Möglichkeiten und Grenzen der Gewinnthesaurierung im Konzern [1 ed.] 9783428479115, 9783428079117


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Möglichkeiten und Grenzen der Gewinnthesaurierung im Konzern [1 ed.]
 9783428479115, 9783428079117

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft

Band 83

Möglichkeiten und Grenzen der Gewinnthesaurierung im Konzern Von

Jürgen Frodermann

Duncker & Humblot · Berlin

JÜRGEN FRODERMANN Möglichkeiten und Grenzen der Gewinnthesaurierung im Konzern

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp Band 83

Möglichkeiten und Grenzen der Gewinnthesaurierung im Konzern

Von

Jürgen Frodermann

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Frodermann, Jürgen: Möglichkeiten und Grenzen der Gewinnthesaurierung im Konzern / von Jürgen Frodermann. — Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 83) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07911-6 NE: GT

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-07911-6

Vorwort

Diese Arbeit lag im Sommersemester 1993 der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation vor. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Kollhosser, der die Arbeit angeregt und betreut hat, und Herrn Prof. Dr. Timm, als Zweitberichterstatter. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei meinen Freunden Dr. jur. Hans Dieckmann und Dr. jur. Markus Hunger für die kritische Durchsicht des Manuskripts und ihre Diskussionsbereitschaft sowie bei Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stephan Keufen, der die Arbeit für den Druck formatiert hat. Ich danke den Herausgebern für die Übernahme in die Schriftenreihe sowie der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster, die diese Veröffentlichung finanziell unterstützt hat.

Düsseldorf, im Herbst 1993 Jürgen Frodermann

Inhaltsverzeichnis

Α. Einführung und Grundlagen der Untersuchung I. Einführung II. Problemstellung III. Regelungsgehalt des deutschen Konzernrechts

13 13 14 19

IV. Konzernorganisation als Regelungsaufgabe 22 1. Rechtsnatur des Konzerns 22 2. Ungleichgewichte aufgrund wirtschaftlicher Einheit und rechtlicher Selbständigkeit 24 3. Lösungsansätze in der Literatur 26 V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft . . . . 1. Generelle Kompetenzverteilung 2. Kompetenzverteilung bei der Gewinnverwendung a) Geschichtliche Entwicklung aa) ADHGB von 1861 bb) ADHGB von 1897 cc) Notverordnung 1931 dd) Aktiengesetz 1937 ee) Aktiengesetz 1965 b) Regelungsgehalt des § 58 AktG aa) Zusammenhang von bilanzieller Gewinnermittlung und Gewinnverwendung bb) Kompetenz zur Rücklagenbildung 3. Interessengegensätze bei der Kompetenzverteilung a) Arbeitnehmerinteressen b) Interesse der Allgemeinheit c) Gläubigerinteressen d) Aktionärsinteressen e) Unternehmens- und Konzerninteresse VI. Zwischenergebnis

28 28 29 29 29 30 30 30 31 32 32 34 35 36 36 37 38 39 42

8

Inhaltsverzeichnis

Β. Anwendung des § 58 I I AktG im Konzern I. Überblick über den Meinungsstand 1. Verneinung einer konzernrechtlichen Anwendung des § 58 II AktG 2. Bejahung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern . . . . 3. Modifizierte Anwendung des § 58 II AktG II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern 1. Auslegung a) Ziel der Auslegung b) Argumente für eine konzernrechtliche Auslegung des § 58 II AktG c) Stellungnahme 2. Rechtsfortbildung a) Arten der Rechtsfortbildung und ihre Voraussetzungen . . . . b) Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung aa) Argumente für das Vorliegen einer Regelungslücke . . . . bb) Argumente gegen das Vorliegen einer Regelungslücke . . c) Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung oder Rechtsfortbildung contra legem? d) Stellungnahme aa) Arten der Lücken bb) Subsumtion unter den LückenbegrifF aaa) Rechts-, Norm- und Regelungslücke bbb) Kritische Auseinandersetzung mit den zur offenen und verdeckten Regelungslücke vertretenen Argumenten (1) Wortlautargumentation (2) Rechtsgedanke der §§ 301 S.2, 302 I AktG . . (3) Fehlende Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft (4) Teleologie des § 58 II AktG (5) Umgehung des § 58 II AktG in der Finanzierungspraxis (6) Andere Verteidigungsmöglichkeiten der Aktionäre der Obergesellschaft (7) Sicherung der Funktionsfähigkeit des Konzerns (8) Anwendungsschwierigkeiten des § 58 II AktG im Konzern

44 44 44 45 48 49 50 50 50 52 54 55 56 56 59 63 65 65 67 67 70 70 71 72 73 75 76 76 77

Inhaltsverzeichnis

(9) Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft als strukturändernde Entscheidung

77

III. Anwendungsbereich des § 58 II AktG 80 1. Bedeutung des Entstehungstatbestandes des Konzerns 80 2. Vertragskonzern 81 a) Anwendbarkeit des § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft . 81 b) Schutzbedürfnis der Beteiligten 83 3. Eingegliederte Gesellschaften 85 4. Faktische Konzerne 86 5. Mehrheitsbeteiligungen 88 a) 50-100% Mehrheitsbeteiligungen mit einheitlicher Leitung . . 88 b) Mehrheitsbeteiligungen ohne die Ausübung von Leitungsmacht 88 IV. Zwischenergebnis C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 I I AktG im Konzern I. Lösungsansätze ohne eine direkte Einschränkung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft 1. Zusätzliche Beteiligungsrechte der Hauptversammlung der Obergesellschaft 2. Anfechtung analog § 254 AktG 3. Zusätzliche Aufsichtsratskompetenzen gem. § 111 IV AktG . . . . II. Lehre von der Durchrechnung III. Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen IV. Kritik an den Lösungsansätzen 1. Keine direkte Beschränkung der Thesaurierungskompetenz der Konzernleitung 2. Bilanzierungsprobleme a) Ermittlung des Gesamtgewinns b) Einfluß der Zeitkomponente c) Erträge aus Ausschüttungen der Tochtergesellschaften . . . . 3. Behandlung von Verlusten der Tochtergesellschaften 4. Behandlung konzerninterner Zwischenergebnisse 5. Behandlung ausländischer Tochtergesellschaften 6. Vorwegabzug der Rücklagen der Tochtergesellschaften

90

92 92 92 93 94 94 97 98 98 100 100 102 103 104 110 112 116

10

Inhaltsverzeichnis

V. Modifizierte Anwendung des § 58 II AktG VI. Kritik am Modell einer modifizierten Anwendung des § 58 II AktG VII. Eigener Lösungsansatz

120 123 127

1. Die Pflichten der Verwaltung als Anknüpfungspunkt 127 2. Die Konzernbilanz als Bemessungsgrundlage 129 3. Modifikationen in der Berechnung 135 a) Gewinnanteile konzernfremder Gesellschafter 135 b) Auswirkungen von Zu- und Abschreibungen gem. §§ 301, 309 HGB 137 c) Nichtdisponible Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften gem. §§ 150, 300 AktG 139 d) Thesaurierte Gewinne der nach der Equity-Methode bewerteten Beteiligungen 140 e) Berücksichtigung des unterschiedlichen Konsolidierungskreises 143 f) Überwiegen der Hälfte des Konzernjahresüberschusses gegenüber dem Jahresüberschuß der Obergesellschaft . . . . 144 g) Zeitkongruente Gewinnerfassung 145 4. Anwendbarkeit des § 58 III AktG in der Tochtergesellschaft . . 149 /III. Zwischenergebnis D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

150

153

I. Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses gem. § 256 I Nr. 4 AktG?

153

II. Anfechtung gem. §§ 254, 257 AktG?

155

III. Sonderprüfung analog §§ 258 ff AktG?

157

IV. Anfechtung des Enlastungsbeschlusses gem. § 243 AktG

160

V. Individualklagen 1. Zulässigkeit der Aktionärsklage 2. Klageart VI. Zwischenergebnis

162 163 . 166 168

Inhaltsverzeichnis

Ε ί Beteiligung von Gesellschaften in anderer Rechtsform als der Aktiengesellschaft I. Tochtergesellschaften in anderer Rechtsform II. Obergesellschaft in anderer Rechtsform 1. Personengesellschaft 2. GmbH F. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen einer entsprechenden Anwendung des § 58 I I AktG im Konzern I. Vorbemerkung

170 170 172 172 173

175 175

II. Wirtschaftliche Konsequenzen einer konzernrechtlich beschränkten Rücklagenbildung 176 G. Entwicklung des EG-Rechts

182

H. Lösungsansätze de lege ferenda

185

I. Zusammenfassung und Formulierung eines Ergebnisses

191

Literaturverzeichnis

195

Abkürzungsverzeichnis

A/D/S

BiRiLiG bzw. ders. EGHGB FS gem. GmbHÄndG GuV i.E. Komm. Mio. PrALR sog. u.a. V.

Vorb. Ziff. zit. z.T. zugl.

Adler, Hans/Düring, Walther/Schmaltz, Kurt: Rechnungsprüfung und Prüfung der Unternehmen, Kommentar, Bd.III, 8. Teillieferung, 5. Aufl. Stuttgart 1987 Bilanzrichtliniengesetz v. 19.12.85, BGBl I 2355 beziehungsweise derselbe Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch v. 10.5.1897 RGB1.437 Festschrift gemäß Gesetz zur Änderung des GmbHG und anderer handelsrechtlicher Vorschriften v. 4.7.80, BGBl I 836 Gewinn- und Verlustrechnung im Ergebnis Kommentar Millionen Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 sogenannte und andere von/vom Vorbemerkung Ziffer zitiert zum Teil zugleich

(vgl. zu allen nicht aufgeführten Abkürzungen: H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3.Aufl. Berlin/New York 1983)

Α. Einführung und Grundlagen der Untersuchung I. Einführung In unserer Wirtschaftsordnung werden unternehmerische Aktivitäten, insbesondere größerer Unternehmen, zunehmend von Konzernen durchgeführt, also von einer Gruppe rechtlich selbständiger Unternehmen, die organisatorisch unter einheitlicher Leitung einer Konzernobergesellschaft stehen.1 Bei der Konzernbildung handelt es sich um einen Prozeß, der in sämtlichen westlichen Industrieunternehmen zu beobachten ist und der sich zunehmend beschleunigen wird. 2 Die Konzernbildung macht auch an den Grenzen nicht halt und wird es in Zukunft noch weniger tun.3 Nach einer Untersuchung von Ordelheide4 waren 1983 bei einer Stichprobe aus 210 deutschen Unternehmen 75% und damit gleichzeitig 93% des Grundkapitals der Unternehmen konzeniverbunden.5 Der Gesetzgeber des Jahres 1965 beabsichtigte mit seiner Aktienrechtsreform, erstmals die Grundzüge einer Konzernverfassung zu schaffen. 6 Die Konzernbildung regelte er aber nicht; er schuf lediglich Rahmenbedingungen für bereits bestehende Konzernverbindungen.7 Die konzernrechtlichen Vorschriften des AktG 1965 gelten im wesentlichen auch nur für die Aktiengesellschaft und die KGaA. Entsprechende Regelungen fur Personengesellschaften 8 und GmbH's fehlen völlig.9 Die heutigen Regelungen des Konzernrechts sind daher unvollständig. Eine umfassende Regelung läßt noch auf sich warten.10 Aus den konzerntypischen

1

Linnhoff / Pellens ZfbF 87, 987 (987); Emmerich/Sonnenschein § 1 III, S. 10 Emmerich / Sonnenschein § 1 III, S. 10 3 Gäbelein, FS Quack, S. 211 (212) 4 Ordelheide BFuP 86, 293 (294 f) 5 ähnliche Ergebnisse bei Linnhoff / Pellens ZfbF 87,987 (987); Emmerich / Sonnenschein § 1 III 2, S. 14 6 Kropff, S. 374 7 Monopolkommission, Tz. 816 8 dazu Schießl, S. 5 ff; Baumgartl, S. 10 ff 9 Emmerich / Sonnenschein § 1 II 4, S. 9; Kohl, S. 14 10 Rehbinder, FS Coing, S. 422 (423); Heinsius ZGR 84,383 (385); Lutter, FS Stimpel, S. 827 (828) 2

14

Α. Einführung und Grundlagen

Merkmalen der wirtschaftlichen Unselbständigkeit bei gleichzeitiger rechtlicher Selbständigkeit erwachsen Organisationsvorteile, mit deren Hilfe die Konzernleitung die bestehenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen und Konfliktlösungen umgehen kann.11 Der Konzern wird deshalb auch als „Sprengkörper des klassischen Gesellschaftsrechts" bezeichnet.12 Dies hat den BGH13 veranlaßt, durch eine weitgehende Rechtsfortbildung ein eigenes Konzernrechtsmodell zu entwickeln.14 Als Umgehung gesellschaftvertraglicher Schutzmechanismen sind auch die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Möglichkeiten der Konzernleitung zu sehen, die Bemessungsgrundlage für den nach § 58 II AktG der Hauptversammlung einer Konzernobergesellschaft zur Verfügung zu stellenden Teil des Jahresüberschusses durch verstärkte Rücklagen in den Tochtergesellschaften zu modifizie-

Π . Problemstellung Wer Privatwirtschaft und Privateigentum will, muß — in Abwandlung des bekannten Satzes — dem Anteilseigner geben, was des Anteilseigners ist. Dem Anteilseigener sind deshalb diejenigen Rechte zuzugestehen, die das Gesetz ihm ausdrücklich oder nach seinem Sinn und Zweck einräumen will. 16 So einfach und verständlich dieser Ausgangspunkt klingt, so schwierig ist die Feststellung der dem Anteilseigner im Einzelfall über den konkreten Gesetzeswortlaut hinaus zustehenden Rechte. Im Konzernrecht ist dies besonders schwierig, da der Unternehmensspitze im Konzernverbund durch ihre Einflußnahmemöglichkeiten in Tochterunternehmen neue Zuständigkeiten zuwachsen.17 Diese Zuständigkeitsverschiebung erzeugt Interessengegensätze, für die das Konzernrecht des Aktiengesetzes keine Lösungen bereithält. Das Aktiengesetz ist bestrebt, durch einen Kodex von Gebots- und Verbotsnormen die Interessen von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern der abhängigen Gesellschaft zu schützen und schädliche Einflußnahmen der Obergesellschaft zu verhindern. Wie als erster Lutter herausgearbeitet hat18, übersieht diese Konzeption des Aktiengesetzes vor

11 12 13 14 15 16 17 18

Linnhoff / Pellens ZfbF 87, 987 (987); Gollnick, S. 1; ders. JA 92, 18 (18) Lutter ZGR 87, 324 (333) BGHZ 65, 15 ff; 80, 69 ff; 95, 330 ff; 105, 324 ff; 107, 7 ff Emmerich / Sonnenschein § 1 II 4, S. 9 Linnhoff / Pellens ZfbF 87, 987 (987); Theisen ZHR 156 (1992), 174 (175) W. Werner, FS Stimpel, S. 935 (935) Timm, S. 3; ders., AG 80, 172 (172) Lutter, FS H. Westermann, S. 347 (361 ff)

II. Problemstellung

15

allem, daß Maßnahmen der Konzernbildung und -leitung auch die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft, die durch die Hauptversammlung wahrgenommen werden, beeinträchtigen können.19 Einen kleinen Teilbereich innerhalb des Problems der Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Konzernobergesellschaft stellt die Gewinnverwendung im Konzern dar.20 Mit der Gefahr einer Verkürzung der Aktionärsrechte in der Konzernobergesellschaft durch die Verlagerung von Entscheidungen auf die Ebene der Tochtergesellschaften befaßte sich der BGH in der sogenannten Holzmüllerentscheidung21. In der Literatur hat sich im Anschluß an dieses Urteil eine kontroverse Diskussion darüber entwickelt, ob und gegebenenfalls wie sich die Rücklagenbildung bei Konzerntöchtern auf die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft gem. §§ 58 II AktG auswirkt. Eine höchstrichterliche Klärung des Streites steht noch aus.22 Die Regelung des § 58 II AktG, an der sich der konzernorganisatorische Streit endzündet, ist fur die Einzelgesellschaft, auf die sie zugeschnitten ist, klar und eindeutig.23 Danach können Vorstand und Aufsichtsrat, soweit die Satzung sie nicht zu einer höheren Rücklagenbildung ermächtigt, höchstens 50% des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen. Über die Verwendung der anderen 50% entscheiden die Aktionäre in einer ordentlichen Hauptversammlung.24 Der Begriff „andere Gewinnrücklagen" ist durch das Bilanzrichtliniengesetz eingeführt worden und ersetzt den früher verwendeten Begriff der „freien Rücklagen". Die Bezeichnung „andere Gewinnrücklagen" wurde zur Abgrenzung von den übrigen Arten der Gewinnrücklagen i. S. d. § 266 Abs. 3 A III HGB gewählt25. Unter „anderen Gewinnrücklagen" versteht man Rücklagen, die ohne gesetzliche Anordnung auf einen freiwilligen Entschluß des zuständigen Organs zurückgehen oder durch die Satzung angeordnet wurden.26 Eine Regelung der Gewinnverwendung fehlt für den Konzern, denn § 58 II AktG gilt nach seinem Wortlaut nicht für verbundene Unternehmen.27 Im Konzern ist die Verwaltung der Obergesellschaft nicht nur über die Verwendung des Jahresüberschusses ihrer eigenen Gesellschaft verantwortlich. Als Vertreterin der Obergesellschaft übt sie auch die Mitgliedsschaftsrechte in der Tochtergesellschaft aus und entscheidet damit auch dort über

19 20 21 22 23 24 25 26 27

H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (424); Kohl, S. 14, 15 Lehertshuber, DB 89, 1534 (1534); Gollnick JA 92, 18 (19) BGHZ 83, 122 ff Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd.4, § 46 Rn. 10; Goerdeler WPg 86, 229 (229) Thomas ZGR 85, 365 (377); A / D / S § 58 AktG Rn. 88 Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd.4, § 46 Rn. 9 Kohl, S. 17, FN 31 A / D / S § 58 AktG Rn. 31; Baumbach / Duden / Hopt § 272, Anm. 3 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 39; Götz AG 84, 85 (86); a. A: Kohl, S. 191 ff

16

Α. Einführung und Grundlagen

die Gewinnverwendung. Sie kann deshalb auch in den Untergesellschaften Rücklagen bilden und so den Jahresüberschuß der Obergesellschaft vermindern. Dadurch kann die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft beschnitten werden, ohne daß gegen den Wortlaut des § 58 II AktG verstoßen wird. 28 Hierzu folgendes Beispiel:29 a)

b)

In einer Einzelgesellschaft werden erwirtschaftet. Die Verwaltung kann in diesem Fall in die Rücklagen einstellen, so daß der Hauptversammlung ebenfalls zur Verfügung stehen. Handelt es sich nicht um eine Einzelgesellschaft, sondern um einen Konzern, der erwirtschaftet hat und werden in den Tochtergesellschaften bereits in deren Rücklagen eingestellt, so stehen der Muttergesellschaft nur zur Gewinnverwendung zur Verfügung. Die Verwaltung der Konzernmutter kann von diesem Betrag in die Rücklagen ihrer eigenen Gesellschaft einstellen, so daß der Hauptversammlung der Muttergesellschaft nur noch zur Disposition stehen.

100 Mio. DM 50 Mio. DM 50 Mio. DM

100 Mio. DM 40 Mio. DM 60 Mio. DM 30 Mio. DM 30 Mio. DM

Das einfache Rechenbeispiel zeigt, daß der Hauptversammlung einer Konzernobergesellschaft bei gleichem Jahresüberschuß 20 Mio. DM weniger für ihre Gewinnverwendungsentscheidung zur Disposition stehen als der Hauptversammlung einer Einzelgesellschaft. Bei einer Berücksichtigung der Thesaurierung in der Tochtergesellschaft hätte die Verwaltung der Obergesellschaft im obigen Beispiel nur weitere 10 Mio. DM in die Rücklagen ihrer eigenen Gesellschaft einstellen dürfen. Das Problem verschärft sich, je tiefer der Konzern gestaffelt ist, da sich die oben beschriebene Verschiebung der Entscheidungsbefugnisse auf jeder Konzernstufe wiederholen läßt.30 Eine weitere Verschärfung tritt ein, wenn in den Tochteraktiengesellschaften die Verwaltung durch die Satzung gem. § 58

28

Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch , Bd.4, § 46 Rn. 9; Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 38, Kohl, S. 18; W. Werner AG 90, 1 (9); Theisen ZHR 156 (1992), 174 (175) 29 vgl. ähnliche Beispielsrechnungen bei: Beckmann, DB 89,940 (941); Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (331 f); Theisen ZHR 156 (1992), 174 (175 f) 30 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (332); Kohl, S. 19; Gollnick, S. 37; ders. JA 92, 18 (20)

II. Problemstellung

17

II 2 AktG ermächtigt wird, mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in die Rücklagen einzustellen oder die Tochtergesellschaften GmbH" s oder Personengesellschaften sind. In beiden Fällen steigt die Möglichkeit der Verwaltung der Obergesellschaft, Rücklagen in den Tochtergesellschaften zu bilden.31 Für die GmbH ergibt sich dies aus § 29 GmbHG n. F. Gem. § 29 II GmbHG können die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit beschließen, ob und inwieweit das Jahresergebnis ihrer Gesellschaft ausgeschüttet oder einbehalten werden soll.32 Die neue Regelung gilt allerdings nur für die vor dem 1.1.1986 ins Handelsregister eingetragenen Gesellschaften. Die sogenannten Altgesellschaften unterliegen weiterhin dem Vollausschüttungsgebot des § 29 I GmbHG a. F. Für sie gilt, sofern § 29 GmbHG a. F. nicht bereits durch die Satzung abbedungen war, die sehr komplizierte Übergangsregelung des § 7 GmbHÄndG, auf dessen Besonderheiten hier nicht näher eingegangen werden kann.33 Hinzuweisen ist jedoch auf § 7 II 2 GmbHÄndG, wonach durch Beschluß der einfachen Gesellschaftermehrheit das neue Recht auch auf Altgesellschaften angewandt werden kann.34 Da in einer GmbH als Untergesellschaft der Vorstand der Muttergesellschaft die Mitgliedsrechte in der GmbH ausübt und damit gleichzeitig die Gesellschaftermehrheit repräsentiert, kann er in einer Tochter-GmbH im weiteren Umfang Rücklagen bilden als in einer beherrschten Aktiengesellschaft. 35 Ähnlich ist die Situation bei einer Tochtergesellschaft in der Rechtsform der Personengesellschaft. Auch eine Personengesellschaft kann konzernrechtlich beherrscht werden, sofern sich aufgrund des Gesellschaftsvertrages das Stimmrecht der Gesellschafter, entgegen der gesetzlichen Regelung der §§ 709 I BGB, 1191HGB nach der Höhe der Kapitalanteile richtet.36 In der Personengesellschaft wird eine gesetzliche Rücklage weder gesetzlich gefordert noch verboten.37 Der Gesellschaftsvertrag kann die Rücklagenbildung vorschreiben oder zulassen.38 Ohne eine vertragliche Zulassung stellt der Rücklagenbeschluß eine Gesellschaftsvertragsänderung dar, die gem. § 119 I HGB grundsätzlich einstimmig zu erfolgen hat.39 Ist im Gesellschaftsvertrag eine Änderung durch

31

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (332); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 38; Gollnick, S. 38,49 Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 1 ; Meyer-Landrut § 29 Rn. 9; Joost, FS 100 Jahre GmbHG, S. 289 (297) 33 Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 1, zu § 7 GmbHG, § 29 Rn. 59 ff; Joost FS 100 Jahre GmbHG, S. 289 (310 f) 34 Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 60; Gollnick, S. 48; kritisch im Hinblick auf den Minderheitsschutz Joost, FS 100 Jahre GmbHG, S. 289 (311 f); dagegen Kallmeyer GmbHR 92 788 (789 f) 35 ähnlich Gollnick, S. 49 36 Emmerich, FS Stimpel, S. 743 (744, 745); Baumgartl, S. 26; Schießl, S. 27,40 37 H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657 (658); Baumbach / Duden / Hopt § 121, Anm. 4 A 38 Baumbach / Duden / Hopt § 121, Anm. 4 Β; H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657 (663) 39 Gollnick, S. 53; Baumbach / Duden / Hopt § 121, Anm. 4 Β 32

2 Frodermann

18

Α. Einführung und Grundlagen

einen Mehrheitsbeschluß vorgesehen, dürfen die kaufmännisch notwendigen Rücklagen aufgrund eines Mehrheitsbeschlussee gebildet werden.40 Somit kann die Konzernleitung auch in einer Personengesellschaft als Tochterunternehmen bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung weitgehend autonom über die Rücklagenbildung entscheiden.41 Unabhängig von der Rechtsform der Tochtergesellschaft kann im Extremfall, wenn die Obergesellschaft als reine Holdinggesellschaft keinen eigenen Gewinn erzielt, der gesamte im Konzern erzielte Jahresüberschuß durch die Verwaltung der Obergesellschaft in den Tochtergesellschaften thesauriert und damit der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung der Muttergesellschaft entzogen werden.42 Die tatsächliche Einflußnahmemöglichkeit der Verwaltung der Obergesellschaft und die damit verbundene Verschiebung der Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Gewinnverwendung wird — soweit ersichtlich — von keiner Seite in Frage gestellt.43 Durch die Kompetenzverschiebung werden zwei zentrale Bereiche des Gesellschaftsrechts angesprochen. Zum einen geht es um die Teilhabe der Aktionäre der Obergesellschaft am Ergebnis ihrer Gesellschaft in Form von Ausschüttungen;44 zum anderen wird die Finanzierungsmitentscheidung der Aktionäre als Element ihres geschäftspolitischen Mitspracherechts betroffen. 45 Für die Anwendung des § 58 II AktG im Konzern ergibt sich daraus die Frage, ob der Konzernsachverhalt bei der Bildung von Rücklagen in der Muttergesellschaft zu berücksichtigen ist. Anders ausgedrückt ist zu fragen, ob die Verwaltung bei der Bildung von Rücklagen in der Muttergesellschaft die schon in der Tochtergesellschaft gebildeten Rücklagen zu berücksichtigen hat.46

40

BGH BB 76, 948 (949); Ulmer BB 76, 950 (951) wie hier Gollnick, S. 54; zu Schutzmechanismen zugunsten der Gesellschafter der Obergesellschaft: Schneider, FS Bärmann, S. 873 (887,888) 42 A / D / S § 58 AktG Rn. 82; Gollnick, S. 37 43 so auch Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (332); A / D / S § 58 AktG Rn. 83 44 vgl. dazu Götz AG 84, 85 (93) 45 vgl. dazu Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (337) 46 Beckmann, DB 89, 949 (940); A / D / S § 58 AktG Rn. 83; Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd.4, § 46 Rn. 10 41

III. Regelungsgehalt des deutschen Konzernrechts

19

Ι Π . Regelungsgehalt des deutschen Konzernrechts Aus dem Problemaufwurf ergibt sich, daß eine gesetzliche Regelung der Kompetenzen zur Bildung von Rücklagen im Konzern im Aktiengesetz fehlt. In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Entwicklung und die Schutzrichtung des deutschen Konzernrechts interessant. Regelungsgegenstand des Handelsgesetzbuchs vom 1.1.1900 mit seinem integrierten Kapitalgesellschaftsrecht war das unabhängige Einzelunternehmen sowie die rechtlich und wirtschaftlich selbständige Handelsgesellschaft. Das Gesetz enthielt weder Vorschriften, die einer Umgehung aktienrechtlicher Schutznormen durch eine Konzernierung vorbeugten, noch Normen, die Interessenkonflikte innerhalb des Konzerns regelten.47 Im Zuge fortschreitender Industrialisierung zeigte sich bald nach Inkrafttreten des HGB eine Diskrepanz zwischen den auf die Einzelgesellschaft zugeschnittenen Normen und der konzerngesellschaftsrechtlichen Wirklichkeit. 48 Neben den legitimen und wertneutralen Gründen der Konzernleitung nahm die Zahl der Unternehmenszusammenschlüsse zu, die auf eine Umgehung aktienrechtlicher Schutzvorschriften zum Schaden von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern gerichtet waren.49 Durch die Konzernierung konnte das Verbot des Erwerbes eigener Aktien gem. § 226 HGB50 und das Stimmenthaltungsgebot des § 252 III HGB51 aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit des Tochterunternehmens umgangen werden. Die Umgehung des § 226 HGB durch den Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft mit deren vorher als Einlage erbrachten Eigenkapital durch die Tochtergesellschaft führte zu einer massiven Gefährdung des für die juristische Person unverzichtbaren Systems der festen Vermögensbindung.52 Aufgrund dieser Mißbräuche versuchte man, den wirtschaftlich als Einheit agierenden Konzern durch eine Rechtsfortbildung auch rechtlich als Einheit zu behandeln53. Dieser sogenannten Einheitstheorie zu Folge sollten Tochterunternehmen, deren Anteile fast vollständig im Besitz der Obergesellschaft standen, den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechend wie rechtlich unselbständige Unternehmen behandelt werden.54 Die Einheitstheorie ist in der Literatur ganz überwiegend abgelehnt worden, weil die Rechtsfähigkeit eines rechtlich selbständigen Unternehmens nicht durch wirtschaftliche Abhängigkeiten relativiert werden

47 48 49 50 51 52 53 54

H. Werner, S. 9 H. Werner, S. 10 H. Werner, S. 11 RGZ 108, 41 (43) RGZ 149, 305 (308) H. Werner, S. 11,12; Gollnick, S. 1 so vor allem Isay, S. 87 ff, vgl. auch RGZ 108, 41 (43) Isay, S. 101

20

Α. Einführung und Grundlagen

dürfe. 55 Auch die Rechtsprechung rückte aufgrund dieser Argumente nach kurzer Zeit von der Einheitstheorie wieder ab.56 Nachdem damit alle Versuche, durch Rechtsfortbildung die durch Konzernierungen hervorgerufenen aktienrechtlichen Probleme zu lösen, gescheitert waren, wurde durch die Notverordnung 193157 in § 226 IV HGB das Verbot des Erwerbes von Aktien der Obergesellschaft durch die Tochtergesellschaft normiert. Gleichzeitg enthielt § 226 IV HGB erstmalig eine Definition der unternehmerischen Abhängigkeit, die eine Umgehung aktienrechtlicher Schutzvorschriften verhindern oder zumindest erschweren sollte.58 Gem. § 226 IV HGB war ein Unternehmen von einem anderen abhängig, wenn es „auf Grund von Beteiligungen oder in sonstiger Weise unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluß einer AG oder KGaA steht". Diese Definition der Abhängigkeit wurde sachlich unverändert in § 15 II AktG 1937 übernommen. In § 15 1 AktG 1937 wurde gleichzeitig erstmalig der Konzerntatbestand definiert. 59 Das AktG 1937 erschöpfte sich ebenso wie die Notverordnung 1931 in der Legitimation einzelner konzernrechtlicher Tatbestände und die Verhinderung von konkreten Gesetzesumgehungen. Eine umfassende Regelung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen Ober- und Untergesellschaft erfolgte nicht. Vor allem gab es keine Regelungen zum Schutz der Minderheitsgesellschafter abhängiger Gesellschaften.60 Erst mit der Aktienrechtsreform von 196561 schuf der Gesetzgeber die Grundzüge einer Konzernverfassung 62. In § 18 AktG wird der Konzern als legale Erscheinung der Organisation und Verbindung von Unternehmen anerkannt.63 Während § 15 AktG den Begriff des verbundenen Unternehmens definiert, werden in den §§ 16-19 AktG sowie den §§291 ff AktG die verschiedenen Arten der Unternehmensverbindungen definiert. Die rechtsformneutral formulierten §§ 15-18 AktG stellen gleichzeitig eine Art allgemeinen Teil des Konzernrechts dar, der auf Verbindungen von Unternehmen beliebiger Rechtsform angewandt werden kann und

55

statt vieler Friedländer, S. 45; Flechtheim, JW 24, 679 (680) RGZ 115, 246 (253) 57 RGBl I, S. 493 58 H. Werner, S. 14 59 Rasch, S. 12,13 §15 1 AktG 1937 lautete: "Sind rechtlich selbständige Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt, so bilden sie einen Konzern, die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen." 60 Rasch, S. 13,14; Gollnick, S. 2; H. Werner, S. 18 61 BGBl I, S. 1089 ff 62 vgl. Kropff, S. 373 ff 63 Timm NJW 87, 977 (977); Rasch, S. 21,22 56

III. Regelungsgehalt des deutschen Konzernrechts

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muß.64 Die Vorschriften des Dritten Buches des Aktiengesetzes richten sich ausschließlich an die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien und unterscheiden in den §§291 ff AktG einerseits und den §§ 311 ff AktG andererseits zwischen den sogenannten Vertragskonzernen und den faktischen Konzernen. Dabei beschränken sich die §§ 311 ff AktG auf Regelungen über die Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages. 65 Die im Bereich des Personengesellschaftsrechts auftretenden konzernrechtlichen Probleme sind gesetzlich nicht geregelt und betreffen in erster Linie den Schutz der Gesellschafterminderheit gegenüber der Mehrheit.66 Im Bereich des GmbH-Konzernrechts verzichtete der Gesetzgeber, nachdem zwei Gesetzentwürfe 67 gescheitert waren, in der GmbH-Novelle 1980 endgültig auf eine Regelung des GmbH-Konzernrechts68. Die Rechtsprechung begann daraufhin 69, ein eigenes GmbHKonzernrecht in Konkurrenz zum gesetzgeberischen Modell des Aktienrechts zu entwickeln.70 Mit dem sogenannten „Autokranurteil" 71 schuf sie die Rechtsfigur des „qualifiziert faktischen Konzerns". Dieser steht zwischen den beiden im Aktienrecht geregelten Formen des einfach faktischen Konzerns und des Vertragskonzerns und ist durch eine derart intensive Einflußnahme des herrschenden Unternehmens auf die Untergesellschaft gekennzeichnet, daß einzelne Weisungen und ihre Folgen nicht isoliert werden können.72 Seine Rechtsprechung hat der BGH in weiteren Urteilen73 bestätigt und ausgebaut. Außer der Notwendigkeit, ein Konzernrecht für andere Rechtsformen zu schaffen, zeigte sich sehr bald, daß auch das Konzernrecht des Aktiengesetzes nicht alle konzernrechtlichen Probleme der Aktiengesellschaft lösen kann.74 Der Mangel der legislativen Konzeption liegt darin, daß der Gesetzgeber glaubte, durch die Aufstellung von Verbots-, Sanktions- und ergänzenden Verhaltensnormen zum Schutz der abhängigen Gesellschaft und deren Gläubiger die wesentli-

64 BGH WM 79, 937 (940); Rowedder, Koppensteiner, Anh. § 52 Rn. 6; Schießl, S. 4; Emmerich / Sonnenschein, § 2 I, S. 39,40 65 Timm NJW 87, 977 (977); Kohl, S. 14 66 vgl. dazu Schießl, S. 5 ff; Baumgartl, S. 10 ff; Schneider, FS Bärmann, S. 873 ff 67 BT-Drucks. VI (1972), S. 3088; VII (1973), S. 253 68 Emmerich / Sonnenschein, § 1 II 4, S. 9 69 beginnend mit BGHZ 65, 15 ff 70 Emmerich / Sonnenschein, § 1 II 4, S. 9 71 BGHZ 95, 330 ff 72 Timm NJW 87, 977 (977); Emmerich / Sonnenschein, § 1 II 3, S. 8,9; allgemein zum qualifiziert faktischen Konzern im GmbH-Recht: Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 16 ff; Deilmann, S. 86 ff; Möhring, § 6 D I 73 BGHZ 107, 7 (15 ff); BGH NJW 91, 3142 ff; BGH NJW 93, 1200 ff, mit zustimmender Anm. KUbler, NJW 93, 1204 f 74 Rehbinder, FS Coing, S. 422 (426); Kohl, S. 14

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Α. Einführung und Grundlagen

chen Regelungsprobleme des Konzernrechts abgedeckt zu haben. Ein eigentliches Konzernrecht als Organisations-, Verfassungs- und Vermögensrecht für rechtlich selbständige, aber aufgrund einheitlicher Leitung zu einer Unternehmenseinheit zusammengefaßter Unternehmen, enthält das Aktiengesetz 1965 nicht.75 Ansätze zur Ausbildung eines einheitlichen Konzernrechts bestehen allenfalls beim Eingliederungs- und Vertragskonzern, weil das Gesetz dort den Konzern in bestimmten Beziehungen zum Beispiel im Hinblick auf die Leitungsmacht und die Verantwortlichkeit für Leitungsmaßnahmen gem. §§ 308, 309 AktG als Gesamtheit auffaßt. 76 Das Fehlen eines umfassenden Konzernrechts macht sich besonders bei der Verkürzung der Einfluß- und Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre der Obergesellschaft bemerkbar. Das Konzernrecht des Aktiengesetzes ist als Schutzrecht für die abhängige Gesellschaft, insbesondere zum Schutz von deren Minderheitsaktionären und Gläubigern, sowie zur Verbesserung der Konzernpublizität konzipiert worden.77 Die konzernrechtliche Problematik, daß durch die Zwischenschaltung des Vorstandes bei der Ausübung der Mitverwaltungsrechte in der Untergesellschaft der Aktionärseinfluß beeinträchtigt wird, hat der Gesetzgeber nicht gesehen. Die dem deutschen Recht bislang fremde Vorstellung, daß auch schutzwürdige Interessen der Aktionäre der Konzernobergesellschaft existieren, führte dazu, das Konzernrecht auch von „oben nach unten" zu verstehen.78 Ein Teilbereich, in dem die Aktionäre der Obergesellschaft schutzbedürftig sein können, ist die Entscheidung über die Rücklagenbildung oder allgemeiner ausgedrückt über die Gewinnverwendung im Konzern.79

IV. Konzernorganisation als Regelungsaufgabe Um zu einer interessengerechten Lösung der konzernrechtlichen Rücklagenbildung zu kommen, sind zunächst der Konzernbegriff und die sich daran anknüpfenden grundsätzlichen Fragen zu klären. 1. Rechtsnatur des Konzerns § 18 I AktG definiert den Konzern als die Zusammenfassung eines herrschenden und eines oder mehrerer abhängiger Unternehmen unter einheitlicher

75 Rehbinder, FS Coing, S. 422,426; Heinsius ZGR 84,383 (385); Emmerich / Sonnenschein, § 1 II 4, S. 9,10 76 Rehbinder, FS Coing, S. 422 (422); Lutter, FS Stimpel, S. 827 (828) 77 Heinsius, ZGR 84, 383 (385); Hirte, S. 157; Thomas, ZGR 85, 365 (365,366) 78 so bereits Mestmäcker, S. 97; Hirte, S. 157; Timm, S. 3; Rehbinder, FS Coing, S. 422 (426) 79 Hirte, S. 156; Rehbinder, FS Coing, S. 422 (426); Thomas ZGR 85, 365 (366)

IV. Konzernorganisation als Regelungsaufgabe

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Leitung. Rechtlich selbständige Unternehmen, die unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt sind und nicht voneinander abhängen, bilden gem. § 18 II AktG ebenfalls einen Konzern. Man spricht in diesem Fall von einem Gleichordnungskonzern im Unterschied zum Unterordnungskonzern des § 181 AktG.80 Der für das Konzernrecht zentrale Begriff des Unternehmens ist im Gesetz nicht definiert 81. Der Gesetzgeber hat angesichts der großen praktischen Schwierigkeiten bewußt von einer näheren Umschreibung des Unternehmensbegriffes abgesehen.82 Aus den materiellen Wertungen, die dem Konzernrecht zugrundeliegen, läßt sich aber entnehmen, daß es auf die Rechtsform, in der das Unternehmen geführt wird, nicht ankommt. Außer natürlichen und juristischen Personen können auch Personenverbände des Handels- und Zivilrechts Unternehmensträger sein.83 Umstritten ist allerdings, wann eine natürliche Person durch die Beteiligung an einem Unternehmen selbst zum Unternehmen i. S. d. §§ 15 ff AktG wird. 84 Nach zutreffender Meinung ist allein darauf abzustellen, ob sich der Gesellschafter auch außerhalb des Unternehmens, an dem er beteilgt ist, unternehmerisch betätigt. Denn sobald zu der Beteiligung eine wirtschaftliche Interessenverfolgung außerhalb der Gesellschaft hinzukommt, besteht die Gefahr, daß der Gesellschafter seinen Einfluß zum Nachteil der Gesellschaft geltend macht. Dieser Konfliktlage soll das Konzernrecht aber gerade entgegenwirken, so daß die natürliche Person in diesem Fall konzernrechtlich als Unternehmen angesehen werden muß.85 Eine Definition der Begriffe „abhängiges" und „herrschendes" Unternehmen enthält § 17 AktG. Danach ist ein Unternehmen abhängig, wenn ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf es ausüben kann, wobei die Abhängigkeit gem. § 17 II AktG bei einer Mehrheitsbeteiligung durch das herrschende Unternehmen vermutet wird. Schwierigkeiten bereitet die genaue Bestimmung des Umfanges der für den Konzernbegriff konstitutiven einheitlichen Leitung i.S.d. § 181 AktG.86 Nach der Begründung des Regierungsentwurfes reicht es aus, wenn die Konzernleitung die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften und die sonstigen grundsätzlichen Fragen der Geschäftsführung aufeinander abstimmt.87 In Anlehnung an diese Begründung wird es in der juristischen Literatur für ausreichend gehalten, wenn die Geschäftspolitik in groben Linien festgelegt wird und wichtige Fragen der

80

Koppensteiner, Kölner-Komm. § 18 Rn. 5; Deilmann, S. 35 zu den verschiedenen Unternehmenstheorien: Koppensteiner, Kölner-Komm. § 15 Rn. 17 ff 82 Kropff, S. 27 83 Koppensteiner, Kölner-Komm. § 15 Rn. 30, 32; Möhring, § 2 A I, S. 22 84 zum Meinungsstand: Emmerich / Sonnenschein, § 2 III 1, S. 43 ff 85 BGHZ 69, 334 (337 ff); Koppensteiner, Kölner-Komm. § 15 Rn. 22; Emmerich / Sonnenschein, § 2 II 1, S. 45 86 Koppensteiner, Kölner-Komm. § 18 Rn. 12; Möhring, § 2 A II, S. 23 87 Kropff, S. 33 81

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Α. Einführung und Grundlagen

Geschäftsführung aufeinander abgestimmt werden.88 Obwohl eine allgemeingültige Definition der einheitlichen Leitung schwierig ist, ist sie zu bejahen, wenn die herrschende Gesellschaft die abhängige Gesellschaft ihren Zielen unterordnet. Die Unternehmensziele der einzelnen Gesellschaften sollen auf die Gesamtzielsetzung des Konzerns ausgerichtet werden. Als Ergebnis strebt die Obergesellschaft die Abstimmung und Kontrolle der betrieblichen Entscheidungsbereiche der Konzernunternehmen an. 89 Durch diese Zielorientierung wird der Konzern zu einer wirtschaftlichen Einheit.90 Dasjenige, was eine einheitliche Leitung ausmacht, ist danach aus der Eigenart des Konzerns als wirtschaftliche Einheit zu entwickeln.91 In den Wirtschaftswissenschaften wird der Konzern als Schöpfung der Wirtschaftspraxis schon lange als Wirtschaftssubjekt bzw. als ein Unternehmen im ökonomischen Sinne verstanden.92 Die wirtschaftliche Einheit führt aber nicht dazu, daß der Konzern zur juristischen Person mit eigenen Organen und eigenem Vermögen wird. Der Konzern selbst ist weder eine Gewinn- und Verlusteinheit noch eine Handlungseinheit im Außenverhältnis. Trotz der tatsächlichen Leitungseinheit bleiben die einzelnen Konzernunternehmen rechtlich selbständig.93 Der Konzern ist nicht als Rechtsform konzipiert, sondern ist funktional als zielgerichtete Verbindung von Unternehmen gleicher oder unterschiedlicher Rechtsform zu verstehen. Er ist der paradoxe Fall eines Unternehmens, das als solches überhaupt keine Rechtsform hat.94 2. Ungleichgewichte aufgrund wirtschaftlicher Einheit und rechtlicher Selbständigkeit Die meisten konzernrechtlichen Probleme resultieren aus diesem Spannungsverhältnis zwischen der rechtlichen Selbständigkeit und der wirtschaftlichen Verflechtung der verbundenen Unternehmen.95 Die sehr differenzierte Ordnung der juristischen Person hat vornehmlich die Aufgabe, diese künstlich von der Rechtsordnung geschaffene Einrichtung zu organisieren, notwendige Organe für sie zu etablieren und deren Aufgabenbereiche zu bestimmen und gegeneinander

88

Rehbinder, S. 36; Baumbach-Hueck, § 18 Rn. 4; Godin-Wilhelmi, § 18 Anm. 4, 5 Deilmann, S. 36 90 Kropff, S. 436 91 Koppensteiner, Kölner- Komm. § 18 Rn. 15 92 vgl. zur ökonomischen Sichtweise: Rehbinder, S. 50 ff; Kirchner, ZGR 85, 214 (216); Theisen DBW 88, 279 (280) 93 Schneider, BB 81, 249 (249); Rehbinder, S. 34,35 94 Timm, S. 1,2; Lutter, FS Stimpel, S. 825 (828); ders., FS Westermann, S. 347 (347); Beierstedt, S. 630 95 K. Schmidt, § 31 V 1, S. 808 89

IV. Konzernorganisation als Regelungsaufgabe

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abzugrenzen.96 Die Einrichtung mehrerer Organe und die Abgrenzung ihrer Zuständigkeitsbereiche gewährleistet die Sicherstellung einer effektiven Kontrolle und die Beschränkung von Macht durch Teilung.97 Im Konzern gilt diese Ordnung nicht. Dort werden Entscheidungen von der Verwaltung der Obergesellschaft allein getroffen. Denn die Ausübung von Beteiligungsrechten an anderen Unternehmen stellt eine Leitungsaufgabe dar, die grundsätzlich von der Verwaltung der Konzernobergesellschaft ausgeübt wird. 98 Die Alleinzuständigkeit der Verwaltung ist angemessen, solange vom Unternehmensverbund keinerlei Rückwirkungen auf die Obergesellschaft und deren Struktur ausgehen. Dies ist insbesondere bei rein kapitalistischen Beteiligungen der Fall. Betreibt die Obergesellschaft dagegen ihren Geschäftsbetrieb größtenteils in Tochtergesellschaften kann sich die Sichtweise ändern.99 Durch die konzernbedingte Machtverschiebung zugunsten des schon in der un verbundenen Aktiengesellschaft mächtigen Vorstandes gerät die Machtbalance zwischen den Organen der Aktiengesellschaft aus dem Gleichgewicht. Die Leitungsmaßnahmen des Vorstandes im Bereich der Tochter- und Enkelgesellschaften können sowohl vom Aufsichtsrat als auch von der Hauptversammlung der Konzernobergesellschaft weniger kontrolliert werden als in der unverbundenen Gesellschaft. 100 So ist das Auskunftsrecht im Hinblick auf Fragen, die die Untergesellschaft betreffen, erheblich eingeschränkt.101 Der Vorstand der Untergesellschaft wird auch nur mittelbar durch die Aktionäre der Obergesellschaft entlastet und die Investitionsentscheidungen im Konzern werden vom Vorstand der Obergesellschaft getroffen. Der in § 186 AktG geregelte Entscheidungsvorbehalt der Aktionäre über den Kreis der Gesellschafter kann tangiert werden, weil der Vorstand der Obergesellschaft autonom neue Gesellschafter in die Tochtergesellschaft aufnehmen kann.102 Als typisches Beispiel für die Ungleichgewichte, die sich aus der Überlagerung von Konzernstruktur und der Innenstruktur der Einzelgesellschaft ergeben, wird immer wieder die Beeinträchtigung des Gewinnanspruches der Aktionäre der Obergesellschaft durch die Entscheidungskompetenz ihres Vorstandes über die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften genannt.103

96

Großfeld, S.85 ff; Lutter, FS Westermann, S.347 (348,349) Lutter, FS Westermann, S. 347 (348) 98 Timm, S. 8; ders. AG 80, 172 (173); Lutter, FS Stimpel, S. 829 (831,834); Hirte, S. 156 99 Timm, AG 80, 172 (174); ders., S. 9 100 Hommelhoff, BFuP 86, 357 (367,368); Hirte, S. 155,156; Timm, AG 80, 172 (174) 101 vgl. OLG Köln, ZIP 85, 800 f 102 Hirte, S. 155,156; Timm, S. 9; Rehbinder, FS Coing, S. 421 (437,438) 103 Götz, AG 84, 85 (86); Hommelhoff, BFuP 86, 357 (368); Lutter, FS Westermann, S. 347 (352,353) 97

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Α. Einführung und Grundlagen

3. Lösungsansätze in der Literatur Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß die Probleme der Gewinnverwendungskompetenz im Konzern durch die Verwerfung der Kompetenzstruktur der unverbundenen Aktiengesellschaft aufgrund der wirtschaftlichen Einheit und rechtlichen Vielheit des Konzerns hervorgerufen werden. Als leistungsfähige und flexible Organisationsform wirtschaftlicher Tätigkeit104 unterscheidet sich der Konzern von anderen Formen partnerschaftlicher Kooperation hinsichtlich der rechtlichen Fragestellung im Zusammenhang mit seiner wirtschaftlichen Betätigung überhaupt nicht. Es muß auch bei ihm geklärt werden, wie es zu seiner Gründung kommt, wie seine Finanzierung erfolgen soll, welche Organe für ihn handeln, wie seine Gläubiger und Minderheitsgesellschafter geschützt werden und schließlich nach welchen Regeln er aufgelöst wird. 105 Wie diese komplexen und schwierigen Fragen zu beantworten sind, ist in der Literatur äußerst umstritten.106 Der Meinungsstreit wird unter den Stichworten „Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle" geführt. Die beiden Regelungsmechanismen setzen auf unterschiedlichen Stufen an.107 Die Konzernbildungskontrolle setzt, wie der Name bereits andeutet, bei der Bildung des Konzerns oder spätestens bei der Bildung eines qualifiziert faktischen Konzerns ein. Bei einem qualifiziert faktischen Konzern beeinflußt die Obergesellschaft ihre Tochtergesellschaft dauernd umfassend und führt diese nach einer oft benutzten Umschreibung wie eine unselbständige Betriebsabteilung.108 Die Vertreter einer Konzernbildungskontrolle wollen bereits die Entscheidung über die Bildung des Konzerns aus den Händen der Verwaltung nehmen und sie den Gesellschaftern der verbundenen Unternehmen überlassen. Nur dadurch könne die erforderliche Publizität der Konzernierungsmaßnahmen erreicht werden und die Gesellschafter könnten ihre Rechte und Interessen effektiv selbst schützen. Die nachfolgende Konzernleitungskontrolle könne sich dann auf die Unterbindung der gröbsten Mißbräuche beschränken.109 Die Gegenansicht spricht sich gegen einen Präventivschutz aus. Sie stellt die Schädigungsgesichtspunkte in das Zentrum der Definition des qualifiziert faktischen Konzerns und hält die Herbeiführung einer Konzernstruktur für legal. Erst 104 so Lutter, FS Stimpel, S. 825 (826); Timm, NJW 87,977 (977); Emmerich / Sonnenschein, § 4 I, S. 75 105 Lutter, FS Stimpel, S. 825 (827,828); ders., ZGR 87,324 (329,335); Schneider, BB 81,249 (249) 106 vgl. den Überblick bei. Deilmann, S. 89 ff, Ebenroth, S. 24 ff 107 Deilmann, S. 89 108 vgl. zur Definition : BGHZ 107, 7 (17,19 f); Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 16 109 Emmerich / Sonnenschein, § 1 III 3, S. 22; Emmerich, FS Stimpel, S. 743 (754); ähnlich Deilmann, S. 91 ff; Rehbinder, ZGR 83, 92 (99)

IV. Konzernorganisation als Regelungsaufgabe

27

die Durchsetzung nachteiliger Maßnahmen sei unzulässig. Von dieser Sichtweise gehe auch das Aktiengesetz 1965 in den §§ 311 ff aus. Das Gesetz gewähre bei der Bildung eines Konzerns nur einen Bestands- oder Konzernausgangsschutz, aber keinen prophylaktischen Schutz.110 Die weitestgehenden Konsequenzen aus der Konzernleitung zieht Hommelhoff, der aus § 76 I AktG in Verbindung mit dem Unternehmensgegenstand eine Konzernleitungspflicht des Vorstandes ableitet. Der Gesellschaftszweck wird danach für den Vorstand der Obergesellschaft zur Verhaltensmaxime. Er muß seine Leitungsbefugnisse zur aktiven Zweckverwirklichung im gesamten Unternehmen einsetzen.111 An dieser vereinzelt gebliebenen Meinung wird kritisiert, daß die zur Begründung der Konzernleitung im dezentralen Konzern herangezogene sogenannte Konzernierungserklärung de lege lata nicht ableitbar sei.112 Auch die starre Abgrenzung zwischen Beteiligungsverwaltung und Konzernleitung lasse sich nicht generell durchführen, da die tatsächlichen Einflußnahmemöglichkeiten nicht zwingend von der Beteiligungsquote abhänge und die Durchführung einer umfassenden Konzernleitungskontrolle in der Praxis kaum realisierbar sei.113 Schließlich fördere eine Konzernleitungspflicht die Konzentrationstendenzen der Wirtschaft, was wettbewerbspolitisch und volkswirtschaftlich gesehen nicht wünschenswert sei.114 Andere Autoren leiten keine Konzernleitungspflicht des Vorstandes aus § 76 AktG ab, sondern unterstellen eine originäre Leitungsmacht des Vorstandes der Obergesellschaft im Konzern, den sie als Kooperation sui generis ansehen.115 Sowohl bei der Bildung als auch bei gewichtigen Entscheidungen während des Bestandes des Konzernes sollen die bedeutenden Grundentscheidungen von einem Grundorgan des Konzerns gefällt werden, das nur in der Hauptversammlung der Obergesellschaft gefunden werden könne.116 Dabei soll die Mitwirkung des Grundorganes Hauptversammlung bei der Entschließung über die Konzernbildung der Vorrang vor einer reinen Konzernleitungskontrolle gebühren.117 Teilweise wird sowohl eine Konzernbildungs- als auch eine Konzernleitungskontrolle abgelehnt, da es an einer Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter der

110 111 112 113 114 115 1,6 117

Timm, NJW 87, 977 (983) Hommelhoff, S. 43 ff Rittner, AcP 183 (1983), 295 (300); Ebenroth, S. 27 Ebenroth, S. 27; v. Rechenberg, S. 149 Zöllner, Baumbach-Hueck GmbHG, Schluß. Anh. I Rn. 39 Lutter, FS Stimpel, S. 825 (830,831); Schneider BB 81, 249 (250) Lutter, FS Stimpel, S. 825 (832,833) Lutter, FS Stimpel, S. 825 (848)

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Α. Einführung und Grundlagen

Obergesellschaft fehle 118. Es ließen sich auch keine eindeutigen Kriterien finden, wann eine sogenannte Grundentscheidung vorliege. 119 Die hier behandelte Frage der Rücklagenbildung im Konzern betrifft die Konzernleitung und nicht die Konzernbildung.120 Die Gewährleistung einer Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei der Gewinnverwendungsentscheidung ist demzufolge ein Problem der Konzernleitungskontrolle.

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft Für die Rücklagenbildung im Konzern trifft § 58 II AktG, wie bereits dargelegt,121 keine Regelung.122 Bei der Lösung des Problems der Gewinnverwendung im Konzern muß dementsprechend von den Kompetenzen der Verwaltung einer selbständigen unverbundenen Aktiengesellschaft ausgegangen werden. Von diesem Vergleichsmaßstab sind die Kompetenzen gewissermaßen auf die Konzernebene zu transponieren. 123 1. Generelle Kompetenzverteilung In der unverbundenen Aktiengesellschaft grenzt das Aktiengesetz 1965 die Aufgaben und Zuständigkeiten von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung klar voneinander ab.124 Der Vorstand hat gem. §§ 76, 77 AktG in eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten und ist zur Geschäftsführung befugt. Durch den Aufsichtsrat wird gem. § 84 AktG der Vorstand bestellt, der auch dessen Geschäftsführung gem. § 111 AktG überwacht. Die Satzung kann gem. § 111 IV AktG bestimmen, daß bestimmte Geschäfte nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen. Die Hauptversammlung, in der die Aktionäre gem. § 1181 AktG ihre Rechte ausüben, beschließt gem. § 1191 AktG in den durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung gem. § 119 II AktG nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Der BGH 125 hat aus der zuletzt

118

Ebenroth, S. 38 ff; ders., AG 88, 1 (3,4); Beusch, FS Werner, S. 1 (8 ff); Sünner, AG 83, 169 (171,172) 119 Heinsius, ZGR 84, 383 (391) 120 Thomas, ZGR 85, 365 (376); Goerdeler, WPg 86, 229 (232) 121 vgl. A II 122 Werner, AG 90, 1 (9) 123 Goerdeler, WPg 86, 229 (232); Gollnick, S. 9,11 ff; Götz, AG 84, 85 (86) 124 Heinsius, ZGR 84, 383 (384) 125 BGHZ 83, 122 ff

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

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genannten Norm in der sogenannten Holzmüllerentscheidung eine Verpflichtung des Vorstandes zur Herbeiführung der Entscheidung der Hauptversammlung in bestimmten Fällen abgeleitet. Der Entscheidung ist der folgende Leitsatz126 vorangestellt: „Bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre, wie z.B. der Ausgliederung eines Betriebes, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildet, auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft, kann der Vorstand ausnahmsweise nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sein, gem. § 119 II AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen. " Die Entscheidung ist unterschiedlich aufgenommen worden.127 Einigkeit besteht aber unabhängig von der inhaltlichen Bewertung des Urteils darüber, daß es sich dabei um eine bedeutsame Rechtsfortbildung des Konzernrechts in Richtung der Entwicklung eines Konzernverfassungsrechts handelt.128 2. Kompetenzverteilung bei der Gewinnverwendung a) Geschichtliche Entwicklung Die Geschichte der Kompetenz zur Rücklagenbildung ist äußerst wechselhaft. 129 aa) ADHGB von 1861 Das ADHGB von 1861 enthielt innerhalb des zweiten Buches in dessen Dritten Teil Vorschriften über die Aktiengesellschaft. In Art. 209 Nr. 6 ADHGB 1861 wurde geregelt, daß die Grundsätze, nach denen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn auszuzahlen und zu berechnen war, durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt werden mußten.130 Die Regeln der Gewinnverwendung und auch der Bildung von Gewinnrücklagen konnten demnach je nach Gesellschaftsvertrag entweder insgesamt der Verwaltung oder der Generalversammlung zugewiesen werden oder unter diesen beliebig aufgeteilt werden.131

126

BGHZ 83, 122 (122, Leitsatz a.) zustimmend: Lutter, FS Stimpel, S. 825 (840,841); Großfeld / Brondics, JZ 82, 589 ff; i. E. auch Rehbinder, ZGR 83, 92 (99 ff); LG Frankfurt ZIP 93, 830 (832) ablehnend: Heinsius, ZGR 84,383 (388ff); Sünner, AG 83,169 ff; Semler, BB 83, 1566 (1570 ff); Beusch, FS Werner, S. 1 ff; kritisch auch Martens, ZHR 147 (1983), 377 (404 ff). 128 Heinsius, ZGR 84, 383 (390); Rehbinder, ZGR 83, 92 (98,99); Lutter, FS Stimpel, S. 825 (843) 129 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 3; ausführlich zur historischen Entwicklung: Kohl, S. 90 ff 130 vgl. Schubert, Protokolle zum ADHGB, Bd. 11 131 Kohl, S. 95 127

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Α. Einführung und Grundlagen

bb) ADHGB von 1897 Nachdem das ADHGB 1861 bereits 1870 und 1884 novelliert worden war 132, ohne aber die Regelungen der Gewinnverwendungskompetenz inhaltlich zu verändern, gab die Vereinheitlichung des Bürgerlichen Rechts durch das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. 8. 1896133 im Jahre 1897 auch Anlaß zu einer Gesamtnovellierung des ADHGB. 134 Durch die Novelle wurde die Generalversammlung als oberstes Organ der Gesellschaft anerkannt, dem aufgrund der vermögensmäßigen Berechtigung der Aktionäre alle wichtigen Entscheidungsbefugnisse zustehen sollten.135 In § 2601 ADHGB 1897 wurde erstmals geregelt, daß die Generalversammlung über die Genehmigung der Jahresbilanz, über die Gewinnverteilung und über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu beschließen habe. Die Gewinnverwendungskompetenz lag mit dieser Regelung erstmalig vollständig in den Händen der Generalversammlung und damit bei den Anteilseignern.136 cc) Notverordnung 1931 Hauptziel der Notverordnung von 1931137 war die Steigerung der Publizität und der Kontrolle der Verwaltung.138 An der Rechtsstellung des Vorstandes wurde nichts geändert. Auch die Gewinn Verwendungskompetenz blieb gem. § 1091 des Entwurfs weiterhin der Generalversammlung zugewiesen.139 dd) Aktiengesetz 1937 Mit dem Aktiengesetz 1937140 wurde die Hauptversammlung ihrer beherrschenden Stellung enthoben. Der Verwaltung wurde nicht nur das Recht und die Pflicht zur Aufstellung des Jahresüberschusses zugewiesen, sondern auch das Recht zu dessen Feststellung.141 Der Vorstand hatte gem. § 125 I AktG 1937 die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. In der Jahresbilanz waren gem. § 131 II AktG 1937 die Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen und Rückstellungen für das Geschäftsjahr vorzunehmen. Der Jahresabschluß bedurfte gem. § 125 II, III AktG 1937 der Billigung des Aufsichtsrates. Mit der Billigung durch den Aufsichtsrat galt der Jahresabschluß

132 133 134 135 136 137 138 139 140 141

vgl. zur Novelle 1870, Kohl, S. 95 ff; zur Novelle 1884, ders., S. 99 f RGBl., S. 195 f RGBl., S. 219 ff RGZ 73, 234 (236); Mestmäcker, S. 81; Kohl, S. 111 Kohl, S. 110 RGBl. I, S. 493 ff vgl. Kohl, S. 127 Schmölder, JW 29, 2090 (2091) RGBl., S. 107 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (329); Gollnick, S. 13

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

31

als festgestellt, sofern sich die Verwaltung nicht für eine Feststellung durch die Hauptversammlung entschied. Hinzu kam, daß die Verwaltung bei der Bewertung der Vermögensgegenstände nur an Höchstwerte und nicht an Mindestwerte gebunden war, so daß nahezu unbegrenzt stille Bewertungsreserven gebildet werden konnten.142 Außerdem wurde aus der Ermächtigung zur Bildung von Rücklagen in § 131 II AktG das Recht zur unbeschränkten Bildung freier Rücklagen abgeleitet.143 Aufgrund dieser Gesetzeslage stand sowohl die Art des Gewinnausweises als auch die Gewinnverwendung zur Disposition der Verwaltung. Die Verwaltung brauchte nur den Bilanzgewinn auszuweisen, der ihr gemessen an den Interessen des Unternehmens angemessen erschien. Die Aktionäre hatten keine Kenntnis von der wirklichen Ertragslage des Unternehmens und waren von der Gewinnverwendung ausgeschlossen.144 Das der Hauptversammlung gem. § 1261 AktG 1937 verbleibende Gewinnverteilungsrecht hatte nur noch formelle Bedeutung.145 Die massive Abkehr von der im ADHGB 1897 eingeführten Aktionärsdemokratie, die noch durch die Notverordnung 1931 gestärkt worden war, hatte ideologische Gründe. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme setzte sich das sogenannte „Führerprinzip" auch im Gesellschaftsrecht durch. Danach mußte an der Spitze eines Unternehmens ein „Führer" stehen, der das Unternehmen in Abkehr vom demokratischen Mehrheitsprinzip autoritär und verantwortlich leiten sollte.146 ee) Aktiengesetz 1965 Ein Hauptanliegen der Aktienrechtsreform von 1965 war es, durch Änderung der Bestimmungen über die Verwendung des Bilanzgewinnes und die Bildung von offenen und stillen Rücklagen den Einfluß der Aktionäre auf die erwirtschafteten Gewinne im angemessenen Umfang zu stärken.147 Die bisherige Regelung der Gewinnverwendungskompetenz wurde als unbefriedigend angesehen. Sie berücksichtige nicht genügend, daß die Verwaltung nur als Beauftragte der Aktionäre handele und daß die Bildung von Rücklagen die risikotragende Einlage der Aktionäre erhöhe.148 Das wirtschaftliche Eigentum der

142 143 144 145 146 147 148

Gollnick, S. 13; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (330) vgl. Fischer, Großkomm., 2. Aufl., § 52, Anm. 21 m. w. N. Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (330) Kohl, S. 146; Gollnick, S. 13 ausführlich zur historischen Entwicklung: Kohl, S. 132 ff Kropff, S. 15; Götz, AG 84, 85 (87) Kropff, S. 75

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Α. Einführung und Grundlagen

Aktionäre müsse stärker berücksichtigt werden.149 Auf der anderen Seite wurde erkannt, daß die Geschäfisplanung und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leiden kann, wenn die Verwaltung nicht im voraus weiß, welcher Teil des Jahresgewinnes den Rücklagen zugeführt werden kann.150 Wie ein angemessener Ausgleich der bei der Gewinnverwendungsentscheidung auftretenden widerstreitenden Interessen erfolgen sollte, war in den verschiedenen im Vorfeld des Gesetzesentwurfes eingesetzten Kommissionen und Arbeitsgemeinschaften äußerst umstritten.151 Relativ schnell einigte man sich auf das von Kronstein / Claussen152 postulierte Prinzip der „gläsernen Taschen", das eine vollständige Offenlegung der wirklichen Ertragslage und der wirklichen Erträge verlangte und damit die Bildung stiller Rücklagen verbot.153 Äußerst umstritten blieb aber das gleichzeitig von Kronstein / Claussen vertretene Prinzip der „geschlossenen Taschen",154 wonach die finanzielle Vorsorge für die Zukunft vornehmlich eine der Verwaltung obliegende legitime Aufgabe sei. Die Entscheidung über die Bildung offener Rücklagen sei deshalb der Verwaltung zu überlassen.155 Nach langen Debatten im Gesetzgebungsverfahren wurde schließlich in § 58 11 AktG mit der Halbierung der Entscheidungskompetenz ein echter Kompromiß zwischen den Interessen des Unternehmens und dem Ausschüttungsinteresse der Aktionäre gefunden. 156 b) Regelungsgehalt des § 58 AktG aa) Zusammenhang von bilanzieller Gewinnermittlung und Gewinnverwendung Die Hauptversammlung beschließt gem. § 17411 AktG über die Verwendung des Bilanzgewinnes, wobei sie gem. § 174 I 2, III AktG an den festgestellten Jahresabschluß gebunden ist. Durch den Begriff „Bilanzgewinn" wird gem. § 268 12 HGB der in § 266 III A V HGB verwandte Begriff „Jahresüberschuß" ersetzt, wenn der Jahresabschluß nach teilweiser oder vollständiger Ergebnisverwendung aufgestellt wird, wie es bei der Aktiengesellschaft wegen § 58 II AktG üblich

149

Kronstein / Claussen, S. 124; Pütz / Willgerodt, S. 102 Kropff, S. 75; Gollnick, S. 14, 15 151 ausführlich Kohl, S. 153 ff; Kronstein / Claussen, S. 125 ff 152 Kronstein / Claussen, S. 121 ff 153 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (330); Kronstein / Claussen, S. 131 154 der Begriff der "gläsernen und geschlossenen Taschen" wurde von Kronstein / Claussen selbst geprägt, S. 133 155 Kronstein / Claussen, S. 131 156 Goerdeler, WPg 86, 229 (234); Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (331); Kohl, S. 180 150

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

33

ist.157 Diese gesetzliche Kompetenzverteilung zeigt, daß die Regelungsbereiche der bilanziellen Gewinnermittlung und -Verwendung eng zusammenhängen und sich materiell nicht voneinander trennen lassen. Denn durch die Gewinnermittlung wird entschieden, welcher Betrag für die eigentliche Gewinnverwendungsentscheidung zur Verfügung steht.158 Es ist daher sinnvoll, Bilanzierungs- und Ausschüttungskompetenzen stets im Zusammenhang zu betrachten, da eine separate Untersuchung die Gestaltungs- und damit auch Manipulationsmöglichkeiten der Verwaltung bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresüberschusses außer acht ließe und deshalb die Probleme der Kompetenzverteilung innerhalb der Gewinnbeteiligung nicht voll erfassen würde. 159 Bei einer Aktiengesellschaft hat deren Vorstand als ihr gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 78 I AktG den Jahresabschluß gem. §§ 242, 264 HGB aufzustellen. Festgestellt wird der Jahresabschluß gem. § 172 S. 1 1. HS AktG im Regelfall, auf den sich auch § 58 II AktG bezieht, vom Vorstand und Aufsichtsrat. 160 Gem. § 172 S. 1 2. HS AktG können Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses auch der Hauptversammlung überlassen, die diesen dann gem. § 173 I AktG feststellt. Durch die Feststellung des Jahresabschlusses wird dieser für die Gesellschaft verbindlich und grundsätzlich unabänderbar.161 Bei der Bewertung steht der Verwaltung ein Ermessenspielraum zur Verfügung. Sie ist allerdings an die Bewertungsregeln der §§ 252 ff, 279 ff HGB gebunden, die über das Vollständigkeitsprinzip eine Unterbewertung verbieten und damit die Möglichkeit der Bildung stiller Reserven erheblich einschränken.162 Die rechnerische Größe, die sich als Ergebnis der Bewertung und Bilanzierung ergibt, wird gem. § 275 II Nr. 20 HGB „Jahresüberschuß" genannt und stellt den im Geschäftsjahr erzielten Gewinn vor der Ergebnisverwendung dar. 163 Rechnerisch wird dieser Bilanzposten gem. §§ 266 II, III, 275 II, III HGB ermittelt. 164 Ein Teil des Jahresüberschusses ist gem. § 150 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Gem. § 150 II AktG sind pro Jahr 5% des Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen, bis sie zusammen mit der Kapitalrücklage 10% des Grundkapitals erreicht. Die in die

157

Baumbach / Duden / Hopt § 268, Anm. 1 Gollnick, S. 11; Immmenga, S. 201; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. § 58 Rn. 7 159 Wagner ZGR 88, 210 (230); Niedernhuber, S. 243 ff 160 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 36; Kohl, S. 65 161 Claussen, Kölner-Komm. § 172 Rn. 2; Barz, Großkomm. § 58, Anm. 7 162 Hefermehl / Bungerotth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 4; Gollnick, S. 16; zur Unterbewertung i. V. m. dem Vollständigkeitsprinzip: H. P. Müller, FS Quack, S. 345 (350 ff) 163 Baumbach / Duden / Hopt § 275, Anm. 3 U; Gollnick, S. 16 164 Baumbach / Duden / Hopt § 275, Anm. 2; Kohl, S. 64 158

3 Frodermann

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Α. Einführung und Grundlagen

gesetzliche Rücklage einzustellenden Beträge stehen damit keinem Gesellschaftsorgan zur Disposition.165 bb) Kompetenz zur Rücklagenbildung Die Kompetenzen der einzelnen Gesellschaftsorgane zur Einstellung von Teilen des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen166 sind in § 58 I, II, III AktG geregelt. Die Absätze IIa, IV und V enthalten demgegenüber nur periphere Regelungen, die nicht die grundlegende Kompetenzverteilung bezüglich der Rücklagenbildung betreffen. 167 In dem seltenen Fay, daß die Hauptversammlung gem. § 173 I AktG den Jahresabschluß feststellt 168, kann durch die Satzung gem. § 58 I 1 AktG die Einstellung eines bestimmten Teiles des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen angeordnet werden. Aufgrund einer solchen Satzungsbestimmung können jedoch gem. § 58 12 AktG höchstens 50% des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt werden, wobei gem. § 58 I 3 AktG die gesetzliche Rücklage im Sinne des § 150 AktG und ein etwaiger Verlustvortrag vorher vom Jahresüberschuß abzuziehen ist. Die Regelung ist zwingend und gilt deshalb auch dann, wenn die Satzung einen höheren Anteil vorsieht. 169 Sie gewährleistet, daß die Verwaltung nicht durch die Satzung zur Rücklagenbildung gezwungen werden kann, andererseits kann die Hauptversammlung, wenn sie ausnahmsweise den Gewinn feststellt, durch die Satzung in einem Gewinnausweis beschränkt werden.170 Wenn Vorstand und Aufsichtsrat gem. § 172 S. 1 AktG den Jahresabschluß feststellen, können sie gem. § 58 II 1 AktG maximal die Hälfte des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen einstellen. Die Zuständigkeit der Verwaltung ist unabdingbar. Sie gilt unabhängig davon, welche Höhe die anderen Gewinnrücklagen bereits erreicht haben und stellt keine Verpflichtung der Verwaltung zur Rücklagenbildung dar. 171 Die Satzung kann die Verwaltung gem. § 58 II 2 AktG zur Einstellung von mehr als 50% des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen ermächtigen. In diesem Fall darf der die Hälfte des Jahresüberschusses

165

Gollnick, S. 16; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 1 zum Begriff: A II 167 Kohl, S. 71, zu den peripheren Regelungen, S. 69 ff 168 vgl. A V 2 b, aa 169 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 31 170 Kohl, S. 71 171 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 37; Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 26,34; Godin / Wilhelmi § 58, Anm. 3 166

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

35

übersteigende Teil gem. § 58 II 3 AktG aber nicht dazu führen, daß die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder übersteigen würden. Wird die in Satz 3 genannte Grenze überschritten, darf von der Satzungsermächtigung kein Gebrauch gemacht werden. Die Ermächtigung wird obsolet aber nicht unwirksam. Sobald die Rücklagen selbst oder ihr Anteil am Grundkapital, zum Beispiel durch eine Kapitalerhöhung, sinkt, findet die statuarische Ermächtigung wieder Anwendung.172 Seit der Grundsatzentscheidung des BGH 173 ist anerkannt, daß die Satzung auch die Ermächtigung zur Einstellung des gesamten Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen enthalten kann. Begründet wird dies damit, daß die Einführung einer in § 58 II 2 AktG nicht vorgesehenen Obergrenze die der Gesetzesauslegung gesetzten Grenzen überschreiten würde. 174 Der Hauptversammlung steht es schließlich gem. § 58 III 2 AktG frei, im Gewinnverwendungsbeschluß gem. § 174 I AktG weitere Beträge in die Gewinnrücklagen einzustellen oder als Gewinn vorzutragen. Die Satzung kann die Hauptversammlung gem. § 58 III 2 AktG auch zu einer anderen Verwendung ermächtigen, was in der Praxis allerdings eine geringe Rolle spielt.175 3. Interessengegensätze bei der Kompetenzverteilung Durch die Kompetenzverteilung bei der Verwendung des Jahresüberschusses einer Einzelgesellschaft wird ein Ausgleich zwischen typischerweise divergierenden Interessen geschaffen. 176 Der Aktiengesetzgeber von 1965 hat es bei der Abwägung der Interessen für mit der Eigentümerstellung der Aktionäre unvereinbar gehalten, der Verwaltung der Gesellschaft auch die Bestimmung über die Verwendung der erwirtschafteten Gewinne allein zu überlassen. Eines der zentralen Anliegen der Aktienrechtsreform war es deshalb, den Einfluß der Aktionäre in angemessenem Umfang zu berücksichtigen.177 An dieser Zielsetzung des Aktiengesetzgebers muß sich auch die Gestaltung der Ausschüttungsregelung bei Konzernverflechtungen orientieren. 178

172

Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 33; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 52 BGHZ 55, 359 ff 174 BGHZ 55, 359 (366); Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 42, zum Streitstand bis zum BGH-Urteil: dieselben, § 58 Rn. 40 ff 175 Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd.4 § 46 Rn. 17; Gollnick, S. 18 176 Kohl, S. 66; Wagner, ZGR 88, 210 (230); Gollnick, S. 19 177 Kropff, S. 15; Pick, S. 78 178 Pick, S. 79; ähnlich Gollnick, S. 28; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335) 173

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Α. Einführung und Grundlagen

Bei der Gewinnverwendungsentscheidung stehen sich Aktionärs-, Arbeitnehmer·, Gläubigerinteressen, Interessen der Allgemeinheit und Unternehmens- bzw. Konzerninteressen gegenüber.179 a) Arbeitnehmerinteressen Die Hauptinteressen der Arbeitnehmer eines Unternehmens bestehen darin, bei angemessenen Arbeitsbedingungen ein angemessenes Entgelt zu erhalten und einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Die Interessen der Arbeitnehmer divergieren jedoch innerhalb dieser Gruppe nach der Art der Tätigkeit, dem Lebensalter und der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit. Je qualifizierter die Tätigkeit, desto wichtiger wird das Interesse an einem angemessenem Entgelt. Mit steigendem Lebensalter steigt die Bedeutung der Arbeitsplatzsicherheit. Insgesamt haben die Arbeitnehmer ein Interesse an der Stabilität und dem wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens, weshalb sich ihre Interessen in der Regel im Hinblick auf die Gewinnverwendung mit dem Unternehmensinteresse dekken.180 b) Interesse der Allgemeinheit Eine allgemeingültige Definition des Interesses der Allgemeinheit ist wegen der Vielschichtigkeit des Begriffes kaum möglich.181 Streit besteht bereits darüber, ob ein wie immer definiertes Interesse der Allgemeinheit überhaupt unternehmensrechtlich relevant sein kann. Nach einer in der Unternehmensrechtskommission vertretenen Ansicht kann das öffentliche Interesse weder selbst ermittelt noch im Einzelfall konkretisiert werden. Spezielle öffentliche Interessen zu schützen, sei die Aufgabe staatlicher Organe auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen und nicht die Aufgabe der Unternehmensorgane.182 Gegen diese Sichtweise wird eingewandt183, die Interessen der Allgemeinheit seien nicht mit den öffentlichen Interessen gleichzusetzen. Letztere könnten allerdings nicht unternehmensrechtlich relevant werden. Anders sei dies mit den Interessen der Allgemeinheit. Die Allgemeinheit sei aus Gründen der gleichmäßigen Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu akzeptablen Preisen und der existentiellen Bedeutung von einigen Unternehmen für bestimmte Regionen an deren Erhaltung interessiert. Eine höhere Selbstfinanzierungsmöglichkeit diene diesem Interesse. Aber auch durch Wettbewerbs- und

179 180 181 182 183

vgl. Unternehmensrechtskommission, Rz. 124 ff; Pick, S. 50 Unternehmensrechtskommission, Rz. 126; Gollnick, S. 21 Unternehmensrechtskommission, Rz. 128 Unternehmensrechtskommission, Rz. 130 Unternehmensrechtskommission, Rz. 129

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

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kapitalmarktpolitische Effekte der Gewinn Verwendungskompetenzen werden die Interessen der Allgemeinheit berührt. Wettbewerbs- und kapitalmarktpolitisch werden gesteigerte Selbstfinanzierungsmöglichkeiten negativ beurteilt. Denn jede Ausdehnung der Kapitalansammlung führt zur Wiederanlage und damit zu einem höheren Verflechtungsgrad der Volkswirtschaft. Durch die Entstehung firmeninterner Kapitalmärkte erhöhen sich gleichzeitig die Marktzutrittshindernisse von neu am Kapitalmarkt auftretenden Unternehmen.184 Durch eine Beschränkung der Gewinnverwendungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft im Konzern steigt dessen Selbstfinanzierungsmöglichkeit 185. Dies entspricht dem Interesse der Allgemeinheit soweit die gesteigerte Selbstfinanzierung zur Erhaltung von Unternehmen erforderlich ist. Die negativen Wettbewerbs- und kapitalmarktrechtlichen Auswirkungen einer gesteigerten Selbstfinanzierung widerspricht dagegen den Interessen der Allgemeinheit.186 Das Interesse der Allgemeinheit an der Verteilung der Gewinnverwendungskompetenz im Konzern entspricht somit teilweise dem Unternehmensinteresse und teilweise den Aktionärsinteressen. c) Gläubigerinteressen Die Gläubiger eines Unternehmens verfolgen je nach Art und Umfang der Geschäftsbeziehungen unterschiedliche Interessen. Die Interessen der gegenwärtigen und der potentiellen Gläubiger eines Unternehmens werden in ihrer Funktion als Kreditgeber, Lieferanten, Abnehmer oder Versicherer betroffen. 187 Gemeinsames Interesse aller Gläubiger ist die Erhaltung und Stärkung des Unternehmens, damit dieses seine Zahlungs-, Abnahme-, Liefer- und sonstige Leistungsverpflichtungen erfüllen kann. Deshalb haben die Gläubiger kein Interesse an einer Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionäre, da dadurch das ihnen zur Verfügung stehende Haftungspotential verringert wird. Alle Gläubiger werden deshalb tendenziell an einer Begrenzung der Auschüttung interessiert sein.188 Dieses Interesse besteht allerdings nur hinsichtlich des Rechtsubjektes, zu dem rechtsgeschäftliche Beziehungen des Gläubigers bestehen. Ein Gläubiger der Konzernobergesellschaft kann ein großes Interesse daran haben, daß die erforderlichen Ausschüttungen in den Untergesellschaften vorgenommen werden, um die Kapitalbasis der Obergesellschaft und damit auch seine Haftungsmasse zu erhalten. Es besteht in diesem Fall ein Interessenkonflikt mit den Gläubigern der Untergesellschaft. 189

184 185 186 187 188 189

vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 86 / 87, Rz. 806,807; Gollnick, S. 26 vgl. Raiser, § 17, Rn.2 Monopolkommission, Hauptgutachten 86 / 87, Rz.806,807 Unternehmensrechtskommission, Rz. 127 Pick, S. 53; Gollnick, S. 21; Unternehmensrechtskommission, Rz. 127 Pick, S. 53

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Α. Einführung und Grundlagen

d) Aktionärsinteressen Die Aktionäre wollen durch Einsatz des eingebrachten Vermögens Erträge erzielen und ihr Vermögen in seiner Substanz erhalten und vermehren. 190 Die Interessen sind je nach Präferenz auf eine Maximierung des Einkommens oder des Vermögens gerichtet. Die Einkommensmaximierung zielt auf eine möglichst hohe Ausschüttung ab, während die Vermögensmaximierung auf eine größtmögliche Steigerung des Anteilswertes gerichtet ist.191 Welche Zielsetzung der einzelne Aktionär verfolgt, hängt überwiegend von der Art seiner Beteiligung ab. Während der Großaktionär meist ein großes Interesse daran hat, Gewinne im Unternehmen zu belassen, ist der Kleinaktionär eher an einer hohen Ausschüttung zur Vermehrung seines laufenden Einkommens interessiert.192 Was aber nicht ausschließt, daß auch der Kleinaktionär Daueranlagemotive haben kann.193 Dem Interesse an einer möglichst hohen Verzinsung des eingesetzten Kapitals kann auch durch die Bildung von Rücklagen entsprochen werden. Denn dadurch steigt der innere Wert der Aktie und damit tendenziell ihr Kurswert. Beim Aktionär tritt ein Vermögenszuwachs ein, den er durch den Verkauf der Aktien jederzeit zur Aufstokkung seines aktuellen Einkommens nutzen kann.194 Die Möglichkeit, die Aktien zu verkaufen, um dadurch einen durch die Thesaurierung entstandenen Vermögenszuwachs zu realisieren, entspricht den Interessen der Aktionäre zumindest dann nicht voll, wenn man ihnen das Recht auf eine Finanzierungsmitentscheidung in ihrer Gesellschaft zubilligt.195 Mißt man dem Entscheidungsrecht der Aktionäre aus § 58 II AktG diesen materiellen Gehalt zu und sieht darin nicht nur die Absicherung der ausschüttungsfähigen Mittel zugunsten der Aktionäre 196, so hat der Aktionär ein Interesse, frei über den Vermögenszuwachs bestimmen zu können. Er kann dann selbst entscheiden, ob er durch Einbehaltung von Erträgen ein zusätzliches Investment tätigen will, oder ob er eine Verwendung für konsumtive Zwecke vorzieht. Schließlich hat er die Möglichkeit, den ausgeschütteten Ertrag in eine mehr oder weniger risikoträchtige oder in eine erfolgversprechendere Anlage zu investieren.197 Angesichts dieser Möglichkeiten führt eine Rücklagenbildung, ohne ein materielles Entscheidungsrecht der

191 192 193 194 195 196 197

Unternehmensrechtskommission, Rz. 125; Pick, S. 51 Wöhe, S. 292; Gollnick, S. 21 Wöhe, S. 44 f; Pick, S. 51,52; Gollnick, S. 21 Pick, S. 52 Kohl, S. 68 so Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (337); ders., FS Westermann, S. 347 (352); Gollnick, S. 23 so aber Werner, FS Stimpel, S. 935 (946); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36,37) Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (337); Kohl, S. 68

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

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Aktionäre, zu einem „Zwangssparen" der Aktionäre 198, das deren Interessen und der gesetzgeberischen Intention nicht entspricht.199 Im Konzern tritt neben die Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft das Interesse der Minderheitsaktionäre der Untergesellschaft, daß es zu keiner bevorzugten Gewinnverteilung zugunsten der Mehrheitsaktionäre der Obergesellschaft kommt.200 Tendenziell gilt somit für die Gewinnverwendungsinteressen der Aktionäre in Einzelgesellschaften und insbesondere in Konzernen, daß sie ihre Einflußnahmemöglichkeiten auf die Ermittlung und Verwendung des Gewinnes ihrer Gesellschaft bei gleichzeitiger Einengung der Entscheidungskompetenzen anderer Unternehmensbeteiligter ausdehnen wollen.201 e) Unternehmens- und Konzerninteresse Die Anerkennung eines eigenen Unternehmensinteresses ist nicht selbstverständlich. Grundsätzlich können nur natürliche Personen Träger von Interessen sein. Nur sie sind in der Lage Willensziele, Wünsche und Begehren zu entwickeln und deren Befriedigung zielgerichtet zu verfolgen. 202 Deshalb ist die Anerkennung eines eigenständigen Unternehmensinteresses äußerst umstritten. Die Meinungen reichen von der Verneinung eines eigenständigen Unternehmensinteresses als eines rein narzistischen Interesses, das sich in sich selbst erschöpft 203, über die Einordnung des Unternehmensinteresses als Richtschnur für den Gesetzgeber bei der Gestaltung der verschiedenen Rechtsformen 204 und der Gleichsetzung des Unternehmensinteresses mit dem Interesse der Allgemeinheit205, bis zur Anerkennung des Unternehmensinteresses als grundsätzlich höherrangiges am Unternehmenszweck orientiertes Eigeninteresse des Sozialverbandes Unternehmen.206 Schließlich wird auch die Meinung vertreten, beim Unternehmensinteresse handele es sich um eine Art Parameter zur Lösung von Konflikten im Unternehmen, die sich aus den widersprüchlichen Einzelinteressen ergeben

198 199 200 201 202 203 204 205 206

zutreffend Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 6 zur Regelungsabsicht des Gesetzgebers, A V 2 a, dd Pick, S. 52 Pick, S. 52 Möhring, § 2 Β I, S. 24; Heck, AcP 112 (1914), 1 (11) Unternehmensrechtskommission, Rz. 136,137 Unternehmensrechtskommission, Rz. 134 Unternehmensrechtskommission, Rz. 136,137, mit weiteren Differenzierungen. Unternehmensrechtskommission, Rz. 139,140

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Α. Einführung und Grundlagen

können. Durch die Zusammenfassung und den Ausgleich der Einzelinteressen entstehe ein Gesamtinteresse, das dann das Unternehmensinteresse verkörpere. 207 Hinsichtlich der Gewinnverwendung hat der Gesetzgeber in § 58 II AktG die Verwaltung ermächtigt, den zur Bestandserhaltung erforderlichen Teil des Gewinnes einzubehalten. Diese Kompetenzzuweisung erfolgte, weil jedes im Wettbewerb stehende Unternehmen einen Teil seines Gewinnes einbehalten muß, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Rücklagenbildung erfüllt eine Kapitalsicherungsfunktion und erhält dadurch die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens.208 Gerade im Bereich der Gewinnverwendung erkennt der Gesetzgeber somit an, daß der Unternehmensleitung ein gewisser Finanzierungsspielraum zur Gestaltung und Verfolgung der Unternehmenspolitik zustehen muß, um das eigenständige Bestands- und Entwicklungsinteresse des Unternehmens abzusichern.209 In der Praxis wird die Verfolgung des Eigeninteresses des Unternehmens dadurch erleichtert, daß das Kapital der Aktiengesellschaft durch eine Vielzahl von Personen aufgebracht wird, die an der Unternehmensführung nicht beteiligt und zumeist auch nicht interessiert sind. Gleichzeitig wird das Unternehmen durch Personen, die keine oder nur eine sehr geringe Vermögensbindung zum Unternehmen haben, geleitet. Diese abstrakte Vermögensbindung in Verbindung mit dem Depotstimmrecht der Banken210 führt zu einer größeren faktischen Unabhängigkeit des^ Unternehmens, die es als ausschließlich eigeninteressiert erscheinen läßt.211 Trotz der Bejahung eines eigenen Unternehmensinteresses im Bereich der Gewinnverwendung darf nicht vergessen werden, daß die Rücklagenbildung — wie bereits aufgezeigt—den Bestand des Unternehmens unmittelbar betrifft und deshalb eine Grundlagenentscheidung darstellt212, über die nach der Konzeption des Aktiengesetzes grundsätzlich die Hauptversammlung und nicht die Verwaltung zu entscheiden hat.213 Der Verwaltung ist die Entscheidung über die Rücklagenbildung nicht als eigenes Recht des Rechtssubjektes Aktiengesellschaft oder als Organrecht, sondern als Recht des Unternehmens als Zusammenfassung aller gegenläufigen Interessen zugewiesen. Die Verwaltung ist lediglich das Organ der Aktiengesellschaft, das dem Unternehmensinteresse im Rechtsverkehr

207 Unternehmensrechtskommission, Rz. 138; ähnlich Möhring,, § 2 Β I, S. 25, zur Ableitung des Gesellschaftsinteresses aus dem Unternehmensinteresse, § 2 Β I 1, S. 25 f; vgl. auch Zöllner, S. 20 208 Kropff, S. 76; Godin / Wilhelmi § 58, Anm. 1 209 Monopolkommission, Hauptgutachten 86 / 87, Rz. 811; Gollnick, S. 20 210 zu diesem Aspekt Großfeld, S. 19 211 Kohl, S. 66,67; Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 3 212 Hommelhoff / Priester, ZGR 86,463 (500); Wiedemann, ZGR 75,385 (412); Gollnick, S. 22 213 Timm, S. 13; v. Rechenberg, S. 136; ausführlich Wiedemann, ZGR 75, 385 (411 ff)

V. Kompetenzverteilung in der unverbundenen Aktiengesellschaft

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Geltung verschaffen kann und muß.214 Bei der Umsetzung des Unternehmensinteresses im Rahmen der Selbstfinanzierungsentscheidung muß die Verwaltung darauf achten, daß die Eigenfinanzierung in einer gesunden Relation zur Fremdfinanzierung steht, eine operative Reserve zum Ausgleich zwischen guten und schlechten Jahren besteht und der Zuwachs des Eigenkapitals eine angemessene Rendite erbringt. 215 Außerdem sind die steuerlichen Aspekte der Rücklagenbildung zu berücksichtigen. Von Sonderfällen abgesehen216 ist der einbehaltene Gewinn einer Aktiengesellschaft gem. § 23 I KStG mit 50 % zu versteuern, während die ausgeschütteten Beträge gem. § 271 KStG lediglich mit 36 % und aufgrund des Anrechnungsverfahrens bei jedem Aktionär im Endergebnis nur mit der fur ihn geltenden Einkommenssteuergrenzbelastung besteuert werden.217 Das Unternehmensinteresse erfordert unabhängig von den steuerlichen Effekten eine vernünftige und konstante Dividendenpolitik, um das Vertrauen der Anleger in die Aktien zu erhalten, wodurch der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert wird. 218 Eine möglichst gleichbleibende Dividendenpolitik liegt auch im eigenen Interesse der Unternehmensleitung, da dadurch das Vertrauen der Aktionäre in die Geschäftsführung gestärkt wird und die Verwaltung sich nicht der Gefahr des Mißtrauensausspruches aussetzt.219 Im Konzern wird das Unternehmensinteresse der einzelnen Gesellschaften durch das sogenannte Konzerninteresse überlagert. Diese Überlagerung beeinträchtigt die Interessen sowohl der an den Tochtergesellschaften beteiligten Aktionäre als auch die Interessen der an der Obergesellschaft Beteiligten und führt zu den typischen Konzerngefahren. 220 Problematisch ist die Definition und Verwendung des Begriffes „Konzerninteresse" deshalb, weil das Gesetz ihn an keiner Stelle benutzt.221 Mailgels Rechtssubjektqualität des Konzernes können keine Interessen des Konzerns als solchem existieren. Der Konzern selbst hat keine Organe, keine Gläubiger und auch keine Arbeitnehmer, die ihre Interessen in ihm zielgerichtet verfolgen. 222 Zu einer rechtlichen und sozialen Handlungseinheit wird der Konzern erst durch die einheitliche Leitung. Diese stellt das konstitutive Merkmal des Konzerns als einer rechtlich gegliederten Organisationsform für Unternehmen

Niedernhuber, S. 97 ff; ähnlich Gollnick, S. 23; in diesem Sinne ist wohl auch die Begründung des Regierungsentwurfs zu verstehen, bei Kropff, S. 76 2,5 Huppert, S. 143,144 216 dazu Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 56 217 Pütz / Willgerodt, S. 89; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 56 218 diesen Aspekt betonen besonders: Werner, FS Stimpel, S. 935 (946,947); Goerdeler, WPg 86, 229 (235); H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (443) 219 Huppert, S. 144; Werner, FS Stimpel, S. 935 (946,947); Pick, S. 54 220 ausführlich Hommelhoff, S. 246 ff; Assmann, JZ 86, 881 (885) 221 Möhring, § 2, S. 21 222 vgl. A IV 1; ähnlich Schneider, BB 81, 249 (249); Möhring, § 2 Β II, S. 27

42

Α. Einführung und Grundlagen

dar. 223 Träger eines so definierten Konzerninteresses ist deshalb das herrschende Unternehmen, das die einheitliche Leitung ausübt. Das Konzerninteresse ist demnach als Interesse des herrschenden Unternehmens am wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns als Gesamtunternehmung zu definieren. 224 Durch die Konzernierung wird das in der unverbundenen Gesellschaft ausgewogene System des Interessenausgleichs zwischen allen Beteiligten umgestoßen.225 Die Konzernleitung verfolgt nicht mehr allein die Interessen der Obergesellschaft, sondern muß auch den Interessen der anderen an den verschiedenen Konzernunternehmen Beteiligten Rechnung tragen.226 Tendenziell verfolgt die Konzernleitung nicht so sehr die Interessen der Minderheitsaktionäre, der Gläubiger der Untergesellschaften und der Minderheitsaktionäre der Obergesellschaft, sondern primär die Interessen der Mehrheitsaktionäre der Obergesellschaft, da sie auf deren Vertrauen angewiesen ist.227 Im Interesse aller am Konzern Beteiligter hat die Konzernleitung für eine ordnungsgemäße Finanzierung des Gesamtkonzernes zu sorgen.228 Sie wird dabei bestrebt sein, Gewinne stets dort anfallen zu lassen und zu thesaurieren, wo es ihr aus steuerlichen, gesellschaftsrechtlichen und geschäftspolitischen Gründen im Konzerninteresse am günstigsten erscheint.229 Ob diese Interessenverfolgung bezogen auf die Rücklagenbildung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft unbeschränkt möglich ist, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.230 V I . Zwischenergebnis Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß die Verwaltung der Obergesellschaft durch eine Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften, die für die Einzelgesellschaft eindeutige Regelung des § 58 II AktG umgehen kann, ohne gegen den Wortlaut des § 58 II AktG zu verstoßen.231 Es wurde festgestellt, daß die Problematik der Gewinnverwendungskompetenz im Konzern auf den be-

223

Schneider, BB 81, 249 (249); Rehbinder, S. 57 ff Möhring, § 2 Β II, S. 27; Rehbinder, S. 236; ähnlich Begr. Reg.- Entwurf bei Kropff, S. 373; a. A. : Zöllner, S. 84 ff 225 Emmerich / Sonnenschein, § 1 III 3, S. 19 226 Goerdeler, WPg 86, 229 (232) 227 Pick, S. 54,55; Emmerich / Sonnenschein, § 1 III 3, S. 19 228 Goerdeler, WPg 86, 229 (232); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (28) 229 Emmerich / Sonnenschein, § 1 III 3, S. 20 230 vgl. A II 231 A l l 224

VI. Zwischenergebnis

43

reits im Ansatz höchst umstrittenen Fragen des Konzernorganisationsrechts beruht.232 Dabei stellte sich heraus, daß es materiell um den Schutz der Aktionäre der Konzernobergesellschaft geht, deren Schutzbedürftigkeit erst seit dem „Holzmüllerurteil" des BGH in der Rechtsprechung anerkannt ist. Die Entscheidung bestätigte die bereits in der Literatur vertretene Auffassung, daß die herkömmliche Betrachtungsweise eines von „unten nach oben" strukturierten Konzernrechts, von der der Gesetzgeber ausgegangen ist, nicht ausreicht, um alle schutzwürdigen Belange im Konzern genügend abzusichern. Das Konzernrecht muß deshalb zum Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft auch von „oben nach unten" gesehen werden.233 Als Ursache für die Entstehung der typischen Konzernprobleme und damit auch für die Gewinnverwendungsproblematik im Konzern wurden die Ungleichgewichte aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit und wirtschaftlichen Einheit des Konzerns gefunden. 234 Durch einen kurzen Überblick über die äußerst wechselhafte Geschichte der Thesaurierungskompetenz wurde aufgezeigt, daß es sich bei der in § 58 II AktG enthaltenen hälftigen Teilung der Entscheidungskompetenz zwischen Verwaltung und Hauptversammlung um einen echten Kompromiß gehandelt hat.235 Abschließend wurde festgestellt, daß eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern die vielschichtigen, sich teilweise überlagernden, größtenteils aber gegenläufigen Interessen berücksichtigen muß.236

232

A A A A

233 234 235

236

Α

IV 2 III IV V2

y 3

Β. Anwendung des § 58 I I A k t G im Konzern I. Überblick über den Meinungsstand Zu der ganz einfach anmutenden Frage, ob und wenn ja, wie der § 58 II AktG auf Konzernsachverhalte anzuwenden ist, werden eine Fülle von Meinungen in der Literatur vertreten. Eine obergerichtliche Entscheidung der Frage liegt, soweit ersichtlich, bisher noch nicht vor. Das Gesamtproblem der Rücklagenbildung im Konzern läßt sich in drei Fragen aufteilen, die aufeinander aufbauen.1 Es sind folgende Fragen zu stellen: (1) Ist § 58 II AktG auf den Konzernsachverhalt anwendbar? (2) Wenn § 58 II AktG anzuwenden ist, wie hat dies zu geschehen? (3) Welche Sanktionen greifen ein, falls § 58 II AktG im Konzern angewandt werden muß und nicht angewandt wird? Das Meinungsspektrum zu den soeben genannten Fragen ist derart vielgestaltig, daß keine Stellungnahmen zu finden sind, die bei der Beurteilung der verschiedenen Aspekte der Rücklagenbildung im Konzern völlig übereinstimmen. Es lassen sich lediglich drei grundsätzliche Meinungsrichtungen herausarbeiten.2 1. Verneinung einer konzernrechtlichen Anwendung des § 58 I I AktG Die engste und wohl herrschende Meinung verneint die Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern.3. Begründet wird diese Meinung in erster Linie mit dem Fehlen einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe das Problem gesehen und nicht für regelungsbedürftig gehalten. Bei Erlaß des AktG 1965 sei dem Gesetzgeber die Problematik der Unternehmensverbindungen und insbesondere das Problem der Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften bekannt gewesen.

1

wie hier Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (334); Goerdeler WPg 86, 229 (231) vgl. Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch Bd. 4, § 46 Rn. 11; Raiser, § 53, Rn.17 3 Werner AG 90, 1 (10 ff); ders., FS Stimpel, S. 935 (941 ff); Thomas ZGR 85, 365 (366 ff);G. Krieger Münch. Handbuch Bd. 4, § 69 Rn. 52; Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (437 ff); Goerdeler WPg 86, 229 (231ff);Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (27 ff); Beckmann DB 89. 940 (941 ff); A/D/S § 58 Rn. 87 f; Ebenroth, S. 44 ff; ders. AG 88, 1 (4); Η. P. Müller, FS Quack, S. 345 (346) 2

I. Überblick über den Meinungsstand

45

Diese Rücklagenbildung habe der Gesetzgeber- wie sich aus § 302 AktG ergebegeradefördern und nicht behindern wollen.4 Diese Sichtweise werde durch den Bericht des Rechtsausschusses5 bestätigt, in dem dieser hinsichtlich des durch das Bilanzrichtliniengesetz neu eingeführten § 58 IIa AktG ausführt, der neue Absatz IIa gelte, wie schon der Absatz II des § 58 AktG, nur für den Jahresabschluß der einzelnen Gesellschaft, so daß bei der Obergesellschaft entsprechende Entscheidungen in Tochtergesellschaften nicht berücksichtigt werden müßten.6 Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung, die zwar auch ohne eine Gesetzeslücke zulässig sei7, bestehe kein Bedarf, da es einen Anspruch der Aktionäre der Obergesellschaft auf den Gewinn der Untergesellschaft nicht gebe8 und die Konzernleitung bei der Rücklagenbildung vorrangig die Finanzierungsbelange des Gesamtkonzerns zu berücksichtigen habe. Bei einer Berücksichtigung der in der Tochtergesellschaft gebildeten Rücklagen würden in unzulässiger Weise Konzernbilanzierungselemente in den Einzelabschluß transponiert.9 Schließlich seien in der Unternehmenspraxis bisher noch keine Mißbräuche bekannt geworden, die eine Korrektur des § 58 II AktG durch eine Lückenausfüllung oder eine richterliche Rechtsfortbildung erforderlich machen könnten.10 2. Bejahung einer Anwendung des § 58 I I AktG im Konzern Die Gegenmeinungen bejahen eine unmittelbare11 oder analoge Anwendung12 des § 58 II AktG auf den Konzern, indem sie die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen bei der Rücklagenbildung in der Obergesellschaft rechnerisch berücksichtigen. Wie die Anrechnung oder Durchrechnung der in den Tochtergesellschaften vorgenommenen Thesaurierungen erfolgen soll, wird unterschiedlich beurteilt. Am weitestgehenden ist die Meinung, nach der die in den Untergesellschaften im

4 Werner AG 90, 1 (10); ders., FS Stimpel, S. 935 (941 ff); H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441) 5 BT-Drucks. 10/4268, S. 121 6 Werner AG 90, 1 (10) 7 Goerdeler WPg 86, 229 (233); Beckmann DB 89, 940 (942) 8 Thomas ZGR 85, 365 (378) 9 Goerdeler WPg 86, 229 (235); Beckmann DB 89, 940 (942); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33 f) 10 Werner, FS Stimpel, S. 935 (946); Thomas ZGR 85,365 (383); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36) 11 Kohl, S. 191 ff 12 Götz AG 84, 85 (93); Geßler, FS Meilicke, S. 18 (25 ff); ders. AG 85, 257 (259 ff); Gollnick, S. 88ff; ders. JA 92, 18 (20ff); Warschkow, S. 89 ff ; Theisen ZHR 156 (1992), 174 (182 ff)

46

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Abrechnungsjahr aus deren Jahresergebnissen gebildeten anderen Gewinnrücklagen vorab vom Jahresüberschuß der Konzernspitze gem. § 58 II 4 i. V. m. Abs. 1 S. 3 AktG abgezogen werden sollen.13 Nach anderer Ansicht soll die für erforderlich gehaltene Anrechnung nicht durch einen Vorwegabzug der in den Untergesellschaften gebildeten Rücklagen, sondern mit Hilfe einer Durchrechnung erfolgen. Dabei sollen Mutter- und Tochtergesellschaften im Hinblick auf § 58 AktG eine Einheit bilden.14 Die Durchrechnung selbst wird verschieden durchgeführt. Teilweise wird zur Feststellung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft von der Hälfte des Jahresüberschusses der Obergesellschaft aüsgegangen. Auf den sich daraus ergebenden Betrag wird die Hälfte der in den Tochtergesellschaften bereits gebildeten Rücklagen angerechnet.15 Die andere Berechnungsmethode geht nicht vom Jahresabschluß der Obergesellschaft aus, sondern macht den sogenannten Konzernjahresüberschuß, der sich aus der Konsolidierung aller Jahresüberschüsse ergibt, zur Berechnungsgrundlage. Die Hälfte des Konzernjahresüberschusses soll nach dieser Lösung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft unterfallen. Daraus folgt, daß die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenz in der Muttergesellschaft voll angerechnet wird. 16 Die verschiedenen Ausgangspunkte der Berechnung führen aber rechnerisch zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen.17 Umstritten ist zwischen den einzelnen Vertretern einer Anrechnung der Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften, ob Verluste einzelner Untergesellschaften und konzerninterne Zwischengewinne bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft berücksichtigt werden sollen. Zum Teil wird ein Verlust in Tochterunternehmen als nicht anrechnungsfähig angesehen, da im faktischen Konzern ein Jahresfehlbetrag der Untergesellschaft, anders als in den Fällen des § 291 AktG, in denen das Ergebnis der Muttergesellschaft automatisch gemindert wird, auf den Jahresabschluß der Obergesellschaft keinen Einfluß habe. Der Fehlbetrag vermindere nur das Jahresergebnis der Untergesellschaft im Folgejahr. Der Verzicht auf eine Anrechnung des Verlustes führe dazu, daß die Verwaltung und die Hauptverwaltung der Obergesellschaft je zur Hälfte über den sogenannten Verlustgegenwert, der sich aus dem Betrag ergebe, um den der Gesamtgewinn höher sei als

13 14

85 (93) 15 16 17

Gollnick, S. 172 ff ; ders. JA 92, 18 (23) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (26 f); ders. AG 85, 257 (261 0; Kohl, S. 196ff; Götz AG 84, Götz AG 84, 85 (93) Kohl, S. 197; Geßler FS Meilicke, S. 18 (27) klarstellend Geßler AG 85, 257 (261 FN. 52); Kohl, S. 197 FN. 21

I. Überblick über den Meinungsstand

47

der Gesamtgewinn eines fiktiven Einzelunternehmens, verfügen könnten.18 Die Gegenmeinung will die Verluste in Tochtergesellschaften vom Konzernjahresüberschuß, nach dem sich der Thesaurierungsspielraum berechnen soll, abziehen. Denn diese Verluste seien den Verlustvorträgen aus eigenen vorangegangenen Jahresabschlüssen wesensähnlich, da sich beide nicht aus den Rechnungsperioden der Aktiengesellschaft ergäben.19 Ein ähnlicher Streit besteht auch bei den konzerninternen Zwischengewinnen. Nach einer Meinung handelt es sich bei diesen um nicht am Markt realisierte Erträge. Würde ein Konzernjahresüberschuß ohne Herausrechnung dieser Zwischengewinne als Berechnungsgrundlage für die Anwendung des § 58 II AktG herangezogen, bliebe der Hauptversammlung der Obergesellschaft eine größere Thesaurierungskompetenz als in einer Einheitsgesellschaft. Um dies zu verhindern, sei als maßgeblicher Jahresüberschuß der konsolidierte Konzernjahresüberschuß heranzuziehen, aus dem konzerninterne Zwischenergebnisse gem. §§ 304, 305 HGB eliminiert seien.20 Die Gegenmeinung spricht sich gegen eine Berücksichtigung der Zwischengewinne bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenz aus, weil die Verwaltung im Jahr der Zwischengewinnentstehung über die nicht realisierten Gewinne tatsächlich verfügen könne. Bei einer Berücksichtigung der Zwischengewinne wäre, wie bei der Berücksichtigung von Verlusten der Tochtergesellschaften, die paritätische Gewinnverwendung aufgehoben. Eine dem Einheitsunternehmen entsprechende Gewinnrealisierung sei erst im Zeitablauf zu realisieren. 21 Die Sanktionen, die eine Nichtbeachtung des an den Konzerntatbestand angepaßten § 58 II AktG nach sich ziehen soll, sind unter den Vertretern der Anrechnungsmodelle ebenfalls umstritten. Der überwiegende Teil der Literatur befürwortet die Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Obergesellschaft gem § 256 I Nr. 4 AktG. Wenn die gesetzliche Wertung des § 58 II AktG umgangen werde, müsse die zum Schutz der wichtigsten Rechte der Hauptversammlung angeordnete klare Rechtsfolge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses eintreten.22 Nach anderer Ansicht soll keine Nichtigkeit gem. § 256 I Nr. 4 AktG bei einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern eintreten, wenn die Konzernleitung ihre Thesaurierungskompetenz überschreitet. Die Anknüpfung der Nichtigkeitsfolge an Sachverhalte, die was die Einfachheit und Klarheit ihrer Beurteilung angeht, so weit von der Ausgangslage der unverbundenen Aktiengesellschaft

18

Gollnick, S. 141, 142; i. E. ebenso Götz AG 84, 85 (93) Kohl, S. 234 f 20 Kohl, S. 235 f 21 Gollnick, S. 159 22 Geßler, FS Meilicke, S. 18 (27); Götz AG 84, 85 (93); Gollnick, S. 165, 186 dieser aber unter Hinweis auf die Anwendung des "control-Konzepts", S. 166 19

48

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

entfernt seien, sei nicht systemkonform. Denn die Nichtigkeit des Jahresabschlusses setzte eine klare Rechtsverletzung voraus.23 Einigkeit besteht unter den Vertretern einer Anrechnung, den Aktionären der Obergesellschaft in analoger Anwendung der §§ 258 ff AktG das Recht auf eine Sonderprüfung zuzubilligen. Die Sonderprüfiing ermögliche den Aktionären, sich gegen die durch eine Unterbewertung unzulässigerweise entstandenen stillen Reserven zur Wehr zu setzen. Durch die Bildung stiller Reserven betreibe die Verwaltung eine unzulässige Selbstfinanzierung und enthalte erwirtschaftete Erträge der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung vor. Bei einem Verstoß gegen die Regeln der Rücklagenbildung liege ebenfalls ein Eingiff in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung vor. Die Interessenlage sei demnach vergleichbar. In entsprechender Anwendung des § 261 AktG seien im nächsten Jahresabschluß Gewinnrücklagen in Höhe der Verletzung der Thesaurierungskompetenz aufzulösen, über die die Hauptversammlung dann beschließen dürfe. 24 3. Modifizierte Anwendung des § 58 I I AktG Eine vermittelnde Ansicht befürwortet eine mittelbare Anwendung des § 58 II AktG. Danach kann die Verwaltung der Obergesellschaft den Jahresabschluß ohne Beachtung des Konzernabschlusses bei Anwendung des § 58 II AktG wirksam feststellen, sie darf es aber nicht, ohne ihre Pflicht zur korrekten Geschäftsführung zu verletzten. Dies sei die flexiblere Lösung, die den komplexen Strukturen und Verwerfungen der Unternehmensverbindungen eher gerecht würde.25 Lutter sieht die Pflicht der Verwaltung der Obergesellschaft damit nicht mehr, wie in seinen ersten Überlegungen zu dem Thema, darin, für eine volle Verlagerung der Jahresüberschüsse der Tochtergesellschaften auf die Obergesellschaft zu sorgen.26 Die sogenannte Pflichtenlösung befürwortet, wie ein Teil der Anhänger einer direkten Durchrechnung 27, die Eliminierung von Zwischenergebnissen aus dem für die Gewinnverwendungskompetenz entscheidenden Jahresüberschuß der Obergesellschaft. 28 Als Sanktion lehnen die Vertreter dieses Lösungsansatzes eine

23

Kohl, S. 240 ff, 243 Kohl, S. 245 f, Götz AG 84, 85 (93); Gollnick, S. 187 25 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338 f); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 41; zustimmmend Hefermehl/Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 8; Warschkow, S. 114 f; ähnlich Timm, S. 190 ff.; ders. AG 80, 172 (184) 26 so noch Lutter, FS H. Westermann, S. 347 (362) 27 Kohl, S. 235 28 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) 24

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

49

Nichtigkeit gem. § 2561 Nr. 4 AktG ab, da diese Rechtsfolge nicht auf die komplexen Sachverhalte im Konzern passe.29 Befürwortet wird dagegen aufgrund bereits beschriebenen Interessengleichheit bei der Unterbewertung und einer pflichtwidrigen Rücklagenbildung eine analoge Anwendung der Regelungen über die Sonderprüfung gem. §§ 258 ff AktG. Außerdem wird dem einzelnen Aktionär das Recht eingeräumt, aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens der Konzernleitung eine Unterlassungs- oder Feststellungsklage zu erheben. Auch eine Anfechtung des Entlastungsbeschlusses soll den Aktionären gem. § 243 AktG offen stehen.30

I I . Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 I I AktG im Konzern Der Überblick über die zur Anwendung des § 58 II AktG im Konzern vertretenen Meinungen hat gezeigt, daß in dieser Frage stark differierende Auffassungen bestehen. Auf Fehlern und Widersprüchen in der jeweiligen Argumentation können die unterschiedlichen Ergebnisse nicht allein beruhen. Sie sind vielmehr auf unterschiedliche methodische Ansätze und Interessenbewertungen oder auf ein differierendes Gesetzesverständnis zurückzuführen. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Problems ist jede Stellungnahme dem Verdacht ausgesetzt, das aus dem rechtspolitischen Standpunkt des jeweiligen Autors — das heißt seinem Vorverständnis — gewonnene Ergebnis nachträglich juristisch begründen zu wollen. Dieser Verdacht kann nur durch eine methodisch umfassende und lückenlose Argumentation, die alle Gesichtspunkte berücksichtigt, die für oder gegen einen Lösungsweg sprechen, ausgeräumt werden.31 Um die verschiedenen Meinungen werten zu können, muß ihre methodische Begründung untersucht werden. In der Methodenlehre wird überwiegend zwischen zwei Stufen der Gesetzesinterpretation unterschieden, der Auslegung und der Rechtsfortbildung. 32 Die Methodenlehre hat sich mit den zwei zentralen Fragen zu beschäftigen, wann eine Auslegung vorliegt und wann eine Rechtsfortbildung und unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsfortbildung zulässig ist.33 Bei der Unterscheidung muß berücksichtigt werden, daß Auslegung und Rechtsfortbildung nicht wesensverschieden, sondern nur verschiedene Stufen 29

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (344); Warschkow, S. 115 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (346 ff) 31 ähnlich Kohl, S. 32 f unter Berufung auf Alexy, S. 293 32 Wank ZGR 88, 314 (316); Larenz, S. 351; Canaris, S. 24 f; Bydlinski, S. 474 ff; kritisch: Hesselberger, FS Kellermann, S. 153 (158) 33 Wank ZGR 88, 314(316) 30

4 Frodermann

50

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

eines einheitlichen gedanklichen Verfahrens sind.34 Bei allen Divergenzen in Einzelfragen besteht Übereinstimmung in der Literatur, daß für die Rechtsfortbildung gegenüber der Auslegung zusätzliche Voraussetzungen vorliegen müssen, weshalb der methodisch erste Schritt der Gesetzesinterpretation die Auslegung sein muß.35 «

1. Auslegung a) Ziel der Auslegung Gegenstand der Auslegung ist der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes der gesetzlichen Regelung. Die Auslegung ist nach ihrem ursprünglichen Wortverständnis die Darlegung des im Text enthaltenen, aber noch gleichsam verhüllten Sinnes.36 Ziel der Auslegung kann nur die Ermittlung des Gesetzessinnes sein, wie er sich aufgrund der heutigen Interpretation des Gesetzes durch Rechtsprechung und Literatur darstellt. Auszugehen ist allerdings von der Wertentscheidung des historischen Gesetzgebers, die anhand der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse fortzudenken und fortzuentwickeln ist.37 Soll die Auslegung nicht dem Gutdünken des Auslegenden überlassen bleiben, so bedarf es bestimmter Auslegungskriterien, nach denen der Auslegende sich richten muß.38 Der herkömmliche Auslegungskanon unterscheidet, bei teilweise abweichender Terminologie, zwischen der grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Auslegung.39 Wenn Gegenstand der Auslegung nur der Gesetzestext sein kann, muß die Auslegung im Hinlick auf die Fragen der Gewinnverwendung im Konzern bei § 58 II AktG ansetzen.40 b) Argumente für eine konzernrechtliche

Auslegung des § 58 II AktG

Eine vereinzelte Literaturmeinung kommt nach Anwendung des oben dargestellten Auslegungskanons zu einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern.41 Dabei wird der subjektiv historischen Auslegung eine Schlüsselrolle

34 35 36 37 38 39 40 41

Larenz, S. 351; Hesselberger, FS Kellermann, S. 153 (158) Wank ZGR 88, 314 (316); Larenz, S. 351; Kohl, S. 36 Larenz, S. 299; Wank ZGR 88, 314 (317) Larenz, S. 304; Wank ZGR 88, 314 (317) Larenz, S. 305; Kohl, S. 36 so bereits v. Savigny, S. 212 ff; Larenz, S. 305; F. Müller, S. 198; Kohl, S. 36 Kohl, S. 40 Kohl, S. 40 ff

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im K o n z e r n 5 1

zugewiesen.42 Die Wortauslegung setzt beim Begriff „Jahresüberschuß" in § 58 II AktG an und kommt nach einigen grundsätzlichen sprachlichen Überlegungen zu dem Schluß, daß nach den quasi definitorischen Vorschriften der §§ 266,275 HGB mit „Jahresüberschuß" derjenige der einzelnen Kapitalgesellschaft gemeint sei.43 Damit sei der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Jahresüberschuß" aber nicht erschöpft. Aus den §§ 290 ff HGB und insbesondere aus § 298 HGB, der die §§ 266, 275 HGB auf die Konzernrechnungslegung für anwendbar erklärt, schließt Kohl, daß der Sprachgebrauch des Aktiengesetzes unter dem Jahresabschluß nicht zwingend denjenigen der Einzelgesellschaft versteht. Damit ergäben sich aus der Wortauslegung verschiedene Bedeutungsalternativen, so daß allein diese Auslegung zur Konkretisierung des Normzwecks des § 58 II AktG nicht ausreiche.44 In systematischer Hinsicht zieht Kohl aus der Tatsache, daß auch das Aktiengesetz, insbesondere in den §§ 15 ff AktG, Regelungen für Konzerne enthält, den Schluß auf die Möglichkeit einer konzernbezogenen Anwendung des § 58 II AktG.45 Auch die systematische Stellung des § 58 II AktG im 3. Teil des 1. Buches unter der Überschrift „Rechtsverhältnisse der Gesellschafter und der Gesellschaft" führe nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 58 II AktG auf den Konzernsachverhalt, da dieser Teil des 1. Buches ein historisch zu erklärendes Sammelbecken für die verschiedenartigsten Regelungen sei, wozu auch konzernrechtliche Normen gehörten.46 Die teleologische Auslegung, deren Ausprägung die systematische Auslegung nach Kohls Ansicht letztendlich ist, ergebe, daß die konzernrechtlichen Vorschriften, die sich mit der Rücklagenbildung befassen, insbesondere die §§ 300, 301 S. 1,3021 AktG, überwiegend die Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften tendenziell begünstigen. Im Fall des § 304 II 1 AktG wirkten sie der Rücklagenbildung allerdings entgegen.47 Daraus schließt Kohl, daß auch die systematische und teleologische Auslegung nicht unmittelbar gegen eine konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG sprechen.48 Über die von ihm vertretene subjektiv-historische Auslegung, die er aufgrund der Unergiebigkeit der anderen Auslegungsmethoden für die Entscheidung über

Kohl, Kohl, Kohl, Kohl, Kohl, Kohl, Kohl,

S. 79 ff S. 43 S. 43 ff S. 55 S. 52 ff S. 77 S. 77

52

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

die Anwendung des § 58 II AktG im Konzern für maßgeblich hält49, kommt Kohl zu einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern. Die Frage der Gewinnverwendungskompetenzen sei eines der meistdiskutierten Problemfelder der Aktienrechtsreform von 1965 gewesen.50 Mit der 50 % Regelung in § 58 II AktG sei ein echter Kompromiß gefunden worden, der im Zusammenhang mit der Einschränkung der Zulässigkeit stiller Reserven zu sehen sei. Aus dieser historischen Betrachtung folge, daß jede Auslegung des § 58 II AktG, die im wirtschaftlichen Ergebnis die Kompetenz der Hauptverwaltung zur Bestimmung über die Hälfte des Jahresüberschusses wieder beeinträchtige, dem im Gesetzgebungsverfahren gefundenen Kompromiß die Grundlage entziehe.51 Deshalb gebiete die historische Auslegung des § 58 II AktG, diese Vorschrift in einer Weise anzuwenden, die die Stellung einer Aktiengesellschaft als Konzernobergesellschaft angemessen berücksichtige.52 c) Stellungnahme Der Wortsinn des Gesetzestexts, der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen ist, bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung. Damit kommt dem Wortlaut des Gesetzestexts eine doppelte Aufgabe zu, er ist Ausgangspunkt der Sinnermittlung und steckt zugleich die Grenze der Auslegungstätigkeit ab.53 Der Begriff „Jahresüberschuß" in § 58 II AktG, an dem Kohl die Wortauslegung zutreffend anknüpft, ist mit dem Konzernjahresüberschuß nicht gleichzusetzen. Der Konzernabschluß, aus dem sich der Konzernjahresüberschuß berechnet, ersetzt nicht die Einzelabschlüsse der Konzerngesellschaften. Er tritt vielmehr als besonderer Abschluß der größeren Wirtschaftseinheit Konzern selbständig neben die Einzelabschlüsse der Konzernunternehmen und wird nicht durch eine bloße Addition der Einzelabschlüsse ermittelt.54 Durch die Einführung des Bilanzrichtliniengesetzes ist der sogenannte Maßgeblichkeitsgrundsatz des Einzelabschlusses für den Konzernabschluß durchbrochen worden. Es bestehen selbständige Bewertungstatbestände für den Konzernabschluß, denen im Einzelabschluß nichts Entsprechendes gegenübersteht. Deshalb weichen der Konzernabschluß und der Einzelabschluß nach neuem Recht noch stärker voneinander ab.55

49

Kohl, S. 79 ff, 86 ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte des AktG 1965: Kohl, S. 150 ff 51 Kohl, S. 193 52 Kohl, S. 195 53 Larenz, S. 307; F. Müller, S. 185 54 Havermann, WP-Handbuch 85 / 86, Bd, I, S. 719; Beckmann DB 89,940 (942); E. Müller DB 85, 241 (245) 55 E. Müller DB 85, 241 (241) 50

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

53

Mit der Konzernrechnungslegung werden auch andere Ziele verfolgt als mit den Einzelabschlüssen der Konzerngesellschaften. Nur der Einzelabschluß zeigt den Aktionären den verteilbaren Gewinn ihrer Gesellschaft an. Der Konzernabschluß gewährt den Aktionären dagegen wesentliche Zusatzinformationen, indem er den Aktionären ein zuverlässiges Bild von der Vermögens- und Ertragslage des Konzerns vermittelt. 56 Diese bilanzrechtliche Aufgabenzuweisung zeigt, daß der Konzernjahresüberschuß qualitativ etwas anderes ist als der Jahresabschluß der Einzelgesellschaft, der die Grundlage der Gewinnverwendungsentscheidung gem. §§ 58 II, 174 I AktG bildet.57 Nach dem eindeutigen Worts inn des Begriffs „Jahresüberschuß" in § 58 II AktG bezieht sich dieser demnach auf den Jahresüberschuß der Einzelgesellschaft und nicht auf den Konzernjahresüberschuß. Der Verweis in § 298 HGB auf § 266 HGB hat nur eine bilanztechnische und keine materiell-rechtliche Bedeutung.58 Der mögliche Wortsinn bildet nach allgemeiner Meinung in der Methodenlehre die Grenze der Auslegung.59 Über den Spielraum, den der Wortlaut läßt, darf nur herausgegangen werden, wenn der Text nachweislich fehlerhaft oder mißverständlich ist.60 Nur soweit der mögliche Wortsinn und der Bedeutungszusammenhang Raum für verschiedene Deutungen lassen, ist eine Auslegung möglich und zulässig.61 Umstritten ist lediglich, ob es eine Wortbedeutung an sich, unabhängig vom Kontext gibt62, oder ob sich der maßgebliche Wortsinn immer aus der heutigen teleologisch-juristischen Wortbedeutung ergeben kann.63 Nach beiden Ansichten ist für eine Auslegung des § 58 II AktG als Regelung der Gewinnverwendung im Konzern kein Raum, da § 58 II AktG sich sowohl bei Schaffung des AktG 1965 als auch aus heutiger Sicht nur auf die Gewinnverwendungskompetenz der Einzelgesellschaft bezieht und in dieser Hinsicht eine klare und unmißverständliche Regelung trifft. 64 In systematischer Hinsicht stützt Kohl seine Argumentation im wesentlichen darauf, daß sich auch im Ersten Buch des Aktiengesetzes Regelungen über verbundenen Unternehmen finden. 65 Die von Kohl zitierten Vorschriften und ins-

56 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33); Beckmann DB 89,940 (942);: Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (183); Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (63) 57 vgl. Thomas ZGR 85, 365 (378); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33 f) 58 E. Müller DB 85, 241 (247); Thomas ZGR 85, 365 (377) 59 Larenz, S. 329; Wank ZGR 88, 314 (316 f); F. Müller, S. 184 f 60 F. Müller, S. 185 61 Larenz, S. 329 62 so Larenz, S. 304 63 so Wank ZGR 88, 314(318) 64 ähnlich Thomas ZGR 85, 365 (377) 65 Kohl, S. 55

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

besonders der § 56 II AktG, der wie der § 58 II AktG zum Dritten Teil des Ersten Buches gehört, knüpfen an eine auf die Einzelgesellschaft bezogene Regelung an und beziehen diese Regelung ausdrücklich auf die abhängige Gesellschaft. Eine solche Ausdehnung des Regelungsbereichs auf die Tochtergesellschaften oder eine Zurechnung der in der abhängigen Gesellschaft durchgeführten Maßnahmen enthält § 58 II AktG aber gerade nicht. Auch die systematische Auslegung spricht damit gegen eine Auslegung des § 58 II AktG, die zu seiner Anwendung im Konzern führt. Kohl mißt der historischen Auslegung für die Auslegung des § 58 II AktG die entscheidende Bedeutung zu.66 Danach ist § 58 II AktG so auszulegen, daß im wirtschaftlichen Ergebnis bei verbundenen Unternehmen kein größerer Thesaurierungsspielraum der Verwaltung entstehen darf als bei der unverbundenen Gesellschaft. Wie Kohl selbst einräumt,67 hat der Gesetzgeber das Problem der Außerkraftsetzung der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung im Konzern nicht bedacht.68 Der Gesetzgeber hat demnach weder entschieden, daß § 58 II AktG im Konzern nicht gelten soll, noch hat er sich für eine wie immer geartete Anwendung ausgesprochen. Wenn der Auslegende von der Zwecksetzung des historischen Gesetzgebers ausgeht, diese in ihrer Konsequenz weiter durchdenkt und die Gesetzesbestimmungen an ihr ausrichtet, geht er über den als historisches Faktum verstandenen „Willen des Gesetzgebers" hinaus.69 Ein Wertungsprozeß dieser Art stellt eine Rechtsfortbildung dar, die an weitere Voraussetzungen geknüpft ist.70 Die von Kohl vertretene Auslegung des § 58 II AktG überschreitet demnach den möglichen Wortsinn der Norm und ist deshalb methodisch unzulässig. 2. Rechtsfortbildung Die bisher zu der Anwendbarkeit des § 58 II AktG ergangenen Stellungnahmen diskutieren die Frage deshalb folgerichtig, wenn auch mit äußerst unterschiedlichen Ergebnissen, als Problem der Rechtsfortbildung. 71 Auch wenn die Gesetzesauslegung die erste Aufgabe des Rechtsanwenders ist, so hat sich diese darin noch nie erschöpft. Die Befugnis der Rechtsprechung, das Recht fortzubilden, ist seit langem anerkannt und wird von den Gerichten wie 66

Kohl, s. 79 ff Kohl, S. 194 68 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (331) 69 Larenz, S. 318 70 Wank ZGR 88, 314 (316); Canaris, S. 25 71 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (31 f); Goerdeler WPg 86,229 (232ff); Beckmann DB 89,940 (941); Gollnick, S. 79 ff; Werner, FS Stimpel, S. 935 (942 ff); Warschkow, S. 94 ff 67

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

55

selbstverständlich in Anspruch genommen.72 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in der grundlegenden sogenannten Soraya-Entscheidung73 kann die Aufgabe der Rechtsprechung es erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollständig zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens an das Licht zu bringen und in ihren Entscheidungen zu realisieren. 74 a) Arten der Rechtsfortbildung

und ihre Voraussetzungen

Da die grundsätzliche Befugnis der Rechtsprechung zur Rechtfortbildung allgemein anerkannt ist, stellt sich für die Methodenlehre die zentrale Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen der Rechtsfortbildung im Einzelfall. 75 In der Literatur werden verschiedene Ansätze zur Beantwortung dieser Frage vertreten. Für die sogenannte hermeneutische Theorie ist die Zulässigkeit der Rechtfortbildung ein reines Interpretationsproblem 76. Methodisch gesehen ermittelt der Rechtsanwender, wie bei der Auslegung, den Sinn des Gesetzes. Das Ergebnis des Wertungsvorganges ist bei der Auslegung allerdings eine bestimmte Anwendung des Gesetzes und bei der Rechtsfortbildung die Feststellung einer Gesetzeslücke. Wird eine Regelungslücke festgestellt, ist das Gericht zur Ausfüllung der Lücke verpflichtet. Aus diesem Grund ist Rechtsfortbildung bei Vorliegen einer Gesetzeslücke immer zulässig.77 Für die Feststellung der Lücke genügt deshalb nicht die bloße negative Feststellung, daß die neu gewonnene Regelung nicht im Widerspruch mit den Wertungen des Gesetzes steht. Es ist vielmehr das positive Urteil erforderlich, daß die gesetzliche Regelung eine planwidrige Unvollständigkeit enthält.78 Eine Lücke liegt danach bei einer planwidrigen Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts gemessen an der gesamten Rechtsordnung vor. 79 Nach der hermeneutischen Theorie soll eine Rechtsfortbildung unter engen Voraussetzungen aber auch dann zulässig sein, wenn keine Lücke festgestellt werden kann. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein neues Rechtsinstitut geschaffen werden soll oder eine neue Rechtsmaterie geregelt werden soll. Diese gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung soll sich

72 73 74 75 76 77 78 79

Larenz, S. 351; Hesselberger, FS Kellermann, S. 153 (153, 156); Ott, S. 320 BVerfGE 34, 269 ff BVerfGE 34, 269 (287) Wank ZGR 88, 314 (319); Hesselberger, FS Kellermann, S. 153 (158) Larenz, S. 351 ff; Bydlinski, S. 474 ff; Engisch, S. 138 ff Larenz, S. 351 ff, Bydlinski, S. 474 ff Canaris, S. 37; Larenz, S. 357, 360 Canaris, S. 39; Larenz, S. 355

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

nicht mehr an der ratio legis der einzelnen Norm, sondern an den allgemeinen Prinzipien der Rechts- und Verfassungsordnung orientieren. 80 Die Verwendung desselben Lückenbegriffs wird von der sogenannten verfassungsrechtlichen Theorie der Rechtsfortbildung 81 kritisiert, da die daraus entwickelten Zulässigkeitsvoraussetzungen keine klaren Maßstäbe zur Absicherung der Zuständigkeit des Gesetzgebers biete.82 Die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung richtet sich nach dieser Auffassung entscheidend nach dem Gewaltenteilungsprinzip83. Eine vermittelnde kombiniert hermeneutisch-verfassungsrechtliche Theorie84 versucht die hermneutische und verfassungsrechtliche Theorie zu kombinieren. Die Lückenfeststellung selbst soll durch Interpretation des Gesetzes, wie bei der hermeneutischen Theorie, erfolgen. Eine wirksame Beschränkung der Rechtsfortbildung sei durch die Lückenfeststellung aber nicht zu erreichen. Die Frage, ob und wie eine festgestellte Lücke auszufüllen sei, sei verfassungsrechtlich auf der Grundlage des Gewaltenteilungs-, Rechtsstaats- und Demokratieprinzips zu beantworten.85 Unabhängig davon, welchem methodischen Ansatz man folgt, läßt sich feststellen, daß der Lückenbegriff im Rahmen der Rechtsfortbildung eine zentrale Stellung einnimmt. Eine Rechtsfortbildung ohne eine Lücke in der gesetzlichen Regelung darf nur erfolgen, sofern schwerwiegende Gründe dies erfordern 86. Methodisch empfiehlt es sich deshalb, die zur Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern vorgetragenen Argumente im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorliegen einer Regelungslücke darzustellen. b) Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung aa) Argumente für das Vorliegen einer Regelungslücke Götz87 bejaht eine Regelungslücke. Er begründet diese damit, daß eines der Hauptanliegen der Aktienrechtsreform 1965 war, durch Änderung der Bestimmungen über die Verwendung des Bilanzgewinns und die Bildung von

80

ausführlich Larenz, S. 397 ff Koch / Rüssmann, S. 254 ff; F. Müller, S. 89 ff 82 kritisch insoweit auch Wank ZGR 88, 314 (319) 83 Koch / Rüssmann, S. 254 ff; F. Müller, S. 89 ff 84 Wank ZGR 88, 314 (320 ff); ders., S. 82, 257 85 Wank ZGR 88, 314 (321 ff) 86 Larenz, S. 352, 397 ff; auch Ott, S. 320 definiert die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung ähnlich, obwohl er den Lückenbegriff für überflüssig hält, S. 318, 319 FN. 955 87 Götz AG 84, 85 (86 f) 81

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

57

offenen und stillen Reserven den Einfluß der Aktionäre auf die erwirtschafteten Gewinne in angemessenem Umfang zu stärken. Angesichts dieser Sachlage sei es unangemessen, der Verwaltung zu erlauben, durch Reservebildung auf der Ebene der Konzernuntergesellschaft den eindeutigen Gesetzeszweck zu unterlaufen. Der Gesetzgeber habe offenbar das sich aus der Konzernierung ergebende Schutzbedürfnis der Aktionäre der Konzernobergesellschaft nicht erkannt, weshalb eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vorliege88. Auch Hefermehl / Bungerodt plädieren aufgrund der konzernrechtlichen Gefährdung der Gewinnverwendungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft für eine Beschränkung der Verwaltungskompetenzen aus Sinn und Zweck des § 58 II AktG 89. Aus der Überlegung, daß § 58 II AktG einen Kompetenzund Interessenkonflikt zwischen Verwaltung und Hauptversammlung regele und bei einer Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften nicht beachtet zu werden brauche, bejahen Adler / Düring / Schmaltz90 eine Regelungslücke. Denn es sei bedenklich, daß der Vorstand der Obergesellschaft es in der Hand habe, ob eine Norm, die einen ihn direkt betreffende Kompetenzkonflikt regele, im Einzelfall anwendbar sei. Timm91 bejaht eine Regelungslücke, da die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften sich wirtschaftlich genauso auswirke wie eine Rücklagenbildung in der Obergesellschaft und deshalb ebenfalls einer Regelung bedürfe. Auch Lehertshuber92 sieht eine Lücke im geltenden Aktienrecht, da die Verwaltung der Obergesellschaft ihre Kompetenzen aus § 58 II AktG faktisch mehrfach nutzen und damit den Gewinnanspruch der Aktionäre verkürzen könne. Aus ähnlichen Erwägungen wollen Lee93 und Warschkow94 Thesaurierungen in anderen Konzerngesellschaften berücksichtigen. Denn bei einer wortgemäßen Anwendung des § 58 II AktG werde dem Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft nicht ausreichend Rechnung getragen. Geßler95 bejaht für den Fall eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit einer 100 % Tochtergesellschaft eine verdeckte Regelungslücke. Der § 58 II AktG stehe im Dritten Teil des Ersten Buchs des Aktiengesetzes über die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter. Sie treffe deshalb auf die unverbundene Aktiengesellschaft, nicht aber auf die in einem vertraglichen Konzern Verhältnis stehende Konzerngesellschaft zu. § 58 II AktG sei

88 89 90 91 92 93 94 95

Götz AG 84, 85 (87) Hefermehl / Bungerodt, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 8 A / D / S § 58 Rn. 86 Timm, S. 174 f Lehertshuber BFuP 86, 326 (332); ders. DB 89, 1534 (1535) Lee, S. 124 Warschkow, S. 95 Geßler AG 85, 257 (260)

58

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

deshalb im Vertragskonzern nur eingeschränkt anwendbar. Sinn und Zweck des § 58 II AktG sei es, im Widerstreit der Interessen der Verwaltung an einer angemessenen Selbstfinanzierung der Gesellschaft und den Interessen der Aktionäre an einer angemessenen Dividende für einen gerechten Ausgleich zu sorgen. Im Vertragskonzern seien die Gesellschaften wirtschaftlich gesehen als Einheit anzusehen. Die Selbstfinanzierung der Untergesellschaft sei nur formal und habe nur für das Außenverhältnis Bedeutung. Bei dieser Sach- und Rechtslage entspreche es nicht dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG, daß die Verwaltung sowohl in der Obergesellschaft als auch in der Untergesellschaft die Hälfte des jeweiligen Jahresüberschusses in die Rücklagen einstellen könne. § 58 II AktG sei deshalb der materiellen Rechtslage entsprechend im Konzern anzupassen. Gollnick bejaht, ebenso wie Geßler, eine verdeckte Regelungslücke.96 Seiner Ansicht nach besteht die Regelungslücke aber nicht nur beim Vertragskonzern sondern auch beim faktischen Konzern. Es bestehe kein nachvollziehbarer Grund, den faktischen Konzern hinsichtlich der Gewinnverwendungskompetenz der Verwaltung zu privilegieren und dadurch zu einer weiteren Verbreitung der ohnehin umstrittenen Organisationsform beizutragen97. Auch Gollnick argumentiert mit den der Aktienrechtsreform 1965 zugrundeliegenden Wertungen und der ratio legis des § 58 II AktG 98. Der Gesetzgeber habe es für seine allgemeine Aufgabe gehalten, die Aktionäre der einzelnen Gesellschaften angemessen zu schützen. Bei diesem Schutz habe er nicht zwischen den Aktionären verbundener und unverbundener Aktiengesellschaften unterscheiden wollen. Der Schutz der Minderheitsaktionäre werde insbesondere durch die §§ 304, 305, 311 ff AktG gestärkt. Auch der § 58 II AktG solle die Rechte der Aktionäre stärken. Eine die Aktionäre der Konzernobergesellschaft schützende Regelung enthalte er allerdings nicht, weshalb eine verdeckte Regelungslücke vorliege. Für Lutter kann das „Ob" der Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern von der Funktion und dem Rechtsgedanken der Norm aus gesehen nicht in Frage stehen99. Die Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Hauptversammlung sei vom Gesetzgeber in § 58 II AktG für die unverbundene Aktiengesellschaft geregelt worden. Fragen des Konzerns hätten weder im positiven noch im negativen Sinn eine Rolle gespielt100. Bei den Untergesellschaften handele es sich um ausgegliedertes Vermögen der Obergesellschaft. Die Gewinne der Untergesellschaft seien deshalb ausgegliederte Erträge der Obergesellschaft. Da die Verwaltung der Obergesellschaft auf diese Erträge Einfluß nehmen könne, gebe es keine vernünftige Erklärung dafür, weshalb die Verwaltung die offen zu Tage tretende Funktion des

96 97 98 99 100

Gollnick, S. 94 Gollnick, S. 98 Gollnick, S. 99 ff Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338) Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 39

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im K o n z e r n 5 9

§ 58 II AktG mißachten dürfe, nur weil sie dieses Vermögen nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar verwalte101. Wer dagegen glaube, § 58 II AktG nur auf die Einzelgesellschaft bezogen interpretieren zu können, müße dem Gesetz und dem Gesetzgeber mindestens Resignation, wenn nicht gar Zynismus unterstellen; denn die als Zentrum der Aktienrechtsreform 1965 gedachte, zwingende Norm stünde dann in Wirklichkeit zur Disposition der Verwaltung und damit dem Organ zu, dessen Befugnisse durch die Norm gerade eingeschränkt werden sollten.102 bb) Argumente gegen das Vorliegen einer Regelungslücke Die wohl herrschende Meinung in der Literatur verneint eine Regelungslücke im Hinblick auf die Thesaurierungskompetenz im Konzern.103 Am ausführlichsten hat sich Werner mit dem Problem der Regelungslücke bei § 58 II AktG befaßt. 104 Ausgehend vom Wortlaut des § 58 AktG und den mit ihm im Zusammenhang stehenden Vorschriften über das Gliederungsschema der Gewinn- und Verlustrechnung105 verneint er das Vorliegen einer Regelungslücke. Das Gliederungsschema beziehe sich sowohl auf Gesellschaften, die Gewinne nachgeordneter Gesellschaften vereinnahmen, als auch auf nachgeordnete Konzernunternehmen. Für beide Kategorien sehe das Gliederungsschema die Möglichkeit vor, aus dem Jahresüberschuß offene Rücklagen zu bilden. Diese Gesetzeslage zeige, daß der Gesetzgeber offenbar nicht daran gedacht habe, nachgeordnete Konzerngesellschaften hinsichtlich der Möglichkeit, offene Rücklagen zu bilden, abweichend von sonstigen Unternehmen zu behandeln.106 Auch Beckmann107 schließt aus der Verwendung der Begriffe „Jahresabschluß, Teil des Jahresüberschusses, Vorstand, Aufsichtsrat und Satzung", daß § 58 AktG nur die Verhältnisse in der Obergesellschaft regeln wolle und andere Gesellschaften, auch wenn sie mit der Obergesellschaft eng verbunden seien, nicht erfasse. Werner räumt selbst ein, daß die reine Wortlautargumentation vordergründig sei und untermauert seine Auffassung mit konzernrechtlichen Vorschriften. 108 Insbesondere aus den §§ 301,302 AktG ergebe sich, daß der Gesetzgeber die Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften nicht behindern, sondern fördern wolle.

101

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335 f) Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (337) 103 Überblick bei A / D / S § 58 Rn. 84 f; Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch Bd. 4, § 46 Rn. 11-13 104 Werner, FS Stimpel, S. 935 (941 ff); ders. AG 90, 1 (10 ff) 105 vgl. § 157 AktG a. F.; § 275 HGB i. V. m. § 158 AktG n. F. 106 Werner, FS Stimpel, S. 935 (941) 107 Beckmann DB 89, 940 (942) 108 Werner , FS Stimpel, S. 935 (941) 102

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

§ 301 AktG schreibe vor, daß freie Rücklagen109, die vor Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages gebildet wurden, nicht zum Zweck der Gewinnabführung aufgelöst werden dürfen. Gemäß § 302 I AktG sei ein während der Vertragsdauer entstehender Jahresfehlbetrag nur abzugleichen, soweit dieser nicht durch Entnahmen aus freien Rücklagen ausgeglichen werde.110 Würde man angesichts dieser Gesetzeslage bei einer Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften das Recht der Verwaltung zur Rücklagenbildung einschränken, so liefe dies zumindest faktisch auf eine Beschränkung oder Behinderung der Rücklagenbildung in den Untergesellschaften hinaus. Denn die Verwaltung der Obergesellschaft wäre in diesem Fall darauf bedacht, ihre eigene Dispositionsbefugnis für die Dotierung der Rücklagen aufrechtzuerhalten und nicht durch Rücklagenbildungen in den Tochtergesellschaften zu schmälern.111 Der Auffassung Werners stimmt Η. P. Westermann ausdrücklich zu.112Der Gesetzgeber habe nicht nur die Möglichkeit zur Rücklagenbildung auf jeder Stufe des Konzerns gesehen, sondern sogar positive Vorkehrungen geschaffen, durch die dem Konzernvorstand ein gewisser Entscheidungsspielraum gesichert werden solle. Dies lasse sich schon rein äußerlich daraus schließen, daß die aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften nicht unterschieden, ob die Gesellschaft ihren Gewinn an die Obergesellschaft abführe, oder ob eine Gesellschaft Gewinne selbst vereinnahme.113 Auch Westermann stützt seine Argumentation zusätzlich auf § 302 I AktG. Anders als Werner räumt er allerdings ein, daß aus § 302 I AktG nicht unbedingt die Berechtigung zu einer Rücklagenkumulation auf allen Ebenen des Konzerns abzuleiten sei. Eine irreversible Bindung von Mitteln im Vermögen der Tochtergesellschaft widerspräche aber dem § 302 I AktG. Eine ausschließliche Thesaurierung in der Obergesellschaft verbunden mit dem Zwang, alle Gewinne der Tochtergesellschaften aus diesen abzuziehen, würde im faktischen Konzern eine nachteilige Maßnahme gegenüber den abhängigen Gesellschaften darstellen.114 Werner und Westermann sehen ihre Auffassung durch die Entstehungsgeschichte des Bilanzrichtliniengesetzes bestätigt.115 Im Bericht des Rechtsausschusses116 sei hervorgehoben worden, daß § 58 AktG in seinem neuen Absatz IIa, ebenso wie bisher schon Absatz II, nur für Entscheidungen über den

110 111 112 113 114 115 116

nach n. F. als "andere Gewinnrücklagen" bezeichnet; vgl. A II Werner, FS Stimpel, S. 935 (942) Werner AG 90, 1 (10) Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441) Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441) Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (442) Werner AG 90, 1 (10); Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441 fN. 98) BT-Drucks. 10 / 4268, S. 124

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

61

Jahresabschluß der Gesellschaft gelte, so daß bei der Muttergesellschaft entsprechende Entscheidungen in den Tochtergesellschaften nicht zu berücksichtigen seien. Dieses Petitum des Gesetzgebers sei nicht wie eine beliebige Rechtsmeinung zu werten. Wenn der Gesetzgeber eine Norm trotz der aktuell bestehenden Möglichkeit zur Neufassung nicht ändere, weil er seine Ziele durch die bestehende Regelung bereits verwirklicht sehe, so sei genau diegleiche Situation gegeben, als ob er die Norm mit der aktuell geäußerten Ansicht bei ihrem Erlaß begründet hätte.117 Ebenroth118 geht davon aus, daß sich ein konzernrechtlicher Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft erübrige, da bereits nach bestehendem Recht im unverbundenen Unternehmen gem. § 58 II 2, III AktG weitgehende Thesaurierungsmöglichkeiten bestünden, gegen die sich ein Minderheitsaktionär nicht wehren könne. Durch das Bilanzrichtliniengesetz sei das Schutzbedürfnis noch weiter verringert worden. Denn der ab 1990 vorgeschriebene Konzernabschluß für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland gem. §§ 300 ff AktG müsse nach der angelsächsischen Methode erstellt werden. Dadurch würden die stillen Reserven aufgedeckt und die Rücklagen der Tochtergesellschaften in der Konzernbilanz ausgewiesen. Müller 119 weist in diesem Zusammenhang daraufhin, daß aufgrund des Bilanzrichtliniengesetzes die Ergebnisse des Konzernabschlusses erheblich von denjenigen der Einzelabschlüsse abweichen. Daraus ergebe sich die Gefahr einer nachhaltigen Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns. Angesichts der geringen Eigenkapitaldecke deutscher Konzerne und der Beeinträchtigung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit plädiert Müller rechtspolitisch sogar für eine völlige Abschaffung des § 58 AktG zugunsten des Prinzips der „gläsernen aber geschlossenen Taschen".120 Auch Beusch121 verneint die Existenz einer Regelungslücke unter Hinweis auf die seit langem rückläufige Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen und der Verantwortung der Konzernleitung für die Konzernfinanzierung. Eine Ausdehnung des § 58 II AktG auf den Konzern sei weder vom Gesetzgeber gewollt noch lasse sie sich mit den vorhandenen Mitteln des Rechnungswesens in einer rechtlich nachvollziehbaren Weise durchführen. So sei eine Durchrechnung der Rücklagen in allen Konzerngesellschaften im Sinne einer Addition der Einzelabschlüsse aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse des Konzernabschlusses und der Einzelabschlüsse nicht möglich. Auch der zeitliche Ablauf der

1,7

A / D / S § 58 Rn. 87; Werner AG 90, 1 (10); J. H. Geßler, AktG-Komm., § 58 Rn. 18 Ebenroth AG 88, 1 (4) 119 E. Müller DB 85,241 (247) 120 E. Müller DB 85, 241 (247); zum Begriff: Kronstein / Claussen, S.133; vgl. bereits A V 2 a,dd 121 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (28 fï) 118

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Konsolidierung und der Dividendenflüsse der Tochtergesellschaften unterlägen Regeln, die teilweise von der Konzernleitung nicht beeinflußbar seien. Schließlich könne die Planung und Kontrolle des komplizierten Rechnungswerks eines Konzernabschlusses aus sachlichen und zeitlichen Gründen nicht zur Disposition der Hauptversammlung der Konzernobergesellschaft gestellt werden.122 Beusch stimmt Müller zu, daß aufgrund des neuen Bilanzrichtliniengesetzes auch ohne eine entsprechende Anwendung des § 58 II AktG die Gefahr einer nachhaltigen Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns bestehe. Eine zusätzliche konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG sei deshalb erst recht nicht vertretbar. 123 Beckmann hält bei der Rücklagenbildung zunächst die Finanzierungsbelange des Gesamtkonzerns, für dessen wirtschaftliche Funktionsfähigkeit die Verwaltung der Konzernobergesellschaft die Verantwortung übernommen habe, für ausschlaggebend.124 Auch Goerdeler 125 spricht sich aus ähnlichen Gründen gegen eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern aus. Bei der Rücklagenbildung in der abhängigen Gesellschaft komme es auf deren Belange als selbständiges Unternehmen an. Angesichts dieser Ausgangslage sei die Einbeziehung der in der Tochtergesellschaft gebildeten Rücklagen in die „Gesamtrechnung" bei der herrschenden Gesellschaft rechtlich und wirtschaftlich falsch. Denn der Vorstand könne nicht einerseits zur Vermeidung von Nachteilen in der abhängigen Gesellschaft gehalten sein, dort für eine Rücklagenbildung zu votieren, die er andererseits bei der Obergesellschaft selbst in die „Gesamtrechnung" einbeziehen müßte. Thomas126 verneint eine Regelungslücke, da das Gesetz nicht unvollständig sei. § 58 AktG regele den Umfang der Entscheidungsbefugnis der Verwaltung unterliegenden Thesaurierung mit mathematischer Genauigkeit. Die gesetzliche Regelung sei klar und vollständig, weshalb es methodisch gesehen nicht um eine Lückenausfüllung, sondern allenfalls um einerichterliche Rechtsfortbildung gehen könne, bei der zu prüfen sei, ob die Anwendung des lückenfreien Gesetzes in der Praxis zu unerträglichen Rechtsfolgen führe.

122 123 124 125 126

Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36) Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34) Beckmann DB 89, 940 (942) Goerdeler WPg 86, 229 (236) Thomas ZGR 85, 365 (377)

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

63

c) Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung oder Rechtsfortbildung contra legem? Unabhängig davon, wie man die Frage nach der Regelungslücke beantwortet, bedeutet die Verneinung der Regelungslücke in methodischer Hinsicht noch nicht die Beendigung der Prüfung. 127 Diejenigen, die eine Regelungslücke verneinen, prüfen deshalb zumeist konsequent anschließend die Voraussetzungen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung und lehnen auch diese ab.128 Die Grenze gesetzèsûbersteigender Rechtsfortbildung liegt dort, wo eine Antwort im Rahmen der geltenden Rechtsordnung mit spezifisch rechtlichen Erwägungen allein nicht mehr gefunden werden kann. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte rechtspolitische Entscheidung erforderlich wäre, die im demokratischen Rechtsstaat nur der Gesetzgeber treffen kann. Die Bindung des Richters an Recht und Gesetz gem. Art. 20 GG beschränkt die Rechtsfortbidung. Wird diese Grenze überschritten, liegt eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem vor. 129 Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet das Willkürverbot als entscheidende Schranke der zulässigen Rechtsfortbildung. 130 Es setzt im Gegensatz zur herrschenden Lehre immer eine Gesetzeslücke für eine zulässige Rechtsfortbildung voraus.131 Dafür werden die Anforderungen an den Lückenbegriff von ihm jedoch sehr weit gefaßt. 132 Der Richter muß lediglich einsichtig machen können, daß das geschriebene Recht seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Dierichterliche Entscheidung schließe dann die so begründete Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den fundierten Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft. 133 Eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem liegt nach dieser Auffassung dann vor, wenn einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigem Gesetz eine entgegengesetzte Bedeutung beigemessen wird oder nur aus rechtspolitischen Gründen eine Lücke angenommen wird. 134 An der Zulässigkeit der Rechtsfortbildung bestehen danach, trotz aller Streitigkeiten um den Lückenbegriff, keine Zweifel, wenn eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes festgestellt werden kann. Es kann aber, entgegen

127

vgl. Β II 2a Thomas ZGR 85, 365 (378 f); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (31 f); Werner, FS Stimpel, S. 935 (946 f) 129 Larenz, S. 410 f; Canaris, S. 33; Bydlinski, S. 496 ff 130 BVerfGE 34, 269 (287) 131 BVerfGE 65, 182 (191) 132 Wank ZGR 88, 314 (333) 133 BVerfGE 34, 269 (287) 134 BVerfGE 54, 277 (299); 59, 330 (334); Hesselberger, FS Kellermann, S. 153 (159) 128

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

einer in der Literatur vertretenen Auffassung 135, nicht offenbleiben, ob eine Regelungslücke vorliegt, weil eine Rechtsfortbildung auch ohne eine Regelungslücke zulässig sei. Denn die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsfortbildung sind ohne eine Lücke weitaus strenger. Werner 136 lehnt eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung entschieden ab. Eine solche komme nur in Betracht, wenn die ernsthafte Sorge bestünde, daß die Aktionäre der Obergesellschaft in ihren Gewinnanteilsrechten zu stark beschnitten wären und ihnen keine genügenden rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stünden, sich gegen eine übermäßige Gewinnthesaurierung in den nachgeordneten Konzernunternehmen zu wehren. Eine derartige Gefährdung der Aktionäre bestehe aber nicht. Die praktischen Erfahrungen nötigten nicht dazu, die Aktionäre der Obergesellschaft stärker zu schützen. Es seien unter der Geltung des Aktiengesetzes 1965 keine Fälle bekannt geworden, in denen es eine Konzernobergesellschaft unternommen hätte, ihre eigenen Aktionäre auszuhungern. Ein solcher Versuch sei auch nicht zu befürchten, da dadurch die eigenen Interessen der Konzernobergesellschaft nachhaltig verletzt würden. Denn nur eine vernünftige und damit angemessene Dividendenpolitik ermögliche es der Konzernspitze, sich den Zugang zum Kapitalmarkt zu erhalten.137 Auch von einer Schutzlosigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft könne keine Rede sein. Die Hauptversammlung der Obergesellschaft könne dem Vorstand die Entlastung verweigern, ihm das Mißtrauen aussprechen und schließlich nach der Abberufung des alten Aufsichtsrats einen neuen Aufsichtsrat wählen, der seinerseits dann den Vorstand abberufe. Außerdem könnten die Aktionäre eine Satzungsklausel beschließen, wonach der Vorstand vor der Ausübung des Stimmrechts bei Gewinnverwendungsentscheidungen in den Tochtergesellschaften die Zustimmung des Aufsichtsrats gem. § 111IV AktG einholen müsse.138 Die konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG setze im übrigen die Vorrangigkeit der Ausschüttungsverpflichtung vor der Substanzerhaltung voraus. Ein solcher Rechtsgedanke existiere aber nicht.139 Die Konzernleitung habe vielmehr die Aufgabe, die rechtliche Selbständigkeit der Tochtergesellschaften und die sich daraus ergebende Risikobegrenzung zu beachten und in Einklang mit den Ausschüttungsinteressen der Aktionäre zu bringen. Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen könne nicht einseitig auf den Gewinnanspruch der Aktionäre

135

Goerdeler WPg 86, 229 (233); Beckmann DB 89, 940 (942) Werner, FS Stimpel, S. 935 (946) 137 Werner, FS Stimpel, S. 935 (946); Goerdeler WPg 86, 229 (235); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36 0; Thomas ZGR 85, 365 (383) 138 Werner, FS Stimpel, S. 935 (946 f); Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441); i. E. ebenso G. Krieger, Münch. -Handbuch Bd. 4 § 69 Rn. 52 139 Thomas ZGR 85, 365 (378) 136

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im K o n z e r n 6 5

der Obergesellschaft abgestellt werden. Die Konzernleitung sei für die Funktionsfähigkeit des Gesamtkonzerns verantwortlich. 140 Eine Rechtsfortbildung über die in der sogenannten „Holzmüller-Entscheidung"141 erstmals angenommenen ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung der Obergesellschaft scheitere bereits daran, daß es sich bei der Thesaurierung um eine Konzernleitungsmaßnahme und nicht um eine „strukturändernde" Maßnahme wie in dem BGH Urteil handele.142 Schließlich setzte eine Rechtsfortbildung eindeutige Aussagen über die Anwendung des § 58 II AktG im Konzern voraus. Dies sei aber, wie sich aus der zu der Frage bestehenden Meinungsvielfalt ergebe, nicht möglich. Die Vielzahl der ungeklärten Fragen beginne damit, auf welche Konzern Verbindungen § 58 II AktG Anwendung finden solle, setzte sich über die ungeklärten Probleme der Berücksichtigung von Verlusten der Tochtergesellschaften und die Eliminierung von konzerninternen Zwischengewinnen fort und münde in die umstrittenen Fragen der Sanktionen bei einem Verstoß gegen die aus § 58 II AktG für Konzernsachverhalte gewonnenen Anwendungsregeln. Daraus ergebe sich, daß der auf die Einzelgesellschaft zugeschnittene § 58 II AktG keine Mechanismen zur Lösung des Interessenkonflikts enthalte. Bei einer Anwendung des § 58 II AktG auf den Konzern könnten die Anforderungen, die bei einer Rechtsfortbildung an die Rechtssicherheit zu stellen seien, deshalb nicht eingehalten werden.143 d) Stellungnahme Da der Meinungsstreit über die Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern methodisch an der Frage der Lücke ansetzt und die herrschende Auffassung in der Methodenlehre eine Gesetzeslücke als Voraussetzung einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung ansieht144, ist zu klären, ob eine solche vorliegt. aa) Arten der Lücken Bei den Lücken wird zwischen den Gesetzes- und Rechtslücken unterschieden.145 Eine Rechtslücke liegt vor, wenn die Rechtsordnung im ganzen unvollständig ist, indem sie einen ganzen Bereich, der einer Regelung bedarf, ungeregelt läßt. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann in diesem Fall nicht gesprochen werden, da nur ein Gesetz und nicht die gesamte Rechtsordnung

H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (440); Beckmann DB 89, 940 (942) BGHZ 83, 122 ff Goerdeler WPg 86, 229 (236); Thomas ZGR 85, 365 (376) Werner AG 90, 1 (11); A / D / S § 58 Rn. 88 Bydlinski, S. 471 f m. w. N., vgl. Β II 2a Engisch, S. 138 ff; Canaris, S. 35 ff 5 Frodermann

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

eine Regelungsabsicht beinhalten kann. Aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips ist nur der Gesetzgeber zur Ausfüllung von Rechtslücken befugt. 146 Eine Gesetzeslücke liegt dagegen vor, wenn das positive Recht gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung planwidrig, daß heißt entgegen den Anforderungen und Regelungsabsichten der Rechtsordnung unvollständig ist. 147 Falsch wäre es allerdings, eine Gesetzeslücke immer bereits dann anzunehmen, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regelung enthält, also schweigt. Denn es gibt auch ein sogenanntes „beredetes Schweigen" des Gesetzes, bei dem der Gesetzgeber gerade keine Regelung treffen wollte. Eine richterliche Rechtsfortbildung ist in diesem Fall unzulässig.148 Innerhalb der Gesetzeslücke unterscheidet man zwischen den sogenannten echten Lücken 149, die auch als Normlücken bezeichnet werden150, und den unechten Lücken 151, die auch Regelungslücken genannt werden.152 Eine Normlücke oder echte Lücke liegt vor, wenn eine Gesetzesnorm überhaupt nicht angewandt werden kann, ohne daß ihr eine weitere Bestimmung hinzugefügt wird. Die einzelne Norm ist in sich unvollständig.153 Dagegen ist eine Regelungslücke gegeben, wenn der einzelne Rechtssatz als solcher nicht unanwendbar ist, sondern eine bestimmte Regelung im ganzen unvollständig ist, weil sie keine Regelung für eine solche Frage enthält, die nach der ihr zugrunde liegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedarf. 154 Bei der Normlücke fehlt demnach nur ein Bestandteil einer Vorschrift, während bei der Regelungslücke ein gesamter Rechtssatz fehlt. 155 Da die meisten Gesetze sorgsam ausgearbeitet sind, so daß bei ihnen keine Bestandteile fehlen, handelt es sich bei den weitaus meisten Gesetzeslücken um Regelungslücken.156 Diese unterscheidet man herkömmlicherweise in offene und verdeckte Regelungslücken} 51 Eine offene Lücke liegt vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regel enthält, obgleich es nach seiner eigenen Teleologie eine solche Regel

Larenz, S. 360 f Canaris, S. 39; Larenz, S. 355 Larenz, S. 355; Bydlinski, S. 475 Bydlinski, S. 474; Ott, S. 317 Larenz, S. 356; Canaris, S. 137 Bydlinski, S. 474; Ott; S. 317 Larenz, S. 357; Canaris, S. 137, ausführlich zu den verschiedenen Lückenbegriffen, S. 134 ff Larenz, S. 356; Bydlinski, S. 473; Canaris, S. 137 Larenz, S. 357; Bydlinski, S. 374 Canaris, S. 137 Larenz, S. 356 f Larenz, S. 362; Canaris, S. 136 m. w. N.; Gollnick, S. 89

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

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enthalten sollte.158 Die offene Regelungslücke wird vornehmlich durch eine Analogie ausgefüllt. 159 Von einer verdeckten Regelungslücke wird dann gesprochen, wenn das Gesetz zwar eine für den Anwendungsfall einschlägige Regelung enthält, die aber ihrem Sinn und Zweck nach auf diese Fallgruppe nicht paßt, weil sie deren für die Bewertung relevanten Besonderheiten nicht genügend berücksichtigt. Die Lücke beruht auf dem Fehlen einer Einschränkung. Sie ist deshalb verdeckt, weil das Gesetz scheinbar eine Regelung enthält.160 Die Ausfüllung einer verdeckten Regelungslücke geschieht durch die Hinzufügung der nach dem Gesetzessinn erforderlichen Einschränkung. Weil dadurch die zu weit gefaßte Regelung auf den ihrem Regelungszweck entsprechenden Anwendungsbereich zurückgeführt wird, nennt man diese Art der Lückenausfüllung teleologische Reduktion.161 In zeitlicher Hinsicht werden noch die anfänglichen und die nachträglichen Lücken unterschieden.162 Die nachträglichen Lücken entstehen dadurch, daß in Folge technischer oder wirtschaftlicher Entwicklungen neue Fragen auftauchen, die im Rahmen des ursprünglichen Regelungszwecks einer Regelung bedürfen, die aber der Gesetzgeber noch nicht gesehen hat.163 Eine anfängliche Lücke ist gegeben, wenn der Gesetzgeber bei Erlaß der Norm eine Regelung nicht getroffen hat. Man unterscheidet die anfänglichen Lücken in bewußte und unbewußte Lücken, je nachdem, ob der historische Gesetzgeber die Unvollständigkeit des Gesetzeswerkes erkannt hat oder nicht.164 bb) Subsumtion unter den Lückenbegriff aaa) Rechts-, Norm- und Regelungslücke Eine Rechtslücke, bei der die gesamte Rechtsordnung unvollständig ist, könnte dann angenommen werden, wenn man die konzernrechtliche Gewinnverwendungskompetenz als konzernorganisatorische Frage ansähe, die nur durch ein de lege ferenda zu schaffendes, nach Möglichkeit für alle Rechtsformen geltendes, Konzernverfassungs- bzw. -organisationsrecht zu lösen wäre. 165 Das Fehlen eines eigenständigen Konzernorganisationsrechts begründet aber keine Rechtslücke innerhalb des Konzernrechts. Auch diejenigen, die die Schaffung

158 159 160 161 162

163 164 165

Larenz, S. 362; Gollnick, S. 89 Larenz, S. 365; Bydlinski, S. 474 Larenz, S. 362; Canaris, S. 82, 137; Gollnick, S. 89 Larenz, S. 375; Canaris, S. 137; Bydlinski, S. 480 Canaris, S. 135; Larenz, S. 363 Larenz, S. 363 Canaris, S. 134 vgl. Theisen DBW 88, 279 (282 ff)

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

eines Konzernorganisationsrechts für rechtspolitisch notwendig halten, lösen die regelungsbedürftigen Fragen des Konzernrechts durch eine Anpassung der für die un verbundene Gesellschaft geltenden Zuständigkeitsordnung an die durch die Konzernierung entstandenen Besonderheiten.166 Bei der Beantwortung der Fragen der Gewinnverwendungskompetenz im Konzern muß deshalb von der Zuständigkeitsverteilung in § 58 II AktG ausgegangen werden167 und die Norm gegebenenfalls an die konzernrechtlichen Verhältnisse angepaßt werden. Eine Unvollständigkeit der gesamten Rechtsordnung und damit eine Rechtslücke liegt somit nicht vor. Eine Normlücke, bei der die gesetzliche Regelung überhaupt nicht angewandt werden kann,168 ist nicht gegeben. Denn der § 58 II AktG ist auf die Einzelgesellschaft und damit auch auf die jeweilige Konzerngesellschaft anwendbar und führt zu klaren Ergebnissen. Sollte eine planwidrige Unvollständigkeit des § 58 II AktG festgestellt werden, kann es sich nur um eine Regelungslücke handeln.169 Diese wäre in zeitlicher Hinsicht als anfängliche Lücke zu qualifizieren, da dem Aktiengesetzgeber des Jahres 1965 die mit der Konzernbildung zusammenhängenden Fragen bekannt waren, weshalb er konzernrechtliche Regelungen in das Gesetz aufnahm. 170 Da in den Gesetzesmaterialien171 kein Hinweis darauf enthalten ist, daß der Aktiengesetzgeber die Frage der konzernrechtlichen Thesaurierungskompetenz der Beantwortung durch Rechtsprechung und Lehre überlassen wollte, kann es sich nur um eine unbewußte Lücke handeln.172 Weitaus schwieriger ist die Frage, ob eine solche Regelungslücke offen oder verdeckt ist. In der Literatur wird überwiegend sowohl von denjenigen, die eine Regelungslücke bejahen173, als auch von denjenigen, die sie verneinen174, keine Qualifikation der Lücke vorgenommen.

166

Timm, S. 169 f; Schneider BB 81, 249 (250); Hommelhoff, S. 76 if; Lutter, FS Stimpel, S. 825 (841) 167 so auch Thomas ZGR 85,365 (368 f); Goerdeler WPg 86,229 (233); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (32) 168 Β II 2d, aa 169 Β II 2d, aa 170 A III 171 Kropff, S. 74 ff 172 vgl. Β II 2d, aa 173 Götz AG 84, 85 (87); Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335 ff) 174 Thomas ZGR 85, 365 (377)

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

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Lediglich Geßler175 und Gollnick176 qualifizieren die Regelungslücke als verdeckte Lücke. Gollnick begründet dies damit, daß es um das Fehlen einer die Gefährdung der Aktionäre der Obergesellschaft vermeidenden Einschränkung der Gewinnverwendungsbefugnisse des Vorstandes der Obergesellschaft gehe.177 Nach Geßlers Auffassung trifft § 58 II AktG auf die Einzelgesellschaft zu, paßt aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf den Vertragskonzern. § 58 II AktG lasse somit die für die Wertung relevanten Besonderheiten des Konzernverhältnisses außer acht und sei deshalb einschränkend anzuwenden.178 Die Subsumtionen unter den oben definierten Begriff der verdeckten Regelungslücke sind zutreffend. Sie gehen allerdings induktiv von der Ordnungsvorstellung des § 58 AktG aus, die der dortigen Regelung der Organbefugnisse zugrundeliegt.179 In der sogenannten „Holzmüller-Entscheidung"180 ging der BGH einen anderen Weg und untersuchte, ob der Anwendungsbereich einer einzelnen Gesetzesnorm konzernrechtlich ausdehnungsfähig sei. Es ging ihm dabei um die Frage, ob sich im Konzern ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung aus dem Rechtsgedanken der allgemeine aktienrechtlichen Kompetenzverteilung herleiten lassen.181 Nach der oben entwickelten Definition der offenen Regelungslücke182, liegt eine solche vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regelung enthält, obwohl dessen eigene Teleologie dies erfordert. Die Annahme ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung aus dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG stellte methodisch gesehen danach die Schließung einer offenen Regelungslücke durch Analogie dar. 183 Bei genereller Bejahung einer Regelungslücke hängt deren Qualifikation demzufolge von der Art der Argumentation, insbesondere davon ab, ob man zum Schutz der Aktionäre die Kompetenzen der Hauptversammlung ausdehnt oder diejenigen der Verwaltung einschränkt.

175 176 177 178 179 180 181 182 183

Geßler AG 85, 257 (260) Gollnick, S. 94, 100 Gollnick, S. 100 Geßler AG 85, 257 (260) vgl. Thomas ZGR 85, 365 (375) BGHZ 83, 122 ff ausführlich v. Rechenberg, S. 145 ff; Thomas ZGR 85, 365 (375) Β II 2d, aa vgl. v. Rechenberg, S. 149

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

bbb) Kritische Auseinandersetzung mit den zur offenen und verdeckten Rege lungslücke vertretenen Argumenten (1) Wortlautargumentation Der Hinweis auf den für die Einzelgesellschaft klaren Regelungsgehalt des § 58 II AktG und seiner problemlosen Anwendbarkeit auf jeder Konzernstufe führt methodisch nicht zur Verneinung einer Regelungslücke. Denn der mögliche Wortsinn einer Norm bildet lediglich die Grenze der Auslegung. Deshalb führt die Auslegung des § 58 II AktG nicht zu einer Anwendung der Norm im Konzern. 184 Ist die Funktion einer Norm klar, führt ihre unmittelbare und wortgetreue Anwendung aber nicht zu dem bezweckten Ziel, so ist damit die Aufgabe des Rechtsanwenders jedoch noch nicht abgeschlossen, sondern beginnt erst. Die Anwendung einer Norm, ohne Berücksichtigung der mit ihr verbundenen Regelungsabsicht, begründet die Gefahr einer willkürlichen und zufälligen Rechtsanwendung.185 Werner räumt selbst ein, daß die reine Wortlautargumentation vordergründig sei.186 Er versucht sein Ergebnis deshalb mit der Begründung des Rechtsausschusses187 zu § 58 IIa AktG zu belegen.188 Der Rechtsausschuß stellte heraus, daß § 58 II a AktG ähnlich wie § 58 II AktG nur für die Entscheidung über den Jahresabschluß der jeweiligen Einzelgesellschaft gelte. Entscheidungen in Tochtergesellschaften seien bei der Muttergesellschaft nicht zu berücksichtigen.189 Die von Adler / Düring / Schmaltz vorgetragene Argumentation, dieses Petitum des Gesetzgebers entspreche einer bei Erlaß des Gesetzes geäußerten verbindlichen Rechtsmeinung190, ist abzulehnen. Denn die Äußerung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages stellt noch kein Petitum des Gesetzgebers dar. Die Stellungnahme ist auch nur beiläufig, anläßlich der Einfügung des § 58 IIa in das Aktiengesetz, abgegeben worden, ohne auf den Regelungszusammenhang des Absatzes II einzugehen. Wenn man berücksichtigt, daß die Probleme der Gewinnverwendung im Konzern seit den ersten grundlegenden Äußerungen Lutters 191 bekannt sind und seit dem „Holzmüller-Urteil" 192 in der

184

Β II l Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335); ähnlich Geßler AG 85, 257 (260) 186 Werner, FS Stimpel, S. 935 (941) 187 BT-Drucks. 10 / 4268, S. 124 188 Werner AG 90, 1 (10); Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441 FN. 98); vgl. Β II 2b, bb 189 vgl. Β II 2b, bb 190 A / D / S § 58 Rn. 87; zustimmend Werner AG 90, 1 (10); methodisch fehlerhaft ist die Bejahung einer Regelungslücke ( A / D / S § 58 Rn. 86) bei gleichzeitiger Annahme "eines beredeten Schweigens" des Gesetzes aufgrund eines Petitums des Gesetzgebers; vgl. Β II 2d, aa 191 Lutter, FS H. Westermann, S. 347 (362 ff) 192 BGHZ 83, 122 ff 185

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

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Literatur äußerst kontrovers diskutiert werden193, ist die beiläufige Stellungnahme des Rechtsauschusses nicht mit einer Begründung des Gesetzgebers bei Einführung der gesetzlichen Regelung gleichzusetzen.194 Lutter 195 und Gollnick196 ist deshalb darin zuzustimmen, daß die Rechtsauffassung des Rechtsauschusses, die er bei der Begründung des Bilanzrichtliniengesetzes zum Verständnis des § 58 II AktG geäußert hat, nicht mehr und nicht minder verbindlich ist als die Rechtsmeinung anderer Personen und Institutionen. Die Hinzuziehung der Rechnungslegungsvorschriften zur Unterstützung des Wortlautarguments fuhrt ebenfalls nicht weiter, da das von Werner angesprochene Gliederungsschema der Gewinn- und Verlustrechnung nur vorgibt, ob und wie bestimmte Bilanzposten auszuweisen sind. Die Zulässigkeit und der Umfang des Bilanzausweises ergibt sich dagegen allein aus den gesellschaftsrechtlichen Normen, bei der Rücklagenbildung und demnach aus § 58 AktG. 197 (2) Rechtsgedanke der §§301 S.2, 302 I AktG Werner und Westermann begründen die Ablehnung einer Regelungslücke mit der in den Konzernvorschriften, insbesondere den §§ 301 S. 2, § 302 I AktG, zum Ausdruck kommenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers.198 Durch diese Normen sollte die Bildung freier Rücklagen in den Untergesellschaften gefordert und nicht behindert werden. Dem Gesetzgeber sei es gerade nicht um eine Gewinnkonzentration in der Obergesellschaft, sondern um die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Untergesellschaft gegangen.199 Die Feststellung, daß sich aus den zitierten konzernrechtlichen Vorschriften die Möglichkeit der Bildung von Gewinnrücklagen in den Tochtergesellschaften ergebe, ist zutreffend. Die Zulässigkeit der Rücklagenbildung auf allen Konzernstufen wird auch von den Befürwortern einer Regelungslücke nicht bestritten.200 Ob eine solche Rücklagenbildung allerdings beliebig erfolgen darf, und ob eine Thesaurierung in den Untergesellschaften ohne Rückwirkungen auf die Kompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft aus § 58 II AktG bleibt, ist damit noch nicht entschieden. Denn der Gesetzgeber des Jahres 1965 ist bei der

193

vgl. Β II 2b, c ähnlich Kohl, S. 190 195 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 39 196 Gollnick, S. 90 197 zutreffend Gollnick, S. 90 FN. 75 198 Β II 2b, bb; Werner, FS Stimpel, S. 935 (942 ff); ders. AG 90, 1 (10); Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441 f) 199 Werner, FS Stimpel, S. 935 (944 f) 200 Götz AG 84, 84 (93); Geßler AG 85, 257 (260); Gollnick, S. 95; Hefermehl / Bungeroth; Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 8; Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 42; ders., FS Goerdeler, S. 327 (336); a. A noch: ders., FS H. Westermann, S. 347 (362) 194

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Regelung der Rücklagenbildung von der Einzelgesellschaft ausgegangen und hat die Rückwirkungen der Konzernierung auf die Obergesellschaft nicht berücksichtigt. Das Konzernrecht des Aktienrechts enthält deshalb keine Regelung darüber, wem im Konzern, in welchem Umfang die Entscheidung über die Gewinnverwendung zusteht.201 Da eine negative Sperre des Gesetzgebers bei der Rücklagenbildung im Konzern nicht existiert, sondern die Thesaurierung in den einzelnen Konzerngesellschaften gem. § 58 II AktG völlig unabhängig voneinander erfolgt, ist es Aufgabe des Rechtsanwenders, die Normanwendung aufeinander abzustimmen.202 Die aus den Konzernvorschriften abgeleiteten Einwände wären somit nur stichhaltig, wenn die Bildung von anderen Gewinnrücklagen in Untergesellschaften bei einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern unterbunden werden sollte, was aber nicht der Fall ist.203 Auch der Einwand Werners, die Anrechnung der Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften führe de facto zu einer geringeren Rücklagenbildung in diesen, da die Verwaltung darauf bedacht sei, ihren eigenen Thesaurierungsspielraum nicht zu schmälern,204 führt nicht zu anderen Ergebnissen. Denn eine solche Betrachtung setzt konkludent voraus, daß die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften nicht zur Disposition der Verwaltung der Obergesellschaft steht, was, wie bereits aufgezeigt, 205 nicht zutrifft. Die Verwaltung der Obergesellschaft ist darin frei, unter Berücksichtigung der Belange des Gesamtkonzerns und der Interessen der Einzelgesellschaften zu entscheiden, wo eine Thesaurierung aus wirtschaftlichen, kapitalmarktpolitischen und steuerlichen Gründen am sinnvollsten erfolgen soll.206 (3) Fehlende Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft Ebenroth stellt auf den fehlenden Schutz des Minderheitaktionärs in einer unverbundenen Aktiengesellschaft gegen Thesaurierungen durch die Mehrheit ab und schließt daraus auf die fehlende Schutzbedürftigkeit im Konzern. Die Aktionäre wären nach Einführung der Equity-Methode durch das Bilanzrichtliniengesetz, die einen weiteren Schutz im Bereich der Gewinnverwendung gewähre, noch weniger schutzbedürftig. 207 Dieses Argument trifft den Kern des Problems nicht. Denn die Regelungsaufgabe bei der Gewinnverwendung im

201

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (336); Gollnick, S. 95 f Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (337) 203 Gollnick, S. 96; ders. JA 92, 18 (22) 204 Werner AG 90, 1 (10) 205 A II 206 ähnlich Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 42; zu den Entscheidungsfaktoren Beckmann DB 89, 940 (942 f) 207 Ebenroth, S. 43 f; ders. AG 88, 1 (4) 202

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

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Aktienkonzern besteht in der Abgrenzung der Hauptversammlungs- von den Verwaltungskompetenzen. Es liegt somit ein Kompetenzkonflikt zwischen verschiedenen Organen der Aktiengesellschaft und nicht innerhalb eines Organes vor. 208 Die Interessen der Minderheitsaktionäre der Obergesellschaft stellen nur einen Teilbereich der teilweise gegenläufigen Interessen der Aktionärsgesamtheit dar. 209 Der Mehrheits-Minderheitskonflikt wird überwiegend mit Hilfe der Treuepflicht als Schranke der Mehrheitsherrschaft gelöst.210 Die Verteilung der Gewinnverwendungskompetenz liegt auf einer anderen Ebene. Sie betrifft die Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander und berührt im Konzern die äußerst strittigen Fragen des Konzernorganisationsrechts. 211 Auch mit dem Hinweis auf die Equity-Methode als neue Konsolidierungsform des Bilanzrechts kann eine Regelungslücke nicht verneint werden. Denn die Equity-Bewertung erfolgt im Konzernabschluß nur bei den sogenannten assoziierten Unternehmen gem. § 311 HGB, bei Beteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen nach § 310 HGB, wenn die Beteiligungen an diesem Unternehmen nicht quotai konsolidiert worden sind und nach herrschender Meinung auch bei Beteiligungen an Tochterunternehmen, die nach §§ 295, 296 HGB nicht in den Konzernabschluß einbezogen worden sind.212 Für den überwiegenden Teil der Konzernverhältnisse ist die Equity-Methode demnach nicht anwendbar.213 Ihre Einführung in das deutsche Bilanzrecht läßt deshalb das Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft nicht entfallen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß weder das Wortlautargument noch die konzernrechtlichen Einwände gegen eine Regelungslücke sprechen. Da der Gesetzgeber der Aktienrechtsreform 1965 die Stellung der Aktionäre stärken wollte,214 kann die Frage nach dem Vorliegen einer Regelungslücke nur aus dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG beantwortet werden.215 (4) Teleologie des § 58 II AktG Mit der Regelung des § 58 II AktG hat der Aktiengesetzgeber 1965 die Rechtsstellung der Aktionäre im Bereich der Gewinnverwendung dadurch gestärkt, daß er ihr Interesse, über den Verbleib des mit ihrem Geld erwirtschafteten Ertrages

208

vgl. A II A V 3d 210 ausführlich dazu Timm WM 91, 481 (481 ff) 211 vgl. A IV 2, 3 212 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (112) 213 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (111) 214 Kropff, S. 16 215 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335 ff); Götz AG 84, 85 (93); Gollnick, S. 90 ff; Geßler AG 85, 257 (260); methodisch anders, i. E. aber ähnlich Kohl, S. 191 ff 209

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

selbst zu befinden, gegenüber dem Interesse der Verwaltung, die Innenfinanzierung der Gesellschaft unabhängig von wechselnden Aktionärsmehrheiten steuern zu können, zu einem klaren und rechtspolitisch akzeptablen Ausgleich gebracht hat.216 Das Bestreben der Aktienrechtsreform 1965, auf die Interessen der Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer besondere Rücksicht zu nehmen217, zeigt sich deutlich daran, daß im Regierungsentwurf ursprünglich die alleinige Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung vorgesehen war. 218 In der aktienrechtlichen Reformdiskussion wurde die Frage der Gewinnverwendung dann aber sehr kontrovers diskutiert. 219 Eine klare Gegenposition zum Regierungsentwurf wurde von Kronstein / Claussen vertreten, die in Anlehnung an das amerikanische Recht in der finanziellen Vorsorge für die Zukunft die vornehmliche Aufgabe der Verwaltung sahen.220 Die Theorie der „gläsernen aber verschlossenen Taschen" wollte einen Ausgleich der gegenläufigen Interessen der Verwaltung und der Aktionäre durch eine erhöhte Publizität bei gleichzeitg voller Thesaurierungskompetenz der Verwaltung erreichen. 221 Mit dem § 58 II AktG, der die Rücklagenkompetenz gleichmäßig zwischen der Hauptversammlung und der Verwaltung bei gleichzeitiger Beschränkung der Bildung stiller Reserven verteilt, wurde ein echter Kompromiß gefunden. 222 Dieser vom Gesetzgeber gefundene Kompromiß enthält nicht nur eine rein formelle Verteilungsordnung, sondern begründet ein materielles Mitspracherecht. 223 Eine Anwendung des § 58 II AktG, die wirtschaftlich zu einer Entziehung oder Beeinträchtigung dieses Mitverwaltungsrechts führt, widerspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist deshalb mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. 224 Diese Überlegungen werden dadurch bestätigt, daß es sich bei dem Vermögen der Tochtergesellschaften um ausgegliedertes Vermögen der Obergesellschaft und bei den Erträgen der Töchter um ausgegliederte Erträge der Obergesellschaft handelt. Die Verwaltung der Obergesellschaft nimmt gleichzeitig die Mitver-

216

vgl. Kropff, S. 76; Lutter, Kölner-Komm, § 58 Rn. 40 vgl. BT-Drucks. IV / 171, S. 93 218 BT-Drucks. IV / 171, S. 113 219 vgl. zum Diskussionsverlauf Kronstein / Claussen, S. 122 ff; Kohl, S. 153 220 Kronstein / Claussen, S. 131 221 Kronstein / Claussen, S. 131 ff, zum Begriff: S. 136 222 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (331 ); vgl. auch Protokolle Bd. A 6, Nr. 115 (unveröffentlicht), bei Kohl, S. 180 223 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 40; Gollnick, S. 92 224 ähnlich Geßler AG 85, 257 (260); Kohl, S. 193 217

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

75

waltungsrechte in den Untergesellschaften wahr. 225 Wertungsmäßig kann es dann keinen Unterschied machen, ob die Konzernleitung unmittelbar das Vermögen ihrer eigenen Gesellschaft verwaltet oder mittelbar deren in Tochtergesellschaften ausgegliedertes Vermögen. Der Rechtsgedanke des § 58 II AktG muß in beiden Fällen Anwendung finden. 226 Die Verwaltung der Obergesellschaft darf mit anderen Worten nicht aufgrund der Verlagerung des Vermögens auf die Tochtergesellschaften bei gleichzeitiger Weiterverfolgung der Konzernziele in der Tochtergesellschaft die Möglichkeit bekommen, die gesetzgeberische Wertung des § 58 II AktG zu umgehen.227 Denn dann stünde die gesetzliche Regelung allein aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften bei deren gleichzeitiger wirtschaftlicher Unselbständigkeit zur Disposition der Konzernleitung.228 Somit bleibt festzuhalten, daß der Gesetzgeber des Jahres 1965 eine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen der Verwaltung und der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft für die Rücklagenbildung treffen wollte, die Auswirkungen von Unternehmensverbindungen bei seiner Entscheidung aber nicht erkannt und deshalb auch nicht geregelt hat.229 Eine Regelungslücke muß darum bejaht werden. (5) Umgehung des § 58 II AktG in der Finanzierungspraxis Dagegen spricht auch nicht das Argument aus der Finanzierungspraxis, bisher seien noch keine Fälle bekannt geworden, in denen eine Obergesellschaft ihre Aktionäre ausgehungert habe.230 Unabhängig von dem rechtlich äußerst fragwürdigen Ansatz, die Effizienz einer Norm daran zu messen, daß in der Praxis keine Mißbräuche festgestellt wurden,231 ist die Aussage sachlich unrichtig. Die empirische Untersuchung von Linnhoff / Pellens über die Ausschüttungspolitik deutscher Konzerne hat ergeben, daß bei 63% der untersuchten Konzerne in mindestens einem Geschäftsjahr, bezogen auf einen Untersuchungszeitraum von vierzehn Jahren, eine Ausschüttungsquote von weniger als 50% des korrigierten Konzernjahresüberschusses vorlag. 232 Bei einer Berücksichtigung der in Tochterunternehmen gebildeten Rücklagen hätte in den fraglichen Geschäftsjahren dem225

A II; vgl. LG Frankfurt ZIP 93, 830 (832) zutreffend Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335 f); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 40; ähnlich Geßler AG 85;257 (260) 227 vgl. Lutter, Kölner-Komm. § 58, Rn.40; Gollnick, S.92; ders. JA 92, 18 (22) 228 vgl. Lutter, Kölner-Komm. § 58, Rn.44 229 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (336) 230 so aber Werner, FS Stimpel, S. 935 (946); ähnlich Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36 f); Thomas ZGR 85, 365 (383) 231 kritisch auch Gollnick, S. 67 232 Linnhoff / Pellens ZfbF 87, 987 (1000 ff) 226

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Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

nach eine höhere Ausschüttung an die Aktionäre der Obergesellschaft erfolgen müssen.233 Obwohl unklar bleibt, was Werner mit dem Ausdruck „Aushungern der Aktionäre" meint, läßt sich feststellen, daß es sich beim Problem des Kompetenzverlustes der Hauptversammlung der Obergesellschaft keineswegs um ein Scheinproblem handelt, wie Werner meint234. Außerdem will § 58 II AktG nicht nur die Entziehung des Gewinnteilhaberechts verhindern, sondern der Hauptversammlung im Bereich der Innenfinanzierung ein Mitspracherecht im Sinne einer Finanzierungsmitentscheidung einräumen. Denn jeder Einbehalt von Erträgen stellt eine Investition in die Gesellschaft dar, die nach der gesetzgeberischen Intention den Aktionären der Obergesellschaft als eigentlichen Kapitalgebern der Gesellschaft zustehen soll.235 (6) Andere Verteidigungsmöglichkeiten der Aktionäre der Obergesellschaft Wenn die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung als materielles Mitgliedschaftsrecht verstanden wird, greift auch das Argument der mangelnden Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft aufgrund der Möglichkeit, dem Vorstand das Mißtrauen auszusprechen,236 nicht durch. Für einen Eingriff in die materiellen Rechte der Hauptversammlung der Obergesellschaft miißte die Verwaltung eine gesetzliche Legitimation haben und nicht umgekehrt die Hauptversammlung geltend machen, daß sie ihre materiellrechtliche Rechtsposition nicht anders verteidigen kann. Denn es geht um einen Eingriff in das Substrat der der Hauptversammlung durch § 58 II AktG unentziehbar zugewiesenen Gewinnverwendungsbefugnis. 237 (7) Sicherung der Funktionsfähigkeit des Konzerns Aus denselben Erwägungen ist auch die Argumentation, die Konzernleitung müsse die Funktionsfähigkeit des Konzerns sicherstellen, weshalb keine Ausschüttungen aus der Substanz des Konzerns erfolgen und die Gewinnansprüche der Aktionäre nicht in den Vordergrund gestellt werden dürften 238, nicht stichhaltig. Bei ihr wird verkannt, daß es nicht um die Alternative der Ausschüttung oder der Thesaurierung geht, sondern darum, von wem diese Entscheidung zu treffen ist. Die Konzernleitung kann ihrer Konzernfinanzierungsverantwortung auch dadurch gerecht werden, daß sie die Hauptversammlung

Linnhoff / Pellens ZfbF 87, 987 (1000) Werner, FS Stimpel, S. 935 (946) Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (337); Gollnick, S. 92 f Werner, FS Stimpel, S. 935 (946 f); Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (441) vgl. Gollnick, S. 70 f; allg. zur Kompetenzverlagerung Timm, S. 168 f so Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (440); Beckmann DB 89, 940 (942)

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

77

von der Richtigkeit ihrer Geschäftspolitik überzeugt und dadurch zur Dotierung zusätzlicher Rücklagen bewegt. Die Konzernfinanzierungsinteressen können deshalb keine Begründung dafür geben, warum den Aktionären als Eigentümern das Recht genommen werden soll, über ihr Eigentum zu entscheiden.239 Vor diesem Hintergrund stellt sich der Einwand Goerdelers 240, es sei rechtlich und wirtschaftlich falsch, wenn der Vorstand der Obergesellschaft bei einer Votierung für die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften gleichzeitig zu einer Einbeziehung bei der Rücklagenbildung in der Obergesellschaft gezwungen werde, als rechtliche Wertung ohne Begründung dar. 241 (8)

Anwendungsschwierigkeiten des § 58 II AktG im Konzern

Methodisch nicht vertretbar ist die Ablehnung einer Rechtsfortbildung aufgrund der Anwendungsschwierigkeiten des § 58 II AktG im Konzern.242 Die Ablehnung einer Lückenausfüllung stellt bei Vorliegen einer Regelungslücke eine unzulässige Rechtsverweigerung dar. 243 Da die Möglichkeit, auch in den Untergesellschaften Rücklagen zu bilden, im Text des § 58 II AktG keine Berücksichtigung gefunden hat, gleichzeitig aber festgestellt wurde, daß Thesaurierungsmöglichkeiten im Konzern dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG zuwiderlaufen können, ist es die Aufgabe des Rechtsanwenders, die Unausgewogenheit der Norm abzugleichen.244 (9)

Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft als strukturändernde Entscheidung

Schließlich bleibt noch der Einwand, selbst wenn man auf der Grundlage des „Holzmüller-Urteils" 245 ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bejahe246, handele es sich bei der Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften nicht um strukturändernden Maßnahmen im Sinne der oben genannten BGH-Entscheidung.247 Diese Interpretation des BGH Urteils ist, wie die gesamte Entscheidung248, umstritten. Sowohl von denjenigen, die eine Regelungslücke ver-

239 240 241 242 243 244 245 246

ähnlich Lehertshuber DB 89, 1534 (1535) Goerdeler WPg 86, 229 (232) Gollnick, S. 88 so aber A / D / S § 58 Rn. 88; Werner AG 90, 1 (11) Larenz, S. 352 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (335,337) BGHZ 83, 122 ff ausführlich v. Rechenberg, S. 124 ff

78

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

neinen249, als auch von den Befürwortern einer Regelungslücke250 wird angenommen, daß der BGH auch bei der Gewinnthesaurierung in den Untergesellschaften ein Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft annimmt, weil die Einflußnahmemöglichkeit des Vorstands der Obergesellschaft insoweit keinen Beschränkungen unterliegt.251 Das Argument, eine strukturändernde Entscheidung liege bei der Rücklagenbildung nicht vor, ist insoweit nicht zwingend als der BGH sich ausdrücklich einer Stellungnahme zu den Literaturmeinungen 252, die für eine konzernspezifische Binnenordnung bei wichtigen Grundentscheidungen in den Tochtergesellschaften plädieren, enthält253 und seine Entscheidung mit einer Entwertung des Mitgliedschaftsrechts begründete.254 Aufgrund dieser Urteilsbegründung spricht, sofern man die Gewinnverwendungskompetenz, wie hier, als materielles Mitwirkungsrecht der Hauptversammlung versteht, mehr dafür, daß der kurze Hinweis auf die unbeschränkte Gewinnverwendungsmöglichkeit des Vorstandes der Obergesellschaft 255 als obiter dictum für eine Anwendung der Grundsätze des „Holzmüller-Urteils" auf die Problematik der Rücklagenbildung im Konzern zu verstehen ist.256 Fraglich bleibt aber, ob es der Heranziehung einer ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedarf. Die Beantwortung dieser Frage hängt mit der bisher offengelassenen 257 Entscheidung, ob eine offene oder verdeckte Regelungslücke vorliegt, zusammen. Bei einer offenen Regelungslücke enthält das Gesetz keine Regelung, obwohl seine Teleologie dies erfordert; während bei einer verdeckten Regelungslücke das Gesetz für den konkreten Anwendungsfall eine Regelung enthält, die aber ihrem Sinn und Zweck nach eingeschränkt werden muß.258 Die Rücklagenbildung ist für jede Einzelgesellschaft und damit auch für die Konzernobergesellschaft

247 248 249

Goerdeler WPg 86, 229 (236); Thomas ZGR 85, 365 (376) vgl. A V 1

Ebenroth, S. 42 Geßler, FS Meiücke, S. 18 (26); ders. AG 85, 257 (260); Gollnick, S. 76 251 BGHZ 83, 122 (137) 252 Lutter, FS H. Westermann, S. 347 (364ff); Schneider, FS Bärmannn, S. 873 (881ff); Timm, S. 135 ff, 165 ff 253 BGHZ 83, 122 (138) 254 BGHZ 83, 122 (131,139) 255 BGHZ 83, 122 (137) 256 Gollnick, S. 76 257 Β II 2d, bb, aaa 250

II. Methodische Begründung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

79

geregelt. Im Konzern kommt es aber zu Verwerfungen 259, die dem Sinn und Zweck der in § 58 II AktG getroffenen gesetzgeberischen Kompromißentscheidung nicht entsprechen. Die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft ist deshalb der Teleologie des § 58 II AktG entsprechend einzuschränken.260 Die Regelungslücke bei § 58 II AktG ist demnach verdeckt. Bei der in der „Holzmüller-Entscheidung" behandelten Ausgliederung von wesentlichen Betriebsteilen handelte es sich dagegen nach dem weiten Lückenbegriff um eine offene Regelungslücke und nach dem engen Lückenbegriff um eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung 261, da eine gesetzliche Regelung des Falles vollständig fehlt. 262 Da beim „Holzmüller-Urteil" keine verdeckte Regelungslücke vorlag, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der zu ihm vorgebrachten grundsätzlichen Kritik 263 oder einer abschließenden Stellungnahme zu der Einordnung der Thesaurierungsentscheidung als grundlegende Maßnahme im Sinne der BGH-Entscheidung.264 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß § 58 II AktG im Hinblick auf die Thesaurierung im Konzern eine anfängliche verdeckte Regelungslücke enthält, die durch eine teleologische Reduktion geschlossen werden muß.

258 259 260 261 262 263 264

Β II 2d, aa vgl. A II, IV 2 so auch Geßler AG 85, 257 (260); Gollnick, S. 94, 100 vgl. zur Terminologie Β II 2a vgl. Goerdeler WPg 86, 229 (233) ausführlich Ebenroth, S. 38 ff m. w. N. a. A Gollnick, S. 76

80

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Ι Π . Anwendungsbereich des § 58 I I AktG Nachdem eine verdeckte Regelungslücke des § 58 II AktG im Konzern bejaht worden ist, ist zu klären, welche Form und welche Dichte der Verbund aufweisen muß, um eine an der Teleologie der Norm orientierte Reduktion der Regelung notwendig erscheinen zu lassen. Die vielgestaltigen Konzernformen 265 mit ihren unterschiedlichen Einflußnahmemöglichkeiten der Konzernleitung können eine differenzierte Anwendung des § 58 II AktG rechtfertigen. Es ist deshalb für jeden Konzernsachverhalt zu fragen, ob die zur Bejahung der Regelungslücke führenden Argumente auf ihn zutreffen. 1. Bedeutung des Entstehungstatbestandes des Konzerns Es wurde bereits aufgezeigt, daß es sich bei der Thesaurierungskompetenz im Konzern um Fragen des Konzernorganisationsrechts handelt266, die die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Konzernobergesellschaft betreffen, die der BGH erstmals in der „Holzmüller-Entscheidung" bejaht hat.267 Dem Urteil lag die Ausgliederung eines wesentlichen Betriebsteils zugrunde.268 Diese Zusammenhänge könnten zu der Schlußfolgerung führen, daß als Entstehungstatbestand des Konzerns bei der hier untersuchten Thesaurierungskompetenz immer eine Ausgliederung vorliegen muß. Zu einer Konzernbildung kann es außer durch die Ausgliederung auch durch einen Anteilserwerb und durch den Abschluß von Unternehmensverträgen kommen, wobei der Anteilserwerb der häufigste Fall ist.269 In jedem der genannten Fälle wird die Thesaurierungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft tangiert. Für die Beeinträchtigung des materiellen Mitwirkungsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft macht es keinen Unterschied, ob die Obergesellschaft selbst Betriebsvermögen erwirbt und es anschließend auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft überträgt, oder ob die Verlagerung des Vermögens durch den Erwerb einer Tochtergesellschaft oder eine vertragliche Einbindung durchgeführt wird. Aufgrund der mittelbaren statt der unmittelbaren Verfolgung des Unternehmensgegenstandes der Obergesellschaft ist der Effekt in allen Fällen dergleiche.270 Demnach spielt der Ent-

265

266 267

vgl. Emmerich / Sonnenschein § 1 V 1,2, S.26 f A IV 3

A III vgl. A V 269 Emmerich / Sonnenschein, § 1 IV, S. 25; Immenga, S. 34 ff 270 Kohl, S. 206; Götz AG 84, 85 (86); vgl. allg. Emmerich, Scholz GmbHG, Anh. Konzernrecht, Rn. 105 ff 268

. Anwendung

des § 58 II AktG

81

stehungstatbestand des Konzerns für die Anwendung des § 58 II AktG im Konzern keine Rolle. 2. Vertragskonzern Für die in §§291 ff AktG geregelten Unternehmens Verträge fehlt eine Regelung, in welchem Verhältnis § 58 II AktG zu diesen Bestimmungen steht.271 Der Abschluß eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages ist die intensivste Form der Ausübung von Leitungsmacht.272 Die Verwaltung kann die Thesaurierung von Teilen des Jahresüberschusses in der Tochtergesellschaft durch eine Weisung gem. § 308 I AktG erzwingen.273 An der Notwendigkeit einer Anwendung des § 58 II AktG im Vertragskonzern kann nach den soeben dargelegten Grundsätzen274 deshalb kein Zweifel bestehen. Fraglich ist aber, ob und wie § 58 II AktG in den einzelnen Konzerngesellschaften angewandt werden soll. a) Anwendbarkeit des § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft Die Zulässigkeit der Bildung von anderen Gewinnrücklagen in der Tochtergesellschaft ergibt sich aktienrechtlich aus der ausdrücklichen Erwähnung in §301 S. 2 AktG und steuerrechtlich aus § 14 Nr. 5 KStG.275 Sofern ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wurde, ist gem. § 2911 AktG zwar die Abführung des ganzen Gewinns vorgesehen, nach allgemeiner Meinung kann der Gewinnabführungsvertrag aber die Bildung von anderen Gewinnrücklagen in der Tochtergesellschaft erlauben. Diese Erlaubnis ist auch Voraussetzung für die Rücklagenbildung, da ansonsten der gesamte Gewinn an die Obergesellschaft abgeführt werden muß.276 Bei einer vertraglichen Zulassung der Rücklagenbildung ist fraglich, ob § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft überhaupt anwendbar ist, oder ob der Unternehmensvertrag die Regelung verdrängt, so daß eine unbeschränkte Thesaurierung in der Tochtergesellschaft möglich ist.277 Teilweise wird die Befugnis der Verwaltung der Tochtergesellschaft zur Einstellung des vollen im Gewinnabführungsvertrag vorgesehenen Teils in die Rücklagen bejaht, dies ergebe sich bereits aus der vertraglichen Befugnis der Verwaltung.278 Diese Aussage kann nur so verstanden werden, daß die vertragliche Befugnis einer 271 272 273 274 275 276 277 278

Goerdeler WPg 86, 229 (234) Baumbach / Hueck § 292 Rn. 1 G. Krieger, Münch. Handbuch, Bd. 4 § 70 Rn. 97 ff, § 71 Rn. 18,42 Β II 2d Geßler, FS Meilicke, S. 18 (18 f) Goerdeler WPg 86, 229 (234); Kohl, S. 208 Kohl, S. 209; Goerdeler WPg 86, 229 (234) A / D / S , 4. Aufl. § 150 Tz. 101

6 Frodermann

82

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Satzungsermächtigung im Sinne des § 58 II AktG gleichzusetzen ist. 279 Eine nur in einem Vertrag enthaltene Ermächtigung steht der satzungsmäßigen Ermächtigung aber nicht gleich, auch wenn die formalen Voraussetzungen, wie die Beschlußmehrheiten und die Eintragung in das Handelsregister, gleich sind. Denn gesellschaftsrechtlich ist Partei des Unternehmensvertrags die Gesellschaft, so daß die vertragliche Ermächtigung das Außenverhältnis betrifft. Dagegen betrifft die Satzungsermächtigung des § 58 II AktG die gesellschaftsinterne Kompetenzabgrenzung zwischen ihren Organen.280 Außerdem wird der Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages nur einmal anläßlich seiner Eintragung in das Handelsregister veröffentlicht, während die Ermächtigung im Sinne des § 58 II 2 AktG jederzeit in der Satzung nachzulesen ist. Der vertraglichen Ermächtigung fehlt deshalb die erforderliche Publizität. Hinzukommt, daß aus dem Gewinnabführungsvertrag, zumindest bei der Standardformulierung, wonach die Gesellschaft die steuerlich zulässigen Rücklagen bilden darf, die Ermächtigung folgt, abweichend von § 58 II 1 AktG einen größeren Betrag in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen. Die vertragliche Ermächtigung genügt damit auch dem Bestimmtheitsgebot des § 58 II 2 AktG nicht.281 Teilweise wird aus der steuerlichen Zulässigkeit der Rücklagenbildung bei der Tochtergesellschaft gem. § 14 Nr. 5 KStG die Nichtanwendbarkeit des § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft gefolgert. Der Aktiengesetzgeber des Jahres 1965 habe an der steuerlichen Rechtslage nichts ändern wollen, sondern sie nur handelsrechtlich durch eine Erschwerung des Vertragsschlusses über das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit in § 293 AktG absichern wollen.282 Gegen diese Auffassung spricht, daß § 14 Nr. 5 KStG eine rein steuerrechtliche Norm ist, deren Regelungsgehalt sich auf die steuerliche Behandlung der Rücklagenbildung beschränkt. Aus ihr kann allenfalls gefolgert werden, daß der Gesetzgeber des KStG-Gesetzes von der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Rücklagenbildung ausgegangen ist. In welchem Umfang die Rücklagenbildung zulässig sein soll und welches Organ die Entscheidungskompetenz hat, kann dagegen nur durch das Gesellschaftsrecht bestimmt werden.283 Die Nichtanwendung des § 58 II 2 AktG wird auch aus § 291 III AktG abgeleitet, wonach Leistungen aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags nicht

wie hier Geßler, FS Meilicke, S. 18 (19 f); Kohl, S. 209 Kohl, S. 209; Geßler, FS Meilicke, S. 18 (20) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (20 0 Goerdeler WPg 86, 229 (234) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (20)

. Anwendung

des § 58 II AktG

83

als Verstoß gegen die §§ 57, 58, 60 AktG gelten.284 Bei der Rücklagenbildung handelt es sich nicht um eine der in § 291 III AktG angesprochenen Leistungen der Gesellschaft. Die Regelung sollte nur klarstellen, daß die angesprochenen Leistungen nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften, insbesondere die Schutzvorschriften vor einer verdeckten Gewinnausschüttung, verstoßen. Die Rücklagenbildung, die gerade für einen Verbleib der Gewinne in der Gesellschaft sorgt, sollte durch die Klarstellung nicht geregelt werden.285 Teilweise wird argumentiert 286, bilanziell entstehe in der Tochtergesellschaft bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages mit Rücklagenermächtigung erst durch die Dotierung der Rücklagen ein Jahresüberschuß der Tochtergesellschaft. Denn durch die Rücklagenbildung werde erst der Bilanzposten „Aufwand für aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinne" gem. § 157 I Nr. 27 AktG a. F., § 277 II 2 HGB n. F. verringert. Ohne die Thesaurierung bestehe der Jahresüberschuß nur aus dem in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrag. Der Bilanzgewinn sei nach der Bildung der gesetzlichen Rücklage null. Den durch die Rücklagenbildung erst entstandenen Jahresüberschuß zur Disposition der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft zu stellen, sei sinnwidrig. Diese Argumentation übersieht, daß, wie sich bereits aus §301 AktG ergibt, zur Ermittlung des bei einem Gewinnabführungsvertrag abzuführenden Gewinns immer auf den fiktiven Jahresüberschuß der Tochtergesellschaft abzustellen ist. Bei der Bestimmung der Rücklagenkompetenz innerhalb der Tochtergesellschaft ist konsequenterweise auch auf diesen fiktiven Jahresüberschuß abzustellen, da die Organkompetenz im Innenverhältnis bei der rechtlichen selbständigen Tochtergesellschaft von der im Außenverhältnis geltenden Gewinnabführungspflicht der Gesellschaft zu trennen ist. 287 Die bisherigen Überlegungen haben somit ergeben, daß die Besonderheiten des Gewinnabführungsvertrags nicht gegen eine Anwendung des § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft sprechen. b) Schutzbedürfnis

der Beteiligten

288

Es ist bereits daraufhingewiesen worden , daß bei der Regelung der Gewinnverwendungskompetenz die unterschiedlichsten und größtenteils gegenläufigen Interessen zum Ausgleich gebracht werden müssen. Bei einer Anwendung des

284 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 63; A / D / S, 4. Aufl. § 150 Tz. 101; A / D / S § 58 Rn. 79 285 Geßler, FS Meilicke, S. 18 (21); Kropff, S. 378; Kohl, S. 209 286 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 62 287 Kohl, S. 210; ausführlich Geßler, FS Meilicke, S. 18 (29 f)

288

A

y 3

84

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

§ 58 II AktG im Vertragskonzern sind vornehmlich die Interessen der Aktionäre der Tochtergesellschaft und der Aktionäre der Obergesellschaft zu berücksichtigen. § 58 II AktG soll deren widerstreitende Interessen an der Gewinnthesaurierung und der Gewinnausschüttung ausgleichen.289 Bei einem Gewinnabführungsvertrag besteht der Interessengegensatz in dieser Deutlichkeit nicht. Der Betrag, der nicht in die Gewinnnrücklagen eingestellt wird, muß an die Obergesellschaft abgeführt werden. Eine Gewinnausschüttung an die Aktionäre der Untergesellschaft erfolgt nicht.290 Daraus wird teilweise abgeleitet, daß die außenstehenden Aktionäre durch die Ausgleichsansprüche gem. §§ 304, 305 AktG ausreichend geschützt seien, weshalb § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft nicht anwendbar sei.291 Eine Heranziehung des § 305 AktG zur Begründung der mangelnden Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Tochtergesellschaft ist irreführend. Denn § 305 AktG schützt denjenigen, der wegen der mit dem Gewinnabführungsvertrag verbundenen Nachteile aus der Gesellschaft ausscheiden will. § 58 II AktG schützt dagegen die in der Gesellschaft verbleibenden Aktionäre. 292 Die in der Tochtergesellschaft verbleibenden Aktionäre erhalten eine Ausgleichszahlung gem. § 304 AktG. Sofern diese aus einer festen Summe gem. § 304 II 1 AktG besteht, die unabhängig von der Dividende der Obergesellschaft gezahlt wird, sind die Aktionäre der Untergesellschaft an einer Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft interessiert, da sich dadurch der Wert ihrer Aktien erhöht.293 Die Interessenlage ändert sich aber, wenn an die Aktionäre eine variable, an die Dividendenzahlung der Obergesellschaft gekoppelte Ausgleichszahlung gem. § 304 II 2 AktG erfolgt. Jede Thesaurierung in der Tochtergesellschaft verringert in diesem Fall die Gewinnabführung an die Obergesellschaft und damit deren Jahresergebnis als mittelbare Bemessungsgrundlage der Ausgleichszahlung.294 Die unterschiedliche Interessenlage zeigt, daß die Anwendung des § 58 II AktG zumindest bei der Zahlung eines variablen Ausgleichs nach dessen Sinn und Zweck nicht gegenstandslos ist.295 Aber auch bei Zahlung eines festen Ausgleichsbetrags ist die Anwendung des § 58 II AktG nicht sinnlos. An der Entscheidung, ob mehr als die Hälfte des fiktiven Jahresüberschusses der Tochtergesellschaft in deren Rücklagen eingestellt werden soll, muß die Hauptversammlung der Tochtergesellschaft mitwirken. 289 290 291 292 293 294 295

vgl. A V 2b vgl. Kohl, S. 210; Geßler, FS Meilicke, S. 18 (22) Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 63 Geßler, FS Meilicke, S. 18 (22) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (22) Kohl, S. 211; Geßler, FS Meilicke, S. 18 (23) so auch Geßler, FS Meilicke, S. 18 (23)

. Anwendung

des § 58 II AktG

85

Deren Interessen entspricht zwar eine höhere Rücklagenbildung aufgrund der Wertsteigerung der Aktien, so daß die Interessen der Verwaltung der Obergesellschaft und der Hauptversammlung der Untergesellschaft ausnahmsweise parallel verlaufen. Sofern man die Entscheidung über die Rücklagenbildung, wie hier 296, als materielles Mitwirkungsrecht versteht, ist die Beteiligung der Hauptversammlung nur dann völlig gegenstandslos, wenn die Aktionäre der Untergesellschaft gar keine eigenen Interessen mehr verfolgen. 297 Viel stärker als bei den Aktionären der Untergesellschaft mit einem festen Ausgleichsanspruch würde sich die Nichtanwendung des § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft auf die Thesaurierungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft auswirken. Gilt § 58 II AktG bei der Tochtergesellschaft nicht, könnten der Hauptversammlung der Obergesellschaft durch die von der Konzernleitung kontrollierte Verwaltung der Tochtergesellschaft die Entscheidungskompetenz über die Verwendung des in der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Gewinns durch eine vollständige Thesaurierung in der Tochtergesellschaft ganz entzogen werden.298 Die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft wäre damit noch viel größer als bei einer Anwendung des § 58 II AktG in der Tochtergesellschaft, bei der bereits eine Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft droht. 299 Insgesamt läßt sich somit feststellen, daß im Vertragskonzern eine konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG geboten ist und § 58 II AktG auch in den Tochtergesellschaften voll anzuwenden ist. 3. Eingegliederte Gesellschaften Die Eingliederung ist die intensivste Form der Konzerneinbeziehung einer Gesellschaft. In ihren Wirkungen steht sie zwischen dem Beherrschungsvertrag und der Verschmelzung.300 Bei einer gem. §§319 ff AktG eingegliederten Gesellschaft besteht gem. § 323 I AktG ebenso wie bei einem Beherrschungsvertrag ein Weisungsrecht der Hauptgesellschaft. Vor einer Eingliederung muß außerdem gem. § 3191 1 AktG eine 100 %ige bzw. gem. § 320 I 1 AktG eine mindestens 95 %ige Beteiligung der Hauptgesellschaft an der eingegliederten Gesellschaft gegeben sein, so daß die konzernrechtliche Abhängigkeit bereits vor der Eingliederung bestanden hat

296 297 298 299 300

Β II 2d a. A Geßler, FS Meilicke, S. 18 (22) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (24) vgl, A II G. Krieger, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 73 Rn. 1; Schubert / Küting, S. 310

86

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

und noch stärker ist als bei einem Beherrschungsvertrag. Die Rechtssubjektivität der Untergesellschaft ist lediglich formalrechtlicher Natur. 301 Bei einer Eingliederung ist die konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG deshalb genauso, wenn nicht sogar noch dringender erforderlich, als bei einem Beherrschungsvertrag. 302 4. Faktische Konzerne Wie bereits aufgezeigt 303, kann ein beherrschender Einfluß auf eine Aktiengesellschaft oder Gesellschaften anderer Rechtsform auch ohne Abschluß eines Beherrschungsvertrages ausgeübt werden. Es fragt sich, ob die Anwendung des § 58 II AktG unabhängig von der Konzernierungsform oder sogar ohne die Ausübung einheitlicher Leitung erfolgen soll. Teilweise wird die Anwendung des § 58 II AktG nur für den Vertragskonzern befürwortet. Im faktischen Konzern gelte § 58 II AktG uneingeschränkt bei jeder Konzerngesellschaft. 304 Ein faktischer Konzern liegt vor, wenn das herrschende Unternehmen von der Einflußnahmemöglichkeit Gebrauch macht, die ihm die Abhängigkeit der anderen Gesellschaft eröffnet, um beide Unternehmen einer einheitlichen Leitung zu unterstellen.305 Die Differenzierung zwischen den Konzernierungsformen bei der Frage der Gewinnverwendungskompetenz überzeugt nicht. Auch im faktischen Konzern kann die Hauptversammlung nur über den Teil des Gewinns entscheiden, den ihr die Verwaltung der Obergesellschaft zur Verfügung stellt. Die Verwaltung der Obergesellschaft kann die Gewinnverwendung durch Thesaurierungen in den Tochtergesellschaften bei gleichzeitiger Verfolgung der Unternehmensziele autonom steuern.306 Wenn § 58 II AktG im Konzern aufgrund der Auslagerung des Vermögens bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des unternehmerischen Einflusses angewandt wird, kann die Konzernierungsform nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung führen. 307

301 302 303 304 305

Rn. 13 f

G. Krieger, Münch. Handbuch, Bd. 4; § 73 Rn. 27 ff; Schubert / Küting, S. 310 f Kohl, S. 214; i. E. auch Gollnick, S. 33; ausführlich Pick, S. 127 ff A IV 1 Geßler AG 85, 257 (261) Emmerich / Sonnenschein § 1 V la, S. 26; G. Krieger, Münch. Handbuch Bd. 4, § 69

306 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 44; Gollnick, S. 98; Kohl, S. 212; Götz AG 84, 85 (93 FN 45) 307 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339)

. Anwendung

des § 58 II AktG

87

Hinzukommt, daß eine Einschränkung der Verwaltungskompetenz bei einer Nichtanwendung des § 58 II AktG im faktischen Konzern durch die Vermeidung des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages umgangen werden kann. Bei einer Ausklammerung des faktischen Konzerns bestünde deshalb die Gefahr der weiteren Verbreitung dieser ohnehin umstrittenen Konzernierungsform. 308 Gegen eine Anwendung des § 58 II AktG im faktischen Konzern spricht auch nicht das in § 311 AktG normierte Schädigungsverbot, das der herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten Gesellschaft obliegt.309 Rechtsgeschäfte sind nachteilig im Sinne des § 311 AktG, wenn sie die Vermögenslage oder die Ertragsaussichten des beherrschten Unternehmens mindern und ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft sich anders verhalten hätte.310 Dieser Grundsatz bedeutet für die Rücklagenbildung im Konzern, daß der Vorstand der Obergesellschaft die Frage der Rücklagenbildung in der Untergesellschaft nicht anders zu entscheiden hat, als wenn kein Konzern Verhältnis bestünde.311 Der Vorstand kann durch seine Stimmabgabe in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft bis zu 50 % des Gewinns in die Rücklagen der Tochtergesellschaft einstellen oder für eine Ausschüttung des Gewinns votieren.312 Die Ausschüttung des Bilanzgewinns stellt keine Besonderheit der Abhängigkeitslage dar und kann damit nicht als nachteilige Maßnahme im Sinne des § 311 I AktG qualifiziert werden.313 Die Anwendung des § 58 II AktG verstieße nur dann gegen § 311 I AktG, sofern aus ihr ein Ausschüttungszwang in der Tochtergesellschaft folgen würde. 314 Eine Verpflichtung der Konzernleitung, für eine Abführung der in den Untergesellschaften erzielten Gewinne zu sorgen, wird aber heute, soweit ersichtlich, nicht mehr vertreten. 315 Die von Geßler316 vertretene Beschränkung der Anwendung des § 58 II AktG ist demnach auch mit den Besonderheiten des faktischen Konzerns nicht zu erklären.

308 309 3,0 311 312 313 314 315 3,6

zutreffend Gollnick, S. 98 wie hier Kohl, S. 212; Gollnick, S. 98 f G. Krieger, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 69 Rn. 65; Kropff, Geßler u.a. AktG § 311 Rn. 108 Werner, FS Stimpel, S. 935 (943) vgl. A II Koppensteiner, Kölner-Komm. § 311 Rn. 17 Kohl, S. 213 vgl. Β I Geßler AG 85, 257 (261)

88

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

5. Mehrheitsbeteiligungen Zu fragen bleibt, ob eine Anwendung des § 58 II AktG nur bei einer 100 %igen Beteiligung der Obergesellschaft an der Untergesellschaft oder bereits bei einer bloßen Mehrheitsbeteiligung bejaht werden muß. Sofern die Frage im letzteren Sinne zu beantworten ist, stellt sich die Anschlußfrage, ob aufgrund der Mehrheitsbeteiligung eine einheitliche Leitung ausgeübt werden muß, oder ob eine reine Mehrheitsbeteiligung ausreicht. a) 50-100% Mehrheitsbeteiligungen

mit einheitlicher Leitung

317

Geßler vertritt die von ihm vorgeschlagene eingeschränkte Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern nur für den Fall einer 100 %igen Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft. Eine Begründung dafür gibt er nicht. Die Anwendung des § 58 II AktG im Konzern wurde damit begründet, daß die gesetzliche Regelung ein materielles Mitspracherecht der Hauptversammlung enthält. Eine formale Anwendung des § 58 II AktG, die wirtschaftlich zu einer Entziehung dieses Rechts führt, widerspricht dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG und muß durch eine entsprechende Anwendung der Norm verhindert werden.318 Bei Zugrundelegung dieser Wertungsgesichtspunkte kann es keinen Unterschied machen, ob die Obergesellschaft 100 % der Anteile an der Untergesellschaft besitzt oder nur mehr als die Hälfte. Entscheidend für eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern kann nur sein, ob die Konzernleitung die Entscheidung über die Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft durch ihre Stimmabgabe in deren Hauptversammlung beeinflussen und steuern kann. Sobald eine über 50 %ige Beteiligung vorliegt, ist diese Einflußnahme möglich, weshalb für eine Beeinträchtigung der Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft, die durch die konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG geschützt werden sollen, keine 100 %ige Beteiligung vorliegen muß.319 b) Mehrheitsbeteiligungen

ohne die Ausübung von Leitungsmacht

Es wird vertreten, daß die modifizierte Anwendung des § 58 II AktG auch bei einer reinen Mehrheitsbeteiligung ohne die Ausübung einer Konzernleitungsmacht durchgeführt werden müsse.320 Durch die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft könne die Verwaltung des herrschen-

317 318 319 320

Geßler AG 85, 257 (261); a. A noch ders., FS Meilicke, S. 18 (27) vgl. Β II 2d Götz AG 84, 85 (93); Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 44; Gollnick, S. 97 FN 116 Kohl, S. 214 ff; Gollnick, S. 97 FN 117

. Anwendung

des § 58 II AktG

89

den Unternehmens die Gewinnthesaurierung in der abhängigen Gesellschaft beeinflussen. 321 Die Einbeziehung der Mehrheitsbeteiligung ohne Ausübung einer einheitlichen Leitungsmacht in den Bereich, für den bei § 58 II AktG eine Regelungslücke festgestellt wurde, überzeugt insgesamt nicht. Die teleologische Reduktion des § 58 II AktG wurde damit begründet, daß die Verwaltung der Obergesellschaft nicht aufgrund der Verlagerung des Vermögens der Obergesellschaft bei gleichzeitiger Weiterverfolgung der Konzernziele in den Tochtergesellschaften die Möglichkeit haben dürfe, die gesetzlichen Wertungen des § 58 II AktG zu umgehen.322 Es wurde festgestellt, daß die wirtschaftliche Einheit trotz der rechtlichen Vielheit bei der Anwendung des § 58 II AktG Berücksichtigung finden muß.323 Diese Überlegungen zeigen, daß unabdingbare Voraussetzung für eine modifizierte Anwendung des § 58 II AktG neben der durch die Beteiligung vermittelten Einflußnahmemöglichkeit auf die Thesaurierungsentscheidung in der Untergesellschaft die einheitliche Leitung des Unternehmensverbundes ist. Nur sofern die Verwaltung der Obergesellschaft die wirtschaftlichen Ziele des Konzerns in der Untergesellschaft durchgesetzt und damit Konzernleitungsaufgaben wahrnimmt, ist es gerechtfertigt, den Konzern im Hinblick auf die Thesaurierung als Einheit zu behandeln. Wenn die Verwaltung dagegen nur die Beteiligungsrechte in den Tochtergesellschaften wahrnimmt, ohne gleichzeitig als Konzernspitze zu agieren, liegt in der Entscheidung über die Rücklagenbildung eine reine Geschäftsführungsaufgabe die, wie jede andere Finanzierungsentscheidung, keine Rückwirkungen auf Entscheidungskompetenzen in der herrschenden Gesellschaft hat.324 Insofern ist die Situation bei § 58 II AktG anders als bei den verwandten Regelungen des § 56 und der §§ 71 ff AktG, bei denen eine Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG ausreicht. Denn die zuletzt genannten Regelungen bezwecken den Schutz der Gesellschaftsgläubiger, während die einschränkende Anwendung des § 58 II AktG zum Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft erfolgt. 325 Aus den bisherigen Überlegungen folgt umgekehrt, daß auch in den seltenen Fällen einer Leitungsausübung aufgrund einer Minderheitsbeteiligung oder ohne eine Beteiligung, eine Einbeziehung der Rücklagenbildung in den beherrschten 321 Kohl, S. 219 f; Gollnick, S. 97 FN 117; mit demselben Argument sprechen sich generell gegen eine modifizierte Anwendung des § 58 II AktG aus: Werner, FS Stimpel, S. 935 (941); H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (439) 322 Β II 2d,bb,bbb 323 vgl. Β II 2d,bb,bbb; allg. auch A IV 2; wie hier Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 44 324 so auch Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 44 325 Lutter, Kölner-Komm § 58 Rn. 44

90

Β. Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Unternehmen bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft nicht erfolgen kann. In diesen Fällen fehlt es an der mit der Mehrheitsbeteiligung verbundenen Auslagerung des Vermögens der herrschenden Gesellschaft. 326 Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, daß eine Mehrheitsbeteiligung für eine teleologische reduzierte Anwendung des § 58 II AktG nur ausreicht, wenn die Verwaltung der Obergesellschaft eine einheitliche Leitung ausübt. IV· Zwischenergebnis Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß die in § 58 II AktG getroffene Regelung aufgrund ihres klaren Wortlauts und des eindeutigen Regelungsgehalts nicht auslegungsfähig ist. Nach einer umfassenden methodischen Prüfung des § 58 II AktG wurde eine verdeckte Regelungslücke festgestellt. Diese wurde aus dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG abgeleitet, nachdem herausgearbeitet worden war, daß die Wortlautargumente und konzernrechtlichen Einwände der ablehnenden Auffassungen nicht gegen eine Regelungslücke sprechen. Der Normzweck des § 58 II AktG besteht darin, im Bereich der Gewinnverwendung die Rechtsstellung der Aktionäre zu stärken, indem ihnen ein materielles Mitspracherecht bei der Gewinnverwendungsentscheidung eingeräumt wird. Die Begrenzung ihrer Entscheidungskompetenz auf 50% des Jahresüberschusses stellte einen echten Kompromiß im Gesetzgebungsverfahren dar. Jede Anwendung des § 58 II AktG, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einer Umgehung dieses Kompromisses führt, muß deshalb durch eine teleologische Reduktion des § 58 II AktG verhindert werden. Für die modifizierte Anwendung des § 58 II AktG spielt der Entstehungstatbestand des Konzerns keine Rolle. Sobald die herrschende Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an der beherrschten Gesellschaft besitzt und diese einheitlich leitet, ist § 58 II AktG in der Obergesellschaft zum Schutz von deren Aktionären einschränkend anzuwenden. Nur bei dem kumulativen Vorliegen der beiden Voraussetzungen kann der Unternehmensverbund hinsichtlich der Rücklagenbildung trotz der formalrechtlichen Selbständigkeit der Tochtergesellschaften als wirtschaftliche Einheit behandelt werden.

so auch Kohl, S. 221

IV. Zwischenergebnis

91

Von der einschränkenden Anwendung des § 58 II AktG erfaßt werden demnach die Eingliederung, die verschiedenen Vertragskonzerne sowie alle sonstigen faktischen, auf einer Mehrheitsbeteiligung beruhenden Konzerntatbestände. Im folgenden ist zu klären, wie die teleologische Reduktion des § 58 II AktG durchzuführen ist.

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 I I A k t G im Konzern Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß bei einer dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG die Verwaltung der Obergesellschaft die Thesaurierungskompetenz ihrer Hauptversammlung aushöhlen kann. Als Zwischenergebnis wurde festgestellt, daß das „Ob" der Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern aufgrund von dessen Funktion und Rechtsgedanken zu bejahen ist.1 Als entscheidende Frage bleibt damit noch das „Wie" der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern zu beantworten. I. Lösungsansätze ohne eine direkte Einschränkung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft 1. Zusätzliche Beteiligungsrechte der Hauptversammlung der Obergesellschaft Einige Autoren fordern, obwohl sie die Veränderung der Zuständigkeits- und Vermögensordnung durch die Konzernherrschaft zum Nachteil der Aktionäre erkennen2, daß beim Ausgleich dieser Kompetenzverschiebung die rechtlichen Grenzen zwischen den verschiedenen Organisationseinheiten innerhalb des Konzerns möglichst nicht angetastet werden.3 Der Ausgleich für den Rechts- und Kompetenzverlust der Gesellschafter der Obergesellschaft durch die Konzernbildung und -leitung solle nicht die Etablierung von Durchgriffskompetenzen, sondern durch materielle Pflichten der Verwaltung der Obergesellschaft und diesen korrespondierenden internen Kompetenzen der Aktionäre erfolgen. Eine derartige Überlagerung der auf das jeweilige Konzernmitglied bezogenen Verhaltensordnung diene nicht nur der Wahrung der Rechtssicherheit und Beachtung der rechtlichen Selbständigkeit der Untergesellschaften, sondern versetzte die Konzernleitung auch in die Lage, für einen angemessenen Ausgleich aller

1 für Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338), kann dies trotz der entgegenstehenden h. M. sogar nicht in Frage stehen. 2 Rehbinder, FS Coing, S. 423 (424) 3 Rehbinder, FS Coing, S. 423 (424)

I. Lösungsansätze ohne direkte Einschränkung der Thesaurierungskompetenz

93

am Konzern beteiligter Interessen zu sorgen. Dadurch werde es der Verwaltung der Obergesellschaft auch ermöglicht, als Ausgleich für die Verkürzung der Rechte ihrer Aktionäre, diesen gleichwertige statt gleichartiger Rechtspositionen anzubieten.4 Aus der Erwägung, daß es sich bei der Konzernleitung um eine besondere Art der Unternehmensleitung der Obergesellschaft handelt, die sich auf den gesamten Konzern bezieht, leitet Rehbinder eine Verhaltensordnung der Obergesellschaft ab, die die stufenspezifischen Bindungen überlagere. Aus dieser Verhaltensordnung folge, daß die Aktionäre der Obergesellschaft intern an der Konzernleitung zu beteiligen seien, wenn die beabsichtigte Maßnahme aufgrund ihrer faktischen Wirkung einer Maßnahme gleichkomme, die in der Obergesellschaft der Zustimmung der Aktionäre bedürfe. 5 Die Hauptversammlung der Obergesellschaft nehme damit materiell Funktionen der Konzernleitung wahr und habe die Schranken des § 311 AktG zu beachten. Verweigere deshalb die Hauptversammlung der Obergesellschaft die Zustimmung zu einer Maßnahme in der Untergesellschaft, die objektiv gerechtfertigt sei, so dürfe die Verwaltung der Obergesellschaft der Maßnahme trotzdem zustimmen, ohne pflichtwidrig zu handeln.6 Nach Rehbinders Auffassung ist die Hauptversammlung der Obergesellschaft somit an der Entscheidung über die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften zu beteiligen, wobei sie die Finanzierungsinteressen der Untergesellschaft zu beachten hat und nicht einseitig ihre eigenen Ausschüttungsinteressen verfolgen darf. 2. Anfechtung analog § 254 AktG Timm sieht als Bindeglied zwischen Ober- und Untergesellschaft den Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft an und fragt, ob bei Maßnahmen, die keine unmittelbare Rückwirkung auf die Obergesellschaft haben, eine Mitwirkung der Obergesellschaft überhaupt wünschenswert und möglich sei.7 Die Beteiligung der Aktionäre auf der Vermögensebene, insbesondere bei die Gewinnsituation tangierenden Entscheidungen, könne auch auf andere Weise als durch die Einräumung von Mitwirkungsrechten der Hauptversammlung sichergestellt werden.8 Da die

4 Rehbinder, FS Coing, S. 423 (427 f); zum Ausgleich von sich überlagernden Verhaltenspflichten bereits: ders. ZGR 77, 581 (597); ähnlich Timm AG 80, 172 (184) 5 Rehbinder, FS Coing, S. 423 (437) 6 Rehbinder, FS Coing, S. 423 (438) 7 Timm, S. 167 8 Timm, S. 168

94

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Aktionäre der Obergesellschaft in der Regel an einem hohem Ertrag aus ihrer Beteiligung interessiert seien, könne ihr Dividendeninteresse durch eine analoge Anwendung des § 254 AktG erfüllt werden. Ihnen könne ein § 254 AktG entsprechendes Anfechtungsrecht eingeräumt werden, wenn der Vorstand der Obergesellschaft in der Hauptversammlung der Untergesellschaft gem. § 58 III AktG beschließe, deren gesamten Gewinn in die Rücklagen einzustellen.9 3. Zusätzliche Aufsichtsratskompetenzen gem. § 111 IV AktG Einige Mitglieder der Unternehmensrechtskommission wollen den für notwendig gehaltenen Schutz der Aktionäre def Obergesellschaft dadurch sicherstellen, daß sie die Stimmabgabe der Verwaltung der Obergesellschaft bei der Gewinnverwendungsentscheidung in der Untergesellschaft als ein Geschäft im Sinne des § 111 IV AktG ansehen. Damit bestünde die Möglichkeit, den Vorstand an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden.10

I I . Lehre von der Durchrechnung Als erster versuchte Götz zur Sicherung des Gewinndispositionsrechts der Aktionäre der Konzernobergesellschaft die Regelungslücke durch eine Anrechnung der Thesaurierungen in den Tochtergesellschaften bei der Anwendung des § 58 II AktG in der Obergesellschaft zu schließen.11 Er hält die „Durchrechnung"12 gegenüber dem von Lutter ursprünglich 13 vertretenen Ausschüttungszwang in den Untergesellschaften für das mildere Mittel.14 Der Pflichtenkreis der Konzernleitung ist seiner Meinung nach so zu definieren, daß mindestens 50% des Gesamtgewinns der Konzernobergesellschaft und aller in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Konzerngesellschaften nach Abzug des auf die Fremdgesellschafter der Tochtergesellschaften entfallenden Gewinns der Hauptversammlung der Obergesellschaft zur Beschlußfassung über die Gewinnverwendung zugewiesen werden. Zu diesem Zweck seien bei der Ermittlung des Gesamtge-

Timm, S. 168; vgl. auch Unternehmensrechtskommission, Tz. 1287 Unternehmensrechtskommission, Tz. 1288; aus denselben Erwägungen lehnt Werner, FS Stimpel, S. 935 (947) die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre und damit bereits eine Regelungslücke ab. 11 Götz AG 84, 85 (93) 12 der Begriff stammt von Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 41 13 Lutter, FS H. Westermann, S. 347 (362); heute anders ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 41 f; ders., FS Goerdeler, S. 327 (338) 14 Götz AG 84, 85 (93); ähnlich Kohl, S. 199 10

II. Lehre von der Durchrechnung

95

winns aller Konzerngesellschaften neben dem um einen etwaigen Verlustvortrag gekürzten Jahresüberschuß der Obergesellschaft unter dem Gesichtspunkt der sachgerechten Periodenabgrenzung diejenigen Gewinne von Konzerngesellschaften zu berücksichtigen, die in dem zum Stichtag des Abschlusses der Obergesellschaft abgelaufenen Geschäftsjahr von diesen entweder in die Rücklagen eingestellt oder als Gewinn vorgetragen wurden.15 Dem Ansatz von Götz, wonach auf der Ebene des Jahresabschlusses der Obergesellschaft die Einheit der Mutter- und Tochtergesellschaft im Hinblick auf § 58 II AktG fingiert wird, stimmen andere Autoren zu.16 Während Götz17 bei seiner „Durchrechnung" vom Jahresabschluß der Obergesellschaft ausgeht, gehen Geßler18 und Kohl 19 von dem sogenannten „Konzernjahresüberschuß" aus, der sich aus der Summe aller Jahresüberschüsse der Konzerngesellschaften zusammensetzt. Götz rechnet auf die sich aus § 58 II AktG ergebende Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen zur Hälfte an.20 Die anderen Autoren bestimmen die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung anhand der Hälfte des Konzernjahresüberschusses, wobei sie die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften voll anrechnen.21 Die verschiedenen Anrechnungsmethoden haben aber nur unterschiedliche Ausgangspunkte der Berechnung, die rechnerisch auf das Ergebnis der Berechnung keine Auswirkungen haben.22 Eine Verrechnung der für die Rücklagenbildung zur Verfügung stehenden Gewinne mit Verlusten der Konzerngesellschaften wird von Götz23 und Geßler24 nur dann zugelassen, wenn diese Verluste aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags übernommen werden müssen. Bei anderen Unternehmensverbindungen könnten die Verluste nur dann ergebniswirksam werden, wenn sie eine Teilwertabschreibung des Beteiligungswertes erforderlich machen.25

15

Götz AG 84, 85 (93) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (26 f); ders. AG 85, 257 (261 f) allerdings beschränkt auf den Vertragskonzern (dazu Β III 2); Kohl, S. 196 17 Götz AG 84, 85 (93) 18 Geßler, FS Meilicke, S. 18 (27) 19 Kohl, S. 197 20 Götz AG 84, 85 (93) 21 Kohl, S. 197; Geßler, FS Meilicke, S. 18 (27); ders. AG 85;257 (261 FN. 52) 22 klarstellend Geßler AG 85,257 (261 FN. 52); Kohl, S. 197 FN. 21; a. Α. Thomas ZGR 85, 365 (373) 23 Götz AG 84, 85 (93) 24 Geßler AG 85, 257 (263) 25 Götz AG 84, 85 (93) 16

96

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Widersprüchlich oder zumindest mißverständlich zu dieser Frage äußert sich Kohl, indem er einerseits bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz Jahresfehlbeträge, die in einzelnen Tochtergesellschaften angefallen sind, ausdrücklich außer Betracht läßt und erklärt, solche Verluste erhöhten die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft nicht.26 Auf der anderen Seite aber bei der Bestimmung des für sein Anrechnungsmodell maßgeblichen Konzernjahresüberschusses in der konzerndimensionalen Betrachtung die Verluste aus einer Tochtergesellschaft den Verlusten aus der Obergesellschaft selbst gleichstellt.27 Götz will es dem Vorstand der Obergesellschaft überlassen, nach Maßgabe geschäftspolitischer Zweckmäßigkeit zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Rücklagen bei der Tochtergesellschaft gebildet werden, sofern nur diese Rücklagen auf die eigene Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft gem. § 58 II AktG angerechnet werden. Zu diesem Zweck habe die Konzernleitung auch dafür Sorge zu tragen, daß bei der Obergesellschaft ein Gewinn von mindestens 50% des Gesamtgewinns aller Konzerngesellschaften nach Abzug des konzernfremden Gesellschaftern zustehenden Gewinns anfalle. Nur in diesem Falle bleibe die Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft gewahrt.28 Geßler spricht der Konzernleitung nur die Befugnis zu, die Hälfte des Jahresüberschusses der Tochtergesellschaften oder den durch deren Satzung zugelassenen größeren Anteil in eigener Zuständigkeit dort in die Rücklagen einzustellen. Wolle sie eine höhere Rücklage bilden, bedürfe es entsprechend der im „Holzmüllerurteil" aufgestellten Grundsätze eines Beschlusses der Hauptversammlung der Obergesellschaft. 29 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß Götz, Geßler und Kohl unter Abweichungen im Detail unmittelbar aus § 58 II AktG eine direkte Durchrechnung der Rücklagenbildung in den Untergesellschaften auf die Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft ableiten. Dabei betonen sie die fiktive Einheit des Konzerns bezogen auf die Gewinnverwendung.

26 27 28 29

Kohl, S. 198 Kohl, S. 234 Götz AG 84, 85 (93) Geßler AG 85, 257 (261)

III. Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen

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Π Ι . Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen Gollnick entwickelt nach einer kritischen Auseinandersetzung mit den in der Literatur zur Gewinnverwendung im Konzern vertretenen Meinungen einen abweichenden Lösungsansatz.30 Seiner Auffassung nach gebietet es der Sinn und Zweck des § 58 II AktG, daß andere Gewinnrücklagen, die in den Untergesellschaften eines Unternehmensverbundes im Sinne der §§ 16 ff AktG gebildet worden sind31, im Rahmen der Berechnung der der Verwaltung der Verbundspitze gem. § 58 II AktG möglichen Rücklagenbildung anzurechnen sind.32 Die Anrechnung habe so zu erfolgen, daß die in den Tochtergesellschaften gebildeten freien Rücklagen vorab vom Jahresüberschuß der Verbundspitze gem. § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG abgezogen werden, um den sogenannten „rücklagen-" bzw. „verbundbereinigten" Jahresüberschuß der Verbundspitze zu ermitteln, auf den § 58 II 1 AktG Anwendung finde. Anknüpfungspunkt für die Gewinnverwendung ist nach diesem Lösungskonzept der „bereinigte Jahresüberschuß" der Verbundspitze.33 Bei einer Aktiengesellschaft als Verbundspitze soll § 58 II AktG mit folgender Restriktion gelten, die Gollnick in dem folgenden fiktiven Satz 5 der Norm formuliert: „Besteht eine Unternehmensverbindung i. S. d. §§ 16-18 Abs. 1 AktG sind andere Gewinnrücklagen, die in dem betreffenden Jahr in den nachgeordneten Gesellschaften gebildet wurden, ebenfalls vorab vom Jahresüberschuß abzuziehen".34 Gollnick verneint, ebenso wie Geßler und Götz35, außer bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags die Berücksichtigung von Verlusten der Tochtergesellschaften. 36 Im faktischen Konzern sei bei einem Verlust der Untergesellschaft mangels Verlustübernahmenpflicht der real zu verwendende Gewinn für die Konzernleitung größer als in einem fiktiven Einheitsunternehmen. Erst im Zeitablauf entsprächen die Kompetenzen von Hauptversammlung und Verwaltung betragsmäßig denjenigen in einer Einheitsgesellschaft. Eine Nichtberücksichtigung der Verluste der Tochtergesellschaften führe in dieser Situation dazu, daß die Verwaltung und die Hauptversammlung der Obergesellschaft je zur Hälfte über den „Verlustgegenwert" und damit über mehr Gewinn

30 31 32 33 34 35 36

Gollnick, S. 114 ff; ders. JA 92, 18 (23 f) zur Kritik an der Einbeziehung von reinen Mehrheitsbeteiligungen: Β III 5b Gollnick; S. 172 Gollnick, S. 172 Gollnick, S. 172; ders. JA 92, 18 (23) vgl. C II Gollnick, S. 138 ff, 168

7 Frodermann

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

als in einem Einheitsunternehmen verfügten. 37 Bei einer Berücksichtigung der Verluste erfolge dagegen nur eine sogenannte „Schaukelverrechnung", bei der nur die Kompetenz der Hauptversammlung derjenigen in einer Einheitsgesellschaft entspräche, während sich die Kompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft an dem insgesamt zu verwendenden Gewinn orientiere. Die sogenannte „Gesamtbetrachtung" sei demzufolge rein fiktiv. 38 Neben der betragsmäßigen Komponente der Gewinnverwendungsproblematik im Verbund sind nach Gollnicks Meinung auch die zeitlichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Gewinne in Tochter- und Enkelgesellschaften wirkten sich bei gleichem Bilanzstichtag der einzelnen Gesellschaften erst ein oder zwei Jahre später auf den Gewinn der Muttergesellschaft und damit auf den Gewinnanspruch der Aktionäre aus.39 Gollnick hält es in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH 40 nicht nur für zulässig, die zur Ausschüttung vorgesehenen Beträge der Untergesellschaften durch eine zeitkongruente Vereinnahmung im selben Geschäftsjahr zu erfassen, sondern er hält die Verwaltung der Verbundspitze für verpflichtet, auf eine solche zeitkongruente Erfassung durch eine entsprechende Koordination der Feststellung der Jahresabschlüsse hinzuwirken.41

IV. Kritik an den Lösungsansätzen Ebenso wie die Frage des Vorliegens einer Regelungslücke ist deren Schließung bei einer grundsätzlichen Bejahung der Lücke sehr umstritten. Von einigen Autoren, die bereits die Existenz einer Lücke verneinen, wird dies unter anderem damit begründet, daß § 58 II AktG gerade keine Mechanismen zur Lösung des Interessenkonflikts zwischen Konzernleitung und Hauptversammlung enthalte.42 1. Keine direkte Beschränkung der Thesaurierungskompetenz der Konzernleitung Allein die Gewährung eines Anfechtungsrechts analog § 254 AktG für den Fall, daß den Aktionären der Obergesellschaften durch die Thesaurierung in den

37 38 39 40 41 42

Gollnick, S. 142 Gollnick, S. 168 Gollnick, S. 174 BGHZ 65, 230 ff Gollnick, S. 175; ders. JA 92, 18 (24) Werner AG 90, 1 (11); A / D / S § 58 Rn. 88

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

99

Untergesellschaften nicht die 4%ige Mindestdividende verbleibe43, berücksichtigt deren schutzwürdigen Interessen nicht ausreichend. Die Regelungslücke wurde damit begründet, daß der Hauptversammlung in § 58 II AktG ein materielles Mitspracherecht eingeräumt werden sollte.44 Die Einräumung eines Anfechtungsrechts analog § 254 AktG führt nicht zu einem solchen Mitwirkungsrecht, sondern billigt den Aktionären lediglich eine vom Grundkapital abhängige bescheidene Mindestdividende zu und kann deshalb das Problem der Kompetenzverschiebung bei der Rücklagenbildung im Konzern nicht lösen.45 § 254 AktG will den Konflikt zwischen Groß- und Kleinaktionären lösen,46 während § 58 AktG einen Interessenausgleich zwischen den Organen der Aktiengesellschaft schaffen will. 47 Außerdem ist aufgrund der Komplexität des Meinungsstreits um die Gewinnverwendungskompetenz im Konzern zwischen der Anwendbarkeit des § 58 II AktG, der Schließung der Regelungslücke und den Sanktionen eines Verstoßes gegen die aus § 58 II AktG gewonnenen Anwendungsregel zu unterscheiden.48 Die Anfechtungsklage ist aber, sofern man ihre analoge Anwendung überhaupt bejaht49, als Sanktion bei einem Verstoß gegen eine aus § 58 II AktG gewonnene Anwendungsregel einzuordnen50 und ist zur Schließung der Lücke nicht geeignet. Die Beeinträchtigung des materiellen Mitspracherechts will Rehbinder51 durch eine Beteiligung der Hauptversammlung der Obergesellschaft an der Gewinnverwendungsentscheidung in der Untergesellschaft verhindern. Dieser Ansatz berücksichtigt zwar die in § 58 II AktG enthaltene Regelungsabsicht, verhindert aber nur die Vollthesaurierung der Gewinne der Tochtergesellschaft. Die mehrfache Anwendung des § 58 II AktG im Konzern, die zu einer Aushöhlung der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft führt 52, ist weiterhin möglich. Die Ausdehnung der Beteiligungsrechte der Hauptversammlung der Obergesellschaft auf die Gewinnverwendungsentscheidungen in

43

c II 2 Β II 2d 45 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a. AktG § 58 Rn. 8; Gollnick, S. 114 46 Wagner, S. 56 ff; Semler, Münch. -Handbuch Bd. 4 § 41 Rn. 109; Hoffmann-Becking, Münch. -Handbuch Bd. 4 § 46 Rn. 15; Gollnick, S. 114 FN. 75 47 AV2 48 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (334) 49 ablehnend Kohl, S. 243 f 50 vgl. Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345); Kohl, S. 243 ff 51 Rehbinder, FS Coing, S. 423 (437); vgl. C I 1 52 vgl. A II 44

100

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Tochtergesellschaften reicht deshalb nicht aus, um die schutzwürdigen Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft abzusichern.53 Auch eine Bindung des Vorstands der Obergesellschaft an die Zustimmung des Aufsichtsrats gem. § 111 IV 2 AktG bei der Gewinnverwendungsentscheidung in den Untergesellschaften 54 schützt die Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung nicht ausreichend. Denn die Lösung berücksichtigt nicht, daß es bei der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern nicht um einen Ausgleich verminderter Aufsichtsratsrechte im Konzern geht, sondern um die Sicherstellung der durch die Kompetenzverwerfungen im Konzern gefährdeten Aktionärsrechte. Diese Aktionärsrechte werden aber durch die Hauptversammlung der Obergesellschaft und nicht durch den Aufsichtsrat als Verwaltungsorgan wahrgenommen.55 2. Bilanzierungsprobleme Gegen die Lösungsansätze, die über eine Durchrechnung der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen die Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft absichern wollen, wird eingewandt, sie beruhten auf einer Verkennung der Bilanzierungspraxis und einer Unkenntnis der Konzernrechnungslegung.56 a) Ermittlung des Gesamtgewinns Die Meinungen, nach denen die Regelungslücke mit Hilfe der Durchrechnung der Rücklagen geschlossen werden soll, stellen bei teilweise unterschiedlicher Berechnung auf den Gesamtgewinn ab, der im Konzern erwirtschaftet wurde.57 Der Gesamtgewinn ergibt sich aus der Summe der Einzelabschlüsse der Konzerngesellschaften. Durch diese Berechnung soll der Konzern im Bereich der Gewinnverwendung als fiktives Einheitsunternehmen behandelt werden.58 Bei dieser Betrachtungsweise wird übersehen, daß im Konzern der Jahresüberschuß der einzelnen Konzerngesellschaften an Aussagefähigkeit verliert. Obwohl bei der Rechnungslegung eines Unternehmens dessen Verflechtung mit anderen Unternehmen im gewissen Umfang berücksichtigt wird, vermitteln die Einzelabschlüsse noch kein wahrheitsgetreues Bild von der Lage des Konzerns als wirtschaftlicher Einheit und aufgrund der durch die Konzernverflechtung eröff-

53 54 55 56

(942) 57 58

Gollnick, S. 115 CI3 Timm, S. 169 Thomas ZGR 85, 365 (378 f); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33 ff); Beckmann DB 89, 940 CH vgl. ausführlich C II

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

101

neten Manipulationsmöglichkeiten auch kein zuverlässiges Bild der Lage der einzelnen Konzerngesellschaften. 59 Weil die Rechnungslegung der wirtschaftlich selbständigen Einheit keinen sicheren Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gibt, wenn eine Konzern Verflechtung besteht, erließ der Aktiengesetzgeber 1965 erstmals Konzernrechnungslegungsvorschriften, bei denen diese Aufgabe der Konzernabschluß übernehmen sollte.60 Die Aufgaben, die der Gesetzgeber ihm zuschrieb, kann ein Konzernjahresabschluß nicht erfüllen, der unter Verzicht auf die Ausschaltung der konzerninternen Beziehungen die einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nur additiv zusammenfaßt. Eine Aussage über die wirkliche Gewinnsituation im Konzern ist nur möglich, wenn bei der Bilanzierung auf alle Doppelerfassungen verzichtet wird und alle Gewinne herausgerechnet werden, die nicht durch Lieferungen und Leistungen an Konzernfremde entstanden sind. Erst bei Beachtung dieser Erfordernisse kann der Konzern als wirtschaftliche Einheit angesehen werden, in der die einzelnen Konzernunternehmen unbeschadet ihrer rechtlichen Selbständigkeit wirtschaftlich die Stellung unselbständiger Betriebsabteilungen annehmen, wie es die im Bereich der Konzernrechnungslegung nahezu einhellig vertretene Einheitstheorie verlangt.61 Die Einheitstheorie ist seit dem Bilanzrichtliniengesetz in § 297 III 1 HGB kodifiziert. Die Regelung wird als zentrale Norm der Konzernrechnungslegung bezeichnet.62 Das Ergebnis des Konzernabschlusses ist deshalb nicht mit der Summe der Einzelabschlüsse identisch. Die von den Vertretern der Durchrechnungslehre vorgenommene Addition der Ergebnisse der Einzelabschlüsse zur Ermittlung des Gesamtgewinns führt deshalb bilanziell bereits zu einer falschen Ausgangsbasis.63 Nach Erlaß des Bilanzrichtliniengesetzes können die Einzelabschlüsse und der Konzernabschluß noch stärker voneinander abweichen, da durch die gesetzliche Neuregelung das sogenannte Maßgeblichkeitsprinzip des Einzelabschlusses für den Konzernabschluß nicht mehr besteht. Für den Konzernabschluß gibt es gem.

59

Großfeld, Bilanzrecht, S. 215, Rn. 519; K. Schmidt § 31 V, S. 808; Baetge / Kirsch, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 1 (3) 60 Kropff, S. 437, 443; Heymann, Scholz / Niehus, Vor. § 290 Rn. 1 61 Havermann, WP-Handbuch Bd. I, S. 720; K. Schmidt, § 31 V, S. 809; Wöhe, Handels- und Steuerrecht, § 38, S. 233 ff 62 Baetge / Kirsch, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 1 (14) 63 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34); Beckmann DB 89,940 (942); E. Müller DB 85,241 (247); i. E. ebenso Gollnick, S. 120 f; allg. zur Funktion des Konzernabschlusses: Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 36, S. 229 ff; Weirich WPg 87, 77 (77 ff)

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

§ 308 HGB selbständige Bewertungsmöglichkeiten.64 Deshalb wird von einigen Autoren sogar behauptet, der § 58 AktG habe aufgrund der Gefahr einer nachhaltigen Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns durch die divergierenden Bilanzergebnisse bei einer Gewinnverwendung auf der Basis der Einzelabschlüsse keine Berechtigung mehr und müsse durch das Prinzip der „gläsernen aber geschlossenen Taschen" ersetzt werden.65 Auch wenn diese Schlußfolgerung zu weit geht, weil die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft als wirtschaftlichen Eigentümern unabhängig von den divergierenden Abschlüssen besteht66, so ist doch richtig, daß das Abstellen auf den sogenannten Gesamtgewinn nicht zu dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG entsprechenden Ergebnissen führt. Dies wird insbesondere deutlich, wenn der tatsächliche Konzerngewinn geringer ist als die zulässigerweise in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen.67 Ein Verbot der Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften für diesen Fall liefe auf einen faktischen Ausschüttungszwang hinaus, der mit der in den §§ 301, 311 AktG getroffenen Wertung nicht vereinbar wäre68. Die Verpflichtung der Verwaltung der Obergesellschaft kann in diesem Fall nur darin bestehen, den gesamten Jahresüberschuß ihrer eigenen Gesellschaft ihrer Hauptversammlung zur Disposition zu stellen, weil sonst eine Ausschüttung aus der Substanz der Obergesellschaft erforderlich würde.69 Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die Berechnung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung der Obergesellschaft auf der Grundlage eines sich aus der Addition der Einzelabschlüsse ergebenden „Gesamtgewinns" aus Gründen der Konzernrechnungslegung nicht zu einer Behandlung des Konzerns als wirtschaftliche Einheit im Bereich der Gewinnverwendung führen kann und deshalb zur Schließung der bei § 58 II AktG festgestellten Regelungslücke nicht geeignet ist. b) Einfluß der Zeitkomponente Das von Götz und Kohl vertretene Durchrechnungsmodell70, demzufolge die Hauptversammlung der Obergesellschaft über die Hälfte des sogenannten

64 65 66 67 68 69 70

vgl. Weirich WPg 87, 77 (82 ff); E. Müller DB 85, 241 (241 ff) E. Müller DB 85, 241 (247); zustimmend Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34) vgl. Β II 2d vgl. Gollnick, S. 120 f; Thomas ZGR 85, 365 (381) Werner AG 90, 1 (10); Gollnick , S. 121 vgl. Gollnick, S. 121 vgl. C II

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

103

„Gesamtgewinns"71 zu entscheiden hat, berücksichtigt die zeitliche Komponente der Rücklagenproblematik im Konzern überhaupt nicht. Sofern das Geschäftsjahr der Obergesellschaft dem der Tochtergesellschaft entspricht und die Bilanzstichtage übereinstimmen, wirkt sich eine Ausschüttung der Tochtergesellschaft erst im Folgejahr aus.72 Denn nach dem Realisationsprinzip73 darf die Obergesellschaft grundsätzlich die Beteiligungserträge aus Untergesellschaften erst dann in ihrem Jahresabschluß erfassen, wenn ein entsprechender Gewinnverwendungsbeschluß der Untergesellschaft vorliegt. Erst durch den Gewinnverwendungsbeschluß wird das Gewinnrecht zu einem Gläubigerrecht konkretisiert. 74 Dieser „Phasenverschiebungseffekt" 75 führt dazu, daß die Beteiligungserträge den Organen der Obergesellschaft erst zeitlich später für die Gewinnverwendungsentscheidung zur Verfügung stehen. Der Effekt vergrößert sich in mehrstufigen Unternehmensverbindungen, in denen die Beteiligungserträge oft mehrere Jahre im Konzern verbleiben und durch die Bilanzen der einzelnen Untergesellschaften wandern, ehe sie den Organen der Obergesellschaft, zur Disposition stehen. Dadurch wird insbesondere die Hauptversammlung beeinträchtigt, da sie keinen Einfluß auf die Gewinnerfassung nehmen kann.76 Das Problem stellt sich allerdings bei der von Geßler77 vertretenen Durchrechnungsmethode nicht, da dieser die eingeschränkte Anwendbarkeit des § 58 II AktG auf das Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages beschränkt, bei denen eine zeitkongruente Erfassung des abgeführten Gewinns erfolgt. 78 c) Erträge aus Ausschüttungen der Tochtergesellschaften Eng mit der soeben beschriebenen zeitlichen Phasenverschiebung hängt das Problem der Mehrfachanrechnung der Ausschüttung in der Tochtergesellschaften zusammen. Bei einer Zusammenrechnung der Jahresüberschüsse der Konzerngesellschaften entsteht zusätzlich der Effekt, daß eine Gewinnausschüttung durch die Tochtergesellschaft deren Jahresüberschuß im Jahr der Ausschüttung nicht verringert 79, gleichzeitig aber die Ausschüttung in der Gewinn- und Verlustrech-

71 72 73 74 75 76 77 78 79

dazu C IV 2a Weber JZ 72, 482 (487); Pick, S. 130; Gollnick, S. 57 vgl. Baumbach / Duden / Hopt § 252 Anm. 6 A Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 518, S. 214; Pick, S. 130 der Begriff stammt von Pick, S. 131 Pick, S. 131; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342); Gollnick, S. 57, 131 Geßler AG 85, 257 (261) zutreffend Gollnick, S. 131 FN. 134; Wöhe, S. 893 A V 2b, aa

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

nung der Obergesellschaft als Ertrag aus Beteiligungen gem. § 275 II Nr. 9, III Nr. 8 HGB ausgewiesen wird. Dadurch wird der Ausschüttungsbetrag bei einer Tochtergesellschaft zweifach und in tiefergestaffelten Konzernen abhängig von der Anzahl der zwischengeschalteten Gesellschaften und der Höhe der jeweils vorgenommenen Ausschüttungen mehrfach berücksichtigt.80 Diese Problematik entsteht bei einem Gewinnabführungsvertrag nicht, da durch die Gewinnabführung ein Jahresüberschuß der Tochtergesellschaft nicht entsteht.81 Die mehrfache Berücksichtigung der Ausschüttungen führt dazu, daß bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft Erträge berücksichtigt werden, die lediglich aus Gründen der Konzernrechnungslegung und nicht real entstanden sind. Bei einer Berücksichtigung solcher Erträge wäre die Entscheidungskompetenz der Verwaltung der Konzernobergesellschaft geringer als die der Verwaltung einer Einheitsgesellschaft. 82 Dieses Ergebnis entspricht nicht der Teleologie des § 58 II AktG, wonach nur eine Aushöhlung des materiellen Entscheidungsrechts der Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer durch eine Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften verhindert werden soll.83 3. Behandlung von Verlusten der Tochtergesellschaften Diejenigen, die eine Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften über eine direkte Durchrechnung84 oder einen Vorwegabzug85 bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenz berücksichtigen wollen, lehnen, außer bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages, überwiegend eine Verrechnung mit Verlusten der Untergesellschaft ab.86 Nach Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages kann kein Jahresfehlbetrag der Untergesellschaft entstehen. Denn in diesem Fall hat das herrschende Unternehmen gem. § 302 I AktG jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag abzugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt wurden. Die Gründe für die Entstehung des Verlustes sind für die Ausgleichspflicht gleichgültig. Sie besteht auch dann, wenn der Verlust nicht auf Einwirkungen des herrschenden

80

Kohl, S. 237; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342 f) Kohl, S. 237; zu den Vor. und Wirkungen des Gewinnabführungsvertrages, G. Krieger, Münch. -Handbuch § 71 Rn. 4, 17 ff m. w. N. 82 Kohl, S. 237; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342 f) 83 Β II 2d 84 C II 85 C III 86 Götz AG 84, 85 (93); Geßler AG 85, 257 (263); Gollnick, S. 148 ff; a. A. Kohl, S. 234 f 81

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

105

Unternehmens zurückgeht.87 Deshalb entsteht bei einem Verlust der Untergesellschaft in jedem Fall eine entsprechende Ausgleichsforderung gegen die Obergesellschaft, die mit dem Stichtag der Bilanz der Tochtergesellschaft entsteht und mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird. 88 Die Ausgleichforderung wird in der Gewinn- und Verlustrechnung der Tochtergesellschaft gem. § 277 III 2 HGB als Ertrag ausgewiesen, so daß ein Bilanzverlust in der Tochtergesellschaft nicht entsteht.89 Unproblematisch ist die Behandlung von Verlusten der Tochtergesellschaft auch, wenn diese so nachhaltig sind, daß gem. § 253 II 3 HGB Teilwertabschreibungen auf den Beteiligungsbesitz vorgenommen werden. In Höhe dieser außerplanmäßigen Abschreibungen wird der Verlust bereits in der Bilanz der Obergesellschaft berücksichtigt.90 Die Kritiker der „Durchrechnungslösung" sehen in der Nichtberücksichtigung der Jahresfehlbeträge der Untergesellschaften den gravierensten Mangel dieses Lösungsansatzes.91 Begründet wird die Kritik im wesentlichen damit, daß die Verwaltung einer Konzernobergesellschaft auch bei einer Berücksichtigung der in den Untergesellschaften gebildeten Rücklagen nicht schlechter gestellt werden dürfe, als die Verwaltung eines Einzelunternehmens mit Betriebsabteilungen, deren Verluste unmittelbar Auswirkungen auf den Gewinn der Gesellschaft haben. Im Extremfall könnte die Verwaltung der Obergesellschaft bei einer Ablehnung der Gewinn- und Verlustsaldierung gezwungen sein, trotz eigener Verluste Gewinne auszuschütten.92 Gegen diese Argumentation wendet Gollnick ein, eine konsequente Gesamtbetrachtung im Sinne einer Gewinnverwendung wie in einem Einzelunternehmen sei gar nicht durchführbar. 93 Im faktischen Konzern mindere ein Jahresfehlbetrag der Untergesellschaft das zu verwendende Ergebnis der Obergesellschaft nicht, sondern verringere erst das in der Untergesellschaft zu verwendende Jahresergebnis des Folgejahres und damit den Betrag, der an die Obergesellschaft

87

Rn. 9

G. Krieger, Münch. -Handbuch Bd. 4, § 70 Rn. 30; Koppensteiner, Kölner-Komm. § 302

88 G. Krieger, Münch. -Handbuch Bd. 4, § 70 Rn. 34ff; Koppensteiner, Kölner-Komm. § 302 Rn. 25 ff 89 G. Krieger, Münch. -Handbuch Bd. 4, § 70 Rn. 30 90 Götz AG 84, 85 (93); Kohl, S. 235; Geßler AG 85, 257 (263); allg. : Baumbach / Duden / Hopt § 253 Anm. 3 C 91 Thomas ZGR 85, 365 (382); Werner, FS Stimpel, S. 935 (940); H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (442) 92 Werner, FS Stimpel, S. 935 (940); H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (442) 93 Gollnick, S. 144

106

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

ausgeschüttet werden könne.94 Damit sei bei Verlusten der Untergesellschaft im Jahr der Entstehung der Verluste der im Konzern real zu verwendende Gesamtgewinn größer als der verrechnete Gesamtgewinn eines fiktiven Einzelunternehmens. Bei einer Nichtberücksichtigung der Verluste zur Bestimmung der Thesaurierungskompetenz verfügten die Hauptversammlung und die Verwaltung der Obergesellschaft je zur Hälfte über den „Verlustgegenwert" und damit beide über mehr Gewinn als in einer Einheitsgesellschaft. Im Zeitablauf entsprächen die Organkompetenzen betragsmäßig denen einer Einzelgesellschaft. 95 Bei einer Saldierung der Verluste der Tochtergesellschaften mit Gewinnen aus anderen Tochtergesellschaften würde nur die Hauptversammlung der Obergesellschaft im Jahr der Verrechnung so gestellt, als ob ein Einheitsunternehmen bestünde. Der Verlust der Tochtergesellschaften stünde zusätzlich zur Disposition der Verwaltung der Obergesellschaft. 96 Das Fortdenken der gesetzgeberischen Lösung des § 58 II AktG erfordere es deshalb, Verwaltung und Hauptversammlung der Verbundspitze gleich zu behandeln und ihnen jeweils die Hälfte des „Verlustgegenwertes" zur Entscheidung zu überlassen. Bei einer solchen Lösung sei ähnlich wie in einer Einheitsunternehmung der tatsächlich zu verwendende Gewinn maßgeblich und werde paritätisch aufgeteilt. 97 Der bilanzielle Ausgangspunkt Gollnicks, wonach bei einer Saldierung von Gewinnen und Verlusten der Tochtergesellschaft die Verwaltung der Obergesellschaft zusätzlich über den sogenannten „Verlustgegenwert" verfügen kann, ist bei Abstellen auf die Einzelbilanzen zutreffend. Den Schlußfolgerungen, die Gollnick aus dieser Beobachtung zieht, kann jedoch nicht gefolgt werden. Auffallend ist zuerst einmal, daß Gollnick den Kritikern einer „Durchrechnungslösung" ohne die Berücksichtigung von Verlusten in Tochtergesellschaften vorwirft, eine konsequente Gesamtbetrachtung wie in einem Einheitsunternehmen sei nicht durchführbar, die Anknüpfung an die „Fiktion der Einheit" führe auf ein „Nebengleis"98, gleichzeitig aber seine Lösung damit begründet, nur so könne der Gewinn im Konzern wie in einem Einzelunternehmen aufgeteilt werden.99 Weit schwerer als dieser mehr terminologische Widerspruch wiegt die Argumentation mit der Teleologie des § 58 II AktG. Gollnick sieht den Sinn und Zweck des § 58 II AktG darin, im Konzern, wie in einem Einzelunternehmen, den tatsächlich zu verwendenden Gewinn paritätisch aufzuteilen. 100 Diese 94 95 96 97 98 99 100

Gollnick, S. 142 Gollnick, S. 142 Gollnick, S. 143 Gollnick, S. 150 Gollnick, S. 144, 148 f Gollnick, S. 150 Gollnick, S. 149 f

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

107

Formulierung der Regelungsabsicht des § 58 II AktG ist verkürzt und trifft im Zusammenhang mit der Verlustsaldierung nicht zu. Gollnick sieht in § 58 II AktG ein Aktionärsschutzprinzip, das den Aktionären ein materielles Mitspracherecht bei der Gewinnverwendung zubillige. Eine Umgehung der Kompetenzen der Hauptversammlung durch eine formalrechtlich zulässige Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften müsse danach verhindert werden.101 Diese Betrachtungsweise deckt sich im wesentlichen mit der hier vertretenen Auffassung 102, wonach § 58 II AktG den Aktionären als wirtschaftlichen Eigentümern im Bereich der Konzernfinanzierung ein materielles Mitspracherecht einräumen will und nicht nur die Ausschüttungen an sie sicherstellen will. Deshalb muß jede Anwendung der Norm, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einer Umgehung der in § 58 II AktG festgelegten Entscheidungskompetenzen führt, verhindert werden.103 Bei der Bestimmung der Entscheidungskompetenz ist von dem tatsächlichen Gewinn der Obergesellschaft auszugehen, über den deren Aktionäre und die Verwaltung gem. § 58 II AktG entscheiden können.104 Wenn die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften bei der Berechnung der Entscheidungskompetenz berücksichtgt wird, die Verluste in den Tochtergesellschaften aber nicht, wird die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung nicht nur geschützt, sondern erweitert. Dies räumt auch Gollnick105 ein, indem er feststellt, daß sowohl die Hauptversammlung als auch die Verwaltung über mehr Gewinn als in einer Einheitsgesellschaft verfügen. Eine solche Kompetenzerweiterung verlangt die soeben beschriebene Teleologie des § 58 II AktG aber nicht. Es soll nur verhindert werden, daß die Verwaltung der Obergesellschaft Gewinne in den Tochtergesellschaften thesauriert und dadurch zu Lasten der Aktionäre deren Entscheidungsbefugnis über den verteilungsfähigen Ertrag beschränkt.106 Wenn aber zu diesem Zweck die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften und damit der „ausgegliederte Ertrag" 107 der Obergesellschaft bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft berücksichtigt wird, muß dies auch für die Verluste der Tochtergesellschaften gelten, die bei

101

Gollnick, S. 92 Β II 2d, bb

102

103 104 105 106 107

B

I V

Thomas ZGR 85, 365 (378); Goerdeler WPg 86;229 (234) Gollnick, S. 142 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 40; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a, AktG § 58 Rn. 8 die Formulierung stammt von Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (336)

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

konsequenter Betrachtung „ausgegliederte Verluste" der Obergesellschaft darstellen.108 Bei einer Nichtberücksichtigung der Verluste könnte die Hauptversammlung der Obergesellschaft Erträge ausschütten, die tatsächlich nicht entstanden sind. In diesem Fall wären die Warnungen der Kritiker einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern vor einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns, die zu seiner wirtschaftlichen Schwächung führt 109, berechtigt. Der BGH 110 zählt das Verbot, unrealisierte Gewinne zu vereinnahmen, durch das ein Substanzentzug, der die Erhaltung des haftenden Grundkapitals gefährden könnte, verhindert wird, zu den wichtigsten Grundsätzen des deutschen Bilanzrechts. Auch die von Gollnick111 als Gegenargument angeführte sogenannte „Schaukelverrechnung" führt zu keinen anderen Ergebnissen. Richtig ist, daß der Jahresfehlbetrag der Untergesellschaft im Folgejahr gem. § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG als Verlustvortrag deren Jahresüberschuß mindert. Sowohl für die Hauptversammlung als auch für die Verwaltung sinkt damit die Gewinnverwendungskompetenz. Von seiner Sichtweise aus gesehen konsequent geht Gollnick davon aus, daß die Verwaltung nur über die Hälfte des Gewinnes der Obergesellschaft nach Abzug des bereits im Vorjahr real zur Verfügung stehenden Verlustgegenwerts entscheiden darf, um den Kompetenzzuwachs des Vorjahres abzugleichen. Im Verrechnungsjahr ist die Verwaltungskompetenz danach höher und im Folgejahr geringer als die Hälfte des „fiktiven Gesamtgewinns".112 Gollnick zieht der soeben beschriebenen von ihm als „Schaukelverrechnung" bezeichneten Kompetenzbestimmung eine Verrechnung vor, bei der die Hauptversammlung und die Obergesellschaft je zur Hälfte über den im Vergleich zur Einzelunternehmung höheren verwendbaren Gewinn entscheiden können und im Folgejahr beide über einen entsprechend geringeren Gewinn verfügen können.113 Diese Berechnung geht allerdings nur auf, sofern sich im Folgejahr ein Gewinn der Tochtergesellschaft einstellt.114 Bleibt die Tochtergesellschaft auch in den Folgejahren in der Verlustzone, kommt es bei Nichtberücksichtigung dieser Verluste zu weiteren Ausschüttungen aus der Substanz des Konzerns. Entsteht im Folgejahr auch ein Verlust der Obergesellschaft, kann auch kein Ausgleich der Substanzausschüttung mehr stattfinden. Vergegenwärtigt man sich gleichzeitig

108 109

(942 f) 110 111 112 1,3 114

i. E. ebenso Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 50; Kohl, S. 234 f Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34), E. Müller DB 85, 241 (247); Beckmann DB 89; 940 BGHZ 65, 230 (236 f) Gollnick, S. 144 Gollnick, S. 144 Gollnick, S. 150 so auch Gollnick, S. 144 ohne auf das Problem näher einzugehen

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

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die Verpflichtung der Verwaltung der Obergesellschaft, als Konzernleitung für eine ordnungsgemäße Finanzierung des Gesamtkonzerns zu sorgen115, wird deutlich, daß die Verwaltung die Kompetenz haben muß, eine Ausschüttung von real im Konzern nicht erzielten Erträgen zu verhindern. 116 Sofern in den Folgejahren wieder Gewinne erzielt werden, kann der Kompetenzverlust dann wieder ausgeglichen werden. Somit sind die Verluste der Tochtergesellschaften bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenzen in der Obergesellschaft zu berücksichtigen.117 Umstritten ist weiterhin, ob eine Verrechnung mit Gewinnen der anderen Tochtergesellschaften zu erfolgen hat118, oder ob die Verluste der Tochtergesellschaft wie ein Verlustvortrag der Obergesellschaft selbst entsprechend § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG zu behandeln sind.119 Rechnerisch führt die horizontale oder vertikale Verrechnung zu keinen anderen Ergebnissen. 120Dogmatisch erscheint der zweite Lösungsweg vorzugswürdig, da sowohl die Verluste der Obergesellschaft selbst aus dem Vorjahr als auch die Verluste in Tochtergesellschaften aus demselben Rechnungsjahr periodenfremd sind. Der Verlust der eigenen Gesellschaft ist in zeitlicher Hinsicht periodenfremd, derjenige der Tochtergesellschaft deshalb, weil er nicht auf der eigenen Bilanz beruht. Bei einer konzernrechtlichen Betrachtungsweise ähnelt sich die Situation weitgehend, so daß eine entsprechende Anwendung des § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG naheliegt. Die soeben genannten Normen zeigen im übrigen, daß auch der Gesetzgeber eine zeitlich versetzte Berücksichtigung von Verlusten bei der Bstimmung der Gewinnverwendungskompetenz für möglich gehalten hat.121 Die in Konzerntöchtern entstandenen Verluste sind somit wie ein Verlustvortrag der Obergesellschaft entsprechend § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG vom Jahresüberschuß der Obergesellschaft vor der Berechnung der Thesaurierungskompetenz abzuziehen.

115

zutreffend Goerdeler WPg 86, 229 (232) i. E. ebenso H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (442) 117 wie hier Lutter, Kölner-Komm- § 58 Rn. 50; Kohl, S. 234 f; Thomas ZGR 85, 365 (382) 118 so Werner, FS Stimpel, S. 935 (940); H. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (442); Thomas ZGR 85, 365 (382) 119 so Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 50; Kohl, S. 234 f 120 zutreffend insoweit Gollnick, S. 139 FN. 179 121 vgl. Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 50 116

110

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

4. Behandlung konzerninterner Zwischenergebnisse Als zweites wesentliches Gegenargument gegen eine direkte Durchrechnung wird darauf hingewiesen, daß ein „Gesamtgewinn" des Konzerns auch konzerninterne Zwischengewinne enthalte. Die Zugrundelegung eines solchen Gewinnes ließe den auf dem Vorsichtsprinzip beruhenden elementaren Grundsatz außer Acht, daß die wirtschaftliche Einheit des Konzerns eine Ausschaltung der Zwischengewinne erfordere. Gewinne aus Lieferungen und Leistungen zwischen Konzernunternehmen könnten aus der Sicht des Konzerns, wie die Begründung des Regierungsentwurfs zeige122, ebensowenig als realisiert angesehen werden wie Lieferungen und Leistungen zwischen den einzelnen Betriebsabteilungen eines Unternehmens.123 Ein sogenanntes Zwischenergebnis entsteht, wenn es durch konzerninterne Lieferungen und Leistungen zu niedrigeren Herstellungskosten beim Veräußerer und dementsprechend höheren Anschaffungskosten beim Erwerber und dadurch zu Bilanzunterschieden innerhalb der Konzerngesellschaften kommt.124 Im Konzernabschluß müssen aufgrund der in § 297 III HGB normierten Einheitstheorie bei der Zusammenfassung der Einzelabschlüsse die aus den konzerninternen Geschäften resultierenden Erfolgsbeiträge gem. § 3041 HGB eliminiert werden.125 Gollnick126 ist beizupflichten, daß das alleinige Abstellen auf die Zwischengewinne eine Verkürzung des Problems darstellt. Denn der durch das Bilanzrichtliniengesetz eingeführte § 304 HGB verlangt, anders als die bisherige Rechtslage, auch die Elimination der Zwischenverluste als Pendant der Zwischengewinne.127 Aus dieser Feststellung läßt sich aber nicht ableiten, daß die soeben dargestellte Kritik unzutreffend ist.128 Kern der Kritik ist, daß die Zwischenergebnisse keine am Markt realisierten Erträge oder Verluste darstellen.129 Legte man der Anwendung des § 58 II AktG einen „Gesamt-Jahresüberschuß" des Konzerns unter Einschluß der Zwischenergebnisse zugrunde, unterfiele bei einem Überwiegen der Zwischengewinne der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft ein größerer Betrag als bei einem Einheitsunternehmen.130 So-

122

Kropff, S. 442 Werner, FS Stimpel, S. 935 (939 FN. 12); i. E. ebenso Thomas ZGR 85,365 (380 f); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30 f) 124 Baumbach / Duden / Hopt § 304 Anm. 1 125 Havermann, FS Goerdeler; S. 173 (178); ders., WP-Handbuch 85 / 86 Bd. I, S. 720 126 Gollnick, S. 152 f 127 Baumbach / Duden / Hopt § 304 Anm. 1; Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (192 f) 128 sowohl Gollnick, S. 152 129 Kohl, S. 235; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34) 130 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (341); Kohl, S. 235 f 123

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

111

fern die Zwischenverluste überwiegen, wäre die Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung geringer als bei einer Einheitsgesellschaft, so daß aufgrund des dem § 58 II AktG innewohnenden Aktionärsschutzprinzips 131 eine Elimination der Zwischenverluste zugunsten der Aktionäre durchgeführt werden müßte. Der zuletzt genannte Fall dürfte in der Praxis kaum relevant werden, da die Zwischenverluste in der Regel hinter den Zwischengewinnen zurückbleiben.132 Gollnick wendet gegen die Berücksichtigung der Zwischenerfolge weiter ein, die Konzernleitung habe es in der Hand, diese gar nicht erst entstehen zu lassen.133 Zutreffend ist, daß die Verwaltung der Obergesellschaft die Preisbildung im Konzern beeinflußen und kontrollieren kann.134 Diese Einflußnahmemöglichkeit liegt aber auf einer ganz anderen Ebene als die hier behandelte Gewinnverwendungsentscheidung. Es ist unbestritten, daß die Verwaltung im Vorfeld der Gewinnverwendung, insbesondere im Bereich der Konzerngeschäftspolitik und der bilanziellen Gewinnermittlung vielfältige Möglichkeiten hat, die Entstehung von Gewinnen der Obergesellschaft zu beeinflußen. 135 Die teleologische Reduktion des § 58 II AktG erfolgt jedoch nur für den Bereich der Gewinnverwendung und soll die Hauptversammlung der Obergesellschaft vor einer Entziehung der ihr in diesem Bereich zustehenden materiellen Mitspracherechte schützen.136 Im Bereich der bilanziellen Gewinnermittlung und der noch weiter vorgelagerten Konzerngeschäftspolitik hat die Hauptversammlung keinerlei Mitwirkungsrechte. Die dort zu treffenden Entscheidungen obliegen als reine Geschäftsführungsmaßnahmen allein der Verwaltung.137 Das entscheidende Argument gegen eine Berücksichtigung der Zwischenergebnisse sieht Gollnick in Parallele zu der Behandlung der Verluste der Tochtergesellschaften darin, daß bei einer Elimination der Zwischenergebnisse der tatsächlich zu verwendende Gewinn höher sei als der Gewinn, der in einer Einheitsgesellschaft angefallen wäre. Auch in diesem Fall könne es nur darum gehen, den Rechtsgedanken des § 58 II AktG auf die Realität des Konzerns zu übertragen und nicht der Fiktion der rechtlichen Einheit nachzugehen, da die der Einheitsunternehmung entsprechende Gewinnverwendung so oder so erst im Zeitablauf realisierbar sei.138 Ebenso wie im Fall der Verlustsituation in Tochtergesellschaften erscheine es bei Fortdenken der gesetzgeberischen Lösung

vgl. Β II 2d Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (193); so auch Gollnick, S. 153 Gollnick, S. 152 f Havermann, WP-Handbuch 85 / 86 Bd. I; S. 746 vgl. Lehertshuber DB 89, 1534 (1534 f); vgl. A V 2b, aa Β II 2d vgl. A V 2b Gollnick, S. 159

112

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

folgerichtig, daß Verwaltung und Hauptversammlung je zur Hälfte über den tatsächlich zu verwendenden Gewinn entscheiden, wodurch die paritätische Gewinnverwendung aufrechterhalten werde.139 Die Ansicht Gollnicks wird, wie bereits anläßlich der Behandlung von Verlusten der Tochtergesellschaften dargelegt wurde 140, der Teleologie des Gesetzes nicht gerecht. Werden die Zwischengewinne nicht eliminiert, wird die Entscheidungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft nicht nur geschützt, sondern erweitert, da sie über Erträge entscheiden kann, die im Konzern nicht erwirtschaftet wurden.141 Einer Erweiterung der Entscheidungsbefugnisse der Hauptversammlung bedarf es aufgrund der teleologischen Reduktion des § 58 II AktG, durch die eine Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz verhindert werden soll, nicht.142 Sie wäre für den Gesamtkonzern auch schädlich, da dann die Gefahr einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns aufgrund von Dividendenzahlungen aus nicht erwirtschafteten Erträgen besteht.143 Aus diesem Grund müssen die Zwischenergebnisse aus konzerninternen Rechtsgeschäften aus dem die Grundlage der Gewinnverwendung bildenden Jahresüberschuß eliminiert werden. 5. Behandlung ausländischer Tochtergesellschaften Konzerngesellschaften, die im Ausland nach ausländischem Recht gegründet wurden und auch ihren Sitz im Ausland haben, unterliegen dem Recht des Sitzstaates.144 Die ausländischen Gesellschaften und ihre deutsche Konzernleitung können durch die ausländische Gesetzeslage gezwungen werden, mehr Rücklagen in den Auslandsgesellschaften zu bilden als dem Konzernkonzept entspricht. Bei einer vollen Anrechnung dieser Rücklagen kommt es zu einer Benachteiligung der übrigen Konzerngesellschaften einschließlich der Obergesellschaft, die diesen Beschränkungen nicht unterworfen sind, weil in ihnen entsprechend weniger Rücklagen gebildet werden dürfen. 145 Ausländische Konzerngesellschaften sollen allerdings bei einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern nicht ausgeklam-

139

140 141

Gollnick, S. 160 c

I V

3

ähnlich Kohl, S. 236; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) vgl. C IV 3 143 Kohl, S. 236; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34); E. Müller DB 85, 241 (247) 144 Wiedemann, S. 782 ff; Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, S. 20 ff; Heymann, Niehus / Scholz § 290 Rn. 10 145 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (343); Gollnick, S. 162; Kohl, S. 229 f; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34 f), Thomas ZGR 85, 365 (381) 142

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

113

mert werden. Das Umgehungsproblem146 stellt sich bei ihnen genauso wie bei deutschen Konzerntöchtern. Es geht lediglich darum, die sich aus dem ausländischen Recht ergebenden Besonderheiten der Teleologie des § 58 II AktG entsprechend zu berücksichtigen.147 Die ausländischen Konzerngesellschaften müssen zunächst eine Handelsbilanz nach den örtlichen handelsrechtlichen Vorschriften erstellen. Diese Bilanz wird als Handelsbilanz I bezeichnet und soll auf die Interessen der Aktionäre, auf steuerliche Belange und auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft im Ausland ausgerichtet sein. Sofern der Konzern Gesellschaften in verschiedenen Ländern hat, sind jeweils unterschiedliche Bilanzformen und Bewertungsmaßstäbe anzuwenden.148 Die verschiedenen ausländischen Einzelbilanzen sind deshalb für eine Zusammenfassung zu einer aussagefähigen Konzernbilanz nicht geeignet. Gerade bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz gem. § 58 II AktG geht es um die Kompetenzverteilung in der Obergesellschaft, deren Bilanz nach deutschem Recht erstellt wird. Die Jahresergebnisse der ausländischen Tochtergesellschaften müssen deshalb nach deutschem Recht berechnet werden, wobei vor allem die deutschen Bewertungsgrundsätze beachtet werden müssen. Zu diesem Zweck stellt jede ausländische Tochtergesellschaft eine zweite Bilanz, die sogenannte „Handelsbilanz II" auf, die in einer einheitlichen Gliederung ihre Vermögensverhältnisse zu Wertansätzen aufzeigt, die den Bewertungsvorschriften des deutschen Rechts entsprechen.149 Die Erstellung der Handelsbilanz II ist allerdings keine Besonderheit bei der Beteiligung einer ausländischen Tochtergesellschaft. Da der Konzernabschluß nach Erlaß des Bilanzrichtliniengesetzes nicht mehr aufgrund der strengen Maßgeblichkeit unmittelbar aus den Einzelbilanzen entwickelt wird, sondern einzelne Bewertungs- und Bilanzierungswahlrechte neu ausgeübt werden können, müssen auch inländische Tochtergesellschaften für den Konzernabschluß die sogenannte Handelsbilanz II erstellen.150 Sofern die ausländische Tochtergesellschaft gem. §§ 290 ff HGB in einen Konzernabschluß einzubeziehen ist, erfordert die Erstellung der für die Berechnung der Thesaurierungskompetenz erforderliche Handelsbilanz II deshalb keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. 151 Die Berücksichtigung der ausländischen Tochterunternehmen stellt kein zusätzliches Bilanzierungsproblem dar, sondern kann anhand der ohnehin zu erstellenden Bilanzen durchgeführt werden.

146

vgl. A II ähnlich Kohl, S. 228 f 148 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34) 149 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (34); Kohl, S. 229; Bruns, Konzernrechnungslegung undprüfung, S. 139 (144) 150 Bruns, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 139 (144), ausführlich zu den Wahlrechten, S. 145 ff 151 Kohl, S. 229 147

8 Frodermann

114

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Durch die Umrechnung allein nicht zu lösen ist allerdings der Fall, daß ein ausländisches Recht Ausschüttungsbeschränkungen vorsieht.152 Solche Ausschüttungsbeschränkungen können sich aus handelsrechtlichen, devisenrechtlichen oder steuerrechtlichen Bestimmungen ergeben.153 Handelsrechtlich können konzernspezifische Ausschüttungsverbote bestehen, die eine aufgrund der Einzelbilanz zulässige Ausschüttung im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Gesamtsituation des Konzerns verbieten.154 Ein solches Ausschüttungsverbot betrifft jedoch nur die Muttergesellschaft, die in den hier behandelten Fällen ihren Sitz in Deutschland hat und damit dem deutschen Recht unterliegt. Problematischer sind devisenrechtliche Bestimmungen, die die Dividendenhöhe begrenzen oder einen Devisentransfer verbieten oder zumindest von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen.155 Das Steuerrecht des Sitzstaates der ausländischen Tochtergesellschaft führt zu einer Ausschüttungsbeschränkung, wenn es für ins Ausland transferierte Gewinne eine prohibitive Sondersteuer enthält, die die Dividende weitgehend aufzehrt. 156 Die Gewinnanteile, die einer dieser Ausschüttungsbeschränkungen unterliegen, sind für die Konzernleitung nicht disponibel. Die Gefahr einer Umgehung der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft durch Konzernleitungsmaßnahmen ihrer Verwaltung157 besteht deshalb nicht. Die aufgrund der ausländischen Normen „zwangsthesaurierten" Gewinnanteile sind mit den gesetzlichen Rücklagen im Sinne des § 150 AktG vergleichbar. 158 Die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, werden zur Bestimmung der Thesaurierungskompetenz gem. § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG vorab vom Jahresüberschuß abgezogen. Bei einer Gleichstellung der aufgrund von Transferverboten im Ausland gebildeten Rücklagen mit den gesetzlichen Rücklagen wären diese entsprechend § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG vom anteiligen Konzernjahresüberschuß abzuziehen, so daß sie bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenz gar keine Rolle spielen.159

152 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (343); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (35); Ordelheide BFuP 86, 293 (309) 153 ausführlich mit zahlreichen Beispielen Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (38 ff) 154 Kohl, S. 229; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (39) unter Hinweis auf skandinavische Aktiengesetze 155 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72); Wiedemann, S. 139 f, Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (39) unter Hinweis auf das griechische Recht 156 Kohl, S. 230; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (40) unter Hinweis auf das brasilianische Recht 157 vgl. A II, Β II 2d 158 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72); Gollnick, S. 162 159 so Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72)

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

115

Gegen diesen Ansatz wird eingewandt, daß die Verwaltung der Obergesellschaft von der dieser zufließenden Restgröße die Hälfte einbehalten kann, obwohl in der Auslandsgesellschaft bereits mehr Gewinn einbehalten wurde, als nach § 58 II AktG von der Verwaltung zur Bestandserhaltung thesauriert werden dürfte. Eine gänzliche Außerachtlassung der dort gebildeten Rücklagen würde das Gewinndispositionrecht der Aktionäre der Obergesellschaft folglich beeinträchtigen.160 Als Lösung wird deshalb vorgeschlagen, die Verwaltung dürfe die über 50% des betreffenden Jahresüberschusses hinaus „erzwungenen" ausländischen Rücklagen außer Betracht lassen, müsse dies aber in ihren Erläuterungen im Anhang entsprechend darlegen und begründen.161 Die vollständige Nichtbeachtung solcher Beträge, die in ausländischen Tochtergesellschaften erwirtschaftet wurden, aber nicht transferierbar sind, wird teilweise damit begründet, daß der Satzungsgeber der Obergesellschaft mit der Erlaubnis zur Gründung und Unterhaltung einer ausländischen Tochtergesellschaft auch eine Zustimmung zur Eingehung der besonderen Risiken aus dem Recht des Sitzstaates erteilt habe. Zu diesen Risiken gehöre auch der Entzug der Gewinnverwendungskompetenz für solche Jahresüberschüsse, die in ausländischen Tochtergesellschaften erwirtschaftet wurden, aber nicht transferierbar sind.162 Unklar bleibt, wie die Erlaubnis zum Besitz einer ausländischen Tochtergesellschaft in den durch § 58 AktG gesteckten Rahmen eingeordnet werden soll. Denkbar ist allenfalls, daß die Satzungsbestimmung als Ermächtigung gem. § 58 II 2 AktG eingeordnet wird. Bei § 58 II 2 AktG ist umstritten, ob eine auf dieser Norm beruhende Satzungsermächtigung eine klare Angabe ihrer Reichweite enthalten muß.163 Bei diesem Meinungsstreit geht es jedoch nur darum, ob die Ermächtigung eine Höchstgrenze in der Regel in Form einer Prozentangabe enthalten muß, oder ob es ausreicht, die Formulierung des § 58 II 2 AktG in die Satzung zu übernehmen. Auch die Vertreter der zuletzt genannten Meinung, verlangen somit eine ausdrückliche Regelung der Ermächtigung in der Satzung.164 Der Verzicht auf die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung muß sich eindeutig aus der Satzung ergeben165, eine konkludente Ermächtigung aufgrund einer Satzungsbestimmung, die die Gründung und Unterhaltung einer ausländischen Tochtergesellschaft gestattet, reicht dazu nicht.

160

Gollnick, S. 162 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (343); zustimmend Gollnick, S. 162 162 Kohl, S. 230 163 verneinend: Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 25; Godin / Wilhelmi § 58 Anm. 3; Baumbach / Hueck § 58 Anm. 4; bejahend: Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a, AktG § 58 Rn. 45; Barz, Großkomm. § 58 Anm. 16; A / D / S 4. Aufl. § 150 Anm. 96 164 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 25; Godin / Wilhelmi § 58 Anm. 3 165 Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a, AktG § 58 Rn. 45 161

116

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Im Ergebnis ist der von Kohl 166 vertretenen Meinung, wonach bei der Bestimmung des Thesaurierungsspielraums der Verwaltung der Obergesellschaft solche Beträge nicht einbezogen werden müssen, die in ausländischen Tochtergesellschaften erwirtschaftet wurden, aber nicht transferierbar sind, zuzustimmen. Die Begründung ergibt sich jedoch aus der Teleologie des § 58 II AktG. Die Norm will verhindern, daß die Konzernleitung Gewinne in der Tochtergesellschaft thesauriert und dadurch ihre eigene Entscheidungskompetenz durch den Einsatz ihrer Konzernleitungsmacht zu Lasten der Hauptversammlung vergrößert. 167 Die nicht transferierbaren Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften sind jedoch für die Muttergesellschaft insgesamt und damit sowohl für die Hauptversammlung als auch für die Verwaltung nicht disponibel.168 Eine Umgehung des § 58 II AktG aufgrund der konzernrechtlichen Verflechtung ist demgemäß nicht möglich. Bei der Behandlung der Verluste von Tochtergesellschaften führten ähnliche auf die Teleologie des § 58 II AktG gestützte Überlegungen zu einer entsprechenden Anwendung des § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG. Die Verluste der Tochtergesellschaften wurden dort dem eigenen Verlustvortrag der Obergesellschaft gleichgesetzt.169 Im Hinblick auf die nicht transferierbaren Gewinne ausländischer Töchter bietet sich bei konsequenter Fortführung dieses Gedankens die Gleichsetzung mit den ebenfalls in § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG geregelten und vorab abzuziehenden gesetzlichen Rücklagen an.170 Denn auch die Bildung der gesetzlichen Rücklagen steht weder zur Disposition der Verwaltung noch der Hauptversammlung.171 Demnach sind die nicht transferierbaren Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft vollständig außer Betracht zu lassen. 6. Vorwegabzug der Rücklagen der Tochtergesellschaften Gollnick172 will die Probleme, die bei der Berechnung eines „Gesamtgewinnes" oder eines „Gesamtjahresüberschusses" entstehen, dadurch umgehen, daß er andere Gewinnrücklagen, die in dem betreffenden Jahr in den nachgeordneten

166

Kohl, S. 230 Β II 2d Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72)

167 168

169 170 171 172

c

I V

3

ähnlich Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72) Hoffmann-Becking, Münch. -Handbuch Bd. 4, § 43 Rn. 2 f Gollnick, S. 172 f; C III

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

117

Gesellschaften gebildet wurden, vorab gem. § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG vom Jahresüberschuß abzieht. Auf den ersten Blick stellt dieser Lösungsansatz eine verblüffend einfache Lösung des Problems dar. Sie ist aber nur dann durchführbar, wenn auch den weiteren von Gollnick173 aufgestellten Grundsätzen gefolgt werden kann. Eng mit dem Vorwegabzug verbunden ist die zeitkongruente Vereinnahmung der Beteiligungserträge der Tochtergesellschaften. 174 Nur sofern die Tochtergesellschaften in dem Jahr, in dem die Rücklagen gebildet wurden auch den restlichen Gewinn an die Muttergesellschaft ausschütten, steht den Organen der Obergesellschaft tatsächlich eine Gewinndispositionsmöglichkeit zu.175 Bei einem Vorwegabzug ohne die zeitkongruente Vereinnahmung der Beteiligungserträge bestünde die Gefahr einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns, da die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung dem tatsächlich zu verteilenden Jahresüberschuß nicht entspräche.176 Ein Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen ist deshalb nur durchführbar, wenn die Verwaltung zu einer zeitkongruenten Erfassung der Beteiligungserträge verpflichtet werden kann und diese in bilanzieller Hinsicht vollständig durchführbar ist. Es stellt sich somit die Frage, ab wann der Gewinn eines Tochterunternehmens in der Bilanz des Mutterunternehmens als Forderung gegen verbundene Unternehmen gem. § 266 II Β Nr. II 2 HGB und in deren Gewinn- und Verlustrechnung gem. § 275 II Nr. 9, III Nr. 8 HGB auszuweisen ist. Kann oder muß der Ausweis schon am Ende des Geschäftsjahres erfolgen, in dem die Tochtergesellschaft den Gewinn erwirtschaftet oder erst am Ende des Geschäftsjahres, in dem die Tochtergesellschaft ihn ausschüttet? Die Bilanz darf nach dem Realisationsprinzip nur Vermögensgegenstände enthalten, die dem Unternehmen am Abschlußstichtag auch gehören. Die Gewinn- und Verlustrechnung darf nur Erträge ausweisen, die im Geschäftsjahr angefallen sind.177 Deshalb sind Gewinne in Tochtergesellschaften grundsätzlich erst dann auszuweisen, wenn die Gewinnausschüttung in der Tochtergesellschaft beschlossen wurde, weil erst dadurch der Anspruch in konkreter Höhe begründet wird. 178 Die Rechtspechung179

173

Gollnick, S. 174 ff Gollnick, S. 174 f 175 vgl. C IV 2b 176 hiervon scheint auch Gollnick, S. 173, auszugehen, indem er in seiner Beispielsrechnung die zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge voraussetzt. 177 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 518; S. 214; Baumbach / Duden / Hopt § 252 Anm. 6 A 178 BGHZ 65, 230 (234); Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 518, S. 214; Wassermeyer, FS Döllerer, S. 705 (705) 179 BGHZ 65, 230 (234 f); anders noch RGZ 112, 19 ff 174

118

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

läßt die Aktivierung eines am Ende des Geschäftsjahres rechtlich noch nicht entstandenen Gewinnanspruches dann zu, wenn er sich gegen ein verbundenes Unternehmen mit gleichem Geschäftsjahr richtet, an dem die Gesellschaft mit Mehrheit beteiligt ist und wenn infolgedessen in dem Zeitpunkt, in dem diese Gesellschaft ihren Jahresabschluß feststellt, die Entstehung der Forderung mindestens tatsächlich gesichert ist. Für diese Betrachtungsweise spreche wesentlich der Gesichtspunkt, daß vor allem bei konzernverbundenen Unternehmen, die infolge einheitlicher Leitung eine wirtschaftliche Einheit bilden, die Gewinne der Tochtergesellschaft ohne zeitliche Verzögerung erscheinen sollten. Denn die Aussagefähigkeit einer Bilanz, die den wirtschaftlichen Erfolg eines bestimmten Geschäftsjahres aufzeigen solle, könne leiden, wenn im gleichen Geschäftsjahr erzielte Gewinne einer Tochtergesellschaft erst im folgenden Jahr, bei mehrstufigen Beteiligungen sogar erst in noch späteren Jahren von der Muttergesellschaft vereinnahmt werden dürften. 180 Der BGH-Entscheidung ist gerade im Hinblick auf das hier behandelte Problem der Gewinnverwendung im Konzern zuzustimmen, da eine Umgehung der in § 58 II AktG geregelten Kompetenzverteilung durch eine zeitlich verzögerte Erfassung der Beteiligungserträge erleichtert wird. Nur durch einen auch in zeitlicher Hinsicht aussagefähigen Jahresabschluß werden die ohnehin bestehenden Manipulationsmöglichkeiten181 der Konzernleitung beschränkt.182 Der BGH hat allerdings nur entschieden, daß es statthaft ist, die Dividende in dem Geschäftsjahr auszuweisen, in dem sie in der Tochtergesellschaft erwirtschaftet wurde. Ob ein solcher Ausweis rechtlich geboten ist, hat er ausdrücklich offengélassen.183 Prüft man die Argumente, aus denen der BGH die Zulässigkeit der zeitkongruenten Vereinnahmung der Beteiligungserträge ableitet, so ließe sich daraus auch eine Pflicht zu einer solchen Vereinnahmung ableiten.184 Denn der BGH hat unter den von ihm aufgestellten Voraussetzungen die Entstehung eines Dividendenanspruchs bejaht. Eine realisierte Forderung muß aber nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen aktiviert werden.185 Deshalb bejaht Gollnick186 eine Verpflichtung der Verwaltung der Verbundspitze, Beteiligungserträge zeitkongruent zu erfassen. Die bisherige BGH-

180

BGHZ 65, 230 (235 f) vgl. A II, V 2b, aa 182 Dem BGH stimmen zu Großfeld, Rn. 518, S. 215; Gollnick, S. 174 f; ablehnend unter Hinweis auf BFH (BFHE 147;27 ff) Wassermeyer, FS Döllerer, S. 705 (708 ff) 183 BGHZ 65, 230 (238) 184 zutreffend Pasdika AG 77, 159 (159) 185 Pasdika AG 77, 159 (159) m. w. N.; Baumbach / Duden / Hopt § 252 Anm. 6 B, b 186 Gollnick, S. 175 181

IV. Kritik an den Lösungsansätzen

119

Rechtsprechung187 spricht allerdings eher für ein Wahlrecht als für eine Bilanzierungspflicht. Denn ohne eine darauf gerichtete Gesetzesänderung wurde bisher keine Bilanzierungsweise zur Pflicht erhoben, die in der Praxis nicht als obligatorisch angesehen wurde.188 Die Praxis vereinnahmt die Beteiligungserträge, obwohl einige große Konzerne in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, zumindest noch nicht mehrheitlich zeitkongruent.189 Schließlich wäre die Umgehungsgefahr allein mit der von Gollnick vertretenen Verpflichtung zur zeitkongruenten Erfassung der Dividenden aus Tochtergesellschaften unter den vom BGH aufgestellten Voraussetzungen nicht beseitigt, da die Konzernleitung veranlassen kann, daß der Jahresabschluß erst festgestellt wird, wenn die Prüfung des Jahresabschlusses in der Obergesellschaft abgeschlossen ist. Damit kann sie bestimmen, ob eine zeitkongruente Erfassung der Dividenden erfolgen soll oder nicht.190 Gollnick scheint dieses Problem auch erkannt zu haben, indem er fordert, die Verwaltung müsse auf das Zustandekommen der Bedingungen hinwirken, unter denen eine zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge erfolgen könne.191 Wie die Verwaltung diese Bedingungen sicherstellen kann und ob dies in jedem Fall möglich ist, erörtert er allerdings nicht. Es gibt Fälle, in denen aufgrund branchenspezifischer Besonderheiten die Konzernobergesellschaft und die Tochtergesellschaften einen unterschiedlichen Abschlußzeitpunkt haben müssen. Unterschiedliche Abschlußzeitpunkte können sich bei ausländischen Tochtergesellschaften auch aus dem für sie geltenden Recht ergeben.192 Festzuhalten bleibt deshalb, daß eine Verpflichtung der Verwaltung der Obergesellschaft zu einer zeitkongruenten Erfassung ihrer Beteiligungserträge aufgrund der derzeitigen Rechtsprechung nicht besteht und sich in bilanzieller Hinsicht auch nicht vollständig durchführen läßt. Gollnick ist aber darin beizupflichten, daß eine zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge die Aussagefähigkeit der Bilanz der Obergesellschaft erhöht und deshalb einer am Sinn und Zweck des § 58 II AktG ausgerichteten Gewinnverwendung dient. Da eine vollständige Zeitkongruenz aber nicht in jedem Fall sichergestellt werden kann, beinhaltet der ausnahmslose Vorwegabzug der Thesaurierungen in Tochtergesellschaften die Gefahr einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns, die auf jeden Fall vermieden werden muß, um das Haflungs-, Kredit- und Investitionspotential der

187 188 189 190 191 192

vgl. BGHZ 34, 324 ff Pasdika AG 77, 159 (160) Wöhe, S. 893 Pick, S. 132; Pasdika AG 77, 159 (160) Gollnick, S. 175 vgl. Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (35 f)

120

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Obergesellschaft und damit auch des Gesamtkonzerns zu erhalten.193 Diese Gefahr besteht in noch stärkerem Maße als durch die Zeitkomponente durch die Ablehnung einer Anrechnung der in Tochtergesellschaften entstandenen Verluste und der konzerninternen Zwischengewinne in Gollnicks Lösungansatz.194 Die von Gollnick195 durchgeführte Berechnung des sogenannten „bereinigten Jahresüberschusses", bei der vom Jahresüberschuß der Obergesellschaft gem. § 58 II 4 i. V. m. I 3 AktG die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen vorab abgezogen werden, soll die von den Anhängern der Durchrechnungslehre vorgenommene Berechnung eines „Gesamtgewinnes" entbehrlich machen. Der Ansatz ist deshalb nur konsequent durchzuführen, wenn eine Berücksichtigung von konzerninternen Zwischenergebnissen und Verlusten in Tochtergesellschaften nicht erfolgt. Denn bei deren Berücksichtigung bedarf es einer Zwischenrechnung, die Gollnick in seiner Lösung vermeiden will. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, daß bei einer an der Teleologie des § 58 II AktG ausgerichteten Betrachtungsweise die konzerninternen Zwischenergebnisse und die Verluste der Untergesellschaften bei der Bestimmung der Gewinnverwendungskompetenz berücksichtigt werden müssen.196 Ein Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen vom Jahresüberschuß der Muttergesellschaft führt deshalb nicht zu einer interessengerechten Verteilung der Gewinnverwendungskompetenz. V. Modifizierte Anwendung des § 58 I I AktG Anders als die bisher vorgestellten Lösungsansätze knüpft eine weitere Meinung an die Pflichten der Verwaltung der Obergesellschaft gegenüber ihren Aktionären an und leitet aus dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG eine Einschränkung der Befugnis des Vorstandes der Muttergesellschaft zur Gewinnthesaurierung in der Tochtergesellschaft ab.197 Danach kann die Verwaltung der Obergesellschaft den Jahresabschluß ohne Beachtung des Konzernsachverhalts wirksam feststellen, sie darf es aber nicht, wenn sie nicht ihre Pflichten zur korrekten Geschäftsführung, Überwachung und Rechnungslegung gem. §§ 76, 93, 111, 116 AktG, §§ 242 ff, 264 HGB verletzen will. Diese Betrachtungsweise führt unter Restriktion des Norminhalts von einem „Nicht-Anders-Können" zu einem nicht „Nicht-Anders-

193

vgl. BGHZ 65, 230 (236 f) vgl. Gollnick, Grundsätze V und VI, S. 183 f; zur Ablehnung dieses Ansatzes vgl. CIV 3, 4 195 Gollnick, S. 172 196 C IV 3, 4 197 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338 f); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 41 ff; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a, AktG § 58 Rn. 8 194

V. Modifizierte Anwendung des § 58 II AktG

121

Dürfen" zu einer mittelbaren Anwendung des § 58 II AktG auf den Konzernsachverhalt. 198 Der Ansatz über die Pflichten der Verwaltung und die Differenzierung zwischen dem rechtlichen Dürfen und dem rechtlichen Können ermögliche, gerade auch im Hinblick auf die strenge Rechtsfolge der Nichtigkeit des Jahresüberschusses gem. § 256 I Nr. 4 AktG, die flexiblere Lösung, die den komplexen Strukturen und Verwerfungen im Konzern eher gerecht würde. 199 Anders als in seinen ersten Überlegungen200 versteht Lutter die Pflichten der Konzernleitung damit nicht mehr so, daß diese verpflichtet sei, nach Möglichkeit in den Tochtergesellschaften für eine volle Verlagerung des Jahresüberschusses auf die Muttergesellschaft zu votieren. Nach der von ihm nunmehr vertretenen Auffassung bleiben sowohl die Entscheidungskompetenzen der Organe der Untergesellschaften als auch die Kompetenzen der Verwaltung der Obergesellschaft aus § 58 II AktG unberührt. Letzterer bleibe es überlassen, ob die Rücklagen in den Untergesellschaften gebildet werden und eine Anrechnung in der Obergesellschaft erfolge, oder ob die Rücklagen weitgehend auf die Obergesellschaft konzentriert werden.201 Die Restriktion des Norminhalts des § 58 II AktG führt bei Lutters Lösungsansatz zu einer doppelten Schranke und einem doppelten Höchstbetrag im Konzern. Obergrenze ist stets die Hälfte des in der Obergesellschaft selbst ausgewiesenen Jahresüberschusses. Diese Obergrenze sei mit der Hälfte des Konzernüberschusses abzüglich der im Konzern bereits gebildeten Rücklagen zu vergleichen. Die Hälfte des eigenen Jahresüberschusses sei maßgeblich, wenn die Hälfte des „bereinigten Konzernjahresüberschusses" einen höheren Betrag ergebe, denn eine Entscheidungskompetenz über mehr als 50% des Jahresüberschusses der eigenen Gesellschaft stünde der Verwaltung in keinem Fall zu. Sei der „bereinigte Konzernjahresüberschuß" geringer als der Jahresüberschuß der Obergesellschaft, richte sich die Gewinnverwendungskompetenz der Konzernleitung nach diesem. Bei dieser Sichtweise könne es nicht zu einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns kommen.202 Seine Lösung faßt Lutter in dem folgenden Rechtssatz zusammen203: „Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft als Konzernobergesellschaft dürfen nach § 58 II AktG im Jahresabschluß dieser

198

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 41 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338 f); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 41; Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a, AktG § 58 Rn. 8 200 Lutter, FS H. Westermann, S. 347 (362) 201 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 42 202 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 43 203 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (340) 199

122

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Aktiengesellschaft nicht mehr an Gewinnrücklagen bilden, als sie hätten bilden können, wären ihre Konzerngesellschaften in Wirklichkeit ein unausgegliederter Teil von ihnen selbst gewesen (Fiktion der Einheit). Darüber hinausgehende Gewinnrücklagen können nur mit Zustimmung der Hauptversammlung nach §§ 58 III, 174 AktG gebildet werden. " Ausnahmen von seinem „Rechtssatz" läßt Lutter dann zu, wenn die Satzung der Obergesellschaft eine Erweiterung der Verwaltungskompetenz nach § 58 II 2 AktG enthält und die Schranke des Satzes 3 im Konzern eingehalten wird. Denn was für die Obergesellschaft gelte, wenn sie mit der Tochtergesellschaft fusioniere, müsse auch für den Konzern gelten. Auch in dem Fall, daß mit der Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft in einer Untergesellschaft entsprechend § 58 III AktG zusätzliche Beiträge in die Rücklagen eingestellt würden, mache die Hauptversammlung indirekt von ihrer Befugnis zur Bildung weiterer Rücklagen Gebrauch, so daß eine Anrechnung dieser Rücklagen nicht zu erfolgen habe.204 Verluste der einzelnen Konzerngesellschaften will Lutter entsprechend § 58 II 4 AktG i. V. m. I 3 AktG wie einen Verlustvortrag der Obergesellschaft behandeln.205 Erträge aus Konzerngesellschaften und Zwischengewinne sollten nach Lutters Auffassung vorweg eliminiert werden, weil der Konzernleitung ansonsten de facto weniger „echte" Gewinnrücklagen zur Verfügung stünden.206 Lutter schlägt zwei Lösungen zur Elimination der soeben genannten Bilanzposten vor, zwischen denen die Verwaltung die freie Wahl haben soll.207 Die Konzernleitung könne den Konzernjahresüberschuß gem. §§ 297,298,275 HGB zum Ausgangspunkt nehmen. Der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft müßten dann mindestens 50 % dieses Konzernjahresüberschusses unterliegen. Umgekehrt ausgedrückt dürfe die Konzernleitung konzernweit höchstens 50% des Konzernjahresüberschusses in die Rücklagen einstellen. Den Betrag, der nach Abzug der in den Untergesellschaften gebideten Rücklagen von diesen 50% übrig bleibe, dürfe die Verwaltung gem. § 58 II AktG in der Obergesellschaft selbst thesaurieren, sofern dadurch nicht mehr als 50 % des Jahresüberschusses dieser Gesellschaft in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt würden.208 Statt dessen dürfe die Verwaltung auch die einzelnen Jahresüberschüsse zusammenrechnen und in einer Art Nebenrechnung die Zwischengewinne und die Erträge aus Konzerngesellschaften herausrechnen, um auf diese Weise eine bereinigte konzernweite Summe des Gesamtjahresüberschusses und einen bereinigten Jah-

Lutter, Lutter, Lutter, Lutter, Lutter,

Kölner-Komm. § 58 Rn. 50 Kölner-Komm. § 58 Rn. 50; vgl. ausführlich C IV 3 FS Goerdeler, S. 327 (342); vgl. C IV 2c, 4 FS Goerdeler, S. 327 (343); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 57 FS Goerdeler, S. 327 (342); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 55

VI. Kritik an dem Modell einer modifizierten Anwendung des § 58 II AktG

123

resüberschuß der Obergesellschaft zu ermitteln. 209 Obwohl Lutter der Verwaltung die Wahl zwischen den beiden Verfahren lassen will, hält er die zweite Lösung nur für sinnvoll, wenn der Konsolidierungskreis gem. §§ 290 ff HGB wesentlich größer ist als der Kreis der Unternehmen, die in die restriktive Anwendung des § 58 II AktG einzubeziehen sind. Im Normalfall sei der geprüfte Konzernabschluß die sicherste Größe für möglichst klare Rechtsfolgen aus § 58 II AktG. 210

VI. Kritik am Modell einer modifizierten Anwendung des § 58 I I AktG Die von Lutter vertretene „vorsichtige Pflichtenlösung" 211 wird im Hinblick auf ihre Praktikabilität kritisiert. 212 Es bleibe offen, wie bei der theoretischen Leitfigur des fusionierten Gesamtunternehmens die Berechnung der Gewinnrücklagen erfolgen solle.213 Diese Kritik ist unberechtigt, da Lutter ausführt, wie die Gewinnverwendungskompetenz der Konzernleitung anhand des Einzelabschlusses der Obergesellschaft und des Konzernjahresüberschusses bestimmt werden kann. Auch für die Elimination von Erträgen der Konzerngesellschaften und Zwischengewinnen bietet Lutter zwei Lösungswege an.214 Als weiterer Kritikpunkt wird auf den angeblichen Widerspruch hingewiesen, daß Lutter einerseits herausstelle, der Konzernabschluß sei ein ungemein wichtiges Informationsinstrument, bilde aber nicht die Basis für die Gewinnverwendungsentscheidung215, andererseits jedoch der Konzernjahresüberschuß zum Ausgangspunkt der Berechnungen gemacht werde.216 Ein Widerspruch läge in diesen Aussagen nur, wenn der Konzernabschluß im Sinne der §§ 290 ff HGB, gegebenenfalls mit einigen Modifikationen zur Bemessungsgrundlage für die Gewinnverwendungsentscheidung in der Obergesellschaft gemacht würde.217 Eine solche Lösung vertritt Lutter jedoch nicht. Er geht davon aus, daß die Gewinnverwendungsentscheidung der Konzernleitung vom Konzernjahresüberschuß

209

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 56 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) 2,1 Der Begriff stammt von Thomas ZGR 85, 365 (372) 212 Gollnick, S. 133 ff; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30, 41 f) 213 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30) 214 vgl. C V 215 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (341); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 60 216 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30); Gollnick, S. 133 f 217 so Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (69 ff) in einem Vorschlag de lege ferenda; noch weitergehend Lehertshuber, S. 181; ders. BFuP 86, 326 (337 ff) 210

124

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

der Obergesellschaft auszugehen habe und es die Pflicht der Verwaltung sei, bei dieser Entscheidung bereits in den Tochtergesellschaften durchgeführte Thesaurierungen zu berücksichtigen. Um diese Anrechnung der Wertung des § 58 II AktG entsprechend durchführen zu können, könne die Verwaltung sich am Konzernjahresüberschuß orientieren, müsse es aber nicht.218 Kritisiert wird außerdem, daß Lutter in seinen Berechnungsbeispielen219 von dem Ausnahmefall einer Holding als Obergesellschaft ausgeht.220 Damit wird kritisiert, daß Lutter das Problem umgeht, was passiert, wenn die Hälfte des Konzernjahresüberschusses größer ist als der Jahresüberschuß der Obergesellschaft. Aus dem Jahresüberschuß der Obergesellschaft läßt sich in diesem Fall der der Hauptversammlung der Obergesellschaft zur Entscheidung zustehende Betrag nicht zur Verfügung stellen.221 Der Lösungsvorschlag Lutters ist in dieser Hinsicht daher lückenhaft. 222 Weiterhin wird die Nichtberücksichtigung der Gewinnanteile konzernfremder Gesellschafter, die gem. § 307 II HGB im Konzernabschluß enthalten sind, kritisiert. 223 Auch die Nichtberücksichtigung der Auswirkungen von Zuordnungen, Abschreibungen und Verrechnungen des Unterschiedsbetrages zwischen Anschaffungswert von Beteiligungen und anteiligem Eigenkapital gem. §§ 301, 309 HGB auf das Konzernergebnis wird kritisiert 224, wie die fehlende Berücksichtigung von Gewinnanteilen, die aufgrund gesetzlicher Regelungen, insbesondere der §§ 150,300 AktG, thesauriert werden müssen.225 Die Einwände sind berechtigt, weil dadurch Elemente in den Konzernabschluß einfließen, die mit dem tatsächlich im Konzern erwirtschafteten Gewinn, der dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG entsprechend verteilt werden soll, nichts zu tun haben. Eine weitere grundsätzliche Kritik knüpft an die Behandlung des durch die §§ 290 ff HGB erweiterten Konsolidierungskreis in Lutters Lösung an.226 Durch das Bilanzrichtliniengesetz wurden zwei Konzepte in das HGB 1985 zur Abgrenzung des Konsolidierungskreises aufgenommen. In § 290 I HGB wurde das Konzept „einheitlicher Leitung" aus dem AktG 1965 und in § 290 II HGB

2.8

Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 41 ff; vgl. C V Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (332) 220 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (41) 221 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (71); Gollnick, S. 135 222 zutreffend Gollnick, S. 135 (Berechnungsbeispiel FN 156) 223 Gollnick, S. 136; Lehertshuber, S. 138; ders. BFuP 86,326 (331); vgl. auch Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (70) 224 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (67); Gollnick, S. 136 225 Gollnick, S. 137; Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72) 226 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30) 2.9

VI. Kritik an dem Modell einer modifizierten Anwendung des § 58 II AktG

125

das sogenannte „controll-Konzept" aus dem angelsächsischen Rechtssystem übernommen.227 Nach dem „Konzept einheitlicher Leitung" entsteht ein konsolidierungspflichtiges Mutter-Tochter-Verhältnis, wenn eine inländische Kapitalgesellschaft die einheitliche Leitung bei einem oder mehreren Unternehmen ausübt und ihr an einem anderen unter einheitlicher Leitung stehenden Unternehmen eine Beteiligung im Sinne des § 271 HGB gehört. Anders als nach dem AktG 1965 ist es nunmehr erforderlich, daß neben der einheitlichen Leitung eine Kapitalbeteiligung besteht.228 Das „controll-Konzept" knüpft die Konzernrechnungslegungspflicht an die rechtliche Beherrschungsmöglichkeit an. Bei ihm kommt es, anders als beim „Konzept der einheitlichen Leitung", nicht auf die tatsächliche Ausübung der Beherrschungsmacht an; eine Konzernleitung ist nicht erforderlich. Entscheidend für die Abgrenzung des Konsolidierungskreises ist somit die Rechtsposition und nicht die wirtschaftliche Verhaltensweise.229 Nach Lutters Auffassung reicht die bloße Möglichkeit der Einflußnahme für eine restriktive Anwendung des § 58 II AktG nicht aus. Neben der Beteiligung sei eine einheitliche Leitung erforderlich. 230 Lutter räumt selbst ein, daß es aufgrund der unterschiedlichen Konsolidierungskreise zu Randunstimmigkeiten kommen könne.231 Sofern der Konsolidierungskreis gem. §§ 290 ff HGB wesentlich größer sei als der Kreis der Unternehmen, der in die Gesamtbetrachtung aus § 58 II AktG einzubeziehen sei, schlägt Lutter die Zusammenrechnung der einzelnen Jahresüberschüsse der Unternehmen, die einheitlich geleitet werden, vor. 232 Dagegen wird eingewandt, es bleibe offen, wann eine solche Zusammenrechnung überhaupt vorgenommen werden solle. Das Kriterium „wesentlich größer" erscheine wenig konkret und für die praktische Handhabung kaum geeignet. Es bleibe offen, ob in dem Lösungsansatz der Konsolidierungskreis der §§ 290 ff HGB zum Ausgangspunkt genommen werden müsse oder sich der Kreis der als Einheitsunternehmen gedachten Unternehmen anders zusammensetzen solle.233

Havermann, FS Goerdeler, S. 173 ( 184); Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (40) 228 Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (40) 229 Havermann, FS Goerdeler; S. 173 (185); Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (42) 230 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339 f); vgl. Β III 5b 231 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (340) 232 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342); C V 233 Gollnick, S. 138; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30)

126

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Der zuletzt genannte Einwand ist ungerechtfertigt, da Lutter 234 die einheitliche Leitung als zwingende Voraussetzung der Einbeziehung in die Gesamtbetrachtung des § 58 II AktG nennt und damit auf den Konsolidierungskreis des § 290 I HGB abstellt. Richtig ist allerdings, daß eine genaue Abgrenzung der beiden von Lutter vorgeschlagenen Lösungswege, bei denen einerseits der Konzernjahresüberschuß und andererseits ein aus den Einzelabschlüssen zusammengerechneter Gesamtjahresüberschuß als Berechnungsbasis dient235, durch die Formulierung „wesentlich größer" nicht erreicht wird. Diese Situation wäre aus Gründen der Rechtssicherheit nicht hinnehmbar, wenn von der Konzernleitung in jedem Anwendungsfall nur eine der Berechnungsansätze angewandt werden dürfte. Lutter will der Verwaltung in jedem Einzelfall aber die Wahl zwischen den Berechnungsmethoden lassen.236 Trotzdem bleibt aufgrund der Wahlmöglichkeit selbst eine Rechtsunsicherheit und es besteht die Gefahr, daß sich der Konzernleitung, trotz ihrer Verpflichtung, die bei dem zweiten Berechnungsweg erforderliche Nebenrechnung im Anhang offenzulegen und zu begründen, neue Manipulationsmöglichkeiten bieten.237 Gollnick238 wendet gegen die Lösung Lutters weiter ein, im Konzernjahresüberschuß seien die Jahresergebnisse der Untergesellschaften im Jahr ihrer Entstehung enthalten. Der Hauptversammlung der Obergesellschaft müßten damit vom Jahresüberschuß der Obergesellschaft Erträge zugewiesen werden, die der Obergesellschaft selbst nicht zugefallen seien.239 Diese Kritik bezieht sich auf die Zeitkomponente, die ein generelles Problem der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern darstellt240 und keine spezielle Schwäche des von Lutter eingeschlagenen Lösungsweges ist.241 An Lutters Überlegungen ist deshalb lediglich zu kritisieren, daß er die Verwerfungen, die sich aus der Zeitkomponente ergeben, zwar erkennt242, aber in seinem Lösungsvorschlag nicht ausreichend berücksichtigt.

234

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339 f) vgl. C V 236 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (343) 237 Dies scheint auch Lutter zu erkennen, wenn er den geprüften Konzernabschluß als "die gewißlich sicherste Größe" für möglichst klare Rechtsfolgen aus § 58 II AktG bezeichnet, FS Goerdeler, S. 327 (342) 238 Gollnick. S. 134 239 kritisch auch Lehertshuber BFuP 86, 326 (331) 240 vgl. C IV 2b 241 i. E. ebenso Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36); Lehertshuber BFuP 86, 326 (331) 242 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) 235

VII. Eigener Lösungsansatz

127

Die Kritik an der von Lutter vertretenen Pflichtenlösung ist somit insofern berechtigt, als mit ihr zwar der Wille des Gesetzgebers in die richtige Richtung weitergedacht wird, sie aber an einigen entscheidenden Punkten, wie der Berücksichtigung gesetzlicher Rücklagen, der Zeitkomponente, den Zu- und Abschreibungen der §§ 301,309 AktG und dem Wahlrecht der Verwaltung bezüglich der Bestimmung ihrer Gewinnverwendungskompetenz noch ergänzungsbedürftig ist.243

V I I . Eigener Lösungsansatz Nachdem die bisherigen Überlegungen gezeigt haben, daß keiner der in der Literatur vertretenen Lösungsansätze die Rücklagenproblematik im Konzern widerspruchsfrei und interessengerecht zu lösen vermag, soll nachfolgend ein Lösungsvorschlag erarbeitet werden, der die Kritik an den bisherigen Lösungen berücksichtigt und zu einem praktikabelen Ausgleich der gegenläufigen Interessen führt. 1. Die Pflichten der Verwaltung als Anknüpfungspunkt Die kritische Überprüfung des Durchrechnungsansatzes und des Vorwegabzugs der in Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen hat ergeben, daß aufgrund der dabei auftretenden bilanziellen Probleme und der Nichtberücksichtigung von konzerninternen Zwischenergebnissen und von Verlusten der Tochtergesellschaften, diese Lösungsansätze nicht zu einer der Teleologie des § 58 II AktG entsprechenden Behandlung der im Konzern gebildeten Rücklagen führen. 244 Nach der hier vertretenen Ansicht besteht eine verdeckte Regelungslücke bei der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern, die durch eine teleologische Reduktion geschlossen werden muß.245 Wenn eine Durchrechnung oder ein Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen abgelehnt wird, gleichzeitig aber anerkannt wird, daß die Verwaltung der Obergesellschaft in ihrer Funktion als Konzernleitung für eine ordnungsgemäße Finanzierung des Gesamtkonzerns zu sorgen hat246, bietet sich die Anknüpfung an die Pflichten der Verwaltung zur Schließung der Regelungslücke an.247 Dafür spricht auch, daß

243

244 245

ähnlich Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30), der allerdings eine Regelungslücke verneint. c

I V

Β II 2d Goerdeler WPg 86, 229 (232); Thomas ZGR 85, 365 (376); Η. P. Westermann, FS Pleyer, S. 421 (440) 247 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 41; vgl. C V 246

128

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

nur die Konzernleitung zur Planung und Kontrolle des komplizierten Regelungswerks der Konzernbilanz in der Lage ist.248 Bei der Wahrnehmung ihrer im Bereich der Konzernfinanzierung zufallenden Aufgaben, wozu insbesondere auch die konzernweite Rücklagenbildung gehört, hat die Konzernleitung darauf zu achten, daß die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft im Bereich der Gewinnverwendung materiell erhalten bleibt. Die Konzernleitung kann danach den Jahresabschluß der Konzernobergesellschaft ohne Beachtung des Konzernsachverhalts feststellen, sie handelt aber pflichtwidrig gegenüber den Aktionären der Obergesellschaft, wenn sie dadurch deren Thesaurierungskompetenz aushöhlt.249 Anders ausgedrückt darf die Verwaltung die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen bei der Feststellung des Jahresabschlusses der Obergesellschaft nicht unberücksichtigt lassen, sie kann es aber. Die Unterscheidung zwischen „Nicht-Können" und „Nicht-Dürfen" gewinnt besondere Bedeutung für die mit einem Verstoß verbundenen Sanktionen. Zwar ist aus Gründen der übersichtlichen Darstellung und methodischen Behandlung des Gesamtproblems zwischen der Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern, der Entwicklung einer Anwendungsregel und den Sanktionen bei deren Nichtbefolgung zu trennen.250 Trotzdem bauen die Fragen aufeinander auf und stellen nur Teilbereiche des Gesamtproblems dar, die sich gegenseitig beeinflussen. Gegen ein durch die Nichtigkeitsfolge sanktioniertes Verbot der über die Grenze des § 58 II AktG hinausgehenden Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften spricht, daß die Konzernleitung nicht nur das Interesse der Aktionäre der Obergesellschaft, sondern auch die Interessen der anderen an der Obergesellschaft und den Konzerngesellschhaft Beteiligten berücksichtigen muß. Die Konzernleitung hat zum Teil entgegengesetzte Verantwortungsbereiche. 251 Die verstärkte Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften kann im Interesse des Konzerns und der übrigen an ihm Beteiligten liegen. Da die Entscheidungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft aber als materielles Mitspracherecht zu verstehen ist 252 , verletzt die Verwaltung der Obergesellschaft ihre unmittelbar gegenüber ihren Aktionären bestehende Sorgfaltspflicht, wenn sie die in den Untergesellschaften veranlaßten Thesaurierungen bei der Bestimmung der Thesaurierungskompetenz außer Betracht läßt. Als Sorgfaltspflichten werden alle Pflichten umschrieben, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen

248 249 250 251 252

Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (36) vgl. Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (338) vgl. die Unterteilung in B, C, D; vgl. Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (334) Goerdeler WPg 86, 229 (232); A / D / S § 58 Rn. 89 Β II 2d

VII. Eigener Lösungsansatz

129

einzuhalten hat.253 Bei § 58 II AktG verlangt die treuhänderische Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Aktionäre, daß die Verwaltung der Obergesellschaft die nach dem Willen des Gesetzgebers ihren Aktionären als Treugebern zustehende Thesaurierungskompetenz respektiert und absichert.254 Auch diejenigen, die eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern ablehnen, halten eine mit der Nichtigkeit sanktionierte Durchrechnung der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen für eine „grobe Axt" verglichen mit dem „Seziermesser" der Pflichtenlösung. 255 Diese bildhafte Formulierung bringt zutreffend zum Ausdruck, daß die von Lutter 256 vertretene „Pflichtenlösung" sowohl als Anwendungsregel des § 58 II AktG im Konzern als auch im Hinblick auf die Sanktionen bei ihrer Nichtbefolgung die flexiblere Lösung darstellt, die den Besonderheiten im Konzern besser gerecht wird als eine Durchrechnung oder ein Vorwegabzug der Rücklagen. 2. Die Konzernbilanz als Bemessungsgrundlage Lutter schlägt vor 257 , den Konzernjahresüberschuß zum Ausgangspunkt der Berechnung zu nehmen, um Zwischengewinne und Erträge aus Ausschüttungen von Konzerngesellschaften zu eliminieren. Gleichzeitig betont Lutter jedoch, daß die Möglichkeit zur Bildung von Gewinnrücklagen stets und allein auf dem Jahresüberschuß der betreffenden Gesellschaft beruhe. Der Konzernabschluß sei ein ungemein wichtiges Informationsinstrument, bilde aber nicht die Grundlage für die Ausschüttungen oder die Bildung von Rücklagen. Als Ausschüttungssperre sei der Konzernabschluß nicht geeignet.258 Die Ablehnung einer Auschüttungssperrfunktion bei gleichzeitiger Wahl des Konzernabschlusses als Berechnungsbasis für die Thesaurierungskompetenz wird für widersprüchlich gehalten.259 Es wird behauptet, niemand gehe so weit, dem Konzernabschluß über seine Informationsfunktion hinaus als Maßstab für die Höhe der Dividendenausschüttung der Obergesellschaft anzusehen.260 Die schlagwortartige Berufung auf die bloße Informationsfunktion des Konzernjahresabschlusses und die Ablehnung seiner Relevanz für die Gewinnverwendung bei gleichzeitiger

253 Wiesner, Münch. -Handbuch Bd. 4, § 26 Rn. 6; Mertens, Kölner-Komm. § 93 Rn. 20; Baumbach / Hueck § 93 Rn. 6 254 ähnlich Hefermehl / Bungeroth, Geßler u. a, AktG § 58 Rn. 8 255 Thomas ZGR 85, 365 (384); A / D / S § 58 Rn. 90 256 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339) 257 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342); C V 258 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (341); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 60 259 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30); Gollnick, S. 133 f 260 Thomas ZGR 85, 365 (371)

9 Frodermann

130

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Betonung seiner Bedeutung261 ersetzt nicht eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob mit Hilfe des Konzernabschlusses die Pflichten der Konzernleitung im Bereich der Gewinnverwendung konkretisiert werden können. Zu diesem Zweck müssen vorab die Aufgaben des Konzernabschlusses geklärt werden. Auf den ersten Blick sind sie weitgehend diegleichen wie die des Einzelabschlusses. An die Stelle des rechtlich selbständigen Unternehmens tritt lediglich die größere Wirtschaftseinheit des Konzerns, die für die Zwecke des Konzernabschlusses wie ein rechtlich einheitliches Gebilde behandelt wird. 262 Aufgabe des Konzernabschlusses ist es daher vornehmlich, einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage des Konzerns zu geben, wobei die Aussagen des Konzernabschlusses, ähnlich wie beim Einzelabschluß, durch den Geschäftsbericht ergänzt und erläutert werden.263 Obwohl bei der Rechnungslegung der Einzelgesellschaften deren Verflechtungen mit anderen Unternehmen bereits berücksichtigt werden264, vermitteln die Einzelabschlüsse noch kein wahrheitgetreues Bild von der Lage des Konzerns als wirtschaftliche Einheit. Auch der Jahresabschluß der Einzelgesellschaft selbst verliert im Konzern an Aussagekraft. 265 Das Jahresergebnis der Einzelgesellschaft kann auf willkürlichen Verschiebungen innerhalb des Konzerns, insbesondere aufgrund der Berechnung von konzerninternen Lieferungen und Leistungen und der Gewährung von liquiden Mitteln zwischen Konzerngesellschaften zur Verbesserung des Bilanzbildes einzelner Unternehmen, beruhen.266 Dem Konzernabschluß kommt bei dieser Ausgangslage die Aufgabe zu, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns als wirtschaftlicher Einheit zu vermitteln. Dieser Einblick wird durch die Aufrechnung der konzerninternen Beteiligungen und der konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten ermöglicht.267 Die Aufrechnung, durch die die Einzelabschlüsse korrigiert werden, nennt man Konsolidierung. Der Konzernabschluß wird deshalb auch als konsolidierter Abschluß bezeichnet.268 Ein Einblick in die Ertragslage des Konzerns wird durch die Eliminierung konzerninterner Gewinne und Verluste gem. § 304 HGB erreicht. Dadurch wird der in den Einzelbilanzen ausgewiesene Erfolg auf einen durch den Konzern als wirt-

261 262 263

Rn. 1 f 264 265 266 267

S. 719 268

vgl. Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33); Thomas ZGR 85, 365 (370 f) Havermann, WP-Handbuch Bd. I, S. 719; ders., FS Goerdeler, S. 173 (176 f) Havermann, WP-Handbuch 85 / 86 Bd. I, S. 719; Heymann, Niehus / Scholz Vor. § 290 vgl. §§ 266 II A III Nr. 1, Β III Nr. 1, 271 II, 275 II Nr. 9, III Nr. 8, 285 Nr. 11 HGB K. Schmidt, § 31 V, S. 808; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 519, S. 215 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 519, S. 215; Lehertshuber DB 89, 1534 (1535) m. w. N. Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 39, S. 236; Havermann, WP-Handbuch 85 / 86 Bd. I, Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 521, S. 216; K. Schmidt, § 31 V, S. 809

VII. Eigener Lösungsansatz

131

schaftliche Einheit realisierten Erfolg reduziert. 269 Der Einblick in die Vermögenslage des Konzerns wird durch die sogenannte Kapitalkonsolidierung gem. §§ 301, 302 HGB ermöglicht.270 Eine ausführliche Darstellung der bilanziellen Durchführung der Kapitalkonsolidierung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.271 Nach der in der deutschen Konzerbilanzierungspraxis ganz überwiegend angewandten sogenannten „purchase-Methode"272 wird ein Tochterunternehmen im Konzernabschluß bei der Erstkonsolidierung so behandelt, als hätte der Konzern als einheitliches Unternehmen die Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmns einzeln angeschafft. Der Gesamtkaufpreis der Anteile wird den einzelnen Vermögensgegenständen und Schulden zugeordnet und nach denselben Grundsätzen im Konzernerfolg verrechnet, die für die Erfolgsermittlung im Einzelabschluß gelten.273 Den Einblick in die Finanzlage des Konzerns gewährt die gem. § 303 HGB durchzuführende Schuldenkonsolidierung, durch die die finanziellen Transaktionen zwischen den Konzerngesellschaften, die die Liquiditätslage optisch verbessern sollen, neutralisiert werden.274 Der Konzernabschluß gibt deshalb insgesamt ein zuverlässiges Bild von der wirtschaftlichen Lage des Konzerns, da in ihm mit Hilfe der Konsolidierung alle konzerninternen Vorgänge herausgerechnet sind.275 Es bleibt zu fragen, welche Bedeutung die Konzernbilanz unter Berücksichtigung ihrer generellen Aufgabe für die Lösung des Problems der Thesaurierungskompetenz im Konzern erlangen kann. Ziel eines wirksamen Schutzes der Aktionäre der Obergesellschaft muß es sein, daß die Konzernleitung nicht mehr Rücklagen bilden darf als sie hätte bilden können, wenn die Konzerngesellschaften in Wirklichkeit ein unausgegliederter Teil der Obergesellschaft wären.276 Nur durch diese „Fiktion der Einheit" kann eine Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft verhindert werden.277

269

Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 39, S. 236; Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (192 ff); Baetge / Kirsch, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 1 (25 ff) 270 Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 39, S. 236; Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (190 ff) 271 vgl. dazu Ordelheide DB 86, 493 (493 ff); Baetge / Kirsch, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 1 (18 ff); Küting / Weber / Dusemond BB 91, 1082 (1082 ff) 272 vgl. zur "pooling-of-interests-Methode" Havermann, FS Goerdeler, S.173(192);Heymann, Niehus / Scholz § 302 Rn.5 f,16 273 Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar, § 301 Rn.6; Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (190); Ordelheide DB 86,493(493 f) 274 Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 39, S. 236; Baumbach / Duden / Hopt § 303 Anm. 1 ; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 580, S. 237; ausführlich Budde / Dreissig, Bilanz-Kommentar § 303 Rn. 10 ff 275 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 583; S. 238; Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 36, S. 229 276 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (340); C VI 277 vgl. C IV, VI; ähnlich Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (70)

132

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Die in Deutschland bei der Konzernrechnungslegung vorherrschende und in § 297 III 1 HGB nunmehr kodifizierte Einheitstheorie verlangt, daß im Konzernabschluß die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einbezogenen Unternehmen so dargestellt wird, als ob diese Unternehmen unselbständige Betriebsabteilungen wären.278 Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Einzelabschlüsse zusammengefaßt. Bei dieser bereits beschriebenen Konsolidierung sind alle Vorgänge auszusondern, die im Einzelabschluß eines Einzelunternehmens nicht erscheinen dürfen.? 79 Die Ziele der Konzernrechnungslegung und der Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft vor einer Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz auf der Grundlage der hier vertretenen Pflichtenlösung beruhen beide auf dem Gedanken, den Konzern als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Angesichts der Übereinstimmung in der Zielsetzung liegt es nahe, den Konzernabschluß zur Konkretisierung der Pflichten der Konzernleitung bei der Gewinnverwendung im Konzern heranzuziehen.280 Gegen die Berücksichtigung des Konzernabschlusses wird eingewandt, der Konzernabschluß habe lediglich eine Informationsfunktion und diene nicht als Grundlage der Gewinnverwendung. Nur aus dem Einzelabschluß der Obergesellschaft ergäben sich die rechtlichen Beziehungen der Gesellschafter zur Obergesellschaft. Der Konzernabschluß rufe auch im Bereich der Gewinnverwendung keine Rechtswirkungen hervor. Aus dem Konzernabschluß ergebe sich deshalb keine konzernspezifische Ausschüttungssperre.281 Thomas bemerkt hierzu, niemand gehe so weit, dem Konzernabschluß über seine Informationsfunktion hinaus eine Ausschüttungsfunktion beizumessen.282 Diese Aussage trifft zumindest aus heutiger Sicht und traf wohl auch aus damaliger Sicht nicht zu.283 Denn Lutter schlägt für die Herausrechnung von Zwischengewinnen und Erträgen aus Konzernunternehmen einen Rückgriff auf den Konzernjahresüberschuß vor. 284 Auch Goerdeler 285 überlegt, ob aufgrund der weitgehenden Konzernleitung im Bereich der Gewinnverwendung die Konzernbi-

278 Heymann, Niehus / Scholz § 297 Rn. 9; Budde / Lust, Bilanz-Kommentar § 297 Rn. 14; ausführlich Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (176 ff) 279 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 558, S. 229; Heymann, Niehus / Scholz § 297 Rn. 10; ausführlich Wentland, S. 66 ff 280 ähnlich Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (65) unter Hinweis auf die Behandlung von Genußrechten und die Rechtslage im Ausland; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342); ders., KölnerKomm. § 58 Rn. 55; zustimmend Warschkow, S. 114 f 281 Thomas ZGR 85, 365 (370 f); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33); Gollnick, S. 29 f, 133 FN 148 282 Thomas ZGR 85, 365 (370 f) 283 so auch Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (64) 284 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) 285 Goerdeler WPg 86, 229 (235)

VII. Eigener Lösungsansatz

133

lanz zur Grundlage der Gewinnverteilung gemacht werden sollte. Er lehnt dies jedoch de lege lata ab. Überlegungen, das Konzernergebnis zur Bestimmung der Thesaurierungskompetenz heranzuziehen, finden sich auch bei anderen Autoren. 286 Nach geltendem Recht ersetzt der Konzernabschluß nicht die Jahresabschlüsse der einbezogenen Unternehmen. Er ist weder Grundlage der Gewinnverwendung noch der Besteuerung und wird daher auch nichtförmlich festgestellt. 287 Gollnick schließt daraus, daß auch Busse von Cölbe den Konzernabschluß nur de lege ferenda zur Grundlage der Gewinnverwendung machen will 288 und Lutters Vorschlag, den Konzernabschluß zum Ausgangspunkt der Gewinnverwendung zu nehmen, obwohl dieser anerkannterweise nicht die Basis für Ausschüttungen sein könne, widersprüchlich sei.289 Busse von Cölbe290 behauptet jedoch nicht, daß der Konzernabschluß de lege lata nicht bei der Bestimmung der Gewinnverwendungskompetenz berücksichtigt werden darf. Er stellt lediglich fest, daß der Konzernabschluß nach der derzeitigen Rechtslage zumindest nicht „direkt" die Basis für die Gewinnverwendung in der Muttergesellschaft abgeben könne und hält dies für einen unbefriedigenden, fast schon schizophrenen Zustand, da der Konzern für wichtige Finanzierungsentscheidungen als wirtschaftliche Einheit betrachtet werde.291 Er legt deshalb seiner Untersuchung die Frage zugrunde, ob es sich de lege ferenda empfiehlt, den Konzernabschluß zur Bemessungsgrundlage der Gewinnverwendung der Muttergesellschaft zu machen.292 Darüber, daß dem Konzernabschluß nach geltendem Recht keine direkte Gewinnverwendungsfunktion zukommt, besteht kein Streit. Die grundlegenden Überlegungen Busse von Cölbes können deshalb aufgrund seiner eigenen Fragestellung nur de lege ferenda erfolgen. Damit ist aber nicht gesagt, daß er de lege lata eine indirekte Berücksichtigung des Konzernabschlusses zur Bestimmung der Thesaurierungskompetenz im Konzern ablehnt. Dagegen spricht, daß er die bisher de lege lata vertretenen Lösungsansätze aufgrund der Gefahr der Ausschüttungen unrealisierter Gewinne für nicht interessengerecht hält und die von ihm vorgeschlagenen Modifikationen auch bei einer indirekten Berücksichtigung des Konzernabschlusses anwendbar wären.293

286 Busse v. Cölbe BFuP 86, 357 (367); Pausenberger BFuP 86, 357 (368); Warschkow, S. 114 f ; Hachenburg, Goerdeler / W. Müller § 29, Rn. 65 287 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 553, S. 227; Budde / Lust, Bilanz-Kommentar § 297 Rn. 1 ; Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (63) 288 Gollnick, S. 133 FN 148 289 Gollnick, S. 134 290 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (63 ff) 291 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (63) 292 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (64) 293 vgl. Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (69 ff)

134

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Zu einer indirekten Berücksichtigung des Konzernabschlusses kommt es, wenn die Gewinnverwendungskompetenz gem. § 58 II AktG aufgrund des Einzelabschlusses der Obergesellschaft bestimmt wird, die Verwaltung der Obergesellschaft aber verpflichtet ist, sich bei der Bildung der durch sie veranlaßten Rücklagenbildung in den Untergesellschaften an der sich aus dem Konzernabschluß ergebenden 50 %-Grenze zu orientieren, um das materielle Entscheidungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft nicht auszuhöhlen.294 Insofern stellt auch Lutters Feststellung, der Konzernabschluß bilde nicht die Basis für Ausschüttungen oder die Bildung von Rücklagen295, keinen Widerspruch zu seinem Vorschlag dar, den Konzernabschluß im Hinblick auf die Zwischengewinne und die Erträge aus Ausschüttungen von Konzerngesellschaften zum Ausgangspunkt der Konkretisierung der Pflichten der Konzernleitung zu nehmen.296 Unverständlich bleibt nur, warum der Konzernabschluß nur beschränkt auf die Zwischengewinne und die konzerninternen Ausschüttungen zur Pflichtenkonkretisierung herangezogen werden soll. Denn die bisherigen Überlegungen haben ergeben, daß es bei einem Abstellen auf die Einzelabschlüsse zu weiteren Verzerrungen, insbesondere bei Verlusten in Tochtergesellschaften, kommen kann.297 Deshalb sollte allein der Konzernabschluß als Grundlage der Konkretisierung der Pflichten der Verwaltung der Obergesellschaft dienen.298 Hierfür spricht auch, daß die Wichtigkeit des Konzernabschlusses als Grundlage für die Führungs- und Steuerungsentscheidungen der Konzernleitung und die Kontrolle der übrigen am Konzern Beteiligten allgemein anerkannt wird. 299 Wenn die Konzernleitung bereits ihre Steuerungsentscheidungen am Konzernabschluß orientiert, muß sie auch ihre Pflichten gegenüber den Aktionären der Obergesellschaft am Konzernabschluß ausrichten. Auch beim Erlaß des Aktiengesetzes 1965 gab es bereits Überlegungen, die in diese Richtung weisen. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird in der Vorbemerkung zu den Konzernrechnungslegungsvorschriften ausgeführt, der Konzernabschluß könne die Einzelabschlüsse nicht ersetzen, was nicht ausschließe, daß zur Beurteilung einzelner Fragen, z.B. der Angemessenheit der Gewinnausschüttung aus dem Konzernabschluß gewonnene Erkenntnisse mit zu berücksichtigen seien.300 Die Orientierung der Gewinnver-

294

ähnlich Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 55; Warschkow, S. 114 f; vgl. Β II 2d, C VII 1 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (341); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 60 296 so auch Warschkow, S. 114 297 C IV 298 Warschkow, S. 114 f; i. E. ebenso Pausenberger BFuP 86, 357 (368) 299 Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 39, S. 237; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 519, S. 215; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (33); Gollnick, S. 30; Wentland, S. 70 300 BT-Drucks. IV / 171, S. 241; Kropff, S. 437 295

135

VII. Eigener Lösungsansatz

wendung am Konzernjahresüberschuß steht der Intention des Gesetzgebers demnach nicht entgegen.301 Das Wahlrecht, das Lutter 302 der Verwaltung der Obergesellschaft einräumt, indem er ihr auch die Zusammenrechnung der einzelnen Jahresüberschüsse bei gleichzeitiger Erstellung einer Nebenrechnung gestattet, führt allerdings zu Rechtsunsicherheiten.303 Es ist inkonsequent, weil für die Verwaltung durch die Wahlmöglichkeit ein weiterer Manipulationsspielraum geschaffen wird, der dem Schutzzweck des § 58 II AktG zuwiderläuft. Lutter scheint dies selbst zu erkennen, indem er den Konzernabschluß als die gewiß sicherste Größe für möglichst klare Rechtsfolgen aus § 58 II AktG bezeichnet.304 Somit sollten die Pflichten der Konzernleitung bei der Rücklagenbildung im Konzern auf der Grundlage des Konzernabschlusses bestimmt werden. Nachfolgend wird zu prüfen sein, inwiefern der Konzernabschluß zu diesem Zweck modifiziert werden muß.305 3. Modifikationen in der Berechnung Nach der hier vertretene Lösung ist der Konzern sowohl für die Pflichten der Verwaltung im Bereich der Gewinnverwendung als auch bei der Erstellung des Konzernabschlusses als wirtschaftliche Einheit zu behandeln.306 Falls der Konzernabschluß Elemente enthält, die mit dieser Wertung nicht übereinstimmen, muß er entsprechend modifiziert werden, um seine Aufgabe im Bereich der Bestimmung der Gewinnverwendungskompetenzen zu erfüllen. a) Gewinnanteile konzernfremder

Gesellschafter

307

Die bisherigen Überlegungen sind davon ausgegangen, daß es sich bei den Tochtergesellschaften um ausgegliedertes Kapital der Obergesellschaft handelt und die in der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Gewinne ausgegliederte Erträge der Muttergesellschaft sind.308 Diesem Ansatz liegt unausgesprochen die Vorstellung einer 100 %-igen Beteiligung der Obergesellschaft an den 301

Warschkow, S. 115 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (343) insofern zutreffend Gollnick, S. 138; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (30) Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) vgl. Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (69 ff)

302 303 304 305

306 307

c

v

n

2

Der Begriff wurde in § 331 I Nr. 2 AktG a. F. benutzt, § 307 I HGB n. F. verwendet ihn nicht mehr; in der Überschrift wird er dennoch verwandt, weil er den wirtschaftlichen Hintergrund plastisch verdeutlicht. 308 Β II 2d

136

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Untergesellschaften zugrunde. Gleichzeitig wurde aber festgestellt, daß auch eine Mehrheitsbeteiligung mit Ausübung der sich daraus ergebenden Leitungsmacht zu einer teleologischen Reduktion des § 58 II AktG führen muß.309 Zu klären ist deshalb, wie die Thesaurierungskompetenz im Konzern auf der Grundlage des Konzernabschlusses bei einer 51-100%-igen Beteiligung der Obergesellschaft zu bestimmen ist. Die Vermögensgegenstände und Schulden eines Tochterunternehmens sind bei der Vollkonsolidierung unabhängig von der Höhe der Beteiligungen stets in voller Höhe in die Konzernbilanz einzubeziehen. Für die Anteile der anderen Gesellschafter ist gem. § 3071 HGB innerhalb des Eigenkapitals ein Ausgleichsposten auszuweisen.310 Der Ausgleichsposten für die Anteile anderer Gesellschafter spiegelt das anteilige Eigenkapital wieder, das den anderen Gesellschaftern zuzurechnen ist.311 Anders als § 331 I Nr. 2 AktG a. F. ordnet § 307 I HGB den Ausgleichsanspruch nunmehr eindeutig dem Eigenkapital zu. Ergebnisanteile anderer Gesellschafter brauchen nach der neuen Rechtslage gem. § 307 II HGB nur noch in der Gewinn- und Verlustrechnung und nicht mehr in der Konzernbilanz gesondert ausgewiesen werden.312 Die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, aus der sich der Konzernjahresüberschuß ergibt, enthält somit die Ergebnisanteile anderer Gesellschafter, muß diese aber gesondert ausweisen.313 Der in der Tochtergesellschaft erwirtschaftete Gewinn steht der Obergesellschaft nur in Höhe ihrer Beteiligung zu. Nur in dieser Höhe handelt es sich auch um ausgegliederte Erträge der Obergesellschaft, die Anrechnung der in der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Gewinne kann deshalb nur pro rata in Höhe der Beteiligung erfolgen. 314 Da der anteilige Gewinn anderer Gesellschafter in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung gem. § 307 II HGB gesondert auszuweisen ist, hat die Verwaltung einen bilanziell eindeutigen Ausgangspunkt für die Bestimmung ihrer Pflichten im Bereich der Gewinnverwendung. Die Herausrechnung der „Fremdbeteiligung" ist deshalb ohne Schwierigkeiten durchführbar.

309 310

189) 311

Β III 5a Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar § 307 Rn. 5; Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (181,

Schindler WPg 86, 588 (588); Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar § 307 Rn. 8 Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (190), insofern kritisch gegenüber der neuen Rechtslage als die Ergebnisanteile der anderen Gesellschafter weiterhin nach den Einzelabschlüssen und nicht nach dem Konzernerfolg ausgewiesen werden müssen. 313 Schindler WPg 86, 588 (592), dort auch zu Darstellungsproblemen in der Konzernbilanz. 314 Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 53; Gollnick, S. 126, 183 312

VII. Eigener Lösungsansatz

137

Die pro rata -Anrechnung darf allerdings bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages oder eines Beherrschungsvertrages nicht erfolgen, da dies zu einer Schlechterstellung der Aktionäre führen würde. 315 In diesem Fall schreibt § 304 AktG eine Vereinbarung über einen Ausgleichsanspruch der Aktionäre der Untergesellschaft zwingend vor. 316 Bei der Bemessung dieses Ausgleichsanspruchs ging der Gesetzgeber von der Vollausschüttung des Gewinns aus, da er bei einer Gewinnabführung nicht mit der Bildung freier Rücklagen rechnete.317 Bei einem Gewinnabführungsvertrag kann kein Gewinn in der Untergesellschaft entstehen, weshalb ein fester Ausgleichsbetrag geschuldet wird, dessen Höhe sich nach dem Aktiennennbetrag richtet. 318 Ein Beherrschungsvertrag, ohne einen gleichzeitig abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag, verhindert die Entstehung eines verteilungsfähigen Gewinns zwar nicht, es besteht jedoch eine Dividendengarantie, die gewährleistet, daß mindestens der feste Ausgleichsanspruch gezahlt wird. 319 Der auf der Grundlage einer Vollausschüttung berechnete Ausgleichsanspruch tritt an die Stelle des direkten Gewinnanspruchs der anderen Aktionäre der Untergesellschaft. Die Zahlung des Ausgleichsbetrages und eine Anrechnung der Gewinne in den Untergesellschaften würde zu einer Mehrfachberücksichtigung dieses Gewinnes zu Lasten der Aktionäre der Obergesellschaft führen. Der Anteil der anderen Gesellschafter muß der Obergesellschaft bei Bestehen eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages im Hinblick auf die Gewinnverwendungsbefugnis deshalb zugerechnet werden.320 Eine Berücksichtigung der Anteile fremder Gesellschafter gem. § 307 II HGB bei der Konkretisierung der Pflichten der Verwaltung der Obergesellschaft darf demnach nur bei faktischen Konzernverbindungen erfolgen. b) Auswirkungen von Zu- und Abschreibungen gem. §§ 301, 309 HGB Bei der Kapitalkonsolidierung wird ein Tochterunternehmen im Konzern gem. § 301 HGB so behandelt, als hätte der Konzern als einheitliches Unternehmen die Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens einzeln angeschafft. 321 Der Gesamtkaufpreis der Anteile wird den einzelnen Vermögensgegenständen und Schulden zugeordnet und nach denselben Grundsätzen im Konzern-

315

Gollnick, S. 127; Geßler, FS Meilicke, S. 18 (27) Baumbach / Hueck § 304 Rn. 5 317 Kropff, S. 395 318 Baumbach / Hueck § 304 Rn. 5; Koppensteiner, Kölner-Komm. § 304 Rn. 2 319 Baumbach / Hueck § 304 Rn. 6; Gollnick, S. 128 320 i. E. ebenso Gollnick, S. 128 321 Ordelheide DB 86,493 (493); Baetge / Kirsch, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 1 (18 ff), dort auch zur Buchwert- und Neubewertungsmethode 3,6

138

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

erfolg verrechnet, die für die Erfolgsermittlung im Einzelabschluß gelten.322 Ein sich bei der Zuordnung ergebender Unterschiedsbetrag ist gem. § 301 III 1 HGB in der Konzernbilanz auszuweisen. Ein positiver Unterschied wird auf der Aktivseite als Geschäfts- oder Firmenwert, ein negatives Ergebnis wird auf der Passivseite als Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung ausgewiesen. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist der Mehrbetrag, der von der Obergesellschaft über den tatsächlichen Wert der einzelnen Vermögensgegenstände hinaus abzüglich der Schulden der Tochtergesellschaft gezahlt wurde.323 Die bei der Erstkonsolidierung aufgedeckten und im Konzernabschluß berücksichtigten Wertunterschiede werden gem. § 309 HGB in den Folgejahren genauso fortgeschrieben wie die Vermögensgegenstände und Schulden, denen sie bei der Erstkonsolidierung zugeordnet wurden. Sie sind entsprechend dem Charakter und der Entwicklung des jeweiligen Bilanzpostens abzuschreiben, aufzulösen oder beizubehalten.324 Die erfolgswirksame Behandlung des Unterschiedsbetrages aus der Erstkonsolidierung wird aus der Sicht der Einheitstheorie als einer der wesentlichen durch das Bilanzrichtliniengesetz eingeführten Fortschritte angesehen.325 Damit soll ausgedrückt werden, daß durch die in § 309 HGB vorgeschriebene Bilanzierung eine den tatsächlichen Verhältnissen im Konzern entsprechende Ertragslage dargestellt wird. 326 Inhaltlich entspricht § 309 I 1 HGB dem für die Einzelgesellschaft geltenden § 255 IV 2 HGB und der § 30912 HGB entspricht wortgleich dem § 255 IV 3 HGB. Die Abschreibungsund Auflösungsgebote in § 309 1 1,2 und II HGB entsprechen somit dem mit der Pflichtenlösung verfolgten Ziel, den Konzern für die Berechnung der Thesaurierungskompetenz als Einheit zu betrachten.327 Mit dieser Zielsetzung unvereinbar ist aber die in § 309 I 3 HGB vorgesehene Möglichkeit, den Geschäfts- oder Firmenwert mit den Rücklagen zu verrechnen. Diese vom Einzelabschluß abweichende Handhabung im Konzernabschluß ist deshalb möglich, weil der Konzernabschluß keine direkte Ausschüttungs- und Besteuerungsfunktion hat.328 Die Verrechnungsmöglichkeit kann aber auch für den Konzernabschluß allenfalls als Übergangslösung dienen, um den Zusammenhang zwischen altem und neuem Recht ohne periodenfremde Einflüsse auf den

322 323 324 325 326 327 328

Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (190 f) Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar § 301 Rn. 161 Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar § 301 Rn. 180, § 309 Rn. 1 Busse von Cölbe ZfbF 85, 761 (771); Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (191) Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar § 309 Rn. 3 C VII 1, 2 Budde / Förschle, Bilanz-Kommentar, § 309 Rn. 20; vgl. C VII 2

VII. Eigener Lösungsansatz

139

Konzernerfolg herzustellen. Als Dauerlösung ist sie mit den in § 255 IV HGB normierten Grundsätzen der Erfolgsermittlung nicht vereinbar. 329 Im Rahmen der hier vertretenen Pflichtenlösung muß die Verwaltung der Obergesellschaft eine im Konzernabschluß vorgenommene offene Verrechnung des Geschäfts- und Firmenwertes auf die Rücklagen bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz außer Betracht lassen. Denn durch eine solche Verrechnung wird der durch die teleologische Reduktion des § 58 II AktG erzielte Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft in Höhe des Verrechnungsbetrages entwertet, weil in dieser Höhe die Rücklagen nicht angerechnet werden. c) Nichtdisponible

Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften gem. §§ 150, 300 AktG

Die gem. § 1501, II AktG zu bildende gesetzliche Rücklage ist eine zwingende Gewinnrücklage im Sinne des § 272 III HGB. 330 In die gesetzliche Rücklage sind gem. § 150 II AktG 5 % des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr gekürzten Jahresüberschusses einzustellen, bis die Rücklage und die gem. § 272 II Nr. 1-3 HGB gebildete Kapitalrücklage zusammen 10% oder den in der Satzimg bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen. Nach Abschluß eines GewinnabfÜhrungs- oder Beherrschungsvertrages muß die Gesellschaft innerhalb der ersten fünf Geschäftsjahre die gesetzliche Rücklage gem. § 300 Nr. 1,3 AktG auffüllen. Das Gesetz will mit dieser zwingenden Regelung verhindern, daß nachteilige Weisungen des herrschenden Unternehmens die Entstehung von Gewinnen bei der Untergesellschaft verhindern und dadurch die in § 150 II AktG geforderte Auffüllung der gesetzlichen Rücklage gefährdet wird. 331 Gem. § 58 II 4 AktG i. V. m. I 3 AktG sind bei der Gewinnverwendungsentscheidung in der Obergesellschaft die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage eingestellt sind, vorweg vom Jahresüberschuß abzuziehen. Da auch die in den Tochtergesellschaften gebildeten gesetzlichen Rücklagen für die Konzernleitung aufgrund ihrer durch §§ 150,300 AktG zwingend gebotenen Bildung nicht disponibel sind, müssen diese bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz ebenfalls vorab herausgerechnet werden.332

329

Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (191 f); Niehus WPg 84, 320 (323 0 Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd. 4; § 43 Rn. 2; Baumbach / Hueck § 150 Rn. 4 331 G. Krieger, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 70 Rn. 29; Baumbach / Hueck § 300 Rn. 4 332 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (72); Pick, S. 252; Geßler, FS Meilicke, S. 18 (27); Gollnick, S. 125 330

140

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

d) Thesaurierte Gewinne der nach der Equity-Methode bewerteten Beteiligungen Beteiligungen an anderen Unternehmen dürfen nach deutschem Recht im Einzelabschluß höchstens mit deren Anschaffungskosten bewertet werden.333 Aufgrund des Realisationsprinzips dürfen Gewinne durch die Obergesellschaft erst vereinnahmt werden, wenn sie ausgeschüttet sind.334 In den Wertansätzen der Beteiligungen können sich aus diesem Grund in erheblichem Maße stille Reserven bilden. Dies will die Bewertung der Beteiligungen at-equity verhindern. 335 Nach dieser Bewertungsmethode werden die Beteiligungen im Zeitpunkt ihres Erwerbes mit ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten als Beteiligungen an verbundenen Unternehmen gem. § 266 II A III Nr. 1 HGB angesetzt. Bei der Folgebewertung wird ebenfalls von den Anschaffungskosten ausgegangen, diese erhöhen sich aber um die anteiligen Jahresüberschüsse der Tochtergesellschaften und verringern sich um Jahresfehlbeträge, Gewinnausschüttungen und Abschreibungen.336 Die Beteiligung ist danach im Grundsatz stets in Höhe des auf sie entfallenden Eigenkapitals des Beteilgungsunternehmens auszuweisen.337 Die 7. EG-Richtlinie schreibt in Art. 33 für den Konzernabschluß zwingend die Bewertung at-equity vor. Für assoziierte Unternehmen ordnen die §§ 311, 312 HGB deshalb nunmehr die Anwendung der Equity-Methode an.338 Ein assoziiertes Unternehmen ist nach der Legaldefinition des § 3111 HGB gegeben, wenn ein Konzernunternehmen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäfts- und Finanzpolitik eines nicht einbezogenen Unternehmens ausübt. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist danach die Einflußnahme, die unter der Schwelle des § 290 I HGB liegt. Assoziierte Unternehmen gehören daher nicht zur wirtschaftlichen Einheit des Konzerns.339 Außer auf assoziierte Unternehmen ist die Equity-Methode auch auf Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB anzuwenden, deren Einbeziehung in den Konzernabschluß aufgrund der §§ 295,296 HGB nicht erfolgt, sowie auf

333

Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (108,110); E. Müller DB 85,241

(244) 334

Pick, S. 130; Baumbach / Duden / Hopt § 252 Anm. 6 A Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 ( 108); Baumbach / Duden / Hopt § 312 Anm. 3 B, 4 336 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (109 ff); E. Müller DB 85, 241 (245); Baumbach / Duden / Hopt § 312 Anm. 1 337 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (108) 338 Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (188); E. Müller DB 85, 241 (244) 339 Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (188); Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (73) 335

VII. Eigener Lösungsansatz

141

Gemeinschaftsunternehmen im Sinne des § 310 HGB, die nicht quotai in den Konzernabschluß einbezogen wurden.340 Die anteilig thesaurierten Gewinne von Gemeinschaftsunternehmen und anderen assoziierten Unternehmen sind für die Konzernleitung mangels einheitlicher Leitung grundsätzlich nicht disponibel.341 Sie sind deshalb ebenso wie die Zwangsthesaurierungen gem. §§ 150,300 AktG zu behandeln342 und vorab vom Konzernjahresüberschuß zur Berechnung der Thesaurierungskompetenz abzuziehen.343 Für die Verwaltung der Obergesellschaft ist die Herausrechnung leicht durchzuführen, da das auf die Beteiligung entfallende Ergebnis in der KonzernGewinn- und Verlustrechnung gesondert auszuweisen ist. Fraglich bleibt, wie mit den Gewinnen nicht konsolidierter Tochtergesellschaften zu verfahren ist. Über diese Gewinne kann die Konzernleitung verfügen. 344 Die Beantwortung der Frage hängt vom Regelungsgehalt und der Funktion der §§ 295,296 HGB ab, die mit dem Schutzzweck des § 58 II AktG 345 in Übereinstimmung zu bringen sind. Nach der Gesetzessystematik wird der Konsolidierungskreis durch die Konsolidierungspflicht, das Konsolidierungsverbot und die Konsolidierungswahlrechte bestimmt. Grundsätzlich besteht bei einem Mutter-Tochter-Verhältnis im Sinne des § 290 HGB eine Konsolidierungspflicht, von der nur bei einem Konsolidierungsverbot gem. § 295 HGB oder einem Konsolidierungswahlrecht gem. § 296 HGB abgewichen werden kann.346 Ein Konsolidierungsverbot gem. § 295 HGB besteht, wenn die Einbeziehung des Tochterunternehmens mit der Generalnorm der Konzernrechnungslegung in § 297 II 2 HGB, wonach der Konzernabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln hat (true and fair view), unvereinbar ist.347 Wie sich aus § 295 II HGB ergibt, ist die Vorschrift restriktiv auszulegen und greift nur ein, wenn das Toch-

Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (111), Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (73) 341 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (74) 342 C VII 3c 343 i. E. ähnlich Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (74), dort auch zu weitergehenden Lösungsansätzen de lege ferenda, wonach ein Recht oder eine Pflicht zu einer Rücklagenbildung entsprechend § 58 IIa AktG oder eine Ausschüttungssperre zu erwägen sei. 344 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (73 f) 345 vgl. Β II 2d 346 Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (55); Baumbach / Duden / Hopt § 294 Anm. 1 347 Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (186); Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (55)

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

terunternehmen nicht dem Gesamtinteresse des Konzerns dient.348 Der Gesetzgeber befürchtete in diesem Fall Verfälschungen des Aussagewerts des Konzernabschlusses.349 Das Konsolidierungsverbot verkennt das Wesen heutiger Großkonzerne, in denen häufig mehr oder weniger stark voneinander abweichende wirtschaftliche Tätigkeitsbereiche zusammengefaßt sind und verstößt deshalb gegen die in § 297 II HGB normierte Einheitstheorie.350 Trotz dieser Kritik an der gesetzlichen Regelung und deren restriktiver Anwendung sind die Gewinnanteile aus derartigen Tochterunternehmen gem. § 311 HGB at-equity zu bewerten und stehen der Konzernleitung zur Disposition.351 Da Voraussetzung für das Konzernierungsverbot ein Mutter-Tochterverhältnis im Sinne des § 290 HGB ist 352 , kann die Verwaltung der Obergesellschaft, sofern sie gem. § 290 I HGB die einheitliche Leitung ausübt, für eine Thesaurierung in der Tochtergesellschaft sorgen und in Höhe der Rücklagenbildung die Entscheidungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft schmälern. Dieses Ergebnis will die hier vertretene teleologische Reduktion des § 58 II AktG gerade verhindern. 353 Ob das „Zwangssparen" der Aktionäre der Obergesellschaft 354 im gleichen Geschäftszweig der Muttergesellschaft oder in einem völlig verschiedenen Bereich von der Konzernleitung veranlaßt wird, kann vom Schutzzweck des § 58 II AktG aus gesehen keinen Unterschied machen. Die gleichen Erwägungen gelten bei Ausübung der Konsolidierungswahlrechte des § 296 HGB. Trotz der gegen § 296 HGB vorgebrachten Kritik 355 , kann die Konzernleitung aufgrund der gesetzlichen Regelung frei entscheiden, ob sie das Tochterunternehmen in den Konzernabschluß einbeziehen will oder nicht.356 Kommt es zu einer Einbeziehung des Tochterunternehmens, erfolgt eine Bewertung nach allgemeinen Grundsätzen. Bezieht die Konzernleitung das Tochter-

Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (55 f); Baumbach / Duden / Hopt § 295 Anm. 1 349 Biener / Bemecke, S. 315 350 Busse v. Cölbe ZfbF 85, 761 (766); Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (186) 351 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 (111); Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (73 f) 352 Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (55) 353 Β II 2d 354 vgl. Β II 2d 355 vgl. Havermann WP-Handbuch 85 / 86 Bd. I,, S. 331 m. w. N.; ders., FS Goerdeler, S. 173 (185) 356 zu den Voraussetzungen des § 296 HGB im einzelnen: Siebourg, Konzemrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (56 f)

VII. Eigener Lösungsansatz

143

unternehmen nicht ein, ist die gleiche Situation wie beim Bestehen eines Konsolidierungsverbotes gegeben.357 Somit bleibt festzuhalten, daß in den Fällen der §§ 295, 296 HGB, anders als bei einem Gemeinschaftsunternehmen oder anderen assoziierten Unternehmen, keine Herausrechnung des Gewinns aus dem Konzernjahresüberschuß zur Berechnung der Thesaurierungskompetenz erfolgen darf, weil die Konzernleitung in diesen Fällen die einheitliche Leitung ausübt und Manipulationsmöglichkeiten bei der Rücklagenbildung bestehen. e) Berücksichtigung des unterschiedlichen

Konsolidierungskreises

Am Lösungsweg Lutters wird kritisiert, daß der durch die §§ 290 ff HGB bestimmte Konsolidierungskreis aufgrund des in § 290 II HGB normierten „controlKonzepts" größer sein könne als der Kreis der Unternehmen, die in die Gesamtbetrachtung aus § 58 II AktG einzubeziehen seien.358 Die hier vertretene Lösung geht ebenfalls davon aus, daß eine teleologische Reduktion des § 58 II AktG neben der durch die Beteiligung vermittelten Einflußnahmemöglichkeit auf die Thesaurierungsentscheidung die einheitliche Leitung des Unternehmens voraussetzt.359 Die Problematik des unterschiedlichen Konsolidierungskreises stellt sich deshalb hier genauso. Anders als in Lutters Lösungsvorschlag wird jedoch der Konzernabschluß zur alleinigen Grundlage der Konkretisierung der Pflichten der Verwaltung gemacht, weil die Konzernleitung selbst ihre Steuerungs- und Leitungsentscheidungen am Konzernabschluß ausrichtet und sich deshalb auch ihre Pflichten danach bemessen müssen.360 Aufgrund des gem. § 290 II HGB zwingend anzuwendenden „controlKonzepts" sind im Konzernabschluß auch Ergebnisse von Tochtergesellschaften enthalten, die nicht unter einheitlicher Leitung stehen.361 Da nur bei Ausübung der Konzernleitungsmacht die Umgehungsgefahr besteht, die durch die teleologische Reduktion des § 58 II AktG ausgeschlossen werden soll 362 , sind die Ergebnisse der Tochtergesellschaften im Sinne des § 290 II HGB von der Verwaltung zur Bestimmung der Thesaurierungskompetenz aus dem Konzernergebnis herauszurechnen.

357 358 359

360 361 362

vgl. Baumbach / Duden / Hopt § 296 Anm. 1 vgl. C VI Β III 5b c

v

n

2

vgl. Siebourg, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 37 (42 ff) vgl. Β III 5b

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

f) Überwiegen der Hälfte des Konzernjahresüberschusses gegenüber dem Jahresüberschuß der Obergesellschaft Nach der geltenden Rechtslage ist die Gewinnverwendungsentscheidung auf der Grundlage des Einzelabschlusses der Obergesellschaft zu treffen 363. Die Verwaltung der Obergesellschaft ist nach der hier vertretenen Lösung aber verpflichtet, bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenzen in der Obergesellschaft die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen zu berücksichtigen und der Hauptversammlung der Obergesellschaft die Entscheidung über mindestens 50% des Konzernjahresüberschusses einzuräumen.364 Probleme ergeben sich, wenn die Hälfte des Konzernüberschusses größer ist als der Jahresüberschuß der Obergesellschaft. Weil die tatsächlich zu treffende Gewinnverwendungsentscheidung auf dem Abschluß der Obergesellschaft beruht, kann die Verwaltung der Hauptversammlung in diesem Fall nicht den ihrer Entscheidungskompetenz unterfallenden Betrag zur Verfügung stellen.365 Eine solche Situation kann dadurch entstehen, daß wegen des „time-lags" zwischen der Bilanz der Obergesellschaft und der Konzernbilanz Gewinne aus Untergeselschaften zwar in der Konzernbilanz enthalten, mangels Abführung an die Obergesellschaft aber noch nicht von deren Abschluß erfaßt werden.366 Lutter glaubt dem Problem durch eine sachgerechte Zwischenrechnung der Verwaltung mit entsprechenden Erläuterungen an die Hauptversammlung Rechnung tragen zu können.367 Offen bleibt dabei, ob die Verwaltung allein mit der Darlegung und Erklärung der Differenz ihre Pflichten erfüllt, oder ob sie in irgendeiner Weise für eine Kompensation des Kompetenzverlusts der Hauptversammlung zu sorgen hat.368 Busse von Cölbe369 hält die Verwaltung in seinem Lösungsvorschlag de lege ferenda für verpflichtet, die Einbuße der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung durch Auflösung freier Rücklagen abzugleichen.370 Wenn dies nicht möglich sei, hält er die Verwaltung als ultima ratio für verpflichtet, durch Ausübung ihrer Konzernleitungsmacht für die Ausschüttung von so viel Gewinn an

363

C VII 2 C VII 2 365 vgl. Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (71); Gollnick, S. 135 366 vgl. Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342); Gollnick, S. 135; Wassermeyer, FS Döllerer, S. 705 (708ff); vgl. C IV 2b 367 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (342) 368 ähnlich Gollnick, S. 135, der anmerkt, der Lösungsvorschlag Lutters gebe insofern keine Antwort. 369 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (71) 370 ähnlich Götz AG 84, 85 (93) 364

VII. Eigener Lösungsansatz

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die Obergesellschaft zu sorgen, daß die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung nicht geschmälert wird. Eine Auflösung der freien Rücklagen würde zumindest im selben Jahr zu einer Auschüttung aus der Substanz der Gesellschaft und des Konzerns führen. Sofern die Tochtergesellschaften im Folgejahr keinen Gewinn erzielen, wäre die Substanzausschüttung dauerhaft. Eine solche Substanzausschüttung ist mit dem Verbot, ungesicherte Gewinne zu vereinnahmen und auszuschütten, das einen der wichtigsten Grundsätze des deutschen Bilanzrechts darstellt, nicht zu vereinbaren.371 Die Veranlassung von erhöhten Ausschüttungen durch die Tochtergesellschaften, die Busse von Cölbe als ultima ratio vorschlägt, würde gegen das in § 311 AktG zum Ausdruck kommende Nichtschädigungsgebot372 verstoßen. Im Bereich der Rücklagenbildung im Konzern verlangt dieses Gebot, daß die Gewinnverwendungsentscheidung in der Tochtergesellschaft an deren Interessen orientiert wird. 373 Auf der anderen Seite reicht eine Erklärung der Verwaltung gegenüber der Hauptversammlung, warum deren Entscheidungskompetenz beschränkt ist, nicht aus, um deren materielles Mitspracherecht zu schützen. In dem Jahr, in dem die Differenz auftritt, muß die Verwaltung der Obergesellschaft den Jahresüberschuß ihrer Gesellschaft vollständig ihrer Hauptversammlung zur Entscheidung überlassen. Sobald der Differenzbetrag zum hälftigen Konzernjahresüberschuß in der Folgeperiode ergebniswirksam wird, muß er der Hauptversammlung zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.374 g) Zeitkongruente Gewinnerfassung Die soeben beschriebenen Schwierigkeiten bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz beruhen auf dem sogenannten „Phasenverschiebungseffekt" 375, durch den aufgrund derselben Bilanzstichtage von Mutter- und Tochterunternehmen die Ausschüttungen der Tochtergesellschaften, in Abhängigkeit von den Beteiligungsstufen, sich erst in den Folgejahren in der Bilanz der Obergesellschaft auswirken.376 Dieses Ergebnis entspricht dem Realisationsprinzip, wonach die Obergesellschaft die Beteiligungserträge der Untergesellschaft erst dann als realisiert betrachten und im Jahresabschluß erfassen darf, wenn ein ent-

371

vgl. BGHZ 65, 230 (236 f); C IV 2b, 3, 4 vgl. Baumbach / Hueck § 311 Rn. 5 373 Werner, FS Stimpel, S. 935 (943); Goerdeler WPg 86, 229 (236) 374 auch Gollnick, S. 135 scheint dies für eine Lösungsmöglichkeit zu halten, obwohl er selbst einen anderen Ansatz wählt, vgl. dazu C III 375 vgl. C IV 2b 376 vgl. Weber JZ 72, 482 (487); Pick, S. 130 372

10 Frodennann

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C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

sprechender Gewinnverwendungsbeschluß der Untergesellschaft vorliegt und dadurch ein verfügbarer Rechtsanspruch endgültig begründet worden ist. 377 Die zeitverzögerte Erfassung der Beteiligungserträge kann nach der Rechtsprechung im Konzern vermieden werden. Der BGH 378 faßt seine Auffassung im folgenden Leitsatz zusammen: „Eine Konzern- oder Holdinggesellschaft, die mit Mehrheit an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, kann den bei der Tochtergesellschaft erzielten und zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinn noch für das gleiche Geschäftsjahr in ihrer Bilanz unter "Forderungen an verbundenen Unternehmen,, und in der Gewinn- und Verlustrechnung unter "Erträge aus Beteiligungen,, ausweisen, wenn der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft noch vor Abschluß der Prüfung bei der Muttergesellschaft festgestellt worden ist und mindestens ein entsprechender Gewinnverwendungsvorschlag vorliegt. " Es müssen somit nach der BGH-Rechtsprechung drei Voraussetzungen vorliegen, um eine zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge durchführen zu können:379 — Die Obergesellschaft muß mit Mehrheit an der Untergesellschaft beteiligt sein. — Der Jahresabschluß der Untergesellschaft muß noch vor Beendigung der Prüfung des Jahresabschlusses der Obergesellschaft erfolgen. — Es muß mindestens ein Gewinn Vorschlag der Untergesellschaft vorliegen. Der BGH 380 begründet seine Auffassung damit, daß der Konzern eine wirtschaftliche Einheit bilde und die Aussagefähigkeit einer Bilanz, die den Geschäftserfolg eines bestimmten Jahres aufzeigen solle, leiden könne, wenn im gleichen Jahr erzielte Gewinne einer Tochtergesellschaft erst in den folgenden Geschäftsjahren von der Obergesellschaft vereinnahmt werden dürften. Ein zeitgerechter Einblick in die wirkliche Vermögens- und Ertragslage würde bei einer solchen Bilanzierung erschwert. Ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip liege bei einer Aktivierung der Ausschüttung nicht vor, wenn diese bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung mit Sicherheit feststehe, was dadurch erreicht werden könne, daß der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft vor Abschluß der Prüfung bei der Muttergesellschaft festgestellt werde.381 Das Urteil ist in der Literatur überwiegend zustimmend aufgenommen worden. 382 Die 377

BGHZ 65, 230 (234); Pick, S. 130 BGHZ 65, 230 (230) 379 vgl. Pick, S. 132; Gollnick, S. 174; Pasdika AG 77, 159 (159) 380 BGHZ 65, 230 (235) 381 BGHZ 65, 230 (236 f) 382 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 518, S. 215; Pasdika AG 77,159 (160); Pick, S. 181; Gollnick, S. 175, mit weitergehenden Schlußfolgerungen 378

VII. Eigener Lösungsansatz

147

Entscheidung ist vereinzelt auch kritisiert worden. In den Fällen der Rechtsnachfolge bestehe keine Klarheit darüber, von der Verwirklichung welches Tatbestandes die Besteuerung abhängen solle.383 Handelsrechtlich könne außerdem keine Aussage darüber getroffen werden, welche Tatbestandsverwirklichung genau die Gewinnrealisierung auslöse.384 Die Aussagefähigkeit einer Bilanz sei im übrigen kein allgemeiner Bilanzierungsgrundsatz.385 Die besondere Situation der Rechtsnachfolge und der daraus resultierenden handels- und steuerrechtlichen Probleme spricht nicht gegen die Auffassung des BGH. Die Zurechnungsproblematik beruht nicht auf der zeitkongruenten Gewinnerfassung, sondern auf der Rechtsnachfolge als solcher386, für die eine eigenständige Lösung entwickelt werden muß. Auch der Einwand, es bleibe offen, an welchen Tatbestand die Gewinnverwendung anknüpfe, ist unzutreffend. Der BGH 387 stellt klar, daß ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip, dann nicht vorliege, wemi der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft festgestellt sei und ein Gewinnverwendungsvorschlag vorliege. Damit ist der Zeitpunkt der Realisation der Beteiligungserträge eindeutig festgelegt. Der Ausweis in der Bilanz entspricht ab diesem Zeitpunkt der Bilanzwahrheit.388 Dem Gebot der Bilanzklarheit entspricht es, im Geschäftsbericht offenzulegen, daß es sich um eine Dividende handelt, die bei der Feststellung des Jahresabschlusses noch nicht vereinnahmt, aber mit Sicherheit zu erwarten ist.389 Gollnick390 leitet aus der BGH Rechtsprechung eine Bilanzierungspflicht ab, auf der sein gesamter Lösungsvorschlag basiert.391 Es wurde bereits dargelegt, daß nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung nur von einem Bilanzierungswahlrecht ausgegangen werden kann und eine Bilanzierungspflicht nur durch eine Gesetzesänderung herbeigeführt werden kann.392 Selbst wenn man mit Gollnick eine Bilanzierungspflicht annimmt, wird dadurch der bilanzpolitische Gestaltungsspielraum der Konzernleitung nicht eingeschränkt. Die Verwaltung kann die Voraussetzungen einer derartigen Bilanzierungspflicht steuern, indem sie den Feststellungszeitpunkt des Jahresabschlusses und den Zeitpunkt des

383

Wassermeyer, FS DöIIerer, S. 705 (710) Wassermeyer, FS Döllerer, S. 705 (715) 385 Wassermeyer, FS Döllerer, S. 705 (714) 386 vgl. zur steuerlichen Zurechnungsproblematik Seeger, L. Schmidt EStG § 24 Anm. 8a; Klörgmann, Rn. 383, S. 540 387 BGHZ 65, 230 (237) 388 Pasdika AG 77, 159 (159) 389 BGHZ 65, 230 (237) 390 Gollnick, S. 174 f.; C III 391 zur Kritik bereits C IV 6 392 vgl. C IV 6; Pasdika AG 77, 159 (159 f) 384

148

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Gewinnverwendungsbeschlusses in der Tochtergesellschaft variiert. 393 Die alleinige Bilanzierungspflicht reicht deshalb nicht aus, um eine zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge sicherzustellen. Gollnick erkennt diese Problematik ebenfalls und hält die Konzernleitung für verpflichtet, auf das Zustandekommen der Bedingungen, unter denen eine zeitkongruente Gewinnerfassung erfolgen kann, hinzuwirken.394 Konkrete Verfahrens- oder Verhaltensrichtlinien, wie die Verwaltung der Obergesellschaft diese Aufgabe erfüllen soll, zeigt er allerdings nicht auf. Auch wenn die Konzernleitung sich pflichtgemäß verhalten will, ist sie nicht in allen Fällen in der Lage, die Bedingungen für eine zeitkongruente Gewinnerfassung zu schaffen. 395 Bei der zeitkongruenten Erfassung der Beteiligungserträge im Konzern besteht somit ein Bilanzierungswahlrecht und die Konzernleitung kann die Voraussetzungen dieses Wahlrechts direkt beeinflussen. Gleichzeitig ist eine zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge wünschenswert, um die sich aus dem „Phasenverschiebungseffekt" ergebenden Verzerrungen bei der Bestimmung der Gewinnverwendungskompetenz zu vermeiden.396 Auch dieses Problem läßt sich durch eine Anknüpfung an die Pflichten der Verwaltung der Obergesellschaft am flexibelsten lösen.397 Die Verwaltung kann das nach der Rechtsprechung bestehende Bilanzierungswahlrecht der Beteiligungserträge frei ausüben und auch die Zeitpunkte der Feststellung des Jahresabschlusses der Tochtergesellschaften und des Beschlusses über die Gewinnverwendung frei wählen. Ihr obliegt aber gegenüber den Aktinären der Obergesellschaft die Pflicht, bei der Ausübung ihrer Leitungsmacht dafür zu sorgen, daß deren materielles Entscheidungsrecht bei der Rücklagenbildung durch eine zeitkongruente Gewinnerfassung sichergestellt wird. 398 Die Konzernleitung ist verpflichtet, jede bilanzpolitische Maßnahme zu unterlassen, die durch eine zeitliche Verzögerung der Gewinnrealisierung zu einer Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft führt. Nur soweit eine zeitkongruente Erfassung der Beteiligungserträge nicht möglich ist, muß ein Ausgleich in der Folgeperiode erfolgen, wenn der Gewinn der Obergesellschaft nicht ausreicht, um der Hauptversammlung den ihr zustehenden Betrag zur Entscheidung zu überlassen.399

393 394 395 396 397 398 399

Pick, S. 132, 181 ff; Wassermeyer, FS Döllerer, S. 705 (714) Gollnick, S. 175 vgl. Havermann, FS Barz, S. 387 (402); C IV 6 C IV 2b vgl. C VII 1 ähnlich Pick, S. 133 vgl. C VII 3 f

VII. Eigener Lösungsansatz

149

4. Anwendbarkeit des § 58 I I I AktG in der Tochtergesellschaft In den bisherigen Überlegungen wurde nur eine Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften gem. § 58 II AktG behandelt. Gem. § 58 III AktG kann die Hauptversammlung der Tochtergesellschaft in dem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in die Gewinnrücklagen einstellen. Da die Verwaltung der Obergesellschaft die Aktionärsrechte seiner Gesellschaft in den Tochtergesellschaften ausübt, kann sie faktisch über die Bildung weiterer Gewinnrücklagen in der Tochtergesellschaft entscheiden. Durch § 58 III AktG kann die Konzernleitung die Gewinnausschüttungen an die Obergesellschaft weiter verringern und dadurch die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung noch stärker schmälern.400 Deshalb ist zu fragen, ob und gegebenenfalls wie § 58 III AktG bei der Tochtergesellschaft anzuwenden ist. Die rechtliche Zulässigkeit der Rücklagenbildung auf allen Konzernstufen wird aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit der Tochtergesellschaften und der Schutzbedürftigkeit ihrer Minderheitsaktionäre allgemein anerkannt.401 Auch § 58 III AktG ist deshalb in den Untergesellschaften anwendbar. Geßler will den Beschluß der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft gem. § 58 III AktG aber nur wirksam werden lassen, wenn die Aktionäre der Obergesellschaft ihm in ihrer Hauptversammlung zugestimmt haben. § 58 III AktG sei insoweit nicht nur bei der Tochtergesellschaft, sondern bei Rücklagenbildungen in der Tochtergesellschaft entsprechend bei der Obergesellschaft anzuwenden, um den Sinn und Zweck des § 58 II, III AktG zu wahren.402 Das Zustimmungerfordernis leitet Geßler aus dem „HolzmüllerurteiP' 403 ab. Danach sind die Aktionäre der Obergesellschaft bei Entscheidungen in den Tochtergesellschaften, die sich auf ihre eigene Rechtsstellung nachteilig auswirken können, in denselben Formen und mit denselben Mehrheiten zu beteiligen, wie es für die entsprechenden Entscheidungen in der Obergesellschaft bestimmt ist.404 Der BGH 405 hat aus der Sorgfaltspflicht des Vorstandes eine Vorlagepflicht entsprechend § 119 II AktG aufgrund eines tiefgreifenden Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre abgeleitet. Es wurde bereits herausgearbeitet406, daß es bei der Rücklagenbildung im Konzern nicht um die durch eine gesetzesübersteigende

400 401 402 403 404 405 406

Geßler, FS Meilicke, S. 18 (26) vgl. Β II 2d, bb, bbb; Geßler AG 85, 257 (260) Geßler, FS Meilicke, S. 18 (26) BGHZ 83, 122 ff Geßler, FS Meilicke, S. 18 (26) BGHZ 83, 122 (131) Β II 2d, bb, bbb

150

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

Rechtsfortbildung gewonnene ungeschriebene Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft 407 geht, sondern um eine teleologische Reduktion der sich aus § 58 II AktG ergebenden Thesaurierungskompetenz der Konzernleitung. Nach der hier vertretenen Lösung ist die Konzernleitung verpflichtet, dafür zu sorgen, daß der anhand des Konzernjahresüberschusses bestimmte Gewinn zur Hälfte der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft unterliegt.408 Einer zusätzlichen Einschränkung des § 58 III AktG durch die Ableitung ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedarf es deshalb grundsätzlich nicht. Denn die erhöhte Rücklagenbildung in einer Tochtergesellschaft gem. § 58 III AktG wird bei der Pflichtenkonkretisierung der Verwaltung zur Bestimmung ihrer eigenen Thesaurierungskompetenz gem. § 58 II AktG in der Obergesellschaft voll berücksichtigt.409 Durch eine erweiterte Thesaurierung gem. § 58 III AktG in den Tochtergesellschaften darf allerdings der an die Obergesellschaft ausgeschüttete Gewinn nicht so gering werden, daß bei der Obergesellschaft der Jahresüberschuß geringer als die Hälfte des bereinigten Konzernjahresüberschusses wird. 410 Da die Ausschüttung an die Aktionäre der Obergesellschaft auf der Grundlage des Jahresüberschusses ihrer Gesellschaft erfolgt, würde die teleologische Reduktion in diesem Fall nicht zu einem ausreichenden Schutz der Aktionäre führen. 411 Die Konzernleitung handelt deshalb auch dann pflichtwidrig, wenn sie über die grundsätzlich zulässige Anwendung des § 58 III AktG in der Tochtergesellschaft erweiterte Rücklagen bildet und in der Obergesellschaft dadurch weniger als die Hälfte des bereinigten Konzernjahresüberschusses als Jahresüberschuß ausgewiesen wird. 412

V i l i . Zwischenergebnis Nachdem die Anwendbarkeit des § 58 II AktG grundsätzlich bejaht wurde 413, bestand die Aufgabe darin, eine Anwendungsregel dafür zu entwickeln.

407

408 409

ausführlich v. Rechenberg, S. 124 ff c VII

3

vgl. Kohl, S. 218 vgl. Götz AG 84, 85 (93); Kohl, S. 218 f 411 vgl. C VII 3 f, dort generell zum Überwiegen der Hälfte des Konzernjahresüberschusses; vgl. Kohl, S. 218 f 412 i. E. ebenso Lutter, Kölner-Komm. § 58 Rn. 42 413 vgl. Β 410

VIII. Zwischenergebnis

151

Die kritische Auseinandersetzung mit den Meinungen, die das Problem durch die Gewährung eines Anfechtungsrechts oder zusätzlicher Beteiligungsrechte der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats lösen wollen414, ergab, daß ein ausreichender Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft auf diese Weise nicht gewährleistet werden kann. Die sogenannte „Durchrechnungslehre" will die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen auf die Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft direkt anrechnen.415 Die dazu vorgeschlagene Berechnung des Gesamtgewinns erwies sich in bilanzieller Hinsicht als verfehlt, weil der Konzernabschluß sich nicht aus der Addition der Einzelabschlüsse ergibt. Durch die Nichtberücksichtigung von konzerninternen Zwischenergebnissen und Verlusten von Tochtergesellschaften besteht außerdem die Gefahr einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns. Dem letztgenannten Einwand ist auch die Meinung ausgesetzt, die die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen vorweg vom Gewinn der Obergesellschaft abziehen will. 416 Diese Meinung steht und fällt außerdem mit der zeitkongruenten Gewinnerfassung. Sofern diese aus Gründen unmöglich wird, die außerhalb des Einflußbereichs der Konzernleitung liegen, kommt es ebenfalls zu einer Ausschüttung aus der Substanz des Konzerns. Ein weiterer Lösungsansatz stellt auf die Pflichten der Konzernleitung ab. Danach kann die Verwaltung der Obergesellschaft in dieser Gesellschaft zwar mehr Rücklagen bilden als sie hätte bilden können, wenn die Konzerngesellschaft eine Betriebsabteilung wäre, sie darf es aber nicht.417 Zur Eliminierung der Zwischengewinne kann die Verwaltung wahlweise auf den geprüften Konzernabschluß oder auf eine Zusammenrechnung der Einzelabschlüsse zurückgreifen. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Meinung ergab, daß ein Abstellen auf die Pflichten der Verwaltung angesichts der Komplexität des Problems und der scharfen Nichtigkeitsfolge aus § 256 I Nr. 4 AktG gegenüber einer direkten Durchrechnung die flexiblere Lösung darstellt. Gleichzeitig wurde herausgearbeitet, daß der Konzernabschluß die verläßlichste Berechnungsgröße für die Konkretisierung der Pflichten der Verwaltung abgibt, weil in ihm durch die Konsolidierung der Konzern als wirtschaftliche Einheit dargestellt wird. Das gegen diese Lösung vorgebrachte Argument, der Konzernabschluß sei nicht die Grundlage der Ausschüttung, führt zu keinen anderen Ergebnissen, weil die Aus-

414 415 4,6 417

vgl. C I vgl. C II vgl. C III vgl. C V

152

C. Rechtsfolgen einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern

schüttung weiterhin aufgrund des Jahresabschlusses der Obergesellschaft erfolgt. Lediglich die Pflichten der Verwaltung, die dieser zur Erhaltung der Thesaurierungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft obliegen, werden aufgrund des Konzernabschlusses bestimmt. Die von den Vertretern der sogenannten Pflichtenlösung der Verwaltung eingeräumte Wahlmöglichkeit zwischen dem Konzernabschluß und einer Addition der Einzelabschlüsse ist abzulehnen. Ein solches Wahlrecht führt zu Rechtsunsicherheiten und eröffnet der Verwaltung weitere Manipulationsmöglichkeiten. Um als Berechnungsgrundlage für die Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft dienen zu können, muß der Konzernabschluß allerdings entsprechend dem Sinn und Zweck des § 58 II AktG modifiziert werden. Diese Modifikationen werden in den bisher vertretenen Pflichtenlösungen nicht vorgenommen, weshalb die Lösungen noch nicht vollständig sind. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die sogenannte Pflichtenlösung grundsätzlich den richtigen Ansatz für die Lösung des Problems der Rücklagenbildung im Konzern bildet, bei einer konsequenten Lösung aber, anders als in den bisherigen Ansätzen, allein auf einen der Teleologie des § 58 II AktG entsprechend modifizierten Konzernabschluß abzustellen ist.

D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln die Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern bejaht wurde und anschließend eine Anwendungsregel entwickelt wurde, bleibt noch zu klären, wie ein Verstoß der Konzernleitung gegen ihre Pflichten bei der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern geahndet werden soll. I. Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses gem. § 256 I Nr. 4 AktG? Von denjenigen, die eine Thesaurierung in den Tochtergesellschaften direkt auf die Rücklagenkompetenz in der Obergesellschaft anrechnen wollen, wird überwiegend die Nichtigkeit des Jahresüberschusses gem. § 256 I Nr. 4 AktG angenommen, wenn die Verwaltung die gebotene Anrechnung unterläßt.1 Ein Jahresabschluß ist gem. § 256 I Nr. 4 AktG nichtig, wenn bei seiner Feststellung gesetzliche oder satzungsgemmäße Bestimmungen über die Einstellung von Beträgen in die Kapital- oder Gewinnrücklagen verletzt worden sind. Der Gesetzgeber des AktG 1965 beabsichtigte, den Bestand eines einmal festgestellten Jahresabschlusses nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten, da davon die finanziellen Dispositionen der Gesellschaft in der Zukunft abhängen. Nur bei klaren Rechtsverletzungen, wozu auch der Verstoß gegen die hälftige Thesaurierungskompetenz aus § 58 II AktG gehört, erschien ihm die Nichtigkeit als Rechtsfolge angemessen.2 Der Gesetzgeber ging dabei von der Einzelgesellschaft aus. Die komplexen Konzernsachverhalte, mit ihren komplizierten Berechnungen, bilanziellen Schwierigkeiten und zeitlichen Verwerfungen 3 sind mit der einfachen und klaren Rechtslage in einer unverbundenen Aktiengesellschaft nicht vergleichbar.4 Bei faktischen Konzernen kommt hinzu, daß bereits das Vorliegen

1

Götz AG 84, 85 (93); zustimmend Geßler, FS Meilicke, S. 18 (27); a. A Kohl, S. 240 ff Wilhelmi, S. 42 ff,44; Baumbach / Hueck § 256 Rn. 11; Kohl, S. 241 3 vgl. C IV, VII 4 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (344); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 46; Kohl, S. 242 f; Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (42) 2

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D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

eines Konzerntatbestandes mit erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheiten verbunden ist.5 Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Obergesellschaft aufgrund eines Verstoßes gegen die aus § 58 II AktG für den Konzern entwickelte Anwendungsregel ist daher mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar.6 Gollnick7 rechtfertigt die Nichtigkeit gem. § 256 I Nr. 4 AktG damit, daß es bei der von ihm vertretenen Lösung aufgrund der Zugrundelegung des sogenannten „control-Konzepts", wonach auch die reine Mehrheitsbeteiligung zu einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern führt, zu keiner Rechtsunsicherheit komme. Unabhängig davon, daß dieser Lösung nicht gefolgt werden kann8, wird durch die Anwendung des „control-Konzepts" nur die Rechtsunsicherheit bezüglich des Bestehens des Konzerntatbestandes und nicht diejenige im Zusammenhang mit der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern beseitigt. Auch Gollnicks Lösungsvorschlag führt aufgrund der Notwendigkeit der zeitkongruenten Gewinnerfassung und der Berücksichtigung von Auslandssachverhalten9 zu Anwendungsschwierigkeiten, angesichts derer nicht von einer einfachen und klaren Rechtslage gesprochen werden kann. Kohl verneint unter Hinweis auf das NichtVorliegen einer klaren Rechtsverletzung eine Nichtigkeit gem. § 256 I Nr. 4 AktG.10 Diese Auffassung ist aber, obwohl ihr im Ergebnis zuzustimmen ist, inkonsequent, weil Kohl über eine historische Auslegung § 58 II AktG im Konzern direkt anwenden will. 11 Bei der direkten Anwendung einer Norm muß aber auch deren zwingende und klare Rechtsfolge Anwendung finden. 12 Kohls Lösung ist deshalb hinsichtlich der Sanktion zutreffend, unter Berücksichtigung seines Gesamtkonzepts aber widersprüchlich.

5 6 7 8 9 10 11 12

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (339) Goerdeler WPg 86, 229 (236); Thomas ZGR 85, 365 (384); Warschkow, S. 115 f Gollnick, S. 166 vgl. Β III 5b CHI Kohl, S. 241 ff Blllb i. E. ebenso Gollnick, S. 165

II. Anfechtung gem. §§ 254, 257 AktG?

155

Π . Anfechtung gem. §§ 254, 257 AktG? Es gibt Auffassungen, die den Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft durch die Gewährung eines Anfechtungsrechts analog § 254 AktG entsprechen wollen. Begründet wird dies im wesentlichen damit, daß die Aktionäre in der Regel lediglich an einem hohen Ertrag aus ihrer Beteiligung interessiert seien und die Verwaltung durch eine analoge Anwendung des § 254 AktG an einer Vorenthaltung der Mindestdividende gehindert würde.13 Diejenigen, die eine solche Analogie vorschlagen, sehen darin eine mögliche Alternative zu einer Einschränkung des § 58 II, III AktG.14 Systematisch gesehen schlagen sie damit die analoge Anwendung des § 254 AktG als Anwendungsregel des § 58 II AktG vor. 15 Dieser Lösungsvorschlag ist, wie bereits dargestellt16, abzulehnen, da er das materielle Mitspracherecht der Aktionäre der Obergesellschaft nicht hinreichend schützt. Die Ablehnung der analogen Anwendung des § 254 AktG als Anwendungsregel bedeutet noch nicht, daß das Anfechtungsrecht grundsätzlich keine angemessene Sanktion bei einem Verstoß der Verwaltung gegen die hier vertretene Anwendungsregel darstellen kann. Eine analoge Anwendung des § 254 AktG 17 setzt, neben einer Lücke, die bei einer konzernrechtlichen Anwendung des § 58 II AktG gegeben ist18, die Vergleichbarkeit der Anwendungsvoraussetzungen und die Interessengerechtigkeit der Rechtsfolgen voraus.19 § 254 AktG eröffnet einer qualifizierten Aktionärsminderheit die Möglichkeit, einen Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung gem. § 174 AktG anzufechten, durch den übermäßige Rücklagen oder Gewinnvorträge gebildet werden. Die Vorschrift betrifft nur Gewinnverwendungsbeschlüsse der Hauptversammlung gem. § 58 III AktG und nicht solche Zuweisungen, die die Verwaltung in dem von ihr festgestellten Jahresabschluß nach Maßgabe des § 58 II AktG vornimmt.20 § 254 AktG setzt somit auf der Voraussetzungsseite einen Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung voraus, gegen den sich die Minderheits- oder Kleinaktionäre zur Wehr setzen

Unternehmensrechtskommission, Tz. 1287; Timm, S. 168 Unternehmensrechtskommission, Tz. 1287 15 vgl. C I 2 16 C IV 1 17 grundsätzlich zur Methodik Β II 2a 18 vgl. Β II 19 vgl. Kohl, S. 243 20 BGHZ 55,359 (364); Semler, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 41 Rn. 109; Hüffer, Geßler u. a. AktG § 254 Rn. 4 14

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D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

können. Durch die Gewährung der Mindestdividende sollen die Minderheitsaktionäre vor einem „Aushungern" durch den oder die Großaktionäre geschützt werden.21 Das Problem der Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern betrifft aber nicht den Mehrheits- Minderheitskonflikt bei der Gewinnverwendung, sondern die Gewinnermittlung.22 Die Anfechtung von Gewinnermittlungsbeschlüssen ist gem. § 257 AktG nur in dem Ausnahmefall möglich, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß gem. § 173 AktG festgestellt hat.23 Diese Regelung entspricht dem System des Aktiengesetzes, nur Hauptversammlungsbeschlüsse der Anfechtung zu unterwerfen und Verwaltungsbeschlüsse in anderer Weise zu kontrollieren und zu sanktionieren.24 Gem. § 257 I 2 AktG kann die Anfechtung auch nicht auf inhaltliche Mängel des Beschlusses gestützt werden, sondern greift nur ein, wenn der Beschluß das Gesetz oder die Satzung verletzt.25 Die Regelungen in den §§ 254, 257 AktG spiegeln deutlich die Absicht des Gesetzgebers wieder, den Bestand eines einmal festgestellten Jahresabschlusses nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten. 26 Eine Anfechtung der Gewinnverwendungsentscheidung analog § 254 AktG entspricht somit nicht der Systematik und der Regelungsabsicht des aktienrechtlichen Anfechtungsrechts und ist mit den in § 254 AktG geregelten Fällen nicht vergleichbar. Auf der Rechtsfolgenseite bietet § 254 AktG durch die Beschränkung des Anfechtungsrechts auf die Absicherung einer Mindestdividende in Höhe von 4 % des Grundkapitals nur einen geringen Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft gegen eine übermäßige Rücklagenbildung.27 Die Absicherung des materiellen Mitspracherechts der hier gewonnenen Anwendungsregel wird durch ein Anfechtungsrecht analog § 254 AktG nicht erreicht. 28

21

Baumbach / Hueck § 254 Rn. 1 Kohl, S. 244 23 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345); Zöllner, Kölner-Komm. § 243 Rn. 15; Baumbach / Hueck § 257 Rn. 1 24 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345); Kohl, S. 244; vgl. zur Systematik Hirte, S. 206 ff 25 Baumbach / Hueck § 257 Rn. 2 26 vgl. D I; Wilhelmi, S. 43; Kohl, S. 244 27 Baumbach / Hueck § 58 Rn. 9, § 254 Rn. 1 28 ähnlich Kohl, S. 244 22

III. Sonderprüfung analog §§ 258 ff AktG?

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m . Sonderprüfung analog §§ 258 ff AktG? Götz29 hat als erster für den Sonderfall, daß aufgrund einer stärkeren Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft ein Jahresüberschuß der Muttergesellschaft von weniger als 50 % des Gesamtgewinns aller Konzerngesellschaften anfällt 30, eine analoge Anwendung der Regelungen einer Sonderprüfung gem. §§ 258 ff AktG vorgeschlagen. Die Bestellungen von Sonderprüfern gem. §§ 258 ff AktG ist durch das AktG 1965 neu in das Aktienrecht aufgenommen worden. Der Rechtsbehelf soll die Bildung von stillen Reserven durch eine unzulässige Unterbewertung von Bilanzposten verhindern. 31 Götz stellt als gemeinsames Merkmal von unzulässigen Rücklagenbildungen und nicht unwesentlichen Unterbewertungen die Beeinträchtigung des Gewinndispositionsrechts der Hauptversammlung heraus und sieht in dieser Übereinstimmung eine tragfähige Grundlage für eine entsprechende Anwendung der §§ 258 ff AktG bei unzulässigen Thesaurierungen.32 Die von Götz auf den Sonderfall eines unter der Hälfte des Konzernüberschusses liegenden Jahresüberschusses der Obergesellschaft beschränkte Lösung wurde im Anschluß an seinen Aufsatz als generelle Sanktion eines Verstoßes gegen die konzernrechtliche Anwendungsregel des § 58 II AktG vorgeschlagen.33 Zur Begründung knüpfen diese Meinungen an die Beeinträchtigung des Gewinndispositionsrechts der Aktionäre an. Durch die Bildung stiller Reserven würden tatsächlich erwirtschaftete Erträge der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung vorenthalten. Die Verwaltung betreibe dadurch eine unzulässige Selbstfinanzierung. Auch bei einer zu hohen Rücklagenbildung im Konzern würden die Kompetenzen der Hauptversammlung beeinträchtigt, da der Bilanzgewinn, über den die Hauptversammlung gem. § 174 AktG zu beschließen habe, zu niedrig ausgewiesen werde.34 Die Sanktion der Sonderprüfung paßt nach dieser Meinung in weitem Umfang auf den Fall einer zu hohen Rücklagenbildung.35 Umstritten ist lediglich, wie der § 261 AktG, der die Rechtsfolgen der Sonderprüfung regelt, bei der Rück-

29

Götz AG 84, 85 (93) vgl. C VII 3 f 31 Baumbach / Hueck § 258 Rn. 1 ; Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 47 Rn. 10 32 Götz AG 84, 85 (93 f) 33 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345 f); ders., Kölner-Komm. § 58 Rn. 49; Kohl, S. 245 ff; Warschkow, S. 117; i. E. ebenso Gollnick, S. 166, aber kritisch gegenüber den anderen Lösungen aufgrund deren mangelnder Pflichtkonkretisierung, S. 167 34 Kohl, S. 245 f; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345 f) 35 Kohl, S. 246; Götz AG 84, 85 (93) 30

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D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

lagenbildung anzuwenden ist. Lutter 36 stellt zunächst zutreffend fest, daß eine unmittelbare Anwendung des § 261 AktG, wonach die durch die Sonderprüfung aufgedeckten stillen Reserven im nächsten Jahr als zusätzlicher Ertrag auszuweisen sind, nicht möglich sei. Denn ein zusätzlicher Ertrag wird durch die Sonderprüfung nicht festgestellt. Lutter will deshalb den als überhöhte Rücklage festgestellten Differenzbetrag im folgenden Jahresabschluß vorweg vom Jahresabschluß abziehen und dadurch der Verwaltungskompetenz entziehen.37 Kohl will dagegen in entsprechender Anwendung des § 261 AktG im nächsten Jahresabschluß Gewinnrücklagen in der festgestellten Höhe auflösen, so daß die Hauptversammlung über den Betrag beschließen könne.38 Er kritisiert zutreffend am Lösungsvorschlag Lutters, daß dieser nur zu akzeptablen Ergebnissen fuhrt, wenn ein Jahresüberschuß in entsprechender Höhe im nächsten Jahr überhaupt vorhanden ist.39 Die soeben dargestellten Lösungsansätze zielen darauf ab, den Aktionären der Obergesellschaft aufgrund ihrer schwachen Einwirkungsmöglichkeit bei einer Pflichtverletzung der Verwaltung im Bereich der Rücklagenbildung einen zusätzlichen Rechtsbehelf zu geben.40 Auf den ersten Blick scheint die Parallele zur unzulässigen Bildung stiller Reserven und dem dort bestehenden besonderen Rechtsbehelf der Sonderprüfung naheliegend. Denn in beiden Fällen werden den Aktionären durch ein Verhalten der Verwaltung Teile des Jahresüberschusses vorenthalten.41 Allein die Übereinstimmung des wirtschaftlichen Ergebnisses reicht aber noch nicht, um eine Analogie zu rechtfertigen. 42 Auch der Sinn und Zweck der analog angewandten Vorschrift und deren Rechtsfolgen müssen mit dem Anwendungsfall, auf den die Norm analog angewandt werden soll, vergleichbar sein.43 Deshalb ist ein Vergleich des Regelungsgehalts der §§ 258 ff AktG und des § 58 II AktG in der für den Konzern entwickelten Anwendungsform erforderlich. Bei einer Unterbewertung im Sinne des § 258 I Nr. 1 AktG kann eine Sonderprüfung nur angeordnet werden, wenn der Jahresabschluß festgestellt ist. Eine vom Vorstand in dem Entwurf des Jahresabschlusses enthaltene Unterbewertung, die von den Abschlußprüfern entdeckt und beseitigt werden kann, berechtigt noch

36 37 38 39 40 41 42 43

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345) Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (345) Kohl, S. 246 Kohl, S. 246 FN 162 vgl. H. P. Müller, FS Quack, S. 345 (346 f) vgl. Werner AG 90, 1 (12), der die grundsätzliche Parallelität auch bejaht. vgl. zur Methodik Β II 2a vgl. Η. P. Müller, FS Quack, S. 345 (347); A / D / S § 58 Rn. 88

III. Sonderprüfung analog §§ 258 ff AktG?

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nicht zur Anordnung einer Sonderprüfung. 44 Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt gem. § 172 AktG grundsätzlich durch die Verwaltung.45 Die Sonderprüfung soll sicherstellen, daß die Hauptversammlung ihren Gewinnverwendungsbeschluß gem. § 174 AktG auf der Grundlage eines von der Verwaltung zutreffend festgestellten Jahresüberschusses treffen kann.46 Gegenstand der Sonderprüfung können nur Bilanzierungsfehler sein, die einen Verstoß gegen gesetzliche Bilanzierungsvorschriften darstellen.47 Die §§ 258 ff AktG sind deshalb nicht anwendbar, wenn die Verwaltung bei der Ausübung von Bilanzierungswahlrechten Entscheidungen trifft, die zwar bilanzrechtlich erlaubt, unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre diesen gegenüber aber pflichtwidrig sind. Die Sonderprüfung kann nur zum Erfolg führen, wenn die Bewertung der Verwaltung gesetzwidrig ist.48 Es liegt somit ein Fall vor, in dem die Verwaltung aufgrund zwingender Bewertungsvorschriften nicht so handeln kann, wie sie gehandelt hat. Bei einem Verstoß gegen die für den Konzern gewonnene Anwendungsregel des § 58 II AktG kann die Verwaltung zwar die überhöhte Rücklage bilden, sie darf es aber nicht und handelt den Aktionären gegenüber bei einer solchen Thesaurierung pflichtwidrig. 49 Die Frage des Dürfens und eines pflichtwidrigen Verhaltens der Verwaltung können aber nicht Gegenstand einer Sonderprüfung sein, so daß bei einer überhöhten Rücklagenbildung keine Sonderprüfung durchgeführt werden kann.50 Da § 258 AktG darüberhinaus, wie die Nichtigkeitsregel des § 256 V Nr. 2 AktG, einen Verstoß gegen Bewertungsvorschriften voraussetzt, ist es inkonsequent eine Nichtigkeit des Jahresüberschusses abzulehnen und eine Sonderprüfung zu bejahen.51 Die in § 261 AktG geregelten Rechtsfolgen der Sonderprüfung passen außerdem nicht auf den Fall der überhöhten Rücklagenbildung. Auch Kohls Vor-

44

45 46

Baumbach / Hueck § 258 Rn. 3

AVI

Hüffer, Geßler u. a. AktG § 258 Rn. 7; Claussen, Kölner-Komm. § 58 Rn. 10; HoffmannBecking, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 47 Rn. 10 47 H. P. Müller, FS Quack, S. 345 (347); Hüffer, Geßler u. a. AktG § 258 Rn. 7 48 H. P. Müller, FS Quack, S. 345 (347); Werner AG 90, 1 (12) 49 C VII 1 50 vgl. H. P. Müller, FS Quack, S. 345 (347); Werner AG 90, 1 (12) 51 so aber Kohl, S. 240 ff; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (344 ff); wie hier A / D / S § 58 Rn. 88; allgemein zum Verhältnis von § 256 und § 258 AktG, Hoffmann-Becking, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 47 Rn. 11

160

D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

schlag52, im nächsten Jahresabschluß die überhöhten Rücklagen aufzulösen und der Hauptversammlung zur Entscheidung zu überlassen, entspricht nicht dem § 261 AktG. Denn gem. § 26112 AktGfindet eine Korrektur im Folgejahr nicht statt, wenn sich die Unterbewertung nachträglich als gerechtfertigt erweist.53 Im Fall einer analogen Anwendung der §§ 258 ff AktG müßte diese Regelung auch auf die Rücklagenbildung übertragen werden, so daß eine nachträgliche Auflösung der Rücklagen zur Abdeckung von Fehlbeträgen oder ähnlichen Veränderungen zu einer Modifikation der Rechtsfolgen führen würde. Dadurch würden weitere Rechtsunsicherheiten auftreten, so daß eine Analogie auch deshalb abzulehnen ist.54 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist noch zu bedenken, daß die Bestellung von Sonderprüfern nur auf Antrag beim Registergericht im Sinne des § 14 AktG erfolgen kann und dieses Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt.55 Gem. § 1 FGG unterliegen nur solche Streitigkeiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die durch Gesetz den Gerichten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen wurden. Eine nicht zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörige Streitigkeit kann nicht kraft Vereinbarung der Beteiligten oder durch Analogie im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt werden.56 Bei einer analogen Anwendung des FGG liegt deshalb ein Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 I 2 GG vor. 57 Die analoge Anwendung der §§ 258 ff AktG paßt somit sowohl von den Voraussetzungen als auch von der Rechtsfolge her nicht als Sanktion für eine überhöhte Rücklagenbildung im Konzern.

IV. Anfechtung des Enlastungsbeschlusses gem. § 243 AktG Lutter 58 will in den Fällen, in denen die Konzernleitung erklärt, sie habe den Konzerntatbestand bei der Rücklagenbildung in der Obergesellschaft nicht berücksichtigt und werde dies auch in Zukunft nicht tun, den Aktionären der Obergesellschaft ein Recht zur Anfechtung des Entlastungsbeschlusses gem. § 243 AktG einräumen. Seiner Meinung nach bringt der Entlastungsbeschluß

Kohl, S. 246 Baumbach / Hueck § 261 Rn. 4 Werner AG 90, 1(12) Werner AG 90, 1 (12); Baumbach / Hueck § 258 Rn. 7 Bumiller / Winkler, FGG § 1 Anm. 4 Werner AG 90, 1(12) Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (348)

IV. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses gem § 243 AktG

161

gem. § 120 AktG das prinzipielle Einverständnis mit der Geschäftsführung zum Ausdruck und bedeutet eine Vertrauenserklärung für die Zukunft. In der ausdrücklichen Weigerung, den Konzerntatbestand bei der Gewinnverwendung zu berücksichtigen, liege eine so klare Aussage gegen Gesetz und Recht, daß die Erteilung der Entlastung selbst auf einer Gesetzesverletzung beruhe und deshalb gem. § 243 AktG anfechtbar sei. Kohl 59 wendet dagegen ein, die Hauptversammlung könne über die Entlastung gem. § 120 AktG vollständig autonom beschließen. Deshalb sei es auch möglich, ein gegen das Gesetz oder die Satzung verstoßendes Verhalten der Verwaltung zu billigen. Mit der Entlastung seien keinerlei Rechtswirkungen verbunden. Insbesondere sei mit ihr, wie sich aus § 120 II 2 AktG ergebe, kein Verzicht auf Ersatzansprüche gegen die Verwaltung verbunden. Diese Regelung ergebe nur dann Sinn, wenn die Entlastung unanfechtbar erteilt werden könne, obwohl ein Verhalten der Verwaltung vorliege, das zu Ersatzansprüchen führen könne. Außerdem könne die Hauptversammlung mit der gleichen Mehrheit, mit der sie die Entlastung beschließe, gem. § 58 III AktG weitere Gewinnanteile in die Rücklagen einstellen. Unstreitig bringt der Entlastungsbeschluß gem. § 120 II 1 AktG die Billigung der Geschäftsführung der Verwaltung zum Ausdruck und spricht das Vertrauen der Aktionäre für die Zukunft aus.60 Aus § 120 II 2 AktG ergibt sich auch, daß mit der Entlastung kein Verzicht auf etwaige Schadensersatzansprüche erklärt wird. Die abweichende BGH-Entscheidung61 erging zum AktG 1937 und ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 120 II 2 AktG überholt.62 Der Entlastungsbeschluß steht grundsätzlich im freien Ermessen der Hauptversammlung, diese kann die Entlastung auch dann erteilen, wenn ihr bestimmte Verstöße der Verwaltung gegen das Gesetz oder die Satzung bekannt sind.63 Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung die Entlastung erteilt, kann aber aus formellen und materiellen Gründen angefochten werden.64 Gem. § 243 AktG kann grundsätzlich jeder Beschluß der Hauptversammlung, soweit er eine beliebige Rechtsnorm verletzt, angefochten werden.65

59

Kohl, S. 253 Kohl, S. 252; Baumbach / Hueck § 120 Rn. 6 61 BGHZ 29, 385 ff 62 Zöllner, Kölner-Komm., § 120 Rn. 31; Semler, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 34 Rn. 22 FN 44; a. Α. Baumbach / Hueck § 120 Rn. 7 63 BGH DB 67, 940 (942); Eckard, Geßler u. a. AktG § 120 Rn. 38 64 Semler, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 34 Rn. 28; Zöllner, Kölner-Komm., § 120 Rn. 47; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (348) 65 Baumbach / Hueck § 243 Rn. 4 60

11 Frodermann

162

D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

Der Entlastungsbeschluß gem. § 120 AktG kann inhaltlich fehlerhaft sein, wenn die Entlastung trotz schwerer Verfehlungen der Verwaltung erteilt wird. Umgekehrt darf die Verweigerung nicht auf willkürlichen oder sachfremden Erwägungen beruhen. Die Hauptversammlung hat zwar einen weiten aber keinen unbegrenzten Ermessensspielraum bei der Erteilung oder Verweigerung der Entlastung.66 Eine unmittelbare rechtliche Wirkung kommt dem Entlastungsbeschluß und der Verweigerung der Entlastung zwar nicht zu.67 Ihre praktischen Auswirkungen aufgrund der Beachtung und der Reaktionen in der interessierten Öffentlichkeit können aber erheblich sein.68 Diese Erwägungen führen bei dem hier behandelten Problem der Rücklagenbildung im Konzern dazu, daß der Entlastungsbeschluß zwar nicht bei jedem Verstoß gegen die Anwendungsregel des § 58 II AktG im Konzern angefochten werden kann. Bei einer eindeutigen Erklärung der Verwaltung, den Konzerntatbestand grundsätzlich bei der Bildung von Gewinnrücklagen nicht zu berücksichtigen, liegt aber ein derart schwerer Verstoß gegen die dem § 58 II AktG zu entnehmende Wertung vor, daß es den Aktionären der Obergesellschaft ermöglicht werden muß, öffentlich ihre Mißbilligung gegenüber der Verwaltung zum Ausdruck zu bringen, um diese zukünftig zu einem pflichtgemäßen Verhalten zu veranlassen. Die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses gem. § 243 AktG entspricht somit der Funktion und dem Sinn der Entlastung gem. § 120 AktG und der Weitung des § 58 II AktG. Es ist allerdings äußerst zweifelhaft, ob einer derartigen Anfechtung des Entlastungsbeschlusses eine große praktische Bedeutung zukommt, da die Konzernleitung kaum zugeben wird, sich pflichtwidrig verhalten zu haben und erst recht nicht ihr pflichtwidriges Verhalten für die Zukunft ankündigen wird.

V. Individualklagen Die bisherigen Stellungnahmen haben gezeigt, daß die Aktionäre der Verwaltung bei einer pflichtwidrigen Nichtberücksichtigung der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen die Entlastung verweigern oder unter bestimmten Voraussetzungen69 auch den Entlastungsbeschluß gem. § 243 AktG

66 Semler, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 34 Rn. 28; Zöllner, Kölner-Komm. § 120 Rn. 47 ff; a. A. Baumbach / Hueck § 120 Rn. 11 67 Gollnick, S. 165 68 Semler, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 34 Rn. 26 69 vgl. D IV

V. Individualklagen

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anfechten können. Die Entlastung entfaltet aber keine unmittelbaren Rechtswirkungen, sondern lediglich faktische Wirkungen.70 Als weitere Rechtsschutzmöglichkeit der Aktionäre könnte diesen ein Klagerecht eingeräumt werden.71 Dies setzt voraus, daß eine Aktionärsklage zulässig ist. 1. Zulässigkeit der Aktionärsklage Nachdem die Einzelklagebefugnis bereits Gegenstand einiger älterer Gerichtsentscheidungen war 72, gab Knobbe-Keuk den Anstoß zur erneuten Diskussion über die Aktionärsklage.73 Unter Berufung auf § 89 der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts räumt sie dem einzelnen Aktionär aufgrund seines Anspruchs auf eine gesetzes- und satzungsgemäße Betätigung der Gesellschaft ein Klagerecht auch über den Bereich hinaus ein, in dem die Hauptversammlung als Organ der Gesellschaft fungiert. Denn wem das Gesetz ein materielles Recht gebe, dem müsse es auch die Mittel zu seiner Ausübung in die Hand geben.74 Das Individualklagerecht des Aktionärs wurde im Anschluß an die Überlegungen Knobbe-Keuks kontrovers diskutiert.75 Heftig umstritten ist insbesondere, ob es ein eigenes Mitgliedsrecht der Aktionäre als deren im Anteilseigentum verkörpertes subjektives Vermögensrecht gibt, wie der BGH 76 es in seiner Holzmüllerentscheidung angenommen hat77, oder ob die Mitgliedschaft als Ganzes nicht als subjektives Recht, sondern lediglich als Bündelung von Rechten, das heißt als die Gesamtheit der den Aktionären zustehenden Rechte, definiert werden muß.78 Eine Auseinandersetzung mit diesem grundlegenden Meinungsstreit würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen.79 Es ist lediglich zu klären, in welches Recht der Aktionäre durch ein Verhalten der

70

Gollnick, S. 165 m. w. N.; Semler, Münch. Handbuch, Bd. 4, § 34 Rn. 26 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (346 f); Kohl, S. 251 72 RG JW 27, 1677 ff; ROHGE 23, 273 ff 73 Knobbe-Keuk, FS Beierstedt, S. 239 (246 ff) 74 Knobbe-Keuk, FS Beierstedt, S. 239 (246 f) 75 vgl.: Brondics, S. 79 ff; Pflughardt, S. 35 ff; Schulz-Gardyan, S. 43 ff; Zöllner ZGR 88,392 (414 ff); Rehbinder ZGR 83, 92 (103 ff); Raiser ZHR 153 (1989), 1 (9 ff); Großfeld / Brondics JZ 82, 589 (590 f); Timm AG 80, 172 (185 ff); Martens ZHR 147 (1983), 377 (400 ff) 76 BGHZ 83, 122 (131) 77 Grundsätzlich bejahend mit unterschiedlicher Begründung: K. Schmidt § 21 V 1, S. 481, § 21 V 3, S. 484; Brondics, S. 93; Zöllner ZGR 88, 392 (425 ff); Hommelhoff, S. 459 ff ablehnend: Martens ZHR 147 (1983), 377 (404ff); Heinsius ZGR 84,383 (388ff); Semler BB 1566 (1570 ff) 78 Schulz-Gardyan, S. 66 f, generell zur Definiton des subjektiven Rechts, S. 57 ff 79 vgl. die Darstellung bei Schulz-Gardyan, S. 50 ff; Brondics, S. 79 ff 71

164

D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

Verwaltung bei der Rücklagenbildung im Konzern eingegriffen werden kann, und ob dieses Recht eine mit der Aktionärsklage zu schützende Rechtsposition begründet. Die in § 58 II AktG getroffene Regelung einer hälftigen Kompetenzzuweisung zwischen Verwaltung und Hauptversammlung wurde als materielles Finanzierungsmitentscheidungsrecht der Aktionäre und nicht lediglich als formale Aufteilung der Organkompetenz qualifiziert. Den Aktionären, die ihren Willen durch den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung zum Ausdruck bringen, steht eine eigene Gewinnverwendungskompetenz zu, die durch eine von der Verwaltung veranlaßte Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften nicht ausgehöhlt werden darf. 80 Diese Finanzierungsmitentscheidungsbefugnis ist Ausdruck eines dem Aktienrecht innewohnenden Aktionärsschutzes und stellt deshalb ein subjektives Recht der Aktionäre dar.81 Die Aktionäre haben demnach nicht nur einen Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses, sondern einen materiellrechtlichen Anspruch auf die Entscheidung über die Ergebnisverwendung.82 Gleichzeitig stellt die Beinträchtigung der Gewinnverwendungskompetenz einen Eingriff in die Dividendenansprüche der Aktionäre gem. § 58 IV AktG dar 83, gegen den sich der einzelne Aktionär auch nach der Ansicht, die eine Ableitung subjektiver Rechte allein aus der Mitgliedschaft ablehnt, mit einer Aktionärsklage zur Wehr setzen kann.84 Die Zulässigkeit einer Individualklage wird, soweit ersichtlich, nur von Häsemeyer grundsätzlich abgelehnt, der lediglich ein Kompetenzschutzinteresse der Gesellschaft bejaht, zu dessen Durchsetzung nur den jeweiligen Funktionsträgern die Prozeßführungsbefugnis zustehe. Er verneint aber jedes materiell subjektive Recht.85 Nach Häsemeyers Lösung besteht somit kein materielles Recht, das als fremdes Recht durch die Organe der Gesellschaft geltend gemacht werden kann. Deshalb liegen auch die Voraussetzungen der Prozeßstandschaft nicht vor, bei der ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht wird. 86 Der Rückgriff auf ein nicht näher definiertes Gesellschaftsinteresse stellt aber keinen Ersatz für die schützenswerten Interessen der Aktionäre dar.87 Die Zuläs-

80

vgl. Β II 2 d Lutter FS Goerdeler, S. 327 (337, 347); Gollnick, S. 24 82 Zöllner ZGR 88, 392 (417) 83 Lutter FS Goerdeler, S. 327 (347); ähnlich Zöllner ZGR 88, 392 (418), der von einem "mitgliedschaftlichen Anspruch auf Ausschüttung" spricht 84 Schulz-Gardyan, S. 118 f 85 Häsemeyer ZHR 144 (1980), 265 (268 ff,282 ff) 86 Zöller, Vollkommer Vor. § 50 Rn. 42 87 Pflugradt, S. 30; Kohl, S. 250 FN 189; Schulz-Gardyan, S. 66; vgl. A V 3d,e 81

V. Individualklagen

165

sigkeit einer Individualklage ist deshalb, entgegen Häsemeyers Auffassung, grundsätzlich zu bejahen. Zu klären bleibt, gegen wen sich die Klage richtet und aus wessen Recht sie erhoben wird. Teilweise wird das Organ als passivlegitimiert angesehen, da der Klagegrund im kompetenzüberschreitenden Verhalten der Organmitglieder liege und eine treuhänderische Beziehung nicht nur zwischen Organ und Gesellschaft, sondern aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch zwischen dem Organ und den Aktionären bestehe.88 Die Gegenansicht hält die Gesellschaft für passivlegitimiert.89 Der zuletzt genannten Meinung ist zuzustimmen, da die Organstellung des Vorstandes bewirkt, daß sein Handeln als eigenes Handeln der Gesellschaft anzusehen ist. Wenn der Vorstand aufgrund seiner Vertretungsbefugnisse pflichtwidrig tätig wird und dadurch Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre verletzt, muß die Gesellschaft zugunsten ihrer Aktionäre, die in keiner direkten Rechtsbeziehung zu dem in ihre Rechte eingreifenden Organ stehen, Abhilfe schaffen. 90 Umstritten ist außerdem, ob der einzelne Aktionär aktivlegitimiert ist91, oder ob die Klage auf eine verbandsrechtliche, dem Aktionär ersatzweise aus dem Recht der Gesellschaft zuwachsenden Klagebefugnis, gestützt werden muß, so daß die Klage als actio pro socio erhoben wird. 92 Bewirkt der Vorstand pflichtwidrig die Verkürzung von materiellen Mitspracherechten, muß den Aktionären, sofern sie nicht rechtlos gestellt werden sollen, ein Klagerecht jedenfalls in den Fällen eingeräumt werden, in denen geeignete aktienrechtliche Rechtsbehelfe nicht zur Verfügung stehen oder nur auf Umwegen ans Ziel führen. In diesen Fällen wird den Aktionären nicht entgegen der Wertung des § 76 AktG der Eingriff in eine einfache Geschäftsführungsangelegenheit ermöglicht93, sondern es wird verhindert, daß durch die Verkürzung der Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung in die subjektiven Rechte der Aktionäre eingegriffen wird. 94 Die Aktionäre nehmen deshalb eigene Rechte und nicht nur formelle Organkompetenzen wahr, so daß sie aus eigenem Recht klagen

88

Raiser ZHR 153 (1989), 1 (12 f); OLG Hamburg JZ 81, 231 (232) BGHZ 83, 122 (134); Zöllner ZGR 88, 392 (432); Großfeld JZ 81, 234 (235 f); Rehbinder ZGR 83, 92 (106); Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, S. 239 (252) 90 BGHZ 83, 122 (134); Großfeld JZ 81, 234 (236); Zöllner ZGR 88, 392 (432) 91 BGHZ 83, 122 (135); Brondics, S. 79 ff; K. Schmidt § 21 V 1, S. 481; Zöllner ZGR 88, 392 (431 f); Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, S. 239 (252 f) 92 Lutter AcP 180 (1980), 84 (142); Timm AG 80, 172 (185); noch anders Schulz-Gardyan, für den die Frage der Prozeßstandschaft für die auf ein Organverhalten gerichteten Ansprüche identisch mit der Frage nach den eigenen Ansprüchen der Aktionäre ist, S. 102, 96 ff 93 so aber Schulz-Gardayn, S. 94 94 BGHZ 83, 122 (134 f); Großfeld JZ 81, 234 (235); Martens ZHR 147 (1983), 377 (401); Großfeld / Brondics JZ 82, 589 (590); Rehbinder ZGR 83, 92 (104); Brondics, S. 79 ff 89

166

D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

können.95 Der rechtsfortbildenden actio pro socio mit den sich daraus ergebenden schwierigen Abgrenzungsproblemen bedarf es nicht. Ein eigenes Klagerecht steht den Aktionären allerdings nur gegenüber der Gesellschaft zu, sofern ein Eingriff in die Mitgliedschaft vorliegt 96, was bei einer Umgehung des § 58 II AktG durch die Verwaltung, wie soeben ausgeführt, der Fall ist. 2. Klageart Zu fragen bleibt, mit welcher Klage die Aktionäre ihre Rechte bei einer Beeinträchtigung ihres Gewinnverwendungsrechtes durchsetzen können. Der BGH97 hat bei einem Eingriff in die Mitgliedschaft eine Unterlassungsklage, die auch auf Wiederherstellung gerichtet sein kann, anerkannt. Der Eingriff in die Mitgliedschaft ist im Hinblick auf die Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung evident98, weil durch die überhöhte Rücklagenbildung dem einzelnen Aktionär die ihm zustehende Entscheidung über die Verwendung der Erträge seiner Gesellschaft entzogen wird und sein Dividendenanspruch gem. § 58 IV AktG dadurch beeinflußt wird. 99 Sofern der Jahresabschluß durch die Verwaltung noch nicht gem. § 172 AktG festgestellt wurde, können die Aktionäre eine vorbeugende Unterlassungsklage erheben. Zu diesem Zeitpunkt muß bereits erkennbar sein, daß die Verwaltung die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen nicht berücksichtigen wird. 100 Fraglich ist, ob die Aktionäre nach Feststellung des Jahresabschlusses eine Unterlassungsklage auf Neufeststellung des Jahresabschlusses erheben können. Der BGH 101 bejaht zur Durchsetzung eines wirksamen Rechtsschutzes grundsätzlich eine Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wie er ohne die Verletzung des Mitgliedschaftsrechts bestanden hätte. Dagegen spricht hier, daß der Gesetzgeber die Rechtswirksamkeit festgestellter Jahresabschlüsse aus Gründen der Rechtssicherheit weitgehend erhalten wollte.102 Dieser Zielvorstel-

95 96 97 98 99 100 101 102

Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (346 FN 54) Zöllner ZGR 88, 392 (430 f); Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, S. 239 (253) BGHZ 83, 122 (134 f) vgl. Β II 2d Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (347) vgl. Kohl, S. 251 BGHZ 83, 122 (134) vgl. D I

V. Individualklagen

167

lung würde eine nachträgliche Unterlassungsklage widersprechen. 103 Dem Willen des Gesetzgebers sollte auch bei den Sanktionen aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens der Verwaltung Rechnung getragen werden.104 Nur soweit der Schutz der Aktionäre dies unbedingt erfordert, ist eine Unwirksamkeit des festgestellten Jahresüberschusses notwendig. Das materielle Entscheidungsrecht der Aktionäre wird aber auch dann aufrechterhalten, wenn die Verwaltung aufgrund der Unterlassungsklage verpflichtet ist, im nächsten Geschäftsjahr die unzulässig gebildeten Rücklagen aufzulösen und der Hauptversammlung zur alleinigen Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Denn das Entscheidungsrecht wird dann nicht durch den Erfolg dieses Geschäftsjahres beeinflußt. 105 Eine nachträgliche Unterlassungsklage auf Neufeststellung des Jahresabschlusses ist deshalb nicht notwendig. Außer der Unterlassungsklage läßt der BGH 106 in den Fällen, in denen das Mitspracherecht der Hauptversammmlung verletzt ist, auch eine vorbeugende Feststellungsklage zu. Denn dem Aktionär könne nicht zugemutet werden, abzuwarten bis sich ein konkreter Schaden eingestellt habe. Diese Ansicht erscheint auf den ersten Blick fehlerhaft, weil eine zulässige Unterlassungsklage als Leistungsklage grundsätzlich aus Gründen der Prozeßökonomie zu einer Verneinung des Feststellungsinteresses führt. 107 Bei einem Feststellungsurteil, durch das die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Verwaltung ausgesprochen wurde, kann jedoch angenommen werden, daß sich die Gesellschaft nach der gerichtlichen Klärung der Rechtslage zukünftig rechtmäßig verhalten wird. 108 Durch die vorbeugende Feststellungsklage können die Aktionäre sogar effektiver gegen das pflichtwidrige Verhalten der Verwaltung im Bereich der Gewinnverwendung vorgehen, da diese Klage unmittelbar auf die abstrakte Klärung streitiger Rechtsfragen ausgerichtet ist.109 Bei einer pflichtwidrigen Aushöhlung der Thesaurierungskompetenzen der Hauptversammlung kann jeder Aktionär somit wahlweise eine vorbeugende Unterlassungs- oder Feststellungsklage gegen die Gesellschaft erheben.

103

zutreffend Kohl, S. 251 Kohl, S. 251 105 Kohl, S. 251 106 BGHZ 83, 122 (127) 107 Zöller, Stephan § 256 Rn. 7; Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (347) 108 Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (347); Hirte, S. 207 109 Rehbinder ZGR 83, 92 (107); Martens ZHR 147 (1983), 377 (401); Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (347) 104

168

D. Sanktionen bei einer Überschreitung der Rücklagenkompetenz

V I . Zwischenergebnis Die Frage, wie ein Verstoß der Verwaltung gegen die in den vorherigen Kapiteln entwickelte Anwendungsregel des § 58 II AktG im Konzern zu sanktionieren ist, wird aufgrund der Komplexität der Konzernsachverhalte und den unterschiedlichen Ausgangspunkten bei der Entwicklung der Anwendungsregel uneinheitlich beantwortet. Innerhalb der zu den Anwendungsregeln im Konzern vertretenen Meinungen nehmen diejenigen, die die Rücklagen in den Tochtergesellschaften direkt auf die Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft anrechnen wollen, überwiegend die Nichtigkeit des Jahresabschlusses gem. § 256 I Nr. 4 AktG an. Diese Auffassung ist abzulehnen, weil der Gesetzgeber den Bestand eines einmal festgestellten Jahresabschlusses nach Möglichkeit aufrechterhalten wollte und die Nichtigkeit deshalb nur bei klaren und eindeutigen Rechtsverstößen eintreten sollte. Bei der Anordnung der Nichtigkeit in § 256 I Nr. 4 AktG ging er von der Einzelgesellschaft aus, ohne die weitaus komplexeren Konzernsachverhalte zu berücksichtigen. Letztere sind aufgrund der komplizierten Berechnungen, bilanziellen Schwierigkeiten und zeitlichen Verwerfungen mit der einfachen und klaren Rechtslage bei der Rücklagenbildung in der Einzelgesellschaft nicht vergleichbar. Die Nichtigkeit gem. § 256 I Nr. 4 AktG würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen und ist deshalb mit der gesetzgeberischen Wertung unvereinbar. Auch eine Anfechtung des Gewinnermittlungsbeschlusses der Verwaltung analog § 254 AktG stellt keine interessengerechte Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens der Verwaltung dar. Die Vorschrift betrifft nur Gewinnverwendungsbeschlüsse der Hauptversammlung gem. § 58 III AktG und soll die Minderheitsaktionäre vor einem „Aushungern" durch die Großaktionäre schützen. Die Problematik der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern betrifft dagegen die Gewinnermittlung und beruht auf der Abgrenzung der Organkompetenzen. Eine Anfechtung analog § 257 AktG ist systematisch gesehen keine angemessene Sanktion, da die Norm nur bei verfahrensfehlerhaften Beschlüssen und nicht bei inhaltlichen Mängeln anwendbar ist. Aufgrund der schwachen Einwirkungsmöglichkeit bei einer Pflichtverletzung der Verwaltung im Bereich der Rücklagenbildung wird teilweise eine analoge Anwendung der Regeln über die Sonderprüfung gem. §§ 258 ff AktG vertreten. Sowohl durch die Bildung stiller Reserven als auch durch eine überhöhte Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften würden den Aktionären Teile des Jahresüberschusses vorenthalten, so daß sich eine Analogie angesichts der Parallelität der Sachverhalte anbiete. Die Anwendung der §§ 258 ff AktG auf die Fälle der pflichtwidrigen Rücklagenbildung durch die Verwaltung ist jedoch

VI. Zwischenergebnis

169

mit dem Sinn und Zweck des Rechtsbehelfs der Sonderprüfung nicht vereinbar. Denn Gegenstand der Sonderprüfung können nur Bilanzierungsfehler sein, die einen Verstoß gegen gesetzliche Bilanzierungsvorschriften bilden. Eine Sonderprüfung ist nicht möglich, wenn die Verwaltung bei der Ausübung ihrer Bilanzierungswahlrechte pflichtwidrige Entscheidungen trifft. Die überhöhte Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften stellt aber nach der hier vertretenen Lösung lediglich eine Pflichtverletzung der Verwaltung dar. Die Verwaltung kann mit anderen Worten die Rücklage bilden, sie darf es aber nicht. In den Fällen der Sonderprüfung kann die Verwaltung dagegen die Bilanzierung aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften nicht so durchführen wie sie es getan hat. Bei einer pflichtwidrigen Rücklagenbildung können die Aktionäre, wenn die Verwaltung erklärt, sie habe die Thesaurierungen in den Tochtergesellschaften bei der Rücklagenbildung in der Obergesellschaft nicht berücksichtigt und werde dies auch in Zukunft nicht tun, den Entlastungsbeschluß gem. § 243 AktG anfechten. Das Gegenargument, die Entlastung habe keinerlei Rechtswirkungen und könne auch bei einem pflichtwidrigen Verhalten der Verwaltung erteilt werden, führt nicht zu einer Ablehnung des Anfechtungsrechts. Der Beschluß gem. § 120 I AktG, durch den die Entlastung erteilt wird, kann wie jeder andere Hauptversammmlungsbeschluß aus formellen und materiellen Gründen angefochten werden. Obwohl die Entlastung keine unmittelbaren Rechtswirkungen hat, kommt der Verweigerung doch eine erhebliche praktische Bedeutung durch die Beachtung in der interessierten Öffentlichkeit zu. Den Aktionären muß deshalb die Möglichkeit gegeben werden, durch die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses der Verwaltung gegenüber ihre Mißbilligung auszusprechen. Die praktische Relevanz dieses Rechtsbehelfs ist allerdings eher gering einzuschätzen, da sich die Verwaltung in den seltensten Fällen ausdrücklich zu ihrem pflichtwidrigen Verhalten bekennen wird. Schließlich wurde als wirksamer Rechtsbehelf eine Individualklage der Aktionäre bejaht. In Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Lehre kann die Klage von dem einzelnen Aktionär aus eigenem Recht gegen die Gesellschaft erhoben werden. Die Aktionäre können wahlweise eine Unterlassungs- oder eine Feststellungsklage erheben. Die Feststellungsklage ist ausnahmsweise nicht subsidiär gegenüber der Unterlassungsklage als Leistungsklage, weil davon auszugehen ist, daß sich die Gesellschaft nach gerichtlicher Klärung der Rechtslage auch rechtmäßig verhalten wird. Eine Unterlassungsklage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung ist abzulehnen, da dies der gesetzgeberischen Intention, die Rechtswirksamkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten, zuwiderlaufen würde.

E. Beteiligung von Gesellschaften in anderer Rechtsform als der Aktiengesellschaft In den bisherigen Überlegungen wurde nur die Rücklagenbildung in Konzernen untersucht, an denen eine Aktiengesellschaft als Obergesellschaft und Untergesellschaft beteiligt ist. Dieser Ansatz ergibt sich daraus, daß nur bei der Aktiengesellschaft in § 58 AktG eine gesetzliche ZuständigkeitsVerteilung zwischen Hauptversammlung und Verwaltung für die Gewinnverwendung vorhanden ist1 und die hier behandelte Rücklagenproblematik im Konzern auf der Gefahr einer Aushöhlung der sich aus § 58 II AktG ergebenden Hauptversammlungskompetenz beruht.2 I. Tochtergesellschaften in anderer Rechtsform Es wurde bereits daraufhingewiesen 3, daß die Konzernleitung bei einer GmbH und einer Personengesellschaft als Tochtergesellschaft in noch größerem Umfang Rücklagen bilden kann als bei einer Tochtergesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft. Durch § 29 II n. F. GmbHG4 werden die Gesellschafter zu der Entscheidung ermächtigt, ob und inwieweit das Jahresergebnis ausgeschüttet oder einbehalten werden soll.5 Da in der GmbH als Untergesellschaft der Vorstand der Muttergesellschaft deren Stimmrecht in der GmbH ausübt, kann er dort ohne die Beschränkung des § 58 II AktG Rücklagen bilden.6 Auch in einer Personengesellschaft als Tochtergesellschaft können durch die Konzernleitung im weiteren Umfang Rücklagen gebildet werden als bei der Aktiengesellschaft, sofern sich das Stimmrecht entgegen der gesetzlichen Regelung der §§ 709 I BGB, 119 1 HGB nach der Höhe der Kapitalanteile richtet.7 In der Personengesellschaft ist die Rücklagenbildung zwar weder verboten noch 1 2 3 4 5 6 7

Gollnick, S. 44; Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 26 vgl. A II A II zur Regelung in Altgesellschaften Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 55 ff; vgl. auch A II Meyer-Landrut § 29 Rn. 9; Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 1 vgl. Gollnick, S. 49 Emmerich, FS Stimpel, S. 743 (744 f); Baumgartl, S. 26; Schießl, S. 27,40

I. Tochtergesellschaften in anderer Rechtsform

171

geboten,8 sie kann aber im Gesellschaftsvertrag zugelassen oder vorgeschrieben werden.9 Sofern eine Rücklagenbildung aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, dürfen nach der Rechtsprechung10 die kaufmännisch notwendigen Rücklagen aufgrund des Mehrheitsbeschlusses gebildet werden. Bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung kann die Konzernleitung deshalb auch in der Personengesellschaft weitgehend autonom Rücklagen bilden.11 Es bleibt zu fragen, ob die in der GmbH oder Personengesellschaft gebildeten Rücklagen bei der Berechnung der Thesaurierungskompetenz berücksichtigt werden müssen. Die Anwendung des § 58 II AktG im Konzern wurde damit begründet, daß die Verwaltung das materielle Mitspracherecht der Hauptversammlung der Obergesellschaft nicht durch eine verstärkte Rücklagenbildung in beherrschten Gesellschaften aushöhlen darf. 12 Wenn die Verwaltung der Obergesellschaft eine einheitliche Leitung ausübt und über die Rücklagenbildung in den Untergesellschaften entscheiden kann, spielt es für die Bestimmung der Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft mit Hilfe der teleologischen Reduktion des § 58 II AktG 13 keine Rolle, welche Rechtsform die Tochtergesellschaft hat.14 Bei einer Tochtergesellschaft in der Rechtsform der Personengesellschaft eröffnen sich für die Konzernleitung aufgrund der Zulässigkeit der Bildung stiller Reserven weitere Möglichkeiten, den Gewinn zu beeinflußen. 15 Gemäß § 253 IV HGB sind Abschreibungen über die Regeln der Absätze 2 und 3 hinaus im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zulässig. Die Bildung stiller Reserven ist für Einzelkaufleute und Personengesellschaften nach heutiger Rechtslage nur noch über § 253 IV HGB möglich, andere Möglichkeiten der freien Unterbewertung bestehen nicht mehr. Für Kapitalgesellschaften ist die Bildung stiller Reserven gem. § 279 I 1 HGB, der eine Anwendung des § 253 IV HGB ausschließt, nicht mehr möglich.16 Die Konzerleitung kann bei der Aufstellung des Jahresabschlusses der beherrschten Personengesellschaft demnach durch erhöhte Abschreibungen gem. § 253 IV HGB im Rahmen ihres Bewertungsspielraums stille Reserven bilden. Die Bildung stiller Reserven stellt 8 9 10 11 12 13 14 15 16

H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657 (658); Baumbach / Duden / Hopt § 121 Anm. 4 A Baumbach / Duden / Hopt § 121 Anm. 4 Β; H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657 (663) BGH BB 76, 948 (949); zustimmend Ulmer BB 76, 950 (951) vgl. Gollnick, S. 54; Schneider, FS Bärmann, S. 873 (887 f) Β II 2d Β II 2d Lutter, FS Goerdeler, S. 327 (332); Götz AG 84, 85 (93); Kohl, S. 222 Gollnick, S. 55 Baumbach / Duden / Hopt § 253 Anm. 5 C; § 279 Anm. 1 A

172

.

esellschaften in anderer Rechtsform

zwar eine Maßnahme der Gewinnermittlung dar, hat aber auf den Jahresabschluß der Obergesellschaft die gleichen Auswirkungen wie die Rücklagenbildung.17 Die in den beherrschten Personengesellschaften über § 253 IV HGB gebildeten stillen Reserven sind deshalb bei der Ermittlung der Thesaurierungskompetenz in der Obergesellschaft neben den Gewinnrücklagen zu berücksichtigen. I I . Obergesellschaft in anderer Rechtsform Obergesellschaft eines Konzerns kann auch eine GmbH oder Personengesellschaft sein.18 Eine § 58 AktG vergleichbare Regelung besteht für diese Rechtsformen allerdings nicht,19 so daß sich die Frage nach der Gewinnverwendungskompetenz dort anders stellt als bei der Rücklagenbildung im Aktienkonzern.20 Die Probleme bei einem GmbH- oder Personengesellschaftskonzern werden nachfolgend kurz aufgezeigt, um den Unterschied zum Aktienkonzern zu verdeutlichen. 1. Personengesellschaft Die Personengesellschaft ist als herrschendes Unternehmen eine vertraute Erscheinung der Konzernpraxis. Verhältnismäßig neu ist jedoch die Erkenntnis, daß die Konzernierung auch im herrschenden Unternehmen zu weitgehenden Eingriffen in die Zuständigkeits- und Vermögensordnung der Gesellschaft führt. 21 In der Personenhandelsgesellschaft ist jeder einzelne Gesellschafter zur Rücklagenbildung befugt. 22 Die Rücklagenbildung ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, die Bildung der für die „Lebens- und Widerstandsfähigkeit" der Gesellschaft erforderlichen Rücklagen entspricht aber den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. 23 Die Thesaurierungskompetenz des einzelnen Gesellschafters ergibt sich daraus, daß der auf ihn entfallende Kapitalanteil gem. § 120 II HGB seinem Kapitalkonto gutgeschrieben wird und er gem. § 122 I HGB berechtigt, aber nicht verpflichtet

17 18 19 20 21 22 23

Gollnick, S. 55; A V 2b Emmerich / Sonnenschein § 4 VI 4, S. 100 f Gollnick, S. 44 Goerdeler WPg 86, 229 (229); Kohl, S. 19 Emmerich, FS Stimpel, S. 743 (756) Kohl, S. 223 Baumbach / Duden / Hopt § 121 Anm. 4 A m. w. Ν

I.

ergesellschaft in anderer Rechtsform

173

ist, seinen Gewinnanteil zu entnehmen, sofern dies nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht.24 Bei einer Personenhandelsgesellschaft als Konzernobergesellschaft kann das Entnahmerecht des nichtgeschäftsführungsberechtigten Gesellschafters durch die Bildung von Rücklagen in den Untergesellschaften ausgehöhlt werden. Denn am Schluß des Geschäftsjahres könnte nicht, wie die §§ 120, 122 HGB dies vorschreiben, der gesamte Gewinn des Jahres ermittelt und auf die Gesellschafter verteilt werden.25 Das Problem ähnelt der Rechtslage, die durch § 58 II AktG geregelt wird, 26 liegt aber auf einer anderen Ebene, da es sich nicht um die Erhaltung von gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organkompetenzen, sondern um einen Mehrheits- Minderheitenkonflikt handelt. Hinzukommt, daß die Entnahmerechte der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag abweichend von den §§120 ff HGB geregelt werden können.27 Ob die Thesaurierungskompetenz durch ein Zustimmungserfordernis aller Gesellschafter der Obergesellschafter gelöst werden kann28, muß in der vorliegenden Arbeit offen bleiben, da diese Frage nicht die Absicherung der Hauptversammlungskompetenzen betrifft. 29 Die hier für den Aktienkonzern erarbeitete Lösung ist jedenfalls nicht ohne weiteres auf den Personengesellschaftskonzern anwendbar. 2. GmbH Bei einer GmbH als Konzernobergesellschaft richtet sich die Ergebnisverwendung nach § 29 GmbHG. Zuständig für diesen Beschluß sind gem. §§29 II, 46 Nr. 1 GmbHG die Gesellschafter. Demnach entscheidet die Gesellschaftermehrheit nach unternehmerischem Ermessen darüber, ob und in welchem Umfang das Jahresergebnis einbehalten werden soll. Auch ohne eine Konzernverflechtung können daher die Mehrheitsgesellschafter den Minderheitsgesellschaftern nur eine geringe oder gar keine Ausschüttung gewähren. Durch die Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften kann dieser Effekt noch gesteigert werden.30 Systematisch handelt es sich, wie bei dem Personengesellschaftskonzern, um einen Minderheits- Mehrheitskonflikt und nicht um den hier

24 25 26 27 28 29 30

vgl. Baumbach / Duden / Hopt § 120 Anm. 3 D; Kohl, S. 223 f Schneider, FS Bärmann, S. 873 (888) Schneider, FS Bärmann, S. 873 (888) Baumbach / Duden / Hopt § 120 Anm. 2 B; Goerdeler WPg 86, 229 (229) so Schneider, FS Bärmann, S. 873 (888) vgl. Β II Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 23; Hachenburg, Goerdeler / W. Müller § 29, Rn. 71

.

esellschaften in anderer Rechtsform

behandelten Kompetenzkonflikt zwischen den Gesellschaftsorganen. 31 Eine Auseinandersetzung mit den zum Schutz des Gewinnbezugsrechts Minderheitsgesellschafter vertretenen Meinungen32 würde deshalb auch hier den Rahmen der vorliegenden Arbeit verlassen.

31

Hachenburg, Goerdeler / W. Müller § 29 Rn. 72; Kallmeyer GmbHR 92, 788 (789) Oberblick bei Lutter / Hommelhoff § 29 Rn. 24 ff; Hachenburg, Goerdeler / W. Müller § 29 Rn. 63 f m.w.N.; ausführlich zur Änderung des § 29 GmbHG und dem Erfordernis eines Minderheitsschutzes, Joost, FS 100 Jahre GmbHG, S. 289 ff 32

F. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen einer entsprechenden Anwendung des § 58 I I AktG im Konzern I. Vorbemerkung Von einigen Autoren wird die Ablehnung einer Anwendung des § 58 II AktG im Konzern mit der geringen Eigenkapitaldecke deutscher Unternehmen1 und der Gefährdung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit 2 begründet. Diese Argumente betreffen die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Rücklagenbildung im Konzern und sind daher rechtspolitischer Natur.3 Bei der Prüfung der Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Rechtsfortbildung des § 58 II AktG konnten diese Erwägungen nicht berücksichtigt werden, weil die aus dem Demokratieprinzip resultierende Grenze richterlicher Rechtsfortbildung erreicht ist, wenn die Entscheidung nicht mehr allein mit rechtlichen Erwägungen begründet wird, sondern an eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte politische Entscheidung anknüpft. 4 Es soll aber nicht verkannt werden, daß eine Anwendung des § 58 II AktG auf den Konzern — wie sie hier vertreten wird — andere Rechtsbereiche berühren und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben kann. Die sich aus der Diskussion um die konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG ergebenden Fragen können auch Anlaß für den Gesetzgeber sein, eine gesetzliche Regelung unter Berücksichtigung der rechtspolitischen Erwägungen zu schaffen. 5 Nachfolgend soll deshalb in einem kurzen Überblick dargestellt werden, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen die konzernrechtliche Anwendung des § 58 II AktG haben kann.

1 Thomas ZGR 85, 365 (366 f); Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (28); Goerdeler WPg 86, 229 (233); Beckmann DB 89, 940 (942) 2 Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (37) 3 ähnlich Kohl, S. 32 4 vgl. Larenz, S. 411, Wank ZGR 88, 314 (323) 5 Goerdeler WPg 86, 229 (232)

176

F. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Π . Wirtschaftliche Konsequenzen einer konzernrechtlich beschränkten Rücklagenbildung Die mangelhafte Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen und die Notwendigkeit einer Verbesserung dieser Situation gehörten in den vergangenen Jahren zu den meistdiskutiertesten wirtschaftlichen Themen der Bundesrepublik.6 Auch der 55. Deutsche Juristentag beschäftigte sich mit dem Thema und stellte fest, daß die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen seit langem rückläufig sei und eine Beschränkung der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten abzulehnen sei.7 In der Betriebswirtschaftslehre wird eine hohe Eigenkapitalausstattung und die daraus resultierenden Selbstfinanzierungsmöglichkeit als wichtig für den Bestand eines Unternehmens angesehen. Insbesondere in Inflationszeiten müsse das Realkapital der Unternehmen vor Auszehrungen geschützt werden, um zusätzliche Investitionen zu ermöglichen.8 Deshalb wird die rückläufige und im Vergleich zu ausländischen Unternehmen geringe Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen von den Gegnern einer entsprechenden Anwendung des § 58 II AktG im Konzern als entscheidendes Argument vorgebracht.9 Vor einer volkswirtschaftlichen Bewertung des Eigenkapitalarguments muß geklärt werden, ob die Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen tatsächlich rückläufig und verglichen mit ausländischen Unternehmen gering ist. Seit 1985 weisen die Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen eine steigende Tendenz auf. Bei 832 untersuchten Aktiengesellschaften wurde Ende 1987 eine Eigenkapitalquote von 35, 1% gegenüber einer Quote von 32, 5% Ende 1986 festgestellt. Für die im gleichen Zeitraum untersuchten GmbH's ergab sich sogar eine Steigerung von 25, 3% auf 33, 4%.10 Angesichts dieser Zahlen kann nicht von einer ständig rückläufigen Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen gesprochen werden. Bei einem Vergleich der Eigenkapitalausstattung deutscher und ausländischer Unternehmen muß berücksichtigt werden, daß die Höhe des ausgewiesenen Eigenkapitals durch die vielfältigen Einflüße des jeweiligen nationalen Gesellschafts- und Steuerrechts, der Struktur und Entwicklung der Kapitalmärkte und der Bilanzierungsgewohnheiten beeinflußt wird. Ein unmittelbarer Vergleich

6 7 8 9 10

Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (17) m. w. N. Beschlüsse des 55. Deutschen Juristentages DB 84, 2184 (2186) Pütz / Willgerodt, S. 87 f m. w. N. Beusch, FS Goerdeler, S. 25 (28); Thomas ZGR 85, 365 (366 f) Hansen AG-Report 88, R375 (R375), mit genauer Berechnung

II. Wirtschaftliche Konsequenzen

177

der Kennzahlen Eigenkapital / Grundkapital, wie er in der Literatur überwiegend vorgenommen wird, führt deshalb nicht zu aussagefähigen Ergebnissen.11 Perlitz, Küpper und Löbler haben auf der Grundlage der Jahresabschlüsse von 189 US-amerikanischen, 196 britischen und 140 deutschen repräsentativen Unternehmen aus den Jahren 1979 und 1980 einen Vergleich der Eigenkapitalquoten durchgeführt. 12 Zu diesem Zweck haben sie die Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede der wichtigsten Aktiv- und Passivposten mit Hilfe von komplizierten Umrechnungsformeln ausgeglichen.13 Die auf diese Weise korrigierten Eigenkapitalquoten ergaben unter Berücksichtigung der Pensionsrückstellungen für das Jahr 1979 in Deutschland durchschnittlich 31, 8%, in Großbritanien 31, 3% und in den USA 42, 6%. Für 1980 ergaben sich in Deutschland 31, 1%, in Großbritanien 32, 2% und in den USA 42, 3%.14 Aufgrund dieser Ergebnisse kann nicht von einer besseren Eigenkapitalquote der britischen Unternehmen im Vergleich zu deutschen Unternehmen ausgegangen werden. Auch der beträchtliche Unterschied in der ausgewiesenen Eigenkapitalquote zwischen deutschen und amerikanischen Unternehmen von 20, 5% im Jahr 1980 reduziert sich bei der Korrektur auf 11, 2%.15 Der verbleibende Unterschied erklärt sich vor allem daraus, daß die deutsche Bilanzierungspraxis im Unterschied zur amerikanischen sehr stark durch das Vorsichtsprinzip geprägt ist und der langfristigen finanziellen Absicherung durchweg Vorrang vor einem kurzfristigen Erfolgsausweis eingeräumt wird. Hinzukommt, daß es im amerikanischen Bilanzrecht die in § 5 I EStG normierte Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nicht gibt und der amerikanische Steuersatz geringer ist als der deutsche Steuersatz.16 Bei Berücksichtigung dieser Besonderheiten dürfte sich eine Angleichung der Eigenkapitalquoten auf 2-3% ergeben.17 Die Behauptung, die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen sei im internationalen Vergleich gering, hält somit einer empirischen Untersuchung nicht stand. Selbst wenn man die Eigenkapitalausstattung aus gesamtwirtschaftlichen Gründen für verbesserungswürdig hält, können diese Interessen nicht einen Eingriff in die materiellen Mitwirkungsrechte der Aktionäre, der gleichzeitig eine Einschränkung ihres Eigentumsrecht darstellen würde,18 rechtfertigen. Die 11 12 13 14 15 16 17 18

Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (19) Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (21 ff) zu den Einzelheiten der Umrechnung Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (36 ff) Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (48) Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (48) Hansen AG-Report 88, R375 (R377); Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (48 f) Perlitz / Küpper / Löbler ZGR 85, 16 (49) vgl. Β II 2d

12 Frodermann

178

F. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Ausweitung der Eigenkapitalbildung muß deshalb auf anderen Wegen angestrebt werden als durch die Begünstigung der Gewinnthesaurierung.19 Außerdem hat eine Begünstigung der Gewinnthesaurierung gesamtwirtschaftlich gesehen den Nachteil, daß dadurch die Lenkungsfunktion des Kapitalmarktes eingeschränkt wird. 20 Denn die mit der Gewinnthesaurierung verbundene Selbstfinanzierung läßt firmeninterne Kapitalmärkte entstehen. Das Kapital wird, sofern die Thesaurierungsmöglichkeiten intensiv ausgenutzt werden, zu einem großen Teil nicht durch die Anlageentscheidung der Anteilseigner am öffentlichen Kapitalmarkt, sondern aufgrund Unternehmens- oder konzerninterner Entscheidungen seiner Verwendung zugeführt. Die volkswirtschaftlich erwünschte Allokations- und Reallokationsfunktion des Kapitalmarktes wird dadurch behindert und die Marktzutrittschancen für neue Unternehmen, die noch der vollen Kontrolle des Kapitalmarktes unterliegen, erhöhen sich.21 Die Substitution des öffentlichen Kapitalmarkts durch die firmeninternen Kapitalmärkte führt gleichzeitig zu einer stärkeren Unternehmenskonzentration.22 Durch die verstärkte Gewinnthesaurierung wird mehr Kapital angesammelt als zur Deckung der Finanzierungsbedürfnisse für die weitere Unternehmensentwicklung notwendig wäre. Dieses Kapital drängt zur Wiederanlage.23 Die Wiederanlageentscheidung trifft die Verwaltung, die mit Hilfe der Selbstfinanzierung neue Unternehmensbereiche erschließt und dadurch ihre eigene Machtposition ausdehnt.24 In großen deutschen Publikumsgesellschaften hat diese Entwicklung bereits dazu geführt, daß die Verwaltung von keinem Außenstehenden, insbesondere nicht von der großen Zahl der Kleinaktionäre, kontrolliert wird. 25 In der amerikanischen Wirtschaft wird in diesem Zusammenhang seit längerem ein regelrechtes „take-over-Fieber" beobachtet, das bereits auf Europa übergegriffen hat. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei das Übernahmeangebot und seine Abwehr. 26 Die von den Aktionären nicht kontrollierten Selbstfinanzierungsmöglichkeiten bilden die Grundlage für die Unternehmensexpansion.27 Finanziert werden die Unternehmensübernahmen durch die sogenannten

19 20

Tz. 807 21 22 23 24 25 26 27

Pütz / Willgerodt, S. 92 ausführlich WagnerZGR88,210(212ff);Pütz / Willgerodt, S. 92 ff; Monopolkommission, Monopolkommission, Tz. 807; Pütz / Willgerodt, S. 93; Kohl, S. 262 Pütz / Willgerodt, S. 94; Monopolkommission, Tz. 806; Kohl, S. 263 Monopolkommission, Tz. 806; Pütz / Willgerodt, S. 94 Kohl, S. 264; Pütz / Willgerodt, S. 94 Adams AG 89, 333 (334) Lutter / Wahlers AG 89, 1 (1) Kohl, S. 262

II. Wirtschaftliche Konsequenzen

179

„leverage-buyouts" oder „management-buyouts". Unter einem „leverage-buyout" versteht man den Erwerb eines Unternehmens, zu dessen Finanzierung in erster Linie Fremdkapital eingesetzt wird. Als Sicherheit für das Fremdkapital werden die Vermögensgegenstände des erworbenen Unternehmens eingesetzt.28 Die englische Bezeichnung „leverage" bedeutet Hebelwirkung und besagt, daß die Fremdfinanzierung über erhöhte steuerliche Abschreibungs- und Absetzungsmöglichkeiten und eine Buchwerterhöhung zu einer Gewinnsteigerung führt, die zur Tilgung eingesetzt werden kann. Die Hebelwirkung besteht in der Nutzung der Liquidität des Zielunternehmens zur Finanzierung der Unternehmensübernahme.29 Bei der Übernahmeform des „management-buyouts" übernimmt das bisherige Management das eigene Unternehmen. In der Regel wird die Gesellschaft nach der Übernahme nicht mehr an der Börse gehandelt und Teile des Unternehmens werden verkauft, um das Fremdkapital zu tilgen. Nach der Tilgung werden die Aktien wieder an der Börse eingeführt und mit Gewinn veräußert.30 Für das Management, das eine expansive Unternehmenspolitik mit dem Ziel, das Vermögen des Unternehmens und nicht dessen Wert zu erhöhen, verfolgt 31, ergeben sich allerdings auch erhebliche Risiken. Die Verwaltung gefährdet ihre Position durch eine nicht an der Rentabilität des eingesetzten Kapitals orientierte Unternehmenspolitik, weil sinkende Börsenkurse dieses Defizit widerspiegeln und deshalb eine Übernahme der Gesellschaft durch sogenannte „corporate raiders" verbilligen. Die nicht nach wirtschaftlichen, sondern nach dem Management nützenden Gesichtspunkten gebildeten Konzernverbindungen können in der Folgezeit dann wieder mit erheblichem Gewinn für die Beteiligten in unabhängige Einzelgesellschaften zerlegt werden. Mit der Gesellschaftsumbildung wird gleichzeitig das Management ausgewechselt.32 Für die Aktionäre ist diese Übernahme deshalb vorteilhaft, weil der Bieter ihnen zur Erlangung der Kontrolle über das Zielunternehmen ein Angebot machen muß, das über dem jederzeit am Kapitalmarkt zu erzielenden Erlös liegt.33 Aufgrund dieser Zusammenhänge hat sich ein Markt für Unternehmenskontrolle gebildet, über den die Wirtschaftspraxis die Fehlallokationen, die sich aus den zu weitgehenden Thesaurierungsmöglichkeiten ergeben, abzugleichen versucht.34 Vom Regelungsgegenstand her sind die soeben behandelten Fragen dem Kapital28 29 30 31 32 33 34

Lutter / Wahlers AG 89, 1 (1) Lutter / Wahlers AG 89, 1 (2) Lutter / Wahlers AG 89, 1 (2) vgl. Adams AG 89, 333 (333), mit Studien aus der amerikanischen Wirtschaftspraxis Wagner ZGR 88, 210 (218 f); Adams AG 89, 333 (334) Kohl, S. 265 ausführlich Adams AG 89, 333 ff; Kohl, S. 265; Monopolkommission, Tz. 818 ff

180

F. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

marktrecht zuzuordnen35, das in Deutschland dem Bankrecht zugerechnet wird, aber eng mit dem Konzernrecht verbunden ist.36 Das Problem der Unternehmensübernahmen ist deshalb rechtspolitisch primär nicht über die Regelung der Thesaurierungskompetenz im Konzern, sondern über kapitalmarktrechtliche Instrumente, wie zum Beispiel die Einführung öffentlicher Übernahmeangebote37, zu lösen.38 Außerdem gewinnt die Übernahmeproblematik im deutschen Aktienrecht aufgrund des in § 5711 AktG normierten Grundsatzes der Kapitalerhaltung und der Regelung des § 71a I 1 AktG, wonach ein Rechtsgeschäft nichtig ist, sofern die Gesellschaft einem Dritten zum Zwecke des Erwerbes von Aktien der Gesellschaft einen Kredit gewährt, keine so große Bedeutung wie im amerikanischen Recht.39 Hinzukommt, daß in Deutschland die Großbanken durch eigene Anteile und die Ausübung des Depotstimmrechts in den Aufsichtsräten fast aller Großunternehmen mehrheitlich vertreten sind und dort im Zusammenwirken mit den von ihnen kontrollierten Managern bei weitgehender Interessengleichheit die Kontrollrechte ausüben.40 Die Großbanken haben deshalb an der Finanzierung von Übernahmen, für die in der Regel aufgrund des erheblichen Kapitalbedarfs eine Vorfinanzierung durch die Banken erforderlich ist, wenig Interesse.41 Das Depotstimmrecht der Banken, das zu einer Schwächung des Marktes für Unternehmenskontrolle führt 42 und dadurch die Position der Verwaltung stärkt, wird durch eine Ausdehnung der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung im Bereich der Gewinnverwendung noch verstärkt. 43 Das Depotstimmrecht eröffnet den Großbanken eine aus den Eigentumsrechten der Aktionäre, die ihr Weisungsrecht zumeist nicht ausüben44, abgeleitete Herrschaft, ohne daß dafür ein Entgelt entrichtet werden muß.45 Da die Banken gleichzeitig Kreditgeber der Unternehmen sind, in deren Kontrollgremien sitzen, bei der

Monopolkommission, Tz. 817 Emmerich / Sonnenschein, § 1 III 4a, S. 23 37 1 988 hat die EG-Kommission einen Vorschlag für eine 13. EG-Richtlinie über Übernahmeangebote vorgelegt, BR-Drucks. 136 / 89; vgl. A. Krieger, Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, S. 305 (317 f) 38 Monopolkommission, Tz. 819, 823 ff zu ausländischen Regelungen 39 Lutter / Wahlers AG 89, 1 (8 ff) 40 Adams AG 89, 333 (335); Baumbach / Hueck § 135 Rn. 1 41 Wagner ZGR 88, 210 (219); Adams AG 89, 333 (335) 42 Adams AG 89, 333 (335) 43 Kohl, S. 261 44 vgl. Baumbach / Hueck § 135 Rn. 1 45 Adams AG 89, 333 (335) 36

II. Wirtschaftliche Konsequenzen

181

Beschaffung des Eigenkapitals als Emissionsbanken tätig werden und das anlagesuchende Publikum beraten, ist das Depotstimmrecht seit langem umstritten.46 Die sich aus der Bankenmacht ergebenden rechtspolitischen Fragen können jedoch nur durch eine Neuordnung der Befugnisse der Universalbanken und ihrer Depotstimmrechte gelöst werden.47 Eine Einschränkung der Entscheidungsbefugnisse der Hauptversammlung würde die Ursache des Problems nicht beseitigen und gleichzeitig die Kompetenzen des Managements als des anderen Teils der Bank-Management-Koalition48 zu Lasten der Aktionäre stärken. Eine Stärkung der Gewinnverwendungskompetenz der Aktionäre der Hauptversammlung schwächt außer der Entscheidungskompetenz des Vorstandes auch diejenige des Aufsichtsrates. 49 Der Aufsichtsrat ist gem. § 7 MitBestG, sofern die Voraussetzungen des § 1 I MitBestG erfüllt sind, zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt, so daß eine rechtspolitisch unerwünschte Aushöhlung des Mitbestimmungsrechts eintreten könnte.50 Durch das MitBestG sollten die Rechte der Anteilseigner in der Hauptversammlung jedoch nicht eingeschränkt werden. Das Gesetz knüpft lediglich an die gesellschaftsrechtlich vorhandene Kompetenzordnung an und ergänzt diese im Hinblick auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, ohne die Kompetenzverteilung selbst zu beeinflussen oder zu verändern.51 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die gesamtwirtschaflichen negativen Folgen, insbesondere die geringe Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen, die gegen eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern immer wieder vorgebracht werden, sich bei einer genaueren Untersuchung nicht belegen lassen. Als gesamtwirtschaftlich äußerst bedenklich hat sich dagegen die durch eine erhöhte Selbstfinanzierungsmöglichkeit gestörte volkswirtschaftliche Kapitalallokation aufgrund der Bildung firmeninterner Kapitalmärkte erwiesen. Eine Lösung der damit eng im Zusammenhang stehenden kapitalmarktrechtlichen Fragen kann jedoch nicht über die Regelung der Thesaurierungskompetenz im Konzern erfolgen. Rechtspolitisch besteht deshalb keine Notwendigkeit, eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern zu untersagen. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Thesaurierungskompetenz sollten aber bei jeder Anwendungsregelung berücksichtigt werden.

46 Kohl, S. 261; Adams AG 89,333 (335); Baumbach / Hueck§ 135 Rn. l,Rn. 2 f zur Gesetzgebungsgeschichte 47 Adams AG 89, 333 (336) 48 Der Begriff stammt von Adams AG 89, 333 (335) 49 vgl. grundsätzlich zur Kompetenzverteilung A V 2b, bb 50 vgl. Kohl, S. 184 ff 51 RegE BT-Drucks. 7 / 2172, S. 25 zu § 23 MitBestG; Emmerich / Sonnenschein § 4 IV 3, S. 87; Kohl, S. 185

G. Entwicklung des EG-Rechts Die Konzernbildung in Europa macht nicht an den Grenzen der Mitgliedsstaaten halt und wird es in Zukunft noch weniger tun. Aus diesem Grund müssen die Schutzvorschriften zugunsten von Gesellschaften und Gläubigern gem. Art. 54 III g, 100, 101 EWGV harmonisiert werden. Denn differierende Bestimmungen in den Mitgliedsstaaten führen bei Herstellung des gemeinsamen Binnenmarktes zunehmend zu Wettbewerbsverzerrungen. 1 Seit fast zwei Jahrzehnten ist ein Schwerpunkt der Arbeiten der EG-Kommission daher die Erarbeitung einer Konzernrichtlinie. Die Arbeiten gestalten sich schwierig, weil es in der europäischen Gemeinschaft gegenwärtig nur in Deutschland und Portugal eine gesetzliche Regelung der verbundenen Unternehmen gibt.2 Die neunte EG-Richtlinie über die Verbindung zwischen Unternehmen, insbesondere Konzerne, wurde 1984 als Vorentwurf von der EGKommission veröffentlicht 3 und löste den Vorentwurf von 1974 / 75 ab.4 Durch die Richtlinie soll die Konzernbildung legalisiert werden und in Anlehnung an das deutsche Aktienrecht eine Zweiteilung zwischen Vertragskonzernen und faktischen Konzernen eingeführt werden, wobei der Vertragskonzern Vorrang haben soll.5 Da bereits der Vorentwurf der Kommission auf breite Ablehnung gestoßen ist, ist in absehbarer Zeit nicht mit einer Verabschiedung der Neunten EG-Richtlinie zu rechnen.6 Direkt mit der Gewinnverwendung befaßt sich die Fünfte EG-Richtlinie7, die am 19. 8.1983, nachdem bereits 1972 ein Vorschlag vorgelegt worden war, dem Rat der Europäischen Gemeinschaft in veränderter Fassung vorgelegt wurde. Durch die Richtlinie sollen die Vorschriften über die Struktur von Aktiengesell-

1

Gäbelein, FS Quack, S. 211 (212) Lutter ZGR 85,444 (444); Α. Krieger, Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, S. 305 (321) 3 BR-Drucks. 136 / 89; abgedruckt auch bei Lutter ZGR 85, 444 (446 ff) 4 Lutter ZGR, 444 (445) 5 A. Krieger, Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, S. 305 (321); Lutter ZGR 85, 444 (444) 6 A. Krieger, Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, S. 305 (321) 7 BR-Drucks. 416/83 2

G. Entwicklung eines EG-Rechts

183

schafìen, über die Befugnisse und Zuständigkeiten der Organe der Aktiengesellschaften und über die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungsprozessen harmonisiert werden.8 In Art. 50 enthält der Vorschlag der Fünften EG-Richtlinie eine Regelung der Gewinnverwendung. Art. 50 lautet wie folgt: ( 1 ) Die Hauptversammlung entscheidet über die Verwendung des Ergebnisses des Geschäftsjahres zuzüglich des Gewinnvortrages und der Entnahmen aus hierfür verfügbaren Rücklagen, jedoch vermindert um den Verlustvortrag sowie um Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in Rücklagen eingestellt worden sind. (2) Jedoch kann über einen Teil des in Absatz 1 bestimmten Betrages, der 50% nicht übersteigen darf, durch die Satzung verfügt werden. Diese Regelung soll die Kompetenzbereiche der Organe genau abstecken. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist Art. 50 nur bedingt geeignet, weil er erhebliche inhaltliche Mängel aufweist, die bei der Transformation in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten zu Rechtsunsicherheiten führen müssen.9 So ergibt sich aus Art. 50 I, daß die Hauptversammlung auch über Beträge, die aus verfügbaren Rücklagen entnommen wurden, entscheiden darf. Wer über die Auflösung der Rücklagen entscheidet, ist nicht geregelt. Unklar ist auch, ob die nach dem Gesetz in die Rücklagen einzustellenden Beträge nur auf verpflichtenden oder auch auf ermächtigenden oder gesetzlichen Vorschriften beruhen können. Außerdem enthält Art. 50 keine Erklärung, was unter „verfügbaren Rücklagen" zu verstehen ist. Auch beim Abzug der gem. Art. 50 II durch die Satzung gebildeten Rücklagen bleibt offen, ob die Satzung nach Absatz 2 gebildeten Rücklagen bereits in Absatz 1 bei der Berechnung der Entscheidungskompetenz berücksichtigt werden müssen.10 Das hier behandelte Problem der Aushöhlung oder Umgehung der Thesaurierungskompetenz der Hauptversammlung wird in Art. 50, trotz der Ausdehnung der Hauptversammlungskompetenz, nicht gelöst. Denn die Verwaltung trifft weiterhin die Gewinnverwendungsentscheidung in den Untergesellschaften als Geschäftsführungsmaßnahme und kann damit die Höhe des Jahresüberschusses der Obergesellschaft steuern.11

9 10 11

A. Krieger, Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, S. 305 (318) Niedernhuber WPg 85, 6 (9) zur Kritik Niederhuber WPg 85, 6 (10 ff) Linnhoff / Pellens ZfbF 87, 987 (1002); Kohl, S. 258; Gollnick, S. 200

184

G. Entwicklung des EG-Rechts

Da eine Verabschiedung der Fünften Richtlinie aufgrund des Streites um die darin enthaltene Mitbestimmung nicht unmittelbar bevorsteht12, sollte die Umgehungsproblematik in Art. 50 der Fünften EG-Richtlinie mitberücksichtigt werden.13

vgl. A. Krieger, Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, S. 305 (319), die Mitbestimmungsproblematik soll jetzt auf italienische Initiative aufgrund der erheblichen Meinungsverschiedenheiten ausgeklammert werden. 13 ähnlich Gollnick, S. 200

H . Lösungsansätze de lege ferenda Nach der hier vertretenen Lösung ist die bei der Anwendung des § 58 II AktG im Konzern festgestellte verdeckte Regelungslücke1 durch eine auf die Pflichten der Verwaltung abstellende und am Konzernabschluß orientierte teleologische Reduktion bereits de lege lata zu schließen2. Eine Lösung de lege ferenda ist deshalb nicht zwingend erforderlich. Eine gesetzliche Neuregelung würde aber angesichts des grundlegenden Meinungsstreits Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Einige Autoren glauben, die Thesaurierungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft nur durch eine Änderung des Aktiengesetzes absichern zu können.3 In der Unternehmensrechtskommission wurde die Auffassung vertreten, daß die Problematik des Verbleibens von Jahresüberschüssen der Tochtergesellschaften durch eine Bilanzierung nach der sogenannten Equity-Methode gelöst werden könne.4 Nach dem Grundkonzept der Equity-Methode wird der Wertansatz der Beteiligung ausgehend von den Anschaffungskosten in den Folgejahren entsprechend der Entwicklung des anteiligen bilanziellen Eigenkapitals fortgeschrieben. Durch die Equity-Methode gehen die in den Beteiligungsgesellschaften erzielten Gewinne sofort in die Bilanz der Obergesellschaft ein. Dadurch wird die Bildung stiller Rücklagen und eine zeitliche Verschiebung zwischen Erfolgsentstehung und Vereinnahmung der Gewinne verhindert, so daß es zu einem periodengerechten Ausweis der Beteiligungserträge kommt.5 Die Einführung der Equity-Methode bedarf einer Gesetzesänderung, da diese Bewertung nach deutschem Bilanzrecht nur bei assoziierten Unternehmen zulässig ist. Bei allen anderen verbundenen Unternehmen muß die Beteiligung mit dem Buchwert, der im Regelfall den Anschaffungskosten entspricht, in die Bilanz übernommen werden.6 Da der Gewinn der Tochterunternehmen direkt in die Bilanz der Obergesellschaft

1

vgl. Β II 2d vgl. C VII 3 Unternehmensrechtskommission, Tz. 1283; Lehertshuber BFuP 86,326 (337); ders., S. 164 4 Unternehmensrechtskommission, Tz. 1284 5 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 ( 108); Havermann, WP-Handbuch 85 / 86 Bd. II, S. 394; Baumbach / Duden / Hopt § 312 Anm. 1; Warschkow, S. 105 6 Wysocki, Konzernrechnungslegung und -prüfung, S. 105 ( 111 ); Havermann, FS Goerdeler, S. 173 (188); Warschkow, S. 105 2

186

H. Lösungsansätze de lege ferenda

übernommen wird, besteht die Gefahr einer Aushöhlung der Thesaurierungskompetenz der Aktionäre der Obergesellschaft bei Anwendung der Equity-Methode nicht. Allerdings sind im Ergebnis der Obergesellschaft weiterhin konzerninterne Zwischengewinne vorhanden7, weshalb es zu einer Ausschüttung unrealisierter Gewinne kommen kann.8 Die konzerninterne Ergebnisse werden nach der EquityMethode nur anteilig eliminiert. Entsprechend dem Minderheitenanteil sind konzerninterne Ergebnisse noch anteilig im Konzernerfolg enthalten.9 Außerdem erfordert die Einführung der Equity-Methode die Anpassung steuerrechtlicher Vorschriften, um eine mehrfache oder vorverlegte Besteuerung von Beteiligungserträgen zu verhindern. 10 Die Schwächen der Equity-Methode versucht Pick beim Vertragskonzern zu vermeiden, indem er die innerkonzernlichen Lieferungen und Leistungen entsprechend der Einheitsunternehmungsfiktion zu Konzernanschaffimgs- oder Konzernherstellungskosten verrechnen will. Durch diese Form der erfolgsneutralen Verrechnung werde eine dem Realisationsprinzip entsprechende Bilanzierung gewährleistet.11 Außerdem soll für die Gewinnverwendung im Vertragskonzern der anteilige Jahresüberschuß der Untergesellschaft als realisiert und damit unabhängig von der Ausschüttung als Bestandteil des Jahresüberschusses der Obergesellschaft gelten.12 Vom Jahresüberschuß seien aber die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen seien, sowie die Beträge, die aufgrund der Satzung in die Rücklage einzustellen seien, sofern die Obergesellschaft nicht über eine satzungsändernde Mehrheit verfüge, und die Garantiedividende an die Minderheitsaktionäre abzuziehen.13 Unter der Prämisse, daß das System des Nachteilsausgleichs funktionsfähig sei, betrachtet Pick die derzeitigen aktienrechtlichen Erfolgsermittlungsregeln für faktische Konzerngesellschaften als nicht änderungs- oder ergänzungsbedürftig. 14 Die Lösung Picks entspricht demnach einer modifizierten Anwendung der Equity-Methode.15 Noch weitergehend als Pick will Lehertshuber in seinem von ihm als „Konzernbilanz-Konzept" bezeichneten Lösungsvorschlag den Konzernabschluß wie den Abschluß eines Einheitsunternehmens aus den Geschäftsvorfällen der

7

vgl. c IV 4 Unternehmensrechtskommission, Tz. 1285; Pick, S. 257, 262; Kohl, S. 256 9 Warschkow, S. 107; Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (68) 10 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (69); vgl. grundsätzlich zum Einfluß des Steuerrechts auf das Konzernrecht Emmerich / Sonnenschein § 1 VI, S. 28 ff 11 Pick, S. 257 12 Pick, S. 181 ff 13 Pick, S. 261 14 Pick, S. 258 f 15 Kohl, S. 257 8

H. Lösungsansätze de lege ferenda

vertraglich konzernierten Unternehmen entwickeln und diesen Konzernabschluß zur Grundlage der Ausschüttungsbemessung machen.16 Außerdem fordert Lehertshuber zum Schutz der Minderheiten und zur klaren Abgrenzung des Realisationsbereichs, daß alle Beteilgungen mit Stimmrechtsmehrheit wie ein Vertragskonzern behandelt werden sollen.17 Die Beschränkung des von Pick vorgeschlagenen Lösungsansatzes auf den Vertragskonzern erfaßt nicht alle zu einer Umgehung des § 58 II AktG geeigneten BeherrschungsVerhältnisse. 18 Sowohl Lehertshuber als auch Pick berücksichtigen in ihren Lösungsansätzen die Besonderheiten von ausländischen Tochtergesellschaften nicht.19 Durch den Verzicht auf die Einzelabschlüsse bei Lehertshuber werden außerdem die Rechte der Gläubiger und Minderheitsaktionäre der Tochtergesellschaften gefährdet. 20 Zudem bedeutet die von Lehertshuber vorgeschlagene Fiktion eines Vertragskonzerns bei Stimmrechtsmehrheit einen tiefgreifenden Eingriff in die Vertragsfreiheit, dessen Auswirkungen auf das gesamte Konzernrecht von Lehertshuber nicht berücksichtigt werden.21 Einen völlig anderen Ansatz wählen Pütz und Willgerodt. 22 Ausgehend von der Überlegung, daß die Aktie als Finanzierungsinstrument wiederbelebt werden soll, muß ihrer Auffassung nach das Gesetz einen ungeschmälerten Gewinnzufluß an die Aktionäre gewährleisten. Zu diesem Zweck sei § 58 AktG aufzuheben und zumindest in Aktiengesellschaften, deren Aktien öffentlich gehandelt werden, sei ein Ausschüttungszwang vorzusehen. Bei anderen Aktiengesellschaften sei in Ausnahmefällen eine einstimmige Entscheidung der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung denkbar. Die Zwangsausschüttung begründen Pütz und Willgerodt damit, daß allein die Zuweisung der vollen Gewinnverwendungskompetenz an die Hauptversammlung noch keine Vollausschüttung an die Obergesellschaft gewährleiste, da die Hauptversammlungsmehrheit ähnliche Interessen wie die Verwaltung verfolgen könne.23 Die bisherige Regelung des §58 AktG beruhe auf der falschen Vorstellung, daß die Unternehmen eigene, von den Interessen ihrer Anteilseigner losgelöste Interessen verfolge. Diese Sichtweise sei mit dem Grundkonzept der Aktiengesellschaft nicht vereinbar und

16 17 18 19 20 21 22 23

Lehertshuber, S. 181 ff; ders., BFuP 86, 326 (337 ff) Lehertshuber, S. 189 ff; ders., BFuP 86, 326 (338 f) vgl. Β III 4, 5 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (67) Kohl, S. 256 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (68) Pütz / Willgerodt, S. 112 ff Pütz / Willgerodt, S. 112 f

188

H. Lösungsansätze de lege ferenda

führe zu einer wirtschaftlichen Enteignung der Aktionäre, die der Hauptgrund für die geringe Attraktivität der Aktie sei.24 Auch in der Monopolkommission25 wurde ein Vollausschüttungszwang diskutiert, der im Zusammenspiel mit der Erhöhung des Grundkapitals zur Deckung des Finanzierungsbedarfs des Unternehmens zu dem sogenannten „Schütt-ausHol-zurück-Verfahren" führe. Diese Verfahren steigere die Attraktivität der Aktie und erhöhe die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes.26 Eine Zwangsausschüttung wirft zunächst das Problem auf, welcher Gewinnbegriff der Ausschüttung zugrundezulegen ist. Der Jahresüberschuß eignet sich nicht dazu, da in ihm auch periodenfremde und außerordentliche Vorgänge enthalten sind, die das Jahresergebnis beeinflußen. Durch eine Ausschüttung des Jahresüberschusses kann die Liquidität und damit die Überlebensfähigkeit des Unternehmens deshalb beeinträchtigt werden.27 Außerdem ist bei der Zwangsausschüttung zu erwarten, daß sich die Verwaltung durch eine weitergehende Ausnutzung ihres Bewertungsspielraums einen eigenen Finanzierungsspielraum schaffen wird. 28 Um eine solche Anpassung der Verwaltung zu verhindern und die Effektivität des Vollausschüttungsgebotes zu sichern, müßte das gesamte Bewertungsrecht geändert werden. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Konzernrechnungslegung und das gesamte Konzernrecht wären kaum absehbar.29 Der durch Zwangsausschüttung unter Umständen erzielbare gesamtwirtschaftliche Allokationsvorteil wird zudem durch die gleichzeitig entstehenden Transaktionskosten aufgehoben. 30 Niedernhuber schlägt aufgrund dieser Schwächen einer Zwangsausschüttung eine stimmrechtsorientierte Ausschüttung, wie sie die Fünfte EG-Richtlinie vorsieht31, vor. Er sieht in dieser Lösung, sofern flankierend eine Stärkung der Effizienz der Hauptversammlung erfolgt, die trotz einiger Schwächen angemessenste Gewinnverwendungsregelung.32 Bei der Erörterung des Art. 50 der Fünften EG-Richtlinie wurde bereits festgestellt, daß die dort vorgesehene Übertragung der vollen Thesaurierungskompetenz auf die Hauptversammlung das vorliegend

24 25 26 27 28 29 30 31 32

Pütz / Willgerodt, S. 114 f Monopolkommission, Tz. 808 Monopolkommission, Tz. 809 Monopolkommission, Tz. 810; Niedernhuber, S. 264 f, 267 ff Niedernhuber, S. 265 f; Monopolkommission, Tz. 810 Monopolkommission, Tz. 810 Niedernhuber, S. 264,290 m. w. N. vgl. G Niedernhuber, S. 291 f

H. Lösungsansätze de lege ferenda

erörterte Umgehungsproblem nicht löst, da die Verwaltung weiterhin die Möglichkeit hat, Gewinne in den Tochtergesellschaften zu thesaurieren.33 Als Kompromißlösung schlägt die Monopolkommission deshalb vor, der Verwaltung wie bisher eine Thesaurierungskompetenz einzuräumen, bis die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals erreicht haben. Sobald diese Grenze erreicht sei, solle die Gewinnverwendungsentscheidung ganz auf die Anteilseigner verlagert werden.34 Auch diese Lösung würde eher zu einer Verschärfung des Umgehungsproblems als zu seiner Lösung beitragen, da die Verwaltung in noch stärkerem Umfang Rücklagen in den Untergesellschaften bilden würde, um die eigene Gewinnverwendungskompetenz nicht zu schmälern.35 Bei der Entwicklung einer Anwendungsregel des § 58 II AktG im Konzern wurde bereits darauf hingewiesen36, daß einige Autoren den Konzernabschluß zur Bemessungsgrundlage für die Gewinnverwendung in der Obergesellschaft nehmen wollen.37 Begründet wird dies mit der Vermeidung einer Schmälerung der Gewinnansprüche der Aktionäre durch die Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften und der Gefahr der Ausschüttung nicht realisierter Gewinne aus konzerninternen Geschäften 38. Diese de lege ferenda vorgeschlagene Lösung kommt mit den von Busse von Cölbe vorgeschlagenen Modifikationen des Konzernabschlusses39 der hier de lege lata vorgeschlagenen am Konzernabschluß orientierten Pflichtenlösung 40 sehr nahe. Der Funktionswandel des Konzernabschlusses von einer Informationsfunktion zu einer direkten Ausschüttungsbemessungsfunktion würde jedoch eine grundlegende Gesetzesänderung erfordern, die im Ergebnis weitreichendere Folgen haben wird als die Änderung des bisher auf den Einzelabschluß bezogenen § 58 AktG.41 Denn durch einen Rückgriff auf den Konzernabschluß als Ausschüttungsgrundlage wird die wirtschaftliche Einheit des Konzerns bei gleichzeitiger Einschränkung der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit der Konzernunter-

vgl. G; Monopolkommission, Tz. 810 Monopolkommission, Tz. 812 35 wie hier Kohl, S. 259 36 C VII 2, 3 37 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (69 ff); Ordelheide BFuP 86, 293 (309); Kirchner ZGR 85,214 (233) geht sogar noch weiter und will auch die Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter abhängiger Unternehmen nicht mehr am Gewinn der Tochtergesellschaft, sondern unter Einbeziehung der Synergieeffekte am Gesamtkonzernergebnis bemessen. 38 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (70) 39 Busse v. Cölbe, FS Goerdeler, S. 61 (69 ff) 40 C VII 41 Warschkow, S. 113; vgl. C VII 2 zur Funktion des Konzernabschlusses 34

13 Frodermann

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H. Lösungsansätze de lege ferenda

nehmen stärker betont. Diese Entwicklung zu einer Rechtssubjektivität wird auch die Bereitschaft den Konzern als Haftungseinheit zu behandeln, steigen lassen.42 gehen die wesentlichen in der Konzernierung erblickten Vorteile der Haftungssegmentierung und der Flexibilität zunehmend verloren. 43 Dieser Zusammenhang muß bei einer gesetzlichen Neuregelung mitbedacht werden. Die gesetzliche Zuweisung der Ausschüttungsbemessungsfunktion an den Konzernabschluß mag zwar die konsequenteste Lösung der bei der Thesaurierungskompetenz im Konzern auftretenden Probleme sein, aufgrund ihrer weitreichenden Auswirkungen auf das Konzernrecht sollte eine Kodifikation aber nur im Zusammenhang mit einer grundlegenden Reform des Konzernrechts erfolgen, durch die die wirtschaftliche und rechtliche Stellung des Konzerns in der Wirtschaftspraxis geklärt wird. 44 Hinzukommt, daß in Art. 50 der Fünften EG-Richtlinie45 bereits eine europäische Regelung der Thesaurierungskompetenz in Vorbereitung ist. Angesichts der Bedeutung europaweit tätiger Konzerne46 und der Öffnung des EG-Binnenmarktes 1993 sollte eine EG-rechtliche Lösung des Problems gesucht werden und nicht auf eine kurzfristige Gesetzesänderung gedrängt werden, die nach der Verabschiedung der Fünften-EG-Richtlinie wieder revidiert werden müßte.47 Ein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht nicht, da die bei der Gewinnverwendung im Konzern festgestellte verdeckte Regelungslücke48 de lege lata bereits durch eine teleologische Reduktion des § 58 II AktG interessengerecht geschlossen werden kann.49

42 43 44 45 46 47 48 49

vgl. Kohl, S. 258 vgl. Emmerich / Sonnenschein § 1 III 3, S. 15 f ähnlich Rittner ZGR 90, 203 (209) vgl. G vgl. Gäbelein, FS Quack, S. 211 (212) i. E. ebenso Rittner ZGR 90, 203 (209) vgl. Β II 2d vgl. C VII

I . Zusammenfassung und Formulierung eines Ergebnisses Die vorliegenden Arbeit befaßt sich mit der speziellen und scheinbar ganz einfach zu beantwortenden Frage, ob und wenn ja, wie der § 58 II AktG im Konzern anzuwenden ist. Über das Problem, daß die Verwaltung einer Obergesellschaft den nach einem heftigen Streit im Gesetzgebungsverfahren in § 58 II AktG 1965 gefundenen Kompromiß einer hälftigen Thesaurierungskompetenz der Verwaltung und der Hauptversammlung durch eine vermehrte Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften umgehen kann, besteht in der Literatur kein Streit. Bei einer Einordnung des Problems in den rechtlichen Zusammenhang wurde deutlich, daß die so speziell erscheinende Frage der Gewinnverwendung im Konzern auf die im Ansatz bereits höchst umstrittenen Fragen des Konzernorganisationsrechts zurückgeht. Bei der Entscheidung über die Anwendung des § 58 II AktG müssen die vielschichtigen, sich teilweise überlagernden, zum größtenteil aber gegenläufigen Interessen der am Konzern Beteiligten berücksichtigt und ausgeglichen werden. Vor diesem Hintergrund ist die Fülle der zu den Fragen der Thesaurierungskompetenz im Konzern vertretenen Meinungen verständlich, die von einer mehr oder weniger rigorosen Ablehnung einer konzernweiten Anwendung des § 58 II AktG über eine Anknüpfung an die Pflichten der Verwaltung bis zu einer direkten Durchrechnung oder einem Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen reichen. Es zeigte sich, daß die unterschiedlichen Meinungen und Ergebnisse nicht allein auf Fehler oder Widersprüche in den Argumentationen zurückzuführen sind, sondern auf unterschiedlichen methodischen Ansätzen und rechtspolitischen Interessenbewertungen beruhen. Jede juristische Auseinandersetzung mit der Thesaurierungskompetenz im Konzern ist deshalb dem Verdacht ausgesetzt, daß lediglich ein aus dem rechtspolitischen Standpunkt des Autors gewonnenes Ergebnis nachträglich juristisch begründet wird. Diesem Verdacht kann eine rechtswissenschaftliche Untersuchung nur durch eine lückenlose und umfassende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lösungsansätzen begegnen. In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb Wert darauf gelegt, die verschiedenen zur Anwendung des § 58 II AktG im Konzern vertretenen Argumente methodisch einzuordnen und auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen, ohne eine rechtspolitische

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I. Zusammenfassung und Formulierung es Ergebnisses

Wertung vorzunehmen. Die methodische Prüfung ergab, daß § 58 II AktG aufgrund seines klaren Wortlauts und eindeutigen Regelungsgehalts nicht auslegungsfähig ist. Die Beschränkung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung auf 50% des Jahresüberschusses in § 58 II AktG erwies sich jedoch als echter Kompromiß. Ziel dieses Kompromisses sollte eine Stärkung der Aktionäre ssin, denen im Gegensatz zum AktG 1937 ein materielles Mitspracherecht bei der Gewinnverwendungsentscheidung eingeräumt werden sollte. Aufgrund der unbeschränkten Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften durch die die Mitgliedsschaftsrechte ausübende Verwaltung der Obergesellschaft kann diese den gesetzgeberischen Kompromiß umgehen und die Thesaurierungskompetenz ihrer Hauptversammlung aushöhlen. § 58 II AktG enthält somit eine scheinbar vollständige und dem Normzweck entsprechende Regelung. Sobald, aber auch nur dann, wenn die herrschende Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an der beherrschten Gesellschaft besitzt und diese einheitlich leitet, liegt eine verdeckte Regelungslücke des § 58 II AktG vor, die durch eine teleologische Reduktion geschlossen werden muß. Nur bei Vorliegen der beiden soeben genannten Voraussetzungen kann der Unternehmensverbund trotz der formalrechtlichen Selbständigkeit der Tochtergesellschaften als wirtschaftliche Einheit angesehen werden. Nach der grundsätzlichen Bejahung der Anwendbarkeit des § 58 II AktG im Konzern stellte sich die Frage, wie die teleologische Reduktion der Norm zu erfolgen hat. Eine Lösung ohne die direkte Einschränkung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung trägt dem Schutzbedürfnis der Aktionäre nicht ausreichend Rechnung. Eine sogenannte Durchrechnung erwies sich bereits in bilanzieller Hinsicht als verfehlt, weil sich der Konzernabschluß nicht aus der Addition der Einzelabschlüsse ergibt. Außerdem führt die Nichtberücksichtigung konzerninterner Zwischenergebnisse und der Verluste von Tochtergesellschaften bei einer Durchrechnung oder einem Vorwegabzug der in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen zu der Gefahr von Ausschüttungen aus der Substanz des Konzerns. Es ergab sich, daß ein Abstellen auf die Pflichten der Verwaltung angesichts der Komplexität des Problems und der scharfen Nichtigkeitsfolge aus § 256 I Nr. 4 AktG gegenüber den Anrechnungsansätzen die flexiblere und interessengerechtere Lösung darstellt. Danach kann die Verwaltung der Obergesellschaft in ihrer Gesellschaft zwar mehr Rücklagen bilden als sie hätte bilden können, wenn die Konzerngesellschaften nur Betriebsabteilungen der Obergesellschaft wären, sie darf es aber nicht. Anders als die bisher vertretene Pflichtenlösung, die der Verwaltung die Wahl zwischen dem geprüften Konzernabschluß und der Addition der Einzelabschlüsse läßt, wird in der hier vertretenen Lösung allein auf den Konzernabschluß zur Konkretisierung der Pflichten der Verwaltung abgestellt. Denn der Konzernabschluß bildet die verläßlichste Berechnungsgröße der Gewinnverwendungskom-

I. Zusammenfassung und Formulierung eines Ergebnisses

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petenz, weil in ihm der Konzern durch die Konsolidierung gem. § 297 III HGB für die Zwecke der Rechnungslegung als wirtschaftliche Einheit dargestellt wird. Der Konzernabschluß ist allerdings — ebenfalls in Abweichung von der bisher vertretenen Pflichtenlösung — so zu modifizieren oder zu bereinigen, daß die aus den verschiedensten Gründen nicht disponiblen Gewinne herausgerechnet werden. Ohne diese Modifikation kann es zu einer Ausschüttung unrealisierter Gewinne kommen. Gegen diese Lösung spricht auch nicht das Argument, der Konzernabschluß sei nicht Grundlage der Ausschüttung. Denn die Ausschüttung erfolgt weiterhin auf der Grundlage des Einzelabschlusses der Konzernobergesellschaft. Lediglich die Pflichten der Verwaltung zur Aufrechterhaltung der Thesaurierungskompetenz der Obergesellschaft werden mit Hilfe des modifizierten Konzernabschlusses bestimmt. Auch die Frage der Sanktionen eines Verstoßes gegen die aus § 58 II AktG für den Konzern abgeleitete Anwendungsregel erwies sich als sehr umstritten. Eine Nichtigkeit gem. § 256 I Nr. 4 AktG wurde verneint, weil diese Rechtsfolge nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei klaren und eindeutigen Rechtsverstößen eingreifen soll. Ein solcher eindeutiger Verstoß liegt bei einer Anwendung des § 58 II AktG auf Konzernsachverhalte mit ihren komplizierten Berechnungen, bilanziellen Problemen und Unsicherheiten bezüglich des Vorliegens eines Konzerntatbestandes nicht vor. Auch eine Anfechtung der Verwaltungsentscheidung analog § 254 AktG stellt keine angemessene Sanktion dar, weil die Norm einen Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung als Anfechtungsobjekt voraussetzt und es vorliegend um eine Frage der Gewinnermittlung der Verwaltung geht. Eine Sonderprüfung analog §§ 258 ff AktG ist aufgrund ihres unterschiedlichen Regelungsgehalts als Sanktion bei einem Pflichtverstoß der Verwaltung im Bereich des § 58 II AktG nicht geeignet. Denn Gegenstand der Sonderprüfung können nur Bilanzierungsfehler sein, die einen Verstoß gegen gesetzliche BilanzierungsVorschriften darstellen. Die §§ 258 ff AktG sind unanwendbar, wenn die Verwaltung bilanzrechtlich erlaubte aber pflichtwidrige Entscheidungen trifft. Die Aktionäre können den Entlastungsbeschluß jedoch gem. § 243 AktG anfechten, wenn die Verwaltung erklärt, sie habe die Rücklagenbildung in den Tochtergesellschaften nicht berücksichtigt und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Bei einer derartig schwerwiegenden Pflichtverletzung muß es den Aktionären ermöglicht werden, der Verwaltung öffentlich ihr Mißtrauen auszusprechen, auch wenn die Anfechtung nur praktische und keine direkten rechtlichen Auswirkungen hat. Da das Anfechtungsrecht eine sehr schwache Sanktion darstellt, wurde den Aktionären eine Individualklagebefugnis bei einer Pflichtverletzung der Verwaltung eingeräumt. Die Klage kann der einzelne Aktionär aus eigenem Recht gegen die Gesellschaft erheben. Als Klageart ist wahlweise eine vorbeugende Unterlassungsklage oder eine Feststellungsklage möglich. Die

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I. Zusammenfassung und Formulierung es Ergebnisses

Unterlassungsklage kann allerdings nicht auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und damit auf Neufeststellung des Jahresabschlusses gerichtet werden. Denn der Gesetzgeber wollte die Rechtswirksamkeit des einmal festgestellten Jahresüberschusses aus Gründen der Rechtssicherheit nach Möglichkeit erhalten. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Aktionäre wird dadurch Genüge getan, daß die Verwaltung im nächsten Geschäftsjahr die unzulässig gebildete Rücklage auflösen muß. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Feststellungsklage besteht deshalb, weil anzunehmen ist, daß sich die Gesellschaft nach gerichtlicher Klärung auch rechtmäßig verhalten wird. Nach der Herausarbeitung des de lege lata entwickelten Lösungsvorschlags wurde kurz auf die immer wieder gegen eine Anwendung des § 58 II AktG im Konzern vorgebrachten gesamtwirtschaftlichen Argumente, die methodisch als rechtspolitische Anregungen zu verstehen sind, eingegangen. Es zeigte sich, daß die im internationalen Vergleich mangelnde Eigenkapitaldecke deutscher Unternehmen und der ständige Rückgang der Eigenkapitalquote empirisch nicht nachweisbar ist. Als entscheidender volkswirtschaftlicher Nachteil erwies sich die Wettbewerbs- und kapitalmarktgefährdende Bildung firmeninterner Kapitalmärkte durch eine verstärkte Selbstfinanzierung der Unternehmen. Audi die in Art. 50 des Kommissionsvorschlags der Fünften EG-Richtlinie geregelte Gewinnverwendungsbefugnis, die der Hauptversammlung die gesamte Entscheidungsbefugnis überträgt, enthält keine Lösung des hier behandelten Umgehungsproblems bei der Rücklagenbildung im Konzern. Abschließend zeigte sich, daß die zur konzernrechtlichen Rücklagenbildung entwickelten Lösungsvorschläge de lege ferenda umfassende Gesetzesänderungen erfordern, deren Auswirkungen auf das gesamte Konzernrecht noch nicht abschließend diskutiert sind und das Problem überwiegend nicht überzeugend lösen. Lediglich der Vorschlag, den Konzernabschluß mit einigen Modifikationen zur Ausschüttungsbemessungsgrundlage zu machen, ist bedenkenswert. Aber auch diese Lösung erfordert eine umfassende Gesetzesänderung und hat Auswirkungen auf das gesamte Konzernrecht, die erst noch abgewogen und diskutiert werden müssen. Eine nationale gesetzliche Neuregelung sollte deshalb im Zusammenhang mit der Reform des Konzernrechts und nicht vor der Verabschiedung der Fünften EG-Richtlinie durchgeführt werden. Es erscheint sinnvoll, die hier behandelte Umgehungsproblematik in die Diskussion um Art. 50 der EG-Richtlinie einzubringen und dort auf eine Kodifizierung einer auf die Pflichten der Verwaltung der Obergesellschaft abstellenden konzernrechtlichen Lösung hinzuwirken. Ein unmittelbarer nationaler gesetzlicher Handlungsbedarf besteht derzeit nicht, da die hier vorgeschlagene Lösung de lege lata zu praktikablen Ergebnissen führt.

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