlüsse gemäß den §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG305, aber auch sonstige Fragen der Geschäftsführung zählen, denn diese würden erheblichen Einfluss vermitteln.306 Darüber hinaus wird auch vertreten, dass der Stimmrechtsverzicht umfassend sein müsse.307 Soweit zwischen der Widerlegung der Vermutung in § 17 Abs. 2 AktG und dem Ausschluss von Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1AktG differenziert wird, wird auch geltend gemacht, für die Widerlegung der Vermutung sei der Ausschluss bei den Aufsichtsratswahlen ausreichend, für den Ausschluss von Abhängigkeit sei demgegenüber ein vollständiger Verzicht zu verlangen.308 Der Entherrschungsvertrag bezwecke den Minderheitsaktionären die Stellung in der Hauptversammlung einer unabhängigen Gesellschaft zu verschaffen.309 Dafür bedürfe es der vollständigen Beschränkung des Stimmrechts.310 302 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 101; Götz, S. 47 ff.; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1249); Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62; Pesch, S. 78, 87; Rügenhagen, S. 58. 303 Götz, S. 47 ff.; Pesch, S. 78. 304 Happ, S. 436 f.; Haesen, S. 46; Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Korsmeier, S. 28 f. 305 Happ, S. 436 f.; Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Korsmeier, S. 28 f.; dahin tendierend ArbG Düsseldorf, ArbuR 2005, 338. 306 Bayreuther, S. 138; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (69); Hommelhoff, S. 81; Korsmeier, S. 28 f. 307 Barz, FS Bärmann, S. 185 (191); Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (69). 308 Korsmeier, S. 27 ff., 75 ff. 309 Korsmeier, S. 75 f. 310 Korsmeier, S. 76.
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(2) Eigene Einschätzung Betrachtet man den Entherrschungsvertrag zunächst ausschließlich vor dem Hintergrund des § 17 Abs. 2 AktG, so ist es zutreffend, eine Stimmrechtsbeschränkung nur für die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates zu verlangen. Die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG basiert darauf, dass es dem herrschenden Unternehmen möglich ist, über den Aufsichtsrat die Politik der Gesellschaft zu bestimmen. An dieser Stelle wird deutlich, dass sich der Streit um die genauen Erfordernisse zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG fortsetzt. Wer bereits für die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung verlangt, dass sich aus dem Gesamtbild der Beziehungen keine Abhängigkeit ergibt, müsste gegebenenfalls eine weitergehende Beschränkung der Stimmrechte fordern. Da eine solche Auslegung jedoch die Widerlegung der Vermutung mit dem Ausschluss von Abhängigkeit verwechselt (siehe oben unter § 3 D. II.)311, sprechen auch die bereits erwähnten Argumente gegen weitergehende Erfordernisse im Rahmen von § 17 Abs. 2 AktG. Für die Widerlegung der Vermutung ist daher lediglich der schuldrechtliche Verzicht auf die Stimmrechtsausübung bei den Aufsichtsratswahlen im geschilderten Umfang zu fordern. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Entherrschungsvertrag in der Regel auch auf einen Ausschluss der Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1AktG zielt. Für einen solchen Entherrschungsvertrag könnte ein weitergehender Ausschluss notwendig sein. Nicht überzeugend ist es jedoch, aus der Stellung der Minderheitsaktionäre eine vollständige Stimmrechtsbeschränkung herzuleiten. Anders als vertreten bezweckt der Entherrschungsvertrag nicht, den Minderheitsaktionären eine besondere Stellung zu gewähren. Vielmehr geht es darum, der Gesellschaft Unabhängigkeit zu verschaffen (§§ 17, 311 ff. AktG). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aus Sicht der abhängigen Gesellschaft und nicht aus der Perspektive der Minderheitsaktionäre.312 Die Vorschriften der §§ 311 – 318 AktG sind nicht ausschließlich Vorschriften zum Schutz der Mitgesellschafter. Vielmehr geht es schon nach der Gesetzesbegründung um den Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gläubiger und der übrigen Gesellschafter.313 Entscheidend kommt es darauf an, welche Beschlussgegenstände beherrschenden Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG auf die abhängige Gesellschaft vermitteln, mit welchen Beschlüssen das herrschende Unternehmen letztlich die Geschäftspolitik dauerhaft beeinflussen bzw. bestimmen kann. Verkürzt ist es allerdings, wie Götz, hierbei ausschließlich auf die Sicht des Vorstandes abzustellen.314 Entschei311
Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 100. BGH, NZG 2012, 1033 (1034); OLG München, WM 1995, 898; Fett, in: Bürgers/ Körbers, § 17 Rn. 3; Götz, S. 21. 313 Ausschussbericht bei Kropff, S. 29. 314 Götz, S. 48. 312
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dend ist die Sicht der abhängigen Gesellschaft. Sofern ein Beschluss dauerhaften, beherrschenden Einfluss auf die Geschäftspolitik vermittelt, müsste eine Mitwirkung daran ausgeschlossen werden. Bei einer Untersuchung der vorgeschlagenen Beschlussgegenstände wie Geschäftsführungsentscheidungen nach §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG, Beschlüsse über die Entlastung (§ 120 AktG), die Feststellung des Bilanzgewinnes, Gewinnverwendung, Prüferwahl oder Strukturentscheidungen im Sinne von „Holzmüller“, auf die sich der Entherrschungsvertrag nach teilweise vertretener Ansicht erstrecken soll, wird jedoch deutlich, dass von diesen keine dauerhafte Beeinflussung der Geschäftspolitik auszugehen vermag. So wird die Hauptversammlung beispielsweise bei den Geschäftsführungsfragen gemäß den §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG nur befasst, wenn der Vorstand dies verlangt. Auch bei Strukturentscheidungen im Sinne von „Holzmüller“ und „Gelatine“ basiert die Beteiligung letztlich auf der Initiative der Geschäftsleitung. Wirkt ein Mehrheitsgesellschafter an diesen Beschlüssen mit, kann er die Geschäftspolitik blockieren, nicht jedoch aktiv gestalten und vorantreiben. Die Situation ist vergleichbar mit einer negativen Beherrschung, die jedoch ebenfalls nicht zur Annahme von Abhängigkeit führt (siehe oben unter § 3 C. V.). Von den genannten Beschlussgegenständen ist keiner geeignet, eine dauerhafte Beeinflussung der Geschäftspolitik herbeizuführen.315 Anders könnte sich dies allerdings wegen der weitergehenden Weisungsrechte der Gesellschafterversammlung in der GmbH darstellen (siehe unten unter § 6 B. III.). Demnach ist, jedenfalls für die AG, der Auffassung zu folgen, die auch für den Ausschluss von § 17 Abs. 1 AktG lediglich eine Begrenzung bei den Aufsichtsratswahlen fordert.316 b) Reichweite der Herabsetzung Des Weiteren stellt sich die Frage, wie weit die Stimmrechte in der Hauptversammlung zu beschränken sind. Auch hier finden sich unterschiedliche Ansatzpunkte: aa) Abstellen auf Hauptversammlungsmehrheit Zum Teil wird vertreten, dass die Verpflichtung, weniger als die Hälfte der Gesamtzahl aller Stimmrechte (§ 16 Abs. 3 AktG) auszuüben, ausreichend sei. Eine Hauptversammlungsmehrheit müsse nicht verhindert werden. Diese wirke zwar
315
Götz, S. 47 ff.; Pesch, S. 78. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43, 38; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 101; Götz, S. 47 ff.; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1249); Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62; Pesch, S. 78, 87; Rügenhagen, S. 58. 316
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abhängigkeitsbegründend, löse aber nicht die Vermutung nach § 17 Abs. 2 AktG aus.317 Allerdings wird dabei übersehen, dass das Ziel eines Entherrschungsvertrages auch im Ausschluss von § 17 Abs. 1 AktG besteht.318 Abhängigkeit kann auch bei einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit vorliegen. Insofern ist es für die Zwecke des § 17 Abs. 1 AktG richtig, auf die Hauptversammlungspräsenz abzustellen.319 Für die Widerlegung von § 17 Abs. 2 AktG reicht hingegen die Begrenzung auf die Hälfte der Gesamtzahl aller Stimmen.320 bb) Konkrete Ausgestaltung der „Minus-Eins-Regelung“ Überwiegend wird für den Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG ausschließenden Entherrschungsvertrag eine sogenannte „Minus-Eins-Regelung“ gefordert. Das beteiligte Unternehmen soll über weniger als die Hälfte der Stimmen auf der Hauptversammlung verfügen.321 Dem ist zuzustimmen, allerdings gilt für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern die Besonderheit, dass hierfür eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen gemäß § 103 Abs. 1 AktG erforderlich ist, so dass für diesen Beschlussgegenstand eine Beschränkung der Stimmrechte des beteiligten Unternehmens auf „75 %-Minus-Eins“ (zzgl. Sicherheitsabschlag) der abgegebenen Stimmen ausreicht, um zu verhindern, dass die übrigen Aufsichtsratsmitglieder beeinflusst werden können. Für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ist hingegen eine Beschränkung auf die „Hälfte-Minus-Eins“ gefordert. Ob diese Regelungen auf die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz der letzten Jahre,322 variabel auf die bei der jeweiligen Beschlussfassung vertretenen Stimmen323 oder auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen abstellen,324 kann letztlich dahinstehen. Alle drei Möglichkeiten bieten bei Einbeziehung eines ausreichend großen Sicherheitsabschlages (zwischen drei und fünf Prozentpunkten) genügend Gewähr dafür, dass das Unternehmen auf der Hauptversammlung nicht zu einer Mehrheit gelangt. Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass die Beschränkungen des Entherrschungsvertrages auch diejenigen Stimmrechte erfassen müssen, die dem 317
Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111. Möhring, FS Westermann, S. 427 (436 f.); dies sieht Koppensteiner an sich genauso, vgl. Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111. 319 Fett, in: Bürgers/Körbers, § 17 Rn. 32; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 100; Happ, S. 437; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62; Pesch, S. 79 f. und 88 f. 320 Korsmeier, S. 25 f.; Pesch, S. 79 f. 321 LG Mainz, AG 1991, 30 (31); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 100; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 61; Schall, in: Spindler/ Stilz, § 17 Rn. 52; Barz, FS Bärmann, S. 185 (192 f.); Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (69); Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1249); Rügenhagen, S. 58. 322 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43. 323 Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Happ, S. 439; Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968. 324 Hoffmann-Becking, in: Münchener Vertragshandbuch Bd. 1, S. 1547; Pesch, S. 90. 318
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Unternehmen mittels Stimmbindungsvertrag oder von Tochterunternehmen zugerechnet werden.325 cc) Kein weitergehender Verzicht erforderlich Nicht überzeugend ist es hingegen, wenn Götz annimmt, dass auch eine variable „Minus-Eins-Regelung“ dazu führe, dass dennoch beherrschender Einfluss vorliege, da die fehlenden Stimmen zur Mehrheit insbesondere bei Streubesitz erreichbar seien.326 Dies berücksichtigend würden sich die Verwaltungsmitglieder weiterhin am mehrheitlich beteiligten Unternehmen ausrichten.327 Er schlägt vor, die Stimmrechte des beteiligten Unternehmens soweit zu beschränken, dass die Stimmenmacht die des nächst kleineren Aktionär erreiche.328 Götz übersieht in seiner Betrachtung, dass es im Rahmen von § 17 Abs. 1 AktG lediglich darauf ankommt, beherrschenden Einfluss auszuschließen und nicht erforderlich ist, dass jeglicher Einfluss, der mit einer größeren Beteiligung einhergeht, ausgeschlossen wird.329 Es entspricht nicht der Auslegung des § 17 Abs. 1 AktG, wenn nur darauf abgestellt wird, wessen Einfluss die Verwaltungsmitglieder berücksichtigen.330 So wäre es in einer Aktiengesellschaft mit einer durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz von 45 %, von der 15 % auf einen Großaktionär und die restlichen 30 % auf Kleinaktionäre entfallen, für die Verwaltung naheliegend, sich mit dem Großaktionär abzustimmen. Dennoch liegt in einem solchen Fall keine Abhängigkeit vor. Denn der Großaktionär ist letztlich mangels Mehrheit nicht in der Lage, der Gesellschaft entgegen den übrigen Aktionären nachteilige Konsequenzen zu bereiten. Bloße Befürchtungen begründen keine Abhängigkeit. dd) Ergebnis Im Entherrschungsvertrag ist demnach eine „Minus-Eins-Regelung“ zu treffen. Hinzukommen muss ein ausreichend großer Sicherheitsabschlag von mindestens drei Prozentpunkten. 2. Mindestdauer Der Entherrschungsvertrag beschränkt das Stimmrecht des herrschenden Unternehmens bei den Wahlen zum Aufsichtsrat der Gesellschaft um zu verhindern, dass sich Aufsichtsrat und damit mittelbar auch der Vorstand in ihrer Geschäftspolitik an den Wünschen des Unternehmens orientieren. Allerdings sind Aufsichtsrat 325 326 327 328 329 330
Götz, S. 59. Götz, S. 50 f. Götz, S. 51. Götz, S. 52 f. Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (69). Generell gegen ein Abstellen auf die Sicht des Vorstandes: Korsmeier, S. 35 ff.
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und Vorstand und damit auch die Gesellschaft nur dann frei und unabhängig, wenn sie nicht jederzeit mit einer Abwahl oder Nicht-Wiederwahl bei der nächsten Aufsichtsratswahl rechnen müssen. Der Entherrschungsvertrag darf daher erst nach der nächsten Aufsichtsratswahl enden.331 In einem solchen Fall kann ein Aufsichtsrat gegen das beteiligte Unternehmen gewählt werden. Angeknüpft wird daher in der Regel an die Mindestlaufzeit von fünf Jahren (§ 102 AktG).332 Eine Verlängerung des Vertrages über eine weitere Aufsichtsratswahl hinaus ist möglich.333 Vor einer schematischen Übernahme des Fünf-Jahres-Zeitraumes muss indes gewarnt werden, denn die Wirkung des Entherrschungsvertrages endet mit der letzten in den Zeitraum des Vertrages fallenden Aufsichtsratswahl, da anschließend die realistische Gefahr der Beeinflussung durch das beteiligte Unternehmen besteht.334 3. Ausschluss der ordentlichen Kündigung Mit der gleichen Argumentation wie für eine Mindestvertragslaufzeit wird auch ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung gefordert.335 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund soll hingegen unberührt bleiben.336 Als wichtige Kündigungsgründe werden andauernde Verluste der Gesellschaft oder die Veräußerung der Mehrheitsbeteiligung angesehen.337
331 LG Mainz, AG 1991, 30 (31); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 102; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 62; Götz, S. 60 f.; Happ, S. 440; Hoffmann-Becking, in: Münchener Vertragshandbuch Bd. 1, S. 1547. 332 OLG Köln, ZIP 1993, 110 (112); LG Mainz, AG 1991, 30 (31); ArbG Düsseldorf, BeckRS 2005, 40942; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Bayer, in: MüKo/ AktG, § 17 Rn. 102; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1120); Götz, S. 60 f.; Happ, S. 440; Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62; Möhring, FS Westermann, S. 427 (433); a.A.: Werner, S. 177 f. 333 Götz, S. 61. 334 Götz, S. 61 f.; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 104; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 62; Happ S. 440; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); einschränkend Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 4, § 68 Rn. 61: Nur für Vertrag mit einer festen Laufzeit, nicht wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit weiterläuft. 335 OLG Köln, ZIP 1993, 110 (112); ArbG Düsseldorf, BeckRS 2005, 40942; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 102; Götz S. 62; Happ, S. 439 f.; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250); Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968. 336 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 111; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 103; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 62; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Götz, S. 63; Happ, S. 439 f.; Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250). 337 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 103; Götz, S. 62 f.; Happ, S. 440 f.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
III. Sonstige Wirksamkeitsvoraussetzungen 1. Schriftform Die Schriftform des Entherrschungsvertrages wird vielfach als unabdingbar bezeichnet.338 Gezogen wird eine Analogie zu den §§ 52 Abs. 2 S. 1, 293 Abs. 3 S. 1, AktG.339 Auch wenn die Analogievoraussetzungen für die genannten Normen nicht vorliegen, ist die Schriftform aus Gründen der Rechtssicherheit nachdrücklich zu empfehlen. 2. Eintragung in das Handelsregister Fraglich ist schließlich, ob der Entherrschungsvertrag analog § 294 AktG einer Eintragung in das Handelsregister bedarf. § 294 AktG sieht eine Eintragungspflicht von Unternehmensverträgen vor, um eine ausreichende Unterrichtung der Gläubiger und der Öffentlichkeit, insbesondere zukünftiger Aktionäre, sicherzustellen.340 Namentlich Hommelhoff hat sich für eine solche analoge Anwendung ausgesprochen, da es für die Öffentlichkeit von herausragendem Interesse sei, sich darüber zu informieren, dass ein Beteiligungsunternehmen nicht im Lenkungsbereich des Konzerns liege.341 Dem stehe auch nicht der Wille des historischen Gesetzgebers entgegen, der eine Register-Hinterlegung für Verträge zum Ausschluss von Abhängigkeit nicht als Wirksamkeitserfordernis ansah.342 Denn der Ausschuss habe das Ziel verfolgt, die Ernsthaftigkeit des Vertrages sicherzustellen, diese begrenzte Sicht könne jedoch der Hinterlegung in das Handelsregister aus anderen Gründe nicht entgegengehalten werden.343 Daher bedürfe der Entherrschungsvertrag zu seiner Wirksamkeit der Hinterlegung. Andere leiten aus der Ausschussbegründung ein Argument gegen die Hinterlegung her.344 Zudem seien die Analogievoraussetzungen nicht erfüllt, da eine ausreichende Information durch Ausweisung im Lagebericht gewährleistet werden könne und die Regelungslage sich vom Beherrschungsvertrag unterscheide.345 338
Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 43; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 116; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 106; Barz, FS Bärmann, S. 185 (200 f.); Happ, S. 441; Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Tebben, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, S. 968; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1249); Krieger, in: Müchener Hdb. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 62; Pesch, S. 76. 339 Barz, FS Bärmann, S. 185 (200); Götz, S. 76; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 59 Rn. 28. 340 Begr. RegE zu § 294 bei Kropff, S. 382. 341 Hommelhoff, S. 101. 342 Hommelhoff, S. 102; Ausschussbericht zu § 16 bei Kropff, S. 29. 343 Hommelhoff, S. 102. 344 Götz, S. 77. 345 Götz, S. 77 f.
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Dieser Ansicht ist beizupflichten, da ein großer Unterschied zwischen Be- und Entherrschungsvertrag besteht (siehe oben unter § 4 C. I. 1.), es fehlt an der Vergleichbarkeit zum in § 294 AktG geregelten Sachverhalt. 3. Information der Aktionäre und Gläubiger der entherrschten Gesellschaft Zutreffend wird eine Information der sonstigen Aktionäre der nunmehr unabhängigen Gesellschaft über den Abschluss des Entherrschungsvertrages für erforderlich gehalten.346 Denn ohne Wissen um das Bestehen des Entherrschungsvertrages können diese ihre Rechte nicht unbeeinflusst ausüben. Der Entherrschungsvertrag ist daher im Anhang des Jahresabschlusses oder Lagebericht zu erwähnen.347 Diese müssen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild über die Lage der Kapitalgesellschaft vermitteln (§ 264 HGB). Für börsennotierte Gesellschaften ergibt sich die Publizitätspflicht bereits aus § 289 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 HGB.348 Die Ausweisung im Jahresabschluss ermöglicht es den Gläubigern der Gesellschaft, hierüber Kenntnis zu erlangen. Darüber hinaus wird teilweise für erforderlich gehalten, dass der Entherrschungsvertrag in der Tagesordnung zur Hauptversammlung und in der Versammlung mit seinem Inhalt bekannt gemacht werde. Dies solle für jede Hauptversammlung während der Dauer des Vertrages gelten, da sich der Aktionärskreis ändere und nur so die übrigen Aktionäre ihren Einfluss aktiv wahrnehmen könnten.349 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden.350 Es ist jedem Aktionär, also auch neu hinzutretenden, möglich, sich über die Einsichtnahme des Jahresabschlusses über die Verhältnisse der Gesellschaft und das Bestehen eines Entherrschungsvertrages zu informieren. Eine derartige Information ist ausreichend.
F. Durchsetzbarkeit des Entherrschungsvertrages Nicht abschließend geklärt ist die Frage der Durchsetzbarkeit der Pflichten aus dem Entherrschungsvertrag. Bei der Durchsetzung ist zwischen der Möglichkeit eines aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren (nachfolgend I.) und einer schuldrechtlichen Durchsetzung zu differenzieren (nachfolgend II.)
346
Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 111; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 65; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Götz, S. 117; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250). 347 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 111; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 65; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Götz, S. 117; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250). 348 Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250). 349 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (70). 350 Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250).
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
I. Durchsetzung mittels Anfechtungsklage Äußerst umstritten ist die Frage, ob eine entherrschungsvertragswidrige Stimmabgabe seitens des verpflichteten, beteiligten Unternehmens zur Anfechtbarkeit des gefassten Hauptversammlungsbeschlusses führt. Die Annahme eines Anfechtungsgrundes bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag würde diesem ein beträchtliches Maß an Durchsetzbarkeit und Effektivität verschaffen. 1. Beschluss anfechtbar a) Die Ansicht von Barz Barz hat – soweit ersichtlich – als Erster vertreten, dass eine Stimmabgabe entgegen der Pflicht aus dem Entherrschungsvertrag unzulässig, vom Vorsitzenden daher nicht als wirksame Stimmabgabe anerkannt werden dürfe und ein Beschluss bei Zulassung der Stimmabgabe gemäß § 243 AktG anfechtbar sei.351 Zwar beruhe die Stimmrechtsbeschränkung weder auf Gesetz noch auf Satzung, doch beziehe der Entherrschungsvertrag nicht nur die abhängige Gesellschaft, sondern auch ihre übrigen Mitaktionäre mit ein, die durch den Vertrag in Folge der höheren Bedeutung ihrer Stimmrechte materiell betroffen seien.352 Da somit nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Mitaktionäre Vertragsbeteiligte seien, werde durch die Anerkennung einer Unzulässigkeit der Stimmabgabe nicht über den Kreis der Vertragsbeteiligten hinaus gegriffen und es sei nicht einzusehen, warum dem vertragswidrigen Verhalten, wie ansonsten im Zivilrecht auch, nicht die rechtliche Wirksamkeit versagt werden könne.353 Beispielsweise führe ein Verstoß gegen ein Klagerücknahmeversprechen dazu, dass die Klage als unzulässig zurückzuweisen sei.354 Sei damit die Stimmabgabe durch das beteiligte Unternehmen unzulässig, bedeute die Berücksichtigung der Stimme einen Verstoß gegen das Gesetz und begründe eine Anfechtbarkeit des Beschlusses.355 Zudem wäre auch eine Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 2 S. 1 AktG gegeben, da das beteiligte Unternehmen mit der Stimmabgabe entgegen der vertraglichen Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber einen Sondervorteil zu erlangen suche.356
351 352 353 354 355 356
Barz, FS Bärmann S.185 (197); zustimmend J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 63. Barz, FS Bärmann S.185 (195, 197). Barz, FS Bärmann S.185 (198). Barz, FS Bärmann S.185 (198). Barz, FS Bärmann S.185 (198). Barz, FS Bärmann S.185 (197).
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
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b) Ansichten in der neueren Literatur Diese Ansicht wird auch in der neueren Literatur geteilt. Die Unwirksamkeit der abredewidrigen Stimme lasse sich mit der Unbeachtlichkeit vertragswidriger Erklärungen inter partes oder dem Rechtsmissbrauchsverbot erklären.357 c) Die Ansicht von Korsmeier Korsmeier nimmt ebenfalls eine Anfechtbarkeit des gefassten Hauptversammlungsbeschlusses bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag an.358 Zwar lasse sich die Anfechtbarkeit nicht mit der Rechtsprechung des BGH begründen, wonach die Verletzung allseitiger schuldrechtlicher Nebenabreden zur Anfechtbarkeit führe, da der Entherrschungsvertrag nur zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Gesellschafter bestehe.359 Eine Anfechtbarkeit wegen der Verfolgung von Sondervorteilen komme dagegen grundsätzlich in Betracht, allerdings fände sie auf Aufsichtsratswahlen keine Anwendung und sei schwierig zu beweisen.360 Die vertragswidrige Stimmabgabe stelle auch keine Treuepflichtverletzung dar, weil eine solche verlange, dass eine Rechtsposition formal korrekt ausgeübt werde, was bei Vorliegen des Entherrschungsvertrages aufgrund der Vertragswidrigkeit jedoch nicht der Fall sei.361 Korsmeier leitet die Anfechtbarkeit eines Beschlusses bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag daraus her, dass der Entherrschungsvertrag materiell eine Überlagerung der Satzung darstelle (siehe oben unter § 4 C. I. 1. a)).362 Beim Entherrschungsvertrag handele es sich um eine korporationsrechtliche Bestimmung, deren Verletzung grundsätzlich der Anfechtung unterliege.363 Demnach sei eine analoge Anwendung von § 243 Abs. 1 AktG geboten, zumal der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Aktiengesetzes den Entherrschungsvertrag nicht kannte.364 Dem Ergebnis, dass der vertragswidrigen Stimmabgabe die Wirksamkeit zu versagen sei, entspreche es auch, dass das allgemeine Zivilrecht auch widerrechtlichen Kündigungen die Wirksamkeit versage. Würde man das vertragswidrige Verhalten des Gesellschafters jedoch zulassen, käme dies einer Kündigung gleich.365
357 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 113; J. Vetter, in: Schmidt/ Lutter, § 17 Rn. 63; Pohlmann, S. 146. 358 Korsmeier, S. 260 ff. 359 Korsmeier, S. 260 ff. 360 Korsmeier, S. 264 ff. 361 Korsmeier, S. 266 ff. 362 Korsmeier, S. 269 ff. 363 Korsmeier, S. 269 f. 364 Korsmeier, S. 270. 365 Korsmeier, S. 270 f.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
2. Beschluss nicht anfechtbar Überwiegend werden die Unwirksamkeit der Stimmabgabe und damit eine Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses jedoch abgelehnt.366 Als schuldrechtlicher Vertrag habe der Entherrschungsvertrag keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Stimmabgabe, welche daher berücksichtigt werden müsse.367 Die abredewidrige Stimmabgabe verletze weder Gesetz noch Satzung, noch erstrebe das beteiligte Unternehmen mit seinem Verhalten einen Sondervorteil, da es nur von seinem ihm im Verhältnis zu den anderen Aktionären zustehenden Stimmrecht Gebrauch mache. Daher liege kein Anfechtungsgrund gemäß § 243 AktG vor.368 Dies entspreche auch der Rechtslage bei Stimmbindungsverträgen unter Aktionären.369 Gegen den Ansatz von Barz wird angeführt, dass der Entherrschungsvertrag zwar die sonstigen Aktionäre in seine Wirkung mit einbeziehe, es sich bei diesen aber dennoch nicht um Vertragsbeteiligte handele.370 Gegen den Ansatz Korsmeiers wird vorgebracht, dass schon die Annahme eines Organisationsvertrages keineswegs überzeuge, da die Stellung des Aktionärs immer Veränderungen unterliege, ohne dass in jedem Fall eine Überlagerung der Satzung anzunehmen sei.371 Auch könne kein Vergleich zur Kündigung gezogen werden, da das vertragswidrige Verhalten nicht mit einer Kündigung gleichzusetzen sei, weil der Entherrschungsvertrag trotz abredewidriger Stimmabgabe weiterhin bestehe.372 Auch die von der Rechtsprechung des BGH aufgestellten Grundsätze zur Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen wegen Verstoßes gegen für alle Gesellschafter bindende Nebenabreden seien auf den aktienrechtlichen Entherrschungsvertrag nicht übertragbar, da der Entherrschungsvertrag nur im Verhältnis zur Gesellschaft gelte.373 Letztlich sprächen auch praktische Überlegungen gegen eine Anfechtbarkeit bei Vertragswidrigkeit, denn der Versammlungsleiter hätte ansonsten zu prüfen, ob der Entherrschungsvertrag wirksam sei.374
366
OLG Frankfurt, a.M. NZG 2007, 553 (556); Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 77; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 105; Götz, S. 66 ff.; Grigoleit, § 17 Rn. 28; Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (320 f.); Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250); Pesch, S. 71. 367 Götz, S. 66 ff. Für Stimmbindungsverträge bereits RGZ 161, 296 (298). 368 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (320 f.). 369 Götz, S. 66. 370 Pesch, S. 72. 371 Pesch, S. 72. 372 Pesch, S. 73. 373 Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (321); Korsmeier, S. 260 ff.; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250); Pesch, S. 74. 374 Götz, S. 68.
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3. Analyse der möglichen Anfechtungsgründe Zunächst ist daran zu erinnern, dass es sich beim Entherrschungsvertrag um einen schuldrechtlichen Vertrag handelt. Die Verletzung eines schuldrechtlichen Vertrages wird in § 243 Abs. 1 AktG nicht als Anfechtungsgrund aufgeführt. Nach dieser Vorschrift kann „[e]in Beschluß der Hauptversammlung […] wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden.“
a) Gegen Barz Der von Barz vertretenen Ansicht kann nicht gefolgt werden. Eine materielle Betroffenheit der Mitaktionäre führt nicht dazu, dass es sich bei diesen um Vertragsbeteiligte handelt.375 Auch seine Prämisse, dass vertragswidrigem Verhalten im Zivilrecht grundsätzlich die Wirksamkeit versagt werde, geht fehl. Barz führt als Beispiel den Verstoß gegen ein Klagerücknahmeversprechen an, welcher zu einer Abweisung der Klage als unzulässig führe.376 Er verkennt dabei jedoch, dass die Abweisung einer solchen Klage nicht aus vertragswidrigem, sondern aus arglistigem Verhalten resultiert. Der BGH führt aus: „Nach dem Vorbringen der Beklagten haben die Parteien allein eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen, kraft deren der Kläger sich verpflichtet hat, seine Klage zurückzunehmen. Eine solche Vereinbarung ist vom RG entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht für zulässig gehalten worden. Sie führt aber nicht dazu, daß die Klage als zurückgenommen gilt. Der Beklagte kann allein, wenn der Kläger einer solchen Vereinbarung zuwider den Rechtsstreit weiter betreibt, dem die Einrede der Arglist entgegensetzen.“377
Zwischen der Annahme von vertragswidrigem und arglistigem Verhalten besteht jedoch ein qualitativer Unterschied. Nicht jedes vertragswidrige Verhalten ist arglistig. Damit die vertragswidrige Stimmabgabe zurückgewiesen werden kann, müssten die Voraussetzungen arglistigen Handelns vorliegen. Hierauf wird an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Verletzung allgemeiner Rechtsgrundsätze zurückzukommen sein. Auch auf § 243 Abs. 2 AktG lässt sich nicht rekurrieren. Für den Fall, in dem die Stimmrechte des beteiligten Unternehmens durch den Entherrschungsvertrag beschränkt werden, die Wahlen zum Aufsichtsrat, findet § 243 Abs. 2 AktG keine Anwendung, da § 251 AktG nicht auf § 243 Abs. 2 AktG verweist. Eine Anfechtung wegen Verfolgung von Sondervorteilen ist bei Aufsichtsratswahlen daher gar nicht möglich.378 Damit scheidet der von Barz gewählte Ansatz aus. 375
Pesch, S. 72. Barz, FS Bärmann, S.185 (198). 377 BGH, NJW 1964, 549 (550). 378 Koch, in: Hüffer/Koch, § 251 Rn. 5; Hüffer/Schäfer, in: MüKo/AktG, § 243 Rn. 76; Korsmeier, S. 264. 376
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
b) Gegen Korsmeier Die Ansicht von Korsmeier basiert nach den dargestellten Grundsätzen auf einer falschen Prämisse. Der Entherrschungsvertrag ist rein schuldrechtlich einzuordnen (siehe oben unter § 4 C. I. 1.). Aber auch der von ihm gezogene Vergleich mit dem allgemeinen Zivilrecht und der Behandlung der widerrechtlichen Kündigung überzeugt nicht. Korsmeier meint, die Zulassung der vertragswidrigen Stimmabgabe wirke wie eine Kündigung des Entherrschungsvertrages. Widerrechtlichen Kündigungen versage das Zivilrecht jedoch die Wirksamkeit. Er übersieht hierbei, dass es sich bei der zivilrechtlichen Kündigung um ein Gestaltungsrecht handelt, welches nur wirksam wird, wenn die vom Gesetz oder Vertrag vorgegebenen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Beispielsweise verlangen § 314 BGB oder § 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung das Vorliegen wichtiger Gründe, ähnliche Regelungen sehen Verträge vor. Liegt kein wichtiger Grund vor, sind die vertraglichen oder gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der Kündigung nicht erfüllt, die notwendig sind, um der Kündigung zur Wirksamkeit zu verhelfen. Anders ist es hingegen bei der entherrschungsvertragswidrigen Stimmabgabe. Die Tatbestandsmerkmale, die vorliegen müssen, um der Stimmabgabe zur Wirksamkeit zu verhelfen, liegen vor. Von einer unwirksamen, „widerrechtlichen“ Kündigung lässt sich damit keine Schlussfolgerung für die Wirksamkeit der Stimmabgabe ziehen. c) Analyse möglicher Anfechtungsgründe Im Folgen sollen nunmehr weitere mögliche Anfechtungsgründe analysiert werden. aa) Die Anfechtbarkeit schuldrechtlicher Nebenbestimmungen nach dem BGH Denkbar erscheint es, auf Basis der Rechtsprechung des BGH zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen, die gegen schuldrechtliche Nebenabreden aller Gesellschafter verstoßen, eine Anfechtbarkeit zu begründen. Der BGH hat mehrfach und ungeachtet dogmatischer Kritik die Anfechtung von Beschlüssen, die gegen schuldrechtliche Nebenabreden aller Gesellschafter verstoßen, zugelassen.379 Begründet hat dieser die Anfechtungsmöglichkeit damit, dass es sich bei einer unter allen Gesellschaftern geschlossenen Abrede um eine Abrede der Gesellschaft handele. Es sei kein Grund ersichtlich, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluss aus der Welt zu schaffen.380 Letztlich stützt sich der BGH in seiner Argumentation damit auf den Grundsatz der Prozessökonomie. Zwar hat der BGH die Entscheidungen zum Recht 379 380
BGH, NJW 1987, 1890; NJW 1983, 1910; OLG Hamm, NZG 2000, 1036. BGH, NJW 1983, 1910 (1911).
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der GmbH gefällt, eine Übertragung auf das Recht der AG erscheint wegen der Anwendung aktienrechtlicher Anfechtungsvorschriften auf die GmbH jedoch möglich.381 Zu berücksichtigen ist für die vorliegende Konstellation des Entherrschungsvertrages allerdings, dass dieser nicht zwischen allen Gesellschaftern, sondern nur zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft selbst geschlossen wird. Im Falle eines Vertrages zwischen Gesellschafter und Gesellschaft hat das OLG Celle die Anfechtbarkeit eines Beschlusses bei Verstoß gegen die Stimmbindungsabrede abgelehnt, da diese nur schuldrechtliche Bindung entfalte und daher auch mit den Mitteln des Schuldrechts durchgesetzt werden müsse.382 Das vom BGH verwendete Argument der Prozessökonomie ließe sich allerdings auch in der Konstellation des Entherrschungsvertrages fruchtbar machen. So wird auch in der Literatur vertreten, dass der Verstoß gegen eine Stimmbindungsabrede, die nur zwischen einzelnen Gesellschaftern bestehe, die Anfechtung begründen könne.383 Zwar widerspräche die Argumentation des BGH in ihrer Allgemeinheit dem Trennungsprinzip zwischen juristischer Person und ihren Gesellschaftern384 und gegen eine Ausdehnung auf Verträge, an denen nicht alle Gesellschafter beteiligt seien, bestünden unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung Bedenken.385 Aber sofern nach den jeweiligen Umständen kein Grund ersichtlich sei, den überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen den vertragsbrüchigen Gesellschafter zu verweisen, wäre auch hier die prozessökonomischere Anfechtung denkbar.386 Gleiches ließe sich auch für einen Vertrag zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Gesellschafter vertreten.387 Dennoch erscheint es wenig überzeugend die dogmatisch fragwürdige Rechtsprechung des BGH auf weitere Fallgestaltungen auszuweiten. Der Ansatz der Anfechtung mag prozessökonomisch sein und alle Bedenken gegen die Wirkung eines Entherrschungsvertrages ausräumen, eine dogmatische Erklärung, wie man zur Gestaltungswirkung des Anfechtungsurteils gelangt, bietet er jedoch nicht. Zudem lässt sich die Argumentation des BGH nicht auf den Entherrschungsvertrag übertragen. Der BGH führt für allseitige Gesellschaftervereinbarungen aus: „In diesem Falle besteht kein Grund, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch
381
Dittert, S. 250 f. OLG Celle, WM 1992, 1702 (1706 f.); ähnlich OLG Frankfurt, Urteil v. 22. 05. 2007 – 5 U 33/06. 383 Happ, ZGR 1984, 168 (177 f.). 384 Happ, ZGR 1984, 168 (172). 385 Happ, ZGR 1984, 168 (177 f.). 386 Happ, ZGR 1984, 168 (177 f.). 387 Dagegen Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (321); Pesch, S. 74. 382
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2. Teil: Aktienkonzernrecht deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluß aus der Welt zu schaffen.“388
Der BGH stellt darauf ab, dass die überstimmten Gesellschafter mit einer Klage gegen den vertragswidrig abstimmenden Gesellschafter letztlich dasselbe erreichen könnten, wie wenn sie anfechten, und daher kein Grund vorliege, den ökonomischeren Weg nicht zu beschreiten. Dies trifft jedoch in der Situation des Entherrschungsvertrages gar nicht zu. Beim Entherrschungsvertrag kann die Gesellschaft zwar gegen das verpflichtete, beteiligte Unternehmen vorgehen und dieses zur Mitwirkung an der Abwahl der Aufsichtsratsmitglieder und darauf folgender Neubestellung anderer Mitglieder verpflichten, aber die Abwahl der Aufsichtsratsmitglieder verlangt gemäß § 103 Abs. 1 S. 2 AktG grundsätzlich eine Dreiviertelmehrheit. Über eine solche vermag das beteiligte Unternehmen aber gar nicht verfügen. Die klagende Gesellschaft würde bei einer Anfechtungsklage somit in vielen Fällen mehr erreichen, als wenn sie gegen das verpflichtete Unternehmen schuldrechtlich vorginge. Und dies nicht nur aus den zuvor angeführten Gründen, sondern auch aufgrund der ex tunc Wirkung des Anfechtungsurteils.389 Demnach kann für den Entherrschungsvertrag eine Anfechtbarkeit nicht aus der Rechtsprechung des BGH zur Anfechtung allseitiger Gesellschaftervereinbarungen hergeleitet werden. bb) Einvernehmliche Satzungsauslegung Auch der bei Stimmbindungsverträgen vertretene Ansatz, bei diesen handele es sich um eine einvernehmliche Auslegung der Satzung390 und hieraus die Anfechtung des Beschlusses wegen Satzungsverstoßes herzuleiten, überzeugt für den Entherrschungsvertrag nicht. Denn in der Satzung der abhängigen Gesellschaft fehlt es bezogen auf den Entherrschungsvertrag an einer Bestimmung, die verletzt sein könnte. Zudem sind Satzungen objektiv auszulegen, eine schuldrechtliche Sonderregelung spielt hierbei keine Rolle.391 cc) Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze Unter den Gesetzesbegriff des § 243 Abs. 1 AktG fallen auch Generalklauseln wie die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG oder der Rechtsgedanke des § 138 Abs. 1 BGB.392 Verstößt ein Beschluss
388
BGH, NJW 1983, 1910 (1911). BGH, BeckRS 2013, 05862; Englisch, in: Hölters, § 248 Rn. 10; Hüffer/Koch, § 248 Rn. 6; Hüffer/Schäfer, in: MüKo/AktG, § 248 Rn. 14; Würthwein, in: Spindler/Stilz, § 243 Rn. 4. 390 Jäger, DStR 1996, 1935 (1937). 391 Dittert, S. 259; Jäger, DStR 1996, 1935 (1937); Schwab, S. 501. 392 Drescher, in: Henssler/Strohn, § 243 AktG Rn. 19 ff.; Englisch, in: Hölters, § 243 Rn. 7; Hüffer/Koch, § 243 Rn. 5; Mehrbrey/Zimmerling/Willemer, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 8 Rn. 156 ff. 389
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inhaltlich gegen die Treuepflicht, führt dies zur Anfechtbarkeit des Beschlusses.393 Auch die Stimmabgabe selbst kann gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Nach überwiegender Auffassung sind treuwidrig abgegebene Stimmen nichtig.394 Eine nichtige Stimme darf bei der Zählung nicht mitgerechnet werden, sie wirkt wie eine Stimmenthaltung.395 Wird die nichtige Stimmabgabe dennoch berücksichtigt und der Beschluss festgestellt, führt dies zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (in Kombination mit positiver Beschlussfeststellungsklage möglich).396 Bei fehlender Beschlussfeststellung leidet hingegen der gesamte Beschluss an der Nichtigkeit, welche durch die allgemeine Feststellungsklage geltend gemacht werden kann.397 (1) Rechtslage bei Stimmbindungsvereinbarungen Zu Stimmbindungsvereinbarungen unter allen Gesellschaftern wird vertreten, die Treuepflicht werde durch den Stimmbindungsvertrag konkretisiert und bei vertragswidrigem Verhalten verletzt.398 Nach vereinzelter Auffassung spielt es keine Rolle, wie viele der Gesellschafter an der Absprache beteiligt sind.399 Der BGH hat demgegenüber im Verstoß gegen einen allseitigen Stimmbindungsvertrag unter den Gesellschaftern keinen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gesehen. Ob eine Verletzung der Treuepflicht vorliege, sei ausschließlich vom Gesellschaftsverhältnis aus zu beurteilen und nicht aufgrund von Bindungen, die die Gesellschafter in anderen Gesellschaften eingingen.400 Diese Auffassung des BGH ist auch in der Literatur vermehrt auf Zustimmung gestoßen. Der Stimmbindungsvertrag befinde sich außerhalb der Gesellschaftssphäre. Ihn nunmehr über das Rechtsmissbrauchsverbot oder § 242 BGB in die Gesellschaft zu projizieren, dürfe nicht möglich sein.401 Von der Konstellation des Entherrschungsvertrages unterschied sich der zu entscheidende Fall freilich dadurch, dass die Gesellschaft selbst am Vertrag nicht beteiligt war.
393 Schwab, in: Schmidt/Lutter, § 243 Rn. 4; Mehrbrey/Böckmann, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 6 Rn. 377. 394 BGH, NJW-RR 1990, 553; BGHZ 102, 176; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 108; Englisch, in: Hölters, § 243 Rn. 37; Mehrbrey/Böckmann, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 6 Rn. 377; Zöllner, S. 366; a.A.: Schwab, S. 330 ff. 395 BGH, NJW 1991, 846; Zöllner, S. 359. 396 BGH, NJW 1991, 846; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 108, Anh. § 47 Rn. 105; Schindler, in: BeckOK/GmbHG, § 47 Rn. 58; Englisch, in: Hölters, § 243 Rn. 37. 397 Schindler, in: BeckOK/GmbHG, § 47 Rn. 58. 398 Weber, DStR 1997, 824 (827 ff.); auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 118 und Hoffmann-Becking, ZGR 1994, S. 458 f. 399 Weber, DStR 1997, 824 (828 f.). 400 BGH, NJW 1983, 1910 (1911); zustimmend Winter, ZHR 154 (1990), 259 (266). 401 Dittert, S. 260; Ulmer, NJW 1987, 1849 (1852).
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(2) Rechtslage beim Entherrschungsvertrag In der Literatur ist ohne nähere Konkretisierung oder Begründung vertreten worden, die entherrschungsvertragswidrige Stimmabgabe sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsmissbrauchsverbot unwirksam.402 Dem wird entgegengehalten, in der vertragswidrigen Stimmabgabe könne kein Rechtsmissbrauch gesehen werden, denn ein Rechtsmissbrauch liege nur vor, wenn ein Recht formal korrekt ausgeübt werde. Dies treffe auf die Situation des Entherrschungsvertrages nicht zu, nach der vertraglichen Regelung bestehe bereits kein Recht zur Stimmrechtsausübung.403 (3) Eigene Einschätzung Im Folgenden soll daher nun die These untersucht werden, die entherrschungsvertragswidrige Stimmabgabe sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsmissbrauchsverbot unwirksam. Hintergrund des Rechtsmissbrauchsverbots ist hierbei die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Treuepflichten resultieren aus dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis.404 Das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis schafft sowohl eine Sonderverbindung zwischen Gesellschafter und Verband als auch zwischen den einzelnen Gesellschaftern (mehrseitige Sonderrechtsbeziehung).405 Dementsprechend haben Treuepflichten unterschiedliche Schutzrichtungen: Sie existieren zum Schutz der Verbandsinteressen und zum Schutz der Mitgliederinteressen.406 Die Treuepflicht gilt rechtsformunabhängig.407 Sie verpflichtet die Gesellschafter, auf die Interessen der Gesellschaft und die ihrer Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen und kann der Ausübung von Gesellschafterrechten eine Schranke setzen.408 Besonders das Stimmrecht ist ein Recht, das sich am Gesellschaftsinteresse auszurichten hat, demgegenüber steht etwa das Recht auf Dividende, bei dem es sich um ein eigennütziges Recht handelt.409 Bei Vorliegen von Mehrheitsbesitz kann sich die Treuepflicht aufgrund der höheren Einflussmöglichkeiten verdichten.410 Einem Rückgriff auf die Treuepflicht steht nicht entgegen, dass die §§ 311 ff. AktG bereits Gesellschaft und Minderheitsaktionäre vor Maßnahmen des herrschenden Unternehmens schützen. 402
Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 113. Korsmeier, S. 267 mit Verweis auf Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (449). 404 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 20 IV 1; Weber, DStR 1997, 824 (827 f.). 405 Würthwein, in: Spindler/Stilz, § 243 Rn. 159; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (168); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 1, § 20 IV; Weber, DStR 1997, 824 (827 f.). 406 Würthwein, in: Spindler/Stilz, § 243 Rn. 159; Mehrbrey/Böckmann, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 6 Rn. 367; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (168); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1. 407 Würthwein, in: Spindler/Stilz, § 243 Rn. 159; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 2. 408 Hüffer/Koch, § 53a Rn. 16; Würthwein, in: Spindler/Stilz, § 243 Rn. 159; Mehrbrey/ Böckmann, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 6 Rn. 368. 409 Hüffer/Koch, § 53a Rn. 17; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz § 53a Rn. 38. 410 Römermann, in: Michalski GmbHG, Anh. § 47 Rn. 333; Schwab, in: Schmidt/Lutter, § 243 Rn. 4; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (452 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 4. 403
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Die §§ 311 ff. AktG gelten nur für nachteilige Maßnahmen, was die bloße Stimmabgabe nicht darstellt.411 Das Verbot, Mitgliedschaftsrechte rechtsmissbräuchlich auszuüben, ist Bestandteil der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, rechtsmissbräuchliches Verhalten ist stets ein Verstoß gegen die Treuepflicht.412 Diese erfasst jedoch weitere Fallgestaltungen, an das Vorliegen eines Rechtsmissbrauches werden höhere Anforderungen als an die Verletzung der Treuepflicht gestellt.413 Als Rechtsmissbrauch wird der Tatbestand der missbilligten Inanspruchnahme eines Rechts bezeichnet.414 Zentrale Rechtsfolge ist die Verhinderung der Ausübung eines subjektiven Rechts, der Partei wird ein Rechtsvorteil verweigert, der ihr ansonsten zustünde.415 In Rechtsprechung und Literatur sind Fälle als Rechtsmissbrauch anerkannt worden, die zur vorliegenden Konstellation Ähnlichkeit aufweisen.416 So ist beispielsweise die Erhebung einer aktienrechtlichen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtsmissbräuchlich, wenn damit einer bestehenden Vereinbarung zuwider gehandelt wird.417 Zwar kann der lediglich schuldrechtlich Verpflichtete gegen die Vereinbarung verstoßen, indem er eine Anfechtungsklage erhebt oder weiterverfolgt, dieses Verhalten wird jedoch als rechtsmissbräuchlich nicht zugelassen.418 Auch der bereits von Barz angeführte Fall des Verstoßes gegen ein Klagerücknahmeversprechen (siehe oben unter § 4 F I. 1. a)), gehört in diesen Zusammenhang.419 Übertragen auf die Situation des Entherrschungsvertrages könnte dies Folgendes bedeuten: Das beteiligte Unternehmen kann nach der gesetzlichen Regelung seine Stimmrechte ausüben, obwohl es sich verpflichtet hat, dies nicht zu tun. Sofern sich das Verhalten jedoch als rechtsmissbräuchlich darstellt, wird es ihm dergestalt untersagt, dass die rechtsmissbräuchliche Stimmabgabe als nichtig beurteilt wird und der getroffene Beschluss anfechtbar ist. Der Beantwortung der Frage, ob die entherrschungsvertragswidrige Stimmabgabe als rechtsmissbräuchlich bzw. treuepflichtwidrig beurteilt werden kann, muss vorangestellt werden, dass eine solche Annahme nicht leichtfertig getroffen werden darf. Korrekturen über das Rechtsmissbrauchsverbot sind auf Ausnahmefälle be411
Korsmeier, S. 266 f. BayOblG, NJW-RR 2002, 104; Hüffer/Schäfer, in: MüKo/AktG, § 245 Rn. 57; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 3. 413 BGH, NJW 1989, 2689; Hüffer/Schäfer, in: MüKo/AktG, § 245 Rn. 57; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (457); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 3; Korsmeier, S. 267 setzt Rechtsmissbrauch und Treuepflicht hingegen gleich. 414 Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 202. 415 Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 203. 416 BGH, NJW-RR 1989, 1048; NJW 1984, 805; NJW 1958, 1397; OLG Frankfurt, WM 1992, 784. 417 OLG, Frankfurt WM 1992, 784. 418 OLG, Frankfurt WM 1992, 784. 419 Barz, FS Bärmann, S. 185 (198); BGH, NJW 1964, 549 (550). 412
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grenzt. Wer von seinem durch die Privatrechtsordnung zugewiesenen Rechten Gebrauch macht, begeht grundsätzlich keinen Rechtsmissbrauch, für die Ausübung seiner Rechte bedarf es keiner Rechtfertigung.420 Um der Gefahr der leichtfertigen Korrektur zu begegnen, bietet es sich daher an, von im allgemeinen Zivilrecht anerkannten Fällen des Rechtsmissbrauchs auszugehen. Ordnet man die vorliegende Konstellation anerkannten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu, könnte es sich um eine Form der missbilligten Rechtsausübung (exceptio doli praesentis)421 handeln. Denn das frühere Verhalten, also der Abschluss des Entherrschungsvertrages, ist nicht zu missbilligen (keine exceptio doli praetereti)422. Als Fallgruppe der missbilligten Rechtsausübung kommt insbesondere widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) in Betracht, da sich das beteiligte Unternehmen durch die Stimmrechtsausübung in Widerspruch zum erweckten Vertrauen, Stimmrechte nicht auszuüben, setzt. (a) Venire contra factum proprium Es dürfte allgemein anerkannt sein, dass Verstöße gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium zur Unwirksamkeit der Stimmabgabe und damit zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen.423 Auch unabhängig von § 243 AktG spielt das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens im Aktienrecht eine Rolle, z. B. beim Missbrauch von Fragerechten des § 131 AktG,424 oder dem Verlust der Anfechtungsbefugnis425. Nach dem Verbot des venire contra factum proprium ist eine Rechtsausübung unzulässig, wenn der Rechteinhaber Vertrauen darauf erweckt hat, dass er die ihm zustehenden Rechte nicht ausüben wird und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf als vorrangig erscheinen.426 Zwar darf grundsätzlich jeder sein Verhalten ändern, sich auf die Nichtigkeit einer abgegebenen Erklärung berufen oder ein unter seiner Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreifen.427 Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt allerdings darin, dass gegen einen geschaffenen Vertrauenstatbestand verstoßen wird.428 Das Verbot des venire contra factum proprium folgt aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes und des Gebots der ge420
Zutreffend Kähler, in: BeckOGK BGB, § 242 Rn. 937, 973. Dette, S. 34 f. 422 Dette, S. 32 ff. 423 BGH, Urteil v. 12. 04. 2016 – II ZR 275/14; OLG Frankfurt, Urteil v. 26. 08. 2009 – 23 U 69/08; LG Potsdam, Beschluss v. 30. 09. 2009 – 52 O 21/08; Habersack, in: Emmerich/Habersack, § 327a Rn. 30; Grunewald, in: MüKo/AktG, § 327a Rn. 28; Goslar/von Linden, BB 2009, 1986 (1992); Kiefner, NZG 2011, 201 (203). 424 BayOblG, NJW-RR 2002, 104; Hüffer/Koch, § 131 Rn. 34 f. 425 LG Bonn, Urteil v. 02. 05. 2002 – 14 O 160/00 Rz. 183. 426 BGH, NJW-RR 2013, 757 (759); Schubert, in: MüKo/BGB § 242 Rn. 309; Olzen/ Looschelders, in: Staudinger BGB, § 242 Rn. 290; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 55. 427 BGH, NJW-RR 2013, 757 (759); Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 55. 428 BGH, BeckRS 1969, 31368020; Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 309; Dette, S. 25. 421
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genseitigen Rücksichtnahme.429 Ob die Geltendmachung eines Rechts – hier also der Stimmabgabe – als widersprüchlich zu bewerten ist, hängt von einer Interessenabwägung im Einzelfall ab.430 Ein bestehender Vertrag schließt den Rückgriff auf den Grundsatz des venire contra factum proproum nicht zwingend aus. § 242 BGB kann auch ein Mittel darstellen, Vertragsverletzungen zu verhindern.431 Zwar soll ein rechtsgeschäftlicher Verzicht den Grundsätzen des § 242 BGB vorgehen und einen Rückgriff auf § 242 BGB grundsätzlich sperren.432 Von seiner Zielrichtung lässt sich zwischen Entherrschungsvertrag und Verzicht eine Vergleichbarkeit feststellen: Da ein wirksamer Verzicht auf das Stimmrecht aufgrund dessen Unverzichtbarkeit (§ 12 Abs. 1 AktG)433 nicht möglich ist, wird der schuldrechtliche Weg gewählt. Die Ähnlichkeit zeigt sich darüber hinaus auch an den teilweise verwendeten Formulierungen in Entherrschungsverträgen: Im Entherrschungsvertrag zwischen der ASKO Deutschen Kaufhaus AG und der MASSA AG fand sich beispielsweise die Formulierung, das Unternehmen „verzichtet auf die Ausübung des Teils der ihr zustehenden Stimmrechte“434.
Von diesem Grundsatz ist allerdings wiederum für den hier interessierenden Fall der unverzichtbaren Rechte eine Ausnahme anerkannt. In derartigen Fällen ist der Rückgriff auf § 242 BGB nicht gesperrt.435 Denn durch das freiwillige Nichtausüben von unverzichtbaren Rechten könne gleichfalls Vertrauen bei der Gegenseite entstehen.436 Allerdings bedürfe die Schutzwürdigkeit der Gegenseite eines besonderen Nachweises.437 Erforderlich für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung ist zunächst, dass das Verhalten schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite hervorruft.438 Mit dem abgeschlossenen Entherrschungsvertrag, der die jeweiligen Vertragspflichten genau und auf bestimmte Zeit konkretisiert, vermittelt das beteiligte Unternehmen gegenüber der Gesellschaft und auch gegenüber sonstigen Aktionären zurechenbar den Eindruck, dass es seine Stimmrechte in Bezug auf die im Vertrag näher bezeichneten Beschlüsse nicht ausüben wird. Somit liegt ein zurechenbarer Vertrauenstatbestand 429
Dette, S. 45 ff.; Olzen/Looschelders, in: Staudinger BGB, § 242 Rn. 286. BGH, NJOZ 2016, 82 (83); Olzen/Looschelders, in: Staudinger BGB, § 242 Rn. 286. 431 Kähler, in: BeckOGK, § 242 Rn. 1149. 432 Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 317; Dette, S. 47. 433 Vatter, in: Spindler/Stilz, § 12 Rn. 1, 3; Semler, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 39 Rn. 1; Reichert/Harbarth, AG 2001, 447 (451); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV. 434 § 1 des Entherrschungsvertrages zwischen ASKO Deutsche Kaufhaus AG und MASSA AG bei Götz Anlage 2. 435 BGHZ 129, 301; Mansel, in: Jauernig BGB, § 242 Rn. 48; Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 318; Dette, S. 45. 436 Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 318. 437 Schubert, in: MüKo/BGB, § 242 Rn. 318. 438 Olzen/Looschelders, in: Staudinger BGB, § 242 Rn. 290. 430
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
vor, gegen den bei Stimmabgabe verstoßen wird. Auch soweit eine erforderliche Bestätigung des Vertrauens auf Seiten des Vertrauenden gefordert wird,439 wird eine solche, etwa durch eine unterlassene Aufstellung des Abhängigkeitsberichts gemäß § 312 AktG, in der Regel vorliegen. Die für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs in Form des widersprüchlichen Verhaltens erforderliche Interessenabwägung fällt erkennbar zu Gunsten der Gesellschaft und gegen das beteiligte Unternehmen aus. Dieses hat die Bindung durch den Abschluss des Entherrschungsvertrages herbeigeführt und hierdurch seine Interessen bewusst gemindert. Als mehrheitlich beteiligtes Unternehmen wird es oftmals sogar dafür Sorge getragen haben, dass der Vertrag auch durch die Gesellschaft abgeschlossen wird. Sein Verhalten stellt sich als inkonsistent dar, wenn es die Vorteile, wie das Nichteingreifen der konzernrechtlichen Schutzvorschriften, aus dem Vertrag ziehen will, ihn andererseits aber nicht befolgen möchte. Die Gesellschaft wie auch sonstige Aktionäre haben sich demgegenüber erkennbar darauf eingerichtet, dass der Entherrschungsvertrag eingehalten wird und die Gesellschaft für eine bestimmte Dauer unabhängig agieren kann. Auch wenn vor diesem Hintergrund die Annahme eines Anfechtungsgrunds vertretbar erscheint, sprechen die besseren Argumente gegen die Zulassung eines Anfechtungsgrundes. Hierbei kann zwar nicht mit der Rechtsprechung des BGH440 (siehe oben unter aa)) angeführt werden, dass die Frage der Treuepflicht ausschließlich vom Gesellschaftsverhältnis her und nicht mit Blick auf Nebenabreden zu beurteilen ist. Die vorherige Herleitung hat nämlich gezeigt, dass es ausgehend vom Gesellschaftsverhältnis möglich ist, einen Treuepflichtverstoß bei Verletzung vertraglichen Pflichten anzunehmen. Entscheidendes Gegenargument ist hingegen, dass es sich bei der entherrschungsvertragswidrigen Stimmabgabe um eine typische Form der Erfüllungsverweigerung handelt.441 So setzt sich jeder, der einen Vertrag schließt und dessen Erfüllung verweigert, in Widerspruch zu seiner vorherigen Willenserklärung.442 Die Lösung derartiger Fälle ist jedoch nicht in § 242 BGB sondern in der vertraglichen Durchsetzung zu finden.443 Andernfalls müsste man in jedem Vertragsverstoß zwischen einem Gesellschafter und seiner Gesellschaft eine Treuepflichtverletzung sehen und dieser die Wirksamkeit versagen. Dies überzeugt – etwa mit Blick auf sonstige Leistungsbeziehungen zwischen beiden – nicht.
439
Dette, S. 63 f.; Kähler, in: BeckOGK BGB, § 242 Rn. 1109. BGH, NJW 1983, 1910 (1911). 441 Ähnliche Überlegungen für den Verstoß gegen Stimmbindungsabreden bei Zluhan, AcP 128, 256 (289 f.). 442 Dette, S. 41. 443 Dette, S. 47. 440
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Würde in der entherrschungsvertragswidrigen Stimmabgabe ein Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum proprium gesehen, hätte dies zudem zur Folge, dass die Unverzichtbarkeit des Stimmrechts (§ 12 Abs. 1 S. 1 AktG)444 durch schuldrechtliche Gestaltung in Kombination mit § 242 BGB umgangen würde. Mit dem Abschluss des Entherrschungsvertrages könnte das Stimmrecht des Aktionärs für eine sehr lange Zeit eliminiert werden. Dies widerspricht der gesetzlichen Konzeption, nach der das Stimmrecht des Aktionärs als elementares Mitgliedschaftsrecht unverzichtbar ist. Diese gesetzgeberische Entscheidung sollte nicht durch § 242 BGB korrigiert werden. Ein Rückgriff auf das Verbot des venire contra factum proprium scheidet damit aus. (b) Rechtsmissbrauch und Treuepflichtverletzung Die genannten Überlegungen sprechen darüber hinaus auch gegen den Rückgriff auf das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot bzw. die Treuepflichtverletzung, da ein derartiger Rückgriff die Entscheidung des Gesetzgebers zur Unverzichtbarkeit des Stimmrechts unterliefe. Fraglich bleibt jedoch, ob sich eine solche Auslegung nicht in Widerspruch zur zitierten Rechtsprechung setzt, die bei Verstößen gegen geschlossene Vereinbarungen die Unzulässigkeit prozessualer Maßnahmen annimmt.445 Dagegen ist einzuwenden, dass es in derartigen Fällen häufig um die Einrede der Arglist geht, insofern arglistiges Verhalten der Gegenseite angenommen wird.446 Eine generelle Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung ist damit nicht verbunden. Auch beim Entherrschungsvertrag mag arglistiges Verhalten im Einzelfall vorliegen, jedoch kann nicht generell von Arglist gesprochen werden, wenn das beteiligte Unternehmen während der Laufzeit des Vertrages gegen seine Vertragspflichten verstößt. Vielmehr handelt es sich bei der entherrschungsvertragswidrigen Stimmabgabe um einen klassischen Verstoß gegen einen schuldrechtlichen Vertrag. Zudem spielen bei der genannten Rechtsprechung Gedanken der Prozessökonomie eine Rolle.447 Wird gegen die Vereinbarung verstoßen, soll der Benachteiligte nicht auf den umständlichen Weg einer separaten Klage verwiesen werden, die darauf zielt, die Vereinbarung durchzusetzen.448 In der vorliegenden Konstellation kann dies jedoch keine Berücksichtigung finden, da eine Anerkennung der Anfechtbarkeit bei Verstoß gegen schuldrechtliche Vereinbarungen darauf hinausliefe, 444
Hüffer, § 12 Rn. 2; Vatter, in: Spindler/Stilz § 12 Rn. 1, 3; Semler, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 38 Rn. 1; Reichert/Harbarth, AG 2001, 447 (451); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV. 445 BGH, Beschluss v. 10. 10. 2013 – VII ZR 248/11; NJW-RR 1989, 1048; NJW 1984, 805; NJW 1964, 549; NJW 1958, 1397; OLG Frankfurt, WM 1992, 784; OVG Hamburg, NJW 1989, 604. 446 BGH, NJW 1964, 549; OVG Hamburg, NJW 1989, 604; Becker-Eberhard, in: MüKo/ ZPO, § 269 Rn. 12. 447 OVG Hamburg, NJW 1989, 604. 448 OVG Hamburg, NJW 1989, 604.
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der Gesellschaft mehr zuzusprechen, als ihr bei einer schuldrechtlichen Durchsetzung zustünde (siehe oben unter § 4 F. II. 3. c)). Letztlich bestehen gegen die angeführte Rechtsprechung auch dogmatische Bedenken, die gegen eine Übertragung auf die Konstellation des Entherrschungsvertrages sprechen. Zutreffend wird in der prozessrechtlichen Literatur angemerkt, dass es überzeugender sei, die Unzulässigkeit einer gegen eine Vereinbarung verstoßende Klage daraus herzuleiten, dass die Vereinbarung als echter prozessualer Vertrag die Klage unmittelbar unzulässig werden lasse (verfügende Wirkung).449 Eine solche Unzulässigkeit der Stimmabgabe lässt sich jedoch aus einem schuldrechtlichen Vertrag nicht begründen. (c) Ergebnis In der entherrschungsvertragswidrigen Stimmabgabe liegt daher kein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht oder sonstige allgemeine Rechtsgrundsätze. dd) Ergänzende Vertragsauslegung des Entherrschungsvertrages Letztlich könnte sich die Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bei entherrschungsvertragswidriger Stimmgabe daraus ergeben, dass der Entherrschungsvertrag im Wege ergänzender Vertragsauslegung dem Recht der Anfechtung gemäß den §§ 241 ff. AktG unterstellt wird. Dies wird für Stimmbindungsvereinbarungen, an denen alle Gesellschafter beteiligt sind, von Schwab für möglich gehalten.450 Stimmbindungsvereinbarungen zielten auf Entscheidungen, welche für die Arbeit der Gesellschaft von Bedeutung seien. Im Zweifel würden die Parteien daher das effektivste Modell zur Durchsetzung dieser Vereinbarung anstreben.451 Dies seien die §§ 241 ff. AktG aufgrund der allseitig verbindlichen Entscheidung, dem Prinzip der Gestaltungsklage und der Vernichtung ex tunc.452 Zudem ermögliche die positive Beschlussfeststellungsklage die Herstellung des vertragsgemäßen Beschlusses.453 Der Rechtsschutz des Gesellschafters, der verpflichtet sei, werde nicht verkürzt, da er als streitgenössischer Nebenintervenient beitreten könne.454 Insbesondere die fehlende Publizität der Stimmbindungsabrede könne diesen Erwägungen nicht entgegengehalten werden. Wenn Dritten ein Interesse daran zugebilligt würde, dass Gesellschafterbeschlüsse ausschließlich anhand von Gesetz und Satzung überprüft werden könnten, wäre Stimmbindungsverträgen gänzlich die Wirksamkeit zu ver449 450 451 452 453 454
Becker-Eberhard, in: MüKo/ZPO, § 269 Rn. 12. Schwab, S. 502 ff.; ders., in: Schmidt/Lutter, § 243 Rn. 23. Schwab, S. 503 ff. Schwab, S. 504. Schwab, S. 504. Schwab, S. 504.
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sagen. Müsste der Beschluss mit Rücksicht auf die Nebenabrede aufgehoben werden, so ließe sich dies nur mit einem zusätzlichen Prüfungsmaßstab außerhalb von Gesetz und Satzung zurückführen.455 Wolle man diese Konsequenz nicht ziehen, reduziere sich die Frage auf eine rein prozessrechtliche: Leistungsklage oder Anfechtungsklage.456 Für Vereinbarungen zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft vertritt Schwab allerdings mit Verweis auf das OLG Celle457 die Auffassung, eine Anfechtung komme nicht in Betracht. Ein nicht beteiligter Gesellschafter könne sich darauf verlassen, dass ein mit Gesetz und Satzung in Einklang stehender Beschluss Bestand habe und nicht mit Rücksicht auf eine für ihn fremde Vereinbarung zu Fall gebracht werde. Dieser müsse es auch nicht hinnehmen, dass die Gesellschaft als Prozessbeteiligte Kosten und Aufwand trage.458 Gegen diese Ansicht könnte zwar eingewendet werden, dass es bei Vorliegen eines Entherrschungsvertrages in der Regel dem Willen der außenstehenden Gesellschafter entspricht, dass dieser eingehalten wird und mögliche Verstöße durch eine Anfechtbarkeit wirksam sanktioniert werden. Denn der Einfluss außenstehender Gesellschafter vergrößert sich mit der Möglichkeit, den Entherrschungsvertrag wirksam durchzusetzen. Was die Kostentragung durch die Gesellschaft betrifft, lässt sich vorbringen, dass diese daraus resultiert, dass die Gesellschaft den Vertrag geschlossen hat und daher auch nicht schützenswert ist, weil auch ein Unterlassungsprozess von ihr zu führen wäre. Wegen der Veröffentlichung des Entherrschungsvertrages wären darüber hinaus auch die außenstehenden Gesellschafter über diesen informiert. Einwände fehlender Publizität sprächen mithin nicht gegen das Vorgehen im Wege der Anfechtungsklage. Dennoch ist es im Ergebnis nicht überzeugend, mittels ergänzender Vertragsauslegung eine Anfechtbarkeit bei entherrschungsvertragswidriger Stimmabgabe anzunehmen. Mangels Beteiligung außenstehender Gesellschafter ist nicht zu erklären, warum diesen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gegenüber ein Anfechtungsurteil wirken sollte. Auch das Argument, wenn ein Beschluss mit Rücksicht auf die Stimmbindungsabrede aufgehoben werde, ließe sich dies nur mit einem zusätzlichen Prüfungsmaßstab außerhalb von Gesetz und Satzung (§ 243 AktG) erklären, überzeugt nicht. Es geht nicht um einen zusätzlichen Prüfungsmaßstab, der zur Anfechtung ex tunc führt, vielmehr wird das Verfahren der Durchsetzung der schuldrechtlichen Abrede beschritten. Hier besteht ein grundlegender Unterschied zur Anfechtung.
455 456 457 458
Schwab, S. 506 f. Schwab, S. 507. OLG Celle, WM 1992, 1703 ff. Schwab, S. 504 f.
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d) Ergebnis Der Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag führt somit nicht zur Anfechtbarkeit des getroffenen Hauptversammlungsbeschlusses. II. Durchsetzung mittels Leistungsklage und einstweiliger Verfügung Unbestritten dürfte demgegenüber die Durchsetzbarkeit mittels Leistungsklage zum Stimmrechtsverzicht sein.459 Aus Stimmbindungen kann im Wege einer Leistungsklage auf Erfüllung geklagt werden und die Stimmabgabe im Wege der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nach § 894 ZPO durchgesetzt werden.460 Das Urteil ersetzt die Stimmabgabe, es muss allerdings noch dem jeweiligen Versammlungsleiter bzw. der Gesellschaft zugehen.461 Dass die Verurteilung zur Erfüllung einer Abstimmungspflicht in der Regel zu spät komme, steht nach Ansicht des BGH der Klage nicht entgegen.462 Für den Entherrschungsvertrag ist eine Erfüllung in Form der Unterlassung der Stimmabgabe oder der Abgabe einer Stimmenthaltung denkbar. 463 Eine Vollstreckung der Unterlassung der Stimmabgabe erfolgt nach § 890 ZPO.464 Danach ist bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen. Doch ist für den Entherrschungsvertrag auch eine Vollstreckung nach § 894 ZPO möglich, indem auf die Abgabe der Stimme in Form der Stimmenthaltung abgestellt wird. Bei Abstimmungen steht es den Aktionären frei, die Stimme mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ abzugeben.465 Wenn schon die Vollstreckung einer „Ja“ oder einer „Nein“ Stimme nach § 894 ZPO möglich ist, ist kein Grund ersichtlich, warum dies nicht für die Enthaltung ebenfalls gelten sollte. Enthaltene Stimmen werden bei der Berechnung nach § 133 AktG als nicht abgegebene Stimmen gezählt.466 Die Wirkung 459
Hüttemann, ZHR 156 (1992), 314 (327); Korsmeier, S. 282 f.; Pesch, S. 92. Grundlegend BGH, NJW 1967, 1963 (1965 f.); Dittert, S. 242 ff.; Korsmeier, S. 282 f.; Zöllner, ZHR 155 (1991), 168 (185 f.). 461 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 39 Rn. 54; Zutt, ZHR 155 (1991), 190 (205). 462 BGH, NJW 1967, 1963 (1965 f.); Korsmeier, S. 282 f. 463 Pesch, S. 92. 464 Schindler, in: BeckOK/GmbHG, § 47 Rn. 74; Schröer, in: MüKo/AktG, § 136 Rn. 91; Schäfer, in: MüKo/BGB, § 717 Rn. 28; Dittert, S. 244 f.; Peters, AcP 156, 311 (325 f.); Piehler, DStR 1992, 1654 (1660). 465 Koch, in: Hüffer/Koch, § 133 Rn. 18; Rieckers, in: Spindler/Stilz, § 133 Rn. 18. 466 Koch, in: Hüffer/Koch, § 133 Rn. 18; Rieckers, in: Spindler/Stilz, § 133 Rn. 18. Auch bei Anwendung der Subtraktionsmethode steht dieser Weg der Vollstreckung offen. Denn nach Feststellung des vorläufigen Ergebnisses im Wege der Subtraktion muss der Versammlungsleiter dann in einem zweiten Schritt noch die durch das Urteil ausgesprochene Enthaltung berücksichtigen. Ähnlich verhält es sich auch bei der Briefwahl, vgl. hierzu Holzborn, in: Bürgers/Körbers, § 133 Rn. 12. 460
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ist folglich die gleiche wie bei der Unterlassung der Stimmabgabe, nur entfaltet die Vollstreckung nach § 894 ZPO Vorteile gegenüber der Vollstreckung nach § 890 ZPO. Beide Möglichkeiten stehen jedoch beim Entherrschungsvertrag offen. Für den Weg der Leistungsklage wird freilich in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass diese aufgrund des Zeitfaktors in der Praxis kaum denkbar ist.467 Wurde die Stimme bereits vertragswidrig abgegeben, besteht ein Schadensersatzanspruch gerichtet auf Naturalrestitution in Form der Wiederherstellung des Zustandes, der bei vertragsgemäßer Abstimmung bestanden hätte.468 Dies hat zur Folge, dass ein vertragswidrig gefasster HV-Beschluss aufzuheben und neu zu fassen ist.469 Für die AG stellt sich jedoch, anders als für die GmbH, das Problem, dass die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 103 Abs. 1 S. 2 AktG einer Dreiviertelmehrheit bedarf. Insofern ist eine solche mitunter selbst bei Einschaltung eines Unternehmens mit Mehrheitsbeteiligung keineswegs immer möglich. Ein anderer (materieller) Schaden wird sich im Regelfall nicht nachweisen lassen.470 Von größerer Praxisrelevanz ist daher der einstweilige Rechtsschutz. Die Möglichkeit, Stimmbindungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen, wird mittlerweile von der überwiegenden Auffassung sowohl in der AG als auch in der GmbH zugelassen.471 Zutreffender Weise kann auch der Entherrschungsvertrag im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden, sofern Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden.472 Der Verfügungsanspruch folgt aus der im Entherrschungsvertrag enthaltenen Verpflichtung des beteiligten Unternehmens, sich bei bestimmten Beschlussgegenständen zu enthalten oder die Stimme nicht abzugeben. Das Gericht hat somit zu prüfen, ob der Entherrschungsvertrag wirksam vereinbart wurde und sich die Stimmbindung auf den betroffenen Beschlussgegenstand erstreckt. Die besondere Schwierigkeit wird in der Praxis darin zu sehen sein, die drohende Verletzung dieses Anspruches glaubhaft zu machen.473 Ausreichend ist jedoch, dass das beteiligte Unternehmen während der Laufzeit des Vertrages versucht, Einfluss
467 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 39 Rn. 55; Dittert, S. 281; Pesch, S. 92; Zutt, ZHR 155 (1991), 190 (191 f.). 468 Römermann, in: Michalski GmbHG, § 47 Rn. 526 ff.; Dittert, S. 247; Piehler, DStR 1992, 1654 (1661). 469 Dittert, S. 247. 470 Peters, AcP 156, 311 (319 f.). 471 OLG München, NZG 2007, 152; OLG Düsseldorf, NZG 2005, 663; OLG Frankfurt, BeckRS 1992, 01223; OLG Koblenz, NJW 1986, 1692; Schindler, in: BeckOK/GmbHG, § 47 Rn. 74; Schröer, in: MüKo/AktG, § 136 Rn. 92 ff.; Korsmeier, S. 281 ff.; Mehrbrey/Bussian, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 8 Rn. 335 ff.; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 39 Rn. 54; Kort, NZG 2007, 169 (170). 472 Korsmeier, S. 286 ff. 473 Korsmeier, S. 290 f.; Pesch, S. 93.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
auf die Geschäftspolitik oder Organmitglieder der Gesellschaft zu nehmen, oder sich mit sonstigen Aktionären bezüglich des Wahlverhaltens abstimmt. Der Verfügungsgrund für den einstweiligen Rechtsschutz ist bei drohendenden Verstößen gegen den Entherrschungsvertrag darin zu sehen, dass ein nachträglicher Rechtsschutz kaum in Betracht kommt (siehe oben unter I.). Mittels einstweiliger Verfügung kann dem verpflichteten Unternehmen die Stimmabgabe untersagt (Vollstreckung nach §§ 936, 928, 890 ZPO) oder eine Enthaltung (§ 894 ZPO) aufgegeben werden. Beide Wege der Vollstreckung stehen für den Entherrschungsvertrag auch im einstweiligen Rechtsschutz offen.474 Auch für andere gesellschaftsrechtliche Willenserklärungen wird eine Vollstreckung nach § 894 ZPO zutreffenderweise für möglich gehalten, sofern die einstweilige Verfügung dringend geboten erscheint.475 Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist in derartigen Fällen hinzunehmen.476 Ein anderes Ergebnis würde nämlich dazu führen, dass die vertragstreue Partei rechtslos gestellt wird, die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes hat genauso irreversible Folgen wie die Zulassung.477 Besondere Schutzbedürfnisse des durch den Entherrschungsvertrag verpflichteten Unternehmens, die gegen eine Zulassung der Vollstreckung nach § 894 ZPO sprechen, sind nicht zu anzuerkennen. Versucht das beteiligte Unternehmen somit während der Vertragslaufzeit Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, kann diese sich hiergegen mit einer einstweiligen Verfügung, die entweder nach § 890 ZPO oder nach § 894 ZPO zu vollstrecken ist, zur Wehr setzen. III. Ergebnis Der Entherrschungsvertrag ist auf schuldrechtlichem Wege durchzusetzen.
474 Grundlegend hierzu Zutt, ZHR 155 (1991), 190 (202 f.). Zur Anwendung des § 894 ZPO auf einstweilige Verfügungen, siehe etwa Lackmann, in: Musielak/Voit, § 894 Rn. 7; Pukall, in: Saenger, § 894 Rn. 1. 475 OLG Köln, NJW-RR 1997, 59; OLG Stuttgart, NJW 1973, 908; Zutt, ZHR 155 (1991), 190 (202 ff.); a.A. Drescher, in: MüKo/ZPO, § 938 Rn. 43; Zöllner, ZHR 155 (1991), 168 (188 f.). 476 Hirschmann, in: Hölters, § 133 Rn. 39; Schröer, in: MüKo/AktG, § 133 Rn. 92 ff. 477 Schindler, in: BeckOK GmbHG, § 47 Rn. 75; Schröer, in: MüKo/AktG, § 133 Rn. 92 ff.
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G. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von § 17 AktG Liegen die bereits erörterten Voraussetzungen vor, soll der Entherrschungsvertrag geeignet sein, die Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen und einen beherrschenden Einfluss gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen.478 I. Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG Wie bereits dargestellt wurde, reicht zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung nach der hier vertretenen Auffassung bereits der Nachweis fehlenden Stimmrechts. Folgt man hingegen der Auffassung, die verlangt, dass sich aus dem Gesamtbild der Beziehungen keine Abhängigkeit ergeben darf, sind weitere Voraussetzungen zu berücksichtigen. Da diese Auslegung im Ergebnis darauf hinausläuft, dass der Abhängigkeitstatbestand gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen ist, kann für diese Auslegung auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden (siehe unter II.). Gegen die Eignung des Entherrschungsvertrages zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung wird kritisch eingewandt, dass allein das Bestehen des Vertrages nicht ausreichen könne, weil eine vertragswidrige Stimmabgabe dennoch wirksam sei und die Gesellschaft sich hiergegen nicht wirksam zur Wehr setzen könne. Aus diesem Grund müssten die Mitglieder der Verwaltung mit einem vom Vertrag abweichenden Verhalten rechnen und könnten sich nicht darauf verlassen, dass der Gesellschafter von seinem Stimmrecht nur eingeschränkt Gebrauch mache. Daher bestehe weiterhin beherrschender Einfluss.479 Als Lösungsmöglichkeit wird vorgeschlagen, den Entherrschungsvertrag und die Vertragserfüllung durch Hinterlegung von Aktien beim Notar abzusichern, um bestehenden Einfluss auszuschließen.480 Im Rahmen des § 17 Abs. 2 AktG geht eine derartige Argumentation jedoch fehl. Sie überspannt die Voraussetzungen, die an die Widerlegung von § 17 Abs. 2 AktG zu stellen sind. Für den Nachweis fehlenden Stimmrechts reicht schon nach der Gesetzesbegründung grundsätzlich aus, dass sich ein herrschendes Unternehmen dazu verpflichtet, Stimmrechte nicht auszuüben: „Nach § 17 Abs. 2* i.d. Fassung des Regierungsentwurfs wird bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung, d. h. bei Besitz der Mehrheit der Anteile bzw. Verfügung über die Mehrheit 478 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 42 ff.; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 109 ff.; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 99 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Barz, FS Bärmann, S. 185 ff.; Götz, S. 22 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65; Hommelhoff, S. 80 f.; Korsmeier, § 3 und § 4; Möhring, FS Westermann, S. 427 (437); Pesch, S. 74 ff.; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (997 ff.). 479 Haesen, S. 46 f.; Götz, S. 69 ff.; Timm, ZIP 1993, 114 (115). 480 Götz, S. 69 ff.
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der Stimmrechte, unwiderleglich ein Abhängigkeitsverhältnis vermutet. Der Wirtschaftsausschuß hat zu dieser Vorschrift Sachverständige gehört. Sie haben sich überwiegend dafür ausgesprochen, eine Widerlegung der Vermutung zuzulassen. Die Ausschüsse haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Denn mit einer Mehrheitsbeteiligung ist zwar in aller Regel, aber nicht schlechthin in allen Fällen ein beherrschender Einfluss verbunden. […] Vor allem dachte man aber an den namentlich bei internationalen Gemeinschaftsgründungen sowie beim Übergang der Kapitalmehrheit einer Familiengesellschaft auf ein familienfremdes Unternehmen gelegentlich vorkommenden Fall, daß ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen sich im Verhältnis zu anderen Gesellschaftern vertraglich verpflichtet, die Verwaltungsrechte nur aus einem Teil seiner Aktien auszuüben.“481.482
Hiergegen ließe sich einwenden, dass die Gesetzesbegründung den Entherrschungsvertrag gerade nicht meine, da er zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt war. Vielmehr stellte die Gesetzesbegründung auf Stimmbindungsverträge ab, deren nachträgliche Durchsetzung eher gesichert sein könnte, weil sie durch Dritte und nicht durch die Gesellschaft erfolgt. Aber auch bei einer solchen nachträglichen Durchsetzung von Stimmbindungsverträgen bestehen Zweifel, ob es tatsächlich überhaupt dazu kommt. Die möglicherweise fragliche Durchsetzbarkeit stand für den Gesetzgeber dem Ausreichen eines Vertrages als Nachweis zur Widerlegung daher nicht entgegen.483 Das Vorliegen eines Entherrschungsvertrages führt insofern zumindest zu einer Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG, was für die betroffene Partei gerade in prozessualer Hinsicht besondere Vorteile bietet. Wer diese Auffassung nicht teilt, müsste jedoch einen als Vertrag zu Gunsten der übrigen Aktionäre geschlossenen Entherrschungsvertrag (zu dieser Möglichkeit, siehe oben unter § 4 C. I. 3.) anerkennen, denn in einem solchen Fall können die übrigen Mitgesellschafter wie bei einer Stimmrechtsbindung aus dem Vertrag vorgehen. II. Ausschluss des Abhängigkeitstatbestandes gemäß § 17 Abs. 1 AktG Allerdings muss berücksichtigt werden, dass herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft mit dem Abschluss des Entherrschungsvertrages in aller Regel nicht nur die Widerlegung der Vermutung, sondern auch den Ausschluss des Abhängigkeitstatbestandes bezwecken. 1. Der Ausschluss von Abhängigkeit durch den Entherrschungsvertrag Würde der Entherrschungsvertrag tatsächlich die Möglichkeit nehmen, Stimmrechte auszuüben bzw. könnte der vertragswidrige Beschluss angefochten werden, 481
Ausschussbericht bei Kropff, S. 28. Hommelhoff, S. 83; Pesch, S. 65 ff., 75, 82 f.; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (993 f.); im Ergebnis auch Rittner, DB 1976, 1465 (1469 f.). 483 Pesch, S. 75; widersprüchlich dazu allerdings die Ausführungen auf S. 119. 482
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bestünden wenig Zweifel an den Auswirkungen des Vertrages auf das Vorliegen von Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG. Denn ohne Stimmrechte kann der Mehrheitsgesellschafter keinen gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss ausüben und das Vorliegen von Abhängigkeit wäre ausgeschlossen. Nach den herausgearbeiteten Grundsätzen besteht bei Vorliegen des Entherrschungsvertrages jedoch weiterhin die Möglichkeit für das beteiligte Unternehmen, die Stimme abzugeben. Führt diese Möglichkeit dazu, dass Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG weiterhin vorliegt? a) Die herrschende Ansicht Überwiegend wird sich mit dieser Problematik kaum näher befasst.484 Insbesondere die Rechtsprechung lässt den Entherrschungsvertrag ohne nähere Untersuchung zu.485 Stillschweigend wird davon ausgegangen, dass der Entherrschungsvertrag Abhängigkeit ausschließe. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Sicherung der Vertragserfüllung wird lediglich darauf verwiesen, dass diese vom Gesetz nicht gefordert sei486, was jedoch mangels gesetzlicher Regelung des Entherrschungsvertrages schwerlich als Argument angesehen werden kann.487 Die Ansicht wird dann verständlich, wenn wie bei Barz488, Koppensteiner489 oder J. Vetter490 bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag eine Anfechtung zugelassen wird. Dementsprechend verweist auch die Kommentarliteratur hierauf.491 Die Ansicht verwundert jedoch, wenn man sich vor Augen führt, dass dieselbe Kommentarliteratur eine Anfechtung bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag für höchst zweifelhaft hält.492 Auch Barz lehnt das Erfordernis einer Vertragsabsicherung nur ab, weil die Anfechtung möglich sei: „Da somit in der Unzulässigkeit der Stimmabgabe eine ausreichende Sanktion für die Einhaltung des Abhängigkeitsausschlussvertrages durch den Mehrheitsaktionär liegt, entfällt die Notwendigkeit, im Rahmen des Vertrages Sicherheiten für die Vertragserfüllung einzubauen“.493 484 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 42 ff.; Hüffer/Koch, § 17 Rn. 22; Grigoleit, § 17 Rn. 28; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 105; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247 (1250). 485 OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 12793; LAG Bremen, Beschluss v. 9. 8. 2012 – 3 TaBV 19/11; OLG Köln, ZIP 1993, 110 ff.; LG Mainz, AG 1991, 30 ff.; offen gelassen von BAG, Beschluss v. 11. 02. 2015 – 7 ABR 98/12, BeckRS 2015, 69307. 486 Grigoleit, § 17 Rn. 28; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 105; Happ, S. 434; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); Lorz/Pfisterer/Gerber/Messerschmidt T. V. 7. 487 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1121). 488 Barz, FS Bärmann, S. 185 (197 f.). 489 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 113. 490 J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 63. 491 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 105 Fn. 251; Happ, S. 434 Fn. 11. 492 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 105. 493 Barz, FS Bärmann, S. 185 (198).
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b) Die Ansicht von Ernst Geßler Wie bereits in § 4 dargelegt, billigte auch E. Geßler Verträgen die Eignung zu, Abhängigkeit auszuschließen. Entscheidend sei hierbei jedoch nicht allein der Abschluss des Vertrages, sondern vielmehr auch die tatsächliche Handhabung.494 c) Die Ansichten von Haesen und Timm Haesen hat bereits früh vertreten, dass ein Vertrag wegen der Möglichkeit des Vertragsbruches ohne Absicherung nicht geeignet sei, Abhängigkeit auszuschließen.495 Denn „[…] Herrschaft [bleibt] auch dann Herrschaft, wenn ihre Ausübung vertragswidrig ist“.496 Eine Sicherung komme in Form der Hinterlegung der Aktien oder bei einer treuhänderischen Ausübung der Stimmrechte durch Dritte in Betracht.497 Timm hat gegenüber der herrschenden Auffassung gleichfalls Bedenken geäußert: Der Entherrschungsvertrag ändere aufgrund seiner nur schuldrechtlichen Wirkung nichts am Bestehen der Einflussmöglichkeit, so dass Abhängigkeit weiterhin vorliege.498 d) Die Ansicht von Götz Götz, der allerdings nicht genau zwischen § 17 Abs. 1 und 2 AktG unterscheidet, hält es im Gegensatz zur überwiegenden Auffassung und ähnlich wie Haesen für notwendig, die Vertragserfüllung abzusichern.499 Entscheidend sei, dass sich die Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens nur mittels einer ex-ante-Betrachtung aus Sicht der abhängigen Gesellschaft ermitteln ließe. Solange aus Sicht der Mitglieder der Verwaltungsorgane die Gefahr bestehe, dass das beteiligte Unternehmen die nächsten Wahlen dominiere, würden sie sich seinem Einfluss nicht verschließen.500 In Konsequenz dieser Auffassung würde weiterhin Abhängigkeit vom beteiligten Unternehmen vorliegen. Auch die Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes in Gestalt einer vorbeugenden Unterlassungsklage schließe diese Gefahr nicht aus, denn die Vollstreckung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO würde eine Zuwiderhandlung bei den Aufsichtsratswahlen voraussetzen und käme daher für die Aufsichtsratsmitglieder, die nicht wiedergewählt oder abberufen wurden, zu spät.501 494 495 496 497 498 499 500 501
Geßler, DB 1965, 1691 (1696). Haesen, S. 46 f. Haesen, S. 47. Haesen, S. 47. Timm, ZIP 1993, 110 (115). Götz, S. 69 ff. Götz, S. 69 f. Götz, S. 70.
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Eine Vertragsstrafe komme als Sicherung nicht in Betracht, finanzielle Folgen würden ein Unternehmen, das beherrschenden Einfluss ausüben will, nicht abhalten.502 Vielmehr würde das beteiligte Unternehmen trotz Vertragsstrafe darauf spekulieren, dass sein Verhalten sich rechne.503 Seine Lösung besteht darin, dass die Aktien, bei denen die Stimmrechte ausgeschlossen werden sollen, bei einem Notar hinterlegt werden müssen.504 Dieser erhalte hierbei auch eine Abschrift des Entherrschungsvertrages.505 Bei den Beschlussgegenständen, bei denen das Unternehmen keiner Stimmbindung unterliege, könne es dem Notar Vollmacht und Weisungen erteilen.506 e) Die Ansicht von Korsmeier Korsmeier hält die Absicherung des Vertrages demgegenüber nicht für erforderlich, da der Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag den Beschluss anfechtbar mache.507 Eine Vertragsstrafe sei zwar geeignet, den Vertragsbruch zu sanktionieren, aber nicht, ihn zu verhindern.508 Obendrein bestünden bei der Durchsetzung Probleme, da der Vorstand der Gesellschaft den Vertragsstrafeanspruch wegen des Einflusses des beteiligten Unternehmens nicht durchsetzen würde.509 f) Die Ansicht von Pesch Pesch ist ebenfalls wie Götz der Auffassung, dass aufgrund der faktischen Möglichkeit Stimmrechte auszuüben, die Gefahr bestehe, dass sich Aufsichtsratsmitglieder am Interesse des Mehrheitsgesellschafters orientierten und daher Abhängigkeit vorliege.510 Damit dennoch Unabhängigkeit erreicht werde, müsse aus der subjektiven Sicht der Gesellschaft sicher ausgeschlossen sein, dass von der Einflussmöglichkeit Gebrauch gemacht werde.511 Auch sie ist der Ansicht, dass die gerichtliche Durchsetzung eines Entherrschungsvertrages nicht praktikabel sei.512 Einstweiliger Rechtsschutz sei wegen tatsächlicher Schwierigkeiten den drohenden Vertragsbruch darzulegen ungeeignet.513 Zusätzlich sei der einstweilige Rechts502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513
Götz, S. 71. Götz, S. 71. Götz, S. 71 ff. Götz, S. 71. Götz, S. 71. Korsmeier, S. 269 ff. Korsmeier, S. 255 f. Korsmeier, S. 256. Pesch, S. 86, 91. Pesch, S. 91. Pesch, S. 91. Pesch, S. 93.
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schutz nicht tauglich, da dann, wenn sich Vorstand und Aufsichtsrat mit der Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes beschäftigen, bereits Abhängigkeit vorliege.514 Von den diskutierten Sicherungsmitteln könne keines der in Erwägung gezogenen oder denkbaren Mittel der Gesellschaft die Sicherheit geben, dass das beteiligte Unternehmen nicht von seinen Einflussmöglichkeiten Gebrauch mache.515 Eine Vertragsstrafe sei ein bloßes Übel, welche das beteiligte Unternehmen nicht von der Stimmabgabe abhalte.516 Der Hinterlegung von Aktien stünden praktische Schwierigkeiten entgegen, so sei die Hinterlegung nur eines Teils der Aktien problematisch, wenn die Aktien für die Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 123 Abs. 3 AktG zu hinterlegen seien.517 Gleiches gelte bei Vorliegen einer Sammelurkunde.518 Zudem würde die Ausübung von Stimmrechten durch einen Notar zu dem nicht überzeugenden Ergebnis führen, dass zwei Personen auf der Hauptversammlung anwesend seien und die Stimmrechte ausüben würden.519 Des Weiteren kritisiert sie, dass die Lösung einer variablen Stimmrechtsbeschränkung entgegenstehe. Denn bei Mitteilung in der Hauptversammlung sei unklar, wer die sonstigen Stimmen ausübe.520 Auch eine Sicherstellung der Vertragserfüllung über die unwiderrufliche Bevollmächtigung einer neutralen Person, die sämtliche Stimmrechte ausübe, lehnt Pesch ab. Da weiterhin Weisungen erteilt werden könnten, würden immer noch Einflussmöglichkeiten bestehen.521 Pesch schlägt daher vor, das beteiligte Unternehmen müsse durch vertragskonformes Verhalten seine Redlichkeit demonstrieren.522 Der Entherrschungsvertrag sei im Vorfeld einer Aufsichtsratswahl zu schließen, wenn das beteiligte Unternehmen dann bei der Aufsichtsratswahl erscheine und nicht mitstimme, werde Abhängigkeit ausgeschlossen.523 Der Vertrag müsse von seiner Laufzeit her zudem auch die darauffolgende weitere Aufsichtsratswahl erfassen.524 Durch das vertragskonforme Mitwirken bei einer Aufsichtsratswahl zeige das Unternehmen, dass es tatsächlich keinen beherrschenden Einfluss ausüben wolle.525 Vom Zeitpunkt des vertragskonformen Verhaltens bei der ersten Aufsichtsratswahl bis zum Ablauf der letzten in den Vertrag fallenden Aufsichtsratswahl sei dann Abhängigkeit ausgeschlossen.526 514 515 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525 526
Pesch, S. 93. Pesch, S. 99. Pesch, S. 94. Pesch, S. 95. Pesch, S. 95. Pesch, S. 95. Pesch, S. 96. Pesch, S. 98. Pesch, S. 99. Pesch, S. 99 f.; a.A. Korsmeier, S. 257 f. Pesch, S. 100. Pesch, S. 99 f. Pesch, S. 100.
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g) Die Ansicht von K. Schmidt K. Schmidt sieht gleichfalls die Problematik, dass das Unternehmen im Wege des Vertragsbruches zur Herrschaft gelangen könne.527 Beim Entherrschungsvertrag handele es sich um ein „fragiles Schutzinstrument“.528 Die im Vertrag anvisierte Entherrschung werde jedoch erreicht, solange der Vertrag eingehalten werde.529 Dennoch seien Entflechtungen empfehlenswert530, um darzulegen, dass der Entherrschungsvertrag sowohl rechtlich verbindlich als auch gleichzeitig faktisch entherrschend wirke, was Voraussetzung für eine wirksame Entherrschung sei.531 Der herzustellende Entherrschungsstatus sei ein Zustand, kein „sich von heute auf morgen vollziehendes Leistungsversprechen“.532 Damit entspricht die Auffassung weitestgehend der bereits von E. Geßler vertretenen. h) Eigene Einschätzung Bei der Analyse ist zwischen zwei Fragen zu differenzieren. Zunächst stellt sich die Frage, ob das Vorliegen eines Entherrschungsvertrages ohne Absicherung geeignet ist, Abhängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen. Anschließend ist zu fragen, ob geeignete Mittel zur Vertragsabsicherung existieren. aa) Ausschluss von Abhängigkeit Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage der Ernsthaftigkeit des Entherrschungsvertrages (§ 117 Abs. 1 BGB) nicht mit der Frage, ob der Entherrschungsvertrag geeignet ist, den Tatbestand der Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen, vermischt werden darf. § 117 Abs. 1 BGB handelt davon, dass die Vertragspartner bei Abgabe ihrer Willenserklärungen das Geschäft nicht ernst meinen. Die Problematik um den Ausschluss von Abhängigkeit handelt hingegen davon, dass die Vertragspartner bei Abschluss des Geschäfts gewillt sind, den Vertrag ernsthaft zu schließen, aber dennoch die tatsächliche Möglichkeit besteht, Stimmrechte auszuüben und hieraus die Gefahr resultiert, dass sich die Mitglieder der Geschäftsleitung an den Interessen des Gesellschafters orientieren. Die gegebenenfalls bestehende Notwendigkeit einer vertraglichen Absicherung kann daher nicht mit dem Argument beiseitegeschoben werden, den Vertragsparteien dürfe kein Scheingeschäft unterstellt werden. Freilich wird in der Praxis ein späterer Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag als Indiz für die Annahme eines Scheingeschäfts
527 528 529 530 531 532
K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (998). K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (998). K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (998). K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (998 f.). K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (996). K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 985 (996).
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herangezogen werden können, sofern sich dieser in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages befindet.533 Wie bereits dargelegt liegt Abhängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG dann vor, wenn das herrschende Unternehmen über gesicherte rechtliche Möglichkeiten verfügt, der Gesellschaft Konsequenzen für den Fall anzudrohen, dass diese dem Willen des Unternehmens in Fragen der Personal-, Geschäfts- und Unternehmenspolitik nicht Folge leistet, so dass sich die abhängige Gesellschaft letztlich dem Einfluss des herrschenden Unternehmen nicht zu entziehen vermag.534 Oder kürzer: Ein Unternehmen verfügt dann über beherrschenden Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG, wenn es die Geschäfts- und Unternehmenspolitik der Gesellschaft beeinflussen kann.535 Ob Abhängigkeit vorliegt, ist aus Sicht der möglicherweise abhängigen Gesellschaft zu beurteilen.536 Götz und Pesch leiten die Möglichkeit des beteiligten Unternehmens, die Geschäftspolitik der Gesellschaft beeinflussen zu können, daraus her, dass sich die Mitglieder der Verwaltungsorgane wegen der Gefahr der vertragswidrigen Stimmabgabe an den Interessen des Unternehmens orientieren würden und daher Abhängigkeit anzunehmen sei, wenn der Vertrag nicht entsprechend abgesichert werde.537 Sie stellen damit auf das in § 17 Abs. 2 AktG zum Ausdruck kommende Leitbild von Abhängigkeit ab: Der Mehrheitsaktionär verfügt über die Personalkompetenz zur Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand, daraus resultiert die hohe Wahrscheinlichkeit des einflusskonformen Verhaltens der Organe. Es stellt sich allerdings die Frage, ob auch bei Vorliegen eines Entherrschungsvertrages die hohe Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens der Organe besteht. Aufgrund der Verpflichtung, Stimmrechte bei den Aufsichtsratswahlen in bestimmtem Umfang nicht auszuüben, liegt eine atypische Situation vor. Lässt sich hier noch folgern, dass sich die Verwaltungsmitglieder Einflüssen des beteiligten Unternehmens auf die Geschäftsführung nicht verschließen werden und somit Abhängigkeit anzunehmen ist? Gegen die Ansicht von Pesch und Götz spricht, dass die Organe der Gesellschaft, die den Entherrschungsvertrag ernsthaft schließen, subjektiv von seiner Einhaltung ausgehen werden, denn für den Entherrschungsvertrag existieren auch auf Seiten des durch den Vertrag verpflichteten, beteiligten Unternehmens legitime Interessen. Ein Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag hätte für dieses selbst Nachteile: Die 533
Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71). OLG Karlsruhe, NZG 2004, 334; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 5 ff.; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 38. 535 BGH, NJW 1993, 2114; OLG Düsseldorf, NJOZ 2008, 3758; OLG München, NJW-RR 1995, 1066 (1067); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 21; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 9; Korsmeier, S. 34. 536 BGH, NZG 2012, 1033 (1034); OLG München, WM 1995, 898; Götz, S. 21; Krieger, in: Münchener Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 38. 537 Götz, S. 69 f. und Pesch, S. 87, 99. 534
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Entherrschung wird ex nunc beseitigt.538 Gleichzeitig stellt der Verstoß ein Indiz für ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB dar, so dass aus diesem Grund ebenfalls die Wirksamkeit ex tunc entfallen könnte.539 Auch für die Vergangenheit hätte ein Verstoß daher das Eingreifen der Rechtsfolgen, die an Abhängigkeit knüpfen, zur Folge. Aufgrund der Nichtvorlage eines Abhängigkeitsberichts nach § 312 AktG wären die Entlastungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat anfechtbar, im herrschenden Unternehmen wären sogar sämtliche Beschlüsse anfechtbar, an denen das abhängige Unternehmen mitgewirkt hat.540 Die subjektive Sicht der Organe der Gesellschaft deutet somit nicht auf Abhängigkeit hin. Insbesondere der Fall, dass kurz vor einer Hauptversammlung mit Aufsichtsratswahlen ein Entherrschungsvertrag geschlossen wird und dieser daraufhin mittels vertragswidriger Stimmrechtsausübung gebrochen wird, ist mangels nachvollziehbarer Motivation des beteiligten Unternehmens, dann überhaupt einen Vertrag zu schließen, in der Praxis kaum vorstellbar, da der Vertragsverstoß Abhängigkeit umgehend wieder begründet. Die Gefahr einer Beeinflussung der Aufsichtsratsmitglieder besteht somit erst bei einer Aufsichtsratswahl, die sich in hinreichendem zeitlichem Abstand zum Abschluss des Entherrschungsvertrages befindet, weil erst dann eine mögliche Motivation zum Vertragsbruch denkbar wird. Würden sich die Organmitglieder in einer solchen Situation zu sehr an den Interessen des beteiligten Unternehmens orientieren riskierten sie, dass die sonstigen Gesellschafter, die bei vertragstreuem Verhalten des verpflichteten Unternehmens oder einer Durchsetzung des Entherrschungsvertrages die Mehrheit stellen, ihre Wiederwahl gefährden.541 An wem sich die Verwaltungsmitglieder mit hoher Wahrscheinlichkeit letztlich orientieren werden, lässt sich daher anders als in der typischen Situation ohne Vorliegen eines Entherrschungsvertrages, nicht feststellen.542 Jedenfalls lässt sich keine hohe Wahrscheinlichkeit des einflusskonformen Verhaltens aus der bloßen Möglichkeit des vertragswidrigen Ausübens der Personalkompetenz folgern, zumal den Beteiligten vertragswidriges Verhalten genauso wenig wie rechtswidriges543 unterstellt werden darf. Dann jedoch überzeugt es auch nicht, mittels Abstellen auf das potentielle Verhalten der Organmitglieder Abhängigkeit herzuleiten. Hinzu kommt, dass Voraussetzung für den Eintritt der Wirkung des Entherrschungsvertrages ist, dass es sich bei den gewählten Mitgliedern des
538 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); so wohl auch Becker, FS Möschel S. 1119 (1122): Verzicht auf absichernde Sanktion, weil Konzernhaftung auflebt. 539 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71). 540 Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 10. 541 Pohlmann, S. 147 für den Ausschluss von Kontrolle im Sinne der FKVO durch einen Entherrschungsvertrag. 542 Generell kritisch zur Beurteilung von Abhängigkeit aus der Sicht des Vorstandes Korsmeier, S. 36 f. 543 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG § 17 Rn. 19.
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Aufsichtsrates nicht um Repräsentanten des beteiligten Unternehmens handelt.544 Vorstand und Aufsichtsrat sind unabhängig von diesem in ihr Amt gelangt. Eine hohe Wahrscheinlichkeit des einflusskonformen Verhaltens der Organmitglieder lässt sich im vorliegenden atypischen Fall erst dann annehmen, wenn die Organe ernsthaft damit rechnen müssen, dass sich das beteiligte Unternehmen tatsächlich vertragswidrig verhalten wird, etwa weil dieses während der Laufzeit des Vertrages versucht, auf Entscheidungen der Gesellschaft oder einzelne Organmitglieder faktisch Einfluss zu nehmen. In einem solchen Fall liegen jedoch auch ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass es zu einem Vertragsbruch kommt. Die Gesellschaft kann sich mittels Unterlassungsklage oder einstweiliger Verfügung wirksam zur Wehr setzen und dem Unternehmen die Stimmabgabe auf der nächsten Hauptversammlung mit Aufsichtsratswahlen untersagen. Hierzu sind die Organmitglieder gemäß § 93 AktG verpflichtet.545 Dem beteiligten Unternehmen fehlt es damit in dieser Konstellation aus Sicht der Gesellschaft an der gesicherten Möglichkeit, „Konsequenzen herbeizuführen“546, sofern sein Wille nicht befolgt wird. Anders wäre dies – und hierin zeigt sich der Unterschied547 – wenn nur eine einseitige Absichtserklärung des beteiligten Unternehmens vorliegt. Wer den Entherrschungsvertrag nicht zulässt, müsste darüber hinaus auch generell Stimmbindungsverträgen unter Gesellschaftern im Rahmen von § 17 AktG die Bedeutung aberkennen. Denn wenn ein Stimmbindungsvertrag, in dem sich ein mehrheitlich beteiligtes Unternehmen den Weisungen eines anderen Unternehmens unterwirft, zur alleinigen Abhängigkeit vom weisungsbefugten Unternehmen führt,548 liegt darin auch die Anerkennung, dass eine schuldrechtliche Verpflichtung ausreichend ist, Abhängigkeit des durch die Stimmbindungsabrede Verpflichteten auszuschließen. Eine solche schuldrechtliche Verpflichtung liegt auch beim Entherrschungsvertrag vor. Die ansonsten zu ziehende Konsequenz wäre es, Verträgen im Rahmen von § 17 AktG keine Wirkung zuzumessen. Unzutreffend ist es auch, aus der Beschäftigung des Vorstandes mit Rechtsschutzmitteln zu folgern, dass Abhängigkeit vorliege.549 Bloße Überlegungen oder Befürchtungen des Vorstandes, wie mit dem Mehrheitsaktionär umzugehen ist, führen noch nicht dazu, dass beherrschender Einfluss vorliegt. Äußerst inkonsequent erscheint es auch wie Pesch eine Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung von § 17 Abs. 2 AktG durch den Vertrag zuzulassen, im Rahmen von § 17 Abs. 1 AktG nun 544
Götz, S. 73 ff.; Happ, S. 436; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (72); Pesch, S. 101 f. Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (67 f.); Jäger, DStR 1995, 1113 (1115); Korsmeier, S. 8; Seydel, S. 288 Fn. 75. 546 OLG Düsseldorf, NJOZ 2008, 3758 (3761); OLG Karlsruhe, NZG 2004, 334; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 8; Krieger, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 4, § 69 Rn. 38. 547 Entgegen Windbichler, in: Großkomm z. AktG, § 17 Rn. 80. 548 Möhring, FS Westermann, S. 427 (431). 549 So aber Pesch, S. 93. 545
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aber einflusskonformes Verhalten der Organe anzunehmen. Es geht sowohl in § 17 Abs. 2 AktG als auch in § 17 Abs. 1 AktG darum, dass mit den Stimmrechten beherrschender Einfluss vermittelt wird. Somit verbleibt nur das Risiko, dass das beteiligte Unternehmen durch einen plötzlichen Vertragsbruch bei den Aufsichtsratswahlen auf der Hauptversammlung zur Herrschaft gelangt. Für diesen Fall existiert jedoch mit dem Entfall der Wirkung des Entherrschungsvertrages eine wirksame Sanktion.550 Diese Möglichkeit zum Vertragsbruch nötigt nicht dazu, die Wirkung eines jeden Entherrschungsvertrages umfänglich zu negieren, denn wie gezeigt wurde, bestand bis zu diesem Zeitpunkt mangels hoher Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens der Organe keine Abhängigkeit und ein vertragswidriges Verhalten darf den Parteien nicht unterstellt werden. Erst der tatsächliche Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag führt somit zum Wegfall der Entherrschungswirkung, nicht die bloße Befürchtung oder Möglichkeit. Verhalten sich die Vertragsparteien entsprechend den Vorgaben des Entherrschungsvertrages, ist die Entherrschung zuzulassen.551 Hinzuweisen ist auch darauf, dass selbst dinglich wirkende Stimmrechtsbeschränkungen keineswegs mit absoluter Sicherheit Stimmabgaben ausschließen. Auch eine Anfechtungsklage mag zu spät kommen552 oder sich in der Praxis verhindern lassen. Diese, den Entherrschungsvertrag zulassende, Einschätzung befindet sich in Einklang mit dem Willen des historischen Gesetzgebers. Denn im Ausschussbericht findet sich in Bezug auf mit Mehrheit beteiligte Unternehmen, die sich gegenüber ihren Mitgesellschaftern vertraglich zur Nichtausübung ihrer Verwaltungsrechte verpflichten, die Formulierung: „Die Ausschüsse waren übereinstimmend der Auffassung, daß auf solche Unternehmensverbindungen nicht alle für abhängige und herrschende Unternehmen geltenden Vorschriften angewandt zu werden brauchten.“553
Auf mit Mehrheit beteiligte Unternehmen, die sich vertraglich verpflichten ihre Verwaltungsrechte nicht auszuüben, sollen nach der Begründung die Vorschriften nicht angewandt werden, die an Abhängigkeit anknüpfen, weil beherrschender Einfluss nicht vorliege.554 Auf diese Unternehmensverbindungen sollen nur die aktienrechtlichen Regelungen angewandt werden, die für im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen nach § 16 AktG gelten.555 Dem Gesetz liegt eine Differenzierung zu Grunde: Während formale, auf Kapital- oder Stimmrechtsmehrheiten abstellende Vorschriften wie § 16 AktG nicht durch Vertrag ausgeschlossen werden können, ist dies bei materiellen, auf beherrschenden Einfluss abstellenden Normen 550 551 552 553 554 555
Becker, FS Möschel, S. 1119 (1121 f.). K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 996 ff.; ähnlich auch Geßler, DB 1965, 1691 (1696). Zutt, ZHR 155 (1991), 190 (196). Ausschussbericht bei Kropff, S. 28. Ausschussbericht bei Kropff, S. 28 f. Ausschussbericht bei Kropff, S. 28 f.
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
wie § 17 AktG möglich. Keinen Unterschied macht es, dass die Gesetzesbegründung nur auf Verträge mit Dritte abstellt. Der Entherrschungsvertrag war zu der Zeit noch unbekannt556 und auch die Durchsetzung von Verträgen mit Dritten ist keineswegs stets gesichert. An späterer Stelle stellt auch die Gesetzesbegründung nur darauf ab, dass sich das mehrheitlich beteiligte Unternehmen „vertraglich in der Ausübung seiner Rechte beschränkt“ und diese Beschränkung praktiziert wird. Trotz erkannter Gefahren wollte der Gesetzgeber in einem solchen Fall die an Abhängigkeit knüpfenden Vorschriften nicht zur Anwendung gelangen lassen.557 Für den Ausschluss von beherrschendem Einfluss forderte der Gesetzgeber damit lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung, Verwaltungsrechte nicht auszuüben und ein dem Vertrag entsprechendes Verhalten.558 Diese Voraussetzung ist für den Entherrschungsvertrag gegeben. Es bleibt daher festzuhalten, dass der Entherrschungsvertrag geeignet ist, Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen. Der Ausschluss von Abhängigkeit setzt nicht voraus, dass das Stimmrecht tatsächlich nicht mehr ausgeübt werden kann, sondern nur, dass eine rechtliche Verpflichtung besteht, von diesem keinen Gebrauch zu machen.559 Die Wirkung des Entherrschungsvertrags entfällt allerdings dann, wenn gegen den Vertrag verstoßen wird. K. Schmidt und E. Geßler ist damit zuzustimmen, dass es beim durch den Entherrschungsvertrag herzustellenden Entherrschungsstatus um einen Zustand, kein „sich von heute auf morgen vollziehendes Leistungsversprechen“ handelt. Wer diese Einschätzung nicht teilt, muss auf Mittel der Vertragsabsicherung zurückgreifen oder jedenfalls einen Entherrschungsvertrag anerkennen, der zu Gunsten Dritter geschlossen wird, denn in einer solchen Konstellation sind Unterschiede zu den in der Gesetzesbegründung explizit genannten Verträgen nicht auszumachen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Zeitraum des Entherrschungsvertrages nicht gleichlaufend mit dem des Ausschlusses von Abhängigkeit sein muss. Ein solcher Gleichlauf ist nur anzunehmen, wenn der Vertrag mit Ablauf einer Aufsichtsratswahl endet.560 In den übrigen Fällen gelingt die Entherrschung nur bis zur letzten in den Zeitraum des Entherrschungsvertrages fallenden Aufsichtsratswahl, denn ab diesem Zeitpunkt besteht die Gefahr, dass sich der Aufsichtsrat zur Sicherung seiner Wiederwahl durch den Mehrheitsaktionär beeinflussen lässt.561 Eine vorherige Verlängerung des Entherrschungsvertrages verlängert jedoch dessen Wirksamkeit. 556 557 558 559 560 561
Jäger, DStR 1995, 1113 (1114). Ausschussbericht bei Kropff, S. 29. Hommelhoff, S. 83; K. Schmidt, FS Hommelhoff, S. 996 ff. Hommelhoff, S. 83. Götz, S. 61 f.; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 104. Götz, S. 61 f.; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 104; Pesch, S. 81 f.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
111
bb) Absicherung der Vertragserfüllung Da somit der Vertrag grundsätzlich geeignet ist, den Abhängigkeitstatbestand auszuschließen, ist eine Absicherung der Vertragserfüllung nicht erforderlich. Dennoch soll zu den teilweise genannten Absicherungsmitteln Stellung genommen werden. Der Vorschlag von Pesch562, die Wirkung des Entherrschungsvertrages von einem vertragskonformen Verhalten bei der nächsten Aufsichtsratswahl abhängig zu machen, überzeugt nicht. Nur weil ein Gesellschafter bei einer Aufsichtsratswahl nicht mitstimmt, geht die Wahrscheinlichkeit, dass er sich bei der nächsten Aufsichtsratswahl genauso verhält, nicht gegen Null. Vor allem gibt es keine nachvollziehbare Motivation, kurz vor einer Hauptversammlung einen Vertrag zu schließen und diesen daraufhin sofort wieder zu brechen. Denn die Wirkung des kurz zuvor geschlossenen Vertrages wäre sogleich wieder aufgehoben. Schließt ein beteiligtes Unternehmen kurz vor einer Aufsichtsratswahl einen Entherrschungsvertrag wird es diesen auf einer kurze Zeit später stattfindenden Hauptversammlung im Regelfall auch einhalten. Es bedarf daher keine Vertrauensbekundung. Die Gefahr eines Verstoßes gegen den Entherrschungsvertrag zeigt sich erst bei der weiteren Wiederwahl der Organmitglieder. Dass hieraus jedoch nicht die hohe Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens der Organmitglieder resultiert und somit keine Abhängigkeit vorliegt, wurde bereits dargelegt. Auch die unwiderrufliche Bevollmächtigung eines Notars oder einer sonstigen Person563 führt nicht mit absoluter Sicherheit zur angestrebten Absicherung der Vertragserfüllung. Bei derartigen unwiderruflichen Vollmachten ist das korporationsrechtliche Abspaltungsverbot zu berücksichtigen. Dieses steht der isolierten Übertragung von Vermögens- oder Verwaltungsrechten entgegen.564 Auch Stimmrechtsvollmachten sind am Abspaltungsverbot zu messen, denn sie können als Mittel zur Umgehung des Abspaltungsverbotes genutzt werden.565 Das Abspaltungsverbot steht damit auch unwiderruflichen Stimmrechtsausübungsvollmachten entgegen, die von ihren Auswirkungen einer Abtretung gleichkommen.566 Eine solche unzulässige Stimmrechtsvollmacht liegt etwa vor, wenn neben der unwiderruflichen Vollmacht auch eine Verpflichtung vorgesehen ist, die besagt, dass der Vollmachtgeber im Innenverhältnis seine Stimmrechte nicht gegen den Willen des Bevollmächtigten ausüben darf (verdrängende Vollmacht).567 Pesch thematisiert diese Frage einer verdrängenden Vollmacht nicht. Jedoch führt nicht einmal eine derartige verdrän562
Pesch, S. 99. Pesch, S. 96 ff. 564 BGH, NJW 1987, 780 (780 f.); Ziemons, in: Schmidt/Lutter, § 8 Rn. 27; Reichert/ Harbarth, AG 2001, 447 (448). 565 Semler, in: Münchener Handbuch AG § 38 Rn. 1; Reichert/Harbarth, AG 2001, 447 (448). 566 BGH, NJW 1987, 780 (781); Reichert/Harbarth, AG 2001, 447 (449). 567 BGH, NJW 1970, 468. 563
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
gende, unwiderrufliche Vollmacht im Außenverhältnis dazu, dass der Vollmachtgeber außerstande ist, seine Stimmrechte weiter auszuüben. Da das Stimmrecht unverzichtbar ist,568 könnte der Gesellschafter weiterhin abstimmen und das beim Entherrschungsvertrag vorliegende Problem wäre nicht gelöst. Selbst wenn Bevollmächtigter und Gesellschafter beide auf der Hauptversammlung erscheinen und das Stimmrecht ausüben, folgt daraus keine Nichtigkeit beider Stimmabgaben, sondern es wird ausschließlich das Stimmrecht des Gesellschafters gewertet.569 Eine verdrängende Vollmacht ist mithin nicht geeignet, das Problem der fehlenden Durchsetzbarkeit des Entherrschungsvertrages aufzulösen. Eine denkbare, aber nicht zwingend gebotene Möglichkeit der Absicherung des Vertrages ist jedoch die folgende: In den Entherrschungsvertrag lässt sich die Verpflichtung aufnehmen, dass das beteiligte Unternehmen die Stimmrechte, die ihm zur Mehrheit verhelfen, nicht zu Hauptversammlungen, bei denen der Aufsichtsrat gewählt wird, gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 AktG anmelden darf. Fehlt es an der Anmeldung der Stimmrechte, so stehen dem beteiligten Unternehmen auf der Hauptversammlung keine Stimmen zur Verfügung.570 Sollte es seine Stimmrechte dennoch anmelden, liegen genügend Anhaltspunkte für die Annahme eines Vertragsverstoßes vor, so dass dem Unternehmen die Stimmabgabe im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden kann. Der Zeitraum zwischen Anmeldung der Stimmen und dem Tag der Hauptversammlung wird in der Regel auch für die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung ausreichen. Gerichte entscheiden oftmals binnen weniger Tage über Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.571 In einem solchen Fall ist die Durchsetzung des Entherrschungsvertrages gesichert. Zwar hätte eine derartige Absicherung den Nachteil, dass eine variable Stimmrechtsbeschränkung nicht möglich ist, ausgehend von der durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz und der Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages sind die Stimmrechte, die angemeldet werden dürfen, jedoch zu ermitteln. Eine Teilanmeldung von Stimmrechten ist grundsätzlich zulässig.572 Somit verbliebe lediglich der Nachteil, dass das Unternehmen bei allen Abstimmungen nur mit seinen angemeldeten Stimmrechten mitstimmen darf. Demgegenüber stünde jedoch eine Absicherung, die jedenfalls für die AG Bedenken gegen den Einsatz von Stimmrechten auf der Hauptversammlung auszuräumen vermag.
568
Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 50; Semler, in: Münchener Handbuch AG, § 38 Rn. 1; Reichert/Harbarth, AG 2001, 447 (451). 569 Römermann, in: Michalski GmbHG, § 47 Rn. 437; Sickinger, in: MAH-AktR, § 11 Rn. 39; Piehler, DStR 1992, 1654 (1661); ähnlich auch Kiefner/Friebel, NZG 2011, 887. 570 Rieckers, in: Spindler/Stilz, § 123 Rn. 11. 571 Mehrbrey, in: Mehrbrey, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 19 Rn. 154. 572 Kubis, in: MüKo/AktG, § 123 Rn. 11.
§ 4 Der Entherrschungsvertrag im Aktienkonzernrecht
113
cc) Ergebnis Ein Entherrschungsvertrag ist ohne Absicherung geeignet, Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG auszuschließen. 2. Ausschluss weiterer abhängigkeitsbegründender Umstände Allerdings müssen im Rahmen des § 17 Abs. 1 AktG neben dem Stimmrecht auch andere einflussbegründende Umstände berücksichtigt werden. Von Teilen der Literatur werden daher über den Entherrschungsvertrag hinaus Maßnahmen der Entflechtung verlangt, ohne deren Vorliegen der Entherrschungsvertrag seine Wirkung nicht entfalte.573 So soll die Entherrschungswirkung erst eintreten, wenn die Mehrheit der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat unabhängig vom bis dahin herrschenden Unternehmen gewählt wurde.574 Der Aufsichtsratsvorsitzende als Ansprechpartner des Vorstandes dürfe kein Repräsentant des herrschenden Unternehmens sein.575 Zudem müssten die schuldrechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Unternehmen aufgelöst werden.576 Dem ist im Grundsatz beizupflichten. Durch den Entherrschungsvertrag werden die Stimmrechte lediglich minimiert, nicht jedoch vollständig ausgeschaltet. Erforderlich ist daher auch eine Auflösung der Beziehungen insoweit, dass sich aus dem Gesamtbild der Beziehungen kein beherrschender Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG ergibt. Hierzu bedarf es vor allem eines unabhängigen Aufsichtsrates. Gegebenenfalls bestehende Beherrschungs- oder Stimmbindungsverträge müssen ebenfalls aufgelöst werden. Eine noch weitergehende Auflösung der wirtschaftlichen Beziehungen wird demgegenüber im Regelfall nicht notwendig sein. Etwas anderes mag gelten, wenn die Gesellschaft etwa auf die Lieferbeziehungen zum Unternehmen existentiell angewiesen ist. Aufgrund der Anerkennung kombinierter Beherrschung ist es in derartigen Fällen notwendig, auch eine Auflösung solcher verstärkender Beziehungen vorzunehmen.
H. Die Aufhebung des Entherrschungsvertrages Der Entherrschungsvertrag kann wie jeder Vertrag durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Für die Aufhebung des Entherrschungsvertrages wird ein Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft analog § 293 Abs. 1 AktG gefordert.577 573
Götz, S. 73 ff.; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (72); Pesch, S. 100 ff. Götz, S. 73 ff.; Happ, S. 436; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (72); Pesch, S. 101 f. 575 Götz, S. 74 f. 576 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (72). 577 J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, § 17 Rn. 64; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (68, 70); Korsmeier, S. 305 f. 574
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2. Teil: Aktienkonzernrecht
Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Analogie zu § 293 AktG ist aufgrund fehlender Vergleichbarkeit des Entherrschungsvertrages zu den Unternehmensverträgen nicht gerechtfertigt. Selbst wenn es sich bei dem Entherrschungsvertrag entgegen der hier vertreten Ansicht um einen Unternehmensvertrag handeln würde, enthielte zudem § 296 AktG eine für die Aufhebung von Unternehmensverträgen speziellere Regelung, welche keine Zustimmung der Hauptversammlung vorsieht. Ein Zustimmungsbeschluss im herrschenden Unternehmen ist ebenfalls nicht erforderlich.578
§ 5 Ergebnisse des zweiten Teils Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit des Entherrschungsvertrages im Aktienkonzernrecht nicht bestehen. Bei diesem handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, der kollisionsrechtlich grundsätzlich nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen ist. Der Vertrag kann von den Vorständen beider Gesellschaften geschlossen werden, ohne dass eine Satzungsänderung oder Mitwirkung der Hauptversammlung notwendig ist. Inhaltlich reicht eine Stimmrechtsbeschränkung bei der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates insoweit aus, dass das beteiligte Unternehmen auf der Hauptversammlung der Gesellschaft nicht über die jeweils erforderliche Mehrheit („Minus-Eins-Regelung“ zzgl. Sicherheitsabschlag) verfügt. Auch wenn der Entherrschungsvertrag auf seine schuldrechtliche Durchsetzbarkeit beschränkt ist, handelt es sich um ein etabliertes Gestaltungsmittel des Aktienkonzernrechts, mit dem Abhängigkeit nach § 17 AktG ausgeschlossen werden kann, ohne dass eine besondere Absicherung des Vertrages notwendig ist. Im Folgenden soll nun untersucht werden, welche Bedeutung der Entherrschungsvertrag jenseits der Aktiengesellschaft hat.
578
Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); Korsmeier, S. 305 f.
Dritter Teil
Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen Auch jenseits der Aktiengesellschaft ist § 17 AktG von Bedeutung. Der Entherrschungsvertrag ist unter diesen Vorzeichen allerdings kaum untersucht.579
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht A. Konzernrecht der GmbH Das GmbHG enthält kein eigenes kodifiziertes Konzernrecht, obwohl die Gefahren, denen das Konzernrecht im Bereich der Aktiengesellschaft begegnen will, in der GmbH in besonderem Maße existieren. Die Gesellschafter einer GmbH besitzen gemäß den §§ 37, 45 GmbHG umfassende Weisungsrechte gegenüber den Geschäftsführern und es fehlt an einer Satzungsstrenge wie im Bereich der AG (§ 23 Abs. 5 AktG).580 Ein Mehrheitsgesellschafter kann somit nicht nur die Geschäftsführer benennen und abberufen (§§ 46 Nr. 5, 38 GmbHG), sondern die Geschäftspolitik unmittelbar bestimmen. Rechtsprechung und Lehre wenden daher auf die abhängige GmbH die überwiegenden Vorschriften des AktG analog an. Dies gilt etwa für die §§ 15 – 19 AktG und die Vorschriften über Unternehmensverträge gemäß den §§ 291 ff. AktG.581 Zwar finden die §§ 311 ff. AktG auf die abhängige GmbH keine Anwendung, der Schutz vor und bei Abhängigkeit erfolgt jedoch über allgemeine Schutzinstrumente
579
Becker, FS Möschel, S. 1119 (1126 f.). Henssler/Strohn, in: Henssler/Strohn, Anh. § 13 GmbHG Rn. 2; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 79; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 1; Kessler, in: Saenger/ Inhester GmbHG, Anh. § 13 Rn. 2; Emmerich, in: Scholz GmbHG, Anh. § 13 Rn. 1. 581 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 45; Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon GmbHG, Anh. § 13 Rn. 5 ff.; Henssler/Strohn, in: Henssler/Strohn, Anh. § 13 GmbHG Rn. 6 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 1 f.; Kessler, in: Saenger/Inhester GmbHG, Anh. § 13 Rn. 6 f.; Emmerich, in: Scholz GmbHG, Anh. § 13 Rn. 8 ff.; Römermann, in: MAH GmbHR, § 20 Rn. 9 f. 580
116
3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
wie die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.582 Relevanz erhält der Abhängigkeitsbegriff in der GmbH auch bei Abhängigkeit von einer AG als herrschendem Unternehmen im Zusammenhang mit der analogen Anwendung der §§ 56 Abs. 2, 71d, e AktG (Verbot des Erwerbs von Aktien des herrschenden Unternehmens durch die abhängige Gesellschaft) und im Rahmen der Auslegung der Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG.583 Häufigster Fall der Abhängigkeit ist auch im Recht der GmbH die Mehrheitsbeteiligung. Die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG analog hat zur Folge, dass bei Mehrheit in der Gesellschafterversammlung Abhängigkeit vermutet wird. In der GmbH spielen für das Feststellen von Abhängigkeit zudem statutarische Sonderrechte wegen der fehlenden Satzungsstrenge (§ 45 GmbHG) eine besondere Rolle. Verfügt ein Gesellschafter über das Recht, den Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen, liegt Abhängigkeit vor.584
B. Der Entherrschungsvertrag im Recht der GmbH Zum Entherrschungsvertrag in der (abhängigen) GmbH finden sich – wenn überhaupt – nur kurze Stellungnahmen: Dieser genüge, um die Herrschaftsvermutung zu beseitigen.585 Eine umfängliche Untersuchung fehlt bislang, die vereinzelten Stellungnahmen variieren hinsichtlich des erforderlichen Inhalts des Entherrschungsvertrages, oftmals wird der aktienrechtliche Entherrschungsvertrag auf die GmbH übertragen, ohne den Besonderheiten des GmbH-Rechts Rechnung zu tragen.586
582 Roth, in: Roth/Altmeppen, Einl. Rn. 65; Kessler, in: Saenger/Inhester GmbHG, Anh. § 13 Rn. 49 ff.; Mehrbrey/Keul, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 27 Rn. 2; Schmiegelt/ Schmidt, in: Prinz/Winkeljohann Hdb. d. GmbH, § 3 Rn. 25. 583 Hierzu und zu weiteren anwendbaren Vorschriften des AktG Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon GmbHG, Anh. § 13 Rn. 5 ff.; Liebscher, in: MüKo/GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 129 ff.; Emmerich, in: Scholz GmbHG, Anh. § 13 Rn. 8 ff., insb. Rn. 11 – 12a. 584 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 79; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 10; Liebscher, in: MüKo/GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 131; Kessler, in: Saenger/Inhester GmbHG, Anh. § 13 Rn. 32; Emmerich, in: Scholz GmbHG, Anh. § 13 Rn. 26. 585 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 46; Liebscher, in: MüKo/GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 124; Emmerich, in: Scholz GmbHG, Anh. § 13 Rn. 29a, Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127); Limmer, MittBayNot 1992, 20 (26 f.) mit Beispielsvertrag; Mayer, DStR 1992, 791 (793); Vogt, in: Prinz/Winkeljohann Hdb. d. GmbH, § 17 Rn. 8; Drygala, in: Oppenländer/Trölitzsch, § 41 Rn. 23. 586 So zum Beispiel bei Liebscher, in: MüKo/GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 124; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 29a; Vogt, in: Prinz/Winkeljohann Hdb. d. GmbH, § 17 Rn. 8.
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht
117
I. Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages in der GmbH Im Aktienrecht wird die Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages bisweilen bezweifelt (siehe oben unter § 4 D.). Aus dem Recht der abhängigen GmbH lassen sich keine weitergehenden Argumente gegen die Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages ziehen: Selbst wenn § 136 Abs. 2 AktG analog auf die GmbH Anwendung fände587, spräche dies genauso wenig wie in der AG gegen die Zulassung eines Entherrschungsvertrages zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter (siehe oben unter § 4 D. III.). Auch § 47 Abs. 4 GmbHG lassen sich keine Argumente gegen den Entherrschungsvertrag entnehmen. Dieser kann nicht zur Umgehung eines Stimmverbots genutzt werden, da er lediglich die Unterlassung der Stimmabgabe bzw. die Enthaltung eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung zum Gegenstand hat. Soweit für vinkulierte Geschäftsanteile vertreten wird, Stimmbindungsabreden seien nur unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Verfügung wirksam588, gilt dies nicht für den Entherrschungsvertrag. Argument für die Zulassung der Stimmbindungsabrede unter eingeschränkten Voraussetzungen ist, dass ein Außenstehender durch die Stimmbindungsabrede in ähnlicher Weise wie bei einer Verfügung Zugriff auf die mitgliedschaftliche Willensbildung erhalte.589 Auf den Entherrschungsvertrag lässt sich dieses Argument jedoch nicht übertragen: Ein Außenstehender ist am Entherrschungsvertrag nicht beteiligt. Demnach ist der Entherrschungsvertrag auch im Recht der GmbH zulässig. II. Abschluss und Aufhebung des Entherrschungsvertrages in der GmbH Fraglich ist zunächst, wie sich die unterschiedliche Kompetenzverteilung der GmbH auswirkt, wenn eine solche als abhängiges oder herrschendes Unternehmen einen Entherrschungsvertrag abschließt. Ausgehend von § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG wird eine GmbH bei Abschluss des Entherrschungsvertrages von ihren Geschäftsführern vertreten. Die Vertretungsmacht ist nach § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG grundsätzlich unbeschränkt. Im Innenverhältnis könnte jedoch, anders als in der AG (dazu oben unter § 4 E. I. 1.), eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung notwendig sein.
587 Dafür: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 115; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, § 47 Rn. 20; a.A:. Drescher, in: MüKo/GmbHG, § 47 Rn. 240. 588 Piehler, DstR 1992, 1654 (1656). 589 Piehler, DstR 1992, 1654 (1656).
118
3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
1. Abschluss des Entherrschungsvertrages durch eine herrschende GmbH Die Rechte der Gesellschafter richten sich in der GmbH primär nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 45 GmbHG). Fehlt es dort an einer Regelung in Bezug auf den Abschluss des Entherrschungsvertrages, kommt die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung des GmbHG ins Spiel. Hiernach sind die Gesellschafter grundsätzlich allzuständig und können Entscheidungen an sich ziehen und mit ihrer Entscheidung den Geschäftsführer binden.590 Es steht den Gesellschaftern somit frei, auch hinsichtlich der Entscheidung über den Abschluss eines Entherrschungsvertrages Weisungen zu erteilen. Es stellt sich darüber hinaus jedoch die Frage, ob ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung einer herrschenden GmbH im Innenverhältnis zwingend erforderlich ist.591 Dafür wird angeführt, dass die Geschäftsführer nicht einseitig das Weisungsrecht auf die abhängige Gesellschaft verkürzen dürften.592 Des Weiteren handele es sich um ein ungewöhnliches Geschäft, so dass ein Zustimmungsbeschluss erforderlich sei.593 Richtigerweise ist für den Abschluss eines jeden Entherrschungsvertrages auf Seiten einer herrschenden GmbH eine Vorlagepflicht des Geschäftsführers an die Gesellschafterversammlung anzunehmen. Den Geschäftsführer trifft die Pflicht, ungewöhnliche Geschäfte, die nach ihrer Größenordnung und Bedeutung über den bisherigen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der Gesellschafterversammlung vorzulegen.594 Der Geschäftsführer hat bei Vorliegen eines ungewöhnlichen Geschäftes die Gesellschafterversammlung gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG einzuberufen oder das Verfahren nach § 48 Abs. 2 GmbHG zu beschreiten.595 Beim Abschluss des Entherrschungsvertrages, in dem eine herrschende GmbH ohne Gegenleistung ihre Stimmrechte beschränkt, handelt es sich um ein ungewöhnliches Geschäft.596 Die Gesellschafter, die über ihr Weisungsrecht in der herrschenden GmbH auch mittelbare Weisungsrechte für die abhängige Gesellschaft besitzen, verlieren für einen längeren Zeitraum Einfluss auf diese. Dennoch tragen sie weiterhin das (finanzielle) 590
Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rn. 89; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III 2 a). Dafür: Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71); Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127, 1126) verweist auf aktienkonzernrechtliche Überlegungen, nach seiner Auffassung wäre somit eine Zustimmung je nach Größe der Beteiligung im Einzelfall erforderlich. 592 Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52. 593 Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71). 594 Schmidt, in: Ensthaler/Füller/Schmidt, § 37 Rn. 4; Lenz, in: Michalski GmbHG, § 37 Rn. 14; Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester GmbHG, § 37 Rn. 20a; Wicke, GmbHG, § 37 Rn. 3; Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71). 595 Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 90 – 92; Liebscher, in: MüKo/GmbHG, § 49 Rn. 51; Hillmann, in: Henssler/Strohn, § 49 GmbHG Rn. 9. 596 Im Ergebnis auch Hentzen, ZHR 157 (1993), 65 (71). 591
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht
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Risiko, dass sich die aus dem Herrschaftsbereich entlassene Gesellschaft möglicherweise schlecht entwickelt. Daher ist es gerechtfertigt, ihre Entscheidung – anders als in der AG – einzuholen. Ein Widerspruch zur nicht erforderlichen Zustimmung der Hauptversammlung in der AG nach den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung (dazu oben unter § 4 E. I. 1.a) bb) (4)) ist hierin nicht zu sehen, da die Einbeziehung der Gesellschafter in der GmbH schon bei weniger wichtigen Geschäften erforderlich ist.597 Der Beschluss bedarf, vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung, gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG der einfachen Mehrheit der abgegeben Stimmen. 2. Abschluss des Entherrschungsvertrages durch eine abhängige GmbH Soweit in der Literatur die Mitwirkung der Gesellschaftsorgane für eine abhängige GmbH bei Abschluss des Entherrschungsvertrages erörtert wird, erfolgt lediglich ein Verweis auf die aktienkonzernrechtlichen Überlegungen. Danach wäre eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung in der abhängigen GmbH nicht erforderlich, da der Entherrschungsvertrag auch für diese lediglich rechtlich vorteilhaft ist.598 Diese Argumentation trägt jedoch den Besonderheiten des GmbH-Rechts nicht hinreichend Rechnung. Auch in der abhängigen GmbH steht es den Gesellschaftern frei, die Entscheidung über den Entherrschungsvertrag aufgrund ihrer Allzuständigkeit an sich zu ziehen. Darüber hinaus besteht in der abhängigen GmbH eine Vorlagepflicht an die Gesellschafter, denn der Abschluss des Entherrschungsvertrages stellt sich wegen seiner Auswirkungen auf den Status der GmbH als nicht mehr abhängige Gesellschaft und auf die Machtverhältnisse zwischen den Gesellschaftern als seiner Art nach ungewöhnliches Geschäft dar. Der herrschende Gesellschafter unterliegt bei dieser Abstimmung einem Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 S. 2 Var. 1 GmbHG („Vornahme eines Rechtsgeschäftes […] gegenüber einem Gesellschafter“). Aufgrund der schlicht schuldrechtlichen Wirkung des Entherrschungsvertrages findet keine der zu körperschaftlichen Geschäften erörterten Ausnahmen, nach der bei körperschaftlichen Geschäften das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG nicht greife,599 Anwendung. 3. Aufhebung des Entherrschungsvertrages in der GmbH Auch die Aufhebung des Entherrschungsvertrages unterliegt bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Vertragspartei auf beiden Seiten dem Erfordernis eines 597
Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 37 Rn. 11. Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127, 1126). 599 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 82 ff.; Drescher, in: MüKo/GmbHG, § 47 Rn. 171 f. 598
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3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
Zustimmungsbeschlusses der jeweiligen Gesellschafterversammlung. Es handelt sich bei der Aufhebung sowohl für die herrschende als auch für die abhängige Gesellschaft um ein ungewöhnliches Geschäft. Auf der einen Seite führt das Entstehen des Abhängigkeitsverhältnisses dazu, dass konzernrechtliche Pflichten des herrschenden Unternehmens entstehen, auf der anderen Seite führt die Aufhebung des Entherrschungsvertrages zu einem Machtverlust der Gesellschafter, weil die GmbH fortan abhängig ist. Daher ist es gerechtfertigt, für eine Aufhebung des Entherrschungsvertrages in der GmbH die Zustimmung der Gesellschafterversammlung auf beiden Seiten einzuholen. Der herrschende Gesellschafter unterliegt bei der Abstimmung in der – nach Fassung des Aufhebungsbeschlusses wieder abhängigen – Gesellschaft dem Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG. 4. Ergebnis Anders als in der AG sind bei einer herrschenden oder abhängigen GmbH die Gesellschafterversammlungen sowohl bei Abschluss als auch bei Aufhebung des Entherrschungsvertrages zu beteiligen. III. Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages in der GmbH Auch im Konzernrecht der GmbH findet § 17 AktG uneingeschränkte Anwendung.600 Allerdings sind GmbH-spezifische Besonderheiten, die beispielsweise aus dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung resultieren, zu berücksichtigen. Diese Besonderheiten wirken sich vor allem auf den gegenständlichen Umfang der Stimmrechtsbeschränkung und die erforderliche Mindestdauer des Entherrschungsvertrages aus. 1. Umfang der Stimmrechtsbeschränkung Zum Ausschluss von Abhängigkeit ist auch in der GmbH zwingend notwendig, dass die aus der Stimmrechtsmehrheit folgende Personalhoheit des herrschenden Unternehmens suspendiert wird.601 Die Stimmrechtsbeschränkung muss sich daher auf die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG beziehen. Darüber hinaus sind Sonderrechte (bspw. Entsendungsrechte) auszuschalten, die auf die Bestellung oder Abberufung des Geschäftsführers zielen.602 Weiter ist zu fordern, dass das herrschende Unternehmen auf die Ausübung seiner 600
BGH, NJW 1989, 1800; OLG München, NJW-RR 1995, 1066; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 45; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 123 f.; Liebscher, in: MüKo/ GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 129 ff. 601 Liebscher, in: MüKo/GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 124. 602 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127).
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht
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Stimmrechte bei Beschlüssen über die Ausübung von Weisungsrechten (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 5, 6 GmbHG) in Bezug auf die Geschäftsführung verzichtet.603 Beteiligungsrechte an der Geschäftsführung (§ 45 GmbHG) sind ebenfalls vertraglich zu beschränken. Bei den genannten Beschlussgegenständen und Mitwirkungsrechten handelt es sich um diejenigen, mittels derer die Geschäftspolitik der GmbH entscheidend gestaltet werden kann. Zum Teil wird auch in der GmbH ein vollständiger Stimmrechtsverzicht gefordert, von dem lediglich Satzungsänderungen ausgenommen seien.604 Dem kann, ähnlich der Rechtslage bei der AG, nicht gefolgt werden. Entscheidend ist, ob ein Beschluss nachhaltigen Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH vermittelt. Dies trifft auf Beschlüsse, die keine Weisungen gegenüber den Geschäftsführern oder die Mitwirkung an der Geschäftsführung betreffen, nicht zu. Dem steht auch nicht entgegen, dass das beteiligte Unternehmen dann bestimmte Beschlussfassungen blockieren kann. Abhängigkeit setzt voraus, dass gestaltend auf die Geschäftspolitik Einfluss genommen werden kann (siehe oben unter § 3 C. V.), die Möglichkeit zur Verhinderung von Entscheidungen führt auch in der GmbH nicht zum Vorliegen von Abhängigkeit.605 Es ist der Gesellschaft auch möglich, einen blockierenden Gesellschafter im Klagewege zur Mitwirkung, beispielsweise an der Feststellung des Jahresabschlusses gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG,606 zu verpflichten. Es bedarf somit keines vollständigen Stimmrechtsverzichts im Entherrschungsvertrag. Aus dem gleichen Grund ist es nicht überzeugend – wie Becker607 – eine Suspendierung von Veto- oder Sperrechten zu fordern. Die im Entherrschungsvertrag zu regelnde Stimmrechtsbeschränkung muss sich in der gewöhnlichen GmbH daher auf die Bestellung/Abberufung des Geschäftsführers und die Ausübung von Weisungsrechten/Beteiligungsrechten an der Geschäftsführung beziehen. Ein weitergehender Verzicht auf die Ausübung der Stimmrechte ist zum Ausschluss von Abhängigkeit nicht erforderlich. In Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in denen die Bestellung des Geschäftsführers dem Aufsichtsrat obliegt (z. B. nach § 31 MitbestG), ist der Einfluss der Gesellschafter wie im Aktienkonzernrecht zu beschränken. 2. Vertragslaufzeit des Entherrschungsvertrages Fraglich ist des Weiteren, über welche Laufzeit der Entherrschungsvertrag verfügen muss, um Abhängigkeit in der GmbH wirksam auszuschließen. In der AG orientiert sich die Laufzeit des Entherrschungsvertrages an der Amtszeit der Auf603
Limmer, MittBayNot 1992, 20 (26 f.). Limmer, MittBayNot 1992, 20 (26 f.). 605 Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 34; Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 46; Vogt, in: Prinz/Winkeljohann Hdb. d. GmbH, § 17 Rn. 8. 606 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, § 46 Rn. 7 f. 607 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127). 604
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3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
sichtsratsmitglieder, § 102 AktG. Der Entherrschungsvertrag muss über die Dauer der nächsten Aufsichtsratswahl hinausgehen, um Abhängigkeit auszuschließen. Hergeleitet wird dies mit dem Argument, dass der Aufsichtsrat, der wiederum den Vorstand bestellt, in seiner Arbeit nur dann unabhängig ist, wenn er nicht damit rechnen muss, bei seiner nächsten Wiederwahl durch den Mehrheitsgesellschafter abgewählt zu werden (siehe oben unter § 4 E. II. 2. und § 4 G. II. 1. h) aa)). In der gewöhnlichen GmbH stellt sich die Rechtslage jedoch anders dar. Der Geschäftsführer wird nach der gesetzlichen Regelung nicht für eine bestimmte Zeit bestellt und die Gesellschafter können diesen nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit abberufen. Dieser ist somit nicht wie die Organe der AG in seiner Tätigkeit wirklich unbeeinflusst. Die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Rechtslage bei AG und GmbH auf die Laufzeit des Entherrschungsvertrages in der GmbH sind umstritten. Zum Teil wird eine siebenjährige Laufzeit des Entherrschungsvertrages gefordert, da nur eine ausreichend lange Laufzeit Unabhängigkeit begründen könne.608 Andere wiederum übernehmen die fünfjährige Laufzeit auch für die GmbH.609 Daneben wird auch vertreten, eine zweijährige Laufzeit sei jedenfalls dann ausreichend, wenn nicht nur die Abhängigkeitsvermutung wiederlegt, sondern darüber hinaus auch die Herrschaft in andere Hände übertragen werde.610 Im Ergebnis vermögen diese Auffassungen jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst geht es nicht an, die fünfjährige Mindestlaufzeit der AG mit gleichen Argumenten auch für die GmbH zu übernehmen. Denn anders als in der AG (§ 102 AktG) kommt es in der GmbH nicht zu einer regelmäßigen, zeitlich fixierten Wiederbestellung der Organe (§ 38 GmbHG). Daher ist es auch nicht notwendig, die Mindestvertragslaufzeit eines Entherrschungsvertrages in der GmbH an den Zeitraum bis zur regelmäßigen Wiederbestellung der Organe in der AG anzuknüpfen. Insofern verbleibt die Frage, ob auch eine kürzere Vertragslaufzeit als fünf Jahre ausreicht oder sogar eine längere Vertragslaufzeit als in der AG notwendig ist, um eine unabhängige Geschäftspolitik der Gesellschaft zu sichern. Gegen das Ausreichen eine kürzeren Laufzeit als fünf Jahre könnte sprechen, dass sich ein Geschäftsführer, der weiß, dass die Laufzeit des Entherrschungsvertrages nach einer gewissen Zeit endet, wegen seines Interesses, die Tätigkeit auch nach Ablauf des Vertrages fortsetzen zu dürfen, an dem durch den Entherrschungsvertrag verpflichteten Gesellschafter als zukünftigem Inhaber der Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung orientieren wird. Doch verfängt dieser Gedanke in der GmbH nicht. Denn infolge der Möglichkeit zur Weisungserteilung und jederzeitigen Abberufung sind die Geschäftsführer der GmbH in besonderer Weise der aktuellen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung verpflichtet. Ein Geschäftsführer, der sich wegen seines Interesses an der zu608 609 610
Limmer, MittBayNot 1992, 20 (26). Liebscher, in: MüKo/GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 114. Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52 Fn. 233.
§ 6 Der Entherrschungsvertrag im GmbH-Konzernrecht
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künftigen Weiterbeschäftigung an den Interessen des künftigen Mehrheitsgesellschafters orientiert, riskiert die sofortige Abberufung. Dieses, über dem Geschäftsführer der GmbH schwebende „Damokles-Schwert“ der sofortigen Möglichkeit zur Abberufung hindert den Geschäftsführer der GmbH, sich zu sehr an einem künftigen Inhaber der Mehrheit in der Gesellschafterversammlung zu orientieren. Demnach kann auch eine kürzere Vertragslaufzeit als fünf Jahre ausreichen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass auch in der GmbH eine zu kurze Laufzeit den Vertrag in die Nähe eines Scheingeschäftes rückt, weil eine wirtschaftlich nachvollziehbare Motivation, den Vertrag nur für wenige Jahre abzuschließen, kaum zu erkennen ist. Demgegenüber sollte jedenfalls ein vierjähriger Entherrschungsvertrag ausreichen, den Vorwurf des Scheingeschäftes auszuräumen. Es verbleibt darüber hinaus die Frage, ob die Dauer der Entherrschungswirkung auch mit der Vertragslaufzeit des Entherrschungsvertrages übereinstimmt. Im Recht der AG wird angenommen, dass nach der letzten in den Zeitraum des Entherrschungsvertrages fallenden Aufsichtsratswahl erneut Abhängigkeit vorliege, weil ab dem Zeitpunkt die Gefahr bestehe, dass sich die Organe wegen ihres Wiederwahlinteresses wieder am mehrheitlich beteiligten Unternehmen orientieren (siehe oben unter § 4 E II. 2. und § 4 G. II. 1. h) aa)). Im Recht der GmbH finden diese Überlegungen jedoch keine entsprechende Anwendung. Wegen der Möglichkeit zur Weisungserteilung und kurzfristigen Abberufung des Geschäftsführers stimmen Wirkung und Vertragslaufzeit des Entherrschungsvertrages überein. In Gesellschaften, in denen die Bestellung/Abberufung der Geschäftsführer dem Aufsichtsrat unterliegt und § 102 AktG Anwendung findet, gelten demgegenüber die aktienkonzernrechtlichen Überlegungen. 3. Aufgabe der Geschäftsführerposition In der Literatur wird zum Entherrschungsvertrag in der GmbH vertreten, dass der Mehrheitsgesellschafter, der auf seine Stimmrechte verzichte, weiterhin Geschäftsführer der GmbH bleiben könne und dennoch Abhängigkeit entfalle. Begründet wird die Auffassung damit, dass die Konzernhaftung nicht an die Stellung als Geschäftsführer, sondern an die als Gesellschafter anknüpfe.611 Dem kann jedoch nur eingeschränkt gefolgt werden. Es ist nämlich Aufgabe des Geschäftsführers, drohende Vertragsverstöße gegen den Entherrschungsvertrag gerichtlich durchzusetzen. Es bestehen ernsthafte Bedenken, ob es dazu tatsächlich kommt, wenn der Mehrheitsgesellschafter zugleich einziger Geschäftsführer ist. Insofern wird man fordern müssen, dass es sich beim Mehrheitsgesellschafter nicht um den einzigen Geschäftsführer handeln darf. Denn in diesem Fall ist die Durchsetzung des Vertrages durch weitere unabhängige Geschäftsführer gesichert und über die Gesellschafterversammlung kann eine unabhängige Geschäftspolitik sicherge611
Limmer, MittBayNot 1992, 20 (26); Mayer, DStR 1992, 791 (793).
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3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
stellt werden. Wenn die GmbH über mehrere Geschäftsführer verfügt, bedarf es somit keiner Aufgabe der Geschäftsführerposition. 4. Wirkung des Entherrschungsvertrages in der GmbH Der Entherrschungsvertrag in der GmbH unterscheidet sich insofern von der AG, dass in der GmbH nicht lediglich die Personalhoheit suspendiert wird, sondern auch weitergehende Rechte der Gesellschafter an der Geschäftsführung vertraglich beschränkt werden. Die Wirkung des Entherrschungsvertrages bleibt jedoch gleich. Während in der AG durch die Beschränkung der Personalhoheit verhindert wird, dass das mehrheitlich beteiligte Unternehmen über den Aufsichtsrat den Vorstand und damit die Geschäftspolitik bestimmen kann, wird die Autonomie der GmbH dadurch sichergestellt, dass der Geschäftsführer die Geschäftspolitik unabhängig von den Vorstellungen des beteiligten Unternehmens verfolgen kann. Das beteiligte Unternehmen ist nicht in der Lage bei Nichtbefolgung seiner Weisungen dem Geschäftsführer und damit der Gesellschaft Konsequenzen anzudrohen. Anders als in der AG ist es mehrheitlich beteiligten Unternehmen auch in der GmbH kaum möglich, auf Gesellschafterversammlungen einen plötzlichen und überraschenden Vertragsbruch zu begehen. Denn wie geschildert, kommt es in der gewöhnlichen GmbH nicht zu einer regelmäßigen Wiederwahl der Organmitglieder, bei der die Gefahr eines Vertragsbruches zu Tage treten würde. Eine Beeinflussung des Geschäftsführers wäre in der GmbH vor allem dann denkbar, wenn das mehrheitlich beteiligte Unternehmen mit der Abberufung des Geschäftsführers gemäß § 38 GmbHG droht. Diese wird es jedoch kaum durchsetzen können. Eine wirksame Abberufung des Geschäftsführers setzt voraus, dass die Gesellschafterversammlung ordnungsgemäß durch den Geschäftsführer bzw. berechtigte Gesellschafter nach §§ 49 Abs. 1, 50 GmbHG einberufen wird. Zur ordnungsgemäßen Einberufung zählt insbesondere eine die vorgesehene Abberufung kenntlich machende Tagesordnung.612 Der von der Abberufung bedrohte Geschäftsführer wäre daher bereits im Vorfeld über das entsprechende Vorhaben informiert und könnte dem beteiligten Unternehmen mittels einstweiliger Verfügung die Stimmrechtsabgabe in der Gesellschafterversammlung aufgrund eines ernsthaft zu befürchtenden Verstoßes gegen den Entherrschungsvertrag untersagen. Dem beteiligten Unternehmen fehlt es somit an der Möglichkeit „Konsequenzen herbeizuführen“. Auch sofern das Unternehmen durch die Ausübung von Weisungsrechten gegen den Entherrschungsvertrag verstößt, kann ein Geschäftsführer dem durch erneute Einberufung der Gesellschafterversammlung und der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen das verstoßende Unternehmen, in dem diesen die Stimmrechtsausübung untersagt wird, effektiv begegnen. 612 BGH, NZG 2000, 945 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 38 Rn. 32; Oetker, in: Henssler/Strohn, § 38 GmbHG Rn. 33; Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester GmbHG, § 38 Rn. 39; Witte/Gossen, in: Mehrbrey, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 20 Rn. 155.
§ 7 Der Entherrschungsvertrag im Konzernrecht der Personengesellschaften
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IV. Ergebnis Ein Entherrschungsvertrag mit dem geschilderten Inhalt ist zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung und zum Ausschluss des Abhängigkeitstatbestandes in der GmbH geeignet.
§ 7 Der Entherrschungsvertrag im Konzernrecht der Personengesellschaften Auch das Recht der Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) enthält kein eigenes kodifiziertes Konzernrecht, obwohl Personengesellschaften als herrschendes Unternehmen oder abhängige Gesellschaft in der Praxis keineswegs unüblich sind.613 Grundsätzliche Bedenken gegen konzernierte Personengesellschaften bestehen nicht.614
A. Konzernrecht der Personengesellschaften Wie im Recht der GmbH findet auch im Recht der Personengesellschaften keine Gesamtanalogie zu aktienrechtlichen Vorschriften statt. Stattdessen wird ein rechtsformspezifischer Weg gewählt, der den Problemen der Personengesellschaften als beherrschter Gesellschaft mit allgemeinen Instrumentarien des Personengesellschaftsrechts begegnet.615 Grundsätzliche Anwendung finden jedoch die rechtsformunabhängigen Definitionen der §§ 15 – 18 AktG.616 Nach sehr umstrittener Auffassung greift auch in der Personengesellschaft die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG.617 Die Widerlegung gelingt allerdings in der Regel schon durch den Hinweis
613 Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 4 f.; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, Anh. § 105 Rn. 4 f.; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2012, 143; Liebscher, in: Sudhoff GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 3 f. 614 Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 13; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, Anh. § 105 Rn. 11; Palandt/Sprau, § 705 Rn. 45. 615 Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 17 f.; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, Anh. § 105 Rn. 15 ff.; Mülbert, in: MüKo/HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 25 f. 616 Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 23; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, Anh. § 105 Rn. 21 ff.; Mülbert, in: MüKo/HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 32 ff. 617 BGH, NJW 1992, 1702; OLG Stuttgart, AG 2009, 204; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 97; Rügenhagen, S. 54; a.A: Wertenbruch/Nagel, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, Anh. zu § 105 Rn. 16; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 48; Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 28; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, Anh. § 105 Rn. 26; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 117, 119; Mülbert, in: MüKo/HGB,
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3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
auf das Einstimmigkeitsprinzip. Anders kann es sich darstellen, wenn der Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip einführt.618 § 17 Abs. 1 AktG findet hingegen uneingeschränkt Anwendung, die aktienrechtlichen Grundsätze sind zu übernehmen.619 Im Recht der Personengesellschaften ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 709 BGB (GbR) und § 119 HGB (OHG) Beschlüsse grundsätzlich einstimmig zu fassen sind. Daneben sehen § 711 BGB (GbR) und § 115 HGB (OHG) Widerspruchsrechte hinsichtlich der Geschäftsführung vor. Hieraus folgt, dass Personengesellschaften – abgesehen vom Fall der KG mit einem geschäftsführungsberechtigten Komplementär620 – nur dann abhängig sind, wenn der Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen, insbesondere das nach Kapitalanteilen berechnende Mehrheitsprinzip, vorsieht.621 Hinzukommen muss, dass der Gesellschaftsvertrag in zentralen Fragen der Geschäftsführung (§ 116 Abs. 1 HGB) Abstimmungen der Gesellschafter zulässt oder der Mehrheitsgesellschafter über die Alleingeschäftsführungsbefugnis verfügt.622 Nicht erforderlich ist es, die Geschäftsführungskompetenzen auch auf ungewöhnliche Geschäfte auszudehnen.623 Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher auf eine abhängige Personengesellschaft, deren Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen vorsieht – eine Gestaltung, die sich freilich in der Praxis häufig findet.
B. Der Entherrschungsvertrag im Recht der Personengesellschaften I. Zulässigkeit Auch aus dem Recht der Personengesellschaften sprechen keine Gründe gegen die Zulässigkeit des Entherrschungsvertrages. Der Entherrschungsvertrag verstößt Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 60; Weitemeyer, in: Oetker, § 105 Rn. 115; Roth, in: Baumbach/Hopt, § 105 Rn. 101: nur bei Stimmrecht nach Kapitalanteilen. 618 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 97. 619 Roth, in: Baumbach/Hopt, § 105 Rn. 101; Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 25; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, Anh. § 105 Rn. 23; Mülbert, in: MüKo/HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 48 f.; Weitemeyer, in: Oetker, § 105 Rn. 112; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen, § 105 Rn. 109; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2012, 143. 620 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 48. 621 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 48; in: Kölner Kommentar z. AktG, § 17 Rn. 81; Bayer, in: MüKo/AktG, § 17 Rn. 116, 119; Mülbert, in: MüKo/HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 58; Weitemeyer, in: Oetker, § 105 Rn. 115; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2012, 143. 622 Mülbert, in: MüKo/HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 58; Leuering/ Rubner, NJW-Spezial 2012, 143. 623 Mülbert, in: MüKo/HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 58.
§ 7 Der Entherrschungsvertrag im Konzernrecht der Personengesellschaften
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wegen seiner schuldrechtlichen Wirkung nicht gegen das in § 717 S. 1 BGB niedergelegte Abspaltungsverbot, nach dem die aus der Mitgliedschaft folgenden Verwaltungsrechte wie Widerspruchs-, Stimmrecht oder Recht zur Geschäftsführung nicht übertragbar sind.624 Auch der Schutz des Kernbereiches der Mitgliedschaft steht dem Entherrschungsvertrag nicht entgegen. Der Ausschluss der Mitwirkung an der Geschäftsführung ist schon nach den Grundsätzen der §§ 710, 711 BGB, § 114 Abs. 2 HGB zulässig.625 II. Abschluss und Aufhebung des Entherrschungsvertrages bei den Personengesellschaften 1. Anwendung der allgemeinen Vertretungsregelungen Die Vertretungsbefugnis zum Abschluss des Entherrschungsvertrages auf Seiten einer herrschenden oder abhängigen Personengesellschaft richtet sich je nach Rechtsform nach den einschlägigen gesetzlichen Vertretungsregelungen. In der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter vorbehaltlich abweichender Regelung gemäß §§ 709, 714 BGB gesamtvertretungsbefugt, in der OHG gemäß § 125 Abs. 1 HGB einzelvertretungsbefugt. Es könnte sich jedoch das Erfordernis einer Beteiligung sämtlicher Gesellschafter – also auch der nicht geschäftsführungsbefugten – ergeben, wenn es sich beim Abschluss des Entherrschungsvertrages um ein Grundlagengeschäft626 oder bei Personenhandelsgesellschaften um ein außergewöhnliches Geschäft gemäß § 116 Abs. 2 HGB handelt. 2. Kein Grundlagengeschäft Der Abschluss des Entherrschungsvertrages stellt sich aufgrund seiner lediglich schuldrechtlichen Wirkungen jedoch weder für die herrschende noch für die abhängige Personengesellschaft als Grundlagengeschäft dar. Auf beiden Seiten wird das innere Verhältnis der Gesellschafter zueinander627 nicht unmittelbar berührt. Der Entherrschungsvertrag kann von seiner Reichweite und Wirkung auch nicht mit den typischerweise als Grundlagengeschäft klassifizierten Fällen der Änderung des Gesellschaftsvertrages, der Verpflichtung zur Übertragung des gesamten Vermö-
624 BGH, NJW 1952, 178; Schöne, in: BeckOK/BGB, § 717 Rn. 1; Schäfer, in: MüKo/ BGB, § 717 Rn. 5, 16; Palandt/Sprau, § 717 Rn. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4. 625 Schäfer, in: MüKo/BGB, § 709 Rn. 63. 626 Gummert/Karrer, in: MAH Personengesellschaftsrecht, § 7 Rn. 22 f.; Weitemeyer, in: Oetker, § 116 Rn. 4. 627 So die Definition des Grundlagengeschäftes, siehe Roth, in: Baumbach/Hopt, § 126 Rn. 3; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, § 114 Rn. 16; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/ Morck, § 114 Rn. 2.
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gens, der Aufnahme oder dem Ausschluss von Gesellschaftern628 verglichen werden, da er von seiner Dauer und seinem Inhalt nur begrenzt wirkt. Für die Einordnung als Maßnahme der Geschäftsführung und nicht als Grundlagengeschäft auf Seiten des herrschenden Unternehmens spricht auch, dass es sich selbst bei der Veräußerung einzelner Betriebe oder Unternehmensteile um Maßnahmen der Geschäftsführung und nicht um Grundlagengeschäfte handelt.629 3. Außergewöhnliches Geschäft gemäß § 116 Abs. 2 HGB Es verbleibt jedoch die Frage, ob es sich beim Abschluss des Entherrschungsvertrages um ein außergewöhnliches Geschäft im Sinne von § 116 Abs. 2 HGB handelt, bei dem in den Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) auch die nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter zu beteiligen sind. Außergewöhnliche Geschäfte sind, ähnlich wie in der GmbH, solche mit Ausnahmecharakter nach Art, Inhalt, oder Umfang und Risiko.630 Auch im Rahmen der Personenhandelsgesellschaften ist entsprechend den Ausführungen zur GmbH im Abschluss des Entherrschungsvertrages sowohl auf Seiten der herrschenden als auch auf Seiten der abhängigen Gesellschaft ein außergewöhnliches Geschäft zu sehen. Auf Seiten der herrschenden Personenhandelsgesellschaft wird eine Beteiligung für einen längeren Zeitraum aus dem Herrschaftsbereich der Gesellschafter entlassen, diese tragen dennoch weiterhin das Risiko einer schlechten Entwicklung. Auf Seiten der abhängigen Personenhandelsgesellschaft lässt sich ein außergewöhnliches Geschäft annehmen, da sich der Entherrschungsvertrag auf den Status der Gesellschaft auswirkt. Zum gleichen Ergebnis gelangen auch diejenigen Autoren631, die für wichtige Geschäfte mit dem herrschenden Gesellschafter grundsätzlich einen Zustimmungsbeschluss gemäß § 116 Abs. 2 HGB verlangen. Demnach sind bei Personenhandelsgesellschaften alle Gesellschafter gemäß § 116 Abs. 2 HGB zu beteiligen.632 Hieraus resultiert, dass auch Kommanditisten der KG gemäß § 116 Abs. 2 HGB zustimmen müssen.633 Der herrschende Gesellschafter unterliegt bei der Abstim-
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Roth, in: Baumbach/Hopt, § 114 Rn. 3; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, § 114 Rn. 16; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, § 114 Rn. 2. 629 Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, § 114 Rn. 16. 630 Roth, in: Baumbach/Hopt, § 116 Rn. 2; Schäfer, in: Habersack/Schäfer OHG, § 116 Rn. 4 ff.; Jickeli, in: MüKo/HGB, § 116 Rn. 7; U.H. Schneider, BB 1975, 1353 (1355). 631 Wertenbruch/Nagel, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Anh. zu § 105 Rn. 35; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2012, 143. 632 Auf die GbR findet § 116 Abs. 2 HGB keine Anwendung, siehe Palandt/Sprau, Vorb. § 709 Rn. 1. 633 Zur Anwendung von § 116 HGB auf die KG OLG Hamm, NZG 2009, 1117; Roth, in: Baumbach/Hopt, § 164 Rn. 2; Grunewald, in: MüKo/HGB, § 164 Rn. 9.
§ 7 Der Entherrschungsvertrag im Konzernrecht der Personengesellschaften
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mung einem Stimmverbot analog § 47 Abs. 4 GmbHG, § 34 BGB.634 Der Grundsatz der Unbeschränktheit der Vertretungsbefugnis gemäß § 126 Abs. 2 HGB635 findet auf Seiten einer abhängigen OHG oder KG keine Anwendung, da der Vertrag mit einem ihrer Gesellschafter geschlossen wird. Wie im Recht der GmbH stellt sich auch die Aufhebung des Entherrschungsvertrages als für Personenhandelsgesellschaften ungewöhnliches Geschäft dar. 4. Folgerungen Die Vertretung bei Abschluss eines Entherrschungsvertrages richtet sich in einer herrschenden oder abhängigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Vorliegen besonderer gesellschaftsvertraglicher Regelungen nach den §§ 709, 714 BGB, demnach sind grundsätzlich alle geschäftsführungsbefugten Gesellschafter am Abschluss des Vertrages zu beteiligen. Diese Vorschriften finden auch bei Aufhebung des Vertrages Anwendung. Bei einer Personenhandelsgesellschaft als herrschendes oder abhängiges Unternehmen sind wegen § 116 Abs. 2 HGB sämtliche Gesellschafter am Abschluss und der Aufhebung des Vertrages zu beteiligen. III. Inhalt und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages bei den Personengesellschaften Wie bereits ausgeführt, kommt Abhängigkeit im Recht der Personengesellschaften vor allem dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen die Einführung des Mehrheitsprinzips und die Beschlussfassung über wichtige Fragen der Geschäftsführung (§ 116 Abs. 1 HGB) vorsieht. Auch im Recht der Personengesellschaften ist es für den Entherrschungsvertrag daher von zentraler Bedeutung, dass der Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeschlossen wird.636 Bei den Abstimmungen über Fragen der Geschäftsführung (§ 116 Abs. 1 HGB und § 709 Abs. 1 BGB) ist daher das Stimmrecht des mehrheitlich beteiligten Unternehmens in entsprechender Höhe („Minus-Eins-Regelung“) auszuschließen. Wie im Recht der GmbH darf das beteiligte Unternehmen weiterhin befugt sein, die Geschäfte der Personengesellschaft zu führen,637 sofern neben diesem weitere Gesellschafter geschäftsführungsbefugt sind, über Fragen der Geschäftsführungen 634 OLG München, NZG 2009, 1267; KG, BeckRS 2009, 25683; Roth, in: Baumbach/Hopt, § 119 Rn. 8; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, § 119 Rn. 3; Weitemeyer, in: Oetker, § 119 Rn. 17. 635 BGH, NJW 1962, 2344; Roth, in: Baumbach/Hopt, § 126 Rn. 6; Hillmann, in: Ebenroth/ Boujong/Jost/Strohn, § 126 Rn. 14 ff.; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, § 126 Rn. 3. 636 Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127). 637 A.A. Becker, FS Möschel, S. 1119 (1127).
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3. Teil: Der Entherrschungsvertrag bei weiteren Gesellschaftsformen
Abstimmungen zugelassen werden und es bei diesen nicht über eine Mehrheit verfügt. Denn in einer solchen Konstellation können die übrigen Gesellschafter die Geschäftspolitik gestalten. Anderes gilt jedoch, wenn das beteiligte Unternehmen den alleinigen Geschäftsführer stellt und eine Abberufung nicht vorgesehen ist. Ein weitergehender Stimmrechtsverzicht ist demgegenüber nicht gefordert. Eine „negative Beherrschung“ muss nicht verhindert werden, denn diese führt wie im Recht der AG und GmbH nicht zur Begründung von Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG.638 Solange der Entherrschungsvertrag die beherrschende Mitwirkung des beteiligten Unternehmens an den Entscheidungen über die Geschäftsführung hindert, fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen von Abhängigkeit. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur GmbH verwiesen werden. IV. Ergebnis Ein Entherrschungsvertrag, in dem sich das mehrheitlich beteiligte Unternehmen verpflichtet, bei Fragen der Geschäftsführung nicht die Mehrheit auszuüben, ist auch im Recht der Personengesellschaften geeignet Abhängigkeit auszuschließen.
§ 8 Ergebnisse des dritten Teils Auch wenn der Entherrschungsvertrag seinen ursprünglichen Anwendungsbereich im Konzernrecht der Aktiengesellschaft hat, ist er bei weiteren Gesellschaftsformen von Bedeutung. Der Entherrschungsvertrag kann bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Personengesellschaften sowohl auf Seiten der abhängigen Gesellschaft als auch auf herrschender Seite geschlossen werden und führt bei den abhängigen Gesellschaften zur Aufhebung des Abhängigkeitstatbestandes und zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung. Indes muss vor einer schematischen Übertragung der im Aktienrecht gefundenen Ergebnisse gewarnt werden. Denn eine solche Übertragung würde den besonderen Anforderungen in GmbHG, HGB und BGB nicht gerecht. Der Entherrschungsvertrag muss den spezifischen Erfordernissen der einzelnen Gesellschaftsformen angepasst werden. So ist es unumgänglich, dass sich die Stimmrechtsbeschränkung auch auf Fragen der Geschäftsführung in der abhängigen GmbH und Personengesellschaft bezieht. Wird dies beachtet, entfaltet der Entherrschungsvertrag jedoch seine Wirkung, in dem er der bis dahin abhängigen Gesellschaft Autonomie hinsichtlich ihrer Geschäftspolitik vermittelt. Im Folgenden wird zu prüfen sein, welche Bedeutung dem Entherrschungsvertrag jenseits des Konzernrechts im Fusionskontrollrecht zukommt.
638
Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, Anh. § 105 Rn. 27.
Vierter Teil
Deutsches Fusionskontrollrecht Es wurde bereits angemerkt, dass auch Normen anderer Rechtsgebiete auf § 17 AktG verweisen. Von besonderer Bedeutung ist § 36 Abs. 2 GWB. Dieser, systematisch im siebten Abschnitt über die Zusammenschlusskontrolle geregelt, enthält die so bezeichnete Verbundklausel des GWB, in deren Rahmen auch die Bedeutung des Entherrschungsvertrages diskutiert wird.
§ 9 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 36 Abs. 2 GWB A. Die Fusionskontrolle Kern der deutschen Fusionskontrolle ist § 36 Abs. 1 GWB. Dieser sieht vor, dass ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb behindert wird, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, vom Bundeskartellamt zu untersagen ist. Der Begriff des Zusammenschlusses ist in § 37 GWB definiert, zudem ist die Umsatzschwelle des § 35 GWB zu beachten. Aufgabe der Fusionskontrolle ist es, übermäßige Unternehmenskonzentrationen zu verhindern und somit den Gefahren vorzubeugen, die von marktbeherrschenden Stellungen ausgehen.639 Nach § 35 Abs. 1 GWB finden die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle nur Anwendung, wenn die beteiligten Unternehmen gewisse Umsatzerlöse erreichen. Je nach Form des Zusammenschlusses sind verschiedene Unternehmen beteiligt, beim Kontrollerwerb etwa das Unternehmen, das die Kontrolle erwirbt sowie das Beteiligungsunternehmen.640 Über diese unmittelbar an dem Erwerbsvorgang beteiligten Unternehmen hinaus erfolgt eine Erstreckung der Verpflichtungen und Rechtsfolgen auch auf die nur mittelbar beteiligten Unternehmen über die Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB.641
639
Emmerich, Kartellrecht, § 31 Rn. 8; Fischer, S. 19; Paschke, S. 16. Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 35 GWB Rn. 14; Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 7. 641 Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 35 GWB Rn. 18; Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 8. 640
132
4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
B. Die Verbundklausel und der kartellrechtliche Abhängigkeitsbegriff Gemäß § 36 Abs. 2 GWB werden nach §§ 17, 18 AktG verbundene Unternehmen als einheitliches Unternehmen behandelt. Die Verbundklausel verfolgt den Zweck, verflochtene Unternehmen (abhängige Gesellschaft und herrschendes Unternehmen sowie Konzernunternehmen) im Rahmen des Kartellrechts als wirtschaftliche Einheit zu behandeln.642 Ein Verzicht auf die Zurechnung verbundener Unternehmen würde Umgehungen des GWB durch die Aufspaltung auf verschiedene Einzelgesellschaften ermöglichen.643 Die Rechtsform der betroffenen Unternehmen ist für die Verbundklausel irrelevant.644 I. Anwendungsbereich der Verbundklausel Ihre besondere Bedeutung erhält die Verbundklausel dadurch, dass die Betrachtung als einheitliches Unternehmen nicht nur für den Bereich der Fusionskontrolle, sondern für das gesamte GWB gilt.645 Die Verbundklausel führt beispielsweise nicht nur dazu, dass bei der Umsatzberechnung im Sinne von § 35 GWB alle verbundenen Unternehmen berücksichtigt werden,646 sondern auch dazu, dass im Rahmen von § 20 GWB bei der Festlegung der Größe von Unternehmen die aller verbundenen Unternehmen berücksichtigt werden647 oder eine unzulässige Preisspaltung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB auch dann vorliegt, wenn diese durch verschiedene Tochtergesellschaften eines herrschenden Unternehmens erfolgt.648 Weiter können der abhängigen Gesellschaft Kenntnisse des herrschenden Unternehmens zugerechnet werden649 oder Kartellbehörden nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 GWB 642 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20. 06. 2007 – VI KartR 14/06; Thomas, in: Immenga/ Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 781; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 4, 58; Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 12; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 29; z. T. wird auch der Begriff „wettbewerbliche Einheit“ verwendet, vgl. etwa Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 215 und Regbegr. zur 2. GWB-Novelle BT-Drs. 6/2520 S. 26, indes unterscheidet sich der Begriff der „wettbewerblichen Einheit“ von der Verbundklausel, vgl. dazu Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, § 36 GWB Rn. 136 ff. 643 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20. 06. 2007 – VI KartR 14/06; LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 03. 08. 2005 – 4 HK O 6645, 4 HKO 6645/04. 644 Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 7; Fischer, S. 26; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 29. 645 Begr. zur 6. GWB-Novelle, BT-Drs. 13/9720 S. 56; BGH, NJW-RR 2010, 618 (619) – „Entega“; Bechtold/Bosch, § 36 Rn. 63; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht § 36 GWB Rn. 90; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 788; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 58; Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 217. 646 Lange, S. 609. 647 LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 03. 08. 2005 – 4 HK O 6645, 4 HKO 6645/04. 648 BGH, NJW-RR 2010, 618 (619) – „Entega“. 649 BGH, NJW-RR 2010, 618 (619) – „Entega“.
§ 9 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 36 Abs. 2 GWB
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von Unternehmen Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse der mit ihnen im Sinne des § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen verlangen. Besondere Bedeutung erlangt die Verbundklausel auch im Rahmen von § 1 GWB: Die verbundenen Unternehmen bilden eine Einheit (sie sind kartellrechtlich ein Unternehmen650) und müssen sich die Aktivitäten anderer, rechtlich nach wie vor selbstständiger Unternehmen, zurechnen lassen.651 Darüber hinaus ist anerkannt, dass das Verbot des § 1 GWB auf sogenannte „konzerninterne Wettbewerbsbeschränkungen“ keine Anwendung findet.652 Freilich ist die Frage, wann tatsächlich ein „konzerninterner“ Vorgang vorliegt, nicht eindeutig erklärt. Manche stellen darauf ab, ob die Voraussetzungen der Verbundklausel erfüllt seien,653 während zum Teil auch danach gefragt wird, ob im Einzelfall beschränkter Wettbewerb zwischen den verschiedenen Unternehmen bestehe.654 All diese Beispiele verdeutlichen jedoch die besondere Bedeutung, die der Verbundklausel im gesamten GWB zukommt oder – je nach Entscheidung der Streitfrage – zukommen kann. II. Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG § 36 Abs. 2 GWB verweist auf beide Absätze des § 17 AktG. Von einer in Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft wird somit gemäß § 17 Abs. 2 AktG vermutet, dass sie abhängig ist. Abhängige Gesellschaft und herrschendes Unternehmen sind als Einheit zu behandeln. Die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG ist auch im Rahmen des GWB widerlegbar.655 Zwar hat die Monopolkommission den Wunsch geäußert, dass die Vermutung des AktG für den Bereich der Fusionskontrolle als unwiderleglich ausgestaltet werde, um dem Bundeskartellamt die Feststellung zu erleichtern, welche Unternehmen eine Einheit bilden.656 Dem ist der Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt. Eine solche unwiderlegliche Vermutung wäre auch keineswegs sinnvoll, denn atypische Situationen, in denen trotz Mehrheitsbeteiligung keine Abhängigkeit vorliegt, kommen oftmals vor. Man denke etwa an Fälle der bloßen Kapitalmehrheit ohne Stimmrechtsmehrheit oder an Satzungen, die höhere Mehrheiten vorschreiben. Insofern wäre eher ein Wechsel auf formale und leicht feststellbare Kriterien wie im Rahmen der Verbundklausel des europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 5 Abs. 4 FKVO, dazu unter § 13) vorzuziehen. Die Beweislast für die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung ist von denjenigen zu erbringen, die 650
Bechtold/Bosch, § 36 Rn. 63; Bunte, in: Langen/Bunte, § 1 GWB Rn. 21. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20. 06. 2007 – VI KartR 14/06. 652 Bechtold/Bosch, § 1 Rn. 29; Lange, S. 308; Schroeder, in: Wiedemann, § 8 Rn. 17. 653 Bechtold/Bosch, § 1 Rn. 29; Schroeder, in Wiedemann, § 8 Rn. 19. 654 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 112. 655 BGH, NJW-RR 2010, 618 (619) – „Entega“; Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, § 36 GWB Rn. 119; Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 222; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 810. 656 Monopolkommission, Hauptgutachten, I S. 483 Rn. 871. 651
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
§ 17 Abs. 2 AktG widerlegen wollen, obwohl für das Bundeskartellamt der Amtsermittlungsgrundsatz gilt.657 Wie im Aktienkonzernrecht sind die Anforderungen an die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung umstritten. Zum Teil wird ein umfassender Widerlegungsnachweis verlangt. Die Abhängigkeitsvermutung sei erst dann widerlegt, wenn der Nachweis erbracht werde, dass der Inhaber der Mehrheitsbeteiligung nicht in der Lage sei, die Geschäftsführung zu besetzen und die Möglichkeit der Beherrschung auch nicht aus sonstigen Mitteln vorliege.658 Begründet wird dies mit dem Hinweis, dass auch eine bloße Kapitalmehrheit zur Annahme der Vermutung führe, denn auch von dieser gehe ein potentieller Einfluss aus.659 Andere meinen demgegenüber, dass die Abhängigkeitsvermutung darauf basiere, die Geschäftsführungsorgane zu besetzen. Daher sei nachzuweisen, dass der Inhaber der Mehrheitsbeteiligung hierzu nicht in der Lage sei.660 Der BGH hat sich mit dieser Frage nicht explizit auseinandergesetzt. Im Rahmen der „Entega-Entscheidung“ führt er jedoch aus, dass eine Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung nicht gelinge, weil nicht nachgewiesen sei, dass aus Rechtsgründen keine Herrschaftsmittel zur Verfügung stünden.661 Dies deutet eher in Richtung der Ansicht, die eine umfassende Widerlegung fordert.662 Zutreffend ist jedoch ebenso wie im Aktienkonzernrecht (siehe oben unter § 3 D. II.) auch im Rahmen des GWB die Ansicht, dass nur die aus den Stimmrechten folgende Personalkompetenz zu widerlegen ist. Ob dann Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG vorliegt, ist unabhängig von der gesetzlichen Vermutung zu klären. III. Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG Während der Auslegung des § 17 Abs. 2 AktG im Kartellrecht jedoch weniger Aufmerksamkeit zu Teil wird als im Aktienkonzernrecht, entzündet sich ein bedeutsamer Streit um den kartellrechtlichen Abhängigkeitsbegriff nach § 36 Abs. 2 GWB i.V.m § 17 Abs. 1 AktG.
657 Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 222; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 30; a.A.: Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 810. 658 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 850. 659 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 850. 660 Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 222. 661 BGH, NJW-RR 2010, 618 (619). 662 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 102.
§ 9 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 36 Abs. 2 GWB
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1. Der Abhängigkeitsbegriff in der kartellrechtlichen Diskussion Unumstritten ist noch, dass Abhängigkeit im Sinne der Verbundklausel dann vorliegt, wenn die aktienrechtlichen Anforderungen erfüllt sind.663 Beherrschender Einfluss muss nicht tatsächlich ausgeübt werden, die bloße Möglichkeit hierzu genügt. Gesichert dürfte auch sein, dass die Einflussmöglichkeit beständig sein muss.664 Stark umstritten ist demgegenüber die Frage, ob der kartellrechtlichen Verbundklausel ein weitergehender Abhängigkeitsbegriff als der des § 17 AktG zugrunde liegt. a) Weitergehender Verbundbegriff Dies wird von Teilen der kartellrechtlichen Literatur vertreten.665 Abhängigkeit greife schon bei niedrigeren Eingriffsschwellen als im Aktienrecht.666 Auch könnten externe Austauschbeziehungen für sich, anders als nach herrschender Meinung im Aktienrecht, Abhängigkeit auslösen.667 Weiter soll auch eine sektorale oder eine negative Beherrschung zur Annahme von Abhängigkeit führen.668 Begründet wird die Ansicht vor allem mit den unterschiedlichen Schutzzwecken von Konzern- und Kartellrecht.669 Die aktienrechtliche Regelung diene dem Schutz der abhängigen Gesellschaft, seiner Gesellschafter und Gläubiger vor einer Schädigung durch das herrschende Unternehmen. Abhängigkeit sei dementsprechend aus der Sicht der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen. Die Verbundklausel verfolge demgegenüber den Zweck, die für die Fusionskontrolle und das GWB maßgebliche Unternehmenseinheit zu formulieren.670 Im GWB komme es darauf an zu ermitteln, über welches Wettbewerbspotential die Einheit verfüge.671 Hierzu sei es erforderlich, über den Begriff der Abhängigkeit im gesellschaftsrechtlichen Sinne hinaus auch solche Unternehmen als miteinander verbunden anzusehen, die durch einen wettbewerblichen Einfluss miteinander verknüpft seien.672 Die Frage, ob Abhängigkeit 663
KG, AG 1992, 159; Fischer, S. 28; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 809; Pesch, S. 175. 664 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 830; Neuhaus, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 227. 665 Fischer, S. 29 ff.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811; Ott, S. 11 ff.; Pesch, S. 176. Mestmäcker/Veelken, vertraten in der 4. Aufl. der Kommentierung von Immenga/Mestmäcker ebenfalls diese Auffassung (§ 36 Rn. 49). 666 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811; zusammenfassend Fischer, S. 29. 667 Pesch, S. 176. 668 Fischer, S. 54 ff. 669 Fischer, S. 36; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811; Pesch, S. 176. 670 Fischer, S. 32 ff. 671 Fischer, S. 36. 672 Pesch, S. 176 f.
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
vorliege, sei im Wettbewerbsrecht anders als im Aktienrecht aus der Perspektive von Wettbewerbern zu beurteilen, denn es sei Aufgabe des Wettbewerbsrechts, diese zu schützen.673 Die Schutzzwecke der Zusammenschlusskontrolle würden nicht erst eingreifen, wenn es zu Ressourcenverlagerungen komme, sondern bereits dann, wenn das Marktverhalten koordiniert werden könne. Dies setze nicht notwendigerweise einen Interessengegensatz zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft voraus.674 Zudem würden die aktienrechtlichen Schutzvorschriften nicht tangiert, sofern die Koordination ebenso im Interesse der Untergesellschaft liege.675 Auch der Wortlaut der Verbundklausel stehe dem nicht entgegen. Der Verweis auf einen Begriff in einem anderen Gesetz besage nicht, dass dieser Begriff in beiden Gesetzen einheitlich auszulegen sei.676 Schließlich werde selbst im Aktiengesetz je nach Rechtsfolgenorm eine differenzierte Auslegung vertreten.677 Ein Unternehmen soll dann über beherrschenden Einfluss verfügen, „wenn es die Wirtschaftsplanung des anderen Unternehmens unter Durchsetzung von unternehmerischen Eigen- oder Fremdinteressen in einer für dessen Stellung am Markt ausschlaggebenden Weise beeinflussen kann.“678
Entscheidend sei die Fähigkeit, der Untergesellschaft den „Spielraum seiner wettbewerblichen Aktivitäten zuzuweisen“, der Einfluss müsse die Geschäftspolitik, von der wettbewerbliches Handeln ausgehe, also das Marktverhalten, beeinflussen können.679 Hierfür genüge ein geringerer Grad des Einflusses als im Konzernrecht. Insbesondere könnten wirtschaftliche Beziehungen zur Begründung von Abhängigkeit ausreichen.680 Könne eine Gesellschaft nur fortbestehen, wenn sie von einem Lieferanten beliefert werde, verfüge sie nicht über Handlungsfreiheit und sei daher abhängig.681 Weiter könnten Ausschließlichkeitsbindungen, Kreditabhängigkeiten oder Lizenzverträge zu einer Abhängigkeit im Sinne der Verbundklausel führen.682 Aber auch eine sektorale Beherrschung, also die Beherrschung eines Unternehmensbereiches oder eine Sperrminorität, welche die Möglichkeit zur sogenannten „negativen Beherrschung“ eröffne, reiche im Rahmen der Verbundklausel zur Be-
673 674 675 676 677 678 679 680 681 682
Fischer, S. 38. Fischer, S. 37 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811. Fischer, S. 30. Fischer, S. 30. s. auch BKartA, AG 1995, 429 ff. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811. Fischer, S. 61 ff. Fischer, S. 62 f. Fischer, S. 64 ff.
§ 9 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 36 Abs. 2 GWB
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gründung von Abhängigkeit aus, da diese dazu führe, dass ein Großteil der wettbewerblichen Aktivitäten maßgeblich beeinflusst werden könne.683 b) Konzernrechtlicher Abhängigkeitsbegriff Diese Auslegung ist allerdings nicht unwidersprochen geblieben. Mittlerweile wird in der kartellrechtlichen Lehre überwiegend auf die konzernrechtlichen Grundsätze des Abhängigkeitsbegriffes abgestellt. Der beherrschende Einfluss muss daher gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein.684 Eine negative oder sektorale Beherrschung reiche nicht aus.685 Der Wortlaut des § 36 Abs. 2 GWB lasse keinen Hinweis auf einen unterschiedlichen Verbundbegriff zu.686 Der im Rahmen der Verbundklausel verwendete Begriff strebe eine Begriffsvereinheitlichung mit dem konzernrechtlichen Abhängigkeitsbegriff an.687 Es wäre verfehlt und uferlos, jede wettbewerbliche Abhängigkeit, in den Begriff mit einzubeziehen.688 Eine weitergehende Auslegung des § 17 AktG im Rahmen des § 36 Abs. 2 GWB sei mit der Rechtssicherheit nur schwer zu vereinbaren.689 Normzweckspezifische Unterschiede zwischen Verbundklausel und § 17 AktG würden keine unterschiedliche Auslegung erfordern.690 Beide Vorschriften hätten die Schutzfunktion, potentiell gefährliche Unternehmensstrukturen zu definieren.691 In beiden Gesetzen bestehe das gleiche Problem, eine bestimmte Unternehmenseinheit in einer den Erfordernissen der Rechtssicherheit gerecht 683
Fischer, S. 55 ff. Bechtold/Bosch, § 36 Rn. 63; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 821 ff., der jedoch bei der Auslegung einen kartellrechtlich-funktionalen Ansatz beachten will; Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 225; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, § 36 GWB Rn. 86; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132); Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 13; Kleinmann/ Josenhans, BB 2003, 1341 (1342); Landsittel, BB 1994, 799 (801 f.); Lange, S. 609; K. Schmidt, ZGR 1980, 277 (284 f.); Weitnauer, GWR 2010, 78; im Grundsatz hält auch Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 61 die Übernahme des aktienrechtlichen Beherrschungsbegriffes für gerechtfertigt. 685 Weitnauer, GWR 2010, 78. 686 Bechtold/Bosch, § 36 Rn. 63; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95; Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 223; Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 13; Kleinmann/Josenhans, BB 2003, 1341 (1342). 687 Landsittel, BB 1994, 799 (801 f.); K. Schmidt, ZGR 1980, 277 (284 f.). 688 Kleinmann/Josenhans, BB 2003, 1341 (1342); K. Schmidt, ZGR 1980, 277 (284 f.). 689 Bechtold/Bosch, § 36 Rn. 63; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 824; Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 223; Kleinmann/Josenhans, BB 2003, 1341 (1342). 690 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132); Säcker, NJW 1980, 801(802). 691 Säcker, NJW 1980, 801(802); Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95. 684
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
werdenden Weise festzulegen, dass sich die Gesetze hierbei der gleichen Abgrenzungskriterien bedienten, sei zulässig.692 Gegen einen besonderen kartellrechtlichen Abhängigkeitsbegriff spreche des Weiteren auch der Umstand, dass der Gesetzgeber trotz zahlreicher Novellen und teilweiser Änderungen der Regelung die Verweisung nie abgeschafft habe.693 Auch im GWB gebe der in Bezug genommene § 17 Abs. 2 AktG entscheidende Hinweise für das gesetzliche Leitbild von Abhängigkeit. Insbesondere müsse Abhängigkeit gesellschaftsrechtlich vermittelt sein.694 Beherrschender Einfluss sei daher jeder Einfluss auf die Geschäftsleitung einer Gesellschaft, der es ermögliche, die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Organe zu besetzen und damit über diese deren Unternehmens- und Geschäftspolitik zu bestimmen.695 Wie im Konzernrecht müsse der Einfluss gesichert sein und eine gewisse Beständigkeit aufweisen.696 c) Die Rechtsprechung Der BGH hat die Entscheidung, ob im Kartellrecht ein weitergehender Abhängigkeitsbegriff als im Aktienrecht gilt, explizit offen gelassen.697 Allerdings stellt der BGH bei der Beurteilung der Frage ob Abhängigkeit vorliegt, auf gesellschaftsrechtliche Erwägungen ab.698 Herrschaft setze voraus, dass sich die abhängige Gesellschaft dem Einfluss nicht entziehen könne, den das Unternehmen auf seine Geschäfts- und Personalpolitik auszuüben vermöge.699 Demgegenüber hatte das KG in der vorhergehenden – allerdings vom BGH aufgehobenen700 – Entscheidung, gestützt auf die unterschiedlichen Schutzzwecke von Konzern- und Kartellrecht, eine weitergehende Auslegung der Verbundklausel vertreten.701 Später hat es diese Rechtsprechung aufgegeben.702 Das OLG Düsseldorf wiederum hält eine gesellschaftsrechtliche Vermittlung der Einflussmöglichkeit für zwingend erforderlich, eine hiervon unabhängige Ein-
692 Säcker, NJW 1980, 801(802); Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95. 693 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 826; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. Fn. 109. 694 Emmerich, Kartellrecht, § 32 Rn. 13. 695 Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 224. 696 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 97. 697 BGH, NJW 1993, 2114 (2115) – „Iserlohner Kreisanzeiger“. 698 BGH, NJW 1993, 2114 (2115) – „Iserlohner Kreisanzeiger“. 699 BGH, NJW 1993, 2114 (2115) – „Iserlohner Kreisanzeiger“. 700 BGH, NJW 1993, 2114 ff. – „Iserlohner Kreisanzeiger“. 701 KG, AG 1992, 159 – „Iserlohner Kreisanzeiger“. 702 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 826.
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flussmöglichkeit reiche nicht aus.703 Abhängigkeit liege wie im Aktienrecht dann vor, wenn ein Unternehmen die „Geschäfts- und Unternehmenspolitik des anderen Unternehmens beeinflussen kann“.704 Wichtigstes Beherrschungsmittel seien die Stimmrechte. Ausreichend sei die Möglichkeit, „ein Übergewicht der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen. Eine solche Personalentscheidungsgewalt sichert im Regelfall beherrschenden Einfluss, weil eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sich die bestellten Mitglieder einflusskonform verhalten werden“.705
Auch in weiteren Urteilen wird auf die Grundsätze des § 17 AktG abgestellt und ein gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluss verlangt.706 2. Eigene Einschätzung Zutreffend ist es auch im Rahmen von § 36 Abs. 2 GWB i.V.m. § 17 AktG auf konzernrechtliche Grundsätze abzustellen. Ein besonderer kartellrechtlicher Abhängigkeitsbegriff im Rahmen von § 36 Abs. 2 GWB ist mit der verwendeten Gesetzgebungstechnik nicht zu vereinbaren. a) Auslegung des Wortlautes von § 36 Abs. 2 GWB Nicht von der Hand zu weisen ist zunächst, dass der Wortlaut des § 36 Abs. 2 GWB die in § 17 AktG verwendeten Begrifflichkeiten des abhängigen und herrschenden Unternehmens übernimmt. Wäre der Gesetzgeber hierbei geblieben, ließe sich eine vom Aktienrecht divergierende Auslegung noch gut vertreten. So unterscheidet sich auch die Auslegung des Unternehmensbegriffs in GWB und AktG voneinander. Hierauf weisen die Vertreter des erweiterten Verbundbegriffes auch zutreffend hin. Der Gesetzgeber hat den Begriff des abhängigen und herrschenden Unternehmens jedoch noch insofern präzisiert, dass es sich um ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen „im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes“ handeln muss. Der Gesetzgeber des GWB bedient sich hiermit einer gesetzlichen Verweisung. Mit einer solchen erklärt er, dass der beschriebene Sachverhalt genauso zu behandeln ist, wie der Sachverhalt der Vorschrift, auf die verwiesen wird.707 § 36 Abs. 2 GWB verweist zudem auf beide Absätze des § 17 AktG. Für die Auslegung von § 17 Abs. 1 AktG kann daher auch im Rahmen des Kartellrechts auf 703 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08. 10. 2008 – VI Kart 10/07 (V); Beschluss v. 07. 05. 2008 – VI Kart 1/07. 704 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08. 10. 2008 – VI Kart 10/07 (V); Beschluss v. 07. 05. 2008 – VI Kart 1/07. 705 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08. 10. 2008 – VI Kart 10/07 (V); Beschluss v. 07. 05. 2008 – VI Kart 1/07. 706 LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 03. 08. 2005 – 4 HK O 6645, 4 HKO 6645/04. 707 Rüthers/Fischer/Birk, Rn. 132.
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§ 17 Abs. 2 AktG zurückgegriffen werden. Dieser soll nach der Intention des Gesetzgebers der Unbestimmtheit des Abhängigkeitsbegriffes entgegenwirken.708 Die Abhängigkeitsvermutung knüpft an gesellschaftsrechtlich vermittelte, interne Machtmittel an, die es dem Unternehmen ermöglichen, das Verhalten der abhängigen Gesellschaft in eine bestimmte Richtung zu lenken, was gegen einen erweiterten Verbundbegriff spricht, der auch eine negative Beherrschung oder eine wirtschaftlich begründete Abhängigkeit ausreichen lässt. Aus dem von § 36 Abs. 2 GWB in Bezug genommenen § 17 Abs. 2 AktG lässt sich daher ebenfalls der Hinweis gewinnen, dass ein Gleichklang mit dem konzernrechtlichen Abhängigkeitsbegriff angestrebt wird. Auch der Verweis auf den Konzern in § 18 AktG, dessen § 18 Abs. 1 S. 2 AktG bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages oder einer Eingliederung, also bei innergesellschaftsrechtlichen Vorgängen, eine unwiderlegliche Vermutung für das Vorliegen eines Konzerns aufstellt, deutet darauf hin, dass die Verbundklausel gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erfassen soll und der Verbundbegriff daher mit dem Abhängigkeitsbegriff des Aktienrechts übereinstimmt. b) Historische Auslegung Die Bezugnahme auf § 17 AktG wurde mit der 2. GWB-Novelle von 1973 eingefügt. Seit 1965 existierte bereits eine Konzernklausel, die als erster Schritt zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei verbundenen Unternehmen betrachtet wurde.709 Die Verbundklausel sollte diesen „Weg weitergehen“ um sicherzustellen, dass Unternehmen, die wegen gegenseitiger Verflechtungen eine wettbewerbliche Einheit bilden, zusammengefasst werden.710 Erfasst werden sollten die Fälle, „in denen beherrschender Einfluß ausgeübt werden kann (,§ 17 des Aktiengesetzes‘), weil schon dann wirtschaftliche Selbstständigkeit nicht mehr besteht.“711
Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass eine Unternehmenseinheit nach dem GWB dann vorliegt, wenn beherrschender Einfluss nach dem Aktiengesetz ausgeübt werden kann. Der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass die Verbundklausel darüber hinaus noch weitere Fallgestaltungen erfassen soll. Gleiches gilt auch für die Regierungsbegründung zur 6. GWB-Novelle: „Damit wird sichergestellt, daß sämtliche abhängigen und herrschenden Unternehmen im Sinne des § 17 AktG oder Konzernunternehmen im Sinne des § 18 AktG als wirtschaftliche Einheit behandelt werden.“712
708 709 710 711 712
Begr. RegE bei Kropff, S. 31 f. BT-Drs. 6/2520, S. 26. BT-Drs. 6/2520, S. 26. BT-Drs. 6/2520, S. 26. BT-Drs. 13/9720, S. 56 f.
§ 9 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 36 Abs. 2 GWB
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Dem ist nicht zu entnehmen, dass über das Aktiengesetz hinaus weitere Konstellationen erfasst werden sollen. c) Systematische Auslegung Auch systematische Erwägungen deuten auf eine parallele Auslegung von konzern- und kartellrechtlichem Abhängigkeitsbegriff hin. Das GWB verwendet eine Vielzahl an Begrifflichkeiten, um Verbindungen von Unternehmen zu erfassen. Der Gesetzgeber hat jedoch keine davon ausgewählt, sondern vielmehr auf § 17 AktG abgestellt. So verwendet das GWB in § 18 Abs. 3 Nr. 4 GWB etwa den Begriff der „Verflechtung“. Der BGH führt zu diesem Begriff aus: „Als Verflechtung im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur die gesellschaftsrechtliche Beherrschung und der Konzernverbund, sondern auch jede andere wirtschaftliche, rechtliche oder personelle Beziehung zwischen Unternehmen anzusehen, ohne daß es darauf ankommt, ob das eine Unternehmen das andere beherrschen kann.“713
In § 20 Abs. 1 GWB wird der Begriff der Abhängigkeit verwendet, jedoch ersichtlich in einer anderen Bedeutung. Abhängigkeit wird dort in der Weise verstanden, dass es keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten gibt, auf andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager auszuweichen. Der Verweis auf das Aktienrecht (Abhängigkeit „im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes“) fehlt an dieser Stelle und wäre auch vor dem Hintergrund von § 20 GWB nicht sinnvoll. § 37 GWB verwendet ebenfalls Begriffe, die über den der Verbundklausel hinausgehen. Es wäre für den Gesetzgeber möglich, anstelle des gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsbegriffs den kartellrechtlichen Kontrollbegriff des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB zu verwenden, der tatsächliche Umstände zur Begründung von Kontrolle ausreichen lässt.714 Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch bislang abgesehen. Die Gegenauffassung läuft letztlich auf eine Auslegung des Abhängigkeitsbegriffes hinaus, welche die Systematik des GWB nicht hinreichend berücksichtigt. Schließlich hat der Gesetzgeber, sofern er von einer aktienrechtlichen Auslegung Abstand nehmen wollte, diese im GWB auch entsprechend normiert. So führte der Gesetzgeber mit § 36 Abs. 2 S. 2 GWB der Klarstellung halber eine Vorschrift ein, um eine im Aktienrecht umstrittene Frage für das GWB eindeutig zu entscheiden.715
713
BGH NJW 1996, 1820 (1821) – „Raiffeisen“. Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 12, Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 14 f.; Lange, S. 595 f.; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 89. 715 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 905. 714
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d) Telos Deuten Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik auf eine gleiche Auslegung von konzern- und kartellrechtlichem Abhängigkeitsbegriff hin, verbleibt die Frage nach einer teleologischen Interpretation. Hierauf stützen sich die Vertreter eines weitergehenden Verbundbegriffes im Wesentlichen. Allerdings können auch die vorgebrachten teleologischen Argumente nicht überzeugen. Die Vertreter eines erweiterten Verbundbegriffes übersehen in ihrer Auslegung zunächst, dass eine weite Fassung der Verbundklausel nicht nur zu einer Erweiterung des deutschen Kartellrechts, sondern zugleich zu einer Beschränkung führt. Diese folgt daraus, dass bei Vorliegen der Verbundklausel im Rahmen des § 1 GWB eine sogenannte „konzerninterne Wettbewerbsbeschränkung“ vorliegt, die aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfällt (siehe oben unter § 9 B. I.). Nicht hinreichend gewürdigt wird weiterhin, dass eine weite teleologische Interpretation des Abhängigkeitsbegriffes zu massiven und nachteiligen Eingriffen in den Rechtskreis des betroffenen Unternehmens führt. Wie ausgeführt müssen sich die Unternehmen Wissen und sogar Verhalten von verbundenen Unternehmen zurechnen lassen. § 59 Abs. 1 Nr. 2 GWB gestattet darüber hinaus die Einholung von Informationen über verbundene Unternehmen. Ein wirtschaftlicher Verbundbegriff, der in seinen Grenzen unscharf und nur schwer festzustellen ist, würde vor diesem Hintergrund ein angesichts der Reichweite des Eingriffs in die Rechte der Unternehmen bedenkliches Maß an Rechtsunsicherheit hervorrufen. Eine derartige Auslegung, die mit Wortlaut, Systematik und Historie nur schwer zu vereinbaren ist, setzt sich in Widerspruch zum Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der in den Rechtskreis von Unternehmen eingreifenden Verwaltung. Gesehen werden muss auch, dass der konzernrechtliche Abhängigkeitsbegriff in der geltenden Fassung bereits weitreichend und geeignet ist, mannigfaltige Unternehmensverbindungen zu erfassen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 AktG, der die Möglichkeit der Einflussnahme als genügend ansieht, aber auch aus der Anerkennung der sogenannten kombinierten Beherrschung (siehe oben unter § 3 C. II.), die eine Verknüpfung von gesellschaftsrechtlichen mit externen Einflussmitteln zur Begründung von Abhängigkeit ausreichen lässt. Eine Erweiterung lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Zusammenschlusskontrolle anders als das Konzernrecht bereits ohne Vorliegen eines Interessengegensatzes greife,716 denn auch im Aktienrecht wird das Vorliegen von beherrschendem Einfluss gemäß § 17 Abs. 1 AktG unabhängig von der Frage eines Interessengegensatzes beurteilt. Ein Abstellen auf „wettbewerblichen Einfluss“ kann angesichts der klaren Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Gesetzesbegründung auch deswegen nicht überzeugen, weil es an einem zwingenden teleologischen Argument fehlt, den Verbundbegriff im GWB weiter zu fassen. Fusionskontrollrecht und Konzernrecht verfolgen zwar unterschiedliche Schutzzwecke. Während das 716
So aber Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 811; Fischer, S. 37 f.
§ 9 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 36 Abs. 2 GWB
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Fusionskontrollrecht dem Erhalt einer wettbewerblichen Marktstruktur dient, bezweckt das Konzernrecht den Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gläubiger und außenstehender Aktionäre.717 Die einzelnen hier verglichenen Normen von § 36 Abs. 2 GWB und § 17 AktG definieren jedoch nur eine bestimmte, in beiden Rechtsgebieten als potentiell gefährlich eingestufte, Unternehmensverbindung. Die Gründe, aus denen der Sachverhalt in beiden Rechtsgebieten als gefährlich eingestuft wird, mögen differieren, nichtsdestotrotz können die Kriterien zur Erfassung des Sachverhaltes identisch sein.718 Wie der Verweis auf das Aktienrecht zeigt, hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, die gleichen Kriterien anzuwenden. Eine erweiternde Auslegung des Verbundbegriffes ist damit auch aus teleologischen Gründen nicht geboten. e) Folgerungen Ein weitergehender Verbundbegriff ist nicht zu rechtfertigen. Vielmehr sind die konzernrechtlichen Grundsätze maßgebend. Demnach muss die Beherrschung gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein. Eine reine wirtschaftliche Abhängigkeit führt nicht zur Abhängigkeit im Sinne von § 36 Abs. 2 GWB i.V.m. § 17 AktG. Auch eine Sperrminorität oder eine sektorale Beherrschung ist nicht ausreichend. Bei der Frage, inwieweit ein Entherrschungsvertrag geeignet ist, Abhängigkeit im Sinne der Verbundklausel auszuschließen, ist von diesen Grundsätzen auszugehen.
C. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen der Verbundklausel Unternehmen haben sich in der Fusionskontrolle wiederholt auf Entherrschungsverträge berufen.719 Eine Zulassung des Entherrschungsvertrages im Rahmen der kartellrechtlichen Verbundklausel könnte dazu führen, dass die betroffene Gesellschaft aus der „wirtschaftlichen Einheit“ herausgebrochen wird. Je nach Sachverhalt kann es sich bei der wegen eines Entherrschungsvertrages nicht zu berücksichtigenden Gesellschaft um eine abhängige Gesellschaft oder ein herrschendes Unternehmen handeln.
717
Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95. Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 95; Säcker, NJW 1980, 801 (802). 719 So schon die Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 482 Rn. 868. 718
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I. Entscheidung des Bundeskartellamtes Das Bundeskartellamt hat Entherrschungsverträge im Zusammenhang mit der kartellrechtlichen Verbundklausel bereits sehr früh akzeptiert. In einem Verfahren prüfte das Kartellamt, ob die Bayerische Rückversicherung AG (BR), an der die Schweizer Rück Holding AG (SRH) mehrheitlich beteiligt war, zur Anzeige des Zusammenschlusses aufgrund der Verbundklausel des § 23 Abs. 1 S. 2 GWB a.F. verpflichtet war. Das BKartA verneinte eine Anmeldepflicht mit Hinweis auf den Entherrschungsvertrag.720 Es führt aus: „[Die Anzeigepflicht] ist verneint worden; denn zwischen der SRH und der BR besteht ein Entherrschungsvertrag. Maßgebend für die Prüfung war indessen nicht nur der Vertragsinhalt. Vielmehr kam es entscheidend auf die tatsächliche Handhabung an. Es wäre nicht gerechtfertigt, aufgrund einer vertraglichen Abrede über eine Stimmrechtsbeschränkung den Wegfall des beherrschenden Einflusses anzunehmen, wenn tatsächlich die Abrede nicht eingehalten wird oder trotz Einhaltung aufgrund anderer tatsächlicher Umstände der beherrschende Einfluß besteht. Indessen haben sich in tatsächlicher Hinsicht keine Anhaltspunkte für eine Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 S. 2 ergeben. Ein Gesichtspunkt war unter anderem das Abschlusstestat des Wirtschaftsprüfers der BR und die in diesem Zusammenhang eingeholten Prüfungsunterlagen. Danach ist die BR wegen ihrer rechtlichen und tatsächlichen Unabhängigkeit nicht verpflichtet, einen Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG zu erstatten.“721
Allerdings hat sich die Praxis des Bundeskartellamtes gewandelt, so dass Entherrschungsverträge nicht mehr berücksichtigt werden.722 II. Der Stand der herrschenden Lehre Auch die wohl herrschende Lehre versagt Unternehmen im Rahmen der Verbundklausel die Berufung auf Entherrschungsverträge.723 Die Ansicht geht maßgeblich auf das erste Hauptgutachten der Monopolkommission zurück. Diese legte darin dar, dass Entherrschungsverträge nicht geeignet seien, Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG und Abhängigkeitsvermutung gemäß § 17 Abs. 2 AktG auszuschlie-
720
BKartA, Tätigkeitsbericht 1974, S. 34; kritisch: Emmerich, AG 1978, 85 (94); Pesch, S. 178 f. 721 BKartA, Tätigkeitsbericht 1974, S. 34. 722 BReG Drs. 8/702, S. 48 und Hauptgutachten III der Monopolkommission, S. 156. 723 BMWi, WuW 79, 499 – „Veba-BP“; Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 482, 483; Windbichler, in: Großkomm. z. AktG, § 17 Rn. 88; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 62; Schulte, in: Schulte/Just, § 36 GWB Rn. 132; Emmerich, AG 1978, 85 (94); Fischer, S. 71; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 62 f.; Möschel, Pressekonzentration, S. 200; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, § 11 Rn. 810; Pesch, 180 f.; Steindorff, Wettbewerbliche Einheit, S. 29; s. auch Schall, in: Spindler/Stilz, § 17 Rn. 52 mit Fn. 228; Veelken, WRP 2003, 692 (707).
§ 9 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 36 Abs. 2 GWB
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ßen.724 Schließlich äußerte die Kommission auch den Wunsch, dass die Abhängigkeitsvermutung des AktG für den Bereich der Fusionskontrolle als unwiderleglich ausgestaltet werden solle, um dem Bundeskartellamt die Feststellung zu erleichtern, welche Unternehmen eine Einheit bilden.725 In seiner Untersuchung nennt die Monopolkommission verschiedene Gründe für seine Auffassung, derer sich die herrschende Lehre ebenfalls bedient: Zunächst sieht die Monopolkommission die Gefahr, dass Entherrschungsverträge benutzt werden könnten, um den an quantitative Kriterien anknüpfende Vorschriften des Gesetzes zu entgehen.726 Eng damit zusammen hängt das Argument, dass der Anwendungsbereich der zwingenden Fusionskontrolle damit zur Disposition der Unternehmen gestellt werde.727 Zudem würden Entherrschungsverträge auf demselben Verhältnis beruhen, das sie ausschließen sollten.728 Letztlich würden Entherrschungsverträge auf Zeit geschlossen, seien aus wichtigem Grunde kündbar und könnten einverständlich aufgelöst werden. Die Fusionskontrolle solle aber die strukturellen Wirkungen erfassen, welche von der dauernden Veränderung der Unternehmen ausgingen.729 In der Literatur wird dazu prägnant formuliert, ein Entherrschungsvertrag würde offenlassen, „ob und wann derjenige Zustand nach Vollzug des Zusammenschlusses wiederhergestellt wird, der im Zeitpunkt der Beurteilung des Zusammenschlusses durch die zuständigen Stellen ausgeschlossen ist. […] Man kann auch formulieren, dass eine unter Umständen (noch) nicht aktualisierte wettbewerbliche Einheit aufgrund der Möglichkeit eines Beteiligten, zu einem späteren Zeitpunkt das Entstehen dieser potentiellen wettbewerblichen Einheit zu bewirken, ohne daß dies dann einer nochmaligen fusionskontrollrechtlichen Prüfung zugänglich wäre, unter den Abhängigkeitstatbestand […] fällt.“730
Weiter wird in der Literatur angeführt, dass der die Stimmrechtsmehrheit ausschließende Entherrschungsvertrag nicht zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung ausreiche, da die „objektiven Verhältnisse sowie die dadurch nahegelegten
724 Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 482, 483 Rn. 869; anders hingegen Monopolkommission, Hauptgutachten XI, S. 27 Rn. 61 a.E. 725 Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 483 Rn. 871. 726 Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 483 Rn. 868. 727 Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 483 Rn. 868; zustimmend: Emmerich, AG 1978, 85 (94), Fischer, S. 71; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 63 Möschel, Pressekonzentration, S. 200 f. 728 Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 483 Rn. 869; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 63. 729 Monopolkommission, Hauptgutachten I, S. 483 Rn. 869; so auch: BMWi, WuW 79, 499 – „Veba-BP“; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 62, Schulte, in: Schulte/Just, § 36 GWB Rn. 132; Fischer, S. 71. 730 Fischer, S. 71 f.
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Verhaltensweisen der Unternehmen“ zur Beurteilung, ob die Vermutung widerlegt werde, maßgebend seien.731 III. Abweichende Auffassungen Hingegen betonen andere Autoren, dass der Entherrschungsvertrag bei Beachtung der im Aktienrecht aufgestellten Voraussetzungen auch im Rahmen von § 36 Abs. 2 GWB von Relevanz sei.732 Begründet wird die Auffassung vor allem damit, dass der kartellrechtliche Abhängigkeitsbegriff dem des § 17 AktG entspreche, der Entherrschungsvertrag müsse daher aus Gründen der Rechtssicherheit- und Klarheit in gleichem Maße zum Ausschluss von Abhängigkeit geeignet sein.733 Von Interesse ist auch, dass im Rahmen des Kartellvergaberechts vertreten wird, dass beherrschender Einfluss gemäß § 98 Nr. 4 S. 1 GWB durch Entherrschungsverträge ausgeschlossen sei.734 IV. Eigene Einschätzung Auch wenn eine parallele Auslegung von § 36 Abs. 2 GWB und § 17 AktG für eine Bedeutung des Entherrschungsvertrages spricht, könnten die vorgebrachten Argumente dazu führen, dass der Entherrschungsvertrag im Kartellrecht nicht geeignet ist, Abhängigkeit auszuschließen. Zum besseren Verständnis bietet es sich an, Beispiele für die möglichen Auswirkungen eines Entherrschungsvertrages zu geben. Im Rahmen eines Fusionskontrollverfahrens kann sich die Frage stellen, ob bei der Umsatzberechnung gemäß § 35 GWB auch die Umsätze einer Gesellschaft zu berücksichtigen sind, an der ein Unternehmen, das Erwerber einer dritten Gesellschaft ist, mehrheitlich Anteile hält und mit der ein Entherrschungsvertrag geschlossen ist. Bei § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB kann sich die Frage stellen, ob eine unzulässige Preisspaltung vorliegt, wenn mit einer der operativen Gesellschaften ein Entherrschungsvertrag geschlossen ist, dieser eingehalten wird und die Preisspaltung in den entsprechenden Zeitraum fällt. Letztes Beispiel ist die Frage, ob einem beteiligten Unternehmen auch das Wissen und
731
Emmerich, Kartellrecht, 12. Aufl., § 32 Rn. 14. In der 13. Aufl. wird dies nicht mehr vertreten. 732 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 36 GWB Rn. 102; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 854 (anders noch die 4. Aufl.); Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 223; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 30; für das europäische Kartellrecht insb. Pohlmann, S. 144 – 148; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132) verlangt darüber hinaus noch Sicherungen der Vertragserfüllung. 733 Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 223; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132). 734 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 98 GWB Rn. 206; Wagner, in: Langen/Bunte, § 98 GWB Rn. 69; Pünder, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht § 98 GWB Rn. 87.
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Verhalten einer Gesellschaft aus dem Zeitraum zugerechnet werden kann, in dem ein Entherrschungsvertrag eine Einflussnahme begrenzte. Was die gegen den Entherrschungsvertrag vorgebrachten Argumente angeht, so kann zunächst das Argument, dass Entherrschungsverträge dazu benutzt werden könnten dem zwingenden Anwendungsbereich der Fusionskontrolle zu entgehen, nicht überzeugen. Denn Hommelhoff735 hat dies für das gleichfalls zwingende Konzernrecht bereits überzeugend aufgelöst. Auch im Kartellrecht geht es nicht um die Umgehung der Schutzvorschriften, sondern der Abschluss des Entherrschungsvertrages hat zur Folge, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von Abhängigkeit nicht mehr vorliegen. Sofern sich Herrschaftsmacht wirksam begrenzen lässt, muss der Ausschluss der Herrschaftsmacht auch das Nichteingreifen der an Abhängigkeit anknüpfenden Vorschriften zur Folge haben. In einem solchen Fall ist ein Eingreifen der Fusionskontrolle auch nicht mehr erforderlich, denn der Gesetzeszweck, übermäßige Marktkonzentrationen zu verhindern, wird bei wirksamer Begrenzung der Herrschaftsmacht nicht berührt. Dem entspricht es, dass bereits die Gesetzesbegründung zur Einführung der Bezugnahme auf § 17 AktG vorsah, dass „Fälle denkbar [sind], in denen eine Mehrheitsbeteiligung nicht zu einer Abhängigkeit des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens führt.“736 Schwerer wiegt hingegen das Argument, welches auf die begrenzte Dauer und Wirkung des Entherrschungsvertrages verweist (auch als faktische Einschränkung des Entherrschungsvertrages bezeichnet737). Es könnte die Situation eintreten, dass die Wettbewerbsbehörden aufgrund des Vorliegens eines Entherrschungsvertrages zum Zeitpunkt der Beurteilung des Zusammenschlusses bestimmtes Wettbewerbspotential nicht berücksichtigen, das Wettbewerbspotential aber nach der Freigabe des Zusammenschlusses und nach Ablauf des Entherrschungsvertrages vorliegt. Eine solche Situation kann gänzlich unabhängig vom Vorliegen von Umgehungsabsichten eintreten, wenn die Laufzeit des Entherrschungsvertrages endet. Das geschilderte Problem tritt allerdings nicht auf, sofern die Verbundklausel außerhalb der Zusammenschlusskontrolle im Rahmen einer rückblickenden Beurteilung738 relevant wird, z. B. bei der Frage, ob einem an einer Gesellschaft mehrheitlich beteiligten Unternehmen deren Verhalten oder Wissen für die Vergangenheit 735
Hommelhoff, S. 82, 83 Fn. 10. BT-Drs. VI/2520, S. 26. 737 Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 62. 738 Zur Vermeidung von Missverständnissen soll darauf hingewiesen werden, dass sich Abhängigkeit selbstverständlich aus einer ex-ante Perspektive beurteilt, die Kartellbehörden die Entscheidung, ob gegen Wettbewerbsregeln verstoßendes Verhalten vorliegt, jedoch erst rückblickend beurteilen können. Die Kartellbehörden müssen insofern rückblickend beurteilen, ob zum Zeitpunkt des Wettbewerbsverstoßes aus Sicht der Gesellschaft Abhängigkeit vorlag und können dies mit Blick auf den Entherrschungsvertrag verneinen. Wenn es jedoch im Zeitraum zwischen dem wettbewerbswidrigen Verhalten und dem Zeitpunkt der Entscheidung der Kartellbehörde zu einem Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag kommt, lässt sich dies bei der Entscheidung berücksichtigen. 736
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zugerechnet wird. Die Wettbewerbsbehörden können überprüfen, ob ein Entherrschungsvertrag im relevanten Zeitpunkt vorlag und dieser eingehalten wurde. Ist dies der Fall, spricht auch das Argument der faktischen Einschränkung nicht gegen eine Zulassung des Entherrschungsvertrages. In einem solchen Fall ist es auch sachlich nicht zu rechtfertigen, einem Unternehmen das Verhalten oder Wissen einer anderen Gesellschaft zuzurechnen, wenn diese aufgrund eines Entherrschungsvertrages autonom agiert hat. Der Entherrschungsvertrag ist daher in diesen Fällen grundsätzlich zuzulassen und bei Einhaltung geeignet, die Verbundklausel auszuschließen. Aber auch im Bereich der Zusammenschlusskontrolle spricht die faktische Einschränkung des Entherrschungsvertrages nicht gegen seine Berücksichtigung für die Zwecke der Verbundklausel. Die Zulassung des Entherrschungsvertrages entspricht vielmehr der verwendeten Gesetzessystematik. Bei Festlegung der beteiligten Unternehmen in der Zusammenschlusskontrolle findet stets eine situationsbezogene Beurteilung statt. Wie weit die Verbundklausel reicht, wird zum Zeitpunkt des Vollzugs des Zusammenschlusses beurteilt.739 Entwicklungen, die erst in der Zukunft relevant werden, bleiben für die Frage, ob die Verbundklausel vorliegt, somit grundsätzlich außer Betracht. Zur Feststellung der relevanten Unternehmenseinheit verweist das GWB auf § 17 AktG. Mit einbezogen werden damit nur die Unternehmen, von dem das am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen abhängig ist oder die es beherrschen (§ 36 Abs. 2 GWB i.V.m. § 17 AktG). Liegt in dem betroffenen Verhältnis kein beherrschender Einfluss vor, scheidet eine Zurechnung aus. Dieser beherrschende Einfluss gemäß § 17 AktG wird durch den Entherrschungsvertrag ausgeschlossen. Wie gezeigt wurde, reicht hierfür eine vertragliche Verpflichtung des beteiligten Unternehmens, von seinen Verwaltungsrechten keinen Gebrauch zu machen, sowie ein vertragskonformes Verhalten der Vertragsparteien, aus (siehe oben unter § 4 G II. 1. h)). Die Kartellbehörden können überprüfen, ob ein Entherrschungsvertrag vorliegt und in der Vergangenheit praktiziert wurde. Ist beides der Fall, befindet sich die betroffene Gesellschaft außerhalb des Verbundes. Auch kurz vor der Anmeldung des Zusammenschlusses vereinbarte Entherrschungsverträge sind aufgrund einer mindestens fünf- (AG) bzw. vierjährigen (GmbH und Personengesellschaften) Laufzeit, welche in dieser Zeit die Verfolgung einer auch in wettbewerblicher Hinsicht unabhängigen Strategie sicherstellt, zu berücksichtigen, sofern kein Fall des Scheingeschäftes vorliegt. Anderes mag nur dann gelten, wenn der Entherrschungsvertrag kurze Zeit nach Vollzug des Zusammenschlusses endet. Ebenso wenig wie im Konzernrecht ist es notwendig die Vertragserfüllung abzusichern. Auch einer inhaltlichen Modifikation des Vertrages bedarf es nicht. Dies resultiert aus der gleichlautenden Auslegung der Begrifflichkeiten in GWB und AktG.
739 Bechtold/Bosch, § 36 Rn. 66; Neuhaus, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 36 GWB Rn. 219.
§ 10 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 37 GWB
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D. Ergebnis Im Ergebnis sind Entherrschungsverträge daher im Rahmen der Verbundklausel anzuerkennen. Die inhaltlichen Anforderungen entsprechen aufgrund der gleichlautenden Auslegung von § 17 AktG denen des Konzernrechts. Bestehen neben Stimmrechtsmehrheiten auch wirtschaftliche Verknüpfungen, sind diese entsprechend den konzernrechtlichen Ausführungen insoweit aufzulösen, dass keine Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG vorliegt.
§ 10 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 GWB A. Der Zusammenschlussbegriff nach § 37 GWB Auch jenseits des Abhängigkeitsbegriffes in § 36 Abs. 2 GWB enthält das Fusionskontrollrecht des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Begriffe, die dem aktienrechtlichen Abhängigkeitsbegriff ähneln und in dessen Zusammenhang der Entherrschungsvertrag daher relevant werden könnte. In Betracht kommt vor allem der Zusammenschlussbegriff nach § 37 GWB. Erst das Vorliegen eines Zusammenschlusses im Sinne von § 37 GWB führt zur Anwendung der Fusionskontrolle. § 37 Abs. 1 GWB enthält vier verschiedene Fallgestaltungen, die zunächst näher zu beleuchten sind. I. Vermögenserwerb Für die Fallgruppen des formell zu verstehenden Vermögenserwerbs (der Erwerb der geldwerten Güter und Rechte eines Unternehmens aber auch sonstiger Chancen, etwa durch Formen der Umwandlung, der Gesamtrechtsnachfolge oder der Einzelübertragung von Rechten ganz oder zu einem wesentlichen Teil)740 bleibt der Entherrschungsvertrag allerdings erkennbar ohne Auswirkungen, so dass auf ein nähere Darstellung verzichtet wird. II. Kontrollerwerb Gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 GWB liegt ein Zusammenschluss vor, wenn ein Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über ein anderes Unter-
740 Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 4 ff.; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 7 ff.; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 37 GWB Rn. 17 ff.; Riesenkampff/ Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 3; von Merveldt, in: Berg/ Mäsch, § 37 GWB Rn. 5; Ulshöfer S. 107 f.
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nehmen erwirbt. Der Kontrollbegriff geht auf unionsrechtliche Vorgaben zurück und entstammt dem französischen und angloamerikanischen Rechtskreis.741 § 37 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 GWB führt aus, dass die Kontrolle „durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet [wird], die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlicher und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben“.
Der Begriff der Kontrolle wird somit als die Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, definiert. Der Begriff orientiert sich nachweislich an Art. 3 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 FKVO, auch die entsprechende europäische Praxis sollte nach dem Willen des Gesetzgebers Berücksichtigung finden.742 Obwohl keine Pflicht existiert den freiwillig harmonisierten Kontrollbegriff nach GWB und FKVO identisch auszulegen,743 sind wesentliche Unterschiede für die hier interessierenden Konstellationen wegen der Anlehnung an die europäische Auslegungspraxis kaum zu erkennen.744 Neben der Orientierung an der FKVO sind auch Ähnlichkeiten zu § 17 AktG auf den ersten Blick nicht zu leugnen. Allerdings existieren Unterschiede im Detail. So muss die Einflussmöglichkeit im Unterschied zu § 17 AktG nicht gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein.745 Zudem muss sich der Einfluss nicht auf den gesamten Tätigkeitsbereich, sondern nur auf die wettbewerblichen Aktivitäten einer Gesellschaft beziehen.746 Eine beständige Einflussmöglichkeit ist jedoch erforderlich, da der Zweck der Fusionskontrolle, Marktstrukturänderungen zu erfassen, nur bei einer gewissen Beständigkeit der Einflussmöglichkeit vorliegt.747 § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist im Regelfall bei Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung erfüllt, jedoch kann auch ein Minderheitserwerb, der zu einer tatsächlichen Hauptversammlungsmehrheit führt, einen Zusammenschluss im Sinne der Vorschrift begründen.748 In Anlehnung an das europäische Kartellrecht und im Unterschied zum deutschen Konzernrecht wird überwiegend vertreten, dass eine negative Beherrschung Kon741
Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 17 Rn. 3a. Reg. Begr. zur 6. GWB-Novelle, BT-Drs. 13/9720 S. 30, 42, 43, 57. 743 BGH, NJW 1996, 595 (598 f.) – „Backofenmarkt“; NJW-RR 1999, 1047 (1050) – „Pirmasenser Zeitung“; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 25; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 16; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 8; Ulshöfer, S. 99. 744 Ulshöfer, S. 106. 745 Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 12; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 29; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 15; Hoffmann, AG 1999, 538 (543); Lange, S. 595 f.; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 89; a.A: Emmerich, Kartellrecht, § 33 Rn. 12. 746 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 28. 747 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 27. 748 Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 19 ff.; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 11; Emmerich, Kartellrecht, § 33 Rn. 16; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 94; Lange, S. 595 f. 742
§ 10 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 37 GWB
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trolle zu begründen vermag.749 Es erscheint im Ergebnis jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Entherrschungsvertrag in gewissen Konstellationen geeignet sein könnte, den materiell zu verstehenden Kontrollerwerbstatbestand auszuschließen. Allerdings könnte die Anerkennung negativer Kontrolle auch zu inhaltlichen Modifikationen des Entherrschungsvertrages nötigen. III. Anteilserwerb Demgegenüber ist der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB wiederum erkennbar ohne Belang. Denn nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB liegt ein Zusammenschluss dann vor, wenn das Unternehmen Anteile erwirbt und diese gemeinsam mit den sonstigen dem Unternehmen gehörenden Anteilen 25 % oder 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte erreichen. Der Begriff ist aus systematischen und historischen Gründen formal zu verstehen.750 Für die Berechnung werden die Vorschriften des § 16 AktG angewandt.751 Der sich nur auf das Bestehen eines beherrschenden Einflusses, nicht auf die dingliche Rechtsinhaberschaft auswirkende Entherrschungsvertrag ist im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB daher ohne Bedeutung.752 Da ein Zusammenschluss bereits dann vorliegt, wenn einer der vier Zusammenschlusstatbestände erfüllt ist, kann ein Entherrschungsvertrag nur dann Bedeutung entfalten, wenn kein Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB vorliegt (dazu sogleich unter B.). IV. Wettbewerblich erheblicher Einfluss Im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB („wettbewerblich erheblicher Einfluss“) erscheint es wiederum denkbar, dass ein Entherrschungsvertrag Relevanz erlangen könnte. § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB soll Umgehungstatbeständen vorbeugen, insbesondere den sogenannten 24,9 %-Fällen.753 Die Regelung ist grundsätzlich subsi-
749 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 30; Riesenkampff/ Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 12; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, § 37 GWB Rn. 8; Hoffmann, AG 1999, 538 (542); a.A.: Thomas, in: Immenga/ Mestmäcker, § 37 GWB Rn. 159 f. 750 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 20; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 37 GWB Rn. 247; Emmerich, Kartellrecht, § 33 Rn. 24; Lange, S. 597 f. 751 Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 20; Emmerich, Kartellrecht, § 33 Rn. 16. 752 Ebenso Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132 f.), der allerdings nicht überzeugend schlussfolgert, der Entherrschungsvertrag lasse demnach die Zusammenschlusstatbestände unberührt. 753 Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 35; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 45; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 25 f.; Emmerich, Kartellrecht § 33 Rn. 45, 48.
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
diär.754 Wettbewerblich relevanter Einfluss liegt vor, wenn das Wettbewerbspotential einer Gesellschaft vom erwerbenden Unternehmen für die von ihm verfolgten wettbewerblichen Zwecke nutzbar gemacht und eingesetzt werden kann.755 Hierfür genügt nach dem BGH, dass „zu erwarten ist, dass der Mehrheitsgesellschafter auf die Vorstellungen des Erwerbers Rücksicht nimmt oder diesem freien Raum lässt, auch wenn dies nur geschieht, soweit es seinen eigenen Interessen nicht zuwiderläuft.“756
Im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB muss die Unternehmensverbindung nach der Gesetzesbegründung gesellschaftsrechtlich vermittelt und auf Dauer angelegt sein.757 Wettbewerblich erheblicher Einfluss wird vor allem dann angenommen, wenn die Stellung des erwerbenden Unternehmens mit der eines Gesellschafters mit einer Beteiligung von 25 % vergleichbar ist.758 Denkbarer Anwendungsfall sind beispielsweise Sperrrechte bezüglich Grundlagenentscheidungen, etwa aufgrund schlechter Hauptversammlungspräsenz.759 Demgegenüber soll nach dem Bundeskartellamt bis zu einer Beteiligungshöhe von 20 % ohne Vorliegen weiterer Einflussmöglichkeiten wie personeller Verflechtungen oder Stimmrechten im Regelfall kein wettbewerblich erheblicher Einfluss vorliegen.760 Allerdings sieht das Gesetz selbst keine Untergrenze vor. Andere formulieren, dass jedenfalls eine Beteiligung unterhalb von 10 % keinen wettbewerblich erheblichen Einfluss vermitteln soll.761 754
Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 45; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, § 37 GWB Rn. 23; Hoffmann, AG 1999, 538 (544); Ulshöfer, S. 172. 755 BGH, WuW/E DE-R 1419, 1422 – Deutsche Post/trans-o-flex; BKartA, BeckRS 2009, 08245; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. 11. 2008 – VI Kart 5/08. 756 So BGH, WuW/E DE-R 1419, 1422 – Deutsche Post/trans-o-flex; BKartA, BeckRS 2009, 08245; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. 11. 2008 – VI Kart 5/08; Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 40 ff.; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 73; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 28; Emmerich, Kartellrecht, § 33 Rn. 48; Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (332). 757 BT-Drs. 13/9720, S. 57; BGH, WuW/E DE-R 1419, 1422 – Deutsche Post/trans-o-flex; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. 11. 2008 – VI Kart 5/08; BKartA, BeckRS 2013, 09760; Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 38; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 73; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 28; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, § 37 GWB Rn. 24; Emmerich, Kartellrecht, § 33 Rn. 46; Lange, S. 599. 758 Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 39; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht § 37 GWB Rn. 83; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 50; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, § 37 GWB Rn. 24; Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (332). 759 BKartA, BeckRS 2009, 08245; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. 11. 2008 – VI Kart 5/ 08; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 86; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 47; Hoffmann/Doehner, in: Münchener Hdb. d. GesR Bd. 2, § 6 Rn. 78. 760 Monopolkommission, Hauptgutachten XII, Rn. 343; anders im Energiebereich Monopolkommission, Hauptgutachten XV, Rn. 678. 761 Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (332) mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss v. 06. 07. 2005 – VI Kart 26/04 (V).
§ 10 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 37 GWB
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Dieser Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB führt dazu, dass der Entherrschungsvertrag von seinem Inhalt her modifiziert werden müsste, denn eine Stimmrechtsbeschränkung auf die „Hälfte-Minus-Eins“ der vertretenen Stimmrechte bei den Aufsichtsratswahlen (AG) bzw. bei Geschäftsführungsfragen (GmbH/ Personengesellschaft) würde zum Ausschluss von wettbewerblich erheblichem Einfluss nicht ausreichen, weil das im Entherrschungsvertrag verpflichtete Unternehmen weiterhin Grundlagenentscheidungen, die mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden, blockieren könnte. V. Zwischenergebnis Zusammenfassend erscheint es jedenfalls grundsätzlich vorstellbar, dass der Zusammenschlusstatbestand des § 37 GWB nicht vorliegt, sofern zeitgleich mit Erwerb einer Beteiligung oder anderweitigen Begründung762 von Einfluss im Sinne von § 37 GWB ein Entherrschungsvertrag geschlossen wird und kein Fall von § 37 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GWB vorliegt.
B. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 GWB I. Beispiele für den Anwendungsbereich des Entherrschungsvertrages Vereinzelt wird wegen § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB angenommen, der Entherrschungsvertrag bliebe für die formelle Zusammenschlusskontrolle ohne Anwendungsbereich.763 Diese These trifft jedoch nicht zu. Zwar bleibt der Entherrschungsvertrag ohne Anwendungsbereich, wenn ein Anteilserwerb vorliegt und dieser die Schwellen von 50 % oder 25 % überschreitet (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB). Damit verbleiben jedoch eine Reihe von Fällen, in denen der Entherrschungsvertrag Wirkung entfalten kann. Zunächst ist an die Fälle zu denken, in denen ein Unternehmen seine Anteile von 25,1 % auf eine Schwelle unterhalb von 50 % (z. B. 40 %) hebt und somit Kontrolle, etwa durch Erlangung einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit, begründet. In derartigen Fällen greift § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB nicht ein. Für diese Konstellation sieht § 37 Abs. 2 GWB vor, dass ein Zusammenschluss auch dann vorliegt, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Stärkung der bestehenden Unternehmensverbindung. Die Vorschrift ist nur dann anwendbar, wenn der Zweitzusammenschluss selbst einen der Tatbestände des 762 763
Für den Kontrollerwerb in der FKVO Pohlmann, S. 145. Ohne nähere Erläuterung Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132 f.).
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
§ 37 GWB verwirklicht,764 was in den hier interessierenden Fällen (Kontrollerwerb gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB) gegeben ist. Für die Frage der wesentlichen Verstärkung kommt es darauf an, ob durch den Zusammenschluss eine intensivere Einflussnahme möglich ist.765 Aufgrund der Begründung von Kontrolle durch den Zweitzusammenschluss lässt sich für den Regelfall annehmen, dass diese Voraussetzung ebenfalls gegeben ist. Die faktische Hauptversammlungsmehrheit stellt somit einen nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB anmeldungspflichtigen Zusammenschluss dar, auf den § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB keine Anwendung findet. Ein weiterer Anwendungsbereich ergibt sich zudem in den Fällen, in denen es um wettbewerblich erheblichen Einfluss nach § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB geht. Für diese Fallgruppe bereitet das formale Verständnis von § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB keine Probleme. Dieser greift nämlich bei einem Beteiligungserwerb, der unterhalb von 25 % stattfindet, nicht ein. Somit verbleibt nur die Frage, ob wettbewerblich erheblicher Einfluss durch einen Vertrag widerlegt werden kann und welcher inhaltlichen Modifikation der Entherrschungsvertrag bedarf, um diesen auszuschließen. Damit bleibt festzuhalten, dass es im Rahmen der faktischen Hauptversammlungsmehrheit im Zusammenhang mit § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB (dazu unter II.) und im Bereich des wettbewerblich erheblichen Einflusses (dazu unter III.) einen Anwendungsbereich für den Entherrschungsvertrag gibt. II. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB 1. Stand der Lehre Zur Wirkung des Entherrschungsvertrages auf den Kontrollerwerbstatbestand finden sich vor allem Äußerungen vor dem Hintergrund von Art. 3 FKVO. Aufgrund dessen geschilderter Ähnlichkeit zu § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind diese jedoch zunächst darzustellen und entsprechend zu berücksichtigen. a) Die Ansicht von Pohlmann Die ausführlichste Darstellung findet sich bei Pohlmann. Diese untersucht die Frage, ob Entherrschungsverträge zur Folge haben könnten, dass kein bestimmender Einfluss im Sinne von Art. 3 Abs. 2 FKVO vorliege.766 Fusionskontrollrechtlich seien Entherrschungsverträge von zweifacher Bedeutung: Einerseits könne der Er764 Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 47; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 104; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 37 GWB Rn. 363; Ruppelt, in: Langen/ Bunte, § 37 GWB Rn. 54. 765 Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 37 GWB Rn. 55; ähnlich Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 37 GWB Rn. 365 f.; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 35. 766 Pohlmann, S. 144 – 148.
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werb der Stimmrechtsmehrheit dann nicht zum Erwerb von Kontrolle führen, wenn zugleich ein Entherrschungsvertrag geschlossen werde, zum anderen könne der Vertrag dazu führen, dass mit dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung durch einen Dritten Kontrolle begründet werde.767 Pohlmann nimmt an, dass Entherrschungsverträge einen bestimmenden Einfluss gemäß Art. 3 FKVO entfallen lassen könnten und der Zusammenschlusstatbestand daher nicht eingreife. Erst mit Beendigung der Wirksamkeit des Vertrages werde Kontrolle erlangt.768 Sie begründet ihr Ergebnis damit, dass die Gesellschaft gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter durch den Abschluss des Entherrschungsvertrages eigene Handlungsfreiheit im Wettbewerb gewinne. Die Gesellschaft erlange eine durchsetzbare Rechtsposition, ihr Verhalten unabhängig zu bestimmen.769 Hierbei stützt sich Pohlmann auch auf die von Barz vertretene Ansicht, wonach bei vertragswidriger Stimmabgabe des Mehrheitsaktionärs der in der Hauptversammlung gefasste Beschluss anfechtbar sein soll.770 Die Gesellschaft könne unabhängig agieren, da der Gesellschafter rechtlich keinen Einfluss nehmen könne und sich Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund eines über den Zeitpunkt der nächsten Aufsichtsratswahl hinausgehenden Stimmrechtsausschlusses auch tatsächlich eher an den Interessen der sonstigen Aktionäre als am Interesse des ausgeschlossenen Mehrheitsgesellschafter orientieren würden.771 Sie hält die Argumente, die dem Entherrschungsvertrag von der herrschenden Lehre im Bereich des GWB entgegengehalten werden, für nicht überzeugend.772 Entscheidend sei, dass die Gesellschaft infolge des Entherrschungsvertrages unabhängig agieren könne.773 Auch in der GmbH sei der Entherrschungsvertrag geeignet einen Kontrollerwerb auszuschließen. Wegen der weitergehenden Rechte des Mehrheitsgesellschafters sei über den Inhalt des Entherrschungsvertrages in der AG hinaus ein Verzicht bei der Mitwirkung an Entscheidungen über die laufende Geschäftspolitik nötig.774 b) Weitere Ansichten Diesem, Entherrschungsverträge im Rahmen des europäischen Fusionskontrollrechts anerkennenden, Ergebnis hat sich auch Wenz angeschlossen: Soweit ein Entherrschungsvertrag gesellschaftsrechtlich zulässig sei, über eine Mindestlaufzeit i.S. einer Dauerhaftigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 FKVO verfüge und keine Anzeichen
767 768 769 770 771 772 773 774
Pohlmann, S. 145. Pohlmann, S. 148. Pohlmann, S. 146. Pohlmann, S. 146. Pohlmann, S. 147. Pohlmann, S. 146. Pohlmann, S. 146 f. Pohlmann, S. 148.
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
auf ein Scheingeschäft vorlägen, erlange der Entherrschungsvertrag im Rahmen der FKVO Relevanz.775 Auch Becker spricht sich für eine Relevanz des Entherrschungsvertrages im europäischen Wettbewerbsrecht aus. Wenn Verträge gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. b) FKVO beherrschenden Einfluss vermitteln könnten, bestehe die Möglichkeit, dass sie diesen ebenfalls ausschließen.776 Allerdings komme es ebenso wie im nationalen Kartellrecht auf die tatsächliche Handhabung des Vertrages und nicht auf den bloßen Vertragstext an.777 Für den Zusammenschlusstatbestand des § 37 GWB lehnt Becker allerdings eine Anwendung des Entherrschungsvertrages mit Verweis auf § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB ab.778 Ähnlich argumentiert Pesch, wenn sie ausführt, dass der Entherrschungsvertrag zwar im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB den Kontrollerwerbstatbestand ausschließen könne, dies allerdings nichts darüber sage, ob nicht aus anderem Grund die Fusionskontrolle greife.779 Ulshöfer hingegen beurteilt den Entherrschungsvertrag auf Grund der Möglichkeit eines Scheingeschäftes kritisch.780 2. Eigene Einschätzung Bereits gezeigt wurde, dass der Entherrschungsvertrag auch im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB bei Erreichen einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit über einen eigenen Anwendungsbereich verfügen könnte. Hieran anschließend stellt sich nun die Frage, ob der Entherrschungsvertrag Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausschließt. Für die hier interessierenden Fallgruppen wird der bestimmende Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft dadurch erlangt, dass der Erwerber nach einer den Zusammenschluss berücksichtigenden Prognose für die Zukunft über eine faktische Mehrheit in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung verfügt.781 Diese führt dazu, dass bestimmender Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe oder die Beratungen und Beschlüsse der Organe der Gesellschaft (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 lit. b) GWB) erlangt wird. Dies gilt sowohl für die AG, in der über den Aufsichtsrat die Zusammensetzung des Vorstandes beeinflusst werden kann, als auch für GmbH und Personengesellschaft, in denen eine Steuerung der Geschäftspolitik unmittelbar
775 776 777 778 779 780 781
Wenz, S. 55 f. Becker, FS Möschel, S. 1119 (1133 f.). Becker, FS Möschel, S. 1119 (1134). Becker, FS Möschel, S. 1119 (1132 f.). Pesch, S. 174. Ulshöfer, S. 59. Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 11.
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möglich wird. An diesem Einfluss könnte es jedoch fehlen, wenn ein Entherrschungsvertrag geschlossen wird. a) Grundsätzliche Eignung eines Vertrages zum Ausschluss von Kontrolle Hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung eines Vertrages Kontrolle auszuschließen, kann den geschilderten, den Entherrschungsvertrag anerkennenden Auffassungen, im Ergebnis gefolgt werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Auffassung von Pohlmann insoweit nicht herangezogen werden kann, als ein Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag lediglich schuldrechtliche Auswirkungen nach sich zieht und keine Anfechtung begründet. Vollkommen übersehen wird in den bisherigen Stellungnahmen zum Entherrschungsvertrag, dass, anders als im deutschen Konzernrecht, das Erlangen einer Vetoposition hinsichtlich strategischer Entscheidungen Kontrolle begründet. Ein Entherrschungsvertrag, der lediglich die Stimmrechte bei den Aufsichtsratswahlen beschränkt, kann demnach Kontrolle überhaupt nicht ausschließen, wenn gleichzeitig strategische geschäftspolitische Entscheidungen verhindert werden können. Darüber hinaus wird auch den Besonderheiten der einzelnen Gesellschaftsformen nicht hinreichend Rechnung getragen. Dass ein Entherrschungsvertrag dennoch anzuerkennen ist, ergibt sich daraus, dass die Wirkungsweise des Vertrages der im Konzernrecht entspricht. Eine vertragliche Beschränkung der Rechte des kontrollierenden Unternehmens ist geeignet Unabhängigkeit und Autonomie einer Gesellschaft herzustellen.782 Bei einer vertraglichen Beschränkung des Einflusses auf die Zusammensetzung der Gesellschaftsorgane und fehlendem Einfluss auf Geschäftsführungsfragen werden die Organe auch hinsichtlich ihrer wettbewerblichen Entscheidungen unabhängig agieren. Ansonsten drohen ihnen durch die übrigen Gesellschafter, welche bei vertragstreuem Verhalten über die Mehrheit verfügen, Nachteile in Form der Nichtwiederwahl oder Abberufung. Daneben besteht die Möglichkeit, den Vertrag bei entsprechenden Anhaltspunkten durchzusetzen, so dass die Kontrollmöglichkeit nicht als gesichert angesehen werden kann. Bei gleichzeitigem Abschluss eines Vertrages mit dem Erwerb kommt es zudem nicht zu einer Marktstrukturänderung, da die Gesellschaft weiterhin frei und unabhängig agieren kann. Zu einer die Fusionskontrolle auslösenden Marktstrukturänderung kommt es erst bei Beendigung der Wirkungen des Entherrschungsvertrages. Anders als im Rahmen der Verbundklausel – wo die Anerkennung des Entherrschungsvertrages allerdings der gesetzlichen Systematik entspricht und daher zu rechtfertigen ist – stellt sich für den Zusammenschlussbegriff des § 37 GWB auch 782 Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 44; für die FKVO Pohlmann, S. 144 – 148 allerdings unter Bezugnahme auf die Ansicht von Barz, dass die entherrschungsvertragswidrige Stimmabgabe nicht berücksichtigt werden darf.
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
weniger das Problem, dass sich nach Ablauf des Entherrschungsvertrages eine wettbewerbliche Einheit aktualisieren könnte und diese dann nicht vom Kartellrecht erfasst wird. Denn mit Ablauf der Wirkung des Entherrschungsvertrages kommt es zu einem Kontrollerwerb im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB.783 Auch ein möglicher Vertragsbruch steht der Anerkennung des Entherrschungsvertrages nicht entgegen. Ein solcher würde gleichfalls als Begründung von Kontrolle nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB angesehen werden, eine Anmeldung des Zusammenschlusses wäre somit erforderlich. In der Situation des § 37 GWB würde der Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag daher wie im Konzernrecht nicht sanktionslos bleiben. Da es bis zum Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag aufgrund der Unabhängigkeit der Organe auch nicht zu einem bestimmenden Einfluss des beteiligten Unternehmens kommt, spricht auch im Rahmen des Kontrollerwerbes die Möglichkeit, gegen den Vertrag verstoßen zu können, nicht gegen eine Zulassung des Entherrschungsvertrages. Das Eingreifen der Fusionskontrolle nach Beendigung der Wirkungen des Entherrschungsvertrages führt auch dazu, dass der Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle nicht in das Belieben der Vertragsparteien gestellt wird. Neben dieser am Tatbestand des Kontrollerwerbes ansetzenden Erläuterung für die Wirkung des Entherrschungsvertrages existiert noch ein weiterer Grund, aus denen der Entherrschungsvertrag bewirkt, dass in den hier interessierenden Konstellationen kein Zusammenschluss nach § 37 GWB vorliegt. Da der Entherrschungsvertrag im Rahmen des Kontrollerwerbstatbestandes nur für Sachverhalte in Betracht kommt, in denen das erwerbende Unternehmen bereits zuvor über eine Beteiligung an der Gesellschaft verfügte (siehe zum Anwendungsbereich oben unter § 10 B. I.), lässt sich die Wirkung des Entherrschungsvertrages auch damit begründen, dass es aufgrund des Abschlusses des Entherrschungsvertrages nicht zu der nach § 37 Abs. 2 GWB erforderlichen wesentlichen Stärkung der unternehmerischen Verbindung kommt. Eine intensivere Einflussnahme auf die Gesellschaft ist trotz Ausweitung der Beteiligung nicht möglich, da der Einfluss auf die Geschäftsführung verschlossen bleibt. Zu einer intensiveren Einflussmöglichkeit kommt es erst bei Beendigung der Wirkungen des Entherrschungsvertrages, in diesem Fall greift jedoch das Fusionskontrollrecht erneut ein. Demnach ist ein Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB grundsätzlich anzuerkennen. b) Konkrete Ausgestaltung des Entherrschungsvertrages Wie bereits geschildert, könnte sich jedoch die Notwendigkeit ergeben, den Entherrschungsvertrag inhaltlich zu verändern, da die überwiegende Auffassung in Anlehnung an das europäische Kartellrecht und die Praxis der Kommission auch eine negative Beherrschung als Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ansieht.784 783
Für die FKVO Pohlmann, S. 148. Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 30; Riesenkampff/ Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 37 GWB Rn. 12; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, § 37 GWB Rn. 8; Hoffmann, AG 1999, 538 (542). 784
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aa) Anerkennung negativer Kontrolle in § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB Die Kommission bejaht das Vorliegen negativer Kontrolle, wenn für strategische Entscheidungen Einstimmigkeit vorgeschrieben sei785 oder wenn ein einzelner Gesellschafter die Möglichkeit habe, Entscheidungen zu blockieren und kein weiterer Gesellschafter über eine vergleichbare Position verfüge, z. B. bei einer Beteiligung in Höhe von 50 %.786 Allerdings sollen typische Minderheitenrechte, wie die Mitspracherechte bei Kapitalmaßnahmen, Satzungsänderungen oder Strukturveränderungen keine alleinige negative Kontrolle begründen.787 Vielmehr müsse es mithilfe der Sperrminorität möglich sein, auch wichtige wirtschaftliche und strategische Entscheidungen zu blockieren.788 Unter den Begriff fallen nach der Kommission neben der Besetzung der Unternehmensleitung vor allem die Entscheidungen über die Finanzplanung, konkrete Geschäftspläne und größere Investitionen.789 Auch das BKartA hat einen Kontrollerwerb bei einem Anteilserwerb unter 25 % angenommen, weil das erwerbende Unternehmen die Möglichkeit erhielt, ein Mitglied in den Beirat zu entsenden, welcher einstimmig über alle für das Markt- und Wettbewerbsverhalten des Verlags zentrale Maßnahmen zu entscheiden hatte.790 Das erwerbende Unternehmen verfügte damit über die Möglichkeit zur Blockade wichtiger geschäftspolitischer Entscheidungen. Darin ist die Anerkennung negativer Kontrolle zu sehen. Es stellt sich die Frage, ob dieser Einschätzung zu folgen ist. Denn wenn auch eine negative Kontrolle im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB anzuerkennen ist, wäre der Entherrschungsvertrag möglicherweise inhaltlich zu modifizieren. Eine Stimmrechtsbeschränkung bei Aufsichtsratswahlen in der AG könnte nicht ausreichen, wenn gleichzeitig die Möglichkeit bestünde, wichtige geschäftspolitische Entscheidungen zu blockieren. Auch in GmbH und Personengesellschaften könnte 785
Konsol. Mitteilung, Rn. 58; Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (331). Konsol. Mitteilung, Rn. 58; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 79; Ulshöfer, S. 26, 63. 787 Konsol. Mitteilung, Rn. 66 zur gemeinsamen Kontrolle, die Ausführungen lassen sich jedoch auch auf die alleinige übertragen, siehe Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 28, 84; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 99 ff.; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 18, 19; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 35; Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (331); Pohlmann, S. 129 f.; Ulshöfer, S. 60. 788 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 84; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 19; Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (331). 789 Kommission v. 27. 07. 1995 – IV/M.612 – „RWE-DEA ./. Augusta; Konsol. Mitteilung Rn. 66 ff., 73 und Kommission v. 30. 05. 1991 – IV/M.0010 „Conagra ./. Idea“ zur gemeinsamen Kontrolle, dies gilt jedoch richtigerweise auch für die alleinige Kontrolle, siehe Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 18, 19; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 28, 84 mit Fn. 1, 98 ff.; Körber, in: Immenga/ Mestmäcker Art. 3 FKVO, Rn. 99 ff. 790 BKartA, WuW 2005, 810 ff. 786
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
ein weitergehender Verzicht als im Konzernrecht notwendig sein, beispielsweise könnten Veto-Rechte zu suspendieren sein. Gegen die Erfassung negativer Kontrolle durch § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB kann eingewandt werden, dass eine Pflicht zur Angleichung an die FKVO nicht besteht. Für Beteiligungsunternehmen wird vorgebracht, die Anerkennung negativer Kontrolle stelle einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Art. 14 GG dar.791 Auch enthält der Zusammenschlusstatbestand des GWB weitere Fallgruppen wie den des wettbewerblich erheblichen Einflusses, über den die Fallgruppe negativer Beherrschung erfasst werden kann. Andererseits wird § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB wegen seiner Subsidiarität verbreitet nicht auf Anteilserwerbe angewandt, in denen bereits eine Beteiligung von über 25 % besteht.792 Entscheidend dürfte jedoch letztlich sein, dass es der Zielrichtung des Gesetzes, möglichst lückenlos Zusammenschlüsse zu erfassen, am ehesten gerecht wird, negative Kontrolle auch im GWB durch den Kontrollerwerbstatbestand zu erfassen. Von einer negativen Kontrolle gehen nicht zu unterschätzende Einflüsse auf das Wettbewerbsverhalten der beteiligten Unternehmen aus. Für die Frage, wann negative Beherrschung vorliegt, bietet sich eine Orientierung an den Ausführungen der Europäischen Kommission an. bb) Inhaltliche Gestaltung des Entherrschungsvertrages Es fragt sich nunmehr, wie der Entherrschungsvertrag inhaltlich zu gestalten ist, um Kontrolle auszuschließen. Hierfür soll zunächst von einer AG als „kontrollierter“ Gesellschaft ausgegangen werden. (1) Gegenständliche Reichweite des Stimmrechtsverzichts Wie im Konzernrecht ist es auch im Bereich des Kontrollerwerbstatbestandes erforderlich, dass der Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe begrenzt wird. Für die AG bedarf es daher zunächst der Verpflichtung des erwerbenden Unternehmens bei der Bestellung der Hälfte plus eins und bei der Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder nicht die jeweils erforderliche Mehrheit auszuüben. Eine weitergehende Stimmrechtsbeschränkung über die Hälfte plus eins hinaus ist freilich notwendig, sofern im Aufsichtsrat für die positive Fassung wesentlicher strategischer, geschäftspolitischer Entscheidungen höhere Mehrheiten verlangt werden. Ansonsten wäre eine zur Annahme von Kontrolle führende Beschlussblockade möglich. Demnach ist in der konkreten Situation zu überprüfen, welche Mehrheitserfordernisse im Aufsichtsrat gelten, und die Stimmrechtsbeschränkung gegebenenfalls auszuweiten. Sollte beispielsweise im Aufsichtsrat ein Einstimmig-
791
Weitnauer, GWR 2010, 78 (81 f.). Hoffmann, AG 1999, 538 (544); Ulshöfer, S. 172 f.; Richter, in: Wiedemann, § 19 Rn. 117; a.A. Deichfuß, WuW 2000, 834 (838 f.). 792
§ 10 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 37 GWB
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keitserfordernis für die Fassung wesentlicher, strategischer Beschlüsse vorgegeben sein, muss die Stimmrechtsbeschränkung für sämtliche Aufsichtsratswahlen gelten. Über den Verzicht auf die Mitwirkung bei den Aufsichtsratswahlen hinaus ist sicherzustellen, dass strategische geschäftspolitische Entscheidungen weder veranlasst noch blockiert werden können. Bezogen auf die AG werden derartige strategische geschäftspolitische Entscheidungen allerdings vor allem vom Vorstand und, bei Bestehen entsprechender Zustimmungsvorbehalte, vom Aufsichtsrat getroffen, so dass die geschilderte Verpflichtung zur Nichtausübung der Mehrheit bei der Besetzung des Aufsichtsrates ausreichen könnte. Nicht notwendig ist es jedenfalls, dass sich die Verpflichtung, die Stimmrechte nicht auszuüben, auch auf Strukturmaßnahmen wie Satzungsänderungen (§ 179 Abs. 2 AktG), Kapitalmaßnahmen (§§ 182 ff. AktG) oder die Frage der Liquidation der Gesellschaft (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) erstreckt. Die Blockade derartiger Entscheidungen ist aufgrund der im Gesellschaftsrecht oftmals erforderlichen höheren Zustimmungserfordernisse typischer Bestandteil des Minderheitenschutzes und kein Fall der Kontrolle.793 Demnach ist auch eine Stimmrechtsbeschränkung für diese nicht gefordert. Gleiches gilt für Strukturmaßnahmen im Sinne von „Holzmüller“. Die Blockade großer Investitionsentscheidungen ist ebenfalls typisches Element des Minderheitenschutzes.794 Ob sich der Entherrschungsvertrag auf weitere von der Hauptversammlung zu fassende Beschlüsse zu beziehen hat, ist demnach stets davon abhängig, ob (1) der Beschluss strategische, geschäftspolitische Entscheidungen betrifft (2) und ob die Blockademöglichkeit nicht nur typisches Element des Minderheitenschutzes ist. Nach diesen Grundsätzen muss sich die Verpflichtung zur Nichtausübung der Mehrheit mangels Bedeutung für das zukünftige Verhalten der Gesellschaft im Wettbewerb nicht auf die Beschlüsse über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG) oder über die Bestellung des Abschlussprüfers (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG) beziehen. Als Element des Minderheitenschutzes sind auch Beschlussfassungen über die Bestellung von besonderen Vertretern (§ 147 Abs. 2 S. 1 AktG) oder Sonderprüfern (§ 142 Abs. 1 AktG) nicht vom Stimmrechtsverzicht zu erfassen. Wettbewerbsrelevant und somit zu erfassen sind demgegenüber Entscheidungen über Geschäftsführungsfragen gemäß den §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG, letztere allerdings nur insoweit, als es mit Blick auf den Minderheitenschutz keine Vorlagepflicht im Sinne von „Holzmüller” gibt. Als Elemente der Finanzplanung sollte sich der Entherrschungsvertrag darüber hinaus auf die Beschlüsse über die 793
Konsol. Mitteilung, Rn. 66; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 28, 84, 98 ff.; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 18, 19; Ulshöfer, S. 60 ff.; Richter, in: Wiedemann, § 15 Rn. 52. 794 Konsol. Mitteilung, Rn. 71.
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
Feststellung des Jahresabschlusses und den Gewinnverwendungsbeschluss beziehen. Für die Gestaltungspraxis bietet sich auch die Aufnahme einer Formulierung in den Entherrschungsvertrag an, nach der kein Einfluss auf Entscheidungen über die Finanzplanung, konkrete Geschäftspläne und größere Investitionen ausgeübt wird. (2) Reichweite der Herabsetzung Was den Umfang der Stimmrechtsbeschränkung angeht, kann grundsätzlich auf die konzernrechtlichen Ausführungen verwiesen werden. Sofern allerdings im Einzelfall zur Durchsetzung eines Beschlusses, auf den sich die Stimmrechtsbeschränkung gegenständlich erstrecken muss, eine höhere Mehrheit erforderlich ist, muss das Stimmrecht des Unternehmens über die Hälfte hinaus herabgesetzt werden, so dass die übrigen Mitgesellschafter den Beschluss fassen können. Reicht für die entsprechende Beschlussfassung eine einfache Mehrheit, ist es wie im Konzernrecht ausreichend, dass die übrigen auf der Hauptversammlung vertretenen Gesellschafter diese erreichen können. Ist demgegenüber beispielsweise eine Dreiviertelmehrheit auf der Hauptversammlung notwendig, müssen die Stimmrechte des Unternehmens auf „25 %-Minus-Eins“ beschränkt werden, damit es keine Blockademöglichkeiten hat. (3) Laufzeit und weitere Voraussetzungen Was die erforderliche Mindestlaufzeit des Entherrschungsvertrages angeht, so wird jedenfalls ein bei Erwerb der Beteiligung abgeschlossener fünfjähriger Entherrschungsvertrag, der über die nächsten Aufsichtsratswahlen hinausgeht, für die Aktiengesellschaft ausreichen. Wie im Konzernrecht vermittelt eine derartige Laufzeit Unabhängigkeit hinsichtlich der Geschäftspolitik. Eine längere Laufzeit des Entherrschungsvertrages ist auch aus fusionskontrollrechtlichen Überlegungen nicht erforderlich. Eine den Entherrschungsvertrag berücksichtigende Prognose der nächsten Hauptversammlungen ergibt nämlich, dass das beteiligte Unternehmen auf diesen nicht zu einer sicheren Mehrheit gelangt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kontrollerwerb auch ohne gesellschaftsinternen Einfluss, nämlich durch reine wirtschaftliche Abhängigkeiten begründet werden kann. In einem solchen Fall hilft der alleinige Abschluss eines Entherrschungsvertrages nicht weiter. Der Entherrschungsvertrag enthält nur die Verpflichtung, bei der Besetzung des Aufsichtsrates und bestimmten weiteren Beschlussgegenständen nicht die Mehrheit auf der Hauptversammlung auszuüben. Allerdings entspricht dies der Rechtslage im Konzernrecht. Bestehen neben den Stimmrechten weitere Einflussmöglichkeiten, sind diese daher analog zum Konzernrecht im Vorfeld des Zusammenschlusses aufzulösen, um einen Kontrollerwerb zu vermeiden (siehe oben unter § 4 G II. 2.). Dies gilt insbesondere für personelle Verflechtungen, die den Kontrolltatbestand auslösen können.795 795
Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 38 f.
§ 10 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. § 37 GWB
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(4) Sonstige Gesellschaftsformen Bei den übrigen untersuchten Gesellschaftsformen (GmbH/Personengesellschaften) erfasst die im Entherrschungsvertrag enthaltene Stimmrechtsbeschränkung bereits die Mitwirkung an der Geschäftsführung. Wie in der AG ist es darüber hinaus erforderlich, dass sich die Stimmrechtsbeschränkung auch auf die Aufstellung des Jahresabschlusses und weitere Elemente der Finanzplanung, wie den Gewinnverwendungsbeschluss, bezieht. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass, anders als im Konzernrecht, VetoPositionen Kontrolle vermitteln können. Dementsprechend muss der kartellrechtliche Entherrschungsvertrag auch diesbezüglich weiter gefasst werden: Zum Ausschluss von Kontrolle muss sich das kontrollierende Unternehmen verpflichten, Veto-Rechte nicht auszuüben. Für die Personengesellschaften dürfte es jedoch nicht erforderlich sein, auch auf die Mitwirkung an der Beschlussfassung über ungewöhnliche Geschäfte zu verzichten. Veto-Rechte bei ungewöhnlichen Geschäften begründen keine negative Kontrolle bei wichtigen geschäftspolitischen Entscheidungen796 Ansonsten ergeben sich keine Besonderheiten zum konzernrechtlichen Entherrschungsvertrag. (5) Ergebnis Ein Entherrschungsvertrag, der den Anforderungen des Kontrollbegriffes angepasst wird, ist geeignet, bei Erlangen einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit durch Aufstockung der Anteile den Kontrollerwerbstatbestand auszuschließen. Für die AG erfordert dies über die Stimmrechtsbeschränkung bei den Aufsichtsratswahlen hinaus auch den Verzicht auf die Mitwirkung bei Fragen der Geschäftsführung gemäß §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG und bei der Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung. Bei GmbH und Personengesellschaften ist es über die Voraussetzungen des Konzernrechts hinaus notwendig, die Stimmrechtsbeschränkung auch auf Fragen der Finanzplanung und Veto-Rechte zu erstrecken. c) Ergebnis Die Zulassung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erlaubt es Unternehmen eine faktische Hauptversammlungsmehrheit ohne Vorliegen eines Zusammenschlusses zu erwerben. Dem steht auch § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht entgegen. Dieser ist für die genannten Fälle der Aufstockung subsidiär und erlaubt nicht die Überprüfung bereits zusammengeschlossener Unternehmen bei einer Erweiterung des wettbewerblichen Einflusses.797 Der Entherrschungsvertrag muss allerdings inhaltlich über die konzernrechtlichen Ausführungen hinausgehen. 796
Hoffmann, AG 1999, 438 (542). Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 Rn. 91 mit Verweis auf BTDrs. 11/4610, S. 20; Hoffmann, AG 1999, 538 (544); Ulshöfer, S. 172 f.; Richter, in: Wiede797
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4. Teil: Deutsches Fusionskontrollrecht
III. Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB Für die Bedeutung eines Vertrages im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist zu berücksichtigen, dass ein „klassischer“, konzernrechtlicher Entherrschungsvertrag keine Auswirkungen nach sich zieht. In einem solchen verpflichtet sich das bis dahin herrschende Unternehmen nämlich nur, die Stimmrechte bei der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates bis zu einer bestimmten Größe („Minus-Eins-Regelung“) nicht auszuüben. Auch ein zum Ausschluss von Kontrolle führender Vertrag würde nicht ausreichen. Das Vorliegen von wettbewerblichem Einfluss ist nämlich schon bei deutlich niedrigeren Einflussmöglichkeiten anzunehmen. Ein Vertrag, der wettbewerblichen Einfluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausschließen soll, muss daher an die unterschiedlichen Anforderungen angepasst werden. Die Stellung des Unternehmens darf vor allem nicht mit der eines Minderheitsgesellschafters mit Sperrminorität vergleichbar sein. Demnach ist über den bereits zur Aufhebung des Kontrollerwerbstatbestandes notwendigen Inhalt des Entherrschungsvertrages noch erforderlich, dass, sowohl in der AG als auch in der GmbH und in den Personengesellschaften, Grundlagenentscheidungen wie Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen oder die Liquidation von der Stimmrechtsbeschränkung erfasst werden. Mangels Wettbewerbsbezug der Entscheidungen über die Entlastung oder Bestellung des Abschlussprüfers (§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 4 AktG) dürfte hingegen eine Stimmrechtsbeschränkung bei diesen Beschlussfassungen nicht notwendig sein. In GmbH und Personengesellschaften muss sich die Stimmrechtsbeschränkung darüber hinaus jedoch auch noch auf ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen erstrecken. Weiter bedarf es bei den betroffenen Beschlussgegenständen einer Absenkung der Stimmrechte auf ein Maß, dass die übrigen Gesellschafter keine Rücksicht auf das Unternehmen nehmen. Als Anhaltspunkt für die Absenkung lässt sich an die Erfahrung anknüpfen, dass Stimmrechte unterhalb von 10 % im Regelfall keinen wettbewerblichen Einfluss zu begründen vermögen.798 Dementsprechend sollte der Entherrschungsvertrag die Verpflichtung enthalten, Stimmrechte nur bis zu einer Höhe von 10 % des auf der Hauptversammlung vertretenen Kapitals auszuüben (variable Regelung). Das Abstellen auf eine variable Regelung ist notwendig, um eine faktische Sperrminorität auf der Haupt- oder Gesellschafterversammlung zu hindern. Auch auf die Ausübung sogenannter „Plusfaktoren“799 wie die Ausübung von Kontroll- oder Informationsrechten muss der Erwerber verzichten. Denn lediglich bei einem Verzicht ist der Einfluss aus Sicht der Mitgesellschafter als bei den mann, § 19 Rn. 117; a.A. Deichfuß, WuW 2000, 834 (838 f.). Wer der gegensätzlichen Auffassung folgt, muss den Entherrschungsvertrag so abschließen, dass auch wettbewerblich erheblicher Einfluss ausgeschlossen wird. 798 Linsmeier/Lichtenegger, BB 2011, 328 (332) mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss v. 06. 07. 2005 – VI-Kart 26/04 (V). 799 Zu den Plusfaktoren siehe Bechtold/Bosch, § 37 Rn. 42 ff.; Emmerich, § 33 Rn. 51.
§ 11 Ergebnisse des vierten Teils
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Planungen zu vernachlässigend einzustufen, sodass es am Vorliegen eines wettbewerblich erheblichen Einfluss fehlt. Letztlich stellt sich die Frage, ob ein Entherrschungsvertrag, der wettbewerblich erheblichen Einfluss ausschließen soll, einer längeren Mindestvertragslaufzeit als fünf (AG) beziehungsweise vier Jahre (GmbH und Personengesellschaften) bedarf. Gegen eine Ausweitung der erforderlichen Mindestvertragslaufzeit spricht jedoch, dass ein solcher Zeitraum im Regelfall bereits zur Verfolgung einer wettbewerblich unabhängigen Strategie ausreichen dürfte. IV. Wirkungen bei Beendigung des Entherrschungsvertrages Endet der Entherrschungsvertrag wird der vorher ausgeschlossene Zusammenschlusstatbestand gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 GWB voll erfüllt.800 Mit Auslaufen des Vertrages wird Kontrolle bzw. wettbewerblich relevanter Einfluss erworben. Gleiches gilt bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag. Demnach setzt eine neue Prüfung nach den Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle ein. Durch diese Prüfungsmöglichkeit bei Beendigung seiner Wirkungen setzt sich der Entherrschungsvertrag auch nicht in Widerspruch zum Postulat der Lückenlosigkeit801 der Fusionskontrolle.
§ 11 Ergebnisse des vierten Teils Der Entherrschungsvertrag ist auch im deutschen Kartellrecht im Rahmen der Verbundklausel und in bestimmten Konstellationen beim Erwerb von Kontrolle und wettbewerblich erheblichem Einfluss im Sinne von § 37 GWB anzuerkennen. Zur Aufhebung dieser Tatbestände sind jedoch inhaltliche Veränderungen des Entherrschungsvertrages notwendig.
800 801
Für die FKVO Pohlmann, S. 148. Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 3.
Fünfter Teil
Europäisches Fusionskontrollrecht Als möglichen Ansatzpunkt für die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im europäischen Kartellrecht ist ebenfalls die Fusionskontrolle zu untersuchen.
§ 12 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 3 FKVO Diese bezweckt bekanntlich den Erhalt ausgewogener Marktstrukturen.802 Zentrale Aussage ist nach Art. 2 Abs. 3 FKVO, dass Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären sind. Der Begriff des Zusammenschluss selbst ist in Art. 3 FKVO definiert. Gemäß Art. 3 Abs. 1 FKVO wird ein Zusammenschluss durch eine dauerhafte Veränderung der Kontrolle bewirkt. Während eine Fusion als Zusammenschluss von gleichgeordneten Unternehmen zu einer neuen rechtlichen oder wirtschaftlichen Einheit zu verstehen ist803, enthält Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO mit dem Kontrollerwerb den in der Praxis wichtigsten Fall eines Zusammenschlusses.804 Die Erfüllung des Zusammenschlusstatbestandes ist Aufgreifkriterium für die Fusionskontrolle (Art. 1 Abs. 2 FKVO) und begründet Anmeldepflichten (Art. 4 FKVO), entsprechende Zusammenschlüssen dürfen vor Freigabe nicht vollzogen werden (Art. 8 FKVO).
802 Erwägungsgründe 2 ff. der FKVO; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, Art. 2 FKVO Rn. 3; Stockenhuber, Kap. 5 I. 2. 803 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 11 ff.; Emmerich, Kartellrecht, § 15 Rn. 3. 804 Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 3 FKVO Rn. 12; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 11, 19; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 3 FKVO Rn. 22; Stockenhuber, Kap. 5 III. 1 a); Wenz, S. 6.
§ 12 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. Art. 3 FKVO
167
A. Der Kontrollbegriff des europäischen Fusionskontrollrechts Nach Art. 3 Abs. 2 FKVO wird die Kontrolle „durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch a) Eigentums- oder Nutzungsrechte an der Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens; b) Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren“
Der Begriff der Kontrolle ist damit vom Wortlaut her, wie im deutschen Recht, als Möglichkeit bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben zu deuten. Der Begriff ist allerdings autonom zu definieren (zur Angleichung des deutschen Rechts an den Kontrollbegriff der FKVO siehe allerdings oben unter § 10 A. II.).805 Die Möglichkeit, bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, soll dann vorliegen, wenn der Erwerber die strategischen, geschäftspolitischen Entscheidungen zu bestimmen vermag.806 Das Unternehmen darf nicht mehr in der Lage sein, autonom zu entscheiden.807 Dies kann der Fall sein, wenn der Erwerber die strategischen Entscheidungen wie insbesondere die Finanzplanung oder die Erstellung eines detaillierten Geschäftsplanes oder die Zusammensetzung der für die Leitung verantwortlichen Organe (Art. 3 Abs. 2 lit. b) FKVO) bestimmen kann.808 Daneben kann auch über Kontrolle verfügen, wer die wesentlichen Investitionsentscheidungen zu bestimmen vermag.809 Nicht entscheidend ist, ob die Kontrolle auf rechtlicher oder faktischer Grundlage fußt.810 Die Kommission versteht unter Kontrolle auf rechtlicher Grundlage vor allem
805
Konsol. Mitteilung, Rn. 16; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 23; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 27; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 15. 806 Konsol. Mitteilung, Rn. 54; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 24; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 28; Emmerich, Kartellrecht, § 15 Rn. 5; Pohlmann, S. 119 f., 128 f.; Wenz, S. 30. 807 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 24; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 28. 808 Konsol. Mitteilung, Rn. 66 ff., 73; Kommission v. 27. 07. 1995 – IV/M.612 – „RWEDEA ./. Augusta und Kommission v. 30. 05. 1991 – IV/M.0010 „Conagra ./. Idea“ zur gemeinsamen Kontrolle, dies gilt jedoch richtigerweise auch für die alleinige Kontrolle, siehe Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 18, 19; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 28, 84 mit Fn. 1, 98 ff.; Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 99 ff.; Pohlmann, S. 128 f. 809 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 27. 810 Konsol. Mitteilung, Rn. 16, 55 ff.
168
5. Teil: Europäisches Fusionskontrollrecht
Fälle der Stimmrechtsmehrheit.811 Von Kontrolle auf faktischer Grundlage spricht sie insbesondere dann, wenn aufgrund früheren Abstimmungsverhaltens und der Beteiligung an vergangenen Hauptversammlungen von einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit auszugehen ist.812 Der Kontrollerwerb ist jedoch auch ohne gesellschaftsrechtliche Verankerung aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit möglich.813 Ähnlich wie bei § 17 AktG reicht schon nach dem klaren Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 FKVO die bloße Möglichkeit der Einflussnahme aus. Eine tatsächliche Ausübung ist nicht erforderlich. Die Einflussmöglichkeit muss jedoch tatsächlich gegeben sein.814 Nicht jede hypothetische Einflussmöglichkeit begründet Kontrolle, denn ansonsten liefe die FKVO nicht auf eine Beurteilung von Marktstrukturänderungen, sondern auf die Kontrolle von Marktverhalten hinaus, eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Einflussnahme muss gegeben sein.815 Ein solche liegt jedoch beim Stimmrechtserwerb in der Regel vor, sofern keine Indizien gegen die Einflussnahme sprechen.816 Erforderlich sind beständige und umfassende Einwirkungsmöglichkeiten.817 Es muss möglich sein, tatsächlich und wiederholt bestimmenden Einfluss auszuüben, nicht ausreichend ist die bloß zufällige, einmalige Einflussmöglichkeit. 818 Wie bereits angeführt, begründet auch das Erlangen einer Veto-Position in Bezug auf strategische Entscheidungen Kontrolle (sog. alleinige negative Kontrolle). Begründet wird die Kontrolle für die Personen, die zur Ausübung der Rechte in der Lage sind (Art. 3 Abs. 3 FKVO). Damit kann die Kontrolle auch einer im Hintergrund agierenden Person zugerechnet werden.819 Als Mittel des Kontrollerwerbs kommt insbesondere der Stimmrechtserwerb in Betracht. Der FKVO fehlt eine Vorgabe von festen Beteiligungsgrößen, so dass es 811
Konsol. Mitteilung, Rn. 56. Konsol. Mitteilung, Rn. 59. 813 Konsol. Mitteilung, Rn. 20, allerdings mit dem Hinweis auf eine daneben vorliegende strukturelle Verflechtung; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 3 FKVO Rn. 17; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 30, 69, 72; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 28; Stockenhuber, Kap. 5 III. 1 a). 814 Konsol. Mitteilung Rn. 16; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 33; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 31; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 17; Pohlmann, S. 126. 815 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 33. 816 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 33. 817 Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 3 FKVO Rn. 14; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 82 f. 818 Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 3 FKVO Rn. 16: Dauerhaftigkeit der Kontrolle; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 63; Pohlmann, S. 126; Wenz, S. 35. 819 Konsol. Mitteilung Rn. 13; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 38 ff.; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 23. 812
§ 12 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. Art. 3 FKVO
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entscheidend auf den Erwerb des bestimmenden Einflusses ankommt.820 Weichen Anteile und Stimmrechte voneinander ab entscheiden die Stimmrechte.821 Neben dem Erwerb aller Anteile führt daher in der Regel auch die Mehrheitsbeteiligung zur alleinigen Kontrolle.822 Die Mehrheitsbeteiligung begründet auch bei einer Gesellschaftsform wie der AG, bei der keine Weisungsrechte gegenüber den Organmitglieder bestehen, das Vorliegen von Kontrolle, da die Organe regelmäßig im Interesse ihrer Wiederbestellung im Sinne des Mehrheitsgesellschafters handeln werden.823 Auch eine Minderheitsbeteiligung kann zum Vorliegen von Kontrolle führen, wenn diese in den letzten Jahren zu einer sichereren Hauptversammlungsmehrheit geführt hat und auch für die Zukunft von einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit ausgegangen werden kann.824 Demgegenüber reicht eine bloße Kapitalmehrheit in der Regel nicht aus.825
B. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von Art. 3 FKVO I. Anwendungsbereich des Entherrschungsvertrages Anders als im deutschen Recht handelt es sich beim Kontrollbegriff um den zentralen Tatbestand für das Eingreifen der Zusammenschlusskontrolle. Die Anerkennung des Entherrschungsvertrages würde diesem daher einen weiteren Anwendungsbereich als im deutschen Recht verschaffen. Ein Entherrschungsvertrag wäre daher nicht nur bei Erreichen einer faktischen Hauptversammlungsmehrheit, son-
820 Baron, in: Langen/Bunte, Art. 3 FKVO Rn. 28; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 29; Ulshöfer, S. 57. 821 Konsol. Mitteilung Rn. 56; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO Rn. 44; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 30; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 3 FKVO Rn. 28. 822 Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 75; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 3 FKVO Rn. 47 ff.; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 29; Emmerich, Kartellrecht, § 15 Rn. 9; Ulshöfer, S. 58. 823 Konsol. Mitteilung, Rn. 22; Pohlmann, S. 142. 824 EuG, Urteil v. 12. 12. 2012, Az.: T-332/09 – „Electrolabel ./. Kommission“ Rz. 47 ff.; Konsol. Mitteilung Rn. 57, 59; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 3 FKVO Rn. 16; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 31; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 3 FKVO Rn. 53 ff.; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 31; Emmerich, Kartellrecht, § 15 Rn. 9; Pohlmann, S. 142; Schröer, in: Lange, Kap. 8 § 1 Rn. 1117; Ulshöfer, S. 61 ff.; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 81. 825 Konsol. Mitteilung, Rn. 56; Schröer, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 75; Schütz, in: Kölner Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 30; Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 3 FKVO Rn. 29; Ulshöfer, S. 58.
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5. Teil: Europäisches Fusionskontrollrecht
dern generell bei Anteilserwerben, die nicht unter den Fusionsbegriff fallen, von Relevanz, also auch beim Erwerb der Mehrheit an einem anderen Unternehmen. II. Stand der Lehre Es wurde bereits dargelegt, dass einige Autoren dem Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 FKVO Bedeutung zusprechen (siehe oben unter § 10 B. II. 1.). III. Eigene Einschätzung Hinsichtlich der Ausführungen zum Kontrollerwerbstatbestand können weitestgehend die Ausführungen zu § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB übertragen werden. Wesentliche Unterscheide zwischen beiden Tatbeständen sind für die hier interessierenden Konstellationen wegen der Anpassung des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB an die europäische Kartellrechtspraxis nicht auszumachen. Der Entherrschungsvertrag ist grundsätzlich geeignet, Kontrolle im Sinne des Art. 3 Abs. 2 FKVO auszuschließen. Dies ergibt sich daraus, dass Verträge der Gesellschaft Unabhängigkeit und Autonomie in Bezug auf ihre strategischen Entscheidungen vermitteln können.826 Diese Einschätzung steht in Einklang mit Ausführungen der Kommission, die vertraglichen Regelungen zum Ausschluss der FKVO grundsätzlich positiv gegenübersteht. So führt die Kommission in der Entscheidung „SoFFin ./. Hypo Real Estate“ bei der Feststellung ihrer Zuständigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 FKVO (Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung) für die Umsatzberechnung aus: „SoFFin wird die alleinige Kontrolle über HRE erwerben und es wird weder einen Beteiligungsvertrag, noch besondere Vorkehrungen oder sonstige Schutzmechanismen geben, die sicherstellen würden, dass HRE seine autonome Entscheidungsbefugnis beibehält. Es gibt keine Regelungen dahin, dass HRE auch im Staatsbesitz autonom und unabhängig von SoFFin oder von der Einheit, durch die SoFFin letztlich kontrolliert wird, über Strategie, Geschäftsplan und Budget entscheiden wird. In der Folge wird HRE nach dem Zusammenschluss der Koordinierung des Geschäftsverhaltens unterliegen und keine autonome wirtschaftliche Einheit mit autonomer Entscheidungsbefugnis im Sinne der Fusionskontrollverordnung bilden.“827
Hintergrund dieser Ausführungen ist zwar die Umsatzberechnung bei öffentlichen Unternehmen gemäß Rz. 22 der FKVO, für welche die Unternehmen zu berücksichtigen sind, die eine mit einer autonomen Entscheidungsbefugnis ausgestatte wirtschaftliche Einheit bilden. Den Ausführungen lässt sich jedoch die zutreffende Ansicht entnehmen, dass vertragliche Regelungen auch in der FKVO grundsätzlich als geeignet angesehen werden, Autonomie und Unabhängigkeit einer Gesellschaft herzustellen. Verfügt eine Gesellschaft jedoch über Autonomie und Unabhängigkeit 826 827
Pohlmann, S. 147; Wenz, S. 55 f.; Becker, FS Möschel, S. 1119 (1133 f.). Fall Nr. Comp/M.5508 – SoFFin ./. Hypo Real Estate v. 14. 05. 2009.
§ 12 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. Art. 3 FKVO
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hinsichtlich ihres strategischen Verhaltens, liegt keine Kontrolle im Sinne von Art. 3 FKVO vor. Bestätigt wird die Auffassung, dass Verträge geeignet sind Kontrolle auszuschließen, auch durch die Anerkennung von Stimmbindungsverträgen im Rahmen des Kontrollerwerbstatbestandes. So kann eine Stimmrechtsbindung dazu führen, dass dem durch die Stimmrechtsbindung Berechtigten alleinige Kontrolle zugerechnet wird.828 Die Annahme, dass der durch eine Stimmrechtsbindung Berechtigte alleinige Kontrolle erwirbt, bedeutet auch, dass der durch die Stimmrechtsbindung Verpflichtete nicht mehr über (Mit-)Kontrolle verfügt. Ein Vertrag ist damit geeignet, (Mit-)Kontrolle auszuschließen. Begründen lässt sich dies letztlich auch damit, dass es aufgrund des Abschlusses des Entherrschungsvertrages beim Erwerb einer Beteiligung nicht zu der nach Erwägungsgrund 20 der FKVO erforderlichen dauerhaften Veränderung der Kontrolle des Unternehmens kommt. Zu einer Veränderung der Kontrolle kommt es erst bei Beendigung der Wirkungen des Entherrschungsvertrages. Hinsichtlich der inhaltlichen Voraussetzungen, die sich für den Entherrschungsvertrag aufgrund der Anerkennung negativer Kontrolle im Rahmen des Kontrolltatbestandes ergeben, kann auf die Ausführungen zum deutschen Fusionskontrollrecht verwiesen werden. Der Entherrschungsvertrag muss dem Erwerber die Möglichkeit nehmen, wichtige geschäftspolitische Entscheidungen herbeiführen oder blockieren zu können. Für die AG erfordert der Ausschluss von Kontrolle in der FKVO über die Stimmrechtsbeschränkung bei der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates auch einen Verzicht auf die Ausübung der Stimmrechte bei Geschäftsführungsfragen gemäß §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG und bei der Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung. Für die GmbH und die Personengesellschaften ist es über die Voraussetzungen des Konzernrechts notwendig, Veto-Rechte hinsichtlich der Geschäftsführung auszuschalten und die Stimmrechtsbeschränkung auch auf Elemente der Finanzplanung wie die Aufstellung des Jahresabschlusses und den Gewinnverwendungsbeschluss zu erstrecken. Wie auch im deutschen Recht kann es daneben notwendig sein, sonstige wirtschaftliche Verflechtungen aufzulösen. Bei Beendigung der Wirkungen des Entherrschungsvertrages kommt es zu einem Kontrollerwerb, sodass der Zusammenschluss anzumelden ist.829 Dies gilt auch bei Verstoß gegen den Entherrschungsvertrag.
828 Fall Nr. IV/M.1465 – Deutsche Telekom ./. MAX Mobil v. 22. 04. 1999; Paschke, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 3 FKVO Rn. 66. 829 Pohlmann, S. 148.
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5. Teil: Europäisches Fusionskontrollrecht
IV. Ergebnis Ein an die besonderen Anforderungen angepasster Entherrschungsvertrag ist geeignet, Kontrolle gemäß Art. 3 Abs. 2 FKVO auszuschließen. Der Kontrollerwerb tritt erst dann ein, wenn die Wirkungen des Entherrschungsvertrages enden.
§ 13 Der Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 FKVO Das europäische Fusionskontrollrecht enthält neben dem Kontrollbegriff auch eine Verbundklausel in Art. 5 Abs. 4 FKVO, in deren Rahmen der Entherrschungsvertrag Bedeutung erlangen könnte.
A. Die Verbundklausel des europäischen Kartellrechts Die Verbundklausel bezweckt, dass sich in der Umsatzberechnung gemäß Art. 5 FKVO die wirtschaftliche Stärke der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen widerspiegelt.830 Deswegen setzt sich der Umsatz eines beteiligten Unternehmens nach Art. 5 Abs. 4 FKVO zusammen aus den Umsätzen a) des beteiligten Unternehmens; b) der Unternehmen, in denen das beteiligte Unternehmen unmittelbar oder mittelbar entweder i)
mehr als die Hälfte des Kapitals oder des Betriebsvermögens besitzt oder
ii) über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügt oder iii) mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats, des Verwaltungsrats oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe bestellen kann oder iv) das Recht hat, die Geschäfte des Unternehmens zu führen; c) der Unternehmen, die in dem beteiligten Unternehmen die unter Buchstabe b) bezeichneten Rechte oder Einflussmöglichkeiten haben; d) der Unternehmen, in denen ein unter Buchstabe c) genanntes Unternehmen die unter Buchstabe b) bezeichneten Rechte oder Einflussmöglichkeiten hat; e) der Unternehmen, in denen mehrere der unter den Buchstaben a) bis d) genannten Unternehmen jeweils gemeinsam die in Buchstabe b) bezeichneten Rechte oder Einflussmöglichkeiten haben.
Erfasst werden damit Tochtergesellschaften, Muttergesellschaften, Schwestergesellschaften und Gemeinschaftsunternehmen der beteiligten Unternehmen. Diese 830 Konsol. Mitteilung, Rn. 175; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 5 FKVO Rn. 58; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 5 FKVO Rn. 51; Pohlmann, S. 303.
§ 13 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. Art. 5 Abs. 4 FKVO
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verbundenen Unternehmen bezeichnet die Kommission auch als Konzern.831 Kontrollbegriff in Art. 3 FKVO und Verbund bzw. Konzern in Art. 5 Abs. 4 FKVO entsprechen sich nicht vollständig.832 Anders als Art. 3 FKVO stellt Art. 5 Abs. 4 FKVO in den lit. b) i) – iii) auf formale Kriterien ab.833 Auch reicht eine wirtschaftliche Abhängigkeit zur Begründung der Verbundklausel nicht aus.834 Zudem soll eine negative Einzelkontrolle nur in Ausnahmen möglich sein, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen der lit. b) i) – iii) gegeben sind.835 Die Zurechnung nach Art. 5 Abs. 4 lit. b) FKVO erfolgt bereits, wenn einer der angeführten Tatbestände erfüllt ist. Insbesondere lit. b) ii) („über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügt“) und iii) („ mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates […] oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe bestellen kann“) lassen es denkbar erscheinen, dass auch hier ein Entherrschungsvertrag von Bedeutung sein kann. Die Kommission führt zu diesen Tatbeständen aus, das beteiligte Unternehmen müsse das Recht haben, über die Hälfte der Stimmrechte auszuüben oder mehr als die Hälfte der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe einzusetzen.836 Demgegenüber scheidet eine Bedeutung des Entherrschungsvertrages ähnlich wie im GWB aus, wenn ein Fall des lit. b) i) („mehr als die Hälfte des Kapitals oder des Betriebsvermögens besitzt“) vorliegt, weil sich der Entherrschungsvertrag nicht auf die Kapitalmehrheit auswirkt. Anders wäre dies lediglich dann zu beurteilen, wenn der Begriff der Kapitalmehrheit teleologisch in der Form zu reduzieren wäre, dass Mehrheitsbeteiligungen nur bei Vorliegen von Kontrolle den Tatbestand des Art. 5 Abs. 4 FKVO erfüllen.837 Aufgrund des klaren Wortlauts und des formalen Verständnis der Vorschrift kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Den relevantesten denkbaren Anwendungsfall für den Entherrschungsvertrag stellt demnach die faktische Hauptversammlungsmehrheit dar. In der Auslegung der Kommission kann eine solche lit. b) ii) und iii) unterfallen.838 Auch im Rahmen von lit. b) iv), der auf das Geschäftsführungsrecht abstellt, könnte ein Entherrschungsvertrag möglicherweise Relevanz entfalten. Die Kommission entnimmt ein Geschäftsführungsrecht auch Stimmrechten, soweit diese dazu 831
Konsol. Mitteilung, Rn. 176, 178. Konsol. Mitteilung, Rn. 184; anders noch in der Mitteilung der Kommission über die Berechnung des Umsatzes im Sinne der Verordnung EWG Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, 90/C 66/04, Rz. 38. 833 Konsol. Mitteilung Rn. 179; Völcker, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 5 FKVO Rn. 41; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 5 FKVO Rn. 62; Baron, in: Langen/ Bunte, Art. 5 FKVO Rn. 54. 834 Konsol. Mitteilung, Rn. 184; Maass/Steinbarth, in: Schulte/Just, Art. 5 FKVO Rn. 9. 835 Konsol. Mitteilung, Rn. 184. 836 Konsol. Mitteilung, Rn. 184. 837 Pohlmann, S. 307 ff. auch mit Verweis auf einen Entherrschungsvertrag. 838 Konsol. Mitteilung, Rn. 179, 180; Völcker, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 5 FKVO Rn. 44 f.; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 5 FKVO Rn. 58. 832
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5. Teil: Europäisches Fusionskontrollrecht
führen, dass das strategische Verhalten eines Unternehmens bestimmt werden kann.839 Im Gegensatz zu den lit. b) i) – iii) handelt es sich weniger um ein formales Kriterium.840 Eine negative Einzelkontrolle begründet nach Ansicht der Kommission kein Recht, die Geschäfte zu führen.841
B. Die Bedeutung des Entherrschungsvertrages im Rahmen des Art. 5 Abs. 4 FKVO Die Zulassung des Entherrschungsvertrages im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 FKVO hätte zur Folge, dass einem am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in der Konstellation der faktischen Hauptversammlungsmehrheit nicht die Umsätze von Tochter- oder Muttergesellschaften zugerechnet würden, sofern ein Entherrschungsvertrag in dem entsprechenden Verhältnis besteht und dieser praktiziert wird. I. Eignung eines Vertrages zum Ausschluss der Verbundklausel Fraglich ist jedoch, ob ein beteiligtes Unternehmen über mehr als die Hälfte der Stimmrechte „verfügt“ oder mehr als die Hälfte des Aufsichtsrates bzw. der Vertretungsorgane einer Gesellschaft „bestellen kann“ (Art. 5 Abs. 4 lit. b) ii) und iii) FKVO), wenn ein Entherrschungsvertrag vorliegt. Rein faktisch besteht für ein beteiligtes Unternehmen auch nach Abschluss eines Entherrschungsvertrages noch die Möglichkeit, seine Stimmrechte auf einer Hauptversammlung der Gesellschaft auszuüben, es verfügt damit über mehr als die Hälfte der Stimmrechte und kann auch mehr als die Hälfte des Aufsichtsrates bestellen. Auch mit Blick auf die englische Fassung der FKVO, die auf die Möglichkeit zur Rechteausübung abstellt („power to exercise“), spricht der Wortlaut von Art. 5 Abs. 4 FKVO damit eher gegen eine Berücksichtigung eines Vertrages zum Ausschluss der Verbundklausel des Art. 5 Abs. 4 FKVO. Im Allgemeinen hindern Verpflichtungen nicht das Recht zu verfügen (siehe etwa § 137 S. 1 BGB). Andererseits enthält der Entherrschungsvertrag eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung bei bestimmten Beschlussgegenständen die Stimmrechte nicht auszuüben. Dem beteiligten Unternehmen kann eine Stimmabgabe untersagt werden. Ob in einem solchen Fall dann jedoch davon gesprochen werden kann, dass das beteiligte Unternehmen über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügt oder den Aufsichtsrat bestellen kann, unterliegt Zweifeln. Der Wortlaut ist für die vorliegende Frage daher nicht eindeutig.
839 840 841
Konsol. Mitteilung, Rn. 180. Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 5 FKVO Rn. 70. Konsol. Mitteilung, Rn. 184.
§ 13 Der Entherrschungsvertrag i.R.v. Art. 5 Abs. 4 FKVO
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Gegen eine Zulassung des Entherrschungsvertrages spricht jedoch in systematischer Hinsicht entscheidend, dass Art. 5 Abs. 4 in lit. b) i) – iii) FKVO auf formale, leicht nachprüfbare Kriterien842 abstellt und sich damit sowohl von Art. 3 Abs. 2 FKVO als auch von der nationalen Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB unterscheidet, denen eine materielle Analyse und Gewichtung der jeweiligen Einflussmöglichkeiten eines Unternehmens zugrunde liegt. Der Entherrschungsvertrag ist jedoch aufgrund seiner schuldrechtlichen Wirkung und der Notwendigkeit diesen einzuhalten, kein geeignetes Instrument, formale Tatbestände auszuschließen. Im formalen Sinne verfügt das beteiligte Unternehmen nach wie vor über die Mehrheit der Stimmrechte und kann den Aufsichtsrat bestellen. Es ist aufgrund einer rechtlich durchsetzbaren Verpflichtung nur nicht in der Lage, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des Unternehmens auszuüben, weil sich die Verwaltungsorgane ihm gegenüber autonom verhalten werden. Auf diesen Einfluss kommt es jedoch im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 FKVO nicht an. Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht bei Betrachtung des übergeordneten Zwecks der europäischen Verbundklausel, die wirtschaftliche Stärke der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen843. Wie auch bereits für die Auslegung des maßgeblichen Verbundes im GWB gezeigt wurde (siehe oben unter § 9 B. III. 1.), hilft eine solche Argumentation nicht weiter, weil diesem sowohl gedient wäre, • wenn mit Blick auf die kapitalmäßige Verflechtung und der faktischen Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung eine Tochtergesellschaft einbezogen wäre, • wie auch, wenn dieses wegen der fehlenden Möglichkeit des beteiligten Unternehmens, die Geschäftsführung zu lenken, nicht einzubeziehen wäre. Es ist vielmehr entscheidend, die vom Gesetzgeber vorgegebenen maßgeblichen Kriterien zur Erfassung der Unternehmenseinheit zu betrachten. Handelt es sich hierbei um formale oder materielle Kriterien, die auf beherrschenden Einfluss abstellen? Nur bei letzteren kann ein Entherrschungsvertrag weiterhelfen, weil dieser aufgrund seiner Wirkungen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft auszuschließen vermag. Aus diesen Gründen ist auch kein Widerspruch zwischen der Anerkennung des Entherrschungsvertrages für die materiell zu verstehende, auf beherrschenden Einfluss nach § 17 AktG abstellende, nationale Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB und der Ablehnung des Entherrschungsvertrages im Kontext des formal zu deutenden Art. 5 Abs. 4 FKVO zu sehen. Diese Differenzierung ist sogar der des Aktiengesetzes vergleichbar. Während der formale Tatbestand des § 16 AktG nicht durch einen Entherrschungsvertrag ausgeschlossen werden kann, ist dies für den Einfluss gewichtenden Tatbestand des § 17 AktG möglich. 842
Völcker, in: Frankfurter Kommentar z. Kartellrecht, Art. 5 FKVO Rn. 41; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 5 FKVO Rn. 62; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 5 FKVO Rn. 54. 843 Konsol. Mitteilung, Rn. 175; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 5 FKVO Rn. 58; Baron, in: Langen/Bunte, Art. 5 FKVO Rn. 51; Pohlmann, S. 303.
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5. Teil: Europäisches Fusionskontrollrecht
Im Rahmen der Art. 5 Abs. 4 lit. b) i) – iii) FKVO ist ein Entherrschungsvertrag somit ohne Relevanz. Anderes könnte demgegenüber für Art. 5 Abs. 4 lit. b) iv) FKVO („Geschäftsführungsrecht“) gelten. Dieser stellt ähnlich wie der Kontrolltatbestand auf materiell zu messenden Einfluss ab. Für die hier interessierenden Gesellschaftsformen und Konstellationen wie die faktische Hauptversammlungsmehrheit gibt es jedoch keinen relevanten Anwendungsbereich für den Entherrschungsvertrag im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 lit. b) iv) FKVO, da eine Zurechnung bereits nach Art. 5 Abs. 4 lit. b) i) – iii) erfolgt. II. Ergebnis Ein Entherrschungsvertrag ist grundsätzlich nicht geeignet, die auf formale Kriterien abstellende europäische Verbundklausel auszuschließen.
§ 14 Ergebnisse des fünften Teils Der Entherrschungsvertrag kann einen Kontrollerwerb gemäß Art. 3 Abs. 2 FKVO ausschließen. Die Anforderungen an den Entherrschungsvertrag entsprechen hierbei denen des Entherrschungsvertrages, der § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausschließen soll. Für die europäische Verbundklausel ist der Entherrschungsvertrag demgegenüber grundsätzlich ohne Bedeutung.
Sechster Teil
Zusammenfassung der Ergebnisse § 15 Ergebnisse Die Arbeit hat – neben der Behandlung zahlreicher mit dem Entherrschungsvertrag verbundener Einzelprobleme – gezeigt, dass die von der herrschenden Lehre vollzogene unterschiedliche Behandlung von Entherrschungsverträgen im Konzernund Fusionskontrollrecht nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr ist der Entherrschungsvertrag rechtsgebietsübergreifend geeignet, materielle Abhängigkeits- und Kontrolltatbestände auszuschließen. Jedoch ist stets zu beachten, für welche Gesellschaftsformen und Tatbestände der Entherrschungsvertrag seine Bedeutung entfalten soll. Wie gezeigt wurde, sind jeweilige Anpassungen unumgänglich. Im Einzelnen: 1.
Der Entherrschungsvertrag ist ein Vertrag, in dem sich ein herrschendes Unternehmen gegenüber einer abhängigen Gesellschaft verpflichtet, seine Stimmrechte bei bestimmten Beschlussgegenständen nicht auszuüben, um damit Abhängigkeit gemäß § 17 AktG auszuschließen. Für den Abschluss eines solchen Vertrages gibt es vielfältige legitime Motive. Insbesondere ist es zulässig, dass das herrschende Unternehmen den Entherrschungsvertrag aus dem Beweggrund schließt, den an den Abhängigkeitsbegriff anknüpfenden Rechtsfolgen zu entgehen.
2.
Der Entherrschungsvertrag ist ein schlichter schuldrechtlicher Vertrag. Es handelt sich nicht um einen Organisationsvertrag nach den §§ 291 ff. AktG. Anders als die Organisationsverträge ändert der Entherrschungsvertrag nicht Struktur und Zweck der verpflichteten Gesellschaft. Darüber hinaus handelt es sich beim Entherrschungsvertrag mangels Vergleichbarkeit auch nicht um einen Unternehmensvertrag im Sinne des § 292 AktG.
3.
Der Vertrag lässt sich keinem der im BGB aufgeführten Vertragstypen zuordnen, es handelt sich vielmehr um einen von Lehre und Kautelarpraxis entwickelten Vertrag sui generis. Auch stellt der Entherrschungsvertrag im Regelfall keinen Vertrag zu Gunsten Dritter dar. Allerdings besteht die Möglichkeit, den Entherrschungsvertrag als einen solchen zu gestalten.
4.
Der Entherrschungsvertrag ist kollisionsrechtlich nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft zu qualifizieren. Zulässigkeit, Inhalt, Mitwirkungserfordernisse auf Seiten der abhängigen Gesellschaft und Rechtsfolgen des Entherrschungsvertrages richten sich nach deren Gesellschaftsstatut.
178
6. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
Demgegenüber beurteilen sich Fragen der Mitwirkung von Gesellschaftsorganen auf Seiten des herrschenden Unternehmens gesondert nach dessen Gesellschaftsstatut. 5.
Der Entherrschungsvertrag ist aktienrechtlich zulässig. Abgeschlossen wird dieser bei Aktiengesellschaften als Vertragsparteien durch den Vorstand. Weder auf Seiten der abhängigen, noch auf Seiten der herrschenden Aktiengesellschaft ist eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich. Enthält die Satzung der herrschenden Aktiengesellschaft wie im Regelfall eine Konzernöffnungsklausel, deckt diese auch den Abschluss eines Entherrschungsvertrages. Einer Veränderung der Satzung bedarf es in dem Fall nicht.
6.
Die Aufsichtsratsvorsitzenden beider Aktiengesellschaften sind über den Abschluss des Entherrschungsvertrages zu informieren. Die Satzungen oder Aufsichtsräte beider Gesellschaften können Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates für den Fall des Abschlusses eines Entherrschungsvertrages statuieren.
7.
Die Vertragsparteien des Entherrschungsvertrages müssen nicht darlegen, warum sie den Vertrag geschlossen haben. Wird der Vertrag später nicht eingehalten, lässt sich dies als Indiz für das Vorliegen eines Scheingeschäfts nach § 117 Abs. 1 BGB verwenden, sofern der Verstoß in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages stattfindet.
8.
Um Abhängigkeit für die Aktiengesellschaft auszuschließen reicht es aus, die Stimmrechte für die Wahl der Hälfte plus eins der Aufsichtsratsmitglieder sowie für die Abberufung der übrigen Aufsichtsratsmitglieder zu beschränken. Erforderlich ist, dass für die Reichweite der vertraglichen Verpflichtung, die Stimmrechte bei den Aufsichtsratswahlen nicht auszuüben, eine sogenannte „Minus-Eins-Regelung“ getroffen wird. Das bis zum Abschluss des Entherrschungsvertrages herrschende Unternehmen darf auf der Hauptversammlung nur über weniger als die Hälfte der Stimmen abzüglich eines Sicherheitsabschlages i.H.v. drei bis fünf Prozentpunkten verfügen. Für die Berechnung kann wahlweise auf die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz der letzten Jahre abgestellt oder eine variable Regelung in Bezug auf das vertretene Kapital oder die abgegebenen Stimmen getroffen werden. Für den Beschluss über die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern reicht in der Aktiengesellschaft eine Beschränkung auf 75 %-Minus-Eins (zzgl. Sicherheitsabschlag) der Stimmrechte aus.
9.
Der Entherrschungsvertrag schließt Abhängigkeit solange aus, wie die Aufsichtsratsmitglieder nicht mit dem Einsatz der Stimmrechte rechnen müssen. Daher muss der Entherrschungsvertrag über die nächste Aufsichtsratswahl hinausgehen. Das Recht zur ordentlichen Kündigung muss ausgeschlossen sein.
§ 15 Ergebnisse
179
10. Der Entherrschungsvertrag sollte schriftlich abgeschlossen werden. Eine Eintragung in das Handelsregister ist nicht notwendig. Der Entherrschungsvertrag ist jedoch im Anhang zum Jahresabschluss oder im Lagebericht zu erwähnen. 11. Eine entherrschungsvertragswidrige Stimmabgabe führt nicht zur Anfechtbarkeit des getroffenen Hauptversammlungsbeschlusses. Der Entherrschungsvertrag ist vielmehr auf schuldrechtlichem Wege durchzusetzen. Dies kann mittels Unterlassungsklage oder einstweiliger Verfügung erfolgen. Versucht das beteiligte Unternehmen während der Laufzeit des Vertrages faktisch Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen liegen hinreichende Anhaltspunkte für einen drohenden Vertragsverstoß bei der nächsten Aufsichtsratswahl vor. 12. Der Entherrschungsvertrag ist geeignet, die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen. Darüber hinaus können der Abschluss und die Einhaltung des Entherrschungsvertrages dazu führen, dass der Tatbestand der Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG nicht vorliegt. 13. Eine Absicherung des Vertrages ist nicht erforderlich. Aufgrund des Vorliegens des Entherrschungsvertrages kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Verwaltungsmitglieder an den Interessen des beteiligten Unternehmens ausrichten. Der Entherrschungsvertrag führt dazu, dass keine gesicherte Einflussmöglichkeit auf die Verwaltungsmitglieder vorliegt. 14. Die bisweilen diskutierten Formen der Absicherung des Vertrages, wie die unwiderrufliche Bevollmächtigung einer Person, sind nicht geeignet einen Vertragsverstoß mit absoluter Sicherheit zu verhindern. 15. Eine denkbare, aber nicht notwendige, Absicherung des Entherrschungsvertrages liegt hingegen darin, dass das beteiligte Unternehmen seine Stimmrechte nicht zur Hauptversammlung gemäß § 123 Abs. 2 AktG anmelden darf. Bei einer Nichtanmeldung kann das Unternehmen auf der Hauptversammlung keine Stimmrechte ausüben. Meldet es die Stimmrechte hingegen an, kann sich die Gesellschaft im Wege der einstweiligen Verfügung wirksam zur Wehr setzen und die Stimmabgabe verhindern. 16. Damit Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG vollständig ausgeschlossen wird sind gegebenenfalls weitere Maßnahmen der Entflechtung notwendig. Erforderlich ist eine Auflösung der personellen Verflechtungen und wirtschaftlichen Beziehungen insoweit, dass sich aus dem Gesamtbild der Beziehungen kein beherrschender Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG annehmen lässt. 17. Die Aufhebung des Entherrschungsvertrages bedarf bei Aktiengesellschaften als Vertragsparteien keiner Zustimmung der Hauptversammlung. 18. Der Entherrschungsvertrag spielt auch jenseits der AG eine Rolle. In der GmbH kann der Entherrschungsvertrag dazu führen, dass Abhängigkeit ausgeschlossen ist. Allerdings sind die besonderen Vorzeichen des GmbH-Rechts zu beachten: Abgeschlossen wird der Vertrag durch die Geschäftsführer von herrschender und abhängiger GmbH. Anders als in der AG sind bei einer herrschenden oder
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6. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
abhängigen GmbH jedoch die Gesellschafterversammlungen sowohl bei Abschluss als auch bei Aufhebung des Entherrschungsvertrages zu beteiligen. 19. Die im Entherrschungsvertrag zu regelnde Stimmrechtsbeschränkung muss sich in der gewöhnlichen GmbH auf die Bestellung/Abberufung des Geschäftsführers und die Ausübung von Weisungsrechten/Beteiligungsrechten an der Geschäftsführung beziehen. Ein weitergehender Verzicht auf die Ausübung der Stimmrechte ist zum Ausschluss von Abhängigkeit nicht erforderlich. In Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in denen die Bestellung des Geschäftsführers dem Aufsichtsrat obliegt und keine Weisungsrechte ausgeübt werden können, gelten hingegen die aktienkonzernrechtlichen Überlegungen entsprechend. 20. Die Überlegungen zur Laufzeit in der AG lassen sich nicht ohne weiteres auf die Mindestlaufzeit in der GmbH übertragen. In dieser reicht eine vierjährige Laufzeit grundsätzlich aus. Auch stimmen der Zeitraum der Wirkung des Entherrschungsvertrages und dessen Vertragslaufzeit, anders als im Recht der AG, überein. 21. Der Mehrheitsgesellschafter darf auch nach Abschluss des Entherrschungsvertrags noch als Geschäftsführer tätig sein, sofern es daneben noch weitere Geschäftsführer gibt. 22. Ein Entherrschungsvertrag führt in der GmbH dazu, dass die Gesellschaft unabhängig von den Einflüssen des beteiligten Unternehmens agieren kann. Im Recht der gewöhnlichen GmbH besteht darüber hinaus auch nicht das Risiko eines plötzlichen Vertragsbruches auf der Hauptversammlung, weil es nicht zu einer regelmäßigen Wiederwahl der Organe der GmbH kommt. Somit ist der Entherrschungsvertrag in der GmbH geeignet, Abhängigkeit nach § 17 AktG analog auszuschließen. 23. Auch im Recht der Personengesellschaften kann der Entherrschungsvertrag eine Rolle spielen, sofern in der abhängigen Personengesellschaft das Mehrheitsprinzip gesellschaftsvertraglich eingeführt wurde und in zentralen Fragen der Geschäftsführung Abstimmungen zugelassen werden. Der Entherrschungsvertrag verstößt weder gegen das Abspaltungsverbot des § 717 BGB, noch gegen den Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft. 24. Die Vertretung bei Abschluss und Aufhebung eines Entherrschungsvertrages richtet sich in einer herrschenden oder abhängigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Vorliegen besonderer gesellschaftsvertraglicher Regelungen nach den §§ 709, 714 BGB, demnach sind grundsätzlich alle geschäftsführungsbefugten Gesellschafter zu beteiligen. Bei einer Personenhandelsgesellschaft als herrschendes oder abhängiges Unternehmen sind wegen § 116 Abs. 2 HGB sämtliche Gesellschafter am Abschluss und der Aufhebung des Vertrages zu beteiligen.
§ 15 Ergebnisse
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25. Auch im Recht der Personengesellschaften ist es für den Entherrschungsvertrag von zentraler Bedeutung, dass der Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeschlossen wird. Bei den Abstimmungen über Fragen der Geschäftsführung (§ 116 Abs. 1 HGB und § 709 Abs. 1 BGB) ist daher das Stimmrecht des mehrheitlich beteiligten Unternehmens in entsprechender Höhe („Minus-EinsRegelung“) zu beschränken. Das beteiligte Unternehmen darf weiterhin befugt sein, die Geschäfte der Personengesellschaft zu führen, sofern neben diesem weitere Gesellschafter geschäftsführungsbefugt sind, über Fragen der Geschäftsführung Abstimmungen zugelassen werden und es bei diesen nicht über eine Mehrheit verfügt. Denn in einer solchen Konstellation können die übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter die Unternehmenspolitik gegen das beteiligte Unternehmen gestalten. 26. Jenseits des Konzernrechts spielt der Entherrschungsvertrag vor allem im Fusionskontrollrecht eine Rolle. Denn nach der Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB werden nach §§ 17, 18 AktG verbundene Unternehmen als einheitliches Unternehmen behandelt. Der Abhängigkeitsbegriff gemäß § 36 Abs. 2 GWB i.V.m. § 17 Abs. 1 AktG entspricht hierbei dem Abhängigkeitsbegriff des Konzernrechts, da ein besonderer kartellrechtlicher Abhängigkeitsbegriff mit der verwendeten Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren ist. Der Abschluss und die Einhaltung eines Entherrschungsvertrages haben zur Folge, dass die Voraussetzungen der Verbundklausel nicht mehr vorliegen. Inhaltlicher Veränderungen gegenüber den konzernrechtlichen Grundsätzen bedarf der Entherrschungsvertrag nicht. 27. Auch im Rahmen des Zusammenschlussbegriffes kann ein Entherrschungsvertrag Bedeutung erlangen. Dies gilt allerdings nur, sofern kein Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB vorliegt. Da dieser formal auszulegen ist, spielt der Entherrschungsvertrag hier keine Rolle. Ist § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB indes nicht einschlägig, kann der bei Erwerb einer Beteiligung abgeschlossene Entherrschungsvertrag einen Kontrollerwerb gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausschließen, da die erworbene Gesellschaft gegenüber dem Erwerber autonom agieren kann. 28. Hierfür bedarf es allerdings einer weitergehenden Stimmrechtsbeschränkung als beim konzernrechtlichen Entherrschungsvertrag. Der Entherrschungsvertrag muss dem Erwerber die Möglichkeit nehmen, wichtige geschäftspolitische Entscheidungen herbeiführen oder blockieren zu können. Für die AG erfordert der Ausschluss von Kontrolle über die Stimmrechtsbeschränkung bei der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates auch eine Beschränkung bei Fragen der Geschäftsführung gemäß §§ 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG und bei der Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung. Für GmbH und Personengesellschaften ist es über die Voraussetzungen des Konzernrechts erforderlich, Veto-Rechte hinsichtlich der Geschäftsführung auszuschalten und die Stimmrechtsbeschränkung auch auf Elemente der Finanzplanung wie die
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6. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
Aufstellung des Jahresabschlusses und den Gewinnverwendungsbeschluss zu erstrecken. 29. Bei veränderten inhaltlichen Anforderungen kann der Entherrschungsvertrag darüber hinaus auch wettbewerblich erheblichen Einfluss gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausschließen. 30. Die Beendigung der Wirkung des Entherrschungsvertrages führt dazu, dass Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 und wettbewerblich erheblicher Einfluss nach Nr. 4 GWB erworben wird. Dies gilt auch für den Fall des Verstoßes gegen den Entherrschungsvertrag. 31. Im europäischen Kartellrecht ist der Entherrschungsvertrag gleichfalls von Bedeutung. Der Entherrschungsvertrag ist geeignet, Kontrolle im Sinne von Art. 3 Abs. 2 FKVO auszuschließen. Hierfür bedarf es der gleichen inhaltlichen Anpassungen wie im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB. 32. Demgegenüber ist der Entherrschungsvertrag nicht geeignet, die auf formale Kriterien abstellende Verbundklausel der europäischen FKVO auszuschließen. Im formalen Sinne verfügt das beteiligte Unternehmen nach wie vor über die Mehrheit der Stimmrechte und kann den Aufsichtsrat bestellen. Es ist aufgrund einer rechtlich durchsetzbaren Verpflichtung nur nicht in der Lage, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des Unternehmens auszuüben, weil sich die Verwaltungsorgane ihm gegenüber autonom verhalten werden. Auf diesen Einfluss kommt es jedoch im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 FKVO nicht an. 33. Entherrschungsverträge sind damit sowohl rechtsform- als auch rechtsgebietsübergreifend geeignet, materielle Abhängigkeits- oder Kontrolltatbestände auszuschließen, die auf durch Stimmrechte vermittelten Einfluss abstellen. Stets zu beachten ist jedoch, dass der Entherrschungsvertrag an die besonderen Erfordernisse der einzelnen Gesellschaftsformen oder Tatbestände angepasst werden muss. Der Entherrschungsvertrag ist demgegenüber kein geeignetes Instrument, auf formale Kriterien wie das Vorliegen einer Kapital- oder Stimmrechtsmehrheit abstellende Regelungen zu widerlegen.
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Stichwortverzeichnis Abhängiges Unternehmen, Begriff 27 Abhängigkeit 25 f. – Bedeutung 25 – beherrschender Einfluss 27 – einheitlicher Abhängigkeitsbegriff 26 – gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit 29 – Herrschaftsmittel 31 – kartellrechtliche Abhängigkeitsbegriff 132 – umfassende Herrschaft 31 – verlässliche Einflussmöglichkeit 31 – Vermutung 32 Anfechtungsklage 80 Aufsichtsratswahl 71 Bundeskartellamt
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Einstweiliger Rechtsschutz 97 Entherrschungsvertrag 36 – Abschluss des Vertrags 58 – Absicherung der Vertragserfüllung 111 – Anwendungsbereich Kartellrecht 153, 169 – Aufhebung 113 – Ausschluss von Abhängigkeit 100 – Beteiligung des Aufsichtsrats 68 – Durchsetzbarkeit 80 – Eintragung in das Handelsregister 78 – GmbH 117 – Information der sonstigen Aktionäre 79 – Inhalt 71 – Internationales Privatrecht 47 – Kündigung 77 – Leistungsklage 96 – materiell-rechtliche Einordnung 38 – Mindestdauer 76 – Minus-Eins-Regelung 75 – Motive 36 – Organisationsvertrag 39 – Personengesellschaften 126
– – – – – – – – – – – –
Recht der GmbH 116 Relevanz 21 Satzungsbestimmung 59 Scheingeschäft 70 Schriftform 78 Stimmrechtsbeschränkung 71 Überblick 37 Unternehmensvertrag 45 Verbundklausel 143 Vertrag sui generis 46 Vertrag zu Gunsten Dritter 46 Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung 99 – Widerlegung der Vermutung 33 – Zulässigkeit 54 – Zustimmung der Hauptversammlung 63 Fusionskontrolle
131
GmbH-Konzernrecht
115
Hauptversammlungsmehrheit 74 Herrschendes Unternehmen, Begriff Holzmüller-Rechtsprechung 65
27
Kontrollbegriff 149 – FKVO 167 – negative Kontrolle 159 – Widerlegung 154, 170 Konzernöffnungsklausel 61 Konzernrecht der Personengesellschaften 125 Leistungsklage
96
Rechtsmissbrauch
89
Scheingeschäft 69 Strukturentscheidungen Treuepflicht
88
74
192
Stichwortverzeichnis
Venire contra factum proprium Verbundklausel 132 – Anwendungsbereich
90
132
– Auslegung des Abhängigkeitsbegriffs 134 – europäisches Kartellrecht 172 – Widerlegung
143
Wettbewerblich erheblicher Einfluss – Ausschluss 164 Zusammenschlussbegriff 149 – Anteilserwerb 151 – Kontrollbegriff 150 – Vermögenserwerb 149 Zusammenschlusskontrolle 131
151